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Neues Ai'chiv

für

Sächsische Geschichte

und

Altertumskunde.

Herausgegeben

von

Dr. Hubert Ermiscli,

K. Regierimgsrat.

Einnndzwanzigster Band. 4^"^

Nebst eiueni Beilieft: Festschrift zum fünfiuidsiebzigjährigeii Jubiläum des Königlich Sächsischen Altertumsvereins.

Dresden 1900. Wilhelm Baensch, Verlagsliandlung.

THE GETTY CENTER

I tnriAnu

Inhalt.

Seite

I. Sachsen und die Hussitenkriege. Von Biblio- thekar Dr. Ernst Kroker in Leipzig .... 1

II. Meister Peter von Pirna. Von Realschulober- lehrer Oskar Speck in Pirna 40

in. Die sächsischen Grenadiere in der Schlacht . bei Hohenfriedeberg. Von Dr. G. Vorberg in Berlin 55

IV. Stand und Aufgaben der historischen Topo- graphie in Sachsen. Von Archivsekretär Dr. Hans Beschorner in Dresden 138

V. Theodor Flathe, gestorben den 26. März 1900. Vom Herausgeber 160

VI. Kleinere Mitteilungen 166

1. Die Königlicli Sächsische Kommission für Ge- schichte im Jahre 1899. Vom Heransgeber. S. 166. 2. Ein interessanter Eiublattdruck. Von Lic. Dr. 0. Giemen in Zwickau. S. 169. 3. Ein Rätsel Hieronymus Emsers. Von demselben. S. 170.

Litteratur 172

VII. Der Anteil der Gaue Milsca und Nisani an der Sächsischen Schweiz. Von Dr. Alfred Meiche in Dresden 201

VIII. Johannes von Eisenberg, Kanzler Friedrichs des Ernsthaften. Von Prof. Dr. Karl Wenck in Marburg a./L. 214

IX. Das sächsische Obersteuerkollegiura. Von Sekre- tär Heinrich Haug in Dresden 224

X. La societe des antisobres. Von Dr. Paul Haake in Berlin 241

IV Inlialt.

Seite

XI. Kleinere Mitteilungen 255

1. Ein Pegauer Stadtbiich. Vom Ilerauss-eber. S. 255. 2. Ein lesenswerter Brief des Joseph Levin Metzsch von 1551 April 24. Von Arcliivrath Dr. Berthold Schmidt in Schleiz. S. 257. 3. Bei- träire zur sächsischen Glockciikiinde. Von Hofrat Prof. Dr. Cornelius Gurlitt in Dresden. S. 259. 4. Zwei theologische Abhandlungen des Georg Agricola. Mitgeteilt von Gymnasiallehrer Lic. Dr. Otto Giemen in Zwickau. S. 265.

Litteratiir 274

Register , 306

Besprochene Schriften.

Seite

Bär, Anton, Beiträge ziir Geschichte der Herrschaft Wiesenburg

und der Stadt Kirchberg (Ermisch) .^ 291

Bauch, Geschichte des Leipziger Frühhuraanismus (Gefs) . . . 275 Die Einführung der Melanchthonischen Declamationen und andere gleichzeitige Keformen an der Universität zu Witten- berg (G. Müller) 276

Becker, Bernh., Zinzendorf und sein Ghristenthum (G. Müller) 279 Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte XIV (G. Müller) . 182 Benz, Karl, Die Stellung der Bischöfe "von Meifsen, Merseburg

und Naumburg im Investiturstreite (Becker) 274

Bergner, H. , Urkunden zur Geschichte der Stadt Kahla (Er- misch) 292

Berling, Das Meifsner Porzellan und seine Geschichte (Haenel) 184 Buchwald, Beformationsgeschichte der Stadt Leipzig (Erraisch) 287

Dietterle, Joh., Burkhardswalde (Ermisch) 289

V Friesen, Geschichte der reichsfreihenlichen Familie von Friesen

(Th. Schön) 182

Frost, Illustrierte Chronik von Grünberg (Ermisch) 290

Georgi, Otto, Reden und Ansprachen (Ermisch) 289

Götz, Zinzendorfs Jugendjahre (G. Müller) 279

Hassel, Aus dem Leben des Königs Albert von Sachsen (Gefs) 281 Heydenrcich, Aus der Geschichte der Reichsstadt ]\Iühlhausen i.Tb.

(Ermisch) 293

Jecht, Codex diplomaticus Lusatiae superioris II, Bd. I (Knotlie) 175 Kaemmcl, Sächsische Geschichte (Beschorner) ...... 176

Kehr, Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg 1 (Ermisch) . . 172 Kirchengalerie, Neue Sächsische I, 1—12. II'', 1—2 (Ermisoh) . 282 Kreyfsig, Erster Nachtrag zum Album der evangelisch-lutherischen

Geistlichen im Königreich Sachsen (Ermisch) 284

Meinardus, Der Katzenelnbogensche Erbfolgestreit Bd. I (Heyden- rcich) 179

Müller, Jos. Tb., Zinzendorf als Erneuerer der alten Brüderkirche

(G. Müller) 279

Inhalt. V

Seite

Richter, Max, Kurze Geschichte der Schule zu Neukirchen

(G. Müller) 294

V. Schimpft', Prinz Georg von Sachsen (Ermisch) 281

Schmid, 0., Musik am sächsischen Hofe (A. W. Schmidt) . . . 294 Schmidt, K. A., Bunte Bilder aus vergangenen Tagen (Ermisch) 291 Unger, Herm , Lugau in alter und neuer Zeit (Ermisch) . . . 292

V. Welck, Frhr., Georg der Bärtige (Heydenreich) 276

Wustmann, G., Franz Wilhelm Kreuchaufs Schriften zur Leipziger

Kunst (Ermisch) 287

Leipzig und die Leipziger Immobiliengesellschaft (Ermisch) 288 Wuttke. Sächsische Volkskunde (WeinhoUl) 177

Redakteur: Dr. Hubert Ermisch. Buehdruclterei der Verlagshandlune.

I. Sachsen und die Hussitenkriege.

Von

Ernst Kroker.

Die Zeit der Hussitenkriege ist eine der trübsten Zeiten der deutsclien Geschichte. Trübselig waren die politischen Zustände in Deutschland: die Ohnmacht des Reichs und die Schwäche des römischen Königs, des Luxemburgers Sigmund, die Uneinigkeit der Reichsfürsten, die Planlosigkeit, mit der man verhältnismäfsig grofse Heere in das feindliche Land warf, und die Hilflosigkeit, in der man das eigne Land der Verwüstung der erbitterten Feinde preisgab. Die Grenzländer Böhmens, Schlesien, die Lausitzen, Meifsen, das Vogtland und Franken, wur- den damals von den Hussiten oder Hussen, wie sie deutsch genannt wurden, furchtbar verheert. Noch jetzt zeugen zahlreiche Wüstungen von den Leiden jener Zeit, und manche gleichzeitige Nachricht erzählt uns von den Schrecken jenes Kampfes, der zugleich ein Glaubens- kampf und ein Rassenkampf war: ein Kampf des böh- mischen Hussitentums gegen das katholische Papsttum und der slavischen Czechen gegen die germanischen Deutschen.

Trübselig ist auch die geschichtliche Überlieferung der Hussitenkriege. Während die Böhmen leicht begreif- licher Weise die Grölse ihrer Siege den Gegnern zu Spott und Schande übertrieben, fanden unbegreiflicher Weise die Deutschen eine selbstquälerische Freude darin, die Gröfse ihrer eignen Niederlagen zu übertreiben. Das Entsetzen, das in den letzten Jahren des Krieges vor den Hussiten herzog, hat die Geschichtschreibung der

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI. 1. •>. 1

2 Ernst Kroker:

früheren Zeiten beeinflnfst. Immer wieder lesen wir bei den gleichzeitigen Schriftstellein und den späteren Ge- schichtschreibern von den angeblich Hunderttausenden von Deutschen, die in Böhmen eingefallen und plötzlich wie in einem panischen Schrecken vor den viel schwächeren Feinden geflohen wären. Auch zahlreiche Sagen haben die geschichtliche Wahrheit gefälscht. Ich erinnere an den angeblichen Zug der Hussiten nach Naumburg und an die Fabeln, die mit der angeblich dreimaligen Zer- störung des Städtchens Taucha bei Leipzig verknüpft worden sind. Hat man doch sogar den Aufschwung der Leipziger Messen mit der Verwüstung von Taucha in Zusammenhang gebracht!

Gegenüber diesen Sagen und einer unsicheren Über- lieferung, wie sie bei den Chronisten vorliegt, müssen wir auf die einzigen sicheren Nachrichten zurückgehen, die gleichzeitigen Urkunden. Meine Untersuchung hat besonders drei Ergebnisse gehabt : I. Die deutschen Heere, die nach Böhmen gezogen sind,., sind nicht entfernt so stark gewesen, wie sie in der Überlieferung angegeben werden. II. Von einem wirklichen Hussitenschrecken kann in Deutschland vor dem grofsen Raubzug von 1430 nicht die Rede sein. III. Die Vorwürfe, die von den Geschichtschreibern gegen die Feigheit der Deutschen erhoben werden, sind nicht gerechtfertigt, sie sind viel- mehr gegen die Uneinigkeit und Schwäche der Reichs- fürsten zu richten, von denen keiner für sich allein stark genug war, sein Land zu schützen.

Aus kleinen Anfängen wuchs das Unheil empor. Als Johann Hüls am 6. Juli 1415 in den Flammen des Scheiterhaufens zu Konstanz seine Seele aushauchte, ahnte wohl keiner von den versammelten Fürsten, dals die Funken von diesem Scheiterhaufen noch ganz Mittel- deutschland in Brand setzen würden. Auch als sich die Böhmen nach dem Tode ihres alten Königs Wenzel gegen den neuen König Sigmund, der zugleich römischer König war, zur Wehre setzten, glaubte man wohl, des Aufstands und der Ketzerei leicht Herr werden zu können. Als aber Papst Martin V. am 1. März 1420 von Florenz aus alle Länder der Christenheit zu einem Kreuzzuge gegen die Hussiten aufrief und König Sigmund am 14. Juli 1420 mit dem ersten Kreuzfahrerheere, das gegen 80000 Mann gezählt haben soll, vor den Thoren von Prag durch die Hussiten unter Zizkas Führung eine

Sachsen imd die Hussitenkriege. 3

Niederlage erlitt und im März des nächsten Jahres 1421 nach einer zweiten Niederlage aus seinem Königreiche Böhmen weichen mulste, da erkannte man, dafs der Auf- stand nur durch ein grofses Reichsheer niedergeworfen werden konnte.

Im Hochsommer 1421 rüstete man sich zu dem zweiten Kreuzzuge gegen die Hussiten. Die deutschen Scharen sammelten sich um Eger. Das Heer sei grofs und mächtig, schreibt der Nürnberger Rat^). Auf 100 000 Reiter „ane die wägen und fulsknecht" schätzt es einer der Teilnehmer an der Fahrt-), und er fügt hinzu, die Fürsten wüIsten selbst nicht, „wie stark man hie ist". Dem entspricht es, dals andere Nachrichten das ganze Heer 200000 Mann stark, ja noch stärker sein lassen^). Zweifellos hätte das Reich bei einem all- gemeinen Aufgebot ein Reiterheer von 100 000 Mann zusammenbringen können. Aber wäre ein solches Heer, das doch mindestens noch ebensoviel Fulsvolk gezählt hätte, auf den elenden Wegen jener Zeit vorwärts zu bringen und zu ernähren gewesen ? Und vor allem , hat das Reich in den Hussitenkriegen jemals die ganze Volkskraft aufgeboten? Dies geschah nicht ein einziges Mal. Es waren immer nur einzelne Reichsfürsten, die zu den Einfällen in Böhmen zusammenkamen, und oft genug kamen sie gar nicht selbst, sondern schickten nur Truppen. Dieser Umstand legt von vornherein die Vermutung nahe, die Angaben der Chronisten über die gewaltige Heeresstärke der Deutschen möchten auf Über- schätzungen und Übertreibungen beruhen, und aus den gleichzeitigen Urkunden läfst sich der Beweis hierfür beibringen.

Für den zweiten Kreuzzug haben wir ein ganz un- verdächtiges, authentisches Zeugnis in einem Briefe, der am 22. September von Saatz aus geschrieben worden ist, als das deutsche Heer schon in seiner ganzen Stärke im Feindeslande stand. In diesem Briefe*) heilst es: „wisse euch, das die herolt ubersclagent habend, daz wir von ritterschaft bi den viertusent ritteren und knechten

0 Am 12. September. Vergl. Palacky, Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Hussitenkrieges vom Jahre 1419 an. I, Nr. 135.

-) Deutsche Reichstagsakten VIII, Nr. 93.

^) Siehe die Nachweise bei Palackv, Geschichte von Böhmen III, 2, 250 Anm. 214.

*) Deutsche Reichstagsakten VIII, Nr. 94.

4 Ernst Kroker:

liabent." Bei der wirklichen Zählung sind also die an- geblich 100 000 Reiter auf 4000 zu.sammengeschwunden ! Das Fulsvolk ist wahrscheinlich überhaupt nicht gezählt worden. Die Stärke der deutschen Heere beruhte damals auf den schwer gerüsteten Rittern und Knechten. Das Fufsvolk lief nebenher mit. Rechnen wir das Fuisvolk nach dem Nürnberger Anschlage von 1422, vergl. weiter unten fünf- bis sechsmal so stark als die Reiterei, so bestand das ganze Heer des zweiten Kreuzzuges aus etwa 30 000 Mann, für jene Zeiten immerhin ein stattliches Heer.

Es war besonders von den vier rheinischen Kurfürsten und den Markgrafen von Meilsen ausgerüstet worden. Die Kurfürsten von Köln, Trier und Kurpfalz nahmen selbst an dem Zuge teil, der von Mainz hatte Truppen entsendet^). Am 28. August brach das rheinische Heer von Eger auf und drang unter schauerlichen Verwüstungen das Egerthal hinab '^). Schon vorher waren unsere meifsner Markgrafen von Norden über das Erzgebirge und Brüx in Böhmen eingerückt, und von Nordosten her erwartete man den Einbruch der schlesischen Fürsten und der Hilfstruppen aus den lausitzischen Sechsstädten, wälirend von Süden her König Sigmund selbst herbei- kommen wollte. Aber nach eüiigen geringen Erfolgen stockte der Zug des Hauptheeres vor den Mauern der festen Stadt Saatz, vor der man am 10. September an- gekommen war').

Einen bedeutenderen Erfolg hatte bis dahin nur ein Reichsfürst davongetragen, unser meilsner Markgraf Friedrich der Streitbare. Als die Hussiten, noch ehe das Heer der rheinischen Kurfürsten ihr Land betreten hatte, die deutschen Landschaften Nordböhmens und be- sonders die Stadt Briix bedrohten, raffte er ein Heer zusammen, und nur mit seinen Meilsnern und mit den Hilfstruppen einiger edeln Herren des Kreises Leitmeritz trat er am 5. August den Hussiten bei Brüx entgegen und schlug sie, dals sie ihre Wagenburg und ihr Geschütz in Stich lieisen. Als dann aber Zizka selbst ein grölseres Heer gegen ihn führte, muiste er über den Wall des

'') P al ac k y , Urkundl. Beitr. I, Nr. 148 und 150. Vergl. Chroniken der deutschen Städte II, 3:} ft'. •') Palacky a. a. 0. Nr. 134. ") Deutsche Reichstagsakten VIII, Nr. 93.

Sachsen und die Hussitenkriege. 5

Erzgebirges zurückweichen und drang erst auf die Nach- richt, dals die rheinischen Kurfürsten im Egerthale ständen, wieder in Böhmen ein. Mit ihm zog sein Bruder, der Markgraf Wilhehii'^). Vor Kaden vereinigten sie sich mit dem Heere der rheinischen Kurfürsten und lagerten sich mit ihnen vor Saatz. Aber die Stadt war stark besetzt und wurde wacker verteidigt. In frucht- loser Belagerung bemächtigten sich Uneinigkeit und Miistrauen des deutschen Heeres. Von den lausitzischen und schlesischeu Hilfstruppen und von König Sigmund war nichts zu sehen. Vergebens drängten einige Fürsten, unter ihnen auch Friedrich der Streitbare, man sollte gegen Prag rücken und die Entscheidungsschlacht er- zwingen, der Kurfürst von der Pfalz war der Ansicht, Ehren halber mülste erst Saatz erobert werden. Das Heer blieb vor der Stadt liegen, aber es bröckelte von Tag zu Tag mehr aus einander. Zahlreiche Abteilungen zogen, der Belagerung müde, in die Heimat zurück, und als endlich Zizka mit einem Entsatzheere nahte, traten auch die Kurfürsten selbst am 2. Oktober den Rückzug an, ohne in dem Gefühle ihrer Schwäche eine Schlacht zu wagen®). Der Verlust der Deutschen bei der Be- lagerung von Saatz und auf dem Rückzuge soll 2000 Mann betragen haben. Auch diese Nachricht ist ein Beweis dafür, dafs das Heer in Wahrheit nicht entfernt so stark gewesen ist, wie es in der Überlieferung erscheint.

Der dritte Elreuzzug gegen die Hussiten galt der Entsetzung der nahe bei Prag gelegenen königlichen Burg Karlstein. Ein Reichstag zu Nürnberg, der vom Juli bis in den September 1422 tagte, hatte mit Worten und auf dem Papier ein grolses Heer aufgebracht^"), und König Sigmund hatte dem Hohenzolleru Friedrich I. von Brandenburg den Oberbefehl übertragen. Das Heer sollte nach dem Nürnberger Anschlage 37 400 Mann zu Fufs und 1970 Gleven, das sind 5910 Reiter, zählen; unter einer Gleve verstand man damals eine Schar von 3 Reitern^'). Als man aber im Felde stand, hatte man anstatt der fast 6000 Reiter wenig mehr als 4000. Der Zug wurde schlielslich durch gütliche Verhandlungen mit den Hussiten unnötig.

«) Deutsche Reichstagsakten VIII, Nr. 94.

») Palackv, Urkundl. Beitr. I, Nr. 148 und l.öO. 1») Deutsche Reichstagsakten VIII, Nr. 10.3— 27.5. ") Deutsche Reichstagsakten VIII, Nr. 156 ff.

6 Ernst Kroker:

In allen diesen Kämpfen standen die Hohenzollern und die Wettiner unter den Fürsten des Eeichs und den Vorkämpfern für das lleicli in der ersten Eeilie. König Sigmund erkannte dies auch dankbar an. Dem Holien- zollern Friedrich hatte er schon 1417 die Kur Branden- burg übertragen. Den Markgrafen von Meifsen Friedrich dem Streitbaren, Wilhelm und Friedrich dem Jüngern von Thüringen verpfändete er am 29. August 1422 für ihre Dienste mehrere Schlösser im Vogtland^-). Wenige Monate später, im November 1422, starb Albrecht III., der letzte Kurfürst von Sachsen, askanischen Stammes. Die erledigte Kur verlieh König Sigmund am 6. Januar 1423 dem Meilisner Markgrafen Friedrich dem Streitbaren , am I.August 1425 erfolgte zu Ofen in Ungarn die feierliche Belehnung. Seitdem verblieb die Kur von Sachsen bei den W^ettinern, und der alte Name unseres Landes, Meiisen, wurde nach und nach von dem neuen Namen Sachsen verdrängt.

Am 15. April 1423 endlich verpfändete König Sigmund Friedrich dem Streitbaren auch noch die beiden nord- böhmischen Städte Brüx und Aulsig'-'). Mit kühner Hand griff der Kurfürst über das Erzgebirge hinüber, aber der Versuch, in Böhmen festen Fufs zu fassen, scheiterte an der blutigen Niederlage von Aufsig. Die Ereignisse unmittelbar vor dieser Schlacht können mit Hilfe einer Reihe von Leipziger Urkunden ^^) etwas genauer dar- gestellt werden.

Die Jahre 1423, 1424 und 1425 waren für die Be- kämpfung der Hussiten erfolglos geblieben. Die Hussiten selbst dachten damals noch nicht daran, die Einfälle der Deutschen in ihr Land durch Einfälle in Deutschland zu vergelten. Wiederum waren es die Deutschen, die von König Sigmund und Papst Martin V. zu einem neuen Angriff' getrieben wurden. König Sigmund verlangte von dem Reichstage, der im Mai und Juni 1426 in Nürnberg tagte, das Reich sollte zu einem neuen, vierten Kreuz- zuge nach Böhmen ein Reiterheer von 6000 Gleven stellen. Die Gleve zu 3 Mann gerechnet, wäre dies ein Heer von noch nicht 20 000 Reitern gewesen. Für die

12) Palackv a. a. 0. Nr. 20G und 207. .13) Palacky a. a. 0. Nr. 2(j5 und 266.

") Abgedruckt im ürkuudcnbuch der Stadt Leipzig. (Cod. dipl. Sax. reg. II, 8.)

Sachsen und die Hnssitenkrieg:e.

ö^

Stärke deutscher Heere in jener Zeit giebt es kaum ein charakteristischeres Zeugnis als die Nachricht, dals die Fürsten auf das Verlangen des Königs Sigmund ant- worteten, ein so starkes Reiterheer wäre in Deutschland nicht aufzubringen und in Böhmen nicht zu ernähren*''). Sie wollten anstatt 6000 Gleven nur 4000 Gleven, das sind 12 000 Reiter stellen. Während man noch in Nürnberg hin und wider redete, war die Entscheidung bereits vor Aufsig gefallen.

Die Städte Brüx und Aufsig waren in den Händen Friedrichs des Streitbaren eine beständige Drohung gegen die Hussiten. Mehr als einmal versuchten diese den Kur- fürsten über das Erzgebirge zurückzudrängen, so im Dezember 1424, wo Friedrich der Streitbare die lausitz- ischen Sechsstädte um Hilfe gegen die vor Aufsig ge- lagerten Ketzer anrief**^), und wieder im September 1425, wo die Hussiten vor Dux einen Erfolg hatten*^). Des- halb beschlofs Friedrich der Streitbare Anfang des neuen Jahres 1426, seine Besatzung in Aufsig zu verstärken.

Schon vom Rhein her, wo er im Januar 1426 weilte*^), hatte er dem Rate zu Leipzig befohlen, dem kurfürstlichen Vogte zu Meifsen sogleich 40 gewappnete Schützen und 10 Handbüchsen zu senden. Dieser Brief ist verloren gegangen. Erhalten ist ein zweites Schreiben aus Weifsenfeis vom 29. Januar, worin der Kurfürst seinen Befehl wiederholt und noch dahin erweitert, dafs die verlangte Schar nach Anweisung des Vogts zu Meifsen nach Aufsig ziehen müfste. „Siit deste flissiger in vnserm abwesen", schliefst der Brief. Er war eingeschlossen in ein Schreiben der Kurfürstin Katharina vom 31. Januar aus Grimma. Die Kurfürstin verlangte darin, der Rat sollte die Schützen sofort ausziehen lassen, so dafs sie „morne uff den abund" in Grimma und nächsten Sonntag Abend in Pirna sein könnten, wo der Vogt zu Meifsen auf sie wartete. Die Veranlassung zu solcher Eile lag in einem Schreiben, das Hans von der Gane, der Vogt

J?) Deutsche Reichstags akten VIII, Nr. 390. Dies ist gewifs eine Übertreibung, aber ganz gruud- imd sinnlos kann diese von den Fürsten auf einem Reichstage in Gegenwart der königlichen Abgesandten ausgesprochene Behauptung nicht gewesen sein. Man kannte damals offenbar keine gröfseren Heere..

16) Palackv, Urkundl. Beitr. I, Nr. 318.

1') Palackv a. a. O. Nr. 350.

1«) Deutsche Reichstagsakten VIII, Nr. 366.

8 Ernst Xrokcr:

von Meilsen, von den sächsischen Hauptleuten in Aulsig erhalten hatte. Auch dies Schreiben ist dem Briefe der Kurfürstin beigefügt.

Als sächsische Hauptleute oder „amptlute", wie sie selbst sich nennen, waren damals in Aulsig Dietrich von Pack und Kaspar von Eechenberg. Die unter ihrem Befehle stehende Besatzung muls klein gewesen sein. Sie gerieten daher in schwere Sorge, als sich die Hussiten in Nordböhnien zu regen begannen, und baten am 28. Januar den Vogt von Meilsen dringend um Hilfe, sonst möchte ihr gnädiger Herr, der Kurfürst, und die, die um seinetwillen in Aufsig lägen, und die Stadt selbst grofsen Schaden nehmen. Sie fügten hinzu, das Gerücht, dafs die Hussiten nach Mähren ziehen wollten, wäre sicherlich nur ausgesprengt worden , um ihre wahren Absichten auf Auisig zu verdecken. In dieser Ver- mutung täuschten sie sich zwar. Die Hussiten zogen im Frühjahr 1426 wirklich nach Mähren. Andere Ab- teilungen aber blieben abwartend in Nordböhmen stehen. Wir dürfen annehmen, dafs sie von dem Kurfürstentage, der im Mai in Nürnberg zusammentreten sollte, Kunde hatten und absichtlich die Eröffnung der Feindseligkeiten gegen Sachsen so lange hinausschoben, bis der Kurfürst Friedrich der Streitbare nicht mehr in seinem Lande Avar,

Dietrich von Pack und Kaspar von Rechenberg aber sahen die Gefahr immer näher kommen. In der ersten Hälfte des Februar schrieben sie wiederum an die Kur- fürstin Katharina, die Waisen das waren die An- hänger Zizkas, die sich nach seinem Tode die Waisen nannten wären von Schlau aufgebrochen und zögen auf Laun, in der Absicht, Aufsig zu belagern. Die Ketzer in Leitmeritz und Saatz und anderen Städten hätten dazu ebenfalls die Hälfte ihrer Macht aufgeboten. Die Stadt Laun wäre der Sammelplatz. Zu gleicher Zeit berichteten auch die sächsischen Hauptleute von Brüx, Hans von Sparrenberg und Hans Korcz, über einen Anschlag der Taboriten gegen ihre Stadt. Die Kurfürstin Katharina verlangte deshalb am 12. Februar vom Leipziger Rate nochmals die Schützen, die unter- dessen wohl nach Leipzig zurückgekehrt waren. Sie scheinen aber auch diesmal nicht nötig gewesen und zum grölsten Teil wieder nach Hause entlassen worden zu sein, denn am 8. April forderte der Vogt von Meilsen den Leipziger Rat noch einmal auf, die vom Kurfürsten

Sachsen uud die Hussiteükriege. 9

bestimmten Schützen und Büchsen nach Piina zu schicken. Da schrieb endlich der Kurfürst selbst am 13. April von Altenburg aus, er hätte eingesehen, dafs das mehrmalige Hin- und Herziehen der Schützen für Leipzig zu scliAver wäre, zu grolse Kosten und Zehrung verursachte und doch „wenig nucze" wäre, deshalb sollte der Rat jetzt nur noch einmal 18 „redeliche gewapente schutczen" auf nächsten Freitag nach Pirna schicken, die hätten nach Aufsig zu ziehen und zusammen mit denen, die schon in Aulsig wären, so lange „zcufulse" zu dienen, bis er, der Kurfürst, aus Nürnberg zurückgekehrt sein würde. Die Kurfürstin Katharina dagegen befahl am 24. April von Colditz aus, Leipzig sollte aniser diesen 18 Schützen auch noch die übrigen nach Aufsig schicken, da von den Ketzern neue, böse Botschaft gekommen wäre.

Die Abteilung der Leipziger Schützen in Aufsig war nicht grofs, aber grofs genug, um nach echt deutscher Weise uneinig und unzufrieden zu sein. Ihre Unzufrieden- heit galt dem Essen, das sie in Aulsig erhielten. „Wenczlaw itczundt zu Ausk, ewer diner", berichtet darüber an den Leipziger Rat am 6. Mai. Uneinigkeit aber bestand zwischen den Schützen und ihrem Haupt- manne Nikolaus Teschener. Er scheint kein Leipziger Kind gewesen zu sein. Der Name ist mir sonst in Leipzig nicht bekannt, in Freiberg kommt er häufiger vor^®). Schon am 21. April hatte Kaspar von Rechenberg diesen Mann gegen die Verdächtigungen, mit denen er in Leipzig angeschwärzt worden war, in Schutz nehmen müssen, und in seinem Briefe vom 6. Mai berichtet Wenzlaw: „dj^ gesellen wolden Tesschener yn keyner weize vndirtan sein, so vorchte ich, daz icht czweitracht vndir en entstünde." AVir wissen nicht, wie diese Zwistigkeiten schliefslich beigelegt wurden. Eine ge- ringe Verstärkung erhielten die Leipziger in Aufsig weiterhin noch durch 10 Schützen, die die Kurfürstin von Meilsen aus am 16. Mai von dem Leipziger Rat verlangte.

Seit Anfang Mai weilte Friedrich der Streitbare mit seinem Sohne Friedrich, der später als Kurfürst den Beinamen der Sanftmütige erhielt, in Nürnberg. Er mochte hoö'en, nachdem die Hussiten so lange gezaudert

"') Vergl. das Register zum Urkundenbuch der Stadt Freiberg. (Cod. dipl. Sax. reg. II, 14.)

10 Ernst Kroker:

hatten, gegen Aufsig zu ziehen, würden sie den ent- scheidenden Angriff ganz unterlassen. Aber kaum konnte die Nachricht von dem Zusammentritt des Kurfiirsten- tages in Nürnberg nach Bölimen gelangt sein, als sich auch schon die Hussiten zu dem Zuge gegen Aulsig sammelten.

Der Brief der Kurfürstin vom 16. Mai war nur der Vorbote eines zweiten Schreibens, in dem sie am 21. Mai den Vogt und den Eat von Leipzig vor hussischen Kund- schaftern warnte und ihnen befahl, sie sollten sich bereit halten, ihr mit ganzer Macht zu folgen. Und am 26, Mai schrieb die Kurfürstin nochmals, die Stadt Leipa, vor der die Ketzer bisher gelegen hätten, wäre gefallen, und die Feinde würden nun gegen Brüx oder Aufsig ziehen, in der Hoffnung, diese Städte zu gewinnen und dann in Sachsen einzufallen: „dieselbin stete wir mit der hulffe gotes dem almechtigen gote zculobe, der cristenheid zcu nuccze vnde fromen wol hoffen zcuretten. Douon begern war ernstlich, das ir geritten vnde vff waynen mit ganczir macht vff den dinstag nach Bonifacii (11. Juni) gein Dresden komet vnde hantbuchsen vnde tarrasbuchsen, puluer vnde ander gerete dorczu vnde oucli die domitte können, so ir ymmer meiste moget, mitte nemet vnde uch mit spiise vnde andern dingen so doruff richtet, das ir virczentage zcu felde geharren moget, vnde uwern obirsten burgermeistir mitte cziihen lasset".

Bürgermeister von Leipzig war damals Konrad Ber. Die Kurfürstin wünschte seine Teilnahme an dem Zuge wohl deshalb, weil sie dann sicher sein konnte, dals Leipzig alles thun würde, seinen Zug so stark und so gut als möglich auszurüsten. Doch nahm sie in einem zweiten Briefe vom 30. Mai ihren Befehl zurück und wies den Bürgermeister an, in Leipzig zu bleiben. Man hat vermutet, Konrad Ber möchte wohl schon zu alt oder zu gebrechlich gewesen sein-**), aber daran ist nicht zu denken, vielmehr sagt die Kurfürstin selbst, sie hätte sich überlegt, dals der Bürgermeister ihr und den Bürgern in Leipzig unentbehrlich wäre. Die Leipziger sollten au seiner Statt „eynen andern redelichen richtigen auls dem rathe" mitsenden. In einem dritten Briefe vom 3. Juni begehrt die Kurfürstin weiter noch, die Leipziger sollten

-") Otto Moser, Chronik der Stadt Leipzig und ihrer Um- gebung S. 286.

Sachsen und die Hnssitenkriege. 11

noch zwei Speisewagen mit voller Ladung mitbringen, damit ihr Volk jenseits des Waldes, das ist des Erz- gebirges, keine Not zu leiden hätte. Als Sammelplatz für das Heer wird in diesem Briefe nicht mehr Dresden, sondern das Dorf Grols-Bobritsch (Ober- und Nieder- bobritzsch) bei Freiberg angegeben. Von da führte einer der begangensten Pässe über das Erzgebirge nach Graupen-'). Am 7. Juni endlich mahnte die Kurfürstin nochmals „mit ernstem flilse", der Rat sollte die Seinigen zu Pferde, soviel sie davon ausrichten und ausbringen könnten, zum 11. Juni nach Grofs-Bobritsch „in das Euter" bringen und dazu kleine Steinbüchsen so viel als möglich. Die Worte „geritten und auf Wagen, mit ganzer Macht" erwecken leicht die Vorstellung von einem grofsen, reisigen Zug, der damals aus Leipzigs Thoren ausgezogen sein mag. Wie stand es aber in Wirklichkeit damit? Wie grols war Leipzig damals, und wie stark seine streit- bare Mannschaft? Auf diese Fragen erhalten wir zwar nicht aus dem Jahre 1426, wohl aber aus dem Jahre 1474, als Leipzig schon etwas gröfser war, Antwort. Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht von Sachsen hatten nämlich 1474 ein allgemeines Aufgebot zur Heeresfolge erlassen und verlangten nun Auskunft darüber, wie viele Reisige, Wagen, Fufsknechte und Büchsen die Städte zu stellen beabsichtigt hätten, und weiter noch, Avie viele Bürger jede Stadt zählte. Die Beantwortung dieser Fragen ist für die Geschichte der sächsischen Städte im Mittelalter von hohem Werte. Als volkreichste Stadt ergiebt sich Freiberg mit 579 ansässigen Bürgern, an zweiter Stelle steht Leipzig mit 519 Bürgern. Aus diesen Angaben berechnet Ermisch, der Herausgeber dieser Urkunde--), für Freiberg etwa 5000 und für Leipzig nicht ganz 4000 Einwohner; eine etwas grölsere Zahl von Bürgern, gegen 700, hat Wustmann aus dem Leipziger Harnisch- buch von 1466 berechnet"-"). x\uf die Frage aber, welche Streitmacht Leipzig 1474 hätte stellen wollen, antwortet der Rat, sie hätten diesmal mit 350 Mann, eingerechnet die Trabanten und Wagenknechte, ferner mit 30 Wagen und mit 3 Steinbüchsen dienen und folgen wollen. „Wir pflegen abir uwern gnaden mit reissigen nicht zcu dyneu",

21) Heinrich Schurtz, Die Pässe des Erzgebirges S. 26ff.

--) In dieser Zeitschrift XI, 145 ff.

-^) Quellen zur Geschichte Lieipzigs I, 40.

12 Ernst Kiukcr;

fügt der Eat liinzu. Leipzig war also wahrscheiiilicli ebensowenig wie die andern sächsischen Städte dazu verpflichtet, mit Reitern Heeresfolge zu leisten. Die Reiterei wurde von der Ritterschaft gestellt.

Da schon gegen 50 Schützen aus Leipzig in Aulsig standen, so können es höchstens 2 300 waffenfähige Männer gewesen sein, die am 8. oder 9. Juni 1426 zu Fufs mit einem Zuge von etwa 30 Wagen und einigen schweren Geschützen Leipzig verlielsen-^). Ihre Be- waftnung, ihren Harnisch, wie man damals sagte, können wir uns nach dem Leipziger Harnischbuch von 1466 vor- stellen. Sie trugen den Krebs oder den Panzer, den Hut und die Pafose. Unter Krebs verstand man den festen Plattenpanzer, unter Panzer den beweglicheren Schuppen- panzer, Hut nannte man die eiserne Helmkappe, Pafose (italienisch imvese) den grolsen Schild, der unten eine eiserne Spitze hatte, mit der er in den Boden gestolsen werden konnte. Die Bewaffnung bestand aus Schwert und Spiels oder Streitkolben. Die Schützen trugen in der Mehrzahl noch die Armbrust, doch war schon eine kleine Zahl mit Feuerbüchsen ausgerüstet.

Bei Grofs-Bobritsch sammelten sich bis zum 11. Juni auch die Scharen aus den übrigen sächsischen Städten und die Reisigen der sächsischen Ritterschaft. Ehe das Heer aufbrach, wurde eine Musterung gehalten. Unwill- kürlich drängt sich uns die Frage auf: ist das Heer dabei gezählt worden, und wie stark war es?

Die Angaben, die wir darüber bei den Geschicht- schreibern finden, gehen von 20000 bis zu 100000 Mann hinauf, und fast alle Nachrichten sind sich darüber einig, dafs die Sachsen den Böhmen, deren Stärke ziemlich übereinstimmend auf ungefähr 25000 Mann angegeben wird, überlegen gewesen wären. Fünf Deutsche hätten gegen einen Böhmen gestanden, sagt eine deutsche Chronik der Zeit"-"'). Davon weicht nun freilich eine authentische Urkunde, die die Stärke des meilsnischen Heeres auf 8000 Mann angiebt, gewaltig ab. Es ist ein Brief an den Rat der Stadt Freiburg im Breisgau mit einem Bericht

-^) Freiberg, das gröfser war als T>eipzig, nahm an dem ersten Kreuzzuge gegen die Hussiten 1420 nur mit 200 Mann teil. Vcrgl. Benseier, Geschichte Freiliergs und seines Bergbaues 1, 298.

-■■'') Matthias Döring in Riedels Codex DiplomaticusBranden- Imrgensis IV, 1, 210.

Sachsen und die Hussitenkriege. 13

Über die Schlacht bei Aufsig-*'). Dieser Bericht geht nach dem ausdrücklichen Zeugnis des ßriefschreibers auf den Bericht der Käte des Kurfürsten Friedrich des Streitbaren zurück, er giebt uns also den offiziellen sächsischen Bericht. Dies erkennt auch einer der neueren Geschichtschreiber der Hussitenkriege an"-^), mit den Worten: „der sächsische (offizielle) Bericht, welcher mir, bis auf die natürlich falsche Angabe der deutschen Truppenzahl (8000!), glaub- würdig erscheint". Haben wir der Zahl 8000 ebenfalls ein Ausrufezeichen beizusetzen?

Dals das sächsische Heer nicht sehr stark gewesen sein wird, dafür sprechen zunächst einige allgemeine Gründe. Das Heer war ein Entsatzheer. Es wurde nicht zu einem grolsen Feldzuge, sondern nur „uff virczentage" zu der Rettung der Stadt Aufsig entsendet. Es war ferner ein sächsisches Heer. Es bestand fast nur aus Meilsnern und Thüringern. Aus andern deutschen Land- schaften war, wie wir gleich sehen werden, mit Ausnahme der Lausitzen ein ganz geringfügiger Zuzug gekommen. Die Ereignisse folgten auch zu rasch auf einander, als dals man von weiter her hätte Hilfe erwarten können. Friedrich der Streitbare traf selbst erst nach der Nieder- lage in Freiberg ein. Das Heer war in Eile zusammen- gerafft. Noch nicht vier Wochen lagen zwischen dem ersten Briefe der Kurfürstin vom 21. Mai und dem Tage der Schlacht, dem 16. Juni. Woher sollte in dieser kurzen Zeit ein grolses Heer gekommen sein?

Doch wir sind nicht auf solche allgemeine Erwägungen beschränkt. Wir haben aulser dem eben erwähnten Brief noch ein zweites authentisches Aktenstück, dessen Be- deutung bisher freilich verkannt worden ist. Spalatin, der bekannte sächsische Geschichtschreiber, hat uns eine Liste der meifsnischen und thüringischen Reiterei erhalten, die gegen Aufsig zog-*^). Die Stelle lautet:

Anno domini M CCCC XXVI. die S. Viti ad Auscam jmgnatum est. Ceciderunt ex utraque parte sex millia militum: interque eos multi Comites, Barones et Equites. Requiescant in pace. Ad hoc j^Toelium sequentes niille

-^) Schreiber, Urkundenbuch der Stadt Fr eihiirg im Breisgau II, 362 if.

-■') V. Bezold, König Sigmund und die Reichskriege gegen die Hussiten II, 82 Anm. 3.

-^) In den Vitae aliquot electorum et ducum Saxoniae, bei Mencke, Scriptores rerum Germanicarum II, 1077.

14 Ernst Kroker:

centmn et sex eqiios misenint: Dux WWiehmis-^) 400. Episcopus Misenmsis 20. Episcopus Marfi^lmrfjcnsis 20. Episcopiis Xcmmhurijeusis 20. Er/f'artam 30. Hala 20. Mcujüehanjum 20. Episcopus Magdehirgensis 40. An- haltinl Comes Oeonjius 15, Comes Ädolphus 15, Comes Benihardus 1 5, Comes Sigismundus 15, Comes BarUensis 15.

Dies sind die einzigen Bnndesoenossen Kursachsens in diesem verhängnisvollen Kampfe! Es folgen nnn in der Liste aus den meiisnischen und altenburgischen Land- schaften die Vögte von Delitzsch, Zörbig, Gräfenhainichen, Bitterfeld, Leipzig mit 15 Pferden ^'•^), Altenburg, Zwickau, Ölsnitz, Grimma n. s. w. Die Summe der Reiterei ergiebt, wie gesagt, 1106 Pferde.

Aber ist diese Liste authentisch? Nach meiner Über- zeugung ist sie es. Mehreres, was zunächst dagegen zu sprechen scheint, spricht gerade dafür. Wie wir hören, focht auch zahlreiche Reiterei aus den lausitzischen Sechs- städten bei Aulsig mit. Warum wird sie in der Spalatin- schen Liste nicht erwähnt? Nun, diese Liste giebt uns offenbar die Musterung bei Grols-ßobritsch wieder, die Lausitzer aber sind überhaupt niclit nach Freiberg ge- kommen. Wir kennen noch den Weg, den sie gezogen sind: über Radeberg, Dresden, Pirna und Gottleuba •^^). Von hier aus sollen sie zwar nach Freiberg gelangt sein, aber dies ist unmöglich. Von Gottleuba nach Freiberg führte damals keine Strafse, die für Reiterei und gar für Wagen und Heergerät gangbar gewesen w-äre. Standen die Lausitzer in Pirna und darnach in Gottleuba, dann zogen sie sicherlich auf der grolsen Stralse weiter, die schon damals aus dem Elbthale über Pirna nach Kulm und Nollendorf in Böhmen führte'^'). Bewiesen wird meine Vermutung durch eine czechische Quelle, die berichtet, die Deutschen wären in drei Scharen zur Schlacht bei Aulsig gezogen ='='): über Ossegg, über Graupen und über Johnsdorf.

•!") Friedrichs des Streitbaren Bruder. Die 400 Reiter sind die thürins?ische Ritterschaft. . .

3") Dies ist nicht die Stadt Leipzig, die überhaupt keine Reiter stellte, sondern das Land, die Vogtei.

»') Th. Scheltz im Neuen Lausitzischen Magazin LVlI, 114.

3-) A. Simon, Die Verkehrsstrafsen in Sachsen. In den Forsch- un"-en zur Deutsclien Landes- und Volkskunde VII, 234. Vergl. H.^Schurtz a.a.O. S. 23.

33) Palacky, Scriptores rerum Bohemicarum III, (i8.

Sachsen nnd die Hussitenkriege. 15

Über Graupen kam, wie wir wissen, das Hauptheer von Grofs-Bobritsch. Dörfer des Namens Johnsdorf giebt es mehrere in Nordböhmen. Ich halte das Johnsdorf, das etwa eine Meile nördlich von Aufsig an dem Aus- gange des Passes von Kulm und Nollendorf liegt, für das in unserer czechischen Quelle genannte Dorf. Das Heer, das hier eindrang, war das Hilfsheer der Lausitzer. Welche Abteilung zog aber über Ossegg? Wahrscheinlich die Besatzung von Brüx. In der 8palatinschen Liste fehlt auch Nürnberg, während wir doch wissen, dafs nürnbergische Eeiter bei Aulsig mitkämpften, wenn auch in sehr geringer Zahl, denn sie verloren nur zwei Mann"*). Diese nürnbergischen Reiter standen aber, wie wir weiter wissen, vorher in Brüx'^-^). Deshalb fehlen sie auch in der Spalatinschen Liste. Wollte sich die Brüxer Be- satzung mit dem bei Graupen eindringenden Hauptheere vereinigen, so führte ihr Weg allerdings über Ossegg.

Ich glaube nachgewiesen zu haben, dafs die Spalatin- sche Liste authentisch ist. Sie giebt uns die Stärke der bei Grols - Bobritsch gesammelten Reiterei aus Meilsen und Thüringen. Das Fulsvolk ist wahrscheinlich damals ebensowenig wie bei anderen Gelegenheiten gezählt worden. Setzen wir es auch hier fünf- bis sechsmal so hoch an wie die Reiterei, zu 6—7000 Mann, so erhalten wir nach unserer Berechnung für Reiterei und Fulsvolk zusammen dieselbe Zahl von 8000 Mann, die in dem Briefe an den Rath der Stadt Freiburg im Breisgau angegeben wird.

Dies war aber nur das Heer, das sich bei Grofs- Bobritsch gesammelt hatte. AVie stark die beiden anderen Abteilungen waren, die über Ossegg und Johnsdorf zogen, läfst sich nicht nachweisen. Die Besatzung von Brüx war jedenfalls nicht sehr stark, es müssen auch Truppen in der Stadt zurückgeblieben sein, doch wird diese Ab- teilung durch Hilfstruppen aus dem obern Egerthale und besonders aus Eger selbst verstärkt worden sein, auch ist wohl Burggraf Heinrich von Meilsen, dessen Besitzungen im Vogtland bis nach Böhmen reichten, mit dieser Abteilung gezogen, denn sein Name fehlt ebenfalls bei Spalatin.

Die Stärke der Lausitzer, die über Johnsdorf kamen, ist auch nicht bekannt. In einem Briefe aus dem Jahre 1431 an König Sigmund berichtet zwar der Rat von

31) Palackv, Urkundl. Beitr. I, Nr. 423. »») Palackv a. a O. Nr. 383.

16 Ernst Kroker:

Görlitz, er hätte zu der Schlacht von Aufsig 250 Reisige ausgesendet, von denen wenige zurückgekommen wären •^"). Setzen wir die übrigen Sechsstädte mit entsprechenden Hilfstruppen an, so erhalten wir aus den Lausitzen allein ein Reiterheer von 1000 Mann, also fast ebensoviel, wie nach der Spalatinschen Liste ganz Meifsen und Thüringen zusammen aufgestellt hatten. Dies ist gewils unwahr- scheinlich'''). Eine weitere Schwierigkeit bereitet ein zweiter Brief, den der Rat von Görlitz bald nach der Schlacht bei Aufsig an einen deutschböhmischen Edelmann geschrieben hat'^*); der Rat berichtet darin, von den Görlitzern, die bei Auisig gekämpft hätten, wären noch bei 10 aus der Stadt aulsen, und er bittet nachzuforschen, ob sie tot oder gefangen wären. Dieser gleichzeitige Brief, der den Gesamtverlust der Görlitzer auf 10 Mann angiebt, widerspricht aufs schärfste dem fünf Jahre später geschriebenen Brief, der von fast 250 ausgerückten und in der Schlacht gefallenen Reitern redet. Ich vermag diesen Zwiespalt nur durch die Vermutung zu lösen, dals der spätere Brief, der offenbar alles in den schwärzesten Farben malt, eine ungeheuere Übertreibung enthält, und nehmen wir auch die Brüxer Besatzung und die lausitzi- schen Hilfstruppen zu mehreren tausend Mann an, so fürchte ich doch schon zu weit zu gehen, wenn ich alle drei Heeresabteilungen zusammen mit 15000 Mann ansetze. An einem Freitag, am 14. Juni, brach das Heer von Grols-Bobritsch auf. Eine Strecke weit geleitete es die Kurfürstin. Katharina, aus welflschem Stamm, die Tochter Heinrichs II. des Milden von Braunschweig, geboren am 29. März 1369, seit 1402 Gemahlin Friedrichs des Streitbaren, war eine zugleich mutige und besonnene Frau. Ehe sie von dem Heere schied, berief sie noch einmal die vornehmsten Herren zu sich. Die Ansprache, die sie ihnen hielt, ist nicht dem Wortlaute, aber dem Shme nach bekannt "'"). Sie ermahnte sie „als eine ver- stendige vnd behertzte Landesmutter von wegen jres

3«) Palacky a. a. O. Nr. 7:W.

^'^ Zu (lein vierten Kreuzzuge gegen die Hussiten im .labre 1427 entsendete eine so mächtige Reichsstadt wie Nürnberg nur 130 Heiter. Vergl. S. 26.

»^) Palackv a. a. 0. Nr. 410.

3") Spangen bergs MansfeUliscbe Chronica Bl. 362 b. Vergl. Johann Kotlie in seiner Düringischen Chronik (Thüringische Ge- schicbtsquellen HI, 058).

Sachsen und die Hussitenkriege. 1'/'

Herrn, das sie jnen gemeines Vaterlandes nutz vnd heil trewlich befolen sein lassen, vnd ja Ritterlichen fechten vnd kempffen wolten, vnd wol bedenken, was sie für Feinde für sich hetten, vnd nicht zu sicher noch nach- lässig sein, ohne not sich zum schlagen nicht begeben, sondern zuuor alle gelegenheit vnd vmbstende für dem angriff wol erkundten, vnd das nicht etwan sie durch einen hinderhalt in Gefahr kommen möchten, fleissig zu erforschen, auch solteu sie wegen der menge jrer Feinde nicht zaghafftig noch kleinmütig werden, sondern Gotte trawen, denselben anruffen, vnd seinen Feyertag heiligen, vnd wo es alsdenn die not erheischen würde, jrer Feuste Mannlich gebrauchen". Darauf schied die Kiirfürstin mit weinenden.. Augen und kehrte nach Freiberg zurück. Dafs die Überlieferung dieser Rede auf gute Zeugnisse zurückgeht, wird durch ihi-en Inhalt bewiesen. Während die Chronisten von der grofsen Übermacht der Sachsen fabeln, klingt durch die Rede der Kurfürstin die peinliche Beklemmung, die auch den tapfersten einen Augenblick befällt, wenn er einem an Zahl weit überlegenen Feind entgegentreten soll. Von der übermütigen Siegeszuversicht, die das meifsnische Heer angeblich erfüllt hat , athmet diese Rede keine Spur. Das Heer zog nun in Eilmärschen über das Erz- gebirge nach Graupen hinab. Zu seinem Feldhauptmann war Bosse Vitzthum ernannt. Ihnen gegenüber, zwischen dem Erzgebirge und der Eger, standen die Böhmen unter Prinz Korybut und Prokop dem Grofsen, nach Zizkas Tode dem bedeutendsten hussischen Heerführer. Ihr Heer war ebenfalls in drei Scharen geteilt, als die Sachsen über das Gebirge zogen. Die einen standen wohl gegen Aulsig, die anderen gegen Brüx, die dritten vor den Pässen des Erzgebirges. Vitzthum wollte den ihm zunächst stehenden Haufen rasch angreifen und überrennen, ehe sich das ganze feindliche Heer sammeln konnte, und nach der Schlacht urteilten die Räte Friedrichs des Streitbaren, wenn dieser Plan ausgeführt worden wäre, hätte die Schlacht gewonnen werden können. Aber die vornehmen Herren im meifsnischen Heere folgten Vitzthum nicht und liefsen die Hussiten zusammen- ziehen^''). Diese Nachricht ist so merkwürdig, dafs wir

^^) Urkundenbucli der Stadt Freiburg im Breisgau a. a. 0. Vergl. Andreas Ratisbonensis cronica inedita bei Höfler,

Neues Archiv f. S. ü. u. A. XXI. 1. 2. 2

18 Ernst Broker:

eine Erklärung für das Zandern der meifsnischen Ritter suchen müssen. Wir finden sie wohl lediglich in der Annahme, dals das bei Graupen angekommene Heer von Grols-Bobritsch bei seiner Schwäche vor der Entscheidung erst die Vereinigung mit den über Johnsdorf anrückenden Lausitzern und den über Ossegg ziehenden Brüxern be- werkstelligen wollte. Unterdessen aber fanden auch die Hussiten Zeit, ihr ganzes Heer zu vereinigen und in günstiger Stellung ihre Wagenburg zur Schlacht auf- zufahren.

Die Wagenburg ist durch Zizka zu einer Waffe ge- worden, an der die deutschen ßitterheere mehr als ein- mal wie an einer Mauer machtlos abgeijrallt sind. Soviel darüber gefabelt worden ist, so läfst sich doch als sicher hinstellen, dais die Wagen sclion auf dem Marsche das Heer schützten, indem sie, in langen Reihen zu beiden Seiten hinfahrend, gleichsam einen Wall gegen Seiten- angriffe boten ''^). Am furchtbarsten aber w^ar ihre Wirkung in der Schlacht. In einem Kreise oder in mehreren Kreisen aufgefahren, durch Ketten mit einander verbunden, mit Geschütz und den besten Schützen be- setzt, bildeten die Wagen in der Wagenburg eine Art Festung, die die Deutschen erst stürmen mulsten, ehe sie nach deutscher Kampfesweise mit den Feinden hand- gemein werden konnten.

Eine kleine Meile westlich von Aulsig, bei den Dörfern Prödlitz und Herbitz liegt eine Anliöhe, auf der Biehanie genannt. Hier hatten die Hussiten ihre Wagenburg in doppelter Reihe aufgefahren, und hier kam es am 16. Juni, an einem Soinitage, zur Ent- scheidungsschlacht. Die Sachsen hatten erst noch einen mehrstündigen Marsch zurückzulegen; nach den überein- stimmenden Nachrichten begann der Kampf ohne längere Rast gleich vom Marsch aus und unter glühendem Sonnenbrand. Lange wurde unentschieden gestritten, und die ungewohnte Kampfesweise der Hussiten schreckte die Sachsen nicht. Mutig stürmten sie gegen die Wagen- burg, suchten die Ketten zu zerschmettern und die Wagen aus einander zu reilsen , um Schwert an Schwert

Geschichtschreiber der Husitischen Bewegung in Böhmen (Öster- reichische Geschichtsquellen VI, 446 f., wo statt invadere voluerunt natürlich noluerunt zu lesen ist).

") Max von Wulf, Die husitische Wagenburg (Berliner Dissertation von 1889).

Sachsen und die Hussitenkriege. 19

an den Feind zu kommen. Aber auf die Wagen hatten die Hussiten auch hier ihr Geschütz und ihre besten Leute gestellt , die schössen die vordersten , die wackersten nieder und rissen grofse Gassen und Lücken in das sächsische Heer, und andere waren mit langen Haken bewaffnet, mit denen sie die Ritter von den Pferden zogen und die in ihrer schweren Rüstung fast wehrlos am Boden liegenden erschlugen*^). Staub und Hitze lagen dick über dem Feld*'^). Zwar gelang es den Sachsen, die erste Wagenreihe zu durchbrechen, aber schon waren zahlreiche Leute gefallen und die Ordnung war gelöst, und plötzlich brachen die Hussiten in einem kräftigen Stofs aus ihrer Wagenburg vor, und dieser Angriff entschied die Schlacht. Die Meilsner unter Vitzthum sollen zuerst geflohen sein. Am längsten wider- standen die Thüringer. Endlich war das ganze Heer auf der Flucht nach dem Erzgebirge zu, verfolgt von den erbarmungslosen Feinden.

Es war für Sachsen eine furchtbare Schlacht. Wie die reife Ernte auf dem Felde, so sank vor Aulsig die Blüte des meifsnischen und thüringischen Adels. Da fiel Burggraf Heinrich von Meilsen, der letzte des alten Hartensteinischen Stammes, es fielen Burggraf Oswald von Kirchberg^*), Graf Friedrich von Beichlingen, zwei Grafen von Gleichen ^'^j, ein Graf von Barby, einer von Honstein, einer von Schwarzburg, in Summa acht*''), nach anderen Nachrichten zwölf oder gar vierzehn Grafen, ferner zehn Freiherren, unter ihnen ein Schöuburg und ein Reufs, und mehrere hundert Edelleute, darunter an- geblich (!) 21 Köckeritze und noch mehr Schönberge, unter ihnen Kaspar von Schönberg auf Reinsberg mit fünf Söhnen.

Manche Sage erzählt noch von dem tapferen Streite. Wie werden die 400 Bürger von Langensalza gerühmt, die Mann an Mann in der Ordnung, wie sie gestritten

'*2) Siehe die Nachweise bei Palacky, Geschichte III, 2, 414.

^^) Spangenberg a. a. 0. und Johann Rothe a. a. 0.

•*^) Ave mann, Vollständige Beschreibung der Reichsgraf- und Bui'ggrafen von Kirchberg in Thüringen S. 112.

■*^) Nicolai de Siegen Ohronicon Ecclesiasticum (Thüringische Geschichtsquellen II, 420 ff.).

■*") Von acht Grafen spricht Eberhard Windecke, Das Leben König Sigmunds (nach Handschriften übersetzt von Dr. von Hagen) S. 164. Diese acht Grafen sind auch wirklich als gefallen nachzu- mehr nicht.

2*

20 Ernst :K;roker:

liätten , aucli gefallen sein sollten ! Eine tlbertreibung müssen wir auch hier mit hinnehmen. Durch einen glücklichen Zufall ist noch ein Verzeichnis erhalten, das die Namen der bei Aulsig gefallenen Langensalzer auf- bewahrt hat^^): es sind nicht 400, aber doch 89, und dies mufs in der That fast das ganze Aufgebot des Städtchens gewesen sein.

Viel gepriesen wird auch der Bürgermeister von Gotha, Hans Weltzing. Er führte den Wahlspruch: mit Ehren. Auf der Biehanie stand er neben seinen edeln Landesgenossen, den Grafen von Gleichen, wacker kämpfend und den Hussiten seinen Wahlspruch entgegen- rufend, ohne zu weichen, ja als er sah, dals Graf Ernst todwund vom Rosse sank, warf er sich unter die Feinde, um ihn zu retten oder zu rächen, und so fiel er, wie er gelebt hatte, mit Ehren.

Als aber die Flucht allgemein geworden war, hörte aller Widerstand auf. Von den Feinden gehetzt, dachte jeder nur noch an Eettung durch die Flucht oder durch Ergebung. Wir hören auch hier wieder, wie in vielen anderen Schlachten des Mittelalters, zahlreiche Kitter wären in ihren Rüstungen erstickt, d. h. wohl vom Sonnenstich oder Hitzschlag getroffen und ohne Wunde tot aufgefunden worden. Zahlreiche andere wurden noch auf der Flucht von ihren Verfolgern erreicht. Noch lange Zeit danach zeigte man bei dem Dorfe Herbitz einen Birnbaum, wo 24 edle Herren, vom Kampf und von der Hitze erschöpft, von ihren Rossen gestiegen sein sollten, ihr Schwert vor sich in die Erde stolsend, als Zeichen, dals sie sich gefangen geben w'ollten, aber sie wurden einer nach dem andern von den Hussiten nieder- gestochen; unter dem Birnbaum lagen sie begraben, und man erzählte, der Baum hätte seitdem zwar jedes Jahr reich geblüht, aber nie wieder Frucht getragen.

Um die erbarmungslose Härte der Verfolgung zu rechtfertigen, erzählten die Hussiten später, sie hätten vor der Schlacht einen Boten an die Sachsen gesandt, mit der Bitte, jene möchten sie, wenn Gott ihnen helfe, auf Gnade gefangen nehmen, aber die Sachsen hätten

*') Göschel, Chronik der Stadt Langensalza in Thüringen II, 22 und 365. Auch die Fabel von den 400 Langensalzern wird immer noch wiederholt.

Sachsen und die Hussitenkriege. 21

geantwortet, sie dürften keinen Ketzer am Leben lassen ^^). Auch dies ist wahrscheinlich eine Sage. Bei der Grau- samkeit, mit der der Krieg von beiden Seiten, von den Deutschen wie von den Böhmen, geführt wurde, brauchen wir gar keine besondere Veranlassung dazu zu suchen, dals die Hussiten möglichst viele von den geschlagenen Feinden niedermetzelten. Übrigens machten sie wirklich Gefangene. Wie der Rat von Nürnberg und der von Görlitz, liefs auch Friedrich der Streitbare nach der Schlacht in Böhmen nach gefangenen Landsleuten nach- forschen. Von Leipzig aus wanderte ein Student, wohl ein Deutschböhme, nach Prag, um nach Gefangenen nachzufragen. Er verkehrte dort auch mit dem Prager Kollegiaten, der eine Chronik dieser Zeit geschrieben hat, und dieser versichert, er hätte von dem Leipziger Studenten gehört, allein aus Meifsen und aus Thüringen wären mehr als 18 000 Mann in der Schlacht bei Aufsig gefallen^»).

Wie wir gesehen haben, war das ganze sächsische Heer nicht so stark, dafs es 18000 Mann hätte auf dem Platze lassen können. Bei den deutschen Chronisten finden wir die verschiedensten Angaben über den säch- sischen Verlust: 6000""^), 12 000'0, endlich sogar 50000 Manu, freilich mit dem vernünftigen Zusatz: „welches kaum zu glauben" '''-). Die Zahlen sind sämtlich unglaub- würdig. Der offizielle sächsische Bericht scheint den Verlust auf etwa 3000 Mann angegeben zu haben. In dem mehrfach erwähnten Brief an den Rat der Stadt Freiburg im Breisgau wird gesagt, es wären auf beiden Seiten 4000 erschlagen worden, und von den Hussiten wären mehr gefallen als von den Deutschen. Dies ist ent- weder eine Beschönigung oder ein Milsverständnis. An eine Beschönigung möchte ich nicht denken. Friedrich der Streitbare und seine Räte hatten gar keine Veranlassung dazu, in den Briefen, die sie nach der Schlacht an die Reichsfürsten schrieben, um sie dringend zu Hilfe zu rufen, ihre Niederlage zu beschönigen, im Gegenteil, es

*^) Palacky, Geschichte a.a.O.

*^) Chronicon Veteris Collegiati Pragensis , hei Höfler in deu Österreichischen Geschichtsquelleu II, 88.

^°) Matthias Döring in Riedels Cod. dipl. Brand, a. a. 0.

^') Chronica Novella des Hermann Korner, herausgegehen von Jakob Schwalm I, 470.

'^2) Theobald, Hussiten- Kriege S. 239.

22 Ernst Kroker:

hätte ihnen daran liegen müssen, iln-e Lage wahrheits- getreu darzustellen, um die Hilfssendungen um so dring- licher erscheinen zu lassen. Ich möchte deshalb eher an ein Milsverständnis glauben. Die ganze Stelle in dem Briefe lautet nämlich: „Vnd als der strit mit den Hussen geschehen ist, da ist zu beden siten viertusent erschlagen, vnd ist der Hussen me erschlagen denn der Cristen." Nun folgt ein Satz über die falsche Beschuldigung des Feldhauptmanns Bosse Vitzthum, und dann erst heilist es weiter: „Der Cristen ist gesin achttusent, vnd ist der Hussen gesin viervndzwainzig tusent in drin scharen." Das Milsverständnis ist wohl durch den eingeschobenen Satz verursacht worden. In dem offiziellen sächsischen Bericht wird etwa gestanden haben : „Es sind von beiden Seiten 4000 erschlagen worden, und sind der Hussen mehr gewesen denn der Christen. Der Christen sind 8000 gewesen und der Hussen 24000 in 3 Scharen." Dafs der Verlust bei den Sachsen grölser gewesen ist als bei den Hussiten, ist selbstverständlich.

Auf den sächsischen Bericht geht wohl Andreas Eatisbonensis zurück, einer der besten Geschichtschreiber dieser Zeit; er berichtet, auf Seiten der Sachsen wären gefallen ad tria millia virorum, bei 3000 Mann^'-^). Damit stimmt Windecke, der ebenfalls häufig gut unter- richtet ist, ziemlich überein; er giebt den sächsischen Verlust auf „wohl 4000 Mann" an*^*). Wieder von 3000 Gefallenen spricht der Kardinallegat Orsini, der damals in Nürnberg war'*''); als Abgesandter des Papstes hat er gewifs den offiziellen sächsischen Bericht zu lesen bekommen. Diese Zahl 3000 dürfen wir für den sächsischen Verlust festhalten. Von dem ganzen säch- sischen Heere war also jeder fünfte Mann im Kampf oder auf der Flucht umgekommen, von der Ritterschaft mufs fast jeder dritte Mann gefallen sein. Ein solcher Verlust war hart genug, und wir verstehen es, wenn ein Chronist dieser Zeit klagt: „vnde welch yamer wart ym lande zu Doryngen vnde Myssen vnde zu Lusitzer- lande von den armen witwen vnde weilsen, den yre liebe manne vnde vetir erslagin wurden vnde ussen blebin^ des stehit nicht zu schreiben."

'^^) Höfler in den Österreichischen Geschichtsquellen VI, 447.

"*) a. a. O. S. 165.

■''•') PaiackvS Urkundl. Beitr. I, Nr. 413.

Sachsen und die Hussitenkriege. 23

Lange Zeit erhielt sich in unserm Lande ein Gedenk- spruch ■'*'^) auf die verhängnisvolle Jahreszahl 1426:

Die Zeit defs Kriegs vor Aufsig Hat man geschrieben diefs Geschieht, Ein E,ing von einer Taschen, Vier Oelir von einer Flaschen, Ein Seul von einem Thor, Und dritthalb Andres Creutz davor.

CIO CCCC

I XXV

Auch Spottlieder wurden gedichtet. Eins auf den Peldhauptniann Bosse Vitzthum, dem man im Volke, wahr- scheinlich sehr mit Unrecht, die Schuld an der Niederlage beimals, ist noch erhalten ^^). Es beginnt mit den Worten:

Er Bosse vnd Er Boschin Meyschin vnd Hamschin Das bedute ich euch gar schire Das sie sind grossir aberisser vire.

Die nächste Folge der Niederlage war der Fall von Aufsig. Am Tage nach der Schlacht erstürmten die Hussiten die Stadt und zerstörten sie so gründlich, dafs sie drei Jahre lang wüst gelegen haben soll. Die Be- satzung aber und wohl auch zahlreiche Bürger hatten während der Schlacht Zeit gefunden, sich zu retten. Nur die, die nach dem nahen Schreckenstein flüchteten, fielen mit dieser Burg in die Hände der Feinde, die übrigen kamen davon, mit ihnen die beiden Hauptleute Dietrich von Pack und Kaspar von Rechenberg.

Eine weitere Folge der Niederlage soll der Tod Friedrichs des Streitbaren gewesen sein. Er starb am 4. Januar 1428, fast 59 Jahre alt. Ob er wirklich aus Gram über die Niederlage bei Aufsig gestorben ist, müssen wir dahingestellt sein lassen. Was wir über seine Thätigkeit unmittelbar nach der Niederlage hören, macht nicht den Eindruck eines gebrochenen Mannes.

Schon am 17. Juni, einen Tag nach der Schlacht, hatte die Kurfürstin an den Rat zu Leipzig geschrieben, fest und würdig: „Liben getruwen. Wenne die vnsern leider vor Awlsk eyne Verlust genomen habin, dauon begern wir ernstlichin, was ir noch werhafl'tiger lute daheyme habt, das ir die vonstund ane sumenifs gerythen, vf waynen vnd czu fusse her gein Friberg sendet, also

58) The ob ald, Hussiten- Krieg S. 238.

^'O Neues Lausitzisches Magazin XVII, 125 if. Herr Bosse ist Bosse Vitzthum, Boschin ist wohl sein Sohn, der junge Bosse. Meyschin und Hamschin kann ich nicht deuten.

24 Ernst Kroker:

daz wir die stete Friberg", Pirne vnd Dresden bemannen vnd behalden mögen." Die Kurfürstin befürchtete also einen Einfall der Sieger in Sachsen, aber die Hnssiten wagten auch damals noch nicht, das Erzgebiige zu über- schreiten. Friedrich der Streitbare brauchte nach seiner Rückkehr aus Nürnberg nicht mehr um die Verteidigung seines Landes besorgt zu sein, er konnte schon wieder an den Angriff denken. Aulsig war zwar verloren, aber Brüx war noch in seiner Hand. Er sammelte ein neues Heer. Seine Briefe mit der Schilderung der Niederlage und der Bitte um Hilfe gingen an alle Reichsfürsten, aber der Erfolg war wie gewöhnlich. Windecke •''^) schreibt trocken: „Und der Markgraf beklagte sich den Fürsten gegenüber sehr und begehrte Hilfe, man sah aber wenig dazu thun."

Eifriger wird man in Sachsen selbst gerüstet haben. An den Leipziger Rat schrieb der Kurfürst am 28. Juni von Freiberg aus: „Liben getruwen. Wir mejnen, das ir vaste Schadens an den uwern vnd uwer habe in dem strite nest vor Awsk gescheen genommen habt, das vns getruwenlich leyt ist, doch hoffin wir zcu dem almechtigen gote, er werde das zcu allem glucke keren." Er ermahnt sie, getrost zu sein und von neuem zu rüsten, damit sie ihm, wenn es Not würde, wieder folgen könnten. Er soll auch wirklich mit einem Heere nach Böhmen ge- zogen sein und Anfang August 142G die Hussiten bei Brüx geschlagen haben, doch sind wir über diesen Feld- zug ganz ungenügend unterrichtet. Die Urkunden ver- stummen plötzlich. Auch aus Leipzig haben wir nur noch einen Brief, in dem der Rat von Rochlitz vor zwei im Solde der Hussiten stehenden Brandstiftern warnt. Es ist einer der ältesten Steckbriefe in Sachsen, mit genauer Beschreibung der beiden verdächtigen Männer. Die Nachricht war von Freiberg über Chemnitz nach Rochlitz gekommen, der Rat von Leipzig sollte sie an andere Städte weitergelangen lassen. Auf einen wirklichen Hussitenschrecken in Sachsen darf man übrigens auch aus diesem Briefe nicht schlielsen; der Glaube, die Feinde würden Brandstifter senden, war fast in jeder Fehde lebendig.

Dafs die Niederlage bei Aufsig noch keinen Einfall der Hussiten in Sachsen zur Folge hatte, lag wohl haupt-

68-

') a. a. 0. S. 164.

Sachsen und die Hussitenkriege. 25

sächlich daran, dafö die Hussiten unter sich fast ebenso uneinig waren wie die Deutschen. Ihre Parteien, die Taboriten, die Waisen, die Kelclmer, schlössen sich zwar auf kurze Zeit zusammen, wenn ein deutscher Einfall drohte; war aber die Gefahr dank der stets ganz un- zulänglichen Heereskraft der Deutschen abgeschlagen, dann trennten sich die verschiedenen Abteilungen wieder, und noch war keiner ihrer Führer mächtig genug, die ganze Volkskraft zusammenzuhalten und den deutschen Angriffen durch einen grolsen hussischen Einfall in Deutsch- land zuvorzukommen. Nur kleinere Banden zogen schon damals plündernd und raubend über das Erzgebirge ■^'•*) und im Osten über die schlesischen und lausitzischen Berge und im Westen über den Böhmerwald. Der nächste grofse Zug ging wiederum von den Deutschen aus, der vierte Kreuzzug des Jahres 1427.

Ende Juni 1427 sammelte sich ein deutsches Heer an der Westgrenze Böhmens. Zum Oberfeldherrn hatte König Sigmund auch diesmal den Hohenzollern Friedrich I. von Brandenburg ernannt. Von den grolsen Eeichsfürsten nahm aufser dem Brandenburger nur der Kurfürst von Trier an dem Zuge teil. Friedrich der Streitbare lag krank, sandte aber wenigstens seinen ältesten Sohn Friedrich den Sanftmütigen. Für die innere Zerrissen- heit Deutschlands haben Avir ein wahrhaft klägliches Zeugnis in dem Fehdebrief, den eben damals (am 21. Juli) der Kurfürst von Mainz im Bunde mit dem Kurfürsten von Köln an den Landgrafen von Hessen schickte. Während sich also die Deutschen zu dem Kampfe gegen die Hussiten rüsteten, hatten drei der mächtigsten Reichs- fürsten nichts Dringlicheres zu thun , als den Bürgerkrieg im Herzen von Deutschland zu entzünden.

Trotzdem soll das deutsche Kreuzzugsheer 160 000 Mann, ja nach einem deutschen Chronisten sogar 200 000 Mann stark gewesen sein*^'^). Aus einem gleich- zeitigen Briefe dagegen erfahren wir, dafs am 15. Juli bei Plan in Westböhmen erst gegen 4000 bis 5000 Pferde und „vil fuessvolcks" beisammen waren, und dafs man allerdings noch auf starken Zuzug rechnete*'^): das sächsische Heer sollte angeblich 20 000 „werlicher mann"

5ö) Vergl. die Urkunde bei Palackv, Urkundl. Beitr. I, Nr. 559. fio) Vergl. V. Bezold a. a. O. II, 110 Anm. 1.

Palackv, Urkundl. Beitr. I, Nr. 458.

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zählen, die schlesischen Fürsten sollten angeblich zur Unterstützung bereit sein, der Deutsche Orden in Preulsen sollte angeblich 15 000 Mann., ausgerüstet haben, und auch Herzog Albrecht von Österreich sollte angeblich mit grolser Macht im Felde liegen. Aber alle diese An- gaben enthielten mehr oder weniger leere Hoffnungen. Andreas Ratisbonensis, der uns diesen Brief erhalten hat, hat selbst folgende Randbemerkungen dazu geschiieben: zu der Nachricht von den schlesischen Fürsten: isti nihil egerunt dignum memoria, die thaten nichts Nennens- wertes; zu der Nachricht von dem grolsen Hilfsheer des Deutschen Ordens: hoc nihil fuit, damit war es nichts, und zu der Nachricht von Herzog Albrecht: Dux Anstriae isto tempore nunquam venit in ccmipum, der Herzog von Österreich zog damals gar nicht ins Feld. Auch von König Sigmund kam keine Hilfe. Wie zu den früheren Kreuzzügen, hatte auch zu diesem vierten Zuge nur ein geringer Teil des Reichs Truppen geschickt.

Wie stark das deutsche Heer im Jahre 1427 wirk- lich war, lälst sich nicht sicher nachweisen. Den un- glaublichen Angaben von 160 000 oder 200000 Mann steht aber nicht nur der oben erwähnte Brief entgegen, der die Stärke der ganzen Reiterei auf noch nicht 5000 Mann angiebt, sondern auch das ausdrückliche Zeugnis Windeckes, der in seiner Lebensbeschreibung des Königs Sigmund^*'-) zweimal bemerkt, das Heer Aväre klein ge- wesen, ja es wäre zu klein gewesen, um mit Erfolg gegen die Hussiten kämpfen zu können. Und mit Windecke stimmt ein langer Brief überein, den Heinrich von Stoffel, ein süddeutscher Edelmann, am 20. Juli 1427, als das Heer schon vor Mies in Böhmen lag, an den Ulmer Rat geschrieben hat"'^). Darin heifst es ebenfalls zweimal fast mit denselben Worten: „auch laufs ich uch wissen, das wir gar klainen zug haben", und „sust kann ich uch iecz nutz verschriben wanne das wir ainen klainen Zug haben''. Und die Zahlen, die darin angegeben werden, sind zum Beispiel für den Erzbischof von Trier, der am höchsten geschätzt wird, 700 Pferde, für den Herzog von Württemberg „nit über druhundert pfäret" und für eine so mächtige Reichsstadt wie Nürnberg wenig mehr als 130 Pferde. Diese Zahlen sind so gering,

02) a. a. O. S. 180.

««) Deutsche Reichstagsakteu IX, Nr. 46.

Sachsen und die Hussitenkriege. 27

dafs man kaum weifs, worüber man sich mehr wundern soll, über die Schwäche der deutschen Reichsfürsten, die mit so kleiner Macht ins Feld zu ziehen wagten, oder über die Angaben der Chronisten, die aus einem kleinen Heer ein Heer von 200000 Mann gemacht haben. Aber die Chronisten sind nicht viel glaubwürdiger als die Volkslieder. In beiden und zwar nicht nur zu Naum- burg auf der Vogel wies, sondern überall sehen wir nichts als Schwert und Spiels an die hunderttausend, während in Wirklichkeit kaum ein Drittel, oft genug nur ein Fünftel und ein noch geringerer Bruchteil davon im Felde stand.

Aufserdem ist uns über den vierten Kreuzzug noch der geheime Bericht erhalten, den Kurfürst Friedrich I, von Brandenburg nach der Niederlage an König Sigmund erstattet hat: regi, aliis non, steht darauf^*). In diesem Bericht erzählt der Kurfürst, wie das deutsche Heer im Juli bis nach Tachau in Böhmen zog. Hier in Tachau mufste der Kurfürst krankheitshalber zurückbleiben, und eben dahin kam der Kardinal von England als Ab- gesandter des Papstes und geistliches Oberhaupt des Kreuzzuges, das Heer aber war unterdessen nach Mies weitergezogen und belagerte unter dem Befehle des Kurfürsten von Trier diese kleine Stadt. Da nahte das hussische Entsatzheer unter Prokop dem Grolsen, und was nun geschah, wird in dem geheimen Bericht mit schonenden Worten mehr angedeutet, als der Wahrheit gemäfs geschildert. Ohne auch nur Widerstand zu ver- suchen, wich das deutsche Heer am Morgen des 3. August in fluchtähnlicher Unordnung nach Tachau zurück. Vor Tachau wollten Friedrich I. und der Kardi- nal von England am 4. August die Deutschen auf einem Berge zum Stehen bringen, aber als sie auf den Berg kamen und ihr Volk schauten, da war des Volks in der Nacht zuvor zu E,ofs und zu Fuls und der Wagen so viel hin weggezogen und das Heer so klein geworden, dafs dem Kardinal und den anderen Fürsten von den meisten geraten wurde, nicht gegen die Feinde zu ziehen und mit ihnen zu schlagen ohne die Wagenburg.

Ein Heer von angeblich 160 000 oder gegen 200000 Mann kann unmöglich in einem einzigen Tage gute vier Meilen von Mies bis Tachau gezogen und dann in einer

<«) Palacky, Urkundl. Beitr. I, Nr. 472.

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einzigen Nacht fast völlig aus einander gelaufen sein. War das deutsche Heer vor Tachau wirklich zu schwach, um mit den Hussiten zu schlagen, und daran kann nach dem Berichte des Hohenzollern kein Zweifel sein, so dürfen wir auch Windecke und dem Ritter von Stoffel glauben, dals es von Anfang an nicht stark Avar. Der liuchtähnliche Rückzug von Mies nach Tachau war eine Folge der SchAväche, aber nicht der Feigheit der Deutschen. Der Vorwurf der Feigheit"'') ist überhaupt einer wissenschaftlichen Darstellung nicht recht ange- messen. Die persönliche Tapferkeit ist gewifs in allen europäischen Heeren ungefähr dieselbe. Was die grofsen Völkerkämpfe entscheidet, ist nicht die persönliche Tapferkeit, sondern die Führung, die Disziplin und die Zahl. Hierin waren die Hussiten unter Zizka und auch noch unter Prokop dem Grofsen den Deutschen überlegen. Auch der vierte, mit vielen Hoffnungen unternommene Kreuzzug gegen die Hussiten scheiterte an der Uneinig- keit und Schwäche der deutschen Reichsfürsten. Der Verlust an Menschen war gering, um so grölser war die Schmach der deutschen Ehre.

Und zu diesem Ausgange des Feldzuges von 1427 gesellte sich manches, was wohl dazu geeignet war, einen groisen hussischen Einfall in Sachsen herbei- zuführen. Am 4. Januar 1428 starb in Altenburg Friedrich der Streitbare, der einzige Reichsfürst, der ihnen wirk- liche Niederlagen beigebracht hatte. In Böhmen aber war das Ansehen Prokops des Groisen durch die beiden Siege bei Aulsig und bei Tachau so mächtig gestiegen, dals sich die übrigen hussischen Parteien eine Zeit lang seiner Leitung fügten. Prokop ist der eigentliche Ur- heber des gewaltigen hussischen Vorstofses nach Mittel- deutschland hinein. Was ihn dazu führte, war zu einem grofsen Teile die Notwehr. Die Verwüstung Böhmens, das nun schon seit fast zehn Jahren immer wieder von deutschen Heeren heimgesucht worden war, und die Not, die in dem Lande herrschte, trieben die Hussiten über die Grenze, und der geringe Widerstand, dem sie bei ihren früheren Einfällen in Schlesien und in den Lausitzen begegnet waren, und die reiche Beute, die sie von da heimgebracht hatten, ferner ihre Waffenübung und ihre

0-.) Vergl. z. B. noch Theodor Lindner, Deutsche Geschichte unter den Habsbiugern und Luxemburgern IL, 347.

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offenkundige Überlegenheit über die kleinen deutschen Ritterheere mufsten sie dazu verleiten, anstatt der aus- geraubten schlesischen und lausitzischen Landschaften einmal die bisher verschonten Länder der Wettiner und Hohenzollern zu überziehen und diesen Fürsten, den Vorkämpfern Deutschlands, durch eine schwere Heim- suchung die Lust am Kriege zu benehmen. Prokop führte selbst jenen grofsen, entsetzlichen Raubzug nach Sachsen und Franken in den Jahren 1429 und 1430, von denen an der wirkliche Hussitenschrecken in Deutsch- land beginnt.

Der Angriff traf Sachsen nicht unerwartet. Schon seit Jahren hatte man einen Einfall der Hussiten be- sorgt, zum erstenmal, wie wir gesehen haben, im Mai und Juni 1426, und seitdem war kaum ein Jahr ver- gangen, in dem man nicht vor einem hussischen Einfall Sorge getragen hätte, und zwar nicht nur in den Lausitzen, die den blutigen Gegner schon mehr als ein- mal vor ihren Städten gesehen hatten, sondern auch in Meifsen, das bisher verschont geblieben war.

Es war ein unruhiges Jahr, das Jahr 1429. Von der nordböhmischen Stadt Brüx aus, die immer noch in den Händen der Sachsen war, beobachtete man schon im zeitigen Frühjahr, dafs sich die Hussiten zu regen und zu sammeln anfingen. Schon am 30. März schrieb Kurfürst Friedrich der Sanftmütige von Altenburg aus nach Leipzig*^''): „Wenne wir tegelichen gewarnet werden vnde auch warhafftjglichin vornemen, wy die verdampfen ketczer y in meynunge syn, vnser lande mit macht zcu obirczihen vnde die zcubeschedigen, dauon begern wir mit ganczem ernste, das du voit alle vnser erbar manne*") in dyner pflegin vonstund vorbottest, vnde desselbin glich du mit vnsern eigin gebuwern auch bestellest; vnde ir burger das vf uwerm marckte vzruffen vnde gebiten lasset, also wenne wir uch schriben adder botschaft thun werden, das ir vns denne mit ganczer macht zcu pferden vnde zcu fusse gefulgen moget." Damals kamen die Hussiten noch nicht. Dann sendete der Kurfürst am 14. Mai einen zweiten Brief an den Leipziger Rat mit dem Befehle, 16 gewappnete Schützen mit Armbrüsten und Handbüchsen auszurüsten und zur Verstärkung der

'^) Urkundenbuch der Stadt Leipzig I, 112. *^'') Das ist die Pätterschaft.

30 Ernst Kroker:

Besatzung nach Brüx zu senden. Doch auch ein An- griff auf Brüx erfolgte noch nicht, ja es schien, als wollte sich das Unwetter wie in den letzten Jahren seit- wärts verziehen, denn im Sommer 1429 fielen die Hussiten in die schon so oft ausgeraubten schlesischen Land- schaften ein, und im September zogen sie wiederum in die Lausitzen, vor den Oybin, vor Zittau, vor Bautzen, aber plötzlich wendeten sie sich westlich gegen das Ge- biet des Kurfürsten und standen überraschend vor Dresden. Altendresden, die heutige Neustadt auf dem rechten Eibufer, wurde von ihnen überrumpelt, ausgeraubt und niedergebrannt, doch die Brücke wurde glücklich vor ihrem Angriff gedeckt, und so furchtbar die Hussiten im freien Felde oder in ihren Wagenburgen waren, so schwach waren sie einer festen Stadt gegenüber. Sie versuchten den Sturm auf Dresden nicht, und ebenso wenig wagten sie Meiisen zu belagern. Aber sie zogen ostwärts der Elbe ungehindert weiter und sollen bis auf sechs Meilen vor Magdeburg vorgedrungen sein, immer auf dem rechten Eibufer: das ganze Gebiet westlich der Elbe wurde von diesem Zuge noch nicht berührt *^^). Mitte November kehrten ihre Scharen nach Prag zurück. Es war, als hätte Prokop seine Kraft erst nochmals an einem geringeren Gegner, wie es die Lausitzer waren, messen wollen, bevor er sich gegen einen stärkeren Feind wendete, den Kurfürsten von Sachsen. Einen ganzen Monat rüstete er noch*'''). Erst am 14. Dezem- ber 1429 verliefs er Prag. Am 18. Dezember stand sein Heer bei Graupen vor den Pässen des Erzgebirges. Es soll mehr als 40 000 Mann gezählt haben'"). Am 20. und 21. Dezember zogen seine Scharen „vber Walt", und zwar, wie es scheint, nicht über den Pals von Graupen, denn diese Stralse hätte sie nach Freiberg geführt, das reiche Freiberg ist aber auf diesem Zuge nicht ernstlich be- droht worden, vielmehr zogen sie über den Pals von Kulm und Nollendorf, der bei Pirna in das Elbthal mündet.

°^) Die DarstoUung, die z. B. Konrad Stiirmlioefel in seiner Illustrierten Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher, I, 2, 700, von diesem Zuge gieht, ist nicht richtig. Vergl. dagegen schon V. Posern-Klett im Urkundenbuch der Stadt Dresden (Cod. dipl. Sax. II, 5) S. 155: „gehnsiet der Elbe."

ö») Palacky, Urkundl. Beitr. II, Nr. 618 und 6:21.

™) Palackv, Geschichte a.a.O. S. 489.

Saclisen und die Hussitenkriegfe. 31

Ihr Angriff traf Sachsen nicht unerwartet, aber doch unvorbereitet, oder richtiger gesagt, der Kurfürst Friedrich der Sanftmütige war trotz aller Anstrengungen und trotz aller Bitten, mit denen er die Fürsten des Reiches um Hilfe bestürmte, nicht imstande gewesen, ein Heer aufzustellen, das den Hussiten eiuigermafseu gewachsen gewesen wäre.

Bei den Chronisten freilich finden wir auch hier wieder Angaben, die unglaublich sind, obgleich die neueren Geschichtschreiber sie geglaubt haben. Nach diesen Angaben soll Friedrich der Sanftmütige aus seinen eignen Ländern und durch Hilfstruppen der benachbarten Fürsten ein Heer von 100 000 Mann bei Leipzig zu- sammengebracht haben, trotzdem aber und obwohl die Hussiten kaum halb so stark gewesen wären, soll er jeder Schlacht ausgewichen sein und sich bei dem Heran- nahen der Feinde mit seinem ganzen grofsen Heere hinter die Mauern von Leipzig geflüchtet haben. Wer Leipzig auch nur oberflächlich kennt, mufs sich sagen, dals diese Erzählung etwas Unmögliches berichtet. Ein Heer von 100 000 Mann hat innerhalb der Ringmauer des alten Leipzigs gar nicht Platz. Die innere Stadt mit ihren engen Gassen und hohen Häusern hat nie mehr als 30 000 Einwohner gezählt. Nun hatte Leipzig damals zwar nur 4 5000 Einwohner, aber sicherlich waren die Bauern und die Edelleute der Umgegend mit ihrem Hab und Gut und mit ihren Viehherden in die Stadt geflüchtet, und die 100 000 Mann hätten geradezu in Haufen über einander liegen müssen, um innerhalb der Ringmauer Platz zu finden. Innerhalb der Ring- mauer hat aber der Kurfürst sein Heer^ zurückgehalten, darüber herrscht bei allen Schriftstellern Übereinstimmung, und es wird auch durch das Niederbrennen der Vorstädte bewiesen. Wir müssen also annehmen, dals das säch- sische Heer viel kleiner gewesen sein wird, als die Chronisten berichten.

Dasselbe läfst sich aus einer zweiten Erwägung schlielsen. Vor der Schlacht bei Aufsig haben wir er- fahren, wie grofs das Heer war, das Meilsen und Thüringen zusammen aufgestellt hatten. Es zählte gegen 8000 Mann. Wahrscheinlich war das Heer des Kur- fürsten Friedrich des Sanftmütigen 1429 nicht viel stärker. Dazu kamen noch die Hilfstruppen der nächsten Fürsten. Der Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg, der damals

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bei König Öiginimd in Wien und in Presburg und darnach in seinen fränkischen Besitzungen war, sendete seinen ältesten Sohn, den Markgrafen Johann von Brandenburg. Der Erzbischof Günther von Magdeburg war selbst in Leipzig, auch die Bischöfe von Naumburg und Merseburg, von Hildesheim und Halberstadt und der Herzog von Braunschweig werden genannt. Von Nürnberg aus rief Graf Ludwig von Oettingen, der oberste Feldhauptmann des Brandenburgers, die Fürsten und ötädte des Reichs zur Hilfe : Sachsen wäre eine Vormauer der Christenheit, schrieb er, sein Fall würde lähmenden Schrecken ver- breiten. Nürnberg schickte ein paar hundert Schützen. Erfurt liels seine ganze Macht ausziehen. Halle rüstete Hilfstruppen. Aber über der Menge dieser Namen dürfen wir den Umfang der Hilfleistung nicht überschätzen. Aulser dem Brandenburger war kein einziger von den grolsen Reichsfürsten beteiligt. Mainz, Köln, Trier, Hessen, Kurpfalz, Bayern, Österreich, der König Sig- mund werden überhaui)t nicht erwähnt. Und erinnern wir uns der Hilfstruppen, die vor der Schlacht bei Aulsig kamen ! Da sendete der Erzbischof von Magde- burg 40 Reiter, der Bischof von Naumburg und der von Merseburg je 20 Reiter. Jetzt mögen sie etwas mehr mitgebracht haben, aber viel mehr sicherlich nicht, dazu waren sie zu schwach, zu schwach an Leuten und zu schwach an Gelde, und wenn wir das ganze Heer, das raeilsnisch- thüringische und das der Bundesgenossen zu- sammen, auf 20 000 Mann schätzen, so ist dies wahr- scheinlich eher zu hoch als zu niedrig.

Immerhin war dies für jene Zeiten ein bedeutendes Heer. Wir wundern uns deshalb nicht, wenn wir hören, dals man zunächst den Hussiten im oifenen Felde zu be- gegnen gedachte. Während Friedrich der Sanftmütige sein Heer zwischen Leipzig und Grimma sammelte, war Markgraf Johann von Brandenburg bis Oschatz vor- gerückt. Wenn alle Truppen beisammen wären, wollten beide ihre Abteilungen zwischen Dresden und Pirna ver- einigen und mit den Hussiten schlagen. Aber diese waren trotz des Winters mit grolser Schnelligkeit vorgerückt. Pirna, Dresden und Meifsen hatten sie unbestürmt liegen lassen. An diese festen Plätze getrauten sie sich auch diesmal nicht, und eine lange Belagerung hätte ja die Absicht ihres Raubzuges vereiteln müssen. Sie begnügten sich damit, die offenen Flecken und Dörfer und die kleinen

Sachsen und die Hussitenkriege. 33

Landstädte zu verbrennen. Feuer und Schwert hausten entsetzlich unter der wehrlosen Bevölkerung. „Gott den Allmächtigen muls es erbarmen", heifst es in einem gleich- zeitigen Briefe^^), „wie mancherley Unmenschlichkeit und Jammer von den verdammten bösen Ketzern und Hussen mit Brand, Raub und Mord von Tag zu Tag im Lande zu Meifsen geschehen und grols Hochmut und Gewalt an Städten, Dörfern und Klöstern in demselben Lande getrieben wird." Am 29. Dezember stand Oschatz in Flammen, und Markgraf Johann wich vor der Übermacht der Feinde nach Leipzig zurück. Riesa, Strehla, Beigern und Torgau sollen ebenfalls verbrannt worden sein. Dann bogen die Hussiten von der Elbe nach Westen ab und rückten auf Leipzig, wo der Kurfürst stand. Würzen wurde verbrannt, und am 6. Januar 1430 überschritten die Hussiten in einer Furt die Mulde, in der Nähe von Grimma, unterhalb dieser Stadt, vielleicht bei Nerchau. Von Grimma zogen die Hussiten weiter nach Leipzig. Die Vorstädte von Leipzig wurden verbrannt, wahr- scheinlich von den Verteidigern, nicht von den Angreifern. Die Stadt selbst blieb unbestürmt. Die Dörfer und die kleineren Ortschaften der Umgebung wurden aber wohl gründlich verbrannt und verderbt. Leider erfahren wir über die von den Hussiten angerichteten Verwüstungen nichts Näheres, und auch über die Dauer ihrer Anwesen- heit in der Leipziger Gegend lätst sich nur soviel nach- weisen, dafs es die zweite Januarwoche des Jahres 1430 war, und dafs sich die Hussiten nur ganz kurze Zeit in der Nähe von Leipzig aufgehalten haben können, denn am 6. Januar standen sie noch vor Grimma, am 12. Januar aber lagerten sie schon vor Altenburg, Sie hatten unter- des ihr grofses Heer in fünf Haufen geteilt und waren von Leipzig aus südwärts gezogen, weit und breit das Land wie Heuschreckenschwärme überschwemmend. Alten- burg die Stadt wurde ausgeraubt, das Schlofs hielt sich trotz eines scharfen Angriffs. Plauen aber, Stadt und Schlofs, fiel am 25. Januar in ihre Hände. Zahlreiche Bürger und Edelleute Avurden niedergemetzelt, doch die Frauen wurden verschont. Dies wird mehr als einmal von den Hussiten berichtet und unterscheidet ihre Krieg- führung bei aller Grausamkeit sehr vorteilhaft von der der Deutscheu, dafs sie in den eroberten Städten ge-

'1) Palacky, Urkundl. Beitr. II, Nr. 629.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI. 1. 2.

34 Ernst Kroker:

wölinlicli die Frauen und Kinder am Leben liefsen. während die Deutschen, wenn sie in Böhmen standen, unterschiedslos alles, was erwachsen war, über die Klinge springen lielsen.

Aus dem Vogtlande zogen die Hussiten noch weiter südlich in die fränkischen Besitzungen der Hohenzollern. Bayreuth und Kulmbach wurden verbrannt. Überall in den Thälern und auf den Höhen standen die Dörfer in Flammen. Wenige Städte, wenige Burgen waren fest genug, dem Sturme zu trotzen. Dem Kurfürsten Fried- rich I. von Brandenburg erging es jetzt ebenso, wie einige Wochen vorher dem Kuifürsten von Sachsen. Er rief flehentlich um Hilfe, und fast niemand kam. Mit erschütternden Worten beklagt er sich darüber'-): ob- gleich er seine Freunde, von denen er sich Hilfe und Rats versehen hätte, nicht einmal, sondern mannigmal mit grolsem Ernste angerufen hätte und auch jedermann solche seine grolse Not wohl wissentlich gewesen wäre, so hätte es ihm leider wenig genützt; er wäre von seinen Freunden und von jedermann hilflos und ganz im Stiche gelassen worden, ausgenommen den Bischof von Eichstädt, der ihm gegen 40 Pferde geschickt hätte , mit denen ihm freilich nicht geholfen gewesen wäre. Eine Schar von 20 oder 40 Reitern scheint damals für die kleinen geist- lichen Herrn in Deutschland ein non plus ultra gewesen zu sein! Schon war auch Nürnberg bedroht, da demütigte sich der Hohenzoller zu dem Entschluls, das, was ihm noch geblieben war, um Gold von der Verwüstung freizukaufen. Am 21. Februar 1430 zogen die beute- beladnen Scharen der Hussiten wieder in Prag ein.

Dies war der grofse Raubzug des Winters von 1429 auf 1430. In Sachsen allein sollen 18 Städte und Markt- flecken und gegen 1400 Dörfer in Asche gelegt worden sein'-^). Mit den 18 Städten und Marktflecken mag es seine Richtigkeit haben, aber die Angabe der 1400 Dörfer entspricht wohl nicht ganz der Wahrheit. Das König- reich Sachsen hat jetzt noch keine 4000 Dörfer. Da nun die Hussiten auf ihrem i-aschen Zuge grolse Teile des Landes gar nicht berührt haben, können sie unmöglich in Sachsen allein 1400 Dörfer zerstört haben. Freilich wird die Verwüstung, die sie hinter sich lielsen, schauer- lich genug gewesen sein, und manches Dorf mag seit

'-) V. Bezold a. a. 0. III, 165 ff. '") Wind ecke a. a. 0. S. 214.

Sachsen nuil die Hussitenkriege. 35

jener Zeit wüste gelegen haben, doch geht man auch in der Zurückfiihrung der wüsten Marken Sachsens auf die Hussitenkriege viel zu weit. Emil Herzog z. B., der 370 sächsische Wüstungen in dem 2. Bande des Archivs für die sächsische Geschichte zusammengestellt und besprochen hat"^^), sagt: „Aus unserm Verzeichnis ergiebt sich, dals mindestens vier Fünftel der wüsten Marken Sachsens aus dem greuelvollen Hussitenkriege herrühren," Prüft man aber seine Zusammenstellung nälier, so findet man nur zu oft anstatt einer sicheren Überlieferung ein blolses vermutlich und wahrscheinlich, und aus den Urkunden läfst sich mehr als einmal nach- weisen, dals dies vermutlich und wahrscheinlich falsch ist. Ich greife zwei wüste Marken aus der nächsten Umgebung Leipzigs heraus: die Petzscher Mark und Pfaffendorf.

Das Dorf Petzschau lag nördlich von Leipzig, vor dem Gerberthore, ungefähr an der Stelle, wo jetzt die erste Gasanstalt steht, und von da nach Eutritzsch zu, wo jetzt die Petzscher Strafse darnach benannt ist. Von dieser Wüs,tung sagt Herzog'-^): „die wüste Mark des im Hussitenkriege untergegangenen Dorfes Petzschau." Aus dem Leipziger Urkundenbuche''') läfst sich aber nachweisen, dals Petzschau nicht im Hussitenkriege untergegangen ist. Noch 1454, also mehr als 20 Jahre nach dem Einfall der Hussiten, verbietet der Leipziger Rat den Bauern von Petzschau, Zänkereien und Zwistigkeiten, die sie sich innerhalb des Weichbilds der Stadt hätten zu Schulden kommen lassen, eigenmächtig zu bestrafen; sogar noch 1476 und 1478 wird im Urkundenbuch ein Richter von Petzschau erwähnt. Der Ort scheint erst im 16. Jahrhundert zu einer wüsten Mark geworden zu sein.

Gerade umgekehrt verhält es sich mit Pfaffendorf. Der Ort grenzte westlich an die Petzscher Flur, Von Pfaffendorf sagt Herzog") : „Von diesem im Hussitenkriege untergegangenen Dorfe ... ist nur noch das Vorwerk Pfaffendorf übrig." Wir haben aber eine Urkunde aus dem Jahre 1362, in der überhaupt kein Dorf Pfaffendorf mehr genannt wird, sondern nur noch: „das zcinsgut, daz da heilset Pfaffendorf " '^). Schon damals also, 70 Jahre

'*) Nachträge dazu im 5. und 10. Baude.

'5) a. a. 0. S. 101.

'«) I, 245 Nr. 311.

") a. a. O. 8 216

•'S) Urkundenbuch der Stadt Leipzig I, 38 Nr. 62.

3*

36 Ernst Kroker:

vor dem Einfall der Hiissiten, war Pfaffendorf als Dorf bis auf das Vorwerk, an dem der Name haften blieb, unter- gegangen.

Ich führe diese Beispiele an als Beweis dafür, wie unsichei' unsere Überlieferung und wie notwendig es ist, die Angaben der neueren Geschichtschreiber über die Hussitenkriege an den gleichzeitigen Urkunden nachzu- prüfen. Eins aber geht aus allen Nachrichten deutlich hervor, das Entsetzen, das infolge dieses grofsen Raub- zugs ganz Mitteldeutschland erfüllte und Jahre lang in Unruhe und vor einem neuen Einfall der Hussiten in Angst erhielt. Ein Vers aus jener Zeit fafst die Verwüstung in Freundes und Feindes Lande in die Worte zusammen'^):

Meissen vud Sachsen verderbt, Schlesien vnd Laufsuitz zerscherbt, Bayern aufsgeuärbt, Österreich verheert, Mähren verzehrt, Böhem vmbgekehrt.

An vielen Orten, selbst in weiter Ferne erwartete man die Wiederkehr, einen noch grölseren Raubzug der Feinde. Grofse und volkreiche Städte fürchteten noch nicht stark genug zu sein und verstärkten ihre Mauern mit dem Aufgebot aller Kräfte und unter grofsen Ausgaben, so Erfurt, Magdeburg, Halberstadt, sogar Frankfurt a. M.""'), und die Hansestädte in Norddeutsch- land schlössen sich zur Verteidigung enger an einander.

Ebenso war Leipzig um seine Sicherheit besorgt, obgleich es von den Hussiten im Januar 1430 gar nicht ernstlich angegriffen worden war. Als sich im Sommer desselben Jahres das Gerücht von neuen Rüstungen in Böhmen verbreitete, bat der Rat von Leipzig nicht nur nah und fern um Hilfe, sondern er suchte sogar bei der geistlichen Behörde um die Erlaubnis nach, auch an Sonn- und Feiertagen an den Wällen der Stadt schanzen zu dürfen, und am 2. Juli gewährte ihnen der Bischof Nikolaus von Merseburg ihre Bitte und verhiefs zugleich allen, die an dem Werke helfen würden, einen vierzig- tägigen Ablals*^'). Diese Urkunde ist den Geschicht- schreibern Leipzigs schon seit langer Zeit bekannt, sie haben sie aber in wunderlicher Weise milsverstanden,

™) Theobald a. a. O. S. 266. 80) V. Bezold a. a. 0. III 54, 8') Urkundenbuch der Stadt Leipzig I, 116 Nr. 171.

Sachsen und die Hussitenkriege. 37

indem sie erzählen, die Leipziger hätten sogar an den Weihnachtsfeiertagen an ihren Wällen gearbeitet^-}. Die Urkunde ist am 2. Juli ausgestellt.

Zum Glück für Sachsen wurden die Rüstungen, die man 1430 eifrig betrieb, nicht ernstlich auf die Probe gestellt. Die Hussiten kamen nicht wieder nach Mittel- deutschland. Dagegen fielen die Deutschen im nächsten Jahre noch einmal und zum letztenmal in Böhmen ein. Es ist dies der fünfte Kreuzzug gegen die Hussiten im Jahre 1431. Wiederum rückten die Deutschen vor Tachau, das ihnen schon auf dem vierten Kreuzzuge verhängnis- voll geworden war. Von Tachau zogen sie weiter gegen das Städtchen Taus. Hier aber fand ihr Zug wiederum ein jähes Ende. Als Prokop der Grofse mit seinem Heere nahte, löste sich das deutsche Heer in fluchtähnlichem Rückzug auf, ohne eine Schlacht zu wagen. Der Verlust an Menschen war wahrscheinlich auch diesmal gering, an Heergerät aber scheint man viel verloren zu haben. 12000 Wagen hätten die Deutschen auf der Flucht in Böhmen stehen lassen, erzählt ein Chronist dieser Zeit^'^). Das ist selbstverständlich eine gewaltige Übertreibung. Die höchste böhmische Schätzung spricht nur von einem Sechstel, von 2000 erbeuteten Wagen ^*). Die Nachricht an sich ist aber wichtig, denn der Ortsname Tachau und die Erzählung von den 12000 Wagen, die die Hussiten erbeutet hätten, haben wahr- scheinlich das Märchen von dem grolsen Einfall der Hussiten in Sachsen im Jahre 1433 entstehen lassen.

Die gleichzeitigen urkundlichen Quellen schweigen über diesen angeblichen Raubzug. Sie zeigen uns die Hussiten überall anderswo, in Böhmen selbst vor Pilsen, ferner in Schlesien, sogar in Polen, nur nicht in Sachsen. Schon dies macht die Überlieferung der Chronisten ver- dächtig. Ein Zug, der die Verwüstung abermals bis vor Leipzigs Thore getragen hätte, müfste doch in den gleich- zeitigen Urkunden einen Widerhall finden. Und der Argwohn, der Bericht von diesem Einfall von 1433 möchte auf einer Verwechslung oder auf einem Mifsverständnis beruhen, steigt noch, wenn man sieht, wie wenig die Chronisten zu berichten wissen, und wie unsinnig das ist,

S2) Vergl. z.B. Grofse, Geschichte der Stadt Leipzig I, 352.

83-) Joh. Eothe a. a. O. S. 674.

s*) V. Bezold a. a, 0. S. 153 Anm. 1.

38 Ernst Kroker:

was sie berichten. Es ist im wesentlichen nur dies: die Hussiten wären 1433 wieder bis nach Leipzig gezogen, die Deutschen aber hätten nicht gewagt, ihnen im oftnen Felde zu begegnen, sondern sie hätten sich innerhalb der Mauern von Leipzig gehalten , da hätten die Hussiten das Städtchen Tauclia bei Leipzig zerstört und von dort 12 000 Wagen mit Kaufmannsgut als Beute nach Böhmen zurückgeführt; seitdem wäre es mit der Blüte der Stadt Taucha vorbei gewesen, der Handel hätte sich nach Leipzig gewendet, und die Leipziger Messen wären rasch aufgeblüht.

Wie man leicht erkennt , ist diese Erzählung in ihrem ersten Teile nur eine Wiederholung von dem, was über den grofsen Hussiteneinfall im Januar 1430 berichtet wird. Und der zweite Teil der Erzählung ist schlechthin unglaubwürdig. Man hat auch schon seit langer Zeit daran Anstofs genommen, dals die Hussiten aus dem Städtchen Taucha 12000 Wagen mit Kaufmannsgut fortgeschleppt hätten. Man hat statt 12000 Wagen 1200 Wagen schreiben wollen. Aber auch diese Zahl wäre ja noch viel zu hoch, Li den Zeiten der gröfsten Haudelsblüte hat Leipzig wohl selten 1200 Frachtwagen zu seinen Messen kommen sehen, um wie viel weniger kann ein Landstädtchen wie Taucha in so früher Zeit eine solche Zahl Wagen versammelt haben!

Aber nicht nur die Zahl der 12000 Wagen ist ver- dächtig, der ganze Bericht ist es. Ich bin nicht der einzige, der die Vermutung ausspricht, die Erzählung von dem Hussiteneinfall des Jahres 1433 sei aus einem Mifsverständnis entsprungen^''), ich glaube aber, man braucht nicht bei der blolsen Vermutung stehen zu bleiben, sondern mau kann den Beweis liefern, dafs dem wirklich so ist. Wir haben noch eine Urkunde vom 23. August 1432^"), einen Vertrag, der zwischen den Hussiten, näm- lich den Taboriten und Waisen auf der einen Seite und unsern sächsischen Herzögen auf der anderen Seite in dem hussischen Feldlager bei Friedstein in Nordböhmen abgeschlossen worden ist. Darin verpflichten sich die Hussiten gegenüber den Herzögen von Sachsen und Land- grafen von Thüringen und Markgrafen von Meifsen mit- samt ihren Brüdern, ihren Grafen, ihren Edelleuten, ihren Rittern, ihren Ländern und ihren Landbewohnern,

85) Palacky, Geschichte S. 492 Anm. 506. 88) Palack}', Urkimdl. Beitr. II Nr. 819.

Sachsen imd die Hussitenkriege. 39

ihren Bürgerschaften, ihren Städten, ihren Dörfern, ihren Unterthanen , geistlichen und weltlichen , und ihren Juden zu einem zweijährigen Waffenstillstand: der Friede zwischen Sachsen und Böhmen soll gelten von dem Tage der Unterzeichnung des Vertrags bis zu Sonnenuntergang am Tage Martini 1434, und beide Yertragschliefsende stellen einander Bürgen für die Aufrechterhaltung des Friedens. Der angebliche Hussiteneinfall im Jahre 1433 und die Zerstörung von Taucha wären also mitten in den feierlich beschworenen, zweijährigen Frieden hinein- gefallen! Diesem Friedensvertrage gegenüber schwindet jeder Zweifel. Wir dürfen es mit aller Sicherheit aus- sprechen, dafs die Hussiten im Jahre 1433 nicht nach Sachsen gezogen sind. Sie sind nur ein einziges Mal bis nach Leipzig gekommen, im Januar 1430, weder schon vorher einmal, noch nachher wieder. Ist Taucha wirklich von den Hussiten zerstört worden, so muls dies im Januar 1430 geschehen sein.

Wie ist aber das Märchen von der Zerstörung von Taucha im Jahre 1433 und von der Beute der 12000 Wagen entstanden? Offenbar durch ein schlimmes Mils- verständnis. Wir haben gesehen, dafs ein deutscher Chronist die Hussiten bei dem fünften Kreuzzuge, der auch die böhmische Stadt Tachau berührte, 12000 Wagen erbeuten lälst. Wahrscheinlich hat ein anderer Chronist diese Stadt Tachau in Böhmen mit dem Städtchen Taucha bei Leipzig verwechselt und die Jahreszahl 1431 in 1433 verhört. Daher kommen die 12000 Wagen.

Dals die Hussiten nicht wieder nach Sachsen zogen, lag in dem Friedsteiner Waffenstillstand begründet, und dieser wiederum war wohl eine Folge der Uneinigkeit der Hussiten. Ihre Parteien, die Gemälsigten und die Entschiedenen, die sich die Brüder nannten, stellten sich immer schroffer gegenüber, und der innere Zwist führte schlielslich zu der blutigen Schlacht bei Lipan oder Böhmisch -Brod am 30. Mai 1434, in der Prokop der Grofse an der Spitze der Brüder den Untergang und selbst den Tod fand. Sein Tod fällt noch in den zweijährigen Waffenstillstand zwischen Böhmen und Sachsen. Mit der Vernichtung der Brüder war die Gefahr für die Nachbarn Böhmens geschwunden. Der Sieg, den Kurfürst Friedrich der Sanftmütige 1438 bei Brüx davontrug, zeigt die deutschen Waffen wieder im Übergewicht.

IL

Meister Peter von Pirna.

Von

Oskar Speck.

Um die Mitte des 15. Jalnluinderts nahm in den sächsischen Ländern die kirchliche und weltliche Bau- thätigkeit einen bedeutenden Aufschwung. Herrliche Zeugnisse dafür sind vor allen anderen Baudenkmälern die Marienkirche zu Zwickau und die Albrechtsburg zu Meifsen. Die Formen, deren sich die Meister bei ihrem Schaffen bedienten, waren im wesentlichen noch die gotischen. Man bezeichnet daher ihre Bauweise als die spätgotische. Aber ihre Werke durchweht bereits ein neuer Geist, in den überlieferten Formen werden neue Gedanken aus- gedrückt. Arnold von Westfalen, Konrad Pflüger, Hans Reinhard, Hans Schickentantz sind gefeierte Künstler- namen jener sächsischen Schule. Ihr gehört auch Peter von Pirna an. Über diesen Meister ist fast nichts be- kannt; nur das wuMe man, dals er am Bau der Annen- kirche zu Annaberg und der Marienkirche zu Pirna be- teiligt war und im Jahre 1512 als Werkmeister des Herzogs Georg von Sachsen nach Görlitz berufen wurde, um den Rathausturm daselbst zu besichtigen. Ich bin so glücklich gewesen, im Hauptstaatsarchiv zu Dresden, in den Ratsarchiven zu Dresden und Pirna und im Amtsgerichtsarchiv zu Pirna noch mancherlei über ihn aufzufinden, was ich hier veröffentliche.

Zunächst teile ich die sicheren Forschungsergebnisse über Leben und Wirken Peters mit.

Der Meister tritt uns in der Überlieferung unter dem Namen Peter von Pirna entgegen. So ist er

Meister Peter von Pirna. 41

natürlich nicht in Pirna, sondern nur anderwärts genannt worden, in den Orten nämlich, wohin er von Pirna aus berufen wurde, z. B. in Dresden und Görlitz. Peter ist aber nicht sein einziger Name gewesen. Die Zeit, da jedermann nur einen einzigen Namen führte, war am Ausgang des Mittelalters vorüber, die Bildung der Familiennamen schon überall vor sich gegangen. Es liegt lediglich an der ^allerdings nur dem herrschenden Brauche folgenden Überlieferung, wenn in schriftlichen Aufzeichnungen des 15. und sogar noch des 16. Jahr- hunderts nur der Vorname genannt und als Zuname ein Städtename oder eine andere nähere Kennzeichnung der Person beigefügt ist. Dieser Brauch hat manchem einen anderen Familiennamen eingebracht, wie z. B. dem be- rühmten Maler Lukas Sunder aus Cronach in Franken, den man nur noch als Lukas Cranach kennt. Manchen aber hat jene Gewohnheit bei der Nachwelt überhaupt um seinen Familiennamen gebracht, der erst durch die Forschung wieder zu Tage gefördert werden mulste. Ich erinnere an Benesch oder Benedikt von Laun, den Baumeister des Domes zu Prag, der Benedikt Rieth heifst. Auch über unsern Meister sind bisher nur Über- lieferungen der genannten Art bekannt geworden. Ich habe jedoch auch solche gefimden, in denen sein voller Name genannt wird. Sein Familienname ist Ulrich. Das geht unwiderleglich vor allem aus mehreren Be- urkundungen gerichtlicher Handlungen in Pirnaer Stadt- büchern hervor, wo er Meister Peter Ulrich der Steinmetz genannt wird. Über seine Herkunft werde ich später noch zu sprechen haben; jetzt will ich nur so viel bemerken, dals Pirna wahrscheinlich nicht, wie man wohl versucht sein könnte anzunehmen , sein Geburts- ort gewesen ist, sondern nur seine neuerworbene Heimat. Im Jahre 1503 taucht er daselbst aus dem Dunkel auf, das bis dahin sein Leben und Wirken umhüllt. Hofmann ^) hat ihn aus der Pirnaer Kämmereirechnung jenes Jahres nachgewiesen. Die von ihm handelnde Stelle lautet: „52 Groschen Meister Peter Parlierer an seinen geschossen vnnd wachgeld erlassen, von der kirch und stat gebewden wegen." In derselben Eechnung ist er noch einmal zu finden. Im Verzeichnis der „gemeynen inquilini", d. h. der Hausgenossen, die keiner Zunft an-

*) Geschichte der Kirche St. Marien in Pirna (1890).

42 Oskar Speck:

geliören, ist Peter Ulrich verzeiclmet , der Name aber durchstrichen, was sich daraus erklärt, dals er 1503 Hausbesitzer geworden war. In der Verschreibung des Kaufs, die am 12. Juni (secunda feria post trinitatis) 1503 -) erfolgte, wird er Meister Peter Ulrich genannt. Das Haus , das er von Paul Nack (Nagk , Nawgk) kaufte, lag an der Ecke zunächst der Lügenbrücke, d. i. am nördlichen Ende der vor der Kirche befindliclien Häuser- reihe am Markte, die zu jener Zeit aus Kramgewölben bestand und den Namen „Unterm Haken" führte, der sich auf uusre Zeit vererbt hat. Der Kaufpreis des Hauses, das ganz baufällig war, betrug 35 Schock silberne Groschen = 100 meilsnischen Gulden. 10 Schock hatte er als Angeld gezahlt, während er die übrigen 25 Schock in Teilzahlungen an Terminen, deren letzter auf Walpurgis 1505 festgesetzt war, zu bezahlen ver- sprochen hatte.

Der Kauf hatte noch ein wichtiges Nachspiel. Da der Verkäufer dem Meister Peter verschwiegen hatte, dals von dem Hause jährlich 19 silberne Groschen Erb- zinsen zu zahlen waren, wollte dieser den Kauf nicht halten. Unter Mitwirkung des Eates, dem daran lag, daiis das Haus gebaut werde , und mit Wissen des Land- vogts zu Pirna, Günther von Bünau, kam jedoch ein Vergleich zwischen den Parteien zustande'^). Der Ver- käufer erliefs dem Meister Peter am Erbgeld, d. i. am Rückstände des Kaufgeldes, 5 silberne Schock. Zu diesen legte Meister Peter noch 1 Schock, und der Rat willigte ein, dals die 6 Schock zu einem Stamm gemacht und auf gewisse Erbgüter ausgeliehen würden. Davon nahm der Rat die Zinsen ein, die, zu 5 v. H. gerechnet, 18 Groschen betrugen, wogegen Meister Peters Haus vom Erbzins befreit wurde. Doch gab der Rat seine Einwilligung nur unter der Bedingung, dafs Meister Peter der Stadt zu Ehren und sich selbst zum Nutzen das Haus steinern baue; sonst sollten ihm die 6 Schock wiedergegeben werden und der Erbzins auf dem Hause haften bleiben. Meister Peter fügte der Einwilligung zu dem Vergleiche, der am S.Oktober (sexta post Michaelis) 1505 im Stadtbuche verschrieben wurde , das Versprechen hinzu, „vff nehstkonfftige seiner tage den bawe anzcufahen".

2) stadtbuch III, El. 148 (HStA. Dresden, Loc. 9901).

3) Stadtbuch IIT, Bl. 170 b.

Meister Peter von Pirna. 43

Am darauffolgenden St. Galliistage (16. Oktober) sagte Paul Nack vor Richter und Schöffen aus, dafs der mit amvesende Meister Peter Ulrich, Steinmetz, ihm das Haus „ganz und gar wohl zu Danke bezahlt habe", und entsagte allem Rechte daran, worauf der Käufer erblich damit belehnt wurde ^). Bei Beurkundung dieser Ver- zichtleistung, Lehnsauflassung und Lehnsreichung wurde auch die Befreiung von dem Erbgelde mit verschrieben. Ohne Zweifel ist Meister Peter seiner Verpflichtung zum Bauen nachgekommen. Das gotische Portal, das an dem Hause (jetzt Nr. 3 am Markte) noch erhalten ist, stammt daher sicher aus jener Zeit und ist durch ihn erbaut.

Über Peter Ulrichs Familienverhältnisse erlangen wir Kunde durch einen im Jahre 1506 bewirkten Ein- trag des Stadtbuches^). Der Meister hatte am 14. Mai (feria quinta post Cantate) vor dem Stadtgericht mit seiner Ehefrau Dorothea einen Vertrag geschlossen, nach welchem sie sich gegenseitig beerben wollten. Es ^ gab eins dem andern zum Besitz nach dem Tode des Über- lebenden auf alles, was es besafs oder noch erwerben würde; „doch hatt ydes teyll sechs gutte schock auls- gezogenn, domit Ir Testament vnnd Selegereth zcubestellen." Das sind jedenfalls die in der Kämmereirechnung von 1504 verzeichneten 12 Schock Stammgeld, gehörend zum Margaretenaltar in der Stadtkirche, die Meister Peter Parlierer am 2. Mai (Donnerstag nach Walpurgis) 1504 beim Rate hinterlegt hatte. Peter Ulrich war also ver- heiratet, hatte aber keine Kinder, entweder überhaupt keine gehabt oder im Jahre 1506 keine mehr. Zu ver- muten ist auch, dafs er damals bereits in vorgerücktem Alter stand. Sein Weib Dorothea ist vor ihm gestorben, und er hat sie beerbt. Am 11. Mai (Mittwoch nach Exaudi) 1513 erschien vor Bürgermeistern und Ratmannen Wenzel Petzold und bekannte, „dafs er der Gerade, so seinem Weibe von Frauen Dorotheen, Meister Peter Ulrichs Eheweibe seliger Gedächtnis, zuständig und angefallen gewest, gänzlich von bemeldtem Peter Ulrich bezahlet, entrichtet und vorgenuget sei""). Die Ehefrau dieses Wenzel Petzold war der Verstorbenen nächste weibliche

*) Stadtbuch III, El. 171. •') Ebenda Bl. 174b.

^) Stadtbuch IV, Bl. 14 (Amtsgerichtsarchiv zu Pirna).

44 Oskar Speck:

Verwandte, der von der Erbschaft die Niftelgerade, das beste Paar Kleider und das zweitbeste Bett nebst Zu- behör'), gebührte.

In der Verschreibung der Verzichtleistung Wenzel Petzolds ist Meister Peter Ulrich zum letzten Mal als Lebender erwähnt. Bald darauf mufs er gestorben sein. Das Datum seines Todes kann ich zwar nicht angeben; aber annähernd genau lälst es sich bestimmen. In dem Geschofsverzeichnis der Pirnaer Kämmereirechnung vom Jahre 1513 steht neben Peter Ulrichs Namen der Name Standfest, der 1518 allein an dieser Stelle vorkommt. Standfest ist der zweite Nachbesitzer von Meister Peters Haus^). Der Verkauf desselben scheint demnach 1513 stattgefunden zu haben; im Stadtbuch habe ich ihn nicht verzeichnet gefunden. Einen sichereren Anhalt zur Be- stimmung des Zeitpunktes, wann Peter Ulrich gestorben Ist, finde ich aber in dem Auftreten seines Nachfolgers in Pirna. Nach der Kämmereirechnung des Jahres 1514 hat man Marcus dem Steinmetzen 5 Groschen zur Zehrung gegeben, dals er von Dresden gegen Pirna des Kirchenbaues halben gezogen ist. Nach der Reihenfolge der Einträge ist diese Ausgabe im Anfange der Fasten- zeit gemacht worden. Das stimmt auch überein mit dem weiteren Ausgabeposten: „15 Groschen dem Steinmetzen, dafs er zu Lewtenbercz vnd Aussigk gewest ist nach gesellen, actum quarta post oculi" (22. März). Meister Markus Eibisch , derselbe, dem 1516 der Bau des Klosters auf dem Königstein verdingt wurde''), hat bis in den Oktober des Jahres 1513 hinein noch in Dresden gebaut, wie ich aus der Brückenamtsrechnung dieses Jahres er- sehen habe. Sein Umzug nach Pirna ist also frühestens gegen Ende dieses Jahres, spätestens aber zu Anfang der Fastenzeit des Jahres 1514 erfolgt. Daraus ei'giebt sich, dafs Meister Peter wahrscheinlich schon im Jahre 1513, spätestens aber zu Anfang des Jahres 1514 ge- storben ist. Ob in Pirna oder Annaberg, ist mir noch zweifelhaft. Er hatte seinem Bruder „Hans Ulrich in Schwaben" in seinem Testament 100 rheinische Gulden aus seiner Hinterlassenschaft bestimmt. Als dieser das

■^ Nach der Willkür der Stadt Pirna vom 5. Juni 1389. Cod. dipl. Sax. reg II. 5, 372.

«) Vergl. Stadtbuch IV, BI. 72 b und 80.

") HStA. Dresden, Loc. 8941. Die Fundation des Coelestiuer- Klosters zu Königstein bei. Bl. 4.

Meister Peter von Pirna. 45

Vermächtnis in Pirna erheben wollte, wurden ihm jedoch Schwierigkeiten bereitet, weshalb er sich an den Herzog Georg wandte. Dieser liels am 7. Juli 1515 an den Rat zu Pirna schreiben ^*^), er solle verfügen, dafs dem Bitt- steller das Geld zugestellt werde; fordere er aber den Erbfall, so möge dieser ihm nicht eher gereicht werden, als bis man sich vergewissert habe, ob man von seinem Aufenthaltsorte aus vorkommenden Falles auch den Erb- fall hierher ins Land folgen lasse. Der Rat zu Pirna sandte sofort wieder einen Bericht au den Herzog, dessen Inhalt mir unbekannt ist, der aber Hans Ulrich nicht befriedigte. Auf dessen erneute Klage und Bitte wies nun der Herzog den Rat auf St. Annaberg am 14. Juli 1515^^) an, das Vermächtnis auszuzahlen, wenn es wahr sei, dafs aus Peter Ulrichs Hinterlassenschaft auch noch seine Gläubiger bezahlt werden könnten. Es scheint danach, dafs der Rat zu Pirna die Auszahlung abgelehnt hat, Aveil die in Pirna vorhandene Hinter- lassenschaft Meister Peter Ulrichs zur Deckung »seiner Schulden nötig sei.

Ganz sicher ist nach dem bisher Erörterten, dafs Meister Peter Ulrich von 1503 bis 1513 in Pirna an- sässig gewesen ist und seinen wesentlichen Aufenthalt gehabt hat.

Dort sind auch die ersten Spuren seines Wirkens zu bemerken. Ehe ich aber denselben nachgehe, möchte ich noch eine. .allgemeine Bemerkung machen. Aus der urkundlichen Überliefei'ung haben wir Peter Ulricli als Meister des Steinmetzhandwerks kennen gelernt. Es würde aber durchaus falsch sein, sich ihn als einen mit Klöppel und Eisen auf dem Bauplatze arbeitenden Stein- metzen vorzustellen. Er war vielmehr ich kann das ebensogut von ihm sagen wie Gurlitt von Meister Arnold von Westfalen ein Baumeister im heutigen Sinne, entwarf die Pläne, besuchte die Bauten und traf daselbst nötige Anordnungen.

AVir treffen ihn zunächst als ersten Leiter des Pirnaer Kirchenbaues an. Über dessen Beginn ist eine doppelte Überlieferung vorhanden: der Monachus Pirnensis und nach ihm des Petrus Albinus handschrift-

10) HStA. Cop. 120, El. IIb. ") Ebenda Bl. 19.

46 Oskar Speck :

liehe Chronik von Pirna'-) nennen das Jahr 1502 als Anfangsjahr des Baues, eine ehemals in der Kirche selbst vorhandene Inschrift dagegen nennt als solches 1504. Hof mann hat der zweiten Angabe mehr Vertrauen ge- schenkt, denn er sagt: „Der eigentliche Bau begann wohl erst 1504.'' Ich entscheide mich unbedingt für das Jahr 1502. Dals die Jahrzahl 1504 zweimal an den nördlichen Strebepfeilern eingehauen ist, beweist doch eher, dals der Bau früher begonnen worden ist, da er sonst wohl schwerlich in diesem Jahre schon so weit vorgeschritten gewesen wäre. Vor allen Dingen aber spricht dafür, dals Meister Peter Ulrich schon vor 1504 in Pirna anwesend war. Nachgewiesen ist schon, dals er 1503 in Pirna lebte. Ein Umstand spricht aber da- für, dals er sogar schon 1502 daselbst gewohnt hat. 1503 ist er im Verzeichnis der Geschofspflichtigen unter den zur Miete wohnenden Bürgern aufgeführt; also besals er damals schon das Bürgerrecht. Da er aber unter denen, die das Bürgerrecht im Jahre 1503 erworben haben, nicht verzeichnet ist, so muls er es schon früher erlangt haben. Freilich ist dies nicht mit völliger Sicher- heit nachzuweisen, weil die Kämmereirechniingen der Jahre vor 1503 (mit Ausnahme der von 1479 und 1490) nicht erhalten sind. Die ihm gewährte Befreiung von Geschofs und Wachgeld weist auf einen Vertrag hin, den der Rat und die Kirchväter zu Pirna mit Peter Ulrich geschlossen haben. Er wurde dadurch Kirchen- und Stadtbaumeister; denn „von der kirch vnd stat gebewden wegen" genolis er die Freiheit, die für ihn jährlich 52 Groschen ausmachte. Sie kam in derartigen Dienst- verträgen, wie es scheint, regelmälsig vor; auch dem Nachfolger Peter Ulrichs '■') wurde sie gewährt. Natürlich gehörte sie zu den Nebenbezügen des Werkmeisters; vor allem wurde ihm ein fester Jahrsoki und daneben ein bestimmter Wochenlohn zugesichert.

Es entsteht nun die Frage: Was ist an der Stadt- kirche zu Pirna Peter Ulrichs Werk? Darauf lälst sich mit Gewilsheit nur antworten, dals alles, was bis Anfang des Jahres 1514 fertig war, also das ganze Äulsere der

'2) Vergl. Hofmaun, Die kirclilicheu Zustände der Stadt Pirna vor der Einführung der Reformation S. 31.

") Kämmereirechnung 1518: XXXVII groschen Meister Marcus der kirchen pollirer nachgelassen lawts des retardats, denn man ym vmbs bawes willen freyheyt zcwgesaget.

Meister Peter von Pirna. 47

Kirche mit Ausnahme der Sakristei, des Daches und natürlich auch des Turmes, der schon in der Zeit von 1466 bis 1479 erbaut worden war, unter seiner Bau- leitung ausgeführt worden ist. Und da er der erste den Bau leitende Meister war, liegt die Vermutung nahe, dafs er auch den Bauplan geliefert habe. Dagegen scheint allerdings zu sprechen, dafs er anfänglich als Parlierer oder Polier bezeichnet wird. Nun glaube ich zwar nicht, dals auf diese Bezeichnung grolses Gewicht zu legen ist, zumal sie an einer Stelle im Stadtbuch wieder getilgt ist. Auch kam es nicht selten vor, dafs Meister als Polierer einen Bau leiteten. Da ich aber für meine Vermutung keinen Beweis beibringen kann, mufs ich die Frage unerledigt lassen.

Gleichzeitig mit dem Bau der Marienkirche zu Pirna hat Meister Peter Ulrich auch den Bau der Annen- kirche zu Annabei'g geleitet. Dafs er in Annaberg am Kirchenbau thätig war, ist schon aus der von Gurlitt^^) gegebenen Darstellung des Annaberger Hüttenstreites bekannt. Aber auf die Zeit seines dortigen Wirkens, deren Kenntnis zur Entscheidung mehrerer Fragen wichtig ist, konnte man nur aus der Bemerkung schliefsen, dals in den Akten im Jahre 1518 von den Zeiten „Peters von Pirn" als von vergangenen geredet werde. Diese lagen aber gar nicht lange zurück; es sind die Jahre von 1507 oder 1508 bis 1513 oder 1514. Am 28. No- vember 1508 (Dinstag noch Katherine) wurde „Petern dem Bawmeister vff S. Annaberg" geschrieben, dafs er „aufs förderlichste ungesäumt" zum Herzog kommen solle ^■^). Nicht viel früher kann Meister Peter die Leitung des Baues übernommen haben, da 1507 noch Konrad Schwad an demselben thätig war. Gurlitt hält diesen für den berühmten Meister Konrad Schwab oder Pflüger, dem er auch den Entwurf des Planes für die Annaberger Kirche zuschreibt. Peter Ulrich war also nur berufen, dessen "Werk fortzuführen, was nicht ausschlielst , dafs er dabei auch seine künstlerische Eigenart hat walten lassen. Unter seiner Leitung wurden die Umfassungs- mauern fertig , das alte hölzerne Kirchlein , das innerhalb des Neubaues noch stehen geblieben war, wurde nieder- gerissen, das Kirchendach verschalt und mit Kupfer

11) V. Webers Archiv f. S. G. N. F. V, 262 ff. 15) HStA. Cop. 110, Bl. 30.

48 Oskar Speck:

gedeckt. Gurlitt '") hat darauf hingewiesen, dafs die Grundrilsform der Annenkirche zu Annaherg und der Marienkirche zu Pirna sich fast völlig decken. Beide Gotteshäuser sind dreischiffige Hallenkirchen mit viel- eckigem Chorabschlufs, 7 Gewülbjochen, an deren zweitem vom Chor aus sich die rechtwinkelige Sakristei anschlielst, und einem massigen Turme au der Südwestecke. Trotz- dem hat Gurlitt nicht behauptet, die Pläne beider Kirchen seien von demselben Meister entworfen; denn diese Grund- rilsform war nicht neu und ist auch anderwärts ver- wendet worden. Er führt auch noch einen bedeutenden Unterschied zwischen der Annaberger und der Pirnaer Kirche an: hier sind die Umfassungsmauern zwischen die inneren Endungen der Strebepfeiler gestellt, so dals diese nach aufseu die Wandfläclie gliedern; dort sind die Strebepfeiler ganz nach innen gezogen , und die Aufsenwand ist völlig glatt gebildet. Dazu ist aber zu bemerken, dals diese verschiedene Ausführung doch unter Leitung desselben Meisters, eben Peter Ulrichs, ge- schehen ist. Noch auf einen Unterschied will ich hin- weisen, der in der Ausführung beider Bauten unter Meister Peters Leitung w^ahrzunehmen ist. Aus seiner Bauzeit verlautet nichts vom Emporenbau an der Pirnaer Kirche; dieser ist vielmehr erst von seinem Nachfolger ausgeführt worden, kann aber sehr wohl schon von ihm geplant gewesen sein. Li Annaberg dagegen ist unter seiner Leitung im Jahre 1511 die Orgelempore an der Westseite entstanden, und bald darauf Avurden auch die Einbauten an der Nord- und Südseite hinzugefügt. Daraus ergiebt sich, dals der Schritt von der mittelalterlichen Hallenkirche zur neueren Emporenkirche in Annaberg schon, wenn nicht durch Peter Ulrich, so doch unter seiner Mitwirkung gethan worden ist.

Als Peter Ulrich gestorben war, suchte der aus dem Annaberger Hüttenstreit bekannte Steinmetz Meister Bastian Binder in Magdeburg beim Herzog Georg nach, ihm die Leitung des Annaberger Kirchenbaues zu übertragen. Am 13. Februar 1515 antwortete ihm der Herzog"): . . . nachdeme wir bedacht vnfs in kurzem auffm Sant Annebergk zcu verfugen vnd aldo dasselbige

'®) Kunst und Künstler am Vorabend der Keformation S. 118. (Nr. 29 der Schriften des Vereins für Keformationsgescliichte.) 1^ HStA. Cop. 119, El. 229 b.

Meister Peter von Pirna. 49

gebende zcu besichtigen, auch mit dem rathe daselbst, wie man denselbigen baw furder versehen und versorgen möge, Zcu unterreden, wollen wir alsdenn deynes Er- bittens auch Indengke seyn vnd vnfs alfsdann mit weyter antworth kegen dir vornehmen lassen" . . . Herzog Georg hat aber dann nicht ihn gewählt, sondern seinen nach- maligen Gegner im Hüttenstreit, Meister Jakob von Schweinfurt. Am 11. April 1515 übergab er diesem in Dresden ein Schreiben an den Amtmann und den Rat auf St. Annaberg^^), das folgenden Wortlaut hat:

„Liber getrawer vnnd rath. Wir seyn von wegen kegenwertiges briffs Zceygere Jacoffeu frangkh angesucht wurden, das wir Ime zcu dem kirchbaw, aldo bey Euch auff Sant Annenberge, furdern wolten. Dieweyl wir vnfs dan durch andere auch vnfs selbst Zo vil Erkundet das bemelter Meyster Jacoff seyns handwergs Eyn gevbter meyster vnd suuder Zweyfel solchen bawe vorzcustehen wol genug- sam, haben wir Ime denselbigen baw, wo efs meyster peter Zeliger gelassen furder zcu volfuren angenommen , Derwegen an Euch begerende, Ir wollet Ime solchen baw vnndergeben vnd Ine Inmassen wie meyster petern mit solde vnd andern Vorsorgen. Doran thut Ir vnser gefeUige Meynunge. Gegeben zcu Dresden mitwoche In oster- feyertagen Anno XVCXV."

Der Familienname des Meisters war nicht Frank, wie es nach diesem Briefe scheinen könnte, sondern Hayl- mann^^); Frank wird er nur wegen seiner Herkunft aus Schweinfurt genannt.

In Pirna und Annaberg diente Meister Peter Ulrich dem Herzog Georg, dem grolsen Förderer namentlich der kirchlichen Baukunst, mittelbar; aber er hat auch als Bau- oder Werkmeister im unmittelbaren Dienste des Herzogs gestanden. Die erste sichere Erwähnung dessen linde ich in der schon angeführten Bemerkung in einem Kopialbuche, dafs am 28. November (Dienstag nach dem Katharinentage) 1508 Petern, dem Baumeister auf St. Annaberg, geschrieben worden sei, er solle aufs förder- lichste ungesäumt zum Herzog kommen. Zu Avelcher Beratung oder zu welchem Werke er damals berufen wurde, ist aber nicht ersichtlich. Im Winter von 1509 auf 1510 hat Peter Ulrich auf herzoglichen Befehl einen Schaden an der Dresdner Eibbrücke besichtigt. Die Brückenamtsrechnung von 1509/10-") enthält nämlich in

18) HStA. Cop. 119 Bl. 259.

^®) Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaberg und Umgegend V, 36.

-0) HStA. Loc. 32516.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI. 1. 2. 4

50 Oskar Speck:

dem Abschnitte „Gemeine Ausgabe" folgende Stelle: „XXV Groschen Meister Peter von pirna trangelt Zcu- besichtigen der brücken schadenn", wozu eine andere Hand geschrieben hat: „auf befehl m, g. h." Welcher Art der Schaden Avar, lälst sich aus dem andern Aus- gabeposten sehen : „I Schock XL Groschen VI vischern, die die wergkstücke in der Elbe [die] das eyls wegk ge- stofsen hatte, wider vmb gewonnen habenn vnd umb die pfeyler gerej^niget". Es handelte sich also um eine Be- schädigung der Brückenpfeiler durch den Eisgang. Eine grölsere Ausbesserung wurde jedoch erst im Sommer 1511 vorgenommen. In der Rechnung von 1511/12 ist ver- zeichnet, „was auff die Steinmetzen ergangen ist der zcwej^er pfeiller zcu hawen an der brücken kegen den vischern wert auff beuehell m. g. h., angefangen suntages vor Johannis baptiste". Wir lernen hier also den Meister Peter Ulrich als herzoglichen Baubeamten kennen, der des Herzogs Stelle zu vertreten hatte bei Bauten, die er selbst ausführen liels oder für die er Teilnahme zeigte. Ein Schreiben, das der Herzog an Petri Stuhlfeier (22. Februar) 1511 an den Amtmann auf St. Annaberg richtete, lälst uns einen noch klareren Einblick in diese Thätigkeit des Meisters thun. Darin heilst es:

„Wir vberschicken Dir auch hir lun ligennde vorzceichent wie vill Tlmreu vnnd Fenster wir zu vnnserm hawse, so wir In Moiitze holf zu bawenn gedeuckenn, haben müssen, Auch wie lioeh vnnd weythe Itzlichs sejn sali, vnnd begernn von Dir Du wollest solliche Fenster und thuren vffs leichste als Du gethun , zu kempnitz vonn weysen stein zu machenn bestellen, domit wir die zu forderung soUichs vnnsers bawes gehaben mögen, So wirdet auch nieister peter In den tagenn, der Erstenn fastwochenn, vifenn pergk kommen, vnd wirdet Dir vormeldenn, das wir sollich vnnser haws drey Fadenn hoch auff- zufurenn gedenckenn. Will auch angezceigtenn baw vnnsers hawses neben Dir angeben vnnd auffs leichste als Er magk verdingen helffen. Bey dem selbigenn wollest Dich, ab Du an Etzwan gebrechenn, vnnd nach Inligendem moster so gentzlichenn nicht gerichtenn mochtest, Erkundenn. vnnd guten vleys vorwenden, do durch sollich bawe stat- lichenn furgang gewynnen" '-').

Aus Görlitzer Geschichtsquellen wissen wir von einer Reise des Meisters nach Görlitz. Als man im Jahre 1512 die Vierung des Ratsturmes aufgeführt hatte, be- merkte man etliche Risse, so dals man besorgte, der Turm werde das Gemäuer zertreiben. Da wandte sich der Görlitzer Rat um einen Werkmeister an den Herzog

2') HStA. Cop. lir. Bl. 97b.

Meister Peter von Pirna. 51

Georg, und dieser verwies ihn an seinen Werkmeister, Meister Peter in Pirna. Der erklärte, wenn man ihm, da er des Weges unkundig sei, einen, der mit ihm ritte, nach Donati (7. August) zuschicken würde, wolle er kommen. Darauf sandte ihm der Rat zu Görlitz seinen Diener, Lukas Walter, zu, der ihm ein Schreiben vom 3, August überbrachte, welches die Bitte enthielt, auf des Rats Kosten zu kommen, einen Bau zu besichtigen und einen Rat zu erteilen"--). Meister Peter reiste nun nach Görlitz und besichtigte den Turm. Die Chronik be- richtet, er habe übel zum Bau getröstet, endlich aber geraten, 1. den Grund zu unterfahren; 2. das Fenster in der Weinstube auszumauern gegen dem Markte und das Blindwerk gegen Hofe, auch den Wendelstein aus dem Keller in die Weinstube auszumauern; 3. zwei Pfeiler aufzuführen durchs Gewölbe des Kellers bis unter den Bogen u. s. w. -^).

Aulser den hier angeführten Arbeiten und Diensten wird Peter Ulrich als herzoglicher Werkmeister sicher noch viele verrichtet haben, von denen nur bisher keine Nach- richt zu uns gedrungen ist. Wann aber ist er in des Herzogs Dienste getreten? Ich habe trotz vielen Suchens weder eine Bestallung Meister Peter Ulrichs, noch eine Aufzeichnung über eine solche aus der Regierungszeit des Herzogs Georg gefunden. Er hat eben höchst wahr- scheinlich schon im Dienste seines Vaters gestanden. Und im Jahre 1478 ist von den fürstlichen Brüdern Kur- fürst Ernst und Herzog Albrecht in der That ein Meister Peter von Heilbronn auf Lebenszeit zum Werkmeister angenommen worden'-*). Gurlitt, der das gefunden hat, ist der Meinung, dafs Peter von Heilbronn der später Peter von Pirna genannte Meister sei, was ich auch glaube, ohne es indes beweisen zu können. Doch habe ich seinen Wahrscheinlichkeitsgründen noch einige hinzu- zufügen. Er führt an, dafö bald, nachdem Peter von Heilbronn in Dresden zum Werkmeister berufen worden war, dort ein Steinmetz Meister Peter auftritt"--^). Er hat im Jahre 1480 (nach der Brückenamtsrechnung)

2-^) S. diese Zeitschr. VI, 259.

-3) Durch Herrn Dr. R. Jecht in Görlitz mir freundlichst brief- lich mitgeteilt.

"■'} HStA. Cop. 61 Bl. 34 b.

-5) Er scheint schon 1463 im Dienste des Dresdner Brücken- amts gestanden zu haben (Brückenamtsrechuungen 1462 und 1467).

4*

52 Oskar Speck:

30 Groschen zu vertrinken erhalten, „dafs er von Wins- singenn gein Dresden gegangen ist". „Item 12 Groschen", fährt der Brlickenmeister fort, „hat her vorzcert in 14 tagen zcu Drelsden, ehe ich von dem rote antwert mochte be- kommen, das ich en uif mochte halden, die weile hat her besehen den steinbroch" (nämlich des Dresdner Brücken- amts, zu Strui)pen bei Pirna). In der Baurechnung 1481 findet sich verzeichnet: „6 ^ vor 2 kannen byr geschanckt meister Petern dem steynmeczen vnd meister Ebirhart dem czymmerman, da sye han den baw besehen, wy sye yn wolden anheben"; 2 gr. 4 r5j 1 hll. geben Koler dem blittner vor brethe, dye meister Peter hot gemacht czu modelbrethen, das sie steyn han dornoch gehawen" u. s. w. Es handelte sich um einen Umbau des Rathauses, der dadurch nötig geworden w^ar, dafs die Gewölbe des Rats- kellers einzustürzen drohten. Daneben arbeitete dieser Steinmetz Meister Peter im genannten Jahre in Dresden noch an verschiedenen Stellen. Er war „von AVinssingenn nach Dresden gegangen". Sei dies nun das von Gurlitt vermutete Pfarrdorf Winzingen mit Schlots in der Nähe von Gmünd in Württemberg oder die Stadt Münsingen im Donaukreise dieses Landes; in beiden Fällen steht dieser Meister Peter mit Schwaben in Verbindung, wie jener Peter von Heilbronn und wie Peter von Pirna, von dem ich nachgewiesen habe, dafs er einen in Schwaben lebenden Bruder hatte. Von jenem Dresdner Steinmetzen Meister Peter glaube ich nachweisen zu können, dals er auch noch später in Dresden gelebt hat. Ich habe in den GeschoÜBverzeichnissen der Dresdner Kämmerei- rechnungen von 1494 bis 1501 (nur die von 1497 ist in dieser Reihe nicht vorhanden) einen Steinmetzen Peter gefunden, der in der Vorstadt an der Elbe ansässig w^ar. Im Jahre 1492 hat er noch nicht dort gewohnt; er hat also wahrscheinlich 1493 sein Haus gekauft und das Bürgerrecht erworben. Leider fehlt die Kämmereirech- nung von 1493, aus der ich, da er dort wahrscheinlich unter den neuen Bürgern gestanden hat, hätte feststellen können, ob er und Peter von Pirna dieselbe Person sind. Doch ist dies höchst wahrscheinlich; denn im Geschols- verzeichnis der Rechnung von 1504 ist er nicht mehr aufgeführt; er hat also damals sein Haus in Dresden nicht mehr gehabt, hat es wahrscheinlich in einem der vorhergehenden Jahre verkauft. Aber die Rechnungen von 1502 und 1503, aus denen man Näheres hätte fest-

Meister Peter von Pirna. 53

stellen können, sind uns leider wieder entrückt. Aus dem Dargestellten geht jedoch das hervor: Peter der Steinmetz verschwindet aus Dresden zu der Zeit, da Peter Ulrich der Steinmetz in Pirna auftaucht. Wahrscheinlich ist auch er von Dresden nach Pirna gezogen „des Kirchen- baues wegen" wie sein Nachfolger Markus Ribisch. Vielleicht gelingt es noch einmal, einen urkundlichen Beweis dafür zu erbringen, dafs Peter von Heilbronn und der Dresdner Meister Peter nur frühere Erschei- nungsformen des Meisters sind, den wir als Meister Peter von Pirna oder Peter Ulrich nun etwas näher kennen.

Nicht verschweigen will ich, dafs auch der von Wernicke-*^) aus Görlitzer Geschichtsquellen für die Jahre 1474 bis 1493 in Görlitz nachgewiesene Stein- metz Peter dieselbe Person sein könnte; doch hat mir Herr Dr. Jecht mitgeteilt, dafs keine der Stellen, in denen er genannt ist, dafür spräche. Ich hatte diese Antwort erwartet; denn aus der von Meister Peter von Pirna dem Rate zu Görlitz gegenüber gethanen Äufserung, dafs er des Weges von Pirna nach Görlitz unkundig sei, war zu schliefsen, dafs er nicht von Görlitz nach Dresden oder Pirna gekommen sein könne.

Durch die „Allgemeine Deutsche Biographie" (Band XXV S. 473)'-') bin ich endlich noch auf einen Baumeister aufmerksam geworden, der möglicherweise ebenfalls mit Peter von Pirna identisch ist. „Maister Peter Stain- metz von koblentz" ist von 1482 bis 1490 in den Steuerlisten von Stuttgart nachzuweisen und wird 1501 noch einmal genannt als zu Urach sefshaft und als Meister der Amandikirche daselbst, deren Bau 1499 voll- endet war. Von 1490 an hat er von Urach aus, meist durch Unterwerkmeister, wie Klemm, der Verfasser des Aufsatzes, sagt, an einer ganzen Reihe kirchlicher Bauten gewirkt, z. B. auch in Münsingen. Klemm betrachtet seinen Zunamen als den Namen seiner Heimat, die sowohl das Dorf Koblenz bei Zurzach in der Schweiz, als auch die bekannte Stadt Coblenz gewesen sein könnte. Wenn

26) Urkundliche Beiträge zur Küustlergeschichte Schlesien?. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit XXIII, 362.

'-■') Vergl. Klemm, Württemhergische Baumeister und Bild- hauer (Separatabdruck aus den Württemh. Vierteljahrsh. f. Landes- geschichte 1882).

54 Oskar Speck: Meister Peter von Pirna.

erwiesen wäre, was bis jetzt nur als möglich bezeichnet werden kann, dafs Peter von Coblenz dieselbe Person ist wie Peter von Pirna, dann würde das Lebensbild des Meisters allerdings ein weit vollständigeres werden, als ich es auf Grund meiner Forschungen habe liefern können ; denn dann würden wir statt nur über 10 bis 12, über mehr als 30 Lebensjahre des Meisters unterrichtet sein.

III.

Die sächsischen Grenadiere in der Schlacht bei Hohenfriedeberg.

Von

G. Yorberg.

Das Generalstabswerk über den Zweiten Schlesischen Kriegt) enthält eine Schilderung der Schlacht bei Hohen- friedeberg am 4. Juni 1745, der man Klarheit und An- schaulichkeit des Erzählten nachrühmen muls; wissen- schaftlich-historischen Anforderungen genügt sie jedoch nicht in vollem Mafse.

Zwar scheinen sämtliche bis zur Zeit der Abfassung bekannte Quellen für die Darstellung herangezogen wor- den zu sein; aber weder ist alles, was sie bringen, aus- gebeutet, noch sind die benutzten Angaben durchweg mit eindringender Kritik geprüft und auf Grund einer geschickten Kombination der verschiedenen Quellen er- schöpfend verwertet worden.

Die erste Gesamtrelation über eine Schlacht wird fast stets, auch wenn sie ohne irgend welchen Neben- zweck nur von dem Streben nach historischer Treue ausgeht, ein schiefes Bild des Vorganges geben, da die übergrolse Fülle und schnelle Aufeinanderfolge der Ge- schehnisse es dem Verfasser, selbst wenn seine Stellung und die äufseren Verhältnisse ihn sonst dazu befähigten.

0 Die Kriege Friedrichs des Grrorsen. II. Teil: Der Zweite Schlesische Krieg. Herausgegeben vom Grofsen Generalstabe, Ab- teilung für KiiegsgescMclite II (Berlin 1895), 217 ff.

56 Gr. Vorberg:

uiimüglieli machen, sich in jeder Richtung einen ruhigen Überblick zu wahren-).

Daher fehlt ein unbedingt zuverlässiger Leitfaden für die eingehende Schilderung einer Schlacht von vornherein durchaus. Er kann gewonnen w^erden aus der Gesamt- relation in Verbindung mit den Gefechtsberichten der höheren Truppenverbände von noch bequem übersehbarem Umfange. Wo aber solche Berichte fehlen, kann eine ein- gehende Schilderung nur aus dem Detail Stück für Stück aufgebaut werden, und zu wie entgegengesetzten Resul- taten man dabei kommen kann, davon hat ein bekannter Militärschriftsteller vor einigen Jahren ein schlagendes Beispiel öffentlich besprochen'').

Wenn irgendwo, so ist also hier die sorgfältigste Behandlung der Quellen geboten: ihre objektive und subjektive Zuverlässigkeit im ganzen und im einzelnen ist möglichst genau festzustellen und ihr Inhalt danach gründlich auszuschöpfen. Auch die kleinste Kleinigkeit kann zur Aufhellung eines sonst dunkel bleibenden That- bestandes beitragen; jede unwiderleglich festgestellte Einzelheit aber kann zum Ausgangspunkte für die Fest- stellung ganzer Gruppen von Thatsachen und somit für das Bild der ganzen Schlacht bestimmend werden.

Als ein bescheidener Versuch in dieser Richtung will die vorliegende Arbeit über eine Episode der Schlacht bei Hohenfriedeberg angesehen werden.

In der oben genannten Schilderung dieser Schlacht sind bei der Darstellung der Kämpfe auf dem äufsersten rechten Flügel der preufsischen mit den gegenüber- stehenden Teilen der sächsischen Armee zwei Ereignis- reihen, das Gefecht der grolsen Kavalleriemassen und die Vorgänge bei den sächsischen Grenadieren, nicht in

2) Man vergl. z. B. für die Schlacht bei Hohenfriedeberg die Nachweisung der Truppen des linken Infanterieflügels, mit denen der Künig eine Umfassung der österreichischen Infanterie von Norden her vorbereitet hatte, in dem zitierten Werke (II, 235) mit der An- gabe des Königs in seiner Relation vom (i. Juni (s. Politische Korrespondenz Friedrichs des Grofsen, Leipzig 1880, IV, 185) und in der Plistoire de nion temps von 174(i (Publikationen aus den Königlich Preufsischen Staatsarchiven, Leipzig 1879, IV, 375) und von 1775 (Oeuvres de FrMöric le Grand, Berlin 1846, III, 114), er habe diese Umgehiuig mit seinem rechten Flügel gemacht.

^) Major z. 1). Scheibert in der Neuen Preufsischen (Kreuz-) Zeitung 1896 Nr. 290, betreffend die Reiterschlacht bei Brandy Station.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 57

SO enge Beziehung zu einander gesetzt worden, wie es die sächsischen Quellen fordern, welche das Militär- Wochenblatt^) vor mehr als einem halben Jahrhundert veröffentlicht hat, so dals stellenweise ein schiefes, in seinen Einzelheiten nicht genügend motiviertes Bild der Vorgänge entstanden ist.

Diese Beobachtung wurde der Ausgangspunkt für unsere Untersuchung; sie wird die Organisation, in welcher der 4. Juni 1745 die sächsischen Grenadiere fand, fest- zustellen haben, um dann ihre Beteiligung an der Schlacht im einzelnen zu verfolgen.

Um die bezüglich der Organisation sich erhebenden Fragen voll verständlich zu machen, müssen wir einige Besonderheiten damaliger Heere kurz betrachten. Beim Vergleich mit heutigen Zuständen fällt uns zweierlei sehr stark auf. Zunächst das System der Elitetruppen, das besonders im österreichischen Heere in Blüte stand. Während man heute darauf hinarbeitet, jeden einzelnen Mann und alle Einheiten einer Waffengattung gleich- mäfsig auszubilden zu unterschiedsloser Verwendung für alle Aufgaben ihrer Waffe, hatte damals fast jeder taktische Körper von Belang, Regiment oder Bataillon, eine Truppe ausgesuchter Leute, die sich in Tracht und Benennung von der Masse unterschieden: die Infanterie und Dragoner ihre Grenadier- Kompagnien, die Kürassiere ihre Karabiniers. In Preulsen und Sachsen beschränkte sich dies System auf die Infanterie, innerhalb der Regi- menter der drei berittenen Waffen, Kavallerie (schwere, die heutigen Kürassiere), Dragoner und Husaren, be- ziehungsweise Ulanen, gab es keine Eliten.

Friedrich der Grofse hatte diesen von ihm vor- gefundenen Zustand zu einer inneren Stärkung seiner Armee benutzt, indem er für die Dauer eines Feldzuges die Grenadier -Kompagnien der Regimenter in der Regel zu vieren in Bataillone zusammenstellte und sich so eine gröfsere Anzahl besonders zuverlässiger Truppenkörper schuf zur Verwendung an den wichtigsten Punkten, auf den äufsersten Flügeln der in Ordre de Bataille rangierten

*) Militär -Wochenblatt, Jahrg. 1841 S. 134 ff.: „Beiträge zur Schlacht bei Hohenfriedeberg aus sächsischen archivarischen Nach- richten zusammengestellt" und S. 138 f.: „Privatbrief eines säch- sischen Stabsoffiziers." Beides abgedruckt bei v. Lützow, Die Schlacht bei Hohenfriedberg (Potsdam 1846) S. 148 ff., bez. 153 f.

58 Gr. Vorberg:

Infanterie, in den Avant- und Arrieregarden, zu Ent- sendungen aller Art.

Dagegen blieben die sächsischen und österreichischen Grenadier -Kompagnien im Rahmen ihrer Regimenter und Bataillone, fanden jedoch vielfach eine ähnliche Ver- wendung wie die preulsischen.

Das führt uns auf eine zweite grundsätzliche Ver- schiedenheit des damaligen Heerwesens von dem heutigen. Wenn man jetzt Truppen zu irgend Avelcher besonderen Verwendung von der Armee oder sonst einem grölseren Truppenkürper abtrennt, so sucht man sowohl bei diesem Detachement, als bei der zurückbleibenden Masse die taktischen Körper- und Truppenverbände vom Bataillon bis hinauf zu den Divisionen und Armeekorps möglichst unzerrissen und geschlossen zu erhalten. Gegenüber dieser „Schonung der Verbände" gab es damals nur eines, was unbedingt geschont werden mufste, die zu Beginn des Feldzuges festgesetzte Einteilung der an- wesenden Truppen in die Ordre de Bataille der Armee. Abgesehen von Fällen, in denen sehr bedeutende Truppen- massen davon abgetrennt wurden, etwa die beiden Flügel der Armee sich trennten oder ganze Brigaden einem anderen Korps überwiesen oder auf längere Zeit für selbständige Aufgaben abgezweigt wurden, Fälle, welche die Neuaufstellung der Ordre de Bataille erheischten, sollte prinzipiell jeder taktische Körper im Lager, auf dem Marsche und in der Schlacht den ihm einmal auf dem Papier vorgeschriebenen Platz thatsächlich behalten, und da die Armee oder jeder gröfsere Teil derselben sich nur als Ganzes bewegte und für die Ordnung dieser genau abgemessenen Bewegungen Lücken in der Auf- stellung verhängnisvoll werden konnten, so sollte um des Ganzen willen jede einzelne Trui)pe immer zur Stelle sein. Zu vorübergehender Ausscheidung von Truppen zu besonderen Zwecken war daher ein besonderes Verfahren nötig.

Während heute geschlossene Verbände verschiedener Grölse je nach den Verhältnissen dem Heereskörper ent- nommen werden, um ihn als Avantgarde auf dem Marsche, in der Ruhe durch Einnahme einer Vorpostenstellung zu sichern, um als Feuer- oder Sicherheitswache zu dienen, wurden damals für die Lagersicherung durchgängig die Wachmannschaften. Piketts, der einzelnen Regimenter zusammengezogen und in Bataillone und Eskadrons for-

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedcberg. 59

miert. Trat dann etwa die Armee ins Gewehr, so hatten die einzelnen Truppenteile zwar nicht den vollen „dienst- baren Stand" zur Stelle, aber die Ordre de Bataille war lückenlos und die Armee bewegungsfähig-.

Ähnlich pflegten zu Marschsicherungen und anderen Entsendungen bei Österreichern und Sachsen die Elite- Kompagnien der Regimenter sämtlich oder zum Teil herausgezogen und zu gröfseren Korps vereinigt zu werden.

Bei den Österreichern hatte jedes Kürassier- und Dragoner- Regiment eine Kompagnie Karabiniers, be- ziehungsweise Grenadiere zu Pferde mit einem Etat von 94 Kombattanten^), jedes Infanterie -Regiment ohne Rück- sicht auf die Zahl seiner Bataillone zwei Grenadier- Kompagnien*') zu 100 Kombattanten.

In der sächsischen, wie in der preufsischen Armee gehörte jedem Infanterie-Bataillone eine Grenadier-Kom- pagnie an'). Daher besafs die verbündete Armee Anfang Juni 1745 die Mittel, ohne Störung der Ordre de Bataille in 50 Grenadier-Kompagnien und 15 Kompagnien Kara- biniers und Grenadiere zu Pferde an regulären Truppen 5000 Mann Infanterie und über 1400 Pferde zu entsenden.

In der sächsischen Armee pflegte man in solchem Ealle, ähnlich wie in der preufsischen, Grenadier-Bataillone von nicht immer gleicher Stärke zu bilden; da dies aber nur auf kurze Zeit geschah, so erscheinen sie, anders als die preufsischen, nicht in der Ordre de Bataille. Eine Ausnahme stellen in dieser Hinsicht die Grenadier- Bataillone des Korps dar, welches Ende November 1744 unter dem Ritter von Sachsen zur Verfolgung Einsiedeis gebildet wurde; sie blieben über einen Monat zusammen^).

^) S. den Zweiten Schlesischen Krieg I, 26.

8) S. Östreichische Militärische Zeitschrift 1825 III, Anlage 1. Abgedruckt bei L. v. Orlich, Geschichte der Schlesischen Kriege (Berlin 1840—1841) II, Anlage. Kriege Friedrichs des Grofsen. Herausgegeben vom Grofsen Generalstabe. I. Teil : Der Erste Schle- sische Krieg (Berlin 1890 und 1893) I, 90. Der Zweite Schlesische Krieg I, 25 f. und Anlage 25.

') Schuster und Francke, Geschichte der sächsischen Armee II, 22: seit I.Oktober 1742; Etatsstärke 120 Kombattanten. Die Östreichische Militärische Zeitschrift 1825 III, Anlage 1, giebt sie um drei Grenadiere höher an.

s) S. Schuster und Francke II, 32, vergl. auch 29 und 7. Der Zweite Schlesische Krieg I, 257. Die, wie sich aus den An- lagen dieses Werkes selbst ergiebt, irrige Angabe über die Her- kunft der Grenadier - Bataillone aus der sächsischen Auxiliar- Armee in Böhmen ist nach Schuster und Francke zu berichtigen.

60 G. "Vorberg:

Diesen und ähnlichen Erscheinungen müssen wir hinreichend Rechnung tragen, um zum vollen Verständnis der Vorgänge zu gelangen, daher auch unsere Termino- logie dem Inhalte der Begriffe für jene Zeit anpassen. Es ist zu beachten, das der Ausdruck „Infanterie" die Grenadiere vielfach nicht mit umfalst, so wenig, wie die Husaren unter der Kavallerie einbegriffen sind, zu der in streng dienstlichem Sprachgebrauch damals auch die Dragoner noch nicht zählten.

1. Die Orgaiiisation der Grenadiere.

Als am 3. Juni 1745 der linke sächsische Flügel des verbündeten Heeres den Vormarsch aus dem Gebirge von Bolkenhain die wütende Neifse hinunter in das wellige Gelände zwischen Kauder und Pilgramshain westlich von Striegau antrat, bildete er eine eigene Avantgarde aus der leichten und der irregulären Kavallerie, d. h. dem Cheveauxleger-Regimente ßutowski und den bei der Armee befindlichen Ulanen, und, folgend den eben besprochenen Gewohnheiten der Zeit, aus Grenadier- Kompagnien der Infanterie.

Der Herzog von Sachsen -Weifsenfeis , als Führer des linken Flügels der verbündeten Armee, hatte unter seinem Befehle an Infanterie") 18 sächsische Bataillone, nämlich im ersten Treffen 10 Bataillone:

Das 1. Garde-ßegiment mit 2 Bataillonen,

vom 2. 1 Bataillon,

das Infanterie-Regiment Prinz Xaver . mit 2 Bataillonen, vom Weifsenfels . 1 Bataillon,

Graf Cosel . 1 ,

Königin . . 1 '"),

das Graf Brühl . mit 2 Bataillonen,

und im zweiten Treffen 8 Bataillone:

vom Infanterie-Regiment Niesemeuschel 1 Bataillon,

das Sachsen-Gotha mit 2 Bataillonen,

vom Nie. Pirch . 1 Bataillon,

Franz Pirch .1 "),

,, « Allnpeck . . 1 « ,

das Füsilier-Regiment Schönberg . . mit 2 Bataillonen,

zusammen 18 Bataillone.

") S. Ordre de Bataille : Der Zweite Scblesische Krieg II,Anlage 10.

"') Das 1. Bataillon, s. A. Hoffmann, Der Tag von Hoben- friedeberg und Striegau (Striegau 1895) S. 38, Aussage 11.

") Das 2. Bataillon mit seiner Grenadier -Kompagnie, s. Hof f- mann S. 37, Aussage 7.

Die sächsischen Grenadiere hei Hohenfriedeherg. 61

Dazu die vier österreichischen Infanterie-Regimenter Vettes und Botta mit je 3 Bataillonen im ersten, Gyulai mit 4, Browne mit 2 Bataillonen im zweiten Treffen, zu- sammen 12 Bataillone.

Die sächsischen Bataillone hatten ihre Grenadier- Kompagnien bei sich, bei den österreichischen Regimentern befand sich je eine, die zweite hatten sie am 23. Mai zur Bildung der Avantgarde, die bei dem Vormarsche am 3. Juni nur dem rechten Flügel des verbündeten Heeres unter dem Prinzen Karl von Lothringen als solche diente, abgegeben^-); diese haben sich auch in der Schlacht auf dem äufsersten rechten Flügel befunden.

Es standen also 18 sächsische und 4, nach Keibel, die Schlacht von Hohenfriedberg '■^) , 5 österreichische Grenadier-Kompagnien zur Verfügung.

Da erheben sich die Fragen:

AVie viel Kompagnien wurden zur Bildung der Avantgarde verwendet?

Wie viel Bataillone wurden daraus gebildet?

In welcher Stärke wurde ihnen die stehende Hilfswaffe der damaligen Infanterie, die leichte Artillerie, zugeteilt?

Wurden sächsische und österreichische Truppen bunt durch einander verwendet oder, wie bis dahin stets in der verbündeten Armee geschehen war, nach Möglichkeit von einander getrennt und in besonderen Verbänden zusammen- gefasst?

Die Lösung dieser scheinbar untergeordneten Fragen ist insofern erwünscht, als ganz allgemein genommen die

^-) S. „Relation von dem Treffen bei Friedland" (!), in Wien veröff'entlicht und abgedruckt in Job. Gottfr. Hayinanns Neuerööiietein Kriegs- und Friedens- Archiv III, 5.52, und bei Lützow S. 133 f. Der Zweite Schlesische Krieg II, 162 giebt nur die beabsichtigte Zusammensetzung, aber nicht die veränderte Ausführung gelegent- lich des Zusammentretens (S. 206) an. Nach Keibel, Die Schlacht von Hohenfriedberg (Berlin 1899) dies Werk habe ich erst nach Fertigstellung der Arbeit erhalten und mich fast nur anmerkungs- weise mit ihm auseinandersetzen können. Das ist aber an allen Irgend in Betracht kommenden Punkten geschehen, wie man be- merken wird S. 19* und ^22* hätte das Regiment Botta, weil erst nach Bildung jener österreichischen Avantgarde beim Heere ein- getroffen, keine Grenadier-Kompagnie dorthin abgegeben, also deren noch zwei besessen.

^*) S. vorige Anmerkung.

62 Gr. Vorberg :

Kenntnis der Organisation die Schilderung der Ereignisse verständlicher macht, speziell aber die taktische Einheit der Infanterie bei den Sachsen wie in den übrigen Heeren der Zeit das Bataillon war, die Kompagnien nur administrative Bedeutung hatten und bei der Einteilung des Bataillons zum Gefeclit grundsätzlich unberücksichtigt blieben ; überdies kann durch die Zahl der Bataillone die Stärke der den Grenadieren in dieser Organisation zuge- teilten Artillerie bestimmt worden sein; auf ihr aber beruhte in solchem Malse die volle Gefechtskraft der Infanterie, dafs zur Zeit der Schlacht in der sächsischen und preufsischen Armee jedem ständigen Infanterie- Bataillone, in der preufsischen also auch jedem auf Feld- zugsdauer errichteten Grenadier-Bataillone, zwei leichte Geschütze organisch eingegliedert waren.

Nicht eine der oben formulirten Fragen wird von den Quellen übereinstimmend beantwortet. Die einzige bündige Antwort auf die erste erweist sich bei genauerem Zusehen als nur bedingt richtig, ohne dadurch der Glaub- würdigkeit des sonst zuverlässigen Berichterstatters Ab- bruch zu thun; die in der letzten Frage gestellte Alternative scheint durch den Wortlaut der hervorragen- deren offiziellen Quellen überhaupt ausgeschlossen, und doch ergiebt sich eine überraschende Antwort darauf. Infolge der vielen Widersprüche in den Quellen bedarf es einer bis ins einzelne gehenden Kritik, um ein über- sichtliches und einwandfreies Bild von der Organisation dieser Avantgarde zu gewinnen.

a) Die Bataillone; Zahl und Herkunft der Kompagnien.

Beginnen wir mit der Frage nach der Anzahl der Bataillone, und lassen wir dabei die verschiedenen Quellen und die auf ihnen beruhenden Darstellungen Revue pas- sieren; ihr Auseinandergehen schon in dieser Beziehung ist sehr natürlich, da feste Regeln für die Zusammen- stellung von Grenadier- Bataillonen in der sächsischen Armee nicht bestanden.

Ein Augenzeuge bei der preufsischen Avantgarde, die schon am Abend des 3. und dann in der frühen Dämmerung des 4. Juni mit der sächsischen in Berührung trat, Generalmajor v. Stille in seinen campagnes du

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 63

roi^*), und der preufsische „Bericht von der am 4. Juni 1745 bei Hohenfriedeberg' vorgefallenen Schlacht" ^'^), der sich mit Stille mehrfach wörtlich be- rührt, nennen sechs feindliche Grenadier -Bataillone.

Abgesehen davon, dafs solche Beobachtungen über Verhältnisse beim Feinde nicht immer zuverlässig sein können ^*^), fällt diese Angabe als zu unwahrscheinlich ohne weiteres dahin; denn selbst bei Verwendung aller vorhandenen 22 Kompagnien hätten mindestens zwei Bataillone nur je drei Kompagnien und somit höchstens 360 Kombattanten (76 viergliederige Rotten) gezählt, eine für jene Zeit, wie heutzutage, zu geringe Etats- stärke ^').

AVährend der erwähnte preufsische Schlachtbe- richt nur eine für unsere Aufgabe in Betracht kom- mende Thatsache berichtet er beschäftigt sich fast nur mit dem Gefecht auf dem rechten preulsischen In- fanterie- und Kavallerieflügel, an dem sein Verfasser beteiligt gewesen zu sein scheint , ist für die Vorgänge am Morgen des 4. Juni der General v. Stille, der an der Spitze seines Dragoner-Regiments die sächsische Avant- garde stundenlang unter Augen gehabt hat und wesent- lich nur Selbsterlebtes berichtet , ein sehr wertvoller, weil urteilsfähiger Zeuge.

Anders steht es mit der „Relation des Prinzen Ferdinand von Braunschweig von der Schlacht bei Hohenfriedberg"^*). Er hat mit seiner Infanterie- Brigade auf dem linken Flügel gefochten, berichtet also nicht als Augenzeuge; trotzdem bringt er verschiedene Angaben über uusern Gegenstand, die den Stempel des Selbsterlebten zu tragen scheinen, die er aber sehr

11) (Berlin 1763) S. 201.

1"') S. Naumann, Sammhing ungedruckter Nachrichten, so die Feldzüge der Preulsen 1740—1779 erläutern. (Dresden 1782—1785) I, 313.

lö) Keibel S. 83 hebt zutrelfend hervor, dafs die feindlichen Avantgarden -Bataillone selbst am Abend von preufsischer Seite kaum noch erblickt worden sein können, sondern ihr damaliges Vor- handensein zur Unterstützung der Kavallerie von Stille rückwärts erschlossen ist.

i'') Schuster und Francke II, 22. Die preufsischen Grena- dier-Bataillone zu vier Kompagnien liatten in der seit 1743 etats- mäfsigeu Stärke 168 dreigliedrige Rotten, vergl. das Reglement für die königlich preufsische Infanterie vom Jahre 1743 S. 5.

'^) Kriegsarctiiv des Grofsen Generalstabes, Abdruck siehe bei Lutz GW S. 112 f.

64 G. Vorberg:

wohl unmittelbar nach der Sclüacht von Teilnehmern der Kämpfe gegen die Sachsen gehört haben kann. Z. B, waren er sowohl als die Generäle der Avant- garde du Moulin, v. Winterfeld, v. Stille häufige und gern gesehene Gäste in der Umgebung des Königs, von ihnen kann er manches erzählungsweise eifahren haben. Aulserdem bringt er, der solche Materialien sehr sorg- fältig zu sammeln pflegte, in seiner Relation verschiedene schätzenswerte Angaben über Anordnungen König Fried- richs für die Schlacht. In der Zahl der sächsischen Grenadier- Bataillone weicht er von Stille ab, er be- ziffert sie auf drei^^).

Zwei offizielle Veröffentlichungen von verbündeter Seite, die in Wien publizierte „Relation von dem Treffen bei Friedland" (!)-'') und das Journal von der chursächsischen Auxilier-Armee^^), sowie die dem letzteren nahe verwandten „Beiträge aus säch- sischen archivarischen Nachrichten"-) sprechen von vier Grenadier-Bataillonen, das Journal mit Namens- nennung der Kommandeure, vier sächsischer Stabs- offiziere: des Obersten v. Schönberg und der Oberst- leutnants V. Fahlen, Graf v. Friesen und v. Gersdorff. Nach der Darstellung beider Quellen ist der erste zu- gleich Führer der ganzen Avantgarden -Infanterie ge- wesen. Österreichische Kompagnien werden nicht er- wähnt.

Die .Geschichte des Zweiten Schlesischen Krieges in der Östreichischen Militärischen Zeitschrift, Jahr- gang 1825-'^), schlieist sich diesen Quellen an.

Zu diesen offiziellen Angaben tritt die Bezifferung der verwendeten Kompagnien auf 18 das ist die Zahl der vorhandenen sächsischen durch einen beteiligten Bataillons -Kommandeur, den Oberstleutnant v. Fahlen, in einem Privatbriefe vom Tage der Schlacht selbst-^). Auch er bezeichnet den Obersten v. Schönberg als seinen Vorgesetzten.

'«) Lützow S. 115.

-0) S. Anm. 12.

-'j Neueröffnetes Kriegsarcbiv III, 582.

22) Militär -AVochenblatt 1841 S. 134 ff. und Lützow S. 148 ff. Die Beiträge und das Journal berühren sich z.T. so nahe, wie etwa zwei Übersetzungen desselben französischen Originals.

23) III, 113 ff.

2*) S. Militär -Wochenblatt 1841 S. 138 und Lützow S. 153.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 65

Man sollte meinen, dals mit diesen offiziellen An- gaben die Frage zweifelsfrei beantwortet sei in dem Sinne, dals aus den 18 sächsischen Grenadier -Kompagnien vier Bataillone von je vier bis fünf Kompagnien gebildet worden wären. Trotzdem tritt eine sächsische Tradition von einer Einteilung der Grenadiere in nur drei Bataillone mit grofser Bestimmtheit auf.

Die Geschichte der beiden sächsischen Grenadier- Regimenter--^) spricht ausdrücklich von drei Grenadier- Bataillonen unter Oberst v, Schönberg, „welcher mit einem derselben, welches sich zu ergeben weigerte, niedergehauen wurde", während die beiden anderen sich durchgeschlagen hätten. Schuster und Francke, die sich auf dem Titelblatte ihres mehrfach erwähnten Werkes auf „handschriftliche und urkundliche Quellen" berufen, folgen derselben Tradition; sie bezeichnen das Bataillon Gersdorff als das vernichtete.

Diese Tradition mag gestützt oder vielleicht sogar hervorgerufen sein einmal dadurch, dals die sächsischen Infanterie -Bataillone von 1742 1748 durchgängig aulser der Grenadier -Kompagnie sechs Musketier -Kompagnien zählten-*^) 18 Kompagnien würden also drei Bataillone ergeben , ferner durch den Umstand, dals bei dieser Einteilung sämtliche Grenadier- Bataillone gleich stark sein konnten, bei der Vierteilung aber nicht, schlielslich dadurch, dafs bei der Verteilung der vier uns mit Namen genannten sächsischen Stabsoffiziere naturgemäfs die drei Bataillone den drei Oberstleutnants, die Führung des Ganzen dem Obersten zugefallen wären, während es uns bei der Vierteilung sehr fremdartig berührt, dafe der Kommandeur der ganzen Avantgarden -Infanterie, Oberst und in diesem Falle sogar Chef und Kommandeur eines Infanterie -Regiments (Füsilier- Regiments v. Schönberg), hier zugleich als Kommandeur eines ihrer Bataillone zu fungieren hat. Für die Fechtweise jener Zeit liegt darin aber wenig Bedenkliches, denn sobald in rangierter Schlacht das Infanteriegefecht in Gang kam, beschränkte sich auch die Thätigkeit jedes Regiments -Kommandeurs

-') Die beiden Ivönig-lich Sächsischen Grenadier 'Regimenter: 1. (Leib-) Grenadier- Regiment Nr. 100 und 2. Grenadier -Regiment König Wilhelm von Preufsen Nr. 101. Eine historische Skizze (Dresden 1870) S. 27.

2ß) S. Schuster und Francke ll, 22, 65.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI. 1. ■>.

66 G. YorXm-g :

auf das Kommando mir eines Bataillons; dem entsprach auch die dienstliche Auffassung in den Keglements-').

Daher verwahrt sich Friedlich der Greise in einem Schreiben an den Obersten v. Kainein , Kommandeur des Infanterie -Regiments Herzog von Holstein'^), ausdrück- lich dagegen, den Obersten für die schlechte Haltung des 2. Bataillons seines Begiments in der Schlacht bei Chotusitz verantwortlich zu machen: „Was ich da- von . . . geschrieben, gehet dem 1*''" Bataillon und insonder- heit Euch vor Eure Person garnicht an." Der Oberst wird hier lediglich als Angehöriger des 1. Bataillons angesehen, das er in der Schlacht kommandiert hat.

Heute würde uns die Bildung von drei Bataillonen unter je einem Stabsoffizier mit einem Obersten als Führer des Ganzen natürlicher scheinen, und dies ist auch die Auffassung der beiden neueren sächsischen Darstellungen. Um jedoch diese Auffassung mit der positiven Angabe der Wiener Relation und des sächsischen Armeejournals, dals es vier Grenadier- Bataillone gewesen seien, in Einklang zu bringen, schreiben Schuster und Francke'-^): „die drei sächsischen nebst einem österreichischen Grenadier- Bataillone unter Oberst V. Schönberg".

Dieser Ausweg verträgt sich nicht mit dem klaren Wortlaute des sächsischen Armeejournals •^°): „Die Obrist- lieutenants Graf von Friese, Palen und Gersdorff, welche mit dem Obristen Schönberg die vier Bataillons unserer Grenadiers kommandierten, haben sich sehr wohl verhalten". Da lauter sächsische Offiziere als Kommandeure genannt werden, so kann sich unter diesen „vier Bataillons unserer Grenadiers" kein öster- reichisches befunden haben.

In der ferneren Litteratur nennt Friedrich Graf Beust, Feldzüge der sächsischen Armee"'), nur kurz den Obersten v. Schönberg mit seinem Grenadier- Korps'^'^), V. Lützow, Die Schlacht bei Hohenfried-

^■^j S. z. B. das Reglement für die königlich preufsische In- fanterie von 1743.

28) Abgedruckt: Der Erste Schlesische Krieg III, 31, vergl. ebenda 340 No. 5.

2") II, 39.

'^ö) Neueröffnetes Kriegsarcbiv III, .582.

3') (Caniburg 1801—1804) III, 105.

32) Der Ausdruck entspricht dem Gebrauche der Zeit. Vergl. auch den Ersten Schlesischen Krieg I, 218, Anra.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 67

berg"-"), folgt seinen Anlagen und nennt vier Grenadier- Bataillone mit zwei Kanonen.

Das Generalstabswerk "^) hat sich mit dieser Frage überhaupt nicht beschäftigt, vielmehr einen schon von Lützow^"') rektifizierten Irrtum der Ostreichischen Militärischen Zeitschrift"*^) wieder aufgenommen, indem es vier Grenadier -Bataillone (mit zwei Geschützen), die in der Erzählung weder vor- noch nachher je wieder genannt werden, den Heinzenhübel südöstlich von Pil- gramshain besetzen, aulserdem aber die 18 Grenadier- Kompagnien'^"), aus denen jene Bataillone nach den ge- nannten Quellen bestanden haben müssen (da soviel andere Grenadiere nicht mehr vorhanden waren), eine Stellung etwa 2000 Schritte weiter östlich, auf dem Breiten Berge, wie schon erwähnt, einnehmen läfst. Auch aus dem Verlaufe der Schilderung in dem General- stabswerke ergiebt sich, dals nur die letztere Angabe thatsächlich begründet ist.

Erst nach der Veröffentlichung der bisher besprochenen Werke ist eine Quelle erschlossen worden, die von den bisher bekannten völlig abweichende Nachrichten bringt.

Eine Reihe von Aussagen sächsischer Soldaten, die, während der Schlacht versprengt oder aus preulsischer Gefangenschaft entkommen, nach ihrer Rückkehr in die Heimat im Juni und Juli zu Protokoll vernommen wurden, sind neuerdings veröffentlicht im Anhange der bereits erwähnten Jubelschrift zum 4. Juni 1895 von A. Hoff- mann"*), einem Striegauer, der auf Grund seiner genauen Lokalkenntnisse einige Streitfragen über den Gang der Schlacht zu lösen unternimmt, im übrigen aber nur eine kurze Darstellung der Schlacht auf Grund der vor- handenen, besonders der Lützowschen, bietet.

In Anbetracht des vielen Neuen und von anderen Nachrichten Abweichenden, das die Protokolle bringen, müssen wir uns über den Charakter dieser Quelle sorg- fältig orientieren.

33) S. 36.

31) Der Zweite Schlesische Krieg II, 218.

35) S. 40 ff.

38) 1825 III, 114.

37) II, 218, 224.

38^ j)er Tag von Hohenfriedeberg und Striegau (4. Juni 1745). Mit vielen zum erstenmale veröffentlichten Beilagen (Striegau 1895) S. 32 ff.

68 G. Vorberg:

Uire Gewährsmänner, soweit sie als Angehörige des Grenadier- Korps zunächst für uns in Betracht kommen, sind sieben Gemeine und ein Korporal der sächsischen Grenadier -Kompagnien. Die Organisation, in welcher diese Leute die Schlacht mitmachten, und die ihren Er- zählungen zu Grunde liegt, wich von der alltäglichen Ordnung weit ab, mulste also ihr Interesse wach- rufen, sich Kenntnis von derselben zu verschaffen. Andererseits aber war diese Organisation zur Zeit der Schlacht noch ganz neu, denn die besondere Avantgarde des linken Flügels war erst um Mittag des 3. Juni ge- bildet worden, und die vernommenen Grenadiere haben ihr nicht einmal volle 24 Stunden lang angehört, da sie sich sämtlich auf die eine oder andere Weise im Laufe der Schlacht von ihr trennten. Die Gelegenheit, sich durch Unterhaltung mit den Kameraden und eigene Be- obachtungen über die Verhältnisse bei ihrer Trui)pe auf- zuklären, war somit spärlich, in der ersteren Kichtung nur während des kurzen nächtlichen Biwaks vorhanden, welches durch den Marsch bis zum späten Abend des 3. und die Schlacht vom frühen Morgen des 4. Juni an zeitlich begrenzt wurde. Auch hier noch bedangen die Verhältnisse Verschiedenheiten : die Grenadiere vom Bataillon Fahlen, die, auf Vorposten befindlich, die ganze Nacht wacli bleiben mulsten, wuisten anzugeben, aus welchen Kompagnien es bestand, die anderen, die sich mehr Ruhe gönnen durften, kannten die Zusammen- setzung ihrer Bataillone nicht. Dienstlich aber erfuhren die Mannschaften jedenfalls nur, was ihnen in dieser Hinsicht zu wissen nötig war über ihr Verhältnis zu dem taktischen Körper, dem sie fortan angehören sollten, ihrem Bataillon, und zu ihren direkten Vorgesetzten bis hinauf zu dem augenblicklich höchsten innerhalb ihrer Waffe, dem Obersten v. Schönberg. Von einem ihnen vorgesetzten Generale wulste keiner etwas.

Die in den Aussagen der Grenadiere vielfach vor- kommenden Zeitangaben erfordern besondere Aufmerk- samkeit bei ihrer Verwertung. Li der Nacht boten die regelmäfsig wiederkehrenden Erscheinungen des Wacht- dienstes den bei dem Bataillon v. Fahlen in der Vor- postenstellung befindlichen Gemeinen genügende Anhalts- punkte, die Zeit annähernd richtig zu bestimmen. Solche fielen am Tage während der Schlacht fort, und die sonstigen Hilfsmittel zur Zeitbestimmung nach der Höhe

Die sächsischen Grenadiere Ijei Hohenfriedeherg. 69

und Himmelsrichtung der Sonne werden in der ihnen un- bekannten Gegend mit bergigem Horizonte während der für sie ungewöhnlich ereignisreichen Stunden vollständig ver- sagt haben; fast alle Zeitangaben aus dem Verlaufe der Schlacht sind um viele Stunden zu spät gegriffen. Selbst bei dem Oberstleutnant v. Fahlen, der gemäls seiner Stellung und Aufgabe als Führer sich mehr ruhigen Überblick über die Ereignisse wahren konnte und mulste, werden wir Spuren dieser sehr natürlichen Erscheinung begegnen.

Ob hier auch die einem Schlachtfelde eigentümlichen Veränderungen der Beleuchtung infolge von Flammen, Pulverrauch und Staub ihren verwirrenden Einfluls auf die Zeitbestimmung geltend gemacht haben, ist schwier zu sagen.

Die vorstehenden Erwägungen sind nötig, um Aus- sagen, wie sie aus dem Munde der Grenadiere kamen, richtig zu beurteilen.

Betrachten wir nun die Art wie sie aufgezeichnet wurden !

Die Form, in der die Protokolle vorliegen, ist keine einheitliche. Die Aussagen 1 bis 5 und der erste Teil der 6., sowie die 19. und 20. sind in den Original Protokollen erhalten, die übrigen in „Extracten" daraus, die in der Zeit vom 14. Juni bis zum 26. Juli 1745 angefertigt worden sind. Dieser Umstand wird uns in einem Falle gestatten, die Niederschrift des mündlich Vernommenen auf ihre Zuverlässigkeit richtig zu beurteilen.

Über den äufseren Gang des Verhörs können wir folgendes feststellen: Am Freitag, dem 11. Juni, also eine Woche nach der Schlacht, vormittags, wurden in Dresden zunächst drei Mann von der Grenadier-Kompagnie Ziegler des ersten Garde -Regiments, welches mit beiden Bataillonen, also auch zwei Grenadier -Kompagnien an der Schlacht beteiligt gewesen war, in Gegenwart des Platzadjutanten Leutnants Angermann verhört und durch den Aktuar Wundt zu Protokoll genommen.

Nach einer kurzen Vernehmung eines Karabiniers wurde die Verhandlung abgebrochen und abends um 7 Uhr mit dem Karabinier wieder aufgenommen, der seine An- gaben ausführlicher wiederholte und bis zum Ende der Schlacht vervollständigte. Dann folgte auf einen In- fanteristen vom Regimente Weifsenfeis als Sechster in der Reihe der Verhörten der Grenadier Tauchmann von

70

G. Vorberg:

der Grenadier -Kompagnie des allein beteiligt gewesenen zweiten Bataillons Infanterie- Regiments Franz Pirch. Hier endigen zunächst die Protokolle.

Am nächsten Tage wurde das Verhör mit demselben Grenadier fortgesetzt; auf einen Musketier seines Regi- ments folgten wieder drei Kameraden seiner Kompagnie.

Diese und alle folgenden Aussagen aus dem Ver- höre vom 12. Juni liegen nur in „Extrakten aus denen Registraturen" vor, die am 14. Juni von einem nicht näher bezeichneten Beamten Namens Ritter ange- fertigt sind.

Die am 11. Juni aufgenommenen Protokolle können nicht schlechthin als ursprüngliche Quellen gelten. Waren schon im Verhöre, wie sich an Beispielen leicht nach- weisen Heise, Inhalt, Ausführlichkeit und Klarheit der Aussagen von der Fragestellung mehr oder weniger ab- hängig, so verdanken sie die,, uns überlieferte Form der stilisierenden und glättenden Überarbeitung des Protokoll- führers, der seinerseits bei der Niederschrift des Gehörten noch durch die Auffassung des Platzadjutanten beein- flufst sein kann, besonders bei denjenigen Examinanden, von denen das Protokoll vermutet, dafs sie ihre etwaige schlechte Haltung im Gefechte zu bemänteln suchen.

Aber auch andere Aussagen haben bei dem ferneren „Extrahieren" aus den Protokollen möglicherweise noch Veränderungen erlitten. So, wenn es heifst, der Korporal Knoll von der ersten Grenadier-Kompagnie des Regiments Königin „conformiret sich übiigens mit denen gethanen Aus- sagen seiner dabey gewesenen Kameraden". Diese mehrmals vorkommende Art, sich das Extrahieren leicht zu machen, ist für uns hier ganz besonders unerwünscht, denn dieser einzige Unteroffizier, der dienstlich vielleicht etwas mehr wufste, als die verhörten Gemeinen, gehörte auch einem anderen Bataillon an, als jene; er ist der einzige Zeuge aus dem Grenadier -Bataillon des Grafen v. Friesen.

Ein Beispiel, an welchem wir diese drei Arten von Veränderungen beobachten können, ist die Aussage des Grenadiers Tauchmann. Bei seiner Vernehmung am Abend des 11. hat man ihn nach Feststellung seiner Personalien offenbar fast ohne Zwischenfragen reden lassen , deren nur zwei den Gang seiner Erzählung unter- brochen haben: wer sein Kommandeur gewesen, und was aus dem Obersten v. Schönberg geworden sei.

Die sächsischen Grenadiere Lei Hohenfriedeberg. 71

Nachdem er die Stellung- des Korps und die Vor- gänge zu Beginn der Schlacht nur kurz berührt hat, kommt er sehr bald auf dasjenige seiner Erlebnisse zu sprechen, welches ihm den tiefsten Eindruck gemacht hat, die Vernichtung der Kompagnien unter Schönberg und Gersdorff durch die Nassau -Dragoner; er erzählt, was er über das Schicksal der Offiziere weifs, wie er für seinen tötlich verwundeten Leutnant gesorgt habe, und wie er vom Schlachtfelde entkommen sei. Neben der Erinnerung an all diese blutigen Szenen ist es ihm als gänzlich nebensächlich erschienen, also auch nicht besonders betont worden, dals er vorübergehend in preuMscher Gefangenschaft gewesen ist.

Seine sachliche und verständige Eedeweise mufs jedoch einen guten Eindruck gemacht haben, denn ob- gleich er mit seiner Erzählung bis zum Ende der Schlacht gediehen war, wurde er am folgenden Tage über einige Einzelheiten besonders zu Beginn derselben befragt, über welche schon Aussagen der anderen Grenadiere vorlagen. Erst hier hat er von seiner kurzen Gefangenschaft ge- sprochen, dann aber auch ganz genau: „nebst 20 Grena- diers gefangen, in einen Mäuerhoff ohnweit Striegau abgeführt, von welchem er nebst sechs Kameraden seiner Kompagnie echappiret." Wenn die entsprechende Stelle in dem Protokolle vom Vorabend lautet, er habe sich aus dem vorgenannten Dörfchen identisch mit dem Meierhofe "^) „nebst noch sechs Mann, als starke preufsische Wache gekommen, heimlich davon gemacht", so findet die sachliche Divergenz beider Fassungen, deren letztcitierte jede Gefangenschaft auszuschliefsen scheint, ihre Erklärung in der Aussage des Korporals Knoll, der, gefangen in ein Doif gebracht, „aus diesem nach Verlauff einer Stunde, weiln niemand die Ge- fangenen beAvachet^ echappiret". Jene Divergenz rührt vermutlich von einem nicht alleinstehenden! Mifsverstehen seiner Eedeweise durch den Protokoll- führer her, denn von irgend welcher beschönigenden Tendenz des Redenden ist in dem ganzen Berichte, der eine Kette von Unglücksfällen enthält, nichts zu be- merken**^).

39) S. unten S. 135 f.

^^) Keibel S. 23* entnimmt aus dem oben erwähnten, beim ersten Anblick allerdings sekr auffallenden Widerspruch zwischen

72 ö- Vorberg:

Offenbar auf Befragen hat Tauchmann am 12. ferner über die erste Stellung, Organisation und Artillerie des Grenadier -Korps nachträglich genaue Angaben gemacht; diese aber hat wieder Ernst Eitter in seinem Exti-akte zu einem Monstrum von Satz zusammengezogen, der das Mögliche an Unklarheit leistet. Wir kommen darauf noch zurück.

Nach Betrachtung der hauptsächlichen Gesichts- punkte, nach denen sich die Verwertung dieser Quelle zu richten haben wird, stellen wir sie nun einer anderen gegenüber , die , Aveil gleichfalls von einem Nächst- beteiligten herrührend, sorgfältige Berücksichtigung ver- langt, dem bereits erwähnten „Privatbriefe" des Oberstleutnants von Palilen'^^).

Orlich^^) bezeichnet ihn als „Lettre du Lieutenant- Colonel de Gersdorf a son frere de Bolkenhayn apres la bataille d'abord"; er setzt ein Fragezeichen zu dem Namen des Verfassers, und mit Eecht, denn Gersdortf fiel in der Schlacht '^■^). Der Verfasser ist einer der vier Bataillonskommandeure des Grenadier- Korps; er nennt sich selbst, ferner den Obersten von Schönberg, sowie die Oberstleutnants von Gersdorff und Graf von Friesen als solche, also ist es der Oberstleutnant von Fahlen.

Als Augenzeuge und Sachverständiger schreibt er während der Rast auf dem Rückzuge noch am Tage der Schlacht in kurzen, sachlichen Angaben seine per- sönlichen Erlebnisse in den letzten 24 Stunden bei dem Grenadier- Korps, dem er in leitender Stellung, zuletzt als oberster Führer angehört hat. Sein Adressat scheint der sächsischen Armee nahe gestanden oder ein be- sonderes Interesse für die Vorgänge bei ihr gehabt zu haben.

Die Angabe von 18 Grenadier -Kompagnien in den bisherigen Darstellungen beruht allein auf seinem Briefe; die Richtigkeit der Zahl anzuzweifeln ist bei seiner Stellung und dem Charakter des Schreibens, wie er sich

den beiden Bekundungen dieses Mannes, ohne sich über die Möglich- keit seiner Auflösung zu änfsern, lediglich eine Mahnung zur Vor- sicht in der Benutzung aller dieser Protokolle.

*») Milit.- Wochenblatt 1841 S. 138 f., Lützow S. 153f.

42) II, 159 Anm.

*ä) Siehe das namentliche Verzeichnis der gebliebenen und ver- wundeten sächsisclien Offiziere im Neueröffneten Kriegsarchiv III, 636, und bei Beust lil, 114.

Die säclisisclieu Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 73

uns noch öfter zeigen wird, ausgeschlossen. Wir er- innern daran, dals diese Zahl derjenigen der sächsischen Infanterie - Bataillone entspricht.

Dagegen schon die zweite der von Hoffmann ver- öffentlichten „Aussagen sächsischer Soldaten" ^^) giebt an, däfs das Bataillon Fahlen unter vier Kompagnien eine österreichische zählte, und dies wird uns noch von einem zweiten Grenadier^-^) bestätigt. Es wäre also eine sächsische Kompagnie zurückgeblieben und eine öster- reichische an deren Stelle getreten?

Zugleich hören wir, dals die Zahl der Grenadier- Bataillone fünf betrug; sechs Grenadiere der Avantgarde und zwei ihr nicht angehörende Soldaten^**) bekunden es!

Bisher wufsten wir nur von vi e r Grenadier-Bataillonen ; Fahlen s Angaben, der sich und die drei anderen Stabs- offiziere als „mit 18 Grenadier -Kompagnien zur Avant- garde kommandiert" bezeichnet und dann von seinem Bataillon spricht, liefsen auf diese Anzahl schliefsen; und die offiziellen Veröffentlichungen-*') nennen diese Zahl ausdrücklich^^). Da hätten wir anscheinend schon zAvei Widersprüche in den Quellen! Die abweichenden, aber unter sich übereinstimmenden Angaben von sechs Soldaten verschiedener Bataillone, darunter eines Mannes von Fahlens Bataillon ^^), sowie zweier Leute von der In- fanterie können nicht ohne weiteres verworfen werden^")-

Nach unserer prinzipiellen Erwägung^^), dafs die Bataillone aus mindestens je vier Kompagnien gebildet worden sein mülsten, wären für fünf Bataillone schon 20 Kompagnien , d. h. zwei österreichische neben 18 säch- sischen, bei der Avantgarde vorauszusetzen. Abermals ein Widerspruch mit Fahlen.

Wer aber hat das fünfte Bataillon geführt? Wir kennen bisher nur vier Kommandeure.

Ein Grenadier vom Regimen te Franz Firch, zweite Grenadier -Kompagnie, giebt an, sein Bataillon habe aus

*4) s. 32 ff.

45) Aussage Nr. 3, S. 33.

46) Aussagen Nr. 2, 4, 6, 8/9, 10, 21, 27.

47) S. oben S. 64. *8) Ebenda.

«) Hoffmann S. 32, Aussage Nr. 2.

^°) Keibel geht entschieden zu weit, wenn er diese überein- stimmenden Zahhingaben auf Beeinflussung durch die Fragestellung zurückführt.

5') S. oben S. 63.

74 Gr. Vorberg :

dieser Kompagnie iiiicl „einigen anderen" bestanden und sei geführt worden von einem „Capitain, davon er das Eegiment nicht wisse"'"'-). Die Grenadiere waren alt- gediente Soldaten und die Elite ihrer Regimentor; die Cliargenbezeichnung dieses Kommandeurs wird also frei von Irrtum sein, Dals die Regimentsangehörigkeit seines Kommandeurs dem Grenadier nicht bekannt war, ist allerdings sehr auffällig und nuils einen besonderen Grund haben.

Warum aber nennt Fahlen neben den vier Stabs- offizieren den fünften Kommandeur nicht?

Zwei Annahmen werden dies sonderbare Auseinander- gehen der Quellen _genügend erklären können: der fünfte Kommandeur war Österreicher und bot als solcher weder für dert Briefschreiber, noch für seinen Adressaten ein besonderes Interesse, vor allem aber: er trat erst nach- träglich zu dem Grenadier -Korps.

Die Wiener Relation-"^) berichtet nämlich, dafs der Herzog von Weilsenfels sich am 3. Juni dem Prinzen Karl gegenüber anheischig machte, mit vier Grenadier- Bataillonen und den Ulanen den vorgeschobeneu Posten auf dem Breiten Berge zu besetzen; sie geht also auf eine Mitteilung des Herzogs an den Prinzen Karl über dasjenige, was er zu thun beabsichtigte, zurück, kann aber für die Beantwortung der Frage, wie diese Absicht ausgeführt worden sei, und insonder- heit, ob nachträglich die Zahl der Bataillone durch Hinzutreten von Grenadier- Kompagnien der dem Herzoge unterstellten österreichischen Regimenter auf fünf erhöht worden sei, nicht ausschlaggebend sein.

In ähnlicher Weise kann die Bezeichnung der vier schon genannten sächsischen Stabsoffiziere als derjenigen, „welche die vier Bataillons unserer Grenadiere kom- mandierten", in dem Armeejournal'^^) und die drei- malige Angabe von vier Grenadier- Bataillonen in den ihnen nahe verwandten Archivarischen Beiträgen'''^) auf der ursprünglichen Absicht beruhen, deren Ab- änderung wahrscheinlich erst im Laufe des Vormarsches durch mündlichen Befehl des Herzogs, auch die öster-

^••2) Hoffmann S. 38, Aussage 10. ''') Neueröffnetes Kriegsarchiv III, 558. '^'«) Ebenda S. 582.

•^^) Milit.-Wocbenblatt 1841 S. 135 und 138, Lützow S. 148 und 150.

Die säclisischeu Grenadiere bei Holienfriedeberg. 75

reichisclien Grenadier -Kompagnien herauszuziehen, er- folgte, vielleicht infolge der Beobachtung, dals die preufsische Avantgarde nahe und auf ihrer Hut sei. Es wäre sogar denkbar, dafs, besonders wegen der folgenden unglücklichen Ereignisse, diese nachträgliche Verstärkung der Avantgarde in den sächsischen Armee -Akten über- haupt keine Spur zurückgelassen hätte.

Fahlen führte das vorderste Bataillon der Avant- garde und hatte bei Beendigung des Marsches mit dem Anbruche der Dunkelheit die Stellung zunächst dem Feinde einzunehmen; er wird also kaum Zeit gehabt haben, sich um das, was hinter ihm vorging, besonders zu kümmern , und von der Bildung des fünften Bataillons und der Person seines Kommandeurs keine Kenntnis genommen haben.

Er besetzte eine Höhe mit „seinem Bataillon und einer Reserve -Kompagnie", einer ihm wohl nachträglich überwiesenen, einer österreichischen. Trotzdem zählen zwei seiner Leute ■^'^) nur vier Kompagnien auf: die Kompagnie Ziegler vom 1. Garde - Eegiment , der sie selbst angehörten, je eine von Nicolaus Pirch und Brühl und eine österreichische.

Auch dieser Widerspruch läfst sich aus den Ver- hältnissen erklären: über die Regimentsangehörigkeit der verschiedenen Kompagnien des Bataillons wurden die Leute nicht instruiert, sondern blieben hierfür auf eigenen Augenschein während des Biwaks angewiesen, als dessen Resultat wir die Bezifferung der Kompagnien auf vier zu betrachten haben. Daraus wäre zu folgern, dafs Pallien vier Kompagnien in die erste Linie und eine w^eiter zurück als Reserve aufstellte; seine Ausdrucks- weise schliefst das nicht aus , und die Aussage des schon erwähnten Grenadiers Tauchmann"), dafs von den fünf Bataillonen vier Kompagnien oben auf dem Berge gestanden hätten, kann als Bestätigung dafür gelten. Es wäre nun sehr verständlich, wenn Pallien die österreichische Kompagnie, W' eiche wohl den Vorzug einer langen Kriegserfahrung auf ihrer Seite hatte, in die erste Linie nahm, um dafür eine sächsische schonen zu können, besonders, wenn diese letztere etwa eine zweite Garde -Kompagnie war; die Aussage des einen

56) Hoff mann S. 32 f., Aussagen Nr. 2 und 3.

") Hoffmann S. 36, Aussage Nr. 6, s. oben S. 70 ff.

76 (j- Vorberg:

der beiden Garde -Grenadiere läfst sich Avenigstens auf das Vorhandensein zweier solcher bei dem Bataillon deuten. Bei dieser Disposition haben die vernommenen Grenadiere des Vorposten- Bataillons sich eben nur über die vier von ihnen genannten Kompagnien von Pahlens Bataillon Kenntnis verschalfen können; seine Reserve -Kompagnie ist ihnen unbekannt geblieben.

Wie steht es nun aber mit der Gesamtzahl der Kompagnien bei der Avantgarde V

Pallien konnte nach seiner Stellung wohl orientiert sein , auch an einer falschen Zahlenangabe kein Interesse haben. Wir haben aber festzuhalten : er schreibt während einer Marschpause sehr ermüdet nach einem kurzen Biwak dicht am Feinde, einer sechsstündigen Schlacht und einem Marsche von 2\._, Meilen nicht einen Rapport, noch eine Geschichte des Grenadier -Korps, sondern seine persönlichen Erlebnisse, in kurzen hastigen Sätzen.

Die Zahl 18 war ihm und vielleicht auch seinem Adressaten geläufig als die der anwesenden sächsischen Infanterie -Bataillone und Grenadier -Kompagnien, und als die Avantgarde zusammentrat, bestand sie thatsäch- lich nur aus diesen. Schon bei der Reserve -Kompagnie, die er zu seinem Bataillon erhält, könnte man zweifeln, ob sie in jener Zahl enthalten ist oder nicht, aber zu genaueren Angaben hat er keine Zeit. Auch ferner- hin läfst keine Silbe ahnen, dals sich Österreicher bei der Avantgarde befanden; er behandelt sie durchaus als quantite negligeable. Die persönliche Färbung seines Briefes, die Interessen des Empfängers und sein Ärger über die Österreicher, die „durch ihre Langsamkeit die Schlacht verloren" haben, genügen, um dies psychologisch zu erklären. Wie schon erwähnt, hat er am Abend des 3. und während der Nacht zum 4. von dem Hinzutreten anderer Österreicher, als der ihm überwiesenen Kompagnie, viel- leicht gar nichts ei'fahren; bei den sich drängenden Er- eignissen des Schlachttages, die er in kurzen Worten mehr andeutet, als schildert, findet er gar keine Zeit, etwas derartiges nachträglich zu erwähnen. Er spricht also ausdrücklich nur von sich und den Sachsen. Die 18 Kompagnien, die er nennt, sind also die sächsischen'^^);

■'"'•') Die „Grenadierwiiclit", durch welche der Herzog vou AVeifsenfels das zum Hauptquartier ausersehene Schlofs zu Pilgrams-

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeherg. ^7

er nennt nur vier Bataillons -Kommandeure, weil nur sie Sachsen sind, der fünfte ein Österreicher. Die vier sächsischen Kommandeure kennen wir als Stabsoffiziere; ein Grenadier •^^) aber bezeichnet seinen Kommandeur als Hauptmann ; es war also wohl der dienstälteste der öster- reichischen Kompagniechefs, der das nachträglich ge- bildete fünfte Grenadier -Bataillon kommandierte. Sein Name und Dienstgrad wird den Grenadieren seines Bataillons dienstlich bekannt gemacht worden sein; der Name seines Regiments wird , wenn er hinzugesetzt wurde, ihnen nicht im Gedächtnis geblieben sein, da er ihnen noch nicht geläufig war. Die Ordre de bataille des ver- bündeten Heeres, welche österreichische Truppen mit den sächsischen unter dem Befehle des Herzogs von Sachsen-Weilsenfels vereinigte, war ja erst am Tage zuvor in Kraft getreten *^'^). So erklärt sich diese Unkenntnis des darüber befragten Grenadiers ganz natürlich.

Eine Analogie zu Pahlens Verhalten bietet dasjenige der Grenadiere bei dem Verhöre: sie nennen fünf Batail- lone als vorhanden und eine österreichische Grenadier- Kompagnie als zu Pahlens Bataillon gehörig, auch den Capitain dieser Kompagnie als an den Vorgängen wäh- rend der Nacht vor der Schlacht beteiligt; aber in ihren Bekundungen über den Kampf kommen die Österreicher gar nicht vor; da berichten die Sachsen nur über eigene Erlebnisse und über Wahrnehmungen bezüglich ihnen be- kannter und deshalb interessanter Persönlichkeiten und Truppenteile.

Dennoch müssen wir annehmen, dafs die öster- reichischen Kompagnien auch während der Schlacht bei dem Korps verblieben sind: zwar, dals ihres Abmarsches keine Erwähnung geschieht, würde nach den eben ge- machten Beobachtungen weniger ins Gewicht fallen, als sonst wohl; wichtiger aber ist, dals sich absolut kein Zeitpunkt in der Keihe der Ereignisse auffinden lälst, in welchem ihr Scheiden aus dem bisherigen Verbände sich so unauffällig und natürlich hätte vollziehen können,

hain zur Bewachung vor Plünderung hatte besetzen lassen (nach dem Schöppenbuche s. Lützow S. 129), war also keine ganze Kompagnie, sondern nur ein kleines Kommando; Österreicher wird man für diese Ehrenwache nicht herangezogen haben, solange säch- sische Elitetruppen zur Verfügung standen.

59) Hoffmann S. 38, Aussage Nr. 10.

ßO) Der Zweite Sclilesische Krieg II, 214 und Anlage 10.

78 Gr- Vorberg:

dals ein Verschweigen dieses Umstandes irgendwie zu erklären Aväre. Wir werden an der betreffenden Stelle darauf aufmerksam machen.

Fünf Bataillone zu mindestens je vier Kompagnien erforderten deren mindestens 20; das Pahlensche zählte jedoch schon fünf. Die geringste von den Quellen für das Grenadier- Korps geforderte Stärke beträgt also 21 Kompagnien. Da jedoch 22 oder (nach Keibel) 23 ver- fügbar waren und ein besonderer Verwendungszweck für diesen Überschuis uns nirgends berichtet ist, können wir getrost annehmen, dals man ihn nicht zurückgelassen, sondern gleichfalls dem Grenadier - Korps zugetheilt haben wird*'^).

Major Georg von Schönberg berichtet in seiner Ge- schichte des damaligen Infanterie-EegimentsGraf Cosel"-), für die er Aktenstücke des Dresdener Hauptstaats- archivs benutzt hat, deren Verwertung wir nicht nach- prüfen können ^^), gleichfalls von fünf Bataillonen, darunter aber zwei österreichischen unter Oberstleutnant Marquis de Botta. Denken wir an die in Berichten über die Schlacht sehr häufige Verwechselung von Grenadier- Kompagnien mit Grenadier -Bataillonen, sie ist sehr natürlich, weil die einen im österreichischen, die anderen

ö

ei) Wegen Aussage 2 und 3 bei Hoffmann S. 32 f. giebt Keibel S. 24* die Zuteilung der von ihm nachgewiesenen zweiten Kompagnie des Regiments JSotta, die gegenüber dem Zustande bei den anderen österreichischen Regimentern „überschüssig" gewesen sei, an die sächsische Avantgarde zu. Es wäre doch aber sehr mechanisch gedacht , diese zweite Kompagnie Botta nur deshalb zur sächsischen Avantgarde zu schicken, weil die anderen Regimenter auch je eine zu einem anderen Zwecke hatten abgeben müssen; gänzlich unverständlich aber wäre es gewesen, der Avantgarde des linken Flügels, falls sie noch einer Verstärkung bedurfte, nur eine österreichische Grenadier -Kompagnie (Etat 100 Mann!) zii- zuteilen, wenn noch fünf bei diesem Flügel verfügbar waren. Wir müssen also, selb.st abgesehen von der Fünfzahl der Bataillone, die Keibel bestreitet, bei unserer Annahme verbleiben, dafs alle noch vorhandenen Grenadier - Kompagnien der sächsischen Avantgarde zu- geteilt wurden.

«-) V. Schönberg, Geschichte des Königlich Sächsischen 7. In- fanterie-Regiments Prinz Georg Nr. 106 (Leipzig 1890) I, 121.

0^) Seine Resultate sind schon deshalb nach unseren obigen Untersuchungen bis auf näheren Beweis unannehmbar, weil er nur 17 sächsische Grenadier- Kompagnien angiebt, zu sechs (Gersdorff), fünf (Friesen) und sechs (Fahlen) in drei Bataillone formiert, unter dem Oberbefehl des Obersten v. Schönberg, ganz im Sinne von Schuster und Francke und der Historischen Skizze, vergl. oben S. 65.

Die säclisischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 79

im preufsisclien Heere die taktische Einheit bildeten und das sächsische Heer zwischen beiden Systemen von Fall zu Fall wählte, die uns auch noch beschäftigen wird, so können wir aus dieser sonst unkontrollierbaren Notiz immerhin eine Bestätigung für Keibels Ansicht, es seien zwei Kompagnien Botta verfügbar gewesen, entnehmen.

Die Avantgarden-Infanterie wäre somit auf 23 Grena- dier-Kompagnien, in fünf Bataillone, zwei zu vier und drei zu fünf Kompagnien gegliedert, anzunehmen*'^).

Über die Verteilung der Kompagnien auf die Batail- lone orientieren uns die Quellen nur unvollständig.

Die Zusammensetzung des Bataillons von Fahlen aus vier sächsischen und einer österreichischen Kompagnie ist uns schon bekannt. Bei ihr ist auffällig, dals ihm nur eine der beiden Kompagnien des Infanterie -Regiments Graf Brühl angehörte, die andere einem andern Bataillon zugeteilt war.

Als eine österreichische Kompagnie nachträglich dem Vorposten -Bataillon Pahlens überwiesen wurde, werden die vier anderen österreichischen Kompagnien zusammen- geblieben sein, da eine Veranlassung, die Zusammen- setzung der übrigen sächsischen Bataillone zu ändern, nicht vorlag. Dies Bataillon unter dem Kommando des dienstältesten österreichischen Kompagniechefs wurde, wohl wegen seines schwachen Dienststandes, durch die Kompagnie Gerand vom zweiten Bataillon des Regiments Franz von Pirch**^) ergänzt. Hier läge eine sachliche Veranlassung für Schuster und Francke , von einem öster- reichischen Grenadier- Bataillon neben den drei von ihnen angenommenen sächsischen zu reden''''). Das Bataillon des Grafen von Friesen zählte die Grenadier- Kompagnie Fernhaber vom Regimente der Königin"') zu seinem Be- stände, von seiner sonstigen Zusammensetzung erfahren wir nichts.

"*) Als Kuriosura sei liier angemerkt, dafs Hoffmann, der die auf dies Resultat hinführenden Aussagen der sächsischen Soldaten im Anhange seiner Darstellung zum erstenmale veröffentlicht hat, in dieser selbst ohne weiteres vier Grenadier-Bataillone annimmt und gelegentlich die betreffende Stelle des Armee -Journals ohne Widerspruch al)druckt, obgleich er in anderer Hinsicht die Aussagender sächsischen Soldaten benutzt, die übereinstimmend von fünf Bataillonen sprechen.

ö5) Hoffmann S. 37, Aussage Nr. 10, und oben S. 73 f.

6«) S. oben S. 66.

^') Aussage Nr. 21, ebenda S. 42.

30 Gr. Vorberg:

Von den Bataillonen des Obersten von Schönberg und des Oberstleutnants von Gersdorff können wir nur ver- muten, dals ihnen die Grenadier- Kompagnien der Regi- menter, denen ihre Führer angehörten , zugeteilt gewesen seien, also die beiden des Füsilier-Regiments von Schönberg beziehentlich diejenigen des Regiments Prinz Xaver"**).

Wenn wir hören, dalis die Natzmer- Husaren die Grenadier- Bataillone Xaver und Niesemeuschel nieder- gehauen haben sollen"'') diese Angabe wird natürlich auf die Grenadier- Kompagnien der betreffenden In- fanterie-Regimenter zu beziehen sein^"), da es Grenadier- Bataillone dieses Namens in der sächsischen Armee nicht gab , so werden wir annehmen müssen, dals die Kompagnien einander benachbart waren, und vermuten können, dals sie demselben Bataillon angehörten. Dem- nach würden wir aufser den beiden Grenadier-Kompagnien des Regiments Prinz Xaver auch diejenige vom Regi- mente Niesemeuschel als Bestandteile des Bataillons von Gersdorff kennen.

Die Verteilung der übrigen sieben sächsischen Grena-

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dier- Kompagnien läist sich nicht feststellen.

An der Zusammensetzung dieser Avantgarden -In- fanterie ist noch eines sehr bemerkenswert. Während sonst eine völlige Trennung zwischen den Truppen der beiden verbündeten Heere bis hinauf zum Befehlsbereiche der Generalleutnants^^) aufrecht erhalten wurde, zwingen uns die Aussagen der Grenadiere, eine Unterscheidung der fünf Grenadier- Bataillone vor dem linken Flügel des verbündeten Heeres in sächsische und österreichische auszuschlielsen: zwei von fünf Bataillonen sind zweifellos aus sächsischen und österreichischen Kompagnien zu- sammengestellt worden. Das war eine einfache Folge der für alle Formationen maßgebenden Ordre de bataille,

'"') Aussage Nr. 6, ebenda S. 36, und die Offizier -Verlustlisten, Neueröfflietes Kriegsarcliiv III, 636 und Beust III, 114.

"») S. V. Natzmer, George Christoph v. Natzmer (Hannover 1870) S.76.

™) Eine ähnliche Veränderung der Benennung s. offizielle preufsisehe Relation (Politische Korrespondenz IV, 185), verglichen mit der Histoire de raon temps von 1775 (Oeuv. de Fred. 1. Gr. III, 113). Nach dem ersteren Berichte hat die Schwadron Gardes du Corps zwei Grenadier -Kompagnien, nach dem zweiten zwei Grenadier -Bataillone zusammengehaucn; vergl. S. 130 f.

") S. die Ordre de bataille : Der Zweite Schlesische Krieg II, Anlage 10.

Die sächsischen Grenadiere bei Hoben friedeberg. 81

die gemäfs der Verständigung der beiden Oberfeldherren zu Trauteuau am 27. Mai'-) seit dem 2. Juni vier öster- reichische Infanterie -Regimenter unter den Befehl des sächsischen Heerführers stellte , und der oben besprochenen Gewohnheit'"), Formationen zu besonderen Zwecken zur Schonung der Ordre de bataille, des einmal gegebenen Eahmens für alle Bewegungen auf dem Marsche und in der Schlacht, aus Detachements aller Regimenter der gerade in Betracht kommenden Waffe zusammenzusetzen. Vorläufig sei hier noch einmal bemerkt, dals am Abend des 3. Juni das Bataillon Pahlen auf dem Breiten Berge, die anderen vier Bataillone weiter rückwärts und tiefer im Gelände standen.

b) Die Artillerie.

Wie stark war nun die dem Grenadier -Korps bei- gegebene Artillerie ?

Die preußischen Grenadier -Bataillone, die auf Feld- zugsdauer aufgestellt wurden, führten, wie die Infanterie, je zwei leichte Geschütze. Den sächsischen mufsteu solche von Fall zu Fall zugeteilt werden und zwar, da für sie beim Ausrücken ins Feld nicht vorgesorgt war, aus der Artillerie der Infanterie -Bataillone, die .hier- durch an Gefechtskraft einbülsten. Zwischen diesem Übel- stande und dem Bestreben, das Grenadier -Korps mög- lichst zu stärken, mulste die richtige Mitte eingehalten werden.

Bei den 18 sächsischen Infanterie -Bataillonen be- fanden sich 36 dreipfündige Kanonen, die offiziell im Unterschiede von der langsam feuernden schweren Ar- tillerie als „Geschwindschufskanonen" oder „Geschwind- stücke" bezeichnet wurden.

Dals jedes der fünf Grenadier -Bataillone davon zwei erhalten haben sollte, ist von vornherein nicht wahr- scheinlich; eine so starke Abgabe hätte die Infanterie eines reichlichen Viertels ihrer unentbehrlichen Hilfswaffe beraubt ! Wieviele jedoch den Grenadieren zugeteilt wurden, darüber finden sich in den Quellen sehr ver- schiedene Angaben, deren Zahl vielleicht durch Mifs- verständnisse der Benutzer noch vermehrt worden ist.

") Der Zweite Schlesische Krieg II, 207. '») S. oben S. 58 f.

Neues Archiv f. Ö. 0. ii. A. XXI. 1. 'i.

82 (t. Vorberg:

Llitzow ist den oben erwähnten''*) auf offiziellen Quellen beruhenden, aber stellenweise verständnislos an einander gereihten „Beiträgen zur Schlacht von Hohenfriedeberg, aus Sächsischen archivarischen Nachrichten zusammengestellt," die er in den Bei- lagen giebf^''), wörtlich gefolgt'"). Augenscheinlich ist hier aus der Meldung, dals der Oberstleutnant von Pahlen am 3. Juni abends, als er den Breiten Berg mit seinem Bataillon besetzte, zwei Geschütze mit sich genommen habe, wie er in seinem „Privatbriefe" schreibt, ge- folgert, dais diese beiden Kanonen die ganze Artillerie des Grenadier- Korps gebildet hätten, und diese Ansicht ist an der oben bezeichneten Stelle in das Generalstabs- werk") übergegangen.

Eine andere Angabe findet sich in dem Berichte des „Pilgramshainer Schöppenbuches", einer hand- schriftlichen, von 1694 bis 1763 reichenden Chronik des Dorfes Pilgramshain, der bei Lützow'^) abgedruckt ist. Die Form des Berichtes lälist, wie Lützow"'') richtig bemerkt, auf einen Geistlichen oder Schullehrer als Verfasser schlielisen. Da Pilgi-amshain aber keinen eigenen Pfarrer hatte **^'), so werden wir den Lehrer als Bericht- erstatter gelten lassen müssen. Jedenfalls war es ein Einwohner des Dorfes, der während der Schlacht selbst dort anwesend geblieben ist. Sein Bericht darüber be- ruht ersichtlich ganz und ..gar auf Augenzeugenschaft und eigener Kenntnis der Örtlichkeit. Lützows An- nahme**'), dais er Mitteilungen von anderen Augenzeugen, etwa gar durch Vermittelung seines Gutsherrn^-) von dessen Brüdern, die als Offiziere in der sächsischen Armee mitgefochten , für den Schlachtbericht selbst be-

'*) S. oben S. 74.

"''') S. 145 ff. AViederaljgedruckt aus dem Militär -Wochenblatt 1841 S. 134 ff.

'ß) Vergl. S.36 mit 148.

") II, 218.

'8) S. 123 ff.

™) S. 6.

8**) Wenigstens hat es jetzt keinen, wie auch keine Kirche, (s. Perthes" Tiieologisches HiU'slexikon II, 2, 113: Diöcese Stiiegau,) und seit Friedrichs des (xrofsen Zeit werden evangelische Pfarrstellen und Kirchen in Schlesien kaum eingegangen sein.

8') S. 132.

*-) von Seidlitz und Ludwigsdorf, s. Neueröffnetes Kriegsarchiv III, 632 und Lützow S. 132. Beust III, 103 schreibt irrtümlich V. Seidewitz.

Die sächsisclien Grenadiere bei Hohenfriedeberg. Ö3

nutzt habe, wird durch dessen eindrucksvolle Anschau- lichkeit, die den Stempel des Selbsterlebten trägt, widerlegt^"').

Eine Ausnahme machen hierin natürlich die Mit- teilungen über die Schicksale seiner Grundher- schaft, die er anhangsweise giebt und die zum Teile von dieser selbst, und die wenigen Zahlenangaben, die von sächsischen und preufsischen Soldaten vor und nach der Schlacht dem Berichterstatter mitgeteilt sein mögen. Das könnte bei folgender Stelle der Fall sein.

In dem Schöppenbuche heilst es^^), der Breite Berg sei „mit einem Bataillon sächsischer Grenadiere das ist das Pahlensche , und dreien Kanonen be- setzt worden".

In den Aussagen zweier Grenadiere ^•'^) vom Regi- mente Franz Pirch, also vom Gros des Korps, die Ernst Ritter in seinem Extrakte zu einem einzigen Satze zusammengezogen hat, finden wir unter den Gründen für den Rückzug die Behauptung, das ganze Korps habe nur drei Geschütze mit wenig Munition gehabt ^"^j. Beide Mitteilungen werden jedenfalls verworfen werden müssen, denn sie finden keinerlei Stütze in anderen Quellen oder dem Zusammenhange der Thatsachen, stehen vielmehr in Widerspruch mit besser begründeten Nachrichten, wie die obenerwähnte von Fahlen, dem Kommandeur jenes Bataillons auf dem Breiten Berge.

Auch Stille und der Bericht von der Schlacht in den Ungedruckten Nachrichten weichen von Fahlen ab, Sie erzählen an der schon zitierten Stelle ^^) von einer Batterie von vier Feldstücken auf dem Breiten Berge bei den Grenadieren. Wenn diese Angaben nicht anderweitige Bestätigung finden, so wird ihnen gegenüber derselbe Einwand gemacht werden müssen, wie oben bezüglich der Anzahl der Bataillone.

^^) Keibel S. 83, Anna. 2, ■will im Anscblufs an Lützows An- nabme jene Offiziere als seine Gewährsmänner und „das Scböppenbuch vielfacli ... als eine sächsische Quelle ansehen!"

81) Lützow S. 125.

8') Aussage 8 und 9 bei Hoff mann S. 37ff.

*ö) Hier hat vielleicht auch v. Schönberg, Geschichte des 7. Infanterie -Regiments S. 121 seine Auffassung gebildet, jedem der vou ihm angenommenen drei Bataillone sei ein Regiments- geschütz zugeteilt worden.

8^j S. oben S. 63 oben.

6*

84 Gr- Vorberg:

Sie stimmen mm zwar überein mit der Aussage des zuerst vernommenen Gardegrenadiers von Pahlens Ba- taillon, der sonst sehr genau und in Übereinstimmung mit anderen Grenadieren ausgesagt hat, er habe nebst den vier näher bezeichneten Kompagnien ^*^) „auf einem Berge kaum ^/., Stunde von Striegau unter Bedeckung vierer Kanonen commandiret gestanden".

Hier mufs jedoch an die Art der Protokollaufnahme erinnert werden, durch welche die Aussagen der Grena- diere uns aufbewahrt sind. Die Angabe von vier Ge- schützen wird uns in anderem Zusammenliange noch zweimal auch bei Pahlens Truppe begegnen, und kann sehr wohl durch ein Milsverständnis in diesen hier gelangt sehi. Vergleichen wir damit die Überlieferung von Pahlens Kenntnis der Dinge und seine dienstliche Stellung, so bleibt kein Zweifel, ITir welches Zeugnis wir uns zu entscheiden haben.

Vielleicht ist in der Aussage dieses Grenadiers die Quelle zu finden, auf welche hin Schuster und Francke^^'), die im Archiv die Protokolle gesehen haben können, Stilles Zahl angäbe übernommen und dahin gedeutet haben, dals dem Obersten von Schönberg eben vier Geschütze zugeteilt gewesen seien, darin bestärkt durch die That- sache, dais die preulsischen Nassau -Dragoner, als sie'"') ihn mit fünf Grenadier -Kompagnien niederhieben, vier Geschütze eroberten.

Wenn die sonst übliche organische Verbindung der Artillerie mit den einzelnen Bataillonen hier bestanden hätte, wäre diese Unkenntnis der Verhältnisse des eigenen Bataillons unerklärlich bei dem Gardegrenadier, der doch sonst seine Augen offen gehabt zu haben scheint. In ihr finden wir also eine Hindeutung darauf, dais die Artillerie des Korps nicht bei den Bataillonen eingeteilt war. So erst wird es voll verständlich, wenn Pahlen bei der Aufzählung der ihm unterstellten Truppenstärke, anstatt die zugehörige Artillerie gleich mit anzuführen, nur schreibt: „vier Kompagnien von meinem Bataillon und eine Reserve-Kompagnie", und jene erst bei der

8ä) Hoffmann S. 32, Aussage 2.

89) II, 39.

90) Nach dem Schlachtbericht iu den Ungedruckten Nach- richten 1, 322, s. a. V, 441.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 85

Wahl seiner Stellung nachträgt: „eine steile Höhe, . . . wo ich zwei Kanonen mit mir nahm."

Bei dieser Gelegenheit mufs ein leicht milsverständ- licher Ausdruck des Grenadiers Tauchraann^'), auf dessen Zeugnis wir noch öfter angewiesen sein werden, er- örtert werden.

Pahlen schreibt, er habe auf erhaltenen Befehl und weil er die Preulsen habe anrücken sehen, mit seinen beiden Geschützen fortwährend gefeuert.

Tauchmann, der sich bei den anderen Bataillonen unten „im Grunde" befand, konnte die Vorgänge dort oben zunächst nur durchs Gehör wahrnehmen. Er sagt, von der Höhe sei „anfänglich mit zwei Geschwind- schüssen auf die Preufsen gefeuert worden".

Liegt darin ein Widerspruch mit Pahlens Zeugnis? Bei der positiven Genauigkeit seiner Zahlangabe würde dann Tauchmanns Glaubwürdigkeit für uns bedenklich sinken.

Erinnern wir uns, dafs die Sachsen ihre der In- fanterie beigegebenen leichten Geschütze offiziell als „Geschwindschufs -Kanonen" bezeichneten; ziehen wir zum Vergleiche einen heutigen Sprachgebrauch oder Sprachmifsbrauch heran, der, anstatt von Panzerschiffen zu reden, dieselben kurzweg als „Panzer" bezeichnet, der weiter den Laien auf seemännischem Gebiete dazu verleitet, in analoger Abkürzung das Torpedoboot kurz als „Torpedo" zu bezeichnen und dadurch allerlei Mifs- verständnisse anzurichten; vergegenwärtigen wir uns ferner, dals im vorigen Jahrhundert die Zivilbevölkerung, die Beamten eingeschlossen, allen militärischen Vor- gängen so fremd und unkundig gegenüber stand, wie heute etwa die in dieser Beziehung durch die allgemeine Wehrpflicht weiter fortgeschrittene Bevölkerung des Binnenlandes durchschnittlich der Marine, so dürfen wir schliefsen, dals man im Umgangstone die „Geschwind- schufs-Kanonen" der Dienstsprache kurz „Geschwind- schüsse" genannt und dafs der Grenadier Tauchmann bei seiner Vernehmung sich ebenso ausgedrückt hat, der Aktuar aber, des militärischen Jargons nicht mächtig, trotz der sonstigen schönen Stilisierung diese ungenaue Bezeichnung in sein Protokoll aufgenommen hat.

91) Aussage Nr. 6 bei Hoffmann S. 36.

86 G. Voiberg:

Diese Annahme beseitigt den scheinbaren Wider- spruch zwischen Pahleus und des Grenadiers Angabe; denn sie besagt nun, dafs die Preulsen von der Höhe aus nicht mit zwei Kanonenschiissen, sondern aus zwei leichten Geschützen begrülst wurden.

Tauchmann, der bei der Kompagnie von Franz Pirch im Bataillon des österreichischen Hauptmanns beim Gros stand, bewies demnach im Verhör genaue Kenntnis von Verhältnissen bei dem vorgeschobenen Bataillone Pahlen, die nicht einmal dessen sämtlichen Gliedern recht be- kannt waren. Das ist geeignet, seine Glaubwürdigkeit in unseren Augen zu erhöhen.

Pahlen erzählt also, er habe am Abend vor der Schlacht zwei Kanonen zur Besetzung der Höhe des Breiten Berges, einer aulserordentlich vorteilhaften Stel- lung, mit sich genommen. Als er am Morgen bei dem Anrücken der preulsischen Avantgarde den Befehl erhielt, zurückzugehen, liels er melden, er könne und wolle die Stellung behaupten, und verlangte eine Verstärkung von sechs Kanonen und vier Grenadier -Kompagnien. Die letztere Forderung wird nach den beschränkten Raum- verhältnissen ^-) bemessen worden sein, auch wird das Hauptgewicht der Vei-teidigung in diesem Falle nicht auf die Infanterie, deren Front hier nur kurz sein konnte und deren Wirksamkeit bereits auf 300 Schritt ganz minimal Avar"^), sondern auf die Artillerie zu legen ge- wesen sein. Deshalb verlangt er zu den vier Kompagnien, etwa einem Bataillon nach der augenblicklichen Organi- sation, nicht nur die einem solchen in der sächsischen Armee durchgängig zugeteilten zwei Geschütze, sondern deren sechs. Warum gerade sechs? Warum nicht mehr, so viel als er irgend plazieren konnte, da es ihm doch auf eine möglichst energische Verteidigung ankam ? Vermutlich, weil er gerade sechs Geschütze in erreich- barer Nähe wufste.

Das Lager der nächsten sächsischen Infanterie- Bataillone lag in seiner recliten Flanke in Luftlinie

"'-) „eine steile Höhe von Felsen und Steinen umgeben." "*) Der übliche Abstand von dreihundert Schritten zwischen den beiden Infanterie -Treffen der üblichen Schlaclitordnung war in dieser Höhe bemessen mit zu dem Zwecke, das erste Treffen vor den Wirkungen eines bei der mascliincnmäfsigcn Ausbildung der Truppen leicht möglichen Älifsverständnisses, durch welches das zweite zum Feuern verleitet wurde (vergl. Schlacht bei Mollwitz) zu schützen.

Die säclisischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 87

2500 Schritte weit^^), dagegen sah er bedeutend überlegene feindliche Kräfte, sechs Grenadier-Bataillone mit 15 Ge- schützen, kaum 1000 Schritte entfernt**^), im Anrücken. Die leichte Artillerie seiner Zeit war keine selbständige Waffe, sondern blolse Hilfswaffe der Infanterie. Die Schnelligkeit ihrer Bewegung ging daher über die ge- bräuchliche Marschgeschwindigkeit der Infanterie'"') nicht wesentlich hinaus, eine aulsergewöhnliche Beschleunigung der Bewegung auch in Notfällen war ausgeschlossen, da man Vorrichtungen zum Aufsitzen der zum Teil aus Infan- teristen bestehenden Bedienungsmannschaften nicht besafs.

Die gewünschten Geschütze hätten also von dem sächsischen Infanterielager her eine halbe Stunde zu marschieren gehabt. Eine Abkürzung dieser Zeit wäre auch dadurch nicht zu erreichen gewesen, dals man die anmarschierende Verstärkung flankierend wirken liess, denn ihre wirksamere Schufsart, der Kartätschschufs, reichte nur auf 500^") Schritt, sodals diese flankierende Mitwirkung zur Verteidigung der Stellung, anstatt der frontalen, nur aus nächster Nähe hätte erfolgen können.

Somit verboten es die Verhältnisse von Raum und Zeit, die Zusendung von sechs Geschützen aus der Ent- fernung von zweieinhalbtausend Schritt zu erbitten; das mufste sich auch Fahlen sagen. Dals er das Ersuchen dennoch stellte und nach der ersten Ablehnung wieder- holte, beweist, dafs er die Geschütze näher wulste. Sie müssen sich, ebenso wie die erbetenen Kompagnien, bei dem Gros des Grenadier-Korps, nicht weit hinter ihm am Westabhange des Breiten Berges befunden haben. Wir haben also zu folgern, dals den Grenadieren acht Ge- schütze zugeteilt waren^^), und diese Annahme werden

^*) Yergl. den Zweiten Schlesischen Krieg II, 218 mit der oben angegebeneu Korrektur.

^'^) Über den Galgenberg, s. ebenda S. 225 und 227.

^^) Genauere Angaben über die reglementsmäfsige oder als Durchschnitt anzusehende Marschgeschwindigkeit der fast aus- nahmslos in geüifneter Zugkolonne mit genauer Festhaltung der Ab- stände marschierenden Infanterie fehlen. Die Bemerkungen in dem Ersten Schlesischen Krieg 1, 137 Anm., und dem Zweiten Schlesischen Krieg I, 4* beziehen sich nur auf die Geschwindigkeit des Avan- cierens in Linie auf dem Schlachtfelde und auf durchschuittliche Marschleistungen auf der Landstrafse.

'-*') Der Erste Schlesische Krieg I, 147 Anm. **).

^*) Orlich II, 167, erwähnt in einer Anmerkung noch Berichte, die von sechs Geschützen sprechen. Ob er damit noch andere

88 t^. Vorberg:

wir bei der weiteren Untersuclmng des Pahlenschen Briefes bestätigt finden.

Am Morgen verliefs er auf Befehl den Breiten Berg mit seiner Truppe und ihren beiden Kanonen, um mit dem gesamten Grenadier-Korps an dem Kampfe auf dem äulsersten linken Flügel der Armee teilzunelimen. „Ein Unglück der Kavallerie" ^^) trennte ihn von dem Obersten von Schönberg, wobei Geschütze verloren gingen, er sagt nicht, wie viel, nach dem Wortlaute mindestens zwei; er fand Gelegenheit, sie wiederzunehmen und rettete diese und seine eigenen zwei trotz der schweren Verluste auf dem Rückzuge. Dem Obersten von Schönberg aber wurden, als er, gänzlich isoliert, von den Nassau-Dragonern mit seinen Kompagnien niedergehauen wurde, vier Ka- nonen abgenommen, die, wie sich aus anderen Quellen ergiebt, den Preufsen verblieben sind.

Konnten wir aus der obigen Erwägung folgern, dafs bei dem sächsischen (irenadier- Korps acht Geschütze und nicht mehr vorhanden gewesen seien, so haben wir hier den zahlenmälsigen Nachweis, dafs es auch nicht weniger gewesen sein können.

Der schon erwähnte Grenadier Springer von Franz pjp(,|jiooj berichtet, beim Wiedereinrücken seines Kom- mandos von Vorposten zum Gros seien auch „die auf dem Berge gestandenen acht Kanonen" wieder zu dem Korps unter den Berg gerücket. Man könnte meinen, die infolge der Nichteinteilung der Artillerie bei den Bataillonen gegen sonst veränderte Lagerordnung und das Heranrücken der versammelten Artillerie des Korps von ihrem gesonderten Lagerplatze zu der Infan- terie bei dem Alarm am Morgen hätte den Grenadier auf die an sich unbegründete Vermutung gebracht, alle acht Geschütze des Korps hätten auf dem Berge ge- standen, da wir dies bis jetzt durch Pahlens Brief nur von zweien haben nachweisen können.

Aber Tauchmann'"^), von derselben Kompagnie, der die ganze Nacht bei dem Gros verblieben ist, einer solchen Mifsdeutung momentaner Beobachtungen also weniger ausgesetzt war, und sich bis jetzt in seinen An-

Quellenstellen meint, als die einmalige Nennung dieser Zahl in Pahlens Hilfegesueh, hat, sich nicht feststellen lassen.

00) 8. unten S. 110 f.

100) Aussage 10 bei Ho ff mann S. 38.

'0') Hoffmaun S. 86, Aussage 6.

Die säclisisclieu Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 89

gaben objektiv imd subjektiv durchaus zuverlässig gezeigt hat, berichtete, über die Vorgänge zu Beginn der Schlacht befragt, oben auf dem Berge hätten vier Grenadier- Kompagnien „nebst acht Kanonen gestanden, aus welchen auf die anmarschierenden Preufsen gefeuert worden".

Neben der doppelten Bestätigung, dals thatsächlich acht Geschütze sich bei dem Grenadier-Korps'^-) be- funden haben, erfahren wir von diesen beiden Zeugen noch etwas neues: zwar oben auf dem Berge, d. h. in Pahlens Stellung, haben sich nur zwei Kanonen befunden, der Oberst von Schönberg mufs aber die ihm verbliebenen sechs Geschütze auch den Abhang hinauf an einen Punkt geschickt haben, von wo sie auf die Preufsen feuern konnten ^*''^).

In dem Mangel eines arithmetischen Verhältnisses zwischen der Zahl der Bataillone und Geschütze kann man einen ferneren Beweis finden für die Annahme, dafs die Artillerie den Bataillonen nicht unterstellt war, son- dern zur Verfügung des Obersten von Schönberg stand. Diese Feststellung wird uns später über eine Schwierig- keit in der Darstellung des Kampfes der Grenadiere vor Pilgramshain hinweghelfen '"^).

Wenn wir eine Vermutung über die Herkunft dieser acht leichten Geschütze wagen sollen, so möchten wir annehmen, dafs die acht Infanterie-Bataillone des zweiten Treffens zur Bildung der Avantgarde aufser der Grenadier- Kompagnie auch je ein Geschütz abgaben '^■^), während die zehn Bataillone des ersten Treffens ihre Artillerie vollzählig behielten.

Demnach hätten die infolge späterer Anordnung hin- zutretenden österreichischen Grenadier-Kompagnien keine Geschütze mit sich geführt, sehr natürlicher Weise, denn die österreichische Infanterie führte reglementsmäfsig nicht bei jedem Bataillon, wie die preufsische und säch- sische, sondern nur bei jedem Regiment, ohne Rücksicht

"^■-) Ganz analog finden wir am 12. Dezember 1745 aufser leichter und irregulärer Kavallerie 18 Grenadier -Kompagnien und acht Geschütze von der bei Dresden stehenden sächsischen Armee nach Meifsen vorgeschoben, s. den Zweiten Schlesiseheu Krieg III, 214.

^^^) Die genaue Feststellung dieses Punktes s. unten S. 98.

1°^) BeiKeibel, der entsprechend den bisherigen Darstellungen bei vier Bataillonen bleibt, ist es selbstverständlich, dafs er S. 275, Anm.l, und S. 24* jedem Bataillon zwei Geschütze zugeteilt sein läfst.

^^'0 So auch V. Schönberg, Infanterie -Regiment Nr. 106, S. 121: „von den im zweiten Treffen stehenden Bataillonen."

90 G". Vorberg :

auf die Zahl seiner Bataillone (2—4) zwei Geschütze. Und wenn wiiklicli zur Zeit schon eine Erhöhung der Geschützzalil auf eines für jedes Bataillon eingeleitet oder durchgeführt gewesen wäre einzelne Angaben in den österreichischen Quellen""') über die Schlacht drängen zu einer solchen Annahme , so hätten die vier österreichischen Eegimenter des linken Flügels überhaupt nur verhältnismäfsig ebensoviel Artillerie besessen, w'ie die sächsischen Bataillone des zweiten Treffens nach Abgabe je eines Geschützes.

c. Kombattantenzahl und Kommandoverhältnisse. Die Etatsstärke des Korps würde betragen haben:

Die sächsischen Bataillons-Kommandeure . . . . = 4 Mann,

18 sächsische Grenadier -Kompagnien zu 120 Kom-

battanteniö^) = 2160

Bei 8 leichten Kanonen mindestens 1 Leutenant, ferner 8 Unteroffiziere, 16 Kanoniere^"'*), 82 Unter- kanoniere = 57

zusammen Sachsen 2221 Mann,

5 österreichische Grenadier-Kompagnien zu 1 00 Kom- battanten i'^») =_5ü0^

zusammen 2721 Mann.

^*'<') z. B. die Verlustlisten im Neueröffneten Kiiegsarchiv III, Tabellen hinter S. 694. Keibel S. 142 vermutet dasselbe.

10^) Schuster und Francke II, 22.

108) S. den Ersten Schlesischen Krieg I, 102 nach Schuster und Francke II, 5. So die Etats im Jahre 1741; die übrigen Be- dienungsmannschaften wurden aus dem Infanterietiuppcnteil kom- mandiert, dem das Geschütz zugeteilt war, zu jedem fünf Infanteristen. Über eine prinzipielle Änderung dieser Vorschriften bis zur Schlacht bei Hohenfriedeberg sagen Schuster und Francke und der Zweite Schlesische Krieg nichts; einer der am 12. Juni 1745 in Dresden verhörten Soldaten giebt jedoch an, dafs zu einer dreipfündigen Kanone des ersten Bataillons vom Regimente der Königin ein Kor- poral, zwei Ober- und vier Unterkanoniere vom Artillerie-Korps kom- mandiert gewesen wären, s. Aussage 11 bei Hoff mann S. 38. Bei einer derartigen Bedienung aller bei der sächsischen Armee bctind- lichen Geschütze, 3») leichter und 16 schwerer, würden 364 Mann von den 678 Unteroffizieren und Gemeinen des sächsischen Aitillerie- Korps (s. Keibel S. 149!) erforderlich gewesen und noch 314 Mann für die an Zahl schwächeren Truppen in der Heimat verfügbar ge- wesen sein. Keibels Berechnung widerlegt also mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit seine eigene Annahme, die vorhandene Artillei'ie- mannschaft habe nicht ausgereicht und sei nach früherer Art durch Infanteristen ersetzt worden.

lo") S. Üstreichische Militär. Zeitschrift 1825, III, Anlage 1, abgedruckt bei Orlich, Anlage: der Erste Schlesische Krieg I, 90. Der Zweite Schlesische Krieg II, 25 f.

Die säclisisclieu Grenadiere bei Holienfriedeberg. 91

Über die Stärke, in der die einzelnen Teile des Korps am 3. Juni ausrückten, ist nichts bekannt; in der Nacht und während der Schlacht fehlten den sächsischen Kom- pagnien an ihrem dienstbaren Stande sicher die Fouriere und Fourierschützen, also etwa 22 Unteroffiziere und Mannschaften, die, zur Absteckung des Lagers komman- diert, ihre Truppenteile nicht wieder erreicht hatten"").

Nach dem Generalstabswerke fehlten dem ver- bündeten Heere an der etatsmäfsigen Stärke von etwa 83 800 Mann"') nicht ganz ein Sechstel"-); nehmen wir an, dafs die Elitetruppe der Grenadiere in dieser Be- ziehung jedenfalls nicht schlechter stand, als der Durch- schnitt, so können wir die Stärke des Grenadier-Korps am Abend des 3. Juni auf etwa 2250 Kombattanten ver- anschlagen.

Da genaue Zahlen für die Ausrückestärke der Verbün- deten am Schlachttage gänzlich fehlen, so hat Keibel"'^) unter Ausnutzung spärlicher und zweifelhafter Angaben für einzelne Truppenteile und andere Zeitpunkte eine sorgfältige Wahrscheinlichkeits-Berechnung angestellt, auf Grund deren er zu dem Prinzip kommt, von den Etats- stärken bei den Österreichern 20 % , bei den Sachsen 15 "/o abzusetzen. Das ergäbe für den sächsischen Teil des Korps 1888"^), nach Abzug der Eouriere 1866 Mann, für die österreichischen Kompagnien 400 Mann, zusammen 2266 Mann als wahrscheinliche Ausrückestärke am 3. Juni.

Von einer Unterstellung des Grenadier-Korps unter den Generalmajor von Schlichting, die das Generalstabs- werk "■^), ebenso wie Lützow'^*^), nach dem Vorgange der Östreichischen Militärischen Zeitschrift ''') und neuerdings auch Keibel"^) als selbstverständlich an- nehmen, steht nichts in den Quellen. Das Eangverhältnis

"0) S. Aussage 1 bei Hoffmann S. 32.

"1) Obne Berücksichtigung- des Nadasdyscben Korps nach der Ordre de bataille, Der Zweite Schlesische Krieg II, Anlage 10, und den Etatsangaben der Östreichischen Militär. Zeitschrift 1825, III, Anlage 1.

"-) Der Zweite Schlesische Krieg II, 218 berechnet die Stärke der Verbündeten ohne Nadasdy auf etwas über 70000 Mann.

"3) S. 121 ff.

"*) K ei bei giebt ihnen (S. l.ol Anm. 2) ungefähr 1900 Mann.

"■■^) Der Zweite Schlesische Krieg II, 218.

"6) S. 31 und öfter.

"') Jahrg. 1825 III, 115.

"S) S. 24*.

92 G. Vorberg:

zwischen den Füliiein der Avantgarden -Kavallerie und -Infanterie allein genügt nicht, um eine solche zu kon- struieren, aulser im Falle eines gemeinsamen Gefechts. Die einzige Quellen stelle, wo sämtliche dem linken Flügel als Avantgarde dienenden Truppen aufgeführt werden, in den Beiträgen aus sächsischen archi- varischen Nachrichten^^^), scheint ihrem Wortlaute nach die beiden Waffen als selbständige Korps aufzu- fassen. Weiterhin werden gelegentlich der Angaben über den Verlauf des Kampfes in derselben Quelle'-") die „Grenadier-Bataillone unter dem Obersten von Schönberg" von dem „Korps des Generalmajors von Schlichting", den sächsischen Chevauxlegers und Ulanen, unterschieden. Die Grenadiere'-^) nennen als ihren höchsten Vorgesetzten den Obersten von öchönberg. Fahlen aber schreibt: „Ein General, ich weils nicht welcher, liefs dem Obersten sagen, er solle mich zurücknehmen." Wenn General von Schlichting Avantgarden -Kommandeur gewesen wäre, würde er diesem den Befehl zuschreiben.

Es wird also richtig sein, von zwei verschiedenen Truppenkorps vor dem linken Flügel der Armee zu reden, einer selbständigen Kavallerie zum Zwecke einer weiter- greifenden Aufklärung des Geländes (vergleichbar den heutigen Kavallerie-Divisionen für die strategische Auf- klärung) und einer Avantgarde zur Marschsicherung beim Heraustreten der Armee aus dem Gebirge und für den nächtlichen Vorpostendienst (vergleichbar den Avant- garden der Armeekorps). Beide Korps empfingen ihre Befehle direkt vom Herzoge von Sachsen -Weilsenfels.

2. Der Vorniarscli am 3. und die Naclit zum

4. Juni.

Wie für die Organisation, so ist auch für die Schick- sale der Grenadiere am 3.. und 4. Juni der „Privat- brief" Pahlens die wertvollste Quelle, Aveil er, von einem Sachverständigen heriührend, uns ein vollständiges Skelett der Vorgänge darbietet, welchem wir mittels der Nachrichten aus anderen Quellen trotz mancher Wider- sprüche Körper verleihen können. Infolge des privaten

"») V. Lützow S. 147.

'-«) Ebenda S. 150.

'21) Aussage bei Hoff manu S. 32 ff.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 93

Zweckes seines Schreibens redet Pallien frei von der Leber weg, und die noch pulsierende Erregung' des eben erst überstandeuen Kampfes verleiht seiner Erzählung trotz der äulsersten Kürze und Knappheit Leben und Anschaulichkeit.

Über den Vormarsch des verbündeten Heeres am 3. Juni erfahren "wir aus den Quellen nicht viel. Der Aufbruch aus dem Lager zwischen Alt-ßeichenau und Wolmsdorf, in welchem die Sachsen eine Stellung von Nieder - Baumgarten bis Wolmsdorf einnahmen, war auf 12 Uhr mittags befohlen, verzögerte sich aber bei den Sachsen bis 1 Uhr nachmittags ^--j; gegen 4 Uhr be- gannen die Truppen aus den Pässen zu debouchieren^--^). Von den vier Kolonnen wegen, die dem linken, vorwiegend aus sächsischen Truppen bestehenden Flügel des ver- bündeten Heeres unter dem Herzoge von Sachsen-Weifsen- fels zu Gebote standen, wird die Avantgarde den be- quemsten, der die rascheste Entwickelung ermöglichte, von Wolmsdorf über Kauder und Rohnstock auf Pilgrams- hain benutzt zu haben,

Sie bestand, um dies kurz zu rekapitulieren, zunächst aus 18 sächsischen Grenadier -Kompagnien, die in vier Bataillone unter dem Obersten von Schönberg, Komman- deur en chef des nach ihm benannten Füsilier-Regiments, in dessen Händen auch der Oberbefehl lag, und den Oberstleutnants von Pahlen vom 1. Garde -ßegimente, von Gersdorff vom Lifanterie-Regimente Prinz Xaver und Graf von Friesen. Ferner verfügte der Oberst über acht „Geschwindschulskanonen" der sächsischen Lifan- terie.

Erst nachträglich, wie oben als notwendige An- nahme nachgewiesen ist, w'urde das Hinzutreten der fünf noch verfügbaren Grenadier-Kompagnien der dem Hei'zoge unterstellten österreichischen Lifanterie- Regimenter be- fohlen; sie erreichten das Gros der Avantgarde wohl erst weit draufsen in der Ebene. Eine Kompagnie wurde dem Teten -Bataillon unter Oberstleutnant von Pahlen nach-

'2-) Lützow S. 147. Vergl. für das Folgende die Karten- beilage und die Textskizze S. 119.

'^-^) Relation des Prinzen Ludwig Ernst von Braunschweig- Wolfenbüttel , der die Schlacht als österreichischer Feldmarschall- Leutnant mitmachte, an den Prinzen August Wilhelm von Braun - schweig-Bevern, Köuiggrätz, den 11. Juni 1745. Archiv zu Wolfen- büttel.

94 Gl- Vorberg-:

gesandt, um es auf tünt Kompagnien zu bringen, die anderen vier wurden mit der Grenadier -Kompagnie vom 2. Bataillon Franz von Pircli zu einem fünften Bataillon vereinigt, dessen Führung der älteste österreichische Kapitän erhielt.

Vor sich hatte diese Avantgarde die verfügbare irreguläre Kavallerie, die damals den Aufklärungsdienst fast allein zu versehen pflegte; im sächsischen Heere be- stand sie aus fünf Pulks polnischer Ulanen ^-^). Als fester Kern war ihr das Chevauxlegers- Regiment Graf Ru- towski beigegeben. Die Führung dieser Avantgarden- Kavallerie hatte der Generalmajor von Schlichting.

Die Entwickelung des verbündeten Heeres aus den Pässen nahm, obgleich es in acht Kolonnen marschierte^-'^), sehr viel Zeit in Anspruch, ebenso der weitere Vormarsch. Daher wurde es 8 Uhr^-") oder später^-'^), bis der rechte Flügel aufmarschiert stand, der linke wurde noch in der Bewegung von der Nacht überrascht.

Die leichte und irreguläre Kavallerie vor dem linken Flügel verdrängte die Vorposten der preufsischen Husaren von dem Höhenzuge zwischen Pilgramshain und ötriegau; dann ging das Regiment Rutowski nach Pilgramshain zurück, um dort nahe den Lagerplätzen der übrigen Kavallerie am nordwestlichen Rande des Dorfes entlang zu biwakieren'-^''); seine Aufgabe war für diesen Tag zu

'-*') Der Zweite Schlesische Krieg II. nennt in der (3r(lre de bataille (Anlage IG) und mehrfach im Texte nur drei Pulks Ulanen mit 23 Fahneu als beim Heere anwesend; Schuster und Fraucke (II, 40) deren vier mit ÜO Fahnen. Dagegen das Armee- Journal (s. Neueröffnetes Kriegsarchiv Ilf, 480) berichtet von einer Be- sichtigung der Armeen und insonderheit der drei neu aus Polen an- gelangten Ulanen-Pulks am 29. Mai in Landeshut; die Archivarischen Nachrichten (s. Milit.-Wochenbl. 1841 S. 185 und Lützow S. 14«) heben die.s.e drei aus fünf beim Heere befindlichen liervor, ebenso giebt die Östreichische Militärische Zeitschrift (1825, HI, Beilage 1), deren fünf au mit 38 Fahnen; nach der Pragmatischen Geschichte der sächsischen Truppen (S. 50) hatte der König von Polen deren sechs in seinen Diensten. Wir werden also fünf als beim Heere befindlich annehmen. Die Stärkeangabe bei Scliuster und Francke ergiebt 87' Pferde auf die Fahne; also wären etwas über .3000 Pferde als Gesamtstärke anzusetzen. Nach Keibel waren jedoch mehrere Pulks detachiert.

'-■'■') Der Zweite Schlesische Krieg II, 216, nach der Wiener Relation.

^-») Lützow S. 147.

'■-■') Ebenda S. 150.

128^ Pilgiamshainer Schöppenbuch bei Lützow S. 125.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 95

Ende. Der nördliche Teil jenes Höhenzuges wurde dann von den Grenadieren besetzt, von dem südlichen wurden die Ulanen, denen der Dienst als Vorposten -Kavallerie für die Nacht zufiel, ihrerseits durch die von Süden her durch Gräben vorgehende Kavallerie der preulsischen Avantgarde, Möllendorf- Dragoner und drei Husaren- Regimenter, wieder vertrieben ^-^); ihre Hauptmasse zog sich über Nieder-Streit bis jenseit Ober-Streit hin ^^'*); auch in dieser Richtung blieben ihre Vorposten mit den preulsi- schen Husaren nördlich von Alt-Striegau in Berührung, bis das Geschützfeuer am Morgen sie zu dem linken Flügel der Kavallerie zurückrief.

Dem Grenadier- Korps fiel die Aufgabe zu, den Kern der Vorpostenstellung vor dem linken Flügel des verbündeten Heeres zu bilden. Oberst von Schönberg hatte zu diesem Zwecke die nördliche Gruppe von Bergkuppen, die Spitzbergen''), zu besetzen. Er wählte mit dem Gros des Grenadier -Korps eine verdeckte Aufstellung am Westabhange der Höhen, die gegen Süden durch Feldwachen gesichert wurde. Die am weitesten vorgeschobene einer der dorthin komman- dierten Grenadiere ^■^'-) bezeichnete sie als „verlohrene Post" auf der Einsattelung zwischen dem Breiten Berge und der Windmühlenhöhe n'^'^) in einem Hölzchen wurde von der Grenadier -Kompagnie von Franz Pirch vom Bataillon des österreichischen Hauptmanns gestellt.

Das Grenadier-Bataillon von Pallien, fünf Kompagnien stark, wurde auf die südlichste Kuppe der Gruppe, den Breiten Berg^^^), vorgeschoben, wo man den Blick auf Gräben, auf den Nord- und West-Abhang des Galgen- berges und auf Teile von Striegau hatte.

Dieser Platz ist der durch die Verhältnisse für das Bataillon geforderte. Seine Charakterisierung durch Pallien als „eine steile Höhe, von Felsen und Steinen umgeben".

1^9) Stille S. 201.

"0) Lützow S. 125.

'3') S. Hoffmann S. 42, Aussage 21: „am Spitzberge ohnweit Striegau"; S. 37, Aussage 6: „zwischen Striegau und Jauer". Die Strafse von Striegau nach Jauer geht unmittelbar am östlichen Fufse der Spitzberge hin.

^^-) Aussage 10 bei Hoffmann S. 38.

1^^) Auch als „Höchste Höhe" bezeichnet.

15*) Aussage 2, S. 32: „auf einem Berge kaum eine halbe Stunde von Striegau"; Aussage 6, S. 37: „5 Bataillons Grenadiers unterm Berge, 4 desgl. Kompagnien aber oben auf diesem Berge".

96 G. Vorberg:

palst auch heute noch im wesentliclien auf den Breiten Berg'-'"*). Pahlen hielt seine Stellung für ausgezeichnet: „Ich stellte mich so vorteilhaft auf, dafs ich mich gegen 12 000 Mann halten konnte."

Zur Besetzung dieses Punktes wurden seinem Ba- taillone zwei Geschütze zugeteilt. Ehie von seinen fünf Kompagnien liels er wahrscheinlich getrennt von dem Bataillone, vielleicht links rückwärts desselben Aufstellung nehmen ^'^*^).

Die angegebenen Stellungen waren etwa um^=^') 10 Uhr abends eingenommen. Das Bataillon Fahlen stand von allen Truppen des verbündeten Heeres dem Feinde am nächsten. Seine Leute hatten natürlich die von einer nächtlichen Gefechtsbereitschaft weit vor der Armee unzertrennlichen Unannehmlichkeiten zu er- tragen: „Ich blieb dort die ganze Nacht ohne Feuer, ohne Wasser und ohne Brot." Von der Klage aber „über den nafskalten, eisigen Wind, der ihn und seine Leute ganz erstarrt habe", die Orlich'^^') bei ihm ge- lesen haben will, findet sich in seinem Briefe nichts, und auch die anderen Quellen geben keine Anhaltspunkte für eine derartige Deutung der zitierten Worte, von w^elcher auch das Generalstabswerk nicht ganz unbeein- flufst geblieben zu sein scheint ^"^).

Aus dem Berichte des Marquis de Valori in seinen Memoiren^*") erfahren wir, dafs in den Niederungen die Nacht bis gegen 3 Uhr nebelig war; näher am Gebirge, über dem Viebig- Sumpf vor Hausdorf, zerteilte sich der Nebel erst nach '.-,5 Uhr morgens ^^^).

13^) Auch Keibel sagt S. 91, Anm. 4, „dafs der .Breite Berg' zwar einen ebenen Rücken bat und auf ihm, wenigstens heute, Wiesengrund zeigt, selbst doch aber eine Felsmasse ist, die man beim Hinaufsteigen auf Schritt und Tritt erkennt, und deren kahle Blöcke üljerall hervorragen". Er betont auch, dafe allein die Spitzberge sich, vom (rebirge aus gesehen, so aus der Ebene beraus- hebeu, dafs sie im voraus zur Besetzung bestimmt werden konnten.

"«) S. oben S. 75 f.

1") Aussage 2, Hoffraann S. 32, und 10. S. 38.

'38) II, 167, Anm.

13") Der Zweite Schlesische Krieg II, 225.

"*') M6moires des negociations du Marquis de Valori (Paris 1820) II, 229.

"') Bericht aus dem Königl. ungarischen Feldlager bei Jaror- miersch vom 7. Juni 1745, s. Neueröffnetes Kriegsarchiv III, 566.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 97

In der Nacht hörte Fahlen Lärm vom Feinde her- über und meldete es an den Obersten von Schünberg^*-).

Gegen Morgen ereignete sich ein Zwischenfall*"'), der beredtes Zeugnis ablegt von dem Geiste, der im preulsischen Heere herrschte, seitdem man wufste, es gehe zur offenen Feldschlacht. Nach 2 Uhr früh kam ein Husar den Berg herauf und zwischen die Kompagnien hereingeritten und rief sie an, ob sie Preulsen oder Österreicher seien. Von österreichischen Grenadieren und sächsischen des 1. Garde -Regiments wurde ihm Antwort, sie seien Österreicher! Sachsen! Darauf rief er, die Mütze schwenkend, er sei ein Brandenburger! und jagte bergab. Die ihm nachgesandte Kugel des österreichischen Grenadier -Capitains ging in der frühen Dämmerung fehl. Nach diesem Stücklein hatte Fahlen gewils alle Ursache, „etwas nachteiliges zu vermuten".

Auf wiederholte Meldung über Bewegung beim Feiude erhielt er Befehl, das Geschützfeuer zu er- öffnen^**), gerade als eine stärkere Fatrouille preulsischer Husaren von Striegau her in dessen Bereich kam"'^), bei Tagesanbruch gegen 3 Uhr***'). Da er nun die preufsische Armee anrücken sah, liefs er das Feuer un- unterbrochen fortsetzen, um das Heer zu alarmieren. Über seinen Milserfolg in dieser Hinsicht gegenüber den Österreichern beklagt er sich bitter ^*'). Dort aber glaubte man, die Sachsen eröffneten den beabsichtigten Angriff auf Striegau**^). Auch die Bataillone am Fulse des Berges machten sich gefechtsbereit und marschierten auf***^). Oberst von Schönberg schickte seine sechs Ge- schütze vorwärts des Biwakplatzes eine Strecke bergauf, um beim Näherkommen der feindlichen Vortruppen das Feuer vom Gipfel des Berges zu unterstützen*'^'^).

1*2) Ausdrücklich so in Pahlens Briefe, nicht „an den General V. Schlichtiug" , wie der Zweite Schlesische Krieg II, 218 angiebt.

1") Aussage 2 und 3 bei Hoffmann, S. 32 ff.

1^*) Pahlens Brief,Milit.-Wochenbl.l841S.138. Lützow S.153.

"^) Aussage 3 bei Hoff mann S. 33.

"") Valori, Memoires II, 229; Aussage 8 und 9 bei Hoff- mann S. 38.

1*') „Aber wie es die Österreicher machen, sie glauben an nichts, und haben durch ihre Langsamkeit die Schlacht verloren."

1**) Bericht aus dem Königl. Feldlager bei Jarormiersch. Neu- eröffnetes Kriegs-Archiv III, 566.

1*9) Aussage 3 bei Hoffmann S. 33.

1^0) S. oben S. 89.

Neues Archiv f. 8. G. u. A. XXI. 1. 2. 7

98 Gr- Vorberg-:

Die Position dieser Geschütze ergiebt sich aus ihrer Aufgabe, nach Süden und Südosten zu wirken; von dem Biwaksplatze des Gros südwärts rückend, gingen sie jeden- falls in Stellung, sobald sie freien Ausblick und Ausschufs auf die nahende preulsische Avantgarde fanden, also auf dem Bergvorsprunge, der sich von dem Gipfel des Breiten Berges nach Südwesten herabsenkt ^'^^). Analog ist un- gefähr an demselben Platze die spätere preulsische Geschützstellung zu suchen, denn General Stille, welcher der Avantgarde unmittelbar folgte, erzählt, sie hätte, sobald sie den feindlichen linken Flügel erblickt, mit der Kanonade begonnen ^''^-). Pahlens Ausdruck gelegentlich des befohlenen Rückzuges: „der Feind besetze den Posten mit einer Batterie", deutet auf einen gefechts- mäfsig verwendbaren Platz; da seine Stellung auf dem Gipfel hier nicht in Betracht kommt, kann er nur die- jenige der sechs Geschütze meinen.

Von der preufsischen Avantgarde hatten am Abend die Mollen dorf-Dragoner unter dem Generalmajor von Stille, die beim Vormarsche der Armee ihren Platz am rechten .Kavallerieflügel gemäls der Ordre de bataille wieder ein- nehmen sollten, nördlich Gräben Halt gemacht; die In- fanterie, sechs Grenadier -Bataillone unter dem General- major von Winterfeld, war mit dem Rücken an Alt- Striegau, Front gegen den von einer Feldwache besetzten Galgenberg, gefeclitsbereit stehen geblieben, die drei Husarenregimenter rechts von ihnen, in steter Berührung mit den sächsischen Ulanen, wie bereits erwähnt, längs der Stralse von Striegau nach Jauer^ ■''•'').

Gegen 3 Uhr morgens setzten sich die preufsischen Grenadiere und Husaren in Bewegung zum Vormarsche südlich um die höchste Erhebung des Galgenberges herum in der Richtung auf Pilgramshain. Der Gipfel des Breiten Berges, dessen Unangreifbarkeit auf der zu- nächst liegenden Seite man bereits am Abend vorher erkannt hatte ^■'''^), blieb einige hundert Schritte weit

i''i) S. die beigegebene Spezialkarte.

"*-) Cainpagnes du roi S. 203 f., s. auch Anm. 171 f. Keibel S. 201 plaziert die ])reuls. Batterie „nördl der Höclisten Hölie."

^•'■') Der Zweite Schlesische Krieg- II, 225. Keibel S. 94 vermutet du Moulins Grenadier -Bataillon in der Nacht etwas süd- licher als das üeneralstabswerk, dicht am Jauerschen Thore von Striegau. Für unseren Gegenstand ist diese Differenz belanglos.

'^*j Lützow S. 42. Stille S. 201.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 99

rechts liegen, so dals das Feuer der beiden sächsischen Geschütze dort oben ohne Wirkung blieb. Um seinen südlichen und westlichen Abhang her zog sich die preufsische Avantgarde, eine Strecke weit dem „Nieder- wege" von Striegau nach Pilgramshain folgend, vorläufig noch immer in Kolonne ^■'^•^) mehr und mehr rechts, um der südlich Pilgramshain im Aufmarsch begriffenen säch- sischen Armee die Flanke abzugewinnen, die eigene aber frei zu behalten ^■'^*^); der Stellung Pahlens schenkte man gar keine Beachtung.

Pahlen glaubte trotzdem angegriffen zu werden; er remonstrierte daher gegen einen ihm zugehenden Rück- zugsbefehl und bat um Verstärkung durch ein zweites Grenadier -Bataillon und die übrigen sechs Geschütze des Korps, vergebens.

Als er die Ordonnanz mit dem Ersuchen abfertigte, hatten die ohne dals Pahlen darum wufste weiter unten in Stellung gegangenen sechs Geschütze das .Feuer noch nicht aufgenommen, Pahlen hätte es sonst hören und seine Bitte danach modifizieren müssen. Sie haben es jedenfalls gleich darauf gethan, denn dafe sie in Thätigkeit gewesen sind, berichten zwei Grenadiere^"). Das Feuer hat allerdings nicht lange gedauert. Der Grenadier Springer ^^^) sagte aus, es sei „aus denen auf dem Berge aufgepflanzten Stücken auf die Preulsen etwa vier mahl canoniret worden". Aus dieser Angabe kann man mit Rücksicht auf die Zahl der Geschütze er ist einer von den beiden Grenadieren , die ausdrücklich deren acht nennen nicht auf vier Schüsse schlielsen, sondern dals der Grenadier aus dem, was er hörte, folgerte, die Batterie die Trennung der Geschütze in zwei Gruppen war ihm wahrscheinlich unbekannt habe etwa vier mal durchgefeuert ^^'').

155) Stille S. 203.

156) Die auch von Hoffmann S. 15 benutzte deutsche Aus- gabe von Stilles Campagues du roi übersetzt aus dem französischen Original irrtümlich: „indem wir immer rechter Hand feuerten, um unsere Flanke zu schonen."

15') S.Aussage 6 und 10 bei Hoffmann S. 37 f., vergl. auch oben S. 89.

158) Aussage 10, ebenda S. 38, vergl. oben a. a. 0.

159) Aussage 10 ebenda. Gegenüber dem möglichen Einwand, der Grenadier als Infanterist habe sich keine so genaue Vorstellung von der Thätigkeit der Artillerie bilden können, ist daran zu erinnern, dafs ein Teil der Bedienungsmannschaften für die Bataillonsgeschütze

100 G- Vorberg:

Die selir bald erkennbare Erfolglosigkeit der Kano- nade gegenüber den ihren Marsch nm den Berg her ruhig fortsetzenden Preulsen infolge zu groiser Entfer- nung war jedenfalls die Ursache, dals auch der zweite Teil von Pahlens Bitte unerfüllt blieb. Oberst von Schün- berg erkannte jedenfalls du Moulins Absicht besser als Pahlen.

Dessen wiederholte Gegenvorstellung, durch einen Offizier überbracht, fruchtete um so weniger, als in- zwischen ein ßückzugsbefehl von der Armee an das Grenadier- Korps ^''*') gelangt war, da es durch die Richtung, welche die überlegenen Kräfte du Moulins bei ihrem Vormarsche eingeschlagen hatten, in Gefahr geriet, abgeschnitten zu werden. Pahlen empfand den Befehl um so schmerzlicher, als er durch sein Geschützfeuer die feindlichen Kräfte in so respektvoller Entfernung ge- halten zu haben meinte ^''^). Gegen 5 Uhr verlielsen die Grenadiere den Breiten Berg.

noch nach 1741 aus Infanteristen des betreifenden Bataillons zu be- stehen pflegte, in der sächsischen Armee fünf auf das Geschütz (s. Schuster und Francke II, 5). Ein altgedienter Mann, wie es die Grenadiere, die Elite des Bataillons, meist waren, konnte also, auch ohne augenblicklich am Geschütz verwendet zu werden , im Artilleriedienste sehr wohl Bescheid wissen.

"*) Pahlen schreibt: „Ein General, ich weifs nicht welcher, liefs dem Obersten sagen, dafs er mich zurücknehmen sollte." Dies ist der auf ihn bezügliche Teil des Befehls. Wenn aber Pahlen den Gipfel des Breiten Berges räumte, so war dessen westlicher Fufs auch nicht zu behaupten; deshalb unifs der Rückzugsbefehl dem ganzen Grenadier -Korps gegolten haben, dessen nächtliche Aufgabe als Vorposten -Gros zu Ende war. Nach dem Zweiten Schlesischen Krieg II, 228 wäre der Befehl von dem Herzoge von Weifsenfeis aus- gegangen. Das hat insofern viel für sich, als, wie wir gesehen haben, das Grenadier -Korps dem General v. Schlichting nicht unter- stellt war. Auch einer von Pahlens Grenadieren (Aussage 3 bei Hoff mann S. .-i.^) führt den Rückzug „auf Ordre Ihro Durchlaucht" zurück. Keibel S.199Anm. 6: „Sclilicliting, der Oberkommandeur der Vorhut." Wäre er das gewesen, so hätte auch Pahlen ihn ver- mutet und den Zusatz zu dem General, „ich weifs nicht, welcher", unterlassen.

'*") Die Angabe Pahlens, dafs er den Feind mit seinem Feuer drei Stunden lang aufgehalten habe, ist natürlidi stark übertrieben. Das Erscheinen des preufsisclnn Husaren bei seinem Bataillon nach 2 Uhr hatte den Ausgangspunkt für seine Thätigkeit gebildet, die ihn in die Schlacht hineinleitete ; um 5 Uhr mufs das Grenadier- Korps schon auf dem ]\Iarsche vom l^reiten Berge fort gewesen sein. Erklärend spricht der Umstand mit, dafs die durch verschiedenartige Erlebnisse wohl ausgefüllten Stunden stets länger erscheinen , als sie sind (vergl. a. oben S. 69).

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeherg. 101

AVir bemerkten früher^"-), dafs die Anwesenheit der österreichischen Grenadiere bei dem Korps, die für die Nacht vom 3. znm 4. mehrfach bezengt ist^"'^), im Ver- laufe des Kampfes am 4. keine Spur in den Quellen zurückgelassen hat. Angenommen, sie Avären zu ihren Regimentern zurückgetreten, so wäre hier der Moment, in w^elchem es hätte geschehen können.

Aber ist es denkbar, dafs eine Avantgarde in dem- selben Augenblicke, in dem sie sich gefechtsbereit macht, um den anrückenden Eeind zu bestehen, dem gegenüber die Heeresleitung angriflfsweise zu verfahren beabsichtigt, eins ihrer fünf Bataillone auflöst ^*^*), ein zweites schwächt^*^^), um einen Teil ihres Bestandes zur Armee zurückzusenden? Wenn hier ein so ungewöhnliches Ver- fahren beobachtet worden wäre, dann müfsten wir mindestens in einer Quelle einen Niederschlag davon finden, in Pahlens Briefe. Wenn Pahlen in dem Momente, wo er im Begriffe war, gegen einen Rückzugsbefehl zu remonstrieren, um gegen die Absicht seiner Vorgesetzten seine Stellung gegen eine vielfache Übermacht zu ver- teidigen, eine der fünf Kompagnien seines Bataillons, die österreichische, hätte abgeben müssen, anstatt die erbetene Verstärkung von vier ferneren Kompagnien zu erhalten, er hätte diesen dritten Grund zur Unzufrieden- heit sicher nicht verschwiegen! Aber keine Silbe davon.

Wir müssen also folgern, dafs die österreichischen Grenadiere in denselben Verbänden in die Schlacht gingen, denen sie in der Nacht vorher angehört hatten. Gerade angesichts des Unmutes, den die Vorgänge während der Schlacht und insbesondere das Verhalten der Österreicher in Pahlen erregt hatten, können wir den ferneren Wort- laut seines Schreibens : „Nachher habe ich meinen Obersten getroffen und bin mit ihm und sämtlichen Grenadieren gegen den Feind marschiert", als eine Bestätigung unserer Folgerung ansehen; andernfalls wäre hier eine Andeutung, dafs die „sämtlichen Grenadiere" eben nicht mehr die sämtlichen, wie in der Nacht, waren, kaum unterblieben.

Der österreichische Schlachtbericht, die Wiener Relation, erwähnt nichts von einer Beteiligung öster-

162) S. oben S. 76 f.

»«3) Aussage 2 und 3 bei Hoff mann S. 32 ff.

16^) Das des österreichischen Hauptmanns.

i<"^) Das Bataillon v. Pahlen.

102 Gr- Vorberg:

reicliisclier Grenadier- Kompagnien an dem Kampfe des linken Flügels oder gar, dais solche gänzlich verloren gegangen wären, wie es den Sachsen wideifuhr. Dies Zeugnis e silentio will indessen nicht viel bedeuten, denn auch die österreichischen Grenadiere, die in selbständige Korps formiert auf dem rechten Flügel fochten, sind in der Wiener Relation'"") keiner Erwähnung gewürdigt worden.

Dagegen finden wir unter den etwa 300 Gefangenen, welche von den Preulsen unmittelbar nach der Schlacht in Eisdorf am nördlichen Kande des Schlachtfeldes vor- läufig untergebracht wurden, die also, wenn nicht sämt- lich von dem Grenadier-Korps, so doch von dem äulserstcn linken Flügel der Verbündeten herrührten, sowohl Öster- reicher als Sachsen ^"^), ein Zeichen, dals die öster- reichischen Grenadiere auf diesem Teile des Schlachtfeldes anwesend geblieben und nicht zu ihren Regimentern zurückgetreten waren.

3. Die Schlacht.

a) Kampf der feindlichen Kavallerieflügel und Avantgarden bei Pilgramshain.

Auf dem Rückzuge vom Breiten Berge vereinigte sich Fahlen mit den übrigen Grenadier- Bataillonen, welche , um Pilgramshain zu gewinnen , bereits in nord- westlicher Richtung aufgebrochen waren, zur Eile ge- zwungen durch du Moulin, der sich zwischen sie und das sächsische Heer zu schieben drohte.

Von preulsischer Seite berichtet über diese Vorgänge als Augenzeuge der Generalmajor von Stille, der mit seinen zehn Dragoner -Schwadronen bisher der Avant- garde zugeteilt gewesen war, beim Aufbruche am Morgen aber seinen Platz am rechten Flügel des zweiten Treffens

löo) Neueröffnetes Kriegs-Archiv ITI, 561 ff. und Lützow S.141.

'"') Aussage 1 und 3 bei Hoffiiuinn S 33 und 35 Während der .Reiterkämpfe in dieser Gegend hig Eisdorf noch im Jlücken der österreichisch- sächsischen Infanteriemassen, war also zur Unter- bringung von (lefans'enen durcli die Preufsen nicht geeignet; später auf der Rückkehr von der Verfolgung fanden sie bequemer gelegene Ortlichkeiten zu diesem Zwecke. Die etwa 100 Gefangenen, welche drei der österreichischen Kavallerie -Regimenter verloren, (s. Neu- eröffnetes Kriegs-Archiv III, 696, Tabelle II) haben sich also nicht in Eisdorf befunden, sondern die dortigen Österreicher waren Grenadiere.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg-. 103

unter Generalleutnant von PosadoAvski ^*'^), dessen Kolonne der Avantgarde folgte, wieder einnahm. Prinz Ferdi- nand von Braunschweig^''^), der liier nicht als Augenzeuge berichten kann, aber in der Umgebung des Königs, in der beide Generale häufig gesehen wurden, sich davon hat erzählen lassen, hat die ihm berichtete Thatsache, dafs die Grenadiere durch Umgehung zur Räumung ihres Postens gezwungen wurden, dahin mils- verstanden, dafs er schreibt, du Moulin habe einige Grenadier -Bataillone mit Artillerie detachiert, um die feindliche Stellung zu umgehen, während er mit dem Reste seiner Truppen gegen ihre Front vorgegangen sei ^'^). In Wahrheit gewann du Moulins Bewegung schon infolge der Richtung seines Vormarsches auf Pilgramshain den Charakter einer Umgehung der säch- sischen Grenadiere in ihrer rechten Flanke.

Als die Grenadiere die Höhe verliefsen, besetzten die Preufsen sie mit Artillerie; so berichten uns zwei sächsische Quellen ^^^). Du Moulin stellte die Geschütze der Avantgarde ungefähr dort auf, wo die sechs Ge- schütze Schönbergs gestanden hatten, am Südwest- abhange des Breiten Berges^'-), um von dort aus gegen

^^^) S. die Ordre de bataille: Der Zweite Schlesische Krieg II, Anl. 10. Der Text S. 228 und Plan 6 A bezeichnen im Wider- spruche damit Stille als Kommandeur des ganzen zweiten Treffens dieses Kavallerieflügels.

169) S. Lützow S. 115.

"") Keibel S. 202 nimmt von Ferdinand von Brannschweig auch den Begriff „detachiert" an und läfst deshalb im Anschlufs an eine Angabe unbekannter Herkunft bei Orlich S. 171 nicht nui* Geschütz, sondern auch zwei preufsische Grenadier - Bataillone, wäh- rend die übrigen vier zur Umgehung „detachiert" wurden, durch du Moulin aufstellen, „um mit ihnen auf die herbeieilenden Flügel- truppen und die Grenadiere der Sachsen zu wirken". Für die beiden Bataillone war ein solcher Zweck ausgeschlossen, denn die sächsischen Grenadiere, der nächste Feind, waren im Zurückgehen, und die preufsischen sind ihnen weder vor- noch nachher genügend nahe gewesen, um mit dem kleinen Gewehr „zu wirken". Dafs etwas Infanterie als Partikularbedeckung bei den Geschützen blieb, ist verständlich, dafs du Moulin aber hierzu ein volles Drittel seiner Infanterie, die sich weiterhin vorwärts der Batterie zu bewegen hatte, verwandt haben sollte, ist undenkbar.

i''^) Archiv. Nachrichten und Pahlens Brief, s. Milit.-Wochenbl. 1841 S. 135 und 139 und Lützow S. 148 und 154.

i''-) Die Stellung von du Moulins Geschützen auf Plan 6A in dem Zweiten Schlesischen Krieg II steht nicht in Einklang mit dem Gefechtsbilde bei C und D^ Nach ihrer niedrigen Stellung am Abhänge des Berges (vergl. die Isohypsen in der Geländezeichnung!)

104 ^ Vorber;?:

die sächsische Kavallerie zu wirken, die sich vorwärts von Pilgramshain zu entwickeln begann.

Der Avantgarde folgte unmittelbar, wie erwähnt, der preufsische rechte Kavallerieflügel. Wenn auch von diesem sich keine Truppen gegen die sächsischen Grena- diere gewandt haben w^erden, treu ihrer eigentlichen Aufgabe, zunächst die feindliche Kavallerie zu schlagen, so doch Teile der Husaren -Regimenter du Moulins.

Die Nähe der grolsen Kavalleriemassen hat aber zur Folge gehabt, dals ein Grenadier, der in der Hitze des Kampfes natiirlich keine genaueren Beobachtungen über die Gliederung der preufsischen Armee angestellt hat, von einem Feuergefechte gegen preiifsische Kavallerie berichtet, obgleich die Grenadiere hier sicher nur mit den preufsischen Husaren zu thun bekamen^ '•'). Als das Bataillon Fahlen, dem dieser Zeuge angehörte, am Fulse des Berges zu den übrigen stiefs, entwickelte sich ehie Kanonade gegen die preufsische Kavallerie, dann auf dem weiteren Rückzuge auch ein Kleingewehrfeuer gegen die preufsischen Husaren, die hier naturgemäfs eingreifen mufsten, um den Kavallerieflügel gegen Be-

könueu die Geschütze nur den äufsersten linken Flüg-cl der säch- sisclien Kavallerie, Ulanen, Chevauxlej^ers und Schlicliting-Dragoner erreichen, indem sie über die preufsischen Gardes du Corps und Gendannes hinweg feuern. Bereits die im ersten Treffen auf diese folgenden Buddenbrock- Kürassiere beschränken ihnen das Schufsfeld, und die Möllendorf Dragoner im zweiten Treffen stehen mit ihren mittleren Schwadronen höher im Gelände, als die Geschütze. Dem Einwände, dafs die Artillerie in dem dargestellten Momente, wenige Minuten vor dem Zusammenstofs der Keitermassen, überhaupt nicht mehr dorthin gefeuert habe, ist entgegen zu halten, dafs die durch die Skizze geforderte frühere Stellung der preufsischen Kavallerie ihrer Artillerie höchstens noch vier weitere sächsische Schwadronen, die Karabiuiergarde, preisgegeben haben könnte. Keibel kann von dem in tausend Ängsten schwebenden Schullehrer des 20C() Schritt von der Artilleriestellung entfernten Dorfes Pilgramshain, den auch er für den Verfasser des Schöppenbuches hält, wirklich keine topo- graphisch genaue Angabe über den Standort der Geschütze ver- langen, auch hinterher nicht, wie er S. 90 Anm. 3 zu thun scheint. !■'=') Aussage 3 bei Hoff mann S. 33. Zu der Verwischung des in jener Zeit noch sehr starken Unterschiedes zwischen Ka- vallerie und Husaren im Munde eines sächsischen Gemeinen mag der Umstand beigetragen haben, dafs die sächsische Armee damals keine Husaren besafs; das einzige llegiment war am Schlüsse des polnischen Erbfolgekrieges reduziert worden, da seitdem die Ulanen ihren Dienst übernalnnen, s. Pragmatische Geschichte der sächsischen Truppen (Leipzig 1792) S. 50.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 105

lästigung durch diesen Gegner zu schützen und für seine Hauptaufgabe intakt zu erhalten.

Es brauchen nur wenige Schwadronen gewesen zu sein, die sich von preufsischer Seite hier wirklich enga- gieiten , .denn durch die Anwesenheit einer grolsen feind- lichen Übermacht^'*), die sich zwischen sie und ihre Armee zu schieben drohte , wurden die sächsischen Grenadiere veranlalst, möglichst ohne Aufenthalt ihren Rückzug bis zum Anschlüsse an die eigene Armee fort- zusetzen. Besonders das Bataillon Fahlen, das letzte der Kolonne, wird durch die es nahe umschwärmenden Husaren stark aufgehalten worden sein, denn nach der Aussage genannten Gewährsmannes hätten sie „in der retraite wohl gute dreiviertel Stunden mit der auf sie gestofsenen Kavallerie chargieret ^'■'^), biß Ihre Durch- laucht die (sächsische) Cavallerie selbst herzugebracht^'*')".

Obgleich man bei der Annahme derartiger Zeit- angaben sehr vorsichtig sein niuls, wie wir gesehen haben, auch dieser Grenadier kann in seinen weiteren An- gaben als warnendes Beispiel dafür gelten, so mag diese Angabe der Wahrheit doch nahe kommen.

Die örtliche Situation der Grenadiere während dieses Gefechtes wird uns bei der Betrachtung einer anderen Quellenstelle klar werden.

Nach den „Beiträgen aus sächsischen archi- varischen Nachrichten""') bildeten die Grenadier- Bataillone, als sie die Höhe verlassen mufsten, „zuerst einen Haken gegen die preufsische Kavallerie, die uns (die Sachsen) überflügelte".

^'*) Den drei Husaren-Regimentern, 28 Schwadronen, und sechs Bataillonen der preufsischen Avantgarde , die in einer Kolonne marschierte, folgte unmittelbar das zweite Treffen des rechten Kavallerieflügels, 20 Schwadronen Dragoner, und sechs Bataillone des zweiten Treffens der Infanterie, s. Stille S. 204 und Militärischer Nachlafs des Grafen V. A. Henckel v. Donnersmarck (Zerbst 1846) I, 1, 59.

1''^) d. h. aus dem kleinen Gewehr gefeuert. Der Grenadier Springer von dem Bataillon des österreichischen Capitains (Aussage 10, S. 38) berichtet dagegen, sie hätten nur zweimal auf die Preufsen gefeuert bis zum Rückzuge durch Pilgramshain (s. unten). Die anderen Bataillone sind von den Husaren also weniger stark belästigt worden als das Bataillon v. Fahlen.

"^) Also vor dem allgemeinen Reiterkampfe, nicht bei den späteren Kämpfen zwischen Pilgramshain und Höslicht (s. unten).

1") Milit.-Wochenbl. 1841 S. 138 und Lützow S. 150.

106 G. Vorberg-:

Diese Bemerkung ist sehr auffällig, zunächst insofern, als preufsische Kavallerie die Sachsen überflügelt haben soll. Der Beginn des Kampfes zwischen der sächsischen und preulsischen Kavallerie zeigt nämlich, dals im Gegen- teil nach vollzogenem Aufmärsche der preulsische rechte Kavallerieflügel sich von den Sachsen überflügelt fand. Die rechte preulsische Flügelbrigade im ersten Treffen, elf Kürassierschwadronen unter Generalmajor von Bredow, wurde nämlich beim ersten Choc von der linken säch- sischen Flügelbrigade unter Generalmajor von Schlichting umfalst. Ihrerseits wurden dann allerdings die Sachsen von den von Norden herbeieilenden Husaren der preulsischen Avantgarde in die Flanke gefalst und geworfen. Auch dieses Eingreifen war durch den Aufmarsch schon vor- bereitet worden. Der preulsische Kavallerieflügel fand nach rechts hin Anlehnung an den in gleicher Höhe mit ihm aufmarschierenden Grenadier -Bataillonen du Moulins. Die drei Husaren -Regimenter, welche bis dahin die Spitze der in Kolonne marschierenden Avantgarde ge- bildet hatten , setzten sich beim Aufmarsche debordierend hinter den äulseren Flügel ihrer Grenadier- Bataillone. So überragten sie allerdings den linken Flügel der säch- sischen Kavallerie vorwärts des südlichen Teiles von Pilgramshain um ein ganz Beträchtliches. Von selten der sächsischen Grenadiere mufs man diese Truppe, mit der man bereits in Berührung gewesen war, als Husaren erkannt haben, die Brigade Schlichting vollends machte ihre Bekanntschaft in sehr eindrucksvoller Form. Der Gewährsmann der fraglichen Notiz der Archivarischen Nachrichten mufs sich also bei der im Aufmarsche be- griffenen sächsischen Infanterie befunden haben; denn schon von deren linkem Flügel aus kann man, gegen die blendende Morgensonne sehend es war ein klarer und heilser Tag , die Husaren auf 1500 Schritt Ent- fernung für „Kavallerie", d. h. Kürassiere oder Dragoner gehalten haben.

Gegen sie sollen die sächsischen Grenadiere, als sie den Breiten Berg verlassen mufsten, nach Aussage desselben Gewährsmannes einen Haken gebildet haben. Das ist auf den ersten Blick wieder auffällig; denn gegenüber der preufsi- schen „Kavallerie, die uns überflügelte", denkt man zunächst an einen zurückgebogenen Haken, eine Defensivflanke; einen solchen zu bilden waren aber die Grenadiere zur Zeit nicht imstande. Man vergegenwärtige sich ihre Situation :

Die säclisischen Grenadiere l)ei Hohenfriecleberg'. 107

sie marschierten sie standen nicht aufmarschiert, waren auch noch nicht im Begriffe, die Bewegung einzustellen vom Breiten Berge kommend in halben oder ganzen Divi- sionen"^) nach Nordwesten. Fast schon zwischen ihnen und ihrer Armee befand sich in ihrer linken Flanke die Spitze der preufsischen Avantgarde, die drei preulsischen Husaren -Regimenter, von denen einzelne Schwadronen gelegentlich durch Feuer abgewiesen werden mufsten. Machten die Grenadiere Halt und stellten sie gegen diesen ihnen nächsten Feind die Front her, so bildeten sie wirk- lich einen vorgebogenen Haken, eine Offensivflanke auf dem linken Flügel ihrer Armee gegen die preufsischen Husaren. Sie thaten es nicht oder nicht auf längere Zeit, aber bei der grofsen Entfernung und der für die Be- obachtung ungünstigen Beleuchtung hat die unter der fortgesetzten Beunruhigung durch die Husaren sich ver- hältnismäfsig langsam bewegende Kolonne unserem Bericht- erstatter das Bild eines solchen vorgebogenen Hakens dargeboten "^).

„Dann", fährt der Berichterstatter. Jn den Archi- varischen Nachrichten sachlich in Übereinstimmung mit dem vorher zitierten Grenadier fort, „zogen sie sich nach dem linken Flügel der Armee und schlössen sich an das Korps des Generalmajors von Schlichting" (das sind die Rutowski-Chevauxlegers und die Ulanen wir würden also sagen: an die Kavalleriebrigade des General- majors von Schlichting ), „welcher den Auftrag hatte, der preufsischen Infanterie und Kavallerie in Flanke und Rücken zu fallen" ^'^^j. Die Grenadiere nahmen somit.

''ä) Das in Linie aufmarschierte Bataillon teilte man zum Ge- fecht ohne Rücksicht auf die nur Verwaltungszwecken dienende Kompagnie- Einteilung in vier Divisionen, diese wieder in zwei Pelotons (Züge).

i''^) Keibel S. 268 vermutet die Bildung eines Hakens durch die Grenadiere erst später, als sie bereits vor dem Nordende von Pilgramshaia aufmarschiert standen, als Defensivflanke, um sich gegen die sie bedrohenden Husaren zu schützen. Dort aber wäre die Bildung eines Hakens widersinnig gewesen, da ihre linke Flanke durch Anlehnung an die Sumpfniederung der Weidelache gedeckt war.

^^^) Von dieser Brigade kamen jedoch während des allgemeinen Kavalleriekampfes nur die Ulanen zum Ohoc, die Chevauxlegers blieben als zweites Treffen hinter ihnen, da es vorne an Raum ge- brach, als die ganze sächsische Kavallerie in einem Treffen sich formierte, weil die ihr zugeteilten vier österreichischen Kavallerie- Regimenter nicht zur Stelle waren. Als dann das ganze erste Treffen von den Preufsen gedrängt zurückwich, waren die Chevauxlegers

108 G. Voll »Ol-?:

nachdem sie in einem Flankenmarsch an dem nahenden äniiseren Flügel du Moulins vorbei marschierend, in die Umgebung von Pilgramshain und zum Anschlüsse an ihre aufmarschierende Armee gelangt waren, gegenüber der l)reulsischen Avantgarde eine Aufstellung, in der sie dem linken Flügel der sächsischen Kavallerie, die ihren Auf- marsch trotz schwerer Belästigung durch die vom Breiten Herge her feuernde Artillerie du Moulins '^') fast beendet hatte, eine Anlehnung gewähren konnten, wie du Moulins Grenadier-Bataillone dem preulsischen rechten Kavallerie- Hügel.

Sie marschierten vorwärts von Pilgramshain auf, indem sie sich wahrscheinlich mit der Kavallerie allignierteu. Ihre nächsten Nachbarn, die Ulanen, waren diejenigen, welche bei dem gleich darauf erfolgenden ersten Clioc die preufsische Brigade Bredow umfalsten und zum Weichen brachten ^^-). Wenn Fahlen schreibt, er sei ,,mit seinem Obersten und allen Grenadieren gegen den Feind mar- schiert", so stimmt das sachlich mit der Darstellung überein, die wir hier aus der Angabe der Archivarischen Nach- richten unter Berücksichtigung der Stellung der Kaval- lerie entwickelt haben, soll aber gewifs nicht besagen, die Grenadiere hätten Pilgramshain besetzt, wie das Generalstabswerk '^•') schreibt; unter den Verhältnissen einer späteren Zeit würden sie dies vielleicht gethan haben. Ein gleichzeitiger Plan der Schlacht von säch- sischer Seite '^^) zeigt die Grenadiere gleichfalls vor-

allein natürlich nicht imstande, eifolgreich einzugreifen. S. Aussage K) und 17 bei Hoffniann S. 40 und die „Kurze jedoch Wahihaffte Relation Von der scharifen action bey Striegau" des Kornets v. Schön- fels von dem sächsischen Kürassier- Regimente Bestenbostel in der Deutschen Heeres -Zeitung 1894 S. 480, veröftentlicht von Fr. V. d. Wengen; seine „Beiträge zur üeschichte des Zweiten Schlcsi- schen Krieges", denen die Relation eingereiht und zum Teil als Quelle untergelegt ist, sind als Vorarbeit für unsere Aufgabe nicht zu verwerten.

1«') Der Zweite Schlesische Krieg II, 227 if.

1«-) Ebenda S. 228 und Plan (i A. Betreffend die dort ebenfalls genannten Chevauxlegers s. die vorletzte Anmerkung. „Bifs Ihre Durchlaucht die Kavallerie selbst herzugebracht und angeführet, welche denn auch in die Preufsische Armee eingehauen habe", heifst es in der Aussage des Grenadiers, der von dem Feuergefecht des Bataillons v. Pahlen gegen die preufsischen Husaren berichtete. (Aus- sage 3 bei Hoffmann S. 35.)

183) Ebenda S. 227 und Plan 6 A.

18*) Aus dem Hauptstaatsarchiv in Dresden veröffentlicht bei Hoffmann.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 109

wärts des Dorfes in einem Treffen aufmarschiert, Sie standen also etwa dort, wo der Plan^^^) des General- stabswerkes die zum Angriffe auf Pilgramsliain vor- gehenden Grenadierbataillone du Moulins zeigt, mit ihrem rechten Flügel gegen die Pilgramshainer Mühle^^*^), bei der sie nach der oben erwähnten Annahme der Ö st- reichischen Militärischen Zeitschrift^^') schon in der Nacht gestanden haben sollten; nach links konnte ihre Linie an der schwer gangbaren Sumpfniederung der Weidelache Anlehnung finden ^^^).

Gleich nachdem sie hier angelangt, begann die säch- sische Kavallerie den Angriff^^^). Noch während das Grenadier-Korps auf dem Marsche war, hatten Teile des preulsischen rechten Infanterieflügels den Kampf gegen die sächsische Infanterie und du Moulins Geschütze den gegen die Kavallerie eingeleitet. Nachdem nun auch seine Bataillone in Linie aufmarschiert waren, nahmen sie die Vorwärtsbewegung gegen Pilgramshain wieder auf.

Aber noch ehe sie den sächsischen Grenadieren ge- nügend nahe gekommen waren, um mit dem Gewehr- feuer ^^-) beginnen zu können, sah sich Oberst von Schön- berg durch die für die Sachsen ungünstige Entscheidung des Kavalleriekampfes gezwungen, an den Rückzug zu denken ^®^), zunächst nach dem in seinem Rücken liegenden

185) Der Zweite Schlesische Krieg II, Plan 6 A bei B-B.

-8") Auch V. d. W engen läfst die Grenadiere bei dieser Mühle Stellung nehmen; da er sie aber von der „Stiller Mühle" auf der Höchsten Höhe kommen läfst, so lassen ihn die Quellen bei der Ermittelung ihres neuen Standortes im Stich, sodafs er gezwungen ist, ihn durch Vermutungen auf Grund der Geländebeschaffenheit festzulegen. Da er hierzu eine Quellenstelle benutzt, welcher er erst eine falsche, von ihm selbst nicht geteilte Auffassung gewaltsam unterschiebt, so fehlt seiner Feststellung alle überzeugende Kraft (vergl. unten Anm. 191), s. Deutsche Heeres-Zeitung 1894 S. 515.

»«') S. oben S. 67.

lä*) Der Zweite Schlesische Krieg II, 221 und Plan (i, \mä unsere Karte.

1«») S.. das Citat in Anm. 182.

1^) Nach der Relation des Prinzen Ferdinand von Braunschweig, Lützow S. 115, sind sie überhaupt nicht dazu gekommen,

löi) Archivarische Nachrichten, s. Milit.-Wochenbl. 1841 S. 138, und L.ützow S.151. v. d. Wengen legt der Schlacht-Relation in dem Militärischen Nachlasse Henckels (I., 1, 59 f.) die Auffassung unter, als sei das Zurückweichen der Grenadiere an dieser Stelle durch ein Gefecht erzwungen worden, in welchem die preufsischen Grenadier-Bataillone Sydow und ,läger feindliche Infanterie, die die Flanke der attackierenden preufsischen Kavallerie bedrohte, unter

\\Q G. Vorberg:

Pilgramshain. Jetzt war es sicher Zeit, das Dorf zu besetzen, um durch Feuer aus einer gegen ihre Verfolger gesicherten Stellung der weichenden Kavallerie den Rück- zug zu decken. Denn auch eine wohlgeschlossene Infan- terie, die den Feind stehenden Fulses und feuernd er- wartete, war für eine gute Kavallerie nicht unter allen Umständen ein noli me tangere, wie wühl heutzutage; ein Beispiel dafür bildet das schlielsliche Schicksal der Grenadiere.

Die Stralse, die das Dorf der Länge nach durchzieht, hat die Hauptrichtung von Südwesten nach Nordosten. Ihre südwestliche Hälfte erweitert sich nicht weit hinter dem Dorfeingange zu einem langgestreckten dreieckigen Platze, und wo dieser in der Mitte des Dorfes sein Ende erreicht, wird sie von einer schmalen Quergasse, der von Südosten nach Nordwesten laufenden Schmiedegasse, rechtwinklig geschnitten. So zerfällt das Dorf in vier Viertel, deren südliches durch die Gebäude des Gutes und den zugehörigen Garten, deren nördliches im wesent- lichen durch das Vorwerk ausgefüllt wird, in den beiden anderen Vierteln liegen die kleineren Anwesen.

Die Grenadiere erreichten eben den Dorfrand, als eine fliehende Masse sächsischer Kavallerie sich heran- wälzte, scharf gedrängt von der verfolgenden preufsischen Kavallerie und Husaren. Den von Striegau her auf Pilgramshain führenden Niederweg entlang jagend, strebte sie die Schmiedegasse zu gewinnen und durchbrach^''-)

Verlust ihrer Kanonen zum Verlassen eines von ihr besetzten Busches gezwungen hätten, s. Deutsche Heeres-Zeitung- 1894 S. 507 f. Er stützt sich lediglich darauf, dal's auch bei der Mühle von Pilgrams- hain sich ein Gehölz befindet, s. ebenda und S. 515. v. d. Wen gen selbst teilt diese von ihm bei Hen ekel vorausgesetzte Ansicht nicht. Die Nennung der Bataillone Sydow und .läger mufste aber dem Kedakteur jener Relation, der eine an der entscheidenden Stelle mit V. d. Wengens Angaben übereinstimmende Ordre de bataille beilag, beweisen, dafs diese dem preufsischen rechten Infauterieflügel angehörenden Bataillone nicht mit den sächsischen Grenadieren ge- fochten haben können, da sie zu diesem Zwecke an der Front des ganzen Kavallerieüügels hätten entlang marschieren müssen; die Notiz bei Henckel bezieht sich vielmehr auf ein Gefecht in der linken Flanke der preufsischen Kavallerie. Mit einer derartigen, von ihm selbst nicht geteilten Auffassung trägt v. d. Wengen zugleich ein starkes i\Ioment der Unglaubwürtligkeit in seine Quelle hinein, das an sich gar nicht darin liegt.

'»-) S. die Archivarischen Nachrichten und Pablens Briefe, Milit-Wochenbl. 1841 S. 138 ff. und Lützow S. 161 und 154.

Die sächsischen Grenadiere bei HoheufriedeLerg. Hl

trotz deren Gegen \Yehr durch Gewehrfeuer ^■'•^) die Linie der Grenadiere, von denen nur dreizehn Kompagnien ^^*) am rechten Flügel als kompakte Masse beisammen blieben. Da die Schmiedegasse sich durch tote und verwundete Pferde und Reiter sehr bald verstopfte, so ergols sich der Strom der Fliehenden und ihrer Verfolger rechts davon das Gut links der Gasse war durch die un- gebrochene Linie der dreizehn Kompagnien einigermalsen gegen diese Flut gedeckt und über den ganzen hinteren, nordwestlichen Teil des Dorfes „über alle Mauern der Leute^^^), durch ihre Gärten und Höfe".

Von der verfolgenden preulsischen Kavallerie wandte sich natürlich ein Teil schon hier vorübergehend gegen die Grenadiere ^^'^). „Als wir uns nun von der Höhe weggezogen, so ging es über die Grenadiers her," schreibt der Kornet von Schönfels des sächsischen Kürassier- Eegiments Bestenbostel'"'). Und von preulsischer Seite schreibt Stille^''*), nachdem er von dem Eeit erkämpfe berichtet hat, an dem er teilgenommen: „deux bataillons de Saxons furent enveloppes dans cette premiere dis- grace et entierement detruits." Das letztere war hier allerdings noch nicht der Fall.

Abgesehen von den Verlusten an einzelnen Mann- schaften, die den Angriffen der Preulsen in der Front

1^^) S. Pilgraiiishainer Schöppenbuch beiLützow S. 127. Andere Infanterie, deren Feuer das Dorf diirch seinen ..Dampf gleichsam in eine finstere Nacht oder doch dicken Nebel" versetzen konnte, war nicht in der Nähe.

i9i) S. Pahlens Brief Milit.-WochenbL 1841 S. 139 uudLützow S. 154.

i^'') Also nicht über das Gut. s. das Schöppenbnch, ebenda S. 127. KeibelS. 281 meint: „Die Trennung der Grenadiere durch eigene Kavallerie kann frühestens in Pilgramshain erfolgt sein.'' Aber dadurch, dafs die Masse der Flüchtigen und Yeifolger das Gut nicht überflutete, wird bewiesen, dais es durch die noch davor, wenn auch dicht an der Parkmauer stehenden Grenadiere gedeckt war.

196) Prinz Ferdinand von Braunschweig (s. Lützow S. 115) sagt, nachdem er von dem Erfolge der preufsischen Kavallerie gegen- über der sächsischen gesprochen: ce qui la porta sur .... ces ba- taillons de Grenadiers qui, auparavant, avaient occupe la hauteur susmeutionee. Im Folgenden zieht er aber die verschiedenen Kämpfe zwischen der Kavallerie und den Grenadieren, von denen er nur durch Hörensagen wufste, zu einem zusammen; daher ist es nicht wahrscheinlich, dafs sich die Stelle gerade auf dies Zusammeutreifen bezieht.

i9'j Deutsche Heeres-Zeitung 1894 S. 506.

i9sj S. 205.

112 G. Vorberg:

und in der rechten Flanke zum Oi)fer fielen, wurde das Grenadier-Korps hier in drei Teile zersprengt. Die vor der Mitte des Dorfes befindlichen, etwa fünf bis sechs Kompagnien wurden in Unordnung durch dasselbe hindurch- getrieben und lösten sich jeiiseit desselben, da sie sich noch immer in der Richtung befanden, welche die zuerst über sie hereingebrochenen Kavalleriemassen, Flüchtlinge und Verfolger, einschlugen, allmählich ganz auf^"'').

Es waren vorwiegend Teile der Bataillone v. Gers- dorff' und des österreichischen Kapitäns, welche dieses Schicksal traf; die dem letzteren zugetheilte Kompagnie vom Regimente Franz Pirch wurde zerrissen; z. B. be- fand sich der Grenadier Springe]- unter den Zerstreuten-""), Tauchmann -"^) dagegen fand noch Anschluls bei dem linken Flügelbataillon.

Dieses nämlich wurde zusammen mit den Resten des ihm rechts benachbarten und den Kommandeuren beider, Oberst von Schönberg und Oberstleutnant von GersdorÖ', nordwärts abgedrängt, und zwar so gründlich, dais man damals in der sächsischen i\rmee überhaupt nicht erfahren hat, was aus ihnen geworden sei. Die Anzahl dieser abgedi'ängten Kompagnien lälst sich nicht genau be- stimmen, da sich auch unter ihnen Österreicher befunden haben könnten, deren Vorhandensein bei dem Korps von den sächsischen Quellen, wie erwähnt, völlig verschwiegen wird.

Diese'-"-) sprechen auch hier mir von vier säch- sischen Grenadier -Kompagnien, „welche das Unglück gehabt, während der Action coupiret zu werden", „so dafs man von ihnen keine weiteren Nach- richten hat."

Aus dem hiernach sehr erklärlichen Umstände, dafs der sächsische Schlachtbericht in dem Armeejournal nichts

^^) Aussage 10 bei Hoff mann S. 38. Wenn das ganze Grenadier -Korps, wie Keibel will, rückwärts aus Pilgramshain hinansgediixckt wäre, so hätten nicht so grofse Teile desselben zu- sammenhalten können, wie es thatsächlich geschah.

-^) Er entging der Gefangenschaft und wanderte nach Sachsen zurück, kam am 12. Juni in Dresden an und wurde noch am selben Tage verhört, s. Aussage 10 bei Hoffmann S. 38.

-"') S. oben S. 86. Für den Verbleib des letzteren ergiebt sich der Beweis unten.

*'**) nämlich das sächsische Armeejourual, s. Neueröffnetes Kriegs- Archiv III, 582, und die Archivarischen Nachrichten, s.Milit.-Wocheubl. 1841 S. 138, und Lützow S. 151. Dazu Reste anderer sächsischer Kompagnien, wie Tuuchmann als Beispiel zeigt.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 113

Über die späteren Kavallerie-AngTiffe auf die Grenadiere enthält, hat die Ö streichische Militärische Zeit- schrift^"^) folgern zu dürfen geglaubt, dals den preulsi- schen Berichten darüber keine volle Beweiskraft zukomme, da jede Bestätigung von der Gegenseite fehle. Dals Beusf-*^*), der doch sicher den sächsischen Standpunkt vertritt, die preulsischen Berichte anerkannt und neben dem sächsischen benutzt hat, scheint ihr entgangen zu sein.

Den dritten Bruchteil stellen die dreizehn Kompagnien am rechten Flügel dar, etwa drei von den fünf Bataillonen des Korps, die unter dem Befehl von Fahlen und Graf von Friesen zusammenhielten; der erstere als dienstälterer übernahm hier das Kommando-"'^). Obgleich dies der grölste Teil des Korps war, verblieben ihm doch nur zwei Ge- schütze, vier den nnter Schönberg Abgedrängten, zwei gingen verloren -"*'). Diese merkwürdige Verteilung zeigt uns die Art ihrer Verwendung in dem vorliegenden Falle. Wir erinnern an die Feststellung-""), dafs die Geschütze nicht in der üblichen Weise auf die Bataillone verteilt waren. Hier hatte zwar Fahlen die ihm für seine vor- geschobene Stellung am x\bend vorher zugeteilten beiden Geschütze zu seiner Verfügung behalten er spricht von seinen Kanonen im Gegensatze zu anderen , die übrigen sechs dagegen, um deren Zusendung er am Morgen ver- geblich ersucht hatte, hat offenbar Oberst von Schönberg hier vor dem linken, äufseren Flügel des Korps einheitlich verwendet. Daher konnten ihm bei der kleinen Truppe, mit der er abgedrängt wurde, nicht viel mehr als vier Kompagnien, vier von den acht Geschützen des Korps verbleiben, während zwei verloren gingen. Daher kann auch Fahlen mit vollem Eechte von den Geschützen reden, „welche mein Oberst verloren hatte."

Auch Pahlens Truppe fand sich, als der Reitersturm vorübergebraust war, gänzlich isoliert, denn mit der Flucht der sächsischen Kavallerie war das Zwischenglied aus- gefallen, das sie mit der Masse der eigenen Armee, zunächst mit der in der Gule, dem 1400 Schritt südlich und südwestlich von Pilgramshain belegenen sumpfigen

203) 1825 III, 117. 201) III, 103.

20') Das ergiebt sich aus der Form der Mitteihingen v. Pahlens am Schlüsse seines Briefes: „Ich machte meinen Rückzug etc. etc." -06) 8. oben S. 88. 20') S. oben S. 84.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI. 1. 2. 8

114 G. Vorberg-

Gehölze, feclitenden sächsischen Infanterie, verbunden hatte.

Durch diese Änderung in den Verhältnissen bei der eigenen Armee, nicht durch eine Ortsveränderuug, wie die räumlich wenig bedeutende Rückwärtsbewegung, die sie soeben gemacht hatten, oder den darauf folgenden Angriff" der preulsischen Kavallerie , dem sie unerschüttert Stand gehalten, fanden sie sich von der Armee getrennt'-"^).

Die drei Bataillone standen am Südende von Pilgrams- hain. Vor sich sahen sie die sechs Grenadier-Bataillone du Moulins, deren Geschütze beständig im Avancieren feuerten; für Kleingewehrfeuer war die Entfernung noch zu grols; es reichte zwar auf 300 Schritt, aber der König hatte befohlen , es für die wirksamere Nähe von 200 Schritt aufzusparen'-""). Fahlen schreibt: „Der Graf Friese und icli, wir blieben mit 13 Kompagnien und suchten uns an unsere Armee anzuschlielsen, die aber mehr rechts marschierte'-^'*). Dann spricht er von seinen Vei'lusten und seinem Rückzüge. Der Versuch milslang also.

Während nämlich das erste Ti'effen des rechten Flügels der preufsischen Infanterie teilweise aufmarschierte und den Angriff" gegen die Gule eröffnete, setzten die

-*'*) Der Zweite Schlesische Krieg II, 231 sagt, du Moulin habe die sächsiseheu (Trenadiere von dem feindlichen linken Flügel „ab- gedrängt". Seinem folgenden Vorgehen ist jedoch nur der Erfolg beizumessen, dafs die Isolierung der 13 Kompagnien dauernd blieb.

-**") Ebenda 222 nach einer Aufzeichnung des Prinzen Dietrich von Anhalt: „Was Se. Königl. Majestät im Lager bei Jauernig an die Generalitö mündlich befohlen haben", aus dem Zerbster Archiv. Das stimmt übereiii mit des Königs Anweisung in der „Disposition für die sämtlichen Regimenter Infanterie", Hauptquartier Selowitz, den 25. März 1742, Absatz 9 (Oeuvres XXX, 75), und verdient auch als gleichzeitige Aufzeichnung den Vorzug vor der Angabe des Königs in der Histoire de mon temps von 1746 (Fubl. a. d. Prenfs. Staats -Archiven IV, 374) und 1775 (Oeuvres III, 113), er habe als höchste Feuerentfernung 150 Schritt festgesetzt. Erst die „Regles de ce qu'on exige d'uii bon commandeur de bataillon", Potsdam, 30. April 1773 (Oeuvres XXIX, 5S und 64) gestatten den Gebrauch der Feuerwaffe prinzipiell auf 300 Schritt. Der Herzog von Wcifscn- fels hatte der sächsischen Infanterie das Feuern beim Angriffe ei-st auf 90 oder höchstens 100 Schritt gestattet. S. seine „Disposition" Henckel, Nachlafs I, 71 und Ungedruckte Nachrichten I, 325.

-'*') Die sächsische Infanterie stand in der Gule, vielleicht sah man aus der Feine etwas von den Bewegungen, die sie machte, um einen Haken rückwärts in der durch die Flucht der Kavallerie l)lus- gegebene Flanke zu bilden. S. der Zweite Schlesische Krieg II, 230.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 115

vier ersten Bataillone der Kolonne des zweiten Trelt'ens,

die Infanterie -Regimenter Holstein und La Motte, ihren Marsch gegen Norden fort, um sich an den linken Flügel du Moulins anzuschlieföen"^^). So stellten sie die auf beiden Seiten durch den Ausfall der Kavallerie verloren gegangene Verbindung zwischen Armee und Avantgarde auf preufsischer Seite vorübergehend wieder her und traten dem Versuche der sächsischen Grenadiere, sich ihrer Infanterie anzuschliefsen , hindernd in den Weg. Fahlen mulste sich also darauf beschränken, die vorher am Osteingange von Pilgramshain verloren gegangenen, aber von der preufsischen Kavallerie nicht fortgeschafften beiden Geschütze wieder in Besitz zu nehmen"^-) und den Rückzug westwärts anzutreten, verfolgt von dem Geschützfeuer der in gleichem Abstände folgenden zehn Bataillone preufsischer Infanterie. Prinz Ferdinand von Braunschweig sagt in seiner Relation-'^) aus- drücklich, das Korps des Generalleutnants du Moulin wäre die ganze Schlacht über im Vorgehen geblieben, ohne von dem kleinen Gewehr Gebrauch machen zu können, lediglich aus seinen Geschützen feuernd.

b) Stellung des Grenadier-Korps im Schlachtbilde.

Die Schlacht ist hier für die Grenadiere zu Ende; für die Betrachtung ihrer Schicksale fällt alles Folgende unter den Begriff des Rückzuges bezw. der Verfolgung auf dem Schlachtfelde durch den Feind.

Wir können hier also einen Augenblick innehalten zu einer allgemeineren Erwägung.

Zwar zu untersuchen, ob du Moulin jetzt die säch- sichen Grenadiere seinen Husaren und der Kavallerie hätte überlassen können , ob es noch zeitig genug gewesen wäre, etwa drei Grenadier- Bataillone, die denjenigen Pahlens an ungeschmälerter Gefechtskraft, an Zahl der Artillerie und wahrscheinlich auch der Gewehre"-'*)

211) Ebenda S. 229 und 231.

21-2) S. Pahlens Brief.

-1'') S. Lützow S. 115: jamais ä portee de pouvoir faire usage de ses petites armes.

-1-*) In ihrer Etatsstärke (12 Kompagnien mit je 144 Kom- battanten, s. prenfsisehes Infanterie - Reglement von 1743 S. 5) jeden- falls. Der Zweite Schlesische Krieg II, 213 berechnet die damaligen sieben Grenadier-Bataillone du Moulins (eines davon war als Besatzung

8*

116 (t. Vorberg:

Überlegen gewesen wären , ihnen gegenüber stehen zu lassen und mit dem grölseren Teile seiner Infanterie, die heute noch keine Gelegenheit gefunden hatte, den Feind die Überlegenheit des pieulsischen Infanteriefeuers em- ptinden zu lassen, sieben Bataillonen nebst vierzehn leichten und vielleicht auch drei oder vier schweren Ge- schützen, in die linke Flanke der sächsischen Infanterie zu marschieren, die in der Gule focht, ist hier nicht der Ort, denn unsere Aufgabe ist historischer, nicht militärisch- belehrender Art; unsere Kritik gilt nicht den That- sachen der Geschichte, sondern den Geschichtsquellen, durch welche sie uns überliefert worden sind, und ge- gebenen Falles den Geschichtsdarstellungen, welche vor uns den Inhalt jener Quellen der Mitwelt zugänglich und verständlich zu machen gesucht haben. Aber es entspricht dieser Aufgabe, wenn wir der von uns be- handelten Episode die richtige Stelle in dem Gesamtbilde der Schlacht anzuweisen, ihre Bedeutung für deren Ver- lauf und Entscheidung und andrerseits den Einfluls nach- zuweisen suchen, den die Gesamtverhältnisse auf die hier erzählten Begebenheiten gehabt haben.

in Striegau geblieben) nach den „Generallisten für Mai" im Archive des Kriegsministeriuins auf 2400 Mann; das ergäbe gegenüber der Etatsstärke von 581 Köpfen durchschnittlich 343 Köpfe effektiv für ein Bataillon! Vielleicht liegt bei der Angabe eine Verwechselung infolge Schreib- oder Lesefehlers vor mit du Moulins drei Husaren- llegimenteru, die ebenda ans der gleichen Quelle auf 3400 Mann berechnet v^^erden•, sie zählten jedoch nur 28 Schwadronen (Etat eines Regiments von zehn Schwadronen 1136 Pferde, s. Der Zweite Schlesische Krieg I, 70), hatten auf den Streifzügen mit Winterfeldt, der mehrfach über ihren elenden Zustand berichtet, bei Hirschberg und Landeshut grofse Strapazen gehabt (s. Kriegsgeschichtliche Einzelschriften, herausgegeben vom Grofsen Generalstabe, Abteilung für Kriegsgeschichte, Berlin 1884, 111, mehrfach), und Stille 197 giebt ihre Zahl vor der Schlacht auf 2000 an ! Hätten wii' in jener Berechnung also zu lesen: Husaren 2400 Mann, sieben Grenadier- Bataillone 3400 Mann, so käme die Durchschnittsstäike des Grenadier- Bataillons auf 486 Mann. Diese Annahme hätte sehr viel mehr Wahrscheinlich- keit als diejenige von 343 Mann angesichts der Bemerkung, Der Zweite Schlesische Krieg II, 210, zum 29. Mai (Einrücken in das Lager bei Frankenstein): „Die Mehrzahl der bei Frankeustein behndlichen Kegimenter war annähernd vollzählig." Keibel S. 216 f. berechnet die Husaren, Stilles Angabe nahe kommend, auf 2100 Mann, die sieben Grenadier -Bataillone auf 3400 Mann. Zieht man in Betracht, dafs das Generalstabswerk die Husaren mit 30 an- statt 28 Schwadronen angesetzt hat, so liegt dort möglicherweise nur eine Vertauschung der wahrscheinlichen Stärkezahlen 3400 Grena- diere und 2400 Husaren durch Schreibfehler vor.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 117

Die den sächsischen Grenadieren für den Tag der Schlacht zugewiesene Aufgabe war die Offensive; sie sollten den von den verbündeten Feldherren den Sachsen übertragenen Angriff auf das Korps du Moulins, das man in und bei Striegau zu treffen erwartete, eröffnen; das lag in der Stellung, die man ihnen gegeben hatte, ausgesprochen. Zum Angriffe fühlten sich die Führer der Verbündeten befähigt und berufen, und ihr Heer teilte dies Gefühl, denn abgesehen von etwaigen anderen Momenten der Überlegenheit glaubten sie der Überzahl sicher zu sein, und mit Recht, wenn auch der Zahlenunterschied nicht so grofs war, als sie gedacht haben mögen : etwa 75 000 Mann zählten sie unter ihren Fahnen, von denen über 70000 an der Schlacht teil- nahmen, gegenüber 65 000 Preufsen-^^).

Als aber der Morgen anbrach, mit dem die Grena- diere an ihre Aufgabe herantreten, den Angriff beginnen sollten, was sehen wir?

Nach wenigen Kanonenschüssen von seiner Seite, ohne dafs der Feind eine Waffe gerührt hätte, sieht sich der Kommandeur des Grenadier -Korps zum Rückzüge gezwungen; der Wunsch seines Untergebenen, eine an sich gewifs verteidigungsfähige Stellung zu halten, er- scheint fast als .. Ausfiufs kurzsichtiger Eitelkeit. Sie finden sich der Übermacht gegenüber und müssen den Rückweg zur Armee nehmen.

Das Zusammentreffen der Kavallerie auf ihrem Flügel fällt unglücklich für die Sachsen aus, denn einen kurzen Erfolg entreifst ihnen die sofort sich geltend machende Überzahl und das Eingreifen der preufsischen Infanterie auf beiden Flanken.

Neue Rückwärtsbewegung der Grenadiere, die ver- suchen, die Niederlage der Reiter aufzuhalten: jedoch sie werden nun selbst in das Unglück verwickelt, zwar nur ein kleiner Teil zerstreut, die übrige Masse aber end- giltig in zwei Teile geschieden.

Die Kavallerie läfst von ihnen ab , aber als das Feld frei ist, sieht sich der neue Führer des gröfseren Teils einer noch viel stärkeren Überzahl an Infanterie gegen- über denn zuvor; wäre das Korps noch beisammen ge- wesen, die Lage wäre dieselbe gewesen.

215) Der Zweite Schlesische Krieg II, 218, 224.

118 G. Vorberg:

Wieder rückwärts! Diesmal nicht, um den Kampf zu erneuern, sondern endgiltig fort vom Schlaclitfelde!

Woher dies alles?

Die Verbündeten, die in dem ihnen nicht mehr ganz wahrscheinlichen Falle, dafs die Preulsen Stand hielten, zum An^^riffe entschlossen waren-"'), hatten beim Vor- marsch aus dem Gebirge eine Rechtsschwenkung gemacht, die sie in den Stand setzte, den König, der östlich ihrer bisherigen Stellung sein Lager zwischen Schweidnitz und Alt- Jauernick an der Straise nach Stiiegau mit der Front nach Südwesten hatte, im Falle eines für sie glücklich veilaufenden Zusammenstolses von seiner ver- mutlichen Rückzugslinie auf Breslau abzudrängen.

Am S.Juni morgens im Lager zwischen Alt-Reichenau und Wolmsdorf mit der Front nach Ost- Nordost hatte ihr rechter Flügel dem Feinde viel näher gestanden, als der linke, ja ihm fast die Flanke geboten, sodals für ihn besondere Sicherheitsmafsregeln hatten getroffen werden müssen :

Das Korps Nadasdys, die Piketts der Infanterie und das aus drei Kavallerie- Regimentern'-''^) bestehende Corps de Reserve, sowie die österreichische Avant- garde'-"*) umgaben Flanke und Front des rechten Flügels im Bogen von Freiburg bis Hohenfriedeberg: vor dem linken standen nur die Ulanen in den Deflleen gegen Kauder hin'-'").

Am Abend des 3. Juni dagegen stand das Heer in lang ausgedehnter Stellung von Hohenfriedeberg bis nach

-"') Der Zweite Sclilesisclie Krieg II, 161, abgedruckt aus dem eigenhändigen Feldzngsplan des Prinzen Karl vom 5. Mai, Wiener Kriegs -Arcliiv.

-'■') Etatsmäfsig je 1000 Pferde ohne die Grenadier -Kompagnie, ebenda I, 2<)* F.

-"*) nach der "Wiener Relation (s. Neueröffnetes Kriegs-Archiv III, 552, und Lützow S. 132 f.), bestehend aus „1000 Commandirten von der Infanterie , dann aus den sämtlichen Karabinier - und Grenadier- Kompagnien zu Pferd (15 Kompagnien, etatsmäfsiü' je 94 Pferde) und einer Grenadier-Koniitagnie von einem jeglichen Infanterie -Regiment" (l(i oder nach Keibel 15 Kompagnien). Der Zweite Schlesische Krieg II, 162, giebt nach Prinz Karls eigen- händiger „Disposition umb die Detileen zu passiren" vom 15. Mai (Wiener Kriegs-Archiv) die ursprünglich beabsichtigte, etwas ab- weichende Zusammensetzung an; bei dem thatsächlichen Zusammen- treten der Avantgarde am 28. Mai (ebenda S. 206) wird nichts darüber bemerkt.

-'") Wiener Relation, s. Neueröffnetes Kriegs-Archiv III, 555, und Lützow S. 136.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeherg. 119

Muh^-au

.y'^

120 tr Vorberg:

Pilgranishain und den Spitzbergen, Front nach Ost- Südost, mit dem zunächst zum Angriff bestimmten linken Fliigel näher am Feinde, als mit dem rechten.

Dennoch blieb die Truppenverteilung dieselbe. Die Avantgarde, die der linke Flügel aus sich heraus bildete, entsprach nur der des rechten, war aber schwächer als diese. Der linke Flügel zählte an Infanterie 18 säch- sische und 12 österreichische, zusammen 30 Bataillone, der rechte dagegen 45 Bataillone-"-*^). Der linke Kavallerie- flügel zählte 24 sächsische Schwadronen mit einer Etats- stärke von zusammen etwa 5000 und vier österreichische ßegimenter mit einem Etat von je 1000 Pferden, dazu die Ulanen mit ungefähr 3000 Pferden. Der rechte Kavallerie- Flügel bestand aus acht österreichischen Kegimentern, dicht hinter ihm stand das Corps de reserve mit dreien und nahe dabei die Avantgarden-Kavallerie, an 1400 Pferde, zusammen nach dem Etat 11 000 Pferde, also nach Keibel auf dem Schlachtfelde anwesend ungefähr 8800 Pferde, Dem rechten Flügel ist auch das in seiner Stellung ver- bliebene Korps Nadasdys mit drei Husaren-Regimentern, die man auf 2400 Pferde veranschlagen kann, einem un- garischen Infanterie- Pegimente und etwas regulärer In- fanterie-"-') zuzurechnen, denn dafs es am Tage der Schlacht zu keiner Wirksamkeit kam und nur noch die geschlagenen Österreicher aufnehmen konnte, war natürlich nicht be- absichtigt.

Aber auch abgesehen von diesem Korps war der rechte Flügel an Infanterie um die volle Hälfte, an Ka- vallerie um etwa 500 Pferde stärker, als der linke, der zuerst zur Aktion kommen sollte.

Ganz anders bei den Preulsen.

Mulste bei den Verbündeten schon ihre Stellung zum Feinde und die dadurch gegebene Möglichkeit, ihn von seiner Rückzugslinie abzudrängen, dem linken Flügel die Bestimmung zum Angriffsflügel aufprägen, selbst gegen die Absicht der Heeresleitung, so zog König Friedrich mit Bewufstsein aus der Notwendigkeit, seinem kleineren

*-") Die Etatsstärke betrug ohne Clrenadiere je etwa 700 Mann, s. für die Sachsen die Etats von 1743 bei Schuster und Francke II, 23, für die Österreicher der Zweite Schlesische Krieg I, 25* f. Die Manqueraents sind nicht genau bekannt (vergl. oben S. 91), können jedoch beim Vergleiche grofser Massen innerhalb desselben Heeres anfser Ansatz bleiben.

22') Zusammen etwa 5ÜÜU Mann, s. ebenda S. 218.

Die sächsischen Grenadiere hei Hoheufriedeberg. 121

Heere die durch die Stellung des Feindes bedrohte Rück- zugslinie für den Fall eines ungünstigen Ausganges der Schlacht zu erhalten, die Konsequenz, den rechten Flügel vorzunehmen. Wenn uns nicht die entprechende Weisung des Königs an seine Generale---) autbehalten wäre, so könnten wir diese Absicht aus der Truppen- verteilung im Heere für die Schlacht folgern.

Zwar an Truppenmenge waren der rechte und linke Flügel der Infanterie und Kavallerie einander ziemlich gleich. Aber während z. B. die Truppen des Korps Nassau, welches in den Tagen vor der Schlacht zur Er- haltung der Verbindung zwischen Armee und Avantgarde den Nonnenbuscli und Zedlitz an der Stralse von Schweidnitz nach Striegau besetzt gehalten hatte, 4 Bataillone und 20 Schwadronen, ihre Plätze nach der Ordre de Bataille wieder einnahmen, behielt sich der König nicht nur die aus 10 Schwadronen Kavallerie und 10 Schwadronen Husaren bestehende Reserve, sondern auch die bisherige Avantgarde unter du Moulin zur Verwendung vor, „da wo man ihrer bedürfen würde" -^^). Und diese Verwendung erfolgte bewulster und beabsichtigter Weise nur auf dem rechten Flügel. In erster Linie erhielt er durch du Moulins Truppen eine Verstärkung um sechs Grenadier-Bataillone und 28 Schwadronen Husaren.

Somit stieg die Kavallerie, die mit Hohenfriedeberg für eine Reihe von Feldzügen auch für die preulsische Armee zur schlachtentscheidenden Watfe wurde, hier von 46 auf 74 Schwadronen mit einer etatsmäfsjgen Stärke von 10 000 Pferden'--*), der sie efifektiv sehr viel näher gekommen sind, als die Gegner der ihrigen.

Die Reserve aber ist zur Unterstützung des rechten Flügels bereits in Thätigkeit gewesen, noch ehe das Ge- fecht auf dem linken Flügel begonnen, sodafs sie auch der Absicht des Königs nach ohne weiteres dem rechten Flügel zugerechnet werden kann mit einer Etatsstärke von Aveiteren 2600 Pferden. Also etatsmässig 12600 gegen 12000 Pferde,

2-'-) Que Tattaque se ferait par la droite, par brigades et suc- cessiment, s. die Relation des Prinzen Ferdinand von Braunschweig bei Lützow S. 114. Vergl. auch des Königs Befehl an du Moulin, die Spitzberge zu besetzen, um als Stützpunkt für den rechten Flügel zu dienen, bei Stille S. 200.

2-3) Stille S. 200.

'-'-*) Die Schwadron Kavallerie zu 150. die Husaren- Schwadron zu 110 Pferden gerechnet, s. den Ersten Schlesischen Krieg I, 69 f.

122

G. Vorberg:

Infanterie. Kavallerie.

Ulan. Grcn.

Sachs. Avantgarde.

linker

Flügel

Oe. u.

S.

Oe. u. S.

rechter

Flügel.

Oe.

ö. Corps de riiserve.

n

n

n

n

n

ö. Avant- garde.

Nadasdy.

Verbündete.

n

Hus.

Gren.

U

Avantgarde.

•-<

l_

U

\^

u

Ixgter. Holstein II. la Motte.

Corps de reserve.

rechter Flügel.

linker Flügel.

Hgt. Bayreuth.

Preufsen.

Die säclisischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 133

eifektiv mindestens 11000 gegen bestenfalls, wenn näm- lich keine Ulanen detacliirt waren, 10000 Pferde, von denen aber die 3200 österreichischen nicht rechtzeitig zur Stelle waren.

Auch die reichliche Zuteilung von Artillerie an den preulsischen rechten Flügel darf hier nicht unerwähnt bleiben: du Moniin erhielt vier schwere Geschütze'--^) zu den zwölf leichten seiner Bataillone, und im Anmarsch zur Schlacht liefs der König unmittelbar auf den rechten Kavallerieflügel eine Batterie von sechs Vierundzwanzig- pfündern folgen--*'), die dann, auf dem Gräbener Fuchs- berg aufgefahren, ihr Feuer mit den Geschützen der Avantgarde über der sächsischen Kavallerie kreuzte.

Auch noch während der Schlacht fand ein beständiges Drängen nach rechts statt, absichtlich in der Verstärkung du Moulins durch zwei Regimenter des rechten Infanterie- flügels--') und durch das Rechtsherausziehen des zweiten Treffens vom linken Infanterieflügel zur Umfassung der Österreicher--^), aber auch unabsichtlich, indem z. B. das Dragoner-Regiment Bayreuth, das seinen Platz am linken Flügel nicht rechtzeitig einzunehmen imstande gewesen war, sofort bei dem linken Infanterieflügel die Funktion des nach rechts abgerückten Corps de reserve übernahm"-"-'-').

So hatte der König dem zum Angriffe bestimmten Flügel seines Heeres alle Chancen des Erfolges zu sichern gesucht.

Die nebenstehende Skizze giebt eine schematische Darstellung der sich nach allem ergebenden Truppen- verteilung in beiden Heeren.

Durch das Zusammentreffen, dafs jeder Teil unter dem zwingenden Einflüsse der allgemeinen Lage seinen nördlichen Flügel zum angreifenden machen mufste, dafs aber nur einer von beiden Teilen dieser klar erkannten Notwendigkeit auch mit der That Rechnung trug, geschah es, dafs einerseits im Norden der Zusammenstofs um mehrere Stunden früher erfolgte, als die Gegner sich am entgegengesetzten Ende des Schlachtfeldes zu erreichen vermochten, und dafs andererseits an jener für ihr Wohl

225) Relation des Prinzen Ferdinand von Brannschweig s. L ü t z o w S.114.

226) S. den Zweiten Schlesischen Krieg II, 225. 228.

227) S. oben Anm. 211.

228) Der Zweite Schlesische Krieg II, 235. 239) Ebenda 236 und 238.

124 G. Vorberg:

und Wehe entscheidenden Stelle die schwächere Armee in jeder Hinsicht mit Übermacht auftreten konnte, um dadurch teils fast kampflos zu siegen, dort aber, wo ihr trotz fast durchweg besserer Ausbildung und Führung das Glück nicht gleich lächeln wollte, vorübergehende Rückschläge sofort auszugleichen.

Das Opfer dieser Verhältnissee wurden in erster Linie die sächsischen Grenadiere. 8ie hatten bei der verbündeten Armee die Spitze des angreifenden Flügels bilden sollen, und gerade sie mulsten die Wucht eines angemessen verstäi'kten Angritfsflügels empfinden, der- gestalt, dals sie nicht einmal vor dem zur Zeit unver- gleichlichen Gewehrfeuer der preulsischen Infanterie, son- dern gleichsam vor ihrem blolsen Anblick zurückzuweichen gezwungen wurden.

Stille sagt"^") von den Truppen, die du Moulin und der rechte Kavallerieflügel zu bekämpfen hatten, „von dem ersten Erfolge der Kavallerie an habe der Feind nur ein Rückzugsgefecht geführt" ; wir müssen mit Bezug auf die sächsischen Grenadiere diesen Ausspruch dahin erweitern, dals sie von dem Augenblicke an, wo sie den Feind hatten anrücken sehen, nur ein Rückzugsgefecht nach dem andern geführt haben.

Allerdings auch dies nicht nutzlos für das grolise Ganze! Denn dadurch, dals sie trotz der tief nieder- drückenden Verhältnisse, unter denen sie fochten, bei aller körperlichen Ermattung durch die seit dem Mittage des vorigen Tages kaum unterbrochenen Anstrengungen, zum weitaus gröfsten Teile genug Standhaftigkeit be- wiesen, um als geschlossene Truppe zusammenzuhalten, auch als die eigene Kavallerie auf sie einritt, hielten sie in den zehn Bataillonen du Moulins einen dreifach überlegenen Gegner sich gegenüber fest-'"), der sich im

230) s. 206.

-3') Nach den Berechuungen von K ei bei S. 151 betrug die auf dem Sc hl achtfei de sich bewegende Infanterie auf ver- bündeter Seite etwa 37 500 Mann mit 81 leichten Geschützen gegen- ülier 38f)00 Mann mit 138 leichten Geschützen auf Seiten der Preufsen. Dadurch also, dafs 13 Kompagnien, nach einigen Verlusten kaum nocli 1300 Mann mit 4 leichten Geschützen, 10 preufsische ßataillonc, jedenfalls über 5000 Mann mit 20 leichten und 4 bis 8 schweren Geschützen, sich gegenüber festhielten, liefsen sie das numerische Übergewicht der preufsischen Infanterie in sein Gegenteil umschlagen und paralysierten einen verhältnismäfsig grofsen Teil der feindlichen Übermacht an Artillerie.

Die sächsisclien Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 125

Falle ihrer gänzlichen Auflösung wohl kaum besonnen hätte, der sächsischen Infanterie in der Gule durch einen Flankenangriff die völlige Vernichtung zu biüngen.

Andererseits hätte auch unter den obwaltenden Ver- hältnissen der König in dem grölseren Teile dieser Truppen eine fast intakte Reserve gefunden, um auf dieselbe Weise das Glück der Schlacht zu seinen Gunsten zu wenden, falls der erste Angriff seines rechten Infanterie- flügels auf die Gule abgeschlagen worden wäre'--^-).

c) Der Rückzug,

Kehren wir zu den Resten des Korps zurück, die wir am südlichen Ende von Pilgramshain verlielsen: drei- zehn Kompagnien^ in drei Bataillone gegliedert, mit vier Geschützen unter zwei Stabsoffizieren.

Fahlen rühmt sich des guten Rückzuges, den er ge- macht habe; das würde im Munde des Unterlegenen nun nicht allzuviel bedeuten, obgleich er anführt, dals ihm die gi'olse Überlegenheit der Feinde keine seiner Kanonen habe nehmen können; aber Still e'--^-^) bestätigt ihm dies Selbstzeugnis : der Rückzug sei unter guter Ausnutzung des Geländes, das ja allerdings den Zurückgehenden mehr Vorteile bot, als den Verfolgern, auch Fahlen hebt dies hervor, und mit taktischem Geschicke gemacht worden. Dals diese Bemerkungen wirklich den Grena- dieren gelten, zeigt die genaue Anführung der preulsischen Truppen, die an dem Gefechte gegen sie und die Kavallerie des linken Flügels beteiligt waren: der Avantgarde, des rechten Kavallerieflügels und eines kleinen Teils des rechten Infanterieflügels (Regimenter Holstein und La- motte). Aus den Andeutungen Stille's kann man schlielsen, dafs der Rückzug der Grenadiere den Brecheisberg und Bisdorf berührte: er spricht von der Höhenkette, die von dem ersten Kampfplatze bis zu den Defileen reicht und den Zurückgehenden von grofsem Nutzen gewesen sei.

232>| Vergl. seine sehr ähnliche Mafsregel auf dem linken Flügel gegen die Österreicher, der Zweite Schlesische Krieg II, 235; dafs er ein derartiges Manöver auch mit Truppen, die schon im Feuer gewesen, für ausführbar hielt, beweist seine Darstellung dieser Mafs- regel in der Histoire de mon temps von 1746 (Publ. aus den Kgl. Preufs. Staats -Archiven IV, 375) und von 1775 (Oeuvres III, 114).

23») S. 207.

126 G. Vorberg:

Der Brecheisberg hat an seiner Westseite an einigen Stellen steile Hänge gegen Eisdorf, dessen Gärten, wie diejenigen der anderen Dörfer auf dem Schlachtfelde, mit Mauern umgeben sind. Wir werden hier die Gegend zu suchen haben, die ein Teilnehmer dieses liückzuges'--**) als „Berge und hohle Wege" bezeichnet, durch welche sie „sich retiriren müssen".

Fahlen wird Bedenken getragen haben, seinen Weg durch das Dorf hindurch zu nehmen, nicht sowohl wegen der Gefahr, dals die für den Infanteriekampf nötige Ge- schlossenheit hätte verloren gehen können, sondern weil es wahrscheinlich sehr schwierig gewesen wäre, die auf den Tod ermatteten Grenadiere sofort wieder aus diesem scheinbaren Zufluchtsort herauszubringen, die bei der jeden Augenblick zu befürchtenden Gefahr der Rückkehr preulsi- scher Kavalleriemassen von der Verfolgung dort wie in einer Mausefalle gesessen haben würden, selbst wenn sie sicli so lange gegen die noch immer nachrückenden Batail- lone du Moulins hätten halten können. So ging er denn am Westabhange des Brecheisberges um die Ostseite des Dorfes herum.

Aber die befürchtete letzte Prüfung sollte seiner Truppe nicht erspart bleiben. Von dem Nordende von Eisdorf sind es nur 1300 Schritte nach Häslicht, das zwischen höheren Erhebungen, den südlichen Ausläufern des Kleeberges, eingebettet liegt; dort konnten sich die Grenadiere gerettet glauben. Sei es nun, dals das Ver- langen, der Lage, in welcher man sich befand, so schnell wie möglich zu entrinnen, zu einer Unvorsichtigkeit ver- führte, sei es, dals man befürchten niulste, bei einem etwaigen Ausbiegen nordwärts in stärker koupiertes Terrain schlieislich noch zum Kampfe mit den nach- rückenden prenlsischen Bataillonen gezwungen zu werden, die ohne Eurcht vor feindlicher Kavallerie geradeaus marschieren und Häslicht zu gleicher Zeit mit den Sachsen erreichen konnten genug, in dem ebeneren Gelände zwischen Eisdorf und Häslicht geschah es, dals man mit preulsischer Kavallerie zusammentraf, der dies- mal die Grenadiere als einziges Angritfsobjekt gegenüber- standen.

'-•■'*) Der Korporal Knoll von der Grenadier-Kompagnie Fern- liaber des Regiments der Königin, von Graf v. Friesens Bataillon, Aussage 21 bei Hoffmann S. 42.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 127

Von der Verfolgung der zerstreuten sächsisch -öster- reichischen Kavallerie zurückkehrend, die das für ge- schlossene Kavalleriekörper nicht zugängliche Gelände am Rande des Gebirges erreicht hatte ■-■^•'), eingedenk des Be- fehles des Königs, „sich auf die feindliche Infanterie zu repliiren", warfen sich das Regiment des Prinzen von Preulsen und die Schwadron Gardes du (>orps nebst Husaren auf Pahlens Truppe, welche die Reiter nicht mehr fern zu halten im stände war, da ein grolser Teil der Leute seine letzten Patronen jeder Mann hat 36 geführt hier verschols -•^'').

Der Ort, wo dies geschah, mufs der Kavallerie ge- nügenden Raum zu Evolutionen geboten haben, denn es gelang ihr, auf einem Flügel der Grenadiere einzubrechen, deren eine ganze Anzahl niedergehauen wurden; viele flohen oder riefen Pardon und wurden gefangen"--").

Dals die Verluste sehr bedeutend gewesen sein müssen, beweist die Angabe der preufsischen ot^ziellen Relation ■-■^^), die Gardes du Corps hätten zwei Kompagnien Grenadiere in die Pfanne gehauen. Trotzdem hielt die Truppe als solche auch jetzt noch zusammen und bewahrte sich ihre vier Geschütze, indem sie sich mit Bajonnett und Kar- tätschen verteidigte, so dals sie sich nach Häslicht zurück- ziehen konnte, das zwischen den umgebenden steilen Ab- hängen dem aus der Ebene Kommenden nur eine schmale, von Gartenmauern gebildete Front zeigt, zu deren so- gleich durch Pahlen angeordneter Besetzung'--''*) ein ge-

■■235) Stille S. 207.

■236) Aussage 2, 3 und 21 bei Hoffmann S. 33, 34, 42. Auch hierin liegt ein Beweis, dafs dieser Zusammenstofs gegen Ende des Marsches über das Schlachtfeld stattfand. Wäre dieser Munitions- mangel in einem früheren Stadium eingetreten, das die Möglichkeit eines nochmaligen Zusammenstofses mit feindlicher Kavallerie offen liefs, so hätten diese Kompagnien nicht bis zum Schlüsse zusammen- gehalten.

-'*■') Aussage 3 ebenda. Gefangen wurde hier auch der Korporal Knoll mit 30 Mann, s. Aussage 21. Der Schauplatz dieses Ge- fechtes ist durch den Zusammenhang alles Vorhergegangenen genügend festgestellt; auf die Bestimmung der beteiligten preufsischen Truppen kommen wir sogleich zurück.

■-38) S. Polit. Corresp. IV, 185.

~^^) S. Pahlens Brief. Keibel S. 278 kann sich der Annahme des GeneralstabsAverkes, dafs dies Dorf Häslicht gewesen sei, nicht anschliefsen , da das Gelände südlich von Pilgramshain und Eisdorf, durch das vorher der Rückzug gegangen sein müsse, „eine ziemlich ebene, gehölz- und Avasserlose Fläche zu sein scheine", nicht aber, wie Pahlen schreibe, seinem Rückzuge sehr günstig, der Verfolgung,

128 <J- Vorberg:

ringer Bruchteil seiner Kräfte ausreichte, und das rück- wärts einen Ausgang in ein für geschlossene Kavallerie- körper unbrauchbares Gelände bietet.

In verhältnismäisiger Sicherheit, denn die preufsischen Bataillone hörten jetzt auf nachzudrängen, konnte ihnen Pahlen einige Ruhe nach ihren Anstrengungen gönnen, „sie wären sonst vor Hitze, Müdigkeit und Durst liegen geblieben-^'').

Es niuls gegen 7 Uhr morgens gewesen sein; um diese Zeit hatte sich auch das Geschick der unter Oberst v. Schönberg und Oberstleutnant v. Gersdorff abge- drängten Kompagnien erfüllt. Bei Pilgranishain durch die Kavallerie gezwungen, weit nordwärts auszubiegen, nahmen sie ihren Rückzug an den nordöstlichen Abhängen des Brecheisberges, der sie den Blicken ihrer Waöen- genossen und ihnen die iVussicht auf das Schlachtfeld entzog, und über den Rücken von dessen nördlicher Fort- setzung hin in der Richtung auf Elsdorf-^'), stets verfolgt von einigen Reiterhaufen, wahrscheinlich Natzmer-Husaren, in der Hotfnung, dort wieder Anschlufs an sächsische Kavallerie zu gewinnen; und in der That sah man Ka- vallerie herankommen, aber es waren keine Sachsen, man hatte den Feind vor und hinter sich.

Das fünf Schwadronen starke preuMsche Dragoner- Regiment von Nassau folgte, wie die anderen Regimenter vom Corps de reserve, dem rechten Kavallerieflügel. Von der Höhe des Niederweges, beim Abstieg nach Pilgranishain, sah man drüben nördlich des Dorfes das vereinzelte Bataillon sich bewegen. Eine andere Gelegen- heit zur Betheiligung am Kampfe fand sich für das Re-

nach Stille, ungünstig. Nun wäre Pahlen allerdings sehr thöricht ge- wesen, wenn er mit seiner kleinen, isolierten Infanterietruppe auf jenes Gelände hinausgetreten wäre, das die siegreiche preufsische Kavallerie beherrschte, anstatt seinen Kiiekzuy', wie oben angegeben, zu nehmen; sobald sich das offene Gelände nicht mehr umgehen liefs, widerfuhr ihm Unheil. Dätzdorf und Girlachsdorf, die Keibel wegen des vor- liegenden schwierigen Geländes zur Auswahl vorschlägt, bieten nicht die gleiche Verteidigungsfähigkeit und den gegen Kavallerie ge- sicherten Ausgang, konnten also nicht so sehr als Zufluchtsörter gelten, wie Häslicht.

2-»0) S. Pahlens Brief.

-^') Der Grenadier Tauchmann, Aussage 6 bei Hoff mann S. 36, sagt: „nach einem Dörfgen zu"; die Bezeichnung ist trelfend, denn Eisdorf ist thatsächlich der kleinste Ort auf dem nöi'dlichen Teile des Schlachtfeldes; auf dem südlichen ist nui' Neu-Ullersdorf kleiner.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 129

giment nicht mehr. So schickte der Kommandeur, dem nach Angabe des Schlachtberichtes in den Ungedruckten Nachrichten-^"') der König vor der Schlacht die Weisung gegeben haben soll, das Regiment jedenfalls zum Choc auf Kavallerie oder Infanterie zu bringen, Oberst von Langer- mann, den Kapitän von Gersdorif mit einer Patrouille ab, um festzustellen, ob die beobachtete Truppe Freund oder Feind sei, und sie im letzteren Falle zur Über- gabe aufzufordern. Oberst v. Schönberg lehnte die Auf- forderung ab, und so wurde seine Truppe trotz heftigen Feuerns aus ihren vier Kanonen und kleinem Gewehr gänzlich niedergeritten; etwa 400 Mann und die beiden Stabsoffiziere blieben auf dem Platze , der kleine Rest wurde gefangen, die Kanonen genommen. An dem An- griffe beteiligten sich auch die Husaren, wahrscheinlich vom Regimente von Natzmer, die den Grenadieren seit dem Zusammentreffen bei Pilgramshain gefolgt waren. Ein Teilnehmer an diesem letzten Gefechte auf Seiten der Unterlegenen, der Grenadier Franz Tauchmann "^=^), berichtet, das Bataillon habe nach abgegebener Decharge „sich bereits verschossen und zur Ladung nicht kommen können"; d.h anstatt des Abteilungsfeuers, glieder-, pelotons- oder divisionsweise, bei welchen immer ein Teil der Truppe schuMertig blieb, während die anderen feuerten oder wieder luden, war, vielleicht in der Aufregung des gefahr- vollen Augenblickes gegen den Befehl, eine Bataillons- salve abgegeben worden. Kein Teil des Bataillons war mehr schulsbereit, so dals eine Pause in dem Feuer ent- stehen mufste, während welcher die Kavallerie einbrach und die Grenadiere zur Verteidigung mit dem Bajonnett nötigte. Mit welcher Wut die preulsischen Dragoner eingehauen haben, zeigt der Umstand, dals Tauchmann nach dem ersten Hiebe, der ihn zu Boden streckte, noch vier fernere über den Kopf erhalten zu haben angiebt. Vor seiner Verwundung sah er bereits den Obersten

2^-) I, 332, nnd in der Geschichte des Regiments ebenda V, 441. Die Angabe an der ersten Stelle, dafs die Grenadiere Eisdorf besetzt hielten, läfst sich mit der weiteren Erzählung ebendaselbst nicht vereinigen, da ein Kavallerieangriff gegen besetzte Mauern oder Zäune nicht denkbar ist, ein solcher in das Defile der Dorf'strafse hinein anders hätte verlaufen müssen. Die Variante der zweiten Stelle, welche von der angeblichen Besetzung des Dorfes im Plus- quamperfektum redet, kennzeichnet sie als blofse Vermutung.

-^3) Ho ff mann S. 86.

Neues Archiv f. S. (i. u. A. XXI. 1. 2 9

130 ö. Vorberg:

von ISchönberg' mit dem Tode ringen, ein Beweis dafür, dals sich seine Erzählung, die er nicht durch Ortsnamen zu lokalisieren vermochte, auf das Gefecht mit den Nassau- Dragonern bezieht.

Über diese beiden letzten Gefechte der sächsischen . Grenadiere gegen preufsische Kavallerie berichtet die offizielle preulsische Relation'-"), das Kürassier-llegiment Prinz von Preufsen habe das ganze Regiment von Öchön- berg in Stücke gehauen, die Schwadron Gardes du Corps aber zwei sächsische Grenadier-Kompagnien. Erstere An- gabe beruht offenbar auf einer Verwechselung des Füsilier- Regiments von Schönberg mit dem Grenadier- Korps, welches dessen Chef und Kommandeur in der Schlacht führte, wahrscheinlich veranlafist durch einen Bericht, dals ein mit seiner Truppe niedergehauener Oberst etwa von Kriegsgefangenen als jener Regimentschef erkannt worden sei. Bei der Vergleichung einer gröfseren An- zahl von Berichten und Mitteilungen mag dieser Irrtum der offiziellen Relation, die schon zwei Tage nach der Schlacht fertig vorlag, sich aufgeklärt haben, denn der König schreibt in der Histoire de mon temps von 1746-*'^) nur, die Kavallerie sei über die Fliehenden hergefallen und habe zwei Bataillone niedergesäbelt. Ob diese An- gabe den Sinn hat, dals in zwei Fällen erfolgreiche An- griffe auf Grenadier- Bataillone gemacht worden sind, oder ob sie mit Bewulstsein die durch die bisherigen Auseinandersetzungen klargestellte Thatsache wiedergiebt, dals von den fünf Bataillonen des Grenadier-Korps nur drei davon kamen, zwei völlig vernichtet wurden, steht dahin.

Als Friedrich der Grolse seine Histoire de mon temps im Jahre 1775 überarbeitete, veranlafste ihn die Angabe der ersten Redaktion in Verbindung mit der Erinnerung, dafs die Gardes du Corps, die seit Beginn des sieben- jährigen Krieges drei Schwadronen zählten, sich bei Hohenfriedeberg besonders ausgezeichnet hätten'-***), dazu.

2") Pofit. Corresp. IV, 185,

"■'■') Publikationen aus den Kg-1. Preufsiscben Staats-Archiven IV, 374. Geflohen sind allerdings nicht die (Irenadiere, sondern der sächsische Infanterieflügel, aber dies ist der allgemeine Eindruck, den der König von den Vorgängen gehabt hat, da er die beiden Gefechte der Grenadiere von seinem Standpunkte bei der Stiller Mühle (der Zweite Schlesische Krieg II, 228) wahrscheinlich nicht hat beobachten können.

2^^) Ihr Kommandeur wurde vom Rittmeister sofort zum Oberst- leutnant befördert.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 131

ihnen die Niedermetzelung der beiden Bataillone zuzu- schreiben-^^), obgleich nach der offiziellen Eelation nur zwei Kompagnien auf ihre Rechnung kamen.

Dieselbe Anzahl von zwei Bataillonen nennt eine andere Nachricht, die damit das Einhauen von Natzmer- Husaren in eine Truppe sächsischer Grenadiere und die Angabe zweier sächsischer Regimentsnamen, wahrschein- lich durch dort Gefangene kombiniert haf-^^). Dals wir die Grenadier-Kompagnien vom Regimente Xaver in dem Bataillon des Oberstleutnants von Gersdorff vom selben Regimente zu suchen hätten, haben wir oben vermutungs- weise festgestellt, daraus wäre hier zu folgern, dafs die Natzmerschen Husaren bei der Vernichtung der Bataillone unter Schönberg und Gersdorff beteiligt waren.

Aufserdem waren hier nur die Nassau-Dragoner be- teiligt; andere Regimenter hatten keinen besonderen An- lafs, sich ihre Gegner dort hinter dem Berge zu suchen, w^ohin man von dem Schauplatze der Reiterkämpfe keinen Ausblick hatte.

Folglich waren es Pahlens Grenadiere, die von den Prinz von Preulsen- Kürassieren und Gardes du Corps angegriffen wurden; dals auch hier Husaren beteiligt waren, sagt der „vonPreuIsischen Husaren und Reutherey" gefangene Korporal KnolP^^). Haben die drei Husaren- Regimenter der Avantgarde, Natzmer, Ruesch und Soldan, doch an allen Kämpfen des rechten Kavallerieflügels teilgenommen. Wie schon erwähnt, erfuhr man bei der sächsischen Armee nichts Sicheres über den Verbleib der Kompagnien unter Schönberg und Gersdorff; die mit ihnen gefallenen Offiziere werden in den frühestens zehn Tage nach der Schlacht veröffentlichten-^") namentlichen Offi- ziers-Verlustlisten unter denen, von deren Schicksal man nichts wuIste-^*), aufgeführt, so Gersdorff, Gerand, Mosel, die ein Grenadier '^^^) als Leichen gesehen hat.

Wenn man diese Rubrik der Listen daraufhin an- sieht, so kann man aus den dort nach Regimentern auf- geführten Verlusten ganzer Gruppen von Offizieren auf

21') S. Oeuvres III, 113.

21*) Gn. E. T. Natzmer, George Christoph v. Natzmer, S. 76 (verg-1. oben S. 80).

-lö) Aussage 21 bei Hoffmann S. 42.

■^so) S. unten S. 134.

251) „Unwissend: . . . ."

25-J) Hoff mann S. 34 Aussage 3.

9*

132 G"- Vorberg:

den Untergang von etwa sechs Kompagnien mit iliren Offizieren scliliefsen, je einer von Prinz Xaver, Weilsen- fels, Franz Pirch, Saclisen-Gotlia und zweier vom Regimente Schönberg.

Von dem Grenadier- Korps blieben thatsächlich nur die Keste von Pahlens 13 Kompagnien übrig, die jetzt in Häslicht lagen; doch blieben sie nicht lange isoliert.

21 preulsischen Bataillonen vom rechten Flügel unter dem Feldmarschall Erbprinzen Leopold von Anhalt-Dessau war es gelungen, die 18 sächsischen und 12 österreichischen Bataillone, welche den linken Infanterieflügel des ver- bündeten Heeres bildeten, zu schlagen und in Unordnung aus der Gule nordwestwärts zurückzuwerfen, ehe der österreichische rechte Flügel kampfbereit zur Stelle war. Einige sächsische und österreichische Bataillone sammelten sich auf den Höhen südwestlich von Häslicht, als die Preulsen am nordwestlichen Rande der Gule das Vor- dringen einstellten-"''^). So stellte sich der Zusammenhang der Grenadiere mit ihrer Infanterie wieder her.

Während die Kämpfe auf dem anderen Flügel jetzt erst begannen, waren sie hier völlig zu Ende. Nicht so die Strapazen, denn an die verlorene Schlacht sclilols sich noch ein starker Tagemarsch.

Den Rückzug in das Gebirge über Dätzdorf, Wederau und Bolkenhain deckten die Bataillone auf den Höhen und die Grenadiere im Dorfe. Der Marsch ging weiter über Halbendorf, wo die Spitze der Kolonne während einer dreistündigen Marschpause blieb -■'^*), in das gemein- same Lager bei Alt- und Neu-Reichenau.

Nachdem die Grenadiere am Tage vor der Schlacht die Avantgarde gebildet, in der Nacht den Vorposten- dienst versehen, dann den Abzug vom Schlachtfelde ge- deckt hatten, fiel ihnen jetzt auch die Aufgabe der Arrieregarde zu. Diese Wahl empfahl sich dadurch, dals sie allein sich festen inneren Zusammenhang bevvahrt und als einzige Truppe sich eine im Verhältnisse zu ihrer Stärke stehende Artillerie erhalten hatten. Von den 28 leichten Geschützen, welche die Infanterie nach den Abgaben an die Grenadiere noch besafs, waren 27 in der

2M) Der Zweite Schlesische Krieg II, 231. -'•^) Neueröffnetes Kriegs -Arcliiv III, 581; Archivarische Nach- richten, Milit.-Wochenbl. 1841 S. l.JS und Lützow 8.150.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 1B3

Gule verloren gegangen -■^^), zum Teil in dem sumpfigen Boden stecken geblieben-'*').

Der schweren Artillerie, die kaum zur Thätigkeit gekommen war, hatte der Herzog von Weilsenfels, als er den Befehl zum Rückzüge erliels, einen Vorsprung gegeben.

Die Grenadiere verlielsen das Schlachtfeld zuletzt. Aus der Angabe Pahlens, dafs sie 13 Stunden im Gefecht standen, das soll wohl heiföen, mit dem Feinde in Be- rührung blieben, müfste man folgern, dafs sie Häslicht bis gegen 11 Uhr besetzt gehalten hätten; denn die erste Fühlung mit dem Feinde, d. h. das gegenseitige Erblicken der Vorposten, trat erst am Abend vorher gegen 10 Uhr mit Besetzung der Vorpostenstellungen ein. Dafs die Grenadiere vorher an einem Gefechte beteiligt gewesen wären, davon wissen wir nichts.

Die Angabe ist jedoch stark übertrieben , denn da uns von zwei von einander unabhängigen Quellen"-^') berichtet ward, die Armee sei um 6 Uhr abends im Lager ver- einigt gewesen, so muls der Abmarsch aus Häslicht angesichts des Marsches von über 3^2 Meilen und der dreistündigen Ruhezeit bedeutend früher erfolgt sein.

Bis zu der Marschpause, welche die Grenadiere nach einem Marsche von starken zwei Meilen in Bolken- hain hielten, werden eben die Schlachtteilnehmer sich noch kein sicheres Urteil über die Zeitverhältnisse wieder haben bilden können. Von Bolkenhain aber ist der Brief datiert, in welchem Oberstleutnant von Fahlen über seine Erlebnisse berichtet.

Ein Marsch von ferneren anderthalb Meilen liefs sie um 6 Uhr abends im Lager bei Neu-Reichenau ein- treffen, aus welchem sie bald nach Mitternacht wieder aufzubrechen hatten, um den Rückzug nach Landeshut fortzusetzen.

d) Die Verluste

des Grenadier- Korps waren sehr bedeutend.

Leider sind die Nachrichten darüber sehr unzu- verlässig; die mit den Kompagnien unter Schönberg ver-

'■'^) Neueröffnetes Kriegsarchiv III , 631 imd Tab. I, Ostreich. Militär. Zeitschrift 1825 III, 121, Schuster und Francke II, 41.

-•^'') Angaben mehrerer Soldaten bei Hoff mann.

2'^'') Relation des Prinzen Ludwig Ernst von Braun schweig, sowie Archivarische Nachrichten s. Milit.-Wochenbl. 1841 S. 138 und Lützow S. 150.

134 ^^- Vorberg:

loren gegangenen Kanonen finden sich in den bald nach der Schhxcht noch auf dem Rückzüge durch das Gebirge auf sächsischer Seite zusammengestellten Verlustlisten nicht verzeichnet, da man noch keine Gewilsheit über das Schicksal dieser ganzen Truppe hatte; daher sind nur die 27 Kanonen und eine Haubitze, die die Infanterie im Kampfe in der Gule einbüfste, als verloren angegeben. In dieser Form ist die Verlustangabe auch in die Litteratur übergegangen'--^^). Die Verluste der Häslicht besetzt haltenden 13 Kompagnien giebt Fahlen auf 11 Offiziere und etwa 800 Mann an, die Verlustlisten dagegen "-■'''^) nennen bei allen Regimentern zusammen nur 547 Grenadiere und Zimmerleute, davon 58 verwundet, die übrigen tot, vermilst oder gefangen. Fahlens An- gaben können sich nicht auf das ganze Korps oder auf die 18 sächsischen Kompagnien beziehen, wie die ein- fache Erwägung zeigt, dals die mit Schönberg und Gersdorlf verloren gegangenen vier Kompagnien etats- mälsig 16 Offiziere zählten-*'^'), also mit Einschluls der Stabsoffiziere allein schon mehr als 11 verloren haben müssen. Und wenn auch die von Fahlen angegebene Zahl durch Versprengte und aus der Gefangenschaft Entflohene sich nachträglich stark ermäliäigt haben kann, eine Übereinstimmung mit den veiöffentlichten Listen kann sich daraus allein noch nicht ergeben, obgleich diese frühestens zehn bis zwölf Tage nach der Schlacht zur Veröffentlichung gekommen sind'-''^).

von Schönberg-'^'-) giebt in einer Anmerkung die Verluste der Grenadiere auf 789 Mann an; auf welche Quelle er sich stützt, sagt er nicht. Diese An- gabe würde der Zahl Fahlens nahezu entsprechen.

Die Stärke der gänzlich verlorenen vier Kompagnien berechnet Keibel-"^) aus der V'ergleichung verschiedener Verlustlisten auf 465 467 Mann; zieht man diese von

258) Neueröffnetes Kriegsarcliiv III, 631 und Tab. I; Ü.st- roichische Milit. Zeitschrift 1825 III, 120; Schuster und Francke II, 41.

25») Neueröffnetes Kriegsarchiv III, 631 Tab. I.

260) Schuster und Francke II, 22.

26') Der Abdruck iin Neueröffneten Kriegsarchiv III, 631 ff. befindet sicli in einer Lieferung, deren zeitlicli jüngster Beitrag bis zum 1. Juli reicht; er wird jedoch als „Nachholung" im Anschlufs an die vorhergehende Lieferung bezeichnet, die bis zum 16. Juni reicht.

2«-) S. 124 Anni.

2«3) S. 432, Aum. 2.

Die sächsischen Grenadiere hei Hohenfriedeberg. 135

Scliönbergs Gesamtzahl ab, so bleiben 322 324 Mann Verlust für die 13 Kompagnien Pahlens und eine gänz- lich zersprengte, eine Zahl, die an sich nichts Unwahr- scheinliches hat, aber sich auch nicht mit der Angabe der offiziellen Verlustliste vereinigen lälst.

Genaues läfst sich darüber zur Zeit nicht feststellen.

Über das Loos der Gefangenen erfahren wir aus den Verhören noch allerlei interessante Einzelheiten.

Als Tauchmann längere Zeit nach der Nieder- metzelung seines Bataillons durch die Nassau- Dragoner zu sich gekommen war, fand er Schönberg und Gersdorflf tot auf der Wahlstatt -'^*). Seinen tötlich verwundeten Leutnant von der Mosel hat er dann nach Eisdorf hinein- geschafft, wo noch einige hundert verwundeter Sachsen lagen.

Aus dem Wortlaute, er habe den Verwundeten „auf einen Schiebekarn legen und in das Dörfgen bringen und verbinden lassen", ergiebt sich, dals dies erst später am Tage, etwa um Mittag geschehen sein kann. Die preufsischen Soldaten nämlich, die ihn und 20 andere Grenadiere eskortierten, um sie in einem Meierhofe-**'') in dem Dorfe einzusperren, werden sich zu jener Hilfe- leistung kaum herbeigelassen haben, vielmehr werden Bauern, die zur Aufräumung des Schlachtfeldes auf- geboten waren, seinen Wunsch ausgeführt haben.

Ein Grenadier vom 1. Garde -Regiment von Pahlens Bataillon nennt uns für diesen ersten Akt der Auf- räumung des Schlachtfeldes'-''**) eine bestimmte Zeit, die trotz der Unzuverlässigkeit aller solcher Angaben eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat: etwa 1 Uhr nachmit- tags. Er wurde gleichfalls in ein Dorf gebracht „und in einen Meierhof daselbst eingeschlossen'', wo sich-**') etwa 300 österreichische und sächsische Gefangene be- fanden.

Schon die sachliche Übereinstimmung beider Aus- sagen läfst annehmen, dafs dies gleichfalls Eisdorf ge- wesen sei. Die Kavallerieangriffe auf Pahlens und Friesens

-^^) Aussage 6 bei Hoffmann, S. 36.

265) Ebenda S. 37.

-*'*^) Von dem Sammeln der Gefangenen sagt er: „maafseu sie alles, was sie gefunden, aufgeraffet und mitgenommen hätten" S.Aussage 3 bei Ho ff mann S. 34.

*•'■'} Auch nach Aussage 1 und 2, ebenda S. 32 f.

136 G- Vorbei g

ö

Bataillone fanden westlich von Eisdorf statt-"*'); so lag dieses am bequemsten, um dort die Gefangenen zeitweilig unterzubringen; da dieser Grenadier nur diesen einen Tag in der Gefangenschaft verblieb, kann er nur in oder bei Eisdorf die Leichen von Schönberg -""), Gersdorlf, Gerand und von der Mosel-^") gesehen haben.

Hoffmann irrt also, wenn er-"^) die Angaben dieses und zweier anderer Grenadiere derselben Kompagnie „ein Dorf bald bey Jauer", „ein Mäuerhoff bey Jauer", Ijeziehentlich „zwischen Striegau und Jauer" auf den Gutshof von Eehebeutel an der Ötralse von Striegau nach Jauer deutet.

Dieses Dorf lag für die vorläufige Unterbringung der Gefangenen viel zu weit rückwärts und zugleich über den rechten Flügel des preulsischen Heeres hinaus, nur auf Umwegen erieichbar, jenseits der Sumpfniederung der Weidelache.

Die Bewachung der Gefangenen war nicht muster- giltig; besonders die sächsischen Landeskinder zogen daraus Nutzen. Unter den nach den Protokollen bei Hoffmann Verhörten 27 sind neun noch auf dem Schlacht- felde aus der Gefangenschaft entflohen, und ihre Angaben berichten von drei weiteren Kameraden, die es ebenso gemacht hätten.

Die drei Gardegrenadiere befreiten sich noch am späten Abend, indem sie auf allen Vieren über die Ge- wehr im Arm schlafenden Mannschaften des preulsischen Wachtkommandos, das sie im Kreise umgab, hinaus- krochen und die Mauern überstiegen.

Der mehrerwähnte Tauchmann und sechs Kameraden von seiner Kompagnie-'^-) hatten schon am Tage einen schlecht bewachten Augenblick benutzt, um sich davon zu machen.

2Ö8) S. oben S. 126 f.

-"") Dieser findet sich in den Offizier -Verlustlisten (Neueröffnetes Kriegs -Archiv 111, 637) als tot verzeichnet. Da er (nach Tauch- manns Aussage) gleich zu Beginn des Gemetzels fiel, kann diese Nachlicht durch einzelne zur Armee Entkommene dort bekannt ge- worden sein.

-■'*') Dieser ist aL^o noch im Laufe des Tages gestorben. 2'0 S. H2 Anm. **).

2'-) Von diesen sieben Mann befinden sich nur vier Mann unter den Verhörten.

Die sächsischen Grenadiere bei Hohenfriedeberg. 137

Der Korporal Knoll benutzte dieselbe Gelegenheit; ein Bauer gab ihm sogar Stock und Seitengewehr zurück, ob gutwillig?

Ein vorzügliches Zeugnis für die nur aus Landes- kindern bestehende sächsische Armee seiner Zeit ist es, dals all diese Entflohenen nicht nur in die Heimat zurück- kehrten , sondern sich auch sämtlich sofort bei den Militärbehörden wieder zum Dienste meldeten; ein Karabinier erklärte, „er wollte lieber Ihrer Königlichen Majestät in Fohlen 20 Jahre, als dem Könige von Preufsen ein Jahr dienen".

IV.

stand und Aufgaben der historischen Topographie in Sachsen.

Von Hans Beschoruer.

Unter historischer Topographie versteht man vielfach ganz allgemein eine die geschichtliche Ent\yickelung be- liicksichtigende Beschreibung geographischer Örtlichkeiten, d. h. eines Landes oder seiner Teile mit allen darin be- findlichen Bergen, Gewässern, Fluren, Wäldern, mensch- lichen Wohnstätten u. s. w. So aufgefaist, deckt sich der Begriff fast mit dem der historischen Geographie. Über den Stand dieser Wissenschaft in Sachsen soll jedoch im Folgenden nicht gehandelt werden, vielmehr nur über den der historischen Topographie im engeren Sinne des Wortes, sofern sie es mit der geschichtlichen Beschreibung mensch- licher Wohnplätze zu thun hat, also reine Ortskunde und als solche ein Bestandteil der historischen Geographie ist.

Diese historische Topographie, von unleugbarer Be- deutung für die Geschichtswissenschaft, ist in Sachsen ') bisher auffällig vernachlässigt worden. Blickt man auf Württemberg mit seinen vorzüglichen, vom Königlichen Statistischen Landesamte herausgegebenen Oberamts- beschreibungen-), in denen Geschichte und geschichtliche Hilfswissenschaften sorgfältig berücksichtigt sind, blickt

*) Unter Sachsen wird in diesem Aufsatze meist das Königreich verstanden, ohne dafs dabei ängstlich vermieden wird, gelegentlich auch von früheren Wettiner Gebieten, namentlich der Provinz Sachsen, zu sprechen.

2) 64 Hefte (Bände), 1824—1886.

Historische Topographie in Sachsen. 139

man weiter auf Bayern mit seinen ähnlichen, unter dem Titel Bavaria zusammengefalsten Landesbeschreibungen ^), auf Baden oder das Elsals mit ihren trefflichen orts- geschichtlichen Nachschlagewerken"*), so muls man sich thatsächlich über das Fehlen ähnlicher Werke für unsere engere Heimat wundern; denn die alten geographischen Beschreibungen Sachsens von Merkel, Leonhardi, Schiffner u. a. können hier ebensowenig wie die zahlreichen Orts- verzeichnisse in Frage kommen. Einzig nennenswert ist das sogenannte Postlexikon, das in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts von A. Schumann ange- legt, von A. Schiffner überarbeitet und unter Hin- zufügung fünf besonders Avichtiger Supplementbände zu Ende geführt wurde. In Ermangelung von etwas Besserem ist dieses mit bewundernswertem Fleilse und grolser Sach- kenntnis zusammengestellte Nachschlagewerk immer noch von grofsem Werte, da es nicht nur das Aufsere aller Städte und Dörfer, sowie die Naturschönheiten ihrer Lage und Umgebung anschaulich zu schildern versucht, sondern auch eine reiche Fülle historischen Stoffes in gedrängter Form bietet. Mögen auch die Angaben vielfach lückenhaft und unzuverlässig sein, der Historiker kann das Werk augen- blicklich noch nicht entbehren, denn die meisten Gegenden sind bei uns nicht über Bearbeitungen ihrer Hauptorte hinausgekommen, diese Bearbeitungen aber, in Form von Fremdenführern oder bestenfalls Stadtgeschichten gehalten, dienen zum grölsten Teile eher allen anderen als wissen- schaftlichen Zwecken.

Wie anders sieht es in dieser Beziehung mit Thüringen aus ! Einmal sind hier bereits gute Arbeiten topographischer Natur vorhanden, die ganz Thüringen oder den grölsten Teil davon behandeln. Unter ihnen ist in erster Linie Werneburgs Abhandlung über die Namen der Ort- schaften und Wüstungen Thüringens'^) zu nennen, die alle ortsgeschichtlichen Forschungen zwischen Thüringer Wald und Harz, Saale und Werra ungemein erleichtert. Hätte nur der Verfasser den Begriff Thüringen etwas weiter gefafst und auch Gegenden, wie die Querfurter,

3) Bavaria, Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern, bearbeitet von einem Kreise bayrischer Gelehrter, 11 Bände, München, literar.artist. Anstalt (.T. G. Cotta), 1860—1868.

*) Über diese weiter unten S. 154.

^) In dem Jahrbuch der Königl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, N. F. XII (1884), 1—213.

140 Hnns Beschoiner :

(las rechte Saale-Ufer zwischen Ziegeiirück und Naumburg, Sachsen-Meiiiingen u. a. in den Kreis seiner Forschungen hineingezogen! Jedes Werk, das, wie beispielsweise G. Jacobs Meininger Oitsnanien''). diese von "\Verneburg gelassenen Lücken austüllt, ist mit Freuden zu begrülsen. Neben Werneburg sind dann die beiden Verzeichnisse der untergegangenen Dörfer u. s. w. in den Regierungs- bezirken Mei'seburg^) und Eifurt^) von K. E. Förste- mann, sowie O. Dobeneckers Regesta diplomatica historiae Thuringiae Bd. I und II zu nennen , deren Re- gister als Ortsnachschlagewerk gute Dienste leisten. Auch das Regist lum subsidii clero Thuringiae anno 1506 ini- positi^), die Aufzeichnungen des Thomas von Buttelstedt für die Landschaft Thüringen 1440— 1443 ^") und W. Reins Thuringia sacra^^), die für Thüringens Ortsgeschichte von Bedeutung sind, dürfen hier nicht ungenannt bleiben.

Aber auch einzelne Gegenden Thüringens sind in Sonderwerken vortrefflich bearbeitet worden. Namentlich gilt dies von dem Osten Thüringens, dem alten Osterlande. Für das Herzogtum Sachsen- Altenburg hat J. Lobe, der bekannte Ulfilas-Forscher, im Vereine mit seinem Sohne E. Lobe Mustergiltiges geschaffen. Schon 1850 hatte Wagner eine brauchbare Arbeit über die wüsten Marken des Herzogtums^-) veröffentlicht. J. Lobe berichtigte und vervollständigte sie^"), während sein Sohn die Wüstungen des Amtsbezirkes Roda zusammenstellte'^). Die Ergeb- nisse dieser Untersuclmngen verwerteten beide in ihrem dreibändigen Werke über die Kirchen und Schulen des Herzogtums Sachsen -Altenbui'g mit besonderer Berück- sichtigung der Ortsgeschichte ^•^). Dieses grols angelegte Werk, das ursprünglich als eine Neubearbeitung der

**) Hildbvirghausen, Kesselring, 1894.

■') In den Neuen Mitteihingen aus dem Gebiet histor.-antiquar, Forschuni^en I (1834), 1—78.

») Ebenda II (1836), 260-288.

") Veröffentlicht von U. Stachele in der Zeitschr. f. Thüring. Gesch. N.F. II (1882), 1-179.

1") Gedr. von K. Menze 1 in den Neuen Mitteilungen XII (1869), 425—488.

") Urkundenbuch , Geschichte und Beschreibung der Thüring. Klöster. 2 Teile. Weimar, H. Böhlau, 1863 und 1865.

>•-) In den Mitteil, der Osterl. Gesellschaft III (1853), 209—280.

»3) Ebenda IX (1887), 78-118.

1^) In den Mitteil, des Kahla- Rodaer Geschichtsvereins III (1885), 315-3.30.

»5) Alteuburg, 0. Bonde, 1886, 1887, 1891.

Historische Topographie in Sachsen. 141

Altenbuiger Kircheiigaleiie gedacht war, ist eine all- gemeine, sehr brauchbare Landeskunde geworden, in der der Stoff nicht nur mit denkbar grölster Gewissenhaftig- keit zusammengetragen, sondern auch überall gleichmälsig gut verarbeitet worden ist. Zu diesem trefflichen Buche gesellen sich noch für den Westkreis, dem die beiden Lobes ihren dritten Band gewidmet haben, gute topo- graphische Arbeiten, die in den Mitteilungen des reg- samen Kahla-B,odaer Geschichtsvereins erschienen sind. Namentlich liefs sich hier V. Lommer die Sammlung der Flurnamen angelegen sein^*^).

Die zwischen dem Altenburger Ost- und Westkreise gelegenen Gebiete sind ungleichmäfsig bedacht worden. Böten nicht der alte Stemler^') und das Staatshandbuch für das Grolsherzogtum Sachsen -Weimar- Eisenach ^^) einiges Brauchbare für die Gegend von Neustadt a. d. Orla, wäre man für diesen Teil des Grolsherzogtums fast ganz auf eigene Untersuchungen angewiesen. Dagegen hat das Fürstentum Eeufs-Gera seine ausführliche Landes- und Volkskunde von G. Brückner ^^). Ebenso dürfen die nordwärts davon gelegenen Gegenden als wissenschaftlich ausgezeichnet bearbeiteter Boden gelten. Wenn auch G. E. Otto seine Geschichte und Topographie der Stadt und des Amtes Weilsenfels'") Ende des vorigen Jahr- hunderts schrieb, so ist sie doch noch heute den besten topographischen Werken an die Seite zu stellen. Für Zeitz dagegen und seine Umgebung stellte E. Zergiebel in seiner Chronik von Zeitz und den Zeitzer Dörfern'-^) sehr sorgfältige ortsgeschichtliche Untersuchungen, nament- lich auch über Namen-Etymologie, an.

Ein dem Löbeschen gleichwertiges Buch findet sich für andere Gegenden Thüringens nicht. Gleichwohl sind A. Becks Geschichte der gothaischen Landstädte, Markt-

'^) Flurnamen im Amtshezirk Eahla , in den obengen. Mitteil. III, 139—187 und V (1898), 328—363; ferner Orlamünder Flurnamen, im Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit, N. F. XX (1873), 232—237.

") Der Pagus Orla oder Historie des Xeustädtischen Greises, Leipzig, M. Teubner, 1750.

'^) Weimar, T. F. A. Kühn, 1864 und andere Jahrgänge. Es enthält unter dem Abschnitte Justizämter für das ganze Grolsherzog- tum sehr beachtenswerte Angaben über Ortschaften und Wüstungen.

^9) 2 Teile, Gera, F. E. Köhler, 1870.

-0) Weifsenfeis, F. Severin, 1796.

2') 3 Bände. Zeitz, W. Ronneburger, 1896.

142 Hans Beschorner:

flecken und Dörfer--), F. ß. von Hagkes Urkundliche Nachrichten über die Städte, Dörfer und Güter des Kreises Weilsensee--^), M. J. Dominikus' bereits Ende des vorigen Jahrliunderts erschienenes Buch über Erfurt und das Erfurtische Gebiet-^) und C. G. Altenbur^s Topo- graphisch-historische Beschreibung der Ötadt Mühlhausen i. Th.--^) sehr brauchbare Hilfsmittel für die Ortsforschung. Weimar besitzt keine Stadtgeschichte, doch eine Art Ersatz dafür in der von Franke mit umfassenden Er- läuterungen versehenen Ausgabe des sogenannten Koten Buches von Weimar'-*'). Endlich sind die in neuerer Zeit herausgegebenen Urkundenbücher der Städte Mühl- hausen"), Erfurt-^), Bürger-'*) und Jena=^''), die zum Teil noch ihrer Vollendung warten, und einige Familien- geschichten nicht zu vergessen. Ich nenne von letzteren die des Geschlechtes von Tümpling^'), der namentlich im Eisenachschen angesessenen Familie von Wangenheim •^-), der Witzleben •^=^) und der Salza^^*). Auffällig vernach- lässigt erscheinen in Thüringen nur einzelne Gebiete, so namentlich das Dornburgei-, merkwürdiger Weise auch das Naumburger und Eisenacher, für die man in topographischer Hinsicht meist allein auf Werneburg und Förstemann angewiesen ist.

«■-) 2 Teile. Gotha, E. F. Thienemann, 1875 und 1876.

•-■') Weifseiisee, G. F. Grofsmann, 1867. Ein Register fehlt leider dem Werke.

''*) 2 Teile. Gotha, 0. W. Ettinger, 1793.

2'') Mühlhausen, E. W. Rohling, 1824.

-«) Gotha, F. A. Perthes, 1891. (Thüring.- sächs. Geschichts- bibliuthek II.)

2') Von K. Herquet. Halle, Waisenhaus, 1874. {Geschichts- quellen d. Prov. Sachsen III.)

-s) Von C. Beier. 2 Bände. Halle, O.Hendel, 1889 und 1897. (Geschichtsquellen d. Prov. Sachsen XXIII und XXIV.)

-») P. Mitzschke, Urkundenbuch von Stadt und Kloster Bürget. I.Teil. Gotha, F.A.Perthes, 1895. (Thüring. sächs. Geschichts- bibliothek III.)

3») Von J. E. A. Martin. 1. Teil. Jena, G. Fischer, 1888.

31) 3 Bände. Weimar, Böhlau, 1888—1894. Sie kommt nament- lich für die Kamburger Gegend in Betracht.

=*-) H. A. V. Wangenheim, Beiträge zu einer Familien- geschichte der Freiherren v. Wangenheim. Göttingen, E. A. Huth, 1874. Dazu Regesten und Urkunden. 2 Bände. Hannover, Fr. Culemann, 1857 und Göttingen, E. A. Huth, 1872.

3=*) G. A. und K. H. A. v. Witzleben, Geschichte des Ge- schlechtes v. Witzleben. 2 Teile. Berlin, A. Bath, 1880.

^) Regesten des Geschlechtes Salza. Leipzig, F. A. Brock- haus, 1853.

Historische Topographie in Sachsen. 143

Noch maiiclie Arbeiten von ganz lokaler Bedeutung, z. B. die beiden von E. Schmid über die Jenaer Gegend ^^) und ähnliche, könnten hier wegen ihrer Brauchbarkeit genannt werden. Namentlich wäre noch viel Gutes über die Erforschung der am Fulse des Harzes gelegenen thüringischen Landstriche zu berichten, um die sich der Harz verein imd besonders Männer, wie Grölsler und K. Meyer, sehr verdient gemacht haben. Allein das Gesagte wird bereits zur Genüge erkennen lassen, wie sorgsam in Thüringen zumeist das Gebiet der Ortskunde angebaut worden ist.

Wie weit steht im Vergleich hierzu das Königreich Sachsen zurück! Der Werneburgschen Arbeit, in der alle Ortsnamen, gleichviel welcher Abstammung, Berück- sichtigung gefunden haben, sind nur G. Heys Werk über die slavischen Siedlungen im Königreich Sachsen''*^) und den Förstemannschen Zusammenstellungen untergegangener Ortschaften „Sachsens wüste Marken" von E. Herzog^') gegenüberzustellen, eine Arbeit, der weiter unten noch einige Worte gewidmet werden müssen. Ein Buch von der Löbeschen Vielseitigkeit, Zuverlässigkeit und Genauigkeit fehlt ganz. Keine Gegend des Königreichs ist annähernd so sorgfältig behandelt, wie das Herzogtum Sachsen- Altenburg. Höchstens könnte hier an Freiberg mit Um- gebung gedacht werden , für das der dortige Altertums- verein, gegründet und lange Jahre geleitet von dem kürzlich verstorbenen Heinrich Gerlach'^'*), viel in historisch -topographischer Hinsicht getlian und für das aufserdem H. Erraisch ein dreibändiges Urkundenbuch '^^j mit sehr brauchbarem Orts- und Personenregister bearbeitet hat. Die Urkundenbücher der Städte Dresden*") und Leipzig*^) beschränken sich ihrem Plane gemäls auf den

'^^) Geschichte der Kirchbergschen Schlösser auf dem Hausberge bei Jena. Neustadt a. d. Orla, K.G.Wagner, 1830. Die Lobdeburg bei Jena. Jena, F. Frommann, 1840.

3«) Dresden, W. Baensch, 1893.

3') S. Anm. 76.

^^) Über seine Verdienste s. in dieser Zeitschrift XX, 837 f. und in den Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins XXV (1898), 1—16.

39) Cod. dipl. Sax. reg. II, 12-14.

■*") Herausg. von K. v. Posern -Klett. Leipzig, 1875. (Cod. dipl. II, 5.)

*') Herausg. von K. v. Posern -Klett und Jos. Förstemann. 3 Bände. Leipzig, 1868, 1870, 1894. (Cod. dipl. II, 8—10).

144 Hans Beschorner:

eigentlichen Stadtbezirk, Oschatz hat dagegen seine aus dem Anlange dieses Jahrhunderts stammende, vortreff- liche historische Beschreibung der Stadt, des Amtes und der Diözese"*-'), worin der Ortsgeschichte, den Flur- bezeichnungen und Wüstungen vollkommen Rechnung ge- tragen wird. Grimma hatte schon vor dem Erscheinen des von L. Schmidt bearbeiteten Urkundenbuchs^") eine auch das Amt umfassende Stadtgeschichte von Chr. G. Lorenz^"*), die sich zwar nicht durch Verarbeitung des Stoffes, wohl aber durch Reichhaltigkeit und Genauigkeit auszeichnet, und auch in mancher anderen Stadtgeschichte finden sich einzelne Kapitel oder Seiten, die von dem Topographen der Beachtung gewürdigt zu werden ver- dienen. Im übrigen sind nur noch wenige Arbeiten zu nennen. Für die Lausitz liegen Urkundenbücher der Städte Kamenz und Löbau^'^) vor, während zahlreiche Arbeiten über die Geschichte einzelner Lausitzer Ort- schaften, Burgen, Kirchspiele, über Ortsnamen, Wüstungen u. s. w. in den 75 Bänden des Neuen Lausitzischen Magazins verstreut sind. Weiter hat das Vogtland im wesentlichen brauchbare topographische Hilfsmittel in den mit aus- reichenden Ortsregistern versehenen ürkundensammlungen von J. Müller^«), C. von ßaab^') und B. Schmidt*^), und einzelne beachtensweite Aufsätze zur Landeskunde in den Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen i. V. Sonst dürfte aber aulser den Meilsner '"jund dem Chemnitzer Urkundenbuche'''"), einzelnen Abschnitten in Märckers

^-) Von C. S. Hoffmann. 2 Teile. Oschatz, Oldecop, 1815 bis 1817.

•»3) Leipzig, 1895. (Cod. dipl. Sax. reg. II, 15.)

") Leipzig, Dyk, 1856.

*^) Herausg. von H. Knothe Leipzig, 1883. (Cod. dipl. Sax. reg. II, 7.)

*'^) Urkunden und Urkundeuauszüge zur Geschichte Plauens und des Vogtlandes 1122—1356, in den Mitteil. d. Altertmns- vereins zu Plauen I V (1880 1H85). Band X enthält das Register dazu.

'*■') Regesten zur Orts - und Familiengeschichte des Vogtlandes. Plauen, F. E. Neupert, 1893—1898.

''*) Urkundenbuch der Vögte von Weida, Gera und Plauen. Jena, G. Fischer, 1885 und 1892 (Thüringische Geschichtsquellen N. F. II).

■''') Urkundenbuch des Bistums Mcil'sen im Cod. dipl. Sax. reg. II, 1—3 und der Stadt Meifsen und ihrer Klöster ebenda II, 4, beide von E. G. Gersdorf.

^-0) Von H. Ermisch, im Cod. dipl. Sax. reg. II, 6.

Historische Topographie in Sachsen. 145

Burggrafentum Meifsen''*0 und Beyers Kloster Altzelle''^-), sowie einer E,eihe guter Familiengeschichten, z, B. der Schönberge '^^), der Donin ^^), der Köckritze^^'"'), der Schlei- nitze^'"), kaum etwas Bemerkenswertes zu nennen sein. Dabei versteht es sich von selbst, dals auf Einzelarbeiten rein lokaler Natur nicht eingegangen werden kann. Wer Sonderstudien über eine kleine Stadt, ein Dorf oder dergl. treibt, findet den Stoff darüber in Weinarts Versuch einer Litteratur der sächsischen Geschichte und Staats- kunde und in Richters Litteratur der Landes- und Volkskunde übersichtlich zusammengestellt. Hier han- delte es sich im wesentlichen darum, an den Hauptwerken den heutigen Stand der historisch-topographischen Wissen- schaft bei uns zu Lande zu veranschaulichen. Ein Ver- gleich mit Thüringen mufste dabei in jeder Beziehung geeignet erscheinen, die Umrisse des Bildes schärfer hervortreten zu lassen. Leider konnte er nicht zu Gunsten des Königreichs Sachsen ausfallen.

Dieses ungünstige Urteil vermag nur durch die Be- merkung gemildert zu werden, dals wir in unseren karto- graphischen Hilfsmitteln Thüringen überlegen sind. Erst- lich umfalst der von dem Geographen Zürn er im Auf- trage Augusts des Starken gezeichnete und von Schenk 1745 1760 in Amsterdam gestochene Atlas"^'), der na- mentlich wegen Angabe der Amtergrenzen für uns von Bedeutung ist, aufser dem Königreich Sachsen nur ein- zelne Teile Thüringens. Sodann besitzen wir etwas ganz besonderes in der Oederschen Landesaufnahme'^^), die Ende des 16. Jahrhunderts aufs Gewissenhafteste mit Quadranten, Kompals und Meisschnur ausgeführt worden ist. Von der in sehr grofsem Mafsstabe (etwa 1 : 1500)

51) Namentlich S. 162—253 und 271—279. ^'•^) Vergl. S. 379 ff.

^^) Von A. Fraustadt und B. v. Schönberg. 3 Bde. Leipzig, Giesecke & Devrient, 1878.

ö^) Berlin, König). Geh. Oberhofdruckerei, 1876.

55) Von D. V. Köckritz. Breslau, J. Max, 1895.

56) Berlin, R. Eisenschmidt, 1897. Mülverstedts Diploma- tarium Ileburgense (Magdeburg, E. Baensch, 1877 und 1879) verdient wegen seiner Unzulänglichkeit in Ortsbestimmungen kaum erwähnt zu werden.

•") Über seine Entstehung vergl. F. J. Bertuchs AUg. geogr. Ephemeriden XXXVIII (1812), 490-499 und Zschocke im Archiv für Post und Telegraphie 1892, Nr. 5 und 6.

5S) Dresdner HStA., Abteil. XL Rifsschrank E, unteres Fach.

Neues Ai-chiv f. S. G. u. A. XXI. 1. 2. 10

14.Q Hans Beschornor:

gehaltenen Karte ■^") ist eine Verkleinerung (um \,.j der ursprünglichen Grülse) aus dem ersten Drittel des 17. Jahr- hnnderts, die sogenannte Zimmermannsche Kopie, vor- handen*'"), die, so weit das heutige Königreich Sachsen in Frage kommt, bereits durch S. Rüge*") vervielfältigt ist. Die Oeder-Zimmermannsche Karte ist übrigens nicht leicht zu benutzen. Ganz abgesehn von der oft sehr undeutlichen Schrift, ist sie nicht in der heute üblichen Weise orientiert, so dals der Oberrand die Nord-, der linke die Westseite u. s. w. bedeutet, sondern gerade um- gekehrt. Doch ist ihr Wert für Orts- und Flurnamen, für Wüstungen und dergl. unschätzbar, und daher wohl auch kein Quellenwerk für die Topographie wichtiger, als die Oedersche Karte. Noch sei vor ausschliefslicher Benutzung der Zimmermannschen Verkleinerung gewarnt. So sorgfältig sie gearbeitet ist, weist sie doch Ungenauig- keiten, ja unmittelbare Irrtümer auf.

Die kartographische Überlegenheit Sachsens beruht endlich noch in zwei anderen Landesaufnahmen. General- stabskarten, ohne die eingehende topographische Studien undenkbar sind, besitzt Thüringen selbstverständlich in der- selben trettlichen Weise wie Sachsen, nicht aber die schöne Topographische Karte in 1:25 000 der natürlichen Grölse *'■-). Bedauerlich ist nur, dafs sie verhältnismälsig wenig Flurnamen aufgenommen hat. Wer diese sucht, muls zu dem Ober reitschen Atlas"') greifen, der zwar bei weitem nicht so klar wie jene ist und sich wegen der Gröfse der einzelnen Blätter schlecht handhabt, aber

'■'") Sie bedeckte seiner Zeit eine Fläche von 50 qm nnd besteht noch heute aus 100 Sektionen von 76 : 52 cm.

öo) Dresdner HStA., Eifsschrank VII, Fach 92, Nr. 10. Über Oeder und die Zimmermannsche Kopie vergl. vor allem S. Rüg es Vorrede zu seiner Ausgabe (s. Anm. 61), seinen Aufsatz Über die Ge- schichte der sächsischen Kartographie im 1 6. .] ahrhuudert, in Kettlers Zeitschr. f. Wissensch. Geogr. II (1881), 231 235, und A. Kirch - hoffs Abhandlung über Matthias Oeders grofses Kartenwerk in dieser Zeitschrift XI, 319 332.

«1) Die erste Landesvermessung des Kurstaates Sachsen ..... von Oeder, zum 800jährigen Regierungsjubiläum des Hauses Wettin herausgegeben von der Direktion des Hauptstaatsarchivs. Dresden, Stengel & Markert, 1889.

*'■-) Herausgegeben durch das Königl. Finanzministerium, l)e- arbeitet im topographischen Bureau des Königl. Generalstabes. 156 Blätter. Leipzig, Giesecke & Devrient, 1875—1888.

«») Auf Bef. König Friedrich Augusts bearbeitet bei der Königl. Militär-Plankammer. 22 Sektionen (1 : 57 600). 1821—1860.

Historische Topographie in Sachsen. 147

eine Eülle von Bezeichnnngen für Felder, Wiesen, Schluch- ten, Wege, Wälder, Gehölze ii. s. w. aufweist. Auch diese Karte muls als ein vorzügliches topographisches Hilfsmittel bezeichnet werden.

Mit Freuden kann man diesen ansehnlichen Bestand an brauchbaren Kartenwerken feststellen, darf sich aber deshalb nicht über den Tiefstand der Topographie im allgemeinen, wie ihn ein Vergleich mit Thüringen deutlich erkennen liefs, hinwegtäuschen wollen. Die Anforderungen moderner historischer Wissenschaft verlangen hier ganz entschieden einen Fortschritt. Wie aber ihn herbei- führen ?

Zunächst machen sich eine ganze Reihe von Vor- arbeiten nötig. Ehe an grölsere, zusammenfassende Werke gedacht werden darf, müssen zuverlässige Grundlagen dafür geschaffen werden. In den Vordergrund müssen Quellen -Veröffentlichungen treten. Die ältesten Stücke, die etwa hier in Frage kommen, sind ein altes Zins- register vom Jahre 1314, das aus einem Oktavhefte von neun Blatt besteht und infolge starker Verwitterung nicht leicht zu entziffern ist*'*); ferner vier Beteverzeichnisse des Amtes Meifsen 1334 1336''-^), in denen die bete- pflichtigen Ortschaften nach Supan- und Withasenbezirken aufgezählt werden. Das erste davon hat bereits Frau- stadt'^*') gewissenhaft gedruckt und nach Möglichkeit mit Erklärungen der schwierigen Ortsnamen versehen. Auch die anderen drei sollten veröffentlicht, alle vier aber unter einander verglichen werden, um zu sichereren Ortsbestimmungen, als sie Fraustadt giebt, gelangen zu können.

Wichtiger noch wegen ihres Umfanges und ihrer gröfseren Genauigkeit sind das Lehnbuch Friedrichs des Strengen von 1349*'^) und das Verzeichnis landes- herrlicher Einkünfte von 1378*^^). Da ersteres im Auf-

'^^) Dresdner HStA., Wittenberger Archiv, Kammer Sachen, Loc. 4332, I. Ein Packet einzelner Sachen, fol. la.

ß5) Dresdner HStA., Orig.-Urk. 2647.

eß) Gesch. des Geschlechts v. Schönberg II, 252—262.

6'') Dresdner HStA., Cop. 24.

^^) Ebenda, Wittenb. Archiv, Kammersachen, Loc. 4383, Ver- zeichnis der Einkünfte aus den Thüringischen und Meifsnischen Ämtern und Orten, 1378, Nr. 3 (Verz. 1378, 3). Eine wörtlich überein- stimmende deutsche Übersetzung (Verz. 1378, 2) aus dem 15. Jahr- hundert liegt ebendaselbst unter der Aufschrift: Register der zu-

10*

148 Hans Beschorner:

trage der Königl. Sächsischen Kommission für Geschichte binnen kurzem veröffentlicht werden wird, kann auf Be- merkungen über Anlage des Werkes und seine Bedeutung für die mittelalterliche Topographie unter Hinweis auf die ausführliche Einleitung an dieser Stelle verzichtet werden. Nur das eine sei betont, dals das Lehnbuch infolge seiner Einteilung in Ämter bei einiger Vorsicht zur Feststellung der mittelalterlichen Ämtergrenzen vorzüglich geeignet scheint. Ebenbürtig tritt ihm in dieser Beziehung nur das Verzeichnis 1378, 3 an die Seite, das sich auch nach Amtern gliedert. Unter jedem Distrikte zählt es alle abgabepflichtigen Städte, Dörfer und Wüstungen auf, und zwar in verschiedenartiger Anordnung. Das Amt Meifsen ist, ähnlich wie in dem obengenannten Verzeichnisse von 1334, nach Supauien geordnet, Weilsenfels nach Sedes. Bei dem einen Amte Dresden ist die alphabetische Folge gewählt, für uns die ungünstigste Art, weil damit die Spuren der Lage innerhalb des Amtes vollkommen ver- wischt werden. Glücklicherweise ist sie nur bei dem einen Amte angewendet, während die anderen so angelegt sind, dafs Nachbarort an Nachbarort gereiht wird. Die Entscheidung, ob dabei weitere Gesichtspunkte malsgebend waren und worin diese bestanden, muls genaueren Unter- suchungen vorbehalten bleiben. Der eine grolse Vorzug springt jedenfalls schon heute in die Augen, dafs sich aus dem vor- und nachher genannten Dorfe jedesmal die Lage des dazwischen aufgeführten ziemlich genau be- stimmen lälst.

Erst wenn diese ältesten Quellen der Öffentlichkeit übergeben sind, darf an die Herausgabe ähnlicher Auf- zeichnungen aus späterer Zeit, namentlich jüngerer Lehn- bücher, gedacht werden. Die Ortskunde, vornehmlich der Meilsner Gegend, würde sehr durch sorgfältige Heraus- gabe und Bearbeitung des von Märcker*^'') ungenügend

gehoruiig der amiit Doringen und Meifsen a. 1376 am tag Clementis; desgleichen eine etwa aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts stam- mende hiteinische Abschrift. Doch ist diese nicht wortgetreu, son- dern zeigt meist eine zusammengezogene Fassung und bisweilen andere Stoffgliederung; auch enthält sie öfters genauere Angaben als das Original. Den Schlufs des Verz. 1878, 3, der Sumraularium registri municionum dominorum raarchionum Mizscnensium über- schrieben ist, hat sie nicht. Vergl. hierzu auch Franke, Das Kote Bach, S. Iti f.

«") Burggraftum Meifsen S. 270 ff.

Historische Topographie in Sachsen. 149

veröffentlichten Forchheimer Schieds'") gewinnen. Allerdings ist dies keine kleine Aufgabe, da der Schied aus einem 32 cm breiten Papierstreifen von 6 Va m Länge besteht. Sein Inhalt müfste gewissenhaft mit dem anderen, in Nürnberg befindlichen Exemplare verglichen werden, da die Ortsnamen oft bis zur Unkenntlichkeit entstellt sind. Reicher landeskundlicher und ortsgeschichtlicher Stoff liegt in den Lehnbriefen, Tausch vertragen, Grenzrecessen und ähnlichen Dokumenten aufgespeichert. Sie werden zumeist in dem dritten Hauptteile des Codex diplomaticus Saxoniae regiae, in den die Urkimdeji zur Geschichte kleinerer Städte, Marktflecken, Dörfer und einzelner Ge- schlechter aufgenommen werden sollen, veröffentlicht werden. Da dies aber kaum so bald zu erwarten steht, wäre es von Wichtigkeit, schon jetzt einzelne unter den Originalurkunden des Dresdner Hauptstaatsarchivs und anderwärts befindlichen Hauptstücke dieser Art, soweit es nicht bereits geschehen ist, mit hinlänglichen Erläu- terungen herauszugeben. Eine grolse Zahl von Lehn- briefen u. dergl. käme von vornherein in Wegfall. Aber solche von Orts-, Wüstungs- und Flurnamen strotzende Urkunden, wie beispielsweise die Lehnbriefe für die Ge- brüder von Pack über Orte der Delitzscher Pflege vom 14. Juni 1501 (Orig. Urk. 9453), für die Löser über die Herrschaft Pretsch vom 25. März 1530 und vom 23. März 1612 (Orig. Urk. 10 580b und 12 745b), für die Grafen zu Barby über diese Herrschaft vom 17. März 1612 (Orig. Urk, 12 745) u. s. w., müssen ganz entschieden für die Ortskunde der betreffenden Gegenden bearbeitet werden. \ Weiter ist an Rechnungsbücher, wie sie für Delitzsch aus den Jahren 1394, 1404'^^) und später vorliegen und sich auch für andere Ämter finden^-), an Zinsregister, an Amts- und Erbbücher aus dem 16. Jahrhundert zu denken, die wertvolles Material für die ortsgeschichtliche Forschung in sich bergen. Vielfach werden sich bei diesen

'0) Dresdner HStA., Orig-.-Urk. 6364 (1435 Juli 26.); dazu die bnrggräfliche Klageschrift, Loc. 9774 (Burggraf Heinrichs zu Meifsen Beschwerungen u. s. w. 143.5) und viele auf die Streitsache bezügliche Schriften, Loc. 9774 (Rechtssachen und Irrungen).

"^O Dresdner HStA., Loc. 7364, Zinsregister (liber precariarum) in Delitzsch 1394; Loc. 4333, Zinsregister der Ämter Delitzsch, Düben und Zörbig 1404.

'-) Vergl. die Übersicht der Amterrechnungen aus der Zeit bis 1407 in dieser Zeitschr. XVIII (1897), 4 f.

150 Hans Beschorner:

an Stelle vollständiger Ansgaben zweckentsprechende Aus- züge oder Bearbeitungen empfehlen.

Natürlich bedarf es kaum der Erwähnung, dafs der Topograph auch allen anderen Originalurkunden, nicht blols den oben angedeuteten, und namentlich auch den zahlreichen Kopialen eingehende Beachtung schenken mufs. Jedes Urkundenbuch, das ihm eine Fülle dieses Stoffes in leicht zugänglicher und übersichtlicher Form bringt und gute Ortsregister aufweist, wird er mit Freuden be- grüfsen, ebenso wie ernsthaft gearbeitete Familien- geschichten, deren AVert, wenn sie nur einige Gewähr für Zuverlässigkeit bieten, kein Historiker leugnen kann. Freilich wird es nie so weit kommen, dals alles einiger- raafsen für die Topographie wichtige Quellenmaterial in Urkundenbüchern, Chroniken, Familiengeschichten u. s. w. handlich und bequem zu Gebote steht. Namentlich bietet die Ausbeutung der Kopiale des Hauptstaatsarchivs die gröisten Schwierigkeiten. Darum gilt es für den Topo- graphen, sich auch an das Aktenmaterial selbst heran- zuwagen. Gute Ortsregistranden, wie deren das Haupt- staatsarchiv zu Dresden eine ganze Eeihe besitzt, können die saure Arbeit sehr erleichtern. Über die in den Original- urkunden des genannten Archivs vorkommenden Orte unterrichtet meist zuverlässig die Ortsregistrande zu den Originalurkunden '=^). Für die Kopiale dagegen hat es ein vortretfliches Nachschlagewerk in den sogenannten Cramerschen Extrakten über Örter'*). Freilich ist es, von der Notwendigkeit steter Nachprüfung nicht zu reden, schwer zu benutzen, da die Scheidung gleich- oder ähnlich- klingender Ortsnamen nicht durchgeführt ist.

Den allergröfsten AVei't für die Topographie besitzen selbstverständlich Karten -Vervielfältigungen. Von der Oederschen Landesaufnahme, der sogenannten Zimmer- mannschen Kopie und ihrer teilweisen Veröffentlichung durch S. Kuge war bereits oben die Rede. Diese höchst

'.ä) Abteil. XVI, Nr. 1121, Bxtracte verschiedener Documenten über Orter sub. Litt. A— Z, 24 Bände, mit einem dazugehörigen Repertorium, einem al])habetischen Register und einem alphabetischen Ortsverzeichnisse zur älteren Geographie Sachsens, das in alte Orts- namen und ihre jetzige Benennung, Wüstungen und geistliche In- stitute eingeteilt ist.

'^) Abteil. XVI, Nr. 1172, 1.5 Bände sub. Litt. A—Z; aufserdem 5 Bände zu Stiftern und Klöstern (Abteil. X\'I, Nr. 1370> und eine Reihe von Miscellan- Bänden.

Historische Topographie iu Sachsen. 151

dankenswerte Publikation erweckt den Wunsch, mögiiclist bald auch die übrigen, über die Grenzen des Königreichs Sachsen hinausgehenden Sektionen allgemeiner Benutzung zugäugig gemacht zu sehn. Nicht minder wichtig wäre ein genaues Verzeichnis aller auf der Oeder-Zimmermann- schen Karte eingetragenen Namen unter Hinzufügung der nötigen Erklärungen. Ebenso ist, beiläufig gesagt, die Anfertigung eines ähnlichen Namensregisters für den Schenkschen Atlas ein vielfach empfundenes Bedürfnis"^).

Ehe übrigens an Reproduktion der noch nicht ver- öffentlichten Oeder-Zimmermannschen Blätter gegangen würde, müfste die Kartenabteilung des Dresdner Haupt- staatsarchivs nach versprengten, bisher unbekannten Stücken durchsucht werden; denn alle Stücke der Karte sind kaum bisher völlig bei einander. Erst kürzlich noch wurde die wichtige Aufnahme der Tauchaer Gegend zu- fällig gefunden und dem Werke einverleibt. Überhaupt wäre es eine sehr notwendige, aber auch mühselige Arbeit, alle Eisse des Dresdner Hauptstaatsarchivs auf ihre historisch -topographische Verwertbarkeit hin durchzusehn. Viel unschätzbares und bisher so gut wie unbeachtetes Material würde dabei zu Tage gefördert werden. So findet sich z. B. Abteilung XI, Bifsschrank I, Each 6, Nr. 1 ein buntes Kärtchen des Amtes Zörbig mit den dazu gehörigen Dörfern, das mit gröfster Klarheit fast alle wünschenswerten Aufschlüsse über Fluren und Wüst- marken giebt. Wieviel Licht vermag ein solcher kleiner Bifs auf eine bisher ziemlich dunkle Gegend zu werfen! Welchen Aufwand an Zeit und Mühe vermag er zu er- sparen! Auch wenn zunächst von Veröffentlichung der- artiger wichtiger Pläne abgesehen würde, böte doch ein kurzer Überblick über die bei ortskundlichen Studien zu berücksichtigenden Karten grolse Erleichterung; denn auch viel Wertloses, das von dem Brauchbaren in den Karten- registranden nicht zu unterscheiden ist, liegt in den Rifs- schränken aufbewahrt.

'^) Die landeskundliche Litteratur für Nordthüringen u. s. w. (HaUe, Tausch & Grosse, 1884) spricht S. 76 von einem über das Kurf. Sachsen u.s.w. u.s.w. neu verfertigte Karte nach alphabetischer Ordnung eingerichteten Register zu Petrus Schenk, Amsterdam 1758, scheint aber damit kein besonderes,. .bereits vorhandenes Namens- verzeichnis, sondern lediglich eine Amterübersicht zu meinen, wie sie den meisten Exemplaren von Schenk vorgeheftet ist.

152 Hans Reschorner:

So viel von den Vorarbeiten! Erst wenn diese ab- geschlossen oder zum guten Teile beendet sind, darf an die drei grolsen Aufgaben gedacht werden, die ihrer Erledigung harren. Die erste davon, gewissermalsen auch noch eine Vorarbeit zu den beiden folgenden, besteht in einem möglichst genauen und vollständigen Wüstungs- Verzeichnisse. Thüringen hat, wie bereits oben erwähnt, für den gröisten Teil seines Gebietes solche Zusammen- stellungen, die zwar auch durchaus nicht vollständig und überall einwandsfrei, aber im ganzen doch sehr brauchbar sind. Andere thüringische Gegenden, für die Wüstungs- arbeiten noch fehlen, sind von der historischen Kommission der Provinz Sachsen in Angritf genommen. So ist die Bearbeitung des Wüst ungs -Verzeichnisses der Kreise Heiligensta'dt, Worbis, Mühlhausen und Duderstadt durch von Wintzingerode vollendet, während sich das des Nordthüringgaues vonHertel bereits in Druck befindet. Das Königreich Sachsen begnügt sich dem gegenüber noch mit der höchst fragwürdigen Arbeit Herzogs über die wüsten Marken (s. S. 143). So grolse Verdienste dieser Mann um die Geschichte Zwickaus haben mag, so leicht- fertig und kritiklos hat er hier, was er in älteren Werken fand, zusammengehäuft und möglichst ungeschickt an fünf verschiedenen Stellen des Archivs für die Sächsische Geschichte'*') veröffentlicht. Ein anderes Werk über vom Erdboden verschwundene Ortschaften ist vielen Forschern nur bedingt zugänglich, da es als Handschrift auf dem Dresdner Hauptstaatsarchiv liegt: das mit grolser Ge- lehrsamkeit, aber leider auch mit wenig prüfendem Urteile zusammengetragene Wüstungs-Verzeichnis des Kandidaten A. Schiffner (1856)^"). Im übrigen ist man noch auf das Postlexikon, das zahlreiche, freilich auch nicht immer zuver- lässige Angaben über Ödungen enthält, und auf Monogra- phieen für einzelne Gegenden angewiesen, z. B. G autsch s Verzeichnis sämtlicher Wüstungen in der sächsischen

™) 11, 59—110 und 19;{ 218; ¥,319 825; X, 77-85; XII, 90 96. '

.. ■") Dresdner HStA., Bibliothek, Abteil. Handschriften Y, 14b. Übrigens hat sich in dem liandscliriftlichen Nachlasse des genannten Geographen auf der Köiiigl. Bibliothek zu Dresden, der erst kürz- lich geordnet wurde, noch ein anderes, umfangreiches Wüstungs- register gefunden. In welchem Verhältnisse dieses zu dem obigen steht und auf welchen Quellen es beruht, nmfs noch näher unter- sucht werden.

Historische Topographie in Sachsen. 153

Schweiz'^), Dosts Wüste Marken im Schönburgischen ^^), Hoff mann ^*') u.s.w. Diese Arbeiten würden die Grundlage für das neu anzulegende Wüstungslexikon bilden müssen. Zuvor aber wäre es nötig, sie aus dem urkundlichen Material heraus gründlich zu berichtigen und zu ver- vollständigen. Eine Erörterung der Wege, die hierbei eingeschlagen werden müssen, würde zu weit führen. Es sei nur auf den einen Punkt noch ausdrücklich hingewiesen, dals eine Aufnahme aller Flurnamen der Arbeit sehr zu statten kommen würde. Viele verschwundene Dörfer leben nur noch im Namen eines Feldes, einer Wiese oder Wald- parzelle fort. Wie leicht ist infolgedessen oft die Lage eines ehemaligen Dorfes mit Hilfe einer heutigen Flur- bezeichnung festzustellen !

Flurnamen sind schon immer, auch bei uns, gesammelt worden, allein in einer durchaus ungenügenden Weise. Nur einzelne ihrer Form oder Bedeutung wegen für den Sprachforscher wichtige wurden herausgegriffen. Solche Zusammenstellungen haben natürlich für den Topographen nur eine sehr bedingte Bedeutung. Für diesen müssen möglichst vollständige Flurnamen -Verzeichnisse, wie die von Lommer für die Kahlaer Gegend *^^), gefordert werden. Das Königreich Sachsen hat erst für eine einzige Gegend ein solches. P. Kühnel sammelte die slavischen Orts- namen der Oberlausitz ^"-) und erleichterte die Benutzung des wertvollen Hilfsmittels durch ein sorgfältig gearbei- tetes Register. Leider fehlen hier, ebenso wie bei Lommer, genaue Quellenangaben und Bezeichnung der Lage für die einzelnen Flurstücke. Beides dürfte meiner Meinung nach bei ähnlichen Arbeiten in Zukunft nicht unterbleiben. Hoffentlich lassen diese nicht lange auf sich warten. Eile thut hier not; denn die Flurnamen gehen mit wachsender Schnelligkeit ihrem vollständigen Untergange entgegen, indem Katasternummern an Stelle der alten, volkstümlichen Bezeichnungen treten. Lehrreich für diese Thatsache ist eine Vergleichung der an Flurnamen reichen Oberreitschen mit der topographischen Karte, die, wie schon gesagt, an Flurnamen meist gieichgiltig vorüber-

'8) In Über Berg und Thal I, 101—108. '''*) In den Schönburgischen Geschichtsblättern I, 193 204. »0) Gesch. V. Oschatz II, 14—29. «0 S. oben Anm. 16.

S-) Neues Laus. Mag. LXVI, LXVII, LXIX-LXXI, LXXIIl; das Register LXXIV und LXXV.

154 Hans Beschonier:

gegangen ist. Als besonders geeignete Flnrnamensammler müssen Landgeistliche, Lehrer und andere Männer er- scheinen, die Interesse für die Vergangenheit der von ihnen bewohnten Gegend haben. Den Stoß' bieten ihnen neben mündlicher Überlieferung in ausgiebigem Malse die Flurbücher, die bei den Gemeindebeliörden, den Bezirks- steuer-Einnahmen und im Finanzministerium liegen, sowie die bei den Kreissteuerräten aufbewahrten Flurkarten, bezw. Menselblätter. Dagegen dürfen auf den von der Königlich Sächsischen Kommission für Geschichte vor- bereiteten Flurkarten-Atlas in dieser Beziehung nicht zu greise Hoffnungen gesetzt werden, da dieser durchaus nicht alle sächsischen Flurkarten, sondern, dem Karten- bande des Meitzenschen Werkes vergleichbar^'^), nur eine Auswahl in wirtschaftsgeschichtlicher Hinsicht wichtiger Aufnahmen enthalten wird.

Erst wenn das Wüstungs-Verzeichnis fertiggestellt ist, sollte zu dem zweiten, unentbehrlichen Werke ge- schritten werden, zu einem historisch-topographi- schen Lexikon Sachsens. Das Bedürfnis eines solchen mag bereits von mehr als einem Gelehrten empfunden, seine Abfassung auch hier und da bereits ins Auge ge- fafst worden sein, ohne dafs der Gedanke bisher feste Gestalt angenommen hätte. Andere deutsche Länder sind uns hierin weit voraus. Muster topographischer AVörter- bücher liegen für Baden ^''), den Eisais ^'') und Ober-Elsafs^**) vor. In Hessen ist „die Sammlung für das historische Ortslexikon durch Reimer lebhaft gefördert worden"^') und auch in den Alpengebieten ist, namentlich durch den deutschen und österreichischen Alpenverein, bereits viel

^^) A. Meitzen, Siedelung imd Agrarwesen der Westgermaiieu und Ostgermanen, Atlas zu Band 8. Berlin, W. Hertz, 1895.

*') A. X rieger, Topograiihisclies Wörterltucli des Grofsherzog- tnms Baden. Heidelberg, C. Winter, 1893. Für ein kleines Gebiet aufserdem noch die verschiedentlich als Muster empfohlene Arbeit Heil ig s über die Ortsnamen des Kaiserstuhls, Festschrift zur Feier der Eröffnung des Real- und Volksschulgebäudes in Kenzingen, 1899. ' **■"') J. M. B. Gl aufs, Historisch -topogr. Wörterbuch des IClsals, 6 Lieferungen (auf 10 berechnet). Zabern, A. Fuchs, 1895. Gleich- zeitig hat die Regierung ein ähnliches Werk für Elsafs und Loth- ringen in Angrift' genommen; vergl. die Kritik auf dem Rückumschlage von Lieferung 6 des Claufsscheu Werkes.

^") G. Stoffel, Topographisches Wörterbuch des Ober -Elsafs, 2 Aufl., Mühlhausen, 1876.

^'^) Zweiter Jahresbeiicht der Histor. Kommission für Hessen und Waldeck. Marburg, Mai 1899, S. 6.

Historische Topographie in Sachsen. 155

für Zusammeiistellung der Ortsnamen und ihrer urkund- lichen Formen geschehn^^). Über Umfang und Anlage eines sächsischen Ortsnachschlagewerkes läfst sich selbst- verständlich noch streiten, ob es z. B. die quellenmäfsig belegten Formen der Ortsnamen in chronologischer Folge, ferner historische Angaben über den Ort selbst, die etwa daselbst befindliche Burg, die Kirchen, Klöster, an- gesessenen Geschlechter u. a. m., sowie die notwendigste Ortslitteratur nach Art des Badener in möglichster Kürze verzeichnen, oder diese und ähnliche Dinge sehr ausführ- lich, wie beispielsweise das Elsässer, bringen soll. Die Entscheidung dieser Grundfragen darf man füglich von den Ergebnissen abhängen lassen, zu denen die 1899 zu Strasburg *'') mit Aufstellung eines besonderen Schemas für Anfertigung historischer Ortsverzeichnisse betraute Kommission (Wolfram, Bloch, Reimer, Brefslau) gelangen wird. Jedenfalls mufs der ISTamensforschung die aller- gröfste Sorgfalt zugewendet werden, da diese für den praktischen Nutzen jedes Ortslexikons von ausschlag- gebender Bedeutung ist; denn der Geschichtsforscher soll jeden nicht sofort deutungsfähigen Namen, dem er in einer Quelle begegnet, ohne weiteres mit Hilfe des Nach- schlagewerkes feststellen können, Ist dies nicht der Fall, verliert das Buch den gröfsten Teil seines Wertes. Da- gegen wird die Namenserklärung, auf die es früheren Ortsnamenforschern, wie Förstemann, Buch, Egli, Arnold u. a., meist allein ankam, zwar nicht ganz wegfallen, aber hinter einer möglichst vollständigen Aufstellung der Haupt- formen zurücktreten dürfen, die sich für einen Ortsnamen in den Quellen nachweisen lassen. Dabei kommt es nach meinem Dafürhalten wesentlich darauf an, urkundlich die Entwickelungsgeschichte eines Namens vorzuführen, nicht aber darauf, mehr oder weniger willkürlich einen Haufen oft gleich oder ähnlich klingender Formen aus den ein- zelnen Jahrhunderten zu sammeln, wie dies bei den historisch-topographischen Wörterbüchern bisher vielfach geschehen ist.

Nur gelegentlich sei hier noch bemerkt, dafs, falls überhaupt ein Bedürfnis vorliegt, an die Bearbeitung

SS') Vergl. 0. Redlich, Über Ortsnamen der östlichen Alpen- länder und ihre Bedeutung, in der Zeitschrift des genannten Vereins XXVIII (1897), 72-87.

*'■') Anläfslich der Tagung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine vom 25. bis 28. September.

156 Hans Beschorner:

eines historisch -topographischen Wörterbuches für ganz Deutschland, wie es beispielsweise Frankreich in seinem nach Departements angelegten Dictionnaire topographi(iue de la France bereits mustergiltig hat, erst dann gedacht werden darf, wenn für die einzelnen deutschen Ge- bietsteile Sonderarbeiten geliefert sind. Deshalb soll H. Oesterlej's historisch - geographisches Wörterbuch des deutschen Mittelalters'*'^) nicht als wertlos oder ver- früht hingestellt werden. Dieses Werk will eine lexika- lische Zusammenstellung der deutschen Ortsnamen sein, die von den Geschichtschreibern des Mittelalters erwähnt werden, und aufser linguistischen dem ganz besonderen Zwecke „der Nach Weisung und der Vergleichung der historischen Quellen" dienen. Es ermöglicht nämlich, da von 100 geschichtlichen Nachrichten sicher 99 an einen geogra})hischen Namen geknüpft shid, ohne weiteres durch Nachschlagen des Ortes festzustellen, von welchen mittel- alterlichen Historikern und an welchen Stellen ihrer Werke ein geschichtliches Ereignis überliefert wird'*').

Als letztes Ziel aller topographischen Forschungen ist endlich ein allen Anforderungen genügender Atlas zur sächsischen Geschichte anzusehen, der zwar Recht und Sitte, Wirtschaft und soziale Entwickelung, Kirche und Schule, Handel und Gewerbe, Naturgeschichte, Sprache und andere Gebiete*^-) eingehend zu berück- sichtigen haben, zum gröfsten Teil aber historisch -geo- graphischer Natur sein wird. Der Gedanke eines solchen Kartenwerkes ist selbstverständlich nicht neu. Wir haben ähnliche in kleinem Umfange bereits von Tu tzschmann**"), von Süfsmilch-Hörnig'**), Brecher"'"^),

öo) Gotha, J. Perthes, 1883.

"') Vergi. Oesterleys eigene Angaben über sein histor.-ffeogr. Wörterbuch dos deutschen Mittelalters in Petermanns Mitteil. XXVII (1881), 194—196.

"'-) Vergl. die Übersicht über die mit Hilfe der Grundkarten herzustellenden historischen, statistischen und anderen Karten, in H. Er misch s Erläuterungen zur Grundkarte (s. Aum. 97).

^^) Atla« zur Geschichte der sächsischen Länder in 22 Karten. Grimma, J. M. Gebhardt, 1852.

'*^) Historisch-geogr. Atlas von Sachsen und Thüringen. Dres- den, Boetticher, 1862; 2. Abteil. : Zur Geschichte Ton Sachsen und Thüringen.

"•'') Darstellung der Gebietsveränderungen in den Ländern Sachsens und Thüringens von dem zwölften .liiliihundert bis heute. Berlin, D. Keimer, 1888.

Historische Topographie in Sachsen. 157

Kaemmel und Leipoldt^'^) u.a. Aber alle diese Werke sind, im Lichte exakter Wissenschaft betrachtet, voll- kommen unzureichend, weil sie sich auf ungenügende Vorarbeiten aufbauen. Ein solcher sächsischer Ge- schichtsatlas, der den Abschluls aller historisch -geo- graphischen und topographischen Studien bilden soll, ist nur denkbar nach Vollendung der beiden zuvor genannten Arbeiten, des Wüstungsverzeichnisses und des Orts- lexikons. Einer näheren Begründung bedarf diese Be- hauptung kaum. Eine Karte aus dem 11. Jahrhundert wird beispielsweise einen ganz anderen Bestand an Orten aufführen müssen, als eine solche aus dem 16. Jahr- hundert. Alte Orte verschwinden, neue entstehen. Dieser Wechsel mufs auf den verschiedenen Karten deutlich hervortreten. Ebenso dürfen die Ortsnamen auf den einzelnen Blättern nur in einer der veranschaulichten Zeit entsprechenden Form eingetragen werden. Zu diesen und ähnlichen Dingen sind aber selbstverständlich die gründlichsten Voruntersuchungen nötig.

Diese Averden wesentlich erleichtert durch die Grund- karten. Die Einrichtung verdankt ihre Entstehung den Anregungen des Tübinger Professors von Thudichum und hat heute bereits fast in allen Gegenden Deutschlands Eingang gefunden^"). In Sachsen nahm sich ihrer die König!, sächsische Kommission für Geschichte an und schuf bereits drei Doppelsektionen, nämlich Döbeln- Chemnitz, Dresden -Dippoldiswalde und ßischofswerda- Königstein, sowie zwei auf einem Blatte vereinigte Einzelsektionen Fürstenau und Sayda. Diese Grund- karten haben keine selbständige wissenschaftliche Be- deutung, sie sind nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck. Es sind Karten, die auf gutes Schreib- papier im Malsstabe 1 : 100 000 nach der Generalstabs- karte gezeichnet sind, aber nur die Wasserläufe, die gegenwärtigen Ortschaften und was äufserst wichtig

"''O Schulwandkarte zur Geschichte der wettinischen Lande. Dresden, A. Huhle, 1891. Verkleinert als Beigabe zu Kaemmels Grundzügen der säclisischen Geschichte. 2. Aufl., ebenda, 1892.

"■') Vergi. hierüber Lamprecht, Zur Organisation der Grund- kartenforschmig, in den Deutschen Geschichtsblättern I, 37 40. Über die Grundkarteu im allgemeinen vergLThudichum, Historisch- statistische Grundkarten, Tübingen 1892, und H. Er misch, Er- läuterungen zur historisch -statistischen Grundkarte für Deutschland. Leipzig, B. G. Teubuer, 1899.

158 Hans Beschorner:

ist, um so wichtiger, als die Generalstabskarten hier versagen die Grenzen der Ortsfluren (Gemarkungen) wiedergeben. In diese Karten sollen die Ei'gebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen, gleichviel auf welchem Gebiete sie liegen, mit Feder oder Pinsel eingetragen werden. Die Blätter werden unverhältnismälsig billig abgegeben. Dafür verpflichtet sich jeder Käufer, Kopien der V(Ui ihm ausgeführten Karten mit kurzen Erläuter- ungen und Begründungen an Sammelstellen, in Sachsen an das Dresdner Hauptstaatsarchiv einzuschicken. Welche wichtigen Grundlagen für einen künftigen grolsen Ge- schichtsatlas damit vorbereitet werden, ist leicht ein-

zusehn. Hofi'entlich entspricht auch der Erfolg den Erwaitungen. die den Grundkarten entgegengebracht werden I*^^)

Näher auf Mittel und Wege einzugehn, die ge- eignet erscheinen, den Gedanken eines wirklich wissen- schaftlichen Atlasses zur äulseren und inneren Geschichte Sachsens zu verwirklichen, muls verfrüht erscheinen. Nur auf einen Punkt sei zum Schlüsse noch mit einigen Worten hingewiesen. Dringend Not thun uns vor allem Ämterkarten, d. h. Karten, in denen der Umfang der Ämter für einzelne Zeitabschnitte veranschaulicht wird. Bisher sind wir in dieser Beziehung noch einzig und allein auf Schenk (s. S. 145) angewiesen, der die Ämtergrenzen ver- zeichnet, wie sie Mitte des 18. Jahrhunderts bestanden. Zwar beruht er auf eingehenden, für damalige Zeit sehr anerkennenswerten Erhebungen, ist aber vielfach doch zu ungenau und unklar, als dals er den Anforderungen der Wissenschaft auf die Dauer genügen könnte. In welcher Weise vorgegangen werden muls, lehrt die grolse Publikation der Gesellschaft für Rheinische Geschichts- kunde, von der zunächst eine Karte der Eheinprovinz unter französischer Herrschaft 1813 und 1818 und eine solche der politischen und administrativen Einteilung der heutigen Rheinprovinz im Jahre 1789 unter Beigabe sehr ausführlicher Erläuterungen"") erschienen ist. Mit Dar- stellung der heutigen Verhältnisse mufs begonnen und

"*) Die fertigen Sektionen siml Itcreits niolirfacli wissenschaftlich verwertet worden, so zur Veranschaulichung' der slavischen Siedelung, zur Feststellung der Ämtergrenzen im ausgehenden 18. Jahrhundert und zur Bestinnnung der Ausdeliiumg der Burggrafschaft Dohna.

'*") Bonn, H. Behrendt, 1895.

Historische Topographie in Sachsen. 159

von diesen aus immer weiter in die Vergangenheit zurück- geschritten werden.

Möchte der Hinweis auf dieses und ähnliche, grofs angelegte historisch -topographische Werke, die im Laufe dieser Abhandlung erwähnt wurden, für uns ein An- sporn zur Nacheiferung sein! Sollte dies wenigstens angebahnt und Anregung zur Inangriffnahme der zur Erreichung der höchsten Ziele notwendigen Vorarbeiten gegeben worden sein, wäre der Zweck dieses Auf- satzes erfüllt.

V.

Theodor Flatlie

gestorben den 2 6. März 1900.

Von

Hubert Erniisch.

Am 2G. März ging in Loscliwitz ein Mann zur ewigen Jinlie ein, dessen Name in der Reihe der Gescliichts- forsclier und Geschichtsschreiber Sachsens stets in ehren- vollem Andenken bleiben wird: Heinrich Theodor Flathe.

Die Todesbotschaft überraschte den Verfasser dieser Zeilen, der ein Vierteljahrhundert lang nicht allein in wissenschaftlicher, sondern auch in freundschaftlicher Be- ziehung zu dem Entschlafenen gestanden hat, als eben die Redaktion und in der Hauptsache auch der Druck des vorliegenden Heftes abgeschlossen war. Das mag ihn entschuldigen, wenn es nur ein kurzes Wort der Erinnerung ist, das er dem Verewigten am frischen Grabe nachruft; gerade in dieser Zeitschrift, deren Aufgabe die Arbeit an der wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte unseres engeren Vaterlandes bildet, ist ein solches Wort gewils vor allem angebracht.

Theodor Flathe ist, wie so mancher unserer Ge- schichtsforscher, aus einem deutschen Pfarrhause hervor- gegangen. Er wurde am 1. Juni 1827 in Tanneberg bei Nossen geboren; sein Vater Heinrich Jakob w^altete hier seit 1824 als Pfarrer, bis ihn im Jahre 1838 ein früher Tod den Seinen entrifs. Der Sohn, der ihm die ersten Grundlagen seiner Bildung verdankte, besuchte dann die Thomasschule in Leipzig und seit 1840 die Fürsten- und

Theodor Flathe. 161

Landesschule zu Meifsen. Im Herbst 1845 bezog Flathe die Universität Leipzig, um sich der Theologie zu widmen, vertauschte aber bald dieses Studium mit dem der Ge- schichte und Philologie; namentlich zur Geschichte zog ihn sehr früh sein innerer Beruf. Noch nicht 21jährig, erwarb er Ostern 1848 die philosophische Doktorwürde; im folgenden Jahre machte er sein Lehramts -Examen. Nach Ablegung seines Probejahres an der Kreuzschule zu Dresden wurde er im Jahre 1850 am Gymnasium zu Plauen angestellt; 16 glückliche Jahre hat er hier ver- bracht, bis er im Januar 1867 als Nachfolger Oertels unter gleichzeitiger Verleihung des Professortitels an die Fürsten- und Landesschule zu Meifsen berufen wurde. Hier, an der Anstalt, der er selbst einen guten Teil seiner wissenschaftlichen Ausbildung verdankte, hat er bis zu seinem Abgange im Jahre 1895 eine gesegnete Thätigkeit als Lehrer und Erzieher entfaltet. Vielen seiner Schüler hat er, namentlich in den Geschiclits- stunden, die er durch eine ungewöhnliche Gabe der Darstellung für jeden Empfänglichen äulserst genulsreich zu gestalten wuIste, reiche Anregung für das ganze Leben gewährt; die aber, die seiner besonderen Obhut unterstellt waren, lernten in dem ernst -freundlichen Manne, der wie selten ein Jugendlehrer sich in das Empfinden und Denken seiner Zöglinge hineinzuversetzen, sie ganz zu verstehen vermochte, einen zweiten Vater verehren.

In die Öffentlichkeit ist Flathe, wenn wir von seiner litterarischen Thätigkeit absehen, nur in seiner Eigen- schaft als Stadtverordneter hinausgetreten; lange Jahre leitete er als Vorsteher die Verhandlungen des Meifsner Stadtverordneten -Kollegiums. Dagegen hat er sich am politischen Leben, so regen Anteil er auch an allen Fragen desselben nahm, niemals thätig beteiligt.

So war es ein stilles, an äulseren Ereignissen nicht eben reiches Leben, aus dem der Verstorbene nach wenigen Jahren der Rast geschieden ist; ein Leben frei- lich, dem es auch an ernster Sorge, an schwerem Leid nicht gefehlt hat. Dazu gehört vor allem der Verlust der geliebten Gattin, die ihm im Jahre 1877 nach langer Krankheit entrissen wurde; eine tief innerlich angelegte Natur, hat er ihn nie ganz verwunden.

Was ihn im Kummer aufrecht erhielt, was ihm bei angestrengter Berufsarbeit eine geistige Frische bewahrte,

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI. 1. 2. 11

162 Hubert Ermiscli:

die auf jeden, der mit Flathe in nälieren Verkelir treten durfte, eine aulserordentliche Anziehungskraft ausübte, das war die ausgedehnte wissenschaftliclie Thätigkeit, die er bis in seinen späten Lebensabend fortgesetzt hat. Ihr bester Teil ist der säclisischen Geschichte zu Gute gekommen.

Ihr wai' schon die erste gröfsere Arbeit gewidmet, die Flatlie veröffentlichte; war sie auch für weitere Kreise, namentlich für die heranwachsende Jugend be- stimmt, so zeigt sie uns doch den wissenschaftlichen Ernst des Forschers, der stets bestrebt war, zu den letzten Quellen der Erkenntnis hinabzusteigen und dem Leser den AVeg zu ihnen zu weisen. Das Euch „Die Vorzeit des sächsischen Volkes in Schilderungen aus den Quellenschriftstellern", das 1860 im Verlage seines Freundes Bernhard Tauchnitz erschien, verdient noch heute neben ähnlichen Arbeiten, zu denen das wachsende Interesse der Schule an der lange vernachlässigten Ge- schichte des engeren Vaterlandes den Anstols gegeben hat, mit Achtung genannt zu werden.

Bald darauf machte sich Flathe an die Lösung einer gröfseren Aufgabe. In den Jahren 1830 und 1881 war in der Sammlung europäischer Staatengeschichten von Heeren und Ukert eine von C. W. Böttiger bearbeitete zweibändige Geschichte Sachsens erschienen, die schon damals strengeren wissenschaftlichen Anforderungen nur w^enig entsprach. Die Verlagshandlung von Friedrich Andreas Perthes in Gotha beauftragte Flathe mit der Bearbeitung einer zweiten Auflage. Mit welchem Ernst er diesen Auftrag ausführte, das beweist schon ein flüchtiger Vergleich von Flathes Neuauflage mit der Böttigerschen Arbeit; soviel als möglich, baut Flathe seine Darstellung durchweg auf den Quellen auf und hat so ein im Wesentlichen neues Werk geschaffen. Im Jahre 1867 erschien der erste Band, der bis Mitte des 16, Jahrhunderts reicht; er ist in Plauen entstanden, wo dem Verfasser nur unzureichende wissenschaftliche Hilfs- mittel zu Gebote standen, und zeigt daher noch am meisten Abhängigkeit von seinei" Vorlage. Von dem zweiten 1870 veröffentlichten Bande dagegen, für den er nicht allein eine reiche in den letzten Dezennien erschienene Litteratur, sondern auch das unter Karl von Webers Leitung der Forschung in früher unbekannter Weise zugänglich gemachte Hauptstaatsarchiv in Dresden

Theodor Flathe. 163

benutzte, konnte Elatlie mit Recht sagen, dalis er seinem Inhalte nach zu dem entsprechenden Teile von Böttigers Geschichte kaum irgendwie in näherer Verwandtschaft stehe als zu jedem anderen Werke über den nämlichen Gegenstand, demnach als eine selbständige Bearbeitung des betreifenden Abschnittes der sächsischen Geschichte anzusehen sei. Eine völlig neue Arbeit ist der dritte Band (1873), der die sächsische Geschichte von 1806 bis 1866 behandelt. Auch für diesen Band hat es Flathe an gewissenhaften Quellenstudien nicht fehlen lassen; freilich setzte ihnen die Natur des Gegenstandes unüber- steigbare Schranken, und manches wird vielleicht in anderer Beleuchtung erscheinen, wenn diese Schranken einmal gefallen sind. Der Verfasser selbst bekennt im Vorwort zum dritten Bande, dafs er für die Darstellung dieser jüngsten Epoche den rein objektiven Standpunkt, „den ja die Zeitgeschichte überhaupt kaum verträgt", zu gewinnen nicht imstande war; aber wenn er im Anschluls daran den Wunsch ausspricht, es möge ihm wenigstens die Anerkennung nicht versagt bleiben, „dafs er sich, von Gunst und Ungunst unbeirrt, durch- weg nur die Ermittelung der historischen Wahrheit zum Ziel gesetzt habe und, wennschon der den noch Lebenden schuldigen Rücksicht eingedenk, sich doch dadurch nicht habe abhalten lassen, oö'en und ehrlich auch das auszu- sprechen, was zu verschweigen oder zu verhüllen weder angehen noch Nutzen bringen würde", so wird ein un- befangener Beurteiler ihm diese Anerkennung nicht ver- sagen können, zumal wenn er die schlichte Persönlichkeit und den geraden Sinn des Verfassers gekannt hat. Zu einer Kritik der gesamten Geschichte Sachsens, die wir als das Hauptwerk des Verfassers ansehen möchten, wäre hier nicht der richtige Platz. Aber mag auch mancher Abschnitt durch die in den letzten Jahrzehnten so rege landesgeschichtliche Forschung überholt sein, so muls das Werk doch ohne Frage als eine der bedeutendsten Er- scheinungen auf dem Gebiete der sächsischen Geschichts- schreibung des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden; es hat nicht blofs vielen reiche Anregung gewährt, sondern ist auch heute noch unentbehrlich.

Mit seinem zweiten gröfseren Werke auf dem Gebiete der Geschichte Sachsens erfüllte Flathe eine Pflicht der Pietät gegenüber der Schule, die ihn erzogen und der er den besten Teil seines Lebens gewidmet hat. Sein

11*

2g4 Hubert Ermisch:

Buch: „St. Afra. Geschichte der königl. sächsischen Fürstenschule zu Meiisen", das bei Einweihung des neuen Fürstenschulgebäudes im Jahre 1879 erschien und Seiner Majestät dem König Albert gewidmet ist, darf als das Muster einer Sclmlgeschichte bezeichnet werden und ent- hält weit mehr, als sein Titel erwarten lälst.

Als Vorarbeit dafür kann sein Aufsatz über das Kloster der Augustiner Chorherren zu St. Afra gelten, der in v. Webers Archiv für die sächsische Geschichte N. F. Bd. II (1876) erschien. Dieselbe Zeitschrift enthält noch mehrere Aufsätze von Flathe (Wiprecht von Groizsch in Bd. II; Die Verhandlungen über Sachsens Neutralität 1790 in Bd. IX); andere finden sich in den Mitteilungen des Königl. Sächsischen Altertumsvereins (Der sächsische Landtag 1681—1682 in Heft 28), in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meiisen (Der Über- fall Meifsens durch die Schweden 1637 in Heft 1; Die älteste erkennbare Geschichte des meilsnischen Landes in Heft 4) und in einigen Programmen der Fürstenschule (Die Verhandlungen über die dem Kurfürsten Friedrich August III. angebotene Thronfolge in Polen und der sächsische Geheime Legationsrat von Esser 1870; Spe- cimina eruditionis Afranae Georgio Fabricio rectore scripta 1879; Epistolae aliquot rectorum Afranorum 1880). Aulserordentlich zahlreich sind Flathes Beiträge zur Allgemeinen Deutschen Biographie; der gröfste Teil der sächsischen Fürsten und sonstigen bedeutenden Personen, die Sachsen hervorgebracht, wurden von ihm für dieses AVerk behandelt. Fügen wir noch die neue Bearbeitung von Engelhardts Vaterlandskunde des Königreichs Sachsen hinzu, von der er drei Auflagen (1866—1877) herausgab, und gedenken wir in Kürze der teilweise sehr eingehenden Rezensionen und Anzeigen von Schriften zur sächsischen Geschichte, die namentlich in Zarnckes Literarischem Centralblatt und in Sybels Historischer Zeitschrift während einer langen Eeihe von Jahren erschienen sind, so haben wir wohl die Arbeiten Flathes auf dem Gebiete der Ge- schichte seines engeren Vaterlandes im Wesentlichen er- schöpfend aufgezählt.

In den letzten anderthalb Jahrzehnten seines Lebens haben ihn andere Arbeiten beschäftigt. Flathe war nicht blofs ein sorgsamer Forscher, sondern auch ein hochbegabter Darsteller; alle seine Schriften zeugen von ausgebildetem Formgefühl, reden eine vornehme und doch allgemein

Theodor Flathe. 165

verständliche Sprache. Es befähigte ihn dies ganz besonders zur Bearbeitung geschichtswissenschaftlicher Werke für weitere Kreise; das Bedürfnis nach solchen hat sich bekanntlich während der letzten Jahrzehnte in der Welt der Gebildeten immer fühlbarer gemacht, ohne dafs ein Überfluls an geeigneten Kräften dafür zu Gebote stände. Wir verdanken Flathe zwei treffliche Schriften dieser Art auf dem Gebiete der Geschichte des 19. Jahrhunderts, dem sich sein Interesse immer mehr zuwandte: „Das Zeitalter der Restauration und Revo- lution" in Onckens Allgemeiner Geschichte in Einzel- darstellungen (1883) und „Die neuste Zeit" in der All- gemeinen Weltgeschichte von Th. Flathe, Hertzberg u. s. w. (1887 f.). Sein letztes Werk ist die verdienstliche Samm- lung „Deutsche Reden", die 1893 in zwei Bänden er- schien.

So konnte Flathe auch als Historiker auf eine reiche Wirksamkeit zurückblicken, als er sich das liebliche Loschwitz zur Ruhestätte ausersah. An Anerkennung hat es ihm nicht gefehlt; im Jahre 1880 w^urde ihm das Ritterkreuz I. Klasse des Albrechtsordens, im Jahre 1895 bei seinem Abgang der Titel Hofrat verliehen. Wer ihn näher kannte, weifs, dafs er nach solchen äulseren Aus- zeichnungen nie gestrebt hat; doch that es ihm wohl, wenn sein Schaff'en richtig gewürdigt wurde, und dafs dies hie und da nicht der Fall war, konnte ihn tief verstimmen. Wer ihm je im Leben näher getreten ist, wird ihm als Menschen, als Schulmann wie als Gelehrten ein ehrenvolles und liebevolles Andenken bewahren.

VI.

Kleinere Mitteilungen.

1. Die KönigHch Sächsische Koiniiiission für Geschichte

im Jahre 1899).

Von Hubert Er misch.

Wenn die zahlreichen Unternehmungen der Kom- mission auch im verflossenen Jahre langsamer fortge- schritten sind, als es manchem aus der stetig wachsenden Zahl der Subscribenten erwünscht scheint, so kann dies keinen Sachkundigen überraschen. Auf weiten Gebieten der Geschichte Sachsens ist viel Versäumtes nachzuholen; nur selten können die geplanten oder bereits in Angrilf genommenen Werke an brauchbare Vorarbeiten anknüpfen, in der Regel bedarf es jahrelanger mühevoller Forschungen, bevor an die Veröffentlichung gedacht werden kann. Dazu machen es die bescheidenen Mittel der Kommission zunächst noch unmöglich, Mitarbeiter zu gewinnen, die sich aus- schliefslich den ihnen zugewiesenen Aufgaben widmen können; sehr viel günstiger ist in dieser Hinsicht z. B. die Münchner historische Kommission gestellt.

Immerhin hat das Jahr 1899 in der Hauptsache die Hoffnungen erfüllt, die man Ende 1898 ausgesprochen, und die vierte ordentliche Jahresversammlung der Kommission, die am 16. Dezember unter Vorsitz Seiner Excellenz des Herrn Kultusministers Dr. von Seydewitz in Leipzig zusammentrat, konnte mit Befriedigung auf das ablaufende Jahr zurückblicken.

Als erste Aktenpublikation der Kommission sind er- schienen: Des kurfürstlichen Rats Hans von der

') Vergl. den Bericht über das Jahr 1898 in dieser Zeitschrift XIX, l«lff.

Kleinere Mitteilungen. 167

Planitz Berichte aus dem Reichsregimente zu Nürnberg 1521 1523, gesammelt von ErnstWülcker, nebst ergänzenden Aktenstücken bearbeitet von Hans Virck (Leipzig, B. G. Teubner)-).

Ferner wurden von den historischen Grundkarten für Sachsen die ersten drei Doppelsektionen (Dresden- Dippoldiswalde , Döbehi-Chemnitz , Bischofs werda- König- stein) zugleich mit einer' erläutei'uden Broschüre"^) heraus- gegeben. Gerade in Sachsen sind bei Bearbeitung der Grundkarten, insbesondere bei der Eintragung der Ge- markungsgrenzen besondere Schwierigkeiten zu über- winden, und die Arbeit schreitet daher langsamer fort, als man gehofft hatte. Der Jahresversammlung konnte noch ein Blatt mit zwei Sektionen (Sayda und Fürstenau) im Korrekturabzug vorgelegt werden; für eine Reihe anderer sind die Vorarbeiten weit vorgeschritten. Die Herstellung der nördlichen Doppelsektionen, die zum gröfseren Teile Gebiete der preufsischen Provinz Sachsen umfassen, hat die historische Kommission dieser Provinz übernommen; die diesseitige wird nur das erforderliche Material liefern und eine Anzahl Abzüge zu einem ver- einbarten Preise übernehmen. Mit Hilfe der vorliegenden Blätter haben Lehrer Mörtzsch in Dresden Karten der Burggrafschaft Dohna, der kursächsischen Ämter um 1800 und der Güter des Klosters Altzelle, Professor Dr. Hey in Döbeln eine Besiedelungskarte gezeichnet. Noch ist zu bemerken, dafs mit Unterstützung der Staatsregierung eine Zentralstelle zur Sammlung aller in ganz Deutsch- land bearbeiteten Karten dieser Art beim historisch- geographischen Institut der Universität Leipzig begründet worden ist.

Ferner wurde vor Abschlufs des Jahres ein erster Band der Politischen Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen (bis Ende 1543), herausgegeben von Erich Brandenburg (Leipzig, B. G. Teubner), im Druck vollendet. Seine Ausgabe ist im Januar d. J. erfolgt.

Etwa gleichzeitig mit dem vorliegenden Hefte wird ein von Dr. Flechsig in Braunschweig bearbeitetes Werk über Lukas Cr an ach erscheinen, das durch die im vorigen Jahre zu Dresden stattgehabte Cranach- Ausstellung

2) Vergl. diese Zeitschrift XX. 347.

3) Ebenda 354.

168 Kleinerp Mitteilungen.

wesentlich gefördert, man kann vielleicht sagen, erst er- möglicht worden ist. Die Kommission hat beschlossen, es dem Königl. Sächsischen Altertumsvereine zu seinem 75jährigen Jubiläum zu widmen.

Noch sind im Laufe des Jahres 1899 im Manuskript nahezu vollendet worden der erste Band der Akten und Briefe des Herzogs Georg, bearbeitet von Professor Dr. Gefs in Dresden, und das Lehnsbuch Friedrichs des Strengen von 1349, bearbeitet von Archivrat Dr. Lippert und Dr. Bes chorner. Der Druck dieser beiden Werke wird demnächst beginnen und voraussichtlich bis Ende 1900 vollendet werden.

Weit vorgeschritten ist die ebenfalls von Dr. Lippert übernommene Ausgabe des Briefwechsels zwischen der Kurfürstin Maria Antonia von Sachsen und der Kaiserin Maria Theresia.

Ebenso darf man hoffen, dafs Dr. Wuttke mit seiner Ausgabe der Instruktion eines Vorwerksverwalters von 1570 und wenigstens einem Teile seiner Geschichte des sächsischen Steuerwesens im laufenden Jahre zum Abschluls kommen wird.

Auch der erste Band der Akten zur Geschichte des Bauernkrieges in Mitteldeutschland, bearbeitet von Archivar Dr. Merx in Magdeburg, wird in abseh- barer Zeit vollendet vorliegen.

Weniger günstig sind die Aussichten für einige andere Publikationen. Für die Ausgabe der sächsischen Stände- akten fehlt es noch an dem geeigneten Bearbeiter, ebenso für die Geschichte der sächsischen Zentral- verwaltung, nachdem Dr. Treusch von Buttlar, von dem man eine schnelle Förderung dieser schwierigen Arbeit hätte erwarten können, von derselben zurückgetreten ist. Dr. E. O. Schulze, der die Herausgabe eines Flur- kai'tenatlas zur Geschichte der Besiedelung und des Agrarwesens Mitteldeutschlands übernommen hatte und durch seine bisherigen Forschungen besser als irgend ein anderer dafür vorbereitet war, hat eine Professur in St. Gallen angetreten; doch ist zu hoffen, dafs er auch in seinem neuen Berufe Muse für die Weiterführung der Arbeit finden wird. Auch die historisch-geographi- sche Beschreibung der Bistümer Meifsen und Merseburg, die dem Seminar Oberlehrer Dr. Becker in Waidenburg übertragen ist, wird wohl noch nicht so bald zum Abschluls kommen.

Kleinere Mitteilungen. 169

Für die mit freigebiger Unterstützung der Stadt Leipzig zu veröffentlichende Geschichte des geistigen Lebens in Leipzig sind als Mitarbeiter Rektor Professor Dr. Kämmel für die Kirchen- und Schulgeschichte, Professor Dr. Witkowski für die Litteraturgeschichte, Dr. E,u d olfWustm an n für die Musikgeschichte, Dr. Erich Haenel für die Kunstgeschichte gewonnen worden. Die Kommission beschlofs, dieses Werk durch eine Wirt- schafts-, Sozial- und Verfassuugs-Geschichte von Leipzig zu ergänzen und hat deren Bearbeitung Dr. Armin Tille übertragen.

Von neuen Aufgaben wurde endlich aufser der schon im vorigen Jahre beschlossenen Herausgabe der Dresdner illustrierten Sachsenspiegclhandschrift, der Pro- fessor Dr. von üechelhäuser in Karlsruhe eine Ein- leitung mit kunstgeschichtlichen Erläuterungen, Professor Dr. von Zallinger in Wien eine Geschichte der deut- schen Rechtssymbolik beifügen werden, die Veröffentlichung von Akten zur Geschichte des Heilbronner Bundes (1632) und des Prager Friedens (1638), bearbeitet vom Archivar Dr. Joh. Kretzschmar in Hannover, in den Arbeitsplan der Kommission aufgenommen. Voraus- sichtlich wird deren erster Band noch im Jahre 1900 im Manuskript fertig gestellt werden.

2. Ein interessanter Einblattdruck.

Mitgeteilt von Otto Giemen.

Unter dem 20. Mai 1480 verlieh Papst Sixtus IV. der Domkirche zu Meifsen für die begonnenen Erweiterungs- bauten und Reparaturen auf 10 Jahre grolsen Ablals in der Woche des Festes Maria Geburt. Die Originalurkunde beruht im Stiftsarchiv zu Meifsen und ist abgedruckt Cod. dipl. Sax. reg. II, 3 Nr. 1225 (vergl. auch Nr. 1233, 1263). Als ein Auszug daraus stellt sich der folgende Plakat- druck dar, von dem ein Exemplar sich in der Zwickauer Ratsschulbibliothek befindet.

Summa indulgentiarum ecclesiae Misnensis.

Sixtus papa qnartus ad nullius instantiam, sed motu proprio, ex mera liberalitate et certa scieutia ac apostolicae potestatis pleni- tudine Omnibus et singulis vere confessis et contritis, Qui in nativi- tate beatae mariae virginis a primis vesperis usque ad secundas vesperas octavae sequentis inclusive quatuor altaria in ecclesia cathe- drali misnensi devote visitaveriut et de facultatibus suis, quantum

170 Kleinere Mitteilungen.

ebdoniatim cousumere consucvorint, ad capsam ibidem ponendam pie erogavei'int, plenariam üimiiuni peccatorum remissionem elargitur cum potestate absolvendi eosdem per hocipsum praeexpressnm tenipus et quatuor dies ante et post ab universis et singulis excommuuicationis, suspensionis, interdicti et irregularitatis aliisque ecclesiasticis cen- suris, sententiis et poenis quibuscunque, nnderanque et qualitercuuque contractis. Item ab omnibiis et singulis crinünibus et peccatis quantnnicunque enormibus etiam sedi apostolicae in genere vei specie reservatis, etiam si de eis mentio rieri deberet specialis et quae ante eorundem absolntionera sanctitati suae exprimi deberent, ac etiam si bornm absolutio per certas regulas vel constitutiones aut apostolica scripta adeo reservata forent, quod in generali concessione minima compreliendi posseut. quibus omnibus et singulis quo ad effectum praosentium est derogatum, casibus tarnen in bulla in die iovis sancta publicata contentis ac violenta in episcopum vel alium ecclesiasticum praelatum iniectione vel presbitericidio exceptis. Item omnem infamiae notam et inabilitatis maculam ex periurio aut quocunque alio modo contractum abolendi et ad pristinos lionores ac dignitates, tanquam si praedictam maculam mininie contraxissent, reducendi. Item iura- menta quaecunque relaxandi. Item ieiunia quaecunque, etiam si voto vel alias ad illa oldigati existunt, remittendi. Item yota quaecunque ultramarinis beatorum petri et pauli, sancti iacobi in compostella et religionis dumtaxat exceptis in alia pietatis opera commutandi. Item super bonis male acquisitis, quorum certus non scitur lieres vel dominus, in favorem dictae fabricae componendi. Item peregrinari commode non valentes, infirmi, decrepiti, diffidatj, inimicoruni incursus timentes divinisque et liumanis serviciis manci- pati aliasque dum iter inceperint impediti, qui huiusmodi pecuniae quotam ad capsam in praefata ecclesia locandam imponendam trans- miserint et aliqua alia altaria visitaverint aut ad arbitrium confessoris aliud pium opus operati fuerint, eamleni plenariam remissionem et indulgentiam consequentur et absolutionis beneticium merentur. Item vere pauperibus huiusmodi quotam non habentibus, dummodo tamen aliquid contribuerint aut alia pietatis opera operati fuerint ad suorum confessoris arbitrium, huiusmodi est iiidulgentia concessa. Item voluit idem pontifex praesentes litteras et indulgentiam ad deccnnium durare quodque transsumptis ut originalibus credatur. Sunt etiam et fuerunt iiidnlgentiarum huiusmodi litterae. Sub anno incarnationis dominicae ]\Iillcsimo quadringentesimo octuagesimo Terciodecimo Kalendas Junij poutificatus Auui sui noui datae.

3. Ein Bätsei Hieroiiymus Eiiisers.

Mitgeteilt von Otto Giemen.

In dem von Stephan Roth geschriebenen Saniniel- bande XXIV. XII. 5 der Zwickauer Ratsschulbibliothek findet sich folgendes Rätsel Hieronymus Emsers.

Cristata auis

Enigma Hieronymi Emfseri.

Regium quidem dyadema gestit, Tempoi'um vates bonus et propheta,

Kleinere Mitteilungen. 171

Miles auratum gerit atque calcar. Die modo, quis sit!

Ipse materno teres et rotundus Ventre processit, nee habens caput nee Ceteros artus animamqne nuUam. Die modo, quis sit!

Inde uatui'a melius fauente Aceipit sensus, animam, figuram, Particeps vitae, sotiusque mortis. Die modo, quis sit!

Antequam tandeni moritur, piatur Fönte saerato bene candidatus Itque pro nobis miseris ad ignem. Die modo, quis sit!

Litteratiir.

Urkundenbucli des Iloclistifts Merseburg;. Erster Teil. (962 bis 1357.) Herausgegeben von der Historischen Kommission der Provinz Sachsen. Bearbeitet von Professor Dr. P. Kebr. (A. u. d. T. : Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete. 36. Bd.) Halle, Otto Hendel. 1899. LXXXIV, 1246 SS. 8». XV Tafeln in Lichtdruck.

Die Begründung der Bistümer Meifsen, Merseburg und Zeitz- Naumburg durch Otto den Grofsen war einer der wichtigsten Vor- gänge in der (beschichte der Gerraanisation und Christianisierung der Lande zwischen Saale und Elbe, und auch in der Folgezeit sind die Schicksale dieser Bistümer mit der allgemeinen Geschichte unserer Gegenden unlösbar verbunden. Die Herausgabe der urkundlichen Quellen für die Geschichte dieser Hochstifter gehört daher zu den Arbeiten, die man geradezu als grundlegend für unsere Landes- geschichte bezeichnen mufs, und diese Ansicht leitete wohl Gersdorf, als er den Codex diplomaticus Saxoniae mit einem dreibändigen Urkundenbuch des Stifts Meifsen (1864—1867) eröffnete. Jahrzehnte sind seitdem vergangen, und Gersdorfs Werk ist in seinen älteren Abschnitten schon teilweise veraltet; wiederholt hörte man, dafs gleiclie Sammlungen für Merseburg und Naumburg vorbereitet wurden, wie sie zui' Ergänzung des Meifsner Urkundenbuches unbedingt not- wendig waren. Endlich liegt uns jetzt der ersehnte erste Teil eines Urkundenbuches des Hochstifts Merseburg vor.

Der stattliche Band reicht bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts und enthält fast llüO Urkunden, von denen ein recht ansehnlicher Teil bisher unbekannt oder doch ungedruckt war. Damit ist wenn auch der zweite Band trotz des kleineren Zeitraumes schwer- lich eine geringere Zahl von Urkunden enthalten wird doch ohne Frage der schwierigste Teil der Arbeit gethan. Und gern fügen wir, unser Gesamturteil vorausnehmend, hinzu: die Aufgabe ist in trefflicher Weise gelöst worden. Professor Kehr, bekannt als einer unserer tüchtigsten Fachmänner auf dem Gebiete der Urkunden- lehre, übt, wohl unter dem Drucke jener Unbefriedigung, die jeder kennt, der sicli einmal der mühevollen, langjährigen Fleifs bean- spruchenden und anscheinend nicht entsprechend lohnenden Heraus- gabe eines territorialen oder lokalen Urkundenbuches unterzogen hat, eine zu strenge Selbstkritik an seinem Werke, wenn er davon durchdrungen zu sein bekennt, „dafs dieser Ausgabe gröfsere Mängel anhaften, als ich als Autor selbst es für zulässig halte". Auch ohne dafs mau die Schwierigkeiten in Kechnung stellt, unter denen das

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Werk entstanden ist und die wohl hie und da eine gewisse Ungleich- mäfsigkeit hervorgebracht haben, wird man es für eine der besten territorialgeschichtiichen Urkundenpublikationen neuerer Zeit hal- ten müssen.

Von den beiden vornehmsten Pflichten des Editors, dem Streben nach Vollständigkeit des Materials und der Genauigkeit in der Wiedergabe der Texte, wird die erstere sich immer nur bis zu einem gewissen Grade erfüllen lassen, absolute Vollständigkeit wird stets ein frommer Wunsch bleiben, an Nachträgen wird es nie fehlen. Das Mögliche hat der Herausgeber geleistet, und er braucht sich nicht zu grämen, wenn ihm das Archiv des Rittergutes Bedra und vielleicht auch diese oder jene andere Sammlung entgangen ist. Die Hauptquelle war natürlich das Merseburger Stiftsarchiv, das, so manche Einbufse es auch erlitten hat und in so schlechtem Zu- stande es auch teilweise erhalten ist, doch noch aufserordentlich reiches Material bot. Über die Geschichte des Archivs verbreitet sich der Verfasser in einem dankenswerten Abschnitte der Einleitung, der auch vortreif liehe Anführungen zur Diplomatik der Merseburger Urkunden bringt. Daneben sind noch eine ganze Reihe anderer Archive teils vom Herausgeber selbst, teils von anderen für ihn be- nutzt worden. Wo irgend Thietmar, das Chronieon Merseburgense oder spätere Chroniken Hinweise auf verlorene Urkunden enthielten, sind die betreffenden Stellen aufgenommen worden. Grundsätzlich werden alle Urkunden dem vollen Wortlaute nach mitgeteilt, auch wenn sie schon wiederholt iind gut gedi-uckt waren, die von merse- burgischer Seite oder für Merseburg ausgestellt sind; auch wenn der Inhalt einer Urkunde wörtlich in einer späteren wiederkehrt, ist neben der ersteren auch die letztere unter Verwendung von Petit- druck für die abgeleiteten Stellen vollständig abgedruckt. Wohl erleichtert das die Benutzung des Urkundenbuches; andererseits aber vermehrt es seinen Umfang, und man kann sich fragen, ob in Fällen wie z. B. No. 806 und 807 nicht ein kurzes Regest genügt hätte. Urkunden, die nur „mittelbar das Bistum angehen", sind in Regesten aufgenommen, solche, in denen die Mersebiu-ger Bischöfe nur als Zeugen oder sonstwie vorkommen, ohne dafs sie für die Geschichte des Bistums selbst von Interesse sind, ganz ausgelassen worden. Das letztere scheint mir, namentlich für die älteren Jahrhunderte, nicht unbedenklich; für die Chronologie der Bischöfe sind solche Anführungen doch oft von grofser Wichtigkeit.

Mustergütig ist die Textbehandlung der Urkunden. Im Ganzen hält sich dabei Kehr an die von Sickel in der Diplomata -Abteilung der Monumenta Germaniae historica festgehaltenen Grundsätze, geht aber in Kleinigkeiten vielfach seinen eigenen Weg ; auch wir halten das entschieden für ein gutes Recht des Editors. Wenn Kehr im Vorwort sagt: „Überhaupt . . . kommt es bei einer Edition gar nicht so sehr auf eine allgemeine Uniformität in der Gestaltung und Behandlung der Texte an . . ., sondern auf möglichste Genauigkeit und Sicherheit", so spricht er uns damit aus der Seele. Durchweg hat man seine Freude an der sorgfältigen Kollation, an den gut ausgewählten Varianten und sonstigen textkritischen Noten und an der klaren Wiedergabe des gesamten Textes.

Sehr ausführlich sind die Beschreibungen der handschriftlichen Vorlagen.' Soweit dies Originale sind, wird man dem Diploraatiker von Fach für jede Andeutung, die er über die äufsere Erscheinung der Urkunde macht, dankbar sein, auch für die Angaben über die

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Schieil»ci'bäiule der einzelnen Urkunden. Für die älteren Kaiser- nrkunden sind diese ja nicht allzu schwer zu bestimmen. Für die Hiinde der Merseburger IMstumskanzlei hat Kehr im zweiten Teil der Eiuleitung eine vortreffliche Untersuchung geliefert und durch eine Reihe i)hotographischer Facsimiles erläutert. Im Übrigen dürfen wir nicht vergessen, dafs die Ergebnisse der Handschriften- vergleichung nicht immer so zweifelsohne sind, wie es scheinen könnte, weil sich bei der Beurteilung leicht ein subjektives Moment geltend macht; das ergiebt sich schon aus den häufigen Abweichungen Kehrs von den ebenfalls auf sorgfältigster Untersuchung iteruhenden Angaben von Posse in den ersten Bänden der I. Abteil, des Cod. dipi. Sax, und in seiner Lehre von den Privaturkunden. Die Auf- nahme aller Dorsalien der Originale halte ich besonders dann für zu weitgehend, wenn eine so genaue Untersuchung der archivalischen Überlieferung voi'ausgesandt Avird wie in der Einleitung zum vor- liegenden Bande; der Editor ist recht wohl imstande, zu beurteilen, welche Dorsalien von sachlicher Bedeutung sind und welche nicht. Dankenswert ist die genaue, durch vier Tafeln erläuterte Siegel- beschreibung; die Lichtdrucke sind teilweise freilich ziemlich un- deutlich. Viel zu weit geht m. E. der Herausgeber, wenn er auch bei den erhalteneu Originalurkunden alle Kopien verzeichnet, selbst solche, die aus Druckwerken genommen sind; entschieden verdient der Sickelsche Grundsatz, nur Kopien von selbständiger Bedeutung anzuführen, den Vorzug. Dagegen bin ich mit der Einschränkung der Druckangaben ganz einverstanden. Besonders oft war der Cod. dipl. Saxon. zu zitieren (der 3. Bd. der I. Abteil, ist in den Nachträgen S. 1083 ff. berücksichtigt); doch scheint <ler Verfasser nicht alle Bände benutzt zu haben : er würde soiist nicht (S. 226) das Freiberger Stadtrecht nach der veralteten Schottschen, sondern nach meiner im 13. Bande der IL Abteilung des Cod. veröffentlichten (auch separat erschienenen) Ausgabe angeführt haben.

Sehr willkommen wird es dem Benutzer des Urkundenbuches sein, dafs aufser den diplomatischen noch viele andere sachliche An- merkungen beigefügt sind. Soweit sie die historische Geographie des Bistums betreffen, genügen sie dem Herausgeber selbst nicht völlig, und auch wir hätten hie und da eingehendere Ortsbestimmungen gewünscht, die ohne Frage zur Aufgabe des Bearbeiters gehören; indes mufs man auch für das Gebotene dankbar sein. Diejenigen Ortsbestimnuuigen , die nicht längerer Auseinandersetzungen be- dürfen, hätten ihren Platz. vielleicht besser im Register als in den Anmerkungen gefunden. Überhaupt l)efriedigt ims gerade die Be- handlung der Ortsnamen in dem übrigens sehr sorgfältigen Register am wenigsten; wenn sie bald unter der jetzigen Bezeichnung, bald (ohne Verweisung unter der letzteren) in der alten Form erscheinen, so erschwert dies ohne Frage die Benutzung; wer sucht Böhlitz unter Belitz, Porstendorf unter Borstendorf u. dergl. m.V Auch an das Sachregister, bekanntlich eine der schwersten Aufgaben des Herausgebers, liefsen sich noch manche AVünsche anknüpfen; wir verzichten indes darauf, da unsere Anzeige ohnehin länger geworden ist, als wir beabsichtigten.

Wir weisen schliefslich noch kurz auf den reichen Inhalt des Anhanges hin. Wir finden hier die Eidesformeln der Bischöfe, Pröpste, Decane, Domherren u. s. w., soweit sie nicht unter die Urkunden Aufnahme gefunden haben, ferner Statuten des Domkapitels und des Kapitels zu S. Sixti aus dem 14. und 15. Jahrhundert, eine

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fragmentarische Aufzeichnung über die Grenzen der Diöceseu Naumburg und Merseburg, Inveutare der Reliquien und des Schatzes der Domkirche, vor allem aber ein Calendarium von 1320 1321 und eine in Zusammenhang damit stehende Aufzeichnung über die Güter und Einkünfte des Domkapitels; gerade diese beiden letzten Stücke sind mit so liebevollem Fleifse und so kritischem Verständnis bearbeitet und erläutert, dafs sie als aufserord entlich wichtige Bei- träge zur Geschichte des Bistums gelten müssen und ihre Auf- nahme in das Urkundenbuch keinerlei Entschuldigung bedarf.

Dresden. Ermisch,

Codex diplomaticus Lusatiae superiorls II, enthaltend Urkunden des Oberlausitzer Hussitenkrieges und der gleichzeitigen, die Sechs- lande angehenden Fehden. Im Auftrage der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften gesammelt und herausgegeben von Dr. Richard Jecht. I. Band, umfassend die Jahre 1419 1428. Görlitz 1896—1899. X, 645 SS. 8».

Über dieses nicht blofs für die speziellen Verhältnisse der Ober- lausitz, sondern auch für die politischen Beziehungen zu den Nachbar- ländern während der Hussitenkriege wichtige Werk haben wir bereits zweimal in diesen Blättern (XVill, 183 und XIX, 165) berichtet und uns über die Bezeichnung desselben als „Codex dipl. Lus. sup. 11", sowie über die Einrichtung desselben ausgesprochen, wonach zu jedem Jahre neben den eigentlichen Urkunden auch die betreffenden Stellen der „Görlitzer Ratsrechnungen" abgedruckt werden. Mit dem vieiten Hefte, welches die Jahre 1427 1428 behandelt, schliefst der erste Band des Werkes , das bis zum Ende des Jahres 1437 fortgesetzt werden soll.

Die genannten beiden Jahre waren für die Oberlausitz die drangsalvollsten des ganzen Krieges. Zittau ward von den Hussiten bestürmt und belagert, aber von der tapferen Büi-gerschaft, den Hilfs- truppen der Bundesstädte, besonders von Görlitz, sowie von gewor- benen Söldnern mit glücklichem Erfolg gegen die Ketzer verteidigt. Lauban dagegen wurde von letzteren völlig ausgebrannt und die Bürgerschaft abgemordet. Auch Löbau wurde von den Hussiten überfallen und sollte von ihnen zum festen Mittelpunkte für weitere Plünderungszüge in das ganze Land gemacht werden.

Ein noch viel lebensvolleres Bild von dem kriegerischen Treiben jener Zeit als die eigentlichen Urkunden geben auch hier die, wenn auch nur kurzen Notizen der Görlitzer Ratsrechnungen. Wesentlich aus ihnen lernen wir kennen all die Verhandlungen der Oberlausitzer mit den Nachbarländern wegen gegenseitiger Hilfeleistung, mit dem königlich gebliebenen böhmischen Adel, mit den Besitzern fester Burgen wegen zeitweiliger Abtretung derselben an die Oberlausitzer zu dem Zwecke der Besetzung mit oberlausitzischen Truppen. Wir erfahren, wie allenthalben private Zwiste im Lande verglichen, Söldner aus der Nähe und Ferne angeworben und pünktlich der wöchentliche Sold ihnen ausgezahlt wurde. Sogar auf den Dörfern, wenigstens des Weichbildes Görlitz, wurde die waffenfähige Mann- schaft aufgeschrieben, für den Fall eines feindlichen Überfalls auch über sie „Hauptleute", meistens ihre Dorfrichter, eingesetzt und die in jedem Dorfe vorhandenen „Waffen", als Armbrüste, Flegel, Spiefse, Grabscheite, Hauen, aufgezeichnet. In den Städten aber waren Maurer,

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Zimnierlcutc. Steinbrecher und „Wagenkiiechte" fortwiilirend mit der mü-ilichsteu Verstärkung der Mauern, Thorc, Türme und üräben be- schäftigt. Der sonst sehr sparsame tJürlitzer Kat war jetzt freigebig; reichlich gab er den anlangenden oder abgesendeten Boten aufser dem eigentlichen Lohne Bier zum Trinken, bezahlte z. B. auch den Barbier, der dem interimistischen Landvogt Hans von Polenz sein gebrochenes „Bein geliunden und gearztet" hatte. Ja sogar den Ge- fangenen gab man Geld zum Vertrinken, „als man sie gemartert (gefoltert) hatte".

Auch die beiden letzten Hefte zeigen die schon früher von uns gerühmte Gewissenhaftigkeit des Herausgebers in der Beschaffung des Quellenmaterials, in der oftmals notwendigen richtigen Datierung einzelner Urkunden und in der Erklärung einzelner veralteter oder provinzialer Ausdrücke. Wir sehen dem zweiten Bande des Codex II, der auch den umfänglichen Index zu beiden Bänden bringen wird, mit Interesse entgegen.

Dresden. Hermann Knothe.

Säcbsisclie Geschichte. Von Otto Kaemmel, (Sammlung Göschen, Band 100.) Leipzig, G. J. Göschensche Verlagshandlung. 1899.

im SS. 80.

Otto Kaemmel, der Rektor des Nikolaigymnasiums zu Leipzig, hat sich bereits durch verschiedene zusammenfassende Arbeiten über sächsische Geschichte bekannt gemacht. Anläfslich des Wettinfestes veröffentlichte er unter dem Titel „Ein Gang durch die Geschichte Sachsens und seiner Fürsten" eine von Professor E. A. Donadini künstlerisch ausgestattete Festschrift (Dresden, W. Hoft'mann. 1889) und wenige Jahre darauf „Grundzüge der Sächsischen Geschichte" (Dresden, A. Huhle, J898), die als Grundlage für den heimats- geschichtlichen Unterricht in den oberen Klassen unserer Schulen gedacht waren. Das neuerdings in der bekannten Göschenschen Sammlung erschienene Werkchen von IHO Kleinoktavseiten ähnelt den „Grundzügen" in seiner ganzen Anlage sehr, nur erscheint der Text an den meisten Stellen nicht unwesentlich erweitert. Die Prinzipien in Anordnung und Behandlung des Stoffes sind hier wie dort die gleichen. Alles Anekdotenhafte, das sich in anderen Ab- rissen der sächsischen Geschichte vielfach breit macht, wird bei Seite gelassen. Dagegen werden alle kulturgeschichtlichen Dinge um so ausführlicher behandelt. Jedes „aufdringliche Urteilen" über politische Tliatsachen, besonders da, wo dieses nur zu Ungunsten Sachsens ausfallen kann, wird ebenso vermieden, wie ein gewisser wehmütiger Ton, der anderwärts nicht selten zu linden ist. Statt alles dessen läfst der Verfasser die Thatsachen sprechen. Um aber das Bild recht klar und deutUch aus .seinem Kalimcn hervortreten zu lassen, bemüht er sich, mit Übergehung alles Nebensächlichen nur die wich- tigsten Thatsachen zu ])it'ten und diese gegen den in breiten Strichen ausgeführten Hintergruiul der allgemeinen deutschen Geschichte scharf abzuheben. ^Vie weit ihm diese Bemühungen im Einzelnen geglückt sind, kann hier ..nicht näher geprüft werden. Nur das Eine sei er- wähnt, dafs der Uberl)lick üljcr die Reformationszeit thatsächlich wie aus einem Gusse erscheint und alles irgend entbehrliche Detail ge-

schickt vermeidet. Dagegen ilürfte in anderen, z. B. einzelnen mittel- alterlichen Partien, die Ausscheidung nebensächlicherer Thatsachen

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nicht gleich glücklich durchgeführt sein. Kann man hierüber immer- hin geteilter Meinung sein, so müssen zwei Mängel, die dem Buche anhaften, unumwunden von jedem einsichtigen Beurteiler zugegeben werden. Einmal hätten von der Verlagsbuchhandlung, die andere Bändchen ihrer Sammlung mit zahlreichen Abbildungen ausgestattet hat, unbedingt einige historische Karten beigegeben werden müssen. Wenn diese „fast unentbehrliche Zugabe", um Kaemmels eigene Worte zu gebrauchen, weggeblieben ist, so läfst sich dies nur aus der Erwägung verstehen, dafs an einer einzigen Karte, wie sie z. B. den ,,Grundzügen" beigegeben ist, nie und nimmer die komplizierte Entwickelung der Wettiner Lande veranschaulicht werden kann, sondern dafs zur Erreichung dieses Zweckes mindestens ebenso viele Pläne notwendig sind, als A. Brecher in seiner „Darstellung der Gebietsveränderung in den Ländern Sachsens und Thüringens" zu- sammengestellt hat. Bedauerlicher aber noch als der Mangel dieses Kartenanhanges ist die geringe Zuverlässigkeit des Buchs in Angabe geschichtlicher Ereignisse. Mufs Gewissenhaftigkeit in dieser Be- ziehung ohnehin von jedem wissenschaftlichen Werke gefordert werden, so gilt dies ganz besonders bei solchen Büchern, die, wie die Göschen- schen Leitfaden, für breitere Schichten des Volkes bestimmt sind. Wollte man alle fehlerhaften Angaben des Kaemmelschen Buches sammeln, so würde eine stattliche Liste zusammenkommen. Und dabei beziehen sich die Irrtümer nicht blofs auf geringfügigere Dinge. Auch die bekanntesten und bedeutsamsten Thatsachen sind oft falsch angegeben. So nennen sich, um nur wenige Beispiele herauszugreifen, die Grafen von Thüringen nicht seit 1229 (S. 27), sondern 1129 Land- grafen. Nicht zu Weifsensee (S. 28), sondern zu Weifsenfeis wurde der Vertrag geschlossen, der 1249 den Thüringischen Erbfolgestreit beendete. Nicht in einer Urkunde vom 6. Februar, sondern 6. Januar 1423 übertrug Kaiser Sigismund den Wettinern die Kurwürde, auch nicht, nachdem die Wittenberger Askanier, die bisher den sächsischen Kurhut getragen hatten, 1422 mit Albrecht IL (S. 44), sondern mit Albrecht III. ausgestorben waren. Und so geht es fort. Der be- kannte Reichsritter Wilhelm von Grumbach wird S. 86 Wilhelm von Kulmbach genannt, Leibnitzens Tod S. 102 auf 1713 festgesetzt, als Eröffuungsjahr der Leipzig-Dresdner Eisenbahn 1837 (S. 132) an- gegeben, während in diesem Jahre nur die kleine Anfangsstrecke Leipzig- Althen fertig wurde, die ganze Bahn aber erst am 7. April 1839 in Betrieb genommen werden konnte. Vor der allzu vertrauens- seligen Benutzung des Buches ist also zu warnen. Wer sich einen Überblick über den Entwickelungsgang der sächsischen Geschichte oder einzelner Zeitabschnitte verschaffen will, nehme das Buch zur Hand! Er wird es nicht unbefriedigt weglegen. Wer sich aber über ein Datum, eine Jahreszahl oder dergleichen unterrichten will, thut gut, sich nach einem verlässigeren Werke umzusehen.

Dresden. Beschorner. .

Sächsische Yolkskiiude. Unter Mitarbeit von J. Deichmüller, H. Dunger, H. Ermisch, K. Franke, O. Grüner, Com. Gurlitt, A. Kurzwelly, E. Mogk, M. Rentsch, S. Rüge, E. 0. Schulze, 0. Seyffert, Job. Walther herausgegeben von Robert Wuttke. Mit 260 Abbildungen in Holzschnitt, Zink- und Kupferätzung, 4 Tafeln in Farbendruck und einer Karte vom Königreich

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI. 1. 2. 12

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Sachsen. Dresden, A. Schönfelds Verlagsbuchhandlnng. 1900 YIll, 520 SS. 8".

Im Jahre 18f)(5 gab Richard Andree seine treffliche Braun- schweiger Volkskunde heraus; jetzt am Schluss von 18!)i> erhalten wir ein verwandtes Werk über das Volksleben des Königreichs Sachsen, das aus Vorträgen entstanden ist, die im Winter 1898,99 an 20 Abenden vor zahlreichen Zuhörern in der Gehestiftung zu Dresden gelullten wurden. Die Vorträge der 14 Herren wurden dann umgearbeitet und von Dr. Kobort Wuttke in dem vorliegenden schön aiisgestatteten Buche zu einem Cianzen vei'cinigt. Gedruckt wurden 3000 Exemplare, die beim Schlufs der Subskription schon vergriffen waren. Im Herbst soll eine zweite Auflage erscheinen.

Diese Aufserlichkeiten beweisen schon die rege Teilnahme, welche die Volkskunde im Königreich Sachsen geniefst. Der leb- hafte Patriotismus unserer Nachbarn bewährt sich auch hier, der getragen wird von dem Bewufstsein, einem Staate voll gesuiulen Lebens anzugehören und einem Volksstamme, der im Genüsse der Gegenwart die Vergangenheit ehrt. Auch der Verein für Sächsische Volkskunde hat daher rasch einen guten Aufschwung genommen.

Das vorliegende Werk ist in vier Hauptabschnitte zerlegt: I. Die Grundlagen des Volkslebens. IL Die Bevölkerung. IIL Aus dem geistigen Leben des Volkes. IV. Das künstlerische Wollen des Volkes. In dem I. Hauptabschnitt giebt Professor S. Rüge eine geschichtlich - geographische Einleitung. Dann unterrichtet Professor Deichmüller über die prähistorische Zeit, Professor E. Ü. Schulze über den ^'erlauf und die Formen der Besiedelung des Landes durch die Sorben und dann durch die Deutschen. Während es sich dabei besonders um die Dorfanlagen handelt, giebt Regierungsrat H. Er misch über die Anfänge des sächsischen Städtewesens eine ge- drängte Darlegung. Die obersächsischen Städte sind wie in dem ganzen kolonisierten Osten nach gleichem Plane angelegte Gründungen.

Der ganze zweite Abschnitt hat Dr. R. Wuttke zum Ver- fasser. Es sind statistische Ausfülirungen über Stand und Wachs- tum der Bevölkerung des sächsischen Staates, über die Gliederung derselben nach Geschlecht mid Alter, endlich üljer den sittlichen Zustand, soweit sich derselbe durch statistische Aufnahmen über die verschiedenen Verbrechen und über die Häuügkeit des Selbstmordes erschliefsen läfst.

Die beiden ersten Hauptkapitel gehören mehr zur Landes- und Staatskunde als zur Volkskunde im engeren Sinne. Dieser wird in den beiden folgenden die Thür geöffnet, welche Skizzen aus dem geistigen und künsterischen Sein der Bewohner des König- reichs Sachsen bringen.

In dem Abschnitt „Aus dem geistigen Leben des Volkes" be- richtet zuerst Professor H. Dung er über die Volksdichtung in Sachsen. Der Verfasser ist als erfahrener Sanmiler und tüchtiger Kenner der Lieder und Reime, namentlich seiner vogtländischen Heimat, längst bekannt, und jeder wird seine Darlegungen, auch die prinzipielle über den Begriff des Volksliedes, sehr gern lesen. Über den obersächsischen Dialekt giebt Dr. K. Franke Auskunft. Er trennt mit vollem Recht das eigentlich Oliersächsische (von Weidau bis Bitterfcld und Falkenlicrg und von der Pleifse bis zur Oberlausitz) von dem Vogtländischen und dem Lausitzischen und bemüht sich Unter- und Ü bergangsmundarten festzustellen. Die Sitten und

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Gebräuche im Kreisläufe des Jahres, sowie den Aberghxubeu und die Volksmythen behandelt Professor E. Mogk in der aus dem Panischen Grundrifs der Germanischen Philologie und dem H. Meyer- schen Deutschen Volkstum bekannten Auffassung. Über die Oberlausitzer Wenden machen zwei Pastoren dankenswerte Mit- teilungen: J. Walther über die Sprache und Volksdichtung, M. Rentsch über Volkssitte und Aberglauben.

Am meisten skizzenhaft ist der letzte Abschnitt, überschrieben das künstlerische Wollen des Volkes. Der längste und gründlichste Aufsatz darin: Haus imd Hof im sächsischen Dorfe von 0. Grüner gehört mit dem von Professor E. 0. Schulze zu einem Ganzen ■, beide ergänzen sich. Professor C. Gurlitt handelt sehr dankenswert über die Dorfkirche in Sachsen, die aber schwerlich von der Stadt- kirche zu trennen ist. Die modernen Umgestaltungen, namentlich auch der Thurmbau in den oberen Teilen, nach dem man ganz Deutschland in landschaftliche Gruppen bringen könnte, möchten künftig mehr berücksichtigt werden, da sie auch für das Bild der Gegenden charakteristisch sind. Die bäuerliche Kleinkunst: (Töpferei, Gläser, Schnitzwerk, Möbel) bespricht A. Kurzwelly. Über die wendische, vogtländische und altenburgische Volkstracht im 18. und 19. Jahrhundert äufsert sich Maler 0. Seyffert, wozu sich ein Ausblick über die Zukunft der Volkstrachten überhaupt von C. Gurlitt fügt, der es für falsch hält, die alten bäuerlichen Trachten erhalten zu wollen, und die Aufgabe der Zukunft in dem Schaffen neuer, den verschiedenen Berufen sich anpassender Kostüme findet.

Wie ich vernahm, beabsichtigt der Herr Herausgeber die zweite Auflage durch Aufsätze über die altgermanische Bevölkerung Sachsens, über die Gliederung nach Berufen, über die Einkommens- verteilung, endlich über das Patrizierhaus zu vermehi-en. Den letzten Artikel wünschte ich erweitert zu einer Darstellung des obersächsischen Stadtbildes im Ganzen wie im Einzelnen. Empfehlen möchte ich ferner ein Kapitel über das Menschenbild, das die ver- schiedenen sächsischen Kreise gewähren, wobei Gröfse, Militär- tüchtigkeit, Farbe an Augen und Haaren auch dem Statistiker zu thuu geben. Anderes noch wird die fortgesetzte Aufmerksamkeit und Forschung anregen. Je schätzbarer das bereits Geleistete ist, um so vollkommener wird man das Werk weiter werden wollen.

Berlin. Karl Weinhold.

Per Katzeneliibogische Erbfolgestreit. Von Otto Meinardus.

Erster Band. Erste Abteilung: Geschichtliche Darstellung bis zum Tode des Grafen Heinrich von Nassau (1538j. Mit dem Lichtdruck- Porträt des Grafen Heinrich von Nassau. Zweite Abteilung: Briefe und Urkunden 1,518—1538. Mit dem Lichtdruck-Porträt des Grafen Wilhelm von Nassau. (A. u. d. T.: Nassau -Oranische Corre- spondenzeu. Herausgegeben von der Historischen Commission für Nassau. Bd I.) Wiesbaden, J.F.Bergmann. 1899. 176; XI, 431 SS. 8».

Auf der breiten Grundlage der Geschichte der politischen und religiösen Entwickelung und unter Benutzung eines durch ganz Deutschland zerstreuten archivalischen Materiales hat der besonders durch seine Arbeiten zur Geschichte des Grofsen Kurfürsten in wei- testen Kreisen rühmlichst bekannte Verfasser im vorstehenden Werke

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die Katzenelnbogische Erbfolgefrage bis zi;m Tode des Grafen Heinrich in möglichster Vollständigkeit behandelt und dabei auch bedeutsame Beiträge zur sächsischen (ieschiclite vorgelegt. Seitdem zu Nord- hausen 1520 die hessisch -sächsische Erbverbrüderuug von 1487 in wesentlich abweichender Fassung erneut und die Huldigung auch in den strittigen Gebieten in einer die Nassauer brüsk provozierenden Weise erzwungen war, sind bei den wechselvollen Lagen, in die der junge hessische Landgraf geriet, sowohl Albertiner wie Ernestiner in wechselnder Stellungnahme stark beteiligt gewesen. Die Politik beider Linien in dieser Streitfrage, bei der die höchsten und stärksten Gegensätze in den Nassauern treue Diener des Hauses Burgund- Habsburg, in dem Landgrafen der gelieirae Paktierer mit den Fran- zosen und mit allen Gegnern der Weltmachtstelluug Karls V., das Prinzip der oberrichterlichen Gewalt des Königs und das der stän- dischen Gewalten, die letzten Zuckungen des aufbäumenden Reichs- adels und die zielbewufsten Bestrebungen der fürstlichen Landeshoheit, das Vordringen des römischen Rechtes und die alten dem J^ebnrecht entstammenden Rechtsgewohnheiten u. s. w. auf einander platzen, war naturgemäfs eine verschiedene. Als z. B. Sickiugen gegen den Landgrafen rüstete, lehnten Kurfüi-st Friedrich und Herzog Johann die von Hessen erbetene Hilfeleistung ab, während Herzog Georg sich dem Landgrafen nicht versagte. Als dann dieser von einem Anschlufs an die Ernestiner in der Katzenelnbogischen Angelegen- heit mehr Föiderung erwartete, wandte er sich von Herzog Georg ab. Damals hatte die Spannung der sächsischen Häuser einen hohen Grad erreicht; bis zum Sommer 152(3 war die Feindschaft so grofs geworden, dafs Kurfürst Johann fürchtete, man würde ihn angreifen und verjagen. Gerüchte, dafs der Kurfürst von Sachsen seiner Zu- neigung gegen Luther halber die Kur verlieren werde, gingen schon seit 1523 um. Da ist es denn interessant zu lesen, was 1525 Herzog Georg schreibt: der Landgraf solle seinen Feinden verzeihen und ihnen das Ihre wiedergeben und den Grafen von Nassau, was ihnen vom Kaiser zugesprochen sei; dann werde jedermann sprechen, er sei ein rechter evangelischer Christ. Allein Philipi) war weit ent- fernt, die reiche Katzenelnbogische Erwerbung, durch die das Haus Hessen in den Stand gesetzt war, grofse Politik zu treiben, wieder fahren zu lassen und damit alle Mühe und Arbeit seiner Vorfahren zu schänden zu machen. Mit gröfster Klugheit und unter geschickter Benutzung der Erbverlirüderung mit Sachsen ging er vor und brachte die hessisch -sächsische Waffenerhebung zu stände, deren Ursachen Meinardus in eingehender Weise dargelegt hat. Diese Waffen- erhebung war dem Kaiser so unerwünscht wie je; die kaiserliche Politik sah sich hier zum erstenmale einem politischen Faktor im deutschen Reiche gegenüber gestellt, den sie bisher nicht in Rechnung gezogen hatte. Besonders interessant sind die Ausführungen von Meinardus über die Packschen Händel, über deren Beurteilung die Geschichtschreiber bisher sehr uneins gewesen sind : auf katholischer Seite huldigte man der A-nsicht, der Landgraf sei der Erlinder des sogenannten Packschen Bündnisvertrages, den eine grofse Anzahl geistlicher und weltlicher Fürsten zur Ausrottung der evangelischen Lehre und zur Aufteilung der säch.sisch- hessischen Erblande ein- gegangen sei; auf evangelischer Seite wurde diese Auffassung be- stritten. Diese Packschen Händel werden von Meinardus endgiltig als eine hessische Machenschaft enthüllt. Der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf von Hessen erhoben im Frühjahr 1528 die Waffen,

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ntn sich gegen den vermeintlichen Angriff eines Bundes katholischer Fürsten zu schützen ; zu letzteren gehörte Herzog Georg von Sachsen, der diese angeblich von Land und Leuten verjagen und die Anhänger der lutherischen Lehre ausrotten wollte. In Wirklichkeit gab es dieses Bündnis nicht. In seiner grofsen Bedrängnis um das Erbe seiner Väter und der Besorgnis vor unbestimmt drohenden Gefahren liefs Philipp eine falsche Büudnisurkunde anfertigen, um in einem Augenblick, da der Kaiser dringend deutscher Hilfe gegen Frank- reich bedurfte, Unruhe zu stiften und dadurch den kaiserlichen Staats- männern Verlegenheiten zu bereiten, infolge deren sie gezwungen werden sollten, seine und seines Bundesgenossen Hilfe zu erkaufen, der Kaufpreis war die Grafschaft Katzenelnbogen. Als die bedrohten Fürsten jede Schuld bestritten, schob der Anstifter den Dr. Pack als Urheber des Schriftstückes vor, welcher der Forderung der beschul- digten Fürsten , namentlich des Herzogs Georg von Sachsen , ent- sprechend, vor Gericht gestellt, in einem formlosen und nur zum Schein eröffneten Gerichtsverfahren verhört und später , mit Geld- mitteln versehen, ins Ausland entlassen wurde. Die Spannung mit Herzog Georg wurde allerdings vergröfsert, und auch zum Kurfürsten Johann bildete sich eine Entfremdung; aber die im November des- selben Jahi-es bevorstehende Pechtsverhandlung zu Tübingen mit ihren in Aussicht stehenden Bedrohungen gegen die hessisch-sächsische Erbverbrüderung zwang die beiden verstimmten Fürsten im eigenen Interesse, dem erneuten Ersuchen des Landgrafen Gehör zu schenken und ihm zu Recht beizustehen. Eine sächsisch -hessische Sendung an Kaiser Karl V. übermittelte nicht nur die Appellation in der Katzenelnbogischen Erbsache, sondern war über alle die grofsen politischen und religiösen Gesichtspunkte dieser Zeit beauftragt. Speziell kam es dem Kurfürsten darauf an, die politischen Anliegen seines Hauses und Landes dem Kaiser zu unterbreiten, die Bestätigung des Jülichschen Heiratsvertrages, die endliche Belehnung mit den Lehen und Regalien und die Gewährung eines Marktes für die Stadt Gotha. Nicht mit Unrecht wird man die letzten Forderungen als den Preis anzusehen haben, den der Kurfürst für die Hergabe seiner Stimme verlangte. Durch diese hessisch -sächsische Gesandtschaft ist zum erstenmale der Zusammenhang der religiösen mit der poli- tischen Opposition im Reiche klar zum Ausdruck gebracht. Im Hinblick auf die schroffe Ablehnung ihrer Anliegen mufsten die ver- bündeten Fürsten erwarten, dafs der Kaiser demnächst mit Heeres- macht in das Reich rücken und sich gegen sie wenden würde. Es herrschte daher im Herbst 1529 grofse Unruhe im Reiche. Trotz der hessisch -sächsischen Appellation ging der Katzenelnbogische Prozefs seinen Gang weiter. Die Trennung Sachsens von Hessen, das war die Politik des Grafen Wilhelm von Nassau, hier liefen seine Bestrebungen auch mit denen des Kaisers zusammen. So wurde Graf Heinrich in den dreifsiger Jahren der Mittelsmann zwischen dem Kurfürsten von Sachsen und dem Kaiser. Die Versuche güt- licher Vermittelung, vermöge deren Graf Wilhelm mit Hilfe Sachsens den Katzenelnbogischen Streit beizulegen hoffte , scheiterten , einer der letzten besonders auch daran, dafs der Landgraf erklärte, wenn er jetzt auch dazu geneigt sei, mit Nassau übereinzukommen, so könne er doch in diesen bedenklichen Zeiten es war im Mai 1537 eine gröfsere Geldsumme nicht entbehren.

Mühlhausen i. Thür. Eduard Heydenreich.

182 Litteratnr.

Beiträj?e zur säclisisclioii Kirclioiigescliiclite, lniausgegeben im Aiiftraae der Gesellsciialt für sächsische Kirchengeschichte, von Franz üibplius und Theodor IJries-er. 14. Heft. (Jahrosheft für 1899.) Leipzig, Johann Ambrosius Barth. 1899. III, 282 SS. 8'>.

Vorliegendes Heft bietet wieder wertvolle Arbeiten, die sich fast ausschliefslich auf das 16. Jahrhundert beziehen. Das biographische Gebiet ist mehifaeh vertreten. Bekannt ist das Witzwort des Herzogs Georg von dem schönen Frösclilein, das in Wittenljerg zur Kröte geworden sei. Mag. Frösche 1, den der eifrige Verfechter der alten Kirche mit diesem Bonmot charakterisierte, wird hier von Oskar G ermann in neun Kapiteln behandelt, die nicht nur das Leben des auch in der Kirchenverwaltung verwendeten Wittenberger Geistlichen scliildern, sondern auch seine litterarische Bedeutung eingeliend darstellen. Zu S. 67 Anm. 152 sei bemerkt, dafs ich das von Fröschel mitunterzeichnete üi'dinationszeugnis für Wolfgang Guntsch, 15.54 berufen als Pfarrer nach Krösseln, in der ..Zeitschrift für kircliliche Wissenschaft und kirchliches Leben". Jahrgang 1888, Heft IX, S. 474 f. veröft'entlicht habe. In den Visitationsakten wird auch bisweilen Fröscheis als Ordinators gedacht, z. B. in dem Akten- stücke des Dresdner Hauptstaatsarchivs Loc. 2008, Visitation des Leipziger Kreises Anno 1678 Bl. .■506 b bei Gelegenheit der Bio- graphie Johann Wigands, Pfarrers zu Wenigen -Sommern, der 1558 von Paul Eber, Philipp Melanchthon, Georg Major, Seb. Fröschel, Johannes Sturio und Paul Ezelius ordiniert Avorden war. Fünf archi- valische Beilagen bilden den Schlufs der Arbeit. Erwähnt sei daraus ein Stammbuchblatt (S. 125) mit seiner auch heute noch beachtens- Averten Warnung vor der no'AvnQuy^ioavvti und der ]\Iahnung primum ut quisque iutelligat suara vocationem et ofticia suae vocationisfaciat. Zwei biographische Beiträge bietet noch Otto Giemen in den Miscellen „Georg Amandus" und ..Dominicus Beyer", die u. a. Avieder zeigen, Avelche prächtige Einzeldrucke aus der Reforinations- zeit die Zwickauer Ratsbibliothek besitzt. Das Gebiet des Kirchen- rechts und der KirchenverAvaltung bebandeln drei Arbeiten: Kröber, Wie Bocka mit seiner Kirche und deren Zubehör nebst zwei Gütern nach Sachsen gekommen ist, Meusel, Die lieufsische oder Renfsisch- Schönburgische Konfession von 1567, und Planitz, Die Absetzung des Pfarrers Valentinus Heydt zu Oberciinitz in den Jahren 1556 bis 1558. Hier Avird S. 189 erwähnt, Heydt sei bis zum Juni lFi49 Stuhlschreiber in Buchholz gCAvesen. MerkwürdigerAveise ist er von L. Bartsch in seiner sorgfältig gearbeiteten Studie „Kirchliche und schulische Verhältnisse der Stadt Buchholz-' (Beiträge zur Geschichte der Stadt Buchholz Heft III und IV) nicht erwähnt, und auf eine schriftliche Anfrage hin erklärte mir der kundige Kenner der Buch- holzer Geschichte, dafs ihm der Name nie beyegnet sei. In die Gegenwart führt schliefslich die Rede, mit der Pfarrer Wolf die neue Denkmalhalle zu Dohlen bei Dresden eingCAveiht hat. die zur Aufniihme mehrerer denkwürdiger (frabsteine gebaut ist. Unter ilmen befinden sich auch solche der Familie \'on Zeutsch, zu deren Nach- kommen die Kaiserin Katharina II. von Rufsland gehört.

Zittau. Georg Müller.

Geschichte der reichsfreilierrliehen Familie von Friesen.

2 Bände. \'on Ernst Freiherr von Friesen. Dresden, C. Hein- rich. 1899. XIV, 416-, yB6 SS. 8». 22 Tafeln, 1 Karte.

Litteratnr. 183

Über zwei Geschlechter des Namens Fries, Friesen er- schienen in den letzten Jahrzehnten Arbeiten, nämlich „Die Friesen und ihre Geschlechter" von Ritter Ignatz von Friefs (Wien 1885) nnd die Grafen von Fries von Graf August von Fries (Meran 1884). Ihnen reiht sich nunmehr die Familiengeschichte des sächsischen Geschlechtes von Friesen an.

Der Verfasser nimmt an, dafs das sächsische Geschlecht und ein gleichnamiges, oberelsässisches Geschlecht gleichen Stammes seien, indem letzteres als Wappen einen roten, stehenden, nach links geöffneten Halbmond auf weifsem Felde, das sächsische Geschlecht ganz das gleiche Wappen, nur noch in der Öffnung des Halbmondes einen halben, roten, achteckigen Stern hat. Er hält den dem ober- elsässischen Geschlecht angehörenden, 1361 urkundlich genannten Henninus Frieso mit einem 1374—1379 als Mann der Herren von Schönburg auftretenden Heinemann von Friesen für ein und dieselbe Person. Dieser Heinemann von Friesen tritt indessen schon früher in Sachsen auf. Denn als am 12. Juni 1363 Friedrich und Hermann von Schönburg, Gebrüder, kund thaten, dafs Heinrieh von Bugstorf, der ihr Hauptmann gewesen war, dem Gott gnade, 5 Mark Silber zu dem in ihrer Kirche zu Glauchau der St. Barbara geweihten Altar gegeben und Heinrichs Wittwe und ihre Erben diesen Zins gutwillig abgetreten hätten, nennen sie als Zeugen neben anderen getreuen Mannen auch Heynemann von Frisen^). Wäre nun Henninus Frieso und Heinemann von Friesen eine Person, so müfste die Einwanderung des ersteren nach Sachsen zwischen 1361 und 1363 erfolgt sein. Es fragt sich nun, ob innerhalb dieser Zeit ein Ereignis eingetreten ist, welches die Herren von Schönburg veranlassen konnte, die Zahl ihrer Mannen durch einen vom fernen Oberelsafs stammenden Edelmann zu vermehren. Nun sammelte Kaiser Karl IV., der als König von Böhmen der Lehensherr der Herren von Schönburg war, im Sommer 1362 bei Kolin ein Heer gegen König Ijudwig von Ungarn und rückte nach Mähren vor. Zu diesem beabsichtigten Feldzug gegen den Ungarkönig bot Karl IV. natürlich auch seine Vasallen, die Herren von Schönburg, auf, die Mannen stellen mufsten. Bei dieser Gelegenheit könnte ich sage ausdrücklich könnte, da es sich nur um eine Ver- mutung handelt jener oberelsässische Henninus Frieso unter die Mannen der Herren von Schönburg aufgenommen worden sein.

Wie man sieht, beruht die Identifizierung des oberelsässischen und sächsischen Geschlechts auf Vermutungen, welche indessen in der grofsen Ähnlichkeit der Wappen eine starke Stütze finden. Absolute geschichtliche Gewiisheit wird man über diesen Punkt schwerlich je erlangen können. Dafür dafs die sächsischen von Friesen ein eingewandertes Geschlecht sind, spricht jedenfalls ihr spätes Auftreten in ihrer jetzigen Heimat.

Nachdem der Verfasser sich bemüht hat, die Herkunft des Geschlechts festzustellen, schildert er dessen Schicksale bis auf die Gegenwart hinab. Alles, was er über dasselbe berichtet, stützt sich auf Urkunden, Akten oder sonstige glaubwürdige Quellen. Die Fabeleien früherer Genealogen, welche sich nicht scheuten, Personen und Thatsachen zu erdichten, weist er in das Gebiet der Mythe und

1) Fürstliche und gräflich Schönhurgische Gesamtkanzlei in Glauchau. Loc. 421 No. 7.

184 Litteratiir.

hütet sich wohl, die Staramreihe mit derartigen erdichteten Persön- lichkeiten zu bereichern.

Die vorliegende Familiengeschichte bietet nicht nur für die Geschlechter- und Ortsgeschichte, sondern auch für die sächsische Landesgeschichte ein reiches Material. Denn mehrere Mitglieder der Röthacr Linie des reichsfreiherrlichen Geschlechts von Friesen h:il)eii um das sächsische Land sich hohe Verdienste als kurfürstliche und königliche Beamte erworben. Die Reihe eröffnet der Kanzler ßeichsfreiherr Heinrich von Friesen (f 20. Juni 1659), hierauf folgen der Direktor des Geheimen Kats Heim ich der jüngere (t 14. Mai 1680) , der Präsident des Oberkonsistoriums Karl (t 29. Juli 1686), der Geheime Kat Otto Heinrich (f 20. August 1717), der Generalleutnant Christian August (f 24. September 1737). Am bekanntesten ist wohl der kaiserliche General -Feld.^eugmeister Graf Julius Heinrich von Friesen (f 28. August 1706), welcher bis 1695 in kursächsischen Kriegsdiensten gestanden hatte. „Er opferte seinerzeit sein Vermögen, sein Leben dem einen Zweck, der Be- freiung Deutschlunds vom französischen Einflufs." Den bisher ge- nannten Familienmitgliedern reiht sich dann in unserem Jahrhundert würdig an der Minister Freiherr Ivichard von Friesen.

Allen diesen sowie noch einer grofsen Reihe anderer Familien- mitglieder sind eingehende Lebensbeschreibungen im vorliegenden Werk gewidmet. Der Verfasser verschweigt hierbei keineswegs die Schattenseiten, an denen es ja selbst bei den besten Charakteren nicht fehlt. Er tadelt die Schwächen einzelner Mitglieder offen, so die Hinneigiuig des Enkels des Grafen Julius Heinrich zu Frankreich.

Mit Vorliebe weilt der Verfasser bei den kriegeiischen Thaten seiner Geschlechtsgenossen. Ein Avarmer Patriotismus spricht aus allen seinen Worten. Freude erfüllt ihn, wenn er berichten kann, wie so mancher seiner Stammesvettern für Sachsen stritt und auf dem Schlachtfelde Ruhm und Ehre erwarb.

Die Brauchbarkeit des vorliegenden Werkes erhöht ein treff- liches Register. Das Urkundenbuch, welches den zweiten Band bildet, gestattet alle Angaben des Verfassers einer Probe zu unter- ziehen. Dieselbe fällt, wie der Referent versichern kann, stets zu Gunsten der Zuverlässigkeit und Genauigkeit des A^erfassers aus.

Die äufsere Ausstattung macht dem Verleger Ehre. Nament- lich sind die dem zweiten Bande beigegebenen Wappen- und Siegel- abbildungen gelungen. Eine ebenfalls diesem Bande beigefügte Karte der obereJsässischen Heimat erleichtert sehr das Studium der Urkunden und Regesten über die elsässischen von Friesen.

Stuttgart. Theodor Schön.

Das MeiCsiier Porzellan und seine Geschichte. Von Karl Berllu^.

Mit 15 Chromolithographien, 15 Heliogravüren, einer Markentafel und 219 Textabbildungen. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1900. XVII, 211 SS. 40.

In diesem Werke liegt die erste vollständige, auf Grund der Akten bearbeitete und auf langjährige eingehende Studien gegründete Geschichte eines bestimmten Zweiges kunstgewerblicher Thätigkeit vor, dem sich nach einer langen Zeit verhältnismäfsiger Nichtachtung erst jetzt das Interesse auch weiterer Kreise wieder zuzuwenden beginnt. Die in der bekannten Biographie Böttgers von Engelhardt,

Litte ratur. 185

in Studien von v. Seidlitz, Brinckmann u. a. niedergelegten Forschungen vertieft und erweitert der Verfasser derart, dafs er nicht nur die grofsen Zusammenhänge in der Entwickelungsgeschichte des Meifsner Porzellans übersichtlich darstellen, sondern auch in vielen Punkten gänzlich neue Resultate zu bieten vermag. Der technische und Avirtschaftliche Betrieb der Manufaktur wird genau geschildert; für die kritischen Untersuchungen, die der Verfasser den Wandlungen des künstlerischen Geschmacks widmet, gebührt ihm der besondere Dank der Kunsthistoriker. Interessant vor allem ist die Geschichte der ersten Anfänge der Erfindung, der Versuche Tschirnhausens, sowie der Böttgerschen Steinzeuge, deren A^erfeinerungen (l. Eisen- porzellan, 2. rotbraunes Steinzeug mit roh gelassener Oberfläche, 3. poliertes und geschliffenes, 4. glasiertes Steinzeug) samt den Nach- ahmungen der Konkurrenzfabriken Plane a. d. H., Bayreuth u. s. w. ausführlich behandelt sind. Über den Umfang der persönlichen Thätig- keit Herolds, des künstlerischen I^eiters der Manufaktur bis annähernd um die Mitte des Jahrhunderts, und die Zahl und Qualität seiner Arbeiten erfahren wir manches Neue, ebenso über die bewunderungs- würdige Schaffenskraft des grofsen Kandier (vprgl. auch das Akten- stück No. 5 der Beilage, das Inventar der Brühischen Porzellane enthaltend). So eingreifenden Schaden auch der siebenjährige Krieg der Manufaktur zufügte, so wertvoll wurde ihr auf der anderen Seite das Interesse Friedrichs IL, das sich in aufserordeutlieh um- fangreichen Aufträgen äufserte. Doch war der Krieg die erste Ur- sache des Verfalls, den die durch Kändlers schwer zu behandelnden Charakter verursachten Mifshelligkeiten in der Verwaltung nicht minder wie das Nachlassen seiner künstlerischen Leistungsfähigkeit und das Aufblühen der Koukurrenzfabriken beschleunigten. Das Einbrechen der Rokokoformen, zum Teil infolge der Thätigkeit des aus Paris herbeigerufenen Bildhauers Acier, förderte nun wieder die Entwickelung des malerischen Stiles. Marcolinis Versuch, durch Dietrichs Leitung den künstlerischen Geist neu zu beleben, war gut gemeint, scheiterte aber an der künstlerischen Charakterlosigkeit dieses Mannes und bereitete nur die akademische Verflachung vor; von den Werken der klassizistischen Periode vermögen nur wenige den Vergleich mit den früheren Leistungen auszuhalten. Das Schlufskapitel über das Marken wesen ist besonders beachtenswert: es enthält eine für jeden Sammler unentbehrliche Zusammenstellung sämtlicher Fabrik- und Arbeitermarken. Hiernach wurde das Zeichen K. P.M. von 1723 bis höchstens 1730, die Schwertermarke von 1725 bis heute, das Zeichen AR (im Monogramm) von 1725 bis 1740 und der soge- nannte Merkurstab von 1727 bis 1735 verwendet. Deraufserordentliche Fleifs, mit dem der Verfasser das umfangreiche Material verarbeitet hat, und die geschickte, in Einzelheiten nur manchmal etwas um- ständliche Darstellung verdienen in hohem Grade Lob. Das Komitee unter Leitung von Cornelius Gurlitt und A. von Haugk hat sich mit der Herausgabe dieses wirklichen Prachtwerkes ein nicht geringes Verdienst erworben. Die Ausstattung, die der berühmte Verlag ihm hat zu Teil werden lassen, ist von einem geradezu verschwen- derischen Glanz, der nur leider die Kosten für den normalen Bücher- käufer fast luierschwinglich macht. Die farbigen Tafeln stellen in der That das Vollkommenste dar, was technisch heute auf diesem Gebiete geleistet werden kann; in dem gesamten Schatz der Re- produktionen werden mehr als 500, den verschiedensten Sammlungen entnommene Stücke in musterhafter Deutlichkeit vorgeführt. Eine

186 Litteratur.

bescheidenere Ausgabe des schönen Werkes, bei der auch die Zahl

der Abbildungen noch vermindert werden könnte, wird üewifs dem Wunsche aller entsprechen, die sich noch den Sinn für die herrlichste Blüte unseres heimatlichen Kimstschaffens bewahrt haben.

Dresden. E. Haenel.

Übersicht über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur sächsischen Geschichte und Altertumskunde').

A., E. Unsere kleine Canaletto- Mappe: Dresdener Kunst und Leben.

III (1899), 887-890. 908 911. 947 f. 968 970. 992 f. 1008 f. Ä., G. Prinz Albert in Budissin. Nach den Berichten der „Budissiner

Xachrichten" von 1849 und 1850: ßautzner Nachrichten. 1899.

Nr. 249. S. 2843. A[nijer], G. Das recht galante Leipzis:: Leipz. Ztg. 1899. Nr. 234.

S. 4119 f.

Ein „Baedeker" für Leipzig aus dem vorigen Jahrhundert: ebenda Nr. 258. S. 4531 f.

Ar7-as , Paul. Urkundenbeiträge zur Geschichte Wilhelms von Eilenburg auf Bohnau etc.: N. Lausitz. Mag. LXXV (1899), 254 - 269.

Ein Erinnerungsblatt zum 14. Oktober [Anteilnahme der Sachsen an der Schlacht bei Jena]: Wöchentl. Beilage zu den ßautzner Nachrichten. 1899. Nr. 41. S. 163 ft'.

Barth. Schlofs und Stadt Augustusburg sonst und jetzt: Glückauf.

XIX (1899), 167-169. Beck. Steinkreuze: Gebirgsfreund. X (1898), 232 - 234. Benz, Karl. Die Stellung der Bischöfe von Meifsen, Merseburg und

Naumburg im Iuvestitur.st reite unter Heinrich IV. und Heinrich V.

Dresden, Naumann. 1899. YJII, Hl SS. 8". Berge, Bob. Verändeiungon der Thierwelt Sachsens in den letzten

Jalirhunderten (Schlufs): Wissenschaft!. Beil. der Leipz. Ztg. 1899.

Nr. S9. S. 377— 380.

Die Falknerei am Dresdner Hofe: ebenda. 1900. Nr. 9. S.33 3(). Bernmann, A. Die Johannisfeuer in Ebersbach: Gebirgsfreund.

XI (1899), 133 f. Beriet, Erich. Die sächsisch -böhmische Gi'enze im Erzgebirge.

Leipziger Inaug.-Dissert. Oschatz, Druck von Fr. Oldecops

Erben (G. Stockmar). 1900. 84 SS. 8". Berlinij, Karl. Das Meifsner Porzellan und seine Geschichte. Mit

15 Chromolithographien, 15 Heliogi'avuren , 1 Markentafel und

219 Textabbildungen. Leipzig. F. A. Brockhaus. 1900. XVII,

211 SS. 40. Bcrthold, G. Aus dem Leben sächsischer Pfarrer. 1. Dr. Sigismund

Richter, Oberpfarrer in Radeberg. 2. Job. Christ. Hairbach,

1) Vergl. die Übersicht über die neueren Erscheinungen zur Geschichte der Lausitz von II. J echt im N. Lausitz. Mag. LXXV

(1899J, 293-301.

Litteratur. 187

Pfarrer in Ernstthal. 3. Heinr. Willi. Benjamin Carl, Pfarrer in Stenn. 4. Mag. Paulus Odontius, Pfarrer in Oederan. 5. Magister Johann Caspar Wolkenstein, Pfarrer in Otteudorf: Aus der Heimat. Laus. Gesch.- und Unterhaltungsbl. 1899, Nr. 46 51. S. 181 bis 183. 185 f. 189-191. 194 f. 198 f. 202 f.

Blanckmeister, Franz. Zur Geschichte des alten Stadtkrankenhauses in Dresden (1568 -1849;: Festschr. z. F. d. 50jährigen Bestehens des Stadtkrankenhauses zu Dresden -Friedrichstadt (Dresden, W. Baensch. 1899). 11,3-12.

Böhme, O. Zur Geschichte der sächsischen Kanzleisprache von ihren Anfängen bis Luther. I. Teil: 13. und 14. Jahrhundert. Halle a/S., Druck von Ehrh. Karras. 1899. 58 SS. S".

Brandenburg , Erich. Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen. Bd. 1 (bis zum Ende des Jahres 1543). Leipzig, B. G. Teubner. 1900. XXIV, 761 SS. 8«.

Brückner, Lampe cG Co. 150 Jahre einer deutschen Drogenhandlung 1750 1900. Ein Beitrag zur Geschichte ihrer Firma, herausgegeben am 7. Februar 1900. Leipzig, Berlin, Hamburg. 36 SS. 80.

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Der älteste Stich des Moritzdenkmals im Dome zu Freiberg: Zeitschr. f. bildend. Kunst. NF. XI (1899 1900), 20 f.

Beiträge zur sächs. Gesch. 1. Mittelalter!. Wappengreif eines Wettiners als heutiger Damenschmuck. 2. Vom Helden von Sievershausen. 3. Aus der denkwürdigen „Hutscene" zwischen Napoleon I. und Metternich: Dresdener Kunst und Leben. III

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Nachtrag zu den „Berichten" v. J. 1879 [Leibnitzkorrespondenzen] : Berichte über die Verband!, der K. S. Gesellsch. d. Wissensch. zu Leipzig. 1899, 172.

Mifsbrauch eines 15jährigen, in willenlosen Zustand versetzten Mädchens in Kursachsen (1721 f.): Zeitschr. f. d. gesamte Straf- rechtswissenschaft. XIX (1898, 1899), 702 f.

Unbekannte Gedichte aus den schlesischen Kriegen: Euphorion. 4. Ergäuzungsheft (1899), 132 f.

188 Litteratur.

Distel, Th. Der [kursächsische] Mordpfarrer Tinius als Dichter: ebenda 143 f.

Zur ältereu Jahrraarktslitteratur im Königreiche Sachsen : ebenda 145 f.

Znm Gedächtnisse der Neuberin : Das Neue Blatt. 1899. Nr. 27.

Beliauptung, dafs die Sachsen aus Persien stammen: Zeitschr. f. d. deutschen Unterricht. XIII (1898, 1.S99), .•554.

Zum Gewichte der Hothirsche in Kursachseu: Weidmann. XXX (1898; 1899), 258.

Eine denkwürdige Auerhahnbalziaa-d des Königs Albert: ebenda 29Hf.

Ein Portrait für das Georgenthor des Dresdener Schlosses: Dresdner Neueste Nachrichten. 1899. Nr. 185,

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Diffrich, Ma.r. Zum 490. Geliurt.stage der Universität Leipzig: Leipz. Tgbl. 1899. Nr. 613. S. 9353.

Sachsen unter den Wettinern. Eine kurze Gesch. des Sachsen- landes und seiner Fürsten: Dresdener Kiinst und Leben. III (1899), 730 f. 891 893. 954-956. 970 974. 993-996.

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den 12. September 1785: Loschwitz;er Anzeiger. 1899. Nr. 68. Gr[össejl. Sächsische Städtebilder. Grofsenhain: Leipz. Ztg. 1899.

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auf die neueste Zeit. Auf 80 Abbildungen und Pläne uach alten

und seltenen Stichen verm. Neudruck der Ausgabe von 1842.

2. Bd. 2. Hälfte (Schlufs). Leipzig, Alwin Schmidt. (1900.) VI,

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der Herrschaft Friedland während der Zeit der Reformation und

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[Waidenburg 1844]: Schönburger Tageblatt. 1900. Nr. 47. Hirschfeld, J. B., und G. Holz. Hundert Jahre einer Leipziger

Buchdruckerei. Leipzig. 1900. 2 BU., 61 SS. 4<*. Holder- Egger-, Osw. Studien zu Thüringischen Geschichtsquelleu.

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XXV (1899), 81-127. .[Hoijpe.J Aus den Grimmaer Visitationsakten vom Jahre 1574:

Nachrichten f. Grimma u. Umgegend. 1899. Nr. 223. 225. Hüttner. Chronikalisches über Jöhstadt: Glückauf. XIX (1899), 117—122. 131 f. Jsolani, Engen. Chopin in Dresden und Leipzig: Leipz. Ztg. 1899.

Nr. 241. S. 4241 f. Jacobi. Zur Geschichte der Realschule mit Progymnasium zu

Reichenbach i. V. in dem ersten Halbjahrhundert ihres Bestehens

190 Litteratur.

1849—1899. (Festschr. z. SOjälirig. Jubilüuiu. 1S99. I. Teil.) 50 SS. 8».

Jahn. Geschichte des Kgl. Sachs. Carabinier- Regiments, vormaligen 3. Roiter-Regimcnts. Auf Befohl des Kgl. Carabinier- Regiments zusammengestellt. Mit 2 Bildnissen und 5 Karten in Steindruck. Berlin, E. S. Mittler & Sohn. 1899. XV, 234 SS. 8".

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Evan Evans, ein Förderer erzgebirgischer und sächsischer In- dustrie: Glückauf. XX (1900), 20-22.

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Aus vergangenen Tagen: Nachrichten für Grimma und Umgegend.

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Zur Entwickeluiigsgeschichte des sächsischen Heerwesens im

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S. 213 218. Goethes Faust und das Leipziger Stadttheater: Leipz. Tgbl. 1899.

Nr. 435. S. 6551. Leipzig im Taumel: ebenda Nr. 582. S. 8857. Leipzig vor 100 Jahren: ebenda. 1900. Nr. 1. S. 1 f. Städtebiider aus Sachsen. 0 elsnitz i. V.: Leipz. Tgbl. 1899. Nr. 629.

S. 9657 f. Über die Entwickelung der Stadt Oelsnitz i.V. in den beiden

letzten Jahrzehnten: Ind. d. Erzg. u. Vogtl. XII (1900), 1—3,

21—22. Bilder aus der sächsischen Pos tge schichte: Archiv f. Post u. Telegr.

1900. Nr. 2 f. S. 53 63. 139-145.

Vor 100 Jahren. (Nach der Schla gwitzer Pfarrchronik beim Ein- tritt in das Jahr 1900): Scliünburger Tageblatt. 1900. Nr. 5. Prinz Xaver von Sachsen. Dresdner Anzeiger. 1900. Nr. 3. (15.23.)

Aus alter und neuer Zeit. Localgeschichtl. Monatsbeilage zum Localanzeiger für die Ortschaften des Lockwitz-, Müglitz- i;nd Weifseritzthales und die Städte Dohna, Glashütte und Dippoldis- walde. Redakteur: 0. Bruno Richter. Nr. 83 89. 1899/1900. (Vergl. oben s. v. Theile.)

Inhalt: Kleine Chronik von Niedersedlitz. Die Schulgemeinde Luga. Der Lugturm und der Gebirgsverein. Alte Erinnerungen von Niedersedlitz. Kleine Chronik von Leuben.

Beiträge zur Geschichte der Stadt Buchholz. Herausgegeben vom Buchholzer Geschichtsverein. Heft IV. Buchholz. Handreka. 1899. S. 73 216. S».

Litteratnr. 199

Inhalt: Bartsch, Kirchliche 'und schulische Verhältnisse der Stadt Buchholz während der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts (Schlufs). Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte. Herausgegehen im Auftrage der „Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte" von Franz Dibelius und Theodor Brieger. Heft 14. Leipzig, Joh. Ambr. Barth. 1899. 232 SS. 8».

Inhalt: O. Germann, Sebastian Fröschel, sein Leben und seine Schriften. F. E. Kröber, Wie ßocka mit seiner Kirche und deren Zubehör nebst zwei Gütern nach Sachsen gekommen ist. 0. Mensel, Die Reufsische oder Reufsisch- Schöuburgische Konfession von 1567. Planitz, Die Absetzung des Pfarrers Valentinus Heydt zu Obercriuitz in den Jahren 1556—1558. 0. Giemen, Georg Amandus. 0. Giemen, Dominicus Beyer. Wolf, Deukmalshalle in Döblen hei Dresden. Dresdner Geschichtsblätter. Herausgegeben vom Verein für Ge- schichte Dresdens. Jahrg. VIII (1899). Nr. 3. 4. IX (1900). Nr. 1. Dresden, Wilhelm Baensch. 4".

Inhalt: 0. Richter, Denkwürdigkeiten eines Konservativen aus den Jahren 1848 1849. (Schnorr von Carolsfeld,) Aus Julius Schnorrs Tagebüchern. Plünderung Altendresdeus 1547. Hang, Zur Geschichte des landesherrlichen Grundbesitzes an der Ostraallee. 0. Richter, Briefe eines fürstlichen Kunstfreundes [König Friedrich August IL]. Brück, Zur Geschichte der Lebensmittelversorgung der Stadt Dresden. Die früheste dich- terische Schilderung Dresdens. Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen i. V. 13. Jahreschrift auf die Jahre 1897/1899. Herausgegeben von Prof Dr. Chr. A. Scholtze. Plauen i. V. 1900. IV, 54 SS. 8».

Inhalt: C. v. Raab, Zur Fehdezeit im Vogtlande Ausgang des 14. Jahrhunderts. Ders., Nochmals die Mordthat bei Plauen 1544. Ders., Kleinere Mitteilungen Ders., Chrieschwitz in früheren Jahrhunderten. Georg Buchwald, Ein ungedruckter Brief Paul Rebhuns vom Jahre 1542. Ders., Eine litterarische Gabe Spalatins für einen sächsischen Edelmann. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen. Bd. V. Hefe 2. Meifsen, in Komm, bei Louis Mosche. 1899. S. 113 264.

Inhalt: Leicht, Siebeneichen und Ernst von Miltitz. Markus, Meifsen zur Zeit des dreifsigjährigen Krieges (Schlufs). Peter, Hans Alexander von Bosse. Loose, Topographie der Stadt Meifsen (Forts.). 4. Die Vorstädte. Ders., Das Geraeinderecht des Neumarktes. Die Beleuchtung der Stadt im vorigen Jahr- hundert. Meifsner Physikatstaxe. Einige Nachträge zu den Inschriften im 3. Baude. Mitteilungen vom Freiberger Altertumsverein mit Bildern aus Frei- bergs Vergangenheit. Herausgegeben von Konrad Knebel. 35. Heft: 1898. Freiberg i. S., Gerlachsche Buchdruckerei. 1899. 139 SS. 8«.

Inhalt: Knebel, Leben und Wirken Heinrich Gerlachs. Klotzsch, Der Rittersitz Oberschöna, die vier Dörfer Echards. Knauth, Aktenstücke zur dritten Schwedenbelagerung der Stadt Freiberg. Ders., Ein Revolutionsidyll [1848]. Wengler, Bericht des Bergverwalters Martin Planer über den Stand des Freiberger Bergbaues im Jahre 1570. Wappler, Über alte Besuchskarten. Knebel, Die Thümerei und das alte Gymnasium. Ders., Samuel Klemm, der bedeutendste Künstler der Freiberger Gold-

200 Litteratur.

schmiedeziiiift. H. Gerlach, Litterarische Umschau. Uistel, Bildnisse Herzog Heinrichs und seiner Gemahlin von Lukas Cranach. Ders., Endlich ein eigenhändiges Schreiben Herzog Heinrichs zu Sachsen. Ders., Hans Wessel. Ders., Ein Frei- berger Vivatband. Ders., Eine Werner- Gedenktafel. Gerlach, Eine Reise durchs Erzgebirge im Jahre 1593. Peine, Goethe in Freiberg.

Scliönbxirgisclie Geschichtshlätfer. Yiei'teljahrshefte zur Erforschung und Ptlege der Geschichte im Gebiet der Schönburgischen Recefs- und Lehnsherrschaften. Jahrg. VI (19ÜÜ). Heft 1 und 2. Waiden- burg, Kästner. 1900. 112 SS. 8".

Inhalt: Th. Schön, Die Herrschaft Graslitz in Böhmen im Besitz des Hauses Scliönburg 157.Ö -lH(i6. Resch, Zur Rechts- pflege in einem Schönburgischen ^'asallendorfe [Überwiera bei Waidenburg] im 16. und 17. Jahrhundert. Rother, Karl Rahlen- beck, ein Bruchstück Personal-, Lidustrie- und Kulturgeschichte. Ders., Eine achtwöchige Reise von Hohenstein bis Antwerpen im Jahre 1818. H. Colditz, Zur Geschichte der Weihnachts- mette in Lichtenstein. N. üertel. Ein Reformator des Sprach- unterrichts in Glauchau. H. Colditz, Zur Entwickelung des Schulwesens in Lichtenstein. Hervorragende Schönburger [Wilh. Gottl. und Wilh. Adolf Becker. Carl Heinr. Ludw. PölitzJ. Die alte Schlofseiche in Waidenburg. Th. Schön, Die Anfänge des Waisenhauses in Glaucliau. Ders., Ein Hexenfall vor 131 Jahren in Glauchau. Th. Distel, Der Wendelstein u. a. in Gauernitz. Aberglaube in früherer Zeit. Th. Distel, Zu dem Jerisauer Portrait des Kaisers Karl V. Ders , Theodor Hell aus Waiden- burg betr. Aus unserer Zeit.

Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs. 6. Band. Leipzig, Selbstvei-lag des Vereins. 1900. 264 SS. 80.

Inhalt: Kroker, Nativitätcn und Konstellationen aus der Reformationszeit. Giemen, Ein Aktenstück D.Andreas Frejhub betr. R. Beck, Aus dem Leben des Leipziger Ratsherrn Fried- rich Benedikt Carpzov. O.Reime, Der Adelstanz zu Delitz.sch. E. Mangner, Ein Leipziger Koclibuch aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts. Ed. Bachmann, Die Erstürmung des äufseren Grimmaischen Thores durch Major Friccius oder durch Major von Mirbach. Radestock, Dr. phil. Gu.stav Mühlmann. Rieh. Palm er. Die Liebesthätigkeit Leipzigs an den Waisen- und Findelkindern im Zeitalter der Reformation.

VII.

Der Anteil der Gaue Milsca und Nisani an der Sächsischen Schweiz.

Von

Dr. Alfred Meiche.

Unklar und eingehender Durcliforsclmng bedürftig sind die Anfänge geschichtlichen Lebens in dem Teile unseres Vaterlandes, der unter dem Namen „Sächsische Schweiz" heute einen Weltruf genieist. Viel bestritten ist vor allem auch die älteste territoriale Zugehörigkeit dieses Grebietes.

Da die Gegend um Pirna erwiesenermafsen zu dem ehemals slavischen Gaue Nisani in der späteren Mark Meilisen gehörte und nach den beiden Grenzurkunden des damit zusammenfallenden Bistums Meilsen von 967 und 996 dessen Grenze lief ^) „ad caput Albiae, inde deorsum in occidentalem partem, ubi divisio et coniinium duarum regionum est Behem et Nisinen. Ibidem ultra Albiam etc.", so steht es fest, dafs die Sächsische Schweiz die Grenz- scheide zwischen Böhmen und Nisani bildete. Und dehnt man nach dem Vorbilde Götzingers") den Begritf „Säch- sische Schweiz" bis zum Valtenberge bei Neukirch aus, dann berührt noch heute auch der Gau Milsca, die Ober- lausitz, diesen Landstrich.

Aber weit aus einander gehen die Ansichten der Forscher darüber, in welcher Weise die Grenzlinien jener alten Gaue die Sächsische Schweiz durchschneiden.

1) Cod. dipl. Sax. reg. II, 1, 4. 21.

2) Schandau und seine Umgebungen (1804) S. Iff.

202 Alfred Meiche:

Die älteren Historiker"^) rechneten das frühere Amt Hohnstein, das den ostelbischen Haiiptteil des Gebietes ausmacht, zu Nisani, während Götzinger*) es für den Gau Milsca in Anspruch nahm. Lange ruhte dann die Frage"*), bis Gautsch behauptete'^), dafs die Sächsische Schweiz, soweit sie auf dem rechten Eibufer liegt, ein Teil des slavischen Gaues Nisani sei und letzterem auch die böhmischen Herrschaften Hainspach, Schluckenau, Rumburg, lleichenberg und Friedland, „die noch heut zu Tage von den Böhmen das Niederland genannt" würden, zugerechnet werden müssten. Erst Knothe ist wieder und zwar mit gut(!n Gründen für die Hinzurechnung der beiden Herrschaften Hohnstein und Schluckenau zu Milsca eingetreten').

Die neueren Forscher übertragen mit vollem Eechte die anderwärts wiederholt bestätigte Wahrnehmung, „dafs die politischen Grenzen eines Landes oder Gaues bei der Organisation der kirchlichen Verfassung desselben inne gehalten wurden", auch auf den Gau Nisani, den sie in dem Umfange des späteren bischöflich-meilsnischen Archi- diaconatus Nisicensis wiederzufinden glauben.

Wir kennen die Grölse dieses kirchlichen Verwaltungs- bezirkes aus einer Matrikel des Bistums Meilsen, deren Anlage ins Jahr 1346 zurückgeht, die uns aber erst in einer Redaktion von 1495 überliefert ist^).

2) Junker, Anleitung zu der Geographie der mittleren Zeiten (1712) II, 261. Carpzov, Oberlausitzer Ehrentempel (1719) I, 31.

*) Geschichte des Amtes Hohustein (1786) I, 17.

•'"') Espe in seinem Aufsatze „Zur Geschichte des stiftmeifs- nischen Archidiaconats in Nisan" (Bericht der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig 183() S. 37) drückt sich etwas unklar aus: „Nisan, so be- nannt nach dem alten Gau Nisani, an dessen Grenzen er sich mit Ausschlufs des demselben einverleibten oberlausitzer Teils, so ziemlich angeschlossen zu haben scheint, bestand aus den vier sedibus etc.", während sich Weite, Gau und Archidiakonat Nisan in der Mark- grafschaft ileifsen (1876) S. 2 ff. init der allgemeinen Bemerkung be- gnügt, dafs Nisan „im Südosten an Böhmen grenzte und im Norden über die. .Elbe hinüberreichte".

'^) Älteste Geschichte der Sächsischen Schweiz (1880) S. 9—11. Ihm folgend möchte auch Posse (Die Markgrafen von Meifsen und das Haus Wettin 1881 S. 2.'3. 359 und Cod. dipl. Sax. reg. I, 1, 193) den Gau Nisani bis an die Ufer der Neifse liinausrücken, während er auf den beigegebenen Gaukarten wenigstens die Herrschaften Hohnstein und Schluckenau zu Nisani zieht.

■') Mittheilungen des Nordböhmischen Excursions - Clubs XI (1888), Ift.

«) Cod. dipl. Sax. reg. I, 1, 199 f.

Anteil der Gaue Milsca und Nisani an der Sachs. Schweiz. 203

Darnach zerfiel das Arcliidiakonat in die vier sedes oder Erzpriesterstühle: Dippoldiswalde, Dresden, Pirna und Radeberg. Diese bilden mit ihren zugeordneten Kirchspielen einen geschlossenen Landkomplex ohne be- sondere Ein- und Ausbuchtungen. Nun fügt aber Gautsch (und Posse) diesem wohlabgerundeten Gebiete in der sedes mit dem Doppelnamen Holmstein-Sebnitz noch einen gewaltigen östlichen Höcker an, der schliefslich noch um das ganze böhmische „Niederland" vergrölsert wird.

Zu der Einbeziehung des „Niederlandes" in den alten Gau Nisani hat nun lediglich die ja wohl berechtigte Deutung des slavischen Gaunamens „Nisani" als Nieder- land Veranlassung gegeben. Weil aber zwei, zufällig nur einen starken Tagesmarsch von einander entfernt liegende Gebiete infolge ähnhcher Lagenbeziehungen zu verschiedenen Zeiten in zwei verschiedenen Sprachen den gleichen Namen führen, ist man doch noch nicht berechtigt, sie als identisch zu erklären.

Die geographische Bezeichnung „Niederland" kehrt auf deutschem Sprachboden mehrmals wieder®).

Was das hier in Frage kommende böhmische Gebiet betrifft, so sei zunächst festgestellt, dafs der Name „Niederland" an zwei durch die sächsische Amtshaupt- mannschaft Zittau völlig isolierten Gegenden haftet. Der östliche Teil ist der um Friedland, der westliche auf drei Seiten von Sachsen umschlossene umfafst die Herr- schaften Hainspach, Schluckenau, Rumburg und von der Kamnitzer Herrschaft die Umgebung von Schönlinde und Kreibitz. Jener hat immer zum böhmischen Zagost gehört; die südlichsten Grenzsteine dieses Niederlandes sind das Forsthaus Kreuzbuche bei Hasel und der Schöber- Berg bei Ober-Kreibitz. Oberböhmen heifst dagegen das Flufsgebiet der Kamnitz und der Pölzen^*').

^) Niederland wird ein Teil der deutschen Zips in Ungarn ge- nannt. Am Ende des vorigen Jahrhunderts verstand man in Würz- burg unter den „Niederlanden" alle Gegenden am Rhein, die unter- halb der Einmündung des Mains lagen (Meiners, Kl. Länder- und Reisebeschreibungen. Berlin 1794. S. 145). Süfs (Historie des Städt- chens Königstein. 1755. S. 13) sagt: Die brandenburgischen Eib- gegenden, welche man hier das Niederland zu nennen pflegt. Mein %^ater, ein geborner Döbelner, erklärt stets: Ich stamme aus dem sächsischen Niederlande. Und doch gehört Döbeln nicht zu Nisani, sondern zum alten Gau Dalaminza.

1") Ich verdanke diese näheren Angaben Herrn Prof. A. Paudler in Leipa, wohl dem besten Kenner Nordostböhmens. Sie stimmen

204 Alfred Meiche:

Die Scheidung ist wohl verständlich. Denn während die Berge des Niederlandes nur ganz vereinzelt bis zu 600 Meter aufsteigen, erhebt sich die jenseitige Landschaft in Gipfeln von 600 bis fast 800 Meter Hölie^').

Jenes selbe Niederland aber wie die ihm vorgelagerte Sächsische Schweiz werden zum Oberlande gegenüber dem tiefen .Elbthale um Pirna und Dresden. Die frühere sächsische Ämtereinteilung unterschied zwischen dem 0 b er- amte Hohnstein und dem Niederamte Lohmen, und als 1842 C. J. Hofmann seinen Führer durch die Sächsische Schweiz erscheinen liels, da betitelte er ihn „das Meißner Hochland" und nannte das Gegenstück, das die Um- gebungen von Dresden und Meilsen behandelte, das „Meifsner Niederland". Noch heute erschemt in Neustadt die Zeitung: Das Meifsner Hochland. Es besteht danach wohl kein Zweifel, dafs weder das böhmische Niederland, noch die obere Sächsische Schweiz um jener relativ ähn- lichen Bezeichnung willen unter dem für das Elbethal um Pirna und Dresden geltenden Namen Nisani mit begriffen werden müssen.

Aber laut und deutlich redet dagegen (wie bereits Götzinger erkannte und Knothe wiederum betont hat) die schon erwähnte Meifsner Bistumsmatrikel. Denn der Erzpriesterstuhl Hohnstein-Sebnitz, der die rechtselbischen Orte der oberen Sächsischen Schweiz und die Gegend um Schluckenau in Böhmen umfalst, ist in jenem Verzeichnis nicht an die vier sedes des Archidiaconatus Nisicensis angeschlossen, sondern er steht mitten unter den Sprengein, welche die Überschrift tragen: Lusatia superior (Ober- lausitz).

Gegen dieses gewichtige Zeugnis müfste eigentlich jeder Einwurf verstummen. Allein Gautsch^-) sucht es mit folgenden Worten zu entkräften: „Weil man weils, dafs die genannten Orte (nämlich die zur sedes Hohn- stein-Sebnitz gehörigen) niemals zur alten Ober- lausitz, dem Gaue Milsca, gerechnet worden sind, so dürfte die Verbindung derselben in kirchlicher Hinsicht

übrigens ganz gnt zu meiner früheren allgemeineren Kenntnis von der Ausdehnung des Xamens.

1') Der von Gautsch unternommonc Versuch, die Bozoichnung „Mederland" auf die von Osten oder Südosten einwandernden Slaven zurückzuführen, ist deshalb schon verfehlt, weil wir die Richtung dieser Einwanderung gar nicht genau kennen. '■^J a. a. O. S. 10.

Anteil der Gaue Milsca und Nisani au der Säcbs. Schweiz. 205

mit der Propstei Bautzen auf anderen Ursachen beruhen, die wir jetzt nicht mehr kennen. Der Umstand aber, dafs aus ihnen eine besondere sedes gebildet worden ist und dieselbe gesondert aufgeführt wird, spricht gar wohl dafür, dafs sie ursprünglich zum Gaue und Archidiakonate Nisani gehört haben werden."

Gautsch stellt also in seinem ersten Satze die ur- anfängliche Sonderexistenz der Sächsischen Schweiz gegen- über Milsca, die doch seine Untersuchungen erst beweisen sollen, als gesichert hin und benutzt diese Behauptung sogar zum Beweis! Ihm gegenüber macht Knothe^'^) sehr richtig geltend, dals die durch die Bistumsmatrikel über- lieferte Zuweisung verschiedener zu Schluckenau gehöriger Ortschaften an die im Lande Budissin (Milsca) gelegenen erzpriesterlichen Stühle Bischofs werda,Löbau und Bautzen gerade die ehemalige Zugehörigkeit des ganzen Gebietes von Schluckenau zur Oberlausitz beweist. Nach desselben Gelehrten überaus wahrscheinlicher Annahme, zu der auch meine Untersuchungen der bekannten Oberlausitzer Grenz- urkunde ^*) in jener Gegend stimmen, ist die Herrschaft Schluckenau (und ebenso die Duba'sche Herrschaft, das spätere Amt Hohnstein) um 1135 oder spätestens 1158 von Milsca abgetrennt und zu Böhmen geschlagen worden. Nur möchte ich mich, besonders auch aus sprachlichen Gründen, gegen Knothes Ansicht wenden, dals die ab- getretene Landschaft damals noch „ein wenig wertvolles Waldgebiet", d. h. ohne menschliche Siedelungen gewesen sei'''). Auf jener staatlichen Lostrennung beruht meiner Meinung nach vornehmlich die besondere sedes Hohnstein- Sebnitz. Daneben haben gewils wirtschaftliche Gründe (Verkehrserleichterung) mitgesprochen. In ihrer kirch- lichen Unterstellung aber unter den Bautzner Propst kam, konservativer geistlicher Praxis getreu, der alte Zu- sammenhang mit dem Gau Milsca auch in der Polge zum Ausdruck. Eine Zugehörigkeit zu Nisani aber darf aus der Sonderständigkeit der sedes Hohnstein-Sebnitz keines- wegs gefolgert werden; sie steht zu Recht unter: Lusatia superior.

Nach der uns überlieferten Fassung der Bistums- matrikel gehörten zu unserem Erzpriesterstuhl die da-

13) a. a. 0. S. 1. 3.

1*) Mittheilungen des Nordhöhmischen Excursions - Clubs XVII, 297 ff.

'•^) Vergl. auchMeiche, DialectderKircbfalutSebnitz(1898)S.6,

206 Alfred Meiche:

maligen Kirchspiele Schluckenau, Nixdorf, Lobendau und Schönau in der jetzigen Bezirkshauptmannschaft Schluckenau in Bühnien und Hohnstein, Sebnitz, Lichten- hain, Neustadt, Ulbersdorf und Scliandau in der heutigen Anitshauptmannschaft Phna. L>ie Ausdehnung dieser Parochieen nach Westen mufs nun die 8üd\vestgrenze des Gaues Milsca, die Südostgrenze von Nisani erkennen lassen. Über den Umfang der Kirchspiele belehren uns die Visitationsakten von 1539 ^'*).

Die Grenzorte der sedes sind danach im äulsersten Nordosten anhebend: Bui'ckersdorf, Berthelsdorf, Polenz (Kirche zu Neustadt); Cunnersdorf, Zeschnig. Waitzdorf (Kirche zu Hohnstein); Kathniannsdorf, Wendischfähre (Kirche zu Scliandau). Es ergiebt sich wiederum, dals sich kirchlicher und politischer Verwaltungsbezirk decken, denn mit nur geringen Abweichungen ist die hier gefundene Grenze zugleich die des Amtes Hohnstein, wie es sich uns bis zu seiner xluflösung und schon in der Grenz- beschreibung vom Jahre 1543 (anläislich seines Umtausches gegen Zschillen) darstellt").

Nur ßerthelsdorf gehörte damals unter das Amt Stolpen, Zeschnig in das sogenannte Niederamt Lohmen, während andererseits das seit Alters nach Königstein eingepfarrte Rittergut Prossen mit dem zugehörigen Porschdorf zu Hohnstein gerechnet wurde.

Diese Abweichungen nun entpuppen sich an der Hand älterer Urkunden als Umformungen jüngeren Datums. Am 25. April 1443 reicht Herzog Friedrich den Brüdern Hans und Günther von Hermannsdorff zu Lehen „das dorff Bertelstorff in der pflege zcum Hoenstein gelegen als sie die vormals von dem edln ern Hinken

^"j Freilich mufs man zugeben, rtafs Umpfarruugen einzelner Dörfer, wie es späterhin noch zuweilen vorkommt, auch in älteren Zeiten manchmal vorgenommen worden sein mögen. Allein in An- sehung des ganzen erzpriesterlichen Sprengeis dürften sie nur gering gewesen und Umfang und (grenzen desselben wenig verändert worden sein. Sogar bei Einführung der Reformation wurde der frühere Zu- stand thunlichst gewahrt, wie die Akten ausweisen. Siehe Glörner, Einfüiirung der Reformation in die Diöcese Pirna (1888).

") Nach demHohnsteinerAmts-Erbbuche. Gedruckt bei Hasche, Magazin der sächsischen Greschichte IV, 140. Darnach auch bei Gautsch a. a. O. S. 122. Unter der dort genannten „Wehle" neben dem „Hohen Holze" kann nicht die Wehle bei der Bastei, sondern nur das „Wilhälsel" (Odeleben) gegenüber dem Schulzengrund im Polenzthale verstanden werden, weil sonst der Liliensteiu, der zum Amte Pirna gehört, nach Hohnstein fallen würde.

Anteil der Gaue Milsca und Nisani an der Sachs. Schweiz. 207

Bircken von der Duba zcu echten gesampten lehene gebracht" etc.^*^). Berthelsdorf ist also althohnsteiner Besitz. Dagegen erweist sich Zeschnig trotz seiner späteren kirchlichen Verbindung mit Hohnstein als ur- sprünglich stiftmeifsnisch. Am 1. Mai 1468 belehnen die Brüder Ernst und Albrecht von Sachsen ihren lieben getreuen Caspar von Metitz mit dem Dorfe „Czeschnigk yn der Pflege zcum Honsteyn gelegen als er das von dem IStiffte zu Meilsin redelich herbracht, ynnegehabet, besessen, gebrucht vnde genolsen hat" etc.^'').

Wie schon Berthelsdorf, so scheint auch Prossen- Porschdorf in seinem kirchlichen Verhältnisse den älteren Zustand zu bewahren. Im Jahre 1443 zerfiel das Gut Prossen mit seinem Zubehör Porschdorf und Wendisch- fähre in sieben Anteile. Mit drei derselben belehnte damals (24. April) Herzog Friedrich einen von Parzival; die übrigen vier besafs Steffan Bircke -*^). Nur zwei davon trug letzterer schon von den Dubas zu Lehen. Es drängt sich die Vermutung auf, dafs dies das Mündungsgebiet der Sebnitz bei Wendischfähre gewesen sei. Der Haupt- teil von Prossen scheint nicht zur Duba'schen Herrschaft Hohnstein gehört zu haben ^^). Leider wird uns deren Umfang in dem Tauschvertrage vom Jahre 1443 nicht angegeben.

Wir haben aber glücklicherweise noch ein älteres Denkmal über die Ausdehnung dieses Besitzes, nämlich die berühmte Oberlausitzer Grenzurkunde von 1228 (bez. 1241)").

Durch dieselbe werden die verworrenen Besitzver- hältnisse der Könige von Böhmen und der Meifsner Bischöfe in der Oberlausitz geregelt, zugleich aber die neue Landesgrenze zwischen Böhmen und Budissin fest- gesetzt"^).

Da die Herrschaften Hohnstein und Schluckenau ehemals zu Milsca gehört hatten, so nähert sich die

18) HStA. Orig. 6763.

19) Ebenda Cop. 56 Bl. 41.

-0) Ebenda Cop. 42 S. 138. 196. Vergl. Pilk in „Ueber Berg und Thal" XIV, 113.

21) 1412 wird ein „Heinrich von Gryslow czu Profsentin ge- sessin" in Geldgeschäften des Bischofs Rudolph von Meifsen genannt. Cod. dipl. Sax. reg. II, 2, 385.

22) Cod. dipl. Sax. reg. II, 1, 109 ff.

22) Vergl. Mittheilungea des Nordböhmischen Excursions- Clubs XI, 4 und XVII, 301.

208 Alfred Meiche:

Grenzbeschreibung auch diesen Gegenden. Die Fest- legung der Grenze geschieht bekanntlich in der Weise, dafs 6 Landkoniplexe (5 bischöfliche und 1 königlicher) umschrieben werden, die wie Ringe an einander hängen. Der dritte, bischütliche, liegt mit seinem südlichsten Bogen auf den südöstlichen Ausläufern des Hohwaldes.

Früher schon -•') habe ich als Teile dieser Grenzlinie den Lobendauer Quellbach der Sebnitz, den Spitzenberg bei Lobendau, das Fiohnwasser bei Obereinsiedel und den hohen Hahn nördlich von Burckersdorf nachgewiesen.

Der vierte Komplex wird durch die Urkunde in folgender Weise bestimmt:

Item de burquardo Sizen per semitam de Sizen in Godowizam, inde in cumulum Cossou. Ab illo in cumulum prope viam, qua itur de Budesin Zocou. Ab eadem via donec prope viam Guntersdorf, inde in rivum Gusc et in maiorem rivulum de Gusc in Radel, de Eadel in Camenahgora. Abinde ad summitatem montis inter Poren (Bozen) et Lipowagora, abinde in Belipotoch, et sie us(iue in Wazounizam. Abinde usque in Isinberc, abinde ubi Lawan et Poliza confluunt, per decursum Polize usque dum confluit cum Lozna, a Lozna in Sabnizam et ita usque ad locum ubi limites Tizou, Bucowahgora, Welewiza in Sebnizam protenduntur. Omnia limitibus bis inclusa pertinent domino regi.

Es wird also von Gr. Seitschen bei Bautzen aus zu- nächst die Westgrenze des Distriktes festgesetzt. Die- selbe läuft über verschiedene für unsere Untersuchung nebensächliche Örtlichkeiten bis zur Camenahgora, zu deutsch dem Steinberge. Ein solcher liegt nördlich von Niederneukirch ''-^j. Von da geht der Grenzzug auf die Höhe eines Berges zwischen Poren (Pozen) und Lipowa- gora. Letzterer heilst auf deutsch Lindenberg und findet sich in dem Linzberge südlich von Niederneukirch wieder; unter Poren (Pozen) kann nur Putzkau verstanden werden. Dann ist die dazwischen liegende Höhe der „hohe Hahn" bei Putzkau. Der Name findet sich auch sonst an der durch die Urkunde bezeichneten Grenze-**). Darüber hin läuft noch heute die Grenze der Oberlausitz. Von da

-^) Mittheihmgen des Nordböhmisclien Excursions- Clubs XVII, 297 ff. und diese Zeitschrift XVIII, ]03.

-'') Ich folge der Oberreitscheu Knrte. Sektion Stolpen. -«) Vorgl. diese Zeitschrift XVIII, 99 und 103.

Anteil der Gaue Milsca und Nisani an der Sachs. Schweiz. 209

geht sie zum Pelipotok, d. li. der Weifsbach und mit ihm zur Wesenitz. Der Weifsbach dürfte das auf den Karten nicht benannte Wässerchen sein, das am Südabhange des hohen Hahns entspringend in Oberputzkau in die Wesenitz fällt. Es läuft heute noch parallel zu der Grenze. Von dort führt die Urkunde die Grenze weiter über den Eisen- berg bis zur Einmündung der Lawan in die Polenz. Die Lawan ist die vom westlichen Hohwald herabkommende Berthelsdorfer Lohe (auf manchen Karten auch Lobe). In Neustadt vereinigt sie sich mit der Polenz. Zwischen diesen beiden sicheren Punkten an Wesenitz und Polenz mufs also der Eisenberg liegen. Wahrscheinlich ist es der sogenannte Rücken hinter dem Forsthause Klunker'-^). Von Neustadt zieht sich die Grenze mit der Polenz ab- wärts bis zu der Stelle, wo die Lozna einfliefst. Die Lozna heilst heute Loosbach, kommt von der Rückers- dorfer Seite und mündet in Unterpolenz. Und nun läuft die Grenze ohne jede weitere Abschweifung „von der Aufnahme der Lozna in die Polenz mit letzterer bis zu deren Vereinigung mit der Sebnitz" kurz vor der gemein- samen Mündung in die Elbe. Das so gegen Norden hin vollständig abgegrenzte Gebiet gehört dem Könige.

Es ist damit zugleich der ursprüngliche Umfang der Herrschaft Hohnstein beschrieben. Denn einmal fällt Berthelsdorf noch in den durch die Urkunde umschriebenen Ring, und andererseits liegen Zesclmig, Prossen und Porschdorf jenseits der königlichen Grenze-^).

Von der Einmündung der Polenz in die Sebnitz springt die Urkunde, welche die ausgedehnten Grenzen überhaupt nur in ihren Hauptpunkten festlegt, ohne weiteres bis zu dem Orte zurück, wo die Grenzmale: Tizou, Bucowahgora (Buchberg) und Welewiza (Loben-

-■') Schiffner zieht an dieser Stelle die Grenze ganz falsch. (N. Laus. Mag. 1834, S. 820 ff.), wie ein Blick auf die Karte lehrt. Er kommt zu einem scheinbar befriedigenden Resultat auch nur durch Aufstellung mehrerer kühner Hypothesen.

28) Auf das in der Hauptsache auf der Nordseite der Polenz gelegene Niederdorf gleichen Namens (Police medietatem contra occi- dentem) machte 1262 Hugo von Wolkenberg dem Meifsner Bistume gegenüber Ansprüche (Cod. dipl. Sax. reg. II, 1, 153). Ein Beweis, dafs auch hier die Polenz die Grenze bildete. Nur die Wüstung Ludwigsdorf, ai;f beiden Seiten der Polenz gelegen, erscheint seit langem im Besitz der Duba, die den rechtsufrigen Anteil nach Langenwolmsdorf zu 1434 an den Bischof verkauften. (Cod. dipl. Sax. reg. II, 3, 50.)

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI. 3. i. 14

210 Alfred Meiche:

dauer Seifenflössel)-*') der Sebnitz, d. h. ihrem Loben- dauer Quellbaclie sich nähern (protendimtiir). Von dort aus schlielst sieh dann wieder die Westgrenze des dritten bischüfliclien Bezirkes an. Nacli Süden und Südosten aber konnte dieser Ring offen bleiben, weil hier überall nur königliche Besitzungen an einander stiefsen, also keine Irrungen bestanden.

Wir haben damit den äufsersten Südwesten des alten Gaues Milsca gegen Nisani abgegrenzt'^").

Unser Ergebnis wird aber auch den eingangs zitierten Grenzurkunden des Bistums Meilsen von 967 und 996 gerecht, wo steht, dals die Grenze des Bistums gehe „vom Ursprung der Elbe nach Westen bis zu der Grenz- scheide zwischen Böhmen und Nisan". An dieser Stelle (ibidem) überschreite sie die Grenze.

Also nicht am Fufse des Jeschken, sondern erst hier, unterhalb der gemeinsamen Mündung der Sebnitz und Polen z, an welcher der Ort mit dem sprechenden Namen „Wendische Fähre" liegt, treffen sich Böhmen und Nisan. Das rechte Eibufer bei Wehlen gehört zu Nisani, das

=") Vergl. diese Zeitschrift XVIIT, 103.

'^) Es sei mir hier ein kk'iuer Exkurs zur Beleuchtung des folgenden Teils der Urkunde gestattet, der bisher so viele Erklärungs- versuche herausgefordert hat. Die Stelle lautet: Item hi sunt limites, qui distinguunt Godou et terram regis. A loco ubi a semita de Sizen per limites Radel, Camenahgora, Belipotoeh et decursum Lozine in Sabnizam pervenitur. Inde in ortum Lozine. abinde in ortum Lezne (Lezsne siccae D), per decursum eins donec defiuir in Wazounizam etc. Omnia infra limites hos contenta ad episcopatum pertinent. Zu Anfang wird also noch einmal in fragmentarischei- Kürze die könig- liche Nordwestgrenze, welche einen Teil der Südostgrenze des nun zu umschreibenden Burgwards Gödau bildet, wiederholt. Dieselbe lief (pervenitur) von Seitschen bis zur Sebnitz. Als Hauptpunkte der (jrenzkurve werden genannt: Radel, der Steinberg, das AVeifs- wasser und der Niederlauf der Lofse (decursus Lozine). Von letzterem an (inde) geht die Grenze zum Ursprung der Lofse in dem Walde nördlich von llückersdorf und springt dann hinüber zum (-^uell der Lezne, dem Letzschwasser südlicli von Lauterbach, an welchem sie bis zur Einmündnng in die Wesenitz hinabläuft. Das später bischöf- liche Langenwolmsdorf fällt damit allerdings aus dem Gebiet des Bistums heraus, was jedoch dem hier festgestellten Grenzzuge keines- wegs widerstreitet Denn nach der Ansicht des Herausgebers des Codex I, 1 ist der Text der mit A und B bezeichneten zwei Exem- plare der Grenzurknnde vor dem In. Dezember 1230 niedergeschrieben worden. AMr wissen aber wenigstens von der einen Hälfte von Langenwolmsdorf, dafs sie erst am 1. August 1282 als eine Schenkung des Burggrafen Otto von Dohna an das Bistum vom Könige bestätigt wui-de. (Cod. dipl. Sax. reg. I, 1, 102.)

Anteil der Gaue Milsca und Nisani an der Sachs. Schweiz, 211

linke, um Königstein, erscheint schon im 14, Jahrhundert kirchlich an das Dekanat Aulsig, bez. das Erzbistum Prag gebunden und damit zur alten böhmischen Provinz Daciane (Tetschen) gehörig.

Als solche nach Prag zinsende Kirchorte sind urkund- lich nachgewiesen: Peinhardtsdorf, Königstein, Struppen, Langenhennersdorf, Papstdorf, Kunnersdorf, Rosenthal, Gottleuba, Markersbach und Oelseu'^^).

Keiner derselben kommt nach der Meilsner Bistums- matrikel unter der zu Nisan gehörigen sedes Pirna vor. In den Visitationsakten von 1539 (a, a. 0.) erscheint und dies ist eine jüngere Umlegung nur Oelsen als Filial von Breiten au. Stellen wir im übrigen aus jenen den Umfang der sich berührenden Parochieen altprager und altmeifsnischen Sprengeis fest, so ergiebt sich, dafs die Südostgrenze des Archidiaconatus Nisicensis (also wohl auch des Gaues) auf dem linken Eibufer von der heutigen Landesgrenze an der Gottleuba folgte, oberhalb Neun- dorf dieselbe verlielis und w^estlich von Struppen vorüber- ziehend bei der Königsnase (Obervogelgesang) zur Elbe gelangte. Auf dem anderen Ufer wurden, wie schon er- wähnt, Rathen, Waltersdorf und Prossen-Porschdorf zur Kirchfahrt Königstein gerechnet; w-euigstens soweit wir schriftliche Zeugnisse haben, Stürza, zu dem 1539 Rathe- walde, Hohburckersdorf und Heeselicht gehörten, wird in der Meilsner Bistumsmatrikel unter der sedes oppidi Stolpen aufgeführt. Danach sind als Grenzen des Archi- diaconatus Nisicensis in dieser Gegend anzusehen: das Felsengewirr zwischen Wehlen und Rathen und der Lohraener Wald^-).

Ich komme noch mit einigen Worten auf den alt- oberlausitzischen Teil der Sächsischen Schweiz zurück.

Sei es, dafs die Herrschaften Hohnstein-Schlucken au schon um die Mitte des 12, Jahrhunderts von Milsca ab- getrennt oder erst bei irgend einer späteren Gelegenheit zu Böhmen geschlagen worden sind oder dals, wie ver- schiedene Momente anzudeuten scheinen, der Zusammen- hang mit dem Lande Budissin während der gemeinsamen Oberhoheit der böhmischen Könige nie ganz gelöst worden

^1) Pilk, Die älteste Priesterschaft des südwestlichen Meifsner Hochlandes. „Ueher Berg und Thal" XIX, Nr. 1. 2.

^-) Eine „Reinwiese" findet sich im Uttewalder Grunde, ein altes Grenzkreuz auf der sogenannten Wehle bei der Bastei. (Schon bei Öder 1592.)

14*

212 Alfred Meiche:

ist, SO ist es doch klar, warum die Sächsische Schweiz unter den Wettinern zum Meilsner Kreise gezählt wurde. Wurde dieses Gebiet doch schon 1443, bez. 1451 an Sachsen abgetreten, und wenn auch de jure ein böhmisches Lehnsverhältnis bis zum Jahre 1806 bestand, so hatte es doch bald nach Erwerbung der Herrschaften seine praktische Bedeutung verloren und das Gebiet war dem sächsischen Staats- und Verwaltungskörper vollkonmien angegliedert worden. Zwei Jahrhunderte später erst (Prager Friede 1635) kam die ganze Oberlausitz an Sachsen. Diese lange Trennung hatte das Bewulstsein von der Zugehörigkeit des Amtes Hohnstein zum Lande Budissin bei den Behörden ausgetilgt.

Aber unverbrüchlich hielt und hat bis heute das Volk an seiner alten Landesgemeinschaft festgehalten. Noch immer zeigen nämlich die Mundarten der oberen Sächsischen Schweiz, des (westlichen) böhmischen Nieder- landes und der südwestlichen Oberlausitz so viel gemein- same Abweichungen sowohl vom meilsnischen Dialekte um Pirna und Dresden, als auch vom oberböhmischen, dals der Schluls auf gemeinsame Herkunft der Bewohner, also auch auf gleichzeitige Kolonisation unter einem gemeinsamen Grundherrn, also auf einstige territoriale Zusammengehörigkeit unabweisbar scheint. An eine blols zufällige Übereinstimmung zu glauben ist mir unmöglich. Gemeinsam ist jenen Mundarten vor allem der tiefe Kehl* kopfstand, der fallend-steigende Silbenaccent und das soge- nannte zerebrale R; gegen einander sind hier nur quantita- tive Unterschiede vorhanden. Gegenüber dem Ober- böhmischen zeigen sie ferner die Erhaltung von mhd a vor allen Gutturalen, den Ausfall des d nach Liiiuiden, denen ein gedehnter Vokal vorausgeht, endlich den Über- gang von mhd ou zu 6, bez. pu, wo das Oberböhmische ä hat. Vom Meilsnischen unterscheidet sie dagegen noch die Neigung zu umfassender Vokaldehnung in Stammsilben, die Sjiikope des Vokals der Vorsilben, die Aussprache des inlautenden g als Verschlulslaut (nur in der Umgegend von Sebnitz gilt jetzt der obersächsische Reibelaut) und ganz besonders auch der Gebrauch des Wörtchens ok, ak = nur^'*).

'"^) Vergl. Franke, Der ober.sächsische Dialect. Progr. (Leisnig 1884). Kiefsliiig. Blicke in die jMnndart der südlichen ()l)erlriusitz (Zschopau ibti'ii). JMichel, Mundart von Seifheunersdorf (Beiträge

Auteil der Gaue Milsca und Nisani an der Sachs. Schweiz. 213

Die ok-, ak- Linie fällt fast überall mit der alten Westgrenze des Gaues Milsca zusammen. Darum ist auch der Teil der Sächsischen Schweiz zwischen Elbe und Polenz alter oberlausitzer Boden, denn auch hier erklingt noch überall die deutsche langüe d'oc.

zur Geschichte der deutschen Sprache und Litteratur XV, 1—69). M eiche, Dialect der Kirchfahrt Sebnitz (Halle 1898). Dazu nocli die uordböhmischea Dialectproben bei Tieze, Unse liebe Heymt (Warnsdorf 1892/93).

vm.

Joliauu von Eiseiiberg, Kanzler Friedrichs des Ernsthaften.

Von

Karl Weiicli.

So selten gewähren unsere mittelalterlichen Quellen einen Einblick in die persönlichen Beziehungen, die zwischen dem Fürsten und seinen Beamten obwalteten. Darum sollen wir, wo nur immer Züge individueller Empfindung sichtbar werden, sie festzuhalten suchen und ein Bild gestalten, das gewils nicht ohne Weiteres als Genrebild dienen kann, aber doch auch nicht blofs den Wert der Porträtähnlichkeit hat.

In jungen Jahren wurde der einzige überlebende Sohn Friedrichs des Freidigen zur Herrschaft berufen. Sein Vater hatte auch diesen zweiten Sohn nach dem kaiserlichen Grolsvater Friedrich getauft. Vielleicht, so mochte er sinnen, war es einem dieser Söhne vergönnt, die Ansprüche auf das Erbe der Staufer, die er selbst unter dem Drucke von Familienfehden und im Kampf um die Existenz der Dynastie nicht hatte vertreten können, wieder aufzunehmen. Dies Loos ist auch Friedrich II., dem Ernsthaften, wie er seit dem K!. Jahrhundert heilst, nicht gefallen, aber in anderem Sinne ist er ein rechter Friedrich gewesen. Zu seinen Zeiten wurde der Friede zwischen den Wettinern und dem Reiche, der mit den Staufern ins Grab gesunken schien, wiederhergestellt, und ferner, als Eidam Kaiser Ludwigs, in Anlehnung an die Krone, konnte er den Kampf für Wahrung von Recht

Johann v. Eisenberg, Kanzler Friedrichs des Ernsthaften. 215

und Frieden im Lande aufnehmen gegen die allzu mächtig gewordenen Dynasten Thüringens. Zunächst freilich schien ihm die Lösung der überkommenen Aufgabe durch widrige Umstände erschwert zu werden. Als er noch nicht zehn und ein halbes Jahr alt war, wurde im Frühjahr 1321^) durch die tragische Erkrankung seines Vaters, der den erschütternden Eindruck des „Spiels der zehn Jungfrauen" nicht zu überwinden vermochte, sondern körperlichem und geistigem Siechtum verfiel, eine Regent- schaft nötig. Nun war gewils die Gemahlin des kranken Landgrafen, Elisabeth, ganz hervorragend befähigt, die Lücke auszufüllen, aber ihr zur Seite traten zwei Ver- treter des Grafen- und Herrenstandes als Vormünder des jungen Fürsten, ein Schwarzburger und ein Reufse. und als der erstere schon im November 1324 für die Be- gründung der Wittelsbachischen Herrschaft in Branden- burg sein Leben gelassen hatte, entwickelte Heinrich II. Reufs von Plauen, ein hervorragend begabter Magnat, in hohem Grade die Eigenschaften eines mittelalterlichen Vor- mundes: er arbeitete für das eigene Interesse anstatt für das seines Mündels. Er bewog den fürstlichen Knaben nament- lich durch die Fürsprache des Königs und Kaisers zu zahlreichen Schenkungen, welche die landesherrliche Ge- walt in den Gebieten zwischen der oberen Saale und Elster, wo sie ohnedies gegenüber reichsunmittelbaren Dynasten einen schweren Stand hatte, noch erheblich schwächen mufsten, dagegen seinen dynastischen Terri- torialbesitz abrundeten und stärkten. Und dazu wiesen Verbindungen, welche der Vormund in und aulserhalb des Landes anknüpfte, darauf hin, dafs er fest entschlossen war, so viel an ihm lag, die landesfürstliche Gewalt unter den Fufs zu halten.

In dieser Krise lieferte der jugendliche, noch nicht 19 Jahre alte Fürst einen glänzenden Beweis seiner Einsicht und Thatkraft. Ungeachtet die starke Gunst des Kaisers dem Vormund zur Seite stand und der Kaiser seine Waltung zu verlängern wünschte, hat Friedrich bereits am 6. August 1329 den Vormund seines Amtes entlassen und diese Entscheidung trotz des kaiserlichen

^) Yergl. darüber meinen Anfsat/ „Friedrich des Freidigen Er- krankung und Tod 1321 und 1323" in der Festschrift zum vSjährigeu Jubiläum des K. S. Altertumsvereins (Beiheft zu diesem Bande des Neuen Archivs) und weiterhin meine Darstellung der Landgrafen- geschichte in dem demnächst erscheinenden „Wartburgbuch".

216 KarlWenck:

Einspruchs festgehalten. Der Kaiser hatte nur das Liter- esse, mit dem thüringischen Herrenstande, den er so zahh'eich wie möglich in den Dienst seines Hauses in der Mark zu stellen wünschte, in guter Freundschaft zu leben. Er konnte es aber zufrieden sein, w^enn der junge Fürst selbst statt des Vormundes diensteifrig die kriegeri- schen Kräfte seines Volkes, deren militärische Tüchtig- keit nach dem Urteil eines gleichzeitigen Venezianers-) die aller anderen deutschen Stämme übertraf, für ihn, den Kaiser aufbot. Und thatsächlich zeigte nun Friedrich dem Kaiser, der anfangs 1330 aus Italien heimkehrte, einen jugendlichen Diensteifer, der alle seine Ansprüche befriedigen mulste. Als Ludwig der Bayer im Sommer 1330 beabsichtigte, einen ersten lieichstag auf deutschem Boden nach seiner ßomfahrt zu Eisenach abzuhalten, um dort in persönlicher Verhandlung mit dem Bischof von Brandenburg und thüringischen Herren ein einheitliches Zusammenwirken der märkischen und thüringischen Grolsen gegen die äulseren Feinde Brandenburgs zu fördern und die beabsichtigte kaiserliche Heerfahrt nach Brandenburg vorzubereiten, da machte der Landgraf zu würdigem Empfang des kaiserlichen Schwiegervaters höchst kost- spielige Vorbereitungen. Während Ludwig in Italien ge- wesen, 1328, hatte Friedrich die Tochter des Kaisers, Mechthild, die als seine Verlobte seit 1323 auf der Wartburg aufgewachsen war, zu Nürnberg geheiratet, im November 1329 war ihnen auf der Wartburg ein erstes Kind, eine Elisabeth, geboren worden. Nun erfüllte sich aber die Aussicht auf des Kaisers Besuch zunächst nicht. Da ist Friedrich im Herbst 1330 zu ihm nach München gereist und von dort als sein Begleiter nach Augsburg und Innsbruck, trotz der winterlichen Jahreszeit, zu be- deutungsvollen Verhandlungen des Kaisers, hier mit Herzog Otto von Österreich, dort mit König Johann von Böhmen ■').

2) Marino Sanndo der Ältere schreibt 1330 : Et filius Bavari tenet marcliionatiun de Brandeborg . . . (^uac terra magna est et gens plurima ibi est et ego de lioc seutio aliquid, quia fui ibi et gener ejus magnus dominus est et est landgravius de Turingia et marcliio de Miscina. Et meliores gentes armorum habet quam sint in Alemannia. Kimstmann, Studien über ]\Iarino Sauudo den Alteren. Abhandlungen der Münchner Akademie VII, 3, 783.

^) W. Lippert, Zur Geschichte Kaiser Ludwigs des Baiern. Mitteil, des Tnstit. f. österr. Gesch. XIII, 598 ff. Lippert denkt nicht au die Ausschreibung des Reichstages nach Eiseuach, s. Wartburgbuch.

Johann v. Eisenberg, Kanzler Friedrichs des Ernsthaften. 217

Die Ausgaben Friedrichs und seines Gefolges auf diesen Reisen hat aber, wie uns W. Lippert lehrte*), der Mann verzeichnet, in zwei noch erhaltenen Pergamentheftchen zu sechs und sieben Blättern von dem ich hier handeln will, nachdem mir gelegentlich anderer Forschungen ein erheblich reicheres Material über ihn zugeflossen ist, als Posse und Lippert kannten. Sein persönliches Verhältnis zu dem energischen und zielbewulsten Fürsten, dessen Bild sich immer anziehender und grölser darstellt, je mehr uns die Quellen über seinThun und Denken Aufschluls geben, hebt den Schreiber jener Rechnungshefte empor über die Masse farbloser Namen, welche uns die Urkunden überliefern. Johann von Eisenberg stammte aus einem meifsnischen, im 15. Jahrhundert erloschenen Rittergeschlechte^). In einer Urkunde Markgraf Dietrichs des Bedrängten, datiert Dresden 1206, und in einer andern für das Kloster Alt- zelle, die zwischen 1212 und 1215 aasgestellt ist*^), er- scheint ein Hugo von Eisen berg als Zeuge seines Fürsten, auch er gewilis benannt nach dem heutigen Marktflecken bei Moritzburg in der Dresdner Gegend, während ein Gotschalk und Ortholph von Eisenberg, die um 1190 in thüringischen Urkunden auftreten'), nach der heute alten- burgischen Stadt Eisenberg heifsen. Den Schreiber Friedrichs des Ernsthaften dem meifsnischen Ritter- geschlecht zuzuweisen, darauf führen uns seine verwandt- schaftlichen Beziehungen. Seine Mutter Gertrude ent- stammte dem meifsnischen Geschlechte der Küchenmeister, nach dem mütterlichen Grofsvater ist unser Johann ge- nannt worden^), sein Vater Hermann erscheint 1305 in

*) W. Lippert, Zwei höfische Minnelieder des 14. Jahrhunderts. Zeitschrift für deutsches Alterthum XL (1896), 207. Posse und Lippert haben die Identität Johanns von Eisenberg des Protonotars und Johanns I. Bischofs von Meifsen übersehen.

5) Gersdorf, Einleitung zu Cod. dipl. Sax. II, 2, VIII.

6) Cod. dipl. Sax. II, 1 Nr. 74 und I, 3 Nr. 216.

') Reg. Thur. II, 843 und 886. Diesem Geschlecht, „ohne Zweifel Burgmannen der landgräflichen Burg zu Eisenberg", weist Wegele, Friedrich der Freidige S. 70 Amn. 1 Kunigunde von Eisenberg, die zweite Frau Landgraf Albrechts, und einen Otto miles dictus de Isenberch (urkundlich 1274, auch 1278) zu, wohl nicht mit Recht aber den gleichzeitigen landgräflichen Schreiber, Dietrich von Nebra (Posse, Lehre von den Privaturk. S. 178 und 230 ff.), der einmal urkundlich 1272 Theodericus Yseberc heifst.

*)Fr. Küchenmeister, Die Küchenmeister des Meifsner- landes. Neues Lausitzisch. Magazin LII, 245 und 252. Küchenmeister denkt auch an das Eisenberg bei Moritzburg. .

218 Karl Wenck:

einer bischüflicli meilsnischen Urkunde, vor 1330 ist er gestorben"), sein Bruder Heinrich, Propst zu Würzen und Domherr zu Meilsen, wird in biscliöflichen Urkunden zwischen 1347 und 1363 genannt^"), endlich erfahren wir auch den Namen einer Schwester Adelheid und die Namen zweier Dörfer bei Dresden (Helslich und Kunnersdorf, in dem „Gerichte zu Dresden"), welche die verwitwete Mutter und ihre drei Kinder besalsen^^).

Es war einige Monate vor jener Reise Johanns mit dem jungen Landgrafen, als ihm und seinen Angehörigen sein gnädiger Fürst auf der Wartburg, seiner Lieblings- residenz, für jene Dörfer Befreiung von den landesherr- lichen Abgaben gewährte. W. Lippert hat festgestellt, dafs aller Wahrscheinlichkeit nach die betreffende Ur- kunde von dem landgräflichen Notar Johann von Eisen- berg, der im Jahre 1330 mehrfach in der Umgebung des Fürsten erscheint, also von dem Empfänger selbst, aus- gefertigt wurde, und weiter versichert er uns mit vollster Bestimmtheit, dals die Urkunde von derselben sehr charak- teristischen Hand geschrieben sei, welche jene Eeise- rechnungen verzeichnete. Durch diese Schlufsfolgerungen gelangen wir zu dem Ergebnis, Johann von Eisenberg war der Begleiter des Fürsten auf der Reise nach München und Augsburg, und da dieselbe Hand, welche die Reise- i'echnungen schrieb, auch eine dichterische Beilage auf dem letzten Blatte des einen Heftes eintrug, zwei bisher unbekannte höfische Minnelieder, welche von dem Schreiber einer oberdeutschen Vorlage entnommen wurden, so hat Johann von Eisenberg auch sie geschrieben, und er hat vielleicht mit der Aufzeichnung dieser leidlich drastischen Lieder seinem Fürsten, dem zwanzigjährigen Jünglinge, dienen wollen. Das ist eine Vermutung, aber ein nahes Verhältnis beider Männer wird glaubhaft erscheinen, wenn wir gleich im nächsten Jahre den Landgrafen bei einer geistlichen Stiftung, die ihm Herzenssache war, unter dem Einflüsse Johanns von Eisenberg handeln

") Posse a. a. 0. S.234. Hermann von Ysinberc ist Zeuge Bischof Albrechts III. von Meifsen zu Dresden 1. Mai 1305, Cod. dipl. Sax. II, 1, 338.

'") Cod. dipl. Sax. II, 1, Nr. 447, 2, Nr. 547, Stiftung eines Jahres- eedäclitnisses für ihn durch Bischof Johann.

") Urkunde Friedrichs des Ernsthaften vom 31. Juli 1330 Wart- burg-, mitgeteilt von W. Lippert in Zeitschr. für deutsches Alter- thum XL (1896), 210.

Johann v. Eisenberg, Kanzler Friedrichs des Ernsthaften. 219

sehen. Schon 1322, wenn wir recht unterrichtet sind^-), hatte Friedrich II. in Eisenach eine Kapelle zu Ehren Johannes des Täufers zu errichten begonnen und einige Männer vom Orden der Kreuzträger des heiligen Johannes berufen, welche in einem dem Neubau benach- barten Hause die Stundengebete verrichteten. Ihres Bleibens war aber nicht lange gewesen, da die Auskunft, welche sie über ihre künftigen Einnahmen für Nahrung und Kleidung einzogen, sie nicht befriedigte. So hatten sie dem Fürsten Valet gesagt und waren weggezogen, der Landgraf aber hatte unmutig alle für den Bau heran- geführten Steine den Franziskanern für die Errichtung einer steinernen Mauer überlassen. Jahre waren seitdem vergangen, da sah, so erzählt weiter ein Eisenacher Franziskaner in der Mitte des 15. Jahrhunderts, der Kanzler Landgraf Friedrichs, namens „von Eisenberg", im Traumbild die Stätte unterhalb der Wartburg, wo einst das Hospital der heiligen Elisabeth, der Schauplatz ihrer hingebungsvollen Thätigkeit, gewesen war, voll von brennenden Lichtern, welche Männer und Frauen staunend umstanden. Als der Kanzler dem Fürsten die Traum- erscheinung mitgeteilt, glaubte dieser eine göttliche Weisung zu erkennen, und beschlofs, den Ort der barmherzigen Wirksamkeit Elisabeths durch ein Gott und seiner treuen Dienerin geweihtes Haus zu schmücken. Zu Pfingsten 1331 berief er Otto von Dohna^'^), seinen Beichtvater, einen Franziskanerguardian aus Seulslitz im Meilsnischen, und übergab ihm und sechs Brüdern die „Zelle der heiligen Elisabeth". Unser später Berichterstatter beruft sich für seine legendarische Erzählung auf alte Malereien an der Umrahmung eines Horologs, welche jene Traumerscheinung darstellten, er kennt aber als ein Angehöriger desselben kleinen Konventes auch die Stiftungsurkunde des Land- grafen. Wenn Johann Rothe die Gründungsgeschichte sehr abweichend erzählt und den Rat, unterhalb der Wart-

^'^) Die Quelle, „eine Geschichte der Gründung des Minoriten- konventes zu St. Elisabeth und eine Schilderung der Thätigkeit von dessen Guardianen bis 1442", ist aus der Dresdner Handschrift K. 316a abgedruckt im Serapeuin XIV (1853), 379 f., vergl. Holder- Egg er, Studien zu thürina'. Geschichtsqu eilen 1, Neues Archiv f. alt. deutsche Geschichtskunde XX, 408.

^^) Er erscheint als Zeuge des Landgrafen auf der Wartburg am 8. August 1330: frater Otto de Donyn noster sincerus confessor gardianns in Suselicz. Regesten und Urkunden zur Geschichte des Geschlechts Wangeuheim II (1872) Nr. 40.

220 Karl Wenck:

bürg zu bauen, von einem Grafen von Scliwarzburg und einem Grafen von Käfernburg, Dynasten, die uns gleich- zeitig in einer landgräflichen Urkunde begegnen ^^), aus- gehen lälst, so dürfen wir doch wohl mit gutem Rechte der im Konvent selbst heimischen Tradition folgen. Dals Johann von Eisenberg 1331 noch nicht Kanzler war, ist natürlich gleichgiltig. Als solcher, als „Protonotar" oder „oberster Schreiber", erscheint er doch nicht erst 1339, wie Posse ^■'^) angab, sondern schon im Oktober 1333'**) und weiterhin in mehreren anderen Urkunden der Jahre 1333 1340^'). So hat Johann sehr schnell, viel früher als man bisher annahm, die Leitung der landgräf- liclien Kanzlei erlangt, und mit gutem Grunde dürfen wir annehmen, dals dieser Kanzler aus meilsnischem Ministerialengeschlecht in den Kämpfen und Reibungen des Landgrafen mit dem thüringischen Grafen- und Herren- stande, der so viel unabhängiger zu dem Landesherrn stand als die meilsnische Ritterschaft, eine bedeutsame Rolle gespielt habe. Eine gewisse gelehrte Bildung dürfen wir bei dem Kanzler als selbstverständlich voraussetzen; seine Stellung als Meiisner Domherr und Dompropst würde uns zu dem gleichen Schlüsse keine Veranlassung geben, da sein Nachfolger in der Meilisner Dompropstei nicht einmal schreiben konnte, wie er selbst urkundlich bestätigt'®). Wir wissen nicht, wann Johann Meifsner Domkapitular geworden. Als Domherrn des Eisenacher Marienstiftes

1*) 8. Januar 1331. Urkuiidenbuch der Stadt Erfurt II Nr. 93.

1^) Lehre von den Privaturkunden S. 234.

16) 1333 Oktober 9, Hauptstaatsarcliiv Nr. 2631 Cangeführt von Posse a. a. 0. S. 234).

1'') Urkunde des Markgr. Friedrich dat. Meifsen gegen Ende Dezhr. 1333, Cod. dipl. Sax. II, 1 Nr. 411. Ferner: 1334 Nov. 13 Eise- nach, .7. M.Heusinger, Beueficior. in ecclesiam Isenacensem a marehi- oniltus Misn. profectorum memoria pars 3 (1744), III, o. 1334 Dez. 8, HStA. Or. Nr. 2(573. - 1335 April 10 Wartburg, Erfurter Urkb. II Nr. 126.

1.335 Juli 20 Gotha, Te ntzel, Suppl. Gothan.II, 645. 1336 März IG Eisenach, Urkb. der Vögte von Weida I Nr. 764. 1336 April 23 Wartburg, Cod. dipl. Sax. IT, 12, 64. 1339 Juni 28 Weilsenfels, Mark er, Burggrafenth. Meifsen S. 469. 1339 Sept. 2 AVartburg, N.Arch. f. sächs.Gesch. XVII, 69. 1340 März 10, Or. HStA. Nr. 2848.

Dazwischen wird .Johann 1337 .Juli 8 Weifscnfels (N. Arch. f. sächs. Gesch. XVII, 68) und 1339 Juni 9 Gotha (HStA. Dresden Nr. 2830) notariu.s noster , unser schriber genannt. Es i,st also vollkommen richtig, wenn Gersdorf (Cod. dipl. Sax. II, 2, VIII) bemerkt, dafs Johann als Protonotar in thüringischen und meifsnischen Urkunden der Jahre 1333—1339 (vielmehr 1340) öfter vorkomme.

1*^) Cod. dipl. Sax. II, 2, 15, vergl. IX.

Johann v. Eisenberg, Kanzler Friedrichs des Ernsthaften. 221

finden wir ihn schon im November 1334. Damals be- stätigte Landgraf Friedrich „auf die besondere Bitte unseres lieben Johann von Eisenberg, des Protonotars unseres Hofes und Domherrn dieser Kirche", dem Marien- stifte gewisse Besitzungen und Einkünfte, welche Johann Lusse, ein Eisenacher aus bekanntem Patriziergeschlechte, hinterlassen hatte. Wahrscheinlich auf Empfehlung seines Fürsten hatte Johann die Eisenacher Pfründe erhalten. Auf der Wartburg und zu Eisenach am Hofe Friedrichs treffen wir ihn auch zumeist in den nächsten Jahren. Von hier aus hat der Landgraf im September 1339 den einzigen Feldzug, der ihn ins Ausland führte, angetreten und mit ihm Johann. Wie der Kaiser und andre deutsche Fürsten hatte er dem Könige von England Eduard HL Hilfe gegen den französischen König gelobt. Am 2. und 15. September^^) urkundete Friedrich noch auf der Wart- burg bezw. in Eisenach, am 16. September-**) befand er sich bereits auf dem Marsche nach Frankreich. Darüber erhalten wir Nachricht aus der Datierung einer Urkunde des Landgrafen für das Nonnenkloster zu Döbeln: „ver- handelt im Heerlager, als wir nach Frankreich mar- schierten, am 16. September 1339, aber ausgestellt auf der Wartburg 24. Dezember 1339". Voraus geht der Datierung eine Zeugenreihe mit neun Namen, von denen fünf auch in der Urkunde vom 2. September als Zeugen genannt sind, drei von diesen fünf kehren dann in einer andern nach dem Feldzng ausgestellten Urkunde des Landgrafen, welche Zeugen aufweist, in der am 15. Januar 1340-^) zu Gotha ausgestellten Urkunde des Landgrafen wieder: Arnold von Hersfeld, der Marschall des Fürsten, der Ritter Friedrich von Honsberg, den der Landgraf einige Jahre später einmal „unsern theuersten Ratgeber (secre- tarius)" nennt, und Johann von Eisenberg.

So liegt es schon danach nahe, diese drei als Be- gleiter des Fürsten auf dem französischen Feldzug zu vermuten. Überdies mögen die Zeugen der Urkunde für das Döbelner Nonnenkloster vielleicht auch Beur- kundungszeugen sein, alle oder einige, jedenfalls waren

1») Heusinger, Beneficior.in eccl. Isenac. etc. pars 3 (1744), IV, p. Auszug hei Joh. Müller, Urk. und Urkundenauszüge zur Gesch. Plauens Nr. CCCLIV.

20) J. G. Reinhard, Meditationes de jure principum Germaniae cumprimis Saxoniae circa Sacra S. 84 if.

2') Heusiuger 1. c. pars 3, IV, q-

222 KarlWenck:

sie Handlungszeugen, also am 16. September im Heer- lager anwesend, dafür spricht die Anwesenheit des ersten Zeugen Heinrichs II. lleufs von Plauen auf der Wartburg und in Eisenach-"-) am 2. und 15. September 1339. Für die Teilnahme Johanns von Eisenberg an dem französischen Eeldzug besitzen wir aber noch ein besonderes Zeugnis. Landgraf Eriedrich hat am 21. Juli 1342 zu Weiisenfels eine Verfügung bestätigt ^'^), die er schon während des Feld- zugs, als man für den 21. oder 22. Oktober einer grofsen Schlacht zuversichtlich entgegensah, getroifen und unter die Bestimmungen des damals aufgesetzten Testamentes ehigereiht hatte: er hat dem Altar in der Kreuzkirche zu Dresden, den Johann von Eisenberg zu Ehren der heiligen Barbara errichtete und mit dem Dorfe Kunners- dorf bei Dresden (wir kennen es als Familienbesitz durch die Urkunde von 1330) ausstattete, dieses Dorf auf Bitten Johanns zugeeignet und ihm gewisse Einkünfte überwiesen, damit an diesem Altare sein, seiner Vorfahren und Nach- kommen Andenken gepflegt werde. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dals das Testament, welches diese Be- stimmungen enthielt, von Johann von Eisenberg selbst, dem Kanzler des Fürsten, aufgesetzt worden ist. Die erwartete Schlacht erfolgte nicht, weil der Franzosenkönig sich ihr entzog; am Weihnachtsfest war Landgraf Friedrich und sein Begleiter schon wieder auf der Wartburg. Im folgenden Jahre, 1340, ist Johann, gewifs nicht ohne die Empfehlung seines Fürsten, Propst der Meiisner Kirche geworden; als solcher erscheint er in einer noch un- gedruckten Urkunde von 1340 ohne Tagesangabe-'*) und in zwei Urkunden vom 22. Juni und 15. Juli I34r-'^). Sehr schnell aber sollte er noch weitei- steigen. Bischof

--) Ich erörtere diesen Punkt ausführlicher, weil Posse S. 234 bei Aufzählung der Urkunden, welche .1 olianns v. Eisenbery Namen nennen, nur das zweite Datum dieser Urkunde, den 24. Dezember, anführt.

-") Cod. dipl. Sax. II, .5, Nr. 48. Der uns interessierende Teil der Urkunde wurde schon abgedruckt in der trefflichen Abhandlung von J. G.Horn, Historia expeditionis auxiliaris a Fridcrico severo in honorem Eduardi 111 . . anno l'6'.id susceptae, Miscellan. Lipsiensia nova VII, 331 ff. Näheres über den Verlauf des Feldzugs gebe ich im „Wartburgbuch".

-') Revers Rudolfs von Riffach über Öffnung des Hauses Tcnn- stedt (Kreis Langensalza). J. G. Hörn, Zuverlässiges Verzeichnis von den altthüringisch -meifsnischen und sächsischen Hof-Cantzlern und Protonotarien, Horns Handbibliothek von Sachsen (Leipzig 1728) S.589.

-■^) Urkunden Bischofs Withegos IL von Meifsen, Cod. dipl. Sax. II, 1, Nr. 432 und 435.

Johann v. Eisenberg, Kanzler Friedrichs des Ernsthaften. 223

Withego II. von Meifsen ist am 26. Juli 1341 gestorben''^*'). An seiner Stelle finden wir, urkundlich zuerst am 21. Juli 1342, den bisherigen Propst, Johann von Eisenberg, und fast ein Menschenalter bis in die ersten Tage des Jahres 1370 hat er dieses Amtes in ausgezeichneter "Weise gewaltet. Das Amt des Protonotars hat er in seiner neuen Stellung wohl niedergelegt, aber seines Rates hat der Landgraf auch dann nicht entbehren mögen, und in nicht weniger als drei Urkunden der Jahre 1342 und 1343 hat er seinem warmen Freundschaftsverhältnis zu Johann Ausdruck gegeben, indem er ihn abweichend von dem nüchternen Urkundenstil „unsern Freund und teuersten Ratgeber" nannte ^^).

Vielleicht ist es nicht ohne Bedeutung gewesen, dafs Friedrich der Ernsthafte, Thüringer von Geburt und durch seine Mutter ein Fürst, der den Schwerpunkt seiner Thätigkeit entschieden in Thüringen gefunden hat, in so nahen persönlichen Beziehungen zu einem trefflichen Manne aus meilsnischem Rittergeschlecht stand. Wir gedenken dabei der eigenthümlichen Thatsache, dafs eben Friedrich das Erbbegräbnis seines Hauses von Thüringen weg nach Meifsen, nach Altzella verlegt hat, nachdem sein Vater und Grolsvater in thüringischer Erde ihre Ruhe gefunden haben. Dafs nach dem Tode Friedrichs des Ernsthaften im Gegensatz zu den letzten Jahrzehnten Meifsen wieder das Übergewicht im wettinischen Gesamtbesitz erhielt, hat allerdings wohl seine hauptsächliche Ursache in der Thatsache, dafs jetzt die königliche Dj'nastie Böhmens zugleich an die Spitze Deutschlands trat und den Wettinern in Karl IV. ein übermächtiger und sehr gefährlicher Nach- bar erwuchs. Da galt es, auf der Wacht zu stehen!

-") Ich schliefse mich der Annahme Gersdorfs (Cod. dipl. II, 2, IX) an, dafs die Jahreszahl des Grabsteins 1342 falsch sei, das Tagesdatum aber richtig. Zu der von ihm angeführten Urkunde Landgraf Friedrichs von 1342 Juli 21 (jetzt gedruckt Cod. dipl. Sax. II, 5, Nr. 48), in welcher Johann als Bischof genannt wird, kommt eine zweite von 1342 Juli 25, in der dies gleichfalls geschieht (ebenda Nr. 48). Gegen Gersdorf wollte dem Grabstein Recht geben, doch ohne Erörterung: Machat schek, Geschichte der Bischöfe des Hochstifts Meifsen (1884) S. 256.

-') „Amicus et secretarius noster karissimus" gleichlautend in den Urkunden vom 21. Juli 1342 Cod. dipl. Sax. II, 5, Nr. 48, vom 25. Juli und 6. Dezember 1343 Cod. dipl. Sax. II, 1, Nr. 444 und Hermann Mittweidisches Denckmahl (1698) S. 367.

IX.

Das sächsische Obersteuerkollegiimi.

Von Heinrich Hang.

Die Steuereinkünfte in Sachsen wurden in älterer Zeit meist von der Kammer, teilweise aber auch von einem besonders dazu ernannten Ausschusse verwaltet, welcher jedoch, wenigstens anfangs, nur so lange funktio- nierte, bis die verwilligte Steuer eingebracht und zu den bestimmten Zwecken verwendet worden war. Über diese Ausschüsse, deren erster im Jahre 1451 ernannt wurde, sowie über die bis 1570 erfolgten Steuerbewilligungen hat Zachariä in seinem Aufsatze „Über den Ursprung des Chursächsischen Steuercollegii" (Museum für Sachs. Geschichte. 1796. Bd. 3. S 114 f.) ausführlich berichtet, wobei er die Errichtung dieses Kollegiums mit dem Be- merken in das Jahr 1552 setzt, dals er die Anzahl der Personen des damals ernannten Ausschusses nicht an- geben könne, da er eine Instruktion für denselben nicht zu ermitteln vermocht habe (Seite 115, 125 und 131). Diese Instruktion findet sich unter den Akten des ehe- maligen Obersteuerarchivs, ist vom 2. September des ge- nannten Jahres datiert, und es werden laut derselben von der Landschaft mit der Verwaltung der einge- henden Steuergelder sieben Pei'sonen aus der Ritterschaft, nämlich: Jan Löser zu Trebitz, Hans von Ebeleben zu Ebeleben, Heinrich von Witzleben zum Wendelstein, Abraham von Einsiedel zum Scharfenstein, Christoph von Carlowitz zum Kriebstein, Nickel von Ende zu Königsfeld und Haubuld Pfiug zum Stehi, sowie die Bürgermeister

Das sächsische Obersteuerkollegium. 225

zu Dresden, Leipzig, Wittenberg und (Langen-)Salza be- auftragt. Es war dies das letzte Mal, dafs Vertreter der Städte einem solchen Ausschusse angehörten^).

Da die Verwaltung der einzunehmenden Gelder in diesem Falle nicht der Kammer oblag, so wurde dem Ausschusse befohlen, „auf gemeine Kosten einen richtigen Schreiber" zum Buchhalter anzunehmen; doch ist nicht zu ersehen, wem dieses Amt übertragen worden ist, und es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dals die An- nahme eines Buchhalters damals überhaupt nicht statt- gefunden hat, sondern erst vier Jahre später, als unterm 7. Oktober 1556 Joachim Muschwitz, Bürger zu Torgau, auf kurfürstlichen Befehl als Buchhalter bei der Steuer bestellt wurde. Gerade beim Steuerwesen sind dergleichen Ernennungen und Einrichtungen oftmals viel später er- folgt, als man annehmen sollte, wie z, ß. für die 1743 bez. 1747 eingeführte Kopf- und Vermögenssteuer eine Rechnungsexpedition erst 1751 errichtet wurde. Auch bei Errichtung der Extraordinarexpedition scheinen ähn- liche Verhältnisse' obgewaltet zu haben (siehe unten). Der Buchhalter Muschwitz wurde beauftragt, über die Ein- nahme der Tranksteuer Buch zu führen und dem Kammer- rat von Ponickau alle halbe Jahre einen Auszug zu über- geben, was für Kapitale zu zahlen seien und wieviel jeden Leipziger Markt zur Verzinsung der ganzen Summe ge- braucht werde. Was abgezahlt worden, sollte auf die Originale der Verschreibungen bemerkt werden. Das Buch, welches er unter Aufsicht Abraham von Einsiedeis (Rates von Haus aus) und Haubold Pflugs (Hofrats) zu führen hatte, sollte vom Kammerrat von Ponickau dem Kurfürsten vorgetragen werden. Nach Ablauf jeden Jahres hatte der Buchhalter eine alle drei Leipziger Märkte umfassende Rechnung zu fertigen und dieselbe nach der Abhörung dem Kurfürsten zu 'übergeben.

Als Besoldung erhielt der Buchhalter 60 Gulden aus der Tranksteuer und statt des Kleides 10 Gulden jähr- lich^).

Die Bestallung für den Nachfolger Muschwitz' s, Jörg Hillebrandt aus Borna, gewesenen Stadtschreiber

1) Rep. LIX. D. 40 c/ ßi. 5.1/,, u. D. 108. (Die Citate von Archivalien beziehen sich sämtlich auf das Hauptstaatsarchiv zu Dresden.)

2) Churf. Befehliche an die Ober -Einnehmer etc. 1564/91. Loc. 37045. Bl. 41.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI. 3. 4. 15

226 Heinrich Haug:

ZU Altenburg, vom Jahre 1564, ist im Namen des Kur- fürsten ausgefertigt, und es heifst darin, dals er sich wie andere kurfürstliche Diener, die in Kammer- und Rent- sachen gebraucht würden, in Dresden aufhalten, die Tranksteuer samt den Steuerregistern mit den eingelüsten Hauptverschreibungen und allen anderen Briefen und Urkunden, soviel Muschwitz und die Einnehmer in Ver- wahrung gehabt und sonst in der Renterei vorhanden seien, in seinen Befehl nehmen, und in dem Gemach, das der Kurfürst dazu verordnen werde, aufbewahren und registrieren solle. Er mulste sich, wie die Beamten der Kammer und Renterei, zu allen Märkten nach Leipzig begeben, die Ständeregister von den Obereinneh- mern übernehmen, dieselben prüfen und die bezahlten Kapitalien im Hauptbuch eintragen. Sobald er wieder in Dresden angekommen war, hatte er über jeden Markt eine besondere Rechnung zu fertigen und mit eigener Hand zu schreiben. In der Zeit zwischen den Leipziger Märkten durfte der Buchhalter kein Geld einnehmen. Von den Zinsregistern mulste er drei Abschriften fertigen, wovon eine dem Kurfürsten, eine der Kammer und die dritte den Obereinnehmern zugestellt wurde ^).

Vom Jahre 1570 bis zum Jahre 1657 bestand der Ausschufs zur Verwaltung der Steuereinkünfte gewöhn- lich aus acht Personen, von denen vier vom Kurfürsten und vier von der Landschaft ernannt wurden; einige Male, z. B. 1602, ernannte die Landschaft nur zwei und 1612 nur drei Personen'*). Diese Ausschüsse bildeten jedoch kein ordentliches Kollegium und konnten daher auch nicht wie andere Behörden im Namen des Landesfürsten Ver- ordnungen erlassen oder Ausschreiben in Exekution bringen, sondern blieben bis 1661 mit der Rentkammer in Ver- bindung und mulsten die befundenen Mängel etc. dem Kurfürsten zur weiteren Anordnung anzeigen ^). Zu jedem Leipziger Markte erhielten die Obersteuerein- nehmer ein vom Kurfürsten unterzeichnetes Schuldver- zeichnis zugestellt, in welchem diejenigen Kapitalien auf- geführt waien. welche zurückgezahlt werden sollten. Da- fern die eingehenden Gelder zur Zahlung dieser Kapitalien nicht zureichten, waren sie berechtigt, Geld zu 5 Prozent

3) Rep. LH. Gen. 1922. Bl. 2.

*) Rep. LIX. D. Nr. .Sl-i-g.

^) Rep. LIX- D. Nr. 40 «/ Bl. 4^

Das sächsische Obersteuerkollegium. 227

aufzunehmen, mufsten aber dem Kurfürsten davon Bericht erstatten, der für diese Summen Verschreibungen aus- fertigen und dieselben auf die Kammer versichern liels. Der etwaige Überschufs an Geld wurde in Leipzig in einem eisernen Kasten aufbewahrt. Die ganze Ein- richtung ist also derart, dals von einem fortbestehenden Kassengeschäft noch keine Rede ist, sondern alle Ein- nahme und Ausgabe nur zu den Leipziger Märkten statt- findet. In das Geschäft der Einnahme und Ausgabe teilten sich die Obereinnehmer in der Weise, dafs zwei der kurfürstlichen und zwei der landschaftlichen den Meifsner und Gebirgischen, die andern den Kur-, Thü- ringischen und Leipziger Kreis übernahmen. Jeder Ober- einnehmer erhielt 150 Gulden zum Unterhalt für jeden Markt, später, von 1605 an 300 Gulden und von 1622 an Avurden 400 Gulden gezahlt. Die Jahresrechnung wurde den Obereinnehmern vom Kurfürsten quittiert.

Bis zum Jahre 1661 gingen wesentliche Veränderungen in der Verfassung des Obersteuerkollegiums nicht vor, wie auch die Instruktionen aus den Jahren 1589, 1602, 1605, 1612 und 1628 mit derjenigen von 1570 in der Hauptsache übereinstimmen; nur das Expeditionspersonal hatte sich vermehrt*^).

Im 16. Jahrhundert war nämlich der Buchhalter der einzige Beamte des Obersteuerkollegiums, denn die Sekre- tariatsgeschäfte wurden bei der Renterei mit besorgt; im Jahre 1602 werden jedoch drei Steuerschreiber er- wähnt, die mit den Registern der Trank- und Landsteuer sowie mit Zahlung von Geldern beschäftigt wurden, und ferner erhielt der Buchhalter zur Unterhaltung eines Jungen, den er zur Überlegung, d. h. Prüfung der Steuer- register und Rechnungen, sowie auf den Leipziger Märkten zum Geldzählen mit gebrauchen sollte, 60 Gulden. Der Rentschreiber David Lother, in dessen Expedition die Ausfertigung der Befehle und Schuldverschreibungen ge- hörte, erhielt, „weil er solches allein neben seiner Renterei- bestallung nicht verrichten könne", ebenfalls jährlich 50 Gulden zu Unterhaltung eines Jungen'^).

Obwohl es in der Bestellung des Buchhalters Hille- brandt von 1564 heilst, er solle die Urkunden etc. in dem dazu verordneten Gemach in Verwahrung haben, sowie

«) Rep. LIX. D. Nr. Sl»-?.

') Befehle in Steuersachen 1601/2. ßl. 66. 67. Loc. 37045.

15*

228 Heinrich Haug:

in der Instruktion von 1570: „alle gelosete Schuldbriefe sollen sie übergeben, damit dieselben in dem Gemach der Eenterei, welches dazu verordnet sei, beigelegt werden", scheint es doch zweifelhaft, ob der Buchhalter in der Renterei selbst oder dem eben erwähnten Gemach, Avelches sich wahrscheinlich ebenfalls in der Reuterei befand, expediert hat, oder ob nur die Steiierdokumente dort auf- bewahrt worden sind; dafs etwa vom Jahre 1592 an auch letzteres nicht mehr der Fall war, geht aus den Reskripten vom 29. August und 9. September 1604 hervor, laut deren dem Buchhalter eine Entschädigung von 300 Gulden gewährt wurde, weil er die Steuerrechnungen nebst den Belegen aus Mangel an einem anderweiten Platze in seinem Hause hätte haben „und daselbst über zwölf Jahre verrichten müssen"^).

Bekanntlich erhielten nach dem Tode des Kurfürsten Johann Georg I. im Jahre 1656 dessen drei jüngere Söhne verschiedene Landesteile überwiesen, und zwar Herzog August Weifsenfeis und mehrere thüringische Ämter, Herzog Christian das Stift Merseburg und das Mark- graftum Niederlausitz und Herzog Moritz die Stifter Naumburg und Zeitz. Am 22. April 1657 wurde wegen Regulierung dieser Erbschaften ein Vergleich abge- schlossen, in welchem in Bezug auf die Steuer gesagt wird, dals zwar im väterlichen Testamente den drei jüngeren Brüdern auch die Steuer geeignet und zugleich bestimmt werde, dals sie einen verhältnismälsigen Teil der Steuerschulden auf sich nehmen sollten, eine derartige Teilung aber von Seiten des Kurfürsten nicht für thunlich gehalten werde und auch von der Landschaft Einwen- dungen dagegen erhoben worden seien. Es sei deshalb verabredet worden, dals die Steuern beisammen bleiben und die Obereinnehmer wie bisher erwählt, aufserdem aber sowohl vom Kurfüi-sten als auch von jedem der drei Brüder einer der lläte dem Obersteuerkollegium beigegeben werde").

») Rep. LVIII. Lit. D. Nr. 16"/ Bl. 164. Loc. 41597.

") Die Bestiimimiii;-, dals aulscr den bislierigeu vier kurfürst- lichen Steuercinnchiueni noch ein liat des Kurfürsten dem Ober- steuerkollegiuni zugeordnet werde, kam erst viel später zur Aus- führung, denn in der Instruktion von 1661 kommen ebenfalls nur vier kurfürstliche Einnelimer vor und erst im Jahre 1723 iindet sich hinter den landschaftlichen Einnehmern der Landientmeister als von Seiten der kurfürstlichen Kammer aufgeführt, llep. LVIII. Lit. S. Nr. 47 ßl. 7.

Das sächsische Obersteuerkollegium. 329

Die sämtlichen Kreiseinnehmer sollten vom Kur- fürsten, die Untereinnehmer in den Teilen der Brüder aber von diesen letzteren ernannt werden, dem Kurfürsten jedoch zugleich mit Eiden verpflichtet sein.

Was die Landschaft zu Abführung der Steuerschulden an Kapital und Zinsen sowie zu Besoldung der Beamten an Land- und Tranksteuer bewilligen werde, soll bei der Steuer bleiben, was sie aber zur Staatsunterhaltung, Kammerhilfe, Deputaten u. s. w. bewillige, soll unter alle vier Brüder dergestalt verteilt werden, dafs jedem sein Anteil zu seiner eigenen Einnahme geliefert und der Kreis- einnahme zugerechnet werde, wie denn auch jedem der Brüder sein Anteil an der Accise, den Fleischpfennigen oder was sonst bei den Landtagen anstatt derselben be- willigt werde, von seinen Unterthanen zukommen solle ^'^).

Aufserdem wurde zwischen dem Kurfürsten Johann Georg II. und seinen drei Brüdern unterm 19. März 1661 noch ein besonderer Steuerrezels abgeschlossen, laut dessen das Direktorium der Steuer dem Kurfürsten allein zu- stand, und eine neue Instruktion, gemäfs derjenigen von 1628, unter Berücksichtigung der von der Landschaft geraachten Vorschläge, abgefafst^^). Laut dieser In- struktion, welche vom 8. April 1661 datiert ist, wurden von Seiten des Kurfürsten Reinhard Dietrich Freiherr von Taube, Wolf von Werthern, Johann Nicol von Schön- feld und der Landrentmeister Peter Werdermann, von Seiten der Herzöge August, Christian und Moritz : Ehren- fried Klemm zu Wiedebach, Bat und Landrentmeister, Hans Albrecht Stirling von Achyl, Hofmarschall, Geheimer Rat und Stallmeister, und Rudolf von Miltitz zu Batz- dorf, Rat und Hofmarschall, sowie von Seiten der Land- schaft: Curt Löser zu Salis, Erbmarschall, Hans Georg von Ponickau zu Pomsen, Stiftshauptmann zu Würzen, Hans Christoph von Reibold zu Naundorf und Glaschwitz und Gottheit Friedrich von Schönberg zu Bieberstein, Hofrat, zu Obersteuereinnehmern ernannt.. Die Ober- steuereinnehmer sollten wie bisher zu den Leipziger Märkten zusammenkommen. Über die Einnahme und Ausgabe jedes Marktes wurde ein Auszug gefertigt und

10) Orig. Urkcle. 13352 (gedr. bei Glaf ey Kern der Sachs. Gesch. S. 1053 tg.).

") Orig. 13 469 (gedr. in Arndts Archiv der Säcbs. Gesch. II, 433) und Rep. LIX. D. Nr. 31»/ (gedr. in Lüuigs Reichsarchiv Part. spec. Cont. II, 522 fg.).

230 Heinrich Haug:

davon ein Exemplar dem Kurfürsten und das andere den drei Brüdern eingesendet. Die Jahresrechnungeu wurden mit dem Micliaelismaikt geschlossen.

Alle in Steuersaclien eingehenden Berichte wurden sowohl von der kurfürstlichen Regierung als auch von den Regierungen der drei Nebenlinien an die Ober- einnehmer abgegeben und während der Zusammenkünfte in Leipzig erledigt; nur wenn eine Sache nicht bis dahin verschoben werden konnte, wurde sie in Dresden ent- schieden, zu welchem Zwecke in jedem Jahre einige aulserordentliche Sitzungen stattfanden, doch wurde be- stimmt, dals diese aulserordentlichen Zusammenkünfte nach Möglichkeit vermieden werden sollten. Aulser diesen aulserordentlichen Versammlungen fanden in Dresden auch regelmälsige wöchentliche Sitzungen statt, an denen sich aber nur die hier anwesenden Übereinnehmer beteiligten^"-).

Um die rückständigen Steuern einzutreiben, wurden sechs „Ausreuter" bestellt, welche die säumigen Zahler zunächst zu mahnen und dafür die ihnen, den Ausreutern, zukommenden Gebühren zu fordern hatten. Sollte darauf keine Zahlung erfolgen, so hatten sie die Steuern mit Hilfe der Ortsobrigkeit einzubringen, wobei aber die weitgehendste Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse und die Zahlungswilligkeit der Restanten genommen wurde. Auspfändungen sollten nur bei „vorsätzlicher Saumselig- keit" vorgenommen werden, und dabei Gegenstände, ohne welche die Betreffenden ihr Gewerbe nicht treiben könnten, auch Federbetten u. dergl., nicht als Pfandobjekte be- trachtet werden^''). Die ganze Einrichtung erfolgte nur deshalb, weil man auf diese Weise schneller zum Ziele zu kommen hoffte, als durch die Requisition der Stadt- und Landgerichte.

Das Übersteuerkollegium wurde dem Geheimen Rate unterstellt und die Befehle, des Kurfürsten erfolgten ledig- lich durch diese Behörde. Zugleich wurde bestimmt, dals die Kammer und die Steuer als ganz verschie- dene Kollegien in Zukunft gänzlich von einander getrennt bleiben sollten^"*), weshalb der Buchhalter

12) Oberste\;erdirektoren etc. 16.-}2/1714. Loc. 7179. Bl. 56.

'*) Beilage 99 zum Steuerdeput. Hanptljericlit von 1700. Loc. 6474.

") Räumlich war das Obersteuerkollegium, wie bereits oben erwähnt worden ist, wenigstens binsichtlicli der Buchhalteici schon längst von der Kammer vollständig getrennt. Der im .Jahre 1682 verstorbene übersteuerbuchhalter Schmidt hatte nebst einigen Beamten,

Das sächsische Obersteuerkollegium. 231

und alle übrigen Steuerbeamten einscliliefslich der Kreis- und Untereinnehmer nur an das Kollegium der Ober- einnehmer gewiesen wurden, von welchen sie auch mit Vorwissen des Kurfürsten in Pflicht genommen wurden.

Den ersten Direktor erhielt das Obersteuerkollegium zu Ende des Jahres 1656 in der Person des Geheimen Rates Karl Freiherrn von Friesen auf Rötha, welcher jedoch nach Beendigung der durch den Vertrag von 1657 bedingten Neueinrichtungen im Jahre 1661 zum Präsi- denten des Oberkonsistoriums ernannt wurde. Ihm folgte als Obersteuerdirektor der Geheime Eat Dietrich Freiherr von Taube.

Erst von da an bildete das Obersteuerkollegium eine selbständige Behörde und begann nun auch bezüglich der Expeditionseinrichtungen sich weiter zu entwickeln^"*).

Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts hatte das Obersteuerkollegium nur eine Sekretariatsexpedition, die aber mit der Henterei insofern in enger Verbindung stand, als die damaligen Steuersekretäre zugleich Rent-

ebenso wie seine Vorgänger, in seiner Wohnung expediert, während die übrigen Steuerexpeditionen in einer Anzahl in Privathäusern er- mietete Lokalitäten untergebracht waren. Da es sehr wünschens- wert schien, die sämtlichen Expeditionen in einem Hause zu ver- einigen, so wurde im Jahre 1705 das dem Salzfaktor Lehmann ge- hörige, in der Moritzstrafse zwischen der Friesengasse und dem späteren Landhausgäfschen gelegene Haus erkauft, und darin nicht nur die Steuerexpeditionen und Kassen, sondern auch die General- accisinspektion untergebracht. Schon wenige Jahre später befand sich die Expedition des Übersteuerbuchhalters nebst allen in dieselbe gehörigen Schriften wegen Mangel an Platz in dem ihm gehörigen Hause auf der Seestrasse, während die übrigen Expeditionen im Steuerhause verblieben waren. Erst 1733 wurde bie Expedition des Buchhalters in das Steuerhaus zurückverlegt. Als im Jahre 1736 ein Teil des Steuerhauses zum königlichen, später Sulkowskischeu Palais in der Pirnaischen Gasse gezogen wurde, mufste das General- acciskollegium die bis dahin innegehabten Lokalitäten räumen, und das Obersteuerkollegium nahm von dem ganzen Hause Besitz. Beim Bombardement im Jahre 1760 wurde auch das Steuerhaus mit ein- geäschert, doch blieben die das Archiv enthaltenden Gewölbe un- verletzt, so dafs von den darin aufbewahrten Akten und Rechnungen nichts verloren ging. Der Bau des neuen „Land- und Steuerhauses", des jetzigen Landhauses, begann im Juni 1770 und wurde 1775 vollendet. Rep. LVIII Lit. D. Nr. 16"/ Bl. 313, 542 und 715 fg. Rep. LVIII. Lit. L. Nr. 1»/ Bl. 10-24 und 135. Spec. Rescr. an die Ord. Str. Exped. 1705. Neujahr Nr. 18. Das abgebrannte Steuer- haus etc. Loc. 6214. Vol. I Bl. 234 und Vol. III Bl. 29, 100 und 141. 15) Obersteuerdirektoren etc. 1632/1714. Loc. 7179. B1.53, 55-57, 99. Rep. LIX. D. Nr. IB'^j Bl. 372 1/ fg.

232 Heinrich Haug:

Sekretäre waren '•*); als jedoch die auf dem Ausscliufs- tage von 1646 bewilligte Kopf- und Gewerbesteuer unter der Bezeichnung Quatembersteuer zu einer blei- benden geworden war, machte sich auch die Errichtung einer zweiten Sekretariatsexpedition nötig. In einem Berichte des Obersteuerkollegiums vom 27. Juni 1670 heilst es, dals 1667 Johann Balthasar Grohlig zur Ex- pedition der Quatember- und Subsidiengeldersachen (unter der letzteren Benennung sind Hilfsgelder zur Kriegführung zu verstehen) angenommen worden sei, weil es der Ordinar- steuerexpedition zu schwer falle, die mit diesen An- gelegenheiten zusammenhängenden Geschäfte zu erledigen, und durch Reskript vom 10. August 1670 wurde Grohlig zum Extraordinar-Sekretär ernannt^'). Obwohl also erst von diesem Jahre an von einer wirklichen Errichtung dieser Expedition die Rede sein kann, bestand dieselbe doch thatsächlich schon seit 16()7, die Kopiale beginnen sogar schon mit dem Jahre 1663 und die Protokolle (Kanzleiregistranden) mit 1666. Die Abtrennung war also schon viel früher eingetreten, wie denn über die Zeit der Errichtung der einzelnen Kassen etc. sich vielfach keine Nachrichten finden, und es scheint, dafs dieselbe immer nach dem jeweiligen Bedürfnis erfolgt ist, ohne dals be- sondere Befehle deshalb ergangen sind^^).

18) Rep. LIX. D. 31e-g und D. IS",'. Rep. LH. Gen. 1945 Bl. 78. Rep. LH. Gen. 1949 Bl. 2.

1') Cop. der Ord. Steuersekretariats Expedition von 1670 Bl. 350,

360.

IS) Die Geschäftskreise der beiden Steuersekretariats -Expedi- tionen Avaren nach einer Zusaiuracnstelluns' von 1773 in folgender Weise eingeteilt. In die Ürdinarexpedition gehörten alle Sachen, welche die Steuerverfassung überhaupt oder die Schock- und Trank- steuer betrafen, ferner die Angelegenheiten wegen des Neuanbaues, Kapitalzahlungs- und Persouensteuersachen, sowie die Verpflichtung der Subalternboamtun und Einnehmer, in die Extraordinar-Expedition dagegen sämtliche Quatembersteuersachen, Reste früherer Bewil- ligungen, das „Hannoversche Hypothekenwerk", Brand-, Wetter- und Wasserschädensachen etc., Impostsachen von Stempelpapier und Spiel- karten , Donativgelder und Mahlgroschensachen. (Rep. LIX D. 40f/ Bl. 43 fg.) Die Einrichtung in Bezug auf das Aktenwesen war ähnlich wie bei anderen Behörden, indem man verhältnismäfsig wenig Akten hielt und statt dessen die eingehenden Schriften sammelte und in Packete band, die Konzepte der Ausfertigungen aber in Kopialbänden vereinigte. (Rep. LIX. D. 54. Nr. 3.) Die Registranden, Protokolle genannt, umfafsten nicht wie bei anderen Behörden ein volles Jahr, sondern waren in Neujahrs-, Oster- und Michaelismarkt eingeteilt und zertieleu in eine gröfsere Anzahl Unterabteilungen, die jede ihre

Das sächsische ObersteuerkoUegium. 233

Eine Extraordinarsteuer-Hauptkasse wurde erst 1699 errichtet ^^).

Das Kassen wesen des Obersteuerkollegiums und der demselben unterstellten Kreiseinnalimen war, wie aus dem Hauptbericht der zu Untersuchung- und besserer Einrichtung des Steuerwesens verordneten Deputation vom 31. Dezember 1700 hervorgeht, ein sehr kompliziertes, und es wird besonders der Umstand beklagt, dals sowohl die Haupt- als die Kreiskassen zu sehr zerteilt seien. Es gebe z. ß. im Meifsner Kreise allein sechs verschie- dene Kreiskassen, von Avelchen sich fünf in Dresden und eine in Meil'sen befänden. Es wurden eingenommen: die Land- und Tranksteuer, sowie Vj» Pfennig zur Landtags- auslösung vom Kassierer Schuster, von den Milizspesen 4 Pfennige vom Milizhauptkassierer Starke und 13 Pfennige vom Kassierer Schüller, der Gesandtschaftspfennig von Gottlieb Heinrich Schwarz und die Quatember des ganzen Kreises von Johann Christoph ßeger. Bei der Ober- steuereinnahme seien die Kassen folgendermafsen ver- teilt: die Land- und Tranksteuer nehme der Kassierer Frietzsche, die Milizspesen an 18 Quatembern und 17 Pfennigen der Milizkassierer Starke, die zur Landtags- auslösung, Verzinsung der neuaufgenommenen Kapitalien bewilligten 3 Quatember und 1^« Pfennig Johann Lobe und den Gesandtschaftspfennig Gottlieb Heinrich Schwarz ein"-*'). Der Obersteuerbuchhalter hatte in früherer Zeit ebenfalls verschiedene Kassen verwaltet, doch wurde dies bereits durch Reskript vom 2. März 1700 abgeänderte^).

Die etwas eigentümliche Bezeichnung der Einnahmen nach Pfennigen rührt von den ständischen Bewilligungen her, durch welche die Erhebung von so und so viel Pfennigen zu dem oder jenem Zwecke genehmigt wurde.

An Kreiskassen bestanden aulser den bereits er- wähnten des Meifsner Kreises folgende: eine für den Kurkreis, drei für den Thüringischen Kreis (in Längen- besondere Nummerfolge hatten. Dazu wurden Sachregister geführt, welche mau Diarien nannte, weil die eingehenden Sachen zunächst nach der Reihenfolge der Tage und alphabetisch in Bezug auf die Sachen darin eingetragen wurden, entgegen der sonst überall ge- bräuchlichen Einrichtung, das Sachregister zur Eegistrande nach- träglich anzufertigen.

'9) Rep. LVIII. Lit. D. Nr. 16 V Bl. 485.

■'*') Erstes Buch, die Untersuchung des Steuerwesens etc. Loc. 6426. Bl. 268 fg.

21) Collect. A. (Rep. LIX. B. Bl. 100.) Nr. 24.

234 Heinrich Haug:

salza, Tennstädt und Weifsenfeis), zwei für den Erz- gebirgiscben und vier für den Leipziger Kreis, sowie eine für das Stift Würzen--). Alle diese Kassen, auch die Kreiskassen, waren nicht immer mit besonderen Kassierern versehen, sondern es führte irgend ein Hauptkassierer auch nebenbei eine der Kreiskassen.

Um eine Vereinfachung des Kassenwesens herbei- zuführen, machte das Obersteuerkollegium durch Vortrag vom 5. August 1704 den Vorschlag, die bei ihm be- stehenden Hauptkassen in drei in der Weise zusammen- zuziehen, dafs in die erste Kasse alle Land-, Trank- und Fleischsteuern sowie die Land- und Konventtagsbeihilfen, wenn solche bewilligt würden, in die zweite sämtliche Miliz-, Pfennig- und Quatembersteuern und in die dritte alle übrigen Pfennig- und Quatembersteuern, sie möchten zu Gesandtschaftsspesen, Bezahlung neuaufgenommener Kapitalien oder sonst bewilligt werden, fiielsen sollten. Alle alten und neuen Pfennig- und Quatembersteuer- sowie Milizspesenreste sollten ebenfalls in diese dritte Kasse gehören. Weiter wurde noch vorgeschlagen, die in Meilsen befindliche Kreisquatemberkasse nach Dresden zu ver- legen-'-^). Diese Vorschläge wurden durch Reskript vom 16. August 1704 genehmigt-*). In den Staatskalendern erscheinen die Kassen des Obersteuerkollegiums von 1728 bez. 1729 an als Land- und Tranksteuer -Hauptkasse, Milizsteuer- Hauptkasse und Extraordinarsteuer- Haupt- kasse, von 1767—1823 als Tranksteuer-, Quatembersteuer- und Schocksteuer-Hauptkassen und von 1826 an als Haupt- kasse für die indirekten und Personalsteuern und Haupt- kasse für die Grundsteuer-'').

22) Collect. K. (Rep. LIX. B. Bl. 100.) Nr. 15.

23) Cop. (1er Ord. Steuer- Experl. 1704 vol. II Bl. TOlfff.

2*) Spec. Keskr. an das Ubersteuerkoll. 1704. Nr. 10(3. liep. LIX. D. Nr. 47.

-•') Vom Kassierer der Tranksteuer- Hanptkasse wurden abgelegt die Donativgelder- Rechnung, drei Tranksteuer-Hauptrechnungen auf die Tei-)nine Quasimodogeniti, Crucis und Luciä, eine Rechnung über die in den Oster- und Michaelismessen aus der Steuerkreditkasse erhaltenen und an die Einnehmer bezahlten Kautionszinsen, eine Rechnung über die ebenfalls aus der Steuerkreditkasse erhobenen Zinsen für die der Rentkammer und Generalaccis-Hauptkasse zu vergütenden lievenüen wegen des Chur-Hannöverschen Darlehns, bei der Scliocksteuer-Hauptkasse hatte der Kassierer eine Schocksteuer-, eine Inipost-, eine Personensteuer- und eine Rest-Hauptrechnung, und der Kassierer der Quatembersteucrkasse eine Quatembersteuer- und eine Mahlgroscheu-Hauptrechuuug abzulegen. Aufserdem hatte jeder

Das sächsische Obersteuerkollegium. 235

Die Stempelfaktorie war schon 1701 und die Steuer- rechnungsexpedition 1705 errichtet worden-^).

Auf dem Landtage von 1742 wurde, namentlich wegen der durch den Militäretat verursachten grofsen Ausgaben, sowie zu Wiederbezahlung der bei der Obersteuereinnahme aufgenommenen Gelder ein „freiwilliger Beitrag" auf sechs Jahre (von 1743—1748) bewilligt, welcher darin bestand, dafs jede Person von ihrem werbenden Vermögen und Verdienst auf freiwilliges Angeben von jedem Hundert Thaler Einnahme einen in dem Ausschreiben vom 1. No- vember 1742 näher bezeichneten Prozentsatz zu zahlen hatte, also eine Art Einkommensteuer.

Für die Hof-, Zivil- und Militärbeamten, welche hin- sichtlich ihrer Besoldungen ausgenommen waren, sowie für die Pensionäre, welche in Bezug auf ihre Pensionen ebenfalls befreit waren, zahlte die ßentkammer jährlich 15 000 rth. an das Steuerärar. Obwohl diese Steuer bis 1748 bewilligt worden war, bestand sie doch nur bis 1746, und von 1747 an trat an ihre Stelle die Kopfsteuer, welche auf neun Jahre (bis 1755) bewilligt worden war-^).

Die Kopfsteuer bildete eine Klassensteuer, in deren erste Klasse die Minister, Geheimen Räte, Generale etc. mit einem Steuersatz von 120 Thaler, und in deren letzte, die 17. Klasse, verschiedene Handwerker, Dienstboten etc. mit einem Steuersatz von 1 Groschen bis 1 Thaler gehörten.

Die Auflegung dieser Steuern hatte zur Folge, dafs im Jahre 1751 eine besondere Kopf- und Vermögens- steuer-Rechuungsexpedition errichtet wurde, welche aber nur bis 1760 bestand, da die Kopf- und Vermögenssteuer- reste nach einer Resolution des Geheimen Konsiliums vom 22. November 1758 völlig erlassen worden waren und die Prüfung der Rechnungen deshalb als überflüssig betrachtet wurde ■-^). Die Personensteiierexpedition, welche an ihre Stelle trat, wird in den Staatskalendern nicht erwähnt, das Personal derselben vielmehr nur unter „Hierüber" hinter der Rechnungsexpedition aufgeführt.

Kassierer noch „haare Geldesrechnungen" zu fertigen, welche die Einnahmen nach Abzug der Kreisausgahen nachwiesen. Unter diesen letzteren sind Erlasse, Besoldungen der Kreis- und Untereinnehmer sowie sonstige bei den Kreiseiunahmen vorgekommene Ausgaben zu verstehen. (Rep. LIX. D. 40 f/ Bl. 28 »'/-SO.)

26) Rep. LIX. D. Nr. 40 c/ ßl. 32 und 44.

") ßep. LIX. D. Nr. 157.

2S) Rep. LVIII. Lit. L. Nr. 1 a/ Bl. 207. 209.

236 Heinrich Haug:

Da 1767 noch eine besondere Expedition zur Prüfung der Malilgroschenrednuingen eriiclitet wurde, so er- scheinen von 1768 an in den Staatskalendern drei Rechnungsex])editionen, nämlich die Öteuerrechnungs- expedition, die Personensteuer- und die Mahlgroschen- liechnungsexpedition -^),

Die Instruktion von 1661 bestand bis nach Aus- sterben der letzten Albertinischen Nebenlinie 8achsen- Weilsenl'els (1746), worauf unterm 19. Dezember 1749 eine neue entworfen wurde •^"). Abgesehen von den durch die veränderten Verhältnisse bedingten Abänderungen stimmt die neue Instruktion mit der von 1661 so ziemlich überein. Zunächst fallen die wegen der Albertinischen Nebenlinien getroffenen Bestimmungen weg, und es werden, wie vor 1661, bez. 1657, nur vier kurfürstliclie und vier landschaftliche Obersteuereinnehmer ernannt. Ferner ist die Bestimmung weggefallen, dais die Kreiseinnehmer keine Steuerobligationen, Landtagsauslösungszettel und dergl. für sich erhandeln sollen, und weiter heilst es in §15, dais, da schon seit längerer Zeit bei den Kreis- einnahmen besondere Kassierer lediglich durch die Ober- steuereinnahme ohne Konkurrenz der Kreisstädte an- genommen und zur Kautionsleistung veranlalst worden seien, es auch ferner bei dieser Einrichtung verbleiben solle. § 23 bringt eine Vereinfachung in Bezug auf die Erwerbung der Steuerscheine infolge Cession. Nach der Instruktion von 1661 konnte eine solche Erwerbung nur gerichtlich geschehen, und es wurde ein Schein ausgefertigt, welchen der Erwerber bei der Obersteuereinnahme vor- zuzeigen hatte, worauf die Erwerbung in einem besonderen Buche eingetragen wurde. Diesen Weitläufigkeiten wurde dadurch abgeholfen, dais man die Steuerscheine auf den Namen des Darleihers, bez. des derzeitigen Inhabers, ausfertigte und die Konkurrenz des Gerichts dabei weg- fallen liels. Dagegen wurde eine neue Bestinmiung ein- gefügt, welche dahin lautete, dais der Obersteuerbuch- halter niemandem neue Steuerscheine ausstellen solle, wenn nicht das bare Geld dafür zur Steuerkasse wirklich eingezahlt oder ein zahlbarer Steuerschein zur Erneuerung übergeben werde. Auch in Bezug auf die Bezahlung der

lf^^>jy.lX ,.V.iVAV.. X^V*>-/.X i.^ ^^^V.^

29) Rep. LVIII. Lit. M. Nr. 1'»/ Bl. 104.

30) Rep. LIX. D. Xr. :31"</. (Gedruckt in Weifses Diplomat. Beiträgen zur Sachs, üesch. S. 166 fg.)

Das sächsische Obersteuerkollegium. 237

Defensioner werden einige Änderungen getroffen, und wegen der Tranksteuer wird auf das Ausschreiben von 1747 verwiesen.

Bis zur Errichtung der Steuerkreditkasse im Jahre 1763 war die Thätigkeit des Obersteuerbuchhalters eine sehr umfängliche, da er aufser seinen übrigen Geschäften auch die die Steuerschulden betreffenden Angelegenheiten zu erledigen hatte "^). Als man nach Beendigung des siebenjährigen Krieges darauf bedacht war, die auf der Steuer haftenden Schulden zu tilgen, wurde ein vom Leipziger Ostermarkt 1763 datiertes „Avertissement" erlassen, laut dessen eine besondere Steuerkreditkasse errichtet und der Landschaft anheimgegeben wurde, eine Anzahl Deputierte aus der Ritterschaft und den Städten zu wählen, welche die zur Bezahlung der Steuerschulden

^') Die Steuerschulden waren bis dahin auf die Steuerhaupt- kassen in der Weise verteilt, dafs zur Land- und Tranksteuer-Haupt- kasse nicht nur sämtliche alten aus der ßentkammer überwiesenen oder bis zum Jahre 1661 zur Steuer selbst eingeliehenen Kapitalien, sondern auch ein grofser Teil der neuen bis zum Jahre 1763 auf die Land- iind Tranksteuer aufgenommenen Gelder, zur Milizsteuer- Hauptkasse aber besonders die seit Anfang des 18. Jahrhunderts zur Bestreitung der Militärbedürfnisse kontrahierten Schulden gehörten. Die letztere Kasse war in dieser Hinsicht die stärkste. Zur Extra- ordinarsteuer-Hauptkasse gehörte nur ein kleiner, fast lediglich auf den 1690 1699 ..bewilligten Milizzuschufs beschränkter Teil der Steuerschulden. Über jede dieser Kassen wurden von der Buch- halterei vier Bücher geführt, und zwar das Hauptbuch, in welchem die eingeliehenen Kapitalien unter Beifügung der Zins- und Rück- zahlungstermine eingetragen wurden, das Protokoll, worin die Aus- fertigung der Steuerscheine unter Signatur des Obersteuerdirektors bemerkt, das M.anual, in dem eingetragen wurde, was von einem Markt zum andern an Kapitalien aufgenommen und zurückgezahlt worden Avar, und das Zinsbuch, welches für jedes Jahr aufs neue angefertigt Avurde. Das Manual war das älteste dieser Bücher und war in früherer Zeit wahrscheinlich das einzige über die Steuer- schulden geführte Buch. (Vergl. die Vorbemerkung im Rep. LVIII vol. III.) Aufser diesen lediglich auf das Steuerschuldenwesen be- züglichen Obliegenheiten hatte der Buchhalter soAVohl über die beim Obersteuerkollegium befindlichen Hauptkassen, als auch über die Kreiskassen die Aufsicht zu führen, von denselben Wochen- und Monatsextrakte einzufordern und darüber sowie über die bei den Hauptkasseu vorfallenden Einnahmen und Ausgaben Gegenregister zu halten. Vor Beginn der Leipziger Messen hatte er ein Ver- zeichnis der dringendsten Schuldposten zu fertigen und den Ober- steuereinnehmern zu übergeben, nach Ablauf jeden Jahres aber alle Einnahmen und Ausgaben in ein Hauptbuch zu bringen und dieses ebenfalls dem Obersteuerkollegium zu überreichen. Alle Einnahmen und Ausgaben bei den Hauptkassen konnten nur gegen vom Buch- halter signierte Belege l^ewirkt werden. (Rep. LIX. D. -11.)

238 Heinrich Hang:

bestimmten Fonds verwalten sollten. Es wnrden infolge dessen sieben Depntieite und sieben Stellvertreter aus der Ritterschaft und von den Städten Dresden, Leipzig, Wittenberg, Zwickau, Langensalza, Plauen und Neustadt an der Orla gewählt. Zur Abtragung der Steuerschulden wurden von den Ständen 1100000 Thaler jährlich aus den Steuereinkünften ausgesetzt und zugleich bestimmt, dafs keiner der Gläubiger eine Verminderung seines Kapitals erleiden solle. Um bei der Auszahlung Gleich- heit zu halten, trat eine ött'entliche Verloosung ein. Sämt- liche Gläubiger hatten sich nach Schluls des Landtages und längstens bis zum 30. Dezember 1763 bei der Steuer- kreditkasse zu melden, ihre Steuer- und Tontinenscheine zu produzieren, und erhielten dagegen neue Schuld- verschreibungen; die Anmeldefrist wurde später noch bis 31. Januar 1764 verlängert. Die ausgegebenen Schuld- verschreibungen konnten von den Gläubigern ohne weiteres veräulsert werden, da die Zahlung von Kapital und Zinsen, letztere nach Höhe von drei Prozent, lediglich an den Vorzeiger geleistet wurde'-).

Noch vor dem 1. November 1763 begaben sich die sieben ritterschaftlichen Deputierten nebst den Vertretern der Städte nach Leipzig, um die Kasse dort in einem Lokale der Pleifsenburg einzurichten"'^). Das Personal bestand aus einem Buchhalter, einem Kassierer, zwei Kalkulatoren und vier Kopisten. Die Anstellung und Verptiichtung dieser Beamten erfolgte durch die Depu- tierten-^*).

Laut des „Avertissements" vom 23. Juni 1818 wurden nur vier Deputierte und vier Stellvertreter derselben (aus jedem Kreise einer), sowie die vier Kreisstädte Dresden, Leipzig, Zwickau und Plauen mit Besorgung der Steuer- kreditkassen-Angelegenheiten beauftragte^).

Die Steuerkreditkasse bestand bis 31. Dezember 1834, von da an gingen ihre Geschäfte auf die Staatsschulden- kasse über'^*').

Die Instruktion von 1749 blieb zwar bis zum Jahre 1821 bestehen, doch hatte man schon 1815 eine Änderung in Aussicht genommen, welche den neuen Verhältnissen

32) Rep. LVIII. Lit. C. Nr. 434 a/ Bl. 1 fg., 5 fg.

33) Ebenda Bl. ß und 89.

»*) Staatskalender 17G9 S. 125.

3») Gesetz- und Verordnungsbl. 1818 S. 47.

38) Gesetz- und Verordnungsbl. 1834 S. 209.

Das sächsische Obersteuerkollegium. 239

ZU entsprechen geeignet schien. Das Obersteuerkollegium war nämlich durch Reskript vom 22. Juni^") veranlalst worden, deshalb Vorschläge zu machen, und gab in dem am 4. Juli erstatteten Bericht seine Meinung dahin zu erkennen, dafs, da der Ertrag der ordinären Steuereinkünfte sich künftig noch nicht ganz um den dritten Teil des zeitherigen Einkommens vermindern würde, dagegen durch die Einverleibung der „Stiftischen Parzellen" und des verbleibenden Teils der Oberlausitz sowie dnrch die den Steuerbehörden übertragene Einnahme der Kavallerie- Verpflegungsgelder (welche früher unmittelbar an die Generalkriegskasse eingesendet worden waren) etc."^) ein derartiger Zuwachs von Arbeit entstehe, dafs eine erhebliche Verminderung des Personals nicht stattfinden könne. Es wurde deshalb empfohlen, nur die dritte, anscheinend seit 1813 bestehende Obersteuersekretariats- Expedition einzuziehen und dieselbe nebst der Archiv- expedition der ersten Sekretariatsexpedition einzuver- leiben. Das Obersteuerarchiv bildete, wenigstens von 1705 an, vielleicht aber auch schon weit früher, eine be- sondere Expedition, deren Personal aus dem Archivar einem Adjunkten und einem Kopisten bestand''^). Aulser- dem wurden bei den Rechnungsexpeditionen einige wenige Stellen eingezogen. Beim Kollegium selbst sollten in Zukunft nur ein Direktor, zwei königliche und zwei landschaftliche Einnehmer ernannt werden.

Diese Vorschläge wurden 1817 den Landständen vor- gelegt und traten mit der unterm 9. März 1821 aus- gefertigten neuen Instruktion ins Leben*").

Laut dieser Instruktion wurde die Zahl der Ober- steuereinnehmer in der vorgeschlagenen Weise mit dem Hinzufügen festgesetzt, dals aulser dem Direktor nach Be- finden auch ein Vizedirektor ernannt werden könne, dessen Stelle aber stets mit einer der beiden königlichen Stellen verbunden sein und alle Obereinnehmer vom Stande der alterbländischen Ritterschaft sein sollten. Die Ernennung des Obersteuerdirektors, des Vizedirektors und der könig- lichen Obereinnehmer blieb dem König ohne Konkurrenz der Stände vorbehalten.

^'^) Gouvernemeuts-Verordnuugen etc. 1815. Loc. 36913. Nr. 113. ■'S) Weifse, K. S, Staatsrecht II, 214. 39) Rep. LIX. D. 61.

*o) Rep. HI. Gen. 1277a/ El. 122 fg., 134 fg., Gen. 1277b|. EL 5, 96 fg.

240 Heinrich Haug: Das sächsische Obersteuerkollegium.

Bei Besetzung- der landschaftlichen Obereinnehnier- stellen stand der Landschaft das Präseutationsrecht zu, welches jedesmal von einem der zu den Erblanden ge- hörigen Kreise und zwar in der Reihenfolge Meilsner, Erzgebirgischer, Leipziger und Vogtländischer Kreis aus- geübt ward, indem für jede zu besetzende Stelle drei Personen vorgeschlagen wurden. Statt der bisher jähr- lich gehaltenen zwei ordentlichen und zwei aulserordent- lichen Sessionen fanden d(?ren sechs statt, und zwar jedes- mal am ersten Montage der Monate Januar, März, Mai, Juli, September und November, welche so lange zu dauern hatten, bis alle Greschäfte erledigt waren. Diese Sitzungen wurden in Dresden gehalten und die bisherigen Leipziger Meisreisen kamen nun vollständig in Wegfall. Nur bei dringlichen Sachen konnten in der Zwischenzeit aufser- ordentliche Versammlungen einberufen werden.

Die dem Obersteuerkollegium zunächst untergeord- neten Kreissteuereinnahmen bestanden aus einem Mit- gliede der Ritterschaft des betretfenden Kreises, einem Deputierten des Stadtrates der Kreisstadt und dem Kreiskassierer oder Kreissteuereinnehmer.

Es war dies die letzte Instruktion, die für das Ober- steuerkollegium ausgefertigt wurde, denn vom 1. Dezember 1831 an wurde dasselbe dem Finanzministerium unter- stellt und vom 1. Januar 1834 ab gänzlich aufgehoben. Die Geschäfte gingen teils auf das Finanzministerium, teils auf die Kreissteuerräte über"). Die Tranksteuer wurde vom selben Zeitpunkte an abgeschafft und die Verwaltung der neu eingefüluien indirekten Abgaben der ebenfalls am 1. Januar 1834 errichteten Zoll- und Steuer- direktion übertragen.

■*') Gesetz- und Verordnungsbl. 1831 S. 332 und 1838 S. 127, 214 und 457.

X.

La societe des antisobres.

Von

Paul Haake.

In dem Briefwechsel König Friedrich Wilhelms I. von Preufsen mit dem Minister von Manteuffel, dem Leiter der sächsischen Politik nach dem Tode des Grafen von Flemming, findet sich das folgende merkwürdige Protokoll'):

Nous les sousignes Frederic Guillaume, surnomme le Compatron, de Borck, surnomme l'Auditeur, Schwerin, surnomme l'argent-vif, Den- boff, surnomme Starosta Schmutzky, Linger, surnomme Hänsgen in der Granate, Klinkowstrome , surnomme le Gascon du Nord, Suhm. surnomme le Diapliane, Marwitz, surnomme l'altere, Sydow, sur- nomme le Faschinen -Macher, et du Moulin, surnomme le Courier, faisons SQavoir au Seigneur de Dame, Gouverneur Phrigien, le Diable et Taumönier que le President Biberius, nous ayant assemblö en Committe, nous a amene dans une chambre eclairee de bougies en plein midi, il nous a lu avec grande demonstration de joye l'attestat touchant la reconvalescence du Patron, jadis une des plus fermes colonnes de la tres noble et ancienne societe des antisobres. Cette nonvelle si desiree a mis toute la societe dans une humeur joyeuse, et le Compatron ayant permis qu'on celebra cet acte par une aspersion vineuse, le President a pris une flute convertie en stump - schwans pour raisons connues au Gouverneur Phrigien et l'ayant fait(e) remplir rasibus, l'a porte(e) ä l'ami du coeur du Patron, surnomme le Com- patron en s'ecriant: A l'accomplissement des voeux contenus dans l'attestat et ä la constante union et amitie entre le Patron et le Compatron! Le verre a ete accepte, en y ajoutant des expressions, qui ne pourroient que charmer le Patron, si l'impatience de boire un coup donnoit le tems de pouvoir tout specifier. Conclusion,

*) Königl. Sächsisches Hauptstaatsarchiv in Dresden Loc. 3058. Correspondance du Roi de Pologne et du Comte de Manteuifel avec le Eoi de Prusse 1729.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI. 3 4. 16

242 Paul Haake:

comme dit Germania: Vive le Patron et le Compatron! Pdrissent cenx qui ne les aiment pas! Nous ne vons pouvons cependant pas cöler quil nous est parvenu que luiidi passe ä une fete donnee ä Moritzbourg le Patron s'y est conduit dune sobriete exemplaire et quoique ce soit directement opposö aux Statuts de la socirtr, il nest pas permis ä aucun niembre de boire moiiis d'une bouteille de vin soit au diner soit au souper, nous voulons bien, vu l'rtat recon- valescent du Patron , luy pardonner cette transgression de nos loix et Statuts, et pour luy marquer d'autant plus notre bieuveillance et reconnaissance pour les Services rendus et travaux essuyt's dans le Service de la societe. Nous luy voulons donner par celle-cy une dispense formelle de ne pas etre oblige pendant une annce entiöre ä Fexeciition rigide de nos Statuts. Apres Techeance de laquelle (une) deputation par nous sera faite pour examiner in loco l'rtat, le Patron se trouve, atin de l'obliger ä se conformer dorenavant avec d'autant plus dexactitude ä l'observation de nos Statuts, ou en luy donnant une Patente de Veteran, pour n'etre pas inquiete par les provocations des dignes membres de la societe. En foy de quoy et pour rendre ce document plus authentique, nous l'avons signe de nos propres mains et y avous oppose le sceau de nos armes. Fait ä Berlin dans la maison du President le 2iy. de novembre 11128.

L. S. Guillaume, surnomme Compatron.

L. S. A. B. Borcke alfs Auditeur.

L. S. Schwerin, surnomme Targent-vif.

L. S. A. G. V. Dönhoff Starosta Schmoutzky.

L. S. Ch. v. Linger Hänfsgen in der Granate.

L. S. Otto Klinckowstrome, surnomme le Modeste du Nord.

L. S. N. F. v. Suhm, surnomme le Diapbane.

L. S. Bod. v. Marwitz, surnomme le Parfüm.

L. S. R. v. Derschau, surnomme Taltere.

L. S. Sydow, surnomme le Fascliinen-]Macher.

L. S. I). L. du Moulin, surnomm»' le Courier.

L. S. Fridericus Wilhelmus Biberius Cassubiensis

hoc attestor und ist Niemandt der gegen die Compagnie und von die Patrones was zu sagen hat, Sonst sollen Sie alle von unserer autisoberschen Gesellschaft dasjenige thun, was wir unsern Feinden gönnen. Vivat Patronus et Compatronus und Ich auch.

Es sind der preufsische König Friedrich Wilhelm I. und seine Ratgeber, die hier in übermütiger Laune, vom Wein erhitzt, dem verbündeten Dresdner Hofe von Berlin aus ihren Gruls entbieten. Der Patron ist August der Starke, der Compatron Friedrich Wilhelm I.; Biberius Cassubiensis Friedrich Wilhelm von Grumbkow, der Seigneur de Dame, Gouverneur Phrigien, le Diable et raumönier Ernst Christoph von Manteuffel, Germania der kaiserliche Gesandte Freiherr von Seckendorif. In Dresden, in den Karnevalsfreuden des Februars 1728, als Friedrich Wilhelm I. seinen neuen Alliierten in seiner Hauptstadt besuchte, hatte man die societe des antisobres gegründet, mit Grumbkow als Präsidenten ; die wackeren Zecher der

La soci^tö des antisobres. 243

Tafelrunde Augusts des Starken und des Berliner Tabaks- kollegiums traten zusammen; Kampf gegen die Nüchtern- lieit war die Parole. Man wollte sich berauschen am Wein und an dem Gedanken der Interessengemeinschaft; wer nüchtern blieb, handelte gegen die Statuten. Es ist, als ob junge Heifssporne die Welt auf den Kopf zu stellen, das Unnatürliche natürlich, das Ungewohnte ge- wohnt zu machen suchten, und doch waren es ergraute Fürsten, Staatsmänner und Generale, die hier Komödie spielten. Sie alle kannten das Leben und die Gegensätze ihrer Zeit. Sie brauchten den Bausch, um zu vergessen. Sie wollten sich täuschen, sich selbst und ihre Zech- genossen, ihnen vorspiegeln, was sich bei nüchterner Be- trachtung als Phantom erweisen mufste: ein unauflösbares Bündnis beider Staaten. Man verstellte sich gegenseitig, man heuchelte Freundschaft. Im Grunde halste man sich und mulste sich hassen. Die Beziehungen Sachsens und Preulsens nach der Beendigung des Zollkrieges durch den Vertrag vom 2. Dezember 1727 und nach Abschlufs der Defensivallianz vom 10. Januar 1728 sind nur eine Beihe Versuche, die innere Unwahrheit der letzteren künstlich zu verdecken.

Ein lebhafter Briefwechsel knüpft an diese Verträge an. Es scheint, als ob beide Herrscher in alle Ewigkeit fest mit einander verbunden seien, stets Hand in Hand gehen würden, sowie sie Silvestre auf dem bekannten Bilde gemalt hat, das in doppelter Ausführung in Berlin wie in Dresden eine stille Mahnung zur Einigkeit in allen grofsen politischen Fragen darstellte. Man überschüttete sich gegenseitig mit Beweisen der Freundschaft und über- bot sich bei den Besuchen in Ehrungen und Vergnügungen, Gesandte gingen zwischen beiden Höfen hin und her. Die sächsischen Virtuosen Weifs und Quanz nahmen für längere Zeit Aufenthalt in Berlin, um die Prinzessin Wilhelmine und Kronprinz Friedrich im Lauten- und Flötenspiel zu unterrichten. Man schrieb sich Briefe, die Könige und die leitenden Minister unter einander, Friedrich Wilhelm an Manteuffel, August der Starke an Grumbkow und umgekehrt"). Man schlug einen ungemein vertrau-

') Briefwechsel König Augusts IL von Polen IV 10 h 45, 122, 123 und 124. Correspondance du Roi de Pologne et du Comte de Manteuffel avec le Roi de Prusse 1729 Loc. 3058. Negociation des preufsischen Generalleutnants v. Grumbkow zu Dresden 1729 Loc. 2969.

16*

244 Paul Haake:

liehen Ton an, wie er sich in solcher Korrespondenz selten findet. König August erlaubte sich sogar eine Einmischung in die Familienangelegenheiten des Compatron; er riet ihm, den Kronprinzen auf Reisen zu schicken, um dem häuslichen Zwist ein Ende zu machen^). Man teilte sich die kleinen Freuden und Leiden des Tages mit. Friedrich Wilhelm erzählte Manteuffel, wie bei der Heimkehr von der Jagd sein Wagen in zwei Stücke gebrochen sei. „La premiere tut emportee comme un eclair par les chevaux et quoique le fond restät en arriere, la violente secousse une terressa d'une maniere que j'etois force de tomber sur la tete, dont il me prit un vertige terrible, qui dura un quart d'heure. Mais j'en suis echappe heureusement Sans avoir aucun mal'"*}. König August und Manteuffel ergötzten den Berliner Hof durch eine drastische Schil- derung des Abschiedsbesuches von Gi'umbkow, dem Präsi- denten der societe des antisobres; er hatte dem Wein etwas zu viel zugesprochen, als dann das Gespräch auf die neuen sächsischen Uniformen gekommen war und der König eine zur Ansicht hatte bringen lassen, diese an- gezogen und angeblich erst bei der Ankunft in Berlin bemerkt, dals er ein falsches Kleid trug'^). Man machte sich gegenseitig Präsente: Friedrich Wilhelm schickte August dem Starken einen Bernsteinschrank''), einen Auerochsen und zwei grolse Bären''), dieser revanchierte sich durch Wein, den er zur Vorsicht nicht an Grumbkow, sondern direkt an den König adressierte; er fürchtete,

*) August II. an Friedrich Wilhelm I., Drösde ce 4. mars 1730. IV 10 h 124.

•*) Friedrich Wilhelm I. an Manteuffel, Wusterhausen ce 14. de sept. 1728 Loc. 3528. Von König August liegt eine Liste der Hirsche, die sich 1728 in den königlichen Wäldern befanden, bei der Korrespondenz, von Friedrich Wilhelm eine „Specilication derer Sauen, so S. Kgl. Maj. todt gemacht". Es waren 3582 Sauen, darunter 447 „hauende Schweine".

^) Manteuffel an Friedrich Wilhelm I., Dresde ce 23. janvier 1729 Loc. 3058. August der Starke an Friedrich Wilhelm, Konzept s. d. Loc. 2i»69. König August zeichnete selbst die P]rlebnisse Grumbkows in Dresden auf, und ermahnte Manteuffel, der den Bericht ausarbeiten mufste, nichts zu vergessen : le pot de chambre dont on (n')a pas pu trouver le fond, la chambre humectce et d'autres parti- cularites.

") Friedrich Wilhelm I. an Manteuffel, Wusterhausen le 8. de sept. 1728. Loc. 3058.

■') Friedrich Wilhelm I. an Manteuffel, Berlin ce 12. de juillet 1729 Loc. 3058.

La societe des antisobres. 245

Grumbkow könnte von seiner Stellung als Präsident der societe einen unberechtigten Gebrauch machen*^). Auch auf militärisches Gebiet erstreckte sich der gegenseitige Austausch: König August scheint ein Eegiment Grena- diere nach Berlin^), Friedrich Wilhelm dafür 250 Pferde nach Dresden gesandt zu haben ^"). Jener bat sich den Plan der Magdeburger Festungswerke aus^^) und schickte selbst eine Ansicht der neuen Eibbrücke, die noch heute seinen Namen trägt ^-). Er teilte ihm eine Vorschrift für den Standartenträger mit, die er eigenhändig ent- worfen^^). Er machte ihm zwei Kanonen zum Ge-

8) Mantenffel au Friedrieb Wilbelm I., Varsovie ce 1. juin 1729 Loc. 3058: „Jai lu ce niatin la lettre de M. le President au Patron, qui ayant fait appeler dans l'instant meme un ecrivain de la cave, lui ordonua de faire emballer incessament 10 bouteilles, qui Lui restaient dun vin de 55 aus, qu il avait recju de l'eveque de Cracovie et 40 d'uue autre sorte moins vieille ä la verite, niais fort bonne, qui lui out ete presente(es) ces jours passes par le regimentaire geueral Poniatowski. S. Mte m'enjoignit en meme tems d'envoyer cette petite Provision par' une Extra Post et de l'adresser directemeut ä V. Mte de peur que si on l'adressoit au president Biberius, celui-ci ne s'avisät sous pretexte de droits pretendus de sa presideuce d'en goüter avant Elle". Am 26. September 1729 scbreibt Mauteuffel an Friedrich Wilhelm I.: „Le Roi, ra. M., venant de m'envoyer par un expres deux bouteilles du vin de 87 ans pour remplacer celle que le President Biberius a malheureusement cassee entre Berlin et Stettin."

9) Manteuffel an Friedrich Wilhelm I., Varsovie 8. juin 1729 Loc. 3058: Auf Befehl seines Königs teile er ihm mit, „qu'il espere que le dit Regiment sera tout complet et en etat de marcher en moins de deux mois. II est seur qu'il sera corapose de fort beaux hommes, moins grands ä la verite que ceux de V. Mte, mais qui ne laisseront pas que d'avoir leur merite."

16) Friedrich Wilhelm I. an August IL, Makenow 17. nov. 1729. IV 10 h 122.

1') Friedrich Wilhelm I. an August IL, Potsdam 13. dec. 1729. IV 10 h 122.

1-) Friedrich Wilhelm I. an August IL, Berlin 31. dec. 1729. IV 10 b 122.

13) August IL an Friedrich Wilhelm L, Dresde ce 18 mars 1729 IV 19 h 124. Es ist offenbar folgende im Konzept unter den eigen- händigen Brouillons des Königs befindliche Ordre (Loc. 3057) : „Die- genigen, soh die Standaren fieren, seind fleifsig zu exerciren, dahmit sie 1. wohl sallutiren und 2. ihre standar bey der chargirung in den linken armen firen und den Rimen iber die linke chulter nehmen. Das erste geschiet, v?an sie den Rimen, soh an der Standare, lang oder wenigsten in der mitent fassen, so senket sich die standar von sich Selbsten in die balanse und erliebet sich desgleigen, ohne das der sie fieret sich biken darf und gerade sizen bleibet und er mit der Regten haut sein pfert fireren ; in schargiren helt er die Standar

246 Pi^ul Haake:

schenk ") und sandte Modelle der neuen Flinten und Säbel nach Berlin, die er 1729 einführte ^'^); die technischen Mängel, die Friedrich Wilhelm I. rügte, beseitigte er. Als ein Oberst Seebach „un pauvre diable qui a espere de faire sa fortune", nennt ihn August der Starke ein Mittel entdeckt zu haben glaubte, um Infanterie vor Reiterattacken zu schützen, und daraufhin eine Ver- minderung der Kavallerie befürwortete, erörterte man gemeinsam den Wert der Erfindung; einen Aufsatz, in dem sie als Chimäre bezeichnet ist, schickte der König nach Berlin^"). Man hatte keine Geheimnisse oder be- hauptete wenigstens sie nicht zu haben. Manteulfel setzte Friedrich Wilhelm in Kenntnis von dem Drängen der sächsischen Ern estiner zur Erneuerung der alten Erb- ansprüche auf Jülich und von dem Entschlüsse des Königs, die Entscheidung des Reichshofsrats anzurufen ^"). Friedrich Wilhelm teilte dem Patron den russisch-preufsischen Ver-

selbe an die linke chulter oder armen, wolidurg er die standar feste helt und kan mit der linken hant sein pfert tieren und mit der Regten seinen degen braugeu."

'^) August 11. an Friedrich Wilhelm I., undatiert. IV 10 h 124.

1^) August II. an Friedrich Wilhelm I., Dresde ce 18. mars 1729, IV 10 h 124.

1") August II. an Friedrich Wilhelm I , ^^^rsovie 22. juiu 1729, IV 10 h 1241 A\if dieses Seebachsche Projekt beziehen sich offenbar eine Reihe Briefentwürfe, die sich unter den eigenhändigen Brouillons Augusts II. befinden (Loc. 3057). In einem heifst es: „Comment peut-on entrer en marche sans avoir vu la marchandise, nach dem teischen sprigwort ,die kaze in den sack gehandelt' ? Lauteur croit la chose bonne, un autre la trouvera pas teile." In einem andern: „Pour ce qui est de se garantir contre la cavallerie, il est connu de vicux temps et du nütre quil y a plusieurs choses qu'on y oppose comme les piqucs, chevaux de Frise, schweinsfedern, plantes en losanges, des fosses avec des pieux couverts de paille, des fosses tirees devant les lignes, des retranchements, fusaugeln, des blendes, des mantelets portatifs, des chariots armes, des feux combles. Ce n'est donc pas tout cela. II me reste un doute sur lequel l'auteur s'expliquera avant qu'on convient. Qui est 1. si sur le Systeme de Tauteui- on se fournit pas d"un grand uorabre de cavallerie, se re- posant sur cette invention. Vous etes attaque's d'une cavallerie superieure; l'ennemi fait plus de front que vous; par il vous tombe en flaue et en dos; votre Infanterie est attaquce par celle de l'ennemi, est-ce que votre invention vous garantit le flaue et le dos? Ne voulant pas parier que celui , qui est plus fort en cavallerie, est maitre de la campagne sans avoir besoin de combattre. 2. Est-ce que je me peux servir en toute saison de cette invention'? 3. en tout terrain? 4. et le transporter facilement avec moi?"

1'') Manteuffel an Friedrich AVilhelm I., Dresde ce 17. sept. 1728 Loc. 3058.

La societe des antisobres. 247

trag mit, der im Oktober 1729 geschlossen wurde^^). Graf Rutowski, ein natürlicher Sohn Augusts des Starken, trat in die preufsische Armee ein, um den Dienst kennen zu lernen und dann bei den Sachsen einzuführen^^). Man rechnete auf eine Waffenbrüderschaft und suchte beide Heere auf die gleiche Höhe der Ausbildung und Bewaff- nung zu bringen.

Im Sommer 1729 schien es, als ob diese Erwartung bestätigt werden sollte. Am 18. Juli dieses Jahres schrieb Friedrich Wilhelm I. aus Berlin an Manteuffel:

Pendant mon sejoiir de Magdebourg il m'est arrive une dispute avec les Haunoveriens ä cause dune prairie appellee la petite Clamay, qui m'appartient en propre et dout ils ont trouve ä propos d'enlever et de sapproprier les foins sous un convoy de cavallerie. Ces Messieurs se sont avise de plus sous pretexte de la rupture pretendue du cartel de faire arreter tous ceux de mes soldats, qu'on a pu trouver dans ce pays-Ki. Sa Majeste le Roy de la Grande-ßretague ne m'ayant pas notitie son arrivee en Allemagne, je n'ai pas pu ecrire directement. Mais j'ai fait ecrire ä son conseil prive pour demander une satisfaction convenable sur ces griefs. Le general Comte de Seckendorff etant revenu ici il y a quatre ou cinq jours, je ai fait un detaü de toute laffaire et il m'a promis d"en in- former Sa Majeste Imperiale. Mais je ne sgaurais surtout m'em- pecher de faire s^avoir cette querelle ä mon eher ami et fidele allie, le Roy de Pologne, dont je souhaite fort de sgavoir les sentiments sur ce cas, qui me porte d'en tirer raison.

Manteuffels Antwort ist vom 26. Juli; tags zuvor hatte er Friedrich Wilhelms Schreiben erhalten und so- fort mit seinem Herrn über den Zwischenfall gesprochen. August der Starke erklärte die Entrüstung über diese Beleidigung für begreiflich, aber er warnte vor Un- besonnenheit und vorschnellen Entschlüssen. „S. M*.« est persuade", schreibt Manteuffel, „que V. M*.^ suivant sa prudence ordinaire ne precipitera rien et qu'elle ne se portera ä aucune extremite, avant que d'avoir pris toutes les mesures necessaires et surtout avant que d'avoir tente, mais avec dignite des voyes amiables pour faire reparer les torts, dont eile a raison de se plaindre." Suhm, der sächsische Gesandte in Berlin, werde seine

18) Ranke, Zwölf Bücher preufsischer Geschichte III, 191. Siehe die Briefe Friedrich Wilhelms I. an Manteuffel, Potsdam ce 30. de juillet 1729 und Berlin ce 15. d'aoüt 1729, und Manteuffels Antwort, Grodno ce 27. d'aoüt 1729 Loc. 3058.

1") J. G. Droysen, Geschichte der preufsischen Politik IV, 3, 15. Am 19. März 1729 bat August IL den preufsischen König um die Entlassung Rutowskis. IV 10 h 124.

248 Paul Haake:

Dienste anbieten, um Preufsen diejenige Genugtliuung- zu verschaffen, auf die es ein Kecht habe. Falls die Hanno- veraner Friedrich Wilhelm in seinen Landen angriff'en und er Hilfe brauche, würde der König seinen Ver- pHichtungen nachkommen; Graf Wackerbart, der General en chef der in Sachsen stehenden Truppen, sei beauftragt, 12000 Mann mobil zu machen'-*').

Der letztere Befehl war am 23. Juli von Warschau aus wirklich ergangen"'), aber nicht aus Fürsorge für den preulsischen Alliierten, sondern zur eigenen Sicherheit. Manteuttel hat die Ordre mit einem eigenhändigen Brief an Wackerbart begleitet. In dessen Postskript heilst es: „II laut que j'y ajoute confidemment et V. E. peut en assurer Mgr. le Pr. R., que l'intention de S. M. n'est nullement de prendre reellement les armes pour epouser la presente querelle du Roi de Prusse, mais eile voudroit en faire le semblant et empecher par cette demonstration les Hessois de sortir de leur pays. Sapienti satis." Am 29. August wurde Oberstleutnant von Ponickau nach Kassel gesandt, um von einer Unterstützung der Hanno- veraner abzuraten--). Da Suhm in Berlin durch seine Vertraulichkeit mit dem englischen Gesandten Anstols erregte -=^), so schickte König August Manteuffel selbst dorthin. „S'ils sont en termes d'accommodement, ce qui seroit le plus sür et le plus souhaitable, il tachera d'etre Charge de le moyeuner de ma part" so lautete seine Instruktion-*).

Manteuffel erkrankte auf der Reise von Grodno nach Warschau, mulste fünf Tage in Breslau verweilen und kam erst in Berlin an, als das Feuer gelöscht war--^). Der kaiserliche Gesandte, Freiherr von Seckendorff, hatte

., ^iwin^ii Tv/ii kji^v^n.i.ui.iui 11,

20) Friedrich Wilhelms Brief imd Manteuüfels Antwort siehe Loc. 3058.

'-') Loc. 3245 Correspondance du Comte de Wackerbart avec le lioy 17^9.

22) Die Instruktion ist datiert Grodno 29. d'aoüt 1729 Loc. 3352.

•-3) Am 15. August 1729 fragte Friedrich Wilhelm bei Manteuffel an, wie er dem Patron den preufsisch-russischen Vertrag übersenden köniie, ohne dafs Unbefugte Kenntnis erhielten, „etant convaincu que le Sieur de Suhm ne pourroit guere s'empecher d'en faire un lid^le rapport au du Bourge." Loc. 3058.

21) Grodno 4. sept. 1729 Loc. 2969. Envoi du Comte de Man- teuffel ä Berlin 1729.

2») Manteuffel an Wackerbart-Salmour, Dresde ce 21. d'oetobre 1729 Loc. 3331. Lettres du Comte de Wackerbart au Comte de Man- teuffel 1728—1730.

La societe des antisobres. 249

den Frieden wiederhergestellt. Am 6. September kam Friedrich Wilhelm mit seinem Schwager Georg II. überein, den Streit einem Schiedsgericht zu übergeben; Wolfen- büttel und Gotha übernahmen die Vermittelung.

Der preuMsche König hatte eingesehen, dafs er auf Hilfe kaum zu rechnen haben werde. Es lag nicht im Interesse der Wiener Hofburg, hier einen Brand ent- stehen zu lassen, der bei dem überall aufgespeicherten Zündstoffsich leicht über ganz Europa verbreiten konnte-*'). Sie fürchtete eine Unterstützung Hannovers durch seine Aliierten, einen Angriff der Spanier von Westen, der Türken von Osten. Denn dafs diese ruhig zuschauen würden, wenn der Kaiser einen Teil seiner Truppen zu den Preulsen stofsen lassen mufste, war nicht anzunehmen; in Konstantinopel schürte Rakoczy, in Madrid Elisabeth Farnese, die Gemahlin Philipps V., zum Kriege. Friedrich Wilhelm war isoliert; er gab nach. Wenn aber die Feinde des Kaisers hofften, Preulsen nun auf ihre Seite zu ziehen, so täuschten sie sich, und nicht minder August der Starke in der Erwartung, den Compatron für eine Politik der Neutralität in dem Streit der europäischen Mächte ge- winnen zu können.

Denn das war jetzt der Plan des sächsischen Herrschers, einen deutschen Fürstenbund zu schaffen, stark genug, den Fremden die Lust zu einem Angriff' auf das Reich zu nehmen und den Kampf, der um die italienischen Be- sitzungen Habsburgs über kurz oder lang entbrennen mufste, auf seinen lokalen Herd zu beschränken. Am 9. November 1729 hatten Frankreich, England, Holland und Spanien den Vertrag von Sevilla unterzeichnet, worin die drei ersteren dem Infanten Don Carlos die Nachfolge in Parma, Piacenza und Toscana von neuem garantierten und den Kaiser nötigenfalls mit Waffengewalt zu zwingen versprachen, spanische Garnisonen in die italienischen Festungen aufzunehmen. Der Krieg schien unvermeidlich; auch die deutschen Fürsten mufsten mit ihm rechnen.

Schon im September 1729, früher als er ursprünglich beabsichtigt, kehrte August der Starke aus Polen nach Sachsen zurück. In einem eigenhändigen Postskript hatte Friedrich Wilhelm auManteuffel geschrieben: „Vous pouves

2") 'Wackerbart-Salmour an König August, Vienne ce 27. d'aoüt 1729 Loc. 2902. Des Geheimen Raths Grafen von Wackerbait-Salmoui' Negotiation an den Kayserl. Hof Ao 1729 Vol. IV.

250 Pa^^l Haake:

fere ma coiir au eher Patron et luy dire que le 17.sep(tembre) je campere aupres de Magde(bourg:) ave(c) 42 batt. 66 esqua. et que le 19, je niarchere vers Teuuerny. Adieu. Deus Providebet"-'). August der Starke eilte zu seiner Armee; er besichtigte jedes Regiment in seinen Stand- quartieren; nach einer bei den Akten liegenden Tabelle dauerten die Revuen bis zum 2. November'-*^). Aber er begnügte sich damit nicht. „La paix et l'inaction, dans lesquelles les troupes se trouvent", so heilst es in einem seiner eigenhändigen Aufsätze^ aus dieser Zeit'-^), „est tres nuisible aux troupes. L'Etat qui en tient, quoiqu'il les exerce en detail et par regiment, ne considere pas que cela ne suffit pas. Les generaux demeurent oisifs, les vieux meurent, qui ont l'experience et savent comment se servir des troupes. Les nouveaux avancent sans avoir d'experience ou d'occasion ä l'apprendre, n'ayant vu que le maniment des armes et en detail un ou deux regiments faire l'exercice, que chaque major doit savoir faire. II est donc tres necessaire qu'un Etat, qui tient des troupes, fasse des campements, les generaux ä leur tete fassent marcher, des mouvements et manoeuvrer l'armee comme le colonel son regiment. Par il s'imprime et aux soldats en temps de paix, ce qui se fait ä la guerre et comment s'en servir, quand on a la guerre et que l'occasion s'en presente. Ces raisons m'ont porte d'assembler l'armee apres un repos de 12 annees, et qui serait bon de suivre tous les 3 ans en differente maniere pour tenir les troupes en haieine." Das Militär, sagt er anderer Stelle, ist wie eine Schule. Dort lernt man das Alphabet, hier die Waffen kennen, dort buchstabieren, hier exerzieren; les mots sont la formation des corps et cela Joint ensemble l'usage qu'on doit faire de ces corps comme des paroles qu'on se sert^**).

Es ist die Vorgeschichte der grofsen im Juni 1730 bei Mühlberg abgehaltenen Manöver, für die August der

2") Friedrich Wilhelm I. an Manteuffel, Berlin ce 22. d'aoüt 1729 P. S. Loc. 3058.

*'') Manteuffel sandte sie an Wackerbart- Salmonr nach Wien. Loc. 33131 Lettres du Comte de Wackerbart au Comte de Manteuffel 1728—1730.

29) Loc. 3057. Eigenhändige Brouillons König Augusts IL von Polen.

30 1 Eigenhändige Brouillons König Augusts IL von Polen. Loc. 8057.

La societe des antisobres. 251

Starke auch im Einzelnen das Programm aufgestellt hat. Das „Lnstlager bei Zeithain", wie dieses Kampement gewöhnlich genannt wird, diente im Grunde nicht dem Vergnügen, sondern ernster Arbeit. Es sollte Gelegen- heit bieten zu kriegsgemälsen Übungen und den fremden Zuschauern Achtung vor der Tüchtigkeit des sächsischen Heeres einflüfsen. König August sprach die Erwartung aus, dals die Generale „alles wohl execoutiren und ge- denken, das von fiellen lendern Zuschauer sich finden, denen wier nichtz zeigen miefsen, soh sie gelegenheitz gibet aufszusezen''^^')- Fünfzig Fürsten waren Augen- zeugen der Schauspiele, die vom 30. Mai bis zum 29. Juni währten, unter ihnen Friedrich Wilhelm I. und der preufsische Kronprinz.

Das Verhältnis des Patron und des Compatron war äufserlich dasselbe geblieben, ja vielleicht noch inniger geworden. Friedrich Wilhelm hatte den König, als er von Polen nach Sachsen zurückkehrte, in Lübben über- rascht; zur Hochzeit der jungen Gräfin Cosel, einer natürlichen Tochter Augusts des Starken, kam er am 18. Februar 1730 nach Dresden''-); bei einem Sohn, der ihm am 23. Mai dieses Jahres geboren wurde, stand der Patron Gevatter ^■^). König August war gegen ihn um so zuvorkommender, je schärfer sich sein Gegensatz zum Kaiser zuspitzte. Seit Jahren hatte er vergebens ein engeres Bündnis beantragt: man wollte in Wien keine grofsen Zugeständnisse machen, in Dresden nicht blind- lings Gefolgschaft leisten, zum mindesten durch ein Stück Schlesiens entschädigt w^erden^'^). Jetzt nach dem

31) Eigenhändige Brouillons König Augusts II. von Polen. Loc. 3057.

3'^) Manteuffel schildert diesen Besuch ausführlich in einem Briefe an den Grafen Wackerhart-Salmour, Dresde ce 20. fevr. 1730. Loc. 3331. Lettres du Comte de Wackerbart au Comte de Manteuffel 1728 1730.

^^) Prinz Ferdinand von Preufsen wurde am 24. Mai 1730 ge- tauft: Friedrich Wilhelm I. an August II., Berlin ce 24. de may 1730 IV 10 h 123.

^^) In einem Briefe aus Dresden vom 8. Juli 1728 an Wacker- bart-Salmour spricht Manteuffel von der „cession d'uu district de la Silesie depuis nos frontieres de la Lusace le long de celles de Crossen jusqu ä Celles de Pologne de la largeur d une ou de 2 lieues seule- ment en echange de quoi (suppose qu'on n'en puisse convenir autre- ment) nous pourrions faire revoir ä TEmpr les 13 villes de la starostie Zips, aucien domaine de la maison d' Antriebe sur les frontieres d'Hongrie." Loc. 3331. Wenige Wochen vorher hatte

252 Paul Haake:

Abschluls des Vertrages von Sevilla wechselten die Rollen: Freiherr von Seckendorif suchte den König auf jede Weise zu binden. Er forderte 12 000 Mann Hilfstruppen; eine Freundschaftsversicherung- Augusts bauschte er in einem Bericht nach Wien zu einem positiven Versprechen auf. Als dann der König die Vorschläge des Kaisers zurück- wies, machte ihm Seckendorif Vorwürfe und beschuldigte die sächsischen Minister, dals sie ihn hinderten, sein Wort zu halten ; den Grafen von Hoym nannte er geradezu einen Franzosen und einen Schelm. Hoym und sein Herrscher verlangten Satisfaktion; Seckendorff erhielt Befehl, sich zu entschuldigen; zu diesem Zweck kam er nach Mühl- berg. Aber seine Entschuldigung klang mehr wie ein Spott und verletzte von neuem ; es blieb nichts übrig als die Verhandlungen ein für allemal mit ihm abzubrechen; der Versuch, sie in Wien durch den Grafen Lagnasco fortzusetzen, scheiterte an der Weigerung des Kaisers, den Vertreter des Königs zu empfangen, so lange dem seinen der sächsische Hof verboten sei-^^'). Man wufste in Wien, dals man auf Brandenburgs Hilfe rechnen könne, und hoffte aucli England von der Seite der Sevillianer auf die eigene herüberzuziehen. Je näher der Kaiser diesem Ziele kam am 16. März 1731 wurde der Ver- trag zwischen ihm und England unterzeichnet , um so sicherer trat er auf.

Jetzt drohte die Gefahr der Isolierung August dem Starken; ihr mufste er zu entgehen suchen, „ün Etat doit toujours songer d'etre arme pour sa defense" so schrieb er im März 1731 „et pour se faire respecter de ses voisins, se faire rechercher et ä se trouver en etat de secourir ses amis et allies, desquels derniers il faut bien choisir et demeurer ferme avec (eux). Sans

Prinz Ellgen zu Wackerbart goäufsert: „que l'on sorait bien ais6 (l'ecouter et d'accepter des propositious raisonnables, mais non pas de la natura de celles, qui avaient ete mises sur le tapis en 1726." Wacker- bart an König August, Vienne le 12. may 1728. Loc. 2902. Die vom Generalfeldmarscliall Grafen von Flemniing bey seinem letzten Aufenthalt zu Wien 1728 über eine nähere Zusiuiimonsetzung beyder Höfe mit dem Kayserl. gepflogene und nach defsen Absterben durch den Grafen von Wackerbart-Salmour fortgesetzte Handlung und Unter- redungen betr. A" 1728. Vol. 1.

'^■') Relation du diffcrent entre l'Empereur et le Roy de Pologne. Loc. 2903. Die Differentien mit dem Kayserlicheu Hofe und Ab- schickung des Cabinet Ministri Grafens von Lagnasc an denselben betr. 1730. Vol. I.

La sociötö des antisobres. 253

des allies un Etat, tel formidable qu'il soit, ne peut pas subsister, mais etant bien arme il en trouvera toujours"-^"). Seine bewaffnete Macht hatte er der Welt im Sommer gezeigt; jetzt im Winter wurde es Zeit zu ernten, was er gesät hatte.

Im Dezember 1730 schickte er eine Denkschrift nach Berlin, ein Projekt zur Gründung einer dritten Partei im Eeich, gleich unabhängig dem Kaiser wie den fremden Mächten gegenüber. Es ist von König August selbst entworfen; die endgiltige Fassung, die Droysen abgedruckt hat'^'), stammt wohl von Brühl. Die deutschen Fürsten das ist der leitende Gedanke müssen zusammen- treten, um das Reich gegen eine Invasion zu schützen. Der Kaiser denkt nicht an das Wohl des Ganzen, son- dern nur an sein Sonderinteresse; er verwendet die Deutschen zur Verteidigung seiner italienischen Be- sitzungen. Was geht uns Italien an? „L'Empereur ne doit-il pas soutenir la nation germanique? sont les forces? Ailleurs. Allons au solide! II faut un com- mencement. Le peloton de neige s'augmentera en se roulant et sans qu'on s'en appercevra. La maxime de Vienne est de tenir bas les princes et selon le proverbe: Divide et impera!"

Die Gedanken Friedrich Wilhelms äiber das Projekt Augusts des Starken sind bekannt. „Wollen wir den Kaiser bei Seite setzen, gut; wer soll aber das Haupt sein? wollen sie mir zu machen? gut. Aber das wird Saxen, Hannover, Bayern nicht. Ergo wer soll das Haupt sein? Saxen? Da aber lasse mir lieber mein Land brennen. Soll's Hannover sein? da aber lasse mir lieber Glied vor Glied abhauen als einen englischen Cheff zu haben. Also ist das lauter englischer Schab -Hoimbscher Wind und pauvrete"^^). Die Antwort, die am 6. Januar 1731 nach Dresden abging, war in der Form verbindlich, in der Sache entschieden ablehnend. August der Starke stand allein. Ihm blieb nur ein Ausweg: der Anschlufs an Frankreich. Die Freundschaft mit Preulsen bestand

^'^) Loc. 3057. Eigenhändige Broiüllons König Augusts II. von Polen.

^'') Geschichte der preufsischen Politik IV, 4, 402 und 403. Den Entwurf s. im Loc. 3057. Eigenhändige Brouillons König Augusts II. von Polen.

2*) Droysen a. a. 0. 404.

254 Paul Haake: La soci6t6 des antisobres.

äufserlicli fort, innerlich war sie gelöst. Sachsen spielte jetzt doppeltes Spiel.

August der Starke ist als Intrigant oft schwer ge- tadelt worden. Ich glaube mit ebensowenig Recht, wie der Grolse Kurfürst wiegen seines Anschlusses an Lud- wig XIV. nach dem Frieden von St. Germain. So lagen nun einmal die Verhältnisse im Reich. Der Fortschritt beruhte auf der Ausbildung einzelner starker Territorien, Baierns, Preulsens, Sachsens, Hannovers. Österreich konnte sich dieser Ent Wickelung selbst nicht entziehen: es dehnte sich aus nach Osten Avie nach Süden; aber es suchte die aufstrebenden Rivalen niederzuhalten, es ver- trat ihnen gegenüber die Politik der Reaktion. Ihr Motto war: Divide et impera! Und es hatte Erfolg, da die Fürsten, eifersüchtig, niemandem unter sich einen Vor- sprung gönnten. Die Entscheidung konnte erst von dem- jenigen herbeigeführt werden, der stark genug war, die Reaktion und die Neider zu bezwingen. Das aber war nur möglich durch den Anschluis an fremde Mächte, vor allem an Frankreich. August der Starke hat es geplant, Friedrich der Grolse es ausgeführt.

Die Societe des antisobres und was damit zusammen- hängt, ist ein Versuch, auf anderem Wege zum Ziele zu gelangen. Er mulste scheitern, weil die Gegensätze ebenso stark waren wie die gemeinsamen Interessen. Er ist das Satyrspiel vor dem Drama; die Tragödie vollzog sich im zweiten schlesischen und im siebenjährigen Kriege.

XI.

Kleinere Mitteilungen.

1. Ein Pegauer Stadtbuch.

Von Hubert Ermiscli.

Als ich in meinem Aufsatz über die sächsischen Stadt- bücher des Mittelalters angab ^), es habe sich kein eigent- liches Stadtbuch der Stadt Pegau erhalten, war mir ent- gangen, dafs der Eat dieser Stadt bereits im Jahre 1873 ein Stadtbuch dem Hauptstaatsarchiv in Dresden zur Auf- bewahrung übergeben hatte-). Darin wird auch eines älteren Stadtbuches gedacht^), das aber nicht mehr vor- handen zu sein scheint.

Der mir vorliegende Folioband, in gelbes weiches Pergament gebunden, besteht aus 152 wohl im 16. Jahr- hundert numerierten und mehreren leeren Blättern Papier und trägt fol. 3 die Aufschrift:

Nach Cristi unnfsers hernn geburtt tawfsenndt vierhunndertt dar- nach im achczigistenn iare sint diefse hiernach geschriebenn sachenn geschichte uund ordenungenn beredt, beteidinget unnd gescheenn bey dem burgermeister Vito Franckensteynn, Jacob Kuder, Blesing Bötcher, Hennrich Wolfsendorff, Hanns Bründorff, Jurge Ztschwurta und Pawl Befsewinckell, die danne defsmals im anhebenn difs stadtbucbs burger- meister unnd geswornne rathmanne gewest sintt.

Das Buch blieb in Gebrauch von 1480—1520. Seinen Hauptinhalt bilden die gewöhnlichen vor dem sitzenden Rate^) vorgenommenen Verlautbarungen über Schulden und geleistete Zahlungen, Verzichte, Vergleiche in Erb-

1) In dieser Zeitschr. X, 200.

2) Loc. 9898 Stadt- und Ratsbuch von Pegau von 1480 an. *) Foh 16: nach lautt unnd innhalt des alden stadtbuchs.

^) Auch wohl „in einem vollen sitzenden rat, do alle drey rete und hewbtlewte bey einander gevyest sint" fol. 15 u. ö.

256 Kleinere Mitteilungen.

Schafts- und anderen Sachen, Bürgschaften, Urfrieden u. dergl. m. Mit dem Gerichte, das dem Kloster zustand, hatte der Rat bis 1502 nichts zu thun, aufser dals sich die Schöffen des Klosters in Zweifelsfällen beim Rate Rechtsbelehrung holten''). Erst 1502 gelang es dem Herzog Georg, die langjährigen Streitigkeiten zwischen dem Kloster und der Stadt durch einen Vergleich zu beenden , nach welchem das Kloster gegen Entschädigung auf seine erb- herrlichen Rechte und auf die Gerichtsbarkeit verzichtete. Eine Abschrift dieses Vertrages vom 10. Juni 1502 ist nebst Vermerken über die Lossagung der Stadt von der dem Kloster geleisteten Huldigung vom 19. Juli 1503 und über die Überweisung der Gerichte an den Rat vom 16. Oktober 1503 auf den Vorsatzblättern unseres Buches eingetragen.

Eine gewisse Strafgewalt hatte der Rat freilich schon früher; sie war die Folge seiner polizeilichen Befugnisse. Von ihr zeugt eine ziemlich am Schlüsse des Bandes (fol. 150 ff.) eingeheftete Lage mit der Überschrift: Daß lotterregister et excessuum amio domini etc. LXXXVIII inceptum, die 15 Einträge aus dem Jahre 1488 1500 über Urfehdeleistungen wegen Gefangensetzung durch den Rat (in der „temnitze")"), über verschiedene Bestrafungen wegen Vergehen gegen den Rat oder an besonders be- friedeten Stätten, wde im Weinkeller, im freien Hause, sowie auch einige Vermerke über vollzogene Todesstrafen enthält. Von rechts- und sittengeschichtlichem Interesse ist dann der unten mitgeteilte Beleg für das Losbitten von Verbrechern durch Priester und Frauen").

Wir erwähnen endlich, dafs das Buch Abschriften von Schriftstücken, die sich auf die 1520 dem Landgrafen Philipp von Hessen geleistete Erbhuldigung beziehen (fol. 141 ff.), eines Vertrages zwischen dem Rate und Hans Krybenstein wegen der Abdeckerei von 1520 (fol. 143) und einiger anderen Verträge aus dem Anfang des 16. Jahr- hunderts enthält.

■*) Fol. 1 : Item die scheppenn im clo.ster pflegenu sich nach guter alder gewonheitt über die urtcill, so vor sie imi gerichte gefeJlet werden, eins gutdunckenn am rate zu orholcnn.

^) Gefängnis, vergl. Lexer, Mhd. Handwörterbuch II, 14:59 s. V. timenitze.

') Fol. 151: Item Hans Hennel von Ratenwalt hat Mattes Stobener eczlichc mergkliche summa gehles gestolen, ist dorumbe gefengklicliin gesaczet wurden, von den pristorn und frawen lofs gebeten wurden. Actum anno XCVIIo.

Kleinere Mitteilungen 257

Am Schlüsse angeheftet (fol. 153 ff.) ist das Original eines von Dietrich von Schönberg und Hans von Wettin gefällten Schiedsspruches zwischen Rat und Gemeinde vom 4. Juni 1487 , der eine Eeihe von Streitigkeiten in Brausachen, wegen des Geschosses, Ungelds und anderer Abgaben, wegen der Viehweide, der Wahl der 16 „Haupt- leute" (Viertelmeister) u. a. betrifft.

2. Ein lesenswerter Brief des Joseph Levin Metzsch

von 1551 April 24.

Von Berthold Schmidt.

Im fürstl. reufsischen Hausarchiv zu Schleiz befindet sich folgendes Originalschreiben ^):

Dem gestrengeun edelenn und ehrenvhesten Jobsten von Zcedwitz zae Voitspergk, Plawen und Pausa bauptmann meinen freuntlicben lieben Schwager und gevattern.

zu eigen handenn.

Meine fruntlicbe dinst zuvor, gestrenger edeler und ehrenvbester her bauptmann fruntlicber lieber scbwager und gevatter. Under vielenn tugendten, domit euch der almechtige gott begnadet, wirt bei mir dis nicht die wenigste geachtet, das ob ir wol von iugendt auff an hoher potentaten und fursten höfenn auffgezcogenn, grosenn krigen und feltzcugenu nachgeraiset etc., so seindt euch doch gelarte leuth lieb und werth, habt auch lust allerlei bucher und schrifften zu lesenn. Dieweil ich dann solchs vor langer zceit an euch vermarckt, so habe ich euch vor wenigk wochenn mit einer glaubwirdigen historienn zu vorehren zugesagt, die ich hiermit beiligendt euch übersenden thue. Es ist eine geschichte, die pillich aus allerlei ursachenn mit fleis soll gelesenn und auff die nachkommenden behalten werdenn. Es ist in diesen lauffenden Sl.ihare zweihundert und siebenzigk ihare, das sich solche geschieht begebenn, und man sihet hiranu, wie gautzs und gar alle menschliche dinge in ein vorgessen kommen, aber allein durch schi'iift fleifsiger leuthe können verewiget werden. In dem negst- vorgangenen 50. iare montags nach Dionisii ists gleich einhundert ihare gewest, das die stadt und schloszs Gera abgebrandt; ist auch nicht viel iiber 84 oder 85 iar, das sich der Unfall mit uusers genedigen fursten und hern des burggraffeu zue Meifsen etc. grosvater und vater hochloblicher gedechtnis hat begebenn, aber weil fast niemants meher am lebenn, so solchs alles gedenckt, wirdts bei vielen für ein fabell gehalten, das solcher iammer und elendes wesenn in diesenn landenn sich voi' zceiten zugetragen. Und ist kein zweiffei, do es allein aufser- halb der drackereikunst were, es wurde mit unseru negstvorschinen krige vor 4 iaren ergangen, auch mit der zceit in eine solche vor- gessenheit kommen. Aber hiran sihet man das vorgengkliche wissen

1) Im sogen, alten Schleizer Archiv sub U 3 Nr. 9. Es trägt noch die Keste eines kleinen Verschlufssiegels aus grünem Wachs.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI. 3. 4, 17

258 Kleinere Mitteilungen.

aller dinge; darumb ich offtmals Verwunderung habe, wie doch man- cher menschs sich so gantzs und gar auff zceitliche und vorgengk- liclie dinge ergibt, do doch unser keiner nicht eines augcnplicks scins Icbens und weszens sicher ist. Hiemit will ich euch sampt eurem weibe meiner üben gevatter und euer beiderseits kiuder dem almech- tigen in schütz, schirm und laugkwirige gesuntheit bevolen haben und habe mich euch meines vermugens zu diuen alle zceit willigk. Geben freitags nach dem sontagk iubilate, anno im 1551.

Joseph Levin Metzschs auff Mila.

Der vorstehende Brief erhält einen besonderen Wert, wenn man die Persönlichkeit seines Verfassers kennt. Joseph Levin Metzsch auf Mylan, Reichenbach, Netzsch- kau und Lengenfeld wird schon von Spalatin als „die Zierde des gesammten vogtländischen Adels" bezeichnet. 1508 geboren, bezog er bereits in seinem zwölften Lebens- jahr die Universität Leipzig und war Schüler hervor- ragender Dozenten, wie Held und Camerarius. Auch später bildete er sich durch eifriges Studium der theo- logischen und profanen klassischen Litteratur weiter, so dals er unter die gebildetsten Männer seiner Zeit zu zählen ist. Bekannt sind ferner seine frühe Hinneigung zur Reformation und sein Briefwechsel mit Luther. Nach dem schmalkaldischen Kriege trat er auch politisch her- vor, indem ihn Burggraf Heinrich IV. zu Meifsen, der neue Herr des Vogtlandes, in seinen Dienst zog. Da der Burggraf wegen seiner Stellung in Böhmen sich wenig um die Regierung hier kümmern konnte, setzte er in Plauen eine Art Statthalterschaft ein, wozu neben dem Kanzler Johann Stenglin und Georg von der Planitz auf Auerbach auch Metzsch gehörte. Letzterer verblieb auch bei den Söhnen des Buiggrafen in dieser Stellung, bis 1563 das sächsische Vogtland wieder an Sachsen kam'-).

Von dem Adressaten des Briefes, Jobst von Zedtwitz zum Stein, ist wenig bekannt. 1543 erscheint er zuerst als kursächsischer Amtmann zu Pausa und wurde unter dem Burggrafen Hauptmann zu Vogtsberg, Plauen und Pausa. Zuletzt kommt er als solcher im September 1552 vor und muis bald darauf gestorben sein^).

2) B. Schmidt, Burggraf Heinrich IV. zu Meifsen etc. (Gera 1888) u. E.R.Frey tag, Joseph Levin Metzsch etc. in der Wissen- schaftl. Beil. der Leipzig. Zeitg. 1888 Nr. 116.

3) Schreiben der Statthalter und Bäte zu Plauen an den Burg- grafen; A. Schleiz L 7 Fol. 72. v. Raab, Regesten zur Orts u. Famiüengesch. des Vogtlaudes II, 423.

Kleinere Mitteilungen. 259

Zu den chronologischen Angaben des hier abge- druckten Briefes ist zu bemerken, dals die Eroberung der Stadt Gera durch die böhmischen Hilfsvölker des Herzogs Wilhelm nicht, wie Metzsch behauptet, am 12., sondern zweifelsfrei am 15. Oktober 1450 erfolgte^). Mit dem „Unfall'' der Burggrafen zu Meiisen vor 84 oder 85 Jahren sind die Vorgänge des Frühjahrs 1466 gemeint, wo die Herren von Plauen mit ihrem vogtländischen Adel in Fehde lagen und Herzog Albrecht dies benutzte, um die Herrschaft Plauen mit Waffengewalt einzunehmen. Der Grofsvater des Joseph Levin, Konrad Metzsch auf Mylau, war ebenfalls in diesen Streit verwickelt, wurde dann sächsischer Hauptmann zu Vogtsberg und erhielt von König Georg von Böhmen das dem Burggrafen gleich- falls entzogene Schlols Graislitz zu Lehen ^). Da hatte sich in der Familie wohl manche Überlieferung aus jener wirren Zeit erhalten.

Was hat nun aber endlich Metzsch mit der „glaub- würdigen Historie" von 1281 im Sinne? Da seine Auf- zeichnung hierüber wohl als verloren gelten darf, wird man nur raten können. Ich dachte an den Krieg der Söhne des Landgrafen Albrecht gegen ihren Vater, die freilich auch zweifelhafte Gefangenhaltung Friedrichs auf der Wartburg und seine Flucht von dort*^). Es wäre interessant, auch andere Meinungen darüber zu hören.

3. Beiträge zur sächsischen Glockenkunde.

Von Cornelius Gurlitt.

Nachstehend sind eine Anzahl von Glocken be- schrieben, die in den letzten Jahren durch die Gielserei von C. Albert Bierling in Dresden eingeschmolzen werden mufsten.

Auf Veranlassung des Evangelisch -Lutherischen Landeskonsistoriuras und der Königlichen Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler w-erde ich von dem Ein- treffen solcher Glocken in die Gielserei benachrichtigt. Das Einschmelzen darf nur nach erfolgter Zustimmung der

*) Vergl. meinen Aufsatz über die Zerstörung Geras in Zeitschr. des Ver. für thüringische Gesch. u. Altertumskunde N. F. IX, 327. 5) Schmidt, Burggraf Heinrich IV. S. 23. **) Tittmann, Gesch. Heinrichs des Erlauchten S. 268.

17*

260 Kleinere Mitteilungen:

beiden Behörden erfolgen. Bei dem hohen Geldwert, ■welchen die Glocken durch ihren Gehalt an Metall haben, ist es nur selten möglich, die Gemeinden zum Erhalten ihrer alten Glocken zu veranlassen, wenn sich der Wunsch nach einem einheitlichen Geläut regt. Ebensowenig ist der Ankauf der Glocken durch ein Museum angängig. So bleibt zumeist nichts anderes übrig, um der Glocken- kunde wenigstens die wichtigsten Nachrichten über die der Zerstörung überlieferten Werke zu erhalten, als die Veröfientlicliung von kurzen Beschreibungen, für die uns die Redaktion dieser Zeitschrift an dieser Stelle Raum zur Verfügung gestellt hat. Die Cliches sind auf Kosten der Königlichen Kommission zur Erhaltung der Kunst- denkmäler hergestellt worden.

Dittersbach w. Frauenstein.^)

a) Grofse Glocke. (Fig. 1.)

69 cm hoch, 80 cm weit, 354 kg schwer. Den Rand ziert eine sehr bemeikenswerte Inschrift, welche durch Einritzen in die Glockenform erzeugt wurde. Sie zeigt zwar die Worte in rückläufiger Anordnung der Buchstaben, diese selbst aber erscheinen richtig: ein seltenes Vorkommnis. Die Inschrift ist demnach zu lesen: Melchifor], Caspar, Baaltfhasjor. Die Glocke dürfte schwerlich nach 1300 entstanden sein.

b) Mittlere Glocke. (Fig. 2.)

48 cm hoch, 47 cm weit, 124 kg schwer mit der Inschrift: Ave maria gfratia plenaj X- Die Buch- staben sind Majuskeln anscheinend später Form. Zwischen diesen sind Münzen abgeformt.

c) Kleine Glocke. (Fig. 3.)

40 cm hoch, 48 cm weit, 70 kg schwer, mit der In- schrift: -|- 0 rex -\- glorie -\- veni -\- cum -\-i)ac/eJ -f-. Aus dem Ende des 15. Jahrhunderts.

Frankenberg.

a) Gröfste Glocke, 112 cm hoch, 138 cm weit, 1702 kg

schwer.

b) Zweite Glocke, 96 cm hoch, 114 cm weit, 819 kg

schwer.

') Vergl. Beschreihende Darstellung der älteren Bau- und Kunst- deukmäler des Königreichs Sachsen II, 25.

Kleinere Mitteilunaen.

261

263

Kleinere Mitteilungen.

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Kleinere Mitteilungen: 263

c) Dritte Glocke, 72 cm hoch, 94 cm weit, 437 kg schwer.

d) Vierte Glocke. (Eine Grölsenaiigabe ist leider nicht

mehr möglich.)

Die Glocken wurden 1793 von Aug. Sigismimd Wein- hold in Dresden gegossen, wie die Inschrift (bei allen gleich) besagt. Auf dem Glockenmantel ist aufserdem bei allen das hebräische Zeichen für Jehova aufgegossen. Die Inschrift steht zwischen einer gut erhaltenen und reichen Weinlaubranke.

Oberwiesa ono. Chemnitz^).

a) Grofse Glocke.

Etwa 13. Jahrhundert. In schlanker, romanischer Form , 74 cm hoch , 80 cm weit. Ohne Schrift und ohne Abzeichen.

b) Mittlere Glocke. (Fig. 4.)

60 cm hoch, 69 cm weit. Die Glocke zeigt in Majuskeln die Inschrift: Johannes Caspar Baltfasjor Melchior Lucas Marcus Mateus. Die saubere Ausführung der Buchstaben, ihre reichere Form, lälst vermuten, dals die Glocke zu Ausgang des 14. Jahrhunderts oder vielleicht noch später entstanden ist.

c) Kleine Glocke von 1708. (Fig. 5.)

48 cm hoch, 63 cm weit, 13672 ^& schwer. Zwischen sauber gegossenem und gut erhaltenem Blattornamente befindet sich folgende Inschrift: Soli deo Gloria. 0 Gott las dir hefoleyi sein die Glocke und auch die Kirche dein. Anno 1708. Paschasius Joachimus Wichmannus Pastor Wisensis.

Olsen s. Gottleuba^).

a) Grofse Glocke von 1584. (Fig. 6.)

62 cm hoch, 77 cm weit, 293 kg schwer mit der Inschrift In laudem aeterni dei cui soli sempiteiiia gloria. Anno D. M. LXXXIIIL Das D hinter Anno ist fälschlich vor das M gestellt. Unter dieser Inschrift läuft ein schön gearbeitetes und gut erhaltenes Orna- ment mit Blättern und Tieren. In der Mantelmitte befindet sich aulserdem zwischen den Buchstaben WH (Wolf Hilger) dessen bekanntes Wappen.

0 Vergl. ebenda VI, 79. ä) Vergl. ebenda I, 54.

264 Kleinere Mitteilungen.

b) Kleinere Glocke von ca. 1400. (Fig. 7.)

40 cm hoch, 53 cm weit, 108 kg schwer, mit einer unverständlichen Inschrift in Minuskeln. Unter dieser befindet sich ein Kruzifix in Relief.

Sehma s. Annaberg"*).

a) Grofse Glocke.

Obere Schrift (eingefalst von zwei Ornament- streifen): Amio 1698 (/oss m/cJi MkJiael Wcinholdt in Dresden.

Weitere Schrift: Mich stellt die Kirfardt Seehma Cmnmersdorff auf, daß ich zur Kirchen leute, daß Volk zum hethen treck und ihm den Tod andeute.

Gielserzeichen : inmitten eines Kranzes ein Wappen, einen Weinstock darstellend. Helmkleinod: wachen- der Löwe. Rechts und links davon 31. W.

b) Mittlere Glocke.

Obere Schrift: Anno 1740: goss mich Jo- hann • Gottfried Weinholdt in Dresden

Untere Schrift: Gottes Wort und Luthers Lehr, vergehen nun und nimmermehr.

Obere Schrift beiderseitig von Ornamentgürteln eingefaist. In der Mitte zwei schwebende Engel mit Kranz, in welchem das Jehovazeichen.

c) Kleine Glocke.

Obere Schrift: Gegossen von Andreas Hann senior in Chemyiitz 1839. Darunter Kranz von Eichen- blättern.

Rechts und links je eine Inschrift: Dreihundert Jahr univandrlbar. Darunter drei Münzen: in der Mitte eine Denkmünze mit Luther, Melanchthon und Herzog Heinrich; links sächsischer Thaler von 1839 mit dem Bilde Friedrich Augusts; rechts Kehrseite desselben Thalers.

Durch Gottes Hand steht Luthers Lehr im Sachsenland, zu Heinrichs Ehr.

Darunter vier Münzen, auf Luther, Melanchthon und Herzog Heinrich bezugnehmend.

•>) Vergl. ebenda IV, 89.

Kleinere Mitteilungen. 265

Wüstenbrand w. Chemnitz'^').

a) Grofse Glocke von 1483. (Fig. 8.)

70 cm hoch, 79 cm weit, 354 kg schwer. Von dem bekannten Halleschen Gielser T mit der oft auf- tretenden Inschrift: 0 rex glorie vcni cum pacfej anno dni Mo CCCC LXXltlo.

b) Mittlere Glocke. (Fig. 9.)

47 cm hoch, 55 cm weit, 91 kg schwer, der Mittel- giocke zu Obei'wiesa sehr ähnlich, mit der Inschrift: Fater : -j- lAica : . . . rios : Johannes : Matens : Die eigenartigen Majuskeln, bei welchen das V stets auf dem Kopfe steht, erinnern vielfach an jene der Kirche zu Pilsdorf in Anhalt, welche inschriftlich auf 1440 datiert ist, und jene zu Eckeudorf (Kreis Calbe, Provinz Sachsen).

c) Kleine Glocke von 1851.

4. Zwei theologische y\ bhaiidluugeii des Georg

Agricola.

Mitgeteilt von Otto Giemen.

„Dr. Georgius Agricola aus Glauchau, der Vater der Mineralogie", hat kürzlich in ßeinhold Hofmann^) seinen Biographen gefunden. Ostern 1522 siedelte Agricola von Zwickau, wo er als erster Eektor der neugegründeten griechischen Schule vorgestanden hatte, zur Fortsetzung seiner Studien nach Leipzig über"). Hier hatte er seit dem Sommer 1514 studiert und war u. a. mit Petrus Mosellanus bekannt geworden"). Über den zweiten Leip- ziger Aufenthalt Agricolas fehlen genauere Nachrichten doch nicht so ganz, wie Hofmann'') meint. Wir haben aus jener Zeit zwei theologische Abhandlungen von ihm'^),

'') Vergl. ebenda VII, 60.

1) Schönburgische Geschichtsblätter IV (1898), 39—122.

2) S. 56.

^) S. 61 ff. Vergl. besonders den interessanten Brief Mosellans vom 31. Mai 1520 (Original in der Briefsammlung des Paulus .Jenisius auf der Annaberger Kirchenbibliothek) bei Wi lisch, Incunabula Scholae Annabergensis (Annaberg 1712) S. 173—176.

*) S. 56.

'"') In Abschriften Stephan Roths in dessen Kollektaneenbänden XXXVII und XL der Zwickauer Ratsschulbibliothek.

2QQ Kleinere Mitteilungen.

die von kritischem Scharfsinn und niclit gewöhnlicher Belesenheit in der Bibel und den Doctores ecclesiae zeugen. Sie geben sich als Briefe; der eine ist vom 23. Juli 1522 datiert und an den erasmianisch- reformerisch gesinnten Dr. Gregorius Coppus gerichtet, den wir 1520 als Leib- arzt Erzbischof Albrechts in Magdeburg treffen"); der andere ist an den Franziskaner Petrus Fontanus (Fon- tinus)^) adressiert und fällt etwa in dieselbe Zeit^). Ihr Wortlaut ist folgender:

Denm non esse auctorem peccati. Georgias Agricoln Copj)© S. D.

Cum nuper in edibus Aucrbachij vna essenius, Coppc clarissime, sermoncs, vt nunc fere vbique et recte sane lit, de re Cbristiana serere incoepimus. Ibi tum ego audita prius aliorum sententia libere magis (vt nunc sunt tempora) quam prouide aiebanr. Inter ea qua vulgo tractarontur dogmata vidcri quedam Interesse 7t«(>«Vo|«, que non modo dura essent, sed et aliena nonniliil a simpliei et genuine scripture sensu, (^ua re fieri, vt non parum nniltos insigniter tur- barent, circumducerent, denique in praecipitium fere conijcerent. Contra quae cum tu fortiter, nimirum vt sentio pietatis f»jAw ductus,

8) Vergl. Duae Epistole: Hen— /rici Stromeri Auerbacliij: et Gregorij / Coppi Calui medicorum: . . . Leipzig, Melcliior Jjottber VrlO. Entbält: Fol. 2 a: Brief des Andreas Frank von Kamenz an Pirkbeimer, Leipzig 17. September 1520. Fol. 3b: Stromer an Coppus, Altenburg, 7. Januar 1Ö20. Fol. 7b: Coppus an Stromer, Magdeburg, 31. August 1520. Fol. 15a: Disticben Franks gegen Eduard Lee. Dazu Enders, Dr. Martin Lutbers Briefwechsel II, 333, Anm. 6 und dieses Archiv XIX, 95, 10«.

') Enders II, 187, Anm. 24 und 356. Theologische Studien und Kritiken 1897, S. 819.

8) In späterer Abschrift, ohne den Öchlufs (bis ,irruimus') auch Cod lat. 2106 fol. 85a - 87 b der ]\Iünchener Hof- und Staatsbibliothek. Voraus geht hier (fol. 84b 85a) ein Brief an Stephan Eoth von einem leider ungenannten Leipziger Humanisten, datiert: Liiisiae, III. Non. Janu. [3. Jan.] M. D. XXIII, in dem es heifst: ,Ipsa,s auteni literas Agricolae, quas petis, quoniam tantum mihi temporis supererat a meis studiis, descrii)tas quam rectissime et emendatissirae subiunxi, ne denuo huc sint remittendae. commaculantur enim mirum in modum nitro citroque per amicorum manus missac literac, ut con- sultins sit nonnunquam decies exscripsisse'. Roth kannte jedoch damals schon die Abhandlung Agricolas und trug nur die Varianten des in der Münchener Handschrift vorliegenden Textes sorgfältig jiach. Die Zwickauer Katsschulbil)liotliek liewabrt jetzt nocli den damals von Agricola benutzten Band der Werke des Chrysostonms. Er trägt die Signatur XVII. VI. 1 und enthält tom. I. imd II der bei Cratander in Basel (tom. I Jimi, tom. II JJIai 1522) erschienenen Ausgabe. Oben auf der Innenseite des Einbandvorderdcckels steht von seiner Hand: Magos reges fo. 84t'> und auf S. 34 am Bande: Rex per[sarun]. Damit ist die erste der in dem Briefe citierten Stellen markiert (die übrigen s. S. 37, 31, 33).

Kleinere Mitteilungen. 267

pngnares, Conuenit inter nos de hisce in medium propositis disserere idque studio magis syncere pietatis (vel: veritatis) inquirende quam vane disputationis (vel: disceptationis) gratia, id quod, vt tum mihi erat gratum, ita nunc non potest non esse multo gratissimum, pre- sertim quod ex hoc certamiuis genere sanctissimo, vtcunque tandem cadit, eque victus ac victor non citra ingentem animi fructum soleat discedere, quod dubio procnl et nobis continget, si Christum, omnis boni largitorera, ex intimo cordis affectu comprecati fuerimus, quo animos nostros sie spiritu suo afflet (vel: ita gratia sua guberuet, Spiritus ardore inflammet), vt studio nobis sit puram syncerissime nostre religionis doctrinam e scripturis quasi iugi qnodam fönte aque viue scaturientis et salieutis in vitam eternam'') deriuare potius quam nostros affectus ijsdem in sensum alienum detortis confirmare.

Verum, vt breuibus id quod expetis agam, meam, immo scrip- ture sententiam de praedestinatione sie namque appellamus tibi aperiam. Principio verbum, vnde praedestinationis vocabulum puUulascit, non reperitur nisi in nouo testamento atque adeo in paucis admodum (vel: quidem) locis, vt puta ad Rho: 8, 1. Corin: 2, ad ephe: 1, 1 Pe: 1, actorum nono"'). Deinde nQooQi^eiv est Grecis, quod raagis significat praefiuire quam praedestinare. Ceterum simplex eins cQÜ^eiy, quod significat finire, actis 11 est"). Demum non ex- tenditur in ijs locis ad alia, quam ad fidei negotium, hoc est ad Christum et credentes, Non tamen ad singulas (vel: singulares) per- sonas, Ita vt arbitretur, hunc deum praedestinasse ad salutem, alium reiecisse, sed ad eos, qui credere voluerint, quos omnes per filium suum se saluos facturum praefinierit. Que singula si, vt qui assidua sacrarum scripturarum lectione vnice oblectaris, diligenter erueris atque excusseris, non periude multum a me, opinor, dissenties._ Quodsi omnino aliquid aliud (vel: aliud quippiam) ex bis locis coUigis, sie me oppugnes velim, ne praescientiam dei, de qua hie lucta nobis non est, admisceas. Nam de ea suo loco agemus idque de proposito. Interim non tractabimus alia, quam quae spectant ad praedestinationern, decantatam quidem illam in scholis theologistarum , sed a paucis (vtinam falsus essem!) intellectam. Porroi-) qui nonnulla in paulinis epistulis difficillima (vel: difficilia) intellectu, vt Petrus recte dixit i^), alio detorquent; atque hi totam scripture synceritatem non citra multorum pernitiem interturbaut; e quorum numero mirum si non est ista vulgo iactata praedestinatio, ex qua (vel: vnde) etiam hoc dogma quod tu asserebas, ego negabam, demanare videtur: deum videlicet non bonorum modo sed et malorum, id est peccatorum,_ esse anthorem, quod omnia et bona et mala opera in nobis operetur iuxta voluntatem et placitum suum, quod tibi cum magno quodam nostre etatis theologo") commune est. Id vero adstruere conabaris duobus potissimum scripture locis, Nempe Amos 3 (v. 6): ,an (vel: si) erit malum in ciuitate, quod dominus non feceritV Et Esaie 45 (v. 6.7): ,Ego dominus et non alter, formans lucem et creans tenebras, faciens

9) Joh. 4, 14.

10) praedestinare steht in der Vulgata nur Rom. 8, 29, 30, 1. Kor. 2, 7, Eph. 1, 5. 11.

") Act. 11, 29. Aufserdem kommt ogiCstf noch sieben Mal im N. T. vor.

J2) Wohl zu ergänzen: sunt.

13) 2. Petr. 3, 16.

1*) Luther?

268 Kleinere Mitteilungen.

pacem et creans maluin.' Equidem. vt tum hoc refeilerem, aiebam, quod et nunc asscro: mali vocaliuluni in scrii)turis sanctis esse 7io'/.vat}- fAoy et signilicare aliquaudo peccatum, aliquaiido alliictioneni , que vel ab impio aliquo honiine alteri infertur vel poeue loco propter poccata comraissa iuste a deo infligitur, quo nomine veniunt bclhnn, inedia. pestis ac eius gcneris iilcraque alia (vel: eius(ju(; genoiis iidiiiita alia); qua certe acceptioue deum prophetaium oraculis dici niali authorcm et creatorcra sentio (vel: vidco), quod Christo iuuante tibi persuadebo (vel sie: quod et ipsum, si Christus aunuerit, osten- damj Priinuni ex sifiiilihus scripture locntionibus, deiiule ex ipso locorum quos citasti contextu (vel sie: cum toto corpore contextu), postremo ex alijs scripture locis, quibus aperte peccata nostra deo velut authori adscribere prohihemur. 1 Re: 23, Cum Sani vellet Dauid, qui ogit Celle ^•'■'), olisidere et iuterticere, ipsam obsidionem atque insidias scriptura appellat maluni bis verbis»"): ,quod cum Dauid rescisset, quia praeperaret ei Saul malum.' atque haec quidem aftiictio (vel: aftlictatio) erat ab homine. nunc, quod, que a deo intenditur, malum vocetur, audiamus (vel sie : Nunc, quod eadem ratione malum vocetur, que a deo intenditur, audiamus) 3 Rc: 9, vbi Deus miiiatur Salomoni et Populo Judaico mortem et destructionem templi , si non ambularint (vel: ambulent) in praeceptis suis^"). ,Et omnis, inquicns (vel: alt), (jui trausierit per eam, stupebit et sibilabit et dicet: Quare fecit dominus sie terre huic et donmi huic? et respondelmnt: quia dereliqueruut dominum deum suum, qui cduxit patres eorum de terra Egypti et secuti sunt deos alienos et coluerunt et adorauerunt eos, iccirco induxit dominus super eos orane malum hoc' Obsecro, mi Coppe, quid clarius esse possetV In eodem libro ca. 21 (v. 21)_Com- pellat Hellas Achab, cuius vxor Jesabel abstulerat Nabaoth vineam (!t interfecerat cum, in huiic modum: ,Hec dicit dominus :_ Ecce ego inducam super te malum et demetam posteriora tua et interficiam de Achab mingeutem ad parietem et clausuni et vltimum in Israel.' Deinde, Vt multos alios scripture locos consimiles omittam Atque vt idem ex prophetis, quos tum adduxisti, pi obein : Nonne Arnos 9 (v. 4) sie sumitur malum, vbi propheta, cum praedictioiiem (vel: praedictiones) de excidio templi et vrbis ob auaritiam priiicipum effatur, clamat; ,Et punam oculos meos propter eos in malum et uou in bonum.' Apud Esaiam quoque ca. 47 (v. 11): ,Yeniet super te malum, et nescies ortum eius, et irruet super te calamitas, quam non poteris expiare; veniet super te repente miseria quam uescis.' (^uod hactenus satis tibi euidenter persuasum credo sie accipi malum, Nunc, quod in locis a te citatis sie accipiatur, adstruere conaboi'. Percurrc totam Arnos prophctiam, nihil aliud fere inuenies quam minas aftlictioumii, quibus Deus vult afficere tam Juda quam Israel, quod Idolatrie vitio preter cetera Deo inuisa essent contnminati, vt pcrspicuum est ex ca. 2. Neque vero aliud agit tertium, de quo locum attulisti. In ipso enim statin! principio (v. 2) lo(iuitur deus per prophetam: ,Tantum modo vos cognoui ex omnibus cognationibus terre, Iccirco visitabo super vos omnes iniquitates vestras'. Vides tandem, quod et hie deus ipse peccata nostra nobis, haud sibi ascribit. Deinde multis plagarum et afflictionum generibus enumeratis dicit (v. 6): ,Si erit malum in ciuitate, quod

""•) Eusebins und Hieronymus nennen die von den Philisteni geplünderte, dann von David entsetzte Stadt Kegila Ceila, Kela. '«) 1. Sam. 23, 9. ") 1. Kon. 9, 8. 9.

Kleinere Mitteilungen. 269

dominus non fecerit (vel: fecit)?' Et recte! Afflictiones enim, que eventure erant vtrique populo, dominus illaturus erat, quo eorum puniret facinora, niaxime vero idolatriam. Post liec rursus eos corripiens alias minas subiungit. At ca. 4, cum impia eorum facta commemorat (vel: conuumerat), iterum ea non sibi, sed voluntati eorum attribuit in hec verba (vel: inquiens) (v. 5, 6): ,Sic enim voluistis, filij Israel, dicit dominus dcus vester. Vnde ego dedi vobis stuporem de'ntium etc.' Non igitur peccata, sed poena peccati deo tribuitur. et iuste ! Nam ipse est, vt propheta ps. 61 (62 v. 13) canit, qui reddit vnicuique iuxta opera sua. Ceterum quod apud Esaiam ita accipiatur, Non erit obscurum ei, qiii diligenter considerauerit (vel: expenderit) gesta Cyri regis per prophetam praedicta, 'vt puta que in hoc facta sunt, vt agnoscerent vniuersi simulachra gentium non esse deos, sed vnum (vel: dominum) solum esse deum, vt qui faceret lucem et crearet tenebras id est diem et noctem, qui faceret pacem et crearet malum, pacem quidem ijs, qui ambularent in vijs eins, quam saepe per prophetas promittit, malum vero id est afflic- tionem siue bellum ijs, qui transgrederentur sancta mandata eius, quod non raro per eosdem minatur. Postremo vel vnicus ille Jacobi locus tam est validus, vt solum hoc dogma expugnet ca. 1 (v. 13—16): ,]Sfe quis, cum tentatur, dicat se a deo tentari! Nam deus, vt malis tentari non potest, ita nee ipse quemquam tentat. Immo vnusquisque tentatur, dum a propria concupiscentia abstrahitur et inescatur. deinde concupisceutia, posteaquam coucepit, parit peccatam, peccatum vero perfectum progignit mortem. Ne erretis, fratres mei dilecti etc.' Si prohibemur, vt audis, per apostolum concupiscentias nostras, radices saltem peccatorum, deo adscribere, quanta, quaeso, erit impietas eundem peccatorum authorem facerel quod absit a pijs mentibus! tempero mihi breuitatis gratia ab alijs scripturis, quas possem in medium adferre. Sed cur non istud pro coronide adijciam sie veteres hos locos iutellexisse, a quorum auctoritate, vt maxime liceat dissen- tire, non tamen vnquam temere! Nempe quod hi viri doctissimi simul et sanctissimi omne fere vite tempus in hisce scripturarum labyrinthis explicandis iusumpserunt. vnde non potest non fieri, vt illas non syncerius intelligant quam vel ego vel mee farine homines (vel sie: quam nos), qui temerario quodam ausu et impetu in eos irruimus. Verum, ne in libellum excrescat epistula, siquid arroganter aut inepte nimis a me scriptum fuerit, tribues partim iuuentuti, quae raro est satis diligens et circumspecta, multarum etiamnunc rerum ignara, quarum Cognitionen! senibus longus vsus conciliauit, partim studijs multum ab his diuersis, quibus, vt ipse nosti, nunc occupor. Superest, tua auide expectemus argumenta, quibus non modo fortiter, verum et splendide, quae tua est sermonis elegantia, nos oppugnes. Iterum vale in Christo, qui nobis sit, ut greci dicunt, riQcJQa y.ai nQiiupn\ Lipsie ex edibus Auerbachij, medici optimi ac doctissimi, Aniio M. D. xxij. x. Ka. Ai;gusti.

Georgius Agricola Gregorio Coppo Calluo, Doctori medicine experientissimo ac theologo optimo

ßeligioso patri Petro fontano, sacre tlieologie Doctori eximio, Georgius Agricola Saluteni dicit in Cliristo.

Jodocus Zceidler, familiaris mens, homo haud insyncerus, Doctor Clarissime, nuper ex concionatore vestro quaesiuit locos, quos ille in

270 Kleinere Mitteihiiigen.

die epiphanie domini citabat de tribus magis, quibus euiucere coua- batur eos iioii modo magos, id ([uod euaiigeliuiii dieit, fuisse, sed et reges. Kespondit liomo se quidcm noii ciudituin in veteri tbeologia, nee principes theologorum se vnquana lectitasse, verum, quicquid hac de re concionatus esset, et ex te audiuisse et tuo iussu in vulgus sparsisse. Credo: in hoc imitatus Pythogoreos quosdam, qui, ut tu bene nosti, dicere solebant: ccvro^; ecfi], nihil Interim seso tutantes rationibus, .sed nuda auctoritate praeceptoris contenti. Quantum hoc conueniat concionatori, tu reputabis, ego homini simplici ac bono, vt audio, facile ignosco. Cum itaque dnbius abiret, post aliquot dies meo assensu ad eundem scripsit epistolium, etiam atque etiam obtestans, vt locos ex te, quo Magistro vsus erat, sciscitatus ei iudicaret, sed nihil effecit, siquidem tu eo tempore aberas. Sed iam nunc ad rem ! Heri ingressus coenobium, vt te, quem concionatorem praesciueram , audirem. Nil horum suspicans non illibenter locos auctorum, quos concionatori suggesseras, ex te percepi. Verum cum Jodocus mens peregre profectus in hunc vsque diem non redierit, Monet me primo, vt tibi scribara, aniicitia nostra haud vulgaris, deinde amor veritatis, qui me inoscitare non sinit, Postremo populus rudis et simplex, qui vtcunque citatis auctoiibus sine iudicio credit. Nara siqui paulo cordatiores sunt, illis nihil timeo. Age nunc vide- amus auctores, quos allegabas et quibus tuam sententiam lirmissime stabilitam credebas ! Primus omniura erat nisi me fallit memoria, Chrysostomus, cuius verba in homilia 6 in ]\[attheum hec sunt: ,()portuerat namque eos continuo sentire, quantum sibi esset additum dignitatis, de tauti scilicet natiuitate regis, Qui Persarum ad so regem ortu suo triumphante traxisset ' hec Chrysostomi verba mihi ante non erant ignota, Verum miror te, iToctor eximie, quem alioqui tui fratres iactant in scholis lihetorum detritnm, bunc tropum non intellegere. Methonyraia est. Dixit enim regem Persarum pro sub- ditis eins, magis scilicet, vt eodem tropo dicimus: a rege gallorum c§sa multa milia Heluetiorura, etiam si ipse nunquam aßuerit. atque hoc genus loquendi apufl latinos historicos non infrequens est. habet praeterea in se av'itiati' siue hyperbolen, quae a Chrysostomo ita in laudem Christi, vt contra in Judeorum dedecus, efiicta est. Quod hoc ita sit, nisi tibi ante oculos ponam, non mihi credas volo. Videamus verba Chrysostomi!: ait, qiiod ad se regem Persarum traxerit. ex quibus verbis vnuiii dices oportere regem atque bunc Persarum ad Christum venisse. fuit auteni reuera vnus tantum rex Persarum ditissimus ac potentissimus, vt ex historijs ciarot. Iam die mihi: an alij etiam fuerint reges an non? At dices reges fuis.^e. Erit igitur tibi contigondum aliarum regionum fuisse reges, quod non ita esse equidem Chrysostomi verl)is conuincam. quibus in(licat omnes simul fuisse e Persia. Ait enim in sequenti homilia: ,Et mutuo a se aliquid addiscunt, ludei scilicet et Pers§. Nam ludei quidem a magis audinnt, quoniam Stella a regione Persidis praedicarit.' Item non multo post: ,Si enim magi a Perside veniontos etc.' atque iu multis alijs locis idem dicit. Ex quibus verbis vides ex sententia Chrysostomi omnes fuisse e Persia. Iam non onmes reges potuisse esse hoc arguit, quod in Perside per multa secula vnus tantum rex fuerat, sed quod ex historijs indnl)itatuHi est. Fuit igitur vnus tantum rex. sed ne hoc quidem ab vllo vn(juam prodituin est, cum innumeri sint, qui de magis hoc scribant. Ncque tam memorandum facinus euangelista praeterijsset, Qui magos modo venisse dicit. Vnde hie locus per tropum siue ((v'^r^aty rectissime intelligitui".

Kleinere Mitteilungen. 271

lam magos non fuisse reges, quod tu argutabaris, pancis ostendam e sacris scriptoribus, turbam siquidem ethnicorum, qui hoc tradiderunt, modo nou vacat adscribere. Idem Chrysostoinus in eadem homilia subindicat, quinam fuerint magi, non longe a principio bis verbis: ,Sed etsi regem illum esse Magi nouerant, cuius tarnen rei gratia ad eum venirent? Neque enim istud ad astrologie spectat artem, vt eos, qui nascantur, cognoscat stellis, sed, vt de regione, de hora punctoue nascentium ea, quae illis euentura sunt, praedicet.' Ex bis dictis coUigimus eos fuisse astrologi§ peritos et genethliacos, vtpote qui ex boroscopo cuiusque successus praedicebant, denique diuinatores, quod eiusdem verba non ita multum infra palara faciuut : ,Hoc etiam Ascolanitis, hoc legitur fecisse Gazensibus horumque finitimis. Etenim iste quinque vrbes postquam letbali plaga, archa ad se veuiente, perculse sunt Nullamque ex tantis malis liberationem poterant inuenire, Vocatis magis et populi multitudine congregata, quomodo illa dei placari posset ira, quaerebant. tunc eorum respon- dere diuini, vt iuuencas indomitas adhuc etc.' Videsne eosdem dici Magos et diuinos? Eiusmodi fuit Balaam numeri 22, qui a Balac vocatur, vt raaledicat populo Israhelitico de Aegypto egresso. hie vero appeUatur hariolus. cuius successores fuisse hos magos, qui Christo munera obtulerunt, Hieronymus in 2 Matthei caput scribens affirmat, cui astipulatur Chrysostomus homilia 42 de epiphauia domini multis hac de re dissereus, qui contendit non nihil eos ad cognitionem stelle iuuasse vaticinium Balaam, quod in libris numerorum ponitur. Sed age, quomodo intelligis hunc locum Leuitici 19 (v. 30. 31): ,Ego dominus, non declinetur ad magos nee ob hariolis aliquid sciscitemiui, vt polluaraini per eos!?' Ex bis tam apertis verbis nemo non intelligit, qui fuerint magi. Eho, tu hie per magos reges accipies, qugso?! Audi alium locum Danielis, videlicet 2 (v. 2): ,Nabucho- donosor rex praecepit, vt conuocarentur harioli et magi et malefici et Chaldei, vt indicarent regi somnia sua.' Non credo te hie per Magos reges accepturum. Vnde in hunc locum ita scribit Hieronymus: ,Videntur mihi harioli id est iucantatores, qui verbis rem peraguut, magi, qui de singulis philosophantur, malefici, qui sanguine vtuntur.' Et paulo post: ,Consuetudo antem et sermo communis magos pro maleflcis, qui aliter habentur apud gentem suam, eo quod sint philo- sophi Chaldeorum. et ad artis huius scientiam reges quoque et principes eiusdem gentis omnia faciunt. Ynde et in natiuitate domini saluatoris ipsi primum ortum eius intellexerant. Venientes in sanctam Bethlehem adorauerunt Stella desuper ostendente.' Haec sunt verba Hieronymi, quo doetore non erubeseamus discere, qui fuerint magi. Cognoscis iam eorum consilio, vt apud Rhomanos augurum, reges multa coepisse et fecisse, verum eos minime reges fuisse.

Ad alteram locum Chrysostomi veniam, qui est in homilia 42 de Epiphania domini. Hunc cum citabas, quidnam sibi volebat, quod mutato nomine Joannes Antiochenus diceres? Nempe hoc, vt semi- docti admirarentur gregem auctorum, quos pro tua seutentia firmanda aflerres ! Verum hec, vtcunque sese habeat, obmittam. Chrysostomus citat locum Esaie ca. 50 (60 v. 6): ,Et venient tibi greges came- lorum etc.' Et hoc ps. 71 (72 v. 10): , Reges Tharsis et insule munera Offerent, reges Arabum et Saba dona adducent.' Tu perspice, que vtroque loco et praecedunt et quae sequuntur, tum intelliges ea de Omnibus regibus dici, qui ad Christum per apostolos conuersi munera ei obtulerunt. Quod et Hierouyums in locum Esaie scribens hec verba protulit: ,Per familiaria ergo nomina gentium Barbarorum, que viciue

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sunt Israheli, totius mundi conuorsio pruedicatur.' Et liunc locum psalmi comnientiuis ait: ,Onme liic niundiale iniperiuin honoris et ordinis ad Christum accedere eique colla suhniittere bononuiKiui^ suorura dona deferre Proi)heta i)ronunciat, quod ex magonmi numeribus in- tellegimus iuchoatum. Ipsi enini gentium rcgumquo typum tenuisse nionstrantur.' Ad quod dubio procul respexit Chrysostonius hos locos applicans ad magos. Ncque ex liis vllo modo sequitur fuissc reges, si typum, vt Hieronymus, regum tenuerint. Ceterum de bis plus satis.

Nunc ad Athanasij locum quaestione 2 ad Antioclnim, <|uem tu ipsa vetustate commendabas, me couferebam. Verba eins sunt: ,Epi- phanie, quem 'trium regum appellamus diem.' Primum tu videris [errare], qui eiusmodi libellum Capnionem, hominem doctum alioquin, secutus Athanasio, tarn sancto et docto viro, tribuis. In quo qualia sunt, ex quaestione 39 iudica atque nonnullis alijs'''). videtur certe sudare Capnion, ut eam seruet. Verum non mirabere, quod ego hunc libellum in dubium voco, Cum etiam sit, qui commentarios in Paulum nomine Athanasij inscriptos eins esse porneget. Adscribit vero eos Vulgario, et quidem rectissime i'^). Dein, cuius tandem liljellus, ne is quidem sentit eos reges fuissc, ait enim: ,quem trium regum appellamus,' quasi dicat: errore quodam, qui inoleuit. Agnoscis locutionem'? Quare hoc nihil adstrues, maxime cum centum paene loci sint hinc inde in scripturis huic plane contrarij, quos hie adijcere non placuit. Quod vero allegas Cusanum et Sabellicum, parum efiicis. Nisi enim hi habeant auctoritatem aut rationem, qua sese defendunt, nihil quicquam eis credo, quoties de vetustate loquuntur. Quemadmodum tu contra Erasmo et ]\[antuano atque alijs, qui pro me sentiunt, nisi et sua aftirmauerint, non crederes. Verum, Reuerende Pater, hactenus velitati sumus. si perges veritati reclamare, pugnabimus maioribus viribus, producturi in campum arietes et catapultas scriptorum, quibus deo adiutore tua confringemus, si nondum satis fracta credis. Verum non ita, vt ego et tu solum legamus, sed omnes eruditi ac studiosi bonarum literarum, vt cognoscant, quo animo sitis affecti Christiaue pietati ac veritati, quae Christo ita volonte pulchre se attollere incipit ac superstitiones ac nugas nugacissiinas pessumdare. Quod vt per- petuura nobis sit, Christum iugiter oramus. Tu igitur, Doctor eximie, si amas Clu'istum, veritatem ipsara, vera dicere et praedicare annitaris

18) LIBER S. ATHANA / (Blättchen) Sil DE VARIIS (Blätt- chen) QVAESTIONIBVS / NVPER il GRAECO IN / LATINVM TRADV/ CTVS, lOHANNE / REVCHLIN IN / TERPRETE. // ADHVC ITEM / Annotatioues Capniouiae./ Hagenau, Thomas Anshelm, März 1519, C iiib Die 39.' Frage (J iiib und 24a) lautet: Quare omnes fideles nos cruces quidem conformes cruci Christi facimus, sacre aiitem lancae uel arundinis uel spongiae conformia non fabri- caraus; sunt enim ita sancta, ut crux ipsa. Vergl. Böcking, operum Hutteni suppl. II p. 103, 789 ff. Geiger, Johann Reuchlius Brief- wechsel, Stuttgart 1875, S. 313 f.

1") Luther schreibt Februar 1519 an Dr. Hieronymus Dungersheim von Ochsenfurt in Leipzig (Enders I, 439): Denique Athanasii opera, quibus tu uteris, dubitantur esse Athanasii, ac potius "V'ulgarii (= Bulgarii) Theophylacti (Erzbischof von Achris in Bulgarien) putautur esse.

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et ea, quae tutari non possis, popnlo conciouari clesiste; sie habebis me tni amautissimum propter veritatem, quam quilibet Cliiistianus defendere tenetur. Vale in Christo ac mihi rescribe!

Rescripsit cucullatus in huuc modum.

Arietes et catapultas, qnas aduersus me minitaris, Geori-") quis- quis es, producere, cataphractus-^) nou formido. Tecum, vbi libet, in harenam descendam. Nee tua refert, grammaticule , theologoruin priucipes enarraturum --). Alijs distractus tua ad nie scommata legere possum minime. Vale!

-*') A. R. Nota orthographiam. -1) KccTi'.Qcpay.rog bepanzert. 2-) A. R. enarratum ire.

Neues Archiv f. S. G. u. A. X\I. o. 4. 18

Litteratur.

Dio Stellung der Bischöfe von Meifsen, Merseburg und Nanm- burg im Investiturstreite luiter Heinrich IV. und Heinrich V. Von Dr. Karl Benz. Dresden, Justus Naumanns Bucldiandlung (L. Ung-elenli). 1899. VIII, 81 SS. S».

Eine Arbeit über einen Gegenstand ans der mittelalterlichen Kirchengeschichte unseres engeren Vaterlandes darf des Interesses der Freunde sächsischer Geschichte sicher sein, um so mehr, Avenn sie, wie die vorliegende, zeigt, dafs der Verfasser mit den reichen Hilfsmitteln der modernen Geschichtswissenschaft arbeiten gelernt hat. Die Arbeit ist nicht ein organisches Ganze, und mancher Leser mag etwas wie Enttäuschung empfinden, wenn er aus der Inhaltsangabe ersieht, dafs zuerst von drei Meifsner, sodann von vier l^lerseburger und darauf von vier Naumburger Bischöfen der Reihe nach gehandelt ist, so dafs die Arbeit sich aus drei, bezüglich zehn Monographicen und einem Exkurs zusammensetzt. Wer indes Aveifs, wie aufserordentlich spärlich die Quellen für die Geschichte der Bischöfe der drei sächsischen Bistümer fliefsen, und wie not- wendig hier Einzeluntersuchungen sind, wird es mit Freuden be- grüfsen. dafs hier über ein Dutzend Punkte Klarheit geschafft wird, und dafs wir nicht eine (Gesamtdarstellung erhalten haben, die nach Lage der (Quellen und nach der Natur des Stoffes doch etwas Halbes gel)lieben wäre. Wie spärlich die Überlieferung ist, zeigt der Ab- schnitt über die Bischöfe Herwig und Godebold von Meifsen, wie unsicher und spärlich zugleich der Seite 16 Anm. 1 erwähnte Bischof Skamlionus, der in der Meifsner Bischofsreihe zwischen Herwig und Go(lel)()ld steht und daher mit Recht hier wenigstens genannt ist. Käme sein Name nur in den Gesta archiep. Magdeb. vor, so könnte man versucht sein, ihn aus der Bischofsliste einfach zu streichen in der Annalime, dafs ein Abschreilicr den Namen Gumbertus an der betreffenden Stelle fälschlich zweimal gelesen und geschrieben hat und dafs Ijeira wiederholten Abschreiben der Name zum ]\Ionstrnm geworden ist. Thatsächlich finden wir jenen Bischof auth als Gram- bertus, (Gramborus, Grambodus, Scamborus. Das G der Vorlage wurde offenbar im letzten Falle vom Abschreiber als Sc gelesen. Der Name findet sich .jedoch auch unabhängig von der Magdeburger Ül)erlief('rung in der Tradition des Meifsner Hochstifts. Ein 1495 auf (irund älterer Vorlagen aufgestellter Bischofskatalog im Stifts- archiv zu Meifsen z B. fühi't ihn in der ganz verstümmelten Form Eramborus auf, ein Zeichen, dafs zwar die schriftliche Überlieferung, nicht aber die mündliche, ihn damals noch kannte. Im Gegensatz

Litteratur. 275

zu diesem halb Unbekannten dürfte der bekannteste von allen Bischöfen, die uns vorgeführt werden, wenigstens in Sachsen und Bayern, Benno von Meifsen sein. Das Urteil , das Hauck über ihn in der Real- encyklopädie gefällt hat, ist, wie wir hier wiederum sehen, schlechter- dings nicht zu hart. Was die Merseburger Bischöfe betrifft, so ist ungefähr gleichzeitig mit der vorliegenden Arbeit der erste Band des Urkundenbuchs des Hochstifts Merseburg erschienen, der aber über die einschlägigen Punkte neue Aufschlüsse leider auch nicht giebt. Zum Schlufs sei die Bitte ausgesprochen, dafs benutzte Schriften nach grofsen Vorbildern nicht zu knapp citiert werden möchten. Unter dem „N. Archiv", unmittelbar nach Cod. dipl. Sax. I, 1 genannt, denkt sich der sächsische Leser zunächst das N. Arch. f. Sachs. Gesch., erst der Name Brefslau führt ihn auf die richtige Fährte. Auf Seite 15 Anm. 7 mufs es statt Seite XII Seite XVII heifsen.

Waidenburg i. Sachs. Richard Becker.

Gesclilclite des Leipziger Friihhiimanisnms mit besonderer Rück- sicht auf die Streitigkeiten zwisclien Konrad Winipiiia und Martiu Meilerstadt. Von Prof. Dr. (Tustav Baucb. Beihefte zum Centralblatt für Bibliothekswesen XXII. Leipzig, Otto Harras- sowitz. 1899. 194 SS. 8°.

Vor zwei Jahren noch durfte mit gutem Rechte in dieser Zeit- schrift (Bd. XIX. 364) von dem sachkundigen Georg Müller in Zittau darauf hingewiesen werden, dafs wir über den Humanismus und seinen Einflufs in Sachsen bisher nur mangelhaft unterrichtet seien. Nach dem Erscheinen des oben angeführten Buches gilt das aber nur noch mit starker Einschränkung. Diese Frucht eines bewundernswerten, entsagungsvollen Fleifses, diese inhaltreiche, schwergerüstete Schrift, die trotz ihrer mäfsigeu Seitenzahl manche Stunde strengen Auf- merkens von ihren Lesern erfordert, verbreitet mit einem Male helles Licht über die erste Epoche des Humanismus wenigstens in Sachsens Universitätsstadt. Gewifs, die beiden Leipziger Dozenten, die der Titel nennt, waren uns lange schon bekannt: der Mediziner Martin Polich von Melierstadt (heute Mellrichstadt) in Unterfranken . der spätere lilitbegründer und erste Rektor der Universität Wittenberg, und der Theologe Konrad Koch aus Buchen in Baden, Wimpina genannt, der spätere Mitbegründer und erste Rektor der Universität Frankfurt a. 0. Von ihrem Kampfe aber über das Verhältnis von Poesie und Theologie, der in zahlreichen Schriften ausgefochten wui'de, wufsten wir nichts, und kaum viel mehr von der ihm voraus- gehenden litterarischen Fehde über die Natur der gallischen Krank- heit, die Polich mit seinem Kollegen Simon Pistoris, dem Vater des gleichnamigen Kanzlers, hatte. Diese Streitigkeiten bilden nun in der Bauchschen Schrift den Mittelpunkt, um den sich alles andere gruppiert. Dieses „alles andere" aber ist kurz gesagt eine Geschiebte der Leipziger Gelehrten- und Poetenwelt zu Ausgang des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Gewissenhaft wird Jalu" für Jahr durchgenommen und auf seine litterarischen Erzeugnisse, auf seine humanistischen und klassischen Drucke hin gemustert 1487 er- schien die erste originale Klassikerausgabe in Leipzig, die Epitome des Florus, von Wittich besorgt , den Autoren und Editoren wird nachgegangen, sichere Nachrichten über ihren Lebensgang werden beigebracht, ihre Anhängerschaft und Gegnerschaft wird aufgewiesen,

18*

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die wichtigeren Schriften werden eingehend besprochen, den wenn auch noch so geringfügigen Fortschritten in der Kenntnis des üriecliischen wird grofse Aufmerksamkeit geschenkt. Ein bewunderns- werter, entsagunsvoUcr Fleifs, man darf es getrost wiederliole», hat hier gewaltet : die Bibliotheken in Altenburg, Bamberg, Berlin, Bonn, Breslau, Brieg, Dresden, Hambuig, Jena, Leipzig, Magdeburg, Mai'- burg, ]\Iiinchen und Wolfenbüttel sie alle hat der Verfasser be- sucht und nach ihren Wiegendrucken befragt und sich so von allen Enden her sein Material herbeigeschleppt. Sein Buch ist keine Nachtischlektüre , auch das ist schon angedeutet worden. Auf viele Leser kann es schon um seines Gegenstandes willen nicht rechnen. Der Anerkennung aller derer aber ist es sicher, die für die Geschichte unserer Universität, für die Geschichte des geistigen Lebens in jener Zeit Herz und Verständnis haben.

Dresden. Felician Gefs.

Die Eiufübruug der Melanchtboiiisclieu Declamationen und andere gleichzeitige Eefornien an der Universität zu Wittenberg. Aus den Akten des Weimarer Gesamtarchivs mitgeteilt von Dr. Gustav Uaucb, Professor. Breslau, M. und H. Marcus. 1900. 24 SS. 8».

Zu der neuerdings besonders in Flufs gekommenen Melanchthon- forschuDg wird in vorliegender, dem Realgyranasialdirektor Dr.Wossidlo gewidmeten Festschrift ein wertvoller Beitrag geliefert. AchtSchreiben aus dem Sachsen-Ernestinischen Gesanitarchiv zu Weimar gelangen zum Abdruck, die Hartfelders Darstellung über die Wittenberger Universitätsreform in wichtigen Punkten ergänzen, namentlich auch zur Erläuterung eines Briefes Michael Humelbergs an Vadian dienen (Hartfelder, Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae. S. 128, Anm. 1). Gegen Ostern 1523 hatte Melanchthon, um die humanisti- schen Disziplinen und zunächst die Ehetorik zu heben, eine Wieder- belebung der Deklamationen beantragt; im Dezember sollten sie ins Leben treten. Wann sie wirklich begannen, steht nicht fest. Die Vorschläge berühren den Unterrichtsbotrieb sämtlicher Fakultäten, namentlich der philosophischen. Besonders sollte Melanchthon hei-an- gezogen werden (S. 10): „Den mochte man wol mit vielen hendeln verschonen, domit er distlie weiliger auff die lectiones in coUegio achtung gebe, auf das sie in ihrem rechten swangk gingen". Auch ül)er die Erziehung der studierenden Jugend linden sich mancherlei Angaben, z. B. der Vorschlag eines Zwangsinternats (S. 12): „Hzo auch mutwillige vnd haderhaftige Studenten in der Stadt befunden wurden, die hett man mit fug zu den zweien rethoribus ins coUcgium mit irer wonung zu dringen, domit vff siel zu irer besserung ge- sehen vnd achtung geben wurd." Wie bei allen Neueinrichtungen spielen die Geldfragen eine grofse Rolle. Verfasser hat sie ein- gehend in der Einleitung zu einer Ausgabe des ältesten Bechnungs- buches der Universität Wittenberg behandelt, dessen baldiges Er- scheinen in Aussicht gestellt wird.

Zittau. Georg Müller.

tieorg der Itärtigo, Herzog von Sachsen. Sein Leben und Wirken. Ein Beitrag zur deutschen Reformationsgeschichte von Heinrich Frciherru von Welck. Mit dem Porträt des Herzogs. Braun- schweig, Richard Sattler. 1899. 196 SS. S».

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Das Leben und Wirken Herzogs Georg des Bärtigen von Sacli.seu, anfs engste verwachsen mit den grofsen Prinzipienkämpfen der ileformationszeit, entbelirt nicht der Tragik. Mit wohlwollendem und fürsorgendem Sinn hat er das Beste seiner Unterthanen gewollt. Noch in seinem Testament will er seine Unterthanen, so lange kein Krieg es erfordere, mit Steuern verschont wissen, setzt er den Bauern und kleinen Grundbesitzern Summen gegen die Wildschäden aus, bestimmt er dem neuen Dresdner Spital als Jahreseinnahme i/jo der Bergwerkserträge, gedenkt er seiner Mündel, der Erben Einst von Schönburgs, mit Liebe und Treue, sorgt er für die Kinder seines treuen Dieners Nickol Kohlreuter, trifit er Bestimmungen wegen künftiger Kirchenvisitationen, wegen Wiederaufrichtung ver- wüsteter Klöster und deren Besitziing, ..damit", wie es in dem Testamente heilst, „Gottes Lob und Ehre ziemlich dadurch vermehrt werde". Aber bei allem Kampf für die von ihm als richtig befundene Sache in weltlichen und kirchlichen Fragen ist ihm trotz des kräftigsten Strebens der Erfolg fast durchgängig versagt geblieben. Luthers Lehre zu unterdrücken war ihm trotz zwanzigjährigen Kämpfens nicht gelungen, seine sorgsam behüteten Klöster gingen zurück, seine geliebte Leipziger Universität sank mit jedem Jahre tiefer unter die Wittenberger, die ihm in Freundschaft einst verbundenen Eruestinischen Vettern waren ihm zu Gegnern geworden, seine Gemahlin Barbara und sein ältester Sohn sanken vor ihm ins Grab. So ist er einsam und lebenssatt aus dieser Welt gegangen, beladen mit dem Hasse derjenigen kirchlichen Partei, die er mit steigender Härte bedrängt hatte, und gleichzeitig unbetrauert von den Häiiptern seiner eigenen Kirche, denen der furchtlose Kritiker alle Zeit ein sehr unbequemer Freund gewesen war.

Über diesen Fürsten lagert in den Archiven eine so breite Masse von Materialien, dafs zu ihrer gründlichen Erschöpfung noch eine Reihe von Jahren erforderlich sein dürfte. Eine abschliefsende Biographie kann also gegenwärtig noch nicht geV)oten werden. Unter diesen Umständen wird man es nur mit Freude und Genugthuung begrüisen, dafs Heinrich Freiherr von Welck sich mit Liebe in den interessanten Stoff versenkt, den Archiven von Dresden und Weimar einen achtuugsAverten Reichtum an Stoff entnommen und in gemein- fafslicher, des Gegenstandes würdiger, edler Sprache vorgeführt, auch fortlaufende Quellenbelege beigegeben hat. Seine Biographie kann den Geschichtsfreunden, insbesondere aber Schul- und Volks- bibliotheken empfohlen werden, zumal sich der Verfasser bemüht, unbeschadet seines evangelischen Glaubens, Objektivität zu bewahren. Diese Objektivität tritt z. B. in dem Konflikt zwischen Georg dem Bärtigen und Luther augenehm hervor. Dieser Konflikt war ja der denkbar schärfste. Sagte doch der Herzog über den Wittenberger Reformator: lieber wolle er mit seiner Gemahlin nackt und blos am Bettelstabe ins Land gehen, als seinen Unterthanen erlauben, auch nur zum kleinsten Teile von der katholischen Lehre abzuweichen, bevor nicht ein Konzil zu Staude gekommen sei. Wie beklagenswert das Verfahren des Herzogs gegen die Leipziger war, verschweigt sein Biograph keineswegs. Wie dieser S. 156 erzählt, hatte der Herzog dem Leipziger Propst zii Sauet Thomas und dem Stadtrat befohlen, dafs jeder Geistliche, welcher einem Kranken das heilige Abendmahl unter beiderlei Gestalt spenden würde, dem Bischof von Mersebui'g ausgeliefert werden solle. Das hiefs soviel als peinvolle Kerkerhaft. Wer ohne katholisches Sakrament stürbe , solle uu-

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ehrliches Begräbnis haben. Vier .lahre später liefs er jedem Kom- iiiunikanten als Qnitttmi;- für seine Jk^chten dnrch den liet reffenden Cieistlichen eine üleehniarke einhändigen. Wer dann bei obrigkeit- licher Untersnclinng kein solches Zeichen vorweisen könnte, sollte als Ketzer exiliert oder zu einem Eide gezwungen werden, dafs er die lutherisclie Lehre für ketzerisch halte, sie verdamme und ver- achte. Den Streitenden gab er von Ostern bis Pfingsten 158:3 Frist zur Überlegung, ob sie gehorchen oder ihr Hab imd Gut verkaufen und auswandern wollten. Infolge dieses Befehls sind 80 Bürger, mit Frauen und Kimlein etwa 800 Menschen, am 30. Mai 1533 aus Leipzig in kursächsisches Gebiet ausgewandert. Die harte Gewalt solcher Mafsregeln, v?elche die Leute nur durch die Furcht in der Papstkirche zurückhielt und nicht wenige zu Märtyrern machte, wird ebenso hervorgehoben, wie die Schmähungen gröbster Art, welche öffentlich von Luther gegen Georg geschlendert wurden. Dieselbe Objektivität begegnet auch in der Beurteilung des Ver- hältnisses zwischen Georg und seinem Bruder Heinrich.

Für eine zweite Auflage ist die Ausnutzung von Brandenburgs schönem Buch ülier Moritz von Sachsen (1. Bd. 1898) zu empfehlen. Danach wird sich z. B. das Verhältnis des Herzogs Georg zu Kur- sachsen noch schärfer fassen lassen (vergl. Brandenl)urg S. 7 und von Welck S. 15(i ft'.). Georg hatte Luther zuerst gar nicht unfreund- lich beurteilt, so lange er in ihm einen Mann sah, der zu Reformen innerhalb der Kirche aufrief. Sobald aber der Mönch es wagte, die Autorität des Papstes und die Unfehlbarkeit der Konzilien anzugreifen, konnte der Herzog in ilim nichts anderes mehr sehen wie einen gemeingefährlichen" Aufrührer. Aufs dringendste verlangte er wieder- holt von seinen Vettern die Auslieferung des Rebellen an das Reich, die Lossagung von dem Ketzer. Immer gereizter ward der Brief- wechsel, und Georg erwog ernstlich, ob es nicht seine Pflicht sei, gegen die Beschützer des Ketzeis ebenso vorzugehen wie gegen diesen selbst; schon damals tauchte der Plan einer Achtung des Kurfürsten und einer Übertragung der Kur an die Anhaltiner auf. Als sich nun gar Luther zu groben Schmähungen und Beleidigungen gegen den Herzog selbst fortreifsen liefs, als der Kurfürst auch das Verlangen, ihn zu bestrafen, ableiuite und es bei einer Ermahnung bewenden liefs, da war jeder Ausgleich unmöglich geworden. Georg hat es seinen Vettern nie vergessen, dafs sie zugesehen hatten, wie einer ihrer Unterthanen ihn ungestraft beleidigte.

Die Darstellung der Packschen Händel bei von Welck ist durch die gleichzeitigen Forschungen von Äleinardus über den Katzen- elnboyischen Erbfolgestreit (s. o. 8. 179) überholt. Nicht Pack war, wie von Welck S. 137 gleich vielen anderen behauptet, „der Urheber der Zerwürfnisse", sondern Philipp von Hessen selbst, welcher nach der Aussage, die Pack 1.536 auf der Folter machte, zuerst von der Existenz eines katholischen Bündnisses zu Pack gesprochen hat. A'on Welck stellt die Packschen Händel dar nach Wilh. Schomburgks Beitiägen zur Geschichte Herzog Georgs des Bärtigen (Histor. Taschenbuch fi. Folge , I. Jahrg.). Aber dabei wird die Katzen- ehiboüische Streitfrage nicht gewürdigt, deren tiefgehende und weittragende Bedeutung erst durch Meinardus klargestellt ist. Philipp von Hessen hat später selbst auf indirektem Weg seine Initiative zugestanden. Sein Verhältnis zum Herzog Georg besserte sich am Beginn der dreifsiger Jahre luid wurde immer herzlicher, je mehr er sich damals dem Kurhause Sachsen wieder

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entfiemdete. Anfangs Dezemlier 1531 sandte er dem Herzog Georg ein längeres Schreiben, in welchem er die gegen die drei Bischöfe eingewandte Recusation begründete. Darin entwickelt er den Yer- lanf der ganzen Streitsache und sagt ausdrücklich, nachdem sowohl der Statthalter als das Heichsregimeut sowie das Kammergericht Ende des Jahres 1525 seine Appellation zurückgewiesen, sei er ge- drungen worden, sieh in Gegenwehr zu setzen, damit nichts Be- scliwerliches gegen ihn hätte vorgenommen werden können, was ohne Zweifel beabsichtigt gewesen sei. Dieser Hinweis bezieht sich auf die Jahre 1526 und 1527.

Zu den wichtigen, von Welck nicht benutzten primären Quellen über Georg den Bärtigen gehört auch das Stadtarchiv von Mühl- hausen in Thüringen, auf dessen grofsen Reichtum an Urkunden und Akten besonders aus der Reformationszeit Referent in einer soeben erschienenen Schrift „Archivwesen und Geschichtswissenschaft" (Marburg 1900, Vorwort S. IV ff.) aufmerksam gemacht hat. Sowohl zahlreiche Kopialbücher, welche die Korrespondenz der freien Reichs- stadt Mühlhausen mit allen möglichen Fürsten und Herren in Deutschland enthalten, als auch lauge Reihen mächtiger, in Schweins- leder gebundener „Reichsakten", dazu grofse Mengen andern noch ungeordneten archivalischen Materials, laesouders aus der für Mühl- hausen so wichtigen Zeit des Bauernkrieges und der Wiedertäufer, sind vorhanden. Wenn von Welck dieses Mühlhäuser Stadtarchiv beinitzt hätte, würde er manches (vergl. z. B. S. 97) anders dargestellt haben. Über diese Dinge sind auf Grund des Mühlhäuser Materials wissenschaftliche Arbeiten von Archivar Dr. Merx in Magdeburg und von Diakonus Nebelsieck in Mühlhausen demnächst zu erwarten.

Mühlhausen i. Thür. Eduard Heydenreich.

Ziiizendorfs Jugendjahre. Ein Versuch zum Verständnis seiner Frömmigkeit. Von 'W. Götz. Leipzig, Fr. Jausa. 1900. 62 SS. 8*».

Zinzendorf iiiul sein Christeuthum im Verhältnis zum kirchlichen und religiösen Leben seiner Zeit. Geschichtliche Studien von Berii- liard Becker. Zweite wohlfeile Ausgabe. Leipzig, Fr. Jansa. 1900. VIII, 580 SS. 80.

Zinzendorf als Erneuerer der alten Brüderkirche. Von Jos. Th. Müller. Festschrift des theologischen Seminariums der Brüder- gemeiude in Gnadenfeld zum Gedächtnis der Geburt Zinzendorfs am 26. Mai 1700. Mit einem Vorwort des Direktors. Leipzig, Fr. Jansa. 1900. V, 118 SS. 8».

Die Feier des 200. Geburtstages Zinzendorfs hat die Blicke der Wissenschaft auf den Begründer der Brüdergemeinde gerichtet. Götz hat in einem hübsch ausgestatteten Büchlein die Artikel vereinigt, die er 1898/99 im Bremer Kirchenblatte veröffentlicht hatte und in denen er Verständnis der Eigenart und Bedeutung des Begründers der Herrnhuter Gemeinden in weiteren Kreisen anbahnen wollte. Er verweist auch auf die noch zu lösenden Aufgaben, wenn er z. B. S. 33 sagt: „Leider hat sich noch Niemand an die Aufgabe gemacht, an den Gestalten, die mit Zinzendorf in Berührung kamen, nachzu- weisen, wie der Graf die schlummernden Gaben und Kräfte der ver- schiedenartigsten Personen aktiv zu machen wufste."

Der stattliche Band von Becker ist eine wohlfeile Ausgabe der bereits 1886 erschieneneu geschichtlicheu Studien des Verfassers

280 Litteratnr.

über „Ziiizendorf im Verhältnis zur Philosophie und Kirchentum seiner Zeit". Von den fünf Büchern sind geschichtlieh besonders wichtig das dritte über Zinzendurfs Verhältnis zum deutschen Pie- tismus und das vierte über seine Stellung zum lutherisclicn Kirchen- tum. Auch das fünfte Buch , das sich mit Ziuzendorfs Auffassung der mährischen Kirche beschäftigt, bietet zahlreiche geschichtliche Ausführungen über das Verhältnis der Herrnhuter Gemeinde zur Landeskirche und über die Entwickelung ihrer Organisation. Das Werk hat die Aufgabe, die christliche Weltanschauung Ziuzendorfs in ihrer Entwickelung zur Darstellung zn bringen und das geschicht- liche \'e]ständnis der so eigenartigen religiösen Persönlichkeit des Begründers der Brüdergemeinde auch aufserhalb ihres engeren Kreises zu fördern. Der Verfasser hatte von der IJnitätsdirektion den Auf- trag erhalten, eine den wissenschaftlichen Anfordeiungen entsprechende Geschichte der orneuerten Bi'üdokirche zu schreiben. Noch ehe er zur Feder gegriffen hatte, wurde er aus diesem Leben berufen.

Einen Beitrag zu dieser Geschichte will Jos. Th. Müller mit seiner Festschrift bieten. Er ist besonders dazu durch die von der bisherigen Auffassung wesentlich abweichende Darstellung Alljrecht Ritschis in seiner Geschichte des Pietismus veranlafst worden. Verfasser beschäftigt sich 1. mit der Entstehung und Beschaffenheit der allgemeinen Pläne Ziuzendorfs über Stiftung einer christlichen Gemeinschaft (S. (>— 20), verfolgt dann (S. 21 43) die Beziehung Ziuzendorfs zu den mährischen Emigrauten in Herrnhut bis zum ersten Eingreifen der Regierung in die Herrnhuter Verhältnisse und zeigt im Gegensatz zu Ritschi , dafs Ziuzendorfs Stellung in si(di durchaus nicht unklar und die einfache Konsefiuenz der Spener- schen Unternehmungen war. Zu diesem Kapitel gehören drei Bei- lagen (S. 106 ff.): Herrschaftliche Gebote und Verbote, sodann „Brüder- liche Verein und Willkür in Herrnhut", zum erstenmal publiciert am 12. May 1727, zum andcrnmal public', und unterschrieben d. 15. Juni 1727. Das dritte Kapitel behandelt die Verhandlungen mit der Re- gierung bis zum Jahre 1738, das vierte die Mafsregeln Ziuzendorfs und der Brüder, nachdem ersteren die Erlaubnis zur Rückkehr widerrufen worden war. Im fünften Kapitel wird die Zusammen- fassung geboten, die zum Schlüsse kommt: „Hier wie dort ist also der eigentliche Ausgangspunkt der Kirchenbildung die Gemeine, die als ein lebendiger Organismus erscheint und die in ihrer Mitte ver- möge ihrer Organisation die christliche Aufgabe lösen soll. Dafs es sicli aber trotz dieses gemeinsamen Charakters einer Gemeinkirche bei der erneuerten Brüdeikirche nicht nur um eine Wiederbelebung der durch die Gegenreformation vernichteten alten Brüderkirche, sondern um eine wirkliche Erneuerung, um eine evangelische Ver- tiefung ttnd Verinncrlichung des Gemeingedankens handelt, das be- weist die Geschichte dieser Erneuerung, in der jene wertvolle Form mit dem universalen Gedanken des Zinzendorfischen Heilands- christentums erfüllt wurde."

Auch diese Arbeit zeigt, wie ernst es der Brüdergemeinde nicht nur um die Förderung der praktisch -kirchlichen Bedürfnisse und die Unterstützung der Mission, sondern auch um die Hearbeitung wissenschaftlicher Probleme zu thun ist, wie dies auch der Direktor des theologischen Seminariums der Brüdergemeinde zu Gnadenfeld, P. Kölbing, in dem Vorworte zur- Müllerschen Arbeit ausspricht.

Zittau. G. Müller.

Litteratur. 281

Ans dem Leben des Könij?s Albert von Sachsen. Von Dr. Paul

Hassel. Zweiter Teil: König Albert als Kronprinz. Mit einem Bildnis. Berlin, Mittler & Sohn; Leipzig, Hinrichs. 1900. XXI, 550 SS. 8».

An diesem Buche wird niemand vorbeigehen, der ein Bild von den bewegtesten Tagen unseres grofsen Vaterlandes im scheidenden Jahrhundert gewinnen will. In höherem Mafse noch, als sein erster Teil, ist sein zweiter ein reicher Beitrag zui' allgemeinen deutschen Geschichte. Das dürfte schon ein Fingerzeig auf einige der benutzten Quellen erweisen. Da begrüfseu wir vor allem eine nicht unbeträcht- liche Zahl von Stücken aus dem Briefwechsel zwischen König Wilhelm und König Johann, darunter in erster Linie die für beide Teile höchst charakteristische Aussprache gelegentlich der bekannten Differenzen zwischen den Generalen Wrangel und Hake im Febrnar 1864 (S. 168 ff., vergl. Sybel III, 244 ff.). Dann werden uns in den schriftlichen Ver- kehr zwischen dem Helden des Buches und seinem erlauchten Vater manche Blicke vergönnt. Und wenn auch in jedem Leser der Wunsch sich regen wird, es möchten ihrer mehr sein, zumal für die Zeit des deutsch-französischen Krieges, so kann das doch unserem herzlichen Danke für das Gewährte keinen Abbruch thun. Hier sei wenigstens ein Brief herausgehoben (S. 392); er ist aus Jeandelize vom 22. August 1870 und erzählt von den Erlebnissen des vorangegangenen Tages, da Kronprinz Albert sich in seiner Eigenschaft als Führer der neu- zubildenden Armeeabteilung nach Pout-ä-Mousson zur persönlichen Meldung bei dem obersten Bundesfeldherrn begab und dann eine hochbedeutsame Unterredung mit dem Bundeskanzler hatte, der sich über die in Aussicht genommene Politik gegenüber den zu erwartenden Vermitteluugsversuchen der Grofsmächte, über die Erwerbung und Zukunft Elsafs - Lothringens , hauptsächlich aber über die Lösung der deutschen Frage ausbreitete. „Zu der freiwilligen Einigung aber [von Nord und Süd] hoffe er wesentlich auf Deine Hilfe. Gegen Preufsen herrsche immer noch das Mifstrauen, es hege dynastische Gelüste; daher Du der rechte Mittelsmann seiest". Aus eigen- händigen Instruktionen, Denkschriften und Notizen König Johanns wird mancherlei mitgeteilt , u. a. eine glückliche Charakteristik Napoleons III. aus den Tagen der Begegnung in Baden-Baden im Sommer 1860 (S. 83). Die Berichte Hohenthals aus Berlin boten eine Reihe höchst interessanter Auslassungen Bismarcks, so über die Entstehungsgeschichte des russisch-preufsischen Vertrages vom Jahre 1863 (S. 133). Wie gesagt, das sind nur einige der zum ersten Mal benutzten Quellen. Dafs aufserdem die gedruckte Litteratur sorgsame Berücksichtigung gefunden hat, bedarf kaum der Versicherung; auch Werke allerjüngsten Datums, wie das von Lettow- Vorbeck über den Krieg vom Jahre 1866, hat der Verfasser nicht aufser Acht gelassen.

Dresden. Felician Geis.

Prinz Georg von Saclisen. Von Georg von Seliimpff, Oberst z. D. Dresden, C.Höckners Buchhandlung (Carl Damm). 1899. 151 SS. 8».

Bereits wiederholt haben wir an dieser Stelle der Arbeiten des Verfassers vorliegender Schrift gedacht. Seinem Werke „König Albert 50 Jahre Soldat'', seiner ansprechenden Skizze „Aus dem Leben der Königin Carola" reiht sich würdig die hier vorliegende Biographie des Prinzen Georg an, für die dem Verfasser ein reiches

282 Litteratur.

handscliriftliches Material und eigene wie fremde Erinnerungen znr Verfügung standen. Wenn wir auch aus den gleichen (i runden, die wir früher angedeutet haben, von einer eigentlichen Kritik des Werkes absehen zu müssen glauben, so erschien es uns doch als eine Pflicht unsere Leser darauf hinzuweisen: darf sich doch der Verein, dessen Organ diese Zeitschrift ist, rühmen, in besonders nahen Ik'zii'luuigen zu dem erlauchten Prinzen zu stellen, der seit über 45 Jahren sein l'rotektor gewesen ist und persönlicli seine Arbeiten geleitet hat. So verfolgen wir mit doppeltem Interesse seinen Lebeusgang von der frühesten Jugendzeit an duich alle Altersstadien hindurch bis zur Gegenwart. Tritt dabei das militärische Moment besonders in den Vordergrund und nehmen namentlich die Feldzüge 1866 und 1870 einen breiten Raum ein, ohne dafs darüber gerade viel Neues zu be- richten gewesen wäre, so ist die Erklärung dafür nicht sowohl darin zu suchen, dafs der Veifasser selbst Soldat ist, als viehuehr in dem löblichen Brauche, dafs unsere deutschen Prinzen ihren Lebensberuf vorzugsweise iu der Armee finden. Um so mehr verdient hervor- gehoben zu werden, dafs gerade Prinz Georg neben gewissenhafter Erfüllung seiner militärischen Pflichten auch für die Pflege künst- lerischer wie wissenschaftlicher Neigungen stets Zeit gefunden hat. Besonders anmutend sind die Bilder, die der Veifasser ans dem stets durch besondere Innigkeit ausgezeichneten Pamilienleben im prinzlichen Hause entworfen hat. Die Ausstattung des Werkchens, dem zahlreiche Porträts und andere Illustrationen beigegeben sind, ist vorzüglich.

Dresden. H. Ermisch.

Neue Sächsische Kirchensralorie. Bd. I. Die Ephorie Leisnig. Lfg. 1 12. Bd. IL Die Ephorie Freiberg. 2. Abt.: Die kgl. amts- hauptmannschaftliche Delegation Sayda. Lfg. 1 2. Leipzig, Arwed Strauch. (1900.) 448 u. 96 Spp. 4<*.

Von der mit Spannung erwarteten Neuen Sächsischen Kirchen- galerie, deren Herausgabe G. Buchvvald, der in weiten Kreisen rühmlich bekannte Forscher auf dem Gebiete der Reformationsgeschichte, übernommen hat, liegen uns die ersten Lieferungen vor. Bekanntlich erschien in den Jahren 1837 ft'. unter dem Titel „Sachsens Kirchen- galerie" ein Werk in 9 Bänden, das sich die nämliche Aufgabe ge- setzt hatte wie das vorliegende und viel benutzt worden ist und noch benutzt wird, wenngleich nieinaml darülier im Unklaren ist, dafs es dem heutigen Standpunkt der Forschung nicht melir entspriclit. Denn seit seiner Veröffentlichung sind die Archive des Landes weit leichter zugänglich geworden als früher; der Codex diplomaticus Saxoniae regiae, die Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-

denkmäler Sachsens, bändereiclie Zeitschriften wie das Archiv und das Neue Archiv für sächsische Geschichte, die Mitteilungen des Kgl. sächsischen Altertumsvereins und vieler ortsgeschichtliclier Vereine und aufserdem noch eine umfangreiche Speziallitteratur haben eine Fülle neuen ^Materials zu Tage gefördert, das die Bearbeitung von Parochialgeschichten einerseits wesentlich erleichtert, anderseits aber auch höhere Anforderungen an die Bearbeiter stellt.

Der Plan des Werkes ist, die 28 Ephorieen des Landes iu je einem Bande so '/a\ bearbeiten, dafs eine kurze Geschichte der Epliorie im allgemeinen vorangeht, dann die Ephoralstadt und hierauf die

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übrigen Parochieen in alphabetischer Ordnung mit Berücksichtigung der einzelnen dazu gehörigen Ortschaften folgen. Im Vordergrunde steht die Geschichte der Kirche und der kirchlichen Verhältnisse, vor allem nach Einführung der Reformation ; aber im Zusammenhange damit werden auch die Entstehung und Entwickelung der betreffenden Ortschaft, ihre äufseren und inneren Schicksale, ihre Besitzer u. s. w. bald mehr bald weniger ausführlich behandelt, so dafs das Werk zugleich die Vorarbeit zu einem historisch -topographischen Hand- buch Sachsens bietet, dessen Unentbehrlichkeit jeder sächsische Historiker empfindet; denn das für seine Zeit sehr verdienstliche Schumann -Schiäuer'sche Lexikon ist längst veraltet.

Von jeher waren die berufenen Historiker unserer Ortschaften vorzugsweise die Pfarrer; auch die alte Kii'chengalerie ist fast durch- weg von ihnen bearbeitet worden. Es ist höchst erfreulich, dafs trotz der immer gröfser werdenden Anforderungen, die der Beruf an die Geistlichen stellt, doch auch für das vorliegende Werk meist die Orts- pfarrer die Bearbeitung der Geschichte ihrer Parochieen übernommen haben. Eür diejenigen von ihnen, die sich schon vorher mit der Ge- schichte ihres Ortes beschäftigten, wird die Arbeit eine wahre Ereude sein; man merkt das einigen der vorliegenden Artikel an. Aber auch die, denen geschichtliche Interessen ferner lagen, werden sich über- zeugen, wie viel Nutzen sie selbst für ihre amtliche Thätigkeit daraus ziehen können, dafs sie nicht blofs der Gegenwart Beachtung schenken, sondern auch der Vergangenheit, die die Wurzeln dieser Gegenwart in sich birgt und deren Verständnis ihnen erst das volle Verständnis der Gegenwart erschliefst. Sie werden dann auch ihren Pfarrarchiven, diesen beredten Zeugen der Vorzeit, mehr Sorgfalt zuwenden, als dies nach den Erfahrungen des Keferenten hier und da noch der Fall ist.

Dafs bei einer so grofsen Zahl von Mitarbeitern eine gewisse Ungleichmäfsigkeit der Behandhmg nicht zu vermeiden ist, liegt auf der Hand. Abgesehen von der Verschiedenheit der persönlichen Be- gabung macht es doch auch einen grofsen Unterschied, ob dem Ver- fasser ein mehr oder weniger reiches Pfarrarchiv zu Gebote stand, ob er in oder nahe einer gröfseren Stadt, wo er wissenschaftliche Hilfsmittel findet, oder in einem entlegenen Dorfe wohnt. Soll etwas dauernd Brauchbares geschaffen werden, so ist in jedem Falle neben der Ausbeutung der lokalen (Ephoral-, Pfarr-, Stadt-, Gemeinde-, Guts-) Archive die Benutzung des Dresdner Hauptstaatsarchives, der reichsten Fimdgrube unserer ürtsgeschichte , dringend wünschens- wert. Es ist erfreulich, dafs diese Quelle in den meisten uns bis jetzt vorliegenden Arbeiten fleifsig und mit Verständnis benutzt worden ist.

Von mannigfachem Nutzen wäre es gewesen, wenn die all- gemeinen Verhältnisse, die für die kirchliche Organisation unseres Landes vor und nach der Reformation in Betracht kommen, die Bildung und Wandlung der Ei)hGrieen, die Visitationen besonders des 16. und 17. Jahrhunderts, die kirchliche Gesetzgebung in ihren wesentlichsten Grundzügen u. dergl. m. in einer oder einigen einleitenden Lieferungen im Zusammenhang dargestellt worden wären, womöglich unter Bei- fügung einer Ephoral- und Parochialkarte des Landes. Dadurch hätte sich manche Wiederholung namentlich in den die Ephorieen im allgemeinen behandelnden Abschnitten vermeiden lassen. Da es nicht geschehen, so möchten wir empfehlen, wenigstens einen derartigen die Ergebnisse kurz zusammenfassenden Schlufsabschnitt für das ganze Werk in den Plan aufzunehmen. Vor allem aber halten wir

284 Litteratur.

es für dringend geboten, schon jetzt an mögliclist eingehende alpha- betische Register, sei es der einzolncu Bünde, sei es des ganzen Werkes, zu denken; sie würden den Wert der Arbeit wesentlich er- höben.

Die uns bis jetzt vorliegenden Lieferungen betreffen vor allen die Parochie Leisnig. Cieiade diesen Teil Sachsens hat die „Be- schreiltende Darstellung'' noch nicht behandelt; die Verfasser waren daher für die Baugeschichte dei- Kirchen teilweise auf eigene For- schungen angewiesen. Auch der Cod. dipl. Saxoniac läfst hier im Stich: dagegen boten die Werke über die Klöster Altzella und Buch, die Mitteilungen des Leisniger Altertunisvereins, namentiicli die fleis- sigeu Aufsätze und Schriften von Hingst vielerlei Vorarbeiten. Den allgemeinen Teil bat Superintendent Nobbe geschrieben. Sehr ein- gehend behandelt Diakonus Rudol f die Parochie Leisnig. Bekanntlich ist Leisnig einer der ersten Orte unseres Landes, in denen die Refor- mation Eingang gefunden hat; die „Leisniger Kastcnordnung" von 1523 über die'G. Kawerau im 3. Bande des Neuen Archivs einen kleinen Aufsatz gebracht bat, der den Bearbeitern unbekannt geblieben zu sein scheint hat vorbildliche Bedeutung gewonnen. Unter den übrigen Arbeiten mögen besonders die von Keller über Döbeln, von Klette über Etzdorf, von Thomsen über Gersdorf, von Jaeger über Grofsweitzschen, von Lunderstädt über Grünlicbteuberg, von Külz über Hainichen und in der 1. Lieferung des Bandes II- die sorgfältige Arbeit von Elster über Sayda hervorgehoben werden; doch machen auch die ül»rigen Beiträge einen durchweg guten Ein- druck. Die Verfasser halien sämtlich iieifsig gesammelt und meist auch in ansprechender, volkstümlicher Form dargestellt Ist hier und da ein Mifsverständnis, ilie Benutzung einer unzulässigen Vorlage u. dergl. m. mit untergelaufen, so sind das Einzelheiten, auf die ich hier, wo es mir nur auf die Charakteristik des Werkes im allgemeinen ankommt, nicht eingehen kann.

So läfst der Anfang des grofsen Sammelwerkes hoffen, dafs seine Fortführung auf keine erheblichen Schwierigkeiten stofsen und dafs es nach seiner Vollendung eine bedeutungsvolle Bereicherung unserer Heimatsgeschichte sein wird. Wii' werden von Zeit zu Zeit an dieser Stelle auf die „Neue Sächsische Kircheugalerie" zurückkommen.

Dresden. H. Er misch.

Erster Naclitrag zum Album der evangeliscli-lntliorischeii <iieis1- licheii im Konigrolcli Saclisoii. Bearbeitet von Taul Hermauii

Kreyssig, Pfarrer in Lauterbach. Crimmitschau, Robert Raab.

28 SS. 80.

Wenn kaum zwei Jahre nach dem Erscheinen der ZAveiten Auf- lage des „All)um-' schon ein Nachtrag notwendig geworden ist, der sehr wesentliche Berichtigungen enthält, so tiifft den Herausgeber deswegen kein Vorwurf. " Etwa gleichzeitig mit der neuen Auflage veröffentlichten Georg Buchwald und H. J. Schcuftler im 12. und 13. Hefte der „Beiträge zur sächs. Kirchengeschichte" eine Arbeit über die in Wittenberg ordinierte Geistlichkeit der Parochieen des jetzigen Königreich Sacbsen auf Grund der Wittenberger Ordiniertenbücher, die eine grofse Zahl von Verbesserungen und Nachti'ägen enthielt. Weitere ergaben die Durchsicht eines grofsen Teils der im Haupt- staatsarchiv vorhandenen Visitatiousakten, der sich P. Krejfsig

Litteratur. 285

unterzogen hat, und ein Aufsatz des Pfarrers Planitz über die Geist- liclien iu den Ephorieen Colditz, Leisnig-, Grimma und Zwickau im Jahre 1545, die an ziemlich versteckter Stelle, nämlich iu der kirch- lichen Beilage zum Zwickauer AVochenblatt, erschienen ist. Jeder der zahlreichen Benutzer des „Album" wird dem Herausgeber nur dankbar dafür sein, dafs er die so gewonnenen Nachträge veröffentlicht; denn eine Neuausgabe des „Album" dürfte wohl fürs Erste nicht zu erwarten sein.

Dresden. H. Er ml seh.

1. Reformationsgeschiclite der Stadt Leipzig. Von Georg Bucli- wald. Illustriert. Leipzig, Bernhard Richter. 1900, 3 Bll. 212 SS. 80.

2. Franz Willielm Kreuclianfs Schriften zur Leipziger Kunst 1768 bis 1782. (A. u. d. T. : Leipziger Neudrucke. Herausgegeben von G. Wiistmann. Zweites Bändchen.) Leipzig, J. C. Hinrichsche Buchhandlung. 1899. 120 SS. 8».

3. Leipzig uud die Leipziger Imuiobiliengesellscbaft. Ein Beitrag zur Geschichte der Stadt im letzten Drittel des neunzehnten Jahr- hunderts. Von Gustav Wustmaun. Leipzig, im Verlage der Leipziger Immobiliengesellschaft. 1899. VII, 181 SS. 8«.

4. Reden und Anspraclien des Oberbürgermeisters der Stadt Leipzig Dr. Otto Georgi aus den Jahren 1874—1899. Gesammelt und bei seinem Scheiden aus dem Amte nach fünfundzwanzigjähriger Thätigkeit ihm dargebracht von den städtischen Beamten. Leipzig am 30. September. 1899. XVI, 280 SS. 4».

5. Burkbardswalde (Ephorie Pirna). Geschichte der Kirchfahrt und der vier zu ihr gehörigen Dörfer Burkhardswalde, Biensdorf, Grofs- röhrsdorf, Nenntmannsdorf. Von Dr. ph. Jobannes A. Dietterle, Pfarrer zu Biu'khardswalde. Dresden, Druck der Druckerei Glöfs. 1900. XII, 244 SS. 8".

6. Illustrierte Cbronilf von Grünberg und Umgebung. Ein Bei- trag zur Volkskunde Sachsens. Von Gustav Adolpb Frost, Pfarrer zu Grünberg. Crimmitschau, Raab. 1900. 152 SS. 8^.

7. Bunte Bilder aus vergangenen Tagen. Beiträge zur Geschichte der Parochie Thum von K. A. Scbmidt, Pfarrer. Thum, Emil Deutsch. 1900. VIII, 160 SS. 8».

S. Beiträge zur Geschiebte der Herrscbaft Wiesenburg und der Stadt Kircbberg im Sächsischen Erzgebirge. Nach Quellen be- arbeitet von Anton Bär, Vicedirektor und Organist einer. Mit einem Porträt uud 25 Illustrationen. Kirchberg, J. C. Kandel. 1898. 2 Bll. 474 SS. 8«.

9. Lugau in alter und neuer Zeit. Mit Berücksichtigung einiger Kulturzustände und Zeitverhältuisse bearbeitet vor Hermann Unger, Lehrer in Lugau. Lugau, Druck von Herrn. Meyer. (1899.) 194 SS. 8».

10. Urkunden zur Gescbicbte der Stadt Kabla. Herausgegeben vom Altertumsforschenden Verein zu Kahla. Bearbeitet von Dr. H. Bergner, Pfarrer zu Pfarrkefslar. Mit einer Siegeltafel. (A. u. d. T.: Geschichte der Stadt Kahla. I. Bd.) Kahla, J. Beck. 1899. II, 222 SS. 8".

286 Litteratur.

11. Aus der (ioscbichte der Reichsstadt Mühlhausen in Tliüringen. Von Prof. Dr. Eduard Heydeiirelch, Arcliiva)' dfr Stadt Miihl- hausen. Mit 11 Holzschnitten und (j Lichtdruck-Tafeln. Halle a./S., Otto Hendel. 1900. XIX, 60 SS. 8".

Wie wir das bereits früher gethan (verg-l. XX, 179 ff'.), fassen wir hier die Anzeigen einer Anzahl neuerdings erschienener Schriften aus dem Gebiete der sächsischen Ortsgeschichte zusammen. Wir erstreben dabei keineswegs Vollständigkeit; ein Blick in unsere Litteraturübersichteu zeigt, dafs noch manches andere erschienen ist, was wohl Beachtvrng verdient, und unsere Nachweise würden noch reicher sein, wenn Verfasser und Eedaktioncn uns häufiger, als es trotz wiederholter Auffoi'derungen geschiebt, die betreffenden Arbeiten zuschickten. Eine besonders ergiebige Fundgi'ube für lokalgeschicht- liche Arbeiten, die Zeitschriften unserer zahlreichen Geschichtsverciue, können wir aus Eaunirücksichten lediglich in jenen Übersichten be- rücksichtigen; wir beschränken uns hier auf selbständige Publi- kationen.

Wenn die angeführten Arbeiten nicht sämtlich den Anforderungen entsprechen, die man vom wissenschaftlichen Standpunkte aus an sie stellen mufs, so liegt dies daran, dafs die Verfasser sowohl bei der Sammlung als bei der Verarbeitung des Materials oft nicht methodisch genug verfahren sind. A^ielleicht wäre es ganz wünschenswert, ein- mal eine kurze Anweisung zur Bearbeitung von Ortsgeschichten zu- sammenzustellen ; doch würde eine solche Schrift auch ihre Gefahren haben; sie würde leicht zu einer schablonenhaften Ausführung der doch immerhin verschiedenen Aufgaben führen. Ein dringendes Be- dürfnis aber wäre eine kurze Quellenkunde der sächsischen Geschichte, die auch neben der grofsen von der königl. sächsischen Kommission für Geschichte geplanten Bibliographie, bis zu deren Vollendung wohl noch Jahre vergehen werden, ihren Wert behalten würde. Einstweilen müssen dem Lokalhistoiiker die bekannten Werke von Weinart und P. E. Richter genügen, um ihm den Überblick ülier die bisherige Litteratur zu verschaffen, mit dem er seine Arbeit anfangen mufs. Dann aber hat er sich an den wichtigsten Teil der Vorarbeiten zu machen, an die Sammlung und Prüfung des Quellenmaterials, wobei er stets mit den originalen Quellen, Urkunden, Akten u. s.w. zu beginnen hat. Selbstverständlich sind diese ziinächst in den lokalen Archiven (der Stadt- oder Landgemeinde, des Kitterguts, des Amts- gerichts, der Pfarre u. s. w.) zu suchen. Daneben ist es dringend nötig, in jedem Falle festzustellen, ob und welche Nachrichten das Dresdnei- Hauptstaatsarchiv besitzt; denn meist sind dieselben reicher als die der kleinen, oft durch Brand und Krieg und leider auch lang- jährige Vernachlässigung arg mitgenommenen Sammlungen.

Man wende ja nicht ein, dalk diese Mühe zu grofs ist für eine Arbeit, die lediglich für die Bewohner des betreffenden Ortes be- stinnnt ist. Einmal ist jedes gedruckte Buch Gemeinbesitz aller, und es ist schade um die darauf verwandte Mühe, wenn es nicht auch weiteren Kreisen einen gewissen Nutzen bringt. Dann aber will der Veifasser doch denen, die er zunächst im Auge hat, nicht blofs ein(! vorübei'gehend interessante Lektüi'e, son<le]-n ernste Be- lehrung bieten, und deshalb hat auch die kleinste Ortschronik keine andere Aufgabe als das gröfste Geschichtswerk: sie soll die Ver- gangenheit so darzustellen suchen, wie sie wirklich gewesen ist, ihr oberstes Streben soll das nach Wahrheit sein, und zu ihrer Erforschung

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mufs der Laie dieselben Mittel anwenden wie der Fachmann. Wer dazn nicht Neigung oder Fähigkeit hat, thut besser, die Arbeit anderen zu überlassen.

Erst wenn durch fleifsige und sorgfältige Materialsamnilung eine solide Grundlage geschaffen ist, kann die Gliederung und Verarbeitung des Stoffes erfolgen. Dabei fällt die Verschiedenheit der persönlichen Veranlagung noch schwerer ins Gewicht als bei jener Vorarbeit-, auch besondere Umstände kommen in Betracht, wie es denn oft einen grofsen Unterschied macht, ob ein Werk aus einzelnen Vorträgen und Zeitungsartikeln entstanden oder ob es aus einem Gusse ge- arbeitet ist. Die Hauptsache aber bleibt die gewissenhafte Quellen- forschung; ist eine solche vorangegangen, so wird auch dann, wenn die Verarbeitung zu wünschen übrig läfst, etwas immerhin Brauch- bares zu Stande kommen.

Diese Vorbemerkungen beziehen sich namentlich auf die zu besprechenden Chroniken kleinerer Ortschaften. Von unseren Grofs- städten ist Dresden diesmal gar nicht zu erwähnen gewesen. Zur Geschichte von Leipzig nennen wir abgesehen von dem jetzt vollendet vorliegenden Neudruck von Karl Grofses Geschichte der Stadt Leipzig (Leipzig, Zangenberg & Himly), für den es genügen mag, auf unsere frühere Anzeige Bd. XX S. 184 hinzuweisen in erster Linie Georg Buchwalds Reformationsgeschichte der Stadt Leipzig (Nr. 1). Dafs sie nichts Neues bringt, sondern lediglich die Ergebnisse der bisherigen Forschung in übersichtlicher Form und volkstümlicher Sprache der Gemeinde und der Schule bieten will, sagt der Verfasser selbst im Vorwort. Er hat seine Aufgabe treff- lich gelöst. Zunächst giebt er eine mit woblthuender Objektivität ge- zeichnete Schilderung des katholischen Leipzig, wie es kui'z vor Beginn der Reformation aussah ; den Hauptteil der Schrift bildet die Darstellung des Kampfes zwischen der neuen und der alten Lehre, der ja gerade in Leipzig unter dem Einflüsse des Herzogs Georg oft recht dramatische Formen annahm; ein Schlufskapitel behandelt den Sieg des Evangeliums und die ei'Ste Organisation des neuen Jyrchenwesens in der Stadt Leipzig. Dafs der Verfasser mit Geschick und selbständigem Urteil aus der reichen Litteratur herauszufinden gewufst hat, was für seine Ausführungen geeignet ist, versteht sich bei einem so gründlichen Kenner der Reformation wohl von selbst. Die Aufnahme von drei längeren Predigten Luthers (1519, 1534, 1545) und seinem schönen Trostbriefe an die votriebenen Leipziger (1533) dem vollen Wortlaut nach, jedoch in modernisierter Sprache, kann man nur billigen; nichts vermag uns besser in den Geist jeuer tief- bewegten Tage zu versetzen. Reicher und gut gewählter illustra- tiver Schmuck ziert das hübsch ausgestattete Büchlein; viel hat dazu der Verein für die Geschichte Leipzigs beigesteuert, dem es der Verfasser gewidmet hat.

Das zweite Heft von Wustmanns Leipziger Neudrucken (Nr. 2) enthält vier Aufsätze des auch in Göthes Dichtung und Wahrheit genannten Franz Wilhelm Kreuchauf. Geboren 1727 als Sohn eines wohlhabenden Leipziger Kaufmanns, war Kreuchauf bis zu seinem 37. Jahre in dem väterlichen Geschäfte, das nach des Vaters Tode in den Besitz seines älteren Bruders überging, thätig; seitdem widmete er sich ganz seinen Kunstliebhabereien, sammelte Kupfer- stiche und war, als der Bankerott seines Bruders ihn in Mitleiden- schaft gezogen, auch schriftstellerisch thätig. Im Jahre 1768 ver- fafste er einen Katalog der bedeutenden Gemäldesammlung Gottfried

288 Litteratur.

"Wiuklers , ans dem die in mancher Hinsicht lehrreiche Zuschrift au den Besitzer und die Beschreihuug- der BiUlor Adam Friedrich Oesers mitj^etcilt Averdcu. Kreuchauf war ein unbedingter Verehrer des damals liochberühmten Leijjziger Künstlers; als solcher ist er auch in Alphons Dürrs Werk über Oeser (1879) bereits eingehend ge- würdigt wüideu. Auch die ülirigen von Wustniann neu abgedruckten Scliriften behandeln ()eser"sche Werke: das jetzt verschwundene (icUertmonument (1774), die allegorischen Gemälde Oesers im Hause des Geh. Kriegsrats Müller, in den Leipziger Musiksälen, im Kitter- gut zu Gohlis und im Gartenhausc des Parks zu Nischwitz. Der Wert dieser Schriften liegt hauptsächlich in dem, was nelienher für die Stadt- geschichte abfällt; vor allem ist die an erster Stelle erwähnte Widnmng an Wiuklcr „eine der lehrreichsten kleinen Quellenschriften zur Ge- schichte Leipzigs im achtzehnten Jahrhundert; sie steckt voller An- .spielungen auf die damaligen litterarischen und Kunstznstände Leipzigs und giebt in jeder Zeile Anlafs zum Denken, Fragen und Forschen". Trotzdem hat W. von einem eigentlichen Kommentar zu dieser und den anderen Schriften mit Rücksicht auf den Plan der Sammlung abgesehen; er fügt aufser einem Nachwort über Kreuchaufs Lehen und Persönlichkeit nur wenige sachliche Anmerkungen hei und ver- weist im übrigen auf die bisherige Litteratur, vor allem seine eigenen Aufsätze und sein „Leipzig durch drei Jahrhunderte".

Mitten in die neueste Zeit der Stadt Leipzig versetzt uns die unter 3 genannte Schrift. Die gewaltige Entwickelung, die in den letzten Jahrzehnten allenthalben in Deutschland die Städte, nament- lich die giöfseren, durchzumachen haben und die ihren Ausdruck in baulichen Umgestaltungen findet, wie sie in gleichem Mafse noch nie bisher stattgefunden haben, hat im Jahre 1872 zur Begründung der Leipziger Immobilicngesellschaft geführt. Das 25jährige Be- stehen dieser Gesellschaft liefs den Wunsch rege werden, einen Überblick über ihre bisherige umfangreiche Thätigkeit zu haben; der Direktor Dr. Colditz fand in Wust mann, dem Leiter des Leip- ziger Stadtarchivs, eine Kraft für die Bearbeitung einer solchen Übersicht, wäe man sie sich nicht besser wünschen konnte. Es ist ja gewifs keine leichte Aufgabe für den Geschichtsforscher, der ge- wöhnt ist, seinen Blick in die Vergangenheit zu richten, sich auf das Gebiet einer modernen kaufmännischen Unternehmung zu wagen; Wustmann hat diese Schwierigkeit dadurch überwunden, dafs er die Aufgabe ganz als Historiker angritf : er fafste die Gesellschaft weniger als Erwerbsgesellschaft ins Auge, sondern untersuchte vielmehr ihren Einflufs auf das wirtschaftliche Leben und vor allem auf die bauliche Entwickelung der Stadt; daher ist der Titel durchaus richtig ge- wählt. Das nebenbei sehr hül)sch ausgestattete Werk bietet in fesselnder Form nicht blofs dem Leipziger eine durch gelegentliche Hückblicke in die Vergangenheit bis ins Mittelalter zurück besonders lehrreiche Geschichte der Umgestaltung des Stadtbildes in den letzten Jahr- zehnten, soiulern gewährt auch jedem Forscher auf dem Gebiete der allgemeinen Stadtgeschichte reiche Anregung und Belehrung; denn so manche hier berührte Erscheinung kehrt in jeder werdenden Grofs- stadt wieder, wenn auch nicht jede so glücklich ist, eine Gesellschaft zu besitzen, die neben dem privaten das öffentliche Interesse niemals aufser Acht gelassen hat und dadurch der Stadt wie dem Staat gegen- über zu einer seltenen Vertrauensstellung gelangt ist. Auf Einzel- heiten können wir schon deshalb nicht eingehen, weil dazu eine speziellere Kenntnis der Leipziger Stadtgeschichte und des Wesens

Litteratur. 289

einer derartigen Gesellschaft gehören würde, als sie Referent besitzt. Dem Nichtleipziger würde die Beifügung eines kleinen Stadtplans, auf dem die Unternehnmngen der Imniobiliengesellschaft farbig hervor- gehoben wären, die Eenntziuig des Euches wesentlich eileichtert haben.

Die sinnige Ehrengabe, die die städtischen Beamten ihrem Oberbürgermeister Georgi beim Rücktritt aus seinem Amte gewidmet haben (Nr. 4), gehört nicht eigentlich zur stadtgeschichtlichen Littera- tur, spiegelt aber doch ein gutes Stück Leipziger Geschichte wieder und mag daher wenigstens mit einigen Worten erwähnt werden. Die 99 teils kürzeren, teils längeren Reden, Ansprachen und Trink- sprüche, die hier in sorgfältiger Textbearbeitung mitgeteilt werden, sind nicht blofs zum gröfsten Teil in ihrer Art nach Inhalt wie nach Form wahre Kal)inettstücke, sondern sie geleiten den Freund der Stadtgeschichte auch getreulich Schritt vor Schritt durch ein Viertel- jahrhundert, das gerade für die Entwickelung Leipzigs von gröfster Bedeutung geworden ist, lassen kaum ein für diese Entwickelung bedeutsames Moment unberührt und geben vor allem eine Reihe un- schätzbarer Stimmungsbilder, Avie man sie aus Akten und Urkunden nicht herauslesen kann. Darum gebührt dem Gedanken und dem, der ihn ausführte und das ist in er.ster Linie wiederum G. Wust- mann gewesen uneingeschränkte Anerkennung.

Von den Arbeiten über kleinere Ortschaften nennen wir an erster Stelle Dietterles Schrift über Burkhardswalde und die dahin eingepfarrten Ortschaften (Nr. 5). Der Verfasser fand nur wenige Vorarbeiten vor: Aufzeichnungen des Pfarrers Manitius 1700 1724, des Lehrers Ehrich 1798- 1819; die Kirchenbücher der Parochie sind seit 1600 vorhanden. Reiches Material aber bieten das Hauptstaats- archiv, das Pirnaer Rats- und Ephoralarchiv, das Ai'chiv des Landes- konsistoriums, die Reste eines Archivs im Schlosse Weesenstein; von den Geraeindearchiven, die bei uns meist in recht üblem Zustande sind, zeichnet sich das von Nenntmannsdoif, dank der Thätigkeit des Gemeindevorstandes C.W.Voigt, durch gute Ordnung und Reichhaltig- keit aus. Auch die vorhandene Litteratur hat D. mit grofsem Fleifs benutzt. Vor allem aber versteht er nicht blofs zu sammeln, sondern auch mit verständiger Kritik zu sichten. Das zeigt sich schon in der vorausgeschickten kurzen Übersicht über die ältere Geschichte der Burggrafschaft Dohna; zu Seite 4 Anm. bemerke ich, dafs ich die von Knauth angeführte Notiz zum Jahre 808 in Reginos Chronik nicht tinde. Auch mit den Bemerkungen über die auf deutsche Personennamen zurückgehenden Namen der vier Dörfer und ihre inutmafsliche Gründung durch fränkische Einwanderer um 1200 können wir uns einverstanden erklären. Dann folgen Nachrichten über die älteste urkundliche Erwähnung der Orte und ihrer Erbherren. Die drei ersten geholten seit dem 16. Jahrhundert zur Herrschaft Weesen- stein, die bis 1772 im Besitz der Familie von Bünau war; wenn der Verfasser davon absieht, auf die verwickelte Geschichte dieser Familie einzugehen, so können wir diese Selbstbeschränkung nur billigen. Sehr dankenswert sind die meist den Erbregistern entnommenen wirtschaftsgeschichtlichen Angaben. Nur wenig war über die poli- tische Geschichte der Dörfer namentlich ihre Kriegsleiden vom vom 16. bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts zu berichten. Die gröfsere Hälfte des Buches nimmt die Kirchen- und Schulgeschichte ein. Zu Seite 198 bemerken wir, dafs das auf der grofsen Glocke betindliche Wappen das der Herzöge von Croy-Dülinen ist (Siebmacher- Hefner III. Abth. 1. Bd. Taf. 7). Dazu stimmt auch der auf den

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXI, 3. 4, 19

290 Litteratur.

Niederrlieiu liinweisende Giefseniarae Legros. Ob es freilich je ge- lingen wird, die Herkunft der 174f) gegossenen Glocke, die man 1802 von französischen Soldaten gekauft hat, zu ermitteln, ist sehr fraglicli.

Einen ebenfalls im allgemeinen recht ansprechenden Eindruck macht Erosts Chronik von Grünberg (Nr. 6). Auch sie beruht auf umfassenden archivalischen Eorschungeu und fleifsiger, auch nicht kritikloser Benutzung der Litteratur, obwohl manche zweifelhafte Nachiirht des unzuverlässigen Liiiiiuer, der alten Kirchengalerie u.s. w. Aufnahme gefunden bat. Anordnung und Verarbeitung des itaterials hätten wohl geschickter gemacht werden können. So finden sich im ersten, ültrigens recht belehi'endeu Abschnitte „Geographisches" zahl- reiche geschichtliche Notizen über Grünberg und benachbarte Ort- schaften, sowie die Städte Crimmitschau, Meerane, Schmölln und Güfsnitz, die besser in den letzten Abschnitt gehört hätten und sich dort teilweise wiederholen. Der zweite uiul dritte Abschnitt gehören der jungen Wissenschaft der Volkskunde an und sind sehr dankens- wert, da sich geiade an der Grenze der altenburgischen und sächsischen Lande noch viel Volkstümliches erhalten hat; zum Vergleich mag auf den Aufsatz von E. John über Sachsens Bauern an der alten- burgischen Grenze im zweiten Bande der Mitteilungen des Vereins für siichsisclie Volkskunde hingewiesen werden. Zu den hier mit- geteilten Sagen hätte die Quelle, der sie entnommen sind, bemerkt Averden sollen; bei dem sehr ungleichen Alter und Wert der sagen- haften Tiberlieferung sollte dies nie versäumt werden. Der vierte Abschnitt „Geschichtliches" giebt eine Übersicht über die Geschichte der Paroehie, die in den Angaben ül)er die älteste Zeit freilich vielfach auf unsicheren Vermutungen beruht; wieder wird König Heinrich I. als der Städteerbauer bezeichnet, obwolil sicher noch Jahrhunderte nach seinem Tode vergangen sind, bevor in jeuen tiegenden die erste Stadt entstand; ganz unglaubhaft ist, dafs das Christus- und Marien- bild in Schmölln aus dem 10. Jahrhundert stammen soll; auch die ]5emerkungen ül)er das Alter der Kirchen in Heiersdorf und Grünberg, die Bchauptuna;, dafs Peter von Dresden von Zwickau aus hussitische Lehreu in der dortigen Gegend verl)reitet habe, u. dergl. m. ent- behren der Begründung. Immerhin beruht doch auch dieser Teil meist auf Quellen erster Hand. Die Anordnung ist namentlich seit Beginn des 17. Jahrhunderts rein annalistiscb ; die Darstellung der neuesten Zeit ist mit Ilücksicht auf den Leserkreis recht breit aus- gefallen. Im ganzen aber ist das Buch ein durchaus brauchbarer Beitrag zur Ortsgeschichte.

Weniger gefallen uns die drei folgenden Schriften; sie haben mit einander gemeinsam, dafs sie aus Vorträgen und Einzelaufsätzen heraus- gewachsen sind und dafs es den Verfassern nicht gelungen ist, durch gründliche Verarbeitung des Materials die Erinnerung an diesen Ur- sprung zu verwischen. Auch die Sammlung und Sichtung der Quellen alle drei ]ial)en das Hauptstaatsarchiv nicht benutzt und die Aiiswahl der benutzten Litteratur lassen zu wünschen übrig. So sollte man über die dunkeln ältesten Zeiten, die auf die Chronisten stets einen verhängnisvollen Reiz ausüben, niemals etwas schreiben, ohne das treffliche Werk von E. 0. Schulze: „Die Kolonisierung und Ger- manisierung der Länder zwischen Saale und Elbe" (Leipzig 189(i) sorgfältig stuiliert zu haben, und für die allgemeine Geschichte Sachsens, die ohnehin nur so kurz wie möglich anzudeuten ist, sollte man lieber Gretschel oder Böttiger -Elathe als E. W. Richters Be-

Litteratur. 291

schreibuug des Königreichs Sachsen (1851) und Kämmeis sächsische Geschichte zu Rate ziehen. K. A. Schmidt (Nr. 7) hat die wichtigen Schriften von Falke über Geyer (Mitteil, des k. sächs. Altertums- vereins Heft 15) und Julius Schmidt über die Zöblitzer Serpentin- industrie (ebenda Heft 19, Beigabe) übersehen. Dankenswert ist die Benutzung der handschriftlichen Cbronik Wilh. Steinbachs in der Leipziger Stadtbibliothek, wenn auch manche der darin enthaltenen Nachrichten der Kritik und Ergänzung bedurft hätten. Auf das vielfach benutzte Thumer Kauf- und Gerichtsbuch von 1445 hat Referent bereits in dieser Zeitschrift X, 212 hingewiesen. Im übrigen können wir auf die bunte Fülle von Einzelnachrichten über Ritte}'gut und Stadt Thum , die dortige Kirche , das eingepfarrte Dorf Jahns- bach, den Bergbau jener Gegend u. s. w. nicht eingehen; als nach- ahmenswert möchten wir die statistischen Auszüge aus den Kirchen- büchern (S. 154 ff.) hervorheben.

Über den stattlichen Band, den Anton Bär der Geschichte der Stadt Kirchberg und nebenher der Herrschaft Wiesenburg gewidmet hat (Nr. 8), wird es uns besonders schwer ein Urteil zu fällen. Der Verfasser fühlt selbst, dafs ihm die Verarbeitung des Materials nicht besonders gelungen ist; viel hat dazu der Umstand beigetragen, dafs die Veröffentlichung der zweiten Hälfte, die Kirchbergs neuere Ge- schichte behandelt, erst beschlossen wurde, als die erste bereits gedruckt war. Auf Vorarbeiten anderer konnte sich Bär nicht stützen; auch die archivalischen Quellen sind, namentlich wegen der häufigen Stadtbrände, sehr dürftig; das Wichtigste enthalten die auch erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts beginnenden Stadtbücher. Übrigens hätte der Verfasser auch im Hauptstaatsarchiv nicht viel gefunden. Bär hat, das Lob können wir ihm nicht versagen, fleifsig gesammelt und viel gelesen; aber er versteht es gar nicht, sein Material zu sichten. Das ..Kulturbild aus dem Erzgebirge in früherer Zeit", das die Einleitung bildet, mag als Vortrag die Hörer interessiert haben, wäre aber besser ungedruckt geblieben; die meist auf veralteten Werken beruhenden Angaben über die ältesten Einwohnerverhältuisse, die Eutwickelung der ländlichen Bewohnerschaft aus der Uufreilieit zur Freiheit, die Eutwickelung der Städte aus den Dörfern u,.s. w. geben ein schwerlich zutreffendes Bild. Besser ist die kurze Über- sicht über die Geschichte der Herrschaft Wiesenburg; ihre Gründer freilich, die Herren von Wiese, sind eine Erfindung von Gauhe. Dann folgt ein Abschnitt über Kirchbergs älteste Geschichte; geben wir auch zu, dafs die Kirche als die älteste Wurzel des Orts anzusehen ist, so können wir doch den kühnen Vermutungen des Verfassers über die Gründungszeit der ursprünglichen Kapelle und ihre Eut- wickelung zur Pfarrkirche nicht folgen. Ebenso wenig beweiskräftig ist, was Bär über die Entstehung der Stadt in den Jahren 1286 1315 sagt; doch mag die Zeitangabe ungefähr das Richtige treffen, da eben in dieser Zeit mehrere der kleineren erzgebirgischeu Städte be- gründet worden sind. Aber dafs die Stadt ursprünglich dörflichen Charakter getragen und erst nach der Zerstörung durch die Hussiten 1429 in der heutigen Form erbaut worden ist, entspricht nicht dem, was wir sonst über die Entstehung unserer Städte wissen (vergl. meinen Aufsatz in Wuttke, Sachs. Volkskunde 2. Aufl. S. 127 ff.). Dankenswert wäre die Beifügung des merkwürdigen dreieckigen Stadtplans mit drei Thoren gewesen. Die Darstellung des Gerichts- wesens und der Stadtverwaltung ist vielfach unklar. Willkommen ist die Mitteilung des Stadtrechts, wenn auch in der vielfach ver-

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292 Litteratur.

änderten Form von 1600; in seinen Giuntlziigeu geliört es wohl der Entstf'hnns'szeit der Stadt an; unriihtii;- ist jedoch die Aiii^'alic, dafs di(! crzgebiri>isclien Stadtrechte säiutlicii als Nachliilduiijj;'en des Leipziger und Freibergcr Rechts anzusehen sind. Die Darstellung der Stadtgeschichte wird unterbrochen durch ein paar ]\Iisz('llen über zwei berühmte Kirchberger, den russischen GreneralK'uliiant Karl von Hochuiuth (y 17o()) und seinen (lenossen Klingeultcrg, ülicr die JJoiI>ergsage, den Taut- oder Hoidenstein zwischen Lauterliufcn und übererinitz. Der nächste Abschnitt: „Aus Kirchbergs neuerer Ge- schichte" enthält eine Übersicht über die spätere Entwickclnng der stä<ltischen Verfassung, Kirche, Schule, Armenwesen, Polizei, Feuer- löschwesen u. dergl. m., die ebenfalls von der Lückenhaftigkeit des Materials zeugt, aber auch von dem Bestreben des Verfassers, die Lücken durch Heranziehung von Nachrichten über andere Städte auszufüllen; es ist das stets gefährlich, selbst dann, wenn man über genauere Kenntnis der allgemeinen städtischen Entwickelung verliigt als der Verfasser; eine Durchsicht der städtischen Urkundenbücher des Cod. dipl. Sax., von Richters Verfassungs- und Verwaltuugs- geschichte Dresdens Werke, die jeder Stadtchronist kennen sollte würde ihm vor maiicdier gewagten Behauptung bewahrt haben. Der befriedigendste Abschnitt des Buches ist wohl der über „das industrielle Kirchberg sonst und jetzt", besonders die aus dem ziemlich reich- haltigen Innungsarchiv geschöpfte Geschichte des Tuchmacherhand- weiks. Den Schlufs bildet die übliche Ül)ersicht über „wichtigere Ereignisse" seit 150() und ein Abschnitt „Allgemeines über Kirch- berg", der geographische und klimatologisehe Bemerkungen, Mit- teilungen über bestehende Gesellschaften und manches andere enthält.

Auch II. Ungers Schriftchen über Lugau (Nr. 9) enthält neben einer Reihe l)rauchbarer Nachrichten, unter denen wir besonders auf die über die Entwickelung des Steinkohlenbergbaus hinweisen möchten, manche kühne Behaujitung und manchen offenbaren Irrtum, nament- lich für die ältere Zeit; auch hier fehlt es an der kritischen Sichtung und an der genügenden Durcharbeitung des Materials.

Wir schliefsen mit der Anzeige von zwei Schriften, die, streng- genommen, nicht in unser Gebiet gehören, aber wegen der mannig- fachen Beziehungen der fraglichen Orte zu Sachsen doch erwähnt werden müssen.

Der Alteitumsverein zu Kahla, der durch seine ,, Mitteilungen" sich längst als einer der strebsamsten unter den thüringischen Ver- einen erwiesen, hat anläfslich der Gedächtnisfeier der 500 jährigen Vereinigung dei- Stadt mit dem Hause Wettin die Bearbeitung einer Stadtgeschichte beschlossen und beginnt dieselbe, was durchaus zu billigen ist, mit der Veröffentlichung einer Urkundensammlung zur Geschichte der Stadt bis 1544 (Nr. 10). Sie l)escluäukt sich auf die Materialien des Stadtarchivs, das 92 Urkunden und ein vom Heraus- geber entdecktes Stadtbucli (14.50 1509) enthält. Von der Benutzung anderer Archive und von Hinweisen auf bereits veröffentlichte Ur- kunden aus derselben ist abgesehen worden. Müssen wir auch die dafür geltend gemachten Gründe namentlich die geringen Mittel des Vereins gelten lassen, so möchten wir dech darauf hinweisen, dafs es sehr l)edenklic]i sein würde, an die .-\bfassung der Stadtgesdiic hte selbst zu gehen, ohne wenigstens die Archive zu AVeimar, Alteaburg und Dresden durchforscht zu haben; namentlich in den Kopialbänden des Dresdner Archivs wird sich mancherlei Material linden lassen. Auch die sorgfältige Durchsicht der vorhandenen Litteratur, besonders

Litteratur. 293

der Urkiuidenbüclier, kann sich der Herausgeber nicht schenken ; denn die Vollendung von Dobeneckers vortretflichem, aber naturgemäfs lang- sam fortschreitenden Regestenwerk wird er gewifs nicht abwarten wollen. Aber abgesehen von der Selbstbeschränkung des Heraus- gebers macht die Sammlung einen sehr guten Eindruck. Zunächst enthält sie 77 Urkunden (1350 1544), meist in vollem Wortlaut, einzelne in Regesten ; die Texte sind nach neueren Editionsgrund- sätzen redigiert und scheinen, abgesehen von einigen Lesefehlern in lateinischen Urkunden (z. B. Nr. 10 exterta für ex certa, Nr. 31 austoV, conferta für confecto, Nr. 41 obilibus für ubilibet u. dergl. m.), zu- verlässig zu sein. Dann folgen als „Rechtsdenkmale der Stadt Kahla" nach dem Stadtbuch die Stadtrechte von 1455 wobei es sich vom editorischen Standpunkte wohl empfohlen hätte, für die zweite Hälfte statt der erweiterten Form (fol. 173 und 174) die älteste Form (fol. 214) zu Grunde zu legen und die Erweiterungen in die Anmerkungen zu verweisen und die ältesten Innungsstatuten. Der sonstige Inhalt des Stadtbuchs ist, sachlich und zeitlich geordnet, im folgenden A.b- schnitte wiedergegeben und zwar zunächst „der Stadt Händel", meist Einträge über vor dem Rat vorgenommene Akte der nicht streitigen Gerichtsbarkeit und einige Urfehden, dann die Bürgeraufnahmen, endlich ein Steuerregister von 1458, ein Zinsverzeichnis von 1455 und (nach einer Originalaufzeichnung) ein Seelenregister der Nicolaus- kapelle von ca. 1500. Den Schlufs bilden ein Register, das sich leider mit Rücksicht auf den Raum einige Abkürzungen gefallen lassen mufste, und eine Siegeltafel.

Die kleine Schrift über Mühlhauseu (Nr. 11) ist aus einem Vor- trage entstanden, mit dem der Archivar dieser Stadt, E. H eyd eu- re! ch, den von ihm begründeten Altertumsverein für Mühlhausen eröffnete. Auf die Wichtigkeit der Geschichte von Mühlhausen, iiber die schon verschiedene Arbeiten vorliegen, wenn es auch an einer den heutigen Anforderungen entsprechenden Stadtgeschichte noch fehlt, hat namentlich der erste Bantl des im Auftrage des Magistrats von K.Herquet herausgegebenen Mühlhäuser Urkundenbuches (— 1850) hingewiesen; leider läfst die Fortsetzung noch immer auf sich warten, und doch besitzt das Mühlhäuser Archiv in seinen Urkunden, Briefen und Briefhüchern ein besonders reiches Material für das ausgehende Mittelalter. Hoffen wir, dafs es dem Verfasser vergönnt sein möchte, diese Schätze der Wissenschaft zugänglich zu machen. Dafs er die geeignete Persönlichkeit dafür ist, dürfte die vorliegende Schrift, obwohl sie sich zunächst an weitere Kreise wendet, zur Genüge be- weisen; giebt sie auch nicht eigentlich neue Forschungen, so zeugt sie doch von umfassender Litteraturkenntnis sowohl auf dem Gebiete der allgemeinen deutschen Stadtgeschichte als .auf dem der Ge- schichte von Mühlhausen. Sie enthält eine Übersicht über die innere und äufsere Stadtgeschichte, über die Zustände der Stadt im Mittelalter, über die Mühlhäuser Klöster und Stifter; sehr eingehend ist die Baugeschichte der kirchlichen Gebäude behandelt. Die Schrift vermag den Einwohnern der Stadt manche Anregung zu geben, und darauf kam es dem Verfasser hauptsächlich an: überall ist er be- strebt, dem neuen Verein bestimmte Aufgaben zuzuweisen. Zweifel- haft ist mir, ob es richtig ist, auf die Gründung einer besonderen Altertumsvereins-Bibliothek hinzuAveisen, statt dieselbe in engste Be- ziehung mit der schon bestehenden Stadtbibliothek zu setzen.

Dresden. Er misch.

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Kurze Gesoliichto der Schule zu Neukiroheu (Pleifsc) von ihren Anfängen liis zur (.-rogonwart. \''on Max RicLter. Fostgalic znr Weihe der neuen Schule im Jahre 1900. Anhang zum Schulhericht auf die Jahre 1894—1900. Crimmitschau, Druck von Robert Raab. 1900. XXIII SS. S«.

Es ist eine erfi'culiclie Erscheinung, wenn den Schulberichten (lor Volksschulen neuerdings gescliichtliche Arbeiten beigegeben werden. Die vorliegende Arbeit entliält eine Reihe weitvoller ur- kundlicher, statistischer und biographischer Notizen zur Kultur-, Schul- und Verwaltungsgeschichte. Der erste Abschnitt, Schulbezirk über- schrieben, biete! einen Beitrag zu der noch so vernachlässigten Dorf- geschichte in Mitteihuigen über die eingepfarrten Orte Chilten, iSchiedel, Schweinslmrg und Neukircben; aus dem zweiten Abschnitte über die Organisation sei auf die Tabelle S. XII verwiesen, die die rasche Entwickelung der Anstalt von 1840 1900 veranschaulicht. Der dritte Abschnitt bietet charakteristische Briefe ül)er die An- stellung von Lehrern, der vierte und der fünfte Abschnitt nähere Angaben über die Finanzverhältnisse und Schulbauten, der sechste ui'kundliche Mitteilungen über Vorbildung und Leistungen zahlreicher Lehrer.

Zittau. G. Müller.

Musik am säclisisclion Hofe. Bd. 1. Atisgewählte Werke. Bd. 2. Aus- gewählte Werke von J. A. Hasse. Bd. 3. Ausgewählte Werke von Mitgliedern des sächsischen Königshauses. Für Klavier be- arbeitet und herausgegeben von Otto Scbniid- Dresden. Leipzig, Brüssel, London, New -York, Bi'eitkopf & Härtel (1898. 1899). XII, 52-, VIII, 41; XII, 61 SS. fol. Das sächsische Königshaus in selbstschöpferischer nmsikalischer Bethätigung. Von Otto Sclniiid- Dresden. Leipzig, Breitkopf & Härtel. ' 190Ö. 2 BU., 31 SS. 8».

Unter vorstehendem Titel veröffentlicht der bekannte Dresdner Musikscbriftsteller eine Auswahl aus den Werken von Komponisten, die am Hofe zu Dresden gelebt und gewirkt haben. Der dritte Band der Sammlung enthält Kompositionen der selbstschöpferisch beanlagten Mitglieder des sächsischen Herrscherhauses.

Es war ohne Zweifel eine glückliche Idee des lleiausgebers, den musikliebenden Kreisen die Bedeutung des sächsisclien Hofes als eines der Ijedeutendsten Musikzentren l)eutschlands durch Be- arbeitung der hervorragendsten AVerke hier lebender Meister für Klavier vorzuführen. Auswahl wie Bearbeitung verrät eine kun<lige Hand; den meisten Gesangstücken mit italienischem Texte ist eine (bMitscbe Übersetzung beigegeben, auch zeigt die, allerdings nicht übei-all durchgeführte Phrasicrung, dafs der Verfasser mit den refor- matorischen iiesti'cbungen Dr. Hugo Riemanns vertraut ist. Aus dem reichen Inhalte der einzelnen Bände seien besonders hervor- gehoben zwei Arien aus der Oper „Ascanio" von Antonio Lotti (um IHtiT 1740); der pcmipüse Triumphmarsch ttnd die Arie „Caro mio ben" addio" aus der Oper „Ezio" von J. A. Hasse (1699—1783); ferner sein rauschendes „Te Deura" (I. Th.). J. G. Naumann (1741 bis 1801) ist durch zwei Bruchstücke aus kirchlichen Werken (Kyrie aus der As-dur- Messe und Agnus dei aus der Pastoral -Messe) ver- treten, die dui'ch saugbare Melodik und klare Harmonik sympathisch

Litteratur. 295

berühren. J. Schusters (1748—1812) Ave Maria, weder in harmonischer noch in melodischer Hinsicht interessant, fällt hingegen stark ab. Das melodisch reicher bedachte „Agnus dei" von F. Murlacchi (1784—1841) wandelt in den Bahnen jener konzertierenden italienischen Kirchen- musik, die die lieaktion seitens der streng liturgischen Musiker und der leitenden katholischen Behörden zu Gunsten der Wiedereinführung des gregorianischen Choi'ales einigermafsen begreiflich erscheinen läfst. Tieferes Empfinden spricht dagegen aus den Kompositionen C. M. V. Webers (1786 1826): Schluischor aus der Jubel -Kantate, Sanctus aus der Es-dur- Messe und Benedictus aus der G-dur(Jubel)- Messe. Besonders dem letzten hat der Komponist des „Freischütz" unverkennbar den Stempel seiner Muse aufgedrückt. Reifsigers (1798—1859) Credo aus der As-dur-Messe \mä Pv,. Wagners (1813—1883) Eingangschor aus dem „Liebesmahl der Apostel" bilden den Schlufs des ersten Bandes. Der zweite enthält lediglich Werke von Johann Adolf Hasse. Die erste Hälfte der mitgeteilten Bruchstücke führt uns den Meister als Opernkomponisteu vor. Einer leicht dahin- fliefsenden Ouvertüre zur Oper „Siroe" und zwei weniger bedeutenden Märschen aus „Cleofide" rmd ..Artaserse" folgen Arie und Duett aus der Oper „II Re Pastore" und ein Chor aus der Oper „Olimpiade", in welchen Hasse zeigt, dafs ihm auch tiefere, speziell dramatische Accente zur Verfügung standen. Die folgenden fünf Nupimern sind seinen kirchlichen Werken entnommen und stellen der Vielseitigkeit seiner Begabung das günstigste Zeugnis aus. Insbesondere weist die Sinfonia zum Oratorium „I Pellegriui al Sepolcro di Nostro Salvatore" feine melodische Züge auf. (Seite 24 Syst. 5 Takt 3 fehlt in der Oberstimme ein b vor dem d.) Von den übrigen Nummern „Domine Dens" aus der D-moU- Messe, Chor aus dem Oratorium „La conversioue di Sauf Agostino", „Recordare Jesu" und „Dies irae" (Schlufs) aus dem Requiem in O-dur dürfte entschieden den beiden letzten der Preis gebühren.

Der dritte Band bringt, wie oben erwähnt, Kompositionen von Mitgliedern des sächsischen Königshauses. Die historischen Studien, die der Verfasser bei der Auswahl derselben machte, hat er in einer kleinen, anziehend geschriebenen Schrift „Das sächsische Königshaus in selbstschöpferischer musikalischer Bethätigung" niedergelegt Den Reigen eröffnet eine Komposition des 117. Psalms von Johann Georg II. (1613—1680), die den Autor als tüchtig geschulten Musiker erkennen läfst. Ein ausgesprochenes Talent für leichte italienische Musik im Stile Hasses tritt in den Kompositionen der Kurfürstin Maria Antonia Walpurgis (1724 1780) hervor, während Friedrich August der Gerechte (1750 1827) sich mehr der ernsteren Musik zuwandte imd in seinem „Salve Regina" ein ungemein zartes Werk schuf. Dafs er aber auch in den strengen Formen des Kontrapunktes zu Hause war, beweist die Fuge im „Magnificat" aus der königlichen Vesper. Demgegenüber haben die Kompositionen Anton des Gütigen (1755 1836), Kavatine aus der „Licenza per la felice nascita del Principe demente", Marsch und Schlufschor aus der Kantate „La nascita del sole", infolge allzugrofser Einfachheit einen schweren Stand. Auch die Schöpfungen Maximilians (1759—1838), Arie aus der Oper „La fauiiglia felice" und „Les delices des dames" Auglaise weisen geringe Originalität in der Erfindung auf. Dagegen tritt uns in Amalia (1794 1870) eine Komponistin entgegen, deren Werke eine liebenswürdige Veranlagung für graziöse heitere Musik verraten. Die Ouvertüre zur Oper „Die Siegesfahne" und Kavatine aus „La

296 Litteratar.

casa disabitata" sind reich an feinen hnnioristisclien Einfällen, während die Komiitinistin im Duett aus der Oper „La fedelt;i alla prova" tiefere Saiten anzuschlagen weifs. Ein schvverinütig-es , apart har- monisiertes Lied „Flucht" von Louise, Herzogin zu Sachsen, he- schliefst den Band.

Die Sammlungen werden sich ohne Zweifel viel Freunde er- werben. Im Interesse des j\Iusikhistorikers wäre eine genaiie Quellen- angabe der mitgeteilten Stücke augezeigt gewesen.

Dresden. A. W. Schmidt.

Übersicht

über neuerdings erscliienene Schriften und Aufsätze zur

säclisischen Geschichte und Altertumskunde.

[Angermann.] Heinrich Theodor Flathe: Bericht über die 10. .Jahres- versammlung des Sachs. (Tj-niuasiallehrervereins (Leipzig 1900). S. 43-48.

Arnold, Ernst. Dresden als Druckerstadt von 1524 bis 1900. Kurze Geschichte der Einführung der Kunst Gutenbergs in Dresden und ihrer Entwickelung. HerausgegeJjen von der Buchdrucker- Innung zu Dresden zum Besten ihrer Gutenl)erg- Stiftung. Dresden, Lehmannsche Buchdruckerei. 1900. 103 SS. 8».

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Theuere Zeiten im Erzgebirge: ebenda. Nr. 231. S. 3807. Weinhold, E. Aus der Vergangenheit von Altendorf: Chemnitzer

Tageblatt. 1900. Nr. 270.

Vom Strafsenbauwesen älterer Zeit in und um Chemnitz : ebenda Nr. 312.

Aus bewegter Zeit: ebenda Nr. 330 f.

Welch, M. Frhr. v. Das Eabrikschulvvesen im Königreich Sachsen: Jahrb. f. Gesetzgeb. etc. im Deutschen Reich. XXIII (1899), 53—108.

Fabrikschulen und Fabrikarbeit schulpflichtiger Kinder in Sachsen : Wissenschaftl. Beil. d. Leipz. Ztg. 1899. Nr. 37. S. 145—148.

Westberg, Fr. Ibrahims Ibn Jakubs Reisebericht über die Slaven- lande aus dem Jahre 965. Leipzig, Vofs. 1899. IV, 183 SS. 4".

Willrich, E. Die chronica episcopoiiimMerseburgensium. Dissertation. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 1900. 78 SS. 8".

Winkler, Max. Heimatklänge. Der Kirchgemeinde zu Kottmars- dorf dargeboten. 2. Heft. Kirche, Pfarre und Schule. Neugersdorf (Löbau, E. Oliva). 1900. III, 40 SS. 8».

Winter, O., und G. Liebe. Regesta archiepiscopatus Magdeburgensis. Orts-, Personen- und Sachregister. Auf Veranlassung der Pro- vinzial- Vertretung der Provinz Sachsen bearbeitet. Magdeburg, Druck von E. Baensch jun. 1899. III, 301 SS. 8».

[Wustmann, G.J Die Leipziger Messe vor fünfzig Jahren: Leipz. Tagebl. 1900. Nr. 116. S. 1831 f.

Das Frohnleichnamsfest in Leipzig: ebenda 1900. Nr. 297. S. 4859.

Der Bürgermeister Müller als Stadtbibliothekar: ebenda 1900. Nr. 228. 241. S. 3749 f. 3959.

y. Die Kreuzkirche in Dresden: Leipz. Ztg. 1900. Nr. 209. S. 3643.

Zieger, Bruno. Der Handelsschulgedanke in Kursachsen im 18. Jahr- hundert. Beiträge zu einer Geschichte des Handelsschulweseus. Dresden, C. C. Meinhold & Söhne. 1900. 58 SS. 80.

Zinck, P. Studentisches Leben in Leipzig zur Zeit des Kurfürsten Augi;st: Leipz. Tagebl. 1900. Nr. 167. 180. S. 2729 f. 2947 f.

Zürn, E. S. Der Rautenkranz im sächsischen Wappen: Wissen- schaftl. Beil. d. Leipz. Ztg. 1900. Nr. 48. S. 189 f.

304 Litteratiir.

Interessanter Reisebrief mit Mitteihuigen über Chemnitz aus dem

Jahre 1800: Neueste Nachrichten für Chemnitz und Umgebung.

1900. Nr. 176. Der Hof von Dresden vor hundert Jahren: Stimmen aus Maria-

Laacli. LIV (1898), 350-353. Sächsische Fürstinnen: Sophie von Böhmen. Jutta von Thüringen :

Leipz. Tagebl. 1900. Nr. 103. S. 1617 f.

Constantia von Oesterreich. Agnes von Böhmen. Elisabeth von Maltitz: ebenda Nr. 189. S. 3093 f.

Margarethe von Oesterreich. Kunigunde von Eisenberg. Elisabeth von Arnshangk : ebenda Nr. 203. S. 8342.

Agnes von Kärnthen. Elisabeth IL von Arnshangk: ebenda. Nr. 262. S. 4315.

Die Sächsischen (jeneralartikel: Allg. Evang. -Luth. Kirchen- zeitung. 1900. Nr. 17 f. Sp. 388— 394, 413-415.

Zur Geschichte des Aberglaubens unserer Heimat [Hainewalde bei Zittau]: Aus der Heimat. Lausitz. Gesch.- und Unter- haltungsbl. 1900. Nr. 1. S. 1 f.

Eest-Schrift zur 100jährigen Jubelfeier der Firma F. G. Herrmann &Sohn. Bischofswerda- Sachsen am 7. Juli 1900. 74 SS. 8^.

Kampf- und Waffenspiele am kursächsischen Hofe: Kamerad. 1900. Nr. 23. S. 17 f. Nr. 24. S. 17 f. Nr. 25. S. 18 f.

Neue Sächsische Kirchengalerie. Bd. 1: Die Ephorie Leisnig. Lief. 3-14. Bd. II: Die Ephorie Freiberg. 2. Abt.: Die k. amts- hauptmannschaftl. Delegation Sayda. Lief. 1—4. Leipzig, Arwed Strauch. (1900.) Sp. 73—512. 1—176.

Kirchen-Nachrichten der Kirchgemeinde Niederzwönitz vom Jahre 1899. [S. 99ff.: Nachrichten über die Geschichte der Blasius- kirche.]

Veröffentlichungen zur Geschichte des gelehrten Schulwesens im Albertiniscben Sachsen. Herausgegeben im Auftrage des säch- sischen Gymnasiallehrervereins. Erster Teil. Übersicht über die geschichtliche Eutwickelung d^r Gymnasien. Leipzig, B. G. Teubner. 1900. VII, 248 SS.

Ein altes Spottlied auf einen Zittau er Braustreit: Aus der Heimat. Lausitz. Gesch.- und Unterhaltungsbl. 1900. Nr. 17. S. 65.

Dresdner Geschichtsblätter. Herausgegeben vom Verein für Ge- schichte Dresdens Jahrg. IX (1900). Nr. 2. Dresden, Wilhelm Baensch. 4**.

Inhalt: Ernst Frhr. v. Friesen, Verfassung des Hauptzeug- hauses in Dresden zu Anfang des 18. Jahrhunderts.

Dresdner Geschichtsblätter. Herausgegel)en vom Verein für Ge- schichte Dresdens. Jahrg. IX (1900). Nr. 3. Festnummer zur 75jährigen Stiftungsfeier des Königl. Sachs. Altertumsvereins. Dresden, Wilhelm Baensch. 4**.

Inhalt: Com. Gurlitt, Paul Büchner, ein Dresdner Baumeister der Renaissance. Oskar Lehmann, Kavaliertoiir eines jungen Dresdners im 17. Jahrhundert. Georg Beutel, Bürgermeister Christian Brehme, ein Dichter des 17. Jahrlumderts.

Festschrift zum f im fundsiebzifjj ährigen Jubiläum des Könifjlich Sächsischen Altertumsvereins. Herausgegeben im Auftrage des Vorstandes. Dresden, Wilhelm Baensch. 1900. 4 Bll., 217 SS. 8».

Litteratur. 305

Inhalt: Ermiscb, Der Königlich Sächsische Altertumsverein 1825—1900. K. Wenck, Friedrich des Freidigen Erkrankung und Tod. (1321 und 1323.) H. Beschorner, Die Erwerbung Rieseuburgs durch Markgraf Wilhelm I. von Meifsen. H. Ivnothe, Eine auf Herzog Wilhelm von Sachsen bezügliche Urkunde Georg Podiebrads, Gubernators von Böhmen , vom 19. Dezember 1457. 0. Giemen, Johannes Keusch von Eschenbach, Humanist, Theolog, Mediziner. W. Lippert, Friedrich der Grofse und der säch- sische Geheime Rat von Fritsch. Georg Müller, Südlausitzer Schulbücher. K. B erlin g, Die sächsischen Hofkellereigläser. R. Wuttke, Die Freiberger Schofsorcluung von 1305.

Schönburgische Geschichtsblätter. Vierteljahrshefte zur Erforschung und Pflege der Geschichte im Gebiet der Schönburgischen Recefs- und Lehnsherrschaften. Jahrg. VI (1900). Heft 3. 4. Waidenburg, Kästner. 1900. S. 113-240.

Inhalt: Th. Schön, Beiträge zur Geschichte des Schützeu- wesens im Schönburgischen. R. Hof mann, Beiträge zur Schön- burgischen Kirchen- und Schulgeschichte. E. K., Burgen und Schlösser im Schönburgischen. II. Zur Baugeschichte des Schlosses Waidenburg. Th. Schön, Der Kupferhammer bei Glauchau. Die Besetzung der Gemeinde- Aemter in früheren Zeiten. Th. Schön, Die ältesten chronistischen Aufzeichnungen zur Geschichte des Hauses Schönbirrg. Eckard t, AVolf III., Herr von Schönburg. Beiträge zu einer Chronik von Waidenburg. F. R[esch], Die ersten „Leichentücher" der Gemeinde Altstadtwaldenburg. Th. Schön, Zur Geschichte des Klosters Remse. Hanschmann, Schönburgische Naturseltenheiten. Greenfield. Altes Denkmal von Schönburg. Fritz Resch, Der Nixenstein bei Waidenburg. Th. Distel, Zur Flurkarte im Fürstlich Schönburgischeu Quadro- genitur- Schlosse Gaueruitz. Aus unserer Zeit.

Neues Archiv f. G. u. A. S. XXI. 3. 4. 20

EcÄlster.

Adolf, Graf v. Anhalt 14. Agricola, Georg 265 ff. Albrecht (d. Entartete), Landgraf V. Thüringen 259.

III., Kurf V. Sachsen 6.

(d. Beherzte), Hzg. v. Sachsen 11. 51. 207. 259.

Hzg. V. Österreich 26.

Erzbsch. v. Magdeburg 266. Altenbnrg 9. 14. 28 f. 33. Altenburg, C. G. 142. Alt-Jauernick b. Schweidnitz 118. Alt-ßeichenau b. Hohenfriede-

berg 93. 118. 132.

Alt-Striegau 95. 98.

Angerniann, Leutnant 69 f.

Anhalt s. Adolf, Bernhard, Georg, Leopold, Sigmund.

Annaberg, Kirche 40. 44 f. 47 ff.

August II., Kg. V. Polen s. Fried- rich August.

Hzg. V. Sachsen -Weilsenf eis 228 f.

August Wilhelm, Prinz v. Braun-

schvveig- Beyern 93. Aufsig 6 ff.

Baden 139. 154.

Baiern 139.

V. ßarbv. Grafen 14. 19. 149.

Bautzen 30. 205. 207. 211.

Bayreuth 34.

Beck, A. 141.

Beger, Job. Chrpli. 233.

V. Beichlingen, Graf Friedrich 19.

Beigern 33.

Ber, Konrad, Bürgermeister zu

Leipzig 10. Berlin 242. Bernhard, Graf v. Anhalt 14.

Berthelsdorf b. Neustadt i. S. 206 f.

209. Befsewiuckel, Paul, Ratmann in

Pegau 255. Beyer, C. 145.

Binder, Bastian, Steinmetz 48. Bircke, Steffan 207. V. d. Duba, Hincke 207. Bischofswerda 205. Bitterfeld 14. Böhmen 1 ff . 201 ff. s. a. Georg,

Johann. Bolkenhain 60. 132 f. y. Borcke, A. B. 241 f. Bötcher, Blesing, Ratmann in

Pegau 255. Böttiger, C. W. 162. Brandenburg 216. s a. Friedrich,

Johann. Braunschweig 32. s. a. August Wilhelm, Ferdinand, Ludwig Ernst. Brecheisberg, der, b. Striegau

125 f. 128. Brecher 156. V. Brodow, preufe. Generalmajor

106. Breitenau b. Gottleuba 211. Breiter Berg b. Striegau 67. 74.

81 ff. 86 ff. 95 f 98. 100. 102 f.

106 f. Breslau 118. Brückner, G. 141. Brühl, Graf 253. Brüiuiorff, Hans, Ratmann in

Pegau 255. Brüx 4. 6f. 10. 15 ff. 24. 29 f. 39. y. ]>ünau, Günther, Landyogt in

Pirna 42. Bürgel 142.

Register.

307

Burkersdorf , Lang-, b. Neustadt

i. S. 206. V. Buttelstedt, Thomas 140.

Camerarius 258.

Carlos, Don, Infant v. Spanien

249. V. Carlowitz, Christof, zu Krieb-

stein 224. Chemnitz 24.

Coblenz, Peter von, Steinmetz 54. Colditz 9.

Coppus, Gregorius 266 ff. Cosel, Gräfin 251. Christian, Hzg.v. Sachsen-Merse-

burg 228 f. Cunnersdorf b. Hohnstein 206.

Dätzdorf sw. Striegau 128. 132. Delitzsch 14. 149. V. Derschau, R. 241 f. Dexitscher Orden 26. Dietrich (d. Bedrängte), Markgraf

V. Meifseu 217. Dittersbach w. Frauenstein 260. Döbeln, Kloster 221. Dobenecker, 0. 140. V. Dohna, Otto Burggraf 210.

Otto, Gardian in Seufslitz 219. Dominikus, M. J. 142.

V. Dönhoff, A. G. 241 f.

Dost 153.

Dresden 10 f. 14. 24 30. 32. 41. 44. 51 ff. 143. 161. 225. 238. 242. 251. Elbbrücke49f. Kreuz- kirche 222.

Duba s. Bircke.

Dux i. B. 7.

V. Ebeleben, Hans, zu Ebeleben

224. Eckeudorf Kr. Calbe, Glocke 265. Eduard III., Kg. v. England 221. Eger 3 f. 15. Eichstädt, Bischof 34. V. Einsiedel, Abrah., zu Scharfen-

stein 224 f. Eisdorf sw. Striegau 102. 125 ff. Eisenach 216. 219 ff. Eisenberg in S. -Altenburg 217.

b. Moritzburg 217.

V. Eisenberg, Adelheid 218.

Heini'ich, Propst zu Würzen, Domherr zu Meifsen 218.

Hermann 217.

V. Eisenberg, Hugo 217.

Joh.,KanzlerFriedr.d.Emsth., Dompropst, dann Bischof zu Meifsen 214 ff.

Elbe 201.

Elisabeth, Gem. Friedr. d. Frei- digen 215.

Tochter Friedr. d. Ernsthaften 216.

Gem.Kg.PhilippV.v. Spanien 249.

Elsafs'l39. 154.

Emser, Hieron. 170.

V. Ende, Nickel, zu Königsfeld

224. Engelhardt 164. England, Kardinal v. 27. s. a.

Eduard, Georg. Erfurt 14. 32. 142. Ermisch, H. 143. Ernst, Kurf. v. Sachsen 51. 207.

Ferdinand v. Braunschweig, Prinz 63. 103. 115.

V. Preufsen, Prinz 251. Flathe, Theodor 160 ff'. Fontanus, Petrus 266. 269. Forchheimer Schied 149. Förstemann, K. E. 140. Franckenstein, Vitus, Btirgermstr.

in Pegau 255. Frank, Andreas, von Kamenz 266. Franke, Otto 142. Frankenberg 260. Frankreich 253 f. Freiberg 9. 11 ff'. 17. 23f. 30. 143. Freiburg i. Br. 12. 15. 21.

i. Schi. 118. Friedland i. B. 202 f. Friedrich (d. Freidige), Markgraf

V. Meifsen 214 f. 2.59.

(d Ernsth.), Markgraf v.Meifsen 214 ff

(d. Strenge), Markgraf v. Meifsen 147.

(d. Streitb.), Kurf. v. Sachsen

4 ff.

II. (d. Sanftm ), Kurf. v, Sach- sen 9. 25. 29 ff. 39. 206 f.

(d. Jüngere), Landgraf v. Thü- ringen 6.

L, Markgraf v. Brandenburg

5 f. 25. 27 f. 31. 34.

IL, Kg. V. Preufsen 56 ff. 243 f. 251.

20*

308

Register.

Friedrich August I., Kurf. v. iSacbson (Auirnst II., Kg. v. Polen) 145. 241 ff.

Friedrich Wilhelm I., Kg. v. Preiifsen 241 ff.

Fiiedstein i. B. 38 f.

V. Fricjicii, Karl Frhr., Obersteuer- direktor 231.

Graf, Sachs. Oberstleutnant 64. 6ß. 70. 72. 78f. 93. 113f. 135.

Frietzsche, Kassirer 233.

Galgenberg, der, b. Striegau 95. 98. V. d. Gane, Hans, Vogt zu Meifseu

7 f. 10. Gautsch, Karl 152. Georg (d. Bärtige), Hzg. von

Sachsen 40. 45. 48 ii. 256.

Chevalier de Saxe 59.

Graf V. Anhalt 14.

Kg. V. Böhmen 259.

II., Kg. V. England 249. Gera 257. 259.

Gerand, sächs. Offizier 131. 136.

Gerlach, Heiur. 143.

V. Gersdorff', Oberstleutnant 64 ff.

71 f. 78. 80. 93. 112. 128. 131.

134. 136.

preufs. Kapitän 129. Girlachsdorf sw. Striegau 128. V. Gleichen, Grafen 19 f.

Graf Ernst 20. Görlitz 15. 40 f. 50 f. 53. Gottleuba 14. 211.

Gräben b. Striegau 95. 98. 123.

Gräfenhaiuichen 14.

Grafslitz i. B. 259.

Graupen 11. 14 f. 17 f. 30.

Grimma 7. 14. 32 f.

Grohlig, Joh.Balth., Sekretär 232.

Grofs-Bobritzsch(Ob.-u Nied.-B.)

b. Freiberg 11 f. Uff. 18. Gröfsler, H. 143. V. Grumbkow, Friedr.Wilh. 241 ff. Gule, Gehölz b. Striegau 113 ff'.

132 ff. Günther, Erzbisch, v. Magdeburg

32.

V. Hagke, F. B. 142. Hainspach 202 f. Halbendorf s. Striegau 132. Halber.stadt, Bischof v. 32. Halle 14. 32.

Hann, Andr., Glockeugiefser in

Chemnitz 264. Hannover 247 ff.

Häslicht sw. Striegau 126 ff. 132 ff. Hausdorf s. Striegau 96. Heeselicht b. Pirna 211. Heinrich IL, Burggraf zu Meifsen 15. 19.

IV.. Burggraf zu Meifsen 258.

II. Ecufs v. Plauen 215. 222. Heinzenhübel b. Striegau 67. Held 258.

Hei'bitz b. Aufsig 18. 20.

V. Hermannsdorf, Günther 206.

Haus 206.

V. Hersfeld, Arnold, Marschall 221. Hertel, Gustav 152. Herzog, E. 143. 152. Hessen, Landgraf 25. s. a. Philipp. Hefslich, Nieder-, b. Dresden 218. Hey, G. 143.

Hildesheim, Bischof v. 32. Hilger, Wolf, Glockeugiefser 263. Hillebrandt, Georg, Steuerbuch- halter 225 ff'. Hoffmann, C S. 144. 153. Hohburckersdorf b. Hohnstein 211. Hohenfriedeberg, Schlacht 55 ff'. Hohnstein 202 if. V. Honsberg, Friedr. 221. V. Honstein, Graf 19. V. Hoym, Graf 252. Hufs, Job. 2. Hussiten 1 ff.

Jacob, G. 140. Jauer 136. Jena 142 f.

Johann, Markgraf v. Braudenbiu'g 32 f.

Kg. V. Böhmen 216. Johann Adolf, Hzg. v. Sachsen-

Weifsenfels 60. 74. 76 f. 92 f.

100. 114. 133. Johann Georg L, Kurf. v. Sachsen

228.

IL, Kurf. V. Sachsen 228 f.

Johusdorf n. Aul'sig 14 f. 18.

Kaden i. B. 5. V. Käfernburg, Graf 220. Kamenz 144. Kaemmel 157. Kamnitz i. B. 203.

Register.

309

Karl VI., Kaiser 249 ff.

V. Lotliriiig'en, Prinz 61. 74. 118. Karlstein b. Prag 5. Katharina, Gem. Kurf. Friedr. d.

Streitb. 7 ff. 13. 16 f. 23 f. Kander sw. Striegau 60. 93. 118. V. Kirchberg, Oswald Burggraf 19. Kleeberg, der, b. Striegau 126. Klemm, Ehrenfried, zuWiedebach,

Landrentmeister 229. Klinckowströni, Otto 241 f. KnoU, Korporal 70f. 126. 131. 137. Knothe, H. 144. V. Köckeritz 19. Köln, Kurf. 4. 25. Königsteiu 211. Kloster 44. Korcz, Hans, Hauptmann zu

Brüx 8. Korybut, Prinz 17. Kreibitz i. B. 203. Krybensteiu, Hans 256. Küchenmeister. Familie 217. Kuder, Jakob, Ratmann zu Pegau

255. Kuhn 14 f. 30. Kühnel, P. 153. Kulmbach 34. Kunnersdorf b. Dresden 218. 222.

b. Königstein 211.

Lagnasco, Graf 252. Landeshut i. Schi. 133. Langenhennersdoi'f b. Pirna 211. Langensalza 19 f. 225. 238. Langenwolmsdorf b. Stolpen 209 f. V. Langermann, preufs. Oberst 129. Laun i. B. 8. Lausitz s. Oberlausitz. Lee, Eduard 266. Leipa i. B. 10. Leipoldt 157.

Leipzig 2. 6 ff 14. 21 ff. 29. 31 ff. 36. 38 f. 143. 225. 238.

Univ. 161. 258. 265. Leitmeritz 4. 8.

Leopold, Erbprinz v. Anhalt- Dessau 132. Lichtenhain b. Schandau 206. V. Liuger, Ch. 241 f. Lipan (Böhm.-Brod), Schlacht 39. Löbau 144. 205. Lobe, E. 140 f.

J. 140 f.

Job. 233. Lobendau i. B. 206.

Lohe, Berthelsdorfer, Bach 209. Lohmen b. Pirna 204. Lomraer, V. 141. 153. Loosbach (Lozna), die 209. Lorenz, Chr. G. 144. Loschwitz b. Dresden 160. Löser, Familie 149.

Gurt, zu Salis, Erbmarschall 229.

Jan, zu Trebitz 224. Lother, David, Rentschreiber 227. Lothringen s. Karl.

Lübben 251.

Ludwig (d. Baier), Kg. 214 ff. Ludwig Ernst v. Braunschweig- Wolfenbüttel, Prinz 93. 133. Ludwigsdorf, Wüstung 209. Lusse, Joh., V. Eisenach 221. Luther, Martin 258.

Magdeburg 14. 30. 245. 247. s. a. Albrecht, Günther.

Mähren 8.

Mainz, Kurf 4. 25.

V. Manteuffel, Ernst Christof, Mi- nister 241 ff'. 249.

Märcker, Traugott 144. 148.

Markersbach b. Gottleuba 211.

Martin V., Papst 2. 6.

V. d. Marwitz, Bod. 241 f.

Mechthild, Gem. Markgraf Friedr. d. Ernsthaften 216.

Meifsen, Mkgr. s, Dietrich, Eli- sabeth, Friedrich, Mechthild, Wilhelm.

Burggrafen 257. 259. s. a. Heinrich.

Bistum, Bischöfe 14. 201 ff. s. a. Eisenberg, Withego.

Amt 147 f.

Stadt 30. 32.

Domkirche 169.

Fürstenschule 160. 163. Merseburg s. Nicolaus.

V. Metitz, Casp. 207. Metzsch, Joseph Levin, auf Mylau 257 ff".

Konrad, auf Mylau 259. Meyer, K. 143.

Mies i. B. 26 ff.

Milsca, Gau 201 ff".

V. Miltitz, Rudolf, zu Batzdorf,

Hofraarschall 229. Moritz, Hzg. v. Sachsen -Zeitz

228 f.

310

Register.

Moritzbur^' 242.

V. (1. Mosel, Leutnant 131. 135 f.

Mosellanus, Petr. 265.

du ]\roulin, preufs. General M.

98. lUO. 102if. 1U6. lU8f. 114 ff.

120 f. 123. 125.

L. 241 f. Mühlhiiusen i. Th. 142. Müller, J. 144. Münsingen i. Württ. .52 f. Muscliwitz, .loiichim, Steuerbuch-

halter 225 f.

Nack, Paul, in Pirna 42 f. Nadasdy 91. 118. 120. Naunibui-g 2.

Bisebof 14. 32. Neifse, die wütende 60

Neu - Reichenau b. Hobenfriede-

berg 132 f. Neustadt a. 0. 141. 238.

i. S. 206.

Nicolaus, Bischof v. Merseburg

14 .32. 36. Nieder -Baumgarten b. Hoben-

friedeberg 93 Niederneukircb a. Hocliw. 208. Niederstreit b. Striegau 95. Nisani, Grau 201 ff. Nixdorf i. B. 206. Nollendorf i. B 14 f. 30. Nürnberg 3f. 5 ff. 15 24. 26. 32. 34.

Oberlausitz (Secbsstädte) 4 f. 7.

13 ff. 18. 28 ff. 144. 201 ff. 211 f überreitsche Karte 146. Oberstreit b. Striegau 95. Oberwiesa b. Chemnitz 263. Oeder, Matthias 145. 150 f. Oelsen b. Gottleuba 211. 263. Oelsnitz i. Vgtl. 14. Orsini, Kardinallegat 22. Oschatz 32 f. 144. Ossegg 14 f. 18. Oesterley, H. 156. Oesterreich 57 ff. s. a. Albrecht,

Otto. V. Octtingen, Ludwig Graf 32. Otto, Hzg. V. Oesterreich 216. Otto, G. E. 141. Oybin 30.

V. Pack, Gebrüder 149.

Dietrich, Hauptm. zu Aufsig 8. 23.

V. Pallien, Oberstleutnant 64. 66.

68. 72 ff. 82 ff. 92 ff. 113 ff 12.5.

127 f. 131 ff. Papstdorf b. Künigstein 211. V. Parzival 207. Pegau 255 ff.

Petzold, Wenzel, zu Pirna 43 f. Petzschau, Wüstung b. Leipzig 35. Pfaffendorf , Wüstung b. Leipzig

Pfalz, kurf. 4 f.

PHug, Haul)old, zum Stein, Hof- rat 224 f.

Ptlüger s. Schwad.

JMiilipp, Landgraf v. Hessen 256.

Pifsdorf in Anhalt, Glocke 265.

Pilgramshain b. Striegau 60. 67. 76. 82. 89. 93 f. 98 f. 102 ff. 120. 125. 127 ff

Pirna 7. 9. 14. 24. 32. 40 ff 201. 206.

Peter von s. Ulrich. Plan i. B. 25.

V. d. Planitz, Georg, auf Auer- bach 258. Plauen i. V. 33. 161. 238. Polen s. Friedrich August. Polenz b Neustadt i. S. 206. 209.

Flufs 209 f.

V Ponickau, Oberstleutnant 248.

Kammerrat 225.

Hans Georg zu Pomsen, Stifts- hauptmaiui zu Würzen 229.

Porschdorf b. Schandau 206 f. 209. 211.

V. Posadowski, preufs. General- leutnant 103.

Prag, Erzbistum 211.

2. 5. 21. 30. 34. Prctsch, Herrschaft 149. Preufsen s. Ferdinand, Friedrich,

Friedrich Wilhelm. Prödlitz b. Aufsig 18. Prokop d. Grofse 17. 27 ff'. 37. 39. Pressen b. Schandau 206 f. 209.

211. Putzkau 208.

Quanz, Virtuos 243.

V. Raab, C. 144.

Radeberg 14.

Rakoczy 249.

Rathen b. Wehlen 211.

Rathewalde b. Lohmen 211.

Register.

311

Rathmannsdorf b. Schandau 206. V. Rechenberg, Kasp. , Hauptm.

zu Aufsig 8 f. 23. V. Reibold, Hans Christof, zu

Naundorf u. Glaschwitz 229. Reichenberg i. B. 202. Rein, W. 140.

Reiniiardtsdorf b. Pirna 211. Reuchliu (Capnion), Job. 272. Reufs, Herr von 19. s. a. Heinrich. Reufs-Gera 141. Ribisch, Marcus, Steinmetz 44. 53. Richter, P. E. 145. Riesa 33.

Ritter, Ernst 70. 72. 83. Rochlitz 24. Roda 140.

Rohnstock b. Striegau 93. Rosenthal b. Königstein 211. Roth, Stephan 265 f. Rüge, S. 146.

Rumburg, Herrschaft 202 f. Rutowski, Graf 247.

Saatz 3 ff. 8.

Sachsen s. Albrecht, August,

Christian, Ernst, Friedrich,

Friedrich August, Georg, Job.

Adolf, Job. Georg, Katharina,

Moritz. Sachsen - Altenburg 140. Sachsen -Weimar -Eisenach 141. Sächsische Schweiz 201 ft'. V. Salza 142. Schandau 206.

Schenk, Peter, Atlas 145. 151. 158. Schiffner, A. 139. 152. Schlau i. B. 8. Schlesien 1. 4 f. 26. 28 ff. Schlichtiug, Generalmajor 91 f.

94. 97. 100. 106 f. Schluckenau 202 ff. Schmid, E. 143. Schmidt , Obersteuerbuchhalter

230. Schmidt, B. 144.

L. 144. Schönau i. B. 206. V. Schönberg 19.

Sachs. Oberst 64 ff.

Dietr. 257.

Gotthelf Friedrich, zu Bieber- stein, Hof rat 229.

Kaspar, auf Reinsberg 19. V. Schönburg 19.

V. Schönfeld, Joh. Nicol. 229.

V. Schönfels, Kornet 111.

Schönlinde 203.

Schreckenstein b. Aufsig 23.

SchüUer, Kassierer 233.

Schumann, A. 139.

Schuster, Kassierer 233.

Schwad (Schwab? Pflüger?), Kon- rad, Steinmetz 47.

Schwarz, Gottlieb Heinrich 233.

V. Schwarzburg, Graf 19. 220.

Schweidnitz 118. 121.

Schweinfurt, Jakob von, Stein- metz 49.

Schwerin 241 f.

Sebnitz 203 ff.

Bach 209 f.

V. Seckendorf, Frhr., kaiserl. Ge- sandter in Berlin 242. 247 f. 252.

Seebacii, Oberst 246.

Sehma b. Annaberg 264.

V. Seidlitz u. Ludwigsdorf 82.

Seitschen, Grofs-, b. Bautzen 208.

Sevilla, Vertrag v. 249. 252.

Sigmund, König If. 4ff'. 15. 25 ff". 32.

Graf V. Anhalt 14. Sixtus IV., Papst 169. Spalatin 13 ff.

Spanien s. Carlos, Elisabeth.

V. Sparrenberg, Hans, Hauptm.

z\i Brüx 8. Spitzberge, die, b. Striegau 95 f.

120 f. Springer, Grenadier 88. 99. 105.

112. Standfest in Pirna 44. Starke, Milizhauptkassirer 233. Stemler 141.

Stenglin, Job., reufs. Kanzler 258. V. Stille, preufs. Generalmajor 62 ff".

83 f. 98. 102 f. 111. 124 f. Stirling v. Achyl, Albr., Hof- marschall 229. v. Stoft'el, Heinr. 26. 28. Strehla 33. Striegau 60. 84. 94 f. 97 ff. 110.

116 ff". 121. 136. Stromer, Henricus, Auerbachius

266. Struppen b. Pirna 211. Stürza b. Dürrröhrsdorf 211. v. Suhm, N. F., sächs. Gesandter

in Berlin 241 f. 247 f.

312

Register.

V. Süfsniilch - Hornig 156. V. Sydow 241 f.

Tachau i. B. 27 f. 37. 39.

Tanncbcri? b. Nosson IHO.

V. Taube, Reinhard Dietricli Frlir.,

Übersteuerdirektor 229. 231. Taucha 2. 38 f. 151. Tauclimann , Grenadier 69 ff. 75.

S5f. 88. 112. 1281. 135 f. Taus i. B. 37. Teschener, Nie, Hauptmann der

ljeii)zii;er Schützen 9. V. Tiiudiclmm 157. 'J^hüi-ingen 139 ff. s. a. Albrecht,

Fiiedrich. Torgau 33. Trauten au 81. Trier, Kurf. 4. 25 ff'. V. Tünipling 142. Tutzschmanu 156.

Ulbersdorf b. Pirna 206. Ulm 26.

Ulrich, Hans (von Heilbronn?) 44. 51.

i'eter, von Pirna, Steinmetz 40 ff'.

Valtenberg, der, b. Neuldrch 201. Vitzthum,'^ Bosse 17. 19. 22 f. Vogtland 144.

Wackerbart- Salmour, Graf, Ge- neral 248 ff.

Wagner 140.

Waitzdorf b. Holinstein 206.

Walter, Lukas, zu Görlitz 51.

Waltersdorf b. Schandau 211.

V. Wangenheira 143

Wartburg 216. 218 ff.

AVedcrau 1). Striegau 132.

Weimar 142.

Weinart 145. .

Wcinhold, Aug. Sigm., Glocken- giefser 263.

.Job. Gottfried, Glockengiefser 264.

Michael, Glockengiefser 264. Weifs. Virtuos 243. Weifsenfeis 7. 141. 148. Weifsensee 142.

Weltzing, Hans, Bürgermeister V. Gotha 20.

Wendischfähre b. Schandau 206 f. 210.

Wenzel, Kg. 2.

Werdermann, Peter, Landrent- meister 229.

Wei-neburg 139.

V. Werthern, Wolf 229.

Weseuitz, die 209.

V. Wettin, Hans 257.

Wiclimann, Paschasius, .Joachim, Pastor in Oberwiesa 263.

Wilhelm IL, Markgraf v. Meifsen 5 f. 14.

Wilhelmine, preufs. Prinzessin 243.

V. Winterfeld, preufs. General- major 64. 98. 116.

Winzingen b. Gmünd in Württem- berg 52.

AVithego IL, Bischof v. Meifsen 222 f.

Wittenberg 225. 238.

V. Witzleben 142.

Heini'., zum Wendelstein 224.

V. Wolkenburg, Hugo 209.

Wolmsdorf b. Hohenfriedeberg 93. 118.

Wolfsendorff, Heinr., Ratmann in Pegau 255.

Wundt, Aktuar 69.

Württemberg, Hzg. 26.

Würzen 33.

Wüstenbrand b. Chemnitz 265.

Zagost, Gau 203.

Zceidler, .Jodocus 269.

Zedlitz b. Striegau 121.

V. Zedtwitz, Jobst, zu Stein, Hauptmann zu Vogtsberg, Plauen u. Pausa 257 f.

Zeithain, Lustlager 251.

Zeitz 141.

Zergiebel, E. 141.

Zescbnig b. Hohnstein 206 f. 209.

Zimmermann 146. 150 f.

Zittau 30.

Zizka 2. 4. 8. 18.

Zörbig 14, 151.

Ztschwurta, Jurge, Ratraann in Pegau 255.

Zürner 145.

Zwickau 14. 238. 265 f.

T«st$d)ilft

zum

f ilnfundsleb^idjdbriden 3tibiläutn

des

Koniglid) ^ad)$i$cl)eii JJltcrtummr^

Herausgegeben im Auftrage des Vorstandes.

Beiheft

zum ,,Neuen Archiv für SSchsIsch« Geschieht« und Altertumskunde**

Band XXI.

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Dresden

Verlag von Wilhelm Baensch

1900.

Verlag von Wilhelm Baeiisch in Dresden.

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Ffstschrift

FÜNFUN

\HKi(>EN Jubiläum

Königlich Sächsischen Altertumsvereins.

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Festschrift

ZUM

FÜNFUNDSIEBZIGJÄHRIGEN JUBILÄUM

DES

Königlich Sächsischen Altertumsvereins.

Festschrift

ZUM

FÜNFUNDSIEBZIGJÄHRIGEN JUBILÄUM

DES

löNi&LicH Sächsischen Altertümsyeheins

HERAUSGEGEBEN IM AUFTRAGE DES VORSTANDES.

BEIHEFT

ZUM „NEUE'N ARCHIV FÜR SÄCHSISCHE GESCHICHTE UND ALTERTUMSKUNDE"

BAND XXI.

DRESDEN

VERLAG VON WILHELM BAENSCH

1900.

DEM

GESAMTVEREIN

DER

DEUTSCHEN GESCHICHTS- UND AUTERTUMSVEREINE

zu SEINER

GENERALVERSAMMLUNG IN DRESDEN 24. BIS 27. SEPTEMBER 1900.

INHALT.

Seite Der Königlich Sächsische Altertumsverein. 1825 1900.

Von Regierungsrat Dr. Hubert Er misch in Dresden, Schriftführer des Königlich Sächsischen Altertums- vereins I

Friedrich des Freidigen Erkrankung und Tod. (1321 und

1323.) Von Professor Dr. Karl Wenck in Marburg . 69

Die Erwerbung Riesenburgs durch Markgraf Wilhelm I. von Meifsen. Von Archivsekretär Dr. Hans Beschorner in Dresden 83

Eine auf Herzog Wilhelm von Sachsen bezügliche Urkunde Georg Podiebrads, Gubernators von Böhmen, vom 19. Dezember 1457. Von Professor Dr. Hermann Knothe in Dresden 107

Johannes Reusch von Eschenbach, Humanist, Theolog, Mediziner. Von Gymnasiallehrer Lic. Dr. Otto Giemen in Zwickau iii

Friedrich der Grofse und der sächsische Geheime Rat von Fritsch. Von Archivrat Dr. Woldemar Lippert in Dresden 146

Südlausitzer Schulbücher. Von Schulrat Professor D. Dr.

Georg Müller in Zittau 168

Die sächsischen Hofkellereigläser. Von Professor Dr. Karl

Berling in Dresden 188

Die Freiberger Schofsordnung von 1305. Von Dr. Robert

Wuttke in Dresden 210

Der

Königlich Sächsische Altertumsverein.

1825—1900.

Von

Hubert Ermisch ^).

Mag die politische Geschichte Deutschlands in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auch in mancher Hinsicht wenig Befriedigung gewähren, für die Geschichte des geistigen Lebens war diese Zeit doch von hoher Be- deutune:. Auf den verschiedensten Gebieten des Wissens wurden damals die Fundamente gelegt, auf denen wir bis auf diesen Tag weiter bauen; der Mörtel aber, der diese Fundamente zusammenhielt und ihnen eine Festigkeit verlieh, die sich noch heute bewährt, war der nationale Gedanke, den das Weltbürgertum des 18. Jahrhunderts wohl in Schlummer versenkt, aber nicht getötet, den der Kampf gegen den fremden Unterdrücker zu neuem be- wufsten Leben erweckt hatte. Die Romantiker waren die Vertreter dieses Gedankens auf dem Gebiete der Dicht- kunst; aber auch auf die wissenschaftliche Thätigkeit wirkte er belebend ein. Karl Friedrich Eichhorn, der Vater der deutschen Rechtsgeschichte, Jacob und Wilhelm Grimm,

((

1) Neubearbeitung und Fortsetzung des Aufsatzes: „Zur Geschichte des Kgl. Sächsischen Altertumsvereins 1825 1885 im Neuen Archiv f. Sächsische Gesch. VI, i ff.

I

2

die Begründer der deutschen Sprachwissenschaft, die in liebevoller Hingabe dem Volksgeist in all seinen Äufser- ungen nachzugehen bestrebt waren, der Reichsfreiherr vom Stein, der durch die Stiftung der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde (1819) den Grundstein zu dem grofsen Quellenwerke der Monumenta Germaniae historica und damit zu einer neuen Behandlung der deutschen Ge- schichte legte, waren Männer, deren wissenschaftliche Thätigkeit wurzelte in einem tiefinnigen Vaterlandsgefühl, wie es früher grerade bei Gelehrten nur selten bemerkbar gewesen war. Und wie man damals erst anfing, das deutsche Nationalepos der Nibelungen und die Geheimnisse der alten Volksrechte zu verstehen, so wurde man sich auch damals erst der heimischen Kunst Ijcwufst, obwohl schon im vorigen Jahrhundert (1771) kein Geringerer als Goethe von ihrem Geiste beredtes Zeugnis abgelegt hatte ; seine Abhandlung ,,Von deutscher Baukunst", zu der ihn bekanntlich das Strafsburger Münster begeistert hatte, darf man als einen Vorläufer der Bewegung ansehen, die Jahr- zehnte später sich mächtig Bahn brach und in welcher wir noch heute stehen.

I. Die Gründung des Vereins-).

Es ist bezeichnend, dafs gerade diese Bestrebungen von vorn herein weitere Kreise zur Mitarbeit heranzu- ziehen suchten ; sie wurden recht eigentlich das Arbeitsfeld

-) Die Quellen der nachfolgen' Ion Darstellung, deren An- führung im einzelnen unterbleiben konnte, sind in erster Linie die im Archiv des Vereins befindlichen Akten und Protokolle, ein Bericht von Klemm über das erste Jahrzehnt des Vereins (im I. Heft der Mitteilungen des Kgl. Sächsischen Altertumsvereins) und die seit 1835 teils in den Mitteilungen, teils besonders er- schienenen gedruckten Jahresberichte. Für die ältere Geschichte des Vereins bot der Briefwechsel Böttigers und Eberts in der Kgl. Öffentlichen BibHothek einige Nachrichten. Was sonst be- nutzt wurde, haben wir an der betreffenden Stelle angeführt.

der wissenschaftlichen Vereine, die^ um den Anfang unseres Jahrhunderts noch wenig bekannt, meist seit seinem zweiten und dritten Jahrzehnt sich bildeten und an Zahl und Um- fang bis zur Gegenwart stetig zugenommen haben.

Während die altehrwürdige Deutsche Gesellschaft in Leipzig, deren Anfänge bis in das 17. Jahrhundert zurück- reichen, ihrem Charakter als ,, Sprachgesellschaft" getreu den geschichtlichen und antiquarischen Stoffen weniger Interesse entgegenbrachte,, war in Görlitz schon im Jahre 1779 ein Verein begründet worden, der wenigstens einen Teil seiner Thätigkeit der Erforschung des heimatlichen Altertums zuwandte, die ,, Oberlausitzische Gesellschaft der W^issenschaften". Unter Büschings Leitung entstand in Breslau um 18 19 ein schlesischer Altertumsverein. Wichtiger für uns wurde der Verein, welchen am 3. Ok- tober 1819 auf dem Schlosse Saaleck eine Anzahl von Freunden vaterländischer Altertümer, an ihrer Spitze der Landrat Lepsius, der Rektor der Landesschule Pforta Konsistorialrat Dr. Ilgen und der Professor an derselben Schule Lange zu stiften beschlossen hatten und der sich am 4. April 1820 als ,, Thüringisch -Sächsischer Verein für Erforschung des vaterländischen Altertums und Erhaltung seiner Denkmale" konstituierte. Sein Sitz war zuerst Naumburg, später Halle.

Die BeoTünduno- dieses Vereins scheint die erste Anreguno- zu einem ähnlichen Unternehmen im König- reich Sachsen gegeben zu haben. Ein Mann, der im geistigen Leben des damaligen Dresden und weit über dessen Mauern hinaus eine hervorragende Rolle spielte, der Hof- rat und Oberaufseher des Antikenmuseums Karl August Böttiger, war es, der den Gedanken zuerst aussprach. Ein von ihm verfafster Aufsatz in der ,, Abendzeitung" vom 25. Oktober 18 19, in welchem er die Stiftung des naum- burgischen Vereins lebhaft begrüfst, weist darauf hin, wie dringend auch im Nachbarlande die Werke alter Kunst- thätigkeit des Schutzes bedürften, und schliefst mit den Worten :

4

„Wollen wir uns im Königreiche- Sachsen nicht auch zu einem Verein für Rat und That in Erforschung und Erhaltung altdeutscher Denkmäler und Kunstleistungen zusanimenschliefsen? Mit Vergnügen werde ich im Verein mit drei andern Männern, die zu nennen mir jetzt noch nicht erlaubt ist, vorläufige Andeut- ungen, Winke, Zurechtweisungen besonders wenn sie mir schriftlich zukommen zu gemeinschaftlicher Beratung auf- nehmen. Eile frommt nirgends. Gut Ding will Weile haben. Die voreilige Blüte trifft der Spatfrost."

Böttiger verfolgte seinen Plan beharrlich, doch noch mehrere Jahre vergingen, bevor er greifbare Gestalt be- kam; ein bedauerhcher Vorfall, die Veräufscrung wertvoller Glasgemälde aus der Marienkirche zu Zwickau, hat wohl den letzten Anstofs dazu gegeben'^).

Das erste Schriftstück, das uns mit Böttigers Ab- sichten näher bekannt macht, ist eine umfangreiche Denk- schrift, die wir in den Akten des Vereins auffanden: sie ist zweifellos von Böttiger verfafst, obwohl aufser einigen Bemerkungen nur ein Nachtrag mit dem Datum des 15. April 1824 von seiner eigenen Hand herrührt. Dieser Aufsatz bezeichnet als Zweck des zu begründenden Vereins einen dreifachen: er solle den vaterländischen Altertümern in Bau- und Bildwerken nachforschen, für ihre Erhaltung und Aufbewahrung Sorge tragen und Beschreibungen und Abbildungen davon zur allgemeineren Kenntnis bringen. Im einzelnen betont er sodann: der Verein müsse vor allem wissen, was an Denkmälern noch erhalten sei; die Frage der Inventarisation, die uns noch heute beschäftigt, gehörte also zu den ersten, die überhaupt angeregt wurden. Neben den Archivaren und Sammlungsbeamten sollten bei dieser Bestandaufnahme hauptsächlich die Justiz- und Rentbeamten, Superintendenten und Ortsgeistlichen, die Mitglieder der Ratskollegien in der Provinz, Gutsbesitzer u. a. mitwirken. Die Gegenstände, auf welche sich die Nachforschungen erstrecken sollten, wurden eingehend aufgezählt; als Zeitgrenze wurde das Ende des 16. Jahr-

*) Vergl. die Rede des Prinzen Johann. Mitteilungen III, Beilage i.

hunderts vorgeschlagen. Was die Erhaltung der Alter- tümer anlangt, so habe sich jedes Mitglied des Vereins als einen wirklichen Konservator anzusehen. Der Verein als solcher aber müsse Abbildungen aufnehmen, Nach- grabungen und Restaurationen ausführen lassen u. s. w. Er müsse ferner, sobald er ein Lokal habe, in demselben einen Schrank mit Schubfächern für bewegliche Altertümer mäfsigen Umfanges aufstellen und Vorkehrungen zum Aufhängen von Gemälden treffen; so werde von selbst ein vaterländisches Museum entstehen. Femer solle der Verein von Zeit zu Zeit Druckschriften herausgeben, an- fangs nur Jahresberichte, später eigene Sozietätsschriften; „die Sache selbst fordert oder entschuldigt das gröfste Detail in der Forschung und Darstellung mit relativer Wichtigkeit für den, der die Mitteilung macht, ist aber eben dadurch auch nicht wohl abzukürzen", weshalb sich kein Verleo-er finden werde, sondern die Schriften auf Kosten der Gesellschaft gedruckt werden müfsten. Die Mitgliederzahl des Vereins müsse so grofs als möglich sein; als ,, gleichsam geborene" Mitglieder seien die Geheimen Räte, Chefs und MitgUeder der hohen Landeskollegien, mehrere Kunst- und Altertumsfreunde unter den höheren Militärs, sämtliche Kreis- und Amtshauptleute, die eben damals in Dresden versammelten Stände, die Amtleute, Rentverwalter, Bürgermeister, Professoren der höheren Lehranstalten, Künstler u. s. w. anzusehen. Ein per- manenter Ausschufs in Dresden müsse die Leitung der Geschäfte besorgen; die erforderlichen Fonds sollen durch Beiträge aufgebracht werden. ,,Der Verein würde ein totgeborenes Kind sein, wenn nicht der älteste der jüngeren Prinzen unseres allverehrten Königshauses, wenn nicht Se. Königl. Hoheit der Prinz Friedrich Herzog zu Sachsen seine schirmende, alles beschützende und leitende Huld uns angedeihen läfst und sich selbst herabläfst, den wirklichen Vorsitz dabei als beständiger Präsident gnädigst anzunehmen , . . Darin läge auch schon das allerhöchste Protektorium Sr. Majestät des Königs, und

6

der sichernde Name einer Königlichen Gesellschaft könnte nicht fehlen".

Auf diesen Aufsatz, der als „Programm und Ein- ladung" veröffentlicht werden sollte, bezieht sich ein an Böttio-er o-erichteter Brief des bekannten einflufsreichen Kunstgelehrten J. G. v. Quandt, des späteren Begründers des sächsischen Kunstvereins, vom 12. April 1824, in dem dieser seine volle Zustimmung zu dem Plane Böttigers ausspricht, aber freilich auch die Besorgnis nicht unter- drücken kann, dafs dieser Plan „bei seinen lieben Lands- leuten wenig Teilnahme finden werde; denn so betriebsam und kunstfleifsig sie auch sind, so fehlt es ihnen doch an Kunstsinn, der jedoch durch einen solchen Verein wohl geweckt werden könnte". Wenn übrigens Quandt bei aller Bereitwilligkeit, die Zwecke des Vereins zu fördern, doch mit den Worten schlofs: ,, Allein die Stellung, welche Sie mir dabei anweisen, ist so wie die Benennung, womit Sie sie bezeichnen, sehr zweideutig und dunkel und doch auch wieder anmafsend klingend, dafs ich Sie ersuchen mufs, meinen Namen nicht mitzunennen" u. s. w., so hegt darin vielleicht die Erklärung, warum die Veröffentlichung des Aufrufs damals unterblieb.

Mit noch weiterj^ehendcn Plänen macht uns ein Schreiben Böttigers an den gelehrten Bibliographen Ad. Ebert bekannt, der damals als Bibliothekar in Wolfen- büttel weilte, im folgenden Jahre aber nach Dresden zu- rückkehrte und 1827 die Leitung der Kgl. Öffenthchen Bibliothek übernahm. Es heifst in diesem Briefe vom 15. April 1824:

„Es ist in Beratung, einen Verein zur Erhaltung bildlicher (architektonischer Denkmale, Skulpturen, Glasmalereien, alte Gemälde u. s. w.) Überreste in Sachsen bis zum 17. Jahrhundert zu stiften, an dessen Spitze sich unser herrlicher Prinz Friedrich stellt. Da sind Sie einer von den gebornen Sekretären dazu. Vielleicht stiftet Prinz Johann dann einen zweiten Verein für alte Clironiken und Incunabeln. In welchen Einklang träte damit Ihr Quellenstudium , Ihr grofscs Werk über Sachsens frühere Cultur".

7

Ebert o-inor beg-eistert auf diesen Plan ein und ent- wickelte in einem inhaltreichen Briefe vom 27. April seine Ansichten von den grofsen Aufgaben, die dieser Doppel- verein zu lösen hätte.

Nach einem Schreiben des Oberhofmeisters v. Miltitz an Böttiger vom 26. Februar 1824 hatte schon damals auch Prinz Johann seine Mitwirkung hinsichtlich des „literarisch-paläographischen Teiles jener vaterländischen Altertumsforschergesellschaft" zugesagt.

Böttip-ers Rührigkeit gewann für seine Idee nunmehr bald eifrige und einflufsreiche Förderer. Neben Qu and t, dessen anfänghches Widerstreben gegen ein Hervortreten mit seinem Namen doch zu besiegen gelang, und dem Direktor der Kunstakademie Professor Ferd. Hartmann traten vor allem einige hochgestellte Beamte dafür ein: der Kabinetsminister und Staatssekretär Graf Detlev v. Einsiedel (der eben damals auch die Oberleitung der Königlichen Sammlungen übernommen hatte), der auch als feinsinnip-er Dichter unter dem Namen Arthur v. Nordstern bekannte Konferenzminister Gottlob Adolf Ernst v. Nostitz und Jänkendorf, der Wirkliche Geheime Rat und Prä- sident G. A. Ernst Freiherr v. Manteuffel, endUch der Geh. Finanzrat Gustav v. Flotow. Auf ein Gesuch, welches diese sieben Männer am 16. Juh 1824 an König Friedrich August richteten "*), genehmigte dieser durch Re- skripte vom 30. Oktober 1824 die Gründung des „Vereins zur Erforschung und Erhaltung vaterländischer Altertümer", gestattete dem Prinzen Friedrich August, die unmittel- bare Leitung; und das Direktorium dieses Vereins zu über- nehmen, und gewährte einen Fonds von 400 Thalern zur ersten Einrichtung, ein Lokal im Brühischen Palais und Porto- freiheit für die Korrespondenzen und Sendungen des Vereins. Am 19. November 1824 fand eine erste Sitzung des „Ausschusses" des jungen Vereins, d. h. der eben ge-

*) Abgedruckt in Nr. 6 der Wissens chaftl. Beilage der Leip- ziger Zeitung von 1885.

8

nannten Männer, unter Vorsitz des Prinzen Friedrich August statt. Dabei beschlofs man, dafs die Thätigkeit des Vereins sich zwar hauptsächhch auf die vaterländischen Werke der bildenden Künste erstrecken, dafs aber die Erforschung: und Erhaltuno; schriftliclier Altertümer nicht ausgeschlossen sein solle. Damit war die Idee eines be- sonderen Vereins für diesen Zweck aufgegeben, und eine Folge davon war, dafs der Ausschufs nunmehr die Bitte aussj^rach, Prinz Johann möge als Vizedirektor an dem Verein Anteil nehmen, eine Bitte, die bereitwilligst ge- währt wurde. Zum Kassierer und Rechnungsführer des Vereins wurde der Hofsekretär K. G. Grohmann ernannt.

Am 19. Januar 1825 waren endhch die durch Böttigers Kränklichkeit vielfach verzögerten Vorarbeiten beendet. Unter diesem Datum erschien eine ,, Bekanntmachung des Königl. Sächsischen Vereins zur Erforschung und Erhaltung vaterländischer Altertümer", in welcher die Begründung und der Zweck des Vereins dem Publikum mitgeteilt wurde; beigefügt waren die Statuten von gleichem Datum, ein Verzeichnis der von den Vereins- mitgliedern vorzugsweise zu berücksichtigenden Gegen- stände, endlich eine lithographierte Zeichnung der goldenen Pforte zu Freiberg. Den i Q.Januar 1825 dürfen wir also als den eigentlichen Gründungstag des Vereins bezeichnen.

Der Kgl. Sächsische Altertumsverein gehört hiernach zu den zehn ältesten der noch heute blühenden geschicht- lichen Vereine Deutschlands. Aufser den vier bereits oben genannten bestanden im Jahre 1825 die folgenden: der Verein für Nassauische Geschichte und Altertumskunde in Wiesbaden (seit 1821), die Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde in Stettin und Greifswald (seit 1824), der Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens in Paderborn (1824) und Münster (1825) und der Vogtländische altertumsforschende Verein in Hohen- leuben (1825). In den Jahren 1826 1830 kamen noch hinzu der Historische Verein für Oberfranken in Bayreuth und der Historische Verein der Pfalz in Speier (beide

9

begründet 1827), der Historische Verein für Mittelfranken in Ansbach, der Historische Verein m Bamberg, der Historische Verein für den Regenkreis (später: von Ober- pfalz und Regensburg) in Regensburg und der Historische Verein für den Untermainkreis in Würzburg (sämtlich 1830 begründet) ■'').

Betrachten wir nun jene ältesten Satzungen, welche vom Wirklichen Geheimen Rat v. Manteuffel (nach dem Vorbilde der Statuten des thüringisch-sächsischen Vereins) entworfen sind, etwas näher, so bezeichnen sie als den Zweck desVereins: „vaterländische Altertümer zu erforschen und zu entdecken, sie entweder selbst oder durch Abbildung zu erhalten und für die Nachkommen aufzubewahren", als seinen Wirkungs- kreis in geographischer Hinsicht das Königreich Sachsen, in historischer die Zeit bis zum Anfang des 18. Jahr- hunderts. Der Sitz des Vereins ist Dresden; doch sollen auch in anderen Städten die dort wohnenden Vereins- mitglieder zu engeren Vereinigungen zusammentreten. An der Spitze stehen das Direktorium und der Ausschufs, welch letzterer aus den obengenannten Stiftern zusammen- gesetzt ist und das Recht der Zuwahl hat. Der Verein soll aus ordenthchen und Ehrenmitgliedern bestehen. Jedes Mitglied verpflichtet sich, „nach seinen Kräften und Verhältnissen, ohne Zwang, zur Beförderung des gemein- samen Zweckes beizutragen". Jedes ordenthche Mitglied soll einen freiwillig festzusetzenden, jedoch nicht unter I Thaler betragenden Beitrag zahlen. Die Wahl neuer Mitglieder, zu deren Vorschlag jedes ordentliche Mitglied berechtigt ist, geschieht durch das Direktorium und den Ausschufs; als Ehrenmitglieder können auch Ausländer aufofenommen werden. Der Ausschufs versammelt sich auf Veranlassung des Direktoriums so oft als nötig. All- jährlich soll wenigstens eine Versammlung stattfinden, an welcher sämtHche Mitgheder teilnehmen können, dabei

^) Vergl. Joh. Müller, Die wissenschaftlichen Vereine und Gesellschaften Deutschlands im 19. Jahrhundert. Berlin 1883 ff.

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sollen Mitteilungen über die Vereinsthätigkeit gemacht, auch Aufsätze einzelner Mitglieder vorgetragen werden u. s. w. Wir haben uns an der Wiege unseres Vereins ab- sichtlich etwas länger aufgehalten; gerade die Anfänge derartiger Bildungen pflegen schon deswegen von l)e- sonderem Interesse zu sein, weil sie erkennen lassen, ol) man es mit notwendigen Ergebnissen allgemein wirkender Ursachen zu thun hat oder mit dem Einfalle irgend eines einzelnen, ein Unterschied, der für die weitere Ent- wickelung eines Vereins von weittragender Bedeutung ist. Dafs bei dem unseren das erstere der Fall war, dafür spricht neben dem, was wir schon angeführt haben, noch ein Umstand. W^ährend unser Verein bereits vorbereitet wurde, konstituierte sich am 6. August 1824 in Leipzig ebenfalls ein ,, Sächsischer Altertumsverein", der, ur- sprünglich ein Zweigverein des thüringisch -sächsischen Vereins zu Naumburg -Halle, ähnliche Zwecke verfolgte wie der Dresdner, nur dafs er seine Thätigkeit nicht auf Sachsen beschränken wollte, sondern allem, was dem deutschen Altertum angehörte, seine Aufmerksamkeit zu- wandte*^). Er nahm schnell an Mitgliederzahl zu. Die mehrfach angestrebte Vereinigung mit dem Dresdner Alter- tumsverein kam nie zu stände; vielmehr verband der Leipziger Verein sich im Jahre 1827 mit der oben er- wähnten Deutschen Gesellschaft zu Leipzig zu einer ,, Deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Altertümer", in welcher Form er noch heute besteht.

2. Der Verein für Erforschung und Erhaltung vaterländischer Altertümer 1825 1837.

Mit grofsen Erwartungen, kühnen Hoifnungen \\ar der Verein ins Leben getreten; leider entsprach denselben die Thätigkeit, die er in den ersten 12 Jahren" seines

*) Vergl. St übel in den Mitteilungen der Deutschen Gesell- schaft zu Leipzig VI, 28 tf.

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Bestehens entwickelte, nur wenig, und ohne die Geduld und Ausdauer seiner hohen Direktoren wäre das Unternehmen wohl bald wieder im Sande verlaufen.

Im April 1825 kam Ebert nach Dresden, dem der Ausschufs die Sekretariatsgeschäfte zu übertragen be- schlossen hatte. Wohl brachte dieser vielseitig kenntnis- reiche Mann, der auch als Mitglied der Frankfurter Ge- sellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde erfolgreich thätig war, grofsen Eifer für sein neues Amt mit, anderer- seits aber auch Eigenschaften, durch die er dem Verein vielfach geschadet hat.

Vor allem kam es darauf an, Mitglieder zu werben. In einer am 25. Juni 1825 stattgehabten Konferenz wurde eine Liste von 57 Personen aufgestellt, die zum Beitritt eingeladen werden sollten: höhere Beamte, Militärs, Geist- liche, Gelehrte, Künstler und Kunstfreunde. Allgemein wurden die Einladungen als eine hohe Ehre begrüfst, die zugesicherten Jahresbeiträge waren teilweise sehr erheblich, nur wenio-e beschränkten sich auf den Minimalsatz von I Thaler. Bis Anfang 1830 wuchs dann die MitgHederzahl auf 82; 1835 betrug sie 79. Aufser den ordentlichen er- nannte man auch Ehrenmitglieder; das erste (1826) war Polizeisekretär Schneider zu Görlitz, der dem Verein mehrere wertvolle Geschenke gemacht hatte.

In der Leitungr des Vereins trat während dieser Zeit nur insofern eine Veränderung ein, als seit der Erhebung des Prinzen Friedrich August zum Mitregenten Prinz Johann allein das Direktorium führte und der Ausschufs den Geh. Rat und Oberhofmeister v. Miltitz und den Hofrat Hase, dann, als v. Manteuffel wegen seiner Über- siedelung nach Frankfurt a./M. ausschied (1830), den Staatsminister v. Lindenau zu MitgHedern wählte; nach dem Tode Böttigers (1835) ergänzte er sich durch Ober- hofprediger v. Amnion, Hofrat Falkenstein und Geh. Regierungsrat Meifsner. Die Ausschufssitzungen fanden in ziemlich unregelmäfsigen Zwischenräumen in den Ge- mächern der Prinzen statt.

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Bald nach Gründung des Vereins gelangten zahlreiche schriftliche Mitteilungen und Anfragen, Zeichnungen und Altertümer aller Art an den Ausschufs; dieselben wurden in den Sitzungen besprochen bez. in den Sammlungen oder dem Archiv des Vereins niedergelegt. Um die Be- arbeitung dieses schätzbaren Materials zu erleichtern, l)e- schlofs der Ausschufs am 12. August 1826 die Bildung von sechs Sektionen mit eigenen Vorständen, nämlich für Archäologie üljerhaupt (Böttiger), für Urkunden und In- schriften (v. Miltitz), für Malerei und Bildhauerkunst (v. Quandt), für Architektur (Oberlandbaumeister Schuricht), für Numismatik (Hase) und für Handschriften (Ebert). Allmonatlich sollten Konferenzen der Vorsitzenden statt- finden. Aber weder dies geschah, noch entwickelten die Sektionen überhaupt eine bemerkbare Thätigkeit.

Die Herausgabe von Jahresschriften oder von einer Zeitschrift, die Böttiger schon bei Begründung des Vereins ins Auge gefafst hatte und die ein dringendes Bedürfnifs war'), unterblieb ebenfalls, obwohl der Ausschufs bereits am 17. März 1827 die Abfassung einer Publikation beschlossen und den Sekretär in Gemeinschaft mit dem Bibliotheks- sekretär Falkenstein damit beauftragt hatte.

Ebenso verging Jahr auf Jahr, ohne dafs die in den Statuten vorgeschriebene allgemeine Versammlung der Mitglieder berufen worden wäre.

Man empfand wohl, dafs auf diesem Wege ein Ge- deihen des Vereins nicht zu erwarten war; man mufste unbedingt das Interesse weiterer Kreise wecken. In diesem Sinne ergriff, während Böttiger durch Alter und Kränk- lichkeit mehr und mehr der Mitarbeit entzogen wurde, Ebert die Initiative. Auf seine Anregung genehmigte der Ausschufs am 8, Dezember 1828, zunächst probeweise, die Veranstaltung von „Privatversammlungen" zu Besprechung

■^ „Wir erregen nicht das Zutrauen im Publikum, bis der Prefsbcnp;el einmal über uns gegangen." Aus einem Briefe des Baron v. Miltitz an Büttiger vom 9. Dezember 1826.

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wissenschaftlicher Fragen auf den Gebieten der Geschichte (unter Leitung von Ebert), der plastischen Altertümer (Böttiger und Schuricht), der Münzkunde (Hase) und der Malerei (v. Quandt und Hartmann), an welchen auch Nicht- mitglieder teilnehmen konnten; die dabei vorgetragenen Abhandlungen sollten dem Sekretariat übergeben werden, und das Direktorium behielt sich vor, die Verfasser in einzelnen Fällen durch Remunerationen oder durch Er- teilung der Mitgliedschaft zu belohnen.

Allein auch dieser Plan kam nur zum kleinsten Teil zur Ausführung. Am 13. Dezember 1828 konstituierte sich unter Vorsitz von Ebert die ,, historische Sektion"; sie stellte sich als Aufgabe ,,die gemeinschaftliche Er- forschung der sächsischen Geschichte und Altertümer bis auf das Jahr 1763 herab". Allwöchentlich sollten Zvi- sammenkünfte in der Königlichen Bibliothek stattfinden, in denen ein kurzer Aufsatz verlesen und darüber debattiert werden sollte.

Diese Versammlungen von „Freunden der sächsischen Geschichtsforschung", an denen aufser Ebert Bibliothekar Falkenstein, Inspektor Frenzel, Bibliothekssekretär Gers- dorf, Hofrat Hase, Regierungssekretär Jähnichen, Finanz- sekretär Miller, Oberhofmeister v. Miltitz, R, v. Römer, Alb. Schiffner, K. v. Zehmen u. a. teilnahmen, versprachen anfangs viel. Unser Vereinsarchiv enthält die sorgfältig geführten Protokolle der Sitzungen und die abgelieferten Manuskripte, die beweisen, dafs die Sektion mit wissen- schaftlichem Ernst an ihre Aufgabe ging. Leider war ihr kein langer Bestand beschieden. Bis 1830 hatten 37 Ver- sammlungen stattgefunden. Da trat zunächst infolge der politischen Ereignisse eine Pause ein; während derselben kam es offenbar zu unliebsamen Reibimgen zwischen den Mitgliedern, an denen wohl Eberts krankhaft reizbarer Zustand die Hauptschuld trug. Anfang 1832 machte Ebert, der seiner Aufgabe, eine VereinspubUkation zu bearbeiten, sich noch immer nicht entledigt hatte, den Vorschlag, einen Teil der Arbeiten der Sektion zu ver-

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öffentlichen. Dies gab Anlafs zu neuen Zerwürfnissen, in denen Prinz Johann selbst zu vermitteln suchte; unsere Akten enthalten den von ihm eigenhändig- aufgesetzten Entwurf einer neuen Geschäftsordnung für die Sektion, der mannigfach diskutiert und umgestaltet wurde, aber zu einer Wiederaufnahme ihrer Thätigkeit nicht führte.

Inzwischen hatte sich der Ausschufs des Vereins einer Aufgabe zugewandt, die von der höchsten Be- deutung für seine fernere gedeihliche Thätigkeit war. Nachdem man in einer Sitzung vom 14. Januar 1828 be- schlossen hatte, der Verein solle sich wegen Erhaltung der Denkmäler vaterländischer Kunst und Altertums so- wohl mit dem Oberkonsistorium als auch mit den Kreis- hauptlcuten in Verbindung setzen und beide Behörden ersuchen, ihm über etwa vorfallende Veränderungen oder Reparaturen Mitteilungen zu machen, um erforderlichen Falls dabei thätig sein und hilfreich einschreiten zu können, wurde am 8, Dezember 1828 der Antrag gestellt; Seine Majestät der König möge ersucht werden, ein Gesetz gegen die willkürliche Zerstörung und Entfernung der vorhandenen Altertümer zu erlassen. Prinz Johann selbst übernahm die Ausarbeitung und Begründung des Ent- wairfs. Von hohem Interesse ist der ausführliche Aufsatz, welchen der damals 28 jährige Prinz bei dieser Gelegen- heit verfafste; ein glänzender Beweis ebensowohl für den wissenschaftlichen Ernst, mit dem er sich in den Stoff vertiefte bis auf Kaiser Majorian herab verfolgt er die staatliche Gesetzgebung zum Schutz der Altertümer , als auch für die ideale Begeisterung, deren Stempel seine gesamte Thätigkeit im Altertumsverein trug. Als Vorbild für den Gesetzentwurf empfahl der Prinz namentlich eine grofsherzoglich hessische Verordnung vom 22. Januar 1808, die vor allem die Fertigung eines Verzeichnisses der vor- handencn Monumente vorschrieb; der Prinz bezeichnete dieses Inventar, das seiner Meinung nach durch die Ge- richtsbehörden unter Zuziehung der Geistlichen aufge- nommen werden könnte, als ,, Eckstein des ganzen Ge-

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bäudes". Ferner verlangte er, dafs an Altertümern im weitesten Begriffe des Wortes keine Veränderung ohne höhere Genehmigung stattfinden dürfe; diese Genehmigung sollten das Oberkonsistorium, das Geheime Finanzkollegium und die Landesregierung erteilen können, jedoch nicht ohne vorher das Gutachten des Vereins eingeholt zu haben. In Zweifelsfällen und namentlich, wenn die Be- hörden mit dem Gutachten des Vereins nicht einver- standen v/ären, sollte Bericht an den König erstattet werden ^).

Diese Denkschrift wurde am 22. März 1830 dem Könige überreicht, stiefs jedoch namentlich bei der Landesregierung wegen der darin verlangten Beschränkung des Eigentums, der Überlastung der Beamten u. a. auf lebhafte Bedenken, So beschlofs denn der Verein am 7. Oktober 1831, den Gesetzentwurf einstweilen auf sich beruhen zu lassen, jedoch den Grundsatz festzuhalten, dafs die Erhaltung der in Sachsen vorhandenen Denkmäler unter die un- mittelbare Aufsicht und den Schutz des Staates zu stellen sei.

Aufserdem suchte sich der Verein nunmehr ein Organ zur Erfüllung derjenigen Funktionen zu schaffen, die der Gesetzentwurf dem Staate zuweisen wolltet In einer wenige Tage später, am 10. Oktober, stattfindenden Aus- schufssitzung legte Herr v. Quandt einen ,, Entwurf zur Organisation der mit dem künstlerischen Teile beauftragten 2. Sektion des Kgl. Sächsichen Altertumsvereins" vor. Danach soll ein MitgHed des Ausschusses beauftragt werden, für Erforschung, Bekanntmachung und wo möglich Er- haltung aller kunstgeschichtlich oder geschichtlich wert- vollen Denkmale und Altertümer zu sorgen; ein Sekretär soll ihm zur Seite stehen. Es sollen ferner jährlich mindestens 12 Versammlungen von Künstlern und Kunst-

8) Vergl. über diese Denkschrift des Prinzen Johann V. Falken stein, Der Altertumsverein und das Neue Archiv etc., im Neuen Archiv f. Sächsische Gesch. I, 4 f.

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freunden stattfinden, in welchen Mitteilungen über ein- schlagende Gegenstände gemacht, Zeichnungen vorgelegt, Sammlunoren zur Erhaltung bestimmter Kunstdenkmäler veranstaltet werden u. s. w. Die Ergebnisse dieser Ver- sammluno-en träpt der Sektionsvorstand dem Direktorium vor, macht Vorschläge über Restaurationsarbeiten und dergl. mehr. v. Quandt wurde zum Vorsitzenden, Hofrat Hase zum Sekretär der Sektion erwählt; aufser ihnen machte sich namentlich Prof. Hartmann um dieselbe sehr verdient.

Die Tliätigkeit dieser kunstgeschichtlichen Sektion, welche zwischen 1831 und 1833 zehn Sitzungen abhielt, war unter den Leistungen des Vereins, wenn wir ihre Summe im ersten Dezennium seines Bestehens ziehen, jeden- falls die erspriefslichste. Eingeleitet wurde sie durch eine den ,, Altertumsfreunden in Sachsen" gewidmete kleine Schrift des Herrn v. Quandt (Dresden 1831) ,, Hinweisungen auf Kunstwerke aus der Vorzeit", deren Ertrag für Vereins- zwecke bestimmt war; sie enthält einen in vieler Be- ziehung beachtenswerten Bericht über eine archäologische Reise Quandts durch das ganze Land. Unter anderem weist er darin auf einen in der Marienkirche zu Zwickau befindlichen Altar hin, den acht Gemälde des Nürnberger Meisters Michael Wohlgemuth, des Lehrers von Albrecht Dürer, zieren. Bereits bald nach der Begründung des Altertumsvereins war Prinz Johann auf dieses hochwichtige Werk aufmerksam geworden und hatte eine Kopierung der Gemälde veranlafst. v. Quandt war es dann, der den Beschlufs einer Wiederherstellung dieser Bilder auf Kosten des Altertumsvereins durchsetzte. Nachdem Prinz Johann durch seinen persönlichen Einflufs bei Gelegenheit eines Besuchs der Stadt Zwickau den engherzigen Widerspruch einiger Bürger zum Schweigen gebracht hatte, begab sich im Juli 1832 der vom Vereine mit der Arbeit beauftragte rühmlichst bekannte Restaurator der Königlichen Gemälde- galerie, Inspektor Renner, selbst nach Zwickau und holte dort die Bilder ab. Eine Untersuchung ergab, dafs die-

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selben zwar sehr beschmutzt, auch früher schon einmal übermalt und restauriert worden waren, aber nur wenig wirkliche Beschädigungen zeigten. In einigen Monaten war die Herstellung vollendet, und im November wurden die Bilder in Zwickau wieder an ihren Platz gestellt. Noch vorher liefs sie Herr v. Quandt durch einen ge- schickten Zeichner, Callmeyer, abzeichnen, und man beschlofs im Jahre 1835, die Zeichnungen lithographieren zu lassen; es vergingen jedoch noch mehrere Jahre, bevor dieses Werk, dessen Kosten durch eine Subskription auf- gebracht wurden, mit begleitendem Texte von Quandt im Verlage von Rudolph Weigel in Leipzig erschien'').

Durch die Herstellung der Wohlgemuth'schen Bilder, die einen Aufwand von über 430 Thaler verursacht hatte, waren, obwohl grofsmütige Gönner des Vereins und vor allem dessen erster Direktor selbst freigebig dazu bei- getragen hatten, die vorhandenen Mittel bis auf einen kleinen Rest erschöpft. Die Beiträge waren stets sehr unregelmäfsig, schliefslich fast gar nicht mehr eingegangen; eine eigentliche Einforderung derselben scheint man des- wegen vermieden zu haben, weil der Verein ja allerdings nach aufsen hin bis zur Wiederherstellung der Zwickauer Bilder keine Thätigkeit gezeigt hatte. Eben darum wurde in einem längeren Aufsatze der Leipziger Zeitung (vom 20. November 1832) auf jene Restauration hin- gewiesen und Rechenschaft über die Verwendung der Gelder des Vereins abgelegt; aber zunächst, wie es scheint, ohne den gewünschten Erfolg. Es folgten vielmehr einige Jahre, während der die Vereinsthätigkeit so gut wie voll- ständig stockte.

Da das Lokal im Zwinger, das dem Verein schon vor längerer Zeit statt des ursprünglich ihm einge-

^) Die Gemälde des Michael Wohlgemuth in der Frauen- kirche zu Zwickau; im Auftrage des Kgl. Sächsischen Alter- tumsvereins herausgegeben von Quandt. Dresden und Leipzig, in Commission von Rudolph Weigel [1839] gr. fol.

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räumten überwiesen war, anderweitig gebraucht wurde, wurden die Sammlungen des Vereins an die Königliche Bibliothek, das Staatsarchiv, das Grüne Gewölbe, das Historische Museum und die Porzellansammlung unter Vorbehalt der Eigentumsrechte des Vereins verteilt. So schien der Altertumsverein seiner Auflösung nahe zu sein, und es kann nicht wundernehmen, wenn diejenigen Kreise, denen die Sache selbst am Herzen lag, auf einen Ersatz für denselben dachten. Im Dresdener Anzeiger vom 26. Februar 1834 erschien folgende Bekanntmachung:

„Mehre Freunde sächsischer Kunst und Geschichte haben gewünscht, regelmäfsige Zusammenkünfte zur Besprechung über diejenigen Gegenstände zu halten, deren Erläuterung, Erhaltung und Beschreibung im biteresse der vaterländischen Geschichte wichtig sein kann. Die Unterzeichneten werden sich daher am künftigen 3. März um 7 Uhr abends im Locale des Herrn Wokurka im Calberla'schen Hause zum ersten Mal versammeln und laden die verehrlichen Mitglieder des Altertum -Vereins und andere Freunde der vaterländischen Vorzeit zur Teilnahme an jener Zusammenkunft hiermit ein.

Adv. Erbstein. Götz. Prof. Hartmann. Hofr. Hase. R. Krüger. Prof. Krüger. Römer. Alb. Schiffner."

Am 10. März 1834 konstituierte sich dieser „Verein der sächsischen Altertumsfreunde". Seine Statuten, ent- worfen von R. V. Römer auf Neumark, bezeichnen als seinen Zw^eck „Aufsuchung, Erhaltung, Erläuterung und Abbildung historisch oder künstlerisch wichtiger Denk- mäler der vaterländischen Vorzeit". Jedes Mitglied hat einen Jahresbeitrag von 2 Thalern zu entrichten. All- monatlich findet eine Versammlung, am 10. März in der Regel die Hauptversammlung statt. Die bei derselben zu wählenden Vereinsbeamten sind der Vorsitzende, der Sekretär und der Kassierer. Die Zahl der Mitglieder war nicht sehr grofs; den regen Eifer derselben be- kunden die anspruchslosen, mit guten Lithographien ge- schmückten Jahresberichte, die der Verein 1835, 1836 und 1837 herausgegeben hat. Den Vorsitz führte zuerst

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R. V, Römer, dann Dr. Engelhardt, schliesslich Dr. Ditt- mann, das Sekretariat Advokat Erbstein, später Stadt- gerichtsaktuar Noerner, Die innere Erneuerung der Sophienkirche zu Dresden, der Umbau der Marienkirche zu Dohna, die Schnitzwerke im Dome zu Freiberg, die Glaseemälde in den Kirchen zu Leuben und Glashütte u. a. beschäftigten den Verein, der trotz geringer Mittel auch hilfreiche Hand leistete, wo er konnte.

Die Begründung dieses Vereins wurde auch für den Ksfl. Altertumsverein, der einen Rivalen in demselben um so weniger sah, als viele seiner Mitglieder auch jenem angehörten, ein Sporn zu neuer Thätigkeit. Dazu kam, dafs am 13. November 1834 der Hofrat und OberbibHo- thekar Ebert, der erste Sekretär des Vereins, der trotz grofser Verdienste doch schliefslich ein peinliches Hemmnis geworden war, nach längerem Leiden starb. In einer Ausschufssitzung, die am 7. Januar 1835 nach mehrjähriger Pause stattfand, wurde Bibliothekar Dr. Klemm zum Vereinssekretär ernannt.

Gleichzeitig legte Prinz Johann einen Entwurf vor, der von neuem bezeugte, wie der Prinz nicht müde wurde, die Ziele, die jener Gesetzentwurf gesteckt hatte, zu verfolgen. Er schlug die Begründung von Zweig- vereinen im ganzen Lande, das zu diesem Zwecke in Bezirke geteilt werden sollte, vor; diese Zweigvereine sollten die Aufsicht über die im Bezirke vorhandenen Altertümer übernehmen''').

Bald darauf beschlofs der Ausschufs eine gedruckte Mitteilung an alle Mitglieder und die Abhaltung einer Generalversammlung. Im Juh 1835 erschien das von Dr. Klemm herausgegebene erste Heft der ,, Mitteil- ungen des Königl. Sachs. Vereins für Erforschung und Erhaltung der vaterländischen Altertümer" (in 2. Auflage 1853), welches aufser einer Übersicht über die Schicksale und Leistungen des Vereins während seines

1*^) Der ganze Entwurf Mitteilungen I, XIX f.

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ersten Jahrzehnts längere Aufsätze von K. Preufskcr, Alb. Schiffner und Klemm enthält. Am 4. Dezember 1835 aber fand die erste allen Mitgliedern des Vereins zu- gängliche Generalversammlung im Reichenbach'schen Auditorium im Zwinger statt; aufser dem Prinzen und dem aus acht Personen bestehenden Ausschusse nahmen 13 ordentliche Mitglieder daran teil. War diese Zahl auch klein, so war die Versammlung doch das erste kräftige Lebenszeichen, das der Verein wieder gab. Man ergänzte den Ausschufs, beschlofs mit auswärtigen Vereinen in Beziehuno^ zu treten und ernannte zahlreiche ordentliche und Ehrenmitglieder; unter letzteren befanden sich Frei- herr V. Aufsefs in Nürnberg, Oberbibliothekar Bechstein in Meiningen, Sulpice Boisseree in München, Geheimrat Creuzer in Heidelberg, die Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm, Professor Hottinger in Zürich, Professor Mafsmann in München, Professor Voigt in Königsberg. Über den Plan der Gründung von Zweigvereinen wurde viel verhandelt, aber ohne bleibenden Erfolg. Der wichtigste Beschlufs war, die Sammlungen wieder zu vereinigen.

Um dies zu können und zugleich hävifigere Versamm- lungen der Mitglieder zu ermöglichen, bedurfte der Verein vor allem wieder eines Lokals. Zwar räumte ihm Hofrat Reichenbach einige Schränke im naturwissenschaftlichen Museum ein, aber dies genügte nicht. Am 2. April 1836 wurde dem Verein endlich durch königliche Huld die ehemalige Wohnung des Hofbettmeisters im Erdgeschofs des Prinzenpalais am Taschenberg angewiesen. Hier wurden die Sammlungen des Vereins aufgestellt und fanden in der Folge die reo-elmäfsigen Zusammenkünfte der ordentlichen Mitglieder statt.

So birgt das Jahr 1835 mehr als einen Keim zu einer neuen, erfolgreicheren Thätigkeit des Altertums- vereins. Von besonderer W^ichtigkeit war es, dafs mit dem Ende desselben die Verhandlungen mit dem Verein der sächsischen Altertumsfreunde begannen, die im Februar 1837 zu einer Vereinigung beider Vereine führten.

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3. Der Königlich Sächsische Altertumsverein bis zur Niederlegung des Direktoriums durch Prinz Johann.

1837—1855.

Die Verschmelzung des Vereins zur Erforschung und Erhaltung der vaterländischen Altertümer mit dem Verein der sächsischen Altertumsfreunde war nicht allein des- wegen von Bedeutung, weil die Mitgliederanzahl und die verfügbaren Geldmittel des Vereins einen erheblichen Zu- wachs bekamen, sondern hauptsächlich darum, weil seine Verfassung eine wesentliche Änderung erfuhr; sie erhielt damals die Gestalt, welche sie, abgesehen von unbedeutenden Änderungen, bis auf den heutigen Tag beibehalten hat. Auch der Name ,, Königlich Sächsischer Altertums- verein" wurde seit dem Jahre 1837 in der Regel ge- braucht, wenngleich neben demselben die alte weitläufigere Bezeichnung noch häufig auf dem Titel der Vereins- zeitschrift bis 1869 angewandt wurde; völhg ver- schwand sie erst, nachdem ein Vereinsbeschlufs vom 7. März 1870 den gegenwärtigen Namen bestätigt hatte.

Die neuen Statuten des Kgl. Sächsischen Altertums- Vereins, welche am 3. März 1837 die königliche Bestätigung erhielten, sind die Grundlage der veränderten Verfassung. Wir heben aus ihnen nur einiges hervor. Der Wirkuno;s- kreis des Vereins soll in geographischer Beziehung das Königreich Sachsen, in historischer die Zeit bis zum west- fälischen Frieden umfassen, doch soll in einzelnen Fällen die Berücksichtigung anderer Gegenden und Zeiten nicht ausgeschlossen sein: eine Bestimmung, die schon durch die Stellung Sachsens in der Kunstgeschichte des 18. Jahr- hunderts durchaus geboten war. Der jährliche Beitrag der ordentlichen Mitglieder wird auf mindestens 2 Thaler festgesetzt; nach einem 1849 gefafsten Beschlüsse soll eine einmalige Zahlung von mindestens 25 Thaler von dem Jahresbeiträge befreien. Alle Vereinsgeschäfte sind in regelmäfsigen Monatsversammlungen zu besprechen. An die Stelle des Ausschusses tritt ein Direktorium, an

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dessen Spitze der Protektor oder Direktor des Vereins steht; die übrigen Mitglieder, der Vizedirektor und sein Stellvertreter, der Sekretär und sein Stellvertreter und der Kassierer, werden alljährlich mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt. Jedes Mitglied hat das Recht, neue Mitglieder zur Aufnahme vorzuschlagen; die Aufnahme erfolgt durch Ballütement. In einem gedruckten Jahresberichte soll der Verein öffentlich Rechenschaft von seiner Thätio-- keit geben.

Diese Jahresberichte, die seit 1835 vollständig vor- liegen"), bilden eine annalistische Chronik des Vereins. Mit Rücksicht hierauf glauben wir, die weitere Vereins- geschichte weniger nach der zeitlichen Ordnung, als nach allgemeineren Gesichtspunkten darstellen zu sollen, und geben zunächst die äufsere Geschichte desselben, um dann auf seine wichtigsten Leistungen überzugehen.

Die Zahl der ordentlichen MitgHeder (79 im Jahre 1835) war durch die Vereinigung auf 131 gewachsen und nahm rasch zu, bis sie im Jahre 1846 mit 228 eine Höhe erreicht hatte, die erst vierzig Jahre später überschritten wurde. Aufser den ordentlichen besafs der Verein (1838) 28 Ehren- mitglieder, eine Zahl, die dann bis auf 53 (1847, 1854, 1855) vermehrt wurde. Die Aufnahme von korrespondierenden Mitgliedern fand erst seit 1852 statt.

Das oberste Direktorium des Vereins führte auch fernerhin derjenige, der vor allen dazu berufen war, Prinz Johann. Wenn der Verein in diesem Zeitabschnitte seine Thätigkeit zu erfreulicher Blüte entfaltet hat, so ist dies vor allem sein Verdienst gewesen, und es war nur ein schwacher Tribut der Dankbarkeit, wenn der Verein am Tage des silbernen Ehejubiläums, am 21. November 1847,

i ") Die Berichte über die Jahre 1835/38, 1838/39, 1839/40, 1840/41 (sämtlich in fol.) und 1842/44 (8^) erschienen in besonderen Heften; die übrigen sind in die „Mitteilungen" des Vereins auf- genommen (vergl. die Übersicht Mitt. XXX, 8). Seit 1879/80 erscheinen sie wiederum selbständig als Beilagen des ,, Neuen Archivs".

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ihm, dem „Beschützer der vaterländischen Vorzeit", eine sinnige vom Münzgraveur Krüger ausgeführte Denkmünze überreichte. Zum Vizedirektor wählte der Verein am 3. März 1837 den vielseitig verdienten Forscher auf dem Ge- biete der sächsischen Geschichte Geh. Rat Dr. v. Langenn, zu dessen Stellvertreter Herrn v. Römer auf Neumark; der bisherige Sekretär Bibliothekar Dr. Klemm und der bis- herio:e Kassierer Hofsekretär Grohmann wurden wieder- gewählt und zum Stellvertreter des ersteren Cand. Alb. Schiffner ernannt.

Als V. Langenn 1845 das Direktorium niederlegte, trat an seine Stelle Appellationsrat Dr. v. Stieglitz; ihm folgte 1852 Regierungsrat Dr. H. W. Schulz, der Vorstand des Antikenkabinets , der seit 1844 an Stelle v. Römers bereits Stellvertreter des Vizedirektors gewesen war, wozu der Verein nunmehr den Hofrat Dr. Engelhardt wählte.

Im Sekretariat folgte auf Dr. Klemm im Jahre 1841 Dr. Wilhelm Schäfer, der seit 1839 schon stellver- tretender Sekretär gewesen war: ein Mann von grofsem Eifer für die Sache und vielseitigem, wenn auch nicht tiefgehendem Wissen, der sich um den Verein zweifel- lose Verdienste erworben hat, bis bedauernswerte persön- liche Verhältnisse ihn nötigten, 1847 das Sekretariat niederzulegen. Man beschlofs nach seiner Abdankung die Stellen eines Bibliothekars und eines Kustos vom Sekretariat abzuzweigen. Erstere wurde dem Archivar Erbstein, letztere dem Oberleutnant Schreiber übertragen, zum stellvertretenden Bibliothekar Professor Dr. Löwe, zum stellvertretenden Kustos der Maler Northus ernannt. Zum Sekretär aber wählte der Verein den Appellations- gerichtsaktuar Nofsky, der seit 1846 nach dem Finanz- archivregistrator Segnitz (1841 43) und dem Amts- aktuar Pöschmann (1843 46) Stellvertreter des Sekretärs gewesen war.

Die Kassengeschäfte endlich besorgten als Nachfolger von Grohmann von 1840 43 Hofrat Dr. Engelhardt, dann bis 1849 Oberfinanzeinnehmer Nollau, seit diesem

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Jahre Advokat Gutbier, Neu geschaffen wurde 1848 das Amt eines „Programmatars", dem die Herausgabe der Vereinszeitschrift zufiel; es wurde damals dem Dr. Arnold Schäfer dem späteren bekannten Bonner Professor übertragen, ging dann 1850 an den stellvertretenden Sekretär und Bibliothekar Professor Dr. Löwe über und wurde seit dessen Tode (1865) nicht wieder besetzt.

Die zwölf jährlichen Sitzungen, welche die Statuten vorschrieben, fanden, meist unter Vorsitz des Prinzen Johann, ziemlich regelmäfsig statt, wenn auch namentlich während des Sommers zuweilen eine von ihnen ausfiel. Das Versammlungslokal blieb die schon erwähnte Räum- lichkeit im Erdgeschofs des Prinzenpalais; für die Sommer- sitzungen wurde 1841 ein Zimmer im ersten Stockwerke des Palais im Königlichen Grofsen Garten eingeräumt, wo 1848 auch die Bibliothek des Vereins aufgestellt wurde. Wie rege die Vereinsthätigkeit und wie reichhaltig meist die Tagesordnung dieser Sitzungen war, beweisen die Protokolle. Um sie nicht lediglich mit geschäftlichen Angelegenheiten auszufüllen und ihnen ein allgemeineres wissenschaftliches Interesse zu geben, wurde 1850 be- schlossen, dafs fortan in jeder Sitzung durch ein Mitglied ein Vortrag gehalten werden und dessen Gegenstand vorher öffentlich bekannt gemacht werden solle: ein Brauch, der sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat.

Aufser diesen regelmäfsigen Versammlungen fanden auch verschiedene aufserordentliche statt, von denen wir hier nur zwei erwähnen, weil sie vor allem das Bestreben des Vereins zeigen, auch weitere Kreise für seine Interessen zu o-ewinnen. Auf Anrejjung des Dr. Wilh. Schäfer ver- anstaltcte der Verein am 24. August 1844 um 5 Uhr nachmittags im grofsen Saale des ersten Stockwerkes des Königlichen Palais im Grofsen Garten eine General- Versammlung, zu der auch zahlreiche Nichtmitglieder, Staatsbeamte, Gelehrte, Künstler, Kunstfreunde u, s. w. Einladungen erhalten hatten; gegen 700 Karten waren ausgegeben worden. Der Zweck war, ,,die wahre Tendenz

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des Vereins durch Reden und spezielle Vorträge, sowie auch durch Vorlegung von Zeichnungen und Aufstellung von Altertümern offener darzulegen". Die stark besuchte Versammlung eröffnete der hohe Direktor in eigener Person mit einer Rede, in welcher er die bisherige Thätig- keit und die Zwecke des Vereins in treffender Weise schildertet'^). Weitere Vorträge hielten Regierungsrat Dr. H. W. Schulz, Dr. Schäfer und Appellationsgerichtsrat Dr. V. Stieglitz; eine Aufführung mittelalterlicher Musik- stücke bildete einen würdigen Abschlufs.

Eine andere Gelegenheit zu öffentlichem Hervortreten bot dem Verein die Feier des 25jährigen Jubiläums, die am 16. Juli 1850 in demselben Saale stattfand. Auch hier war es Prinz Johann selbst, der die Versammlung mit geistreichen und warmen Worten eröffnete ^■^). Aufser ihm sprachen Regierungsrat Dr. Schulz über die Geschichte und Bauart der Albrechtsburg in Meifsen und Dr. Arnold Schäfer über das Verhältnis der Landgrafen von Thüringen zur Poesie ihrer Zeit, Für den musikalischen Teil der Feier hatte in feinsinniger Weise Musikdirektor Kade ge- sorgt, wohl das einzige damalige Mitglied des Vereins, dem es vergönnt ist, auch das 75 jährige Jubiläum desselben zu erleben.

Gehen wir nunmehr spezieller auf die Thätigkeit des Vereins über, so ist dieselbe auch in diesem Zeitabschnitt seines Wirkens vorzugsweise eine konservierende gewesen ; die geschichtliche Forschung stand noch immer im Hinter- grunde. Um in jener Richtung erfolgreich wirken zu können, brauchte der Verein vor allem zweierlei: Autorität und Geld. Bereits kurz nach der neuen Konstituierung des Vereins im April 1837 wandte er sich auf Antrag des Vizedirektors v. Langenn an das Gesamtministerium mit

12) Mitteilungen etc. III,. Beilage i; vergl. v. Falkenstein im Neuen Archiv f. Sächsische Gesch. I, 7 ff.

1") Mitteilungen etc. VI, 16. Vergl. v. Falkenstein a. a. O. I, 9 ff.

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der Bitte um eine jährliche Beihilfe ,,zu Erhaltung der gröfseren Bauwerke des Altertums in ihrer Integrität", V. Langenn wünschte, dafs dem Verein im Zusammenhang hiermit eine ähnliclie halbamtliche Stellung überwiesen werden möge, wie sie der statistische Verein zu jener Zeit besafs. Der Antrag, der damals nicht mehr vor die Kammern gebracht werden konnte , weil das Budget der Staatsausgaben für die nächste Finanzperiode schon fest- gestellt war, wurde 1839 erneuert. Auf den Wmisch des Ministeriums des Innern präzisierte der Verein seine Bitte dahin, dafs er eine jährliche Subvention von 800 Thalern, von denen 300 Thaler für die Kreuzgänge des Freiberger Doms verwandt werden sollten, erbat. Allein die Kammer lehnte das bezügliche Postulat der Regierung ab '■*), und spätere Gesuche hatten ebensowenig Erfolg.

So war der Verein lediglich auf seine eignen Kräfte angewiesen, und wenn man dies berücksichtigt, so wird man seiner Thätigkeit nur ein glänzendes Zeugnis aus- stellen können.

In der Sitzung vom 7. September 1838 hatte Professor Krüger den Antrag gestellt, der Verein möge sich an das Kultusministerium w^enden, um die Geistlichen zur Aufnahme von Inventarien der in ihren Kirchen vor- handenen Altertümer zu veranlassen; dabei wurde von neuem die Notwendigkeit eines Gesetzes zum Schutze der Altertümer des Landes betont. Die in dieser Angelegenheit niedergesetzte Kommission, welche aus v. Langenn, Krüger und dem Appellationsgerichts-Präsidenten Meifsner bestand, verschlofs sich nicht der Ansicht, die auch früher schon Prinz Johann vertreten hatte, dafs die notwendigste Vor- arbeit jeder umfangreicheren konservierenden Thätigkeit die Aufnahme eines Inventars über die im Lande und namentlich in den Kirchen vorhandenen Altertümer sei. Um zu einem solchen zu gelangen, schlug man den Weg

'1) Vcrgl. Landtagsakten III. Abt. I, 644, 647. I. Abt. II, 315. 11. Abt. I, SOI.

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vor, der später wiederholt in verschiedenen Gegenden Deutschlands versucht worden ist, aber immer zu den gleichen, unbefriedigenden Ergebnissen geführt hat: man versuchte das Inventar durch Mitteilungen von Altertums- freunden im ganzen Lande zu Stande zu bringen. Die Herren Meifsner, Krüger und Freiherr v. Odeleben arbeiteten eine kleine Brochüre aus, welche in aller Kürze eine An- leitung zur Beschreibung von Kirchen und kirchlichen Gegen- ständen aller Art und ein hierzu bestimmtes Formular enthielt. Dieses Schriftchen erschien in einer Auflage von 2000 Exemplaren unter dem Titel: ,, Sendschreiben des Königlich Sächsischen Altertums-Vereins an die Freunde kirchlicher Altertümer im Königreiche Sachsen. Mit vier lithographierten Blättern. Dresden 1840", und wurde, durch Vermittelung des Königlichen Kultusministeriums, in zahlreichen Exemplaren im Lande verbreitet; Stadräte, Kollatoren, Kircheninspektoren, namentlich aber -die Geist- lichen selbst sollten sich dadurch veranlafst sehen, Be- schreibunofen ihrer Kirchen einzusenden. In der That ging eine grofse Menge Beschreibungen, Zeichnungen und dergleichen ein; sie bilden einen beträchtlichen Teil unseres Vereinsarchivs, sind jedoch von sehr ungleichem Werte.

Wurde der Zweck, den man im Auge hatte, so auch nicht vollständig erreicht, so war doch das Sendschreiben in mehr als einer Hinsicht den Vereinszwecken förderlich : es gewann dem Verein zahlreiche thätige Mitarbeiter im ganzen Lande und gewährte den Mitgliedern selbst mannig- fache Anregung. Nicht zufällig ist es, wenn in der- selben Zeit die Geschichte des Altertumsmuseums beginnt.

Zwar besafs der Verein seit seinen ersten Jahren eine kleine Sammlung von Altertümern; dieselbe wurde jedoch, wie wir oben erwähnten, im Jahre 1832 in Er- mangelung eines geeigneten Lokals an die verschiedenen Dresdner Museen verteilt. Das Bedürfnis eines aus- reichenden Sammlungsraumes stellte sich fühlbarer heraus,

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als im Jahre 1839 bei Abtragung der Bartholomäuskapelle zu Dresden die in derselben befindlichen teilweise hoch- interessanten Kunstwerke unter anderen die herrliche Grtiblegung Christi aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts, die man vielleicht als das schönste Werk unsers Museums bezeichnen kann dem Altertumsverein zur ferneren Auf- bewahrung überwiesen wurden. Durch königliche Gnade wurde dem Verein nunmehr ein Teil des Erdgeschosses des Palais im Königlichen Grofsen Garten eingeräumt.

Rasch mehrte sich die Sammlung, namentlich da der Verein seit etwa 1841 sich bereit finden liefs, kirchliche und andere Altertümer, für deren sichere Aufbewahrung die betreffende Gemeinde oder der Eigentümer keinen Raum hatte, unter Vorbehalt des Eigentumsrechtes der bisherigen Besitzer in das Museum aufzunehmen; die kaum 50 Nmnmern, mit denen 1839 '^^^ Grund zum Museum gelegt war, hatten sich in fünf Jahren bereits auf 700 ver- mehrt. Dies schnelle Wachstum wäre unmöglich gewesen, wenn nicht durch Erlafs des Königlichen Hausministeriums vom 12. Juli 1841 auch die übrigen Erdgeschofsräume des Palais dem Vereine überwiesen worden w^ären.

Zum Oberaufseher des Museums wurde 1841 Freiherr V. Odeleben gewählt; als Kustos fungierte ])is 1847 Dr. W. Schäfer, der durch den Eifer, mit dem er uner- müdlich ini Lande nach Altertümern herumstöberte, das Wachstum des Museums wesentlich förderte. 1847 ward die Oberleitung der Sammlung, wie schon bemerkt, dern Oberleutnant Schreiber, dann 1850 dem Professor Krüger übertragen, unter welchem 1847 1852 der Maler Nordhus als Kustos, seit 1853 der Kupferstecher Keyl als Inspektor standen.

Die Altersbestimmung und die Inventarisation der Gegenstände des Museums wurde 1840 einer besonderen Kommission des Vereins übertragen , an deren Arbeiten namentlich R. v. Römer auf Neumark, Hofrat Dr. Klemm, Direktor Frenzel, Professor Dahl, Professor Krüger, Dr. W. Schäfer und die Maler Otto Wagner und Nordhus

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sich beteiligten; seit 1843 führte der Regierungsrat Dr. H. W. Schulz den Vorsitz. Sie löste ihre Aufgabe zu voller Befriedigung, so dafs 1845 die Herausgabe eines Katalogs beantragt werden konnte. Dr. Schulz unterzog sich dieser Arbeit, die eine Reihe von Jahren in Anspruch nahm; erst 1852 erschien der ,, Führer durch das Museum des Königl. Sachs. Vereins zur Erforschung und Erhaltung vaterländischer Altertümer im Königlichen Palais des Grofsen Gartens" ^'^j , eine sehr verdienstvolle Arbeit, welche die Grundlage der späteren Neubearbeitungen geblieben ist.

In dem Museum hatte sich der Verein ein unentbehr- Hches Hilfsmittel für seine erhaltende Thätigkeit geschaffen. Gleichwohl fehlte es ihm auch nicht an Gegnern; man machte dem Verein den Vorwurf, er beraube das Land seiner Altertümer und entkleide die Kirchen ihrer Denk- würdigkeiten. Wohl mochte der Übereifer einzelner, namentlich des Dr. W. Schäfer, zu derartigen Vorwürfen hie und da Anlafs geben; aber ein BHck auf die sonstige Thätigkeit des Vereins hätte jedem zeigen können, wie ungerechtfertigt sie waren. Prinz Johann hatte seit dem Bestehen des Vereins unentwegt an dem Grundsatze festgehalten, dafs stets in erster Linie auf eine Erhaltung der Altertümer und Kunstwerke an ihrer heimatlichen Stätte hinzuwirken sei; eine Zentralisierung derselben lag ihm durchaus fern; nur dann, wenn ihnen, wie leider so oft, sichtlich der Untergang drohte, sollte die Über- führung in das Dresdener Museum in Vorschlag gebracht werden.

So liefern denn die Protokolle fast jeder Sitzung zahlreiche Beweise der Fürsorge, die der Verein den Altertümern und Kunstwerken im ganzen Lande zu Teil werden liefs. Aus der langen Reihe von Einzelheiten, die wir hier nennen können, sei es gestattet, nur weniges hervorzuheben.

15) Mitteilungen VI, 45 ff.

so

Wenden wir unsern Blick zunächst derjenigen Stätte Sachsens zu, die dem Geschichts- wie dem Kunstfreunde stets besonders anziehend sein wird, nach Fr eil) er"-.

Hier forderte vor allem der Dom das thätige Ein- greifen des Altertumsvereins. Der aus dem Anümg des 1 6. Jahrhunderts stammende, schöne Kreuzgang, der ihn auf der Süd- und Westseite umgab, war bereits Anfang der dreifsiger Jahre dem Einsturz nahe, und man dachte daran ihn abzutragen. Prinz Johann, der lebhaftes Interesse an ihm nahm, zog Erkundigungen darüber ein: ein Brief des Bibliothekar Dr. Klemm an Ebert (vom 27. Januar 1833), den dieser dem Prinzen übergab, enthält eine traurige Schilderung von dem Zustande des Bauwerks.

Doch vergingen noch mehrere Jahre, ohne dafs etwas dafür geschah. Am 28. Mai 1836 erliefs der Oberhofmar- schall V. Reitzenstein eine Einladung zur Zeichnunir von Aktien für Erhaltung des Kreuzgangs. Die Stadt hatte sich bereit erklärt, dem zu bildenden Vereine, wenn der- selbe ein Kapital zusammenbringen würde, mit dessen Hilfe die Kreuzgänge nebst der Annen- und der Schön- berg'schen Begräbnifskapelle nicht nur gut und tüchtig wiederhergestellt, sondern auch späterhin in baulichem Wesen erhalten werden könnten, das Dispositions- und Benutzungsrecht dieser Gebäude unter Vorbehalt des Eigentums an denselben und einigen weiteren Bedino-uno-en zu überlassen. Die Kosten der Wiederherstellung wairden auf 600 Thaler, das ganze erforderliche Kajiital auf 1800—2000 Thaler veranschlaoft.

Dieser Aufruf, der in allen Teilen des Landes den freudigsten Anklang fand, hatte den Erfolg, dafs bis zum Jahre 1837 bereits die Summe von 1543 Thalern gezeichnet und gröfstenteils auch eingezahlt war; sie vermehrte sich in der Folge noch erheblich. Es braucht kaum hervor- gehoben zu werden, dafs an der Spitze der Zeichner der König und die sämtlichen Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses mit bedeutenden Beiträgen standen.

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Am 4. November 1836 übergab Herr v. Reitzenstein die An^eleo-enheit dem Altertumsverein. Dieser bildete für sie eine aus den Herren v. Reitzenstein, Kammerherr Frei- herr V. Friesen, Appellationsgerichts -Präsident Meifsner in Dresden, Archidiakonus Gühlofif, Rektor Rüdiger und Oberbergamtsarchitekt Heuchler in Freiberg zusammen- gesetzte Deputation, der später noch Oberberghauptmann Freiherr v. Herder, Bibliothekar Dr. Klemm und Hof- sekretär Grohmann (als Kassierer) beitraten. Diese Depu- tation beschlofs, den neu zu erbauenden Kreuzgang zu einem Museum für Altertümer der Stadt Freiberg und der Frei- berofer Gebend einzurichten, in das vor allem die in der sogenannten „Götzenkammer" der Domkirche, sowie auf den Böden der anderen Freiberger Kirchen und der Kommungebäude aufbewahrten Gegenstände aufgenommen werden sollten.

Bis zum Jahre 1842 waren die erforderlichen Arbeiten, um welche sich namentlich der Architekt Heuchler sehr verdient gemacht hatte, ausgeführt ^*') ; der Kreuzgang war gerettet und in ein Museum verwandelt worden. Von den verfügbaren Geldern blieb noch ein Kassenbestand von 250 Thalern übrig. Die Deputation löste sich auf; an ihrer Stelle ernannte Prinz Johann ein neues Komite „für die Beaufsichtigung des Museums in den Freiberger Domkreuzgängen".

Leider sollten die Freiberger Kreuzgänge dem Vereine in der Folge noch so manche Sorge bereiten. Die Feuchtig- keit namentlich, die durch nichts zu beseitigen war, schädigte das Bauwerk und bedrohte die darin aufgestellten Altertümer in hohem Grade; ja selbst das herrlichste Kunstwerk des Doms, die Goldene Pforte, zeigte ihren verhängnisvollen Einflufs. In den Jahren 1851 und den

1") Für Einzelheiten vergl. namentlich die beiden von Klemm und Freiherrn v. Friesen verfaisten „Berichte über die Be- gründung eines Museums vaterländischer Altertümer und Kunst- werke in den Kreuzgängen des Doms zu Freiberg". Dresden 1837 und 1838.

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folocnden waren wiederum umfän<;liche und kostspielige Bauten nötig; die Altertümer aber wanderten im Jahre 1854 in das Dresdener Vereinsmuseum , dessen Zierde sie noch heute bilden, '

Seit seinen ersten Jahren hatte der Verein seine Auf- merksamkeit den Ruinen des Klosters Altzelle zugewandt; schon 1826 hatte Oberhofgerichtsrat v. Zehmen ihm ein chronologisches Verzeichnis der das Kloster betreffenden Urkunden überreicht, auch waren schon damals topo- graphische Untersuchungen auf Grund alter Pläne vor- genommen worden. Was in der Folge geschah, war haupt- sächlich der Thätigkeit des Hofgärtners Schmidt zu danken, der auf eigene Kosten Nachgrabungen veranstalten liefs und mancherlei zu Tage förderte, aber freilich ohne die wünschenswerte Planmäfsigkeit verfuhr. Erst 1838 nahm sich der Verein wieder des Klosters an und übertrug die Sorge dafür dem Komite für die Frei- berger Kreuzgänge, das den Rentamtmann Ed. Beyer denselben, der 1855 eine treffliche Geschichte des Klosters herausgegeben hat kooptierte und syste- matische Ausgrabungen in Angriff nahm, die ein neues 1841 eingesetztes Komite fortsetzen liefs. Auch zu diesen Arbeiten wurden dem Verein von höchster Stelle Unter- stützungen gewährt. So wurden bis zum Jahre 1852 zahlreiche Altertümer zu Tage gefördert und für ihre Er- haltung gesorgt, der Plan der Klostergebäude ziemlich festgestellt, auch einzelne Restaurierungen ausgeführt.

Handelte es sich hier um eine altehrwürdige Be- gräbnisstätte der Wettiner, so sorgte noch in einem anderen Falle der Verein für die angemessene Unterbringuns: der sterblichen Überreste eines Vorfahren des Fürsten- hauses. Schon 1834 hatte der Verein sächsischer Alter- tumsfreunde darauf aufmerksam gemacht, dafs die Gebeine des 1307 ermordeten Markgrafen Diezmann in der Pauliner- kirche zu Leipzig in durchaus unwürdiger Weise aufbewahrt wurden. Der Altertums verein nahm 1838 die Angelegen- heit wieder auf; auf das Bereitwilligste ging, wie nicht

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anders zu erwarten war, König Friedrich August auf die gemachten Vorschläge ein und übernahm die gesamten Kosten. Professor Rietschel führte in Cottaer Sandstein eine Tumba aus, die, mit einer von Prof. Dr. Gottfried Herrmann verfafsten Inschrift versehen, in der Mitte des Chors der Pauhnerkirche Aufstelkmg fand. In feierhchster Weise wurde sie am 17. Dezember 1841 im Namen des Vereins durch Kammerherrn v. Friesen, der sich besondere Verdienste um das Zustandekommen des Grabmals erworben hatte, den Deputierten der Universität übergeben.

Noch eine andere Aufgabe übernahm unser Verein als Hinterlassenschaft des Vereins der Altertumsfreunde. Veranlafst durch die Schenkung eines Kapitals von 100 Thalern, welche das v. Römer'sche Geschlecht im Jahre 1835 dem letztern ,,zu Wiederherstellung eines der- selben würdigen, einem öffentlichen frommen Zweck ge- widmeten Kunstwerkes der vaterländischen Vorzeit, mit besonderer Berücksichtigung des erzgebirgischen Kreises" Übermacht hatte, hatte der genannte Verein sich ent- schlossen, die wertvollen Altarbilder der Kirche zu Buch- ,holz, die sich ursprünglich im Franziskanerkloster zu Annaberg befanden, auf seine Kosten wiederherstellen zu lassen. Nach jahrelangen Verhandlungen, die ihren Grund ebensowohl in der Mittellosigkeit der Gemeinde, als in dem beschränkten Mifstrauen einzelner ihrer Mitglieder hatten, gelangten die Gemälde 1837 nach Dresden. Hier ergab sich, dafs die 10 aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammenden Bilder im 16. Jahrhundert fast sämthch voll- ständig übermalt und die ursprünglichen Darstellungen in protestantischem Sinne verändert worden waren. Im Einverständnis mit der Kircheninspektion zu Buchholz wurde die Übermalung beseitigt und die Restauration der ursprünglichen Bilder durchgeführt, eine sehr mühevolle Arbeit, welche der Maler Fr. L. Lehmann in den Jahren 1838 1840 mit grofsem Geschick für ein Honorar von 270 Thaler ausführte; am 28. Mai 184t) wurden sie der Kirche zu Buchholz wieder zugestellt.

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Wichtiger und folgenreicher wurde es, dafs der Verein seine Aufmerksamkeit auch derjenigen Stätte zuwandte, die für die Geschichte wie für die Kunstgeschichte des Landes eine besonders hohe Bedeutung hat, der Stadt Meifsen. Gerade ihre hervorragendsten Bauwerke, der Dom und die Albrechtsburg, bedurften dringend einer sachverständigen Fürsprache; freilich handelte es sich dabei um Aufgaben, zu deren Lösung die Kräfte des Vereins weitaus nicht reichten, er mufste sich darauf be- schränken, Anregungen zu geben, und diese haben ja bekanntlich die schönsten Erfolge erzielt. Über den Dom gab im Auftrage des Vereins Professor Gottfried Semper im Jahre 1843 ein interessantes Gutachten ab; in wie grofsem Sinne er seine Aufgabe auffafste, bezeugt der Um- stand, dafs er die Wiederherstellung des Domes in Ver- bindung mit einer solchen der Albrechtsburg ausgeführt wissen wollte:

„Die Kirche könnte aber nur dann ihre alte Bedeutung zum Teil wieder erlangen, wenn das daran stofsende Schlofs, die Stammburg unsers erhabenen Königshauses, aus seiner jetzigen Erniedrigung wieder zur Fürstenwohnung erhoben würde. Als- dann würde Ein Plan die Wiederherstellung des Schlosses und der Kirche und die Vereinigung beider Denkmäler zu einem Ganzen umfassen. Aber der Umfang eines solchen Planes und das Durchdringen desselben in allen seinen Bestandteilen setzt bedeutende Vorarbeiten u. s. w. voraus."

In der That geschah in den folgenden Jahren, nicht ohne dafs der Verein noch wiederholt sich darum bemühte, mancherlei für den Dom. Dagegen kam die Frage einer Wiederherstellung der Albrechtsburg, in der bekannt- lich seit 17 10 die Porzellanmanufaktur betrieben wurde, erst später in Flufs. Geheimrat Dr. v. Langenn, der bereits im Jahre 1838 auf die ihr drohenden Gefahren aufmerksam gemacht hatte und im Jahre 1851, als man von einer beab- sichtigten Reparatur des TrepjDenturmes hörte, mit einer Besichtigung des Bauwerkes beauftragt worden war, er- stattete am 12. März 185 1 einen ausführlichen Bericht über deren Ergebnis, nach welchem die Zerstörung des

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herrlichen Bauwerks bereits weit vorgeschritten und sein gänzHcher Verfall zu befürchten war, wenn nicht energische Gegenmafsregeln getroffen würden. Indessen obwohl der Verein sich möglichst in diesem Sinne bemühte, obwohl auch der 1852 in Dresden begründete Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine ein dringendes Gesuch um Erhaltung der Albrechtsburg an den König richtete, wurde zunächst doch nur erreicht, dafs im Jahre 1853 Landbauassistent O. Wanckel eine Ausmessung der Burg und eine Untersuchung ihrer Beschädigungen vornahm und Zeichnungen und Kostenanschläge für ihre Wiederherstellung anfertigte und dafs im Jahre 1855 nach diesen Zeichnungen der grofse Wendelstein hergestellt und ein Giebelstockwerk aufgesetzt wurde; dagegen konnte die Aufstellung eines Pochwerks mit Dampfbetrieb, das die Festigkeit des Mauerwerks in hohem Grade gefährdete, nicht verhindert werden.

Daereffen orelang es dem Verein, den Abbruch der bei der Afrakirche gelegenen v. Schlei nitz'schen Be- gräbniskapelle (1854) abzuwenden.

So liefsen sich noch viele andere Einzelheiten an- führen, welche den treuen Eifer des Vereins für die Er- haltung der vaterländischen Altertümer beweisen.

Dieser erhaltenden Thätigkeit des Vereins gegenüber tritt die eigenthch forschende mehr in den Hintergrund; jedoch wäre man durchaus im Irrtum, wollte man dies aus prinzipiellen Gründen erklären. Im Gegenteil bestand fortwährend die Auffassung, dafs auch Forschungen auf dem Gebiete der sächsischen Geschichte zu den Aufgaben des Vereins gehörten; namentlich Prinz Johann hat diese Auffassung in den verschiedenen von uns angeführten Reden, die er bei festlichen Anlässen hielt, wiederholt betont. Indes diese Seite der Vereinsthätigkeit äufserte sich hauptsächlich nur in Vorträgen über geschichtliche Gegenstände und in den Aufsätzen der Vereinszeitschrift. An erster en beteiligte sich auch der hohe Vorsitzende des Vereins lebhaft ; er hielt Vorträge über die Wohnsitze der

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Deutschen und Slaven am linken Eibufer, über die Bauart slavischer Dörfer, über das Vorkommen der Slaven in Franken, über eine Bulle Gregors X. für die Nonnen zu Grimma, berichtete über ein Werk Landaus ,,Die Terri- torien in Bezug auf ihre Bildung und Entwickelung" und dergleichen mehr. Prinz Johann war es auch hauptsächlich, der 1844 aus Anlafs der damals erschienenen Sprachkarte Bernhardis den Verein bestimmte, amtliche Erhebungen über die Grenzen des wendischen Sprachgebiets in der Oberlausitz zu veranlassen^'). Als 1841 die geschäftlichen Angelegenheiten die Sitzungen vollständig auszufüllen drohten, wurde auf Antrag des Dr. Dittmann beschlossen, sogenannte „historische Sitzungen", in denen nur Vorträge gehalten werden sollten, einzuführen; jedoch hatte diese Einrichtung keinen Bestand. Gröfsere Publikationen ge- schichtlichen Charakters wurden wiederholt angeregt, kamen aber nicht zur Ausführung. So beantragten v. Langenn (1839) und später Archivar Erbstein die Bearbeitung eines Diplomatarium Saxonicum; indes so allgemein diese Auf- gabe als eine der wichtigsten anerkannt wurde, die auf dem Gebiete der sächsischen Geschichte zu lösen waren, konnte sich der Verein doch nicht der Wahrnehmung verschliefsen , dafs seine Mittel zu ihrer Lösung nicht entfernt ausreichten, und beschränkte sich darauf, dem Ministerium des Innern die Herausgabe eines Urkunden- werks zur Erwägung anheimzustellen. Dr. Wilh. Schäfer beantragte dann 1844, der Verein möge mit Unterstützung der Regierung wenigstens ein Inventarium diplomaticum Saxoniac in Angriff nehmen, d. h. eine handschriftliche Sammlung der in den Archiven der Städte, Ämter u. s. w. vorhandenen urkundlichen und chronikalischen Notizen zur sächsischen Gechichte'**); allein auch dieser Antrag blieb ohne Folgen. Ebenso fand ein Antrag des Advokaten Gautsch auf Begründung einer Zeitschrift für sächsische

>') Vergl. Mittcilun<^en III, 71 ff. '8) Vergl. Mitteilungen 111, 69.

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Geschichte (1842) keine Annahme; Gautsch gab dann auf eigene Kosten ein „Archiv für sächsische Geschichte" heraus, das aber nur einen Jahrgang (1843/44) erlebte. Ebenso Hefs man einen Plan zur Herausgabe von Porträts sächsischer Fürsten (1837 1839) bald wieder fallen. Ein späterer Beschlufs, die historischen Arbeiten des Vereins von den kunstgeschichtlichen zu trennen, gab Anlafs zu einer beachtenswerten kleinen Schrift v. Langenns: ,,Züge aus dem Familienleben der Herzogin Sidonie und ihrer fürstlichen Verwandten aus dem 15. und 16. Jahrhundert", die als erstes Heft der ,, Mitteilungen des Königl. Sachs. Alterthumsverein historischen Inhalts" erschien; diese Samm- lung wurde jedoch nicht fortgesetzt, und die beabsichtigte Pubhkation bisher noch unedierter Briefe sächsischer Fürsten unterblieb ebenfalls.

Erwähnen wir schliefslich noch, dafs das Königliche » Kultusministerium im Jahre 1853 den Verein um eine Be- gutachtung des Atlas zur Geschichte der sächsischen Länder von M. M. Tutzschmann ersuchte; Appellationsrat Dr. V. Stieglitz verfafste sie^''').

So hat der Altertumsverein während der Jahre 1837 1855 nach allen Seiten hin eine rege Thätigkeit ent- faltet. Das Hauptverdienst daran gebührte d^r lebendigen Teilnahme seines höchsten Direktors.

Es lag daher nahe, dafs sich auf den Prinzen Johann alle Blicke richteten, als man im Jahre 1852 zur Aus- führung eines Planes schritt, der seit Jahrzehnten die Vereine der deutschen Geschichts- und Altertumsforscher beschäftigt hatte. Die Zahl der geschichtlichen Vereine Deutschlands war fortwährend gewachsen; sie mag um die Mitte des ig. Jahrhunderts etwa 50 betragen haben. Damit war aber auch die Gefahr einer Zersplitterung, eines Vereins- partikularismus nahe gerückt. Der erste, der diese Gefahr erkannte und zu ihrer Vermeidung die Herstellung einer engeren Verbindung unter diesen Vereinen ins Auge

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) Mitteilungen VII, 23 fif.

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fafste, durch die ein lebhafterer Verkehr zwischen ihnen anorebahnt, die Gemeinsamkeit ihrer Ziele zum Bewufstsein gebracht, für nröfsere Aufgaben eine Vereinigung der Kräfte ermöglicht werden konnte, war der Freiherr Hans von und zu Aufsefs in Nürnberg. Bereits im Jahre 1833 stellte er den von ihm kurz vorher begründeten ,, Anzeiger für die Kunde des deutschen Mittelalters" den geschicht- lichen Gesellschaften Deutschlands als Zentralorgan zur Verfügung, stiftete er in Nürnberg eine allgemeine Gesell- schaft für deutsche Altertumskunde und plante, einem Wunsche des Königs Ludwig von Ba3ern folgend, die Gründung eines allgemeinen deutschen Museums, das zu- gleich der Mittelpunkt für Jahresversammlungen von Ab- ofeordneten der Geschichtsvereine und sonstigen Geschichts- freunden werden sollte. Aber die ersten Versuche, eine solche Versammlung zu Stande zu bringen, hatten wenig Erfolg; erst zwanzig Jahre später gelang es, das gesteckte , Ziel zu erreichen. Am i. Mai 1852 richtete der Konservator der Kunstdenkmäler Preufsens, Baurat v. Quast, an den Prinzen Johann die Bitte, in einer nach Dresden zu be- rufenden Versammlung deutscher Geschichts- und Alter- tumsforscher den Vorsitz zu übernehmen. Der Prinz war dazu bereit, _ und seiner verständnisvollen Leitung ist es vor allem zu danken, wenn das Ergebnis dieser Versamm- lung, die in den Tagen vom 16. bis 19. August 185 2 unter Teilnahme von 140 Personen aus allen Teilen Deutsch- lands, darunter Vertretern von 17 Vereinen, stattfand, die Beirründunir des Gesamtvereins der deutschen Ge- schichts- und Altertumsvereine war. Von dem Geiste, der in der Versammlung herrschte, legt vor allem die Ansprache beredtes Zeugnis ab, die der Prinz am 18. August bei der Schlufsfeier im Palais des Königlichen Grofsen Gartens hielt-"). Im Einzelnen gehen wir auf ihren Verlauf schon deshalb nicht näher ein, weil dazu das nicht mehr ferne halbhundertjährige Jubiläum des Gesamt-

20) Mitteilungen VI, 139.

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Vereins Gelegenheit geben wird-'). Dann wird auch auf den engen Zusammenhang hinzuweisen sein, der zwischen der Stiftung des Gesamtvereins und zwei hochbedeutenden Anstalten Deutschlands besteht: dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und dem Römisch -Germa- nischen Zentralmuseum in Mainz.

Die förmliche Konstituierung des Gesamtvereins erfolgte im September 1852 in Mainz. Es war eine Auszeichnung für den Kgl. Sächsischen Altertumsverein, dafs ihm das Direktorium des Verbandes wie die Herausgabe seines Organs, des ,, Korrespondenzblattes", übertragen wurde. Auch der zweiten Versammlung des Gesamtvereins, die vom 13. bis 16. September 1853 in Nürnberg tagte, präsidierte Prinz Johann. Das erschütternde Ableben seines königlichen Bruders hinderte ihn am Besuch der dritten, im September 1854 "^ Münster stattfindenden Versammlung; der Dresdner Verein sah sich nunmehr genötigt, trotz der allseitigen dringenden Bitten eine Wiederwahl zum Verwaltungsausschufs abzulehnen.

4. Der Altertumsverein unter Leitung des Prinzen Georg

bis zum Ende seines ersten Halbjahrhunderts.

1855 1875.

Am 9. August 1854 hatte ein jäher Tod dem Lande seinen geliebten Fürsten, den Mitbegründer des Vereins, entrissen. Prinz Johann bestieg den Thron; ernstere Pflichten zwangen ihn, das Direktorium des Altertums- vereins niederzulegen. Indes die innigen Beziehungen des Vereins zu seinem hohen Fürstenhause, diese seine charakteristische Eigentümlichkeit, auf die er mit Recht stolz sein darf, sollten ihm auch in der Folgezeit gewahrt bleiben. Auf die Bitte des Vorstandes erklärte sich Se. Königl. Hoheit Prinz Georg bereit, das Präsidium des

21) Vergl. die Berichte über die Versammlung;, Mitteilungen VI, 109 ff. und Korrespondenzblatt des Gesamtvereins I, 3 ft'.

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Vereins fortan zu führen. Am 22, Januar 1855 übernahm er es in einer feierhchen aufserordenthchen Sitzung.

Fünfundvierzig Jahre sind seitdem verflossen, und während dieses langen Zeitraums hat sein hoher Protektor mit derselben hingebenden Pflichttreue und mit demselben tief ehidringenden Sachverständnis seine Arbeiten geleitet, wie dies während eines Menschenalters sein erlauchter Vater gethan. Mit seltenen Ausnahmen hat er in unsern Sitzungen stets persönlich den Vorsitz geführt, und es gab keine Frage von irgend welchem Belang, in welcher sein kundiges Urteil nicht zum Wohl der Sache eine aus- schlaggebende Bedeutung gehabt hätte. Möge seine Leitung noch lange dem Verein zum Segen gereichen!

Dafs der Verein es für eine teure Ehrenpflicht hielt, dem oreliebten Herrscherhause bei Freud und Leid Beweise seiner Teilnahme darzubringen, ist unter diesen Umständen nur natürlich. So überreichte er seinem hohen Präsidenten bei Gelegenheit seiner Vermählung mit der Infantin Maria Anna von Portugal am 4. Juni 1859 eine vom Maler Rolle geschmackvoll ausgeführte Votivtafel, dem unvergefsHchen König Johann bei seiner goldenen Hochzeit im Jahre 1872 eine Glückwunschadresse. Tief- gefühlte Worte widmete in der Sitzung vom 3. November 1873 Geheimrat v. W^eber dem Gedächtnis des entschlafenen Monarchen.

In die ersten zwei Jahrzehnte, die der Übernahme des Präsidiums durch den Prinzen Georg folgten, fallen geschichtliche Ereignisse von gewaltiger Bedeutung für unser sächsisches wie für unser deutsches Vaterland. Haben sie die stille Wirksamkeit unseres Vereins unmittelbar nicht berührt, so sind sie mittelbar doch auch für ihn \on grofsem und schliefslich segensreichem Einflüsse gewesen. Zunächst freilich konnte es scheinen, als ob die politische Erregung, die sich aller Geister bemächtigt, für das Interesse an den Altertümern und der Geschichte des engeren Vaterlandes wenig Raum lasse. Die Mitglieder- zahl des Altertumsvereins minderte sich von Jahr zujiihr;

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im Jahre 1855 zählte der Verein 192 ordentliche Mitglieder, im Jahre 1875 nur noch 106. Damit aber war auch der tiefste Stand erreicht; wir werden sehen, dafs ihm ein stetioes Wachsen des Vereins auf dem Fufse folo-te.

Die inneren Gründe dieser späteren Entwickelung traten schon damals klar zu Tage. So lebhaft auch die Tagesfragen alles beschäftigten, so war doch zugleich eine Vertiefung des geschichtlichen Sinnes, eine immer all- gemeinere Anerkennung der Ziele unserer Vereinsthätigkeit in der Bevölkerung schon seit dem Ende der fünfziger Jahre zu spüren. Lange Zeit war unser Verein der einzige gewesen, der solche Bestrebungen in unserem Lande vertrat; die einst vom Prinzen Johann vorgeschlagene Gründung von Zweigvereinen in ganz Sachsen war nicht zur Ausführung gekommen. Nunmehr bildeten sich in verschiedenen Teilen des Landes örtliche Geschichts- vereine. So stiftete 1857 Rektor a. D. Dr. K. A. Rüdiger einen Altertumsverein zu Zwickau, der sich freilich nach kurzem Bestehen wieder auflöste. Eine längere Lebens- dauer war dem Freiberger Altertumsverein beschieden, den ein sinniger und rühriger Freund der Geschichte seiner Vaterstadt und seines Vaterlandes, der am 28. Februar 1899 verstorbene Buchdruckereibesitzer Stadtrat Heinrich Ger lach, im Jahre 1860 begründete; er blüht noch heute und hat eines der reichhaltigsten Lokalmuseen unseres Landes geschaffen. Der Verein wurde auf seinen Wunsch als Zweigverein mit dem Kgl. Sächsischen Altertumsverein verbunden und sein verdienter Gründer und Vorsitzender im Jahre 1872 zum Ehrenmitglied des letzteren ernannt. Im Jahre 1866 stiftete der Gerichtsamts-Referendar Georg Conon V. d. Gabelentz, der sich nachmals als Sprachforscher einen berühmten Namen gemacht hat, den Altertumsverein zu Leisnig. Weiter folgten 1867 der Verein für die Ge- schichte Leipzigs, 1869 der Verein für die Geschichte Dresdens, 1872 der Verein für Chemnitzer Geschichte, 1873 der Altertumsverein zu Plauen i. Vogtl. Mit allen diesen Vereinen steht der unsrige seit ihrer Begründung

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in freundschaftlichen, auf der Gemeinsamkeit ihres Strebens beruhenden Beziehungen. Auch die Gründung eines Altertumsmuseums in Bautzen (1868) erfreute sich der Förderung des Kgl. Sächsischen Altertumsvereins.

Die äufscre Verfassung unsers Vereins blieb während der Jahre 1855 1875 dieselbe wie vorher. Zwar wurde infolge der Veränderung des Vereinsgesetzes eine Be- arbeitung neuer Statuten (vom 5. Dezember 1870) notwendig; indes sie entsprachen in allen wesentlichen Punkten den bisherigen. Auf Grund dieser Statuten, in welchen der Verein sich juristische Persönlichkeit beilegte, erfolgte die Eintragung desselben in das Genossenschafts- register für die Stadt Dresden.

Was den Vorstand anlangt, so machte das Ableben des um den Verein vielfach verdienten Geh. Ilofrat Dr. H. W. Schulz (15. April 1855) die Neuwahl eines ersten Direktors so wurde der bisherige ,, Vizedirektor" bezeichnet, während der hohe Protektor des Vereins nach wie vor das Präsidium führte notwendig. Dieselbe fiel auf den Oberbibliothekar Hofrat Dr. Klemm, der früher bekanntlich bereits als Sekretär dem Verein nützlich gewesen war. Als zweiter Direktor folgte 1856 auf Hofrat Dr. Engelhardt Legationsrat v. Carlowitz -Maxen und, als dieser nach wenigen Monaten starb, Generalmajor a. D. Graf V. Baudissin. Als Klemm eine Wiederwahl 1863 ablehnte, wurde der Wirkliche Geheime Rat und Präsident Dr. V. Langenn, der schon früher (1837 1845) den Verein geleitet hatte, zum ersten Direktor gewählt. Nach seinem Tode 1868 trat an seine Stelle der Direktor des Hauptstaatsarchivs Ministerialrat Dr. Karl v. W^eber, der seit 1864 als Nachfolger des Grafen Baudissin zweiter Direktor gewesen war, während der Direktor des Königlichen Historischen Museums und anderer Sammlungen Professor Dr. Hermann Hettner in diese Stelle gewählt wurde.

Das Sekretariat des Vereins versah Appellations- gerichtsrat Nofsky, bis er 1870 als Präsident an das

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Appellationsgericht zu Bautzen versetzt wurde; vierund- zwanzig Jahre lang- hat er mit treuer Hingebung das mühsamste unter den Vereinsämtern verwaltet. Als sein Stellvertreter sowie als Bibliothekar und Programmatar fungierte 1855 1865 Professor Dr. Löwe, dem nach dem Tode des bisherigen Vorstandes der Handzeichnungen- sammlung Grafen v. Baudissin (1864) auch diese über- tragen wurde. In all diesen Ämtern folgte ihm 1865 der Archivsekretär Dr. Joh. Falke, der 1870 auch das Sekretariat übernahm.

Zum Kassierer wurden 1861 Advokat Schmidt, 1863 Dr. jur. Edler v. Querfurth, 1865 Generalmajor v. Witz - leben, 1873 Oberst z. D. Andrich gewählt.

Die Oberaufsicht über das Museum endlich wurde 1856, nachdem Professor Krüger, der sich manches Ver- dienst um dasselbe erworben hatte, wegen Kränklichkeit sein Amt niedergelegt, dem Historienmaler Rolle, 1859 dem Baurat Stapel, 1862 dem Inspektor des Königlichen Historischen Museums Büttner übertragen. Die Stelle eines Inspektors des Altertumsmuseums bekleidete seit dem Tode Keyls (1870) der Feldwebel a. D. Bobe.

Von den zwölf jährlichen Sitzungen des Vereins waren während der Sommermonate gewöhnlich einige ausgefallen. Im Jahre 1868 wurde ihre Zahl endgültig auf sechs be- schränkt, die je am ersten Montage der Monate November bis Aj^ril stattfanden. An Stelle des bisher benutzten Lokals im Erdgeschofs des Prinzenpalais, das sich mehr und mehr als feucht und auch sonst ungeeignet er- wiesen hatte, wurden dem Verein im Jahre 1857 durch königliche Gnade andere Räume im Obergeschofs desselben Palais überwiesen, in denen er dann fünfunddreifsig Jahre lang seine Sitzungen abgehalten hat. Hierher kamen auch die Bibliothek, das Archiv und die Handzeichnungen- sammlung.

Auch die dem Museum überwiesenen Räume im Palais des Grofsen Gartens reichten bald nicht mehr aus: ein erfreuliches Zeichen für das gedeihliche Wachstum

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der Sammlung. Der Raummangel und der Einsturz des Deckengewölbes im südwestlichen Ecksaal in der Nacht vom 17. zum 18. Mai 1859, '^^^ glücklicherweise keinen erheblichen Schaden anrichtete, veranlafste den Verein, den König um Überlasssung des Erdgeschosses des ehemaligen Galeriegebäudes, des jetzigen Museums Johanneum, in dem bekanntlich bis zu ihrer Übersiedlung in den Zwinger die Sammlung der Gypsabgüsse sich befand, zu bitten; doch konnte seinem Gesuch nicht statt- gegeben werden, da über die Verwendung dieser Räume bereits Beschlufs gefafst war. Übrigens bewährte auch bei dieser Gelegenheit der König seine oft erprobte gnädige Gesinnung gegen den Verein, indem er ihm als Beitrag zu den durch den Einsturz des Gewölbes entstandenen Herstellungskosten die Summe von 150 Thalern zum Ge- schenk machte.

Die Thätigkeit des Vereins, die nach wie vor durch das Entgegenkommen der Staatsbehörden in erfreulichster Weise gefördert wurde, war auch in diesem Zeitraum vorzugsweise auf die Erhaltung der Kunst- und Bau- denkmäler des Landes gerichtet.

Die Versammlung der deutschen Geschichts- und Altertumsforscher, die 1852 in Dresden tagte, hatte dringend die Anstellung von Konservatoren empfohlen. Einem entsprechenden Gesuch des Verwaltungsausschusses an den König konnte freilich damals nicht stattgegeben w^erden; allein es veranlafste das Kultusministerium, dem Vereine aus seinem Dispositionsfonds Mittel für seine Zwecke zur Verfügung zu stellen, und seit dem Jahre 1864 bewilligte der Landtag eine ständige jährliche Beihilfe von 300 Thalern.

Wenden wir uns nun zu den einzelnen Fällen, in denen der Verein während der Jahre 1855 1^75 für den Schutz vaterländischer Altertümer eintrat, so fällt unser Blick zunächst auf die Albrechtsburg in Meifsen. Um sie hat sich der Verein vor allem ein grofses Verdienst erworben; denn nicht zum wenigsten seinen fort und fort

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wiederholten Bemühungen war es zu verdanken, dafs das Finanzministerium sich im Jahre 1857 entschlofs, der Ständeversammlung ein Postulat von 300 000 Thalern für den Neubau einer Porzellanmanufaktur vorzulegen. Auf den Wunsch des Ministeriums gab damals der Verein eine kurze Zusammenstellung der für den historischen und architektonischen Wert der Albrechtsburg geltend zu machenden Momente, die zur Begründung der Vor- lage dienen sollte; eine Kommission, bestehend aus dem Wirklichen Geheimen Rat Dr. v. Langenn, dem. Hofrat Dr. Klemm, dem Baurat Stapel und dem Historienmaler Rolle, bearbeitete dieses Gutachten--). Das Postulat wurde von den Ständen genehmigt; 1863 wurde bekanntlich die Fabrik verlegt, Oberlandbaumeister Hänel restaurierte in den Jahren 1864 1870 das Schlofs, und 1873 bewilligten die Stände die zu seiner Ausschmückungr nötio-en Summen. Wenn Sachsen heute, nach Beendigung der Herstellungs- arbeiten (1882), mit wahrem Stolz auf das herrliche Bauwerk blicken kann, so verdankt es das teilweise wenigstens unserm Verein.

Auch für den Dom zu Meifsen wurde einig-es erreicht. In der Fürstenkapelle wurden auf Anregung des Vereins die wertvollen Grabplatten mit eisernen Gittern um- geben und die hölzerne Mauerverkleidung beseitigt (1855/56) ; die Johannes- und Dionysiuskapelle sowie der Kreuzgang wurden restauriert, verschiedene störende Holzeinbauten und Sitze im Schiffe der Kirche beseitigt (1857/58).

Um dieselbe Zeit gelang es vorzugsweise dem Einflüsse des Vereins, den alten Kreuzgang des Franziska ner- klosters zu Meifsen, der durch den Neubau der dortigen Bürgerschule bedroht war, wenigstens teilweise zu erhalten ; er ist dann im Jahre 1892 auf Veranlassung des Meifsner Geschichtsverereins wiederhergestellt worden und diente fortan zur Aufbewahrung- eines Teiles der Sammlung-en dieses Vereins.

2-) Es ist gedruckt in den Mitteihmgen XI, 19 ff.

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Audi für die Erhaltung der ehrwürdigen Afrakirche in Meifsen hat sich der Verein im Jahre 1867 mit Erfolg verwandt. Als in demsellien Jahre in der uralten Nicolai- kirche dasellist romanische Wandgemälde entdeckt wurden, veranlafste er ihre sachverständige Untersuchung und trug Sorge für ihre unversehrte Erhaltung-^).

In Freiberg wurde in den Jahren 1861 und 1862 ein Teil des Domkreuzganges abgebrochen und die dadurch freigelegte Goldene Pforte restauriert; der Freiberger Altertumsverein hatte sich dabei sehr thätig erwiesen. Bei den nunmehr gränzlich veränderten Verhältnissen be- schlofs unser Verein im Jahre 1863, die Unterhaltung der Kreuzgänge ferner nicht mehr als seine Aufgabe anzusehen.

Gelegentlich des Umbaues der Soi3hienkirche zu Dresden bot der Stadtrat 1863 dem Verein das herrliche Renaissanceportal der ehemaligen Schlofskapelle, das seit 1737 an der genannten Kirche angebracht war, zur Auf- bewahrung an. Da eine Aufnahme in das Vereinsmuseum sich nicht ermöglichen liefs, so dachte man an die Aufstellung in einem der zu Dresden befindlichen könig- hchen Schlösser, dann an der Annenkirche; schliefslich (1875) wurde es bekanntlich am Museum Johanneum an- gebracht.

Auch der einst am Dresdner Schlosse befindliche Totentanz, jenes merkwürdige Renaissancebildwerk, das seit 1721 auf dem inneren Neustädter Friedhofe steht und dort leider mehr und mehr verwitterte, beschäftigte den Verein mehrfach. Seine Überführuno- in d^is Vereins- museum, die 1863 in Vorschlag kam, erwies sich als unmöglich; der Verein mufste sich darauf beschränken, das Kunstwerk durch ein Schutzdach zu sichern (1865). Kurz erw'ähnt werden mag, dafs bereits 1861 der Verein in einer Eingabe an Seine Majestät den König die Ver- legung des Historischen Museums, dessen unersetzliche

-") Verp;]. Hcttner, Die Wandmalereien in der St. Nikolaus- kirche zu Meifsen, Mitteilungen XXI, 49 ff.

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Schätze damals im westlichen Teile des Zwingergebäudes eine wenig geeignete Unterkunft gefunden, angeregt hatte; es vergingen jedoch noch 15 Jahre, bevor seine Übersiedlung in die stattHchen Räume des Museum Johan- neum erfolgte.

Im ehemaHo-en Kloster Altzelle wurden die Aus- grabungen im Jahre 1866 unter Leitung des Regierungs- rat V. Reinhardt und des Bezirksarztes Dr. Groh wieder aufgenommen; doch unterbrach der Krieg damals die Arbeiten.

Der Verein nahm sich ferner der Wiederherstellung des grofsen von Lukas Cranach d. J. herrührenden Altar- gemäldes in der Schlofskapelle zu Augustusburg an (1858/59), wirkte bei der Restaurierung der Schlofskapelle zu Hohnstein mit (1859), regte die Restaurierung des Altars der Kunigundenkirche zu Rochlitz an (1861 ff.), trat ein für die Erhaltung der Burgruine zu Lieb au in der vogtländischen Schweiz (1867) und der Nicolaikirche auf dem Friedhofe zu Dippoldiswalde (1857, 1869), die dann in den Jahren 1882/83 restauriert worden ist, ge- währte einen Zuschufs zur Wiederherstellung des Grabmals Wiprechts v. Groitzsch in Pegau (1869) u. s. w.

Weniger ist über die Thätigkeit des Vereins in Bezug auf die Landesgeschichte zu berichten.

Die Pflicht der Dankbarkeit gebietet, hier an erster Stelle eines Legates zu gedenken, das dem Verein im Jahre 1863 zufiel. Der emeritierte Pastor Blüh er, der in diesem Jahre starb, ein langjähriges Vereinsmitglied und eifriger Forscher und Sammler auf dem Gebiete der vaterländischen Geschichte, insbesondere der Geschichte des sächsischen Erzgebirges und der dort gelegenen Ort- schaften, vermachte dem Verein seine handschrifthchen Sammlungen, seine reichhaltige Bibliothek (mit Ausnahme der darin befindlichen belletristischen und theologischen Schriften) und ein Kapital von 400 Thalern, mit der Be- stimmung, dafs dieses Kapital teils zur Beschaffung der für die Aufbewahrung des gedachten Nachlasses an Hand-

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schriflcii und Büchern nötigen Schränke, teils im Falle einer wissenschaftlichen Verwertung der Kollektaneen des Legatars zur Honorierung und Drucklegung der gelieferten Monographien verwendet würde. Einem Wunsche des Verstorbenen nachkommend, fafste der Verein zunächst die Bearbeitung einer Geschichte seiner Vaterstadt Ge3'er ins Auge und übertrug diese dem Bibliothekar des Vereins Dr. Johannes Falke, der sie in vorzüglicher Weise ausführte. Sie erschien als 15. Heft der ,, Mitteilungen des Kgl. Sächsischen Altertumsvereins".

Diese Zeitschrift, von welcher während des von uns behandelten Zeitraums 18 Hefte herausgegeben wurden, gewann namentlich unter der umsichtigen Leitung von Falke mehr und mehr Bedeutung für die landesgeschicht- liche Forschung; allein die Mittel, die der Verein darauf verwenden konnte, waren doch zu unbedeutend und die Verbreitung der „Mitteilungen" zu gering, als dafs sie dem oft empfundenen Mangel eines wirklichen Organs für die sächsische Geschichte hätten abhelfen können. Mit Freuden war es daher zu begrüfsen, als im Jahre 1863 der Direktor des Hauptstaatsarchivs Ministerialrat Dr. V. Weber und Prof. Dr. Wachsmuth den ersten Band eines ,, Archivs für die Sächsische Geschichte" herausgaben, dem dann alljährlich ein weiterer folgte. Diese Zeitschrift, welche von der Kgl. Staatsregierung in dankenswertester Weise unterstützt wurde, erschien im Verlage von Bern- hard Tauchnitz in Leipzig; vom dritten Bande an hat sie V. Weber allein redigiert. Sie hat sich um die sächsische Geschichte grofse Verdienste erworben; inwiefern sie auch für unseren Verein von Bedeutung wurde, ist weiter unten darzustellen.

Noch in einer anderen Richtung hat die Kgl. Staats- regierung dem Verein die Ausführung eines lang gehegten Plans abgenommen. Wir haben früher hervorgehoben, dafs der Verein wiederholt an die Herstellung eines säch- sischen Urkundenbuches gedacht hat; noch 1854 gelegent- lich eines Gesuchs an das Kultusministerium um Gewährung

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von Geldmitteln für die Zwecke des Vereins war unter diesen die Herausgabe geschichtlich wichtiger Urkunden sächsischer Archive und chronologischer Regfesten auf- geführt. Indessen hätten die Mittel des Vereins nicht entfernt zur Avisführung eines derartigen Werkes aus- gereicht. Hauptsächlich auf Anregung des Staatsministers Dr. Freiherr v. Falkenstein beschlofs daher im Jahre 1860 die Staatsregienmg die Herstellung eines Codex diplomaticus Saxoniae regiae und beauftragte den Hofrat Dr. Gersdorf zu Leipzig mit seiner Herausgabe; an seine Stelle traten 1875 der Archivar am Hauptstaatsarchiv Dr. O. Posse und der Verfasser dieses Aufsatzes. Der erste Band des grofs an- gelegten Unternehmens erschien 1864; gegenwärtig liegen 21 Bände davon vor. Hat der Verein auch unmittelbar nichts mit diesem Werke zu thun gehabt, so darf man ihn doch mit zu seinen intellektuellen Urhebern zählen.

5. Der Altertumsverein unter Leitung des Prinzen Georg in den letzten fünfundzwanzig Jahren.

Das letzte Vierteljahrhundert unserer Vereinsgeschichte kann wohl als eine Zeit frischen Aufschwunges bezeichnet werden. Wenn ein Zusammentreffen verschiedener Um- stände den 50. Geburtstag des Altertumsvereins völlig unbemerkt vorübergehen liefs, so dürfen wir das 75 jährige Jubiläum mit dem befriedigenden Bewufstsein feiern, dafs die Thätigkeit des Vereins sich in den letztverflossenen 25 Jahren stetig im Sinne seiner Stifter entwickelt hat; hoffnungsfroh kann der Verein der Zukunft entgegensehen.

Die Ursache dieser erfreulichen Erscheinung ist, wie wir bereits andeuteten, vor allem in der beständigen Zu- nahme des geschichtlichen Sinnes wie in ganz Deutschland so auch in unserem engeren Vaterlande zu suchen. Nach Überwindung schwerer Krisen war unserem Lande der Segen einer langen Friedenszeit, eines in der Geschichte fast beispiellosen Aufschwunges von Gewerbe und Handel, von Wissenschaft und Kunst beschieden. Von der Höhe'

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einer befriedigenden Gegenwart heral) Irnkt sich der Blick gern zur Vergangenheit zurück, um in ihr die Keime dieser Gegenwart zu suchen; man beurteilt diese Ver- gangenheit unbefangener, gerechter und mikler, wird sich immer mehr der Aufgabe des Forschers bewufst, die Vorofäntre in ihrem Zusammenhange zu verstehen und zu erklären, statt sie zu verteidigen oder zu verdammen. Dafs diese Freude an der Geschichte nicht auf die Kreise der Fachmänner beschränkt bleibt, sondern sich über immer weitere Kreise verbreitet, das beweist die stets wachsende Zahl geschichtlicher Gesellschaften und Vereine. Auch in unserem Lande nimmt sie noch fortwährend zu; zu denen, die wir oben (Seite 41) nannten, sind seit 1875 hinzugekommen die Vereine für Geschichte der Stadt Meifsen (1880) und der Stadt Pirna (1885), von Annaberg und Umgegend (1885), von Zwickau und Umgegend (1885), von Zittau (1889), von Rochlitz (1892), von Buchholz (1894). Dazu treten verschiedene Gebirgsvereine, wie der Gebirgs- verein für die Sächsische Schweiz und der Erzgebirgsverein, die ebenfalls der Geschichte ihrer Gebiete ihre Aufmerk- samkeit zuwenden, und der 1897 begründete Verein für sächsische Volkskunde, der einen überraschend schnellen Aufschwung genommen hat und zur Zeit fast 2000 Mit- glieder zählt.

Wir haben hier nicht zu erörtern, ob die grofse Zahl dieser Vereine nicht auch gewisse Gefahren in sich birgt, ob nicht ein vereinigendes Band zwischen ihnen, das der Zersplitterung der Kräfte und Mittel vorzubeugen vermöchte, wünschenswert wäre, sondern sehen in ihnen blofs ein er- freuliches Zeichen dafür, dafs die Zahl der Männer immer- fort zunimmt, die sich mit Liebe in die Geschichte der Heimat vertiefen und für die Erhaltung ihrer Reste thätig sind.

Ein Blick auf die Mitgliederliste unseres Altertums- vereins beweist, dafs auch er an dieser Entwicklung lebhaft teilnimmt. Wir sahen, dafs er im Jahre 1875 auf 106 Mit- glieder herabgegangen war; von da ist Jahr für Jahr ein

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bald kleinerer, bald gröfserer Zuwachs zu bemerken. In sein 76. Vereinsjahr ist er mit 455 Mitgliedern (234 in Dresden, 221 aufserhalb) eingetreten; unter ihnen befinden sich 68 Städte und Landgemeinden. Die Mito-liederzahl hat sich also in den letzten 25 Jahren mehr als vervierfacht. Das fällt um so mehr ins Gewicht, als fast jedes Jahr auch starken Abgang gebracht hat. Ein Vergleich der Mitoflieder- liste von 1875 mit der gegenwärtigen zeigt, dafs von den heutigen Mitgliedern nur 12 dem Verein länger als 25 Jahre angehören; diese Senioren des Vereins sind Graf Uetterodt zum Scharffenberg auf Schlofs Neuscharffenberor bei Eisenach (1858), Professor Dr. Knothe (1859), Professor Andreae in Sinzig a. Rh. (1862), Staatsminister a. D. V. Nostitz-Wallwitz (1863), Hofrat v. Sienicki in Warschau (1863), Oberstleutnant z. D. Bucher (1864), Hofuhrmacher Weifse (1866), General der Kavallerie z. D. und Generaladjutant v. Carlowitz (1869), Oberst z. D. v. Kretschmar in Essen (1869), Kammerherr Major a. D. Graf V. Rex (1869) und Geh. Rat Dr. Fiedler (1874); endlich gehört die Stadt Pegau dem Verein seit 1869 an.

Zu den neu eingetretenen Mitgliedern gehören auch die beiden ältesten Söhne des durchlauchtigsten Protektors, Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Friedrich August (1885) und Johann Georg (1892), die vielfach an den Sitzungen teilgenommen haben.

Auch einen Besuch Seiner Majestät des Königs (am 6. Dezember 1886) konnte der Verein in seine Annalen ein- tragen.

Den Dank für die vielfach bewiesene Huld des er- lauchten Königshauses durfte der Verein bei verschiedenen Gelegenheiten zum Ausdruck bringen. So überreichte er Seiner Majestät dem Könige am 17. Juni 1889 anläfslich des achthundertjährigen Jubiläums des Hauses Wettin eine vom Münzgraveur Barduleck ausgeführte Denkmünze -*),

-*) Abbildung im Neuen Archiv für Sächsische Geschichte Bd. X.

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am IQ. April 1898 eine vom Professor Kraufse oemalte GliickwLinschadresse zum Regierungsjubiläum. Dafs er bei traurigen wie freudigen Ereignissen in der Familie seines hohen Protektors, wie bei dem erschütternden Ableben Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Georg, bei den Verlobunircn und Vermählung-en der Prinzen Friedrich August und Johann Georg, unter denen, die ihre innige Teilnahme bezeugten, niemals gefehlt hat, bedarf kaum der Erwähnung-.

Die Verfassung unseres Vereins blieb auch in diesem Zeiträume in der Hauptsache unverändert. Zwar wurden die Statuten einer Revision unterworfen; aber sie ent- sprechen auch in ihrer neuen Form (vom 2. Januar 1893) in allen wesentlichen Bestimmungen den früheren. Die Beschränkung der Thätigkeit des Vereins auf das König- reich Sachsen und auf die Zeit vor dem westfälischen Frieden, die auch in § 2 der Statuten von 1870 nur mit Vorbehalt von Ausnahmen aufgenommen worden war, wurde in der neuen Bearbeitung ganz fortgelassen.

Die Sitzungen des Vereins fanden, da die bisherigen Räume im Prinzenpalais sich mehr und mehr als unzu- reichend erwiesen, in den Jahren 1892 1897 im zweiten Obergeschofs des Brühischen Palais auf der Augustus- strafse statt. Nachdem dieses für den Landhausneubau angekauft worden, gestattete das Königliche Ministerium des Innern unter Vermittlung des Landes -Medizinalkollegiums dem Verein die Benutzung der schönen Säle im Oberge- schofs des Kurländer Palais am Zcughausplatz.

In die Stellen des ersten und zweiten Direktors wurden nach dem Rücktritt des Geh. Rat Dr. v. \\'eber und des Geh. Hofrat Professor Dr. Hettner am 4. März 1878 Generalmajor v. Carlowitz und Dr. Richard Steche gewählt. Sie standen bis 1890 an der Spitze des Vor- standes und erwarben sich während dieser Zeit grofse Verdienste um den Verein. Im Jahre 1890 wurden der Präsident der Oberrechnungskammer v. Schönberg zum ersten, der Direktor des Könighchen Grünen Gewölbes,

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des Königlichen Münzkabinets und der Königlichen Porzellan- sammluno- Hofrat Dr. Erbstein zum zweiten Vorsitzenden gewählt; an die Stelle des ersteren, der im Jahre 1896 aus Gesundheitsrücksichten den Vorsitz niederlegte, trat Generalleutnant v. Raab.

Die Geschäfte des Schriftführers übernahm im Jahre 1875 der Archivar am Hauptstaatsarchiv Dr. Posse. Seit dem 6, November 1876 versieht sie der Verfasser der vor- liegenden Darstellung.

Die Kassenverwaltung besorgte nach dem Rücktritte des Oberst z. D. Andrich 1879 1890 der BibHothekar am statistischen Bureau am Ende. Als er am 18. Juli 1890 starb, folgte ihm der Konsul der Repubhk Chile Engel - mann und diesem 1897 der Königliche Kammerherr V. Winckler.

Das Museum des Vereins hat in dem verflossenen Vierteljahrhundert besonders bedeutsame Veränderungen erfahren. Im Jahre 1886 trat wegen Kränklichkeit Hofrat Büttner, der 24 Jahre lang an seiner Spitze gestanden, zu- rück. In seine letzten Jahre fällt die Bearbeitung eines neuen auf gründlichen Forschungen beruhenden ,, Führers" durch einen hervorragenden Sachverständigen, Dr. A. v. Eye. Zu Büttners Nachfolger wurde der Direktor des Königlichen Antikenkabinets und der Königlichen Gipsabgufssammlung Professor Dr. Treu gewählt. Dieser beantragte, das Museum unter Vorbehalt der Eigentumsrechte des Vereins mit den Königlichen Sammlungen plastischer Bildwerke zu vereinigen und in das eben damals im Umbau begriffene ehemalige Zeughaus, das jetzige Albertinum, aufzunehmen. Indes stellten sich der Ausführung dieses Gedankens, der viel Gewinnendes hatte, da er die Sammlungen des Vereins leichter zugänglich gemacht und ihnen zugleich eine sorg- fältigere Pflege gesichert hätte als dies bisher möglich war, unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen; namentlich erwies sich, dafs die im Zeughaus vorhandenen Räume nicht ausreichten. So kam es im Jahre 1887 nur zu einer Abgabe aller vorgeschichtlichen Gegenstände des Museums

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an das Königliche Prähistorische Museum , wo sie in Ver- bindung: mit zahlreichen anderen Funden der Wissenschaft bessere Dienste zu leisten vermögen als in ihrer bisherigen Vereinzelung.

Dieselbe Rücksicht auf bessere Nutzbarmachung vcr- anlafste, wie dies gleich jetzt bemerkt werden mag, im Jahre 1888 eine Vereinbarung mit der Königlichen Öffent- lichen Bibliothek in Dresden, wonach ein Teil der bis- herio-en Bibliothek des Vereins und in Zukunft alle auf dem Wege des Schriftenauswechsels eingehenden Zeit- schriften und sonstigen Werke, soweit sie nicht die sächsisch -thüringische Geschichte betreffen, gegen eine mäfsige Entschädio-una: der genannten Bibliothek über- lassen werden.

Professor Dr. Treu liefs ferner eine jedem Besucher des Museums erwünschte Etikettierung aller Gegenstände des Museums vornehmen. Ihre Durchführung besorgte der im Jahre 1886 an Bobes Stelle tretende Inspektor Julius Robert Geidel.

Nach dem Rücktritt des Professor Treu wurde 1888 Oberst z. D. Thierbach zum Vorstand des Museums gewählt. Durch die Überführung des bisher im Ober- stockwerk des Palais im Königlichen Grofsen Garten befindlichen Rietschelmuseums in das Albertinum (1889) l)ot sich die Möglichkeit einer bedeutenden Erweiterung unsers Museums; auf das Gesuch des Vereins überwies das Königliche Finanzministerium mit der Bereitwilligkeit, die die Staatsregierun«: stets den Zwecken des Altertumsvereins entgegengebracht hat, im vSommer 1890 auch die oberen Räume des Palais dem Verein. So konnte noch in dem- selben Jahre eine Neuaufstellung der reichen Sammlungen erfolgen, eine schwierige Aufgabe, die Oberst Thierbach mit hingebendem Eifer und grofsem Geschick gelöst hat.

Dem Vorstande erschien es nunmehr als eine Pflicht, das Museum , dessen unentgeltlicher Besuch bisher nur den Vereinsmitgliedern frei stand, in gleicher Weise, wie dies bei cU'ii nicislcn üljrigen Sammlungen Dresdens der

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Fall ist, auch weiteren Kreisen durch Einführung eintritts- freier Tage leicht zugänglich zu machen. Freilich setzte dies voraus, dafs der Verein bedeutend gröfsere Summen als bisher auf das Museum verwandte; denn abgesehen von dem nicht unerheblichen Ausfall an Eintrittsgeldern, der zu erwarten war, mufste das Personal für die Aufsicht- führung, die bisher dem Inspektor allein oblag, vermehrt werden. Es ist vor allem das Verdienst des Präsidenten V. Schönberg, der überhaupt dem Museum seine besondere Fürsorge widmete, dafs diese Schwierigkeit glücklich über- wunden wurde; die Stände bewilHgten auf den Antrag der Staatsregierung vom Jahre 1892 ab eine Erhöhung des bisher dem Verein gewährten Staatszuschusses von 900 auf 4000 Mark. Seitdem ist das Museum jeden Mittwoch und Sonnabend Nachmittag unentgeltlich geöffnet. Wie grofsen Einflufs dies auf den Besuch hatte, ergiebt sich daraus, dafs das Museum in den Jahren 1886 1891 von 7541 (Jahres- durchschnitt 1256,8), dagegen 1892 1899 von 117 169 Per- sonen (Jahresdurchschnitt 14646,1) besucht wurde, während sich die jährlichen Einnahmen freilich in der gleichen Zeit von durchschnitthch 551 auf durchschnittlich 308 Mark verminderten.

Oberst Thierbach legte 1893 die Verwaltung des Museums nieder; an seine Stelle trat Geh. Oberbaurat a. D. Wanckel, der sich ebenfalls grofse Verdienste um das Museum erworben hat. Dazu gehört z. B. die Bear- beitung eines neuen, der veränderten Aufstellung ent- sprechenden ,, Führers" durch das Museum (1895) sowie des seit 1897 erscheinenden stattlichen Lichtdruckwerkes „Die Sammlung des Königlich Sächsischen Alterthums- vereins zu Dresden in ihren Hauptwerken" (100 Tafeln mit erläuterndem Text von E. Flechsig), das soeben voll- endet ist; auch zu diesem Werke hat, wie dankbar hervorgehoben werden mufs, die Königliche Staatsregier- ung einen besonderen Zuschufs von 4500 Mark gewährt.

Das Museum, das zur Zeit in zwei grofsen und elf kleinen Sälen des Erd- und Obergeschosses des Palais in

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geschmackvoller Anordnung aufgestellt ist, zählt jetzt etwa 3000 Nummern. Wie früher, so wurde auch in den letzten 25 Jahren manches mehr oder weniger wertvolle Werk alteinheimischer Kunstthätigkeit teils käuflich erworben, teils unter Eigentumsvorbehalt oder auch schenkungsweise ihm übero-eben. Wir erinnern nur an den schönen Altar der Afrakirche in Meifsen, der in die Hände eines Händlers geraten war und nur durch Ankauf um eine verhältnis- mäfsig bedeutende Summe (1878) dem Vaterlande erhalten werden konnte. In einzelnen Fällen, in denen es sich um wichtige Werke handelte, deren Originale keine Unterkunft im Museum finden konnten, ist man neuerdings zur An- fertigung und Aufstellung von Gipsabgüssen geschritten. So wurde im Jahre 1892 mit einem Kostenaufwand von 600 Mark ein Abgufs des berühmten Grabmals Wiprechts von Groitzsch nach dem in Pegau befindlichen Original hergestellt und vom Maler Mattesen bemalt. Im Jahre 1897 wurde mit Unterstützung des Königlichen Ministeriums des Innern ein Abgufs des Dresdner Totentanzes angefertigt utuI im Museum untergebracht, nachdem festgestellt war, dafs die fortschreitende Verwitterung dieses bedeutenden Werkes trotz der im Jahre 1881 angebrachten Schutzvorrichtungen und der neuerdings vorgenommenen Imprägnierung mit Kalkwasser kaum aufzuhalten sein wird. Die Vermehr- ung der für das Museum verfügbaren Mittel ermöglichte es, auch für die Erhaltung, Reinigung und Wiederher- stellung der einzelnen Kunstwerke mehr als bisher zu thun; zur Leitung dieser Arbeiten, die bekanntlich ein hohes Mafs von Umsicht verlangen, wenn sie nicht mehr schaden als nützen sollen, wurde im Jahre 1892 eine aus dem Geh. Oberbaurat Wanckel , Professor Dr. Steche und Bildhauer Professor Spieler bestehende Kommission gebildet.

So hat das Museum auch in den letzten 25 Jahren seine Aufgabe, eine Zufluchtsstätte für gefährdete vater- ländische Altertümer zu bilden, redlich erfüllt. Freilich ist es nicht mehr, wie zur Zeit seiner Gründung und noch lange Jahre später, die einzige derartige Zufluchtsstätte im

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Lande. Mit der Zahl der Geschichtsvereine mehrte sich auch die Zahl lokaler Altertumssammlungen, und sie mehrt sich noch fortwährend, zumal seit dem vorigen Jahre ört- liche Ausstellungen geschichtlichen und kunstgeschicht- lichen Charakters in Aufnahme gekommen sind. Diese an sich hocherfreuliche Zunahme des g^eschichtlichen Interesses hatte für unser Museum die Wirkung, dafs die Fälle immer häufiger wurden, in denen Gegenstände, die sich seit Jahr- zehnten in seiner Verwahrung befanden, zurückverlangt wurden. Es ist selbstverständlich, dafs solchen Anträgen, die sich auf einen Eigentumsvorbehalt stützen, entsprochen werden mufs. Wo es sich um Gegenstände von vor- wiegend lokaler Bedeutung handelt , hat dies auch kein Bedenken; anders aber liegt die Sache, wenn Werke von allgemein kunstgeschichtlicher Wichtigkeit in Frage kommen; da ist es im Interesse der vaterländischen Kunst- geschichte lebhaft zu bedauern, wenn sie aus einem grofsen, gut verwalteten und leicht zugänglichen Museum, wo ihr eingehendes Studium, ihre Vergleichung mit ähnlichen Werken möglich ist, herausgerissen und einer vielleicht in einer entlegenen Provinzialstadt befindlichen Sammlung, für deren Erhaltung oft genug nicht die wünschenswerten Vorsichtsmafsregeln getroffen sind, eingeordnet werden. Der Vorstand unseres Vereins hat sich deshalb in vielen Fällen bemüht, wenigstens einen Teil der fraglichen Werke seinem Museum zu erhalten. So wurden im Jahre 1886 zehn Ölgemälde, die die zehn Gebote darstellen, und im Jahre 1890 eine grosse Anzahl von Altertümern, meist aus der Bartholomäikapelle und der Sophienkirche, die wohl gröfstenteils verschollen wären, wenn sich der Verein ihrer nicht vor Jahrzehnten angenommen hätte, dem neubegrün- deten Museum der Stadt Dresden überwiesen, während der Rat das prächtige Altarwerk der Bartholomäikapelle und eine knieende Figur der Maria Magdalena dauernd dem Altertumsmuseum überliefs. So wurde ferner nach läng-eren Verhandlungen am 9. Januar 1895 ein Vertrag mit der Stadt Freiberg abgeschlossen, nach welchem der gröfste

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Teil der einst in dem dortigen Dome befindlichen Holz- schnitzwerke, deren Wiederaulstellung in der restaurierten Kirche sich als unthunlich erwies, auf eine lange Reihe von Jahren dem Museum gesichert bleibt. Die Anträge der Städte Meifsen (1891) und Pirna (1893) auf Rückgabe einzelner Werke wurden zurückgezogen. Das verständnis- volle Entgegenkommen, das dem Vorstande diese Ab- machungen ermöglichte, lälst hoffen, dafs auch in Zukunft dem Vereinsmuseum der Charakter einer zentralen Samm- lung, eines Landesmuseums gewahrt bleiben wird.

Es mag schHefshch noch erwähnt werden, dafs dem 1897 begründeten Verein für sächsische Volkskunde gestattet worden ist, seine hochinteressanten Sammlungen einstweilen in den Räumen des Altertumsmuseums aufzustellen.

Die im Besitz des Vereins befindliche Sammlung der Handzeichnungen u. s. w. wurde in den Jahren 1893 und 1894 vom Direktorialassistent Dr. Sponsel neu geordnet.

Wie der Verein in seiner sammelnden Thätigkeit nicht mehr vereinzelt dasteht, so haben überhaupt die Ziele, die er seit seiner Gründung verfolgt, in immer weiteren Kreisen Würdigung gefunden. Wenn er, wie wir sehen, wieder- holt für einen staatlichen Schutz der Denkmäler und Alter- tümer des Landes eingetreten ist, so sind im letzten Viertel- jahrhundert wichtige Schritte in dieser Richtung geschehen. Ein Antrag des Dresdner Architektenvereins auf Anstel- lung eines Konservators für die Kunstdenkmäler Sachsens veranlafste im Jahre 1876 das Ministerium des Innern, dem Verein die Frage zur Erwägung anheimzugeben, welche Mafsregeln zur Schonung und Erhaltung alter wertvoller Baudenkmäler zu treffen seien. Auf Grund des Berichts eines Ausschusses, an dessen Spitze der Minister des König- lichen Hauses Freiherr v. Falkenstein stand, sprach sich der Verein gegen die Anstellung eines einzelnen Konser- vators aus, empfahl jedoch dringend die Bildung einer mit behördlicher Autorität ausgestatteten Kommission für den Schutz der Denkmäler und vor allem ihre Inventarisierung. Das Ministerium vcrlanoftc nunmehr als Vorbereituno; für

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alle weiteren Mafsnahmen ein vorläufiges Verzeichnis der im Lande befindlichen und des Schutzes bedürftigen Alter- tümer. Der Versuch, ein solches Verzeichnis auf Grund der im Vereinsarchiv vorhandenen Unterlagen zu bear- beiten, den Kammerherr Freiherr 6 Byrn in den Jahren 1877 1880 im Auftrage des Vereins unternahm, konnte zu keinem befriedigenden Ergebnisse führen; immer dringen- der stellte sich die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Inventarisierung der Altertümer heraus, wie solche in vielen Teilen Deutschlands damals schon ausgeführt war. So arbeitete denn Professor Dr. Steche einen eingehenden Plan für die Bearbeitung einer ,, beschreibenden Dar- stellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler im Königreich Sachsen" aus; dieser Plan fand die Billig- ung des Vereins, und so wurde unter dem 26. Februar 1881 vom Königlichen Ministerium des Innern die Bearbeitung eines Probeheftes, dessen Kosten das Ministerium über- nahm, genehmigt. Bereits im Sommer 1882 erschien dieses erste Heft, das die Amtshauptmannschaft Pirna behandelte; es fand nach Inhalt und nach Ausstattung allgemein bei- fällio-e Aufnahme. Inzwischen war die Fortführung des Unternehmens durch die Einstellung von 5000 Mark in den ordentlichen Staatshaushalts -Etat für 1882/83 gesichert worden; ein Teil dieser 5000 Mark war für die Erhaltung alter kunstgeschichtlich merkwürdiger Bauwerke bestimmt. Das Werk schritt rasch vorwärts; in den Jahren 1883 bis 1891 veröffentlichte Steche weitere 14 Hefte; sie betrafen die Amtshauptmannschaften Dippoldiswalde und Freiberg, die sämtlichen Amtshauptmannschaften des Regienmgs- bezirks Zwickau, endlich die Amtshauptmannschaften Roch- litz und Borna. Dann trat leider' durch die schwere Er- krankung des Herausgebers eine Unterbrechung ein; am 3. Januar 1893 entrifs der Tod dem Verein in Richard Steche einen unermüdlich fleifsigen Mitarbeiter, dessen Andenken stets in Ehren bleiben wird.

Der Verein hielt nunmehr den Zeitpunkt für gekommen, die Bilduno- einer mit behördlicher Autorität ausg^estatteten

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Kommission für den Schutz der Altertümer, Bau- und Kunstdenkmäler Sachsens von neuem anzuregen. Zuo:leich schlug er für die Fortsetzung des Inventarisiitionswerkes, das mit dieser Kommission in ororanische Verbindun"- zu bringen empfohlen wurde, den Privatdozenten an der Technischen Hochschule zu Charlottenburg Dr. Cornelius Gurlitt vor. Diesem Vorschlage entsprechend beauftragte das Königliche Ministerium des Innern den Genannten, der gleichzeitig als Professor an die Königliche Technische Hochschule in Dresden berufen wurde, mit der weiteren Herausgabe der beschreibenden Darstellung und ermög- lichte zugleich durch Gewährung gröfserer Mittel eine ausführlichere Bearbeitung und reichere Ausstattuno; des Werkes. Auch der Verein bewilligte dafür einen jähr- hchen Zuschufs von 600 Mark und Ijildete zug-leich eine aus dem Oberstleutnant z. D. Freiherrn v. Mansberg, dem Freiherrn v. Zedtwitz und dem Verfasser dieser Zeilen bestehenden Ausschufs zur Beratung des Herausgebers bei einzelnen ins Gebiet der Geschichte und ihrer Hilfswissen- schaften einschlagenden Fragen. Professor Gurlitt hat in den Jahren 1894 1898 die Hefte 16 20 (Amtshaupt- mannschaft Leipzig-Land, Stadt Leipzig, Amtshauptmann- schaft Grimma) veröffentlicht; soeben erscheint das erste Heft der beschreibenden Darstellung von Dresden. Mit besonderem Danke ist anzuerkennen, dafs die Stadträte zu Leipzig und Dresden durch Gewährung von bedeutenden Zuschüssen eine besonders reiche illustrative Ausstattung der ihre Städte betreffenden Hefte ermöglicht haben.

Aber auch der weitere Wunsch des Vereins o-inn- in Erfüllung. Durcli Verordnung des Königlichen Ministeriuins des Lmern vom 29. Juni 1S94 wurde eine Königliche Kommission zur Erhallung der Kunstdenkmäler be- gründet, bestehend aus einem Rate des Ministeriums als Vorsitzendem, zwei vom evangelisch-lutherischen Landes- konsistorium und einem vom Altertumsverein zu ernennenden Mitgliedern und dem vom Ministerium mit der Inven- tarisation beauftragten Sachverständigen. Am I.Oktober

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trat diese Kommission in Thätigkeit; den Vorsitz führte bis zu seinem Tode im Jahre 1897 der Geh. Rat vmd spätere Kreishauptmann v. Bosse, seitdem Geh. Regierungs- rat Dr. Röscher; den Altertumsverein vertraten in ihr zuerst Präsident v. Schönberg, dann seit 1896 Geh. Ober- baurat Wanckel, an dessen Stelle neuerdings Professor Dr. Berling getreten ist. Über die von Jahr zu Jahr sich erweiternde Wirksamkeit der Kommission giebt der ausführ- liche Bericht Kunde, der gleichzeitig mit der vorliegenden Arbeit erscheinen und dem Altertumsverein als Jubiläums- gabe gewidmet werden soll. Hatte die Kommission anfangs darunter zu leiden, dafs ihr nur sehr geringfügige Mittel zu Gebote standen, so ist auch dem jetzt abgeholfen; an Stelle der im Jahre 1882 bewilHgten Summe von 5000 Mark, die seitdem allerdings bis auf 16 000 Mark erhöht worden war, ist in diesem Jahre der Betrag von 43000 Mark für die Inventarisation sowie für Beihilfen und Mafsnahmen zur Erhaltung alter kunstgeschichtlich merkwürdiger Bau- werke und Denkmäler in den Etat einofestellt worden.

Die Einsetzung dieser Kommission, deren Vervoll- ständigung durch die Ernennung eines Konservators für die Kunstdenkmäler Sachsens wohl nur als eine Frage der Zeit gelten darf, ist ein hochwichtiges Ereignis nicht allein in der Geschichte der staathchen Denkmalpflege in Sachsen, sondern auch in der Geschichte des Altertums- vereins, der darin eine Frucht langjähriger Bemühungen erkennen darf. Die Kommission nimmt dem Verein einen Teil seiner Aufgaben ab, sichert seinen Bestrebungen die staatHche Autorität, die ihnen bisher fehlte. Der Verein hat daher ihre Begründung mit grofser Befriedigung be- grüfst; er wird darauf bedacht sein, seine statutengemäfse Wirksamkeit in Zukunft stets in enger Fühlung mit der Kommission auszuüben.

In dieser Wirksamkeit hat ihn neben dem Ministerium des Innern nach wie vor namentlich das Evangelisch- Lutherische Landeskonsistorium unterstützt. Die Ver- äufserung von Kunstwerken in kirchlichem Besitz kam

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leider noch um die Mitte der siebziger Jahre nicht selten vor, wie schon das oben erwähnte Beispiel des Altars der Meifsner Afrakirche zeigt. Dem machte eine Verordnung des Evancrclisch -Lutherischen Landeskonsistoriums vom 6. Februar 1878 ein Ende, in der unter Hinweis auf ältere gesetzliche Bestimmungen eine Veräufserung von zum Inventar der Kirche gehörigen Gegenständen ohne Ge- nehmio-uno- der oberaufsehenden Behörde untersagt wurde; das Landeskonsistorium behielt sich die Entscheidung auf alle dahin zielenden Anträge vor. Eine weitere Ver- ordnung derselben Behörde vom 15. Februar 1878, zu der ein Gesuch des Altertumsvereins den Anlafs gegeben hatte, veranlafste die Kirchenvorstände und Inspektions- behörden dafür Sorge zu tragen, diifs zu allen Bauten und Herstellungen kirchlicher Bauwerke erfahrene Sachver- ständige zugezogen oder die Vermittlung des Vereins für kirchliche Kunst in Anspruch genommen werden möchte-''). Durch spätere Verordnungen wurden diese dankenswerten Bestimmungen erneut eingeschärft und erweitert-*^). Seit 1885 machte das Landeskonsistorium dem Verein auf seine Bitte regelmäfsige Mitteilungen über bevorstehende Restaurierungen kirchlicher Bauwerke und sonstiger Alter- tümer, bis die Einrichtung der Kommission diese als die geeignete Stelle dafür erscheinen liefs.

Unter den zahlreichen Fällen, in denen der Verein für die Erhaltung und Wiederherstellung kirchlicher Bauwerke eintrat, heben wir nur folgende hervor.

In Meifsen war es namentlich der trotz mancher Mafsnahmen noch immer wenig befriedigende Zustand des Domes, der zu lcl)haften Bedenken Anlafs gab. Bereits im Februar i8yi hatte Präsident v. Schönberg darauf auf- merksam gemacht, dafs für die Erhaltung der meisten inner-

2'') Verordnungsblatt des evangelisch -lutherischen Landes- konsistoriums 1878 S. 26, 30.

'«) Verordnungen vom 18. April 1879, 15. Mai 1882 und 10. Juni 1892, ebenda 1879 S. 40, 1882 S. 190, 1892 S. iii.

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halb der Kirche beiindUchen Grabdenkmäler notwendig etwas geschehen müsse. Eine an das Domkapitel gerichtete Eingabe vom i. Februar 1892 bezeichnete neben Mafsregeln zu deren Schutz die Erneuerung der äufseren Architektur- und Schmuckteile, besonders an der Süd- und Westfront, und die Aufdeckung und Wiederherstellung der wohl aus dem 14. Jahrhundert stammenden Fresken am Lettner als wünschenswert. Da die beschränkten Mittel des Domkapitels die vorgeschlagenen Herstellungen nicht ermöglichten, sogar die Abtragung des sogenannten ,,höckrigen Thurmes" in Erwägung gezogen wurde, so mufste man auf andere

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Wege denken, um das ehrwürdigste kirchliche Bauwerk des Landes zu erhalten. Bekanntlich ist dann im Jahre 1896 ein Meifsner Dombauverein gegründet worden; er plant eine umfassende Erneuerung des Domes im Innern und Äufsern, sowie den Bau der fehlenden Türme und will die hierzu erforderlichen Summen durch eine Lotterie zu- sammenbringen, von der bis jetzt zwei Ziehungen (1898 und 1899) stattgefunden haben. Ihr Erfolg war derart, dafs man hoifen darf, in absehbarer Zeit den Dom voll- kommen hergestellt und in einer dem ursprünglichen Plane entsprechenden Weise ausgebaut zu sehen. Inzwischen hat Geh. Baurat Dr. Meydenbauer in Berlin nach dem von ihm erfundenen Mefsbildverfahren eine genaue Aufnahme des Domes in allen seinen Teilen veranstaltet und sind die bedeutendsten Gotiker Deutschlands, Linnemann in Frankfurt a./M., Schäfer in Karlsruhe, Seidl in München und Tornow in Metz, aufgefordert worden, sich über die Restauration des Domes zu äufsern.

Auch der Dom zu Freiberg beschäftigte wiederholt den Verein. Seit dem Jahre 1878 erhoben sich in der Einwohnerschaft Freibergs wiederholt Stimmen für einen vollständigen Abbruch der kunstgeschichtlich so wertvollen Kreuzgänge. Der Verein befürwortete auf einen Bericht des Professors Steche im Jahre 1879 ihre Erhaltung und Wiederherstellung und trat, als trotzdem im Jahre 1886 der Abbruch durch den Domkirchenvorstand beschlossen

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wurde, nochmals entschieden für sie ein. Dies hatte den Erfolg, dafs die Staatsrepierun«- die Restaurierung und bauliche Unterhaltung der Kreuzgänge übernahm ; sie sind dann 1889 1892 in N\ürdiger Weise wiederhergestellt und teilweise zur Aufstellung der alten Grabsteine des V. Schönbero:\schen Geschlechts eingferichtet worden.

Eine noch ernstere und schwierigere Frage war die dauernde Erhaltung unseres wertvollsten romanischen Werkes, der Goldenen Pforte. Schon 1882 und 1883 hatte der Verein dem Finanzministerium und dem Dom- kirchenvorstande Vorschläge über ihren Schutz gegen Ver- witterung gemacht. Im Jahre 1890 erfolgten auf Vorschlag des akademischen Rates eine Abformung der ganzen Pforte in Gips, die in der Königlichen Sammlung der Bildwerke Aufstellung fand, ferner im Jahre 1891 ein Isolierungsbau, um die aus dem Erdboden aufsteigende Feuchtig-keit abzu- schliefsen, im Jahre 1892 Ergänzungen einzelner Teile und Erhaltungsarbeiten durch den Bildhauer Rassau. Neuer- dings ist eine Summe von 32 500 Mark für die Herstellung eines stilgerechten Anbaues zum Schutze der Goldenen Pforte von den Ständen bewiUigt worden.

Bei einem Ausfluge, den der Verein im Jahre 1891 nach AI tz eile unternahm, überzeugte man sich von neuem von dem wenig erfreulichen Zustande, in dem sich die Reste dieser altehrwürdigen Begräbnisstelle des Hauses Wettin befinden. Besonders lebhaft wurde bedauert, dafs das ver- hältnismäfsig gut erhaltene einstige Winterrefektorium seit lange als Kuhstall dienen mufs. Der Verein stellte eine Reihe von Anträgen beim Königlichen Finanzministerium, um den Übelständen abzuhelfen. Nachdem Professor Dr. Gurlitt im Jahre 1894 nochmals im Auftrage des Vereins ein ausführliches Gutachten erstattet, beschlofs das Finanz- ministerium im Jahre 1 896, einen Fonds zur Erbauung eines neuen Kuhstalles zu sammeln, das W^interrefektorium nach dessen Fertigstellung zur Aufbewahrung der teils in der Fürstenkajielle befindlichen, teils im Parke zerstreuten Architekturteile und Denkmäler einzurichten und die schöne

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gotische Betsäule im Park durch eine Bretverkleidung im Winter zu schützen ; endlich erteilte es die Genehmiirunor zu der für die Feststellung des Grundrisses der Kloster- gebäude erforderlichen Nachgrabungen.

In Dresden gewährte der Verein u. a. einen Bei- trag zur Wiederherstellung des Grabmals des Bildhauers Balthasar Permoser auf dem katholischen Friedhofe an der Friedrichstrasse (1888) und regte die Neuaufstellung des Moritz-Monuments an der Mauer der Brührschen Terrasse beim Gondelhafen (1895) an.

Ganz oder teilweise auf Kosten des Vereins erfolcrten ferner die Herstellung des Grabmals des Baumeisters von Dehn-Rotfelser auf dem Kirchhofe zu Leuben (1877), die von Professor Kraufse in uneiorennütziofer Weise aus- geführte Wiederherstellung der von C. Gurlitt entdeckten Deckengemälde in der Kirche zu Klösterlein bei Aue (1887) und der Deckengemälde des 15. Jahrhunderts in der Kirche zu Neukirchen bei Deutschenbora (1891), der Wandgemälde von ca. 1600 in der Kirche zu Lauen - stein (1896), einer interessanten Kanzel in der Kirche zu Cannewitz bei Grimma (1899), eines alten Bildes der Schlacht bei Sievershausen (1889), das sich in der dortigen Kirche befindet, u. dergl. mehr.

Eine Neuerung, die wesentlich zur Belebung des Interesses für unsere Altertümer beig-etrao-en hat, sind die Ausflüge, die der Verein seit dem Jahre 1878 alljährlich im Frühjahr unternimmt.

Auch der Landesgeschichte hat der Verein seine Auf- merksamkeit in immer steigendem Mafse zugewandt. Als Geh. Rat v. Weber im Jahre 1878 die Redaktion des ,, Archiv für die sächsische Geschichte" niederlegte, beantragte der Vorstand die Verschmelzung dieser Zeitschrift mit den kurz vorher in den Verlag von Wilhelm Baensch hierselbst über- gegangenen ,, Mitteilungen", die es zu einer gröfseren Ver- breitung niemals hatten bringen können, und dieser Antrag fand die Zustimmung der Königlichen Staatsregierung,

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die der neuen Zeitschrift die gleiche Unterstützun«;' ge- währte wie bisher dem „Archiv"; später hat das König- liche Kultusministerium, dem die Zeitschrift unterstellt ist, den Zuschufs bis auf jährlich 2500 Mark erhöht. So fanden die ,, Mitteilungen" im Jahre 1880 mit dem 30. Hefte, das ein vom Bibliothekar am Ende sorgfältig bearbeitetes alphabetisches Register zu allen Bänden ent- hält, ihren Abschlufs. Gleichzeitig erschien der erste Band des ,, Neuen Archivs für sächsische Geschichte und Altertumskunde", dessen Redaktion von der Staats- reiiierunp" und dem Verein dem Verfasser dieser Zeilen übertragen wurde. Der Verein gelangte auf diese Weise zu einem Organ, das der wissenschaftlichen Erforschung der sächsischen Geschichte nach allen Seiten hin Rech- nung zu tragen vermag und ihm in den 21 Jahrgängen, die bis jetzt erschienen sind, eine Fülle brauchbarer Bau- steine geliefert hat.

Als im Jahre 1883 auf Veranlassung des Zentral- Aus- schusses für Deutsche Landeskunde ein Ausschufs für die Landeskunde Sachsens unter Vorsitz des Professor Dr. Rüge gebildet wurde, beauftragte der Verein mit seiner Vertretun«- darin den Professor Dr. Knothe und den Verfasser dieser Zeilen. Das Ergebnis der eine Reihe von Jahren hindurch fortgesetzten Arbeiten dieses Aus- schusses ist das gelegentlich des Wettiner -Jubiläums im Jahre 1889 erschienene, von P. E. Richter bearbeitete Werk ,,Litteratur der Landes- und Volkskunde des König- reichs Sachsen".

Zu gröfseren selbständigen Pul)likationen auf dem Gebiete der vaterländischen Geschichte haben bisher die Mittel des Vereins, die, wie wir sahen, nach verschiedenen Richtungen hin stark in Anspruch genommen werden, nicht ausgereicht. Mit um so gröfserer Freude begrüfste er es daher, als durch eine Verordnung des Königlichen Kultusministeriums vom 22. Juni 1896 eine Königlich Sächsische Kommission für Geschichte be- gründet und damit ein lange gehegter Wunsch erfüllt

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wurde-'). Die Kommission, die seitdem bereits eine frucht- bare Thätigkeit enfaltet hat, hat dem Verein ,,als Zeichen vereinten Strebens" ihre neueste VeröffentHchung, ,, Tafel- bilder Lucas Cranach des Alteren und seiner Werkstatt, herausgegeben von Eduard Flechsig", zum 75jährigen Jubiläum gewidmet.

Mit dem Gesamtverein der Deutschen Geschichts- und Altertums vereine, der, wie wir sahen, unter wesentlicher Mitwirkung unseres Vereins begründet worden ist , steht der Altertumsverein namentlich seit 18S2 wieder in näherer Beziehung und ist auf seinen Jahresversammlungen regel- mäfsig vertreten. Es gereicht ihm zur besonderen Genug- thuung, dafs der Gesamtverein die Einladung zur Jubiläums- feier angenommen und mit Rücksicht darauf seine dies- jährige Hauptversammlung nach Dresden verlegt hat.

Wohl darf der Kgl. Sächsische Altertumsverein mit Befriedigung auf seine Vergangenheit zurückblicken. Seit seinen Anfängen lag es in seinem Wesen, mehr im Stillen zu schaffen, als in die Öifentlichkeit hinauszutreten; seine Wirksamkeit ist darum wohl manchmal unterschätzt worden. Aber eben deswegen erscheint es als eine Pflicht, darauf hinzuweisen , eine wie stattliche Reihe verdienstvoller Leistungen er aufzuweisen hat; und wenn wir mehr noch von Anregungen zu berichten hatten, die von ihm ausge- gangen sind, so ist nicht zu übersehen, dafs gerade solche vor allem zum Berufe der Geschichts- und Altertums- vereine gehören, deren Mittel ja in der Regel weder eine umfangreiche konservierende, noch eine ausgedehnte publi- zierende Thätigkeit gestatten. So hat er sich redlich bemüht, die Aufgaben zu lösen, die ihm bei seiner Be- gründung gestellt worden sind; und hochwichtig sind diese

-'') Vergl. Neues Archiv für Sächsische Geschichte XIX, 154 ff. (XX, 161 ft'., XXI, 166 ff.).

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Aufgaben: denn, um ein Wort des Prinzen Johann zu ge- brauchen, ,,wie das Gemüt des einzehien Menschen seine reichsten Schätze aus den Erinnerungen seiner Vergangen- heit, namenthch aus den Jugenderinnerungen schöpft, so beruht das Gemütsleben der Völker gröfstenteils auf dem Andenken an die Vorzeit", die Pflege des Gemütslebens aber ist für ein Volk nicht weniger wichtig als für den Einzelnen.

Möchte auch das nächste Vierteljahrhundert der Vereins- geschichte so verlaufen, dafs der Kgl. Sächsische Alter- tumsverein bei seinem hundertjährigen Jubiläum denselben ehrenvollen Platz in der Geschichte des geistigen Lebens unseres Sachsenlandes beanspruchen darf, den er bis jetzt behauptet hat.

Friedrich des Freidigen Erkrankung und Tod.

(1321 und 1323.)

Von

Karl Wenck,

Es ist wohl ein Stoff, der einen Dichter^) im Innersten packen und ihm die Feder in die Hand drücken mag, das heldenhafte Rino-en Friedrichs des Freidigen um die Er- haltung seiner Dynastie gegen drei deutsche Könige und wider den eigenen Vater, der allen Familiensinnes bar Thüringen, das Erbe seiner Söhne, verschachert hat, ver- kauft an einen ohnmächtigen Wahlkönig unfürstlicher Ab- kunft, den die Selbstsucht der Kurfürsten erhoben hatte, damit die Krone ihren Sonderinteressen dienstbar sei. Ihr Geschöpf mufste dem Wettiner ja nicht blofs als ein Räuber seines Landes erscheinen, ihm selbst gebührte die Königskrone, die das Gräflein von Nassau unwürdig trug, ihm, dem Enkel Friedrichs IL, den schon als Knaben die Sizilianer auf den Thron des kaiserlichen Grofsvaters hatten setzen wollen, den das deutsche Volk in weiten Kreisen als den wahren Nachfolger des grofsen Staufers ersehnte, den auch wohl die Wahl der deutschen Fürsten getroffen hätte, als sie nach dem Tode des Schattenkönigs

^) Mit grofser Wärme hat sich jüngst der Aufgabe, Friedrich den Freidigen zum „geistigen Eigentum des deutschen Volkes" zu machen, gewidmet: Dr. Frz. Kl äsen, Friedrich der Freidige. Geschichtliches Drama in fünf Aufzügen. München, Lentner, 1900.

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von eno-lischem Rlut einen Wiederhersteller von Recht und Frieden begehrten, wenn nicht unversöhnlich die päi)stliche Kurie „Friedrich von Staufen" von vornherein ausge- schlossen hätte. Adolf von Nassau hat mit ruhmlosem Tode gesühnt, dafs er die Hand nach der höchsten Krone der Christenheit ausgestreckt hatte, aber der Nachfolger, der ihn stürzte, weil er für die Erhaltung seiner eigenen Lande von ihm Gefahr befürchtete, Albrecht I., scheute sich nicht, in die Ansprüche, die Adolf durch seinen Kauf- schilling erworben hatte, einzutreten, er trug wieder und wieder den Krieg in die wettinischen Lande, deren Besitz seiner Ländergier so verlockend erschien. Jedoch über seinen Unternehmungen schwebte kein glücklicher Stern, sie wurden unterbrochen durch andere dringendere Sorgen, sie drohten zu scheitern durch die erfolgreiche Gegenwehr Friedrichs des Freidigen in offener Feldschlacht und vor den Mauern der Wartburg, sie litten endgiltig Schiffloruch durch den jähen Tod des Habsburgers, der eben noch mit überlegener Kriegsmacht hatte nach Thüringen kommen wollen. Und wenn nun sein Nachfolger, Heinrich VII., die Thatsache, dafs Friedrich während der halbjährigen Thron- vakanz sich schnell in den Besitz aller wettinischen Lande gesetzt hatte, keineswegs sofort als zu Recht bestehend anerkennen mochte, so war er doch entfernt nicht in der Lage, um Thüringens willen sich in einen Kampf einzulassen, er trachtete ja die alte Kaiserherrlichkeit in Italien zu erneuern und sorgte gleichzeitig durch Erwerbung umfang- reichen Länderbesitzes im Osten Deutschlands sein Haus unter die ersten des Reiches zu stellen. Im Kampf um die Länder der Wenzelskrone stiefs sein Vertreter und sein jugendlicher .Sohn auf Friedrich den Freidigen als den treuen Verbündeten des böhmischen Wahlkönigs Heinrich von Kärnthen. Dieser selbst gab am Ende den Kampf auf, Friedrich aber erntete den Lohn seiner Charakterfestigkeit. Um der luxemburgischen Dynastie einen gutgesinnten Nachl)ar zu geben, wurde dem Wettiner die Anerkennung in allen seinen Landen gewährt. Indessen

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dieser Erfolg der Prager Einung vom Dezember 13 lO war kein dauernder. Friedrich selbst setzte ihn aufs Spiel. In jahrzehntelangem, kampferfülltem Dasein war er hart geworden, die heillosen Familienfehden lagen endgiltig hinter ihm, da sein Bruder Diezmann gestorben, sein Vater, sein früheres Leben sühnend, vom Schauplatz abgetreten war, um den Rest seiner Tage unter den Erfurter Krämern zu verbringen jetzt, als der alleinige Vertreter seines Geschlechts, wollte Friedrich gründliche Arbeit verrichten und alle die Einbufsen vergangener Jahre wieder einbringen. Neue Kämpfe mit den thüringischen Städten Erfurt, Mühl- hausen und Nordhausen, gespannte Beziehungen mit den geistlichen Fürsten von Mainz, Fulda und Hersfeld waren die Folge, und da der Mainzer Erzbischof in Abwesenheit Heinrichs VII. an der Seite des jugendlichen Königssohnes Johann von Böhmen die Reichspolitik leitete, wurde 13 12 die Prager Einung von Reichs wegen widerrufen, die An- erkennung Friedrichs zurückgenommen. Ihn dann aber wirklich aus dem Besitz seiner Lande zu verdrängen, war Johann von Böhmen längst nicht stark genug, sein Reichs- vikariat endete überdies, als 13 14 mit Übergehung der luxemburgischen Dynastie zwei Gegenkönige von den deutschen Fürsten erhoben wurden, und weiter sicherte der endlose Thronkampf zwischen dem Witteisbacher und dem Habsburofer einstweilen den Bestand der wettinischen Dynastie vor neuer Gefährdung durch das Reichsoberhaupt. Es war ganz belanglos für die überaus schweren Kämpfe, welche Friedrich inzwischen gegen die übergreifende Er- oberungslust Waidemars von Brandenburg zu führen hatte und am Ende glücklich beschlofs, dafs das Reich ihn nicht anerkannte. Von Bedeutung konnte dieser Zwitterzustand erst werden, wenn einer der beiden Bewerber um das Königtum obgesiegt hatte. Friedrich hat die Ent- scheidungsschlacht bei Mühldorf vom 28. September 1322, welche den Habsburger zu Fall brachte, noch erlebt, aber ein tragisches Geschick wollte es, dafs die Nach- richt davon nicht mehr zu seinen Sinnen sprach.

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Körperliches und geistiges Siechtum hatte ihn in Fesseln geschlagen.

Man kennt die ergreifende Erzählung des Erfurter Chronisten-), auf dessen Bericht alle andern zurückgehen, von dem furchtbaren Druck, welchen die Aufführung eines geistlichen Spieles, des Mysteriums von den zehn Jung- frauen, auf den alternden Landgrafen hervorbrachte. In den vielfachen Kämpfen seines Lebens gegen äufsere und innere Feinde hatte er sich nicht immer makellos halten können. In Stunden innerer Einkehr war ihm, der wider den eio-enen Vater so manchmal hatte das Schwert ziehen müssen, der Gedanke tröstlich gewesen, dafs er Werke massiver Rechtgläubigkeit im Dienste der Kirche verrichtet hatte. Dafür mufste ihm ja die Fürbitte Marias und der Heiliofen gesichert sein! Und nun sah er mit greifbarer Wirklichkeit auf der Bühne das kalte Verhängnis über die fünf thorichten Jungfrauen hereinbrechen. Der Herr des Himmels verschlofs sein Ohr den Fürbitten seiner Mutter, alle Bitten und Klagen der verzweifelnden Jung- frauen vermochten es nicht abzuwenden, dafs sie dem höllischen Feuer überliefert wurden. Da stiefs der Land- graf die Worte hervor: ,,Was ist der christliche Glaube, wenn der Sünder nicht durch die Bitten der Gottesmutter und aller Heiligen Gnade erlangen kann?" In tiefer Er- regung ging er hinweg und in leidenschaftlicher Aufregung verbrachte er die Tage vom Montag, dem Tage der Auf- führung, bis zum Freitag derselben Woche. Am Freitag Morgen äufserte er seiner Gattin die Absicht, die Messe zu besuchen, vorher aber noch ein wenig ruhen zu wollen. Um die Mittagszeit kam sie zu ihm, ihn zu wecken, die Stunde der Messe war schon vorüber, das Volk erwarte ihn. Da konnte der Landgraf nicht sprechen. Von einem Schlagflufs getroffen lag er ein Gelähmter in seinem Bett,

■•:) Chron. S. Petri Erford., in Mon. Germ. SS. XXX a, 448 oder Monumenta Erphesfurtensia saec. XII XIV ed. Holder -Egger (1899) S. 351.

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und in diesem Zustande verblieb der Unglückliche die Jahre, die noch bis zu seinem Tode verflossen.

Es ist überaus selten, dafs uns von mittelalterlichen Quellen über den Eindruck einer Schauspielaufführung auf Zuschauer berichtet wird. Die zerstörende Wirkung, welche sie auf das Gemüt eines edlen und geliebten Fürsten übte, erklärt die Ausnahme, aber so hoch man auch die besonderen Voraussetzungen für die verhängnis- volle Wirkung jener Dominikaneraufführung einschätzen mag, so wird doch immer erlaubt sein, aus unserer Er- zählung Schlüsse zu ziehen für die völlig naive Aufnahme szenischer Vorführungen durch mittelalterliche Menschen, für ihren Glauben an die thatsächliche Wahrheit der dar- gestellten Handlung, und um so wertvoller mufs der Bericht erscheinen, als uns das Spiel, welches Friedrich aufführen sah, in derselben oder verwandter Gestalt er- halten ist^).

Nun aber ist durch die neuere Forschung der Wert unserer Erzählung stark beeinträchtigt, die Vorstellung von dem Eindruck jener Aufführung ganz abgeschwächt worden. Wegele*) hat angenommen, dafs Friedrich der Freidige bereits ein kranker gebrochener Mann gewesen sei, als ihm das Spiel der zehn Jungfrauen vorgeführt wurde. Nur gesteigert worden sei dadurch sein krank- hafter Zustand, zu dem körperlichen Siechtum habe sich das psychische Leiden gesellt.

Wegele hat sich kaum klar gemacht, dafs er einen überaus anschaulichen Bericht, der mit einer Fülle glaub- würdiger Einzelheiten zu uns spricht, in wesentlichen Punkten der Unwahrheit zeiht und höchst unwahrscheinliche

^) Das grosse thüring. Mysterium, herausg. v. L. Bechstein (Halle 1855). Wegen Litteraturangaben vergl. K. Goedecke, Grundrifs zur Geschichte der deutschen Dichtung I^ 321 und W. Creizenach, Geschichte des neueren Dramas I, 125.

*) Friedrich der Freidige Markgraf von Meifsen, Landgraf von Thüringen und die Wettiner seiner Zeit. Nördlingen 1870. S. 338 ff.

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Voraussetzungen einführt. Ist es denn denkbar, dafs man einen körperlich siechen Mann, der in der Regierung seines Landes durch seine Frau vertreten wurde, vor allem Volk zum Zuschauer jenes Spieles machte, und was ist von dem Sclilagflufs zu halten, der infolge tagelanger Gemüts- erregung Friedrich befallen und ihn gelähmt hat, wenn wir annehmen sollen, dafs Friedrich schon vorher körper- lich in so hohem Mafse gebrochen war? Eine ,, förmliche Apoplexie" soll nach Wegele damit doch vereinbar sein. Aber Wesfele scheint seine wunderliche These urkund- lieh bekräftigen zu können. Er beruft sich darauf, dafs schon am 31. August 1320 Friedrich als regierungsunfähig erscheine. Damals habe seine Gemahlin Elisabeth als Regfentin zugleich mit Friedrich ihrem Sohne auf der Wart- bürg eine Urkunde für das Augustinerkloster zu Gotha ausgestellt. Als seine Quelle bezeichnet er das ,,Kopialbuch des genannten Klosters im herzoglichen Archiv zu Gotha". Wegele hätte mifstrauisch sein sollen gegen seine Notiz, da er gleich hinzufügen mufste, er kenne einige nach diesem Zeitpunkt von* dem alten Landgrafen selbst aus- gestellte Urkunden, nachher aber im Oktober 132 1 trete die alte Landgräfin zugleich mit dem Sohne in sehr wichtigen Verhandluno;en mit dem Erzbischof und dem Kapitel von Magdeburg als Regentin auf. Wegele bringt diesen seltsamen Thatbestand auf die Formel ,, schon im Jahre 1320 begann das Siechthum Friedrichs, das ilm regierungsunfähig machte und bald ausschliefslich die Oberhand gewann" und weiterhin ,, bereits im Jahre 132 1, längere Zeit vor der Aufführung, war der Landgraf nicht mehr regierungsfähig". Wegele nimmt also offenbar ein anfangs schwankendes Befinden Friedrichs an, das die Landgräfin bisweilen zur Vertretung nötigte, dann von 1321 ab dauernde Regierungsunfähigkeit. Man würde ihm vielleicht eher Glauben schenken mögen, wenn als das früher eingetretene Leiden die geistige Erkrankung anzusehen wäre, sie hätte zeitw-eilig wieder völlig von ihm gewichen sein können. Aber Wegele denkt sich die

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umgekehrte Folge, weil das Spiel ja in erster Linie seinen seelischen Zustand beeinflufst hat. Sonach hätten wir anzunehmen , Friedrich war vorübergehend schon im August 1320, dann wieder im Oktober 1321 und weiterhin unausgesetzt, körperlich so schwach, dafs er auf die Mit- wirkung an den Regierungsgeschäften ganz verzichten mufste. Das hinderte ihn aber nicht, im Frühjahr 1322 vor allem Volke jener Aufführung beizuwohnen. Diese hatte ,,die förmliche Apoplexie und das psychische Leiden" zur Folge.

Doch es war vielleicht uimütz, so viel Worte aufzu- wenden, um die innere Unwahrscheinlichkeit einer ver- unglückten Aufstellung, die doch allgemeine Annahme gefunden hat, anschaulich zu machen. Das Fundament, auf dem Wegele sie aufbaute, ist ganz unbrauchbar dazu, jene Urkunde für das Augustinerkloster zu Gotha ist, wie wir noch zeigen werden, durch ein schweres Versehen Wegeies zu der falschen Jahreszahl 1320 ge- kommen, dagegen sprechen die urkundlichen Akte über die politischen Verhandlungen mit dem Erzstift Magdeburg vom Oktober 1321'^) schlagend dafür, dafs damals aller- dings die Regentschaft eingetreten war.

So wäre die Erzählung des Erfurter Chronisten, wo- nach erst die Folgen der Aufführung des 30. April 1322 Friedrich krank und regierungsunfähig machten, doch nicht haltbar?

Im Gegenteil, sie ist in ihr volles Recht wieder ein- zusetzen, nur mufs die Datierung des Chronisten vor den urkundlichen Daten die Segel streichen. Wir müssen die Eisenacher Aufführung vom 30. April (Montag nach Miseri- cordias) 1322 auf den 4. Mai 132 1 verlegen, und wir sind dazu um so mehr berechtigt, weil der Verfasser des achten

^) Riedel, Cod. dipl. Brandenb. II, i, 471, dazu wegen der Datierung W. Lipi^ert, Wettiner und Witteisbacher sowie die Niederlausitz im 14. Jahrhundert S. 11 Anm. 27 und S. 220 die Gegenurkunde des Magdeburger Erzbischofs.

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die Jahre 1314 1335 umfassenden Teiles der Erfurter Peterschronik durch die zwanzig Jahre seines Annalen- werkes sich stets gleich bleibt in der souveränen Mifs- achtung der Chronologie oder, wenn dies zu stark aus- gedrückt sein sollte, in der überaus häufigen Einsetzung eines falschen Jahres. Es ist zunächst wohl unmöglich, über die Entstehung dieser Annalenreihe, welcher alj- wechselnd Aufzeichnungen aus Reinhardsbrunn, Eisenach und Erfurt zu Grunde zu liegen scheinen, völlig ins klare zu kommen. Auch dem hochverdienten Herausgeber Holder- Egger ist dies nicht gelungen. Uns interessiert zunächst, dafs auch er, als der Erste, geneigt ist, die Eisenacher Auf- führung in den Mai 1321 zu setzen. Die meisten Bedenken Wegeies gegen unsere Erzählung, bemerkt er, würden dadurch gehoben. Die grofse Fehlerhaftigkeit der chro- nologischen Angaben, auf die gerade er, natürlich ohne das Material erschöpfen zu wollen, aufmerksam gemacht hat, erleichtert ihm die veränderte Ansetzune. Ich habe bei systematischer Vergleichung des Nachrichtenmaterials mit unserm Urkundenvorrat auf 19 Oktavseiten, die weniger Text enthalten, als man annehmen sollte, in runder Summe fünfundzwanzig Mal eine falsche Jahreszahl gefunden und lege schon wegen so grofser Ungenauigkeit in den Zahlen der Angabe des Chronisten, dafs Friedrich 3^/2 Jahr krank gewesen sei**), keinen Werth bei, während Holder -Egger sie zur Stütze seiner Ansetzung der Eisenacher Aufführung in das Jahr 132 1 benutzen möchte, da Friedrich 1324 gestorben zu sein scheine. Das letztere hat man allerdings bis vor kurzem geglaubt, wir werden jedoch sehen, dafs Friedrich vielmehr im November 1323 gestorben ist. Der Chronist verzeichnet Friedrichs Tod zum Jahre 1325. Er hat darin geirrt, wie in der Jahresangabe der Aufführung.

*) Es ist doch auch nicht ohne Interesse, dafs die Dresdner Handschrift S. 316, welche die Erzählung der Peterschronik in einem kurzen Auszug bringt, vielmehr schreil)t: ,et eodem morbo tercio tliniidio anno laborans expiravit'. Mon. Erphesfurt. S. 351,

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Mit den falschen Angaben 1322 und 1325 stimmt die Frist von 3^2 Jahren, keineswegs aber ist diese Fristangabe von vornherein als ursprünglicher gegenüber den Jahreszahlen anzusehen , das Gegenteil , dafs sie auf Berechnung des Chronisten, abgeleitet von seinen Jahresnotizen zu 1322 und 1325 beruhe, ist bei diesem Autor, der nicht nur einen vereinzelten Fehler machte, ebenso wahrscheinlich, und es ist um so mehr erlaubt, einen Irrtum auch bezüglich der Frist anzunehmen, als der Chronist in derselben Erzählung bei der Berechnung der Tage zwischen Aufführung und Schlaganfall ausgeglitten ist. Nachdem der Landgraf ,,fünf Tage lang" in grofser Erregung zugebracht habe, sei ,,am 5. Tage" nach dem Spiel, ,,an einem Sonnabend (!)" die Lähmung erfolgt. Man würde neben dem ,, Sonnabend" den 6. Tag (vom Montag abgerechnet) zu erwarten haben. Nun aber verbürgt uns eine spätere Stiftung') von Friedrichs Witwe zu Ehren ihres Gatten für die Dominikaner zu Eisenach sie sollten am Freitag nach der Brüder Kirch- weih zwei Fischgerichte und eine gewisses Mafs Wein erhalten , dafs Friedrich vielmehr am Freitag nach Misericordias jenen Schlaganfall gehabt hat. Darauf weist am Ende auch die Erzählung des Chronisten hin, dafs Friedrich am Morgen jenes Tages Fische als Fastenspeise zu bereiten befahl. Der Tag war ein Fasttag, und, da er nicht in die Quatember fällt, ein Freitag. Also chronologische Ungenauigkeiten bei dem Chronisten an allen Enden!

Dem gegenüber kann der Hinweis auf die Urkunden vom 22. Oktober 1321 über die Verhandlungen mit dem Erzstift Magdeburg genügen. Sie verbürgen uns still- schweigend, dafs damals von einer Mitwirkung des alten Landgrafen ganz abgesehen wurde, sie bezeugen ausdrück- lich, dafs zur Zeit die Regierungsgeschäfte in den Händen

''j Urkunde von 1344, mitgeteilt durch Tentzel bei Mencke II, 844 Anm. u, vergl. ebenda 994 und J. M. Heusinger, Opuscula minora (1773) S. 183.

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der Mutter Friedrichs des Ernsthaften lagen („die wiele vvi unses sones und der lande gewaldig sin").

Im Gegensatz dazu aljer finden wir ein halljes Jahr früher am 22. April 1321 den alten Landgrafen noch in Ausübung seiner Gewalt. Er machte an diesem Tage mit Zustimmung seiner Frau und Tochter dem Kloster Jühannisthal bei Eisenach eine Schenkung^).

Sonach würde zwischen 22. April 1321 und 21. Oktober 1321 die Erkrankmig Friedrichs und die Bestellung der Regentschaft erfolgt sein. Damit aber läfst sich trefflich die Angabe des Chronisten vereinigen, dafs Friedrich in der Woche nach Misericordias dom. unheilbar erkrankte, wenn wir nur eben das Jahr 1321 statt 1322 einstellen. Dann erfolgte die Aufführung nur zwölf Tage nach Aus- stellung jener Urkunde für das Kloster Johannisthai. Und nun sei auch endlich jene angeblich am 31. August 1320 auf der Wartburg ausgestellte Urkunde der Landgräfin und ihres Sohnes für das Gothaer Augustinerkloster von dem falschen Scheine befreit, den sie durch eine flüchtige Quellenbenutzung Wegeies erhalten hat. Ausschliefslich aus derselben handschriftlichen Quelle wie Wegele schöpfte etwa zehn Jahr früher J. H. Möller für seine Abhandlung ,, Klöster in Gotha", Zeitschrift für thüring. Gesch. IV, 266. Er giebt im Text das richtige Datum der Urkunde: ,, Wartburg 1323 joridie kal. Sept"., unter dem Strich die Verweisung auf: ,,Cpb. fol. 29b (1320)". Ein früherer Benutzer ward die Jahreszahl 1320 auf demselben Blatte am Rande vermerkt haben, durch sie liefs sich Wegele, der die Urkunde selbst nicht las, irreführen. Er hätte sie in verschiedenen Drucken benutzen können").

Wegele hat offenbar unter dem Eindrucke gestanden, das Siechtum Friedrichs des Freidio-en müsse selir früh

*) (Brückner) Sammluni:; verschiedener Nachrichten des Kirchen- und Schulstaates Gotha II, 5, 24.

") Am besten in Tentzels Vita Friderici Admorsi bei Mencke, SS. II, 983. Vergl.Tentzel 2. Suppl liist. Goth. S. 87 undTentzel, Curieuse Bibliothek 1704 S. 1158.

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begonnen halben, weil sonst nicht zu begreifen sei, dafs er nicht die Wirren, welche in der Mark Brandenburg nach dem Tode Waidemars (-f 14. August 13 19) aus- brachen, benutzt habe, um wie andere möglichst grofsen Gewinn aus der unglücklichen Lage des eben noch von einem so eroberungslustigen Fürsten beherrschten Territoriums zu ziehen. Aber Friedrich hat keineswegs so unthätig zugesehen , wie Wegele meinte. Ohne Wegeies These, dafs Friedrich 1320 regierungsunfähig geworden sei, anzutasten, hat man allerlei Rücker- werbungen von Brandenburg, die 131 7 im Frieden von Tangermünde noch nicht gelungen waren, z. B. die Dresdens, mit gutem Grund in der Zeit nach Waidemars Tod durch Friedrich den Freidigen vollzogen gedacht und selbst einen Versuch Friedrichs auf die Niederlausitz wahrscheinlich zu machen gesucht^*^). Unser Quellen- material ist nicht ausreichend, um völlige Klarheit hierüber zu schaffen. Entscheidend für unsere Frage ist, dafs Friedrich noch 1320 und 132 1 (natürlich zu Anfang des Jahres ^^) erfolgreiche Feldzüge gegen Raubritter im Oster- und Pleifsnerland und in Thüringen unter- nommen hat. Da gegen die bezüglichen Nachrichten des Erfurter Chronisten keinerlei Bedenken vorliegen, so wird Friedrichs volle Handlungsfähigkeit IdIs zur Eisenacher Aufführung vom 4. Mai 1321 auch hierdurch erwiesen.

'*') G. Salchow, Der Übergang der Mark Brandenburg an das Haus Witteisbach (Halle 1893) S. 40.

i'j Es folgt in der Chron. S. Petri Erford. s. a. 1321 auf die Erzählung von der Eroberung von Eckardsberge und Rastenberg die Notiz von einer Sonnenfinsternis „hora prima in die sanctorum Johannis et Pauli". Mein lieber Freund und Kollege Brandi hatte die Güte festzustellen, dafs sich auf Grund von v.Oppolzer, Canon der Finsternisse (Denkschr. der k. Akad. der Wissensch. mathem.- naturwissenschaftl. Cl. 52, Wien 1887, S. 242 43) berechnen lasse, dafs die Zentralität dieser Sonnenfinsternis in Erfurt etwa '/^ nach 6 Uhr Morgens 26. Juni 1321 zu beobachten war. Sonach ist alles in Ordnung.

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Zwei und ein halljcs Jahr sind von da bis zum Tode Friedrichs vergangen. Friedrich ist im November 1323 gestorben, so ergiebt sicli unwiderleglich, wenn wir die Urkunden dieser Jahre und der nächstfolgenden Zeit be- fragen. Friedrich der Ernsthafte erscheint bei Lebzeiten seines Vaters in den Urkunden meist neben seiner Mutter, bisweilen auch allein, regelmäfsig mit der Bezeichnung „junior" oder ,,heres" oder dem entsprechenden deutschen Worte, so zuletzt in Urkunden vom 6. Oktober'-) und 10. November 1323''^). Dagegen fehlt dieser Zusatz in der nächsten mir bekannten Urkunde vom 21. Dezember 1323'^) und in allen andern Urkunden der nächstfolgenden Zeit, z. B. den Urkunden des Landgrafen vom 2., 6., 9., ii. und 15. Januar 1324'''').

Zwischen 10. November und 21. Dezember 1323 würde danach Friedrich der Freidige gestorben sein. Unsere Darlegung wird nicht dadurch erschüttert, dafs einige wenige Landgrafenurkunden dieser Jahre, die wir in die Lebenszeit Friedrichs des Freidigen zu versetzen haben, doch ausnahmsweise des Zusatzes ,,des Jüngern" entbehren"'). Hier liegen, wenn sich die Drucke bewähren, Unregel-

'-) Rudolphi, Gotha diploraat. V, 206,

'^) Regest nach Original im Weimarer Archiv bei Müller, Urkunden und Urkundenauszüge zur Geschichte Plauens Nr. 223, in Mitteilungen des Altertumsvereins in Plauen, 2. Jahresschr. 1882, S. LXII, Druck bei Pauliini, Annales Jsenac. 75 und Falken- stein, Thüring. Chronik II, 1170.

") Ungedruckte Urkunde dieselbe Sache betreffend wie die eben angeführte vom 6. Oktober, datiert „Wartburg in die beati Thome", v. Ploetz'sche Sammlung von Urkunden die Wart- burg betreffend, Hs. der Jenaer Bibliothek Bl. 40b.

'•'*) Sämtlich angeführt von B. Schmidt, Urkundenbuch der Vögte von Weida, Gera und Plauen I, 262 ff.

*") Ich kenne eine solche für Kloster Grünhain vom 18. Mai 1 322 (aus einem Kopialbuch geschöpft) bei SchiUtgen und Kreysig, Diplomatar. II, 539 und zwei Urkunden für die Burggrafen von Altenburg vom 5. Oktober 1323 bei Braun, Geschichte der Burggrafen von Altenburg (i868j S. 93 und 94.

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mäfsigkeiten der Kanzlei vor, für die sich vielleicht später die Erklärung findet. Dafs Friedrich im Monat November gestorben ist, wird auch durch andere Quellen belegt. Es bezeugt es Peter v. Königsaal, der für Friedrich ein so lebhaftes Interesse bekundet, und zwar mit der richtigen Jahreszahl 1323, welche auch die Altzeller Annalen bestätigen. Mit verzeihlichem Fehler giebt Peter den 26. statt des 16. November an. Dies letztere Datum bietet der annähernd gleichzeitige Grabstein, und seine Autorität wird bekräftigt durch die Jahrzeitstiftung von Friedrichs Witwe zum An- denken ihres Gatten „zue haut nach S. Mertens tage"^"). Seltsamerweise trägt der Grabstein die falsche Jahres- zahl 1324. Gegen sie hat sich zuerst für den Novem- ber 1323 und zwar den 16, Posse entschieden. Er berief sich auf Urkunden der Landgräfin und des jungen Friedrich vom 28. August und 10. September 1323 und andrerseits auf eine noch ungedruckte Urkunde des Münchener Haus- archivs vom 22. Januar 1324, enthaltend die Huldigung der Stadt Creuzburg für Ländgraf Friedrich und Mechtild seine (spätere) Gattin, in der Friedrich der Ernsthafte als der regierende Herr und der alleinige lebende Landgraf des Namens Friedrich erscheine. Beiläufig hat er auch darauf hinpfewiesen , dafs die Urkunde Albrechts von Hackeborn vom 10. Februar 1324, welche seltsam genug Wegele dafür ausspielte, dafs Friedrich der Freidige damals noch am Leben gewesen sei, mit den Worten ,,das wir . . die zcwei vor- wercg . . die unser gnediger herre marcgreve Friderich von Mysen der alte, dem got gnedich sei, lech zcu rechtem lene, uflazen sinem sune unserm iunge herren" vielmehr das Gegenteil bezeugt, da diese Wendung von Verstorbenen gebraucht wird.

Unsere letzten Ausführungen können nach Posses Vorgang nur das Ijescheidene Verdienst in Anspruch

") Vergl. die oben schon angeführte Urkunde von 1 344 bei Mencke SS. II, 844. Die anderen Quellen führt an: O. Posse, Die Wettiner, Genealogie des Gesamthauses Wettin S. 57.

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nehmen, das Beweismaterial für den Tod Friedrichs im Noveml)er 1323 zu häufen und diese Annahme über allen Zweifel zu erheben. Dafs der Bildhauer eines Grabsteins eine falsche Jahreszahl gab, erklärt Posse für eine auch später keineswegs ganz ungewöhnliche Thatsache, selbst wenn der Grabstein bald nach der Beisetzung gefertigt wurde.

Bedeutungsvolle Ereignisse haben sich zwischen der Erkrankung und dem Tode Friedrichs des Freidigen voll- zogen. Die Leiter der thüringischen Politik, die Land- gräfin und die beiden Vormünder des jungen Friedrich, Graf Heinrich von Schwarzburg und Heinrich H. Reufs von Plauen, haben nach einigen Schwankungen, welche sich aus der damals noch unentschiedenen Gestaltung der Dinge im Reich wie in Brandenburg ergaben, bald darauf, kurz nach der Mühldorfer Schlacht, ein Bündnis mit dem siegreichen Witteisbacher eingegangen, das für die Krone in Anbetracht ihrer brandenburgischen Pläne nicht wenig förderhch, für das Haus Wettin gerade ein Menschenalter nach den ersten Verkaufsverhandlungen Albrechts des Ent- arteten endlich seitens des Reiches die Wiederanerkennung der Dynastie in allen ihren Erblanden und dazu neue Er- werbungen mit sich brachte. Jetzt konnte in Anlehnung an das Reichsoberhaupt, den königlichen Schwiegervater, Friedrich der Ernsthafte, sobald er zu seinen Tagen ge- kommen war, das Werk der inneren Konsolidation beginnen.

Die Erwerbung Riesenburgs durch Markgraf Wilhelm I. von Meifsen.

Von

Hans Beschorner.

Der Wanderer, der hinter dem westlich Tephtz am Fufse des Erzgebirges gelegenen, berühmten Cisterzienser- kloster Ossegg die nach Fleyh führende Strafse verläfst und zwischen den bewaldeten Hängen des Uhrenbach- thales am Südfufse des Strobnitzberges dem schattieren Waldsträfschen folgt, erreicht nach Verlauf einer halben Stunde das Dörfchen Riesenberg. Darüber sieht er auf steilem Felsenhange die verfallenen Reste der alten Riesenburg thronen, von deren einstiger Stärke noch heute die gewaltigen Trümmer ein beredtes Zeugnis ablegen.

Diese in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ge- gründete Burg, ein Lehen der böhmischen Krone, war zwei Menschenalter lang, von 1398 1459, in den Händen der Wettiner. Die Erwerbunof war ein Werk Markorraf Wilhelms I. von Meifsen, jenes thatkräftigen Herrschers, der mit unermüdlichem Eifer durch planmäfsige Erwerbimg aller in sein Territorium eingesprengten böhmischen Lehn- stücke, namentlich Eilenburgs, Colditzens, Dohnas, König- steins und Pirnas, sein Gebiet abrundete und ihm im Süden die von der Natur durch das Erzgebirge vorge- schriebene Grenze gab. Sein dynastischer Ehrgeiz drängte aber auch über diese hinaus. Über das Erzgebirge strebte er hinüber zu greifen und sich bei der ersten

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passenden Gelegenheit in Böhmen festzusetzen. Die Schwäche Wenzels ermutigte ihn zu dem kühnen Unter- nehmen \).

Für die Verwirklichung seines Planes lagen die Ver- hältnisse in den neunziger Jahren seiner Regierung sehr günstig. Die Herren von Riesenburg, einst unstreitig das mächtigste Adelsgeschlecht Böhmens, hatten seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an Macht und Ansehen

1) Die nachstehende Arbeit beruht:

a) auf den Orig.- Urkunden und Kopialcn (bes. 30 und 1316) des Dresdner Hauptstaatsarchivs Die Urkunden, von denen einige bereits in Schäfers Sachsen -Chronik I, 24 f. und im Brüxer Stadtbuche gedruckt sind, werden in Band I H, 2 des Codex diplomaticus Saxoniae regiae teils wortgetreu, teils im Aus- zuge veröffentlicht werden;

b) auf dem als Beilage abgedruckten „Verzeichnisse des Zu- behörs zu Schlots Riesenburg";

c) auf den im Dresdner Hauptstaatsarchiv, Loc. 4333, Rechnung und Verzeichnung der zins und gulten 1396 1414, befindlichen Rechnungen der Vögte von Riesenburg für 1398/9 (fol. 62), 1399 (fol.71), 1399, 1400 (fol. 100 b), 1403 (fol. 120), 1403 4 (fol. 131 ])), 1404/s (fol. 141b), 1405 (fol. 141c), 1405/6 (fol. 154), 1407 1410 (fol. 179) und der Vögte von Dux für 1400/1 (fol. 99b), 1401 (fol. 100 und 103b), 1401/2 (fol. 108), 1402 (fol. 128 b), 1403 4 (fol. 133 b), 1403— 1405 (fol. 148), 1402 1405 (fol. 149b), 1405 (fol. 150).

Ferner wurden benutzt: C. Wenck, Die Wettiner im 14. Jahrhundert. Leipzig 1877. F. R. Grunert, Historisch- topogr. Führer für Üssegg und Umgebung. Dux 1886. V. Süfsmilch gen. Hörnig, Das Erzgebirge. Annaberg 1889 (namentlich S. 27if.). F. Palacky, Die Burgen Riesenburg und Riesenberg, in der Monatsschr. d. Ges. des vaterl. Museums in Böhmen III (1829), 172 176 (vergl. auch seine Gesch. von Böhmen II 2, 15). C.W.Hering, Gesch. des sächs. Hoch- landes. Leipzig 1828. I, 109 Anm. J.Teige, Die Anfänge des Hauses der Riesenburge, in den Mitteilungen des Vereins f. Gesch. der Deutschen in Böhmen XXII 11884), 166 173. Von B. Scheinpflugs zahlreichen Arbeiten über Ossegg: „Die Urkunden im Klostcrarchive zu Ossegg", in denselben Mitteilungen VII (1869), 185—201, VIII (1870), 34 43; „Studien zur Gesch. von Ossegg", ebenda XVIII (1880), 241 252, XIX

erheblich eingebüfst. Ursprünglich im Besitze fast des ganzen Böhmerlandes am Südabhange des Erzgebirges ■), hatten sie sich genötigt gesehen, allmählich eine Stadt, eine Ortschaft nach der anderen zu veräufsern. Im 15. Jahrhmadert war ihr Grmideigen bereits derartig zu- sammengeschmolzen, dafs ,,ihre Armut im Gegensatze zu ihrer einstigen Gröfse" geradezu sprichwörtlich geworden war. Ende des 14. Jahrhunderts stellte ihre Herrschaft immer noch einen ansehnlichen Besitz dar. Seit 1395 oder 1396 war sie in den Händen Borsos VI. des Älteren'^). Wie sein Bruder Borso VII. der Jüngere in steter Geld- verlegenheit und von Gläubigern, namentlich Juden, hart

(1881), 56 68, 148 160; „Der Bergbau auf dem Dominium Ossegg und in seiner nächsten Umgebung", ebenda XV (1877), 302 327. H. Hall wich, Töplitz. Leipzig 1886. Ders., Zur Gesch. des Teplitzer Thaies, in den Mitteilungen X (1872), 97 109. Ders,, Gesch. der Bergstadt Graupen. Prag 1868. F. X. Reidl, Beitrag zur Gesch. von Dux. Dux 1886. L. Schlesinger, Stadtbuch von Brüx. Prag 1876. Cori- Siegel, Gesch. der Königl. Stadt Brüx. Brüx 1889. -) Teige S. 172 f.

3) Auf der Stammtafel bei Hall wich, Töplitz S.45: Borso V. In Orig.-Urk. 4991 vom 7. Februar 1397 und 4996 vom 3. März 1397 heifst Borso VI. der Ältere allein ,,herre czu Risemburg", während sein Bruder, der für ihn bürgt, nur „Borsse von (nicht herre czu) Risemburg, hern Slawken son der jünger", genannt wird. Somit mufs angenommen werden, dafs letzterer alle seine An- sprüche auf Riesenburg an seinen älteren Bruder abgetreten hatte. Dies mufs zwischen dem 17. Januar 1394, an dem beide Brüder zum letzten Male als „Herrn zu Riesenburg" auftreten (Orig.- Urk. 4847), und obigem 7. Februar 1397 geschehen sein. Die Gebrüder Borso, Sühne Slaukos V., hatten gemeinsam Riesenburg von ihrem Onkel Borso IV, geerbt, der, nachdem ihm sein Bruder Slauko seinen Anteil an Schlofs und Herrschaft stück- weise abgetreten hatte (vergl. Orig.-Urk. 4241 und 4242 vom 13. Juli 1378 und 4490 vom 12, März 1385), alleiniger Inhaber Riesenburgs war und bei seinem etwa 1392 erfolgten Tode (Orig,-Urk. 4776 vom 28. Oktober 1391 tritt er zum letzten Male auf) keine Erben hinterliefs. Sein Sohn Borso V., der in Orig.- Urk. 4467 vom 5. November 1384 erwähnt wird, mufs vorher gestorben sein.

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bedrängt^), schenkte er dem Markgrafen Wilhelm geneigtes Gehör, als er von diesem wegen Abtretung der Herrschaft Riesenburg angegangen wurde. Er liefs sich bereit linden, Schlofs Riesenburg, Stadt Dux und Kloster Ossegg, das einst von einem Riesenburger gegründet und mit Zinsen und Gütern der Riesenburger Pflege ausgestattet worden war, mit allem Zubehör für 40000 Mark preiszu- geben. Wilhelm war damit einverstanden. Allein die Ab- machung war „wedder des koninges von Behmen willen"*), Wenzel hielt es für bedenklich, den zielbewufsten Meifsner Nachbar nach Böhmen herein und hier ein Schlofs er- werben zu lassen, das weit mehr bedeutete, als blofs eine starke Grenzfeste. Er kannte des Markgrafen Schlauheit und Energie zu genau, um sich nicht sagen zu müssen, dafs dieser, einmal im Lande, weiter um sich greifen und die verwirrten böhmischen Verhältnisse zu steter Er- weiterung seiner Macht benutzen würde. Zudem erschien die Gefahr eines Wettiner Einflusses auf Böhmen doppelt grofs, weil bereits die osterländischen Markgrafen Friedrich, Wilhelm und (icorg die Städte Brüx und Laun seit 1397 pfandweise besafsen"). Aus diesen Gründen versagte Wenzel dem Markgrafen die Belehnung, oljwohl er mit ihm seit 1396 im besten Einvernehmen lebte. Doch Wilhelm war nicht der Mann danach, sich durch ein erstes Fehlschlagen von einem Unternehmen abbringen zu lassen. Er wufste seinen Einflufs bei dem schwachen, wankelmütigen Könige geltend zu machen und dessen Einwilligung durch das Zugeständnis zu erlangen, dafs nicht nur den Herren von Riesenburg, sondern auch dem Böhmenkönige für seine Person jederzeit das Rückkaufs- recht unter den hierfür üblichen Bedingungen zustehen sollte. Am 4. Februar 1398 wurde der Kauf abge-

•') Orig.-Urk, 4846 vom 27, Dezember 1393 und 4847 vom 14. Januar 1394, gedruckt im Brüxer Stadtbuche S, 56 f.

^') Magdeburger Schr)ppenchronik, herausg. von Janicke, S. 305.

«) Orig.-Urk. 5022 vom 11. Oktober 1397, gedruckt im Brüxer Stadtbuche S. 60 f.

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schlössen'). Riesenburg und Dux gingen mit allen zu- gehörigen Gerichten, Rechten, Dörfern, Mannschaften, geistlichen und weltlichen Lehen, Zöllen, Geleiten, Zinsen, Diensten, Wäldern, Wiesen, Äckern, Jagden, Flufsläufen, Teichen, Fischereien, Mühlen und Bergwerken an Mark- graf Wilhelm über, ebenso die Rechte, die Borso und seine Vorfahren an dem Kloster Ossegg gehabt hatten. Ausdrücklich wurde ihm noch die Befugnis zugestanden, eine Bete (bere) ausschreiben zu dürfen, so oft dies der Könis: in seinem Lande thäte. Die Höhe derselben belief sich nach Borsos Angabe auf 250 Schock^).

Der ausbedungene Preis von 40000 Mark lötigen Silbers Freiberger Gewichts wurde, wie der Kaufbrief sagt, sofort „an gereitem gelde gancz unde gar beczalt". Dafs dieser Ausdruck aber durchaus nicht wörtlich zu nehmen ist, liegt auf der Hand. Wilhelm zeichnete sich zwar vor anderen Fürsten seiner Zeit durch einen stets gefüllten Geldbeutel aus. Aber über 40 000 Mark verfügte auch er nicht ohne weiteres. Einige Tausend, vielleicht auch 10 000 oder 20000 Mark, mag er als Anzahlung sofort in klinorender ]\Iünze entrichtet haben. Für Auf- bringung der weiteren Summe mufste er auf besondere Mittel und Wege sinnen. Zunächst verpfändete er die Städte Leisnig und Geithain für 10 000 Schock böhmische Groschen (5000 Mark) an Borso v. Riesenburg^). Liegt auch die Verpfändungsurkunde selbst nicht vor, so ist an der Thatsache doch kaum zu zweifeln; denn bis zu dem Verkaufe Riesenburgs nannte sich Borso nur ,,Herr zu Riesenburg "^"), vom 16. März 1398 an aber in allen Urkunden bis zu der gleich zu erwähnenden vom 29. Oktober 1398 ständig Borso v. Risenburg, Herr zu Leisnig. Die Verpfändung Leisnigs befremdet bei Wilhelms

■^ Kop. 30 fol. 119b und Kop. 1316 fol. 78. ^) Beilage II, 5. 9) S. u. Orig.-Urk. 5069.

^ö) Orig.-Urk. 4991 vom 7. Februar 1397, 4996 vom 3. März 1397 und die Riesenburger Verkaufsurkunde selbst.

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stetigem Streben naeh Säuljerung der Mark von l)ühnii.selien Vasallen. Aber offenbar kam es dem Markgrafen zunächst darauf an, um jeden Preis die Herrschaft Riesenburg zu erwerben, deren Besitz ihm für seine zukünftige Politik uncntlsehrlich schien. Gab er dafür Lcisnig und Geithain preis, so geschah es nur in der bestimmten Hoffnung baldio-stcn Rückkaufs. Thatsächhch löste er auch beide Städte schon Ende Oktober oder Anfang November des- selben Jahres wieder ein; denn am 29. Oktober 1398 quittierte ,, Börse von Resinburg, herre czu Lysnik", über 400 Schock Freiberger Groschen, die ihm die Markgräfin Elisabeth ,,ubir allis geld in dem koufe an Lysnik czugetedinget und globct hatte"''), am 12. No- vember 1398 als ,, Börse von Risenburg, des Lissenig gewest ist", über 5000 Schock böhmische Groschen auf die 10 000 Schock, wofür er dem Markgrafen seiner Zeit Leisnig und Geithain verpfändet hatte'-), und am 20. No- vember 1399 als ,,Borfse von Risenburg, herre czu Beczschow", ebenfalls über eine wenn auch geringere Abschlagszahlung'^).

Um weitere Mittel zur Bezahlung Riesenburgs auf- zubringen, bestimmte Markgraf Wilhelm seine Gemahlin Elisabeth, die aus ihrem Wittume über reiche Einkünfte verfügte und öfters ihren Gatten mit barem Gelde unter- stützte, 8000 Schock böhmische Groschen (4000 Mark) zu dem Kaufe von Riesenburg beizusteuern. Sie erhielt dafür laut Urkunde vom 19. November 1399 Riesenburg, Dux und Ossegg mit allem Zubehör als Leibgedinge ver- schrieben und die Vollmacht ausgestellt, sich für die 8000 Schock nach Gutdünken an dem Schlosse schadlos halten zu dürfen'*). Aufserdem gab die Markgräfin noch kleinere Beträge zur Befriedigung der Ansprüche Borsos. Am 20. März 1398 liefs sie ihm 200 Mark lötigen Silbers durch ihren Kammermeister Niclaus'**) und am 23. März

") Orig.-Urk. 5066. '-) Orig.-Urk. 5069, auch Kop. 30 fol.iisb. '■') Orig.-Urk. 5103. '^) Kop. 30 fol. 130b. "■') Orig.-Urk. 5041.

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desselben Jahres 126 Schock 40 Groschen böhmischer Währung (63^/3 Mark) reichen ^*^).

Auch eine Reihe Schulden Borsos übernahm Markgraf Wilhelm zur Begleichung. So stattete er unter dem 18. März 1398 88 Schock böhmische Groschen (44 Mark) Herrn Peter v. Schönberg zurück^'), fand am 7. April 1398 Borsos Gläubigerin Agnes v. Heldrungen mit 300 lötigen Mark Silbers für eine Forderung von 600 böhmischen Schock ab^^) und machte am 31. Mai 1398 Ramfold v. Bunthensee bezahlt, der eine Schuld des Herrn v. Riesenburg bei Jacob Jude zu Dresden im Betrage von 25 Schock böhmische Groschen (12^2 Mark) übernommen hatte''').

Einen Rest der Kaufsumme endlich verpflichtete sich Markgraf Wilhelm ratenweise bis zu einem bestimmten Zeit- punkte zu begleichen. Die Quittungen dreier solcher Ab- schlagszahlungen sind erhalten, nämlich vom 6. April, 18. Mai und 17. Juni 1398 über 600 Schock böhmische Groschen (300 Mark), 100 Schock böhmische samt 100 Schock neue Groschen (70 Mark) und 60 Schock meifsnische Groschen (12 Mark)-^).

i") Orig.-Urk. 5039 vom 16. März 1398. ^■') Orig.-Urk. 5040. 18) Orig.-Urk. 5044. i») Orig.-Urk. 5058.

-°) Orig.-Urk. 5043, 5054, 5061. Rechnet man die böhmischen Schock und Groschen in Freiberger Mark um, so ergeben sich fast genau 10 000 Mark, die Börse, urkundHch nachweisbar, von Markgraf Wilhelm für Riesenburg empfing. Der Kurs zur Um- rechnung ist in dem Quittungsbriefe der Frau Agnes v. Heldrungen (s. oben; 600 böhmische Schock = 300 Mark lötigen Silbers) und in Valutaangaben einzelner Rechnungen gegeben. In der Duxer Rechnung von 1400/ 1 (fol. 99b) heifst es: 50 sex. Misnenses, quas exposuit pro 20 sex. et 50 gr. Bohemicalibus, in der von 1403/4 (fol. 133b): 949 sex. 54 gr. Fribergenses , qui faciunt in grossis Bohemicalibus 350 sex. 11 gr. Aufserdem berichtet G.Lehmann in seiner Chronik von Delitzsch (S. 19), dafs man 1405 dem Markgrafen 100 Schock böhmische Groschen Bete brachte und sie 253 Schock 20 gr. Meifsner Währung gleichsetzte. Daraus ergiebt sich, dafs um die Wende des 14. und 15. Jahrhunderts das böhmische Schock Groschen ^/o Mark lötigen Silbers Frei- berger Gewichts, der böhmische Groschen aber etwa 21/., (1400/1:2-/5, 1404:2''/,, 1405:2^/15) Meifsner Groschen wert war.

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Schon die alten Schriftsteller, z. B. Johann Tylich-^) und Johann Rothe""), betonen die Höhe der für Riesenburg bezahlten Kaufsumme. Sie ist auch thatsächlich im Ver- gleiche zu anderen sehr bedeutend. Die pfandweise Erwerbung von Ruhland kostete 1400 Schock (700 Mark), von INIühlberg mit der Mannschaft zu Strehla 2000 Schock (1000 Mark), von Pirna 3000 bezw. 2000 Schock (1500 bezw. 1000 Mark), von Leisnig und Geithain 10 000 Schock (5000 Mark), von Brüx und Laun ebenfalls 10 000 Schock'--^). Die grofse Herrschaft Colditz, zu der 52 Dörfer gehörten, erwarb Wilhelm 1404 für 15000 Mark, und die ganze Niederlausitz erhielt Markgraf Friedrich III. 1353 pfand- weise für 21 000 Mark. Für denselben Preis löste sie mit einem Zuschlage von 10 000 Schock für Kosten, Schäden und Käufe Karl IV. wieder ein und kaufte sie schlicfslich 1367 für 21 coo Mark und 21 000 Schock Prager Groschen, also etwa 32000 Mark-^). Wenn für Riesenburg 40000 Mark gezahlt wurden, so zeigt das einmal die hohe politische Bedeutung, die Markgraf Wilhelm gerade dieser Besitzung beimafs, andererseits ihren grofsen reellen Wert.

Erstlich war die Riesenburg eines der stärksten Schlösser seiner Zeit, wie der gleichzeitige Chronist Johann Tylich (s. o.) ausdrücklich bezeugt und die unge- wöhnliche Stärke der erhaltenen Grundmauern beweist. Sodann war sie eine wichtige Grenzfeste, die einen viel benutzten Übergang von Meifsen nach Böhmen beherrschte. Endlich gehörte zu ihr ein umfangreicher Länderbesitz.

2') Post haec [Wilhelraus] castrum firmissimum Resinborg in ünibus Bohemic maxima pecuniarum summa emit a nobilibus de Resinborg et suo dominio adiecit. Ann. Vetero-Cellenses cont. bei Schannat, Vindemiae littcrariae II, 88 und Mencke, Scriptorcs II, 2182.

'-) Türe koufte do [1398] marggrave Wilhelm drei gute slofs yn Beliemen, Myfsenlande, yn dem Ostirlande. Das eyne was dy Resinburgk yn dem Behemer walde. Ausg. von Liliencron S. 647.

'-3) Vergl. Wenck S. 56, 61, 83, 66, 61.

'■^^) Lippert, Wettiner und Wittelsbacher S. 86 und 168.

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Die Ausdehnung der Herrschaft Riesenburg hat bisher nur Süfsmilch- Hornig auf Karte 3 der zweiten Abteihing seines Atlasses zur Geschichte Sachsens näher festzustellen versucht. Dafs er dabei die Grenzen zu eng gezogen hat, läfst sich an der Hand des „Verzeichnisses des Zu- behörs zu Schlofs Riesenburg" nachweisen, das bei Übergabe der Herrschaft am 10. Februar 1398 der ehe- malige Riesenburger Vogt Hans-'') dem neuen Meifsner Vogte Grünrode-*') einhändigte'-^"). Es enthält zunächst (I) ,,dy czinse des von Resinburg, dy her bewist hat zcu dem slofse" und die nach Geld- und Getreidezinsen (A, B) geschieden sind, sodann (II) besondere Einkünfte, wozu auch der gewissermafsen nachtragsweise anofefüo;te Schlufs (IV) über Abgaben der Amtsfischer und bedingte Befugnis einer Beteausschreibung gehört. Ein dritter Abschnitt (III) zählt die Erbarmannschaft auf, die Borso v. Riesenburg an Markgraf Wilhelm überwies. Eine Abschrift dieses Registers schickte der letzte Wettiner Vogt auf Riesen- burg, Günther Karafs, 1452 in die landesherrliche Kanzlei nach Torgau -^). Aus dem Verzeichnisse geht hervor, dafs 1398 folgende Ortschaften zu der Riesenburg gehörten:

Dux (Doxaw) SW. Teplitz mit den beiden Dörfern

Welbine (Eiben, Eibin) SO. Teplitz und

Kopitz N. Brüx-»).

Loosch (Laasch) NO. bei Dux.

Ladowitz (Ledewicz) S. Dux.

Liptitz (Lobticz) SW. Dux.

Kosten NW. Teplitz.

Strosburg, s. S. loo.

Johnsdorf (Janstorf) NW. Brüx am Fufse des Erzgebirges.

Launitz (Lauwicz) N, bei Johnsdorf.

Ober - Leutensdorf (Leutma[n]sdorf).

Nieder -Leutensdorf (Nedir-Leutmansdorff) N. Brüx.

-^) Orig.-Urk. 4996 vom 3. März 1397. -") Rechnung fol. 62. '") S. Beilage. "^) Kop. 1316 fol. 141 ff.

-^) Duxer Rechnungen fol. 99b, 108, 148 u. s. w.

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Bettelgrün (Wybelgrune) W. bei Obcr-Leutensdorf. An der Identität von Wibel- und Bettelgrün ist nicht zu zweifeln, da einerseits Leutmansdorf, Schonbuch und Wibelgrune Besitz Friedrichs v. Resin waren, anderer- seits Markgraf Wilhelm unter dem 3. August 1402 ,,Anne, uxori legitime Frederici de Eisen, XVIII sex. gr. annue pcnsionis in villis Leutemerstorff, Schonen- bach et Beteigrune in districtu Kisenburg" als Leib- gedinge lieh'^*^).

Schünl^ach (Schonbuch) N. Ober-Leutensdorf.

Rechenberg mit aller zugehorunge, d. h.

Claufsnitz W. bei

Cämmerswalde SW. [ Rechenberg"').

Nassau N.

Strahl (Strele) NW. Teplitz.

Priesen (zu dem Dutzschen-Bresen), das nach Reidl S. 9. im Mittelalter immer Deutsch -Briesen heifst.

Preschen (Breschan) W. dicht dabei.

Horzenz (Horsicz) SO. Brüx, NO. Postelberg.

Wiese (die Wefse) N. Brüx.

Neczemicz, eine Wüstung NO. Brüx zwischen Lang-Ujest und Prohn, im Volksmunde Misplitz, in einer Urkunde vom 21. März 1341 Nespeticz genannt'^-). Sie rührt wahrscheinlich, wie andere verschollene Ortschaften der Gegend, z. B. Tolitz, Hirnzhedil, Nedulemnitz''^''^), Dünslewicz (Domzlawicz) und Keilhauen^"*) bei Dux aus der Hussitenzeit her.

Rosenthal (das Rosental) N. Brüx, nicht der Ort gleichen Namens N. Teplitz, der zur Herrschaft Graujjen ge- hörte'^^).

Maltheuern (Meltuer) NW. Brüx.

30) Kop. 30 fol. 146.

*') Vcrgl. Pilk, Gesch. der Burg Rechenberg, im Neuen Archiv f. Sächsische Gesch. XVI, 94 if. ^

ä^) Näheres darüber bei Scheinpflug VIII, 41.

33) Scheinpflug a. a. O. ■'<) Reidl S. 16. ■'■') Hallwich, Graupen S. 58.

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Kummerpursch (Kummerwicz) N. Brüx.

Sobernicz, doch wohl Obernitz SO. bei Brüx.

Langen -Uj est (Ugeste) NO. Brüx.

Klein -Ujezd (Ugest, zusammen mit Settenz genannt) W. Teplitz.

Ewerstorf. Ebersdorf NO. Teplitz auf dem Kamme des Erzgebirges kann nicht gemeint sein, da dieses im 13. und 14. Jahrhundert zur Herrschaft Graupen ge- hörte^''). Bei der grofsen Ähnhchkeit von w und Ib in der Schrift des 14. Jahrhunderts steht Ewersdorf wohl für Elbersdorf, indem damit entweder, da die meisten Ullersdorfe auf die Grundform Albersdorf zurückgehen, Ullersdorf W. Teplitz oder die Wüstung Elkersdorf^') zwischen Herrlich und Liquitz W. Dux gemeint ist.

Radowesitz (Redewesicz) SO. Brüx bei der Ruine Kosten- blatt.

Erbe, wohl ein ehemaliges Dorf SW. Dux, aber bereits im 14. Jahrhundert wüst und nur noch als Flurstück „das heilige Erbe" bekannt '^^j.

Sabnitz (Irseppenicz , Irsepnicz) zwischen Brüx und Saaz. In der Nähe dieses Ortes lagen vielleicht die beiden Dörfer

Bzan und Zschernydeke, deren Namen zwar das ,, Ver- zeichnis des Zubehörs" nicht nennt, die aber ent- schieden mit den ,, andern czweyn dorffern, der namen Ulrich Irseppenicz nicht enweyfs", gemeint sind; denn laut Urkunde vom 7. Oktober I398''^^) lieh Markgraf Wilhelm Barbara, der Gemahlin Ulrichs v. Sepnicz, 10 Schock Zins ,,in villis Bzan et in Zschernydeke in districtu Risenburg sitis" als Wittum. Beide Dörfer kehren noch einmal Kop. 24 fol. 43 wieder, wo am 13. Dezember 1413 ,,Fridericus marchio senior Johanni de Drofse villam Bsen et villam Czschernilik districtus

^^) Hall wich, Graupen S. 10 u. 58. ^■') Scheinpflug XVII, 192. ^^) Reidl S. 19. ''") Kop. 30 fol. 119.

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Risenburg feodali nomine possidendas" leiht. Da sie auch hier zusammen genannt werden, ist wohl die Annahme berechtigt, dafs beide nicht weit von einander lagen. Die Vermutung, dafs Weberschan und Tschentschitz am Nordabhange des Milleschauers darunter zu verstehen seien, hat ebenso wenig Wahrscheinlichkeit für sich, wie die Identifizierung mit Pschann und Tschentschitz O. bei Laun oder dergleichen.

Sobrusan (Zaborschsohan , Zaborschan) O. bei Dux.

Sellnitz (Zelnicz, Selnicz) O. Brüx.

Settenz (Irsetenicz) W. bei Teplitz.

Polehrat (Polerat) S. Brüx.

Nemetschken (Nemmeczken) S. Teplitz. O. dabei lag

Bukowitz (Bukewicz), das Wilhelm nach einer Urkunde vom i8. Februar 1404*'') besafs.

Krzemusch (Kremusil) O. Dux.

Ohamacz (Ohennacz), kann trotz der lautlichen Ver- schiedenheit nur Hostomitz SO. Dux sein; denn Krzemusch, mit dem es zusammen genannt wird, liegt nördlich dicht dabei.

Hertine (Rittyn, Ritten) SO. Teplitz, czechisch Rtyne genannt.

Welbot (Welbat, Welbit) W. Hertine.

Schwetz (Swetticz) SO. Brüx, wenn nicht vielleicht Schwatz SO. Dux.

Klostergrab (Grab) NW. Teplitz.

Riesenberg, oder, wie es auch genannt wird, ,,das stetel unter dem hause", gehörte mit einer Mühle (,,molen- dinum sub Castro" an dem W'asser, ,,das zu Ossyek dem closter zugeet") und einem zwischen Burg und Kloster gelegenen Zollhause nach Orig. -Urkunden 4241 und 4242 vom 13. JuH 1378 unmittelbar zu dem Schlosse.

40-

') Kop. 30 fol. 167.

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Die Herrschaft Riesenburg bestand also im Jahre 1398, d. h. in einer Zeit, wo sie noch lange nicKt ihre gröfste Ausdehnung angenommen hatte, aus 49 Ortschaften, vorausgesetzt, dafs das Verzeichnis von 1398 vollständig ist. Dcibei sind die dem Kloster Ossegg gehörigen Ort- schaften, die in der Riesenburger Pflege selbst oder an ihren Grenzen lagen^^), noch nicht mitgerechnet, da sich aus den Worten der Verkaufsurkunde, die Herrn v. Riesen- burg begäben sich zvi Gunsten Wilhelms auch ,,des rechtin, alze unsere eidern und wir (d. h. Borso) an dem clostere Ossek gehabt habin", nicht ersehen läfst, welche Rechte die jeweiligen Besitzer von Riesenburg an diesen Dörfern hatten. Sicher übten sie die Schutzherrschaft über das Kloster mit seinen Besitzungen aus und hatten dafür Anspruch auf bestimmte Leistungen, wie Gestellung von Heerwagen, Zahlung einer unter dringenden Umständen notwendig werdenden Klosterbete und Getreideliefer- ungen*-). Sucht man mit Hilfe der oben aufgeführten 49 Ortschaften die Ausdehnung des Riesenburger Amtes festzustellen, so findet man, dafs seine Nordgrenze etwa durch den Ort Nassau und die Einmündung des Becher- baches in die Weifsritz zwischen Sayda und Rehefeld ^■^), die Südgrenze durch Sabnitz, Polehrad, Schwetz (?) und Horzenz bezeichnet wurde. Die Ostgrenze lief etwa von Zinnwald westlich an Graupen vorbei nach Klein -Ujezd und Settenz, bog hier ostwärts nach Hertine aus und zog dann in südwestlicher Richtung weiter am Nordfufse des

*i) Es waren dies namentlich Wernsdorf und Janegg W. bei Teplitz, Ratschitz und Plan N., Strimitz, Prohn, Rudelsdorf, Schwindschitz O., Rösselhof, Welbuditz, Skiritz, Püllna, Habran, Wollopschitz und Kollosoruk S. Brüx; vergl. Seh ein pflüg VII, 185 fif. und VIII, 34 IT.

*'-) Letztere werden in den Rechnungen öfters erwähnt, z. B. 1401 (Rechnung fol. 100) 66 strich et 3 quartalia data per abbatem in Ossek, 1403/4 (Rechnung fol. 133b) 231 modii de Ozseg u. s. w.

^'*) Vergl. hierzu Anm. 99.

_ 96 -

Schlosses Kostenblatt hin, nach Radowesitz, IMerzlitz^*) und Horzenz. Im Westen endlich waren Grenzorte Cämmerswalde, Launitz, Johnsdorf, Maltheuern und Salinitz. Brüx war zunächst ausgenommen. Diese Grenzen um- schlossen einen Flächenraum von rund 800 850 (|km, d. h. ungefähr von der Gröfse des heutigen Fürstentums Schwarzburg - Sondershausen.

Der Gröfse des Gebietes entsprach die Zahl der ein- gesessenen Vasallen. Die zum Amte Riesenburg gehörige Erbarmannschaft setzte sich aus 26 reich Ijcgüterten Ge- schlechtern zusammen, den v. Bernstein, v. Boderat, V. Boten- oder Buntensee, v. der Gablenz, v. Horsitz, V. Kremuf, v. Kremusil, v. Kynitz, v. Nemetzschken, V. Netzemitz, v. Ockerim, v. Potekroe, v. Risen, v. Sabnitz, V. Schoberwitz, v. Schwetz, v. Sobernitz, v. Ugest (Öuest), V. Welbot, V. Zechlau, Zeyn v. Rittin, Baber, Dabisch, Gröfse, Kvmdige und Nesel. Diese böhmische Vasallen- schaft führte dem Heere des Markgrafen ansehnliche Streitkräfte zu. Sie bedeutete für ihn einen starken Rück- halt in den schweren Zeiten böhmischer Wirren und Kriege.

Erklärt sich so zum Teile schon die Höhe des Kauf- preises aus der Gröfse des Kaufobjektes und seiner mili- tärischen Bedeutvmg, so andernteils auch durch seinen wirtschaftlichen Wert. Böhmen, und nicht zum wenigsten die Teplitz-Brüxer Gegend, war l^ereits im Mittelalter ein oreseofnetes Land. Dux mit seiner fruchtbaren Um- gebung und entwickelten Industrie hiefs im 14. Jahrhundert geradezu ,,die reiche Stadt "•^''). Alle Sorten Getreide, Roggen (frumentum), Gerste (ordeum), Weizen (siligo, weifs), Hafer (avena) gediehen auf dem fruchtbaren Boden wie in keinem der Nachbarländer'*'*). Hanf wurde auf den Abhängen des Erzgebirges*"), Wein allerorten in der

■*') In dessen Besitz Wilhelm in einer Urkunde vom 13. Sep- tember 1401 (Kop. 30 fol. 146b) genannt wird. ^5) Reidl S. 10. "«) Beilage IB. ^^) Vergl. die Hanfröste bei Launitz: Beilage II, 7.

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Niederung gebaut, l:)ei Dux'*^), bei Netzmitz, Sabnitz, Sellnitz, Hertine und Welbof*"), aber auch bei Riesen- burg ■'"). Hopfen war namentlich in der Umgebung von Dux zu tinden ■'•'). Die weiten, saftigen Wiesenfiächen gaben Heu zu Pferdefutter und ermögUchten eine blühende Viehzucht'^-). Ausgedehnte Strecken des Amtes waren mit dichtem Walde bestanden, der Wild, nament- lich die im Mittelalter beliebten Eichhörnchen^'*^), sowie Brenn- und Bauholz in unerschöpflicher Menge lieferte. Die Biela mit ihren Nebenflüfschen'''^), die Flöha, Mulde und Weifseritz''''^) waren ebenso wie die zahlreichen Teiche und Lachen, die über das ganze Teplitzer Thal hin zerstreut sind''*'), mit schmackhaften Fischen, nament- lich Forellen (fohren), bevölkert. Das Erzgebirge barg in seinem Schofse reiche Schätze an Edelmetallen, die im 14. Jahrhundert entdeckt wurden. Bereits am 22. März 1302 schlössen Borso v. Riesenburg und der Ossegger Abt Gervicus einen Vertrag, dem zufolge alles, was an Metallen auf den beiderseitigen Besitzungen gefunden werden würde, zwischen beiden Kontrahenten gleichmäfsig geteilt werden sollte'^'). Die Riesenburger liefsen sich aber zunächst den Bergbau noch nicht sehr angelegen sein. Erst in den fünfziger Jahren gingen sie ernstlich daran; denn durch Urkunde vom 13. Juli 1354 verlieh Karl IV. Slauko und Borso v. Riesenburg auf zwölf Jahre die ,,mine auri et argenti iuxta castra . . . Risemburch et Petschow (Petschau S. Carlsbad) et in districtibus, villis et eorundem castrorum pertinenciis", die man ,,ex verisimilibus, ut dicitur, coniecturis" zu finden hoffte, um den Herren von Riesen- burg auf diese Weise ,,ad insistendum et effectualiter

^8) Reidl S. 15. *") Beilage III, 16, 19, 25, 26, 28. s") Bei- lage 11, 2. ■'^'j Reidl S. 79 und 89. ^-) Ebenda S. 81 und 82. 5«) Beilage IV, 1—3. s^) Beilage III, 22 28. ö'^) Beilage IV, 1 3. ^") Beilage IV, i und 17; Reidl S. 20.

^■') Scheinpflug XV, 302 ff. Er kennt für das 14. und 15. Jahrhundert nur diese eine auf den Ossegger Bergbau bezüg- liche Urkunde.

7

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intcndendum huiusmodi montanorum laboribus" behilllich zu scin'^''). Die Bemühungen scheinen auch von Erfolg begleitet gewesen zu sein, da am 21. April 1387'^") König Wenzel dieses Priviles: erneuerte. Aufser Gold und Silber fand man bald auch Zinn; denn laut Urkunde vom 27. Juli 1402"") verlieh Markgraf Wilhelm dem Johann Ringehut und seinem Schwao-er ,,omnia montana stanea in silvis \vd castrum Kisenburg pertinentibus" mit der Ermächtigung, dafs sie gegen die in anderen landesherrlichen Bergwerken üb- liche Abgabe v(jm Zentner ,,stannum libere vendere et deducere possint". Auch Kupfer und Eisen hoffte man zu finden, wie daraus hervorgeht, dafs Ringehut und seinem Schwager in derselben Urkunde zugebilligt wurde, „si in dictis silvis venas aureas, argenteas, cupreas vel ferreas eos contingeret invenire", diese gegen Entrichtung des gewöhnlichen Bergzehnts anbauen zu dürfen.

Frühzeitior entwickelte sich auch im nordwestlichen Böhmen eine rege bidustrie, namentUch das Gewerbe der Müller'-'), Bäcker'^-), Fleischer«'-;, Bierbrauer«^), Gerber«'^), Riemer""), Flachsspinner«'^), WoUweber«^) und Töpfer«"). Bedeutend war auch die Glasfabrikation. Die Riesenburger Rechnungen sprechen mehrfach von ,,glasehutten". Eine lag im Gebirge nicht weit von der JMuldequelle'"). Sie ist heute verschwunden, doch erinnert der Name des Glasberges noch an ihr ehemaliges Vorhandensein.

Die Erzeugnisse der Industrie wurden, ebenso wie die überschüssigen Mengen Getreides, in die Nachbarländer,

68) Orig.-Urk. 3373. ^") Orig.-Urk. 4574. «O) Kop. 30 fol. 147.

0') Reidl S. 19; Beilage I A, 2; III, 16, 17, 19 u. s. w.

62) Rechnung fol. 62. o») Beilage I A, i.

"') Vergl. die Duxer Brauhäuser und Braupfannen in der Beilage I A, i und in den Rechnungen, z. B. fol. 62; ferner die zalilreichen Malzlieferungen in den Rechnungen.

«•') Die Lohmühle hei Dax: Reidl S. 19, 74, 78- '*") Bt;i- lage I A, I und Rechnung fol. loob. *") Beilage II, 7. "«) Rechnung fol.1411.; \iv\i\\ S.81 f. «»jBeilagelA, i; Reidl S. 73. 'O) Vergl. Anm. 99.

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namentlich nach Meilsen, ausgeführt, das, wie es in einem Briefe des 15. Jahrhunderts heifst, ,,eyn arm landt war und vil czu notdurft brauchte, daz man ufs andern huiden doryn brengen mufs und es dorynne vorkouft wird, also mit namen getreyde, körn, weyfs, gerste, des man ober jar von Behemen vil doryn brenget unde es des nicht enperen kan""). Aber auch Wolle, Thongeschirr, Leder, Glas und dergleichen wanderten über das Gebirge, um in den jenseitigen Gebieten abgesetzt zu werden. Dafür wurden Salz und Seefische in gfrofsen Mengen nach Böhmen eingeführt. Der leibhafte Handel kam natürlich auch Markgraf Wilhelm zu gute, der mit der Herrschaft Riesenburg auch Zölle und Geleite erkauft hatte. Aller- dings konnte Börse bei der Übergabe nur den einen Zoll auf der Frauenstein -Duxer Strafse namhaft machen, während der andere auf der grofsen Strafse Oederan- Saj'da - Purschenstein - Einsiedel -Johnsdorf- Brüx bis auf den geringen, dem Besitzer von Riesenburg zustehenden Johns- dorfer Salzzins '^■-) in den Händen der Bürger von Brüx und Postelberg und der Ossegger Mönche w^ar'"^). Die Frauenstein -Duxer Strafse, die bei Rechenberg über die Mulde setzte und weiter wahrscheinlich über Grünwald und Willersdorf (Neudorf) lief^'*), führte ursprünglich über Riesenburg und Ossegg hinab in die Ebene. 1341 wurde aber diese ,,strata de Mysna versus Boemiam ante cast- rum Ossek vulgariter dictum Risenburch tendens'^ nach Angabe der viel benutzten Konzessionsurkunde Johanns für Borso v. Riesenburg vom 25. August „causa commodi

■'') Cod. dipl. Sax. reg. II, 13, 151. ''-) Beilage II, 6. '^^) Brüxer Stadtbuch S. 90.

'*) Vergl. Orig.-Urk. 4241 und 4242 vom 13. Juli 1378: die Strasse, die gen Rechenherg geet ; ferner den Schenkschen Atlas El. 25, der in den Namen allerdings böse Verwirrung angerichtet hat. Endlich erscheint mir der Umstand beachtenswert, dafs noch heute der Weg zwischen Grünwald und Willersdorf „die Landesstrafse" heifst; s. Topogr. Karte von Sachsen i : 25000, Sekt. 118 (Nassau).

7*

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et melioratiunis \iaruin" ülier Grab verle<it"'}, d. h. ver- mutlich schon hei Grünwald, nicht erst, wie Süfsmilch- Hörnig"") will, bei Willersdorf von der alten abgezweigt und über UUersdorf und Neustadt (Nova Civitas , als Geleitseinnahmestelle in den Rechnungen viel genannt) nach Klostergrab weitergeführt. Der Hauptzoll dieser Strafsc wurde von den Riesenburger Schlofsherren in der Zollstätte Strafsburg erhoben'^'), deren Lage noch nicht ermittelt werden konnte, die aber offenbar eins ist mit der . „custodia seu warta", zu deren Errichtung König Johann von Böhmen in der eben erwähnten Urkunde von 1341 seine Einwilligung gab. Sie war, wie der Name sagt, befestigt, einmal, um feindlichen Heeren die Überschreitung des Gebirges auf diesem Wege zu erschweren, besonders aber auch zum Schutze gegen beutelu.stiges Gesindel, das sich in den Wäldern herumtrieb und vom Strafsenraube lebte. Wie frech diese Gesellen waren, ersieht man daraus, dafs sie im Jahre 1404 die ganze Geleitskasse in Neustadt mit 339 Schock 8 Heller Inhalt raubten'^).

Überblicken wir alle Einkünfte aus Ackerbau, Wald- und Wiesenwirtschaft, Fischereien, Bergwerken, Handel und Industrie in ihrer Gesamtheit, so verstehen wir, dafs Markgraf Wilhelm grofse Erwartungen auf Riesenburg als auf eine hervorragende Erwerbsquelle setzte. Dazu hoffte er gewäfs, bei günstigen politischen Verhältnissen den Wert seiner neuen Besitzung durch eine vernünftigere Verwaltung, als sie die verarmten Herren von Riesenburg hatten führen können, und durch billige Neuerwerbungen zu erhöhen. Gleichwohl könnten wir nicht begreifen, wie er den hohen Preis dafür zahlen konnte, sähen wir in dem Kaufe von Riesenburg nicht eine politische Mafs- nahme, auf die er das allergröfste Gewicht legte. Es kam ihm nicht so sehr darauf an, ein reiches, einträg- liches Stück Land seinem Markgraftume anzugliedern,

") Orig.-Urk. 2893. '") Erzgebirge S. 123. '") Beilage lA, 6. ''*) Duxer Rechnung fol. 148.

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als in Böhmen festen Fufs zu fassen und eine geeignete Operationsbasis für Ausführung seiner grofsartigen , auf Böhmen gerichteten Pläne zu gewinnen. 40 000 Mark mochten auch ihm an und für sich hoch erscheinen, aber das Zuviel hoffte er durch spätere Erfolge wieder wett- zumachen. Jedenfalls waren sie ihm den Einflufs wert, den ihm der Besitz der tief nach Böhmen hineinragenden Herrschaft Riesenburg versprach und den Wenzel in richtiger Würdigung der Sachlage dem Meifsner Mark- grafen nicht einräumen wollte, als er ihm die Belehnung freilich umsonst vorzuenthalten versuchte.

Beilage.

V '

Verzeichnis des Zubehörs zu Schlofs Riesenburg.

Handschrift Hauptstaatsarchiv Dresden, Lac. 4334, Rechnunge der amptleute 1407, fol. XVIIl— XXI. Abschrift aus dem Jahre 14.52 (vergl. Anm. 79} Kof. 1316 fol. 141 ff.

Anno domini IIP XaVIII«'»)

I. Difs sint dy czinse des von Resinburg, dy her be- wist hat zcu deme slofse an dem mitvoge nach Exurge^").

A. [Pfennigzins.]

I. In der stad zcu Doxaw XXIX sex. XXX orr. Von bruheusern und brupfannen XX sex., do ifs das jars uff- lüffin sol. Von fleyschbencken, wenne dy gar gebuet und besaczt syn, so gevallin LXIV steyne unslith, so slet her ye den steyn an XV gr. , das machin XVI sex. Von der walckmol und remen, wenne man dy vertigit, do gevallin moer denne II sex. Von dem geschofse XL sex. Item vir toppfer, dy do sitczen, dy sullin gebin toppfe genug uff das slofs addir yczlicher j sex. gr. davor.

Summa CV sex. XXX gr. der pfennigczinfs.

''^) Die Abschrift enthält den Zusatz: geantwortet in myns hern canczelle}- anno domini etc. L secundo.

SO'

') 1398 Februar 13.

I02

2. In dem dorffe Laasch von eyner moel I sex. czinsis, geschofs XX sex.

3. Item in dorffe Ledewicz XMI sex. XXX \'I gr. czinsis, geschofs XX sex.

4. Item in deme dorffe Lobticz VIII gr. czinsis, ge- schofs IX sex. 50 gr.

5. In deme dorffe Kosten X sex. czinsis.

6. Czu Strosburg I sex. L gr. czinsis, der czol doselbins C sex., der czol uff der Strassen VI sex.

Summa CLXXXVI sex. XXIIII gr., summa pecuniarum insimul XCI sex. LlIIl gr.

B. Das ist der czinfs des getreides.

1. Item zcu Laasch 11*^ strich^') gerstin minus I strich, II <^^-) strich weisis, kornis IL' strich minus I strich. Summa VI "^ minus III strich. 11*^ strich hafern minus I strich.

2. Cz[u] Ledewicz LXIIj strich weifs, item LXII; strich kurnis, item LXIIj strich gerstin, item LXIIj strich hafern. Summa 11^*= strich.

3. Cz|uj Lobticz gerste LXXXXVIIj strich, item weis XCVIII strich und III virteil, item körn XCVIII strich III virteil, item hafern LXXXXVIII strich. Summa 11 <" LXXXXIIj"^^) strich.

Summa ordei in istis III vilhs CCCLIX modii. Summa tritici CCXI modii et I quartale^'*). Summa avene CCCLIX modii. Summa fnnnenti insimul MCXL modionnn.

IL Das sint dy czinse und guter, dy der von Risenburg anslet obir dy czinse, [dy] her bewist hat czum irstin:

81) Lateinisch modius.

8-) Original (ebenso wie die Abschrift) irrtümlich C bezw. „hundert" statt CG minus I, wie die Gesamtsumme von VJc minus III strich verlangt.

®^) Bei dieser Gesamtsumme sind die 98 Strich Hafer nicht mit in Anrechnung gebracht.

''') Wie diese Gesamtsumme herauskommt, ist nicht ersicht- lich, da die drei Dörfer 199 -|- 62 ' ., -|- gS'',., = 360^4 (359 nach Rechnung des Schreibers) Strich Weizen lieferten. Auch die ülirigen Gesamtsummen sind mehr oder minder ungenau.

I03

1. Uff der mol^"'') zcu Doxaw gevellit getreidis LX sex. wol wert.

2. Czwene wiiigartin slet her an LX sex. czinsis.

3. Dry pfluggewende CCCCCC schocke wol wert.

4. Sme weide slet her an das jar uff CC sex.

5. Item wenne der lantberr get, so gevallin ym von synen guten und erbermanne gutir CCL sex. gr.

Summa CCCLXXX sex.

6. Item Jansdorff, das hat her gekaufft vor CCCXXXVI sex.^*^), dorynne lyt pfennigczms und salcz.

7. Item yn dorffe zcu Lauwicz ist eyne rosse^'), do gibit eyn gebuer von uff Michaelis XXX gebunt gebrochtifs hanfin, y an eynem gebunde X risten^*), derselbe gebit von Sente Jürgen tage biz uff Michaelis ye den fritages eyn dinst fische.

III. Das ist dy erbe[r]manschafft, dy her Böse von Risen- burg an myn herren, ern Wilhelm, marcgrafen zcu Missen, gewist hat:

1. Ern Timen von Risen, Albrecht und Friderich von Risen, dy sullin habin zcu lehene Leutma[n]sdorff gancz und eyn guten hoff wol gebuet, und Wybelgrune das dorff gancz. Schonbuch das dorff gancz, pfluggevende, weide und tiche.

2. Item Zebenicz Kundige hat zcu lene Rechenberg das haus mit aller czugehorunge.

3. Item Peter Grose und Hannus Grose, syn vetter, haben zcu lene das gancz dorff Nedir-Leutmansdorff, Strele das dorff gancz unde zcu dem Deuczen-Bresen^^) XII marck geldis,

4. Item Kunat von Horsicz hat zcu lehene das dorff gancz und darynne legin VI marck geldis.

85) £)ie sogenannte Kammermühle , die im Duxer Stadtliuche und auch sonst viel genannt wird; vergl. Reidl 19, 72, 90.

86) Von Caspar v. Ertmansdorf und Nikel Kuchenmeister am 28. September 1386 (Orig.-Urk. 4557)-

«■^j Hanfrotte oder -röste.

8*) Unter Reiste versteht man ein oben zusammengedrehtes Büschel gehechelten Flachses oder Hanfes.

ä9) Original Deuczen-Rresen, Abschrift Dutczschen- Bresen.

104

5- Item Petir von der Gabelencz hat zcu lene dy Wefse, das gancz dorfif.

6. Item Pascke von Neczcmicz hat zcu lene das dorffe Neczemicz gancz, czwey pfluggevende mit wyngarten, weiden und alle zcugehorunge. Dersell)ige Paske sal ha])in zcu lene sin hoff, do her siezt, mit lischerien und aller zcugehorunge.

7. Item Hannus von Bernste3'ns fraw und ire kindir habin zcu lene das Rosental gancz.

8. Item Ramfold von Botense^") hat zcu lene das dorff Meltuer gancz mit dem gesese und aller zcugehorunge.

9. Item her Baber hat zcu lene das dorff Kunwerwicz.

10. Item dy von Ockerim habin zcu lene das dorff Sobernicz eyn dritteil adir virteil.

11. Item Sthepfan von Sobernicz hat zcu lene zcu Ugeste yn dem dorffe XXI marck geldis.

12. Item Boresch von Kremuf hat zcu lehene das dorff Ewersdorff gancz mit dem gesese.

13. Item Borsiko von Boderat hat zcu lene czu Breschan das vorverg mit dem gesese und eyne marck geldis.

14. Item Heinrich von Schoberwicz und Ulrich haben zcu lene Redewesicz, eyn gut gesese mit pfluggevenden, IUI adir V marck.

15. Item Otto von Patekre hat zcu lene Erbe^') und wesin LX sex. wert.

16. Item Ulrich Irsep})enicz hat zcu lene das dorff Irsep- penicz gancz mit pfluggevenden, '■'-) wyngartin, fischerey, molen und }n andern czweyen dorffern, der namen her nicht enweyls; das wossir ist dem VIII '^ schok wol wert"'^).

17. Item Hannus Nesil hat zcu lene eyn gutin vestenhoff zcu Zaborschsohan mit pfluggevenden, tichen, molen, kirchen, und das dorff gancz, dorynne legen XX marck geldis.

^) Original irrtümlich Rotense, Abschrift Botense. Uer erbare mann Ramfold von Boutenzee, Bontenzee, Bunthensee u. s. w. kommt öfters vor, z. B. Orig.-Urk. 4847 vom 14. Januar 1394, 5058 vom 31. Mai 1398, im Duxer Stadt- buche (Reidl S. 77) unter dem Jahre 1399 u. s.w.

»J) Im Original vor dem Namen die Worte das dorff durchstrichen.

"') Im Original eine gröfsere Lücke, in der Abschrift keine.

"ä) Abschrift: das l)essir ist den ...

I05

i8. Item Busko von Kynicz hat zcu lene Zelnicz, eyn gutin hoff und eyn gait vorwerg.

19. Item Fricz von Sehiicz hat zcu lene das gesese doselbins mit pfluggevenden, wingarten, molen und czinsen, der zal weyfs her nicht.

20. Item Dibesch sone, IUI brudere, habin zcu Ugest und Irsetenicz eyn gut, das her nicht namhaftige ge- machen kan.

21. Item Nicklas von Zcechlaw hat zcu lene yn deme dorffe czu Polerat XII mark geldis.

22. Item Johannus von Lodewicz, doselbins gesessin, hot zcu lene eyn gut gesese und czwey pfluggevende, wisen, fischerien und czwu marck geldis yn dem dorffe Breschczan.

23. Item Pzrech von Nemmeczken hot zcu lene Ij marck geldis vmd XXX gereite schock, dy her zcu manschafft von hern Börsen'"'*) nemen solde, und dy selben XXX schock sal her legen an freyguter.

24. Item Peter von Kremusil, doselbins gesessin, hot zcu lene eyn guth gesese mit eyme pfluggevende, kirchlen und XL gr. czinsis. Item derselbige hat zcu lene yn dem dorffe Ohamaz VII; marck geldis mit wesemat^^) und fischerien.

25. Item Conrad Zeyn, zcu Rittyn gesessin, hot zcu lene IIIIj marck geldis, eyn pfluggevende, eyn wingartin, puschen, fischer[i]en und eyn halb kirchlen.

26. Item Ulrich Czeyn czu Rittin hat czu len V marck geldis, eyn pfluggevende, eyn wingartin, wesemat, fischerien und eyn halb [kirchlen j.

27. Item Nicklas von Velbat, doselbins gesessin, hot zcu lene eyn guth gesese, I pfluggevende, eyn wingartin, wesemat, fischerien, puschse und III marck geldis.

28. Item Cristan von Welbat, doselbins gesessin, hat zcu lene IUI marck geldis, eyn gutin hoff", I pfluggevende, eyn wingartin, wesemat, fischerie und pusche.

29. Item der Swabe von Swetticz ^").

30. Item Dobesch son ^^).

31. Item dy von Ouecz ^*').

^*) Original Korsen, Abschrift Borssen. ^^) Original besen mit, Abschrift besemit. <"*) Die drei Zeilen sind im Original und in der Abschrift nur angefangen.

io6

IV.

1. Item eyn fischer, der do fischet in der Flew neder der Bruckin*'^), der gebit das jar XII schofs foren off Sente Mertinfs tag; derselbe fischer gibit von Pfingisthi ]n{'s uf MichaeHs ye den fritagis XXXVI foren; item der- selbe gebit XXX eychorner von dem walde.

2. Item von der obirn Flew und der Vischbach ■*^) o-ebit der fischer zcu czinse XIIII schock foren; derselbe fischer gebit von Sente Jürgen tag bifs uff Phingisten XVIII foren; derselbe gcbeth von IMiingisten uft" Michaelis alle fritage XXXV foren. Item derselbe gebit XXX eychorner von dem walde.

3. Item der fischer zcu dem Grabe, der gebit zcu zcinse XV schog foren von der Wistricz und der IMoldaw obenthalben Rechenberg™); derselbe gebit alle fritage von Sente Jürgen tage bifs uif Michaelis XII foren. Item der- selbe oibit L evchorner von dem walde und von dem wasser.

Summa der faren woechlich LXXXIIII. Summa des jarczinses XLI schog.

4. Nota. Wenn eyn konig zcu Behem adder eyn ander von sinen wegn eyn landljete nymet, so mag myn herre von Sachssen zu Resinburg von sinen under- sassen ouch eyne landbete nemen etc., ut docet littera empcionis castri Risenburg.

"■') Die Brücke ist wahrscheinlich niclit weit unterhall) des Dorfes Fleyh, das im 14. Jahrhundert schon bestand (vergl. Reidl 10), zu suchen. Die Hasenbrücken, d. h. das heutige Deutsch -Georgenthal, können nicht gut gemeint sein, da sie zu nahe an Purschenstein lagen.

°^) Lesung unsicher. Abschrift: Wispach. Gemeint ist der Weifswasserbach, der von links bei Fleyh in die Flöha mündet.

""j Das Revier des Klostergraber Fischers bezeichnet die Belehnungsurkunde für Hans Fischer vom 3. August 1404 (Kop. 30 fol. 146) näher als „piscaturam in aqua dicta Wistcricz in (li^tfictu Riscnl)urg a Nova Civitate (Neustadt westlich bei Niklasberg) in silva sita inci]Mendam et ad ripam dictam Becher- Ijach (linker Nebenilufs der Weilscritz, der zwischen Rehefeld und Sayda einmündet) terminandam nee non in aqua dicta Mulda a casa dictam Die Glasehutte (s. S. 98) incipiendam et in ripa dicta Die Steinbach (einer der zahlreichen Bäche, die bei Rechenberg von links und rechts in die IMulde fallen) terminandam".

Eine auf Herzog Wilhelm von Sachsen bezüg- liche Urkunde G-eorg Podiebrads, Glubernators

von Böhmen,

vom 19. Dezember 1457.

Von

Hermann Knothe.

Am 23. November 1457 starb zu Prag plötzlich an einer, wie es scheint, pestartigen Krankheit der junge, erst siebzehnjährige König Ladislaus von Böhmen. Da er weder Kinder noch andere nächste männhche Verwandte hinterhefs, so erhoben sofort eine ganze Anzahl entfernter Verwandter Ansprüche auf die Krone Böhmen samt deren Nebenländern. Unter diesen Bewerbern durfte Herzog Wilhelm von Sachsen, der Bruder Kurfürst Friedrichs des Sanftmütigen, als Gemahl von Anna, der ältesten Schwester des Verstorbenen, seine Ansprüche mit Recht als die am besten begründeten erachten. Schon am 4. Dezember berief er Abgeordnete der Ober- wie der Niederlausitz nach Kottbus ,, wegen der Ansprüche seiner Gemahlin Anna nach Abgang des Königs Ladislaus"^). Da richtete am 19. Dezember, also nur wenige Tage später, Georg Podiebrad, schon während der Unmündigkeit des Königs dessen Vormund und jetzt nach dessen Tode „Gubernator der Krone zu Böhmen", an die Stände der

^) Verzeichnis Oberlaus. Urkunden II, 62.

lo.S

Oberlausitz ein Schreiben folgenden Inhalts: ,,Er sei unterrichtet worden, wie etliche Fürsten sich auf sie (die Oberlausitzer) ziehen und sie anlangen, in Meinung, dafs sie zu ihnen Recht wollten haben. Die Stände wüfsten aber, dafs niemand anders Recht zu ihnen habe, als die würdige Krone Böhmen. Sollte sie aber jemand mit Cicwalt und Macht dringen, so sollten sie zu ihm (dem Gubernator) und der Krone Zuflucht haben in ihren Sachen und Nothdürften; er wolle sie bei ihren Freiheiten schützen und davon nicht lafsen dringen,"

Mit den ,, etlichen Fürsten" kann, wenigstens in erster Linie, niemand anders als Herzog Wilhelm von Sachsen gemeint sein.

Die betreffende Urkunde findet sich weder in dem ,, Verzeichnis Oberlausitzischer Urkunden" (v. Zo1)el), noch in der handschriftHchen Oberlausitzer ,, Urkunden -Samm- lung", und scheint daher auch Palacky („Urkundliche Bei- träge zur Geschichte Böhmens") und Bachmann („Böhmen und seine Nachbarländer unter Georg Podicbrad", und „Briefe und Akten", „Urkunden und Aktenstücke", „Ur- kundl. Nachträge") nicht bekannt geworden zu sein. Wir fanden eine Abschrift davon zufällig in dem Bautzner „Dingbuch von 1359" ^^l. 126, welches im Stieber- Museum zu Bautzen verwahrt wird, wo sie freilich niemand gesucht hat-). Wir halten sie immerhin für wichtig sfenuo-, um sie nachstehend zum Abdruck zu bringen'^).

-) Über dieses Dingbuch, das im Jahre 1887 im Ratsarchiv zu Bautzen aufgefunden und erst später dem Stieber -Museum überwiesen wurde, vergl. Neues Archiv f. Sächsische Gesch. X, 1 1 1 flf., wo S. 114 auch die nachstehend mitgeteilte Urkunde erwähnt wird. (Anm. d. Red.)

*) An demselben 19. Dezember 1457 richtete „Georg von Cunstadt, Herr zu Podiebrad, des Königreichs und der Krone Böhmen Gubernator", ein dem hihalt nach und selbst in den

I09

Unnsern dinst und grufss. Ernwirdigen, andcchtigen, edeln, gestrengen, namliafftigen , ersamen und fursichtigen Herren und lieben frunde. Wir sein undirricht wurden, wie etliche fursten sich wft' euch zcj^hen und anlangen in meynunge, das sie zu euch recht wulden habin. So wifst ir doch wol, das nymands anders zu euch recht hat, sunder die wirdige cron zu Pehmen. Darumb so ermanen wir und begern von euch allen und einem iglichen bisunder, ir wolt und solt euch an die cron zu Behmen getrewlich und wffrichtiglich halden und by derselben bleiben, als sich ewer vorvordern und auch [ir] doselbst untz an dise zceit gehalden habt. Und wolde euch denne imands darobir mit gewalt und macht drengen, ir solt von unns nicht verlafsen werden, sunder zu unns und zu der cron Zuflucht haben in ewern Sachen und notdurfften, und wir wollen euch by ewern ge- rechtikeiten, rechten und freyheiten schirmen, schutczen und behalden und davon nicht lalsin dringen. Geben zu Prag am montag vor sant Thome des heiligen zcwelftboten tag, undir des wirdigen kunigreichs zu Behmen ingesigel anno domini etc. LVIIo.

Girzik von Cunstad, herre zu Podiebradt, des konigreichs und der cron zu Behmen gubernator, und der rath, auch ander hern, adel, ritterschaft und die von steten wfl:' der gemeinen sampnung iczd hy zu Prag mitenander gesammet des obin- ganten konigreichs zu Behmen.

Den erwirdigen und andechtigen hern prelaten und den edelnn, gestrengen, namhafttigen, ersamen vnd fursichtigenn hern, rittern, knechten, mannen und steten der sechsstet Budissin, Gorlicz etc., unsern guten frunden.

Zwar wiederholte Herzog Wilhelm noch mehrere Male (i. und 28. Februar 1458) jene Aufforderung an die drei nördhchen Nebenländer, dafs „sie sich zu seiner GemahHn und seiner klaren, göttlichen, angestorbenen Gerechtigkeit

einzelnen Ausdrücken ganz ähnliches Schreiben an Rat und Gemeinde der Stadt Liegnitz. Er ermahnt sie, falls andere Fürsten sie anlangen sollten, so sollten sie sich in keiner Weise verleiten lassen, sondern zu ihm und der Krone Zuflucht haben in ihren Sachen und Notdürften; widrigenfalls werde er und die Krone sie zum Gehorsam bringen. (Palacky, Urk. Beitr. S.117.)

HO

neigen und ck-r l)eständig sein möchten"'); aber sel1)st diese zeigten keine Neigung, auf seine Wünsche einzugehen. Und als er ( i . März 145S) durch eine besondere Gesandt- schaft vor dem zu Prag versammelten Landtage seine Werbung um die Krone Böhmen vorbringen liefs, ant- worteten die Böhmen dadurch, dafs sie sofort am folgenden Tage Georg Podiebrad zum Könige erwählten'').

■*) Verzeichnis Oberlaus. Urkumlcii II, 83.

") Vergl. Knothe, Rechtsgeschichte der Obcrlausitz, S. 136.

Johannes Reusch von Eschenbach,

Humanist, Theolog, Mediziner. Von

Otto Giemen.

Nach der berühmten Disputation auf der Pleifsenburg zu Leipzig zwischen Eck, Carlstadt und Luther kam die Feindschaft, die schon längst zwischen den beiden Uni- versitäten Leipzig und Wittenberg geherrscht hatte, zum offenen Ausbruch. Schon während der Disputation hatten sich Luther und seine Freunde über schlechte Behandlung seitens der Leipziger zu beklagen. Während sie Eck mit Ehrenbezeugungen und Geschenken überhäuften, oft ein- luden und zu Spazierritten abholten, ignorierten sie Luther und seine Kollegen geflissentlich, begrüfsten und besuchten sie nicht, sondern behandelten sie wie verhafsteste Feinde, kaum dafs sie ihm den Ehrenwein reichten. Nur zwei Professoren luden ihn zu Tisch : der Jurist Dr. Simon Pistoris und der berühmte Humanist und Arzt Dr. Heinrich Stromer^). Bald darauf erschienen auch in Leipzig ein paar überaus gehässige, gegen die Wittenberger gerichtete Streitschriften, so von dem Reisebegleiter Eck's, dem Benediktinermönch Ulrich Schul(t)her(r) von Bu(o)ch"-), ferner von Johann

1) Luther an Spalatin 20. Juli 1519 bei Enders, Dr. Martin Luthers Briefwechsel II, 85. Köstlin, Martin Luther I\ 269.

-) Vergl. meinen Aufsatz: Litterarische Nachspiele zur Leipziger Disputation, in den Beiträgen zur sächsischen Kirchen-

I 12

Ccllarius aus Kundstadt in Franken, der im Sommer als I.ehrcr der lichräischen vSprache yjewonnen worden war"), endlich und das waren die denkbar jämmerlichsten Machwerke von dem kleinen Gernegrofs Johann Rubeus*). Der Rektor des Sommersemesters Arnold Woestefeldes sah sich geradezu genötigt, eine Art Entschuldigungsbrief an die Wittenberger Kollegen zu schreiben ; derselbe war aber in so frechem Tone abgefafst, dafs diese sich nur noch mehr verletzt fühlen mufsten und beinahe einen geharnischten Protest erlassen hätten'''). Da die Eifersucht der Leipziger Universitätsmitglieder gegen die Wittenberger Rivalin all- gemein ])ekannt war, war es kein Wunder, dafs man für diese Schmähschriften die ganze Leij)ziger Gelehrtenwelt verantwortlich machte. ,,Lips barbara tellus" erscholl es von neuem, und in mehreren Flugschriften aus dieser Zeit, besonders in Pirkheimers Eccius dedolatus, wurden die Leipziger Dunkelmänner weidlich verspottet. Dies ver- anlafste einen jungen Leipziger Magister, der, obgleich kein Leipziger Kind, doch von einem wirkhch rührenden Lokal- patriotismus für die gute Stadt erfüllt war, eine Ehren- rettung der Stadt und Universität zu versuchen. Im August 1520 erschien bei Martin Landsberg eine epistola apologetica

geschichte XII (1898), 57, ferner Wiedemann, Dr. Johann Eck (Regensl)ur<^ 1865) S. 93. Vielleicht identisch mit dem Winter 1482 immatrikulierten Ulricus Scholer de Feltkirchen (6. März 1484 l)acc. artiura; Matrikel der Universität Leipzig, herausgegeben von Erler I, 333. II, 286).

^) Litterarische Nachspiele S. 62 ff. G.Bauch in der Zeit- schrift für Kirchengeschichte XVIII, 400 f.

•*) Litterarische Nachspiele S. 70 ff. G. Bauch S. 401 f.

^) Luther an Spalatin 15. Oktober 1519 und an Mosellan Juli oder August 1520 (Enders II, 201, 452). Über Woestefeldes vergl. [Virgilius Wellendorffer Saltzburgensis] Annotatio peregrina ad (lei cultum exiguamque nonnullorum scholasticorum comme- morationcm in apricum procedit foeliciter, Leipzig, Woltgang Stöckel, 1516, fol. Aij Ij, Enders II, 74 Anm. 2 und Brieger in den Beiträgen zur Reformationsgeschichte, Köstlin gewidmet (Gotha 1896) S. 39 Anm. 3.

"3

in Lypsiomastigas von Johann Rensch aus Eschen- bach«).

Voraus geht ein Vorwort von dem bekannten Andreas Propst aus DeHtzsch'^), Reusch bricht hier in bittere Klagen aus über die Verleumdungssucht der Hasser aller Gut- gesinnten, die jetzt so weit ginge, dafs sie selbst gegen die Leipziger, bei denen doch die schönen Wissenschaften zuerst von ganz Deutschland ihr Haupt erhoben hätten, unauf- hörlich Schimpf- und Schmähreden schleuderten. Da sie die Büroferschaft und die Universität mit nichts anderem 'zu ärgern wüfsten, rezitierten sie oft in Gesellschaften, bei Gastmählern und sonstwo, das Distichon, das Eobanus Hessus gegen die „Erasmusgeifseln" gedichtet:

Seimus item Rubeo quid debeat inclyta Lypsis, Quo si semel cacat, non ruhet ethna magis**).

Gegen sie habe er diese Apologie geschrieben, die er dem langjährigen hochverdienten Universitätslehrer widme, dessen vielseitio-e Gelehrsamkeit seine vortrefflichen Vor- lesungen bezeugten, sowie auch die Schüler, deren aus seinen Kollegs mehr hervorgegangen seien, als Griechen aus dem trojanischen Pferde.

Darauf beginnt die epistola, datiert: Leipzig, aus dem Fürstenkolleg, 13. August 1520. Tugendhafter Wetteifer

ö) Epistola apolo / GETICA lOANNIS REV-/SCHII FONTANI IN / LYPSIOMASTIGAS / Eiusdem Aegloga in Eduardum / Leeum Erasmi Calumniatorem ,' Titelbordüre die bei Dommer, Lutherdrucke auf der Hamburger Stadtbibliothek 1516 1523 (Leipzig 1888), 247 f. unter Nr. 97 beschriebene. 12 ff. 4*0. la^J weifs. Druck von Martin Landsberg in Leipzig. Panzer, Annales typographici VII, 214 und 759. Seidemann, Beiträge zur Reformationsgeschichte I (Dresden 1846), 10.

■'j Über ihn vergl. G. Bauch, Geschichte des Leipziger Frühhumanismus (XXII. Beiheft zum Centralblatt für Bibliotheks- wesen, Leipzig 1899) Register s. v.

8) In Eduardum Leeum quorundara e sodalitate literaria Erphurdiensi Erasmici nominis studiosorum epigrammata, Erfurt, Job. Knappe 1520, fol. Ciii'. (.Krause, Helius Eobanus Hessus,

Gotha 1879, I, 305 ff.)

8

II. I

oder auch übermäfsiger Ehrgeiz, so hebt Reusch an, er- zeugen oft heimUchen Groll und Feindseligl^eit. Was aber mag euch, Hasser der Guten, zu euerm Zorn gegen unsere Universität veranlafst haben? Nicht gegen eine oder die andere Privatperson, sondern gegen eine ganze Universität verspritzt ihr euer Gift, gegen schuldlose Männer, denen ihr zu Dank verpflichtet seid. Ich werde euch heftiger erwidern müssen, als ich mir eigentlich vorgenommen. Patriotismus treibt mich dazu. Denn wie einst Cato, der zu Tuscuhmi, Cicero, der zu Arpinuni geboren wurde, in Rom heimisch geworden sind, so l)in auch ich, der ich ein Noriker von Geburt bin'*), auf die Leipziger Universität aufgenommen worden. Wie grund- und sinnlos euer Hafs ist, werde ich euch zeigen, indem ich Leipzig in seinem ganzen Glänze vor euch erscheinen lasse: seine schöne Lage, die feine Bildung seiner Bürger und die glückliche Entwickelung seiner Universität. Diese Dispo.sition, ja den gröfsten Teil seines Gedanken- und Wortschatzes hat Reusch der Lipsica Hermanns von dem Busche entlehnt. Und wenn der neueste Herausgeber dieses Städtegedichts als besonderes Charakteristicum jenes Wanderhumanisten hervorhebt: ,, Seine Hauptstärke liegt darin, an jedes Objekt der Betrachtung eine anticpiarische Reminiscenz anzuknüpfen, kein Gegenstand l)leibt ohne Parallele aus der Mythologie und Altertumskunde" , so trift't das auch auf unsern Yvv- fasser zu'").

Leipzig ist unter den Städten des Meifsner Landes die bedeutendste und reichste. Hier weht die reinste und mildeste Luft, keine Sumpfgase giebt es hier, noch in

") S. unten Anm. 29.

"') Helius Eol)anus Hessus Noriberga illustrata und andere Städtegedichte, herausgegeben von Joseph Neff, Berlin 1896 (Lateinische Litteraturdenkmäler des 15. und 16. Jahrhunderts, herausgegeben von Max Herrmann), Einleitung S. XXVJII. riiilippus Novenianus gab 1521 die Lipsica mit Scholien neu heraus (Titel bei N e W S. XXXII B) und erwähnt toi. Hij >> Reusch's Schrift. Über Novenian vcrgl. O. Gün th er, Plautuserneuerungen

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Bergesschachten eingeschlossene Gase, die die ab- und zu- gehenden Menschen vergiften könnten. Ringsumher breitet sich eine schier unüberselibare Ebene aus, Felder und Fluren so reich an lieblichen Früchten allerlei Art und an duftigen Gärten, dafs nicht einmal das thessalische Tempe oder die zweimal im Jahre tragenden Obstbäume des Alkinous den Vergleich aushalten. Ich übergehe die herr- lichen Wälder und Wiesen, die nicht hinter dem Idagebirge und Lyciens Wäldern zurückstehen. Ich übergehe die vier Flüsse der Stadt: Pleifse, Elster, Luppe und Parthe, welche die ganze Umgegend mit göttlichem Segen tränken, so dafs die Ziegen ü])pige Weide finden. Die Stadt hat ferner grofsartige öffentliche und private Gebäude aufzu- weisen. Die Lebensmittel sind in Hülle und Fülle vor- handen und billig zu haben. Wein und Bier giebt es reichlichst. Getreide wird in öffentlichen Speichern in solcher Menge aufgeschüttet, dafs, wenn eine Hungersnot ausbräche, nach Leipzig, als der Kornkammer des ganzen Meifsner Landes, alles zusammenströmen würde. Ich über- gehe die Herden von Schafen, Ziegen, Rindern und Pferden. Aber nicht übergehen kann ich (ein eigentümlicher Salto mortale!) die Höflichkeit, FreundHchkeit und Geselligkeit seiner Bürger. Selbst die Kaufleute, die ohne Ruh' und Rast dem Gewinne nachjagen, gönnen sich in Leipzig eine Ruhepause und erholen sich hier in angenehmster Weise. Diese Freundlichkeit der Bewohner hat zuerst die Kauf- leute aus der Nachbarschaft, dann aber auch aus weiterer Ferne herbeigelockt, so dafs sie hierher wie zu einem Emporium Sjoaniens ihre Waren brachten vmd hier zum Verkaufe ausstellten. Schon seit Jahrhunderten werden in

in der deutschen Litteratur des 15. 17. Jahrhunderts (Leipzig 1886) S. 81, Lemmens, Pater Augustin von Alfeld (Freiburg i. B. 1899) S. 98. Er wurde Winter 151 3 als Philippus Newkam Hasfordiensis immatrikuliert, 4. September 15I5 bacc., 28. Dezember 1519 mag. artium, 18. Mai 1525 bacc, 22. Juni 1525 lic., 17. März 1528 Dr. med. (Matrikel I, 530. II, 503, 544, 74, 75) und war eng befreundet mit Christoph Hegendorfer.

8*

ii6

Leipzig dreimal im Jahre die Erzeugnisse von Nürnberg, Venedig, Sidon, Memphis, Pergamon und anderer reicher Städte feilgeboten. Die gröfste Zierde der Stadt ist die Universität. An ihr haben gewirkt: Jacobus Publicius, Priamus Lilibetus, Petrus Aeolicus, Marcus Italiens, Lupinus Vigilantius, Baptista Guarinus, ferner zu unserer oder kurz vor unserer Zeit: Hermann von dem Busche, Richardus Sbrulius, Johannes Sturnus, Ulrich von Hütten, Eobanus Hessus, Richardus Crocus, Tranquillus Parthenicus An- dronicus u.a. "). Sie alle denken in herzlicher Dankbarkeit an Leipzig zurück. Auch der Rat zeigte sich entgegen- kommend und erteilte den Universitätsangehörigen ver- schiedene Privilegien. Ferner befahl er den Wirten und Beutlern und Handwerkern, vor einem Gelehrten als wie vor einem göttlichen Wesen aufzustehen, und beschenkte die Leuchten der Wissenschaft mit den reichsten Stipendien und Gratifikationen. Zu besonderem Danke der Universität sowohl als dem Herzog gegenüber verpflichtet ist unser

") Über Jacol)us Publicius (Sommer 1467 immatrikuliert: mgr. Jacobus Publicii de Florcntia; Matrikel I, 264), Priamus Capotius aus Lilybäum auf Sizilien, Petrus Eolicus (wohl identisch mit dem Winter 1482 inskribierten: Petrus Nother de Windefs- heim; Matrikel I, 334), Richardus Sbrulius (Sommer 1511: mgr. Brullius fSbrullius, Sbrulius] Wyttenbergensis; Matrikel I, 510) vergl. Hauch, Früliliumanismus Register s. v., über letzteren auch Bauch in den Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte V, 12 und Gillert, Der Brief- wechsel des Conradus Mutianus (Halle 1890), Register s. v. Über Johann Sturnus (Winter 1510: dns. Johannes Stornus de Schmal- kaldia poeta laureatus; Matrikel I, 507) Krause, Hessus I, 117 und Gillert II, 268. Sommer 1503: Hermannus Buschius ]\lünasteriensis (Matr. I, 451). Winter 1507: Ulricus Hultenus de Buchen (ebd. 483). Winter 1513: dns. Eobanus de Franckenberck magister Erfordensis (ebd. 530; Krause I, 116). Sommer 1515: mgr. Richardus Crocus Britannus Londoniensis equestris onlinis, qui Cirecas professus fuit litteras (Matr. I, 539). Sommer 1518: Trancjuillus Parthenius Dalmata poeta et orator (ebd. 564). Beachtenswert ist, dafs Riaiscli es nicht für c)p])ortun halt, (Um Krakehler Asticami)ian hier mit zu nennen.

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neugewählter Rektor (Petrus Mosellanus)'-). Kurz vor seinem Amtsantritt ist er Kollegiat des grofsen Fürsten- kollegs geworden ^'^). Ich brauche ihn nicht erst zu preisen, weil es schon in unübertrefflicher Weise Dr. Stromer gethan hat^*). Solchen Gelehrten verdankt die Universität ihre jetzige Blüte, nachdem die Barbaren ausgepfiffen und die Sophisten zum Styx verdammt worden sind. So schnell hat sie sich vergröfsert, dafs viele Studenten nach Ingol- stadt, Heidelberg, Frankfurt, Wittenberg haben auswandern müssen (eine merkwürdige Verschleierung der Thatsache, dafs nach der Leipziger Disputation die Frequenz der Universität mehr und mehr zurückging!). Viele Fürsten und Städte lassen Jünglinge avif eigene Kosten hier studieren, um sich in ihnen tüchtige Prediger und Juristen heran- zubilden. Der Kardinal Melchior von Meckau hat der Universität ein Kapital von 4000 Gulden geschenkt '"'*). Unter den Gönnern der Universität ist ferner besonders zu nennen der gelehrte Abt von Altzelle, Martin von

1^) Gewählt am 23. April 1520, trat er sein Amt am 15. Mai an. O. G. Schmidt, Petrus Mosellanus (Leipzig 1867) S. 65.

'■■') Schmidt S. 64. Felician Gefs, Leipzig mid Witten- berg, im Neuen Archiv f. Sächsische Gesch. u. Altertumskmide XVI, 72.

1^) Henrici Stro-/ meri Aurbachi Medici Ser- / mo panegyricus, Petro Mosellano, quo / die Lipsensis Academiae Rector / procla- matus est, dictus. Cui / adiecta est oratio Petri / Mosellani, de Con- / cordia, ... Titelbordüre Dommer Nr. 90. 12 ff. 4*0. 12'i weifs. Vorwort Stromers an Nicolaus Demuth, Propst des Neuen Werks vor Halle (abgedruckt Böcking, Opera Hutteni

I, 343f.l; Demuth immatrikuliert Sommer 1511, bacc. art. 11. Sep- tember 1512, mag. art. 28. Dezember 1514: Matrikel I, 509.

II, 474, 499; vergl. Enders II, 384. IV, 124, 130, 134, Kawerau, Briefwechsel des Justus Jonas I, 82. II, 97, Hülfse, Die Ein- führung der Reformation in der Stadt Magdeburg, Magdeburg 1883, S. 11), datiert: Leipzig, i.Juni 1520. Druck von Melchior Lotter in Leipzig.

''') Cod. dipl. Sax. reg. II, 11, Nr. 237. Gefs S. 65.

ii8

Lochaii^"). Wie wollt ilir, unsere Feinde, also euer zügelloses Schimpfen entschuldigen? Glaubt ihr etwa deswegen dazu berechtigt zu sein, weil unsere Theologen über den Parteien stehen, sich nicht blofsstellen und nicht der Welt zu Gefallen auch nur fingersbreit von der Kirchenlehre abweichen wollen? Sie halten sich in vorsichtiger Reserve, und, nach- dem die Scholastiker längst verblümt sind, traktieren sie fleifsig die Evangelien und Paulusbriefe (auch eine sehr naive Beschönigung!). Jedenfalls al)cr müfstet ihr unsere Juristen uikI Mediziner respektieren. Hochberühmt ist die familia Pistoriensium , der Vater ist ein reicher Arzt, der Sohn ein weiser Gesetzesausleger ^'). Ferner nenne ich nur noch Dr. Stromer, den Ulrich von Hütten über Hippokrates und Äskulap stellt, den Erasmus, Melanchthon und Mosellan, aetatis nostrae triumviri, rühmen und den der Erzbischof von Mainzj dessen Leibarzt er ist, überschwänglich ehrt. Aufser ihm giebt es hier noch viele Ärzte, Theoretiker und Praktiker, von solcher Erfahrung, dafs nicht blofs das Meifsner Land, sondern ganz Deutschland ihren Rat einholt. Auch gegen die Philosophen ist nichts Triftiges einzuwenden ; sie stellen längst die heilijre Schrift über Aristoteles. Da hält mir einer den unglückseligen Rubens vor; der hätte uns alle diese Angriffe und Beschimpfungen eingebracht. Ich danke dem Jemand, dafs er den Grund des Hasses und Neides aufo-edeckt hat. Aber wie? Scheut ihr euch nicht, wegen eines solchen elenden Windbeutels so viel gelehrte und ]:)eredte Männer zu schmähen? Für uns ist Rubens Luft! Ihr sagt, unsere Professoren hätten seine Schriften i^ebilli^t und ofehörten deshall) in den Katalog der Dunkelmänner. Ich versichere euch: wir Leipziger sind wirklich zu klug, als dafs wir mit der Lektüre seiner Machwerke Zeit verschwenden könnten. Es kann uns doch

'") Enders II, 499 ', wo auch die ältere Litteratur angegeben ist; dazu O.G.Schmidt, Mosellanus, passim, Ludwig Schmidt im Neuen Archiv XVIII, 202, 204 f., 208, 216, 219 f., 223 t., Kawcrau, Hieronymus Emser (Halle 1898) S. 20.

'") Endcrs II, 89'-^ Seidemann, Beiträge I, 31 -.

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unmöglich zur Last gelegt werden, dafs er, nachdem er seine Schulkinder angeödet ^^), ein Weilchen in Leipzig sich umhergetrieben hat! Wer sollte sich wundern, dafs hier unter so edeln, rechtschaffenen und ruhmvollen Männern auch Leute wie Thersites und Rubevis aufwachsen, wo doch auch unter Rosen Dornen, unter lachender Saat Lolch und Burzeldorn aufschiefsen ! Bedenkt, dafs Leipzig ein Asyl gewesen ist für diejenigen, die infolge der Umtriebe Hus' umherirrten, und ein Hort gediegener Gelehrsamkeit von jeher! Lebt wohl und bedenkt jenes Wort des Jacobus (4, 9): Klaget und weinet, euer Lachen verkehre sich in Weinen und eure Freude in Traurigkeit!

Der Lokalpatriotismus inspiriei'te später einmal unsern Reusch auch zu einer dichterischen Leistung. Wir haben von ihm, freilich nur handschriftlich, ein Gedicht, in dem er das auf einer Elsterinsel in idyllischer Umgebung neu- gebaute Jakobskirchlein besingt und den Pfarrer^-*) desselben glücklich preist, dafs er aufserhalb des städtischen Getriebes in ländlicher Stille wohnen, im kühlen Gras sein Mittags- schläfchen halten, dem Vogelgesang und Wellenrauschen lauschen darf. Lehnt sich das Gedicht'-^) auch wieder unverkennbar an Busch's Lipsica an und ist es auch formell nicht durchaus glatt und unanstöfsig, so enthält es doch neben vielem Konventionellen und Gemachten auch echte Empfindung und ein paar glückliche Einfälle und reizende Schilderungen. Jetzt freilich flutet dort, wo einst Weiden, Maulbeerbäume, Pappeln, Erlen die Ufer der von Fischen wimmelnden Elster umschatteten, Nachtigallen sangen, Turteltauben, Schwalben und Störche in dichtem Gesträuch

1*) Nach dem Dialogus mire iocosus in Rul)ei laudem conscriptus, Titelrückseite (Zeitschr. für Kirchengeschichte XVIII, 401 f.) war R. einige Zeit Schulmeister in Halle.

1^) Er wird in dem Gedichte Settlerus genannt. Ein Martin Zedeler kommt als Pleban 1521 und 1522 vor. Vergl. Gretschel, Kirchliche Zustände Leipzigs vor und während der Reformation im Jahre 1539 (Leipzig 1839) S. 107.

■^•^j Beilage Nr. III.

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nisteten, wo an heifsen Sommertagen die Leipziger Jugend badete, in Vollmondnächten aber die Musen ihren stillen Reigen tanzten und Diana ermattet, von der Jagd bestaubt, in (he kühlen Fluten tauchte, jetzt flutet auch dort der lärmende Strom des grofsstädtischen Lebens dahin und nicht einmal der Ort, da einst die Jakobskirche stand, ist festzustellen'-^).

Am 27. Oktober 1524--) schrieb Reusch betreffs dieses Gedichts an Stephan Roth aus Zwickau, den er von der gemeinsamen Leipziger Studienzeit her kannte und der seit Beginn des Wintersemesters 1523/24 in Wittenberg sich aufhielt, studierend und dozierend-^). Aus dem Briefe geht hervor, dafs Reusch das Gedicht erst an Melanchthon zur Begutachtung geschickt, dieser aber, weil mit anderen Geschäften überhäuft, es an Roth weitergegeben hatte. Dieser hat nun dem Leipziger Professor angeboten, die Drucklegung zu besorgen, und Reusch bittet ihn daraufhin, das Manuskript einem Drucker zu verkaufen und die Korrektur zu lesen, er für seine Person beanspruche nur zehn Exem- plare, die er eventuell sogar Roth oder dem Drucker be- zahlen will-*). Weshalb die Drucklegung nicht erfolgt ist, wissen wir nicht.

Seiner epistola apologetica hat übrigens Reusch noch ein decastichon und ein tetrastychon in Lypsiomastigas beigegeben und aufserdem die Gelegenheit benutzt, zum Erweise seiner Gesinnungstüchtigkeit dem Engländer Eduard Lee, gegen den damals die ganze Schar der An-

-\) Gretschel S. 107: gegenüber der Angermühle. Cor- nelius Gurlitt, Beschreiliende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkraäler des Königreichs Sachsen XVll (1895), 201 : am Ostende des Ranstätter Steinwegs.

2-) Beilage Nr. V.

-") Georg Müller, Mag. Stephan Roth, in den Beiträgen zur sächsischen Kirchengcscliichtc I, 57.

-') Vergl. Luther an Link, 5. Juli 1527, Enders VI, 67 und dazu .Str()1)c], Beiträge zur Littcratur besonders des 16. Jahr- hunderts II, I (17861, 199 ff.

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bänger des Erasmus mobil gemacht hatte, ein paar Hiebe zu versetzen, Lee hatte bekannthch an Erasmus' orriechi- schem Neuen Testament Kritik zu üben sich erlaubt und gegen 300 Fehler aufgestochen. Darüber erhob die ganze Humanistenwelt ein grofs Geschrei. Im Mai 1520 erschien die Sammlung von Epigrammen einiger dem Erasmischen Namen ergebenen Mitglieder der Erfurter litterarischen Sozietät'-'^), das Angriffssignal nennt sie der Leipziger Humanist Andreas Frank von Kamenz, der auch selbst nebst Franciscus Faber aus Ottmachau, dem Dichter des Sabothus und der Bohemia und sjoäteren Stadtschreiber in Schweidnitz und Breslau, einige Distichen in Leei im])udentiam lieferte-*^). Dann erliefs Hütten einen ver- nichtenden Fehdebrief gegen den Löwener Gelehrten-'), aufserdem wurde er im Hoo-stratus ovans und anderen Flugschriften jener Tage an den Pranger gestellt, und so durfte Erasmus am 2. AugTist 1520 höchst befriedigt an Johann Fischer, Bischof von Rochester, schreiben: ,,Ganz Deutschland wütet gegen Lee, so viele Schriften kommen zum Vorschein!"-^) Auch Reusch glaubte pflichtschuldigst seine Entrüstung' äufsern zu müssen. Er hat einen panz amüsanten Dialog zwischen einem Leeianer und einem Eras- mianer beigefügt. Rubius (hinter dem natürlich Rubeus steckt) preist die Schriften des Engländers, die durch Gottes Fügung jetzt den Erdkreis erfüllten, und meint, eher würde man schuppige Fische auf den Bäumen fangen und Hirsche mit vielendigem Geweih in den Lüften jagen, als dafs Lee dem Erasmus weiche. Lollius erwidert schlagfertig: Eher wird das Weltall aus den Fugen gehen und Gott die

^^) Krause, Hessvis I, 305 ff. Kampschulte, Die Uni- versität Erfurt in ihrem Verhältnisse zu dem Humanismus und der Reformation I (Trier 1858), 254 ff.

-'') Vergl. meinen Aufsatz im Neuen Archiv f. Sächsische Gesch. XIX, 106 f.

") Straufs,Ulrichv.Hutten, 4.— 6.Aufl. (Bonn 1895), S. 3 10 f. Böcking, Hutteni operum suppl. I, 463 fif.

2*) Citiert bei Krause S. 308.

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Himmelslichter zerschmettern, als dafs Lee den tapfern Eras- mus hinterlistig bezwänge, und schliefst mit dem Wunsche: Du Ausbund alles Schändlichen und Schlechten, dem phlegethontischen Sumpfe entstiegen, entsandt, stygisches Gift zu verspritzen , hüte doch lieber die Ziegen und Wolle tragenden Schafe! An diesen Dialog schliefst sich noch folgende fürchterliche Drohung gegen Lee: Dir werden Brontes und Steropes (blitzeschmiedende Kyklopen) mit ihren Eisenhämmern die Eingeweide zerstampfen und dich dann in die Unterwelt stürzen. Dort werden dich Stiere, Feuer schnaubend aus weitgeöffneten Nüstern, und Blitze schleudernde Hunde empfangen. Darauf wirst du die grimmigen Schläge der Furien auf deinem elenden Kücken verspüren am bleichen Gestade des stygischen Zeus, nach dessen Urteil dir der Nacken mit loo Ketten beschwert werden wird zur Büfsung ewiger Strafe.

Es empfiehlt sich, einstweilen hier innezuhalten und das wenige nachzutragen, was wir über die Herkunft und Studienzeit Reusch's wissen. Er stammte aus Eschenbach ob aus dem Geburtsorte Wolframs (im Bezirksamt Gunzenhausen des bayrischen Regierungsbezirks Mittel- franken) oder aus dem nördlich von Amberg gelegenen Städtchen, läfst sich nicht ausmachen^'*). Im Sommer- semester 15 12 wurde er als ,, Joannes Rewfs de Eschenbach" immatrikuliert und erwarb sich am 4. März 15 14 die Würde eines baccalaureus, am 23. Dezember 15 16 die eines magister artium'"'). Zu seinen Lehrern gehörte vor allen der wenige Jahre ältere treffliche Humanist Johann Lange von Löwen- berg in Schlesien, der später zur Medizin überging, übrigens auch in der Reformationsgeschichte begegnet, da er die

-") Auch die Notiz in der epistola apologctica fol. Aij '' : „qui Noricis Colonis natalem meum acceptum refero" giebt keinen genaueren Anhalt.

30) Matrikel I, 516. II, 489, 516.

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Schlufsrede zur Leipziger Disputation am i6. Juli 15 19 hielt ■^'). Ihm, als seinem Phönix so hiefs ja der Lehrer des Achilles in der Beredsamkeit und Kriegskunde, der den Helden dann auch in den trojanischen Krieg be- gleitete — widmete Reusch sein Erstlingswerk, eine bei Jacob Thanner 15 16 erschienene Folioausgabe der pseudo- ciceronianischen Rede in Valerium"^-). Das Vorwort ist datiert: Leipzig, aus dem Frauenkolleg, am 15. Juli 15 16. Es beginnt mit einer Klage darüber, dafs so viele klassische Werke verloren gegangen oder doch nur fragmentarisch oder korrupt erhalten seien. Geradezu als Langianus be- zeichnet sich RevTSch in einem Begleitgedicht zu der 15 16 bei Valentin Schumann erschienenen: Artificiosa memoria in omni scibilium genere proiicere volenti per Jacobum philippum de ysabellis Tridentinum'^'^). Ebenso wie sein Lehrer hat er ferner ein Epigramm beigesteuert zu der

^') Vergl. meine Bemerkungen im Neuen Archiv XIX, 96 Anm. II. Ein Exemplar jener Schlufsrede (Leipziger Universitäts- bibliothek, Kirch.-Gesch. 948 Nr. 6 ) trägt die eigenhändigeWidmung des Verfassers an den Rektor Woestefeldes (Brieger a. a. O. Anm. 4), ein anderes (Libri sep. 4078) die folgende: Excellentissimo ac Nobili viro Alexandro de Zcweman vtriusque iuris doctori prudentiss: fautori suo integerrimo. Über letzteren vergl. Seidemann, Die Leipziger Disputation im Jahre 1519 (Dresden und Leipzig 1843) S. 34 Anm. u. O.G.Schmidt, Mosellanus S. 54. Ein geistreicher Brief Langes an Stephan Roth in der Zwickauer Ratsschulbibliothek (M. i).

"'-) M. Tullij Ciceronis in Vale / rium oratio elegantissima : ab edaci hactenus sub- / lata vetustate : plerisque non adiecta Ciceronis voluminibus: seueri- / ori tandem lima a complusculis vindicata mendis: in lucem prodit. , 8 ff. fol. 8'' weils. 8a unten: Impressum Liptzk per Jacobum Thanner Herbipolitanum. / Anno domini INIillesimo quingentesimodecimosexto.

*''') Artificiosa Memo- / ria in omni scibilium genere pro- ficere / volenti vtilissima per Jacobum philippum de ysabellis Tridentinum ' Artium magistrum congesta Abonbora. / 4 ff". 4*0. 4a unten: Valentinus Schumannius Lypsick Impressit. 15 16. Näheres über diese Schrift in den Monatsheften der Comenius- Gesellschaft IX, 116 Anm. 4. Reuschs Gedicht ist unter den Beilagen als Nr. I abgedruckt.

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1 5 1 7 ^ci Wolfgang Stöcke! gedruckten Artificiosa memoriae institutio des Magisters Matthias Weifsmann aus Zwickau"^^).

15 18 besorgte Reusch eine Ausgabe von dem Plato zu- geschriebenen Dialog Epinomis, die bei Jacob Thanner mit einer Vorrede an Georgius Dottanius aus Meiningen herauskam ■'■'*). Er Ijcriclitct liierin, kürzlich sei er auf Piatos Werke gestofsen und habe da einen solchen Ge- dankenreichtum, eine solche erfreuliche Ernte an allerhand l''rüchten gefunden, dafs er wie gebannt lange sich liin und her überlegt habe, ob er seine eigene Achtlosigkeit oder die Mangelhaftigkeit der Lehrer, oder alles beides, was wohl das Richtige sein dürfte, beschuldigen sollte, dafs er, bisher von Piatos Akademie ausgestofsen, so lange der dunkeln, um nicht zu sagen barbarischen Philosophie des Aristoteles nachg-eorano-en sei. Plato überraofe den Stagiriten so weit, als das Göttliche als erhabener und umüissenderer zu gelten habe als das Natürliche. Seine Lehre stimme auch wunderbar mit dem Inhalt des christ- lichen Glaubens überein; mit Recht habe ihn Origines den zweiten Moses genannt. Besonders schöne Gedanken ent- halte die vorliegende Schrift, die er nach Mafsgabe seiner Fähigkeiten zu erklären versuchen wolle. Er dediziere die Ausgabe Dotte, um bei begegnenden Schwierigkeiten bei

'■•) Artifitiosa Memo- / rie Institutio magistri Mathie Leuco / manni Cygnei : ad reipub. literarie vtilitatem studi- / ose congesta. cunctis grauissimorum studiorum cu / pidis , non minus vtilis (juam necessaria. / Darunter ein Epigramm Johann Langes, dann : Lipsi impressit Baccalaureus Vuolfgangus Monacensis. / 10 ff. 4*0. Titelrückseite Vorwort Matthias Weifsmanns. Aija das unten als Beilage Nr. II abgedruckte Gedicht Reuschs. Über Weifsraann vergl. meine Notizen in den Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend VI, 22 f.

^'') Epynomis: id- est: Icgum appendix vel phyloso ; phus Piatonis: De vera / sapientia et humana foe / licitate non tam vtilis/ quam neces.sarius : / Titelliordüre. i6ft". 4*0. i6b weil's. 16:1 mitten: Lip.siae In aedilnis Jacobi Thanners ; Anno domini. M. D. XIIII. Piatonis leges et epinomis rec. Stallbaum III, 441 ff. Über Dotte vergl. G. Bauch, Geschichte des Leipziger Früliluimanisinus, Register s. v.

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ihm Rats sich holen zu dürfen, denn neben Andreas Propst sei dieser jetzt der bedeutendste Universitätsdozent. Diese Edition sollte als Grundlag-e für ein Kolleg- über die Epinomis im Wintersemester 15 18 dienen. Als eine Art Einleitung oder Propädeutik schickte ihr Reusch eine de- clamatio de vero philosopho et philosophiae origine ac partitione voraus, die bei Valentin Schumann im Druck erschien^*').

Auf dem Titel steht ein Gedicht unter der Überschrift: Tranquillus Parthenius Andronicus Dalmata lectori verum describit philosophum eine Anpreisung der stoischen andd^sia. Dieser Fremdling Mosellan nennt ihn in einem beweglichen Klagebriefe an Erasmus vom 6. Januar 15 19 einen gottlosen Gecken, den ein böser Wind aus Dalmatien der Universität zugetrieben habe war erst vor kurzem in Leipzig aufgetaucht. Am 23. August hielt er eine Antrittsrede de laudibus eloquentiae, die mit einem Vorwort an Veit Werler vom 25. August bei Melchior Lotter gedruckt wurde ^').

Auf der Titelrückseite steht eine Dedikationsepistel Reuschs, unterzeichnet: aus dem Fürstencolleg, i. Ok- tober 15 18, gerichtet an den reichen Kaufmann Johann

30) DECLA- / MATIO DE VERO PHILO- / SOPHO, ET PHILOSOPHIAE / ORIGINE, AC PARTITIO- / NE, lOANNE REVSCHIO / AVCTORE. / 10 ff. 410. lob weifs. lo» unten: Lipsiae ex aedibus Valentini Schumann / Anno domini Millesimo quin- / gentesimo octauodecimo. / Panzer VII, 206, 678 und IX 495, 678.

^''•) Oratio / De laudibus eloquentiae / Auetore Tranquillo Par / thenio Andronico Dal- / mata : in Gymnasio Lip- / sensi pronunciata. / Lipsiae, ex officina Melchioris Lottheri, / Anno M. quingentesimo decimooctauo. / 10 ff. 4*0. 10 weifs. Titelbordüre Dommer Nr. 88. Über den Verfasser vergl. Krause, Hessus I, 255 f, 289, G. Bauch in den Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte VI, 187! Ein Brief von ihm an Pirkheimer, Leipzig 3. Januar 1519, und ein Huldigungs- gedicht an denselben bei Heumann, Documenta literaria varii argumenti (Altorfii 1758) S. 321 ff.

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Meuer in Nürnberg"''''). Ihm sowie den Rat.sherren Sel)ald Sclireyer und Lazarus Holzschuher und dem Propst bei St. Laurentius Georg Behaim"^") wisse er sich zu grofsem Danke verpflichtet.

Die Rede enthält in ihrem ersten Teil eine begeisterte Lobpreisung der Bedürfnislosigkeit, Leidenschaftslosigkeit, Unabhängigkeit und Autarkie des wahren Philosophen, ver- breitet sich sodann übor llcrkunt't und Einteilung der Philosophie, führt einige der Meister auf den verschiedenen Gebieten der Wissenschaft vor'*^) und schliefst mit einer schwungvollen Apostrophe an die Kommilitonen: Ihr, liebste Jünglinge, seid jetzt viel besser daran als euere Väter. Danket Gott, dafs er euch in einer Zeit hat geboren werden lassen, in der die Wissenschaften blühen, und eine Stadt betreten, in der die schönste Weisheitshochschule offen steht, auf der es für jede Disziplin die besten Lehrer giebt; nächster T^ige wird man sogar in den drei Sprachen was zu einer vollkommenen Hochschule gehört hier Vorlesungen halten*'). Möchtet ihr, Jünglinge, einst euch, dem Vaterlande, den Eltern, dem ganzen Erdkreis zu Schmuck und Zierde gereichen! Gebt euch Mühe, dafs

'"') Will, Nürnbergisches Gelehrtenlexikon II, 602.

''") Im Text steht: „cum doctissimotheologo Joanne Fehaym." Doch ist der Vorname in dem einen (glossierten) Exemplar der Zwickauer Ratsschulbibliothek korrigiert. LHier Sobald Schreyer und Georg Behaim vergl. Will III, 581 t. und I, 86 f., über letzteren auch Friedrich Roth, Die Einführung der Reformation in Nürnberg 1517 1528 (Würzburg 1885) S. 98 und die Anm. 2 genannter Litteratur.

^") Unter den neueren werden hier genannt : Melanchthon, Conrad Geltes, „den Pirkheimer und Sebald Schreyer nicht nur bewundert, sondern zwei Jahre gastfreundlich beherbergt haben", Thomas Morus und Erasmus.

■") Nach dieser Stelle scheint Johann Cellarius schon im Winterhalbjahr 1518; 19 Hebräisch gelehrt zu haljen (Gefs im N(;uen Archiv f. Sächsische Gesch. XVI, 62). ]\Iitte 1518 hatte er Reuchlin in Zrll am Harmcrsbach besucht (Gillert II, 245 >•

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ihr bei den Nachkommen den Ruhm eines ehrenhaften Lebenswandels hinterlalst , und bedenkt, mit wie engen Schranken dieses Leben umgrenzt ist!

„Hernach nach dieser Disputation sind auch die jungen Magistri etwas küner worden, vnd haben aucli angefangen zu lesen in Theologia, dieweil sich die alten Theologi so verdrossen gemacht haben. Einer hat angefangen Matthenm zu lesen, als M. Camitianus*'^), der ander Marcum, als M. Reuschius, der dritte Lucam, als M. Hegendorfinus, vnd haben gelesen, was sie von Witteberg hinnüber be- komen haben. Dominus Mosellanus läse aber Paulum ad Romanos, vnd liefse sich niemand erschrecken." So be- richtet der ehrliche Sebastian Fröschel'''^), der im Sommer 15 14 die Universität Leipzig bezog, am 4. September 15 15 das Baccalaureat, am 29. Dezember 15 18 den Magistergrad erwarb, Michaelis 1522 aber nach Wittenberg übersiedelte, über den mächtigen Eindruck, den die siegesgewisse Bibel- festigkeit Luthers auf die jungen Leipziger Magister ge- macht hatte. Da die zünftigen Theologen und die ihnen ergebenen älteren Magister der Artistenfakultät von der alten sterilen Scholastik und dem ,, blinden, heidnischen Meister Aristoteles" nicht loskamen und die Bibel und Kirchenväter nach wie vor totschwiegen, so mufsten sie den Versuch machen, das Neue Testament aus dem Staube hervorzu- ziehen und die Studenten zu den echten, reinen Quellen zurückzuführen. Auch Reusch beteiligte sich, wie wir eben gesehen haben, an diesen coUegia philobiblica. Die Be-

*2) Andreas Frank von Kamenz; vergl. Neues Archiv f. Sächsische Gesch. XIX, 102.

'^^) Diese Stelle aus Fröscheis Vorrede zu „Vom Königreiche Christi" ist schon oft citiert worden, z. B. von Seidemann, Die Leipziger Disputation S. 141 Anm. und Beiträge I, 75. Über Fröschel vergl. neuerdings die fleifsige Monographie von O. Germann in den Beiträgen zur sächsischen Kirchen- geschichte XIV (1899), I 126, besonders 8 f., 16.

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rechtigung dazu erwarb er sich durch die Promotion zum Cursor am 7. Dezember 1^20**). Wir haben zwei inter- essante Briefe von ilim aus dieser glorreichen Zeit. Am 15. März 1520 schrieb er an Pirkheimer^'^): Nachdem die Pest wieder erloschen sei, blühe die Universität neu auf^"). Vorlesungen über jede Disziplin würden gehalten, besonders von den jungen Magistern. Petrus Mosellanus lehre aufs soro-fälticrste Lateinisch und Griechisch. Die Philosophen, schon öfter ermahnt, kehrten endlich zur \'ernunft zurück. Die Theologen freilich stäken noch immer in dem alten Kote. Sie seien unfähig, tabula rasa zu machen und neuen Samen auszustreuen. Luther gehe seiner Meinung nach

«) Matrikel II, 25.

*'^) Heumann S. 229—231. Das Citat aus Persius (der letzte Vers der 4. Satire) ist zu rektifizieren: Tccum habita, ut noris, quam sit tibi curta supellcx Persij Flacci nobi / lissimi Saty- rici vnicus, sed ele- , gantissimus satj'rarum liber. / Epigramm Buschs. Leipzig, Melchior Lotter 1512. fol. 10 a. Zeile 11 des Briefes lies nescio statt vestro.

*") Das Vorwort Mosellans an Herzog Georg zu seiner Übersetzung der Schrift des Agapetus an den Kaiser Justinian über die Pflichten eines guten Fürsten ist datiert: Ex Lipsia nunc post hoc pestis malum sopitum rectissimis studiis foelicissime reflorescente Idibus Februarijs Anno M. D. XX. Vergl. O. G. Schmidt, Mosellanus S. 61. Die Pest soll von August bis Ende November 1519 2360 Menschen weggerafft haben (Citat aus Vogels Annales bei Günther, Plautuserneuerungen S. 78). Auf der Rückreise von Trier erfuhr Mosellan in Erfurt pestilentiae un(li(|ue grassantis horrorem (an Julius v. Pflug 6. Dezember 1519, Jo. Schilter i de übertäte ecclesiarum Germaniae libri Septem [Jenae 1683] S. 841). Stromer floh damals cum dulcissima uxercula nach Altenburg (an Gregorius Coppus Calvus in Magdeburg, Altenburg 7. Januar 1520; Duac Epistole: Hen-/rici Stromeri Auerbachij : et Gregorij / Coppi Calui medicorum : . . . Leipzig, Melchior Lotter 1520, fol. Aüji^). Hegendorfer blieb in Leipzig und schrieb sich zum Tröste und zur Zerstreuung das encomium ebrietatis und encomium sobrietatis (an Stromer; Encomium Somni Christophe- , ro Hegendorffino au- , thore. / Titelbordüre, Leipzig, Schumann 15 19, Titelrückseite). Vergl. Günther S. 75. Die Universität war nach Meifsen ver- legt worden.

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mit zu wenig Bescheidenheit vor. Deshalb hielte sich Erasmus zurück. Und auch Melanchthon, der jetzt in geistreichster Weise die paulinischen Briefe erkläre, schiene ihm nicht durchaus beizustimmen. Schon aus diesem Briefe ersehen wir, dafs Reusch weit entfernt war, dem Wittenberger Reformator mit rückhaltloser Begeisterung zu- zujubeln, er verfolgte seine Schritte mit der herablassend- wohlwollenden, vorsichtig -abwartenden Sympathie, die die Erasmianer damals fast sämtlich beobachteten. Viel näher steht ihm der feiner gebildete, zaghafte Melanchthon. Von diesem hatte er durch den nach Wittenberg reisenden Sebaldus Münsterer ^'), den später berühmten Juristen, eine Anleitung erbeten, welche biblischen und patristischen Schriften er vorzüglich studieren solle. Da die Anfrao-e aber unbeantwortet blieb, wandte er sich am 5. Mai in dieser Angelegenheit an Johann Agricola von Eisleben, der seit dem Wintersemester 15 15/16 in Wittenberg weilte und durch seine Promotion zum Baccalaureus in bibliis am 15. September 15 19 in die Reihe der theologischen Dozenten getreten war; während der Leipziger Disputation hatte er Luther als Sekretär gedient und mochte bei dieser Gelegenheit mit Reusch bekannt geworden sein^^''). Jetzt

*'') Litteratur über ihn bei Buchwald, Zur Wittenl)erger Stadt- und Universitätsgeschichte in der Reformationszeit (Leipzig 1893) S. 27 Anm. 3. Sommer 1515: Sebaldus Munster de Nurunberga; 11. September 1516 bacc, 29. Dezember 1519 mag. artium (Matrikel I, 540. II, 514, 533 f.).

^*) G. Kawerau, Johann Agricola von Eisleben (Berlin 1881) S. 13, 21, 19 f. Angeblich existiert auch ein Brief Agricolas an Reusch. Adolph Brecher hat nämlich in der Zeitschrift für die historische Theologie 1872 S. 398 410 einen Brief eines Ungenannten von Ende März oder Anfang April 1525 (S. 398 Anm. 90) abgedruckt. An wen er gerichtet ist, steht dahin. Zwar wird der Adressat S. 409 ,carissime Reuschi' angeredet, aber unser Johann Reusch kann damit unmöglich gemeint sein, wie Kaw^erau S. 16 Anm. i vermutet, denn wenn man auch mit letzterem annimmt, dafs der Brief ,,nur ein Schüleraufsatz war, der unter Agricolas Anleitung als Stilübung gefertigt wurde", so durfte doch dieser keinesfalls Stellen durchlassen wie S. 403 :

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bat ihn dieser^"), ihm eine Abschrift jenes ersten Brieles Melanchthons an Johann Hefs in Breslau vom Februar 1520"'*^) zu Ijesorjien; denn in seinen Studien sei ihm nichts hindcr- licher als die Unkenntnis, in welcher Reihenfolge und nach welcher Methode er die biblischen Schriften behandeln solle. Zum Schlufs bittet ihn Reusch, Grüfse an Mclanchthon und Luther auszurichten, sowie an Hermann Tulichius, der, bisher als Korrektor in tlcr Druckerei Melchior Lotters beschäftigt, zwischen dem 2. und 9. Februar nach Wittenberg gekommen war'**^).

Die Begeisterun": für die Wittenberger Theologie sollte

Lypsia IMissorum, tVecjuens urbs, placet (vergl. auch S. 406 üljer Orlamündc, S. 407 über Jena) und S. 408: Inda (von Strafsburg aus) et in tuos quoque fines propagata est insanorum hominum amentia, Norlingae Judaeos adit (Subjekt: Carlstadt), convenit optimum iuvenem Pelicanum (Billican, Januar 1525, vergl. Enders V, iio Anm. 4 und Kolde in der Realencyklo- pädie für Theologie und Kirche'' III, 234) . . . Brecher sucht den Adressaten mit mehr Recht „am Mittelrhein, in der Gegend von Strafsburg oder Frankfurt, möglicherweise in Schwaben." Auch ob Agricola der wenn auch nur intellektuelle Urheber dieses Schüleraufsatzes ist, erscheint fraglich. Jene dritte Notiz S. 327, die Brecher als Hauptbeweis für die Autor- schaft Agricolas ausbeutet , ist ziemlich dunkel. Jedenfalls ist die hier behandelte Ehesache dieselbe wie die in dem Briefe, den Luther, Jonas, Bugenhagen und Benedict Pauli an Paul Lemberg, Abt in Sagan, schrieben: Enders V Nr. 890. Während dieser aber vom 20. Februar 1525 datiert ist, soll jene Ver- handlung am 13. Januar 1524 stattgefunden haben!

^") Der Brief ist unten als Beilage Nr. IV abgedruckt.

^ Corpus reformatorum I Nr. 62. Köstlin, Johann Hefs, der Breslauer Reformator, Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens VI, 110 f. Hefs seit Januar in Breslau: Enders ü, 394 •''".

''') G. Bauch in der Zeitschrift für Kirchengeschichte XVIII, 404 f. und in den Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte V, 16 f., Günther S. 73, 81. Sommer 1512: Hermannus Tulike de Steynheym (Matrikel I, 520).

131

bei Reusch nur kurze Zeit dauern. Er war viel zu sehr konservativer Erasmianer, viel zu wenig religiös -interessiert und opfermutig. Das Urteil, das er in dem jener flüchtigen Hurrahstimmung entstammenden Briefe an Pirkheimer über die Leipziger Theologen gefällt hatte, sollte auf ihn zurück- fallen: ,,Die Unsrigen bleiben in dem Dreck stecken, in dem sie lange gesteckt haben. Denn wenn es auch einigen nicht an Eifer zu den besten Vorlesungen fehlt, so können sie doch bei aller Anstrengung nicht erreichen, dafs nach Ausmerzvmg von Lolch und Unkraut Raum für eine Neu- pflanzung werde." In der epistola apologetica in Lypsio- mastigas, die er kurze Zeit nach jenem Briefe an Agricola, am 13. August 1520, beendigte, vernimmt man von den Stürmen, die die Zeit durchschüttern, nicht einen Hauch, Luther wird überhaupt nur einmal schüchtern erwähnt: in dem angehängten Dialog zwischen Rubius und Lollius triumphiert der Dunkelmann darüber, dafs Luthers Schriften, die das gewaltige Rom dem Gelächter preisgeben, binnen kurzem in Staub und Asche sinken würden"''-). Dagegen wird der Erasmuskritiker Lee zu Tode gehetzt und zum Styx verdammt, das kostete freilich nichts. Auch lautet das Urteil über die theologischen Oberkollegen hier sehr diplomatisch - versöhnlich. Trotzdem hat Reusch den Mut gehabt, jene Bescliwerdeschrift vom 23. Mai 1521 mit zu unterzeichnen, in der 18 junge Leipziger Do- zenten beim Rate und durch dessen Vermittelung bei den Herzögen Johann und Friedrich sich beklagen über die fortdauernden Chikanen der Theologiepro- fessoren, ,, welche nicht gestehenn vvollen, das etzhche namhafte unnd in theologia gelerte iun^e ma^istri forder lesenn mochten, ungeachtet das sie in yren lectionibus yre lectoria vleifsiger auditores vol haben unnd yrent-

■"'-) Fol.Ciija: Hoc mihi nil potuit contingere dulcius aevo Quam Roterodamum vulgo impietate teneri Scriptaque Martini vastam irridentia Rhomam In cineres casura brevi mortemque videre.

9*

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halben tlieiheniti'cn so in theolo<^ia studircn sicli last hie erhalten"''-'). Der leuchtendste Name unter diesen Unter- schriften ist der Mosellans, der im Sommer 1520 vor mehr als 200 Zuhörern über Aujrustin und im Winter vor etwa 300 Studenten über die paulinischen Briefe gelesen hatte"'*).

Nach dein Wormser Reichstatj:; wurde die Lag'e der Leipziger Reformationsfreunde immer schwieriger. Herzog Georg zeigte offenkundig, dafs er nicht gesonnen sei, die „verdammte lutherische Secte" in seinem Lande zu dulden. Im Frühjahr 1522 liefs er ein vom lO. Februar datiertes Edikt anschlagen, dafs ausgelaufene Mönche in weltlichen Kleidern, Weltpriester, die lutherisch predigten, Leute, die das Abendmahl suIj utraque genöfsen, gefangen gesetzt würden; wer Kinder auf ketzerischen Schulen hätte, sollte sie zurückrufen. In einem Ausschreiben vom 7. November verbot er Luthers Übersetzung des Neuen Testaments. Im Spätherbst kam er selbst nach Leipzig und zwang den damaligen Rektor, Andreas Frank von Kamenz, das Lesen der Schriften und der Bibelübersetzung Luthers, auch das Auslaufen zu den Ketzerpredigten in den Nachbarorten

^3) Cod. (lipl. Sax. reg. IT, 11 Nr. 321-323. Gels S. 77 f, 92. Germann .S. 14 f. Zugleich bitten die Unterzeichneten, dals „der wirdii^e unnd wolgelarte er IJominicus Schlauppner thumher zu Brel'slau", der „alhir etzliche gegrunte und glitte christliche sermones gethan", in Leipzig festgehalten werden möchte. Winter 1520: dns. Dominicas Slewpener canonicus ecclesie cathedralis Vratislaviensis decima quinta Novembris (Matrikel I, 575). Predigten, von ihm 1522 in Leipzig zu St. Georg gehalten, von Polianders Hand geschrieben, auf der Stadt- bibliothek in Königsberg (Cosack, Paul Speratus' Leben und Lieder, Braunschweig 1861, S. 58). Über ihn vergl. ferner den Artikel von Georg Müller in der allgemeinen deutschen Biographie XXXI, 4721'. und Enders 11, 333'", 449'''- Noch 1539 finden wir Reusch in Beziehung zu Schleupner: Seifert, Die Reformation in Leipzig (Leipzig 1883) S. 197 Anm. 20.

•►') Gefs S. 71, 76.

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bei Todesstrafe zu verbieten ■^^), ,,Da erschracken diese drey küne Helden (Frank, Reusch, Hegendorfer) so sehr, das sie Studium Theologiae faren liefsen, dieweil es solchen Lohn gebe, Vnd gaben sich zum studio Juris vnd Medicinae, die lohneten besser, denn Studium Theologicum" meint Frosch el mit lustigem Spotte. Zwar blieb Reusch auch in der Folgezeit noch in Verbindung mit den Wittenberger Kreisen sein Idyll über die Jakobskirche wollte er sogar dort drucken lassen, aber für seine Ängstlichkeit bezeich- nend ist es, dafs er den Druckort nicht genannt sehen will, ,, nicht als ob ich für mich fürchtete, aber ich möchte meinen Feinden keine Gelegenheit geben mich zu schädigen".

Der Tod ihres Führers Mosellanus am i8. April 1524 war für die kleine Reformpartei in Leipzig ein schwerer Schlag. Ein paar Tage nachher, am 23. April, wurde Reusch zum Rektor der Universität gewählt''^"). Sein Rektorat ist insofern bedeutungsvoll, als er zuerst die wich- tigsten Ereignisse, die unter seinem Regime im Bereiche der Leipziger Universität vorkamen, aufgezeichnet und somit die Acta rectorum begründet hat'"''^). Er habe bei seinem Amtsantritt die ganze Universität sehr niedergeschlagen vorgefunden teils wegen des eben erfolgten Todes des in jeder Hinsicht hochgelehrten Mosellan, teils wegen der Wirren der Zeit. Auf die Hilfe Herzog Georgs bauend habe er alsbald die vier Dekane zusammenberufen und ihnen erklärt, es sei jetzt einige Monate lang nachlässig gelesen worden, infolgedessen solle jeder jetzt seine Nation zusamraenberufen und gewissenhafte und tüchtig-e Dozenten

''•'') Seidemann, Beiträge I, 53, 58 f. Seifert S. 75. Neues Archiv f. Sächsische Gesch. XIX, 103.

^ö) Matrikel I, 589. Zarncke, Die urkundlichen Quellen zur Geschichte der Universität Leipzig, Abhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften III

(1857), 596.

•'•■') Zarncke, ebenda 651 ff. Derselbe, Acta Rectorum Universitatis Studii Lipsiensis (Leipzig 1859) S. i ff.

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bestellen. Im stolzen Bewufstsein der Würde und \\raiil- woi'tlichkeit seines Amtes leitet er den nächsten Abschnitt, in dem er berichtet, wie er sofort, als ihm die Absicht des Rates zu Ohren gekommen sei, hinter dem Fürsten- kolleg zwei Getreidemühlen zu errichten, den Senat berufen und Gegenmafsregeln getroffen, mit den Worten ein: „Und da es des Kectors Pflicht ist, darüber zu wachen, ne quid detrimenti res publica capiat ..." Was er sonst noch eingetragen hat, über Testamentsangelegenheiten, über den Streik des Organisten der Nicolaikirche, der sich gekränkt fühlte, weil er zu einem prandium Aristotelis nicht eingeladen worden war, über allerhand Diszi})linar- fälle und Streitigkeiten da hatte z. B. Dr. Ochsenfart von einem jungen Edelmann'''^), den er böhmisches Schwein gescholten hatte, einen Faustschlag auf den Kopf erhalten interessiert uns wenig, wohl aber, was sich auf die weitere Stellunji der Universität zur Reformation bezieht. Da 1i()rcn wir, dafs Reusch gleich nach seinem Amtsantritt mit je zwei Mitgliedern jedes Kollegs zum Bischof Adolph von Merseburg gerufen und aufgefordert worden ist, die Martinische Ketzerei nach Kräften auszutilgen. Das ge- schah, wie wir aus dem Berichte Bischof Adolphs an Herzog Georg vom 13. Mai 1524 wissen, am 26. April'"*'*). An diesem Tage kam nämlich der Bischof auf seiner zweiten Visitationsreise in Leipzig an, besuchte zuerst das Thomas- kloster und beschied dann den Universitätsrektor ,,mit etzlichen personen aller Collegien und Faculteten" vor sich. Es ergab sich, ,,das von der zceyt vnser nechst gehaltener visitacionn (im Spätherbst 1522) etzliche Jungen Magistri vnd Doctores, die damals etzlicher mafs mit der Newen Secten vergiefftiget angezceigt synt wurden, sich nicht vil ge- bessert soltten habenn", Sie gelobten aber Besserung,

^'') Sommer 1521: (Ins. Hcnricus Byrck a Dauba in Rumburg baro (Matrikel I, 578).

^o) Seidemann, Disputation S. 139 144 und danach Bei- träge I, 80 If.

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nur Hegendorfer machte Schwierigkeiten. Rausch berichtet ferner: am 20. Juni sei er nochmals vor den Bischof geladen worden und habe hören müssen, dafs ihm vor- geworfen würde, dafs er die Martinianer nicht unterdrücke, und dafs er Büchlein, die Schmähungen gegen den Herzog enthielten, heimlich in der Universität verkaufen liefse. Er habe aber gegen diese Verleumdungen sich energisch gewehrt. Dann sei ein kaiserliches Edict bekannt gegeben worden, dafs auf allen Universitäten über Luthers Sache öffentlich disputiert werden sollte, damit besser erkannt werden könnte, was an seinen Forderungen erträglich und was abzuweisen sei. Darauf habe der Herzog den Leipziger Professoren befohlen, Luthers Bücher durchzulesen und das Gute von dem Schlechten zu sondern. Der Senat habe beschlossen, die Theologen und Juristen mit dieser Auf- gabe zu betrauen, die auch für ihre Entscheidungen dem Herzog gegenüber allein die Verantwortung tragen sollten. Gemeint ist natürlich das kaiserliche Mandat, das sich auf den Nürnberger Reichstagsabschied vom 18. April 1524 gründete und in dem ausdrücklich erklärt wurde, Luthers Lehre solle von neuem ,,mit höchstem Fleifs examiniert und disputiert und das Gute vom Bösen abgeschieden werden'"^").

Im Wintersemester 1524,25 war Reusch Dekan der Artistenfakultät'^^). Am 13. März 1526 wurde er Bacca- laureus, am 28. Januar 1528 Lizentiat, am 17. März des- selben Jahres Doktor der Medizin*^"-). Ende 1527 liefs er auf eigne Kosten bei Nicolaus Fabri ein kleines Schriftchen

60) Köstlin, Martin Luther I, 635.

"') Zarncke, Urkundliche Quellen S. 814. Dafs Reusch noch 1539 eine einflufsreiche Rolle an der Universität spielte, ist daraus ersichtlich, dafs auf seine Empfehlung hin die Wahl Caspar Borners zum Universitätsrektor für das Wintersemester 1539 erfolgte (Kallmeier, Caspar Borner, Leipziger Doktor- dissertation 1898, S. 34).

c-^) Matrikel II, 74 f.

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drucken: Praecavendae et curandae pestilitatis methodus""'), das er in einer Vorrede vom i. Dezember dem Rate der Stadt Leipzig, insonderheit Wolfang Widemann, Bartholo- mäus Abt und Egidius Morch"^), widmete. Daraufhin schenkt ihm der Rat „vff Donnerstag nach Catharine virg." (28. November) das Bürgerrecht""'). Vorher mufs er auch geheiratet haben, da er die Vorrede im Hause seines Schwiegervaters geschrieben hat. Sonst ist mir von medizinischen Schriften Reuschs nur noch eine disputatio de racione curandi per sanguinis missionem"") vorgekommen mit einer Widmung an die Leipziger Ärzte vom 22. Mai 1533; die zu Anfang erwähnte Disputation über des Hippokrates Ansicht von dem Frühhng als der heilsamsten und zum Aderlafs günstigsten Jahreszeit habe ich nicht finden können.

Pfingsten 1539 wurde in der Stadt Leipzig, im August auch auf der Universität die Reformation eingeführt. Ein StimmuniTsbrief Reuschs aus dieser Zeit, an seinen alten Freund Hegendorfer gerichtet, der seit 1537 als Stadt- syndikus in Lüneburg weilte"'), " ist am Schlüsse eines

03) (Blättchen) PRAE- CAVENDAE ET CVRAN / dae

pestilitatis methodus loanne Rcuschio / auctore. ' LYPSIAE EXCVDEBAT / Nicolaus Fabri. Anno M D. XXVII. Darunter zwei Wappenschildchen. Titelbordüre. 16 ff. 8*0. 16 b weifs. Panzer, Annales IX, 498, 840b.

"*) Seifert S. 9. Die beiden letzteren preist Novenian in seiner Au.sgabe von Boschs Lipsica (s. oben Anm. 10) fol. F iij und Franciscus Faber im Vorwort der Bohemia. Sommer 1498: Egidius Morch de Werdys, 7. März 1500 bacc, 28. Dezember 1503 mag. artium (Matrikel I, 424. II, 372, 399). 1508 1529 Collegiat des kleinen Fürstenkollegs, Sommer 15 10 Dekan der philosophischen Fakultät (Zarncke, Urkundliche Quellen S. 765, 812).

«») Günther S. 82.

««) jOAXXIS REV- SCHU DE RACIONE CVRAXDI / PER SÄNGVLXIS MISSIO- ; NEM DISPVTATIO. / Darunter zwei Distichen von Antonius Niger. 4 ff. 4.

«■O Günther S. 90. G. Kawerau, Zwei älteste Katechismen der lutherischen Reformation, Neudrucke deutscher Littcratur- werke des 16. und 17. Jahrhunderts Nr. 92 (Halle 1891) S. 13.

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Ende 1539 bei Nicolaus Fabri erschienenen Schriftchens desselben abgedruckt: Antidotum presentissimum aduersus Pestilentiam*^''). In dem Vorwort an den Leipziger Bürger und Kaufmann Wolfgang Ebert, datiert: Lüneburg i. No- vember 1539, erzählt Hegendorfer die Genesis der kleinen Erbauungsschrift. Als er vor zwei Jahren nach Lüneburg gekommen sei, habe dort gerade die Pest heftig und länger als in anderen Gegenden gewütet. Um die Todes- furcht wenn nicht zu bannen, so doch zu mildern, habe er zu Piatos Antiochus oder de morte contemnenda, dann zu Ciceros erster Tusculana und Piatos Phädon gegriffen vergebens! EndHch habe er sich der heiligen Schrift zu- gewandt und so den Tod nicht mehr fürchten gelernt. Um nun aber auch die Seinen von der Furcht vor der Pest zu befreien, habe er eine Trostpredigt nieder- geschrieben, die er lateinisch seinen Söhnen, in deutscher Übersetzung der übrigen Familie zweimal wöchentlich vorgelesen. Da jetzt die Pest wieder an vielen Orten grassierte, hätten ihm Freunde geraten, die lateinische Predigt in Druck zu geben. Aus dem angefügten Briefe Reuschs ersehen wir, dafs er die Drucklegung und Korrektur besorgt hat. Dann fährt er fort: Jetzt ist Deinem Anti- dotum nichts vorzuziehen. Denn wenn es auch Sache des Weisen ist, die Medizin, die der Höchste aus der Erde hervorschafft, nicht zu verschmähen, so sind doch die- jenigen Mittel, durch welche der Menschen Gemüter und geängstigte Gewissen mit Gottes Wort getröstet werden, um so besser als die übrigen Arzneien, als die Seele höher steht als der Leib. Christus sorgt immer für uns, wenn wir nur wie Lazarus' Schwester ihm immer vertrauen und ihn zu lieben nicht aufhören. Es ist Kleinglaube, wenn jemand zur Pestzeit das Amt eines Lehrers oder

6S) ANTIDO- / TVM PRESENTISSIMVM AD- / uersus Pestilentiam , Christopho / ro Hegendorffino Juriiim / Doctori et familiae eius ac / Omnibus pijs et Chri- / stianis paratum. / (zwei Blättchen) / LIPSIAE. I EX OFFICINA TYPOGRAPHI- / CA NICOLAI FABRI. / M. D. XXXIX. / 32 ff. 8to. 32 weils.

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Rektors oder auch eines Familienvaters unter orläubiüen Hausgenossen verläfst oder zu wenig eifrig für die Seinen, die von der Pest angesteckt sind, sorgt. Sein Wort ist unsers Fufses Leuchte. Und diese Leuchte führt uns zum Hause des Nächsten und heifst uns nicht das unsere suchen. Wer Christi Namen tragen will, darf durch keinerlei Todesfurcht sich abschrecken lassen, seinem Nächsten zu dienen^**). Wenn die heilige Schrift so wie von dir zu unserer Erbauung ausgelegt würde, worin die rechten Gelehrten jetzt den Anfang gemacht haben, dann wäre zu hoffen, dafs unsere Zeit mehr gewissenhafte Christen aufwiese und vor allem solche Bischöfe, die nicht nur dem Namen nach Bischöfe sein wollten, sondern bei dem so erfreulichen Studium der alten Autoren und der drei Sprachen Mittel und WVge fänden, dafs nicht so immerfort von ungebildeten München an ihres Gleichen appelliert, sondern der Streit, der zu unseren Zeiten unter Christen im Widerspruch zu dem Vorbild unseres Heilands erregt ist, durch Bemühung und Entscheidung gelehrter Männer beigelegt würde"").

Wir sehen, Reusch ist sich treu geblieben. Alles Heil erwartet er von der wachsenden Aufklärung, von den Fortschritten der humanistischen Studien und der Rück- kehr zu den Quellen, der Bibel und den jDatres; Luther hat einen unseligen, unchristlichen Streit erregt, der durch

09) Vergl. Luthers Schrift „Ob man vor dem Sterben fliehen möge". Auch in Leipzig wütete damals ,tota hyeme' die Pest (Melanchthon an Camcrarius 27. November 1539, citiert bei Seifert S. 196 Anm. 14).

'"j Fol. 31a ... (^i non ita perpctuo pulchruni esse discent nomine tantum Episcopum esse, sed in tanta veterum auctorum illustratione , immo vero in illa foelici trium linguarum expli- catione modum invcnient, ne ita perpetuo al) indoctis Monachis ad pares atque adeo ad Ecclesiam provocetur, sed doctorum hominum opera et suffragio contentio, quae nostra aetate int er Christianos nullo servatoris nostri Exemplo mota est, e medio toUatur.

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eine Gelehrtenkommission geschlichtet werden soll. Alles erasmisches Gedankengut'^).

Reusch starb am 27. März 1543'-).

Beilagen.

Joannes Reuchius Langianus memorandi artem loquentem

introducit.

Sunt, quibus Orbilij plagosam ducere vitam'*^)

Contigit et trepide cura sacrata scholae. Hos penes explodor. Sunt nam demortua phebi

Plectra et scutiferae munera ceca deae. Sed quos Cillenio pregnatus sidere constat'^),

Omni me nimium sedulitate fovent. Me duce nubifero iaculantur fulmina caelo

Atque tenent propria corde tremenda manu. Sed quid opus verbis? phebo ceu cuncta renident

Sidera, sie nostro munere cuncta nitant'^'^). lila ego. quam gremio cunctas circumdare dotes,

Quas tulit e patrio vertice pallas, auent! Ast ego laudatas videar ne vendere merces,

Cuncta Tridentinus, lector amice, dabit.

II.

M. Joannis Reuschij Eschenbachij In memorandi artem Ad lectorem Epigramma.

Quisquis es humana fragilis ratione creatus, Mnemos3'ne medicas artis amabis opes.

Nam ofenus artis iners et duris cautibus orti Dicimur ignava ab obliuione premi.

'•) Vergl. besonders auch das von dem Augsburger Domini- kanerprior Johann Faber Ende 1520 verfalste ConsiHum (N. Paulus im Historischen Jahrbuch der Görres - Gesellschaft

XVII, 39 ff.)-

"■-) Joch er, Gelehrtenlexikon III, 2031. Zedlers Universal- lexikon aller Wissenschaften und Künste XXXI, 958. '*) Hör. ep. 2, I, 70.

■'*) Lies: pregnatos. Cyllenium sidus der Stern Merkur. '•") Lies: nitent.

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Obliuio nostras tum cc'])it turbine mentes,

Cum mersus rapidis liuctibus orbis erat. At post Symonides'") mortalia damna perosus

Mnemosyne dignas laude parauit opes. Scepcius'") hinc sequitur, celebrem qui perficit artcm

Concluditque suo queque ponenda loco. Et reliqui, quos longa dies consumsit, at ingens

Gloria perpetuo tempore certa manet. Hinc ille est rerum thcsaurus et optima custos

Ingenij summum i)rccipuumquc bonum. Nam velut omnigenas formas gemmata tabella

Continet, innumeros sie tenet ille locos. Pcriicit et vivam varia rationc Minerua,

Et quicquid Genius abstulit, illa refert. Quisquis es iccirco pingui crassaque Minerva,

Praesentem subito volve revolve librum!

III.

Carmen extemporale Jo: Reuschii, quo insulam Picinam aedis parrochianae apiid diuum Jacobum expressit.

Describunt alij Surrentum et tecta Vopisci, Multi Laurentum Tiberinaf[ue flumina, multi Cum Baijs celebrant loca conduccntia thermas. At quanto satius Settleri tecta sacrati Describenda forent, quil)us est nunc insula nomcn, Seu formam situmque velis seu molliter auram Si^irantem aut biferis pomaria septa gcnistis Aut etiam Picam volucris de nomine dictam. Principio locus est, quo non festiuior alter Nee magis ornatus nee lusibus aptior vUus, Seu placeat Phoebo dignum conscribere Carmen, Abdita seu superi tractare oracla tonantis. Hunc parte ex omni Picae circumfluit vnda, Non aliter Tiberis quam continet vndique terram, Qua fuit excejitus (|uondam Escukqiius heros, Vndc hec nomen lKil)et Tiljcrina. ast illa per vndas Insula Picina est multo formosior illa.

™) Sjmionides von Keos gilt für den Erlindcr der Ge- dächtniskunst. Cic. de or. 2, 74, 86. Quint. 11, 2, 11.

''') Metrodorus aus Ske])sis in Mysien um 100 vor Christus l)csafs ein erstaunliches Gcdäclitnis: Cic. de or. 2, 88, 90; 3, 20; tusc. I, 24, 59.

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Primum succrescimt preter dumeta vepresque Amnicole salices, morus, quid? populus, ulnus Cum cerusis varijs quae cingunt vndique syluae. Quas inter resonat dulci Philomela susurro, Nuuc reuocans voces, nunc ipsas congeminando. Nee taeet appellans fluuium de nomine semper Seque putat solam Picae cognomine dici. Hie subito apparet primum vocalis hyrundo Neque abit ante brumam suspendens lutea tigno Tecta, nee in viridi cessat gemere arijore turtur. Hie pietatis aues certant motuque sonoque, Et reliquae vario permulcent nubila cantu. Tessala non vincunt illam dulcedine Temjoe. Vitifer hie Bacchus foecunda cuncta racemis Ilkistrans diuum tectis adiecit honorem, Vina dedit, quae nulla queunt superare falerna. Nam virides gemmae spumanti nectare turgent, Ora refecturae domini sub cardine Librae, Quum sol reddiderit pariles noctemque diemque. His sua dona Hbens tribuisset numine dextro Alma Ceres, modo si per Neptunum licuisset. Sed minor est, quam quae possit superare potentem Tricipiti sceptro aut Acheloi vincere dextra.

Piscibus omnigenis circumscatet insula quaque, Nee mirum est: illic Piscina hominumque deumque. Sole sub ardenti cum torpent membra calore, Sepe videre licet Juuenes pulchrasque puellas Diuersis spatijs submergere corpora ponto Inque vicem nando teretes agitare lacertos. Naiades hie habitant, exercent sepe choreas Castalides, sepe in medio formosa Diana Vestibus exutis gelidum descendit in amnem. Nam fama est corpus nullo presente leuare Sordibus et dulces inter se iungere nexus. Interea adornant fragrantia serta Napeae Et sternunt castos viridi de gramine lectos, Ordine vt incumbant lotae viresque resumant (Delassantur enim). sed quis rerum ordine ferinas Explicet omnigenas? superis digna insula visa est, Ut capiat numen multos veneranda per annos. Ergo subpauida diuorum templa recepit Mente tulitque nouum de sancti nomine nomen. Nam sibi Jacobus selegit prae omnibus vnam Suggessitque sui tacitum mortalibus ignem.

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Nee mora lan>j;iK'nUini sanantur corpora quaeque, Estque üdes stygio manes reuocarier orco, Admonet hinc animos pietas et religionis Ardor, vt cxccto renouentur templa lai)illo. Fosthal)iti.s(|ue alijs mox fundamcnta lucantur, Subsequitur paries laquearibus integer altis, Tecta super vasta ponuntur condita turri, I-'it tcmplum, et diimm scmjier cumulantur hnnnres. Et nc niixta forent sulenmia sacra deurum Inter Jacobo reliquos vicinia sanctos, Dat primas illoque cupit tuta esse patrono, M()X(|uc sacerdotem sacris prefecit odoris, Qui miserum crudiat recta pietate popellum Et doceat verbi latitantes cortice sensus Promissique memor Christi sacramenta ministret. Quod nunc Settlerus Lip.sensi notus in vrbe Moribus, ingenio, vita inculpatus et arte, Prestat et ex aequo, que sit via recta salutis, Edocet. O primum mihi ter(]ue quaterque beate, Cui fortuna dedit molles in gramine somnos Carpere et extra vrbem sacras versare camoenas! Te vohicres cantu demulcent, flumina lapsu, Te Bacclius, te Phoebus amat, te numina Ponti, Te Cytherea Venus, quanquam Cybcleia eures! Foedera su]:)sequitur tacitumque inspirat amnrcm. Te Musae ubseruant, Carites tibi serta ministrant, Dat cocleam Triton, dat ])oma rubentia terrens Falce dcus '^), Dryades dant Persica pruna nucesque, Et, ne (|U() careas, fuhium dat Juj)piter auruin. O Martine, decus nostrum, (juas dicere grates, Quasue referre potes! Sed nunc satis prata biberunt.

Finis.

(Abschrift Stephan Roths Cod. Ms. XXXVII der Zwickauer

Katsschulbibliothek.)

IV. Joh. Reusch an Joh. Agricola, Leipzig, 5. Mai (1520).

(Original Zwickauer Ratsschulbibl. M. 47.)

Sa. En, mi Eyslebi, prodeo, sed ita, vt preter ineptias et deliramenta niliil mecum feram. Nee enim ineidebat, quod tua estimatione dignum ad te perscribere possem,

'^ Saturn, falcifer: Ov. fast, i, 234.

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nisi id fortasse me olim ad Philippum, communem prae- ceptorem, cum Sebaldus '"•') primum ad vos iter faceret, litteras dedisse ab eoque pecijsse, quo delectum Catholicorum scriptorum modumque tractandi doctores nie doceret. Sed litteras interceptas esse vereor, quod is nondum responderit ''"). Cum autem ita iam vsu veniat, vt ex Sebaldi nostri verbis intelligam, Philippum ad quendam Hessum idem fere argu- menti gemis tractasse, non potui profecto dissimulare, quin et tu agnosceres in eam rem iam pridem me inhiasse. Quaeso igitur, si eins epistolae copia excerpta haberetur, mea causa apud Philippum instare velis, quo ad me trans- mittatur. nam in meis studijs nihil eque mihi obesse video ac ordinis et modi tractandi auctores ignorationem. Cetera Sebaldus enarrabit. Vale meque Philippo et Martino com- menda, nisi non amas me. Tercio nonas Maijas Lipsie ex aedibus Col. principis. Saluere iubeto Her: Tulichium eumque ad rescribendum adhortare.

Tuus Reuschius.

V. Joh. Reusch an Stephan Roth, Leipzig, 27. Okt. (1524).

(Original ebenda X. 253.)

S. Liberior tandem factus, optime Stephane, tuis pariter atque meis votis respondeo. Principio gaudeo Epicedion meum ad tuas manus peruenisse, Philippo in alijs occupa- tiore, quam vt nostris inepcijs vacare liceat. Tibi itaque pro eo in me animo gratiam habeo maximam, relaturus, vbi vbi integrum fuerit. Et quando ipse offeras, quod abs te petiturus eram, omnium primum nugas meas tibi dono. vende BibHopole**^), Quanto poteris. Nihil enim ex eis ipse spero, nisi, vt a prelo decem ad me exemplaria perueniant, quae uel tibi uel hbrario soluturus sum. De Elistri nomine facile tue censure acquiesco, cum habeas

™) Münsterer.

SO) Herr Professor D. Nicolaus Müller teilte mir gütigst mit, dafs auch in den von ihm gesammelten ungedruckten Melanchthonbriefen Reusch nicht vorkommt.

*i) Auf diese Stelle bezieht sich die merkwürdige Bemerkung Buchwalds im Archiv für Geschichte des Deutschen Buch- handels XVI, S. 45, dafs Reusch in diesem Briefe einen ,vend Bybliopola' erwähne (!).

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receptiores auctores, quam vt eijsdem derogare fidem li- ceat. Vereor tarnen, ne difiicile sit eum versum corrigere: ,Seque putat solam pice de nomine dici'^-). Intende ingenij tui nemos, vt sine vitio in pu1)licum progrediatur. Porro t|U()d de Duce Georgio in dubium producis, non maunifatio. Facile siquidem locum excusationi futurum existimo ei, qui nobiscum promouere negotium ncquiuerit. Consulto tu Icceris, si Witenbergae nomen in ipso libelli intuitu negligas, non quod vestri me Loci pudcat, aut ipso milii timeam, sed nc quuquo modo volcnlibus ad nocendum fenestram aperiam. Ede ergo, quicquid est nugarum, in Christo atque vl)i picae et picenae nomen nauseani til^ facit, Elistri et deducticia forma Elistrij sicut apud Maronem^-') Caistrij appellationem substituas licel)it. Ora deum pro me, vt bona conscientia sine vllius offensione vitam fransigere queam. Saluta tuam Sophronam*^') atque (.juos mihi tibique notos Witenl)erga fert onmes. Vale. K'a])tini in Vigilia Simonis et Jude.

Reuschius tuus.

Adresse: D. Stcphano Rodt magistro Lipsensi et Contiona-

tori Witenbergensi, Suo in Christo fratri.

VI. Joh. Reusch an Stephan Roth (Juni I526)''').

(Original ebenda X. 254.)

S. Respondissem, optime Rufe, tuis Jampridem litteris, si wencislaus vcster, quemadmodum scril)is, meme litteras postulaturus accessisset. Vnde moram istam non mihi, sed ihi tuo vectori tril)ue. De Georgio autem hoc habe: me hominem quam potuit heri himianissime et secretissime convenisse pecijsseque, vt, (piod in aurcm mihi diceret, ad te quoque perscriberct. Et cum id hactenus post- habuerit, tibi scribo ab illo accepisse me de domo inter se et fratrem ita habere, vt consensu testamentariorum

**-) V. 24 des unter Nr. 111 abgedruckten Gedichts.

^^) Caystrius ales der Schwan, Ov. trist. 5, i, 11.

^*) !£u9povri bei Aristacnetos. - Roth heiratete am i i.INhii 1524 Ursula Krüger (G. Müller S. 58).

*-') Dieser Brief ist es wohl, den der Leipziger Buchdrucker Michael Blum am 17. Juni 1526 an Stephan Roth expedierte (Buch wähl a. a. O.).

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atque suasu iam annis aliquot locare debeant tantisper dum alteri eorum per opes eam occupare liceat. Interim itaque non induxisse in animum illam venum proscribere. Quare non est, de illa vt cogites. aliam elige et in Cigneum ciuem abieris. Vale optime. Saluere iubeto Euam tuam et Munsterum cum Costa sua, Apellum quoque ucm sua altera^''). Ex edibus soceri Raptim etc.

Tuus Reuschius.

Adresse weggeschnitten^').

86) Johann Apel, seit Oktober 1523 wieder in Wittenberg, hatte eine Nonne aus dem Kloster St. Marx Ollingen geheiratet (Enders IV, 182 3, 340, Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation, Erlangen 1866, S. 230 ff.). Sommer 1501 : Johannes Appel de Nurenberga (Matrikel I, 440). Seine Schwester heiratete den Dominikus Schleupner (oben Anm. 53).

") Wir haben noch einen dritten, inhaltlich unbedeutenden Brief Reuschs an Roth (X, 252), datiert: Lipsie ex edibus meis Anno 1534 In vigilia d Barptholomei (23. August).

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Friedrich der G-rofse und der sächsische G-eheime Rat von Fritsch.

Von

Woldemar Lippert.

,,Sans vouloir aljsolument prescrire qui employer ä cctte commission , il m'est venu Fidee que le conseiller prive ])aron de Fritsch y seroit le plus propre, non seulement par ses connoissances en general, mais encore particuliere- ment parce que le roi de Prusse peut le souffrir et a trouve plaisir de s'entretenir avec lui."

So schrieb König August III. von Polen am 20. No- vember 1762 aus Warschau seinem Sohn, dem Kurprinzen von Sachsen, als es sich um die Einleitung der Friedens- verhandlungen mit Preufsen handelte'). Alles sehnte sich nach Frieden, aber weder Maria Theresia noch Friedrich II. mochten den ersten Schritt thun, um nicht als der des Friedens mehr bedürftijje Teil zu erscheinen. Da trieb die Not des unglücklichen Landes den sächsischen Hof dazu, für Österreich einzuspringen und die peinliche Auf- gabe zu übernehmen. Unter dem offiziellen Grund, für Sachsen einige Erleichterung der den Preufsen zu leistenden Lieferungen zu cMiangen, sollte eine geeignete Persönlich- keit Friedrich in seinem Winterquartier zu Meifsen auf- suchen und dabei die beiden in Wien von dem Staats- kanzler Grafen Kaunitz uiul drin sächsischen Gesandten

*) Webers Archiv f. d. Sächsisclie Geschichte IX (1871), 348.

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Grafen Flemming vereinbarten Denkschriften vorlegen, um so eine Basis für ein weiteres Vorgehen zu gewinnen, falls Friedrich sich nicht ganz ablehnend verhielte.

Wie man am Warschauer Hofe darauf kam, den als Privatmann auf seinen Gütern lebenden Titular-Geheimrat V. Fritsch zu wählen, dafür giebt das Schreiben selbst zwei Gründe an: i. Fritschs allgemeine Kenntnisse, 2. seine persönliche Bekanntschaft mit Friedrich dem Grofsen. Der erstere Punkt liegt klar: Fritsch hatte sich, obwohl ohne aktive Dienststellung, seit einem Jahre angelegentlich mit der Lage seines sächsischen Vaterlandes beschäftigt und seine Ansichten über die wirtschaftliche Wieder- herstellung von Handel, Industrie, Verwaltung, besonders Steuerwesen und Staatskredit u. s. w., seinem Schwieger- sohn, dem Geheimen Legationsrat Ludwig Ferdinand V. Saul, einem Vertrauten Brühls, dargelegt. Durch Saul dafür interessiert, bot der allmächtige Premierminister noch während des Krieges, seit dem Beginn des Jahres 1762, seine Hand zur Besserung der sächsischen Verhältnisse'-). Eine Kommission unter Fritschs Leitung: bereitete die Mafsregeln vor, die alsbald nach Eintritt des Friedens zur Hebung Sachsens ergriffen werden sollten, und eifrig hatte die Kommission der schwierigen Aufgabe obselegfen, als Fritsch ihren Arbeiten durch die Friedensunterhand - lungen entzogen wurde. Durch jene Beschäftigung hatte Fritsch also im vollsten Mafse die für seinen Auftragr er- forderlichen ,,connoissances en general" erworben.

Um so unklarer war aber bisher der zweite Punkt: von seinen persönlichen Beziehungen zu Friedrich wissen die preufsischen Quellen und Darstellungen nichts, und selbst Fritschs Biograph, der Freiherr von Beaulieu-Marconnay^),

2) Vergl. meine Bemerkungen im Neuen Lausitzischen Magazin LXIX (1893), 291.

*) Vergl. B e a u 1 i e u -M a r c o n n a 3% Ein sächsischer Staatsmann des 18. Jahrhunderts: Thomas Freiherr v. Fritsch, in Webers Archiv f. d. Sächsische Geschichte IX (1871), 251 324, 337 380 und desselben Werk: Der Hubertusburger Friede. Leipzig 1871.

14«

mufs gestehen, dafs es darüber an allen Nachrichten fehlt; er vermutet ein Zusammentreffen beider im Winter 1756 auf 1757, den der Kcniig gröfstenteils in Dresden verlebte. Dafs beide sich damals getroffen haben können, ist ja nicht ausgeschlossen, da Fritsch auch verschiedene andere preufsische Bekanntschaften hatte. Gleich in den ersten Tagen des Einmarsches der Preufscn in Sachsen hatte er Gelegenheit, mit dem Bruder des Königs, (Kill Prinzen Wilhelm von Preufsen, dadurch in nähere freundliche Berührung zu kommen, dafs der Prinz auf seinem Gute Zschochau (zwischen Döbeln und Riesa) am 5. September 1756 einquartiert war''). Der Prinz war von der Aufnahme, die er und seine Truppen bei Fritsch ge- funden hatten, so befriedigt, dafs er an den preufsischen Staatsminister Friedrich Wilhelm v. Borcke, den Präsi- denten des preufsischen Feldkriegsdirektoriums einen eigen- händigen Brief schrieb und ihn unter Anerkennung von Fritschs Verhalten ersuchte, diesem einige Erleichterungen zu gewähren •''), Fritsch benutzte diese Gelegenheit, eine alte, vor langen Jahren gemachte Bekanntschaft mit Borcke zu erneuern. Als er ihm am 7. das Schreiben des Prinzen Wilhelm nach Torgau zuschickte, begleitete er es mit einem läno-eren Briefe, worin er auf ihr Zusammentreffen in Frankfurt hinwies^) und um Schutz für sich, seine Familie und seine Güter ersuchte. Und wie er mit dem Prinzen von Preufsen und dessen Gefolge, mit Borcke und anderen preufsischen Oftizieren und Beamten bekannt

*) Beaulieu-Marconna y im Archiv f. d. Sächsische Ge- schichte IX, 308 f.

'') HStA. (Hauptstaatsarchiv) Dresden Loc. 13545 Conv. 15, Nr. 2, 3: datiert Chaukc (d. h. Zschochau!) 5. September 1756.

ö) Fritsch war 1742 von Kaiser Karl VII. zum Reichshofrat ernannt worden und hatte infolgedessen während der Jahre 1742 1744 sich wiederholt am kaiserlichen Hofe zu Frankfurt (Karl VII. hatte München vor den Österreichern verlassen müssen) aufgehalten, s. Bcaulieu, Arcliiv f. d. Sächsische Geschichte IX, 289 ff.

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wurde, so läge auch ein Zusammentreffen mit dem König selbst in Dresden durchaus nicht aufser dem Bereich der Möglichkeit. Wir haben jedoch das ausdrückliche Zeugnis Fritschs selbst, dafs er erst im Jahre 1758 dem Könige bekannt wurde, in seinem Briefe an den General v. Kruse- marck 1760.

Der Krieg, der alle Einwohner Sachsens auf das Schrecklichste heimsuchte, hatte auch Fritschs Wohlstand tief erschüttert. Seine Landgüter waren, wie alle andern, durch die preufsischen Forderungen an Kontributions- geldern, Lieferungen von Naturalien, Leistung von Fuhr- diensten, Einquartierungen und dergleichen ausgesaugt, und das furchtbare Bombardement Dresdens durch Friedrich IL im JuH 1760, wobei auch Fritschs Haus auf der Moritz- strasse in Trümmer sank, beraubte ihn seines bisherigen geschützteren Zufluchtsortes, wodurch er sich fernerhin gezwungen sah, auch den Winter auf dem Lande zu- zubringen. So finden wir ihn denn am 7. November 1760 zu Seerhausen beschäftigt, einen Brief an den General- adjutanten Friedrichs, Generalmajor Hans Friedrich v. Kruse- marck, zu schreiben und unter vertrauensvollem Hinweis auf das Wohlwollen, das er Fritschs zweitem Sohn Heinrich Leopold') erwiesen habe, zu ersuchen, ihm, seiner Familie und seinen Gütern eine ,, hinlängliche Salvegarde" zu er- teilen. Er fährt dann fort: ,,Ihro Königliche Mayestät in Preufsen haben mich für zwei Jahren so gnädigen Zutrits gewürdiget, dafs wohl Verlangen trüge, AUerhöchstdero- selben mich zu Füfsen zu legen, aber auf den March ge- traue mich dessen nicht zu unterstehen. Finden Ewer Hochwohlgeboren eine guthe Gelegenheit, solches bey Ihro Königlichen Mayestät mit anzubringen, so getröste mir gewifs von dero allerhöchsten Grofsmuth ein genädiges

') Heinrich Leopold v. Fritsch, früher kursächsischer Kapitän in der Grenadiergarde, war seit der Kapitulation von Ebenheit im Oktober 1756 gleich anderen sächsischen Offizieren, die nicht die Waffen im Dienste des Feindes führen wollten, aufser Dienst und unterstützte den Vater bei der Bewirtschaftung der Güter.

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mich aufrichtendes Mitleiden"^). Krusemarck beeilte sich, am selben Abend dem Wunsche zu entsprechen, schickte aber nicht einen blolsen vSchutzschein, sondern statt dessen einen Feldjäger, der nützlicher sein werde und den Fritsch so lange, als es notwendig sei, bei sich behalten könne. Da der König morgen frühzeitig wieder aufbreche und weiter marschiere, werde es für jetzt nicht möglich sein, dafs Fritsch ihm seine Cour machen könne; falls es aber, ohne dafs ihm Nachteil daraus erwüchse, in den künftigen Winterquartieren angehe, werde der König gewifs „es sehr gnädig bemerken und ihn überzeugen, dafs es ihm selbst nahe gehe, den ehrlichen Mann und den Verbrecher auf gleiche Art leiden zu sehen"''). Fast vier Wochen war der Feldjäger zu Seerhausen, als er vom Generaladjutanten zurückberufen wurde, der gleichzeitig Fritsch benachrich- tigte, dafs der König bereit sei, ihn jetzt zu empfangen. Fritsch konnte jedoch von der Erlaubnis keinen Gebrauch machen; er gab dem Manne beim Fortgang ein herzliches Dankschreiben an Krusemarck mit, bedauerte aber sehr, dafs, nachdem ,,ich nunmehro die Erlaubnifs erhalten, kam der Aufl)ruch zu geschwinde und gestern abends hat es mir auch nicht glücken wollen, auf der Strafse mich zum Boten durch mein Dorf und Gericht anzubieten und wenig- stens auf diese Arth meine Schuldigkeit zu erweisen"^").

^) Vergl. Fritsch an Krusemarck, Loc. 13545 Conv. 18 Nr. 27, 1 eigenhändiges Konzept Fritschs.

") Vcrgl. Krusemarck an Fritsch, Ober-Muschwitz (bei Zehren zwischen Riesa und Meifsen) 7. November 1760, Loc. 13545 Conv. 18 Nr. 27, 2. Der König war nach der Schlacht von Torgau südwärts gegangen, hatte vom 6. bis 8. November zu Cavertitz (bei Dahlen, an der jetzigen sächsisch -preul'sischen Grenze), dann zu Nieder- Muschwitz sein Hauptquartier gehallt und es am 8. nach Meifsen verlegt, s. Polit. Korresp. Friedrichs des Grofsen XX Nr. 12465 12472.

'") Fritsch an Krusemarck, Seerhausen 2. Dezember 1760 (Conv. 18 Nr. 27, 3). Falls es sich nicht um eine irrige Meldung von einer früheren Durchreise des Königs oder um die Voraus- reise Krusemarcks handelt, mufs statt 2. wahrscheinHch einer

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Das obige Schreiben Fritschs vom 7. November beweist, dafs seine Bekanntschaft mit dem König erst aus dem Jahre 1758 datiert, und da er nur dieses Zusammentreffens gedenkt, sich nicht auf mehrfache Begegnungen beruft, ist ein sonstiges früheres Nähertreten (wie das behauptete im Winter 1756) avisgeschlossen. Über diese erste Be- gegnung selbst wissen wir nur aus des Königs Munde, dafs sie für Fritsch von unangenehmen Folgen begleitet war. Bei dem Zusammentreffen im Frühjahr 1761 (s. im Folgenden) meinte der König: ,,Je crois que mes diners vovis ont porte malheur et je me garderai bien de vous inviter", und kam dann nochmals darauf zurück, ,,que mon diner vous fit des affaires". Der Ausdruck mon diner, der den König als den Gastgeber erscheinen läfst, führt darauf, nicht an einen Aufenthalt Friedrichs in Seerhausen etwa bei einem Durchmärsche^^) zu denken, wo Fritsch der Wirt gewesen wäre, sondern an ein Zusammentreffen in Dresden, wo er zur königlichen Tafel befohlen war. Seerhausen hat der König während des Jahres 1758 nicht berührt, da er die Strafse von Oschatz nach Meifsen nicht benutzte, in Dresden hingegen weilte er vom 20. November bis 10. Dezember 1758. Auch Fritsch hielt sich ja bis

der Tage vom 4. bis 8. gesetzt werden, da nach der Polit. Korresp. XX Nr. 12575 12576 Friedrich 11. bis zum 4. Dezember in Meifsen, vom 8. ab in Leipzig war, die grofse Strafse von Meifsen führte unweit Seerhausen nach Oschatz, Würzen, Leipzig.

^') Wäre 1758 ein Zusammentreffen in Seerhausen möglich, so könnte man darauf eine Bemerkung Fritschs an Saul beziehen, der ihm im Oktober 1762 aus Wien Grüfse des Gesandten V. Flemming und des Residenten v. Pezold gemeldet hatte: „Ce sont des compliments de style, dont je connois la valeur. Messieurs le comte de Flemming et Pezold m'ont fait voir, de ce que j'avois a esperer d'eux, dans l'affaire de la scene infame de Seerhausen, et depuis quand j'ay voulu retirer la quittance des actes brulez. Notre affaire est faite!" Loc. 13545 Conv. 20. Brief Fritschs vom 31. Oktober und 4. November 1762. Doch jene Unmöglichkeit verbietet ein Herbeiziehen dieser Stelle, die sich auf irgend einen anderen Vorfall beziehen mag.

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zum Jahre 1760 während der W'intcrmonate ständig in Dresden auf, so auch im Winter 1758 auf 1759^"")- Auf dieselbe Zeit, den November 1758, führt auch die Angabe im Schreiben an Krusemarck.

Friedrichs Lebensweise in jenen Wochen war sehr zurückgezogen. ,, Des Königs in Preufsen Majestät '•') sind seith dero Ankunft allhier aufser dem Schlosse und dem eingenommenen Apartement nicht gegangen, jedoch haben sich dieselben gestern den 23ten früh um 10 ühr in die Königl. Bilder-Gallerie durch die Gewehr-Gallerie verfüget, nachdem sie dem Gallerieinspektor Riedel dahin bescheiden und ihm melden lassen, dafs aufser dem selbigen allein sonst Niemand und wenn es auch ein Prinz wäre, sich daselbst zu zeigen hätte. Des Prinzen Heinrichs Kgl. Hoheit, der Generaladjutant von Krusemarc nebst noch einen un- bekandten Ofhcier und der dermahlige Lecteur des Königs Nahmens Gatt, haben höchstdieselben allein begleitet, und haben sie sich über 2 Stunden in gedachter Gallerie aufgehalten^'*). Die Tafel Sr. Mayst. bestehet mittags mehrentheils nur aus 8 Couverts; aufser einer im \'or- zimmer servirten Adjutantentafel wird aimoch parterre eine Officiertafel abgespeiset. Von dero Beschäftigungen [ist] ein mehreres nicht zu bemercken, als dafs sie sich mit

1'-) Vergl. z.B. sein Schreiben aus Dresden vom 8.Januar 1759, Log. 13546 Conv. 25 Nr. 23, 5. Für Friedrichs Aufenthalt s. Polit. Korresp. XVII Nr. 10549 10590.

'3) Vergl. einen Bericht über Dresdner Vorgänge vom 22. bis 24. November 1758 in Loc. 730 „Konzepte zu Depeschen des Grafen v. Flemming aus Wien nebst Ministerialschreiben des Grafen v. Brühl September Dezember 1758" fol. 604.

") Dieser Besuch der Gemäldegalerie ist in dem Aufsatze W. V. Seidlitz', in den Dresdner Geschichtsblättern I, 184! (1895 Nr. 2), der vier Besuche Friedrichs aufzählt, nicht genannt; die äufseren Umstände sind denen bei dem dort erwähnten Besuch am 18. September (S. 185) ganz ähnlich, doch ist zu bemerken, dafs Friedrich im September 1758 nicht im Dresdner Schlosse sein Hauptquartier hatte, sondern zu Schünfeld bei PiHnitz; erst im November wohnte er im Königlichen Schlosse zu Dresden.

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der anwesenden Generalität, dem Staatsministro von Borck, Geheimen Rath und Vorgesetzten des hiesigen Commissariats von Zinnow, dem Geheimen Rath und Geheimen Secretario von Eichel und einigen andern von ihro dermahligen Suite öfters entreteniren und ihnen dero Ordres stellen, abends aber mit dero Cammermusic amusiren." Da mag es vielleicht veranlafst durch den Prinzen Heinrich oder durch einen der preufsischen Freunde Fritschs, etwa den Minister v. Borcke oder den General v. Finck oder einen anderen sich gefügt haben, dafs Fritsch dem Könige, der Gespräche mit gebildeten Männern liebte, vorgestellt und dann von ihm zur Tafel geladen wurde, wie das 1761 auch geschah. Mögen nun bei dieser Gelegenheit seitens des Königs scharfe Äufserungen über den Warschauer oder Dresdner Hof gefallen sein, von denen etwas in weitere Kreise durchdrang, oder mag schon die Thatsache des freund- lichen Verkehrs zwischen dem verhafsten Preufsenkönig^^) und einem sächsischen hohen Beamten mifsfällig bemerkt worden sein für Fritsch hatte das Diner Unannehmlich- keiten im Gefolge. Mehr ist leider über dieses erste Zu- sammensein nicht zu ermitteln.

Die im November 1760 nicht ermöghchte zweite Begegnung war Fritsch im Frühjahr 1761 beschieden. Der Anlafs dazu war freilich ein sehr unerfreulicher, die unerschwingliche Höhe vmd unerträgliche Härte der preufsi-

'^) Man war in Hof kreisen gerade damals besonders erbittert auf Preufsen wegen der Abbrennung der Vorstädte Dresdens durch Schmettau, der Bedrohung der kurprinzlichen Familie für den Fall des Eindringens der Österreicher in Dresden und der durch unnötige Härte verstärkten Ausweisung der Minister Grafen v. Wackerbarth, Lofs, Rex, Stubenberg und des Kammer- herrn Grafen v. Salmour aus Dresden, vergl. den in Anm. 13 citierten Bericht über Dresdner Vorgänge, a. a. O. fol. 604 f. Über Friedrichs Äufserungen über König August gerade in jenen Tagen vergl. Unterhaltungen mit Friedrich dem Grofsen, Memoiren und Tagebücher von Heinrich de Gatt (herausgegeben von R. Koser, Leipzig 1884) S. 213.

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sehen Kontributionsforderungen ^"). Durch Verfügung des preufsischen Feldkriegsdirektoriums vom 22. November 1760 war von den Ämtern Mcifsen, Oschatz, Torgau, Miihl- berg, Grofsenhain und einem Teil von Döbeln für das Jahr 1761 die in kurzen Fristen zu liefernde Summe von 1232946 Thalern verlangt worden; dazu kamen noch Brand- schatzungs-, Accis- und Tranksteuer -Gelder, so dafs ins- gesammt i 381 946 Thaler von den Ämtern aufzubringen waren. Das war doppelt so viel, als im Vorjahre mit Not und auf Borg hatte zusammengebracht ^\•erden können, und seitdem hatten doch vor der Torgauer Schlacht gerade diese Ämter besonders stark unter den Truppen- anhäufungen zu leiden gehabt. Der Generalmajor Friedrich

'0) Ein erschütterndes Bild seiner Lage entwirft er sell)st in einem langen Schreiben an den Vizedirektor der kurmärkischen Kammer Johann Friedrich Fiedler, der als Mitglied des preufsischen Feldkriegsdirektoriums fungierte, Seerhausen, 20. Dezember 1760 (Loc. I3S4S Conv. 17 Nr. 10, i): Durch Feuer ist sein neues Vorwerk und die Schäferei Mautitz mit voller Ernte zerstört, abwechselnd halben die Kaiserlichen und die Preufsen auf seinen besäeten Feldern gestanden, seine Dörfer ganz ausfouragiert, seine Gehölze niedergeschlagen, die Lieferungen haben kein Ende genommen, Viehseuchen und Krankheiten der Bewohner sind eingetreten. Beim Brande seines Dresdner Hauses haben er und die Seinigen nicht viel mehr gerettet, als die Kleider auf dem Leibe, da sie sich in die Kasematten des Saul'schen Hauses geflüchtet und nichts mitgenommen hatten; von der schönen Bil)liothck ist ein grofser Teil verbrannt. Sein Verlust beträgt auf 40000 Thaler. Zur Bezahlung der vorjährigen Kontribution hat er Silberzeug und Pretiosen veräufsert, die diesjährige erborgt, destrleichen das Geld für neuanzuschaftende Kleider und Wäsche. Die gegenwärtigen Forderungen übersteigen alles Mals, die Unterthanen wollen davonlaufen und die leeren Hütten stehen lassen, „und ich thäte ebenso wohl, wenn ich mitginge und es Gott überliefse, was wir nach dem Frieden wiederfänden". Montag wird er, was an Steuern von den Llnterthanen zu er- pressen war, und 500 Thaler auf seine Ritterpferde nach Meilsen schicken, „das ist wahrlich das Brot, so mir und den Meinigen aus dem Maule nehme". Fiedler solle ihm Erleichterung schaffen, damit tluie er seinem Herrn selbst den besten Dienst zu seinem Nutzen und Gloire.

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Ehrenreich v. Ramin als Exekutor für Meifsen, Oschatz, Döbeln und Grofsenhain und der Oberstleutnant (seit Februar 1761 Oberst) Friedrich Gotthelf v. Falkenhayn für Torgau und Mühlberg waren beauftragt, die Kon- tribution durch die härtesten Exekutionen einzutreiben. Bereits im Jahre 1758 war Fritsch auf der Kreisversamm- lung am 24. März durch das Vertrauen der Ritterschaft des Meifsner Kreises zu einem der sechs Direktoren ge- wählt worden, die den Fond der zur Bezahlung der damaligen preufsischen Kontribution aufzunehmenden An- leihe verwalten sollten ''). Auf Ersuchen der Meifsner Kreisdeputierten beteiligte sich Fritsch auch im Januar und Februar 1761 zu Meifsen angelegentlich an den Beratungen über ein Abkommen mit Ramin unter Herabsetzung der Summe; die Bemühungen scheiterten jedoch, hauptsächlich an der entschiedenen Zurückweisung jeder Milderung und Ermäfsigung seitens Friedrichs IL, zum Teil aber auch an der Haltung einzelner Stände, die aus eigennützigen Absichten einer einheitlichen, das allgemeine Beste ver- tretenden Regelung, wie Fritsch sie wollte, abgeneigt waren. Er zog sich deshalb am 16. Februar von den Beratungen zurück, dankte für das Vertrauen, verbat sich aber für künftig seine Zuziehung. ,,Wenn man bedenket", schreibt er in einer Darlegung dieser Vorgänge ^^), ,,mit welchem Feinde man zu thun, wie unsere Oberen hin und wieder gesinnet oder durch falsche Nachrichten eingenommen werden, wie die kaiserliche Armee alles anzusehen und zu verfahren gewohnet, wie man endlich von denen Mit- ständen selbst, für welche man doch alles waget und über-

") Loc. 5643 „Derer Stände des Meifsnischen Creyses Suchen um Confirmation des wegen Aufbringung des Rückstandes von der der Chursächsischen Ritterschaft Kgl. Preufsischer Seits auf- erlegten Contribution abgefafsten Schlusses a. 1758", fol. 8^, 14.

^*) Vergl. Fritschs eigenhändigen Aufsatz über diese Ver- handlungen nebst begleitenden Schriftstücken, tabellarischen Zusammenstellungen, Entwürfen meist von seiner Hand, HStA. Loc. 13545 Conv. 25 Nr. 24.

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nimmt, ganz verlassen werde und derselben Unverstände oder bösen Nachreden noch zum Danke ausgesetzet sei, so mufs man sich aller öffentlichen Handlungen äufsern und Herrn und Land allein Gott befehlen. Ich will des bedenklichen Umstandes nicht erwähnen, dafs man denen bevollmächtigten Herren Deputierten oft widersprechen mufs, da denn die Eigenliebe zu sehr ins Gedränge kommt. Alle Erfahrung lehret, dafs der gröfste Theil unserer Nachbarn nur Mitarbeiter suchet, um sich der- selben mit Neid erkannten Geschicklichkeit wider Willen zu bedienen und auf selbige die Verantwortung zu schieben, die Ehre aber für sich zu behalten. Wider diese böse Gedenkungsart und die Tücke anderer, welche sich mit allen ersinnlichen Künsten der Mitleidenheit entziehen und alle andere verleumden, um bei Unverständigen als Patrioten angesehen zu werden, weifs ich keine Verwahrungsmittel, als mit so viel möglicher Geduld als ein ehrUcher Mann seinen geraden Gang zu gehen . . ." Diese Bemerkungen zeigen, wie schwierig Fritschs Stellung war; man benutzte seine Geschäftskenntnis, hoftte wohl auch von seinen freundlichen persönlichen Beziehungen zu einflufsreichen und selbst den höchstgestellten Männern auf feindlicher Seite Vorteil zu ziehen, verübelte ihm aber hinter dem Rücken diesen Verkehr, dem man unpatriotische Ge- sinnungen unterschob. Gerade damals erfreute sich ja Fritsch wieder einer Gefälligkeit des Prinzen Heinrich. Er hatte sich an den Grafen Henckel gewandt, um durch dessen Fürsprache beim Prinzen die Beschaffung von vier Rekruten zu erreichen, da er die Baarsumme, die seitens des Feldkriegsdirektoriums an Stelle der Naturalsteilung der Leute gefordert wurde, ebenso wenig beschaffen konnte, wie die Menschen selbst. Mit liebenswürdigster Bereit vviUigkeit willfahrte Prinz Heinrich der Bitte. Er beauftragte den Hauptmann v. Reder seines eigenen Regi- ments, die vier Mann dem mit der Zusammenbringung der Rekruten betrauten preufsischen Oftizier zu liefern, Fritsch solle dann die Bescheinigung der erfolgten Stellung zu-

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geschickt erhalten; auch schrieb Heinrich selbst zu seinen Gunsten an Ramin ^^). Dieses Entgegenkommen des Prinzen hatte nichts zu thun mit etwaigen hochverräterischen Ge- sinnungen oder Handlungen des Sachsen, sondern war lediglich die Gegenleistung für verschiedene Gefälligkeiten, die Fritsch wiederholt in litterarischen Angelegenheiten, sowie in Sachen persönlich vertraulichen Charakters dem Prinzen erwiesen hatte -^). Auch mit andern Männern stand er in Verkehr; oben ist Krusemarcks, Borckes, Fiedlers gedacht, auch dem Generalmajor Friedrich Freiherrn V. Wyhch war er befreundet"^), desgleichen dem englischen Gesandten Andrew Mitchell--), der Friedrich dem Grofsen sehr nahe stand.

Friedrich II. war seit Dezember 1760 den ganzen Winter über in Leipzig geblieben vmd traf am 20. März in Meifsen wieder ein, wo er dann bis zum i. Mai blieb. Die Verhandlungen wegen der Kontribution waren daselbst

'9) Vergl. Henckel an Fritsch, 18. Januar, 11. Februar, 7. März 1761, Loc. 13545 Conv. 17 Nr. 19,4 6; Cocceji der Jüngere, im Auftrag des Prinzen, an Fritsch, 16. Februar 1761, Conv. 15 Nr. 7, i; Fritsch an den Prinzen und dessen Antwort, 25. März und 15. April 1761, Conv. 14 Nr. 2, i und 2.

-*>) Vergl. hierüber meinen Aufsatz „Zur Entstehung der Tagebücher des Grafen Henckel v. Donnersmarck über den siebenjährigen Krieg", in den Forschungen zur Brandenburgischen und Preufsischen Geschichte XIII (1900).

-1) Vergl. Wylichs Brief an Fritsch, 21. März 1761, Conv. 19 Nr. 43, I. Auch zu dem seit 1759 in österreichischer Gefangen- schaft befindhchen General v. Finck hatte er Beziehungen ge- habt, Conv. 17 Nr. 11.

2'^) Fritsch selbst mufs gerade auch betreffs dieser Bekannt- schaft Verleumdungen ausgesetzt gewesen sein oder sie wenigstens befürchtet haben, denn Saul schreibt ihm zur Beruhigvmg am 6. Juni 1761 aus Warschau (Loc. 13545 Conv. 20 Nr. 37,22): „Votre amitie avec monsieur de Mitschel a ete connue ici, et loin d'y avoir trouve ä redire, Ton en a ete bien aise". Brühl war also, wohl mit unter dem Einflufs Sauls, vorurteilsfrei genug, in Fritschs Verkehr mit dem Engländer nichts Bedenkliches zu finden, sondern ihn im Hinblick auf eventuelle künftige Be- nutzung als Vermittelungskanal gar nicht ungern zu sehen.

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inzwischen weiter üciransen und mit Mühe war die drohende Exekution noch hinauscjeschoben worden. Fritsch hatte sich trotz seiner Bedenken wieder an den Beratungen be- teiligt und befand sich zu diesem Zwecke auch Ende März in Meifsen. Hierbei war es nun, dafs er mit dem Könige seine zweite für die Folgezeit so bedeutungsvolle Begeg- nung hatte. Wir wissen über diese Begebenheit nur aus einem Briefe Fritschs an seinen Sohn Karl''^), den er, um Mifsdeutungen dieses Zusammenseins vorzubeugen, anwies, zweien seiner Vorgesetzten vertrauliche Mitteilungen darüber zu machen, sonst aber über den Verlauf nichts verlauten zu lassen. Leider ist das Datum der Besprechung selbst nicht angegeben, die ganze Fassung des Briefes zeigt jedoch, dafs er unmittelbar nach der Rückkehr Fritschs von Meifsen nach Seerhausen geschrieben ist, d. h. noch am Abend des Heimkehrtages selbst oder am nächsten Tage; die zwei Tage des Meifsner Aufenthalts sind also entweder der 31. März und i. April, oder der 30. und 31. März 1761, die am ersten Tage stattfindende Unterredung mit Friedrich dem Grofsen fällt somit auf den 30. oder 31. März 1761. Die anw^esenden Ständemitglieder des Meifsner Kreises

-*) Der Adressat ist nicht genannt, die Anrede „Du", die familiären Beziehungen des Schreibens, die Erwähnung des Bruders und der Schwester weisen aber auf einen Sohn Fritschs hin. Der älteste Sohn Jakob Friedrich stand in herzoglich weimarischen Diensten. Der zweite, Heinrich Leopold, unterzog sich mit dem Vater der Verwaltung der Güter und ist im Briefe selbst noch erwähnt. Der dritte Sohn "Wilhelm Adolf hatte als Fähnrich im Infanterieregiment Prinz Xaver am 10. September 1755 zum Eintritt in Hessen -Kasselische Dienste einen dreijährigen Urlaub und auf weiteres Ansuchen am 19. Oktober 1758 den Abschied aus sächsischem Dienst bewilligt erhalten (vergl. Loc. II 269 Genealogica von Fritsch, Vol. I), er kommt also gleichfalls nicht in Betracht. Es bleibt somit nur der jüngste Sohn Karl Abraham (der spätere kursächsische Kanzler, der 1790 Graf wurde) übrig, und dies wird dadurch bestätigt, dafs Karl V. Fritsch damals in Dresden beim Geheimen Konsilium angestellt war (s. am Schlüsse Anm. 33), sowie durch den Empfangsvermerk am Kopf des Briefes, der von Karls Hand herzurühren scheint.

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hatten sich am Vormittag jenes Tages bei der Parade eing-efmiden, die Friedrich der Grofse in Meifsen abhielt, und unter ihnen stand auch Fritsch. Sobald ihn der König sah, berief er ihn zu sich. Seine ersten Worte über Fritschs gealtertes Aussehen veranlafsten diesen zu der Antwort, er habe auch allen Grund dazu. Der König schien dies nicht auf die allgemeine wirtschaftliche Not- lage beziehen zu wollen , sondern auf persönliche Be- kümmernisse und Sorgen Fritschs und brachte diese in Zusammenhang mit Anfeindungen, denen er infolge seiner Beziehungen zum König selbst ausgesetzt gewesen sei; er meinte, sein Diner habe ihm Unglück gebracht, aber Fritsch brachte das Gespräch auf die Not des Landes und bat um Milderung, doch alles umsonst; der König schob die Verantwortung dem Warschauer Hofe zu, der ja nur Frieden zu schhefsen brauche. Fritschs Gegenbemer- kungen vor zahlreichen Anwesenden waren dem König unerwünscht, so dafs er das Gespräch bald abbrach und davon ritt. Wieder um eine Hoffnung ärmer, entfernte sich Fritsch mit seinen ständischen Genossen, um mit ihnen zu speisen, denn ein gemeinsames Mahl mit den preufsischen Generälen, wozu er von dem Generalleutnant Grafen V. Wied aufgefordert war, war ihm verleidet. Da wurde er plötzlich zur königlichen Tafel befohlen. Der König hatte seine Verstimmung schon überwunden und empfing ihn beim Eintritt mit einer abermaligen Anspielung auf das frühere Diner, das für Fritsch Ungelegenheiten mit sich gebracht habe; scherzend meinte er, um für diesmal ähnliche Mifsdeutungen zu verhindern, wolle er sagen, er habe ihn gewaltsam durch zwölf tirenadiere aufgreifen lassen. Bei der Tafel, die sehr einfach bestellt war, zeigte sich der König sehr freundlich und zu heiteren Gesprächen aufgelegt; wie es bei seiner geistigen Vielseitigkeit seine Art war, wurde die Unterhaltung sehr anregend geführt und erstreckte sich über alle möglichen Gebiete, denn auch Fritsch war ein hochgebildeter Mann mit stark ausge- prägten litterarischen Interessen. Auch die beiden Männern

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gemeinsame Beschäftigung mit volkswirtschaftlichen Fragen bot reichlichen Gesprächsstoff, und so bekümmert auch damals Fritschs Stimmung war, so wenig ihn schliefslich das praktische Ergebnis der Zusammenkunft mit dem König befriedigte, Friedrichs geistige Bedeutung, und zwar nicht die des Königs, sondern des Menschen, nahmen ihn, fast wider seinen Willen, gefangen und nötigten ihn zu dem Geständnis, Friedrich sei der gröfste Mann, der ihm je vorgekommen sei. Trotz des ungünstigen Ablaufs des Versuchs am Vormittag unterhefs er es nicht, abermals und zwar mehrfach das Gespräch auf das Thema zu lenken, das ihm zumeist am Herzen lag, die Not Sachsens. Doch Friedrich antwortete mit dem bei ihm beliebten Hinweis auf die noch gröfseren Leiden seiner eigenen Länder-"*) und mit der Ermahnung, Frieden zu schliefsen. Um diesen zu erzielen, riet er den Einwohnern Sachsens, sie sollten bei ihrem Herrn schreien, dafs er bald an einem Frieden zu arbeiten Hand anlegen hülfe-''). Seine sonstigen Be- merkungen über Staatsangelegenheiten, seine Zustimmung, als Fritsch für ein gutes Einvernehmen zwischen den Herrschern von Preufsen und Sachsen und den beiden Staaten eintrat, waren derart, dafs Fritsch lebhaft wünschte, König August und Maria Theresia, sowie auch Brühl hätten

-^) Dieses Argument pflegt bei Friedrich häufig eine Rolle zu spielen, auch bei den Friedensverhandlungen betonte er es stark. Wieviel die Preufsen aus Sachsen herausprefsten, ist jetzt zum ersten Male deutlich und zwar nach preufsischen offiziellen Abrechnungen zu ersehen aus Kosers interessantem Autsatz „Die preufsischen Finanzen im siebenjährigen Kriege", Forschungen zur Brandenburgischen und Preufsischen Geschichte XIII, 153!) bes. 188 217.

-''') Diese Worte sind in dem Briefe vom i. April 1761 nicht wörtlich angeführt, sondern Fritsch bezog sich bei seiner Be- sprechung mit Friedrich am 29. November 1762 dem König selbst gegenüber auf sie zur Erklärung des damals unternommenen Friedensvermittelungsversuches. Vergl. Polit. Korresp. XXII, 355. Sachlich passen sie auch völlig in den Rahmen der Unterhaltung, wie sie Fritsch am i. April 1761 schildert.

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zuhören können; ja, der König verstieg sich in der Be- zeugung seiner freundschafthchen Gesinnung, als Fritsch Sachsens Ruin auf Jahre hinaus schilderte, sogar zu der scherzhaften Wendung, dafs er nach dem Frieden König Augusts Minister werden imd ihm sein Land wieder ein- richten wolle, eine Äufserung, die bei aller scherzhaften Bonhommie doch eines gewissen Stachels gegen den bisherigen Minister und seine Geschäftsführung nicht ent- behrte. Das Mahl dauerte fünf Stunden, länger als es sonst des Königs Gewohnheit war^^).

Nicht ohne Bitterkeit schied Fritsch, trotz seiner Be- wunderung, von dem Könige, verstimmt durch den schneiden- den, sich ihm in aller Schroffheit kundgebenden Gegensatz zwischen. dem liebenswürdigen Gesellschafter, dem philo- sophischen Denker, dem geistreichen Litteraturkenner, dem einsichtsvollen Staats- und Volkswirt auf der einen Seite und dem skrupellosen Kriegsmann auf der anderen, dessen Hauptmaxime die brutale Vergewaltigung, die erbarmungs- lose Niedertretung des unglücklichen Nachbarlandes bildete ! Und diese Empfindung hatte nicht blofs der Sachse, der vergebens für sein Vaterland gebeten hatte, sondern in Friedrichs Umgebung selbst kannte man das wohl: be- zeichnend ist General Ramins Äufserung, als ihm Fritsch am folgenden Tage auf seine Frage nach dem Verlauf des Zusammenseins nur mit einem Achselzucken antwortete : „Ja, ein lieber Herr mag es wohl sein; wenn er nur auch ein gnädiger Herr wäre!"

In den Nöten der Gegenwart und für die Bedrängnisse der nächsten Zeit blieb die Begegnung ohne Nutzen; Friedrich liefs nicht nach, und noch das ganze Jahr 1761 und ebenso 1762 hindurch hatte Sachsen die Lasten des

26) Wylich schreibt 21. März 1761 an Fritsch: „Je compte de faire une echapade (um Fritsch zu besuchen) apres le diner du roi, lequel est linis Ja plus part de tems avant deux heures." Loc. 13545 Conv. 19 Nr. 43, I. Genau um 12 Uhr begann die Tafel des Königs, vergl. de Catts Memoiren S. 12, Vehse, Ge- schichte des preufsischen Hofes und Adels IV, 8,

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Krieges zu tragen. Das Kontributionsverfahren ging nicht nur weiter, sondern erfuhr sogar noch Verschärfungen durch neue Exekutionen und Freiheitsljeraubungen solcher, die nicht sofort oder nicht genug bezahlen konnten.

Eine Frucht sollten die Unterredungen aber doch tragen, und zwar eine solche, die dem ganzen Lande zu gute kam: sie boten seiner Zeit den äufseren Anknüpfungs- punkt zur Einleitung der Friedensverhandlungen und führten damit auch zur Wahl Fritschs selbst als sächsischen Bevollmächtigten, denn der anfangs besonders gegen Österreichs Aufrichtigkeit und Friedensliebe recht mifs- trauische König hatte ausdrücklich verlangt, dafs Fritsch, den er kennen und schätzen gelernt hatte und dessen Handlungs- und Denkungsart ihm zusagte, bei den Ver- handlungen dabei sein sollte. Wohl hatte Fritsch ernste Bedenken, als ihm im November 1762 der Auftrag, zum König zu gehen, erteilt wurde, und nach der ersten Unter- redung zu Meifsen am 29. November 1762, die in ihrem Verlaufe genugsam bekannt ist"-'), trug er noch mehr Scheu, sich zu der zweiten Reise zum König nach Leipzig zu verstehen, weil seine Stellung dabei eine völlig unsichere war; er war ja zunächst nur Mittelsperson, noch nicht offiziell ernannter Unterhändler, und liebte es deshalb, sich selbst mit Anspielung auf die im siebenjährigen Kriege zu so starker Verwendung gekommenen Freikorps als „poHtischen Freihussaren" zu bezeichnen'-^). Unter den Konferenzministern und Geheimen Räten zu Dresden gab es kleinliche Neider und Nörgler, denen es zuwider war, dafs einem nicht zu ihnen gehörigen Manne der Haupt- anteil bei dem Friedensgeschäft sächsischerseits zufallen

■-') Vergl. Fritschs eigene Mitteilungen bei Beaulieu, Archiv f. d. Sächsische Geschichte IX, 348 351; Hubertusburger Friede S. 15 21; Polit. Korresp. XXII Nr. 14275 14277.

■-'*) In Briefen an Saul aus dem Dezember 1762, Loc. 13545 Conv. 20, und auch in einem Briefe an Flemming, 3. Dezember 1762 (Archiv IX, 351), worin er sich zugleich über die „injustice des procedures ä mon egard et du dommage que Ton m'a fait" beklagt.

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sollte, und nur Fritschs ehrlicher Eifer für das allgemeine Beste seines Vaterlandes vermochte ihn, seine berechtigte Verstimmung zurückzudrängen und die übernommene Auf- gabe fortzuführen"-^). Bei den Besprechungen in Meifsen war Fritsch wieder, wie früher, von Friedrich zu Tische' geladen worden; am 29. und nochmals am 30. November speiste er mit dem Könige. Der Friedensverhandlungen wurde bei der Tafel nicht gedacht, den Hauptgesprächs- stoff gab das Verfahren des Königs in Sachsen ab, über das er sich selbst des längeren ausliefs, um die Anwesenden nicht den wahren Grund von Fritschs Anwesenheit ahnen zu lassen, sondern den Anschein zu erwecken, als be- zwecke dessen Besuch wieder nur Erleichterungen für sich persönlich oder die meifsnische Ritterschaft wie 1761. Auch auf litterarische Erscheinungen kam das Gespräch, wobei einer unter Voltaires Namen gehenden Schrift ge- dacht wurde. Da der König, der ja selbst mitten im Lagerleben das regste Interesse für Litteratur bethätigte und oft und viel las'^"), sie noch nicht gesehen hatte, aber kennen zu lernen wünschte, beeilte sich Fritsch, ihm am 3. Dezember ein Exemplar zuzusenden. Friedrich machte sich auch alsbald an die Lektüre und verfehlte nicht, seinem Danke am 8. Dezember eigenhändig sein Urteil über das Buch, das nicht Voltaire, sondern einem jungen aufstrebenden Dichter zuzuschreiben sei, beizufügen.

Gegen das Ende seines Lebens kam Fritsch nochmals in persönliche Beziehungen zvi dem Könige ■^^): er folgte

-^) Für die Vorgänge und Stimmungen sind höchst lehrreich Fritschs Briefe an Saul aus diesen Wochen, die ich, da sie interessante Beiträge zur Vorgeschichte der Hubertusburger Verhandlungen liefern, an anderer Stelle zu verwerten gedenke.

^^) Vergl. de Catts Memoiren, Einleitung S. VI und zahllose Stellen des Textes.

^*) Dieser Besuch Fritschs bei Friedrich dem Grofsen, der auch eine bekannte, aber bisher unverbürgte und in verschiedenem Zusammenhange berichtete Anekdote über Moses Mendelssohn und sein Erscheinen vor Friedrich sicher stellt, soll gleichfalls an anderer Stelle geschildert werden.

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i"]"]! einer Einladung desselben nach Sanssouci. Da dieser Besuch aber lediglich von persönlichem Interesse für die beiden Männer, für die sächsische Geschichte jedoch be- deutungslos ist, mag von der Darstellung dieser Beziehungen hier abgesehen werden.

Beilagen. j

Fritsch an seinen Sohn Karl.

liStA. Dresden Lac. 13545 Conv. 21 Nr. 5, 1. Eigenhändiger Brief Fritschs , mit dem Vennerk ,,accept, den 4- April 1761, rep. eodem" von der Hand Karls von Fritsch.

Seerhausen den i. April 1761.

Ich bin 2 Tage in Meissen gewesen, kann mich aber nicht rühmen, dafs viel ausgerichtet worden, jedoch wird noch auf einem umgeleiteten Wege gearbeitet, darmit die auf alles Flehen suspendirte Executiones abgewendet und die Sachen einigrcrmafsen erträo-Hch zu Ende kommen. Gott wende noch einen dergleichen Winter ab oder ich lauffe darvon und sehe keine Rettung mehr. Der Herr Obristlieutenant Klengel"^-), mit dem vmd allen andern an- wesenden Ständen ich auf der Parade stand und welcher ansähe, wie mich der König ruffete, hat übernommen, dir zu sagen, wir glaubeten, deine Schwester würde ihre Wochen in Dresden halten können, auch nach dem hörete, wie mich der König, da mich nichts weniger versähe, zur Tafel ruffen liefs, wird dir vieleicht solches erzehlet haben. Darmit nun du die strenge Warheit wifsest, so will dir eine Relation thun, welche du gewähren und denen be3^den Oberen Gr. L. und St. '^^), von deren Gewogenheit ich ver-

82) Der kursächsische Kreis- und Marschkommissar im Meifsnischen Kreise, Oberstleutnant Heinrich Adolf v. Kiengel auf Hahnefeld, verg]. Königl. Poln. und Cliurf. Sachs. Hof- und Staatskalender 1757 S. 52, 1765 S. 93.

^'^) Karl V. Fritsch, der am 26. März 1754 den Titel eines Hofrates erhalten hatte, bekleidete seit dem 30. Juli 1756 die Stelle eines Geheimen Referendars beim Geheimen Konsilium (vergl.HStA. Dresden, Speziaireskripte 1754 Nr.173; 1756 Nr.369). Das Geheime Konsilium war bei der Abwesenheit des Königs und des Premierministers die oberste Ver\valtungsl)ehörde Sachsens, soweit dasselbe nicht in feindlichen Händen war;

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sichert, communiciren kanst, weiter aber sehe nicht gerne, dafs das Detail komme. Dein Bruder'^^) gehet mit einer Heerde Bauern nach Meifsen, um mit dem General Rammin '^■'') der Abrede gemäfs für meine Güther zu handeln, nimt den Brief mit und wir[d| daher eine sichere Gelegenheit suchen, ihn dir zu bringen.

Die Anrede war: ,,Je vous trouve vieilH et change". Ich antwortete: „Sire, il y a bien de quoi". Der König: „Je crois que mes diners vous ont porte malheur, et je me o-arderai bien de vous inviter". Darauf stellte ich ihm sehr beweglich unsere Noth für und insistirte auf ennge Mäfsigung, erhilt aber nichts als: „Faites que votre maitre fasse faire la paix et tout finira". Ich bewifs ihm, dafs es auf unfs nicht ankähme und es ging so weit, dafs er endlich verdriefslich zu werden schien und sagete: ,,La matiere devient trop grave, il faut nous separer". Er stieg zu Pferde und wir gingen betrübt darvon und überlegten, was zu thun. Da wir eben zu Tische gehen wolten und ich dem Grafen"^''') von Wied'") abgeschlagen mit der Generalitaet zu efsen, liefs mich der König ruffen. Alfs ich mit dem Marggrafen Carl"^**) und General Wyllich^'*)

seine Genehmigung holten die Kreisstände z. B. auch bei den Kontributionsverhandlungen mit Ramin ein. Die Oberen des jungen Fritsch, „Gr. L." und „St.", sind die Mitglieder des Geheimen Konsiliums Geh. Rat Christian Graf v. Lofs und ent- weder Wilhelm August Graf v. Stulienberg, der schon vor dem Kriege Wirkl. Geh. Rat war (vergl. Hof- und Staatskalender 1756, 1757,^1765), oder der Kanzler Hieronymus Friedrich v. Stammer, der 1760 zum Wirkl. Geh. Rat und Konferenzminister ernannt wurde (vergl. Speziaireskripte 1760 Nr. 160), welch letzterer in doppelter Hinsicht, als Mitglied des Geheimen Konsiliums wie als Kanzler, der Vorgesetzte Karls v. Fritsch war (s. Hof- und Staatskalender 1765 S. 85, 86 und 107, 108).

31) Der kursächsische Hauptmann z. D. Heinrich Leopold v. Fritsch.

3'^) Friedrich Ehrenreich v. Ramin, preufsischer Generalmajor.

36) Original „G. v. Wied", also „Grafen" oder „General".

") Franz Karl Ludwig Reichsgraf v. Wied zu Neuwied, preufsischer Generalleutnant.

=^8) Markgraf Friedrich Karl Albert von Brandenburg, Herrenmeister des Johanniterordens zu Sonnenburg, preufsischer General der Infanterie, starb 1762.

2") Friedrich Freiherr v. Wylich, preufsischer Generalmajor.

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in das Zimmer trat, kahm er mir entleeren und sa^jete sehr genädig: ,,Je serois veritablement fache que mon diner vous fit des affaires, mais nous dirons que je vous ai fait enlever par 12 grenadiers." Ich antwortete, was sich schickete und man setzte sich zur Tafel, welche 4 Speisen, 2 auf einmahl, und keinen Braten, auch kein Desert dar- stellete. Der König preifste die Frugalite und sagte, ,,er wolle mir aber doch gerne eine Ehre antuhn, auch eine Bouteille guthen ungarischen Wein oder Bowle Punch auf mich wagen, oder was ich wolte". Auf gebührenden Dank rühmete er seinen Champagne^") und eine Buutcille, so er einschenckte, theilte er mit dem General Wyllich und mir. Von 1000 Sachen ward geredet, so in alle Arten der Litteratur, Wirtschafft, Commerce einschlugen, und mich werden alle Zeith ihn Ijcwundern und gestehen machen, dafs ich den König a part in ihm den gröfsten Menschen erkennen müfsen, der mir jemahls fürgekommen. Welches Verhängnüfs, dafs dieser Mann unser Unglück bewürken müfse! Ich brachte unsere Xoth drei- auch viermahl, vieleicht dreister als rathsam, für, allein er war onbeweglich und alle Zeith die Antwort : ,, Meinen Ländern gehet es noch übeler, machet Friede!" Ich wolte, dafs unser lieber Herr und die Kayserin mit angehöret hätten, was gesprochen ward, wenn Publica mit einschlugen, auch unser Premier - Minister würde zufrieden gewesen sein. Nachdem man über 5 Stunden gesefsen^ stand der König auf und entliefs mich zwar in Gnaden, aber ohne Trost. Den andern Tag liefs [ichj mich keinen Preufsen sehen, aufser dafs der General Ramin in die Deputation kahm und mich da antraf und fragete, wie es gestern abgelauffen. Auf mein Achselnzucken sagete er: ,,Ja, ein lieber Herr mag es sein, wenn er nur auch ein genädiger Herr wäre". Eins mufs ich noch anfügen. Auf mein Anführen, wie Sachsen ruiniret sey und in vielen Jahren sich nicht erholen könne, sagte er ,,nach dem Frieden wolle er des Königes Minister werden und ihm sein Land wider ein- richten", sagte auch viel Warheiten und lobliche Dinge. Ich bat ihn um sein ganzes Geheimnüfs, um meinen Kindern Gelegenheit, ihr Brodt dem Vaterlande nuzbar zu verdienen, zu verschaffen. Er wolte al)er nicht und nach vielen Schertz bedunge mir, nach dem Frieden mich zu seinen Füfscn zu

*") Vergl. über Friedrichs Lebensweise Vehse, Geschichte des preufsischen Hofes IV, 35.

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legen und darum zu bitten, da er denn sagte: „dann könte vieleicht Rath darzu werden". Möchte doch unser Herr gehöret haben, was für Vorstellungen ich ihm über das guthe Vernehmen beyder Häuser und Länder gethan^'), und was er darauf für schöne Sachen von sich vernehmen lafsen. Betrübt ist, solche Dinge hören und so böfse Dinge empfinden. Vale.

IL Fritsch an Friedrich II.

HStA. Dresden Loc. 13545 Conv. 14 Nr. 1, 1. Eigenhändiges

Konzept Fritschs. \^ ^ decembre 1762.

A Sa Majeste le Roy de Prusse.

Sire. Pour obeir aux ordres de Votre Majeste j'ay l'honneur de mettre a ses pieds le ,,Balai" attribue a Voltaire, et de me recomander a la continuation de sa bienveillance royale, aiant celuy d'etre avec la plus profonde soumission de Votre Majeste le tres humble et tres obeissant serviteur . . .

IIL Friedrich II. an Fritsch.

HStA. Dresden Loc. 18545 Conv. 14 Nr. 1, 2. Originalmis- fertiqiing , die Unterschrift und der Zusatz ,,ce livre son nom" eigenhändig vom König; Empfangsvermerk „regue le IQ. decembre 17 62" von Fritschs Hand.

Au conseiller prive de Fritsch ä Dresden. Je vous remercie, monsieur, de Tattention que vous avez bien voulu avoir de satisfaire ma curiosite sur ce livre que j'avais desire, et que j'ay regu ä la suite de votre lettre du 3^ de ce mois. Sur quoi je prie Dieu, qu'il vous ait en sa sainte garde.

ä Leipzig Federic.

ce 8? decembre 1762.

Ce hvre n'est pas de Voltere, c'est quelque jeune hbertin, poete naissant qui l'a compose a l'abri de l'obscurite de son nom.

*i) Erst „gesaget", korrigiert.

Südlausitzer Schulbücher.

Von

Georg Müller.

Bereits im 17. Jahrhundert waren in Zittau einzehie Bücher erschienen, die dem Volksschuhmterrichte dienten. Gideon Hoffmann') hatte 1609 das Wechselbüchlein, Christian Keimann-) neben der Arithmetica practica das Rechenbüchlein verfafst, namentlich hatte Christian Weise '^j in mehreren Schriften den elementaren Bedürfnissen seiner Schule gedient und als ein ,,zielbewufster, aber anders- denkenden Gleichstrebenden gegenüber toleranter Meister der Lehrkunst" in seinen Schriften für den Schreibunter- richt, die Sprachlehre, die Rechtschreibung, die Salz- zeichenlehre, die Erdbeschreibung, das Rechnen Unter- lagen geboten.

1) O. Friedrich, Über die erste Einführung und allmähliche Erweiterung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts am Gymnasium zu Zittau, in der Festschrift zur 300jährigen Jubelfeier des Gymnasiums zu Zittau (Zittau 1886) S. 28.

-) H. J. Kümmel, Christian Keimann. Ein Beitrag zur Geschichte des Zittauer Gymnasiums (Zittau 1886) S. 11. Friedrich a. a. O. S. 28.

^) Otto Kämme], Christian Weise. Ein sächsischer Gymnasialdirektor aus der Reformzeit des 17. Jahrhunderts (Leipzig 1897) S. 49 55; M. C. F. Wünschmann, Gottfried Hoflfmanns Bedeutung für das Bildungswesen und die pädago- gische Theorie seiner Zeit, mit eingehenderer Berücksichtigung seines Zittauer Vorgängers und Lehrers Christian Weise (Leipzig 1895) S. 30, 43, 55, 57, 71 fit'., 76, 81.

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Weit fruchtbarer erwies sich das 18. Jahrhundert, als man zu der Erkenntnis kam, dafs das Ohr durch das Auge vmterstützt werden müsse, dafs der Lehrer mehr Erfolg habe, wenn er jedem Kinde ein Buch in die Hand geben konnte, namentlich im Leseunterrichte. Ausdrücklich wird dies in der Fibel „Der anfahende Teutsche Schüler"*) hervorgehoben. Das Büchlein ist insofern charakteristisch, als es nicht nur den Lesestoff bietet, sondern in der Vor- rede und zu jedem einzelnen Abschnitte für den Lehrer methodische Winke giebt mit der Versicherung, auch ein neu anfahender Schulhalter auf dem Lande könne vieles aus den beigesetzten Anmerkungen erlernen. Hier wird gefordert, dafs alle Schüler derselben Abteilung ein Buch und dieselbe Lektion haben sollen.

Dafs die Pescheckschen Rechenbücher den Kindern in die Hand gegeben wurden, ergiebt sich aus den Inventarverzeichnissen des Zittauer Waisenhauses'^).

Den gröfsten Aufschwung nahm die religiöse Litteratur, die in dem Katecheten M. Martin Grünwald einen ver- ständnisvollen und eifrigen Förderer fand''). Bisher war der Dresdner Kreuzkatechismus in Gebrauch gewesen;

*) G. z. E. und D. N. z. D. Der anfahende Teutsche Schüler Das ist / Devitliche Anweisung / Wie einem Kinde In der Schule oder zu Hause I. Die Erkäntnis der teutschen Buchstaben j II. Das vollkommene Buchstabiren und III. Das höchstnöthige Lesen aufs leichteste und kürtzeste bej'zubringen, Nebst den dazu dienlichen Anmerkungen, und einem Anhang von Erkäntnis der Lateinischen Buchstaben und Wörter, die öfters im Teutschen vorkommen. Zittau, druckts Michael Hartmann, 1721. Ich verdanke Herrn Pfarrer Sauppe in Lückendorf mein Exemplar. In demselben fehlen S. 17 20, 27 34, 47 ff. Der Verfasser giebt wertvolle Winke, z. B. über die Wichtigkeit des Kopf- buchstabierens (S. 41), des betonten sinngemäfsen Lesens, nicht „in einem Tone, wie die Bettelkinder hersingen und zerren, sondern fröhliche Dinge fröhlich, traurige Dinge mit geänderter Stimme, und Fragen frageweise" u. s. w.

^) Ratsarchiv Zittau. Acta das Waisenhaus betr. Vol. I, Bl. 84 f.

") Über ihn H. J. Kämmel, Martin Grünwald. 4 Programme. Zittau 1859 bis 1861.

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jetzt bot jener in seiner Erläuterung zu Luthers Kleinem Katechismus, namentlich aber in dem Büchelchen „Die Ersten Buchstaben der Christlichen Lehre" einfachere Hilfsmittel zum Katechismusunterrichte. Von Wichtigkeit war, dafs sie in billigen und handlichen Ausgaben zur Verfüofunir standen. Weil Lehrer und Geistliche die Er- fahrung machten, dafs sich die Schüler mit sehr fehler- haften Büchern behalfen und dadurch in ihren Fortschritten gehemmt wurden, so hatte der Zittauer Rat ,,aus väter- licher Sorgfalt für die liebe Posterität, hüchstrühmlich resolviert, diesen Schaden bei ihren Unterthanen in der Stadt und auf dem Lande, so viel möglich ist, abzuwenden und durch die Herren Curatores des hiesigen Waysen- Hauses vor allen Arthen der nöthigen Schul -Bücher solche Auflagen zu procuriren, welche nicht nur von allen groben Fehlern befreyt, sondern auch mit vielen nützlichen Zu- sätzen verbessert werden sollten"').

Gleichzeitig wollte man mit dem Verlage der Schul- bücher dem Zittauer Waisenhause eine gröfsere Einnahme verschaffen, wie dies auch anderwärts in der Oberlausitz nach dem Vorbilde von Halle mit Erfolg geschehen war. Wohl hatten sich milde Herzen gefunden, die das Waisen- haus mit ihren Gaben unterstützten^), wohl zog der Informator mit den Kindern in der Stadt herum, um die Gaben zu heischen, immerhin machte sich die Errichtung regelmäfsiger Einnahmecjuellen nötig. Diese waren um so sicherer, als die Bücher nicht nur in Zittau und den zu Zittau gehörigen Dörfern, sondern auch sonst") gebraucht

■^ Vorwort zu Grünwalds „Die Ersten Buchstaben" u. s.w.

^) Die Deputatio ad pias causas verfügte am 14. November 1732 über starke Kassenbestände, die sie im Waisenhause auf- bewahrte. Sie begehrte für dieselben eine Wache von Stadt- soldaten, da unsichere Leute das Gebäude umschlichen. Mitteil, des Herrn Pfarrer Sauppe. Vergl. auch Pescheck, Handbuch der Gesch. v. Zittau I (Zittau 1834), 462.

») Der Buchführer David Richter in Bautzen schuldete dem Zittauer Waisenhause am 2. April 1725 200 Thr. Mitteil, des Herrn Pfarrers Sauppe.

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wurden. Fünf Bücher wurden im Jahre 17 14 gedruckt: der Katechismus von Grünwald, der zu i'/^ Gr., das Fragebüchel, das zu 6 Pfg. verkauft wurde, dazu kam der Psalter zum Preise von i'/j Gr., Jesus Sirach zum Preise von -i/., Gr., das ABC-Büchel zu 4 Pfg.i"). Der Verkauf der Grünwaldschen Katechismen entsprach den Erwartungen. In dem Geschäftsjahre von Walpurgis 1731 bis dahin 1732 wurden 395 Exemplare vom gröfseren Katechismus und 727 vom Fragebüchel verkauft, während vom Psalter nur II, vom Sirach nur 13, vom ABC nur 9 abgingen^^). In dem folgenden Jahre ging die Nachfrage zurück: vom Katechismus wurden 269, vom Fragebüchel 381 Stück abgesetzt, während nach den übrigen kaum gefragt wurde. Der Psalter wurde gar nicht begehrt, vom Sirach und ABC nur je ein Stück verkauft. Im nächsten Jahre stieg der Verkauf des Katechismus auf 492, der des Frage- büchels auf 778 Stück.

Die neue, namentlich von der Berliner Realschule ausgehende Bewegung brachte neue Lehrmittel auf den Markt; so erlitt das Zittauer Schulbüchergeschäft eine wesentliche Beschränkung. Dazu traten Görlitzer ^-) und Laubaner^'^) Buchhändler als Konkurrenten auf, die die Bücher wesentlich billiger lieferten und deshalb schnell die auswärtigen Abnehmer zu Kunden bekamen, ja sogar die Zittauer und die Landschulen der Umgebung mit ihren Drucken versorgten. Nur die Grünwaldschen Schriften erfreuten sich noch der früheren Beliebtheit.

Da wandte sich die Deputatio ad pias causas am 31. Mai 1734 an den Rat mit der Bitte, an sämthche

1") Zittauer Ratsarchiv : Acta die Verlagsbücher des Waisen- hauses betr. BL 7.

11) Ebenda Bl. 10.

1-) Über das Görlitzer Buchstabier- und Lesebüchlein vergl. Lausitz. Mag. 1771 S. 350 f. Über eine Lübbener Ausgabe vergl. Neues Archiv f. Sächsische Gesch. u. Altertumsk. XX (Dresden 1899), 332 Amn. 28.

13) Acta die Verlagsbücher . . . BI. 7.

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Schulhalter die Verordnung zu erlassen, statt der aus- \värtif»en Ausgaben die vom Waisenhause verlegten an- schaffen zu lassen'^). Der Rat kam, um zum besten der Waisenkinder ein wenig Zugang zu schaffen, diesem Ge- suche nach, aber mit wenig Erfolg. Denn im nächsten Jahre waren aufser den Katechismen nur wenig Exemplare der drei übrigen Schulschriften verkauft worden und doch waren 7000 Stück vorrätig. Ebenso ging es 1736, wo am 29. Juni der Informator Meyer anzeigte, dafs er fast gar keinen Al^satz mehr habe. Eine neue Verordnung schärfte den Ankauf ein, ohne mehr Erfolg^'), nur die Grünwald- schen Bücher erlebten immer neue Auflagen. 1742 wurden 6000 Stück Fragebüchel gedruckt. Das Papier liefs man aus Friedland kommen, weil in der Zittauer Papiermühle kein Druckpapier zu bekommen war.

Zwei Jahrzehnte vergingen, ohne dafs der Schul- bücherverkauf eine Besserung erfahren hatte. Am 9. De- zember 1756 meldete die Deputatio ad pias causas, dafs von der Auflage von 1714 immer noch 1231 Psalter, 2018 Jesus Sirach und 2526 ABC vorhanden seien. In dem letzten Jahre seien nur 12 Psalter, 18 Sirach und kein ABC verkauft worden. Die Exemplare seien zum Teil unscheinbar und schadhaft geworden. Man gab als Grund der Vernachlässigung den hohen Preis an: das Kies ABC koste in Lauban und an anderen Orten 2 fl., während es in Zittau, das Stück zu 4 Pfg. gerechnet, auf 2 Thlr. 21 Gr. 4 Pfg. zu stehen komme'"). Ähnlich sei es

») Ebenda Bl. i ff.

1") Die Berechnungen ebenda Bl. 7, 8. Sie gehören zu dem Antrage der Deputation vom 31. Mai 1734.

'") Das Görlitzer Buchstabier- und Lesebüchlein wurde später wesentlich umfangreicher und damit teurer. 1771 erschien es in dritter, lun 4 Bogen vermehrter Auflage. Hier waren die Regeln über die Rechtschreibung vermehrt, ein Abschnitt über Münzen und Gewichte eingefügt, Löseckens Erklärung der Ordnung des Heils, sowie die Augsburgische Konfession bei- gegeben worden. Das Lausitz. Mag. vom Jahre 1771 S. 350 empfiehlt letztere Beigabe als besonders wertvoll.

173

mit den anderen Büchern. Gut gehe immer noch der Grünwaldsche Katechismus und das Fragebüchel. Aus der Nebeneinanderstellung der Herstellungskosten und des Verkaufspreises ergiebt sich, dals der Gewinn nicht unbe- trächtlich war. Eine genaue Berechnung der Prozente läfst sich nicht aufstellen, weil wir nicht wissen, wie lange der Verkauf dauerte, wie viel also auf die Ver- zinsung zu rechnen ist. Die Herstelluno-skosten hatten für 3000 Stück betragen :

5 Ballen 9 Riefs Druckpapier ... 36 Thlr. 21 Gr. Druckerlohn 36 ,, ,,

Sa. 72 Thlr. 21 Gr.

Der Verkauf der 3000 Exemplare zu

I Gr. 4 Pfg. ergab 116 ,, 16 ,,

Demnach betrug der Reingewinn . . 93 Thlr. 19 Gr.

Zum Drucke von 3000 Stück Fragebücheln waren erforderlich :

2 Ballen 4 Riefs Druckpapier zu 1 5 Thlr. Gr. Pfg. Druckerlohn 15 ,, ,, ,,

Sa. 30 Thlr. Gr. Pfg.

3000 Exemplare ä 6 Pfg. werden im Verkaufe zu 6 Thlr. 2 Gr. berechnet. Demnach ergab sich für das Waisenhaus ein Gewinn von 32 Thlr. 2 Gr.

Welchen Erfolg diese Verhandking gehabt hat, ist uns nicht bekannt. Dagegen sollte das über ganz Zittau hereinbrechende Unglück auch für die Schulbüchervorräte verhängnisvoll werden. Am 23. Juli 1757 wurden bei dem Bombardement von Zittau durch die Kaiserlichen^') auch die im Zittauer Waisenhause lagernden, über 6000 Stück, zum Teile vergilbte Ladenhüter, durch Feuer zerstört, aber auch die noch vorrätigen Exemplare der Katechismen.

^'') Chr. A. Pescheck, Handbuch der Gesch. v. Zittau II (Zittau 1837), 621, 243.

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Da stellte im Anfange des Jahres 1758 der Mittwochs- prediger M. Woldemar Salomo Haufsdorf'**) den Antrag, dafs die von dem Waisenhause verlegten und durch das Feuer verzehrten Lehrbücher zum Nutzen der Jugend wieder aufgelegt und der Grünwaldsche Katechismus ent- weder umgearbeitet oder statt dessen seines Vaters, des Pastor Primarius Ilaufsdorf") ,,Grundrifs des wahren Christentums" von neuem herausgegeben werden m()ge. Die Deputatio ad pias causas war diesem Antrage wohl geneigt, hielt aber doch eine Änderung des Grünwaldschen Katechismus für bedenklich, da derselbe gerade auswärts vielfach gebraucht und begehrt und seit dem Brande wieder verlangt worden sei. Sie war daher nicht dafür, ihn unaufgelegt zu lassen. Sie schlug dem Rate vor, Fragebüchel und Katechismus neu herauszugeben, letzteren aber nur in einer Auflage von 2000 Stück herzustellen und aufserdem den Grundrifs des wahren Christentums, der in Zittau eingeführt war, auf Kosten des Waisenhauses drucken zu lassen.

Eine Bemerkung aus dem Jahre 1763 zeigt, dafs der Druckerlohn und Verkaufspreis nicht unbeträchtlich in die Höhe gegangen waren"-").

Und dafs das Geschäft weiter gegangen ist, ergiebt sich aus einer Notiz aus dem Jahre 1800, nach welcher 64 Thlr. I Gr. Erlös überreicht wurden"-').

Diese i^ücher waren natürlich aucli im Waisenhause selbst im Gebrauche, wie sich aus den erhaltenen Inventar- verzeichnissen ergiel)t "-"-'). 1734 wurde auf Antrag des

1*) Acta die Vcrlagsbücher Bl. 9. Über ilin A. H. Kreyf-sig, An)um der evangeliscli- lutherischen Geistlichen (2. Aufl. Crim- mitschau 1898) S. 694. Lausitz. Mag. 1773 S. 317.

'") Kreyfsig a. a. O. S. 691.

-") Während früher der Druckerlohn dem Betrage für Papier gleich war, geht er später nicht unl)eträclitlic]i in die Höhe.

-') Acta, den Bücherverkauf betr. Bl. 10, 11.

-^) Zittauer Ratsarchiv (Stiftungsamt): Acta das Waisen- haus betr. Vol. I, Bl. 84 86.

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Waisen -Informators Meyer die Anschaffung neuer bewilligt. Auch 12 Gesangbücher wurden angekauft. Merkwürdig ist, dafs hier die Halleschen Bibeln im Gebrauche waren, während doch die in Zittau von Pietschmann heraus- gegebenen und namentlich für den Schulgebrauch mit Einleitung und Erklärung versehenen näher gelegen hätten-'^). Neu erwähnt werden hier die Hoffmannschen Spruchbücher '^).

Da brachte die neue Oberlausitzer Schulordnung vom Jahre 1770 eine wichtige Wandlung hervor. Verschieden war die ihr zu Grunde liegende theologische Anschauung von der bisher in Zittau herrschenden. Grünwald war ein Ausläufer der Wittenberger Orthodoxie, die auch in seinen Schriften deutlich hervortritt. Die Lausitzer Schul- ordnung stand aber unter dem Einflüsse des Pietismus. Grünwald huldigte der alten Unterrichtsweise, die wesent-

23) Vergl. Neues Archiv f. Sächsische Gesch. a. a. O. 330. Über den Stammbaum der Familie Pietschmann vergl. Lausitz. Mag. 1768 S. 15.

'^} Der Ratsbildhauer, auch Zeichnungs - Informator des Zittauischen Gymnasio (!) erhielt am 5. September 1782 von der Deputatio ad pias causas für den Unterricht im Waisenhause ein Reifszeug, bestehend aus zwei Zirkeln, zwei Reifsfedern, einem messingenen Fufs zur Einschraubung des Bleistiftes, einem Winkelhaken, einem Transporteur, einem hölzernen Parallel- lineale, einem messingenen verjüngten Mafsstabe, einem messingenen Blech zur Stellung der Zirkel und zwei beinernen Näpfchen. Acta das Waisenhaus betr. Vol. I, Bl. 65. Vergl. O. Friedrich, Über die erste Einführung und allmähliche Er- weiterung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts am Gymnasivim zu Zittau (Zittau 1886) S. 29. Über das Volksschulwesen im 18. Jahrhundert vergl.: Fortgesetzte Be- schreibung des Oberlausitzischen Schulen -Staates. III. In der Sechsstadt Zittau. A. Deutsche Schulen und die dabei bestellten Schulhalter. Lausitz. Mag. 1771 S. 234 236. In Görlitz gab es am Waisen- und Zuchthause 1770 neben dem Praeceptor litteratus und neben dem P. illitteratus noch drei Präparanten, einen ersten, zweiten und einen Supernumerarius. Lausitz. Mag. 1770 S. 282 bis 284: Über die Waisen- und Armenschule in dem hiesigen Armen-, Waisen- und Zuchthause und die Praeceptoren desselben.

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lieh im Auswendiglernen und Fragen bestand, während die Schulordnung auf die „neue Methode" grofsen Wert legte, die die Entwickelung der Gedanken betonte. In § 4 wurde eine gleichförmige, in der Ausübung sich nützlich befundene Methode betont, nach der weder die Schul- meister, noch die Schulkinder müfsig sein durften, sondern in steter Aufmerksamkeit erhalten wurden. Natürlich bedurfte es dazu neuer Bücher. In der Schulordnung wurde neben Bibel und Gesangbuch empfohlen der: ,, Unterricht, wie der Jugend das Buchstabiren und Lesen leicht und gründüch bey zubringen? auch überhaupt das Buchstabir-, Lese- und Lehrbuch recht zum Nutzen der Schuljugend anzuwenden?"

Freihch wie sollten die mangelhaft gebildeten Lehr- kräfte diese neue Methode sich aneignen? Es war nötig, Lehrer zu beschaffen, die nach dieser Methode unter- richten konnten. Für Zittau war Diakonus Renger eifrig bemüht, geeignete Lehrkräfte zu erziehen. Wie man in den Dörfern sich half, ergiebt sich aus den uns über Neuhörnitz ■-■'') erhaltenen Verhandlungen. Man wandte sich an die der Schulordnung nahe stehenden Kreise. Unter ihnen spielte der Gegenhändler v. Below auf Grofs-

'^) A. Schumann, Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungs- lexikon von Sachsen VII, 166; XVIII, 286. Auch Althörnitz hatte eine eigene Schule, deren Kollator der Rittergutsbesitzer von Althörnitz war. (G. B.Vogt) Chronik von Alt- und Neuhornitz bei Zittau. Nach guten Mitteilungen zum Druck befördert von einem geborenen Hörnitzer (Zittau 1830) S. 52. Ich benutzte das mit handschriftlichen Bemerkungen versehene Exemplar Moräweks auf der Zittauer Stadtbibliothek. G. Korscheit, Geschichte der Ortsherrschaften von Hörnitz. Neues Lausitz. Mag. XXI, 18 f. Über Gottfried Hering vergl. a. a. O. Gerlachs Programm. I Bogen. Zittau, gedruckt bei Nicolai. Lausitz. Mag. 1787 S. 298. Des Lehrers Einkommen ist verzeichnet in Acta, die Be- setzung des Schuldienstes in Neuhornitz betr. de Anno 1777 Vol. I, Bl. 2, 3; die Auseinandersetzung über den Gehalt BI. 5 8. Vergl. auch die Bemerkungen in dem auf der Zittauer Stadt- bibliothek befindlichen Handexemplare von Vogt, Chronik von Alt- und Neuhornitz (Zittau 1840J S. 54 f.

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welka-^) eine grofse Rolle, der mit seinem Hauslehrer Janicaud auf die Entstehung der Lausitzer Schulordnung einen bedeutenden Einflufs ausgeübt hatte. Er war seit 1545 Besitzer des Rittergutes Grofswelka, das er von seinem Vater geerbt hatte. Hier gründete er ein Seminar, das, wie das zu Uhyst an der Spree ^') für die Wenden geschaffen war, auch andere Gegenden mit berücksichtigte. Es war im pietistischen Sinne geleitet, da Janicaud in Halle gebildet worden war.

In Neuhörnitz war seit 1752 Besitzer der Senator Christian August Hering, der das Gut von seinem Vater geerbt hatte. Er scheint viel auf seine Schule p-ehalten zu haben. Seit ihrer Begründung 1735 stand .ihr Gott- fried Engler vor, der wegen überkommener Altersschwäche am 2. März Joh. Daniel Gellrich-^) als Substituten erhielt. Dieser mufste aber bereits am 19. November 1776 wegen seiner unwürdigen sittlichen Haltung entlassen werden.

Aus einem Verzeichnisse, das im Februar 1777-^) aufgenommen wurde, ergiebt sich, welche Bücher Engler seinem Unterrichte zu Grunde gelegt hat. Als Schul- inventar bezeichnete man: i. des Herrn Magisters Sebastian Schützens Heilsordnung, 2. ein Evangehen-Buch, 3. den kleinen Katechismus Luthers, 4. das Zittauer Gesangbuch nebst Futteral, 5. Arndts wahres Christentum, 6. die Schulordnung, 7. neun Stück Tabellen, als: ein Stück,

26) Schumann, Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungs- lexikon XVI, 569; III, 549.

-■') Lausitz. Mag. 1770 S. 284, 300, 351: Historische Nachricht von den ehemaligen vortrefflichen Gräflich Gersdorffschen Schul- anstalten zu Uhyst an der Spree. Vergl. übrigens auch G. Reichwitz, Die glorwürdigste Schulenfürsorge, welche O. F. Leopold Reichsgraf v. Nostitz . . . geübet. Über die Notwendigkeit tüchtiger und geschickter Schullehrer für die wendische Bevölkerung vergl. Lausitz. Mag. 1780 S. 303. Über die Bemühungen des Kaplan Schultze in Kittlitz, wendische Knaben zu unterrichten, vergl. Lausitz. Mag. 1773 S. 105 Anm.

-*) Moräwek, Handschriftliche Bemerkungen zu Vogt S. 55.

29) Acta, die Besetzung Vol. I, Bl. 60.

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die christliche Glaubenslehre, zwei Stück, das alte und das neue Testament, sechs Stück über den Katechismus Luthers, 8. acht Stück Buchstabier- und Lesebüchel, 9. ein Stück geschriebene Buchstabier -Tabelle, 10. eine Trankt- und Strichtafel.

Am 8. März 1777 trat zu seiner Unterstützung Johann Christoph Petrick an, der nach seiner ganzen Haltung den Eindruck eines Schülers des Grofswclkaer Seminars machte. Namentlich schrieb er eine schöne kräftige Handschrift, die vorteilhaft gegen die seines Vorgängers Engler absticht. Er war von der Frau Geheimen Kabinetts- ministerin Gräfin v. Einsiedel auf Reibersdorf der Schule zu Neuhörnitz überlassen worden, war aber ein Erb- unterthan des Kammerherrn Adolph Nicolaus Reichsgraf V. Gersdorff auf Baruth. Bereits am 20. August forderte er ihn zu seiner besseren Versorgung zurück, während ihn gleichzeitig Graf Einsiedel zum Schulhalter in Oppels- dorf in Aussicht genommen hatte. Er schlofs seine Thätigkeit mit einem Hauptexamen. Von seiner Thätig- keit wissen wir wenig. Schulbücher wurden von ihm nicht angeschafft, nur ein Schrank für die als Lehrmittel verwendeten obenofenannten Tabellen.

An seine Stelle trat Wetzke, ein Schüler des Seminars zu Grofswelka, über den v. Helow eingehend berichtet"^'') :

„Es ist derselbe als ein junger Knabe von 12 Jahren von seinen Eltern in den Unterricht hiesiger Schule gegeben worden; uiul da ich vermerkte, dafs er sich wol künftig selbst einer Schule vorzustehen werde abrichten lassen; so habe ich ihn zum Präparanten angenommen und die 2*^ Klasse zu informiren unter- geben. Nun hätte wol gern gesehen, da er selbst ein Wende ist, dafs er sich einer Schule von Wenden gewidmet hätte, da er aber selbst Neigung zu Ew. Hoch Edlen Schule bezeiget, will ihn daran nicht verhindern, und alle der an ihn gewandten Mühe ungeachtet, davon ich die Früchte bei hiesiger Schule billig eine Weile noch geniefsen sollen, diesen meinen Präparanten W^etzke auf künftige Weihnachten, geb Gott, Ew. Hoch Edlen überlassen. Ich habe meinem Gott imd Heiland zu danken, dafs

30j Ebenda Bl. 23.

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ich einen christlichen, und der Schulmethode kundigen ge- schickten Schulhalter, der auch in hiesiger Schule angezogen und praeparirt worden, habe; der aber theils seiner Gesundheit wegen, theils, weil die Kinder meist alle wendisch sind, einen Gehülfen gebrauchet, da die Schule in 2 Klassen eingetheilt ist. Vielleicht giebt der HErr Gnade, dafs wir einen von denen gegenwärtigen Schulknaben wiederum zuziehen und, freilich nach mancherlei Bemühungen, etwas gebrauchen können.

Meine Absicht ist, seit 1745, als mich der HErr zum Be- sitzer dieses Guthes gemacht, durch seine Gnade dahin gegangen, dafs ich nebst meiner und der Meinigen Seelen, für hiesiger Unterthanen und deren Kinder geistliches Wohl besonders sorgen möchte, welches vornehmlich durch christlichen Unterricht der Kinder in der Schule, „dafs sie zu Gottes und Christi unsers HErrn, der uns mit seinem Gottes Blut von allen Sünden, vom Tod und von der Gewalt des Teufels erlöset p., seligmachenden Erkenntnis gebracht werden möchten", am besten zu bewerk- stelligen wäre, und an manchen hat es der HErr gelingen lassen; auch sind ganz geschickte Knaben im Lesen, Schreiben und Rechnen darinnen aufgezogen worden, dabei ich aber nichts eben öffentlich kund durch Nachrichten werden lassen; In der Stille habe ich Gott gedanket, wenn es leidlich gegangen; und wo es anders ausgefallen, haben wir auch uns die Schuld mit beigemessen. Gottes Wort ist vor allen Dingen in hiesiger Schule, wie es in der heiligen Schrift stehet, die uns unterweisen kann zur Seligkeit, durch den Glauben an Christum JEsu, 2. Tim. 3, 15., fleifsig getrieben worden; zu guten Sitten hat man die Kinder auch angewiesen, und so viel möglich in Zucht an- gehalten. Freilich ist es nicht bei allen reufsiret. Doch sei der Name des HErrn, der auch über hiesige Anstalt und Ort noch immer mit Gnaden gewaltet, und immer ein weniges überbleiben lassen, Jes. i, 9, hochgelobet! Da übrigens von Ew. Hoch Edlen die gute Gesinnung und Vorsorge, denen Kindern Ihrer Unter- thanen einen christlichen Unterricht zu verschaffen, vernehme: so freue ich mich billig darüber, und wünsche von Herzen, dafs der HErr Dero Absicht erreichen und sonderlich Dieselben mit Ihrem ganzen Hause mit seiner überschwänglichen Erkenntnis, Phil. 3, 7. 8., gesegnen möge."

Dafs Wetzke der pietistischen Richtung angehörte, ergiebt sich aus dem Glückwünsche^'), den er an seinen

^^) Als Beitrag zur Geschichte des Briefes teile ich den Schlufs mit: Unter Anerwünschung zu diesem Gott Lob! glück-

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neuen Patron anlälslicli des Jahreswechsels am 2. Januar 1778 richtete.

Demgemäfs waren auch die Bücher, die er anschaffte, pietistischer Richtung. Wir linden hier verzeichnet die ,,Nr)tige Verbindung der Wahrheit und Liebe" von Hahn, der als pädagogischer Schriftsteller lange Zeit eine grofse Rolle spielte^-). Auf dem Waisenhause zu Halle gebildet, hatte er längere Zeit als Lehrer zu Kloster Berge bei Magdeburg gewirkt, war von 1749 ^^^ ^^^ Heckerschen Realschule zu Berlin thätig, hatte dann mit überraschendem Erfolge den Prinzen Friedrich Wilhelm unterrichtet und erfreute sich der Gunst seines Königs, Friedrichs des Grofsen, der ihn zum Abt zu Kloster Berge ernannte, schliefslich aber unerbittlich seine Beförderung in ein anderes Amt verlangte.

Seine Abhandlung von der im Christentum nötigen Verbindung der W'ahrheit und Liebe war auf eine Bitte hin entstanden, die ihm aus der Lausitz entgegengebracht worden war. Bei einer Reise durch Kottbus I742'''') war Hahn veranlafst worden, eines Sonntags nach Schlufs des Gottesdienstes ein Wort zur Ermahnun"- in einer Er- bauungsstunde zu reden. Seine Ansprache hatte einen solchen Eindruck gemacht, dafs er um Drucklegung

Heb angetretenen Neuen Jahr : Dafs der Höchste Ew. Hochedelgeb. ganzes Haus recht zum Segen und Andenken setzen, Jes. 49, 15. 16., Hochdenselben und Frau Gemahlin Jahre vermehren, Ps. 61, 7., Prov. 10, 27 und alle zur gemeinen Wohlfarth, l^esonders dero Unterthanen und hiesigen Schulanstalt, abzielende hohe Geschäfte durch seine Kraft, Deut. 8, 18., Ps. 71, 16., Jes. 40, 29 31. Weisheit, Prov. 8, 14 16. v. 20. 21. und Beistand Jes. 41, 8 10. Actor. 18, 10. erleichtern und mit Segen und Gede3-en i. Cor. 3, 6. Krönen wolle, verharre mit steter Hochachtung Ew. Hochedelgeb. ganz gehorsamster Diener . . .

*-) H. Holstein, Gosrhiclite der ehemaligen Schule zuKloster Berge, in den Neuen Jahrbüchern für Philologie und Pädagogik, herausgegeben von Fleckeisen und Masius CXXXIV (Leipzig 1886), 152—167.

^'^) Die erste Auflage erschien 1742, die zweite 1761.

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gebeten wurde. Das 80 Oktavseiten umfassende Heft zerfällt in drei Teile. Der erste behandelt die Fragre: Welche Personen es in der Verbindung der Wahrheit und Liebe versehen? der zweite giebt Anweisung, wie man in der Liebe nach Wahrheit streben soll und kann. Den Schlufs bildet eine Applikation für die Gottlosen und die Gläubigen.

Bogatzky ist mit seinem Schwanenliede, dem Bet- katechismus ^^), vertreten. Die Einleitung behandelt die Bekehrung als notwendige Voraussetzung des rechten Betens und giebt Proben von Gebeten um wahre Be- kehrvmg, um Bufse und Glauben, Wiedergeburt und Gnade recht zu beten. Es folgen Gebete über die fünf Hauptstücke, über die Fragestücke für die, so zum Sakrament gehen wollen, solche für alle Tage der Woche, über die Haustafel nach den drei Hauptständen, dann solche verschiedenen Inhalts, eins für den Schulmeister"^'"').

Aufser diesen Büchern wird noch als neu anoreschafft bezeichnet: der Cöthische Katechismus, die dreifsigjährige Stille unseres Heilands, die geistliche Schatzkammer und die Evangelische Gnadenordnung. Hinzugekommen ist ausfer- dem ein Calendarium perpetuum und die Waisenordnung der Stadt Zittavi.

Letztere war auf Anordnung der kurfürstlichen Re- visionskommission^^) vom Interimsratskollegium 1730 aus- gearbeitet und 1731^'^) veröffentHcht worden; 1760 wurde sie neugedruckt und zwei Jahre sjDäter durch das „Schema

ä*) Der kleine Katechismus Lutheri, zu einem Gebetbuch eingerichtet, samt einigen Bufs-, Beicht- und Kommunion-, auch Morgen- und Abendgebeten auf alle Tage der Woche, heraus- gegeben von Carl Heinrich v. Bogatzky (Halle, Waisenhaus 1769).

'^^) S. 273. Es ist dem Traktat ,,Der christliche Schulhalter" entnommen.

^*') Pescheck, Handbuch der Gesch. v. Zittau I, 457 ff.

^'^) Zittau, gedruckt bei Michael Hartmann, 4 Bogen Folio. Den Druck von 1760 hat Johann Gottlieb Nicolai besorgt. Die Zittauer Stadtwappen weichen auf beiden Drucken nicht un- wesentlich von einander ab.

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zu denen Voimiindschaftts- und Administrationsrechnunoen über derer Unmündigen, Abwesenden, Blöden, Unsinnigen und dergleichen Vermögen" .... vom 23. Februar 1762 ergänzt. Ihr war eine ,, Instruktion vor die Schulmeister auf dem Lande'' in zehn Paragraphen''^) beigegeben und diese war wohl der Grund, weshalb diese Dienstanweisung der Hörnitzer Schulbibliothek einverleibt wurde. Hier wurden genaue Anweisungen über die Führung der Rechnungen über das Vermögen der Waisenkinder ge- geben, zugleich aber den Lehrern auch Erziehung und Unterricht der armen Verlassenen zur Pflicht gemacht. § 8 lautet: „Und da auch das Amt und die Pflicht eines Vormimden nicht allein auf die Verwaltung des Vermögens, sondern auch zugleich auf die persönliche Verpflegung und gute Auferziehung derer Unmündigen beschaffen, die Mündel, da nothig, vor das Waisen -Amt zu bringen und von dem Unterricht deroselben im Christenthum, Lesen und Schreiben gewissenhafte Nachricht zu erteilen."

Auch Wetzke blieb nicht lange in diesem Amte. Bereits am 23. Juli 1778 teilte R. de Carlowitz dem Senator Hering mit, dafs er den Neuhörnitzer Schulhalter zum Organisten und Schulmeister in Krischa und Tettau be- rufen habe^''). An seine Stelle kam am 4. Oktober 1778 der bisherige Lehrer der Schule zu Teichnitz bei Bautzen, Johann Georg Eckhardt^*'), nachdem der dortige Patron, Baron v. Hohenthal, ihm seine Entlassung bewilligt hatte. Er war jedenfalls auch in Grofswelka vorgebildet; wenigstens empfahl v. Below den neuen Lehrer in sehr warmer Weise *^):

*8) S. 13—15.

3») Acta, die Besetzung Vol. I, Bl. 48.

*°) Vogt, Chronik von Alt- und Neuhörnitz S. 54, dessen An- gaben durch die obige Darstellung berichtigt und ergänzt werden.

*') Acta, die Besetzung Vol. I, Bl. 50. Er spricht hier auch sein Mitgefühl mit den Kriegsdrangsalen aus, die über Zittau und seine Umgegend hereingebrochen waren. Vergl. dazu auch Pescheck, Handbuch II, 647 f.

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„An dem Schulhalter Eckardt von Teichnitz, dem ich von Anfang nicht abgerathen, sondern gerade seine Convenienz glaube, erhalten Ew. Hochedelgeboren, soviel wir ihn kennen lernen, ein rechtes Kleinod, der Herr schenke ihm Gesundheit; in seiner jetzigen Stelle hat er sie ziemlich zugesetzet. Ich hoffe, Sie werden unserm guten Gott und Heiland dafür dancken müssen, der auf eine so leichte Art Gelegenheit verschafft, Ihre Schule schon 2 mal zu besetzen. Ich ziehe ihn dem guten Wetzken darinn für, dafs er in seinem Christentum und übrigen, da er schon 2 Schulen vorgestanden, geübter sey. Vor den Herrn Major von Carlowitz soll ich bey Ew. Hochedelgeb. an- halten, den nunmehrigen Schulmeister Wetzken Ihm baldmöglichst zu seiner Kirche und Schule gütig zu überlassen, da er nun schon eine geraume Zeit dieselbe habe leer stehen lassen müssen. Ich zweifle auch nicht, dafs demselben diese billige Bitte nicht erwägen sollten, zumahl nunmehro dero Schule sich wieder versorget siehet."

Dafs der Gegenhändler v. Below ihn mit Recht so empfahl, ergiebt sich aus den uns zur Verfügung stehenden Zeugnissen über seine Thätigkeit. Seine Schrift zeigt nicht nur die Genauigkeit seines Vorgängers, sondern gröfsere Gewandtheit, wie sein Briefstil gröfsere geistige Regsamkeit bezeugt. Auch hatte er die Stelle nicht ohne weiteres, sondern erst nach längerem Bedenken angenommen. Namentlich ist ein Beweis für seine Thätig- keit der Umstand, dafs er selbst ein Lesebuch für Land- schulen herausgegeben hat^-), das uns zeigt, in welcher Weise der Unterricht von ihm in Neuhörnitz betrieben wurde.

Das Buch ist allerdings erst 1796 erschienen, als er Schulmeister in Grofshennersdorf war. Aber aus der Widmung ergiebt sich, dafs es bereits früher geschrieben wurde.

In der Vorrede bezeichnet er als einen Mangel das Fehlen eines Lesebuches für Dorfschulen. Die knappe

•*2) Schulbuch für Kinder, besonders in Dorfschulen, die bereits lesen können, zur zweckmäfsigen Bildung des Verstandes und Herzens, durch fernere Übung im Lesen und Denken. Von Johann Georg Eckhart . . . (Görlitz 1796) S. 318.

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Zeit, zumal bei der «rrofseii Kinderzahl, hindere die Er- folge; wenn die Kinder nicht zu Haus in einem Buche nachlesen könnten, so sei in kurzer Zeit das meiste von dem, was sie in der Schule gehört hätten, wieder ver- gessen. Als Ziel stellt er die Erleichterung und Beförderung des Verstandes und Herzens hin, durch die die Dorf- kinder ihrer künftigen Bestimmung am sichersten und glücklichsten entgegengeführt, zu künftiger Brauchbarkeit für die bürgerliche Gesellschaft und zu einem vernünftigen und frohen Lebensgenüsse vorbereitet werden können. Als Eigentümlichkeit seines Buches nimmt er die für Dorfkinder verständliche Sprache und Einfügung neuer Gegenstände, die man in anderen Büchern dieser Art nicht finde, in Anspruch. Das Buch zerfällt in zehn Kapitel. Das erste (S. i6 bis 51) giebt einen Abrifs der biblischen Geschichte alten und neuen Testaments; nach einer kurzen Lebensgeschichte Luthers folgt als drittes ein Abschnitt über die christlichen Altertümer (S. 59 bis 71), über die Kirchengebräuche der Evangelischen (S. 71 bis 79), über den Inhalt der biblischen Bücher (S. 80 bis 88). Am umfangreichsten ist das sechste Kapitel: Naturlehre und Naturgeschichte (S. 89 bis 153) und das siebente mit einem Abrisse der Erdbeschreibung (S. 153 bis 249). Von besonderem Interesse ist das achte Kapitel, das christliche Lebens- und Sittenregeln für Kinder, Schulgesetze und Gesindelehren bietet (S. 249 bis 274). Sie zeigen, dafs eine straife Schulzucht herrschte. Auch über die sozialen Anschauungen der Zeit enthalten sie treffliche Winke •"='). Das neunte Kapitel, das der Erklärung einiger fremder und im gemeinen Leben gewöhnlicher Wörter gewidmet ist, enthält nicht weniger als 12 13 Nummern. Es ist kaum glaublich, dafs sie alle mit den Dorfkindern be-

") Manche seiner Anschauungen sollten bald eine Korrektur (lurcli die i:;c.scliichtlichen Verhältnisse erfahren, z.B. seine An- schauungen über die allgemeine Wehrpiliclit iiml über die Sicherheit vor den Überfällen fremder Völker.

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handelt worden sind. Das zehnte Kapitel bietet ein Verzeichnis einiger ausländischer Münzen mit der Angabe ihres Wertes in sächsischem Gelde.

Ein Exemplar dieses Buches befindet sich in der Hörnitzer Schulbibliothek, ist demnach von seinem Nach- folger benutzt worden.

Als Eckart 1783 als Lehrer nach Grofshennersdorf**) berufen wurde, richtete man den Blick wieder nach Grofswelka. Der dortige Präparante Johann Christian Schneider bewarb sich um die freigewordene Stelle, eine am 5. August 1783 abgelegte Interimsprobe im Kateche- sieren, Lesen, Buchstabieren, Schreiben, Rechnen und der dabei angewendeten Methode war zum Wohlgefallen und mit besonderem Beifall aller Anwesenden sowohl als besonders der Gerichte ausgefallen und v. Below*'^') Hefs ihn mit Einwilligung der Erbherrschaft, des Geheimen Rates V. Bresler**^) mit dem Wunsche ziehen, dafs der Patron seine „christliche, gute und rühmhche Absicht, den in Neu-Hörnitz unter Gottes Segen auf einen sehr guten Fufs gekommenen Schul - Unterricht fortgesetzt zu sehen, ferner durch unsers HErrn Gnade erreichen möchte".

Sein Wunsch ging reichlich in Erfüllung. Am 6. Oktober 1833 feierte Schneider sein sojähriges Orts- jubiläum*'').

Wie sich der Unterrichtsbetrieb in der Zwischenzeit geändert hat, ergiebt sich wieder aus den für die Neu- hörnitzer Schulbibliothek angeschafften Büchern. Das

■*') Acta, die Besetzung Vol. J, Bl. 66 ff. Sein Zeugnis Bl. 80. Vogt a. a. O. erwähnt diese Stellung nicht.

■>") Acta, die Besetzung Vol. I, Bl. 74.

•»0) Er war Besitzer von Lauske, Nostitz, Maltitz, Zschorna, Särka, Herwigsdorf. Die Verhandlungen mit ihm vergl. Acta, die Besetzung Vol. I, Bl. 73 b, 76.

*■') Moräwek zu Vogt, Chronik S. 54.

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wichtigste unter ihnen ist das Buch ,,Die vorzüglichsten Gegenstände des Landschulwesens und die Verbesserung desselben, mit besonderer Rücksicht auf die Königl. Säch- sische Oberlausitz", das der Kirchen- und Schulrat bei der Oberamtsregierung zu Bautzen, G. L. Schulze, heraus- gegeben hatte'*'*). Er begründete seine Schrift mit den Erfahrungen, die er bei den Revisionen gemacht hatte und gal) Winke und Anweisungen über Methodik, über Unterrichtskunst und Lehrjiraxis, über Abgrenzung und Verbindung der Lehrkurse, über Lektions- und Stunden- verteilung, über Schulzucht, über zweckmäfsige Einrichtung der Schullokale, über Lehrmittel und Schulapparate und wollte damit eine einheitlichere Praxis in der Lausitz herbeiführen.

Unter den übrigen neuen Büchern der Schulbibliothek dienen die meisten dem Religionsunterrichte^"): Rosen- müllers Predigten in drei Bänden, Dinters Bibel in sie])cn Bänden, sechs Stück Bibeln für arme Kinder, sieben Stück Zittauer Gesangbücher, drei Stück biblische Historien nach Hübner und mehrere Katechismen. Andere galten dem deutschen und Leseunterrichte, so acht Stück Wandfibeln vom Kirchenrat Schulze, Wetzeis Briefsteller, zwölf Stück Kiiiderfreunde von Wilmsen, Merkels Kinderfreund in sechs Bänden, Christlicher Kinderfreund (Halle 1816), Sonntagsbuch für Christen, zweites Bändchen (18 17). Dafs aber der Rechenunterricht eine gröfsere Bedeutung erlangt hatte, ergiebt sich aus folgenden Hilfsmitteln: Grosches Rechenbuch und Junkers Exempeltafeln, zwei grofsen Kästen mit Papptäfelchen von 15,75 cm Breite und 10,5 cm Höhe, die mit Rechenaufgidjen bedruckt

^8) Budissin 1826.

''") Acta, die Schullchrerstelle zu Neuh()rnitz betreffend Vol. II, Bl. i8sf. Hier wird Bl. 182b erwähnt: D. Martin Luther, in das apostolische Glaubensbekenntnis eingekleidet , mit Glas überzogen und in der Schulstube an der Wand auf- gehängt.

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sind. Das dazu gehörige Fazitlxich ist ein Oktavheft von 32 Blättern ■'^*^).

Diese Richtung wurde von dem Schulgesetze weiter gefördert, das 1835 in Kraft trat.

•^") Junker, Exempeltafeln ; das ist: 138 Tafeln mit beynahe 2000 abgesondert ausgerechneten zweckmäfsigen Exempeln. Ein unentbehrliches Hülfsmittel beym Rechenunterrichte in Volks- schulen, und daher als Anhang zu dem Handbuche gemeinnütziger Kenntnisse herausgegeben von dessen Verfasser: 5. verbesserte Auflage. Halle 1821. (i. Auflage 1802.)

Die sächsischen Hofkellereigläser.

Von

Karl Berling.

Das Bemalen des Hohltrlases mit midurchsichtifren Emaillefarben kam in Deutschland etwa "eo-en die Mitte des i6. Jahrhunderts auf. Ob venetianische Glasarbeiter oder die Verfertiger der bunten Glasfenster im eigenen Lande hierzu Anlafs gaben, läfst sich vorläufig nicht fest- stellen. Ich halte es für wahrscheinlich, dafs beide Ein- flüsse zusammenwirkten.

Da die Hütten vom Fichtelgeljirge, besonders die von Bischofsgrün, auf diesem Gebiete eine gewisse Be- deutung erlangten^), so ist es noch heute vielfach üblich, derartige Gläser „Fichtelbergische" zu nennen , ohne dafs man damit indessen das Entstehuno-sland richtis: bezeichnet. Denn sicher wurden frühzeitig, teilweise wohl schon früher als im Fichtelgebirge, auch in Hessen, Thüringen, am Harz, in Steiermark, Böhmen, Schlesien und anderen Ländern derartig verzierte Gläser herorestellt. Der allo-e- meine Eindruck, den diese Arbeiten in den meisten Fällen machen, ist der einer recht primitiven Behandlung. Dieser Umstand ist aber vor allem der Ungreschicklichkeit in der Zeichnung des Dargestellten zuzuschreiben, denn die Zu- sammenstimmung der kräftigen Farben mit dem nicht völlig gereinigten Glase wirkt in der Regel vortrefflich.

1) F. Leist in Kunst und Gewerbe 1873 S. 313 ff.

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Viele dieser Gläser sind von stattlicher Gröfse und dienten als ,, Willkommen", also zur Begrüfsung der Gäste. Aber auch für den Gebrauch des Einzelnen bestimmte, kleinere und gröfsere Humpen oder Becher und enge, hohe ,,Pafsgläser" scheinen sich grofser Beliebtheit erfreut zu haben. Meistens lag bei ihnen die hin und wieder ein wenig ein- oder ausgebauchte Cylinderform , seltener die eines abgestumpften Kegels zu Grunde. Aufserdem waren aber noch vierseitige Flaschen mit Zinnschrauben- verschlufs vielfach im Gebrauch.

Man nennt die bunt bemalten Gläser gewöhnlich nach dem, was auf ihnen dargestellt ist. So giebt es ,, Adler- gläser" oder ,, Reichshumpen", auf deren Vorderseite der Reichsadler gemalt ist. Dieser trägt auf seinen Flügeln die Wappen der Länder, Städte u. s. w. des Deutschen Reiches und zeigt auf der Brust das Reichsscepter, an dessen Stelle bei einigen besonders gut gemalten Exem- plaren der gekreuzigte Christus getreten ist. Dann giebt es ,, Kurfürstenhumpen" mit dem Kaiser und den (meistens) reitenden sieben Kurfürsten, ferner Zunfthumpen mit Hand- werksemblemen und endlich eine grofse Anzahl von Gläsern, die avif das bürgerliche Leben, auf Hochzeit, Taufe, Freund- schaft u, s. w. Bezug nehmen"). Diejenigen Teile, die das eigentliche Bild nicht bedeckt , zeigen kleine Blumen- zweige , spiralförmige oder palmettenartige Ornamente, manchmal auch kleine aus Schmelzperlen bestehende Borden, welche letztere sicher auf venetianischen Ursprung zurücko-eführt werden müssen.

Unter diesen bemalten deutschen Gläsern nehmen die mit dem Namen sächsische Hofkellereigläser belegten einen ganz besonderen Rang ein. Denn sie überragen in künstlerischer Beziehung die meisten der genannten und ihre Malerei, bei der vielfach auch Gold hinzugenommen

2) Näheres hierüber s.: Friedrich, Die altdeutschen Gläser (Nürnberg 1884) S. 123 ff. und Czihak, Schlesische Gläser (Breslau 1891) S. 99 ff".

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ist, zeigt sich in einer Feinheit der Ausführung und Farben- zusammenstimmung, die bewundernswert ist. Trotzdem ist über sie so grut wie nichts bekannt. Den erwähnten Namen erhielten sie davon, dafs sie für die Hofkellereien von Dresden, Moritzburg, Lösnitz, Torgau, Königsteni und Pretzsch bestellt worden waren. Die sächsischen Hof- kellereigläser ^) sind mächtige Deckelhumpen, enger ge- staltete hohe Pafsgläser, mit zwei Ijis sechs Pässen, nied- rigere Trinkbecher mit und ohne Deckel und glattgedrückte, vierseitige Flaschen. Vereinzelt kommen auch einmal andere Arten vor, wie ganz kleine Liqueurgläser, Becher mit Kugelfüfsen, Butterglocken und Doppelhumpen. Aber immer ist die sich eng- an den CyHnder anlehnende Form höchst einfach gestaltet, denn der Hauptschmuck dieser Gläser besteht in der Malerei. Die Vorderseite zeigt, meist in vorzüglicher Ausführung, das sächsische, vor allem das kursächsische, später auch polnisch -sächsische Wappen. Vielfach sind das Jahr der Entstehung und die Initialen des betreffenden Fürsten in w^eifser, seltener die letzteren in goldener Schrift hinzugefügt. Auf der Rückseite und auf dem Deckel sind über Eck gestellte Quadrate oder achtspitzige Sterne mit spiralförmigen Verzierungen in weifser, blauer, roter Emaillefarbe und Gold angebracht. Die Bordüren bestehen vielfach aus einem beiderseitig mit Perlschnüren eingefafsten Goldbande. Das Glas- material ist bei ihnen recht verschieden. Einige Stücke sind sehr leicht, andere wieder schwerer; ganz schwere kommen meines Wissens nicht vor. Die meisten sind hellgrün- lich, einige aber auch gelblich, wasserhell oder meergrün.

^) Die meisten befinden sich heute in der Glasstube der Künifflichen Hof kellerei zu Dresden, andere in den Schlössern von Moritzburg und Werrasdorf, im Königlichen Historischen Museum, im Königlichen Kunstgewerbemuseum zu Dresden und in ver- schiedenen anderen öffentlichen und privaten Sammlungen. So waren sie u. a. stark vertreten in der 1899 zur Auktion ge- kommenen Sammlung Hauschild und in der Sammlung des 1900 verstorbenen Dr. Spitzner in Dresden.

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Eine Glasflasche im Dresdener Kunstgewerbemuseum ist dunkelblau gefärbt. Einige der älteren Gläser zeigen sehr viele Fehler, Unregelmäfsigkeiten, kleine Kieselstücke und Sandkörner im Glas eingeschmolzen. Im allgemeinen sind die schwereren Gläser weniger gefärbt, aber roher in der Bemalung und unregelmäfsig wellenförmig.

Das älteste mir vor Augen gekommene Stück ist mit 1604 bezeichnet. Es ist ein Spitzglas^) (14,6 cm hoch), das meiner Meinung nach in Venedig geblasen und in Deutschland ziemlich mäfsig bemalt ist. Wahrscheinlich wurde es Johann Georg zur Hochzeit verehrt, denn es zeigt aufser dem Wappen von Württemberg und Sachsen- Merseburg folgende Inschrift: S(ibylle) E(lisabeth) H(erzogin) Z(u) S(achsen) H(ans) G(eorg) H(erzog) Z(u) S(achsen)'^). Aus dem gleichen Jahre stammt ein Glas, das in Deutsch- land auch geblasen zu sein scheint. Es zeigt das Wappen von Sachsen und das von Sachsen -Merseburg und H. G. H. Z. S. Für denselben Fürsten wurden 161 1 eine Anzahl von Humpen gefertigt, die nicht die Initialen, aber das- selbe Wappen tragen und neben der Jahreszahl das Wort ,,Kellerey" zeigen. Vier Humpen aus dem Jahre 16 10 sind mit A(ugust) H(erzog) Z(u) S(achsen) und dem Säch- sisch-Naumburgischen Wappen versehen^).

Der gröfste Teil der erhaltenen Gläser wurde in- dessen unter den Kurfürsten Johann Georg I. bis IV, und Friedrich August I. in der Zeit von 161 2 bis etwa 1720 für die kursächsischen Hofkellereien angeschafft

*) Wenn nichts anderes bemerkt ist, befinden sich die er- wähnten Gläser in der Hofkellerei zu Dresden. Näheres hierüber s. auch: (6 Byrn), Die Hof- Silberkammer und die Hof- Kellerei zu Dresden (Dresden 1880) S. 164 ff.

^) Johann Georg (als Kurfürst Johann Georg I.) wurde 1592 Administrator von Merseburg und heiratete am 16. September 1604 Sibylle Elisabeth von Württemberg.

^) August, Bruder Johann Georg I., wurde 1592 Administrator von Naumburg.

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und zeigt deren Wappen und meist deren Initialen (Fig. I u. 2)').

Ganz vereinzelt wurden aufserdem auf der Rückseite gröfsere Darstellungen in Emaillefarben gemalt, so die der „Bergkvehstung Königstein" von 1638^) und die des Schlosses Hartenfels zu Torgau von 1688 (Fig. 3). Einige sehr interessante Ausnahmen besitzt das König-liche Histo- rische Museum zu Dresden. So einen grofsen Deckelhumpen von 161 7, auf dem ein reitender Kurfürst dem grofsen sächsischen Kurwappen gegenüber gemalt ist. Dann zwei dreifache Humpen, der eine reich mit bunten, der andere

') Ich fand auf sächsischen Hofkellereigläsern folgende Jahreszahlen: 1612, 1617, 1620, 1621, 1623, 1625, 1627, 1635, 1638, 1640, 1650, 1655, 1662, 1666, 1669, 1674, 1677, 1681, 1683, 1686, 1688, 1691, 1693, 1694, 1696, 1699, 1702, 1703, 1705, folgende Initialen : V(on) G(ottes) G(naden) J(ohann) G(eorg) H(erzog) Z(u) S(achsen) Gi^ülich) C(leve) V(nd) B(erg) C^hurfürstj [von 1617 an fiel Von Gottes Gnaden fort] , J(ohann) Qeorg) D(er) A(ndere) H(erzog) Z(u) S(achsen) J(ülich) u, s. w. J. G. D(er) 3 oder D(er) D(ritte). Bei J. G. D. 4. wird zwischen B(erg) und C(hurfürst) nach E(ngern) U(nd) W^estplialen) eingeschoben, dasselbe geschieht 1696 bei F(riedrich) A(ugust). Als letzterer aber 1697 zum König von Polen ernannt worden war, verwandte man A(ugust) K(önig) C(hurfürst) u(nd) H(erzog) Z(ii) S(achsen), F(riedrich) A(ugust) R(ex) P(oloniae) oder F(riedrich) A(ugust) R(ex) P(oloniae) E(lector) S(axoniae). Aufserdem ist vereinzelt dabei geschrieben: „Kellerey" oder „Hoffkellerey" „Drefsden" (auch einmal Drefsdenn), C(hur- fürstlich) S(ächs.) HK (Hofkellerei) Harttenfelfs zu Torgau, Moritzburgische Kellerey (im Königlichen Kunstgewerbemuseum), Hofkellerey Pretzsch (wohl Pretzsch bei Wittenberg, in der ehemaligen Sammlung Hauschild), Kellerey Löfsnitz (Königliches Historisches Museum Dresden). Die Cliches für Figur i, 2, 3, 5 sind für die Beschreibende Darstellung der Bau- und Kunst- denkmälcr Sachsens angefertigt untl uns vom Herausgeber der- .selben, Hofrat Prof. Dr. Gurlitt, freundlichst überlassen worden.

*) Zwei derartig verzierte Deckelhumpen behnden sich im Königlichen Historischen Museum, s. v. Ehrenthal, Führer durch das Königliche Historische Museum (Dresden 1899) S. 24, einer in der Sammlung des Kgl. Sächsischen Altertumsvereins zu Dresden. (Abgebildet in Gurlitt, Beschreibende Darstellung, Heft Dresden.)

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Figur I.

Deckelhumpen der „Hofifkellerey Drefsden". 1692 f. Job. Georg IV.

H. 32,5 cm.

13

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j*f^,

Fi*^-* ->»p«,'v,-v -,»?«• ^ lyf?' '

Figur 2. Pafsgla.s für F(ricdr.) A(iig-.) R(ex) P(oloniae) von 1703.

H. 31,5 cm.

195 -

Figur 3.

Deckelhumpen mit der Inschrift J. G. D. D. u. s. \v.

1688 C(hurf.) S(ächs.) HK(Hofkellerei) Hartenfelfs zu Torgau

H. 36,5 cm.

13'

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mit goldenen Perlen besetzt. Jener zeigt im unteren Teile das kursächsische Wappen mit J. G. H. Z. S. und das brandenburgische mit S(ibylla) M(agdalena) H(erzogin) Z(u) S(achsen) G(eborene) ]VI(arkgräfin) Z(u) B(randenburg)"), dieser neben einem besonders reichen Goldornament drei- mal das kursächsische Wappen in verschiedener Gestalt und ,,Anno 1650". Von 1638 stammt ein mächtiger doppelter, früher wohl dreifacher Humpen, der am unteren Teile in prächtiger Ausführung den Reichsadler, am oberen die sieben Kurfürsten trägt, während an dem beide ver- bindenden gewölbten Stücke Jagdhunde angebracht sind, die auf ihren Halsbändern die Initialen I. G. H. zeigen. Das letztere ist wohl ein Beweis dafür, dass dieser Humpen für Johann Georg I. gefertigt worden ist. Dem Reichs- adler orea:enüber befindet sich in einer Barockkartusche die Figur 4 abgebildete Malermarke in etwa doppelter Gröfse. Dann möchte ich einen dreifachen Humi)cn von 1688, aus wasserhellem Glase mit sechs angehängten Deckelbechern erwähnen. Seine Malerei weicht von der sonst üblichen beträchtlich ab. So ist das auch hier vor- kommende grofse Kurwappen ganz anders zusammen- gestellt, das Übrige aber mit weifsen Linien und buntem Arabesken -Ornament geradezu überdeckt.

Schwerer als die Feststellung des Bestandes ist die Beantwortung der Frage nach dem Entstehungsorte dieser Gläser, ganz besonders auch deshalb, weil Rechnungen für die Dresdner Hofkellcrei aus alter Zeit nicht mehr vorhanden sind. Dafs sich am kursächsischen Hofe bei dem Ijekannten Interesse der Kurfürstin Anna für medi- zinische und pharmazeutische Wissenschaften^") schon früh- zeitig das Bedürfnis nach besonders gestalteten Gläsern regte , ist begreiflich , besonders wenn man die grofse

0) Mit ihr war Johann Georg I. seit 1607 in zweiter Ehe verheiratet.

i<^ Näheres hierüber s. v. Weber, Anna Churfürstin zu Sachsen (Leipzig 1865) S. 425 ff. und Caro, Dresdner Almanach (der Hofapotheke) von 1883 84 S. 40 ff.

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Rolle bedenkt, die bei ihr die Herstellung des „gebrannten Wassers" oder „aqua vitae" spielte. Dies Heilmittel, mit dem sie alle Welt beglückte, bereitete sie mit Hilfe eines „Hofapothekers" und mehrerer ,, Wasserbrenner" in ihrem Hauptdestillierhaus auf der Annaburg. Zu seiner Her- stellung bedurfte sie gläserner Destillierkolben, zum Auf- bewahren und Versenden meistens gläserner vierseitiger Flaschen. Erstere soll sie aus Augsburg, Nürnberg und Hessen, letztere aus Hessen und Braunschweig bezogen haben^^). Für den Bezug solcher ,, Wassergläser" aus Hessen fand ich in den Akten eine Bestätigung^-). Darnach liefs Kurfürst August im Jahre 1574 ,,12 Tafeln Glafs zu einer Leuchten" (Laterne), die er bei Franz Gunderlich^'^), dem Glasmachermeister von Grofsallmerode in Hessen, bestellt hatte, durch einen Fuhrmann abholen. Hierbei ordnete er an, dafs man, um den Wagen gehörig aus- zunutzen, Wassergläser, wie sie die Hütte zuvor schon für die Kurfürstin geschickt hatte, beiladen solle.

Als indessen in Sachsen Glashütten entstanden, lag es nahe, dafs man so bald wie irgend möghch den Ver- such machte, den Bedarf im eigenen Lande zu decken. Obwohl man hierbei nicht gerade allzu erfolgreich ge- wesen zu sein scheint, lasse ich das, was ich über ältere sächsische Glashütten fand, kurz folgen.

Die Jugler Glashütte.

Im Jahre 1571 legte Bastian Preifsler von Seuffen'^) eine halbe Stunde südhch von Johann -Georgenstadt auf

") V. Weber a. a. O. 8.454.

i-^ HStA. Kop. 384 (1573/74) Bl. 224b und 225.

'^) Nach einer gütigen Mitteilung des Professors v. Drach, Marburg, war die Familie Gundlach (oder Gunderlich) eine der im Glasfache bedeutendsten in Hessen; noch im 18. Jahrhundert sollen Glasschneider dieses Namens in Kassel gewesen sein.

^*) Wohl Seifen im Erzgebirge.

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dem „Platz an der Jugel" eine Glashütte an und baute hier für sich und seine Arbeiter acht Wohnhäuser. Er erhielt die Erlaubnis, sich aus bestimmten ^^'ald- stücken das für den Betrieb der Hütte nötitre Brennholz lierauszuschlagen und mehrere sonstige Privilegien, wie Mühlen-, später auch Braugerechtigkeit. Dafür mufste er aber jährlich an das Amt Schwarzenberg an ,, Zinsglas" liefern ^°):

Zwo truhen gemeine Scheiben, derer eine Truhe unge- fehr 7 Guld.

6 Schock Spiegelscheiben, jedes Schock 24 gr.

3 Schock weise kleine Credentz Gläser mit Deckeln

vonn besten glase, jedes Schock 4 Guld.

4 Schock gemeine biergläser, jedes Schock 24 gr.

Sobald nun die Hütte in einen geordneten Betrieb gesetzt war, versuchte die Kurfürstin Anna sie für ihre Zwecke zu benutzen. So forderte sie im Jahre 15 79) dafs man ihr an Stelle des Zinsglases nach einem einge- sandten Modellglase „wasser gleser, so zum gebrannten Wasser zu gebrauchen", nach der Annaburg schicken solle. Die auf der Jugel angefertigten Probegläser gefielen so gut, dafs davon 36 Schock (bei der Ablieferimg heifst es 38 Schock ä 21 gr.) bestellt wurden mit der Anweisung, sie nach Dresden zu liefern. Wahrscheinlich hatte man sie für die hier in Aussicht genommene, 1581 errichtete Hofapotheke bestimmt. Auch die Herstellung von Destillier- kolben mufste man auf der Jugel versuchen. Im Juni 1580 wurde angezeigt, dafs der Fuhrmann, der die erwähnten „Wassergläser" nach Dresden gefahren hatte , einen „glesernen kolben" mit zurückbrachte , nach dem auf Befehl der Kurfürstin so bald wie mögHch „ein Karren voll" gemacht werden sollte. Bald darauf wurden denn

»*) Loc. 36294 Die Glashütte zu Jugel betr. 1596 tif. Bl. 71. S. auch H. Haug im Neuen Archiv f. Sächsische Gesch. XX, 88.

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auch 48 gläserne Kolben nach Dresden gebracht'*''). Dafs auf der Jugel auch gemalte Gläser für die Kurfürstin gefertigt werden sollten, läfst sich aus folgendem Akten- auszug schliefsen: „Als meine gnd. Frau Zwey gemahelete Muster Jnns Ampt (Schwarzenberg) geschicket, nach denselben etzliche Proben Zue verfertigen". Ob diese hier gemacht wurden und wie sie ausgesehen haben, liefs sich nicht feststellen. Ich glaube aber, dafs die Arbeiten der Jugler Hütte für den Dresdner Hof eine gröfsere Bedeutung nicht erlangten, denn von weiteren Beziehungen melden die Akten nichts. Selbst das Amt Schwarzenberg Hefs sich sehr bald anstatt des Zinsglases das dafür ausgesetzte Geld bezahlen^').

Von Bastian Preifsler übernahm dessen Sohn Georg die Hütte, der sie in den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts an den seines Glaubens wegen ,,von der Platten" aus Böhmen vertriebenen Christian Löbel (auch Löwel) ver- kaufte. Viel brachte indessen damals das Unternehmen wohl kaum ein, ja durch den Krieg scheint es derartig zu leiden gehabt zu haben, dafs es eine Zeit lang aufser Betrieb gesetzt wurde. Denn Löbels Witwe, Anna mit Namen, bat 1653 um Erlassung der rückständigen Zinsen mit der Begründung, dafs ,,die Hütte wüste liege". Später ist sie aber wieder betriebsfähig gemacht worden, denn 1665 wurden der Besitzerin auf ihren Wunsch die Privi- legien erneuert und vermehrt. Dann verkaufte aber im Jahre 1668 ihr Sohn, Joh. Gabriel Löbel, die Jugler Hütte an den Kurfürsten Johann Georg II. Dieser übergab sie 1669 dem Bergrat Klemm als Anerkennung seiner Ver- dienste, der aber schon im Jahre darauf bat, sie ihm wieder abzunehmen, da er, vim sie zu erhalten, zu viele Opfer bringen müsse. 1689 wurde sie um 32000 Gulden an Christ. Wieden verkauft, wobei unter dem alten Be- stände weifse und grüne Gläser, weifse und gemeine

'") Rechnung des Amtes Schwarzenberg 1579 bis 1580 BI. 2i6f. ''') Loc. 36294 Die Glashütte zu Jugel betr. 15960. Bl. i.

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Spiegelscheiben genannt werden. 1691 wird gemeldet, dafs die Hütte „ganz caduc gelegen und nicht betrieben" werde. 1703 kaufte sie Math. Burckhardt, 1726 wurde sie subhastiert^^).

Die Weiterer Hütte.

Im Jahre 1624 errichtete Christian Seeling aus Eiben- stock „unweit der Weiterwiesen an der Strafse nach Frühbafs und der böhmischen Grenze" eine Glashütte. Sie wurde die weitere Hütte, Weydher Glashütte, die Hütte am Frühbasser Wege oder die Hütte am Flesch- maul^*) genannt. Auch diese Hütte hatte derartig unter den Kriegszeiten zu leiden, dafs sie fast ganz „ruiniert und caduc gegangen". 1643 erwarb sie der oben genannte Christ. Löbel für 315 Gulden. 1654 ^^a:rden dessen Erben die rückständigen Zinsen erlassen und der jährliche Zins von 41 auf 12 Gulden für kurze Zeit ermäfsigt. 1669 wurde für diese Hütte dasselbe oben aufgezählte Zinsglas wie auf der Jugel verlangt. 1683 ist sie um 3000 Gulden an den Besitzer des Hammerwerks Carolsfeld, Veit Hans Schnorr, verkauft worden, unter dem sie nicht mehr in Betrieb gewesen zu sein scheint-*').

V. Weber ^^) und Caro--) berichten, dafs die Kur- fürstin Anna von der „alten Purschensteinerin--^) 15 Schock viereckige Gläser" (wohl Flaschen zum gebrannten Wasser) erhalten haben soll. Wahrscheinlich waren diese in der Glashütte zu Heidelberg bei Purschenstein angefertigt

18) Ebenda Bl. 4 ff.

'®) Sie war „am Fleschmäuler Wasser bei Schönlinde" ge- legen. Ebenda Bl. 5.

-•>) Loc. 36122 Die Glashütte am Fleschmaul betr. 1680 Bl. 5, 9, 10, 20 und Loc. 36074 Schnorrens Privileg etc. 1643 bis 1694.

2') a. a. O. S. 433. --) a. a. O. S. 13.

23) Barbara v. Schönberg, geb. v. Bünau, seit 1548 mit Caspar V. Schönberg verheiratet, gest. 1599. (A. Fraustadt, Geschichte des Geschlechts v. Schönberg I B, 312 f.)

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worden. Über die Bedeutung, die diese Hütte gehabt hat, vermochte ich nichts in Erfahrung zu bringen, sondern ledighch festzustellen, dafs sie noch 1803^*) vorhanden war und dafs sich die Erinnerung daran bis heute in der dortigen Gegend erhalten hat'-'^).

Meiner Meinung nach können nach den obigen, wenn auch teilweise recht unvollständigen Angaben, diese säch- sischen Glashütten als Herstellungsort der sächsischen Hofkellereigläser kaum in Betracht kommen, ich glaube vielmehr, ihren Urspnmg im Auslande suchen zu müssen. In dieser Ansicht wurde ich bestärkt durch einen Akten- auszug-^), nach dem im Jahre 1599 ^^^^ Anzahl Wappen- o;läser vom sächsischen Hofe bezahlt wurden an einen „Glasträger". Darunter sind Glashausierer zu verstehen, die nicht nur mit den verschiedensten Gläsern im Lande herumzogen, sondern auch Aufträge annahmen und bei ihrer Wiederkehr das Bestellte ablieferten.

Mir scheinen nun hierbei zunächst die bei Grofs- almerode in Hessen gelegenen Hütten in Frage zu kommen. Dafs schon der Kurfürst Aug-ust in den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts mit ihnen in Verbindung stand, ist oben (S. 197) ausgeführt. Weiter haben v. Weber-') und Caro-^) festgestellt, dafs der Landgraf Wilhelm von Hessen eine Sendung Gläser an den sächsischen Hof mit einem eigen-

2*) V. Römer, Staatsrecht und Statistik des Churfürstentums Sachsen (1803) IV, 385.

-^) Das heutige Wirtshaus zu Heidelberg führt den Namen : Gasthaus zur Glashütte.

2") HSt A. Log. 7337 Wochen Aufszüge 1599 Bl. 79b. 60 Guld. 14 Gr. vor anderthalb schock Mittel vndt vor i Schock vnndt 32 kleine Wappenglesser, Jedes Schock zu 20 Guld. Peter Hillen Glafstregern Zahlt 17 Augusti Anno 1599. Bl. 85 b. 52 Guld. vor 40 Wappen glesser, Jedes zu 12 Gr. vnndt vor 2 Schock weifs streiffigte Weingleser, Jedes Schock zu 4 Guld. 12 Gr. vnndt vor 15 Schock Kelchgleser, Jedes Schock zu 28 Gr. Peter Hillen glafstregern Zahlt 20t Augusti Anno 1599.

2') a. a. O. S. 455.

28) a. a. O. S. 13.

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händigen Schreiben begleitete, worin er bedauert, dafs die Gläser nicht schön ausgefallen wären, weil die Soda nichts getaugt hätte. Zur Herstellung derartiger Wappen- gläser sind die hessischen Hütten damals sicher fähig gewesen. Von der frühen und grofsen Bedeutung der Glashütten vom Kaufunger Walde-'') will ich nur anführen, dafs sie sich bis 1446 zurückdatieren lassen, und dafs sich die Hütten von Hessen, am Harze, in Braunschweig, auf dem Eichsfelde, im ,, Gerstengau" (Gegend von Gerstungen), an der Rhön und am Spessart zu einer grofsen Zunft zusammengethan hatten, zuerst mit den Hütten am Spessart, von 1537 an mit Grofsalmerode als Vorort. Dafs aber worauf es hier besonders ankommt die hessischen Hütten im 17. Jahrhundert Wappengläser geliefert haben, läfst sich für den hessischen Hof akten- mäfsig belegen ■^*^). Mehrere solcher Gläser haben sich bis heute erhalten. So besitzt das Königliche Museum zu Kassel drei grofse Wappengläser mit hessisch -branden- burgischem Wappen aus dem 17. Jahrhundert'^'). Auch

'^) Nordöstlich von Cassel gelegen; hierzu gehörte Grofs- almerode. Näheres hierüber s. G. Landau, Geschichte der Glashütten in Hessen, in der Zeitschr. d. Vereins f. hessische Geschichte 1843 S. 280!'. und A. v. Drach in der Bayerischen Gewerbe -Zeitung 1893 S. 98.

^) Nach gütiger Mitteilung Professors v. Drach heifst es in den im Marburger Archive betindlichen Akten: „Heut dato hat Meister Augustin Gundelach Glasener am Reinhardtswalde (nördlich von Kassel), nachfolgende Gläser zur Fstl. Cellerey Cafsell gelieflfert: Wappengläser von i Mafs, von i,., Mafs, von I Nöfsel 143 stück 19t Nqvb. 1628". „Zu bevorstehender F. Kindtauff (Charlotte, Tochter Landgr. Wilhelm V, getauft am 13. Jan 1628), auch sonsten in F. Hoffhaltung zugebrauchen, seindt vff befehl V. g. F. vndt Herrn etc. Zwey Dutzt. Gläser, deren i Dutzt. von halbmafsen, das andere Dutzt. von Nöfseln mit J. f. g. vndt dere F. gn. Gemahlin Wajjcn gemahlet bey Frantz vndt Engelhardt Lenckern sampt Augustin Gundelachen ge- sampten Glasenern zu verfertigen bestellet" etc.

•") Nach gütiger Mitteilung des Museumsdirektors Dr. Eise- mann in Kassel.

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in der Löwenburg auf Wilhelmshöhe bei Kassel sollen sich eine Anzahl hessischer Wappengläser befinden^"'^). Ob diese nun mit den sächsischen in der Mache überein- stimmen, läfst sich nur bei einer Vergleichung beider feststellen. Leider hatte ich hierzu vorläufig keine Ge- legenheit. Professor v. Drach schrieb mir in dieser Angelegenheit, dafs ein in seinem Besitze befindliches, mit einfachem sächsischem Wappen und ,,F. S. Hofkellerey Altenburg 1657" bezeichnetes Glas seiner Meinung nach einer anderen Fabrikation wie die hessischen entstammen. Die von den sächsischen Hofkellereigläsern oben er- wähnte Verschiedenheit in der Masse und Malerei legt die Vermutung nahe, dafs sie aus verschiedenen Hütten stammen. Ich möchte daher neben denen von Grofs- almerode die Aufmerksamkeit auf diejenigen von Lauscha in Sachsen -Meiningen, Kreis Sonneberg, richten. Nach den Untersuchungen von Ernst Tiedt"^^) haben die Glaser Hans Greiner aus Schwaben und Christ. Müller aus Böhmen im Jahre 1597 eine Glashütte zu Lauscha errichtet, die bald die bedeutendste im Thüringer Walde wurde. Sehr früh läfst sich hier die Emaillemalerei feststellen ^*). Die Lauschaer Gläser sollen, wenn auch nicht ganz weifs, so doch von ziemlich heller Farbe gewesen sein. Daneben sind hier auch solche aus „Beinglas" (Milchglas) gefertigt und gleichfalls mit Emaillefarbe bemalt worden •''•''). Die Herzogliche Kunst- und Altertümersammlung auf der Veste

32) Auf meine Anfrage hat mir dies der Königl. Kastellan Casper berichtet und hinzugefügt, dafs auf mehreren Jahreszahlen von 1572 bis 1600 vorkommen.

3^) Sprechsaal 1897 S. 1016 f.

^*) Dr. Koetschau teilt mir mit, dafs er ein emailliertes Glas von 1595 gefunden habe, das höchstwahrscheinlich auf Lauscha zurückgeht.

^^) Milchgläser mit dem sächsischen Wappen kommen vor. Es befindet sich z. B. ein konisch geformter Becher aus Milch- glas mit dem kleinen kursächsischen Wappen und I. G. D. 3 etc. in der Sammlung des Dr. Spitzner, Dresden.

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Coburg besitzt eine stattliche Anzahl von Emaillegläseni mit sächsisch - ernestinischem Wappen. Der Direktor Dr. Koetschau glaubt, dafs sie aus der Lauschaer Hütte hervorgegangen sind. Wenn dies aber der Fall ist, so liegt die Annahme nahe, dafs auch ein Teil der kursäch- sischen Gläser aus derselben Quelle stammt und dies um so mehr, da die ältesten der erhaltenen Gläser das merseburgische und naumburgische Wappen mit dem sächsischen verbunden zeigen.

Auch in diesem Falle wird eine Vergleichung der Gläser auf der Veste Coburg mit denen der Dresdner Hofkellerei notwendig sein, obwohl man damit allein wohl kaum zu völlig- sicheren Resultaten kommen wird. Denn die verschiedenen Hütten scheinen derartige ähnliche Er- Zeugnisse geliefert zu haben, dafs eine Beurteilung nur nach dem Materiale aufserordentlich schwierior ist. Bezeich- nungen irgend welcher Art kommen aber ganz ausnahms- weise vor. Das Königliche Historische Museum zu Dresden besitzt ein mit Soldatentypen bemaltes Glas von i6i8, auf dem Christianus Peller angebracht ist^®). Möglicher- weise ist es der Name des Malers. Ist dies der Fall, so könnte mit ihm auch ein Wappen zusammenhängen (Fig. 4), das ich auf fünf von 1638 datierten Hofkellerei-

Figur 4. Malermarke, '/g der natürlichen Gröfse.

gläsern mit der Darstellung des Königsteins fand (s. S. 192). Die in dem längsgeteilten Wappen rechts befindliche Figur

^^) M.v. Ehrenthal, Führer durch das Königliche Historische Museum zu Dresden 1899 S. 24 f. Der Verfasser hat uns freund- lichst das Gliche der obenstehenden Abbildung zur Verfügung gestellt.

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ist wohl als ein aus C. P. L. zusammengesetztes Monogramm zu deuten, wobei allerdings der vordere, einem V. ähnliche Ansatz nicht recht zu erklären ist, es sei denn, dafs damit das V. in der Endsilbe des Vornamens bezeichnet werden sollte. Indessen ist mit dem Namen allein nicht allzuviel gewonnen. Erst wenn es gelingt, ihn aktenmäfsig zu belegen, wird man dem Entstehungsorte solcher Gläser näher kommen.

Es ist zwar nicht gerade ausgeschlossen, aber recht unwahrscheinlich, dafs die Gläser unbemalt nach Dresden geliefert und hier bemalt wurden^').

Wie jetzt die Sache hegt, glaube ich, dafs die kur- sächsischen Hofkellereigläser in den Hütten von Grofs- almerode und Lauscha hergestellt wurden, aber nur bis zum Jahre 1700. Von dieser Zeit an scheint mir der Bedarf im eigenen Lande gedeckt worden zu sein und zwar in der

„Königl. Pohl, und Churfürstl. Sachs. Glafsfabrique"

zu Dresden.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts, wahrscheinlich im Jahre 1692, hatte Erard Baron de Westmal (auch Wester- mal) auf Körbin bei Pretsch mit . Hilfe der drei Brüder Maximilian, Constantin und Georg Fremel und mit Er- laubnis des Kurfürsten =^'^) eine Glashütte angelegt. Ein paar Jahre lang scheint sie auch in gutem Betriebe gewesen zu sein. Man hat dort „Christalhn (wohl geschliffene

3') Dieser Ansicht war ich früher, lasse sie aber, da sich hierfür auch nicht die geringste Bestätigung finden liefs, nun- mehr fallen.

38) In einem kurfürstlichen Befehl heifst es von Westmal: „welchem wir das Glafs bey Pretsch zu machen erlaubet"- Westmal erhielt 1692 aus der kurfürstlichen Kasse einen Vorschufs und ohne Entgeld sechs Zentner von dem besten Salpeter aus Dresden. Loc. 7414 Die Anrichtung der Seiden -Manufaktur etc. 1674 Bl. 12 und Loc. 7844 Westmal.

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Gläser!) und andere Trinkgeschirre" gefertigt; auch an den Dresdner Hof sind Lieferungen gemacht worden. Lange hat sie sich indessen nicht halten können, denn obwohl auch der Kurfürst wahrgenommen hatte, ,, welcher gestallt die zu Pretsch ehemals etablirte Glafsmanufactur in ziemliche Auffnahme zu Nutzen der hiesigen Lande und Commercien gebracht worden", so konnte sie „aus mangel des dazu erforderlichen Brennholzes daselbst ferner nicht bestehen" '^^). Westmal scheint mit Hinterlassung von Schulden geflüchtet zu sein. Die Gebrüder Fremel machten aber am 30. November 1698 dem Kurfürsten August dem Starken den Vorschlag, an Stelle der einzulassenden Hütte von Pretsch selbst zwei Glashütten anzulegen, die eine für geringere Gläser^") zu Glücks])urg bei Seida, die andere für ganz besonders seltene Glaswaren in Dresden. Im Jahre 1700 wurde dieser Plan verwirklicht. Die Dresdner Hütte erbaute man vor dem Wilsdruffer Thore an einem Nebenarm der Weifseritz, in der Nähe des Ostravorwerkes. Hier sollten mit Hilfe des Rates Walter von Zschirnhaus die schwierigsten technischen Probleme in der Glas- bereitung gelöst werden. Man versprach z. B. Glas in solcher Stärke und Farbe zu giefsen, dafs alle Welt staunen solle. Daraus wollte man ,,allerhandt rare Cabinetten (wohl Spiegelverkleidungen von Wänden), gantze Tische, Stühle, Spiegel, dergleichen Gröfse nicht gesehen worden, grofse Thüren in grofser Herrn Palais, prächtige Särge vor grofse Potentaten, schöne Leuchter, Säulen und noch viele andere Sachen formen"*').

Allzuviel von diesen Versi)rechungen vermochte man aber nicht zu erfüllen. Wohl stellte hier Zschirnhaus seine

3") Loc. 7416 Glafs - Manufaktur 1700 bis 1705 Bl. 17.

^ö) Man scheint damals solche in Sachsen kaum gemacht zu haben, denn es heifst (ebenda Bl. 28 Absch. 5): „mafsen auch die geringsten Gläser aus Böhmen meistens müssen geholet werden".

*i) Ebenda Bl. 28 Absch. 2.

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gefärbten Glasflüsse, vielleicht auch seine mächtigen Brenn- spiegel her*^), aber im übrigen scheinen auch hier, wie in Pretzsch und anderen Hütten die geblasenen Trink- gläser die wichtigste Rolle in der Fabrikation gespielt zu haben. Wenigstens finden sich diese in einem Inventar- verzeichnis'*^) von 1709 allein vor. Da hierin auch von ,, gemahlten Bechern", von ,,Pafsgläsern" und von ,,Gesund- heits - Gläsern mit Wappen" die Rede ist, glaube ich mich zu der Annahme berechtigt, dafs von 1700 an der Bedarf der kursächsischen Hofkellerei in der Dresdner Glashütte gedeckt wurde. Viele dieser Gläser unterscheiden sich von den früheren vor allem durch eine am oberen und unteren Rande angebrachte Bordüre, die aus einem von grünen Zweigen umwundenen gelben Ring bestehen (siehe Fig. 5). Das Glas selbst ist mittelschwer, weifslich mit einem leichten Schein ins Gelbe und etwas blasig. Neben dem sächsisch -polnischen Wappen kommen hier häufig Kriegsembleme vor. Auch die im Jahre 1719 an- gefertigte Ausstattung der Reiseapotheke Kurfürst Friedrich Auofust I., von der noch sechs bis acht kleine Flaschen in der Königlich Sächsischen Hofapotheke zu Dresden bewahrt werden, scheinen avis der Dresdner Hütte hervor- ofegang-en zu sein.

Schon 1703 mufsten die Gebrüder Fremel*'*) aus der Leitung ausscheiden, 1706 wurde wegen der Kriegsunruhen der Betrieb auf eine Zeit eingestellt, 1709 aber die Hütte an den Buchhalter Jul. Heinr. Meyer verpachtet. Im Jahre 1723 brannte sie ab, wurde aber mit erhebHchen Kosten wieder in Betrieb gesetzt. Trotz aller An- stren^unpen indessen liefs sie sich nicht halten. Sie

*-) Näheres hierüber s. Berling, Das Meifsner Porzellan vind seine Geschichte (Leipzig 1900) S. 5 f.

*3) HStA. Amtsgericht Dresden Nr. 92. 1713. Bl. 32.

•*^) Näheres hierüber s. H. Haug, Zur Geschichte des landesherrlichen Grundbesitzes an der Ostraallee, in den Dresdner Geschichtsblättern 1899 S. 207 f.

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wurde 1746 an den Oberstallmeister Graf Hans von Brühl (der Bruder des Ministers) auf zwölf Jahre verpachtet. Doch schon nach sechs Jahren mufste der Pachtkontrakt

Figur 5. Deckelhumpen mit dem sächsisch -polnischen Wappen

H. 26,0 cm.

gelöst, und die Fabrik wieder auf Weisung des Kurfürsten geführt werden. Nur wenig Jahre scheint indessen der Betrieb, der stark unter der Konkurrenz böhmischer und thüringischer Erzeugnisse und wohl bei Ausbruch des

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siebenjährigen Krieges doppelt zu leiden hatte, noch bestanden zu haben. Denn von 1757 an wurden die Räume für eine geringe Entschädigung an einzelne „Labo- ranten" verpachtet*'^).

*^) Dem Maximilian Fremel wurde 1706 die Altmündener Hütte in Hessen zur Benutzung von Krystallglas auf sechs Jahre übergeben. Er mufste sie aber wegen Schuldenüberlastung noch vor Ablauf der Pacht wieder aufgeben. G. Landau a. a. O. S. 330.

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Die Freib erger Schofs Ordnung von 1305.

Von

Robert Wuttke.

Die Bergstadt Freiberg hat nie eine politische Rolle in Sachsen gespielt, auch an Volkszahl ist sie nie über eine Mittelstadt hinausgekommen, trotzdem beansprucht sie für Sachsen und für Mitteldeutschland grofse Be- deutuno-. Schon in ihrer Gründunorsp^eschichte weicht sie von der anderer sächsischer Städte wesentlich ab; nicht Bürger und Bauern bildeten die städtische Bevölkerung, sondern Bergleute, die angelockt von dem Silbersegen des Erzgebirges, zuerst aus Goslar, später dann aus allen Teilen Deutschlands in das unwirtliche Waldgebirge zogen, in wenigen Jahrzehnten entstand so die Stadt, ,,eine Ent- wickelung, die lebhaft an das rasche Wachstum ameri- kanischer Bergstädte unserer Zeit erinnert" (Ermisch). Jahrhunderte lang war Freiberg dann der Mittelpunkt alles bero-baulichen Lebens im Erzoebiro^e. In das Wirt- schaftsieben Sachsens war damit ein neues belebendes Element gekommen; die wirtschaftlichen Grundlagen des Bergbaues: Gewinnung der Erze nicht zum Eigengebrauch, sondern zur Verwertung an Dritte , standen im vollen Gegensatz zu der Eigen- und Überschufswirtschaft der Landwirtschaft. In Freiberg wurden zuerst die Fesseln der Naturalwirtschaft gesprengt und der Übergang zur Geldwirtschaft eingeleitet. Ein Vorgang, der anregend auf das ganze Land einwirken mufste. Und das schnelle

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Aufblühen Kursachsens gegen Ausgang des Mittelalters darf man nicht allein auf den Gewinn an Erzschätzen zurückführen, mindestens ebenso wichtig war es, dafs hier früher als in Norddeutschland die Formen der Natural- wirtschaft verlassen wurden.

In Freiberg finden wir ferner im Mittelalter die An- fänge der neueren Verkehrs Wirtschaft , das Aufkommen eines reinen Arbeiterstandes und die ersten Ansätze zu kapitalistischen Unternehmungsformen. Sicherlich bietet die Geschichte dieser Stadt dem Forscher viel des Inter- essanten. Erst durch die Arbeiten von Hubert Ermisch Das sächsische Bergrecht des Mittelalters, 1887, Das Frei- berger Stadtrecht, 1889 ist es dem Wirtschaftshistoriker möglich geworden, einen Einblick .in die besonderen Ver- hältnisse des sächsischen Bergbaues zu gewinnen.

Im Freiberger Stadtrecht handelt das vierte Kapitel: von dem geschozze, wi daz si; meinesWissens die älteste erhaltene städtische Steuerordnung in Sachsen. Sie ist verhältnismäfsig umfangreich, denn sie besteht aus nicht weniger als 19 Paragraphen. In der Erkenntnis wirt- schaftlicher Vorgänge und vor allem in der Steuertechnik steht sie auf einer hohen Stvife. Aber abgesehen von ihrem Alter besitzt sie einen über ihre Zeitgeschichte hinausgehenden Wert; wollen wir den ersten Anfängen der Einkommensbesteuerung in Sachsen nachgehen, so müssen wir bei dieser Schofsordnung den Anfang machen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint sie als das Anfangs- glied in einer Entwickelungsgeschichte des wirtschaftlichen Begriffs des Einkommens und seiner Besteuerung, die auch heute noch nicht zum Abschlufs gekommen ist.

Der Schwerpunkt des sächsischen Steuersystems hat wie in der Gegenwart, so auch in der Vergangenheit in den direkten Steuern, und zwar zumeist in der Einkommen- .steuer gelegen; nur vorübergehend haben die Erträgnisse der indirekten Steuern die der direkten überwogen. Im 15. Jahrhundert war es der ,, gemeine Pfennig", der 1427 zuerst ausgeschrieben wurde; er bildet die Grundlage für

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die Besteuerung im i6. und 17. Jahrhundert zuerst für die Türkensteuern, dann für die Schock- und Pfennigsteuern. Zu Anfang des dreifsigjährigen Krieges hat sich die Schock- steuer aus einer Einkommen- in eine Grundsteuer umge- wandelt, und der Versuch, das dadurch frei gewordene Ein- kommen — in der Steuer von der werbenden Barschaft zu treffen, schlägt fehl. Nach dem dreifsigjährigen Krieg gewinnen die indirekten Steuern an Bedeutung; erst unter Friedrich August IL wird in dem sogenannten freiwilligen Beitrag 1742 in grofsartiger Weise auf die Einkommen- besteuerung zurückgegriffen. Diese Steuerordnung eilt aber ihrer Zeit voraus , und trotzdem sie selbst aufser- halb Deutschlands Aufsehen erregt, kann sie sich auf die Dauer im Lande nicht halten ; fast hundert Jahre später kommt es 1848 wdeder zu einer reinen Einkommen- steuer; nur für kurze Zeit, denn nach den bewegten Revolutionsjahren wird dies Steuergesetz fallen gelassen, um, wesentlich geändert, Ende der siebziger Jahre wieder aufzuleben.

Die Steuergeschichtschreibimg hat aber nicht nur die Aufgabe, zu zeigen, was für Steuergesetze erlassen wurden, wie ihre Technik beschaffen war, sie mufs auch die Frage beantworten: was wollte man besteuern, und diese Frage führt unmittelbar zur Volkswirtschaftslehre über. Die Erkenntnis der wirtschaftlichen Zustände und Vorgänge ist nur langsam gereift ; das Steuergesetz läfst uns sehen, wie es um das volkswirtschaftliche Wissen stand.

Lehrreich ist es zu beobachten, wie verschieden in den Steuergesetzen das der Besteuerung unterworfene Einkommen aufgefafst wurde und wie allmählich aus der Naturalwirtschaft heraus in mehr als hundertjähriger Ent- wickelung sich der heute geltende Begriff des Einkommens gebildet hat.

Bis zum Ausgang des Mittelalters herrschte durch- gängig auf dem Lande und überwiegend in den Städten die Eigenwirtschaft vor. Alle Bedürfnisse wurden inner- halb der Hauswärtschaft durch eigene Gütererzeugung

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gedeckt; nur was im Haushalt nicht Verwendung fand der sogenannte Überschufs , wurde verkauft und nur was nicht selbst hergestellt werden könnte, erkauft.

Einkommen und Vermögen bildeten eine ununterscheid- bare Masse (Karl Bücher). Für die geschlossene Eigen- wirtschaft finden wir im Mittelalter verschiedene Formen der Steuer; so die Vermögensteuer, in der sie als eine wirtschaftliche Einheit aufgefafst wird, ferner die Herd- steuer, dann die Naturalabgaben und Zehnten, bei denen ein Teil des Rohertrages eingefordert wurde. Jede Steuer, die in Geld erhoben wurde, belastete schwer den Steuer- zahler, denn Geld konnte er nur durch Verkauf seiner Produkte oder durch Arbeitsverdingung erwerben. Die Steuer wirkte hier also gleichzeitig zerstörend auf die Wirtschaftsform ein.

In den Städten wandelt sich die Eigenwirtschaft in

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die höhere Formen aufweisende Stadtwirtschaft um. Die gewerbliche Entwickelung führt hier zu einer breiteren BerufsgHederung der Stände, als sie das platte Land kannte; es entwickelt sich ein Einkommen aus Handel und Ge- werbe; daneben findet sich ein Einkommen aus Renten, In der Vv^irtschaft sind neben den Familienmitgliedern nicht nur unfreie Kräfte thätig, sondern es wird mit Gesinde und Tagelöhnern gearbeitet, die ein Lohnein- kommen beziehen. Die Güter werden nicht mehr allein für die eigene Bedürfnisbefriedigung, sondern in steigendem Mafse für den Verkauf erzeug-t.

Alle diese volkswirtschaftlichen Vorgänge erfahren in der Steuergesetzgebung Beachtung. Man versteht jetzt unter Einkommen alle die Güter, die von aufsen in die Wirtschaft hereinkommen, und da die Wirtschaft nun nicht mehr als eine geschlossene Einheit erscheint, so wird die Vermögensteuer erweitert: das Einkommen aus Arbeits- lohn, aus Gewerbebetrieb, aus Rente wird zur Steuer herangezogen. Im weiteren Verfolge dieses Entwickelungs- ganges wird man auf die Gütererzeugung in der Wirt- schaft aufmerksam und unterscheidet nun, ob die Güter

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zum eigenen Gebrauch dienen, oder ob sie zum Verkauf bestimmt sind. Mit der fortschreitenden Erkenntnis ver- lieren die direkten Steuern aHmählich ihren vmiversellen Charakter, sie passen sich den verwickeheren wirtschaft- lichen Vorofänofen an ; immer klarer entwickelt sich der Ein- kommensbegriff, bis wir schliefslich in der Gegenwart sehen, dafs nicht mehr allein die Güter, die von aufsen in die Wirtschaft kommen, sondern auch die innerhalb der Wirt- schaft zur eigenen Bedürfnisbefriedigung erzeugten Güter zum Einkommen gerechnet werden.

Wenden wir uns nun zur Freiberger Schofsordnung. Das Geschofs war keine regelmäfsig jährlich erhobene Steuer, nur wenn „die stat ein geschoz muz haben" und nur soviel, als „der stat not ist", sollten die Bürger unter ein- ander, wenn sie im heimlichen Rat safsen, bewilligen. Sie wählten gleichzeitig zwei Ausschüsse, der eine aus zwei Bürgern und zwei ,, biderben" Männern bestehend, um die Steuer einzunehmen, der andere aus zwei Bürgern und dem Richter, um die säumigen Steuerzahler zu pfänden.

Wahrscheinlich war Selbsteinschätzung vorgesehen und das Verfahren so geregelt, wie wir es in späterer Zeit in norddeutschen Städten finden: Abgabe des Steuerbetrags unter Eidesversicherung ohne Kontrolle; denn die Ordnung betont, dafs, wer böses Silber oder böse Pfennige in den „czuber" lege, ohne sie nach ihrem wahren Wert zu rechnen, Meineid schwöre und Arolist begehe.

In einer für unser heutiges Denken ganz fremdartigen Weise wird von der Ordnmig der Kreis der steuerpflichtigen Personen gezogen. Es sind einmal steuerpflichtig die Bürger und die Angesessenen, dann die Hausgenossen und schliefs- lich alle ,,he si pfaffe oder leie" , die, obwohl sie aufserhalb wohnen, in der Stadt Erbe oder Zins besitzen. Steuerbar ist hier einmal alles, was das Weichbild der Stadt umfafst. Des weiteren bestimmt die Ordnung, dafs Bürger und Ansäfsige, „waz (sie) gutis (haben) uf dem lande oder in anderen landen", in der Stadt verschossen sollen. Die Steuerpflicht wird hier über das Weichbild ausgedehnt.

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Aber die Ordnung geht noch einen Schritt weiter. Die Stadt besafs die Jurisdiktion über das „Gebirge"; ein jeder Bergmann, der auf dem Lande safs, mufste, wenn er ge- rufen wurde, vor dem Freiberger Stadtgericht erscheinen. Diese eng mit der Entwickekmg der Stadt als Bergstadt zusammenhängenden Gerechtsame werden jetzt für die Schofsordnung verwertet: ,, welch man oder bercman ge- sezzen ist uf deme gebirge, waz he gutis hat, daz sal he herin verschozzen in di stat mit den burg-eren". Und das Gleiche gilt von den Hüttenbesitzern: ,, welch waltworchte gesezzen ist inme dorfe oder uf dem Vorwerke, di wile he waltwerkis pflit, so sal he sin gut verschozzen her in di stat".

Beachtenswert ist auch, dafs die Stadt eine privilegierte Stellung der Geistlichkeit nicht anerkennt, es wird aus- drücklich hervorgehoben, dafs sie ebenso wie die Bürger der Besteuerung unterliegt; ob der Adel auch steuer- pflichtig war, geht aus der Ordnung nicht hervor.

Bei den in der Stadt Ansäfsigen lag, wenn sie Güter auf dem Lande besafsen, die Gefahr der Doppelbesteuerung vor; die Ordnung bestimmt deshalb, dafs, wer sein Ver- mögen in der Stadt versteure, ,,der sal zu rechte uf dem lande nicht schozzen, waz he selbe erbeitit mit sinen pflügen".

Das Steuerobjekt wird nirgends in der Ordnung klar genannt; es heifst wohl, was einer ,, gutis" hat, soll er verschossen, aber was unter ,, gutis" zu verstehen sei, wird nicht gesagt. Die Ordnung bezeichnet als steuerbar: „was ein man anders hat uf allem ertriche, iz si begraben in der erden oder lige uffen hutten oder si in den Vorwerken oder an schult oder an alle dem, daz got i geschuf". Wir werden wohl nicht fehlgehen, wenn wir danach unter der Geschofssteuer eine Vermögenssteuer verstehen, aber das Vermögen erscheint nicht mehr als eine ungeteilte einheit- liche Masse. Die fortgeschrittene wirtschaftliche Ent- wickekmg der Stadt kommt hier zum Ausdruck. So wird einmal das sogenannte Handelskapital zu treffen gesucht:

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„swer werbende gut hat in der stat, daz da koufet unde verkoufit, he si pfaffe, munich oder nunne, der sal iz ver- schozzen", und femer der Unternehmergewinn herange- zogen: „swaz ein man gutis hat zu geselleschaft, daz sal he verschozzen zu rechte". Auch das Renteneinkommen „das Hpgedinge und den iarcins" wird von der Ordnung aus- drückHch als steuerbar hervorgehoben. Eine für uns heute nicht mehr recht verständhche Bestimmung lautet: „swelch man melcet vmbesessenen luten, he si coch oder keiner, knecht oder mait oder nunne, daz sal he verschozzen oder sal daruf wisen, daz iz verschozzet werde".

Das fundierte Einkommen wird nicht höher als das unfundierte zur Steuer herangezogen, dagegen werden Schulden, die auf einem Grundstück lasten, berücksichtigt: „swer da einen hof hat, der da cinset ein halp pfunt oder me, der gibet halbiz geschoz von der vurstat" ; ist jedoch die Schuldenlast eine geringere, so mafs die volle Steuer entrichtet werden. Damit lag die Gefahr nahe, sich durch Aufnahme einer Zinsschuld der Steuer teilweise zu ent- ziehen; die Ordnung betont deshalb: „welch man eins ver- koufit von sime huse durch geschozzes wallen, daz he deste minner schozze von der furstat, der hat argHst". Der Gedanke, nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit den Steuersatz zu bemessen, kommt in diesen Bestimmungen, freilich noch recht verkümmert, zum Ausdruck.

Nicht das ganze Vermögen soll steuerbar sein, zunächst sollen etwaige Schulden abgezogen werden, dann aber, und dies ist für die spätere Entwickelimg der sächsischen Besteuerung überaus wichtig, wird das Gebrauchs- und zum Teil auch das Nutzungsvermögen vom Vermögen ab- getrennt und als steuerfrei erklärt: ,,hat ein man körn, daz he ezzen wil folglich ist das zum Verkauf vorhandene steuerpflichtig , oder gerste, die he zu sime tränke wil, oder vleisch zu siner speise oder phert zu sime satele, hat ein man swin, di he ezzen wil, oder kuwe inme huse zu sime nutce, oder ochsen uf der weide, die nicht veile sint oder kleidere oder silberin geveze, daz he benutzet,

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oder kleinote, di nicht veile sind oder was he zu siner notdurf oder zu kost unde spise haben sal, des alles darf he nicht verschozzen".

Der Kreis der steuerfreien Güter ist mit dieser lang-en Aufzählung noch nicht abgeschlossen; in der Bergstadt Freiberg wollte man die Interessen des obererzgebirgischen Erzbaus kräftig wahren, und so erklärte man die Berganteile „hat ein man teil an bergen, si sint gut oder böse" als steuerfrei.

In einem Punkte eilt die Schofsordnung weit ihrer Zeit voraus, sie kennt schon die Steuerfreiheit des Existenz- minimum: ,,waz ein man under einer marc hat, he bege (ernähre?) sich is oder nicht, davon darf he nicht schozzen".

Überblicken wir den Gang unserer Untersuchung. Die Schofssteuer ist noch eine Vermögenssteuer, aber schon wird das Gebrauchs- und Nutzungsvermögen vom Erwerbs- vermögen, das ausschliefslich getroffen werden soll, ge- trennt. Auch die ersten Ansätze, das Einkommen zu besteuern, finden wir in der Ordnung; das Einkommen aus Rente und der Unternehmergewinn werden ausdrücklich als steuerbar hervorgehoben. Der Gedanke, die wirt- schaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, klingt noch in die Ordnung hinein. Weit über ihre Zeit hinaus eilt die Ordnung, wenn sie ein steuerfreies Existenzminimum zuläfst und die allgemeine gleiche Steuerpfiicht anerkennt, Grundsätze, die wir erst in der Neuzeit in der staatlichen Steuergesetzgebung finden.

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Druck von Wilhelm Baensch in Dresden.

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