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Neues Archiv

für

Sächsische Geschichte

und

Altertumskunde.

Herausgegeben

von

Dr. Hubert Eriniscli,

K. Oberregierungsrat.

Vierundzwanzigster Band.

-• *-♦-♦-

Dresden 1903. Wilhelm Baensch, Verlagshandlung.

IMEÖETTYCENIEH OBRARY

Inhalt.

Seite

I. Studien über die wettinische Kanzlei und ihre ältesten Register im XIV. Jahrhundert. Von Archivrat Dr.Woldemar Lippert in Dresden . 1

II. Der Muldenspreng-el. Ein Beitrag zur kirch- lichen Geographie des Erzgebirges im Mittel- alter. Von Pfarrer Lic. Dr. Leo Bönhoff in Pleifsa. Nebst einer Karte 43

III. Ein Stadtbuch von Döbeln. Vom Herausgeber 67

IV. Zur Heiratsgeschichte der Herzogin von Roch- litz. Von Pfarrer Gerhard Planitz in Ober- crinitz 79

V. Zur Lebensgeschichte Heinrich Stromers von Auerbach. Von Oberlehrer Lic. Dr. Otto Giemen in Zwickau 100

VI. Wolfgang Lazius, ein Geschichtschreiber des Schmalkaldischen Krieges. Von Prof. Dr. Otto Eduard Schmidt in Meifsen 111

VII. Die Türkenfeldzüge Augusts des Starken 1695

und 1696. Von Dr. Paul Haake in Berlin . 134

VIII. Hermann Knothe, gestorben den S.Februar 1903.

Vom Herausgeber 155

IX. Kleinere Mitteilungen 164

1. Die Königlich Sächsische Kommission für Ge- schichte im Jabre 1902. Vom Herausgeber. S. 164. 2. Nachträge zur Lebensgeschichte des Andreas Franli von Kamenz. Von Carl Niedner in Oetzsch bei Leipzig. S. 168. 3. Wo ist Friedrich Hort- leder geboren'? Von Prof. Dr. E. Reimann in ßeichenbach i. V S. 174

Literatur l'^9

IV Inhalt.

Seite

X. Das Oiioniasticum niundi generale des Domiiii- kanermünclies Johannes Lindner zu Pirna und seine Quellen. Ein Beitrag zur Historiographie des Reformationszeitalters, Von Prof. Dr. K. E. Hermann Müller in Prenzlau 217

XI. Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 1547

bis 1553. Von Prot. Dr. Ö. Il'sleib in Dresden 248

XII. Zur älteren Verfassungsgeschichte der Stadt Leipzig. Von Stadtarchivar Dr. Karl Koppmann in Rostock 307

XIII. Kleinere Mitteilungen 324

1. Wilhelm Loose. Von Oberlehrer Dr. P. Markus in Auerbach i. V. S. 324. 2. Einisie Bemerkungen zu dem sogenannten Scheukschen Atlas. Von Archiv- sekretär Dr. Hans Beschorner in Dresden. S. 327. 3. Die Akten der Generaldirektion der König- lichen Sammlungen im Königlich Sächsischen Haupt- staatsarchiv. Von Geh. Regierungsrat Dr. W. von Seidlitz in Dresden. S. 335. 4 Zur Biographie des Johannes Cochläus. Von Oberlehrer Lic. Dr. Otto Giemen in Zwickau. S. 338. 5. Eine Büste des Otto V. Dieskau. Von Oberjustizrat v. Dieskau in Leipzig. S. 340.

Literatur 343

Register 390

Besprochene Schriften.

Seite

Carola, Königin -Witwe von Sachsen, Dichtungen des Königs

Johann (Ermisch) 179

A.ster, Bau -Denkmäler der Stadt Pirna (Ermisch) . . . 194

Becker, Reinh., Der Dresdner Friede und die Politik Brühls

(Ziekursch) 359

Benndorf, Tafeln vurgeschichtl. Gegenstände (F. H. Döring) . . 364 Bergmann, Alwin, Gesch. des Zschoner Grundes (Ermisch) . . 198

Berneker, Erich, Slavische Chrestomathie (Mucke) 370

Bolinenstädt, Das Prozefsverfahren gegen den Kanzler Krell

(Hiltebrandt) 353

Buchwald, Neue sächs. Kirchengalerie : Eph. Meifsen, Schneeberg,

Zwickau (Ermisch) / . 371

Büttner, M. J., Chronik der alten Bergstadt Lauenstein (Ermisch) 195 Giemen, Beiträge zur Reformationsgeschichte II (G. Müller) . . 182 Codex diplomaticus Saxon. reg. s. Erler.

Inhalt. V

Seite

Erler, Die Matrikel der Univ. Leipzig Bd. JII (Lippert) . . . 343 Foerster, Die Gesch. der Dresdner Augustus - Brücke (Ermisch) 193

Grrünberg, Chronik von Gnaudstein (Ermisch) 197

Holder-Egger, Studien zuThür.GeschichtsqnellenlV— VI (Wenck) 345 Aus Handschriften des Erfurter St. Petersklosteis (Wenck) 350

Monumeuta Erphesfurtensia (Wenck) 350

Haake, P., König August der Starke (Ermisch) ..... 184 Janv, Das Gaudische Journal des Siebenjähr. Krieges. Feldzüge

1756 u. 1757 (Lippert) 189

Junghanufs, Chronik von Üelsnitz i. E. (Ermisch) 196

Kaemmel, Zu König Alherts Gedächtnis (Ermisch) 363

V. Kauffungen, Kunz, Das Domkapitel von Meifsen im Mittelalter

(R. Becker) 181

Knapp, H., Matthias Hoe von Hoenegg (W. Struck) .... 183 Kriege, Die, Friedrichs des Grofseu III. Teil. Bd. I u. II (Lippert) 186 Nestler, M. J., Der kurs. Kapellmeister Naumann (Beschorner) . 361 V. Nostitz, Hans, Dem Gedächtnis König Alberts von Sachsen

(Ermisch) 361

Oettinger, Untersuchungen zur Schlacht bei Kesselsdorf (Hilte-

brandt) 185 vgl. S. 377

Pallas, Gesch. der Stadt Herzberg (Ermisch) 200

Pirna in den fünfziger Jahren des XVIII. Jahrh. (Ermisch) . . 194 Puchta, Das Schulwesen der Leipziger Landgemeinden (G. Müller) 204 Rachel. W., Verwaltungsorganisation und Amterwesen der Stadt

Leipzig bis 1627 (Ermisch) 191

Rautenstrauch, Die Kaiandbrüderschaften (Ermisch) 375

Redlich, Kardinal Albrecht von Brandenburg und das neue Stift

zu Halle (Flechsig) 352

Richter, 0., Dresdens Umgebung in Landschaftsbildern aus dem

Anfange des 19. Jahrhunderts (Ermisch) 193

Gesch. der Stadt Dresden 1871—1902 (Wustmann) . . 375 Schmidt, Reinh., Gesch. u. Beschr. der Stadt Zörbig (Ermisch) . 203

Sohm, Gedächtnisrede auf König Albert (Ermisch) 363

Speck, Gesch. der Gemeindevertretung in Pirna bis 1663 (Ermisch) 194 Steitmann, Heimatkunde von Markranstädt (Ermisch) .... 195

Tetzner, Die Slawen in Deutschland (Mucke) 364

Trauer, Chronik des Dorfes Marieney (Ermisch) 199

Wagner, Georg, Die Beziehungen Augusts des Starken zu seinen

Ständen (Haake) . 356

Werner, Arno, Gesch. der Kantorei - Gesellschaften im Gebiete

des ehemaligen Kurfürstentums Sachsen (Ermisch) . . . 374 Wollf-Beckh, Johann Friedrich Böttger (Zimmermann) . . . 359 Wustmann, Leipziger Neudrucke III (Ermisch) 192

Redakteur : Dr. Hubert Ermisch. Buehdruckerei der Verlagshandlung-.

I.

Studien über die wettinische Kanzlei und ihre ältesten Register im XIV. Jahrhundert.

Von

Woldemar Lippert.

1. Das Auftreten der äUesten Kanzleiregister und deren ursprüngUche Benennung.

Für die Kenntnis des mittelalterlichen Urkunden- wesens ist neben der Berücksichtigung der Originalur- kunden selbst von gröfster Bedeutung die Erforschung des Reg ist er Wesens. Alle diplomatischen Untersu- chungen haben im stärksten Malse auf Einzelheiten ein- zugehen, vorsichtige Verallgemeinerungen sind erst mög- lich, wenn mehr Spezialarbeiten vorliegen, als bisher der Fall ist. Die Notwendigkeit von Einzelbehandlungen der verschiedenen fürstlichen Kanzleien ist daher mehrfach betont worden und manche Arbeiten liegen auch bereits vor^); für eine der ansehnlichsten weltlichen Kanzleien, die

^) So, um im wesentlichen nur Arbeiten der letzten Jahre zu nennen, z, B. für Flandern (Pirenne, Reusens), Belgien im allgemeinen iReusens), Holland (Riemsdijk, Muller), Cöln (Knipping), die geist- lichen und weltlichen Fürstentümer an der Ostsee (Buchwald), Pomme- rellen (Perlbach), Brandenburg (Lewinski, Holtze), Braunschweig (Bergmann, Krusch), Hildesheim (Heinemann), Merseburg (Kehr), die fränkischen Hohenzollern (Wagner), Baiern (Rosenthal), Salz- burg (Hauthaler), Oesterreich (Dopsch, Wretschko, Kürschner), Brixen (Redlich), Mähren (Friedrich) u. a. m. Näheres siehe in den Ab- schnitten über Diplomatik (v. H. Brefslau) in den Jahresberichten der Geschichtswissenschaft, so XI (1888), XV (1892), XIX (1896), XXII (1899). Mehrere von diesen Arbeiten beschäftigen sich aber

Neues Archiv /. S. G. u. A. XXIV. 1. 2.

2 W. Lippert:

der Wettiner, fehlt es aber gerade hinsichtlich des Register- M'esens noch an einer genügenden Darstellung. Posse hat zwar in seiner bekannten „Lehre von den Privat- iirknnden" die Wettinerurknnden in erster Linie zugezogen und besonders der älteren Zeit bis zum Ende des 13. Jahr- hunderts eingehende Studien gewidmet; den späteren Jahrhunderten aber und mit ihnen dem Register wesen, das für die wettinischen Lande erst mit der Mitte des 14. Jahrhunderts einsetzt, ist nicht die gleiche Ausführ- lichkeit zu teil geworden"-); auch Meyer hat gerade die Kanzlei sehr knapp behandelt, da für ihn andere Punkte im Vordergrunde standen^). Ferner hat Ermisch in der Einleitung zu seiner Ausgabe der Markgrafenurkunden von 1381—1395 und 1396—1406*) die Kopiale 2, 28, 29, 30, 31, die sämtlich erst den letzten drei Jahrzelmten des 14. Jahrhunderts angehören, in dankenswerter Weise besclirieben, hatte jedoch keine Veranlassung, gerade die ältesten Register, die für jene Codexbände nicht in Frage kommen, mit zu besprechen. Die Untersuchungen über die Entstehung des Lehnbuches Friedrichs des Strengen von 1349/50 (Kopial 24) füln'ten mich auch mit zu Nach- forschungen über diese gleichzeitig ins Leben tretenden anderen ältesten Register, deren Ergebnisse wenigstens einige Beiträge zur Ausfüllung der bisher vorhandenen Lücke liefern sollen, zumal es sich hierbei gerade um die Anfänge des wettinischen Registerwesens überhaupt handelt.

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts setzt mit einem Schlage eine ganze Reihe von Registerbänden ein. Es sind zunächst unser Lehnregister Kopial 24, ferner die beiden Hauptregister der Kanzlei Kopial 25 und Kopial 26.

aiisschliefslich, andere vorwiegend mit den Originalurkunden; spezi- elle Registerstudien sind darin nicht viele; das päpstliche und kaiser- liche Registerwesen hat sich dagegen grölserer Beachtung zu er- freuen gehabt.

'-) Dem ersten und ältesten Originalregister der Wettiner, dem Kopial 25, konnte er, der Anlage dieses Abschnittes seines allgemein gehaltenen Werkes entsprechend, nur einige Zeilen widmen, S. 99, mit gelegentlichen Bemerkungen an anderen Stellen; ein Faksimile einer Seite desselben (fol. 51b) gibt er auf Tafel XXXIII.

'') H._B. Meyer, Hof- und Zentralverwaltung der Wettiner in der Zeit einheitlicher Herrschaft über die meifsnisch- thüringischen Lande 1248—1379 (Leipzig 1902) S. 25—29.

^ *) Cod. dipl, Sax. reg. I. Hauptteil, Abteilung B, I S. XI f. 11 S. IX f.

Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 3

Kopial 25 wird in der Zeit selbst registnmi j^erpetuum genannt. Es führt diesen Namen nach dem Wesen der darin verzeichneten Urkunden; litere perpetue sind solche, die nicht anf bestimmte, begrenzte Zeitdauer erteilt sind, sondern dauernde Geltung besitzen sollen, und dazu ge- hören Lehnbriefe, soweit sie eben noch besonders beur- kundet wurden'*), Leibgedingsbriefe , Vereignungen an geistliche Anstalten aller Art (Kirchen, Hospitäler, Klöster, Stifter usw.), Käufe, Neuerteilungen und Be- stätigungen von Privilegien, Rechten und Freiheiten, Immunitäten und Exemptionen für Städte, Gemeinden, Korporationen oder Einzelpersonen, die nicht blols vor- übergehend erteilt werden ; ferner von Schriftstücken mehr politischen Charakters : Bündnisse, Friedensschlüsse, Ver- träge, Schiedsprüche u. a. Im Gegensatz zu den Ver- fügungen dauernden oder wenigstens dauern sollenden Wertes stehen die nur auf bestimmte oder unbestimmte Frist, aber unter Betonung der vorübergehenden Geltung ergangenen Bestimmungen, die wegen ihres zeitweiligen, temporären Charakters im registrumtemporale ihre Buchung fanden; solche sind Pfandverschreibungen, Pfandleihen, Anweisungen auf Einkünfte und Hebungen (aus Beden, Zöllen , Geleiten , Marktgefällen , Judensteuern usw.), zeitlich begrenzte Gnadenbeweise (wie Abgabenerlässe auf einige Zeit an geschädigte Orte, z. B. bei grolsen Bränden*^) u. dergl.

'^j In der allgemeinen Einleitung zum „Lehnbuch Friedrichs des Strengen, Markgrafen von Meifsen, Landgrafen von Thüringen" (dessen Druck zum gröfsteu Teil bereits beendet ist) S. CXVIIf. habe ich den Nachweis geführt, dafs gerade bei Belehnungen die Aus- stellung einer besonderen Urkunde, eines Lehnbriefes, in den älteren Jahrhunderten (so noch durchaus während des 14., gutenteils selbst noch im 15. Jahrhundert) nicht die Regel bildete, dafs vielmehr die Vasallen, denen es allerdings freistand, sich gegen die üblichen Kanz- leisporteln eine Urkunde ausstellen zu lassen, meist sich mit der blofsen Buchung der Verleihung im landesherrlichen bez. herr- schaftlichen Lehnregister begnügten.

«j Vgl. z. B. 13B1, 1363, 1367, 1375 die Steuerbefreiungen für die durch Brand geschädigten Städte Leipzig auf fünf Jahre, Luckaii auf vier Jahre, Bürgel auf drei Jahre, Freiberg auf zwölf Jahre, s. von Posern-Klett, Urkundenbuch der Stadt Leipzig I, 37 Nr. 58, Lippert, Wettiner und Witteisbacher S. 279 Nr. 100, Mitzschke, Urkundenbuch von Stadt und Kloster Bürgel I, 271 Nr. 236 (dazu Neues Archiv f. Sachs. Gesch. XVII 222), Ermisch, Urkundenbuch der Stadt Freiberg I, 94 Nr. 123; alle vier Urkunden sind in Kopial 26 fol. 31, 44, 68 und 126 registriert; desgleichen die über Freibergs vierjährige Abgabenfreiheit zum Zwecke städtischer Bauten, Kopial 26

1*

4 W. Lippert:

Gleichzeitige Zeugnisse über den Gebrauch dieser Benennungen finden sich mehrfach. Das Kopial 25 be- zeichnet sich zwar nicht selbst als das registrum perpe- tuum, gibt aber einen deutlichen Hinweis auf diesen Namen fol. 16, wo das eigentliche gleichzeitig geführte Kanzlei- register beginnt (über die vorausgehenden Blätter s. im folgenden): „Registrum privilegiorum ijerpetuorum anno domini MCCCXLIX sub prothonotario domino Conrado de Walhusen inceptum". Ferner läfst sich der zwingende Nachweis erbringen durch Zitate in den andern gleich- zeitigen Registern, worin auf das registrum perpetuum Bezug genommen ist; denn die betreffenden Einträge finden sich tatsächlich in Kopial 25 vor. In dem Kopial 26 ist auf fol. 13 eine Urkunde der Markgrafen Friedrich (III.), Balthasar und Wilhelm (I.) eingetragen über ein Ab- kommen mit ihrem Bruder Ludwig, Bischof von Halber- stadt, betreffs der ihm verschriebenen Einkünfte von meilsnischen und osterländischen Städten, „actum Drezden anno LXIIII sabbato ante Oculi, datum vero in Castro Nu- emburch eodem anno sabbato ante Palmas" (= 16.März 1364). Dahinter steht weiter auf fol. 13 b von derselben Hand die Überschrift „Dominorum . . episcopi et capituli ecclesie Merseburgensis" und der Urkundenanfang „In gotiz namen, amen. Wir Friderich, Balthazar und Wilhelm von gots gnaden etc. require in perpetuo^'-. Suchen wir nun im Kopial 25 unter den Urkunden aus dem Frühjahr 1364, so finden wir in der Tat fol. 127b von derselben Hand und ganz in derselben Weise, wie in Kopial 26, einge- tragen : Überschrift „Dominorum . . episcopi et capituli Merseburgensis" und dann die Urkunde selbst „In gotiz namen, amen. Wir Fridrich, Balthasar und Wilhelm . . ." bekennen, dals wir zur Ehre Gottes, seiner Mutter Maria und der Heiligen Johannes und Laurentius dem Bischof Friedrich von Merseburg für viele geleistete Dienste alle Gerichte über das Holz zcu der Harte, ausgenommen Wildfuhre and Jagd, vereignet haben . . . Datum in Castro Nuemburch anno LXIIII sabbato ante Palmas". Dieselbe Stelle bietet uns nun gleich auch noch ein ent- sprechendes Zeugnis für den Namen von Kopial 26; denn

fol. 67b, bei Er misch, Urkundenbuch der Stadt Freiberg I, 88 Nr. 113. Eine Menge Beispiele jeder dieser Arten von Beurkundung aus beiden Kopialen finden sich im Urkundenanhang bei Lippert, Wettiner und Witteisbacher S. 243—301 Nr. 35—121.

Weltinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 5

unter dem zuletzt angeführten Eintrag in Kopial 25 fol. 127b. lesen wir: „Literam domini Halbirstadensis super redditibus suis hahes in libro temporali in secundo folio quaterni secundi", und damit ist die oben erwähnte Ur- kunde für Bischof Ludwig- von Halberstadt vom selben Datum (16. März 1364) gemeint, die Kopial 26 fol. 13 gebucht isf^).

Diesen wechselseitigen Zeugnissen von Kopial 25 und 26 über ihre Benennung in der Kanzlei selbst reihen sich noch weitere offizielle Belege aus dem dritten gleich- zeitigen Geschäftsbuche der Kanzlei an, aus Kopial 5. In letzterem ist unter den Anweisungen auf die landes- herrlichen Einkünfte von Stadt und Amt Dresden fol. 93b eingetragen: Item domini (die Markgrafen) assignant domino Johanni episcopo Mysuensi annis singulis XL sexagenas levandas de civitate, quousque domini le- gitime duxerint redimendas, prout hoc in registro temporali darius edocetur. Datum anno LXIX dominica ante Georgii" (= 22. April 1369); ganz ebenso betreffend Freiberg*) fol. 104: . . . XL sexagenas . . ., prout hoc in registro temporali clarius edocetur . . .", und desgleichen betreffend Döbeln fol. 110: . . . XXX sexagenas . . ., jjrout hoc in registro temporali clarius apparebit . . ." Dem entsprechend ist denn auch in Kopial 26 fol. 77 b der volle Text der betreffenden Verschreibung selbst ein- getragen : Friedrich , Balthasar und Wilhelm verkaufen dem Bischof Johann von Meilsen für 1400 Schock Prager Groschen 110 Schock jährlicher Erträge, „dy em alle jar sullen ge valiin in unsern nachgeschriben stetin, zcu Dresden vierczik schok, zcu Friberg XL schok unde zcu Dobelin XXX schok . . . der gegebin ist zcu Dresden noch gots gebort 1369 am suntage vor sende Jurgin tage" (= 22. April 1369)^). Ganz ähnlich ist das Verfahren in einem zweiten Fall, als die Markgrafen für 2400 Schock Prager Groschen dem Bischof Johann 200 Schock Jahr- zinsen der Städte „zcü dem Hayn an der stat fümfczig

"0 Die erste Lage nrafafst die Blätter 1—8. die zweite 9—13; davon sind aber die Blätter 10—12 keine ursprünglichen Kodexblätter, sondern das Querfolioblatt einer gleich ins Kopial eingehefteten Originalurkunde und ein anderes einzelnes Einlageblatt; Blatt 13 ist also das ursprüngliche zweite Blatt der zweiten Lage.

^) Vgl. Ermisch, Urkuudenbuch der Stadt Freiberg I. 77.

^) Vgl. Gersdorf . Urkundeubuch des Hochstifts Meifsen II 96 f. Nr. 588.

6 W. Lippert:

schog . . . , zcft Miszen an der stat fumfczig schog . . . , zcu Torgow an der stat vierczig schog . . . unde an der stat zcil Lipczk sechczig schog ..." wiederkäuflich über- liefsen, „datum anno domini MCCCLXIX in die beati Kjdiani" (= 8. Juli 1369)^"), welche Verschreibung in Kopial 26 fol. 78 und 78b gebucht ist; denn hierauf be- ziehen sich die knappen Verweise in Kopial 5 fol. 120 betreffend Leipzig: „Item domini assignant domino Jo- hann! episcopo Mysnensi LX sexagenas grossorum de civitate ibidem in singulis annis capiendas, quousque dicti domini marchiones censum huius duxerint legitime reemen- dum , 2)rout hoc in registro temporali mahis edocetur. Datum anno LXIX dominica post Margarete" (= 16. Juli 1369); ähnlich fol. 102b betreffend Meifsen: „. . . L sexagenas . . ., prout hoc in registro temporali magis edo- cetur"; fol. 97 betreffend Grofsenhain (Hayn trans Albeam): . . . L sexagenas . . ,, prout Tioc in registro temporali lucidius apparehit . . ."^^). Diese Beispiele^-), bei denen sich also der Hinweis selbst noch ausfindig machen läfst, werden genügen, um die Identität von Kopial 25 und 26 mit dem Registrum perpetuum und temporale sicher zu stellen.

Auch an anderen Stellen und für die Fortsetzungen dieser beiden ersten erhaltenen Kopiale finden wir die- selben Bezeichnungen, so zitiert Ermisch ^"l einen Hinweis in Kopial 30, dem Register Markgraf Wilhelms I., auf

10) Gersdorf a. a. 0. II, 103 Nr. 593, nebst Nr. 594 und 595 vom 13. und 16. Juli 1869.

") Für die vierte in Kopial 26 fol. 78 genannte Stadt Torgau fehlt bei dem Anweisungsregest in Kopial 5 fol. 114b der Hinweis auf das registrum temporale, sonst deckt es sich mit dem Regest betreffend Meifsen fol. 102 b.

1-) Es sind nicht die einzigen; vgl. z. B. noch Kopial 5 fol. 95 unter den Grofsenhainer Anweisungen: .,Item pecuniam burcgravio de Golzsin assignatam quere in registro temporali, sirailiter de Myszna" (13,58), s. Lippert, Wettiner und Witteisbacher S. 262 Anm. 1; bei manchen versagt jedoch das sonstige Quellenraaterial die Verifizierung des Vermerks.

13) Cod. dipl. Sax. I. Abteilung B. I, S. XIV, Kopial 30 fol. 127b : ,,require melius in registro perpetiw', eine Urkunde für Kloster Sornzig, die also in der Tat in das Kegistrum perpetuum gehört. Dem entsprechend ist also 30 als temporale zu fassen; dazu pafst, dafs solche zeitweilige Bestimmungen, wie sie für die fünfziger und sechziger Jahre in Kopial 26 gebucht sind, später in 30 auf- treten, so vgl. L. Schmidt, Urkundenbuch von Grimma S. 38, 47, Nr. 49, 59 zu 1387, 1392.

Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 7

ein besonderes Registiiim perpetuum. Ferner ist hier vor allem des ältesten wettinischen Archivrepertoriums zu gedenken, das in gedrängter, summarischer Weise den Archivbestand der Herzöge von Sachsen und Markgrafen von Meilsen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts nach der Erwerbung der Kurwürde verzeichnen will ^% Es sind darin aulser den Urkunden auch die Register- bände, Kopialbücher und Rechnungsbücher mit angeführt, und bei der Aufzählung der Kanzleiregister heilst es mehrfach „Item registrum temporale ..." oder „Item registrum litteras temporales et perpetuas continens". Eine Zusammenstellung der auf alle diese Bücher bezüg- lichen Angaben des Repertoriums gibt am Schlüsse dieses Aufsatzes Beilage III.

Die Scheidung in Bücher für Beurkundungen dauern- den und solche zeitweiligen Charakters gehört nicht der wettinischen Kanzlei allein an, sondern findet sich auch in andern Territorien. So erwähnt z.B. Inner ^■^), dals in der kurfürstlich trierischen Kanzlei seit dem Erzbischof Johann von Baden (1456 1503) die Register in Perpe- tualien (Mannbücher) und Temporalien (andere Urkunden) eingeteilt sind^*^). In der kurpfälzischen Kauzlei sind auch vom Anfang des 15. Jahrhunderts bis zum 18. Jahr- hundert zwei Gruppen der Kopialbücher aufgeführt, die denselben Kategorien entsprechen, die Perpetua und die Libri ad vitam''^).

'^) Vgl. darüber einige Bemerkungen bei Lip per t, Der älteste kursäclisische Bibliothekskatalog aus dem Jahre 1437, im Neuen Archiv f. Sachs. Gesch. XVI (1895), 135 f. Dieses Repertorium ist wohl das älteste, das die gesamten Archivalien ins Auge fafst, Originalurkunden und Codices; es ist jedoch nicht das älteste Archiv- verzeichnis überhaupt. Dies liegt vielmehr vor in Kopial 6 aus den siebziger Jahren des 14. Jahrhunderts.

'^) Georg Irmer , Die Romfahrt Kaiser Heinrichs VIT. im Bildercyklus des Codex BalduiniTrevirensis (Berlin 1881) Vorwort S.VI.

10) Ygi_ auch im Archiv für Rheinische Geschichte (herausgeg. von K. A. Graf v. Reisach und P. A. Linde, Coblenz 1833) I, 81 f. den Aufsatz des Grafen R e i s a ch , Die Urkundenbücher der Erzbischöfe und Kurfürsten von Trier, S. 82: „Alle Nachfolger (Balduius) haben diese Urkundenbücher fortgesetzt, nur mit der einzigen Abänderung, dafs von jedem dieser Erzbischöfe zwei solche Urkundenbücher vor- liegen, wovon das eine mit der Aufschrift Temporalia, das andere Perpetualia bezeichnet ist'".

^■') Vgl.Inventare des Grofsherzoglich Badischen General-Landes- archivs (herausgegeben von der Archivdirektion Karlsruhe 1901) I, 144—150.

8 W. Lippert:

Auch für das älteste ^'^j Rechnungsbuch der wettmi- sclien Verwaltung, das gleichfalls um diese Zeit einsetzt, Kopial 5, ist uns die alte Benennung überliefert^'*). In Kopial 26 fol. 36 heilst es: „Nota. Anno domini MCCCLXI feria secunda ante Kalixti (= 11. Oktober 1361) con- putavit Kristanus de Wiczeleiben iudex curie in Dresden ab anno eiusdem incarnacionis sexagesimo secunda feria post dominicam Letare (^ 16. März 1360) presentibus dominis Fridrico et Balthazar, domino Gebehardo de Quernfurte, Fridrico de Wangeheim, de Starkenberg pluri- biisque aliis in lihro conputacionum declaratis", und diese Stelle steht nun wörtlich übereinstimmend in Kopial 5 fol. 33: „Anno domini .... Starkenberg", aber hinter letzterem Namen ist noch zugefügt „Fridrico de Schonen- burg, Heinrico de Kothewicz pluribusque aliis notariis", worauf die einzelnen Rechnungsposten folgen.

Alle diese verschiedenen Kanzleibücher nehmen somit ihren Anfang als gleichzeitig geführte Register mit dem Beginn der Regierung Friedrichs des Strengen und wäh- rend des Protonotariates Konrads von Wallhausen. Gleich- wohl handelt es sich nicht um eine völlige Neuschöpfung, die offiziell mit einem Schlage, gleichsam auf dem Ver- ordnungswege, eingeführt worden wäre.

Eine ganze Reihe von Zeugnissen verschiedener Art lälst sich für das Bestehen älterer Register , die uns allerdings nicht erhalten sind, gewinnen. Zunächst haben wir zweier Stellen in Kopial 25 zu gedenken, die aus- drücklich von „alten Registern" sprechen: fol. 51b „Item dominus contulit (korrigiert zu domini contulerunt, über- geschrieben Fridericus et Balthasar) magistro Theoderico de Gogk-") XII marcas annue pensionis, quas in Wizsinse

''') Abgesehen vou dem Bruchstück der Hofhaltsrechrnrng auf der oberbairisch-tirolischeii Reise Markgraf Friedrichs 1330. s. L ip p e r t , Zur Geschichte Kaiser Ludwigs des Baiern. in den Mittheil, des Instituts für österreichische Geschichtsforschung XIII. 598 f.

'"j Vgl. Lippert, Wettiner und Witteisbacher S. ;201 Anm.48.

-'') Dietrich von Goch, in der Überschrift dieser Urkunde als Magister Theodericus de Colonia bezeichnet (weil Goch südlich von Cleve in der Diözese von Cöln lag und er in Cöln gebildet war), war erst Leibarzt (phisicus) Friedrichs IL des Ernsten, dann Dom- herr und zuletzt langjähriger Dekan in Meifsen . der oft in den Ur- kunden des Stifts auftritt, z. B. mit seinem vollen Namen uud Titel am 11. März 1353 (ürkundenbuch des Hochstifts Meifsen I, 390 Nr. 469) ..Theodericus de Gogh, in medicina magister, decanus"; er starb im April des Jahres 1367, s. ebenda 366 Änm. a.

Wettinische Kanzlei im XIV. Jaiirhimdert. 9

liabiiit, in precaria, censu seu quovismodo nunccupatur, civitatis sue Dobelin pro festo Walpurgis singulis annis ad sue vite tempora percipiendas secundum omnem conti- nenciam et modum litterarum sibi in antiqiio registro desuper traditarum. Datum Mysna etc. Symonis et Jude, presentibus . . . .". Nun ist zwar im ersten Teile des Kopiais 25 auf fol. 6 6 b schon eine Urkunde Friedrichs des Ernsten von 1348 für Dietrich eingetragen; sie bezieht sich aber nicht auf die Weifsenseer Hebungen, sondern auf die Steuerfreiheit der zu seiner Meifsner Pfründe ge- hörigen Güter-^). Sie kann also nicht in Frage kommen, und das alte Register mufs etwas anderes sein als der erste, nachträglich zusammengeschriebene Teil von Urkun- den der vierziger Jahre in Kopial 25--).

Auch noch an einer andern Stelle dieses Kopiais ist auf ältere Bände verwiesen, nämlich fol. 70b: „Item litteram domini Rudolfl episcopi Nuenburgensis quere in litteris exantiquis registris extractis, datamWizsinfels anno LIIII". Doch wird die Beziehung auf ältere Bände hier- bei schon durch das Jahr 1354 bedenklich; Rudolfs (eines Schenken von Nebra) bischöfliche Regierung zu Naum- burg gehört in die Jahre 1352 1362. Um den Ausdruck ex antiquis registris zu erklären, ist daher entweder die Annahme möglich, dafs diese Urkunde in ein anderes älteres Register, das noch Platz bot, eingetragen wurde, oder dais aus älteren Beständen gewisse Urkunden (viel- leicht zusammengehörige Urkundengruppen, wie das in

-') Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen I, 366 Nr. 448; er führt hierin auch die Bezeichnung ..professor medicine".

--) Nicht mit in Betracht zu ziehen ist eine Stelle in Kopial 29. Dieses, wie auch Kopial 27. bringt Abschriften von Kopial 25. doch nur von den Einträgen, die in Kopial 25 nicht durchstrichen sind; die als erledigt oder sonst ungültig ausgestrichenen Stücke fanden in 27 und 29 keine Aufnahme. In deren Zahl ist auch eine Urkunde Friedrichs des Strengen für mehrere trubener Bürger vom 1 5. Januarl368. Kopial 25 fol. 118. Vgl. Lippert, Wettiner und Witteisbacher S. 278 Nr. 98. Als der Abschreiber von 29 an sie kam, fing er unachtsamer AVeise zuerst auch sie mit abzuschreiben an, merkte aber dann, dafs es unnötig sei, und fügte zur Erklärung des begonnenen, aber un- vollendeten Regests einen Zusatz bei, s. fol. 159b; „Item dominus contulit Henrieo, Petro. Nicoiao et Andrea etc., quere in antiqiio, quia est illorum de Guwiu". d. h weil die Urkunde sich auf Gubeuer Verhältnisse bezog, die nach der Auslösung der Niederlausitz im Jahre 1364 später für die wettinische Kanztei keine praktische Be- deutung mehr hatten, schenkte sich der Abschreiber dieses Stück und verwies etwaige Interessenten auf seine Vorlage, das alte Re- gister, in diesem Falle also Kopial 25.

10 W. Lippert:

Kopial 6 der Fall ist, das aber erst in die späteren Jahr- zehnte dieses Jahrhunderts gehört) zusammengeschrieben worden waren und man ihnen aus sachlichen Gründen auch diese Urkunde von 1354 beigesellt hatte.

Schon in einer Urkunde des Jahres 1347 werden gleichfalls Register erwähnt. Als Markgraf Friedrich dem Nonnenkloster Riesa die Ermächtigung erteilte, dals die Bede nicht durch die markgräflichen Vögte und Sammler erhoben werden solle, sondern durch den Propst selbst, bezeichnet er sie als die „precaria universa, que de bonis suis iuxta registrorum nostrorum continentias dehetur^^-% Doch handelt es sich wohl in diesem Falle nicht um Urkunden- oder Aktregister, sondern um Listen der Finanzverwaltung mit Angabe der auf jeden beitrags- pflichtigen Ort entfallenden Beträge, wie deren in Kopial 5 und in dem Verzeichnisse von 1378 mit verzeichnet und aus früheren Zeiten in Sonderaufzeichnungen für die Jahre 1334—1336 erhalten sind. Diese letzteren, für die ein- zelnen Bezirke angelegten Bedelisten oder ähnliche Schrift- stücke für andere Jahre sind jedenfalls auch gemeint in einem Eintrag des Kopiais 5 fol. 100 unter den auf die Bede des Distrikts Meilsen erteilten Anweisungen: „Item dominus assignavit Johanni et Theoderico de Schonenberg de bonis suis in Trebin et duobus villanis in Bernharticz L sexagenas capiendas iiixta registrum Mysnense et de scitu collectorum. Datum sabbato post Margarete anno LI".

Ferner sind in den vorhandenen ersten Registern einzelne Bestandteile direkt als Reste älterer Kanzlei- register oder als auf solche zurückgehend zu betrachten. In Kopial 25 stehen dem eigentlichen, Ende 1349 an- gelegten Register, das fol. 16 beginnt, auf den ersten 15 Blättern Einträge aus den Jahren 1340 oder 1341

23) HStA. Orig. Nr. 3075 vom 2. März 1347. Meyer, Hof- und Zentralverwaltuiig der Wettiner, sagt S. 72 unter Berufung auf Schulze, Die Kolonisierung und Germauisierung der Gebiete zvvisclien Saale und Elbe (Leipzig 1896) S. 253, die Erlaubnis sei für Nimbschen und Riesa erteilt worden ; dies ist jedoch unzutreffend. Der betreffende Wortlaut über die Einziehung der Beden durch den Propst steht nur in der Urkunde für Riesa, HStA. Orig. Nr. 3075; in der für Nimbschen dagegen, Oiig. Nr. 3076 vom seilten Tage (gedruckt bei L.Schmidt, ürkundenbuch der Stadt Grimma und des Klosters Nimbschen S. 232 Nr. 330), fehlt jede Andeutung der Bestimmung, auf die es in dem Falle allein anl^ommt ; es ist einfach ein Verbot der Forderungen ..precarie ac servicii nomine" seitens der Vögte ohne besonderes landesherrliches ,,raandatum personale vel litterale".

Wettinische Kanzlei im XIV. Jalirhundert. H

(nur zwei Einträge), 1344 1349 voran -^). Alle diese Einträge nun, die auch nicht streng chronologisch geordnet sind"''), wurden von einigen beim Binden willkürlich an unrechterstelle eingelegten Blättern abgesehen durch eine Hand und zwar meist mit gleicher Tinte, also höchst wahrscheinlich zum guten Teil auf einmal, eingetragen. Nach der Anlage von Kopial 25 und 26 liels die Kanzlei das noch zur Hand befindliche ältere Material aus den nächst vorhergehenden Jahren, das ja noch von geschäft- lich-praktischer Bedeutung war, mit abschreiben, verfügte also noch über frühere Aufzeichnungen, mögen es nun ältere Register selbst oder Konzepte der betreffenden Urkunden, Notizen oder dergleichen gewesen sein. Seinem Inhalt nach gehört aber dieser erste Teil von Kopial 25 eigentlich gar nicht in diesen Registerband, sondern er ist ein Vorläufer von Kopial 26, ein Stück Registrum tem- porale, das nur beim Einbinden von Kopial 25 zu jener Zeit selbst mit in diesen Band eingefügt wurde.

Ähnlich ist es beim Rechnungsbuch Kopial 5: auch hier sind ältere Aufzeichnungen der unmittelbar vorher- gehenden Jahre vorangestellt. Den Anfang machen die Namenlisten der Herren und Edlen in Meifsen, Osterland und Thüringen und der hervorragenden Ministerialen in Thüringen, die in der Lehnbuchausgabe anhangsweise (Nr. 1 S. 263) mit abgedruckt und dort ihrem Hauptbe- stand nach als dem Jahre 1347 angehörig nachgewiesen sind; ferner das ebendaselbst gedruckte Heerwagen- verzeichnis und die Bedeliste der Klöster (Urkunden- anhang Nr. 2 und 3, S. 270, 276). Daran schliefst -sich fol. 5 if. das Verzeichnis der Bede, die von den meifsnisch- thüringischen Städten 1347 dem Markgrafen bewilligt wurde, und der sonstigen Einkünfte von Städten und Ämtern, deren Summen aus den Registern und Beamten- rechnungen ausgezogen worden waren '-*^). Erst fol. 8 be-

•-*) Der einzige Eintrag fol. 4b vom 4. Januar 1351, der schein- bar aus diesen Jahren herausfällt, ist blofs ein Zusatz zu einer Be- urkundung vom Jahre 1347.

-■') Es folgen hintereinander Einträge der Jahre 1340 ('0, 1341, 1344, 1345, 1346, 1347 (1351), 1347, 1348, 1346, 1349, 1347, 1349, 1847, 1345, 1346. Näheres bei der Beschreibung von Kopial 25.

26) Kopial 5 fol. 5: „Nota. Anno domini MCCCXLVII in die conversionis s. Pauli civitates infrascripte conposuernnt cum domino marchione supra precaria annuali, quam dare debebunt in festis b. Walpurgis et s. Michahelis proximis ad unum anuum, ut sequitur.

12 W. Lippert:

ginnt der Text des eigentlichen Reclinungsbuclies mit Abrechnungen des Jahres 1353. Manche von diesen Rech- nungen gehen jedoch weiter zurück bis 1352-'), ja selbst bis 1350-^), sie lassen also das Vorliandensein von Spezial- aufzeichnungen aus dieser Zeit voraussetzen. Auch die Anweisungen auf die landesherrlichen Einkünfte der ver- schiedenen Städte und Amter, die den zweiten Haupt- teil von Kopial 5 bilden und in den einzelnen Abschnitten mit verschiedenen Jahren beginnen, setzen teilweise mit Einträgen von 1351 ein-^j. Ferner ist in dem Kopial nocli ein kleiner Pergamentzettel erhalten, fol. 11, mit Zu- sammenstellungen über die Abrechnungen des Bedesammlers Säuberlich, die bis zum Jahre 1347 zurückgreifen^^). Deut- licher aber noch lälst der Hinweis auf die Register und Beamtenrechnungen in der Zusammenstellung der Städte- bede von 1347 (s. Anm. 26) das Vorhandensein regel- rechter ständiger Geschäftsbücher für die Finanzver- waltung um oder vor 1347 erkennen.

Aulserdem sind aus dem Gebiete des Finanz- und Rechnungswesens noch andere ältere Register und Auf- zeichnungen aulserhalb des Kopiais 5 erhalten; so die Register über die Landbede der Jahre 1334 und 1336 für die Dörfer des Distrikts Meilsen, von 1335 für

Item nota quantitatem summarum proventuum in civitatibus et dis- trictibus sitorum secundum registra et conjnitaciones off'iciatorwn extractarum". Vgl. auch E. 0. Schulze, Germanisierung und Koloni- sierung S. 252.

■-") So unter den Rechnungen über die verschiedenen Vogteien Heinrichs von Brandenstein die über die Vogtei Thamsbrück, die im Herbst 1359 abgelegt wurde, aber sich über den Zeitraum vom Früh- jahr 1352 ab bezieht, s. Kopial 5 fol. 56: „Ab anno domini MCCCLII sabbato ante Oculi intromisit se Henricus de Brandenstein de ad- vocacia in Tumsbrugken", und legt Rechenschaft ab über 7 Jahre und 25 Wochen, also bis 1359.

^*) So die Rechnung Heinrichs von Kottwitz über die Vogtei Groitzsch, worin er die Beträge vom ersten bis vierzehnten Jahre verrechnet, d. h. von 13.50 1363, s. Kopial 5 fol. 60b: „Ab anno domini MCCCL dominica Pasce intromisit se dominus Henricus de Kothewicz de advocacia in Greutsch".

-^) So fol. 100 (bei Meifsen), 129 (bei Thamsbrück), 131 (bei Eisenach).

^•'j Kopial 5 fol. 11: „Nota conputaciouem precarie collectoris Subirlichs. Primo: anno domini MCCCXLVJI . . . anno XL VIII . . ., anno XLIX . . . , anno L . . . , anno LI ... , anno LH . . ., anno LIII .... Summa harum summarum facta feria secunda post nativitatem beate Marie anno Lllli . . .".

Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 13

die Gegend von Leipzig^'). Noch etwas älter ist ein Stück einer Hoflialtiingsrechnnng Friedrichs des Ernsten vom Ende des Jahres 1330, das die Reise des Mark- grafen zu Ludwig dem Baiern und den Aufenthalt am Kaiserhofe umfalst-^"-).

Diese Reste und Spuren lassen also deutlich genug erkennen, dals schon vor Friedrichs des Strengen Antritt, zum mindesten unter der Regierung Friedrichs des Ernsten, in der wettinisclien Kanzlei ordentliche Geschäftsbücher für die verschiedenen Dienstzweige gehalten wurden. Der Hofhalt kannte schon bis in die kleinsten Eiuzelposten genau geführte Ausgabebücher, wobei als Vorstand der Marschall erscheint ; die Landesverwaltung bediente sich unter Leitung des Hofmeisters sorgfältiger Abgabenregister sowohl für die regelmäfsige Landbede, wie für die Städte- beden und besals auch Notizen über die Abrechnungen der Beamten ; die Kanzlei verwahrte Aufzeichnungen über die in den letzten Jahren ergangenen Urkunden, sowie Listen der edlen Vasallen. Kurz, wir finden Spuren jeder Art von Geschäftsbüchern, wie sie in mittelalterlichen Kanzleien überhaupt üblich waren. Leider sind uns von alledem nur einzelne Teile oder Bruchstücke erhalten. Können wir somit den ersten Kanzleivorstand Friedrichs des Strengen, den Protonotar Konrad von Wallhausen, auch nicht als Urheber des Registerwesens der Wettiner bezeichnen, so ist doch unverkennbar, dafs er zuerst für festere Ordnung sorgte und durch Anlegung ständiger Bücher mit leidlicher sachlicher Scheidung dafür wirkte, dafs von dieser Zeit ab eine fast geschlossene Reihe von Registern vorliegt.

2. Protonotar Konradl von Wallliausen^^).

In seiner Lehre von den Privaturkunden läfst Posse S. 180 den Konrad von Wallhausen seit 1349 (noch unter

31) Vgl. darüber E. O. Schulze a. a. 0. S. 247, 248. Das eine dieser Verzeichnisse ist gedruckt bei B. v. Schönberg , Ge- schichte des Geschlechtes von Schönberg meifsnischen Stammes II (Leipzig 1878), 251—262.

^-) s. oben Anm. 18.

3^) Ein Lebensbild eines mittelalterlichen Beamten zu entwerfen, ist bekanntlich meist schwierig oder unmöglich, nur Bausteine dazu lassen sich allenfalls zusammentragen, deren Zusammenfügung aber noch kein vollständiges Gebäude ergibt. Eine ähnliche Skizze, wie

14: W. Lippert:

Friedrich dem Ernsten) als Protonotar auftreten; Meyer 8. 96, 97 gibt als Zeitpunkt seiner erstmaligen Erwäh- nung unter diesem Titel den 24. August 1348 3^). Da sein Vorgänger Konrad Pruze am 9. Mai 1347 zum letzten Male als im Amte befindlich erscheint ^■^), so ist also 1347 auf 1348 der Wechsel in der Kanzlei erfolgt, der Konrad von Wallhausen an die Spitze dieser Behörde stellte, wel- cher er schon soweit das Vorkommen seines INamens es erkennen lälst seit 15 Jahren angehörte^"). Unter den mehrfachen Erwähnungen Konrads als Notars in den Zeugenreihen von Urkunden seien hier nur zwei fast gleichzeitige aus dem Frühjahr 1344 hervorgehoben. In der Urkunde aus Naumburg vom 10. März 1344, wodurch Graf Heinrich von Hohnstein, Herr zu Sondershausen, dem Markgrafen Friedrich Haus und Stadt Schlotheim mit Zubehör für 3700 Mark verkauft, erscheint er als Zeuge, aber mit der Sonderbezeichnung als Land- schreiber: „Alber von Malticz unses herren hoverichter, her Conrad von Werbin, sin obirster schriber, her Conrad von Walhusin sin lantschriber""'^)] ebenso in einer Urkunde

sie K. Wenck für den Protonotar Johann v. Eisenberg- (im Neuen Archiv f. Sachs. Gesch. XXI 214 f.) geliefert hat, soll hier für zwei Amtsnachfolger geboten werden, wobei ja ai;ch manches mit zu be- rühren ist, was über das Interesse an der Person eines Kanzlei- beamten hinausgeht.

^1) Nach der Urkunde bei Ermisch, Urkundenbuch der Stadt Freiberg I, 70 Nr. 93.

^'^) S. Meyer S. 97. Er war später Meifsner Domherr und wurde als solcher 1362 Archidiakonus der Niederlausitz. In Posses Listen sind, wie Meyer zeigt, die Personalien der beiden Konrade zum Teil durcheinander geraten, denn S. 180 sind Nr. 6 Konrad Pleban von Werben und Nr. 7 Konrad Pruze (nicht Purze) eine und dieselbe Person ; desgleichen gehören S. 234 nicht Nr. 5 und 6, sondern Nr. 6 und 7 zusammen, auch die Gesandtschaft an König Johann von Böhmen gehört zur Tätigkeit Konrad Pruzes.

ä*^) Am 2. Januar 1332 wird er urkundlich als Notar erwähnt (s. Posse S. 180, 234; Meyer S. 97 Anm. 12); denn in dieser Ur- kunde (HStA. Dresden, ürig. Nr. 2571, „Actum ibidem Suzelicz anno domini MCCOXXXII in crastino circumcisionis domini"), worin Markgraf Friedrich das Kloster Seufslitz davon befreit, „ad expedi- ciones seu volgas quascunque cum honeratis vel non honeratis curribus deservire", erscheinen unter den Zeugen „item Conradus plebanus in Walhusen et Johannes, nostri notarii".

3^j Orig.-Urk. des HStA. Dr. Nr. 2977. Über die Funktionen des Landschreibers in den wettinischen Landen fehlen noch spezi- elle Untersuchungen ; der Titel scheint nur selten vorzukommen. Er begegnet auch in anderen Territorien, so in Nieder- Österreich,

Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 15

Friedriclis für das Kloster Chemnitz mit dem Actum Naum- burg 19. März uud dem Datum Eisenacli 9. April 1344: „presentibus . . . Conrado de Wallmivsen notario nostro jjrovincicdi'-''^^). Über seine Persönlichkeit ist sonst wenig bekannt^'-'). Dals Wallhausen nicht sein Familienname war^"), zeigt deutlich seine Benennung in Urkunden vom 2. Januar 1332*'), 28. Juni 1339*'-), 21. Juli 134^'^) u. a., worin er als „plebanus in Walhusen" oder „pherrer cza Walhusen", d. h. als Inhaber der Pfarre von Wallhausen (in der Goldenen Aue westlich von Sangerhausen) bezeichnet wird. Er besafs also seine Pfarre als Pfründe, wie wir das auch bei anderen Kanzleibeamten dieser Zeit finden, so**) bei seinem Amtsvorgänger Konrad Pruze (Pleban in Werben), Notar Nikolaus (Pleban in Geithain), Notar Nikolaus (Pleban in Ölsnitz) und ebenso auch bei früheren

Osterreich ob der Enns und Steiermark (scriba Austrie, scriba Anasi, scriba Styrie, notarius terre, lautschreiber) und bezeichnet nicht einen einfachen Kanzleibeamten, sondern einen besonders mit der Finanz- Verwaltung (Einnahme und Ausgabe landesherrlicher Einkünfte) be- trauten höheren Beamten, der auch bei Akten über Besitzveränderung häufig zugezogen wird, also ähnlich, wie wir das auch im vorliegenden Falle bei Kourad sehen. Gleichfalls, wie Konrad, erscheinen auch in Österreich mehrere dieser Laudschreiber als Mitglieder der fürst- lichen Kanzlei. Vgl. hierüber A. Dop seh, Beiträge zur Geschichte der Fiuanzverwaltung Österreichs im 13. Jahrhundert, II. Die Or- ganisation der landesfürstlichen Finanzverwaltung. Das Landschreiber- und Hubmeisteramt insbesondere, in den Mitt. des Instit. f. Österreich. Geschichtsforschung XVIII (1897), 233f., besonders 248f., 251, 254, 264f., 308, 311, 332. Die Amtsbefugnisse des wettinischen und des habsburgischen Landschreibers .scheinen sich aber keineswegs zu entsprechen, obschon gewisse. Übereinstimmungen sich finden; die Bedeutung des Amtes war in Österreich sehr ansehnlich, es war eine der wichtigsten Verwaltungsstellen überhaupt; Dopsch vergleicht es dem bairischen Yitztumamt. In Meifsen- Thüringen ist über den Dienstbereich zu Konrads Zeit nichts zu ersehen.

3S) Vgl. Ermisch, Urkundenbuch der Stadt Chemnitz S. 289 Nr. 350; der Text ist nur in Abschriften des 16. Jahrhunderts er- halten.

^^) Posse und Meyer a. a. 0. geben nur einige Hinweise auf Urkunden, in denen er in amtlicher Stellung auftritt.

■*'*) Dafür hält es Schumann, Staats-, Post- und Zeitungs- lexikon von Sachsen (Zwickau 1825) XII, 413 (unter Wallhausen).

■'i) Vgl. Anmerkung 36.

^2) Märcker, Das Burggrafthum Meifsen S. 469.

■*^) Posern- Klett, Urkundenbuch der Stadt Dresden S. 37 Nr. 48; vgl. ferner Posse S. 234 Xr. 5.

^^) Von anderen geistlichen Würdenträgern z. B. Domherren u. dergl. ganz abgesehen.

j^6 W. Lippert:

Beamten*^). Die gut dotierte Stelle*^) ermöglichte ihm die Haltung eines Vikars, da ihn sein Hofamt in der Umgebung des Fürsten festhielt.

Seinen wirklichen Namen erfahren wir auch aus mehreren Urkunden seiner späteren Lebenszeit. Konrad war Domherr des Hochstifts Meilsen und zwar noch während seiner Amtszeit als Protonotar, hat also zu- nächst auch diese Stelle nur als Pfründe erhalten, bis er später seinen Sitz im Domkapitel wirklich einnahm. Machatscheks Angaben^') über ihn bestehen fast Wort für Wort aus Fehlern: „Bischof Conrad versah vor seinem Eintritte in das Capitel die Geschäfte eines Notars, später Protonotars des Markgrafen Friedrich des Strengen, wurde nachher Pfarrer in Wallhausen an der Helme, dann Cano- nicus in Meiisen und Propst in Grofsenhain, worauf er das Archidiakonat der Lausitz verwaltete und das Dekret seines Vorgängers vom 12. Februar 1350 mit unterschrieb". Er wurde nicht „nachher Pfarrer in Wallhausen", son- dern besals diese Pfründe gleichzeitig seit den ersten Jahren seines Kanzleidienstes, da er schon in der Urkunde von 1332 als Pfarrer von Wallhausen auftritt. Er wurde nicht „dann Canonicus in Meilsen", sondern erlangte auch die Domherrnstelle noch während seiner Amtszeit in der Kanzlei, wie sich aus der Urkunde vom 12. Fe- bruar 1350 ergibt ^^), der Verabredung des Bischofs Johann mit dem Domkapitel über die Schlichtung der Streitig- keiten untereinander, welche von sämtlichen Domherrn teils eigenhändig, teils wenn sie schreibunkundig oder abwesend waren durch andere Domherrn unterschrieben wurde. Darunter steht auch als vorletzter: „Et ego Conradus de Walhusen canonicus ecclesie predicte in Signum mei consensus per manum Nycolai de Cappelndorf supra scripti me subscripsi et sigillum meum presentibus feci appendi". Da Konrad als langjähriger Notar und

•'°) Posse a.a.O. S. 233, 234: Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen II, 22, 44 Nr. 513, 533; Urkundenbuch der Stadt Dresden S. 44 Nr. 59; Lippert, AVettiner und Witteisbacher S. 243 Nr. 35; ileyer, Hof- und Zentralverwaltung S. 98, 110, 122 u. a.

''<') Vgl. für allerdings spätere Zeit das Registrum subsidii clero Thuringie anno 1506 impositi, Ztscbr. f. Thüring. Gesch. X (N. F. II, 1882), 138, 145.

■^■') Machatschek, Geschichte der Bischöfe des Hochstiftes Meifsen (Dresden 1884) S. 290. ^

*») HStA. Dr. Orig. Nr. 3217. Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen I, 369—373 Nr. 452.

Wettinische Kanzlei iin XIV. Jahrhundert. 17

Protonotar des Schreibens kundig war und sogar recht gut und deutlich sclirieb, deutet die Vollziehung seiner Unterschrift durch fremde Hand darauf hin, dafs er am 12. Februar nicht in Meifsen anwesend war. Das war auch nicht gut möglich, fand doch in jenen Februar- tagen (vom 6. bis 18.) die grolse Fürstenversammlung zu Bautzen statt, der auch die Wettiner beiwohnten*'-^). Sie regelten damals ihre Angelegenheiten mit König Karl IV. und empfingen von ihm die Belehnung mit allen Landen und Gerechtsamen. In den zahlreichen Urkunden jener Tage ist nun zwar Konrad unter den Zeugen nicht mit ge- nannt, die Anwesenheit des Vorstandes der Kanzlei bei diesen Verhandlungen und Verbriefungen ist aber wohl als selbstverständlich anzunehmen, da es hierbei doch auch seitens der meilsnischen Kanzlei Schriftstücke aus- zufertigen gab. Auch haben wir Zeugnisse, dals die sonstigen Verwaltungs- und Bureaugeschäfte in dieser Zeit nicht stockten; so liegen z. B. ßegesten über Be- lehnungen vom 5. und 7. Februar 1350 vor'^-). Konrad erhielt nach einigen Jahren die Propstei Grolsenhain^^) und 1358 das Archidiakonat der Kiederlausitz, dessen Inhaber aber seinen Wohnsitz in Meilsen behielt. In dieser Würde unterschrieb nun Konrad am 1. Juli 1358 das Testament des Bischofs Johann, und während von den dreizehn Unterschreibenden fünf sich vertreten lassen mufsten, und zwar vier, „quia scribere non potui", und einer „quia ad presens scribere non potui", gehört er zu denen, die das „propria manu" zufügten: „Et ego Conradus de Walhusen vel de Kirchberg dictus, archidiaconus Lu- sacie et canonicus ecclesie Misnensis, supradicta omnia et singula ratifico et approbo eisque consencio et in testi- monium propria manu subscripsi et sigillum meum hie appendi" ''-).

*^) Vgl. H. Ähren s, Die Wettiner und Kaiser Karl IV. (Leip- zig 1895) S. 3-5.

■'^») S. Lehnbuch Friedrichs des Strengen von 1349/50 S. 71, XIV 2 mit Aum. 4. S. 285 Nr. 8.

■''') In einer Urkunde vom 9. Septemher 1357 (Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen II, 5 Nr. 496) ist er betitelt „Cunradus de Wal- husen prepositus Haynensis".

5-) Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen II, 14 16 Nr. 506. Von dem Testament sind zwei gleichlautende Exemplare jetzt im HStA. Dr., Depos. Capit.Misn.Nr.339, die beide in übereinstimmenden Zügen Konrads Unterschrift aufweisen (im zweiten Exemplar fehlt ecclesie und einige Worte sind umgestellt: omnia et singula supra-

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV, 1. 2. 2

18 W. Lippert:

Hier hören wir also, dafs er dem Gesclileclite von Kircliberg angehörte und in der Siegellegende ist sogar nur der Familienname angeführt, vielleiclit weil der Stempel noch aus seinen jüngeren Jahren stammt, wo Konrad die Pfarre von Wallhausen noch nicht erlangt hatte, denn darauf deutet die schlichte Bezeichnung als „sacerdos" hin"'"^). Die Doppelbenennung findet sich auch noch in andern Urkunden, das eine Mal sogar unter Voranstellung des Geschlechts- namens und Beifügung des Standesnaraens als Ergänzung: „vir honorabilis dominus Conradus de Kirchberg vel de Walhusen dictus, archidiaconus Lusacie in ecclesia Mis- nensi"^*).

Über seine Familienverhältnisse bietet aber noch weiteren Aufschluls eine Urkunde vom Oktober oder No- vember 1358-^-^):

dicta, manu propria) und am Bug, mit Pergamentstreifen befestigt, sein Spiegel tragen; Umschrift S-CVIZRADl DG KIRChBeRG SACDOTIS Dasselbe Siegel hängt auch an der oben erwähnten Urkunde vom 12. Februar 1350. Das Siegelbild gibt nicht sein Familien- wappen, sondern unter einem Baldachin das Brustbild einer gekrönten Heiligen, i-echts einen Palmenzweig, links einen rundlichen Gegen- stand, eine Schale mit zwei Punkten oder dergleichen (ob heilige Lucia? Schale mit 2 Augen) haltend; nach Cod. dipl. die heilige Maria Magdalena, zu der aber diese Beizeichen, besonders die Krone und Märtj'rerpalme, nicht passen.

^'^) Dasselbe Siegel hängt auch schon an der Urkunde von 1350; Konrad von Wallhausen hat also bei der Erlangung höherer Würden, z. B. des Archidiakonats der Mederlausitz , sich kein neues Siegel anfertigen lassen, wie das sonst vorkam. Konrad Pruze z, B. führt 1358 (s. Orig. -Urk. Depos. Capit. Misn. 339) ein anderes Siegel als später, nachdem er das Archidiakonat der Lausitz erlangt hatte; denn auf seinem Siegel an einer Urkunde von 1369 im Luckauer Ratsarchiv ist der Titel archidyaconus Lusacie beigefügt.

s^) Urkuudenbuch des Hochstifts Meifsen II, 46 Nr. 535 in der Urkunde vom 29. Oktober 1361 über die Vereinigung der Propstei Lübben mit dem Archidiakonat der Lausitz und der Einsetzung des Lübbener Offizials; ferner II, 49 Nr. 537 vom 10. November 1361: „Conradus de Walhusin vel de Kirchberg dictus, archidiaconus Lusacie".

'>^) Kopial 25 fol. 92b (darnach Kopial 27 fol. 44b; Kopial 29 fol. 143b). Sie ist undatiert, aber ihre Stellung zwischen Urkunden vom 13. November 1358 („Datum anno domini MCCCLVIII feria tercia post Martini"), vom 17. Oktober 1358 („Datum anno LVIII feria IUI. post Gralli") und vom 15. November 1358 („Datum Burgow^ anno domini MCCCLVIII feria V. ante Elizabeth"), die von derselben Hand (Hand P des Lehnbuchs), also gleichzeitig, ein- getragen sind , beweist , dafs sie derselben Zeit , dem Ende des Oktobers oder Anfang des Novembers, angehört.

Wettiuische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 19

„Item dominus contulit domino Cunrado de Walhusin, Wirico et Johanni de Kirchperg •'■'"), fratribus suis, villam dictam Wachowe") cum agris ad allodium spectantibus, vineis, humuletis, lignis, censu, bonis in feodum ab ipsis procedentibus, imlicio'^s) yüie g^pgr omnibus causis excepto iudicio sanguinis, cum universis bonis et pertinentibus ad eaiidem villam et quasdam viueas de novo ad culturam reductas per villauos in Bresnicz '^■') et in Lobichow"^ cum bonis, que Hartmodus de Kocheberg et mater fratrum suorum predictorum^o) possident, post eorum obitura ad eos devolvendis. Presentihus et testibus dominis Balthazar, Johanne Groze, Ulrich de Tenstete, Bernhardus de Milticz, Scharroch, Andreas Gartolf " '"^).

Konrad gehörte also zu der Familie von Kirchberg und erhielt die Anwartschaft auf das Dorf Wogau.

Über seine Familienzugehörigkeit sind die wider- sprechendsten Ansichten laut geworden. Nachdem Ave- mann*^^) ihn zu einem Mitgliede der burggräflichen Familie gemacht, Calles'^-j dagegen sich einer Entscheidung begeben

^ß) Der zweite der Brüder Konrads, Jan von Kirchperg, erhielt am 24. März 1350 die Mitbelehnung mit den Gütern seines Schvi^ieger- vaters, des Ritters Heinrich Hebestreit, zu Webau und Gnäditz süd- östlich von Weifsenfeis, s. Lehnbuch Friedrichs des Strengen S. 97 f. Anm. 47.

^') Wogau (das auch im Lehnbuch von 1349/50 S. 158 XXX 1 neben Brisnicz in derselben Namensform Wachow« vorkommt) ist das unmittelbare Nachbardorf von Jenapriefsnitz und (Grofs- oder Klein-) Löbichau ONO Jena, zwischen Jena und Bürgel.

^*) Vorlage ,iudicia".

■'^) Nach dieser Stelle scheint die Mutter der Brüder von Kirch- berg eine von Kochberg gewesen zu sein, da sie mit Hartmut von Kochberg zusammen als Besitzerin der Güter auftritt, deren Anfall nach beider Tod den Kirchbergen als nächsten Verwandten ver- liehen wird.

"'') Bei den Zeugennamen gehen Nominativ- und Ablativformeu durcheinander. Von den letzten drei Namen ist Scharroch ohne Vor- namen genannt (ein Heinrich Scharroch ist urkundlich belegt 1366, 1367); Andreas ist der Vorname des Gartolf, vgl. Lehnbuch S. 303 Nr, 21 Anm. 1 ; Urkundenbuch der Stadt Dresden S. 47 Nr. 62.

*") H. F. Avemann, Vollständige Beschreibung des . . . Ge- schlechtes der Herren Keichsgraf- und Burggrafen von Kirchberg (Frankfurt 1747) S. 168—170 und Stammtafel zu S. 304. Er rechnet ihn nicht zu den Burggrafen von Kirchberg im engeren Sinne, son- dern zu den Burggrafen von Altenberga, und hält ihn für identisch mit dem Burggrafen Konrad, der als Bruder des Burggrafen Otto mehrfach aultritt (so auch im Lehnbuche Friedrichs des Strengen S. 7, I, 19 und dazu Einleitung S. CCXLlIf.). Vgl. auch Z edlers Grofses vollständiges Universal-Lexikon unter K, Band XV (Halle, Leipzig 1737) S. 714.

*'■") S. C alles, Series Misnensium episcoporum (Ratisbonae 1752) S. 249 geht auf die Frage, ob Konrad zu der burggräf liehen oder einfachen Adelsfamilie von Kirchberg gehiirt, nicht ein und läfst überhaupt die Berechtigung dieses Familiennamens im Ungewissen.

20 . W. Lippert:

hatte, trat Ursinus"^), obwohl er manche Angaben Ave- manns verwarf und den Unterschied zwischen Konrads Wappen und dem der Burggrafen bemerkte, doch für die Abstammung von den letzteren ein und brachte noch mehr Verwirrung hervor durch die Erfindung einer Linie Kirch- berg-Wallhausen. Ihm sind dann andere gefolgt, wie Ebert und Klähn"^). Gersdorf *^') weist zwar die gräfliche nnd burggräfliche Abstammung zurück, läfst aber unbe- stimmt, ob der Zusatz von Kirchberg die Gebürtigkeit aus einem Orte dieses Namens oder die Herkunft von einem sonst unbekannten Geschlechte ausdrücke, da er die Urkunde von 1358 nicht kennt. Machatschek*^*^) be- findet sich in einem sonderbaren Zwiespalt, indem er zwar die Zugehörigkeit zu den Reichs- und Burggrafen, für die sich glaubhafte Beweise nicht beibringen lielsen, bezweifeln möchte, ihn aber zu einem Sohne Dietrichs V. macht, der doch der burggräflichen Familie angehört. Es ist indessen sicher, dals Konrad wieder dem nordthüringischen Grafen- geschlechte von Kirchberg noch dem thüringisch- oster- ländischen Burggrafengeschlecht gleichen Namens zu- zurechnen ist, sondern einem Geschlechte des niederen Adels*^^), dessen Glieder niemals den burggräflichen Titel führen, nie zu den Geschlechtern der Edlen und

^^) J. F. Ursinus, Die Geschichte der Domkirche zu Meifsen aus ihren Grrabmälern historisch und diplomatisch erläutert (Dresden 1782) S. 85.

6^) F. A. Ebert, Der Dom zu Meifsen (Meifsen 1835) S. 111. C. Klähn, Diplomatisches Verzeichnifs der Archidiakone der Lausitz, im Neuen Lausitz. Magazin XXXV (Görlitz 1859) S. 10.

^^) Einleitung S.XVzumUrkundenhuch des Hochstifts Meifsen IL ö") S. 289; sein Gewährsmann Avemann zählt diesen Dietrich aher als Dietrich V., Burggrafen von Altenherga (s. oben Anm. 61), nicht als Dietrich V. von Kirchberg, denn das ist eine ganz andere Person ; Machatschek hat also Avemanns an und für sich unzutrelfende Annahme durch eigene Mifsverständnisse noch mehr verwirrt.

<^'') Mitglieder dieser Familie treten mehrfach in Urkunden des HStA. Dr. auf, so Wernher und in mehreren Generationen der in der oben mitgeteilten Urkunde von 1358 auch bei einem Bruder Konrads auftretende Name Wirich, Wiricus, der in Dresdner Original- urkunden der Jahre 1238, 1240, 1241, 1243, 1245, 1263, 1300, 1303 auftritt, also einschliefslich unserer Urkunde von 1358 wohl in drei Generationen nachweisbar ist. Vgl. auch Mitzschke, Urkunden- buch von Stadt und Kloster Bürgel I, 150 Nr. 128; Kehr, Urkunden- buch des Hochstifts Merseburg I, 502 Nr. 632; besonders E. Schmid_, Geschichte der Kirchbergischen Schlösser auf dem Hausberge bei Jena (Neustadt a. O. 1830) S. 76, 77, 144, 154 156, 162 164, wo verschiedene Mitglieder der Familie genannt sind.

Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 21

Herren gerechnet werden und ein völlig anderes Wappen besitzen*'**).

Das Auftreten der Familie in derselben Gegend, der auch die Burggrafen von Kirchberg angehören, sowie das Vorkommen einzelner Mitglieder in burggräflich Kirch- bergischen Urkunden selbst unter den Vasallen der Burg- grafen weist mit genügender Deutlichkeit auf ein ursprüng- liches Miiiisterialitäts- oder Burgniannenverhältnis dieser Familie des niederen Dienstadels zu dem Herrengeschlechte der gleichnamigen Burggrafen hin ; dals Burgmannenfarailien, die mit dem Burgherren keineswegs verwandt sind, der Burg, zu der sie gehören, ihre Benennung entlehnen, ist eine auch anderwärts beobachtete Erscheinung.

In der Familie waren literarische Neigungen nicht fremd, wie zwei frühere Träger des Namens zeigen, der in der Geschichte Heinrichs des Erlauchten und der Stadt Erfurt bekannte Dr. decret. Magister Heinrich von Kirch- berg*'^) und Wiricus von Kirchberg, der im Jahre 1303 der Kanzlei Friedrichs des Freidigen angehörte'"). Viel-

®^) Die Burggrafen von Kirchberg führen (nach Avemann, Beschreibung der Burggrafen S. 92f. , Schniid, Kirchbergische Schlösser S. 78) mehrere senkrechte schwarze Balken im weifsen Felde, zum Teil auch einen schwarzen Löwen im weifsen Felde. Diese Angaben werden diirch Autopsie von Siegeln im HStA. Dr. bestätigt; so hängt z. B. an Orig.-Urk. Nr. 2555 vom 16. Juli 1331 das Siegel des Burggrafen Hartmann mit 4 schwarzen Pfählen (das- selbe, das Avemann nach einer Urkunde von 1327 als Nr. 2 auf der Siegeltafel I, allerdings nicht ganz getreu, abbildet), an Orig.-Urk. Nr. 2982 vom 26. März 1344 die Siegel der Burggrafen Albrecht und Hartmann, das eine mit 3, das andere mit 4 schwarzen Pfählen, an Orig.-Urk. 3546 vom 2. August 1358 das Siegel des Burggrafen Hartmann mit einem aufgerichteten Löwen. Später verbanden die Burggrafen beide Wappenbilder, so im quadrierten Siegel Georgs von 1507: in 1 und 4 der Löwe, in 2 und 3 die Balken, s. Avemann S. 93 und Tafel II Nr. 8, III Nr. 11, 12. Das Wappen des Mini- sterialengeschlechtes von Kirchberg dagegen bietet uns Konrads eigenes Siegel als Bischof: es zeigt drei gut stilisierte Weinblätter (2 : 1 ge- stellt) und darüber im Schildhaupte zwei wagerechte, gezähnte, mit der Zahnung gegeneinander gekehrte Balken, wie es zahlreiche trefflich erhaltene Siegel im HStA., Depos. Capit. Misnensis, aufweisen, und zwar sowohl im grofsen Siegel, wie im kleinen (auch als Rücksiegel verwandten) Sekret, Abbildung s. Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen II, Siegeltafel III Nr. 3 und 4. Dasselbe Wappen läfst auch der sehr abgetretene Grabstein Konrads im Meifsner Dom noch erkennen, s. Ursinus S. 85 und Ebert S. HI und zugehörige Tafel.

ü9j Ygi^ ij^^gj. jjju _Fi scher in seiner Ausgabe von des Nicolaus von Bibra Carmen satiricum (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen I, Halle 1870) S. 17—19, 154—157, 160—172.

™) Posse S. 179, 233.

22 W. Lippert:

leiclit haben diese Beziehungen zum wettinischen Hause, besonders die Kanzleitätigkeit Wirichs, die Vermittelung gebildet für den Eintritt Konrads in den Dienst des Sohnes Friedrichs des Freidigen.

Das Archidiakonat der Lausitz hatte Konrad nur wenige Jahre inne, nach 1361 begegnet er uns nicht mehr unter diesem Titel, der vielmehr seinem Vorgänger im Protonotariat, Konrad Pruze, zu teil wurde 'M- Ihm war höheres beschieden: denn ebenso, wie einem anderen mark- gräflichen Protonotar, Johann von Eisenberg, mit dem er in den dreilsiger Jahren gemeinsam in der Kanzlei Friedrichs des Ernsten gearbeitet hatte, winkte auch ihm der Bischofsstab von Meifsen. Als nach Johanns I. Tod 1370 dessen Nachfolger Dietrich noch in demselben Jahre vor seiner Konsekration starb, wurde Konrad durch Papst Urban V. am 13. November 1370^-) zum Bischof erhoben, seine Regierungsdauer ist also nicht von 1371 1375, sondern 1370 1375 anzusetzen. Sein Tod erfolgte am 26. Mai 1375^=^).

Wenden wir uns zu seiner Kanzleitätigkeit zurück, so ist eines bemerkenswerten Zusammentreffens zu ge- denken. Dafs unter seiner Verwaltung die ältesten regel- recht geführten Register Ende 1349 bez. 1350 beginnen, springt ja sofort in die Augen. Daraus geht aber noch nicht hervor, dafs er selbst der Urheber dieser besseren Ordnung gewesen sei; denn da der Beginn ordentlicher Geschäftsbuchung in der wettinischen Kanzlei mit dem Regierungsantritt Markgraf Friedrichs des Strengen zu-

^•) Urkundeubuch des Hochstifts Meifsen II, 49, 51, 52, 55 Nr. 537, 540, 541, 545 usw. 1367 war Konrad von Wallhausen Propst des Kollegiatstiftes S. Petri zu Bautzen, s. Ivnothe in dieser Ztschr. XI, 28 f.

'-) Seine Bestätigung durch Gregor XI. erfolgte (nach Ursinus S. 86, Machatschek S. 289) im Februar 1371, seine Provision durch Urban V. war aber, wie sclion Ursinus a. a. 0. angibt, zu Ende des Jahres 1370 erfolgt, und diese Angabe wird auf Grrund der päpstlichen Register genauer auf den 13. November bestimmt durch Eubel, Hierarchia catholica medii aevi 1198—1431 (Monasterii 1898) S. 361.

'3) Avemann S 170, Ursinus S. 88, Ebert S. 112, Machat- schek S. 298 geben den 25. Mai; dies pafst wohl zu des Fabricius Angabe „VIII. Kai. Junii" (s. C alles, Ser. Misnens. episcop. S. 254), nicht aber zu dem Datum seines Leichensteines „in crastino Urbani"; denn der Urbanstag selbst ist der 25. Mai , in crastino Urbani der Tag darauf, wie schon Gersdorf in der Einleitung zum Urkunden- buch des Hochstiftes Meifsen II S. XV bemerkt hat.

Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 23

sammenfällt, läge es nahe, die Neuordnung auf ihn zurück- zuführen. Nun mag ja in der Tat der Beginn einer neuen Regierung und der damit verknüpfte Eintritt einer besonders regen Kanzleitätigkeit infolge der vielen not- wendig werdenden neuen Verbriefungen darauf hingewirkt haben, dafs man neue Geschäftsbücher anlegte, wie dies ja auch anderwärts zu beobachten ist. Dafs aber bei dem Auftreten gröfserer Sorgfalt in der Kanzleigeschäftsführung, der Aufbewahrung der Register seit diesen Jahren, der Anlage von Urkundenverzeichnissen zu jener Zeit noch andere Faktoren mitwirkten, zeigt die Tatsache, dafs, wie oben angegeben, schon früher gewisse Aufzeichnungen einsetzen. Die Hofhaltsrechnungen vom Winter 1330, des- gleichen die Distriktsbedeverzeichnisse von 1334 36 sind hierbei aulser Betracht zu lassen; denn bei beiden ist nicht zu bestimmen, ob es sich um allein erhalten gebliebene Bruchstücke, was das wahrscheinlichere ist, oder um vereinzelte Erscheinungen handelt, an die zunächst keine weitere Entwickelung dieser Geschäftszweige sich an- knüpft. Anders ist es dagegen mit den verschiedenen Aufzeichnungen des Jahres 1347, die oben Seite 11 be- sprochen worden sind. Alle diese Eintragungen sind von einer und derselben Hand gemacht, ihre Entstehung ist daher als zu gleicher Zeit erfolgt anzunehmen. Hier liegt also ein zielbewulstes, einheitliches Vorgehen zu Grunde, das Streben, die Stellung des Landesherrn zu gewissen Klassen der Landeseingesessenen, seine Rechte und Kom- petenzen in Bezug auf Landeshoheit, militärische und finanzielle Leistungen deutlich festzulegen. Um dieselbe Zeit nach dem 9. Mai 1347 und vor dem 24. August 1348 übernahm nun aber Konrad von Wallhausen oder Kirchberg die Leitung der markgräflichen Kanzlei, so dafs der Gedanke, in ihm den Urheber einer Art Kanzleireform oder strafferen Organisation der Geschäftsführung zu erblicken, wohl nicht zu kühn ist.

Als Protonotar gehörte Konrad zu den Heimlichen, den geheimen Räten seines Fürsten, und seine Für- sprache war daher für Bittsteller eine wertvolle Unter- stützung. So regelmäfsig nun die Urkunden z. B. der Könige in früheren Jahrhunderten der Intervenienten gedenken, deren Vermittelung der Empfänger einer Urkunde dieselbe zu danken hatte, so selten wird die Erwähnung derselben in späterer Zeit. Bei den Wettinerurkunden des 14. Jahrhunderts werden nur in sehr wenigen

24 W. Lippert:

die Vermittler'^) genannt, darunter auch Konrad. Die eine Urkunde betrifft einen der Fälle, deren sich um jene Zeit einige ermitteln lassen, die aber immerhin zu den Ausnahmeakten und besonderen Gnadenbeweisen gehören, eine Lehnfähigerklärung von Töchtern, denen in lehnrecht- licher Hinsicht die Eigenschaft von männlichen Personen verliehen wird'"*). Am 3. ]\Iärz 1350 erklärte der Mark- graf zu Delitzsch, dals er auf Fürsprache seines Hof- protonotars Konrad von Wallhausen und anderer der söhnelosen Sophia von Meldingen, der Witwe des Tilo Becheler, „hanc facimus et fecimus prerogative graciam specialem, quod prefati prothonotarii nostri nobis servientis familiaritate et precibus incitati Juttam et Kunigundim, dicte Sophie tilias, puellas . . . abilitavimus, fecimus et creavimus masculos" '*"•). Auiser diesem Auftreten als Intervenient haben wir aus seiner Amtszeit noch eine Urkunde, die ihn selbst sachlich mit angeht. Dieselbe stammt aus der letzten Zeit seiner Vorstandschaft und zeigt, dafs er bis zuletzt in gutem Einvernehmen mit seinem Fürsten stand; auch führt sie ihn uns in neuen Beziehungen vor, nämlich als Inhaber der geistlichen Pfründe des St. Georgen- und Elisabeth -Altars in der Schlolskapelle auf der Wartburg. Markgraf Friedrich der Ernste, der Erbauer der Andreas- oder Fürstenkapelle im markgräflich-meifsnischen Hauskloster Altzelle"), trug auch Sorge für die würdige Ausgestaltung des Gottes- dienstes auf der Wartburg. Er liels in der Schlolskapelle

■'^) In der Eegel ist kein Fürbitter genannt , wo aber jemand namhaft gemacht wird, durch dessen piis precibus oder dgl. der Füi'st zur Gewährung eines Gnadenheweises bewogen wird, handelt es sich fast immer um Angelegenheiten, die den Bittenden selbst mit be- rührten, so z.B. Gersdorf, Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen I 362 Xr 444, Er misch, Urkimdenbuch der Stadt Freiherg I 73 Kr. 95, Lippert, Wettiner und Witteisbacher S 245, 280 Nr. 37, 108 ; Lehnbuch Friedrichs des Strengen S. 98 Anm. 47.

■^) Einige andere Fälle der Art sind beigebracht in der Einleitung zum Lehnbuch Friedrichs des Streugen S. CCXVI mit Anm. 133 und 134.

■"*) Kopial 25 fol. 26: „Datum Deltsch anno quinquagesimo feria •quarta post Oculi". Sie erhalten Besitzungen in Wresse, Vrienrode, Sewin (wohl gemeint Seibin), Zcwisda, Czaycz, Jezer, alles Orte (zum Teil Wüstungen) des Distrikts Delitzsch ; diese Urkunde liefert also eine Ergänzung des im Lehnbuch S. 111 XXI 26 eingetragenen Regestes, welches die Lehen des Rüdiger und Tilo Becheler nicht näher bezeichnet.

■^') Vgl meinen Aufsatz in dieser Ztschr, XVII, 33 f.

Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 25

den Altar des heiligen Georg und der heiligen Elisabeth errichten und weihen und begabte ihn mit zehn Mark Ein- künften zu Weifsensee, die er von Otto von Vanre er- kaufte und die dem Priester, dem der Altar verliehen war, nebst Bekleidung und sonstigen Auslagen zufallen sollten. Der erste Inhaber des Altarlehens war Konrad von Wallhausen, der nun von Friedrich dem Strengen die Bestätigung der väterlichen Stiftung und Dotierung am 7. September 1350 erwirkte'^).

Über seine persönliche Beteiligung an den Arbeiten der Kanzlei zu sicheren Schlüssen zu gelangen, ist aller- dings sehr schwierig. Ähnlichkeiten des Schreibduktus fallen ja oft genug leicht in die Augen, eine spezielle Vergleichung der einzelnen Buchstaben und Buchslaben- verbindungen oder, wo man grölsere Texte vor sich hat, auch des Sprachgebrauchs liefern aber dann meist bald grölsere, bald geringere Abweichungen und unvereinbare Ergebnisse. Oft genug fehlt in jener Zeit ja noch das einzige zuverlässige Kriterium für die Feststellung der Handschrift einer bestimmten Person, die unanfechtbare Gewähr ihrer eigenhändigen Schrift. Für Konrad von Wallhausen sind wir allerdings in der glücklichen Lage, seine echte eigenhändige Unterschrift in längeren Sätzen zu besitzen, nämlich auf den früher erwähnten beiden Exemplaren des Testamentes des Bischofs Johann I. von Meifsen vom 1. Juli 1358, das uns oben ein Zeugnis für Konrads Zugehörigkeit zur Familie von Kirchberg lieferte. Dafs es tatsächlich eigenhändige Unterschriften der Dom- herren sind, lehrt die Verschiedenheit der Hände und in fünf Fällen die ausdrückliche Erwähnung der Anfertigung der Unterschrift durch einen anderen wegen Schreibunkennt- nis des Betreffenden (s. oben). Konrads Hand nun zeigt entschiedene Ähnlichkeit mit einer in den Registern jener Zeit häufig auftretenden Hand, die auch im Lehnbuche

'*) Vgl. die Urkunde am Schlüsse dieses Aufsatzes, s. Beilage 1. Aufser dem Altar S. Georg und S. Elisabeth hatte Friedrich der Ernste in der Schlofskapelle auch noch den Altar S. Marie, Dorothee, Felicis et Adaucti gestiftet, dessen Einkünfte in Höhe von 10 Pfund Eisenacher Pfennigen vom landesherrlichen Marktrechtzins zu Eisenach nebst einem Hof und Wohnhaus zu Eisenach mit Zubehör dem Dekan Johann von Gotha verliehen waren und auf dessen Bitte am 19. Jimi 1350 dem Altar durch Friedrich den Strengen bestätigt wurden, vgl. die Anmerkimgen zum Drucke der Urkunde für den Georgen- und Elisa- bethaltar, Beilage 1.

26 W. Lipperf.

vorkommt und hier als Hand E bezeichnet isf^^). Ferner ist zu berücksichtigen, dafe diese Unterschreibung unter des Bischofs Testament einen feierlichen Akt darstellt, bei dessen Vollziehung sich jeder der Beteiligten der Wichtigkeit der Sache bewulst war, ein Umstand, der seiner Unterschrift auch leicht einen anderen Charakter als bei gewöhnlicher flüchtiger Geschäftspraxis verleihen konnte. QYotz dieser Umstände ist aber, wie gesagt, die Ähnlichkeit von Konrads Hand mit E unverkennbar**^). Ist diese Annahme zutreffend, so liegt damit für die Ge- schäftsführung der interessante Nachweis vor, dafs sich der Vorstand der Kanzlei selbst an den schriftlichen Arbeiten beteiligte. Wir dürfen uns auch durch die Vor-

™) Abweichend sind einige der a in Konrads Unterschrift, die nur die niedrige, dem heutigen Druck-Fraktur-a ähnliche Form bieten; dafs er aber auch die andere dem 14. Jahrhundert eigene Form des a mit einer zweiten geschlossenen oberen Schleife (so dafs also eine Art Bretzelform entsteht) kannte, zeigt die Unterschrift selbst, wo diese a-Form in dem einen Exemplar in den Worten „archi- diaconus, Lusacie, appendi", in dem anderen in „archidiaconus, omnia, singula, ratifico. approbo, manu, propria, appendi" auftritt.

«") Auch schon im 14. Jahrhundert hat, wie noch heute, fast jeder Schreibkundige für fast jeden Buchstaben mehrere Abarten zur Verfügung, von denen ihm beliebig, unabsichtlich und unwissent- lich bald die eine, bald die andere Form in die Feder kommt. Dafs eine und dieselbe Hand bei aller Wahrung der Haupteigentümlich- keiten ihres Buchstabencharakters doch in ihrem Gesamteindruck nicht immer denselben Duktus aufweist oder wenigstens aufzuweisen scheint, weifs jeder Diplomatiker. Körperliche Disposition, Un- bequemUchkeit der Schreibgelegenheit, Flüssigkeitsgrad der Tinte, Zustand der Feder und des Schreibstoffes bedingen nicht selten so wesentliche Unterschiede, dafs es schwer fällt, an Identität der Hände zu glauben, selbst wo sie sichergestellt ist. „Umgedreht linden sich auch bei verschiedenen Händen oft genug so viel Ubereinstimmungs- punkte, dafs man sie einem Schreiber zuweisen möchte. Eingehende Speziahmtersuchung ist stets nötig, und doch wird selbst sie vielfach mit dem Nachweis der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit sich begnügen müssen. Bei Feststellung der Hände im Lehnbuch war dies auch zu beachten. Als treffendes Beispiel der Schriftverschieden- heit notorisch. derselben Hand sei auf einige Unterschriften desselben Testamentes Bischof Johanns hingewiesen. Der ehemalige Protonotar Konrad Pruze unterschrieb aufser für sich selbst auch noch laut ausdrücklicher Erklärung für drei andere Mitdomherrn; drei dieser Unterschriften (die für sich selbst, für Johann von Strele und Palbert von Mühlhausen) sind sich, von Kleinigkeiten, einzelnen Buchstaben u. dergl. abgesehen, völlig gleich, sie sind wohl, nach der Tinte zu schliefsen, gleichzeitig vorgenommen; die vierte (für Gericke von Wolftitz) hingegen, mit anderer Tinte und spitzerer Feder geschrieben, macht auf den ersten Blick einen abweichenden Eindruck und erst die Spezialvergleichung bestätigt die Identität.

"Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 27

Stellung von der späteren Bedeutung des Kanzleramtes nicht beeintlussen lassen, die Stellung seines Inhabers zu überschätzen. Der Kanzlertitel selbst war in Konrads Amtszeit noch nicht wieder üblich geworden, sein Titel Protonotarius oder oberster Schreiber bezeichnet ihn sach- entsprechend nur als den ersten unter den Beamten der Kanzlei. Gerade bei einem Manne wie Konrad, der vorher mindestens 15 Jahre lang der Kanzlei als Schreiber an- gehört hatte, erklärt sich die praktische Beteiligung an den Arbeiten um so eher, als es sich ja auch bei ver- schiedenen Registerarbeiten keineswegs blofs um Kopisten- aufgaben handelt, sondern Sachverständnis und Sprach- gewandtheit dazu nötig war; denn erstens galt es vielfach, nicht nur Abschriften in die Bücher einzutragen, sondern Regesten bald in deutscher, bald in lateinischer Fassung anzufertigen, ferner erforderte beim Lehnregister die syste- matische Einteilung der einzelnen Belehnungsregesten nach geographischen Gesichtspunkten auf die verschiedenen Kapitel des Lehnbuches soviel sie auch nach heutigen administrativen und wissenschaftlichen Anforderungen noch zu wünschen übrig lälst eine für damalige Verhältnisse immerhin bedeutende Kenntnis von Land und Leuten.

Eine Schwierigkeit ist aber dabei nicht zu übersehen: die Einträge dieser Hand, in der wir die des Protonotars selbst erblicken möchten, hören nicht mit dem Herbste 1350 auf, sondern betreffen auch noch Verleihungen und Beurkundungen der nächsten fünfziger Jahre. Konrad von Wallhausen, der noch für den grölseren Teil des Jahres 1350 als Protonotar urkundlich häufig bezeugt ist-^), trat aber am 17. September 1350 von der obersten Leitung der Kanzlei zurück, die an Dietrich von Limbach überging*-). Es ergäbe sich also daraus, dals Konrad zwar die verantwortliche Vorstandsstelle aufgab, ohne jedoch aus der Kanzlei selbst völlig auszuscheiden*''}.

*i) So z. B. für den 13. Jannar, 3. April, 24. Juni, 4. August, 15. August 1350. Vgl. Urkundenbuch der Stadt Dresden S. 40 i\r.52; Lehubuch Friedrichs des Strengen, Anhang S. 287, 289, 294 Nr. 10, 12, 15; Beyer, Das Cisterzienserstift und Kloster Altzelle S. 604 Nr. 355. Ferner noch zahlreiche ungedruckte Urkunden in Kopial 25.

*-) Kopial 25 fol. 43b: „Anno domini MCCCL sexta feria ante festum Mathei apostoli et ewangeliste successit Theodericus de Lym- pach dominum Conradum de Walhvlzin in prothonotaria, post cuius successionem (Orig. successionen) hec acta sunt".

*^) Auch der spätere Protonotar und Kanzler Heinrich v. Kott- witz, der erste nicht geistliche Kanzleivorstand, verblieb nach

28 W. Lippert:

Dals in dieser Annahme durchaus nichts Unmögliches liegt, lälst sich mit mehrfachen Gründen dartun. Jenen Zeiten und Verhältnissen fehlt ja der Begriff behördlicher Rangklassen, der mit seinen Rücksichten auf Über- und Unterordnung bei Beförderungen oder sonstigen Stellen- besetzungen in der neueren Zeit eine so einschneidende Rolle spielt^*). Ferner erscheint es um so begreiflicher, dafs seine bewährte Tätigkeit der Kanzlei erhalten blieb, wenn wir in Betracht ziehen, dals sein Nachfolger eine der Kanzlei fremde Persönlichkeit war, die nicht in jahre- langem Kanzleidienste herauf gedient hatte und daher vorher keine oder nur sehr dürftige Gelegenheit gehabt haben kann, sich in deren Geschäfte einzuarbeiten. Sein Rücktritt erfolgte auch nicht unter den Zeichen fürstlicher Ungnade, die ihm ein längeres Wirken im Herrendienst schwierig oder unmöglich gemacht hätte, denn noch wenige Tage vor seiner Amtsniederlegung erfreute er sich durch die oben erwähnte Urkunde vom 7. September 1350 eines Huldbeweises des Markgrafen. Hierzu paliät es auch, dafs Konrad in den ganzen Jahren bis 1357 in den Ur- kunden des Domkapitels nur ein einziges Mal bei einer besonders wichtigen, die Verhältnisse des Kapitels selbst stark berührenden Angelegenheit, zu deren Beratung auch, wie das ausdrücklich hervorgehoben ist, alle auswärtigen Domherrn besonders berufen waren, als beteiligt erwähnt wird^-^). Er scheint also nicht sofort nach der Niederlegung des Protonotariats sich lediglich seinen Domherrnpllichten gewidmet, auch sich nicht in seine frühere Pfarre VVall- hausen zurückgezogen zu haben, da er in den uns bekannten

Niederlegung dieses Amtes noch im Dienste, wenn auch als Ritter nicht in der Kanzlei, so doch im markgräflichen Rate, s. Mej-er S. 98 Anm. 3

^*) In einer Urkunde Markgraf Friedrichs vom 10. März 1350, Kopial 25 f. 27 (auszugsweise gedruckt im Lehnbuch Friedrichs des Strengen S. 226 Anm. 49) heilst es unter den Zeugen: „Nycolao de Gyten notario, Theoderico de Capeludorf capellano, Conrado de Wal- husen nostre curie prothonotario". Der Kanzleivorstand erscheint also hier in der Reihenfolge hinter seinen Beamten. Derselbe Konrad Pruze, der als Protonotar der Vorgänger Konrads von Wallhausen gewesen war und der auch in der Reihenfolge der Unterschreibenden in Bischof Johanns Testament zwei Plätze vor ihm steht, erhielt sowohl die Präpositur Grofsenhain, wie auch später das Archidiakonat der Lausitz erst als dessen Nachfolger.

*^) Bei der Beschlufsfassung über die Erlangung höherer Pfrün- den mit Sitz und Stimmrecht innerhalb des Domkapitels am 1 I.März 1353, s. Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen I, 390 Nr. 469.

Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 2&

Urkunden der fünfziger und sechziger Jahre nach 1350 nicht mehr, wie früher, als „plebanus de Wallnisen" auf- tritt, sondern Wallhausen blols noch als unterscheidendes Beiwort angewandt wird, neben welchem sogar sein eigentlicher Familienname von Kirchberg wieder mit zur Geltung gelangt, der früher in den dreifsiger und vierziger Jahren nie zur Anwendung kommt. Alle diese Umstände tragen wesentlich bei, die Wahrscheinlichkeit der Annahme seiner ferneren Mitwirkung in der Kanzlei zu erhöhen. Erst in den letzten fünfziger Jahren tritt er in den domstif tischen Urkunden mehr hervor, so 1357, 1358, 1361.

Konrads Tätigkeit bietet uns also ein wichtiges Zeug- nis für die Geschäftsbehandlung in der Kanzlei, insofern wir den Protonotar selbst als bei der Registerführung wesentlich beteiligt betrachten dürfen, wenigstens wenn er ein so geschäftskundiger Mann war, wie das oben für ihn gezeigt ist.

Anders lagen die Verhältnisse bei seinem Nachfolger, dem wir uns nun zuwenden, bei

3. Dietrich von Limbach.

War Konrad mindestens 15 Jahre Kanzleibeamter, ehe er Kanzleichef wurde, so trat Dietrich oder, wie er gewöhnlich heifst und sich selbst nennt, Titzmann in sie soweit wir mit urkundlichen Zeugnissen nachkommen können als homo novus ein; er war der Kanzlei wie dem landesherrlichen Dienste überhaupt ein Fremder. Ein landfremder Mann war er allerdings nicht. Seine Familie, die sich unter den verschiedenen Limbach der wettinischen Lande nach dem Dorfe Limbach 8W. Oschatz, NNO. Mügeln nannte , ist seit dem 13. Jahrhunxiert ur- kundlich nachweisbar, und zwar erscheinen ihre Glieder als Vasallen der Burggrafen von Leisnig, zum Teil als Burgmannen auf deren Stammburg Leisnig selbst. Dem Gebiet zwischen Oschatz, Leisnig und Döbeln, besonders der Gegend von Mügeln, gehören die Besitzungen des Geschlechts an, die im Laufe des 14. Jahrhunderts nach- weisbar sind, wäe Gorau O. bei Oschatz (Wüstung); Paschkowitz SW. Mügeln; Grauschwitz W. bei Mügeln; Glossen WNW. Mügeln; Börtewitz und Dobernitz SW. Mügeln, N. und NO. Leisnig; Panitz SO. Oschatz, NNW. Lommatzsch; Höckendorf 0. Leisnig, NW.

30 W. Lippert:

Döbeln; der Groniewald SW. Mügeln; der Medenicz- wald u. a.^*').

Titzmann war der Sohn des Ritters Wernlier von Limbach, der nebst seinem Bruder Johann von Limbach in den Urkunden jener Gegend eine häufig genannte Per- sönlichkeit ist, besonders in denen des Klosters Sornzig (SW. Mügeln), in welchem drei Töchter Wernhers und zwei Johanns als Nonnen untergebracht waren. Von Wernhers Söhnen lernen wir aulser Titzmann noch Dein- hard (Dehnhard), Bartholomeus und Hans (Hannus, Jenekin) kennen, einen Vetter Hans und mehrere andere Geschlechts- genossen , deren Verwandtschaftsverhältnis zu Titzmann nicht ganz klar ist, so zwei der Sornziger Nonnen Elzebeth und Margarete, also Schwestern oder Cousinen Titzmanns, ferner Hermann, einen Bruder Johanns, also wohl auch einen Onkel Titzmanns, Strenphil und Wolmann (Walt- mann), die Söhne Hermanns, Benedictus de Ljmipach"). So dürftig also, wie die Kunde über Konrads private Ver- hältnisse war, so reichhaltig flielsen die Quellen über Titzmanns Familie, und zwar ist 'es die sich Generationen hindurch innerhalb eines eng umgrenzten Gebietes haltende Bodenständigkeit des kleinen Ministerialengeschlechts, der wir durch das Zusammenfügen der verschiedenen Einzel- notizen die Aufschlüsse verdanken. Die engen lokalen Beziehungen waren es auch, denen Titzmann seine Lebens- stellung verdankte: bereits am 23. Januar 1335 erscheint er als Pfarrer des Städtchens Mügeln ^^), und in dieser

sß) Vgl. Lehubuch Friedrichs des Strengen S. 139, XXVI 10; Urkundeubuch des Hochstifts Meifsen II, 89 Xr. 581; ferner die Orig.-Urk. Nr. 2681, 2817a, 2817h, 5093; alles Zeugnisse der Jahre 1335, 1338, 1349/50, 1368, 1399.

«■') Vgl. über diese Beziehungen die Orig.-Urk. Nr. 2680 und 2681 vom- 23. und 25. Januar 1335, 2817a vom 25. Oktober 1338, 2817b undatiert (auch von 1338), 3123 vom 20. April 1348, 3153 vom 13. Dezember 1348, 3361 vom 12. März 1354, 3798 vom 7. April 1365, 3930 vom 25. Mai 1369, 5093 vom 8. August 1399. Ferner Urkunden- buch des Hochstifts Meifsen I, 284, 328, 336, 347, 355 Nr. 350, 398, 409, 425, 435; II, 12, 89 Nr. 504, 581 aus den Jahren 1313, 1329, 1333, 1337, 1341, 1358, 1368; Urkundeubuch der Stadt Leipzig II, 75 Nr. 95: Märcker, Das Burggrafthum Meifsen S. 196f., 516, 535, (568). Ein Michael von Limbach erscheint 1369 1379 als Propst des Thomasklosters zu Leipzig, s. Urkundeubuch der Stadt Leipzig III, 364, 375.

*«) Orig.-Urk. 2680 (Verkauf von Sornziger Klostergut an das Kloster Seufslitz) : „testes, qui . . . vendicioni interfuerunt, sunt stren- nuus miles Wernherus de Liatbach et ipsius filius dominus Ticzmannus plebanus in Muglin".

Wettiiiische Kanzlei im XIV. Jabrhuudert. 31

Würde treffen wir ihn während der Folgezeit noch in zahlreichen Urkunden an'^*'). Ob er der Thitzcho de Lim- pach ist, der als „officialis noster" in einer Urkunde Bischof Withegos II. von Meißen vom 22. Juni 1341 genannt wird^"), ist deshalb fraglich, weil bereits am 27. Dezember 1312 ein Theodericus de Lympach als offi- cialis Withegos II. vorkommt''^), der in Anbetracht der Altersverhältnisse schwerlich mit dem Mügelner Pfarrer identisch sein kann, sondern wohl bei der Gleichheit der Vornamen als naher Verwandter zu fassen ist, nach dem er selbst benannt wurde.

Im Jahre 1347 begegnet uns Dietrich der Jüngere in einer neuen Würde, er ist Canonicus des KoUegiatstifts Würzen; am 9. November 1347 fungierten der bischöfliche Offizial Dr. decret. Nikolaus Ebirhardi und „Tytzmannus de Limpach canonicus Wurtczinensis et plebanusin Mogelin" als Schiedsrichter in einem Streit des Klosters Nimbschen mit dem Pfarrer von Torgau, und zwar fand die Verhand- lung statt „in estuario habitacionis honorabilis viri domini Tytzmanni plebani in Mogelin"^-). Dafs Titzmann seine

®^) Bald heifst er „Theodericus de Limpach pl. i. M." oder blois „domimis Theodericus pl. i. M.", bald „Thezco de Limbach pl, i M.", oder „Tyczmann de Lympach i. M. pl.", oder „her Thiczeman von Limpach der pherrer von Mügelin", oder blofs „her Thyczeman der pherrer von Miigelin" und ähnlich. Vgl. die oben erwähnten Urkunden.

»«) Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen I, 352 Nr. 432.

91) Urkixndenbuch der Stadt Meifsen S. 137 Nr. 193. Auf diesen ist wohl auch zu beziehen der magister Th[eodericus] de Limpach, der 1311 in zwei Urkunden für das Leipziger Thomaskloster vor- kommt, s. Urkundenbuch der Stadt Leipzig II, 61, 64 Nr. 76, 80; denn dafs dieser letztere ein anderer ist als der spätere Protonotar, besagt genugsam sein Titel magister, der niemals bei dem Mügelner Pfarrer und Protonotar angewandt wird, so viele Nennungen desselben auch vorliegen.

^'-) Eegest bei Schmidt, Urkundenbuch der Stadt Grimma und des Klosters Nimbschen I, 181 Nr. 257 Aum. nach dem Original Nr. 3108. Ein zweites Original dieser in Duplo ausgefertigten Ur- kunde befindet sich in meinem Besitz. Das nebst dem Ebirhardis anhängende spitzovale Siegel Titzmanns zeigt eine stehende Maria mit Christuskind, neben welcher ein Mann steht, Umschrift: S ThI D' LISßPACh PLeBARI V SKOGGLI Bereits in einer Urkunde vom 25. März 1329 (Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen _I, 328 Nr. 398) finden wir einen „Th. de Limpach Wurzinensis ecclesie canonicus", der wohl mit unserem Titzmann identisch ist; derselbe hätte also noch vor Erlangung des Mügelner Pfarramts wenigstens ehe er in dieser Eigenschaft nachweisbar ist ein Kanonikat in Würzen erlangt, falls sich diese Stelle nicht mit auf jenen älteren Dietrich, der schon 1312 Offizial des Bischofs von Meifsen war, bezieht.

32 W. Lippert:

Stelle in Mügeln aber nicht blols als nahrungspendende Pfründe benutzte (wie es bei Konrad mit Wallhaiisen der Fall war), sondern in Mügeln lebte, zeigen die Datierungs- orte zahlreicher oben erwähnter Urkunden, die ihn mit als Zeugen nennen und gerade an seinem Aufenthaltsorte, in Mügeln selbst, ausgestellt sind. Er bekleidete das Pfarramt bis zu seinem Eintritt in die markgräfliche Kanzlei. Noch am 20, April und 13, Dezember 1348 werden „her Thiczeman von Limpach der pherrer von Mugelin" und „Deynhart sin brudyr und Hannus sin vetere" als Zeugen in zwei Sornziger Urkunden genannt'-*^), imd selbst noch am 12. April 1350 zu JS^ossen ist er und der Nossener Pfarrer (,.presentibus . , . Tjczmanno de Lympach in Mogelin, Henrico in Nussyn ecclesiarum plebanis") Zeugen in einer Urkunde Bischof Johanns I. von Meilsen über die Vereignung von Grundstücken bei Mügeln und Zinsen in Töpeln (bei Leisnig) an die Kapelle im Schlosse Mügeln'-**).

Bald darauf aber wurde er seiner stillen Wirksamkeit im engen heimischen Kreise entrückt: am 17. September 1350 übernahm er als Nachfolger Konrads die Leitung der wettinischen Kanzlei. Keine Spui^ deutet darauf hin, dals er vorher schon darin tätig war; eine ganze Reihe von Kanzleibeamtennamen **'') tauchen um jene Zeit in den markgräflichen Urkunden oder Rechnungen auf, Titzmanns Name ist jedoch nicht darunter. Auch sonst ist nichts von einem persönlichen Verhältnis zu einem der Wettiner bekannt; zahlreiche Fäden knüpften die ganze Familie an die Burggrafen von Leisnig, die Bischöfe von Meifsen, das Kloster Sornzig, von Beziehungen zum Markgrafen hören wir bis zu seinem Dienstantritt bei keinem seiner näheren Verwandten aulser der Notiz im Lehnbuch Fried- richs des Strengen (s, oben), dafs sein Bruder Deinhard auch ein paar landesherrliche Lehen innehatte. Auch seine Kanzleiverwaltung erlaubt keine besonderen Schlüsse über irgend welche hervorragenden Bestrebungen oder eingreifende Neuerungen, denn die unter Konrad angelegten Register, das Registrum perpetuum, das Registrum tem- porale und das Lehnbuch fanden ihre Fortsetzung ohne Einführung von Abänderungen und Neuerungen. In dem

ö3) Orig.-ürk. 3123. 3153.

0^) HStA. Depos. Capit. Misn. Xr. 296.

®^) Mehr, als die Liste bei Posse S. 180 verzeichnet.

Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 33

vierten Geschäftsbuch, dem Liber computacionum, dessen x\brechnungszeiträume sich zum Teil bis in die Zeit Kon- rads zurückerstrecken, beginnen die Kanzleiregistraturen über die Reclnningsablegungen der Beamten eist mit dem August 1353, d. h. mit dem Amtsantritt von Titzmanns Nachfolger Heiniich von Kottwitz; also auch diese neue Einrichtung, dals über die mündlichen Abrechnungen, über welche früher gar keine Notizen der dauernden Aufbe- wahrung, wert erachtet wurden '"*), von nun ab wenigstens knappe, meist nur summarische Übersichten in dem be- sonderen Rechnungsbuche gebucht wurden, geht nicht auf seine Anregung zurück^'). Andere Amter, und zwar sowohl Hofämter wie Verwaltungsposten in den Vogteien und Städten, wurden zu jener Zeit in allen Staaten viel- fach nicht nach Verdienst, Würdigkeit und Sachkenntnis besetzt, sondern als rein finanzielle Vergütung für gehabte Verluste, gemachte oder noch bevorstehende Vorschüsse und dergl. verliehen ''^). Doch auch hiervon hören wir vor oder bei seinem Antritt weder bei Titzmann selbst, noch bei einem seiner Angehörigen^^); er selbst und seine Familie sind niemals politisch, kriegerisch oder finanziell in jener Zeit hervorgetreten, um dem Markgrafen ansehn- liche Dienste zu leisten oder für ihn gröfsere Opfer zu bringen ; auch dieses Verleihungsmotiv versagt also. Kurz- um, wir mögen nach sachlichen Erklärungen suchen, soviel wir wollen, so bleiben wir doch völlig in Ungewifsheit

*'<^) Vgl. über den Beginn dieser Rechnungen Ermisch, Ur- kundenbuch der Stadt Freiberg II S. XLI V und 374 f. und in dieser Ztschr. XVIII, 1 f.; Meyer S. lOOf. Dafs auch früher schon einzelne Notizen über die Abrecünungen vorhanden waren, zeigt die Angabe Kopial 5 fol. o zu 1347, wonach die Einkünfte der Ämter und Städte secunduni registra et conputaciones ofticiatorum zusammengestellt wurden, s. oben Anm. 25. Es mögen aber einzelne Blätter gewesen sein, die leicht in Verlust gerieten.

®') Nur die den zweiten Hauptteil von Kopial 5 bildenden Regesten über die Anweisungen auf die Einkünfte von Städten und Ämtern beginnen zum Teil in seiner Amtszeit, so 1351: fol. 100 Meifsen, fol. 122 Oschatz, fol. 129 Thamsbrück, fol 131 Eisenach; 1352: fol. 127 Neuenburg (Frey bürg); 1353: fol. 103 Freiberg.

"') Meyer S. 55, 58.

"^) Die Verleihung von Einkünften einiger Dörfer für Dienste und Geldzahlungen an Titzmann und seinen Bruder Deiuhard im Oktober 1351 (s. im folg.) kommt hierfür nicht in Betracht, denn 1. war der schuldige Geldbetrag an und für sich so unbeträchtlich, dafs er sogleich durch die einfache Überweisung jener geringen Hebungen sichergestellt werden konnte; 2. trat diese Verbriefung erst über ein Jahr nach Titzmanns Amtsantritt ein.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 1. 2 3

34 W. Lippert:

Über die Beweggründe dieser auffälligen Wahl. In seinem engeren Kreise war er ja, wie sein häufiges Auftreten in Urkunden und seine Aufnahme als Domherr in Würzen erkennen lassen, ein geachteter Mann, und seine Zuziehung als Schiedsrichter im Jahre 1347 neben dem bischöflichen Offizial und Rechtsgelehrten Dr. Nicolaus Ebirhardi zeigt, dals auch andere von seinem Urteil eine günstige Meinung hegten. Auch mochte ihm seine eigene Tätigkeit als Offizial des Bischofs Withego (1341) zur Erlangung ge- wisser geschäftlichen Kenntnisse verhelfen haben. Auf Empfehlungen von solcher Seite läfst sich also höchsten- falls seine Wahl zurückführen. An der Tatsache selbst ist aber nicht zu zweifeln, denn der an und für sich bestimmte und unanfechtbare Vermerk im offiziellen Register über den Wechsel im Protonotariat am 17. September 1350 wird durch die parallelen Zeugnisse der Urkunden be- stätigt. Bis zum August tritt Konrad von Wallhausen als Kanzleivorstand auf'"") und im Oktober schon Titz- mann^"^).

Alsbald regen sich auch die Verwandten: gleich die ersten Blätter des Registers unter seiner Verwaltung

100) Ygl. die Belege oben Anmerkung 81. Nach einem Zeug- nisse könnte es scheinen, als sei Titzmann schon Ende Dezember 1.S49 Protonotar geworden, denn in einer Privilegienhestätigung für das Nonnenkloster zu Grofsenhain erscheint mit als Zeuge „dominus Ticzmannus de Limpach noster prothonotarius" , und diese Urkunde ist ausgestellt: „Datum Dresden a. d. millesimo treceutesimo quin- quagesimo in die Inuocentum". Da nun nach bisheriger allgemeiner Annahme im Bistum und in der Mark Meifspn das neue Jahr mit dem 25. Dezember begann (s. Grotefeud, Zeitrechnung des deut- schen Mittelalters S. 205, Taschenbuch der Zeitrechnung S. 11; Posse S. 102), hele diese Urkunde also auf den 28. Dezemi)er 1B49. Die beigebrachten Zeugnisse für Konrads Weiteramtiereu während der ganzen Monate vom Dezember 1349 bis August 1350 und füi' Titz- manns Auftreten noch als einfacher Pfarrer von Mügelu in derselben Zeit zeigen aber, dafs die Urkunde tatsächlich zum 28. Dezember 1350 gehört. Vgl. über diesen auch sonst in jenen Jahren (1349, 1350, 1353) mehrfach zu beobachtenden Gebrauch des sogenannten Circum- cisiousstils in der wettinischen Kanzlei meinen Aufsatz „Jahres- anfang am 1. Januar in der meifsnisch- thüringischen Kanzlei um die Mitte des XIV. Jahrhunderts" in den Mitteil d. Instituts für Öster- reichische Geschichtsforschung XXIV, 302—309.

101) So am 29. Oktober 1350, s. Lippert, Wettiner und Witteis- bacher S. 243 Nr. 35. In der Folgezeit, seit dem Beginn von 1351, sind auch in Originalurkunden und Einträgen des Kopiais 25 Er- wähnungen von ihm als Protonotar sehr häufig, auch mehrere Bände des Cod. dipl. Sax., Beyers Altzelle usw. liefern hinreichende Belege aus diesen Jahren.

Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 35

liefern dafür Zeugnisse. Am 10. Dezember 1350 erhielt Agnes, die Gattin Strenphils von Limbach, als Leibgedinge das Dorf Seegeritz (nordwestlich bei Taucha) mit Aus- schluß des Vorwerks und eines Hofes verschrieben, und am 19. Januar 1351 wurden dem „Strenphil de Limpach, Olczen de Zcwochow" und ihren Erben Dorf, Hof und Vorwerk Seegeritz und Zubehör mit demselben Recht verliehen, wie sie früher dem Heinrich Marschall von Mockritz verliehen waren ^*'-).

Titzmann selbst und sein Bruder Deinhard erhielten im Oktober 1351 ^^'^) für 50 Mark, die sie dem Markgrafen zahlten '''^), die Landbede der beiden Dörfer Grauschwitz und Höckendorf nebst der Gerichtsbarkeit mit Ausschluß des obersten Gerichts über Leben und Tod, das der Markgraf, wie meist in solchen Fällen, sich vorbehielt; ferner von den Einkünften des Dorfes Panitz eine Mark nebst der Gerichtsbarkeit^*''). Diese Einkünfte sollten

'*'-) Kopial 25 fol. 44 fiir „honesta Agnes, legitima conthoralis Strenphils de Limpaeh . . . Datum Drezsden anno L feria VI. ante Lucie virginis", fol. 45 b für Strenphil . . . .„Datum Dresden anno LI feria IUI. ante Fal)iani martiris". Strenphils Vater war Her- mann von Limbach, und Ham^ und Hermann erscheinen als Brüder von Titzmanus Vater Wernher; Strenphil war also ein Vetter des Protonotars.

103) Ygi_ (len Druck dieser Urkiuide am Schlüsse als Beilage 2.

'<'*) Es handelte sich wohl um eine der in jener Zeit häufigen Geldzahlungen, die von Hofbeamten und anderen Personen für den jeweiligen Bedarf des Hofhalts vorgestreckt wurden, eine conquisicio, einen gewinn , wofür den Betreffenden dann besondere Anweisungen auf bestimmte Einkünfte erteilt oder Besitzungen und Gerecht- same überlassen wurden, aus deren von der Hauptsumme abzu- ziehenden Geldern sie sich nach uud nach bezahlt machen oder deren Erträge als Kapitalzinsen dienen sollten; vgl. Meyer a. a. 0. S. 84-90.

^°'') Die Listen der Landbede von 1334 und 1336 geben auch die Bedebeträge dieser Dörfer mit an : Grauschwitz (östlich bei Mügeln), als Gruzwicz in der Supanie Schlagwitz aufgeführt, zahlte 1334 (fol. 2) 50 Groschen, 1336 (fol. Ib) 75 Groschen; Höckendorf (östlich von Leisnig, nordwestlich von Döbeln), als Hoykendorf in der Supanie Schweta aufgeführt, zahlte 1334 (fol. 2b) 30 Groschen, 1836 (fol. 2) 45 Groschen; Panitz (südöstlich von Oschatz, uordnord- westlich von Lommatzsch), als Panicz in der Supanie Pulsitz auf- getührt, zahlte 1334 (fol. Ib) 1 Schock 40 Groschen, 1336 (fol. 1) 2 Schock 30 Groschen. Die Bede von Grauschwitz und Höckendorf ergab zusammen also 1334 80 Groschen, 1336 2 Schock, d.h. nach Mark berechnet für 1834 etwas über 1 Mark, für 1336 reichlich Vj, Mark (1 Mark = 1 Schock 17 Groschen, s. Lippert, Wettiner und Witteisbacher S. 293, 294, Meyer S. 121). Die eine Mark aus

3*

36 W. Lippert:

aber nicht zur Amortisation der 50 Mark dienen, sondern deren Genuis den Brüdern ihrer Dienste wegen an Stelle von Kapitalzinsen verbleiben; erst nach völliger Bezahlung der Schuldsumme fallen Bede und Gerichtsgelder der landesherrlichen Verwaltung wieder zu.

Über Titzmanns Amtsführung ist wenig zu berichten; er begegnet wiederholt in Urkunden dieser Jahre, be- sonders 1351 und 1352, neben den andern Hofbeamten und Räten als Zeuge'"*'). Im Jahre 1352 waltete er wie schon 1347 in einem auf Veranlassung des Mark- grafen berufenen Schiedsgericht als Teilnehmer: in ihrem Streit mit den erbzinspflichtigen Meifsner Bürgern wählten die Domherren des Meilsner Kapitels ihn, die Bürger den Marschall Thimo von Kolditz zum Schiedsrichter, und beide Herren bemühten sich ehrlich, beiden Parteien ihr Recht zu teil werden zu lassen. Sie erkannten den Bürgern zwar die unbedingte Verpflichtung zur Zahlung zu, aber zugleich auch mit gewissen bestimmten Aus- nahmen — die Freiheit, binnen drei Jahren von dem Ablösungsrechte für eine einheitlich festgesetzte Ent- schädigungssumme ohneWiderspruch des Kapitels Gebrauch zu machen'""). Das persönliche Eingreifen des Fürsten spricht für die Wichtigkeit des Falles und die Zuziehung Titzmanns neben dem Marschall für die Achtung, deren er sich erfreute.

Das letzte Schriftstück, das sich aus dem Dresdner Materiale für sein Auftreten am Hofe beibringen läfst, ist eine Urkunde Markgraf Friedrichs für das Kloster Pforta vom 3. Juni 1353'"*). Bald darauf, am 3. August J353, übernahm als sein Nachfolger der Ritter Heinrich

Panitz dazu gerechnet, würden wir als Einkünfte der 3 Dörfer über 2 bez. über 2^2 Mark erhalten; das gäbe also nur einen Zinsen- genufs von 4 bez. 5",',,, für jene Zeit eine aufserordentlich niedrige Verzinsung ; doch dazu kommen ja noch die nicht angegebenen Gerichtsgefälle der drei Dörfer, die den Gesamtertrag wesentlich erhöhen.

106) ygi_ 2. B. Ermisch, Urkundenbuch der Stadt Ereiberg I, 73 Nr. 95-, Gersdorf, Urkundenbuch der Stadt Meifsen S. 28 Nr. 42; Beyer, Altzelle S. 605f. Nr. 358, 361, 362; Orig.- Urkunden Nr. 3263, 3269, 3275; Kopial 25 fol. 46 b, 47; u. a.

'^■') Gersdorf, Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen I, 385 Nr. 464 vom 7. Juni 1352, Urkundenbuch der Stadt Meifsen S. 26 Nr. 41 vom 30. Juni 1352.

1°*') Kopial 25 fol. 59 b mit dem „Datum Gota feiia IL ante Bonifacii anno LIII".

Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 37

von Kottwitz die Leitung der Kanzlei^*"*), der erste weltliche Kanzleivorstaiid der Wettiner, der auch den schon von mehreren früheren Protonotaren vorübergehend geführten Kanzlertitel wieder annahm ^^''). Während wir aber die anderen Protonotare dieser Jahrzehnte nach der Niederlegung der Kanzleileitung noch vielfach wieder- finden^"), scheint Titzmann nach dem Sommer 1353 nicht mehr vorzukommen, wenigstens habe ich ihn in Urkunden der nächsten Zeit nicht mehr ermitteln können. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dafs die Amtserledigung durch seinen Tod verursacht wurde.

(Schlufs folgt.)

1. Beilage. 7. September 1350.

Markgraf Friedrich der Strenge bestätigt auf Bitte des Proto-

notars Koiirad von Wallhausen als des Inhabers die durch

Friedrich den Ernsten erfolgte Dotation des neuen Altars S. Georg

und S. Elisabeth in der ßurgkapelle auf der Wartburg "2),

In noraine domini amen. Creator omuium rerum deu.s sna dis- posicione mirabili ab angelorum ordinibus uecnon beatorum spiritibus, quos ad sui laudem et eorum perbennem condidit, gloriücari volens in celis unam sanctam et katholicam ecclesiam in terris unigeniti filii sui morte constituit et eam precioso suo sanguine dedicavit, in qua ministros eius reliquit, qui gregi suo tamquam pastores fideles preessent, ut et ipsi cum grege sibi tradito in una fide recoUecti deum factorem suum ad instar supernorum civium valeant coUaudare. Nos igitur Fridricus dei gracia etc. deum omnipotentem fide recta profitentes cognovimus, nos et ceteros, qui eius providencia principatus prerogativam gerimus in terris, ex eo precipue buic regimini fore prefectos, ut huiusmodi ecclesie sponse ministros nostris beneficiis et tuicionibus raultipliciter foveamus. Quam"*) ob rem huius rei edocti

109) Kopial 25 fol. 60 b „Anno domini MCCCLIII sabbato ante Donati successit dominus Henricus de Kotewicz dominum Th. de Limpach"; gleich in der ersten.. Urkunde, die unter seiner Amts- führung unmittelbar unter dieser Überschrift gebucht ist, dem Lausitz- vertrag vom 8. August 1353, erscheint er mit als Zeuge, s. Lippert, Wettiner und Witteisbacher S. 251.

'10) Vgl. Meyer S. 26, 27, 98.

"^) So Johann von Eisenberg, Konrad Pruze, Konrad von Wall- hausen, Heinrich von Kottwitz.

11-) Kopial 2.5 fol. 28 (darnach Kopial 27 fol. 7b, Kopial 29 fol. 107h) mit der Überschrift „Domini Conradi plebani in Walhusen".

11-^) In der Bestätigung der Dotation des anderen durch Friedrich den Ernsten neugestifteten Altars in der Burgkapelle (s. oben Anm. 78), heifst es in der sonst wörtlich gleichlautenden Urkunde Kopial 25 fol. 34 von hier ab: „Quam ob rem huius rei edocti exemplo et siuceris domini Johannis decani in Gotha precibus incitati, decem

38 W. Lippert:

exemplo et sinceris domini Conrad! plebaiii iu Walhusen precibus incitati, decem marcas argeiiti puri in civitate nostra Wizsinse per olim inclitum genitorem nostrum felicis recordacionis apud Ottonem de Vanre pro centum marcis conparatas annuatim percipiendas cum vestitu et expensis iu Castro nostro Wartperg ac altari in honore sancti Georii martiris ac beate Elizabet in capella castri nostri iam dicti de novo constructo et dedicato per prefatum genitorem nostrum donatas et appropriatas, per eum et suos in dicto altari successores, qui pro tempore fueriut, perpetuo possidendas, suis meritis exposcentibus nostrisque . . coberedibus consencientibus, quorum intererat, predictas decem marcas annui census dicto altari donavimus, appropriavimus, donamus et appropriamus modis et forma, quibus melius poterit hoc valere, innovantes, confirmantes et ratificantes appropriacionem per memoratum genitorem nostrum factam, iuxta continenciam litterarum sibi per eundem patrem nostrum traditarum ipsasque eundem eifectum habere voluraus, ac si ipsarum tenor de verbo ad verbum esset pre- sentibus intersertus. In premissorum evidens testimonium et certitu- dinem ampliorem sigilli nostri appeusione presentem paginam duximus roborandam. Presentibus '") et testibus nobilibus Guuthero comite de Swarczpurg domino in Wassinburg, Tymone de Coldicz marschalco, Fridrico de Schonenbiirg domino in Hassenstein, Bothone de Turgowe domino in Bychin, Meynhero burcgravio Mj'sznensi iuniore, ac strennuis Arnoldo Judeman, Cristano de Witzceleiben militibus, secretariis et fidelibus uostris dilectis pluribusque aliis fide dignis. Datum Turgow anno domini M*^CCCOL^ in vigilia nativitatis beate Marie virginis.

tallenta denariorum Ysenacensium in censu et iure nostro forensi, marcrecht vulgariter nuncupato, annuatim percipienda cum vestitu et expensis in dicto castro Wartperg ac altari in honorem gloriose virginis Marie, Dorothee virginis, Eelicis et Adaucti martirum in cappella castri nostri Wartperg de novo constructo et dedicato per olim inclitum genitorem nostrum felicis recordacionis cum area et domo habitacionis sue Ysenacensis aliisque quibusdam bonis et eorum pertinenciis donata et appropriata, per eum et suos in dicto altari successores, qui pro tempore fuerint, perpe postuosidenda, suis meritis exposcentibus-* . . . usvp. , wie in der obensteheuden Urkunde. Der genannte Johann war der Dekan des Augustinerstifts in Gotha, das 1345 hierher von Ohrdruff verlegt worden war, s. A. Beck, Geschichte des gothaischen Landes (Gotha 1870) II 293 f. Entsprechend dieser Verleihung ist auch in der Aufzeichnung über die Bede von 1347 und andere Einkünfte unter „Ysenach", Kopial 5 fol. 6b, diese Zahlung abgerechnet: „De iure forensi XXVI talenta denariorum; de hiis domino Johanni capellano X talenta". In dem Verzeichnis der Einkünfte von 1378 (Loc. 4383 Nr. 3) fol 2 ist die Einrichtung als dauernde Leistung erwähnt: „Item census marcrech[t] XXVIII talenta, magis vel minus. Horum cedunt perpetue ad unam vicariam in Wartberg X talenta".

"^) In der Urkunde für den Marien- und Dorotheen -Altar (s, vorige Anm.) heifst es von hier ab: „Presentibus et testibus nobilibus Gunthero comite de Swarczburg domino [iu] Wassenbürg, Thymone de Koldiez, ac strennuis Ottone de Stuternheim, Arnoldo Judemanno, Cristano de Wiczeleiben militibus, Heinrico de Loucha et aliis quam- pluribus fide dignis. Datum Gotha anno (luinquagesimo sabbato post Viti" = 19. Juni 1350.

Wettiiiische Kanzlei im XIV. Jahrhnudert. 39

2. Beilage. Oktober 1351.

Markgraf Friedrich der Strenge Tcrpfäiidet dem Protonotar

Titzmaiin von Limbach und seinem Bruder Deinliard Einkünfte

in den Dörfern Orauschwitz, Höckendorf und Panitz"^).

Wir Fridrich etc. bekennen offenlich, daz wir mit gutem rate und wizzene Timen von Koldicz, unsirs marschallies, Lutoldes von Ebeleiben und Kristans von Wicczeleiben, unsirs hoverichters, imsir lieben getruwen und heimelichere, dem erbern hern Tieczemanne von Limpach, unserm obersten schriber, Dehnharte, sinem bruder, und sinen erbin die bete der dorfere Grusewicz und Heukendorf mit dem gerichte innewendig den zcünen derselben dorfer über wunden, schult und alle ander gevelle ane daz halsgerichte, daz wir bi namen uzge- czogen haben, und eine mark geldes in dem dorfe zeu Panicz mit dem gerichte darüber gesacczet haben vor funfczig schog breiter groschen, die sie bereit beczalt haben, also daz sie die inne haben und dieselbe bete ufhebiu und innemen sullen [und] an der obeguanten summen nicht abeslahen, wenne wir in die vorsehen durch ires dinstes willen also lange, biz wir in die obgnanten funfczig schog gar und genczlichen beczalen. Wenne onch daz geschiit, so sal die bete und daz gerichte der obegnanten dorfer von in los und ledig sin und an uns und unser erben ane hindernisse wider vallen. Zcü Urkunde etc.

3. Beilage.

Der Bestand des kurfürstlich sächsischen Archivs an Registern, Reclinungshüchern u. dergl. um die Mitte des XV. Jahr- hunderts"").

Fol. 1: Eegistrum litterarum Misne in testudine [d. h. im Urkundengewölbe] r e p o s i t a ru m.

Registrum litterarum iuWittemberg apud prepositum ecclesie Omnium Sanctorum repositarum.

ßegistrum expensarum factarum per dominum Sigismuudum ducem Saxonie"''), dum ad imperatorem proficisceretur.

"^) Cop. 26 fol. 5, unter der ITberschrift „Limpach", ohne Datum, doch wie Hand und Tinte zeigen gleichzeitig mit der vorher- gehenden Urkunde (Datum Gotha anno domini MCCCLI in crastino sancti Galli = 17. Oktober 1351) und der nachfolgenden Urkunde (Datum anno domini MCCCLI in vigilia Simonis et Jude = 27. Ok- tober (1351) eingetragen, also wohl auch in den Oktober (eventuell zwischen den 17. und 27.) 1351 gehörig.

"*') Loc. 23 „Registratura etlicher brive, so etwan zu Meyssen im gewelbe gelegen und darnach gein Leiptzk gefurt, registrata per M(artinum) Rotleben, Cuntz Rumpf anno 1508", alte Aufschrift auf der Rückschale des ümschlagdeckels „Ordo literarum". Vgl. über den Band die Bemerkungen in meinem Aufsatze über den ältesten kursächsischen Bibliothekskatalog aus dem Jahre 1437 in dieser Zeitschrift XVI 135 f.

"') Herzog Siegmund, der zweite Sohn Friedrichs des Streit- baren, Bischof von Würzburg 1440 1443, j 1471.

40 W. Lippert:

Item insertum est registrum racionis Hanns Maxin""') ex- hibitum 1438 Lipczk; premissa sunt Misne in testudine.

Fol. 3'6 (unter der Abteilungssignatur E): Item ein register myns harren herczog Friderichs, wem er lehin getan hat, anczuhebin millesimo CCCCXXIII am sontage noch visitacionis Marie (= 4. Juli 1423).

Fol. 34: Item es sint vier bethebuchere, die da legin in dem rate im gewelbe.

Fol. 3H: Zettel mit Aufzeichnungen über die Gefangenen, die Graf Heinrich von Schwarzburg und Graf Heinrich von Hohnstein dem Bischof von Halberstadt und seinen Helfern abfingen, ir namen sint beczeichent in dem register. das angehaben ist 1438.

Fol. 42 (unter der Abteilungssignatur F): Item registrum tem- porale marchionum Misnensium inceptum anno domini millesimo CCCLXIX et finitur anno domini millesimo CCCCXVIl (daneben am Rande die Signatur des Bandes pp"^).

Item anno domini 1437 dominica Jubilate (= 11. Mai 1437) due eiste cum litteris dominoriim dominia eorum con- cernentibus, cum certis libris raciones, litteras perpetuas et temporales necnon exacciones receptas per eorum dominea(!) et redditus, fructus et proventus dictorura dominiorum in se con- tinentibus, de Wyda in Misnam sunt ducta(l) et allata et eiste locate sunt in testudine et littere in eisdem recluse et libri ibidem eciam repositi.

Primus liber computaciones diversorum in se continet offi- cialium anno etc. sexto et finitur anno etc. XXXV (Band- signatur aä).

Item secundus liber eciam continet in se raciones diversorum officialium inceptus anno etc. XVIII et finitur anno etc. XXXVI (Bandsignatur bb).

Fol. 42 b: Item registrum marchionis Wilhelmi litteras temporales, perpetuas et exacciones ab eo receptas in se coutinens (Band- signatur cc).

Item registrum litteras temporales et perpetuas, redditus civitatum terrarum Misueusis, deinde Thuriugie in se continens, inceptus anno etc. LXVII (übergeschrieben MCCC) et finitus anno etc. YLi (übergeschrieben MCCCC; Bandsignatur dd)i-°).

^^^) Ein solches Rechenregister Maxens wird auch fol. 43b (unter der Rubrik: GG. Convoluta diversa) erwähnt: Item racio Hanns Maxin exhibita per eum 1438 feria sexta post circumcisionis domini etc. (= 3. .Januar 1438).

"") Damit könnte der neuerdings als Kopial 31 bezeichnete Band geraeint sein. Die oben angegebenen Zahlen der Anfangs- und End- jahre entsprechen hier und m den anderen Fällen meist weder den in den heutigen Registrandeu eingetragenen, noch den wirklich zu- treffenden Zahlen der darin enthaltenen Urkunden, Deshalb ist die Jdentifizierung der alten Titel mit den heutigen Kopialen aufser- ordentlich schwierig. Für Kop. 31 spricht, dafs es auf seinem Titel die alte Bezeichnung tpa (= temporale) trägt (vgl. Er misch, Cod.

dipl. Sax. I. B. I p. XII).

i-**) Dieses Register ist das heutige Kopial 30, wie sich sowohl aus dessen Aufschrift wie Inhalt ergibt; es trägt vorn auf der äufseren Umschlagschale den Titel (vgl. Er misch a. a 0. S. Xlllf.); „Anno

Wettiniscbe Kauzlei im XIV. Jahrhundert. 41

Item registrum marchionum MisneDsium inceptuin anno domini millesimo CCCLXXVIII redditus terrarum et civitatum in se continens per Misnani et Thuringiam (Bandsignatur EE)*-').

Item registrum litterarum temporalium et perpetuanxm mar- chionum Misnensium inceptum anno domini millesimo CCCLXIX et finitur 1436 (Bandsignatur GG).

Item registrum temporale marchionum Misnensium inceptum anno domini millesimo CCCC nono et linitur anno ut supra XXXini; et iste liber retentus est in cancellaria propter eins utilitatem (Bandsignatur hh).

Item registrum temporale marchionum Misnensium inceptum

anno domini MCCCCXI, tiuitus de anno XXXV et retentus est

in cancellaria propter eins utilitatem et necessitatem^-^) (ohne

Signatur, wie auch die folgenden Bände).

Eol. 50b: Item eine toyse'-^) und ein ald register über das gleite

zu.Oschacz sagende. Fol. 54 Überschrift: In das gewelbe gein Missen gelegt 1449;

darunter Fol. 54 b. Item zcwey aide register und dabie eczliche aide abschriffte in sextern gebunden in eym cleynen liderinn sacke und sind von Lipczk komen.

Item vier aide register vormals usz dem gewelbe zu Missen genomen und nu wider darin gelegt.

Item ein reisebuch XL VI angehaben.

Item eczliche vil rechnunge, registere der amptlute mit viil sendebrifen imsers hern und unser frauwen, doruff die amptlute . .. (der Schlufs fehlt, da am unteren Seitenrande eine Zeile weg- geschnitten ist).

MCCCLXVII est inceptus presens liber et in eo continentur redditus civitatum terrarum Misneusis, postea Thuringie, demum temporales littere necnon perpetue" und dahinter steht sogar noch die alte Signatur dd. Dies ist also das eine von Markgraf \Vilhelms Register- büchern. Dafs er noch ein zweites besafs, auf das einmal als auf das registrum perpetuum verwiesen wird, hat Ermisch S. XIV Anm. 17 erwähnt; es scheint aber verloren zu sein. Wahrscheinlich ist es identisch mit dem oben unter der Signatur cc aufgeführten registrum marchiouis "Wilhelmi.

'■-!) Damit ist das „Verzeichnifs der Einkünfte aus den Thüringi- schen i;nd Meifsnischen Aemtern und Orten 1378", Locat 4833 Xr. 3, gemeint, dessen alte Aufschrift lautet „Anno domini MCCCLXXVIII in die sancti Clementis (= 23. November 1378) conscriptum est presens registrum dominorum marchionum Mizsnensium".

'--) Der Zusatz zu diesem und dem vorhergehenden Register (desgleichen im folgenden bei fol. 107) über deren Zurückbehaltung in der Kanzlei zeigt, dafs man in der wettinischen Kanzlei bereits damals eine Art Scheidung der alten, nicht mehr benutzten Bestände und der noch für praktische Bedürfnisse nötigen Schriften vornahm, also die Scheidung zwischen Archiv (oder, wie es manchmal auch genannt wird, zwischen historischem Archiv) und Registratur.

^-^) Der Ausdruck toyse begegnet uns auch anderwärts, so fol. 102: In eyner toysenn mit eym sulchen zceichen (einem *E*) sint mancherley brive ern Niclas von Lobkewitz anlangende. Item es ist auch ein toysen doruff geschriben (der Satz ist unvollendet). Für toysa gibt Ducange, Glossarium VI 623 die Bedeutung fascis, fasciculus.

43 W. Lippert: AVettiiiische Kanzlei im XIV. Jahrhundert.

Fol. 55 Überschrift: Anno XLVIII in das gewelbe zu Missen

gelegt; darunter Fol. 58 b : Auch sind sust doroit vil rechenbucher der amptlute, coUecten der lager und ander schrifft in eym langen lynen sacke alsdanne in das gewelbe getragen. Fol. 99 (auf einem besonderen, beigelegten Oktavzettel): Anno domini etc. Lnono feria terciapostTrinitatis (=22. Mai 1459) ins gewelbe zcu Missen gelegt:

Item ein rechenbuch, doruff stet geschriben lieber (!) racio- num per terras Orientales et Franconie.

Item 1 rechenburg(!), doruff steth geschriben über racionum.

Item ein kuchenbuch anno etc. L sexto angehaben.

Item ein kuchenburg (!) anno etc. L septimo angehaben.

Item ein kuchenbuch anno etc. L octavo angehaben.

Item coUecten der lager Missen, Lipczk, ScheUemberg, Torgaw, Missen, Rochlicz.

Item eczlich der amptlute register der rechuung und mis- siven yn zcugesant zcusamen gebunden.

Fol. 105b Überschrift: Alle dise nachgeschriben brive sint uff hüten fritag nach dem sontag Exaudi anno domini etc. LX (=^ 30. Mai 1460) in eyner swartzen laden mit eym su leben zceichen (folgt ein einer Hausmarke ähnliches Zeichen) zcu Missen ins gewelbe geleget, darunter: Fol. 107: Vorzceichnung des heiligthums zcu Wittemberg (dieser Eintrag ist aber wieder durchstrichen und am Rande von anderer Hand zugesetzt „in canczellaria").

Ordenung des hofes. Fol. 109: Eyn aide register über das gerichte zcu Oderan. Fol. 109 b: Kegistrum super officio Deltzsch collectum per Lihorium

Wilker .anno domini etc. LX (wieder durchstrichen). Fol. 110b Überschrift: Disse nachgeschriben bucher und regis|ter sind alszbalde auch ins gewelbe geleget'-*).

Register der rechenung der muntzmeyster und ander schriff't muntz und bergwergk belaugende (durchstrichen).

Eyn register uif tagen in Osterrich und sust gehabt.

Muntzzcedel anno etc. L septimo uszgangen (durchstrichen).

Eyn buch in Beheimschen Sachen mancherley gehabt.

Item ein kucheubuch angehaben anno etc. L nono.

Item ein reysebuch.

Register der rechenung der amptlute und etliche missiven.

CoUecten in lagern Missen, Aldemburg, Turgaw etc.

Anno domini etc. LX prirao ins gewelbe geleget:

Register rechnung der amplute und missiven dobey.

Kuchenbuch anno etc. LX angehaben.

CoUecten der lager Missen und Liptzk 1460.

Register der alten stewr anno etc. XLVI.

Register der stewr anno etc. L primo.

12*) d.h. zur selben Zeit, wie die vorhergehenden, von fol. 105 b an verzeichneten Archivalien, also am 30. Mai 1460.

II. Der Muldensprengel.

Ein Beitrag zur kirchliclieii Geographie des Erzgebirges im Mittelalter.

Von

Leo Bönhoif.

Nebst einer Karte.

1. Der Bestand.

Das Bistum Naumburg (vordem Zeitz) zerfiel, wie sich urkundlich erhärten lälst, zu Beginn des 14. Jahr- hunderts in vier Verwaltungsbezirke oder Archidiakonate^). Ordnen wir dieselben von Westen nach Osten zu, so sind es zunächst, beide nach dem Kapitulartitel ihres ständigen Inhabers benannt, die Propstei Naumburg und die Propstei Zeitz^), sodann der PI eifsen- und derMulden- sprengel (archidiaconatus Plisnensis, arch.trans Muldam). Das letzte Archidiakonat liegt vollständig auf dem Boden des Königreiches Sachsen und besitzt schon deshalb für den Freund vaterländischer Geschichte ein grölseres Interesse als die übrigen. Dazu kommt aber noch ein wichtiger Umstand. Es ist der einzige Bezirk der Naumburger Diözese, von dem wir, wenigstens bis jetzt eine matrikel-

^) V. Ledebur, Allgem. Archiv f. d. Greschichtskunde d. preuTs. Staates XV (1834), 354.

'-) Von ihr zweigte sich um 1470 der Plauensehe Sprengel, das Archidiakonat zu D oben au, ab und ward zur A^erwaltung dem Deutschordens -Komtur in Plauen überwiesen. Vgl. Mitteilungen d. Altertumsvereius zu Plauen i. V. VII (1888/89), 47.

44 L. Bönhoff:

niäfsige Aufzeichnung seines Bestandes besitzen"^}. Aus diesem Grunde werden sich die folgenden Zeilen mit ihm eingehender beschäftigen und so einen Beitrag zur kirch- lichen Geographie des Erzgebirges im Mittelalter bilden. Den Ausgangspunkt unserer Darstellung haben wir zu nehmen von dem Bruchstücke der Naumburger Bistumsmatrikel, welches die Hallesche Universitäts- bibliothek aufbewahrt. Dasselbe zählt uns in alphabetischer Reihenfolge nachstehende Kirchspiele auf, die sich unschwer identifizieren lassen :

1. Awerbach: Auerbach b. Zwickau,

2. Äice: Aue im Erzgebirge.

3. Ber7istorf: Bernsdorf b. Lichtenstein.

4. Bretten (lies Butten): Beutha b. Hartenstein.

5. Beyerfeld: B. b. Schwarzenberg.

6. Closterlin: Klösterlein -Zelle b. Aue.

7. Gluchaiv^): Glauchau.

1^. Gerstorf: Gersdorf b. Hohenstein-Ernstthal.

8. Hartmanstorf: (?)

9. Hertmenstorf: Härtensdorf b. Wildenfels.

10. Lodeivigdorf: Lobsdorf b. Glauchau.

11. Licktenstein") : Lichtenstein.

12. Lugk: Lugau b. Stollberg.

13. Luckeivitz*^): St. Egidien b. Lichtenstein.

14. Lessnitz: Löfsnitz i. E.

15. Michahelis: Mülsen St. Michael.

^) Vgl. Cod. diplom. Saxoii. I, 1, 196. Lepsius, Gesch. d. Hochstiftes Naumburg I, 348—350.

. ■*) V. Ledebur a. a. O. 353: ecclesia in Gluchowe vacavit ,

quae est taxata ad XV marcas. solvit VI marcas nee plus dare potuit, quia valor vix se exteudit ad taxum et sunt ad minus duo sacerdotes pro officiacione tenendi et quod plus dare non posset, rector deposuit iuratus. (Naumburger Diözesan- Abschätzungsbericht an den Papst über vakante Stellen vom J. 1320.)

") V Ledebur a. a. O. 353: ecclesia in Lichtinsteyn, quae

vacavit , taxata est ad VIII marcas et solvit II marcas nee plus

dare potuit ex praemissis causis, quia ecclesiae sunt vicinae (s. Anm. 9), et hoc iuratus deposuit rector.

**) V. Ledebur a. a. 0. 353: ecclesia Sancti Egidii in Lunwicz

taxata est ad VI marcas, quae vacavit , et solvit IV marcas

praeter fertonem nee plus dare potuit valore, iuramento rectoris et malo statu illius terrae inspectis. Nieder- und Über-Lungwitz können hierbei nicht in Frage kommen. Jenes war Filial von Lobs- dorf, dieses gehörte in eine andere Diözese, nämlich diejenige von Meifsen. Es unterstand dem Archidiakon von Chemnitz und dessen Erzpriester zu Altstadt -Waidenburg.

Der Muldensprengel. 45

16. Miticeidis"') : Mittweida b. Schwarzenberg.

17. Nicolai in der Mulsin: Mülsen St. Niklas.

18. Olssnitz: üelsnitz i. E.

19. Phile: Vielau b. Zwickau.

20. Regenstorf: Reinsdorf b. Zwickau,

21. JSdionmv: Schöiiau b. Wildenfels.

22. Scacken: Zschocken b. Wildenfels.

23. Schwerczenherg : Schwarzenberg.

24. Tersis^) (lies Turris): Tliurm b. Glauchau.

25. TerfekP): Thierfeld b. Hartenstein.

26. Wernstorf: Wernsdorf b. Glauchau.

27. Zivenicz: Zwönitz i. E.

Ferner werden als Kirchen aufgeführt, die zwar im Mulden- sprengel liegen, jedoch der ßotmälsigkeit des dortigen Archidiakonus entnommen (exemptae) sind und somit direkt vom Bischöfe abhängen:

28. Redlicz^^): Rödlitz b. Lichtenstein.

29. Knotendorf (lies Krotendorf) : Crottendorf bei

Scheibenberg.

30. EUerlin: Elterlein b. Annaberg, und 31. capella in Gnmhain^^): Griinhain.

') Noch bei Einführung der Reformation (19. Januar 1529, s. Buchwald, Allerlei aus drei Jahrhunderten S. 10) hiefs die Parochie Mitwede, heutzutage jedoch Markersbach.

*) V. Ledebur a. a. 0. 353: eeclesia in Turri vacafvit ,

quae taxata est ad (VI) marcas et solvit IV marcas nee plus dare potuit, quia iuratus deposuit rector, quod veris inspectis reditibus et oneribus iucumbentibus , quoad cultum divinum, plus dare non posset.

^) V. Ledebur a. a. 0. 352 ff.: eeclesia in Hartenstein vaca-

vit taxata est ad VIII marcas et solvit II marcas nee plus dare

potuit, quia redditus desolati sunt et bona, quia eeclesia sita est circa nemus Eohemorum, ubi sunt homines pravi et peiTersi, videlicet latrones, raptores et scratilites, qui omnia loca destruunt vicina, et quod solvere non posset, deposuit rector iuratus. Thierfeld und Hartenstein bildeten bis 1865 eine Pfarrei. Sie trug ihren Namen nach einem der beiden Orte , doch war der Sitz des Geistlichen im ersteren.

1^) Rödlitz war bis 1548, wie es dies seit 1885 wieder ist, selb- ständig und ward bei Einführung der Reformation mit Lichten- stein kirchlich verbunden. Der dortige Kaplan (Diakonus) übernahm damals das Pfarramt in Rödlitz.

^1) Beigefügt ist die Bemerkung: solet regi per fratres, d. h. die dem Kloster daselbst einverleibte Stadt- und Pfarrkirche zu St. Nicolai ward von den Mönchen versorgt. Denn bis 1589 gab es in Grünhatn kein Pfarrhaus. Vgl. Neue Sächsische Kirchengalerie, Ephorie Schnee- berg S. 379.

4$ L, Bönhoff:

Wir fragen uns nunmehr, wann wohl die Matrikel nach dem uns von ihr vorliegenden Fragmente verfafst sein dürfte. Wir beachten zu diesem Zwecke seinen Schluis, der aller Wahrscheinlichkeit nach einen Nachtrag darstellt. Es Averden nämlich die Altäre in den einzelnen Orten aufgezählt, und so heilst es denn zuletzt: 32. Mons Nivis: Schneeberg Schmeltzer (d. i. Altar der Hüttenleute) . . 10 mc. Knapschaft (d. i. Altar der Bergknappen),

als: Andreae, Nicolai et Christophori 17 mc.

33. Neilstettin: Neustädtel

Orucis et parochiale 13 mc.

Augustini 20 fl.

Dat plebanus tax(ationem) 7 mc.

Obwohl Schneeberg und Neustädtel nicht jenseit, sondern diesseit der Mulde sich befinden, gehören sie zum archi-' diaconatus trans Muldam. Der grolse Bogen, den der Fluls um Schneeberg herumschlägt, ist dadurch ausgeglichen, dafs das Land, welches er umkreist, dem Muldensprengel zugewiesen war, und dals seine Sehne die Grenze bildet. Es ergibt sich aus den obigen Angaben folgendes. Schnee- berg besafs noch keine eigene Pfarrei, welche 1479 ein- gerichtet ward. Die Bergleute hatten durch Stiftung von Altären für ihre geistlichen Bedürfnisse gesorgt; im übrigen war man kirchlich noch von Neustädtel abhängig^-). Der Nachtrag ist demnach geschrieben nach 1471 und vor 1479. In Neustädtel amtiert, wie wir sehen, ein Pfarrer (plebanus). Eigentümlicherweise wird aulserdem noch ein altare pa- rochiale erwähnt, dessen Einkünfte mit denen eines Kreuz- ältars verschmolzen sind, so dals die Abgabe davon an den Bischof zu Naumburg diejenige des Pfarrers zu Neustädtel übersteigt. Was hat dies zu bedeuten? Man wird gut tun, sich zu erinnern, dals die Kirche im benachbarten Gries- bach, jetzt die filia von Schneeberg, bis 1857 jedoch von Neustädtel, in frühesten Zeiten, d. i. ehe an die Existenz von Schneeberg und Neustädtel zu denken war, eine Pfarr- kirche gewesen ist^^). So erklärt sich das altare parochiale,

1-) Neue Sachs. Kirchengal. Eph. Schneebg. S. 7 ff.

1^) a. a. 0. S. 58: Das dorff Grifsbach das hat vor Grafs- bach geheisenn unnd dy pfarre im selben dorff hat das Netoestetel mit kressem (chrisma) und annder notdorfft tmissen versorgen, und findt sich in gar aklen kuntschaften und briffeu, das dy pfarre zu Grispach dy eidist und oberst pfarre ist, das wir beybringen mögen,

Der Mulclensprengel. 47

welches samt der Kirche St. Georg und St. Martin geweiht w^ar^^). Wir kommen damit in Kürze auf die kirchliche Versorgung jener Gegend zu sprechen. 1529 gehörten nicht nur die zwei „Dorfschaiften Lindenaw vnnd Gries- bach .... in die pfarr Newenstetlen"^'^), sondern auch Zschorlau. Das letztere, welches 1546 kirchliche Selb- ständigkeit erwarb, hatte 133 Jahre bis dahin dem Neu- städter Pfarrsprengel zugestanden^"). Das Jahr 1413 ist also insofern von Bedeutung, als darein entweder die Er- richtung der Kapelle zu Zschorlau oder der Pfarrkirche zu Neustädtel fällt. Was aber gewils bleibt, ist die Existenz der Pfarrkirche zu Grielsbach; von ihr werden vordem die Orte Lindenau, Neudörfel, Zschorlau und eventuell das Gut Albernau abhängig gewesen sein. Denn dieses Gotteshaus ist spätestens im 13. Jahrhundert erbaut worden^').

Wir haben bisher den Bestand des Sprengeis jenseit der Mulde aufgezählt. Nun heilst es, ihn organisch zu- sammenzustellen. Wir tun dies, indem wir die bei einander liegenden Kirchfahrten ^^) nach ihrer heutigen Einteilung, d. i. nach Ephorien, zusammenfassen. Hierbei gewinnen wir nämlich zweierlei: wir lernen erstens die Parochien kennen, die neu entstanden sind im Laufe der Jahrhunderte, und können daran die Entfaltung des kirchlichen Lebens messen. Zweitens aber gilt es dann, noch die Namen derjenigen Parochien festzustellen, welche eigentlich in unserem Verzeichnisse sich finden müfsten und die Ursache ihres Fehlens aufzusuchen.

Im äufsersten Osten begegnen wir zwei Parochien der heutigen Ephorie Annaberg: Nr. 29 und 30.

das uns der Pfarrer zu Newenstetel in dem mit recht keinen eintragk machen kan. (Aus dem Bericht des Zwickauer Hauptmanns Martin Römer an Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht über Schneeberg vom Jahre 1479.) Vgl. Hauptstaatsarchiv Dresden, Wittenberger Archiv, Üerter: Schneeberg Bl. 2/3. Loc. 4363.

li) a. a. 0. S. 52.

lö) Buchwald a. a. O. S. 15.

16) N. Sachs. Kirchengal. Eph. Schneeberg S. 61. 268. 273. Burk- hardtsgrün war zuerst ein Vorwerk (S. 271 ff.). Die ..Schwefel- hütte", jetzt Neidhardtsthal, früher (seit 1600) bei Zschorlau, ist seit 1808 bei Hundshübel (S. 293. 298). Das Gut Albernau ward 1555 wieder erbaut und gehörte damals in keine bestimmte Kirche (S. 299).

1') a. a. 0. S. 51.

i*^) Der Einfachheit wegen seien hier dieselben mit den Nummern des obigen Verzeichnisses bezeichnet.

48 L. Bönhoff:

Ferner merke zwei Auspfarrungen:

1564 Neudorf von Crottendorf (Nr. 29).

1837 Schwarzbach von Markersbach (Nr. 16),

Als völlig neue Kirchspiele sind anzusehen: Scheiben- berg und Wiesenthal. So lautet der Name des letzteren im Visitationsberichte von 1539^^). Beide Städte sind Gründungen der Herren v. Schönburg und hängen mit dem Aufschwünge des Bergbaus zusammen. Ihre Parochien'-") haben nur wenige Jahre Bestandteile des Muldensprengels bilden können, als derselbe seiner Auflösung infolge der Reformation entgegenging.

Auch dieEphorie Stollberg ist mit wenigen Parochien beteiligt: Nr. 12, 18 und 27.

Von dem rechts der Mulde gelegenen Gebiete der Ephorie Glauchau kommt der ganze Süden hier in Frage:

Nr. 3, 7, 7b, 10, 11, 13, 15, 17, 24, 26 und 28.

Verzeichne weiter folgende Auspfarrungen (s. Anm. 10) :

1739 Callnberg'-') von Lichtenstein (Nr. 11). 1795 Hülsen St. Jakob von Hülsen St. Niklas (Nr. 17). 1837 Heinrichsort von Ortmannsdorf (s.u.). 1884 Hohndorf von Lichtenstein (Nr. 11). 1900 Wehrdichtparochie- Glauchau von der Parochie St. Georg.

Fernerhin entfällt auf den Huldensprengel der Nord- westen der Ephorie Zwickau:

Nr. 1, 9, 19—22.

Hierzu treten zwei Auspfarrungen:

1794 Friedrichsgrün von Vielau (Nr. 19). 1864 Wildenfels von Härtensdorf (Nr. 9).

Schlielislich haben wir innerhalb des uns beschäftigen- den Gebietes fast die ganze Ephorie S c h n e e b e r g zu suchen : Nr. 2, 4—6, 14, 16, 23, 25, 31—33.

Ganz aufser Betracht mufs hier das 1654 gegründete Johanngeorgenstadt bleiben.

Dann erübrigen sich noch folgende zahlreiche Aus- pfarrungen (s. Anm.9): zwischen 1525 u. 1529 Raschau von Hittweida.

lö) HStA. Loc. 10599 Bl. 378b, 379.

-'') Von der Parochie Oberwiesenthal (seit 1650 so genannt) zweigte sich 1743 Hammer-Unterwiesenthal ab. Scheibenberg ward 1522 erbaut; Wiesenthal erhielt 1532 sein Stadtrecht.

-0 Erbaut 1708, ward es Filial 1725.

Der Muldensprengel. 49

1529 Oberschlema wird selbständig-"^), zwischen 1529 u. 1545 Grün st ädtel von Schwarzenberg. 1546 Zscliorlaii von Neustädtel. 1559 B reite nbrunn von Grünstädtel. 1678 Bockau von Aue. 1691 Bernsbacli von Beierfeld. 1712 Gran dort' von Gründstädtel. 1718 Rittersgrün von ßreitenbrunn. 1737 Lauter von Aue. 1819 Oberpfannenstiel von Löfsnitz. 1897 Neu weit von Beierfeld.

1899 Albe mau von Zscliorlau.

1900 Nieder sc lilema von Oberschlema.

Welche Parochien fehlen uns nun noch? Wildbach b. Hartenstein, Weifsbach b. Wildenfels und Ortmanns- dorf b. Lichtenstein. Wie erklären wir ihr Fehlen? Wir haben, wie man sich überzeugen kann, ja noch nicht Nr. 8 unseres Verzeichnisses ermittelt. Man wird den Versuch, in Hartmanstorf Ortmannsdorf erblicken zu wollen, fürs erste bezweifeln. An Hartmannsdorf b. Penig (so Posse nach Lepsius, s. Anm. 3) zu denken, geht gar nicht an. Allein ist erstens ein Hartmanstorf anstatt des richtigeren Hortmanstorf so unglaublich? Oder meint man sich an der Aspiration stolsen zu müssen? Dann erinnere ich aber nur an die urkundlich älteste Form für Erbisdorf b. Brand (= Erlwynstorph 1368), nämlich Herlluwineschort (1226)! Weifsbach möchte ich hingegen als Filial von Schön au in Anspruch nehmen; einmal spräche dafür das herrschaftlich Wildenfelssche"'^) Patronat, und andererseits fände der hohe Bischofszins seitens Schönaus, nämlich 10 Mark Silber, seine Erklärung.

2-) 1533 ward ihm seine mater Klösterleiu-Zelle als filia unter- geben und blieb dies bis 1857. Nachdem sie bis 1879 von Aue ver- sorgt worden war, errang sie dann die alte Selbständigkeit wieder.

"^) Es ist beachtenswert, dafs der herrschaftlich Wildenfelssche Besitz von Schönau, d. h. soweit von ihm das Kirchenpatronat abhing, da dies mit dem Vorwerk verknüpft war, in die Zeit nach 1486 und noch später fällt. (N. Sachs. KG. Eph. Zwickau S. 939). Das würde ausgezeichnet zu unserm Verzeichnisse passen. Die Besitzer von Wildenfels benutzten jedenfalls die Gelegenheit, das in ihrer Herr- schaft liegende Weifsbach kirchlich selbständig zu machen, zumal Schönau in der Grafschaft Hartenstein lag, mit welcher ihr Terri- torium seit 1406 aufser Beziehung stand. 27. Januar 1529 tritt die Parochie „Weyssenbach" auf (Buchwald a. a. 0. S. 19). Sie besteht vermutlich seit 1490.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 1. 2. 4

50 -L- Bönhoff:

Aus genau denselben Gründen leuchtet mir das Fehlen von Wildbach ohne weiteres ein. Sein Kirchlehn, von der Herrschaft auf Sclilols Stein abhängig, die zur (Iründung der Parochie sicherlich den Anstols gab, war dieser doch erst wiederum von den Grafen von Hartenstein verliehen worden. Diese werden auch zur Selbständigkeit der Paro- chie ihre Einwilligung erteilt haben. Denn Wildbach und seine Schwestergemeinde Langenbach mögen wohl als Kirch-, richtiger: als Kapellendörfer angelegt worden sein. In Wildbach bildet zwar die erste rechtsseitige Hufe des Kirchlehns das Pfarrwidum. Allein daraus darf man nicht ohne weiteres schliessen, Wildbach sei von Anfang an ein Pfarrdorf gewesen. Jene Pfarrhufe kann früher ganz gut ein Bauergut gewesen sein, wie das ja auch in Langen- bach neben dem Kirchlehn der Fall ist-*). Wildbach und Langenbach sind vielmehr, wie ihre Nichterwähnung in der Matrikel dartut, noch um 1470 Filiale gewesen. 1539 hingegen führt das Visitations-Widumbuch als Paro- chie in der Grafschaft Hartenstein Wilpach samt dem Filial Langebach unter dem Patronat des Trutzschier (Trützschler v. Eichelberg) zum Stein auf. Welches aber wäre die einstige mater von Wildbach gewesen? Gibt nicht hier der Bischofszins uns wieder einen Fingerzeig? Woher käme es wohl anders, dafs der Pfarrer von Löfsnitz 16 Mark Silber zahlen mufste, wenn nicht Wildbach- Langenbach zu seinem Bezirke gehörte? Wir fassen unsere Ergebnisse nunmehr zusammen:

Ephorie Zwickau: Weifsbach von Schönau; Nr. 8.

Schneeberg: Wildbach Lölsnitz.

Der Vorsicht halber rechnen wir noch unter die im Verzeichnisse fehlenden Parochien weil sich nach ihr die Frage im folgenden erheben wird einstweilen provi- sorisch Eiben stock. Unseren Beweggrund dafür und die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme werden wir bald weiter unten erörtern. Mit Eibenstock hängen aber zu- sammen Sosa und Hundshübel, jetzt alle drei Parochien der Schneeberger Ephorie. Jenes war Eibenstocks Filial bis 1682, dieses wird 1546 als „zuvorn gegen E. gepfarrt" bezeichnet-'^). Wir fügen noch hinzu, dals die Gemeinde zu Sosa 1526 dafür sorgte, dafs der Pfarrer von Eiben-

21) N. Sachs. KG. Eph. Schneebg. S. 193.

-^) ßuchwald a.a.O. S. 66. Damals gehörte es zu Bärenwalde.

Der Muldensprengel. 51

stock viermal des Jahres herüberkam-"); und dals 1546 der ßärenwalder Geistliche in Hundshübel aller drei Sonntage zu predigen hatte-'). Wir verstehen wohl, dals bei den primitiven Verhältnissen des Mittelalters die drei Orte von einer Person versehen zu werden vermochten.

2. Die Grenzen.

Nach der Aufnahme des Bestandes gehen wir zur Beschreibung der Grenzen des Muldensprengels über. Er bildet ungefähr ein rechtwinkliges Dreieck, dessen Katheten sich von Eibenstock nach flemse, bez. nach Oberwiesenthal erstrecken, während die Hypotenuse zwischen den beiden zuletzt genannten Orten hinläuft. Wir beginnen mit ihrer Betrachtung.

Sie bildet zugleich, oberhalb von Remse auf dem rechten Ufer der Mulde beginnend, bald in der Richtung nach SO, bald rein nach S auf das Erzgebirge hin die Grenze des Bistums Naumburg gegen die Nachbar- diözese Meifsen. Da wir die Meifsner Diözesanmatrikel vollständig besitzen, so wird es uns ja ein leichtes sein, des Muldensprengels Grenze zuerst negativ darzustellen, indem wir zeigen, was nicht zu ihm, sondern zu Meifsen zu rechnen ist. Meissnischerseits lehnt sich an den Mulden- sprengel an das Chemnitzer Archidiakonat, welches seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts von den Äbten des dortigen Benediktinerklosters verwaltet ward-^). Das- selbe zerlegte sich in vier Unterbezirke, die Erzpriester- stühle (sedes) zu Chemnitz, (Altstadt-) Waidenburg -^), Stollberg und Wolkenstein. In ihnen begegnen uns nun folgende nach der Naumburger Bistumsgrenze hin ge- legenen Pfarreien:

a) in der sedes Waidenburg:

1. Oberwinkel (mit Ebersbach und demPilial Grumbach samt Tirschheim). Alle vier Orte waren Remsische

20) N. Sachs. KG. Epb. Schneebg. S. 586.

2') Buchwald a. a. 0. S 67.

-*) Bischof Witego II. von Meifsen erteilte 1312 dem Abte Ulrich II. die Archidiakonatswürde, s. Mitteilungen des Vereins f. Chemnitzer tresch. XI, 41.

-*') Excerpta ex mouachi Pirnensis onomastico bei Mencke

Scriptt. II, 1605 : „Waldenbergk, eine Stat an der Miilda vnder

den Hern von Scbönberk im bischtum czu Nawmburg, aber ober dem Wasser, do man gute thenene gevese macht, ist dem bischtum czu

Meisen czustendig"

4*

52 L- Bönhoff:

Klosterdorfer, der letzte bis 1488, der vorletzte bis 1495, die ersten beiden bis 1543. Von den angegebenen Jahren an besafsen sie die Schönburge als ein kur- sächsisches Lehen. Die Kollatur besals natürlich bis zur Säkularisierung das Kloster. 2. Oberlungwitz (St. Martin in der langen Lungwitz). Der von dem Dorfe Oberlungwitz einst^") abgetrennte Dorfteil und dann selbständige Ort Abtei-Lungwitz ward 1890, nachdem er bis dahin eine Filialgemeinde der Kirche zu Ursprung gebildet hatte, mit Oberlungwitz zu einer Parochie vereinigt. Bis 1531 war er kirchlich von Oberlungwitz abhängig gewT.sen, hatte sich aber zur Zeit der Einführung der Reformation im Kurfürstentum Sachsen losgerissen und nach Ursprung hingewandt. Denn die Abtei war Besitz des Klosters Grünhain, während Oberlungwitz ins schönburgische Amt Lichten- stein ■^^) gehörte. Vorübergehend im Besitz der Burg- grafen von Meifsen. war Oberlungwitz ein Bestandteil der Herrschaft Waidenburg gewesen; letzteres gilt auch von der Abtei. Deshalb waren sie auch kirchlich ins Waldenburger Landkapitel verwiesen worden.

In die Oberlungwitzer Flur und damit in seinen Pfarrsprengel entfällt das Weichbild der jetzt vereinigten Städte Hohenstein und Ernstthal. Die letztere ward erst 1680 gegründet. Hohenstein entstand um 1492, und seine Einwohner besuchten den Gottesdienst in Oberlungwitz, bis 1536 eine Kapelle errichtet ward, deren Altar vom Pfarrer Ambrosius von Oberlungwitz gestiftet ward*^-).

b) in der sedes Stollberg:

1. Erlbach samt seinem Filial Kirchberg. Dies letztere ist 1531 1668 von seiner mater getrennt gewesen und hatte sich wie Abtei -Lungwitz an Ursprung zur Zeit der Reformation angeschlossen. Es war ein Grünhainer Klosterdorf. Erlbach selbst gehörte wie die nächsten beiden Kirchfahrten zur Herrschaft Stollberg; diese besals auch das Patronat.

^°) Im Jahre 1273 übergab Unarchv. Waidenberg mit Einwilligung seiner Brüder und Vettern die Güter in der Lungwitz, welche sein Vasall Gelfrat v. Haugwitz inne gehabt hatte, dem Kloster za Grün- hain. Vgl. HStA. Loc. 8339 Nachbari. Gebrechen zw. d. Churfüsten zu Sachsen u. Graf A. Schlicken etc. 1534—40. fol. 20^, 21.

^') Eckardt, Beiträge z. Gesch. d, kirchl. Zustände in d.Schönb. Rezefsherrschaften. Beilage B.

^-) Schönburgische Geschichtsblätter V, 28, 29, 37.

Der Muldensprengel. 53

2. Stollberg selbst. Dazu gehörten nebst dem Filial Brünlos (1893 selbständig) sechs Dörfer, Ober-, Mittel- und Niederdorf, Gablenz, Ober- und Niederwürschnitz (letzteres seit 1902 eigene Pfarrei).

3. Nieder-, früher Dorf-Zwönitz^^'').

c) in der sedes Wolkenstein:

1. Geyer mit Filial Tanneberg (letzteres 1465 abge- trennt). Die Parochie gehörte aulser der einen Hälfte von Tanneberg (Herrschaft Pöhlberg, dann Mühlamt Annaberg) den Herren v. Waidenberg als Besitzern der Herrschaften Wolkenstein und Greifenstein. Ihnen stand die Kollatur zu; ihre Rechtsnachfolger waren seit 1481 die Herzöge von Sachsen.

2. Herrmannsdorf. Grundherr und Patron war 1529 der Abt von Grünhain, während das eingepfarrte Dörfel der eben erwähnten Herrschaft Pöhlberg (Baiberg) zuzurechnen ist, welche erst die v. Waidenberg, dann die Burggrafen von Meilsen, hierauf die Schönburge und dann die Herzöge von Sachsen inne hatten ^^).

An die zuletzt aufgeführte Meilsner Parochie stiels das unter Kaiser Karl IV. böhmische Amt Schiettau, welches 1413 in Grünhainschen Besitz überging^''). Es bestand aus nachstehenden Orten : Schiettau, Walthersdorf, Sehma, Cranzahl, Cunnersdorf und halb Königswalde. Mit Ausnahme dieser Dorfhälfte bildeten sie alle eine Kirchfahrt, von der 1556 Sehma und 1673 die beiden letzten, welche sich 1896 voneinander trennten, abgingen ^^). Die ganze Kirchfahrt aber unterstand dem Prager Erz- bischof, dessen Sprengel sich hier wie ein Keil zwischen Meilsnisches und Naumburgisches Gebiet einschob.

Nun jedoch wollen wir an der Hand unserer obigen Liste und unserer sonstigen Aufstellungen die Naumburgische Grenze selbst positiv bestimmen. An ihr treffen wir diese Kirchen an: Crottendorf mit Neudorf ^^) (Scheibenberg)

^^) Hierüber geben die Visitationsverzeichnisse von 1539 Auskunft.

»*) Buchwald a. a. O. S. 10. Über d. Herrschaft Pöhlberg s. Märker, Das Burggraftum Meifsen. Die Herreu v. Waidenberg s. Lehnbuch Friedrichs d. Strengen; Köhler, Hist. Nachrichten v. d. chursächs. alt. frey. Bergstadt Wolkenstein S. 8. 9. 12.

3^) Hering, Gesch. d. Sachs. Hochlandes I, 160 Anm. 69.

36) Richter, Chronik d. Bergstadt St. Annaberg S. 19. 21 ff.

ä'') Schönburg. Greschichtsbl. I, 201. Neudorf hiefs früher Krafts- dorf oder Kraxdorf und ward von den Hussiten zerstört.

54 L. Bönhoff:

(F. Schwarzbach) Elterlein Grünhaiii Zwöiiitz

Lölsnitz'^^) Beutha Oelsiiitz i. E.^^) Lugau Gersdorf ßernsdorf Lobsdorf^") mit Niederlungwitz.

Jenseit der Mulde liegt auch Reinholdshain, die filia von Jerisau; ferner befinden sich ebenda zwei Dorf lein der Parochie St. Georg zu Eemse, deren Hauptmasse sich am linken Ufer erstreckt, nämlich Kleinbernsdorf und Örtelshain. Während aber dieselben infolge ihrer Zu- gehörigkeit zu besagter Parochie dem Pleilsensprengel der Naumburger Diözese zuzuweisen sind, ziehen wir Reinholdshain zum Muldensprengel, und zwar aus folgen- dem Grunde: In letzterem liegt der Pfarrbezirk Glauchau, dessen Bischofszins schon 1320 sich auf 15 Mark Silber belief; er war so grols, dals mindestens zwei Priester vom Pfarrer zu unterhalten waren (s. Anm. 4). Wir kommen daher zu der Annahme, dals nicht nur Gesau, sondern auch Jerisau und Reinholdshain Filiale von Glauchau waren. Dafür spricht, dals noch 1510 ein Conrad Voit vorkommt, der Melispriester am Altar der h. Barbara zu Glauchau und zugleich Pfarrer zu Jeris" war*'). Der Glauchauer Pfarrer besoldete also zwei Kapläne für Gesau und Jerisau.

Wir verzeichnen nunmehr entlang der Linie Remse- Eibenstock die Grenze des Muldensprengels nach dem Pleilsen-Archidiakonat zu. Auch hier greife zuvor, so gut es geht, da eben eine matrikelmälsige Feststellung fehlt, an der Hand geschichtlicher Tatsachen eine negative Beschreibung Platz. Was lag also ohne weiteres im Pleilsensprengel? Zunächst Remse mit Weidensdorf, Meerane mit Dennheritz und Mosel mit Niederschind- mas. Sodann aber greift jenes Archidiakonat auf das rechte Muldenufer hinüber. Dort treifen wir die Parochie Oster weih an. Laut einer Urkunde des Markgrafen

^^) a. a. 0. S. 200. KärapfersgTün (zwischen Beutha, Grüna und Gablenz) und Sehottensdorf (zw. Alberode, Raum u. Grüna) waren dahin gepfarrt und gingen lanter. Ober- u. Niederpfannenstiel hiefsen bis ins 16. Jahrb. Eichert, resp. noch 1559 Grefenau.

^^) a. a. 0. S. 199. Zu seiner Flur geschlagen ist Wittendorf (zw. Baiim, Beutha u. Oberdorf), im Hussitenkriege zerstört. Die Volkssage erzählt, dafs der ehemalige Pfarrer umgehe. Jedenfalls war es Wildenfelser Lehn.

***) a. a. 0. S. 202. Das nach Lobsdorf eitigepfarrte Rottlof (Rottelsdorf, Rottlich) verschwand im Dreifsigj ährigen Kriege.

*i) a. a. 0. VI, 169.

Der Muldensprengel. 55

Dietrich des Bedrängten vom Jahre 1219 bestand dieselbe*^) aus den elf Ortschaften Oster weih (eingegangen), Ober- Hohndorf (Hoendorf), Bockwa (Bucwen), Schedewitz (Schetwiz), Pölbitz (Belwiz), Crossen (Crozne)"^^), Wulm und Kleinwuhn (Unimin duo, lies: Vulmin duo), Schlnnzig (Nunz, lies: Slunz), Naundorf b. Glauchau (Nuwendorf, eingegangen)") und Glauchau (Grabbowe, lies Gluchowe) *'''). Letzterer Ort lag, wie wir schon sahen, nachdem er selbst das Pfarrrecht erhalten hatte, im Muldenarchidiakonate, wäh- rend die übrigen samt ihren Kirchen beim Pleifsensprengel verblieben. An den Süden der eben beschriebenen Parochie Osterweih grenzte, auf dem linken Muldenufer gelegen, das unter dem Patronate derer v. d. Planitz stehende Kirchspiel Planitz, zu dem bis 1867 Cainsdorf gehörte, und welches einst zweifelsohne von der grolsen Parochie Zwickau abgetrennt worden ist. Sodann aber reiht sich an dasselbe die zwischen 1316 und 1318^*^) ebenfalls aus der Muttergemeinde Zwickau ausgepfarrte und anfangs überaus umfangreiche Kirchfahrt von Kirchberg, deren Zugehörigkeit zum Pleifsensprengel*'^) uns ausdrücklich bezeugt ist. Sie umfalste die Orte: Culitzsch mit Niedercrinitz und Wilkau, ferner Burkersdorf und weiterHartmannsdorf mit Giegengrün, während Saupers-

*-) Die Kirche derselben ist die heutige St. Moritzkirche in Zwickau. N. Sachs. KGr. Eph. Zwickau S. 107. Schultes, Director. diplom. II, 556 f.

•*^) In diesem Dorfe befand sich eine mit 20 Scheffeln dotierte Kapelle. Als sie Pfarrkirche war, versorgte ihr Pfarrer die beiden Wulm. Diese kamen in der Reformation ab, während Schueppen- dorf von Thurm weg hinzutrat. N. Sachs. KG. a. a. 0. S 402. Buch- wald a. a. 0. S. 3. Schönb. Geschichtsbl. II, 153.

**) Schönburg. Geschichtsbl. I, 194 ff. Es lag in der Nähe von Glauchau. Die ,, Naundorf -Wiesen" erinnern noch heute daran.

''5) Der Name taucht sonst niemals wieder auf. Die von Schultes vorgeschlagene Identification mit Grünau b. Wildenfels bedarf gar keiner Widerlegung. Die Nähe Glauchaus bringt uns auf die rechte Fährte : Grabbowe ist einfach aus Gluchowe verlesen oder verschrieben. In solcher Annahme bestärkt uns obendrein die bezeugte Dezemptlicht von 18 Glauchauer Bürgern, welche an die Zwickauer Marienkirche, die mater der Oster weiher Kirche, 126 Garben entrichten mufsten. (Herzog, Chronik von Zwickau I, 273. II, 347.)

^6) N. Sachs. KG. a. a. 0. S. 537.

*■') V. Ledebur a. a. 0. 348 351: in archydiaconatu Plysnensi:

ecclesia in Kyrchberg vacavit , quae est taxata ad '?

marcas, solvit XXV grosses nee plus solvere potuit, quia destructi fuerunt agri et redditus per exercitum marchionis Mysnensis, qui iacuit in Honvorste (Schueeberg). Sic iuratus deposuit rector ecclesiae.

56 Li' Böuhoff:

dorf, Cunersdorf und Leutersbacli noch heute ihr ange- hören^^). Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dals Bären- waide vordem auch kirchlich von Kirchberg abgehangen hat, und seine ehemals adlige Kollatur deutet darauf hin, dafs im Dorfe begüterte Edelleute den Anstofs zur Be- gründung eines eigenen kirchlichen Wesens gegeben haben mögen*^).

Wir halten inne und zählen nunmehr die den bisher angeführten Orten gegenüber liegenden Grenzpfarreien des Muldensprengels auf. Es sind: Glauchau, Wernsdorf, Thurm mit Schneppendorf ■^'*), Auerbach, Reinsdorf, Vielau, Schönau mit Weilsbach (s. o.), Grielsbach, später Neu- städtel mit Zschorlau (und Albernau). Jetzt aber heilst es vorsichtig operieren! Zum sicheren Bestände des Muldensprengels rechnen wir Aues einstiges Filial Bockau. An dasselbe schliefst sich die grofse Parochie Schwarzen- berg, in deren Sprengel im Mittelalter die Orte Breiten- brunn, Crandorf, Rittersgrün und Grünstädtel lagen-^^). Sie und ihre östlichen Nachbarkirchfahrten, nämlich Mitt- weida mit Raschau, Crottendorf mit Neudorf und später Wiesenthal, bildeten mit ihrer südlichen Grenze nicht nur die Grenze des Muldensprengels, sondern auch des Bis- tums Naumburg gegen die Prager Erzdiözese.

In dem Quellgebiete der Zwickauer Mulde treffen wir auf ein drittes Naumburger Archidiakonat (s. o.), die Propstei Zeitz. Hier breitet sich der Auerbacher Pfarrsprengel in seiner alten Ausdehnung aus. Ursprüng- lich hatte Auerbach so war es noch zur Zeit der Reformation'^"-) nur zwei Filiale, nämlich Rodewisch und Rothenkirchen (jenes 1706, dieses 1700 ausgepfarrt). Ein weiteres Filial war Rautenkranz, welches 1680 vom Schichtmeister Elias Steiniger gegründet ward'^^),

■**) Hartmannsdorf ward 1853, Culitzsch wohl im 15. Jahrhundert selbständig. N. Sachs. KG. a. a. 0. S. 590. 596. Wilkau erlangte 1878 eigene Parochie.

^'') Vermutlich waren es die v. d. Planitz, welche das Dorf 1401 innehatten. N. Sachs. KGl. a. a. O. S. 466.

50) s. Anm. 43.

^') Innerhalb des Schwarzenberger Pfarrsprengels lagen auch die 1534 gegründeten und 1556 an Böhmen abgetretenen Bergstädte (xottesgab und Platten. Sie erhielten aber gleich ihre geistliche Versorgung für sich. Vgl. Hering, (resch. d. Sachs. Hoclil. I, 257 Anm. 116.

^-) Mitteilungen d. Altertumsver.zu Plauen i. V. VII (1888 89). 34.

'^^) a. a. 0. 29. Anm. 2.

Der Muldensprengel. 57

und zwar bis zum Jahre 1839. Ferner war das 1537 angelegte Schönheide 1596 zu einem Filial von Auerbach (selbständig 1676/77) erhoben worden'^*). Von den Paro- chien Rothenkirchen und Schönheide haben sich dann wiederum zwei Kirchen abgezweigt: von jenem 1885 das seit 1701 als Filial bestehende Stützengrün, welches bis dahin ein eingepfarrtes Dorf gewesen war ^•^), und von diesem das 1676 gegründete und 1680 provisorisch ver- sorgte Carlsfeld •'^''). Also mit einem Worte nach Osten erstreckte sich längs der Linie Rothenkirchen Stützen- grün Schönheide Rautenkranz Carlsfeld die Grenze der Herrschaft zur „Göltzsch" und damit des alten Pfarr- bezirkes von Auerbach und zugleich der Propstei Zeitz. Wir fassen nun unsere Ergebnisse vorläufig zusammen. Es gehören:

a) zur Propstei Zeitz : die alte Parochie Auerbach ;

b) zum Pleilsensprengel: Kirchberg und Bärenwalde;

c) zum Muldensprengel: Schwarzenberg, Aue, Neu- städtel.

Von diesen Kirchspielen im Westen (a), Norden (b) und Osten (c) sowie von Böhmen im Süden umgeben, bleibt uns noch übrig ein kleines Dreieck Hundshübel Eiben- stock—Sosa. Politisch gehörte in der Reformationszeit die Parochie Eibenstock zur Herrschaft Schwarzenberg, deren damalige Besitzer, die Herren v. Tettau ■^^), das Patronat innehatten. Sie haben auch nach den Nöten der Hussitenkriege das kirchliche Wesen Eibenstocks durch eine mildtätige Stiftung wieder ins Leben gerufen •'^^), Da die Kirche hierbei allein Erwähnung findet, zumal von einer Wiedererbauung des zerstörten Gotteshauses allein die Rede ist, und keine Pfarre, so scheint mir eine solche noch nicht existiert zu haben. Das Patronatsrecht derer v. Tettau weist entschieden daraufhin, dals sie die Eiben- stocker Pfarrei begründet haben, und das wird erst um 1480 der Fall gewesen sein, Schwarzenberg hat bis dahin drei Filiale gehabt: Grünstädtel, Breitenbrunn und Eiben- stock. Die Abtrennung des letzteren machte wohl erstens nötig der wohl um 1480 erfolgte Bau einer Kapelle zu

5*) N. Sachs. KG. Eph. Sehneebg. S. 557. 566. 53) Ebenda S. 594. 603. 6«) Ebenda S. 497. 499, .502.

■") Buchwald a. a. 0. S. 11: Der pfarrer zu Eybeustock. von her Anshelm von Tettaw belehent.

■■^») N. Sachs. KG. Eph. Schneebg. S. 510.

58 L- Bönhoff:

Sosa und zweitens die Besiedelang von Hundslmbel durch Berg- und Hüttenleute, aus welcher Zeit das noch heute in der Kirche des letzteren Ortes gebrauchte Tauf- becken stammt'''^). Dann aber bildet Eibenstock die Süd- westecke des Muldensprengels als ein Bestandteil der Kirchfahrt Schwarzenberg. Damit aber endet die Be- schreibung der Grenzen jenes Archidiakonates.

3. Die Yerwaltimg.

Immer wieder und wieder^'') trifft man die Behauptung an, dafs der Amtssitz des obersten geistlichen Beamten im Muldensprengel, des Dechanten, sich in Lichtenstein be- funden habe. Ja es heilst auch, dieser Sitz habe „erst wohl in Glauchau und dann wohl auch zeitweilig in Löfsnitz bez. Thierfeld (Hartenstein)" bestanden*^^). Dieser Irr- tum stammt aus dem „Schönburgischen Kalender 1791" und „Ayrer, Sammlung von Nachrichten zur schönburgi- schen Geschichte" (Manuskript), welche als seine Quellen Eckardt anführt*'-). Allein der Irrtum ist begreiflich und verzeihlich. Er beruht auf dem Doppelsinne des Amtstitels „Dechant" (decanus). Sobald wir das erörtert haben, wird er leicht eingesehen werden und dann hoffent- lich für immer beseitigt sein. Der Muldensprengel hiefs 1320 archidiaconatus trans Muldam'^"), in dem Fragmente der Naumburger Bistumsmatrikel dagegen decanatus trans Muldam***). Wie ist das zu erklären? Wir besitzen aus dem Jahre 1230 eine Urkunde, welche den Streit zwischen dem Domkapitel zu Naumburg und dem Stiftskapitel zu Zeitz über die Kathedralrechte und die Teilnahme des letzteren an der Bischofswahl beilegt*'-^). In ihr werden

59) a. a. 0. S. 574 ff.

•">) N. Sachs KG. a. a 0. S. 106. 139. Schönbnrg.Geschichtsbl.I, 37. IV, 14. VI, 162.

«1) N Sachs. KG. a. a. 0. S. 96. 150.

^-) Eckardt, Beitr. z. Gesch. d. kirchl. Zustände in d. Schönburg« RezefsheiTschaften S. 3 u. Anm. 2. Auch das ist eine irrige Angabe, die gegen die Ergebnisse des vorigen Abschnittes verstöfst, dafs nämlich der Muldenspreneel Meerane, Schlunzig und ßemse umfafste. Diese drei Parochien gehören ohne Zweifel dem Pleifsenarchi- diakonate an.

«3) V. Ledebur a. a. 0. 336. 352. 354. 856.

^) Lepsius a. a 0. S. 348. 349.

«■'*) Ebenda S. 283 ff. Urk. 57.

Der Muldeusprengel. 59

dem Kapitel von Zeitz die Besetzung zweier Archidiakonate in der Naumburger Diözese zugestanden, während alle übrigen (nämlich die schon bestehen und die noch ins Leben treten, vgl. Anm. 2) dem Domkapitel zu Naumburg, und ihre Kollatur dem Bischöfe vorbehalten bleiben '^^). Das eine dieser Archidiakonate war die Propstei Zeitz*''), das andere aber unser Muldeusprengel. Als Beleg**^) für die Richtigkeit dieser Behauptung diene uns ein Dokument aus dem Jahre 1271. Hier erscheinen als Zeugen folgende Zeitzer Stiftsherren: Propst Albert, Dechant Engelbert, Kustos Berthold, Conrad v. Hall, Archidiakon jenseit der Mulde, und Cellerar Christian. 1230 begegnet uns als Muldenarchidiakon der Cellerar Gerhard und 1275 der Scholastikus Dietrich. Also unter den Mitgliedern des Kollegiatstiftes von Zeitz, natürlich mit Ausnahme des Propstes, der ja eo ipso Archidiakon war, wechselte die Würde des archidiaconus trans Muldam, bis sie vom Jahre 1416 an ständig an der Person des Zeitzer Stifts- dechanten haftete"^). Wie nun in der Meifsner Diözese ein aus den Erzpriesterstühlen Herzberg, Prettin und Mühlberg bestehendes Archidiakonat nach seinem Inhaber, dem Domdechanten, decanatus Misnensis hiefs, so ward der Muldensprengel seitdem nach dem Zeitzer Stifts- dechanten decanatus trans Muldam benannt. Der Sitz des obersten Beamten in diesem Sprengel ist nicht Lichten- stein gewesen, sondern allein Zeitz. Hier hat auch der Offizial, welcher im Auftrage des Archidiakonen dessen Verwaltungsgeschäfte besorgte, residiert.

Allein, so könnte man wohl einwerfen, ist denn nicht die Rede von einem Dechanten zu Lichtenstein, zu Harten- stein, zu Glauchau und zu Löfsnitz'^*^')? Es wird an- gemessen sein, hier in Erinnerung zu bringen, dals die Gehilfen der Archidiakonen, die Vorsteher der Landkapitel, von deren Geistlichen, den Pfarrern und Kaplänen, sie jenen präsentiert wurden, die Erzpriester oder Arclii-

♦'*') Statutum est etiam. ut duo archidiaconatus perpetuo

maneant apud ecclesiam Cicensem, alii autem archidiaconatus omnes apud canonicos Nuenburgensis ecclesiae per episcopum perpetuo locabuntur.

^'') Praepositus . . . Cicensis ... est archidiacouiis eiusdem loci.

6s) HStA. Dresden Orig. Nr. 765.

''^) Zader in seiner Zeitzer Stiftschronik (Bd. I.Kap. 5) nach Lepsius a a. ü. S. 347 ff. ^0) S. Anm. 61.

60 L. Bönhoff:

presbj'ter'^), ja auch den Titel decani (sc. rurales), d. i. Land-Declianten, führten. Nun hellt sich mit einem Male alles auf! Der Muldensprengel zerfiel in drei Kirchenkreise (sedes), die nach den vier eben genannten Städten bezeichnet waren. Es wird sich nunmehr darum handeln, den Umfang dieser ländlichen Dechaneien ungefähr zu bestimmen.

Wir würden rechnen a)zur sedes Glauchau-Lichtenstein: Glauchau selbst, Wernsdorf, Thurm, Auerbach, Lobsdorf, St. Egidien, Lichtenstein selbst, Mülsen St. Michael, Rödlitz, Gers- dorf, Bernsdorf und eventuell Lugau. Im ganzen 11 12 Pfarreien, dabei 1 exempte'-).

b) zur sedes Hartenstein: Thierfeld, Zschocken, Härtens- dorf, Schönau, Vielau, Reinsdorf, Mülsen St. Niklas, Ortmannsdorf, Oelsnitz, Beutha. Im ganzen 10 Pfar- reien (bez. 11 s. Anm. 72).

c) zur sedes Löfsnitz: Lölsnitz selbst, Neustädtel (Gries- bach), Schneeberg, Aue, Schwarzenberg, Klösterlein, Beierfeld, Grünhain, Zwönitz, Eiterlein, Crottendorf, Mittweida (und später: Scheibenberg, Wiesen thal). Im ganzen zwölf, bez. 14 Pfarreien, darunter zwei exerapte.

Fassen wir also das Endergebnis dieses ganzen Ab- schnittes zusammen, so werden wir sagen können: Die Verwaltung des Muldensprengels lag seit 1230 bestimmter- mafsen in den Händen von Stiftsherrn des Zeitzer Kollegiat- kapitels, seit 1416 allein in denen des Dechanten desselben. Als seine Unterbeamten fungierten drei Erzpriester oder Landdechanten in Lölsnitz, Hartenstein (Thierfeld) und Glauchau bez. Lichtenstein.

ifr.

4. Kirchliclie und politische Einteilung

Wie mag eine solche Gruppierung wie die eben ge- gebene gerechtfertigt sein? So wird man fragen! Sie kann doch nicht rein willkürlich vorgenommen sein. Sonst hätte sie ja gar keinen Wert! Allein sie beruht auf einem wohl nachweisbaren Prinzip, wonach die Kirche ihre administra-

"*) Es ist nicht selbstverständlich, dafs der Pfarrer des Ortes, nach welchem die sedes hiefs, auch immer der Erzpriester war. Er konnte es sein, aber ebenso ein Pfarrer, ja sogar ein Kaplan des- selben Landkapitels.

'-) Glauchau und Lichtenstein bildeten eine sedes (wie in der Diözese Meifsen die sedes Hohnstein - Sebnitz). Lugau kann nämlich auch zur sedes Hartenstein gehört haben (s. Abschnitt IV).

Der Muldensprengel. 61

tive Einteilung der politischen anpafste. Wenden wir das- selbe auf unsern Fall an, so ermitteln wir, dals die Haupt- masse des Muldensprengels aus dem Gebiete der einst reichsunmittelbaren Grafschaft Hartenstein, der von ihr ehemals abhängigen Herrschaft Wildenfels und der zum allergröfsten Teile mit Ländereien ihres Terri- toriums ausgestatteten Klöster Grünhain und Zelle besteht. Dazu kommen noch die schönburgischen Herr- schaften Glauchau und Lichtenstein, ferner die Herr- schaft Schwarzenberg und schlieMich noch die Gegend von Schneeberg, der Hohenforst (Honvorste), eine mark- gräflich meilsnische Besitzung, vermutlich ein Stück der wiprechtinischen mit der Grafschaft Groitzsch verknüpften Erbgüter, die durch Bertha, Konrads des Grofsen Schwä- gerin, an die Wettiner gelangten. Es ist aber geboten, dies alles noch eingehender zu begründen. Im übrigen machen wir darauf aufmerksam, wie wir längs der Naum- burger Diözesangrenze im Meilsnischen und Böhmischen auf Grenzen politischer Natur stiefsen. Die Territorien, welche wir dabei kennen lernten, waren die Abtei Remse, die Herrschaften Waidenburg, Stollberg, Wolkenstein, Greifenstein, Pöhlberg und böhmischerseits Schiettau.

Wir beginnen mit der sedes Löfsnitz. Hier interessiert uns fürs erste die Herrschaft Schwarzenberg. Sie stand von 1212—1459 unter böhmischer Hoheit. Ausgangs des 14. Jahrhunderts im Besitze der Burggrafen von Leisnig, die zu Rochsburg und Penig residierten, ging sie Mitte des 15. Jahrhunderts an die v. Tettau über, die sie 1533 an den Kurfürsten von Sachsen veräulserten. Ihr gesamtes Gebiet bildete einen grofsen Pfarrbezirk, dessen Kirche sich in ihrem gleichnamigen Hauptorte befand. Eibenstocks politische Zugehörigkeit zu ihr bestimmte uns wesentlich, infolge mangelnder Urkunden auch dessen kirchliche Ab- hängigkeit anzunehmen! Bringen wir Neustädtel und Schneeberg in Wegfall, so bleibt die Pfarrei Griesbach übrig. Über ihi-e frühesten politischen Verhältnisse läfst sich nichts sagen; nur soviel ist gewils, sie hat nicht zu dem im Lehnsbuche Friedrichs des Strengen aufgeführten Gebiete von Kirchberg oder von Auerbach gehört. Hin- gegen ist in einer vom 12. Mai 1317 zu Altenburg datierten Urkunde'-^) die Eede von dem „Bercwerg czuVursten-

'3) B. Schmidt, ürkundenbuch der Vögte von Weida, Gera u. Plauen I, 227.

62 L. Bönhoff:

berg" (bei Sclmeeberg) und dem „Kirclileen uf dem Berge''; als Lehnsbesitzer treten liier auf die Vögte von Plauen und Gera. Es mag mithin ein Lehnsstück für sich gewesen sein. Die Parochien Grünhain, Zwönitz, Beier- feld und Mittweida repräsentieren Grünhainsches Klostergebiet, welches insgesamt, meistens im Jahre 1240, von den Meifsner Burggrafen, den Besitzern der Grafschaft Hartenstein, ihrer [Stiftung, der Zisterzienser- abtei, übereignet worden ist. Ln Norden grenzte daran der Pfarrbezirk der Hartensteinschen Hauptstadt Löfsnitz, zu dem auch anfangs als Filiale die kleine Herrschaft Stein, ein gräfliches Lehn, gerechnet werden mufs. Östlich schlofs sich an der sog. „oberwäldische Teil der Grafschaft, worin die Parochien Elterlein, Crottendorf, Scheibenberg und Wiesenthal lagen, und den 1559 Vater August den damals unmündigen Gebrüdern v. Schönburg auf käuflichem Wege abdrang. So bleibt nur noch übrig das kleine Gebiet des Klösterleins Zelle, welches teils auf markgräflich meilsnischem, teils auch gräflich harten- steinschem und herrschaftlich wildenfelsischem Territorium angelegt war. Es sind die Kirchen zu Zelle und zu Aue mit Bockau, Lauter und Oberschlema. Die Schutzvogtei über Zelle war schliefslich an die Herren v. Tettau, die von Grünhain an den sächsischen Kurfürsten selbst ge- kommen.

Bei der sedes Hartenstein liegt die Sache sehr ein- fach. Zur einen Hälfte war sie gräflich hartensteinisch (es war der sog. „niederwäldische" Teil), zur anderen herrschaftlich wildenfelsisch. Zu jener zählen die Kirchfahrten Thierfeld, Mülsen St. Niklas, Beutha, Vielau, Schönau und wohl nicht mit Unrecht Lugau'^), zu dieser Ortmannsdorf, Härtensdorf, Reinsdorf, Oelsnitz und Zschocken; letztere beiden waren von den Wildenfelsern an Grünhain verschenkt worden.

Die sedes Glauchau-Lichtenstein umschlofs die beiden Herrschaften gleichen Namens in ihrem früheren Umfange. Denn dals Auerbach, dessen Kirchenpatronat ja bis 1534 bei den Schönburgern verblieb, auch politisch ihnen einst zugetan gewesen ist, geht daraus hervor, dals sie tatsäch-

''*) Zur Herrschaft Lichtenstein hat es nicht gehört, soviel sich üherhlicken läfst, auch nicht zur Herrschaft Stollberg; wohl aber mag es ein von der Hartensteiner Grafschaft vor ihrem Verkaufe an die Schönburge abgekommener Ort gewesen sein.

Der Muldensprengel. 63

lieh 1388 als Lehnsherren im Orte erscheinen''^). Vor dem Jahre 1557 bestanden die schönburgischen Ämter Glauchau und Lichtenstein aus folgenden Kirchorten '^*^):

Glauchau: Glauchau, Meerane, St. Egidien, Nieder- lungwitz, Reinholdshain, Jerisau, Gesau, Denn- heritz, Wernsdorf, Schlunzig, Lobsdorf und Hohenstein").

Lichtenstein: Lichtenstein, (3berlungwitz, Bernsdorf, Gersdorf, Eödlitz und Mülsen St, Michael.

Bedenken wir nun, dafs die durch den Druck hervor- gehobenen Orte in ersterem Amte der böhmischen Lehns- herrschaft Meerane zuständig sind, und Hohenstein auf ursprünglich herrschaftlich waldenburgschen Boden ge- gründet ist, so haben wir in den übrigen Orten die Herr- schaft Glauchau, wenn wir noch berücksichtigen wollen, dafs Niedermülsen stets, Thurm aber erst seit 1382 zu Glauchau gerechnet ward. Vorher hatte Thurm wie Stangendorf und Mülsen St. Michael einen Bestandteil der Herrschaft Lichtenstein gebildet"), die sich mit dem Amte, von Thurm abgesehen, deckt, falls Oberlungwitz als ehemalig herrschaftlich waldenburgsches Dorf aufser Betracht bleibt. Diese Betrachtung der politischen Ver- hältnisse im Muldensprengel wird sogleich ihre Früchte tragen, wenn wir seine allmähliche Auflösung durch die Reformation untersuchen.

5. Die Auflösung.

Ehe die Reformation eingeführt ward, umfafste der Muldensprengel 40 Pfarrkirchen infolge der inzwischen eingetretenen Auspfarrungen und Neugründungen; von ihnen entfielen 11 auf die sedes Glauchau -Lichtenstein, 12 auf die sedes Hartenstein und 17 auf die sedes Löfsnitz. Als nun 1488 die Brüder Ernst und Albrecht geteilt hatten, waren zum Kurfürstentum geschlagen worden:

^^) N. Sachs. KG. Eph. Zwickau S. 387 ff.

''<') Eckardt a. a. 0. Beilage B.

■'^) Dazu kommt noch das Vasallendorf Thurm. Zur Parochie Thurm gehören heute Berthelsdorf, Jüdenhain, Niedermülsen und Stangeudorf. Letzteres war früher nach Mülsen St. Michael ein- gepfarrt, während Thurm 1529 (s. o.) an Crossen Schneppendorf verlor. Die einzige Anomalie besteht demnach darin, dafs Gesau politisch mit Meerane, kirchlich mit Glauchau geht.

■'^) Schönhurg. Geschichtshl. II, 151.

64 L. Bönhoff:

das böhmische erbliche und pflichtenlose Lehn, die Herr- schaft Schvvarzenberg; das Reichsafterlehn, die Herrschaft Wildenfels; die Klöster Zelle und Grünhain sowie die Stadt Zwickau mit den Küchendörfern, darunter Auerbach. Umgekehrt war an das Herzogtum Sachsen gekommen: das Reichsafterlehn, die Grafschaft Hartenstein einschliefs- lich des Dorfes Lugau, während der Schneeberg, anfangs gemeinsamer Besitz der beiden wettinischen Häuser, 1534 allein an die Ernestiner gelangte. Inmitten der wettini- schen Territorien befanden sich die böhmischen Lehen der Herren v. Schönburg, die Herrschaften Glauchau und Lichtenstein. Je nachdem also die am Muldensprengel beteiligten Gebiete den Ernestinern, den Albertinern und den Schönburgen unterstanden, vollzog sich eher oder später die Einführung der Reformation. Die Jahre 1529 (1533/4), 1539 und 1542 bezeichnen die drei Stadien der Auflösung des Muldensprengels. Als nämlich im ernesti- nischen Sachsen die Reformation ihren Einzug 1529 hielt, wurden auch u. a. folgende Pfarreien evangelisch'^''):

18. Januar: Neustädtel (Patron: Rudolph v. d. Planitz auf

Wiesenburg).

19. Januar: Zschocken, Zwönitz, Mittweida, Beierfeld,

Raschau (Patron: der Abt von Grünhain).

20. Januar: Grünhain (Patron: derselbe); Schwarzenberg,

Eibenstock, Aue (Patron: Anshelm v. Tettau auf Schwarzenberg).

21. Januar: Oelsnitz i.E. (Patron: der Abt von Grünhain).

26. Januar: Auerbach (Patron: Ernst Herr v. Schönburg).

27. Januar: Ortmannsdorf, Weifsbach, Härtensdorf, Reins-

dorf (Patron: der Herr von Weida auf Wildenfels).

Ferner ist auch nicht zu vergessen, dais die Visitatoren einen Prediger für Oberschlema bestimmten, der auch Klösterlein bereits mit versorgte, ein Verhältnis, welches 1533 festgelegt ward^**). Kurz nach Ablauf dieses Jahres, am 28. Januar 1534, ward auch Schneeberg evangelisch^^). Damit war die sedes Hartenstein zur Hälfte und die sedes Lölsnitz zu über zwei Dritteln ihrem alten Organismus entfremdet und einem neuen, der am 1. Februar 1529 er- richteten Superintendentur Zwickau, einverleibt! Was von den beiden sedes übrig blieb, das Avaren die elf Parochien

"ö) Buchwald a. a. 0. S. 7. 10. 11. 12. 17. 19 ff. 80) N. Sachs. KG. Eph. Schneebg. S. 76. 81. si) a. a. 0. S. 14.

Der Muldensprengel. $5)

der Grafschaft Hartenstein, sieben im nieder- und vier im oberwäldischen Teile.

So sehr sich auch die Herren v. Schönburg sträuben mochten, in diesem Teile ihrer Besitzungen mufsten sie als Vasallen der sächsischen Herzöge dem Evangelium bereits 1539 freien Lauf lassen, als Heinrich der Fromme sein Land reformierte. Mit diesem wurden zu gleicher Zeit die acht unter dem Patronate der Herren v. Schön- burg stehenden Kirchen zu Wiesenthal, Hülsen St. Niklas, Lölsnitz, Scheibenberg, Eiterlein, Beutha, Crottendorf und Vielau evangelisch, ebenso die zu Schönau und Wildbach (Patrone: Rudolph v. d. Planitz auf Wiesenburg und Trützschler v. Eichelberg auf Stein als Schönburgsche Va- sallen) und schliefslich auch die zu Lugau (Patron: Asmus V. d. Oelsnitz, ein herzoglich sächsischer Vasall)^-). Damit waren die beiden sedes Hartenstein und Lölsnitz aufgelöst. Es fragt sich nun noch, welcher Ephorie die bewuisten elf Kirchspiele im Hartensteinschen untergeben wurden.

Wie wir sahen, waren nach der Reformation der wettiuschen Länder noch die Herrschaften der Schönburge katholisch geblieben. Vom Muldensprengel existierte nur noch das Landkapitel, welches sich um Glauchau und Lichtenstein gruppierte, die zehn Kirchen zu Glauchau, Wernsdorf, Thurm, Mülsen St. Michael, Lichtenstein, Rödlitz, Gersdorf, Bernsdorf, St. Egidien und Lobsdorf. Sie wurden im Jahre 1542 evangelisch und kamen unter die am 18. Oktober errichtete Superintendentur Glauchau. Sie ist bis zum Jahre 1556 die alleinige Ephorie in allen Schönburgschen Besitzungen gewesen, d. h. in den Herr- schaften Geringswalde, Waidenburg, Glauchau, Lichten- stein und Meerane, die alle böhmisches Lehn waren, sowie für das Rittergut Ziegelheim (sächsisches Lehn) und in der Grafschaft Hartenstein (sächsisches Reichsafter- lehn^'^). Da deren Kirchspiele aber bereits 1539 evange-

*2) HStA. Dresden Loc. 10599 Visitation sampt derselbigen Instruktion etc. 1539. Vgl. in dem Widumsbuch der Visitatoren vom Jahre 1558 S. 378 b 390 (Hartensteiner Parochien). Lugau steht zwischen den v. Einsiederschen (Einsiedel, Reichenhain) und den V. Schönberg'schen Kirchspielen (Frankenberg, Seifersbach).

*'') Dazu kamen noch 1543 die von Herzog Moritz eingetauschten Herrschaften Penig (Zinnberg) und Wechselburg (Koraturei Zschillen der Deutschordensballei Thüringen) und die von Kurfürst Johann Friedrich erstandene Klosterbesitzung Remse, sowie 1548 die denen V. Ende abgekaufte HeiTschaft Rochsburg.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 1. 2. 5

66

L. Bönhoff: Der Muldensprengel.

lisch waren, und die Ephorie erst 1542 ins Leben trat, so erhebt sich die Frage, welche wir bereits oben be- rührten. Bei Lugau liegt die Sache einfach: es ward dem Chemnitzer Superintendenten zugewiesen, und so blieb es 300 Jahre lang (bis 1838). Die vier oberwäldischen Parochien, nämlich Eiterlein, Crottendorf, Scheibenberg und Wiesenthal, sind nur von 1542 1559 der Ephorie Glauchau zugeteilt gewesen. Als dann durch Kurfürst Augusts Ankauf ihr Gebiet sächsisch wurde, überwies man sie der Ephorie Annaberg, und so ists ja heute noch. Wo aber hat man sie in der Zeit von 1539—1542 zu suchen? So lange die Schönburge keine eigene Ephorie hatten, inspizierte jene vier Parochien sicherlich ein Ephorus ihres herzoglichen Lehnsherren; dies aber konnte der örtlichen Lage nach kein anderer sein, als der Super- intendent von Annaberg. Mithin ging der Rest der sedes Löfsnitz aufser dieser Stadt selbst in der Ephorie Anna- berg auf, von der er nur 18 Jahre lang in der Folgezeit sich trennte.

Wie aber steht es mit den Kirchen zu Löfsnitz, Thierfeld, Beutha, Wildbach, Schönau, Vielau und Hülsen St. Niklas? Da die ersten vier von ihnen ein kompaktes Stück bilden, welches an die umfängliche Parochie Stoll- berg angrenzt, so werden sie wie Lugau für die kurze Zeit von 1539 42 von dem Chemnitzer Ephorus über- nommen worden sein.

Fassen wir alles zusammen, so erhalten wir folgendes Resultat :

sedes

Lössnitz

Hartenstein

Glauchau- Lichtenstein

reform. Parochien

1529 1533/4 1539 1542

11 1 5

6 6

1

10

18]

\ Eph. Zwickau.

1 1 1 7 Eph. Chemnitz, ■•-■•■/ 4 Aunaberg.

10 Eph. Glauchau.

Summa:

17

12

11

40.

III. Ein Stadtbuch von Döbeln,

Von

Hubert Ermisch.

Als der Stadtrat zu Döbeln im Jahre 1886 seine ältesten Urkunden und Akten dem Hauptstaatsarchiv zur Aufbewahrung anvertraute, wurde schmerzlich ein mittel- alterliches Stadtbuch vermilst, dem der Stadtchronist Mörbitz manche Nachricht entnommen und das noch im Anfang der 70 er Jahre von Hingst benutzt worden isi^). Vor kurzem ist dies Stadtbuch von dem derzeitigen Bürgermeister Herrn Dr. Lehmann, der sein lebhaftes Interesse für die Geschichte seiner Stadt schon mehrfach betätigt hat, wieder aufgefunden und ebenfalls dem Haupt- staatsarchiv zur fernerweiten Aufbewahrung übergeben worden. Es sei mir gestattet, zur Ergänzung meiner früheren Arbeiten über sächsische Stadtbücher etwas näher darauf einzugehen').

Die Geschichte der Burg Döbeln läfst sich bekannt- lich bis ins 10., die der Stadt Döbeln aber nur bis ins 13. Jahrhundert zurück verfolgen; wir haben letztere wohl für eine Anlage Markgraf Dietrichs des Bedrängten (oder Heinrichs des Erlauchten) zu halten. Bereits im Jahre 1307 bestätigte Markgraf Friedrich der Freidige den Ratleuten und Geschworenen der Stadt eine erbrechtliche Gewohn- heit, „die sie und ihre Vorfahren vor langer Zeit gehabt

1) Const. Mörbitzens Chronica Doebelensia (Leisnig 1727). C. W. Hingst, Chronik von Döbeln und Umgegend (Döbeln 1872). Vgl. diese Zeitschrift XX, 3'^ f.

2) Vgl. diese Ztschr.X, 83 ff. 177 ff., dazu XX, 33ff. XXIII, llOff.

5*

68 H, Ermisch:

haben" ^). Unter den Zeugen einer Urkunde vom 22. Sep- tember 1309 begegnen uns der „magister civium" Thomas nebst acht „jurati et scabini"; Rats- und Schöffenkolleg erscheinen also hier, wie so oft, in enger Verbindung. Dagegen ist eine Urkunde von 1328 von Vogt, Bürger- meister, Schultheils, vier namentlich genannten Schöffen und den nicht einzeln aufgeführten Bürgern, d. h. Rats- mitgliedern, ausgestellt*); hier ist also, wenn wir von dem Vogt, dem landesherrlichen Beamten, absehen, das richter- liche Kolleg, Schultheils und Schöffen, von dem Rate deutlich geschieden. Eine Urkunde von 1331 ist ausgestellt vom Bürgermeister, Schultheils und sechs Ratsmannen und Bürgern-^); in einer vom Bürgermeister ausgestellten Ur- kunde von 1338 erscheinen unter den Zeugen sieben cives in Dobelin, die wir wohl auch für Ratsmitglieder zu halten haben*^). Klarer erkennen wir die Zusammensetzung des Rates erst aus der Huldigungsurkunde für Markgräfin Elisabeth, der Döbeln zum Leibgedinge verschrieben war, vom 5. Februar 1383^); hiernach bestand der Rat, wie in vielen andern meiisnischen Städten, aus zwölf Mitgliedern, deren eins der Bürgermeister war. So war es wohl auch schon vorher; die wohl lediglich auf die Urkunde von 1309^ gestützte Behauptung von Hingst*), der Rat habe bis 1418 aus neun Mitgliedern bestanden, ist irrig. Wenn in unserm Stadtbuch in den Jahren 1414 und 1415 nur sechs bez. fünf Ratsmitglieder genannt werden'*), so deutet in beiden Fällen ein „ic." darauf hin, dais eine vollständige Wiedergabe der Ratsliste nicht beabsichtigt war, wohl weil die Namen sich bereits in einem älteren Stadtbuche fanden. Wo die Mitglieder des Rats vollständig auf- gezählt werden, sind es ihrer stets zwölf.

An dieser Zahl änderte auch die neue Ratsordnung von 1418 nichts, die nach dem Beispiel vieler anderer Städte Meißens an die Stelle des jährlich von der Ge- meinde neu zu wählenden Rates drei in regelmäßigem Turnus wechselnde Räte setzte. Wir sind darüber durch

3) Mörbitz S. 157.

*) Hauptstaatsarchiv Dresden Orig. 1880 u. 2436. Vgl. Beyer, Kl. Altzelle S. 575. 588.

6) Cod. dipl. Sax. reg. IL 15, 116.

«) HStA. Dresden Orig. 2820. Beyer, Kl. Altzelle S. 594.

^) HStA. Orig. 4391. Vgl. Cod. dipl. Sax. reg IB, 1, 40.

") Hingst S. 50

9) Stadtbuch fol. 22. Der vollständige Rat von 1415 (zwölf Namen) wird fol. 131 angeführt.

Stadtbuch von Döbeln. 69

ein in unserm Stadtbuch abschriftlich überliefertes Schreiben des Rates, dem leider der Schlufs fehlt, unterrichtet^**). Darin teilt der Rat zu Dübeln dem Markgrafen Friedrich (dem Streitbaren), der die Stadt auf ihre Bitte „mit dreien Räten begnadet" und die Wahl derselben dem derzeitigen Rate anbefohlen hat, mit, er habe zunächst für das künftige Jahr (1419) zehn ehrsame Männer gekoren, die zwei aus dem alten Rate hinzugewählt haben; diese zwölf haben dann zehn Ratsmitglieder für das Jahr 1420 und die beiden neugewählten Räte zehn Personen in den dritten Rat (für 1421) gewählt; sowohl der andere wie der dritte Rat haben ebenfalls zwei Personen aus dem vorher sitzenden Rate, und zwar „nicht di czwene, di yn dem vordem jore uz dem aldin rate gekorn weren", hinzuzu wählen. Die Namen der gewählten Bürgermeister und Ratmannen werden dem Markgrafen zur Bestätigung mitgeteilt. Diese drei Räte wechseln nun ohne weiteres im Regiment ab; eine Änderung in der Zusammensetzung tritt nur ein, wenn Tod, Krankheit oder sonstige Untauglichkeit die Zuwahl eines Mitgliedes notwendig macht. Die bis zum Jahre 1426 vollständig vorliegenden Ratslisten zeigen, dafs man sich im wesentlichen an diese Ordnung hielt. Aus seinen Mitgliedern wählt jeder Rat einen Kämmerer zur Verwaltung des Stadtvermögens, ferner einen Bau- meister und einen Futtermeister ^^). Einige der Ratslisten führen auch den ebenfalls jährlich wechselnden Schult- heilsen '-) und die vier Schöffen, von denen zwei dem sitzenden Rate angehören müssen^-'), auf. Diese Ordnung bestand bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts.

Wie in anderen Städten, so gab es auch in Döbeln schon früh zur Eintragung der wichtigeren Beschlüsse des Rates, der sich einer weitgehenden Autonomie erfreute, sowie derjenigen vor ihm erfolgten Verhandlungen, die dauernde Bedeutung beanspruchen konnten, ein Stadt- buch ^*). Dafs das uns vorliegende nicht das erste ist.

>o) Stadtbuch fol. 25b. 26. Vgl. Mörbitz S. 158, Hingst S. 51.

") Stadtbuch fol. 26. vgl. fol. 26 b (1420), fol. 33 b (1421), fol. 85b (1422), fol. 31 (1423), fol. 31b (1424).

1-) Ebenda fol. 35 b. 31. 31b. 36.

*'^) Von den Schöffen „uzwenig ratis" (ebenda fol. 35 b) pflegte man den einen aus dem alten, den andern aus dem dritten Rate zu wählen (ebenda fol. 26 b).

'^) Über die Bestimmung der Stadtbücher im allgemeinen vgl. diese Ztschr. X, 96 fl".

70 H- Ermisch:

das überhaupt angelegt wurde, ergibt sich aus ver- schiedenen Stellen, in denen auf das antiquum registrum, das alte Stadtbuch, verwiesen wird^^^). Leider scheinen diese ältesten Stadtbücher von Döbeln sämtlich verloren gegangen zu sein.

Unser Stadtbuch ist ein starker Quartband von 139 Blättern Pergament in 13 Lagen von verschiedener Stärke (je zwei bis acht, meist sechs Doppelblätter). Diese Lagen, die zum Teil ursprünglich Sonderhefte bildeten, wurden wohl schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in starke, mit braunem Leder überzogene und mit einer eisernen Öse und einem Lederriemen zum Verschluls ver- sehene Holzdeckel eingebunden; auf der Innern Seite des vordem Einbanddeckels ist eine Urkunde über den Ver- kauf von Erbzinsen zu Knobeisdorf an den Rat zu Döbeln vom 11. Juni 1420, auf der Innern Seite des hintern Deckels ein der Schrift nach wohl noch aus dem 14. Jahrhundert stammendes Blatt aus einem lateinischen Andachtsbuche eingeklebt. Erheblich später als der Einband, frühestens im 16. Jahrhundert, erfolgte die Foliierung der Blätter mit 1 138 ''^). Bei dem Einbände wurde die ursprüngliche Ordnung der Blätter nicht ganz gewahrt. Die ältesten Eintragungen finden sich in der 3. Lage auf fol. 22; sie gehören dem Jahre 1414 an''). Es schliefsen sich dann, abgesehen von Nachträgen, Einträge bis 1426 an, wobei die Blätter 33—35 in den Jahren 1421 14221«), d.h.

15) Vgl. fol. 22, wo es nach Anführuug des Rates von 1414 heifst : „Quicqaid circa ipsos isto anno factum seu notatum fuit de lib[e]ris arbitriis (Willküren, Teidigungen) , hoc scriptum stet in antiquis libris hinc inde. Quere, si placet". Ebenso zu 1415: ,,Quicquid fuit notatum de lib[e]ris arbitriis, eciam notatum est in antiquis registris hinc inde". Weitere Hinweise auf das antiquum registrum, die alden register, das aide stadbuch ebenda fol. 1. 6b. 30b. 137b. An letzterer Stelle wird davon das „Geschofsregister" unterschieden.

^^) Ein Blatt hinter fol. 14 ist aus Versehen nicht mitgezählt; hinter fol. 98 ist vor der Blattzählung ein Blatt herausgeschnitten worden und damit der Schlufs einer fol. 98b eingetragenen Zinsverkaufs- urkunde verloren gegangen.

1'') Mörbitz S. 11 setzt freilich einen Eintrag (fol. 33b) ins Jahr 1411; aber derselbe gehört ohne Zweifel ins Jahr 1421 (vgl. über die unmittelbar vorhergehende Ratsliste unten N. 17), und ebenso beruht die Jahreszahl 1411, die das Stadtbuch selbst einem Pacht- vertrag des Stadtschreibers Nicol. Rochlitz beifügt (fol. 34 b), ohne Zweifel auf einen Schreibfehler für 1421 : drei hier genannte Zeugen gehören dem Rate dieses Jahres an.

'*) Dafs die undatierte Ratsliste fol. 33 b ins Jahr 1421 gehört, ergibt ein Vergleich der Namen mit fol. 25 b.

Stadtbuch von Döbeln. 71

früher als die Blätter 31—32 (1423—1424), beschrieben wurden. Zeitlich am nächsten steht der dritten die letzte Lage (fol. 131—138), die 1415—1421 zu Einträgen benutzt wurden; sie und die erste Lage (1420 1426) stehen in losem Zusammenhange mit dem Ganzen. Aber auch im übrigen ist von einer chronologischen Ordnung der Ein- träge kaum die Rede; die älteren Stadtschreiber machten ihre Notizen oft auf weit hinten befindlichen leeren Blättern (vgl. z. B. Einträge von 1432—1434 auf fol. 89b, 97, 101, 101b, 102 unter lauter späteren Einträgen), die jüngeren aber benutzten gern die leeren Stellen vorhergehender Blätter ^'■'). So finden sich auf einem Blatte oft Einträge, die um ein halbes Jahrhundert und mehr aus einander liegen. Als den eigentlichen Schlufs des Bandes hat man die vorletzte Lage (fol. 127 130) anzusehen, die bis 1495 in regelmälsiger Benutzung war; die jüngsten datierten Ein- träge sind Nachträge von 1498 auf fol. 130 und von 1500 auf fol. 97.

Der Inhalt unseres Stadtbuches, auf den wir jetzt eingehen, ist ein sehr mannigfaltiger; für die Stadt- geschichte ist er von vielseitigem Interesse.

Die erste Lage, die, wie ich schon bemerkte, zuerst eine Sonderexistenz geführt haben dürfte, beginnt unter der Aufschrift „Diz sind dy marke, dy uf den husern sten" mit einem Verzeichnis sämtlicher Grundstücke bez. Grund- stücksbesitzer der Stadt, das nach einer weiteren Notiz im Jahre 1420 dem alten Stadtbuch entnommen worden ist und später viele Abänderungen und Nachträge erfahren hat. Abgesehen von diesen betrug damals die Zahl der Hausgrundstücke 188, wozu noch neun bez. zwölf unter den Aufschriften „dy liuttin obine" und „di huttener uf dem nedermarkte" kommen. Die Zahl der Mark, die sich neben jedem Namen findet und zwischen V2 und 18 schwankt, bezeichnet wohl den Grundwert, der für die Schofspflichtig- keit des Hauses mafsgebend war. Die Gesamtzahl der bürgerlichen Grundstücke der inneren Stadt Döbeln denn die Vorstädte scheinen nicht mit berücksichtigt zu sein betrug im Jahre 1420 also 209, was nach einem freilich sehr unsicheren Anschlage auf eine Einwohner-

19) Ygi (jie Bemerkung zum Jahre 1459 fol. 87b: Andere sachin, da nicht grosse macht an leit, sein ouch beteydinget in disen ge- schriben iaren. Dj' habe ich geschriben, wu ich hievor ledige stete am pergameno fant.

72 H. Ermisch:

zahl von 14—1500 Personen schliefsen läM, wozu ohne Zweifel noch eine Anzahl Vorstädter hinzuzuzählen sind-"). Fünfzig Jahre später hatte Döbeln nur 192 Hausgrund- stücke innerhalb und 18 angesessene Gärtner vor der Stadt-'), während im Jahre 1567 nach dem ältesten er- haltenen Gescholsbuche die Zahl der Bürgeihäuser inner- halb der Stadt 238, die der Vorstadthäuser 101 betrug-"-). Blatt 3 unsers Stadtbuches hat die Aufschrift: „Diz sind uzschrifte der briffe, dy dy stad hat obir die willikore, obir wegegelt unde obir di czinsse, dy zcu den altaren gehören etc." Es scheint hiernach die Anlage eines ürkundenkopiars beabsichtigt gewesen zu sein; es folgen jedoch zunächst nur sechs Urkunden in Abschrift bez. Über- setzung, nämlich eine Privilegienbestätigung Markgraf Friedrichs des Freidigen vom 11. März 1307-=^), ein Be- fehl des Markgrafen Wilhelm I. wegen der Erhebung eines Wegegelds durch die Bürger vom 7. Februar 1383, ferner Urkunden desselben für den Barbara -Altar in der Jacobi- kirche vom 2. August 1385, des Burggrafen Albrecht von Leisnig für den Altar des h. Kreuzes vom 2. April 1368-^), der Markgräfin Anna (Witwe Wilhelms I.) für den Altar des heil. Leichnams vom 17. November 1409'-'^) und des Burggrafen Heinrich von Meilsen über die Stiftung einer Messe in der Nicolaikirche zu Döbeln (in der auch die beiden erwähnten Altäre liegen) vom 29. Dezember 1414 oder 28. Dezember 1415-*'). Daran schliefsen sich Notizen über die zu den genannten Altären und zu dem Altar im Ferne- siechenspital gehörigen Zinsen-'), über die Einkünfte „uz dem Kabathin", einem Garten vor Döbeln, den der Rat um 1379 von Heinze Siegel gekauft hat"-^j, über das von der Stadt dem Jungfrauenkloster zu Staucha zu leistende Restaurum für die genannten Altäre, über die Rechte der Stadt an den- selben und endlich die Abschrift einer Urkunde des Burg-

20) Ygi ^])Qy die Berechnung diese Ztschr. XI, 150.

2') Ebenda 149.

"-) Vgl. Hingst S. 44. Die Einwohnerzahl wird ebenda nach anderen Quellen für die Zeit von 1549—1558 auf etwa 3500 berechnet.

-3) Gedruckt bei Mörbitz S. 157.

'-*) Das Original befindet sich jetzt im Depos. des HStA.

-'") Mörbitz, Urkundenanhang ^r. 2.

■-'*) Gegebin yn dem fun[f]czendeu iare an dem sünabinde vor der besuydunge . Mörbitz, Urkundenanhang Nr, 1.

2'') Auf die letzteren bezieht sich auch eine Notiz auf fol. 42.

•-'^) Urk. Markgraf Friedrichs III. vom 30. März 1379, Original im Depos des HStA.

Stadtbuch von Döbelu. 73

grafen Heinrich von Meißen für den Altar des h. Leichnams vom 28. Juni 1420. Um dieselbe Zeit und wohl von der- selben Hand wurden an verschiedenen Stellen des Buches Abschriften des schon erwähnten Briefes über die Rats- wahl von 1418 (fol. 25 b) und mehrerer Zins- und Leibrenten- verschreibungen des Rates 1415 1418 (fol. 103 b, 104b, 131, 136b) eingetragen. Von letzteren verdient besondere Erwähnung die Urkunde über den Verkauf von 50 un- garischen Gulden jährlichen Zinses für 600 ungarische Gulden Hauptsumme an Heinrich Kudorff, Bürger zu Lobeda (fol. 131); an ihn schlielst sich ein ebenfalls von derselben Hand herrührender Vermerk, wonach dieses Kapital gegen 10°;, Zins und Sicherheit durch Bürgen- stellung weiter verliehen werden soll, und ein langes Ver- zeichnis derjenigen Personen, die Teile dieser Hauptsumme unter diesen Bedingungen entliehen haben (fol. 132 137), mit vielen Abänderungen und Nachträgen, die bis etwa 1440 reichen und auf fol. 103, 105b, 116b fortgesetzt werden; Verzeichnisse der in den Jahren 1441 und 1442 ff. aus dem „Goldgeld" so heilst die Hauptsumme oft gewährten Darlehen finden sich fol. 100b und 79b 84, einzelne Nachträge dazu fol. 84, 85b, 99. Später wurden dann noch gelegentlich Urkunden abschriftlich ins Stadt- buch eingetragen (so fol. 11— 12 zwei Leibrentenbriefe des Rates von 1423, fol. 95 b und 97 b Urkunden der Bischöfe Thimo und Johannes von Meilsen für Altäre der Nicolai- kirche vom 19. November 1409 und 9. Dezember 1432, fol. 113 ein Befehl Herzog Albrechts wegen Mafsnahmen gegen die Unsicherheit der Stralsen vom 19. August 1491, fol. 114 ein Schreiben Kurfürst Ernsts und Herzog Albrechts wegen des Bierschanks in Noschkowitz vom 24. Juni 1482, fol. 121b eine Urkunde derselben wegen des Zolls zu Rofswein vom 14. November 1467); aber ein eigentliches Kopialbuch legte man erst im Jahre 1475 an^^).

Abgesehen von den Anfängen einer Ratsliste und finanziellen Vermerken , wie sie bereits erwähnt wurden und denen mannigfache Vermerke über die Aufnahme und zinsbare Anlegung von Geldern durch den Rat u. ä. an- zuschlielsen sind, enthält unser Buch noch manche für die Geschichte der Verwaltung interessante Notiz. Die Erwerbung des Bürgerrechts, die häufig in den Stadt- büchern angemerkt wurde, finden wir freilich nur in

-») Vgl. diese Ztschr. XX, 33 Anm. 3.

74 H. Ermisch:

wenigen Fällen wohl sämtlich ans dem Jahre 1426 eingetragen'^*'); vermutlich wurde hierfür, wie auch für die Ratslinie später ein eignes Buch angelegt. Eine Will- kür vom 4. Juni 1462, wonach Stadtkinder 7^!^, andere 15 Groschen Gebühr für Verleihung des Bürgerrechts geben sollten, steht fol.97. Ebenfalls nur ausnahmsweise begegnen uns Bestallungen von städtischen Bediensteten, so fol. 33 des Kirchners von etwa 1421 (die wohl nur deswegen aufgenommen wurde, weil wegen seines Lohnes ein Ab- kommen mit seinem Vorgänger zu treffen war), fol. 97 des Totengräbers vom 23. Mai 1432 (nebst einer Totengräber- taxe mit Nachträgen bis 1500), Eingehende Angaben über die Einkünfte des Kirchners finden wir ebenda fol. 138, über den Lohn des Stadthirten fol. 114b. Einmal, im Jahre 1423, ist die Wahl der Altarleute (Kirchen- vorsteher) eingetragen (fol. 105 b). Eine Vereinbarung mit dem Propst (des Jungfrauenklosters zu Staucha) wegen des Läutens der Glocken zu den gottesdienstlichen Hand- lungen wurde am 9. April 1445 getroffen (fol. 62 b). Wichtiger ist die „willikore, wi man dy gerade gebit yn der stat Dobelin" (fol. 30b), die um 1420 eingetragen wurde, aber nur den Inhalt einer (verlorenen) Urkunde des Markgrafen Wilhelm I. (f 1407) wiederholt. Sie enthält genau die- selben Bestimmungen über die Gerade, wie sie in Leipzig galten ^^) und von dort aus seit dem Ende des 14. Jahr- hunderts auf verschiedene Städte Meilsens übertragen wurden^'-). Eine kurze Übersicht über das „Heergeweth" trug fol. 9 eine spätere Hand nach.

Am 23. Februar 1420 (feria sexta post Petri ante invocavit) wurde anlälslich einer Klage der Fleischhauer gegen Nickel Borner, dafs er geschlachtet habe, ohne Meisterrecht zu besitzen, die Höhe des Lohnes für das

^^) z.B. fol. 2b: Pauel Romer had burgerrecht gewonnen am fritage in vigilia puriflcacionis Marie XXVI to anno. Ahnlich fol. 8b. 9b. 37 b.

**') Vgl. die undatierte Leipziger Willkür über die Gerade im Cod. dipl Sax. reg. II. 10, 316. Einige Abweichungen von den gleich zu erwähnenden Ableitungen, wie S. 316 Z. 23 „das bette nehst dem besten" statt ,,das beste bette" und die Hinzufügung des Satzes „Ist ouch . . . gespyn" (S. 316 Z. 36 bis S. 317 Z. 1) erklären sich wohl daraus, dafs die Leipziger Willkür nur in späterer Abschrift er- halten ist.

"-) Vgl. die wörtlich übereinstimmenden Willküren für Pirna (5. Juni 1389) Cod. dipl. Sax. reg. II. 5, 372, für Grimma (16. Februar 1395), ebenda II. 15, 47 und für Chemnitz (1410/11) ebenda II. 6, 68.

Stadtbuch von Döbeln. 75

Hausschlachten genau festgesetzt und bestimmt, dafs, so lange die Fleischer sich an diese Sätze halten würden, niemand um Lohn schlachten dürfe, der nicht mit ihnen Meisterrecht habe (fol. 29). Sonst finden wir von Hand- werkssachen nur noch die Innung, die der Rat auf Befehl des Kurfürsten am 31. Oktober 1449 den Leinwebern ge- geben hat (fol. 73).

Für einen Vergleich zwischen Rat und Gemeinde wegen des Ausschanks fremden Bieres haben wir wohl einen Vermerk aus dem Jahre 1426 (fol. 15 b) anzu- sehen^^).

Wie in vielen Städten, so finden wir auch hier eine Willkür gegen das Messerzücken, die Gemeinde und Rat am 6. August 1445 gemeinsam beschlossen (fol. 41 b)^*).

Auch eine „vorwillunge der ganczen gemeynden

arm und reich" vom 7. Jan. 1448 (fol. 77 b) wirft ein

bezeichnendes Licht auf die Zustände in der Stadt; es

heifst darin:

Wie das kqweme, das eyn mitteburger, der eynen orob''^) habe und ufs der stad wiche, der suide eynen manden ufswendigk der stad bleiben. Unde dornoch weide er in die stat weddir, zo sulde er vorwandiln noch eynes rats irkentnifse, alzo nochdem er vorboret hette in sulcher zcweytracht. Weide er das nicht thun, zo sulde er ufswendigk bliben ....

Es mag endlich noch ein Eintrag vom 14. März 1420

(fol. 29 b) erwähnt werden, der uns zeigt, wie mannhaft

die Bürger ihre Gerechtsame zu verteidigen wulsten:

Fricczo von Nicczewicz houptman zcu Lissenig, Nicol. Swert- feger voit zcu der czit habin spelere yngeheisschin vor ding, dy yn der stad gespelit habin yn den husern, unde auch welch wert yn sime huse hat lassin speien, Dorumme der obgeschreben burger- meister Michael am Ende mit andern radmannen vor unsern gnedigen herren hern Fredrich geczogen ist unde irworbin, daz unser gnediger

^^) Das jar had man Mittewedisch bir geschangt. Des weiden wir ratmanne darnmme an imsern gnedigen hern hern Frederich herczogen zcu Sachsen geritten seyn. Des thedingite czwisschen . . . (Lücke im Text) burcgrafynne von Missin, die zcu der cziit eptischynne ym closter zcu Dobelin was, unde ire probiste.

^*) Anno domini etc. XLniu quinto in vigilia Donati ist die gemeyne gantz eyn wurden alzo mit dem rathe, zo welcher inheymischer mitteburger Jungk adder alt adder knappen unde alle ander hant- werkesgesellen och Jungk unde alt unde alle buerfslute, welcher undir den gnanten eynir eyn messer zcoge, der sal zcu busse uff das rathufs gebin funnff groschen ane weddersproche unde dorczu das messir verlisen, zo er des obirkomen wirt.

^) orob, urhab s. v. a. Streit, Auflauf.

76 H. Ermisch:

herre uns gelassin hat bi dem getwengnisse, daz si ere kare nemen sullin von den spelern, di j'n der stad speien, also si iz von aldiu langen iaren ye genomeu habin. Thedingesherren sind gewest der ge- strenge ritter er Apel Viczthura unde der gestrenge Hans Czigilheim. Unde ist gesehen am dornstage vor letare anno domini etc. XX i'.

Von der Ausübung der polizeilichen Befugnisse des Rates zeugen verschiedene Einträge : so Bekenntnisse über den Gebrauch falscher Würfel (fol.33, 35, ohne Jahreszahl), Vermerke über die Ausweisung von sieben Personen wegen Bedrohung des Rates, Spiels und Herstellung von Nach- schlüsseln, Ehebruchs und Diebstahls (fol. 41, um 1440); in zwei Fällen mulsten die Betrotfenen die iStadt auf vier, in einem auf zwei Meilen „verschwören"^*^), in den übrigen ist der Bereich, auf den sich die Verweisung er- streckt , nicht angegeben. Am 20. Dezember 1472 wird Marathe, Jacobs Siechten von Schleinitz Tochter, die zu Gefängnis gebracht war, auf Fürbitte ihrer Brüder losgegeben, „also das sie die statt uff eyne meyl wegs vormeyden sal, unbeschediget unser statt unde unser gnedigen herren landen, davor die gnanten ire bruder globet haben bie eynem orfrede stete vehste unde gancz zcu halden" (fol. 14c). Eine andere Urfehde in sehr ge- kürzter Form finden wir fol. 57b (von 1443), ein Gelöbnis von drei Urfehdebürgen „vor den gefangen, daz er ys fredelich halden zal unde dy stat unbeschedigit unde un- vordacht habin und dy stat vors wern vier milen", auf fol. 105b. Es sind das nur vereinzelte Beispiele von Aus- weisungen und Urfehden ; wahrscheinlich wurden sie regel- mäfsig in ein besonderes Buch eingetragen, wie es deren in vielen Städten gab^').

Den Hauptinhalt unsers Stadtbuchs aber bilden hier wie anderwärts •^^) Verlautbarungen vor dem Rat in Privat- angelegenheiten der Bürger: Bekenntnisse, Vergleiche und Verträge in Kauf- und Schuldsachen, Erbschafts- und Vormundschaftsangelegenheiten, Sühnen verschiedener Art u. dgl. m. Verhältnismälsig selten erscheint die Übertragung von Grundeigentum; es erklärt sich das daraus, dals die Auflassung, der Verzicht des Verkäufers und die Beleihung des Käufers regelmäfsig im Stadtgericht (in gehegter Bank vor Richter und Schöffen) erfolgten, wo ein besonderes

30) Vgl. diese Ztschr. XIII, 33 f.

3') Vgl. ebenda 13 f.

38) Vgl. diese Ztschr. X, 99 ff.

Stadtbuch von Dübeln. 7,1?

Gerichtsluich geführt wurde ■'^), und nur ausnahmsweise: noch aulserdem vor dem Stadtrat wiederholt und ins Stadtbuch eingetragen wurden*"). Wir müssen uns ver- sagen, näher auf den Inhalt dieser mannigfachen Rechts- geschäfte einzugehen; sie geben ein anschauliches Bild von der vielseitigen Tätigkeit der Stadtbehörden im Mittel- alter, wiederholen sich jedoch in allen Städten, aus denen uns derartige Quellen erhalten sind.

Von besonderem Interesse sind endlich noch einige, rein chronikalische Notizen, die in dem ältesten Teile des Stadtbuches Aufnahme gefunden haben. Wir erfahren daraus von einem Stadtbrande, der am 20. Juli 1419*M den grölsten Teil von Döbeln zerstörte, von einer grofsen Überschwemmung am 28. Juli desselben Jahres, von einer Feuersbrunst, der am 24. Mai 1420 die Stadt Roiswein zum Opfer fiel, von Befestigungsarbeiten im Jahre 1420 und von der Beteiligung der Stadt an dem Feldzuge gegen die Hussiten nach Böhmen vom 16. Juni bis 4. August 1420. Wir stellen diese Notizen unten zusammen; zwar sind die beiden letzten bereits von den Chronisten benutzt worden*-), verdienen aber wegen der grofsen Seltenheit von unmittelbaren Nachrichten über die Hussitenkriege doch auch eine wörtliche Wiedergabe.

Anhang.

Chronikalische Notizen aus dem Stadtbuch von Döbeln.

1. (fol. 28 b) Feria quinta in vigilia sancte Marie Magdalene prece- denti nocte [20. Juli 1419] fuit et erat incendium in domo Hans Helwigis et sie quod tunc combusti fuenmt XL VII curie exceptis hiis, que dilaniate fuerunt.

^^) alz man vindet in gericbtis buche fol. 46 b.

^0) Vgl. z.B. fol. 23: Anno MoCCCC^XV. . . ist komen der erbar herre her Nicolaus Crusse, Margareta sine swester, myt Jacoffe unde Peter der genanten Margareten eliche kinder unde haben ufgelassen unde sich willig vorczegen ingeheitebang kegeu Claussen Wiczan des hofes, der Claus Dressedens ist gewest. Darnach ist komen yn unsern rad yn dem jare alz*man schribit M'^ CCCC^X VII der genante her Niclaus unde hat gelobit dem genanten Claussen Wiczan, daz her en des hofes obgenant wil vveren vor den kindern egenant, vor siner swester unde vor ydirmans anspräche, also daz recht ist. Vgl. auch fol. 27. 39. .39 b u. ö.

•*!) Das Jahr ergibt sich aus der Stellung der Einträge im Stadtbuche und daraus, dafs 1419 der Tag Marite Magdalena; (22.. Tuli) auf Sonnabend fiel.

*2) Mörbitz S. 6. 124. 266. Hingst S. 16. 39.

78 H. Ermisch: Stadtbuch von Döbeln,

2. (fol. 28 b) Feria sexta post Jacobi [28. Juli 1419] venit magna

aqua, sie quod implevit cillaria in inferior! civitate et distruxit frumenta in campis et orreis.

3. (fol. 30) Feria quarta post letare [20. März 1420] hat man begunst

den graben zcu grabin umme die stad unde wart volant virczen tage nach den osterheiligen tagin [21. April 142« J, unde also daz der wirt muste erbeitin fünf tage unde di huzgenossin dy helffte unde die gertener vor der stad y" der man czwene tage. Ouch so erbeite der voit den grabin obin der Stupicz mol mit dem lantfolke gancz uz.

4. (fol 30) Russewin di stat braute abe am fritage zcu abunde vor

den phingistheilgen tagin [24. Mai 1420].

5. (fol. 30) Dominica die post Viti anno domini etc. XX ° [16. Juni

142(1] von der stad wegin sind geczogin yn dy herford geczogin funffe mit glefenien kegin Behemen mit unserm gnedigen herren hern Frederich unde mit czwen spissewagin, also daz ein her- fordspisewagen der stad gebotten ward, so fürten si einen wagen

en selbir zcu nuccze. Ouch so lis di stad zcu der czit ein geczhelt machin. (Späterer Zu«atz:) Unde qwamen widder am suntage vor Donati [4. August 1420]. Zcu solde gab man y dem wepener XV gr. di woche, dem schuczen Xgr., dem rinnere VIgr.

IV.

Zur Heiratsgeschichte der Herzogin von Eochlitz.

Von Gerhard Planitz.

Eine interessante Persönlichkeit der Reformations- zeit in Sachsen, eine Fürstin, deren Bild uns besonders durch die neuesten Veröffentlichungen Erich Brandenburgs nahe gebracht wurde, ist Elisabeth, die Schwester des Landgrafen Philipp von Hessen, nach ihrem Witwensitz gewöhnlich die Herzogin von Rochlitz genannt'). Sie war die Gemahlin des Herzogs Johann, des ältesten Sohnes Georgs des Bärtigen.

Die Beziehungen zwischen dem sächsischen und hessi- schen Fürstenhause waren von jeher die besten. Beide Häuser standen nicht nur miteinander in Erbeinung und Erbverbrüderung, sondern waren auch durch verwandt- schaftliche Bande auf das engste verknüpft. Herzog Georg und Landgraf Wilhelm waren überdies intime Freunde'-). Um dieses Bündnis noch zu befestigen, be- schlossen beide Fürsten ihre Kinder Johann und Elisabeth zu verheiraten. Die Verhandlungen darüber waren schon

^) Vgl. E. Brandenburg, Moritz von Sachsen I (Leipzig 1898). Derselbe, Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen I (Leipzig 1900).

") Frh. Gr. Schenk zu Schweinsberg, Das letzte Testament Landgraf Wilhelm II. von Hessen vom Jahre 1508 und seine Folgen (Gotha 1876) S. 8 f 65. Ohr Rommel, Philipp der Grofsmütige (Giefsen 1830) II, 384. Anm. 142.

80 t^. Planitz:

im Juni 1504 im Gange*^), wurden aber erst am 8. März 1505 durch die Ebestiftung, welcbe Georg und Wilhelm auf dem Tage zu Erfurt aufrichteten, zum Abscbluls gebracht*). Elisabeth (geb. 4. März 1502) war damals drei Jahre und Johann (geb. 24. August 1498) noch nicht sieben Jahre alt, als sie zum Bunde fürs Leben bestimmt wurden').

Die Ehestiftung sollte für Elisabeths Zukunft ent- scheidend sein. Sie übte einen bedeutsamen Einfluls aus auf ihre Lebensschicksale. Darum dürfte es von Literesse sein, sie näher kennen zu lernen. Sie bestimmte: Wilhelm gibt seiner Tochter 25000 fl. rh. guter Frankfurter Währung, zahlbar in Mühlhausen, zur Zeit des Beilagers. Zur Heimfahrt erhält Elisabeth Silbergeschirr, Kleider und Kleinodien. Dagegen gibt Georg seinem Sohne ebenfalls 25000 11. Widerlage und 5000 fl. für die Braut als Morgen- gabe. Diese Summen werden auf Eochlitz, Stadt und Schlots, sicher gestellt, dafs die Witwe auf 55000 fl. jähr- lich 5500 fl. gewisse Gülte habe, mit Wildbahn, Atzung, Fischerei, Federvieh, Bulse und Frevel, ausgenommen die Fischerei, die von altersher verlassen (d. h. verpachtet). Die Hintersassen des Wittums sollen wider Recht nicht beschwert werden. Die Amtsleute und Untertanen des- selben sollen aber schon vor dem Beilager der Herzogin huldigen. Nach Johanns Tode steht Elisabeth das Wittum zu und fällt nach ihrem Absterben wieder an Georg zu- rück. Georg und seine Erben haften für rechtzeitige Lieferung der Gülte und stellen darüber Verschreibung aus. Wird das Wittum abgängig oder trägt die Zinsen nicht, so sind Georg und seine Erben verpflichtet, ein anderes einzuräumen. Wird es durch Brand oder sonstiges Unglück geschädigt, so sollen Georg und seine Erben die eine Hälfte des Schadens, Elisabeth die andere tragen. Georg übernimmt die Schutzpflicht über das Wittum und

^) Georg au den Landgrafen Wilhelm, Haarlingen 9. Juni 1504 (Konzept") Hauptstaatsarchiv Loc. 10, .547 Herzog Johann zu Sachsen mit Prewlein Elisabeth pp. 1504 1538. El. 11. Verhandlungen über die Ehcstiftung ebenda Bl. 436. Entwurf einer Ehestiftuug zwischen. Johann und Elisabeth (jedenfalls aus der landgräfl. Kanzlei) ebenda Bl. 290f. Befehl Georgs an die Grafen, Ritterschaft und Städte, sich zur Unterschrift der Eheberedung in Erfurt einzufinden und sich wegen 25000 fl. Ehegeld zu verbürgen, Dresden 21. Januar 1505 (Konzept) ebenda Bl. 113. Landgraf an Georg, Kassel 29. Januar (OrigJ ebenda Bl. 114.

*) Orig. Nr. 9601.

^) Chr. Rommel, Geschichte von Hessen III. 2, 181.

Zur Heiratsgeschichte der Herzogin von Rochlitz. 81

gibt darüber vor dem Beilager Verschreibung. Die Ein- wohner der Herrschaft Rochlitz werden, solange sie unter Elisabeth stehen, mit Schätzung, Steuer, Frondiensten, Reisen, Heerfahrten nicht beschwert. Wilhelm erhält das Recht, die Herrschaft vor dem Beilager zu besichtigen, und Georg übernimmt die Pflicht, dieselbe, sollte sie nicht in gutem Stande sein, herrichten zu lassen. Wenn Elisabeth 12 Jahre alt ist, soll der Handstreich, wenn sie 15 Jahre alt ist, das Beilager geschehen, es wäre denn, beide wünschten das Beilager eher. Bei der Heim- fahrt bringt Wilhelm seine Tochtei- bis Mühlhausen, wo sie von Georg und seinen Leuten in Empfang genommen wird. Ein Vierteljahr vor dem Beilager verzichtet Elisabeth auf alles väterliche, mütterliche und brüderliche Erbe. Stirbt Elisabeth vor Johann ohne Kinder, so kommt ihr Silbergeschirr, ihre Kleider, Kleinodien und Geschenke, soweit sie das Zeit ihres Lebens erworben hat, an Johann, was sie aber nicht zur Zeit ihres Lebens erworben, da- von bleibt Johann nur der Nielsbrauch und fällt darnach an Wilhelm und seine Erben zurück. Alsdann bleibt die Herrschaft Rochlitz mit 2\^ Tausend Gulden jährlichen Zins dem Landgrafen verhaftet, bis das Heiratsgut zurückgezahlt ist. So es zum Falle (Johanns Tod) kommt, sollen alle Lehnmannen und Verwandten der Herrschaft von Georg ihrer Eide entbunden und an Elisabeth, so es zum Wiederfalle kommt (Elisabeths Tod), an Wilhelm gewiesen werden. Ebenso soll es gehalten werden, wenn Elisabeth Kinder bekommt und diese zu Lebzeiten ihrer Eltern ohne Erben sterben. Sind Erben vorhanden, so erben sie das Heiratsgut und die Wider- legung. Stirbt Johann, so ist Elisabeth gestattet um die Widerlage und Morgengabe das Wittum einzunehmen, ungeirrt und unabgelöst, zumal von Seiten Georgs, es zu gebrauchen, solange sie ihren AVitwenstand nicht ver- ändert. Ihr folgt alsdann ihr eingebrachtes Silbergeschirr, ihre Kleider, Kleinodien und ihr Schmuck, auch was ihr von Kleinodien, Silbergeschirr und Barschaft geschenkt wurde, desgleichen aller Hausrat an Wein, Früchten, Getreide und anderem, so Johann in dem Schlots und der Herrschaft gelassen, soviel ihre Notdurft als Fürstin er- fordert. Wenn Mangel eintritt, soll ihr durch Georg das Fehlende erstattet werden. Wenn Elisabeth wieder heiratet, steht es Georg frei, sie mit 55000 fl. abzulösen, vorausgesetzt, dafs bis dahin alles bezahlt ist. Alsdann

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 1. 2.

S2 ö- Planitz:

soll sie das Leibgut abtreten und die Amtleute ihres Eides entbinden. Geschieht die Ablösung, so soll vor Aus- zahlung der 55 000 fl. eine Verschreibung gegeben werden, dafs Elisabeth dieses Kapital lebenslang behalten und dasselbe nach ihrem Tode an Herzog Johanns oder ihre Erben fallen solle. Hat Johann keine Erben, so sollen 25 000 fl. an Wilhelm und ebensoviel an Georg und seine Erben fallen. Über die Morgengabe aber steht Elisabeth freie Verfügung zu. Zum Bauen und Brennen wird ihr Holz geliefert. An Georgs und Johanns Schulden hat sie keinen Anteil. Sie darf die Herrschaft nicht verkaufen oder versetzen, auch das Wittum nicht gegen Georg ge- brauchen, es sei denn, dafs ihr daselbst Eintrag von Georgs Erben geschehe. Zum Schlols Rochlitz gehören 60 Stück Hackenbüchsen , 4 Schlangen , 2 gute Stein- büchsen, 100 Handbüchsen, Blei, Steine und andere Be- reitschaft, auch 10 Tonnen Pulver. Was unter den be- Avittumten und bemorgengabten Gütern Lehngut ist, da- für hat Georg Verwilligung zu verschaffen. Was Pfand- schaft ist, soll, wenn es abgelöst wird, angelegt werden und Elisabeth zustehen. Alles aber soll vor dem Bei- lager erledigt sein. Geistliche und weltliche Lehen stehen Elisabeth zu. „Und ob den Lehnmannen etwas auf den Wittumsgütern, die ihr in ihre Nutzung ange- schlagen, verschrieben wäre, das sollen Georgs und seines Sohnes Erben ohne ihren Schaden ausrichten und be- zahlen." Vor dem Beilager sollen die Wittumsverschrei- bung, der Verzichtbrief und der Schirmbrief des Wittums, auch der Huldigungsbrief und die Quittung über das Heiratsgut ausgestellt und die Morgengabe übergeben werden. Man gelobt mit Handschlag, dals, wenn bei einem Teile Mangel oder Weigerung eintrete, er dem andern 25 000 fl. innerhalb eines halben Jahres zahlen solle, und diese Bestimmung wird auch auf die Kinder ausgedehnt. Bürgen dieses weitgehenden Vertrages waren von sächsischer Seite: Hugo Burggraf von Leisnig, Graf Heinrich d. J. zu Stolberg, Graf Heinrich zu Hohnstein, Graf Adam zu Beichlingen, Diterich von Witzleben, Götz von Ende, Ritter, Christoph von Taubenheim zu Bedra, Amtmann zu Freiburg, Heinrich von Pack, Amtmann zu Delitzsch, und die Bürgermeister, Räte und ganze Ge- meinen der Städte Weilsensee, Tennstädt, Pegau und Mittweida. Von hessischer Seite werden als Bürgen aufgeführt: Graf Philipp zu Waldeck, Graf Heinrich zu

Zur Heiratsgeschichte der Herzogin von Rochlitz. 83

Waldeck, Wilhelm von Stein zu Wittgenstein, Eberhard von Epstein, Hermann Riedesel, Erbmarschall, Ludwig von Boyneburg, Statthalter an der Leine, Konrad von Wai- denstein, Statthalter an derWerra, Heinrich Trotha, Mar- schall, und die Bürgermeister, Räte und ganze Gemeinen der Städte Kassel, Marburg, Eschwege und Giefsen. So waren denn zwei junge Fürstenkinder von den ersten Lebensjahren an, wie das vielfach Brauch war, anein- ander gekettet.

Wilhelm starb 1509 nach schweren Leidenstagen *^), nicht ohne in seinen beiden Testamenten der beschlossenen Ehe zwischen seiner Tochter und Herzog Georgs Sohn gedacht und dem befreundeten Sachsenherzoge eine be- sondere Mitwirkung bei der Testamentsvollstreckung zu- erkannt zu haben. „Unser executores", so bestimmte Wilhelm, „sollen in allen treuen ufsehins haben und mit hoclistem fleis doran sein, das die angefangen freuntschaft zusehen unserem ohem und sweher hz. Georgen von Sachsen, uns und unser beder kindern ufgericht, sobalde die ire jare und alter erreichen nach vermuge der verschreibung darüber sagende und nach ordenunge der heiligen crist- lichen kirchen au einchen ufzug ufs förderlichst fullen- stragt werde und geschee, das auch solichs in keinen weck abe odir zurückgehe". Herzog Georg wurde mit den ernestinischen Fürsten zu Handhabern des Testaments ernannt, deren Rat im Kriegsfalle eingeholt und denen Hessen beim Aussterben seines Mannesstammes zufallen sollte. Doch wurde er vor seinem Vetter noch besonders durch das Vorrecht begünstigt, dafs die Vormünder nur unter seiner Bewilligung abzusetzen sein sollten, und er im Falle der Wiederverheiratung der Landgräfin Anna das Amt eines obersten Vormundes zu übernehmen hatte ^).

'^) Die tendenziöse Schilderung der Leiden Wilhelms II. findet sich in folgendem Aktenstück: Landgraf Wilhelms des Altern (Mitt- lern) zu Hessen Clag und Beschwerung wider sein f. g. geheime Räte, welche ihn in seiner Leibes- und Hanptschwachheit ganz und gar verlassen und in allen Dingen wider ihre Eidesleistung zuwider gewesen, ausgegangen und sind diese Artikel von Sr. f. g. Herzog Georgen aus Marburg vortraulich zugeschickt worden. Anno 1508. Loc. 8675 Landgraf Philippens I. zu Hessen Vormundtschaft etc. 1509—1524 ßl. 467— 481. Vgl. H. Glagau, Hessische Landtags- akten (Veröffentlichungen der Hist Kom. für Hessen und Waldeck, Marbiirg 1901) I, 13 f. Derselbe, Anna von Hessen die Mutter Philipps des Grofsmütigen (Marburg 1899) S. 7. Anm. 1.

') Glagau, Landtagsakten I, 8. 4. 12.

6*

84 G. Planitz:

In dem Streit, der nach Wilhelms Tode über die Ausführung des Testaments von 1508, die Regentschaft und die Vormundschaft der Landgräfin zwischen dieser und den hessischen Ständen ausbrach, stand Georg auf Seite der Landgräfln. Er wurde zu diesem Verhalteu vornehmlich durch seine alte Freundschaft mit dem Land- grafen Wilhelm bestimmt, und es entsprach ganz seinem treuen, an dem Gegebenen festhaltenden Sinne, dals er dieses Verhältnis auch auf die nachgelassene Witwe und ihre Kinder übertrug. Aber es mögen ihn doch neben dem Gefühl der Freundschaft ebenso sehr auch Erwä- gungen politischer Natur geleitet haben. Die Wettiner, die nach der Erbverbrüderung im Falle des Erlöschens des hessischen Mannesstammes von Hessen Besitz er- greifen konnten, sehen dieses Ziel infolge der Schwäch- lichkeit des jungen Landgrafen in nicht allzu grolse Ferne gerückt. Sie mulsten daher so früh als möglich auf die hessische Regierung EinÜuIs zu gewinnen suchen. Freilich schlugen beide Linien des Wettinerhauses zur Erreichung dieser Ziele verschiedene Wege ein. Während die Er- nestiner sich den Ständen anschlössen, stellte sich Herzog Georg auf die Seite der Landgräfin und hielt schon aus diesem Grunde an der ehelichen Verbindung seines Sohnes mit der Tochter der Landgräfin, die ihm das hessische Erbe näher brachte, unentwegt fest^).

Zwar gelang es Georgs Einfluss nicht, Annas Regent- schaft zu sichern. Im Gegenteil, er mulste, um seinen Anteil an der Vormundschaft, welche die Wettiner ins- gesamt beanspruchten . nicht zu verlieren im Einver- ständnis mit seinen Vettern Boyneburgs Regiment an- erkennen^). Doch wurde dadurch das Freundschafts- verhältnis zur Landgräfin nicht gestört. Vielmehr suchte er jetzt wenigstens möglichst günstige Bedingungen für den Unterhalt der Landgräfin-Mutter und seiner zukünfti- gen Schwiegertochter Elisabeth zu erwirken. Auf dem von den Wettinern angesetzten Schiedstag zu Mühlhausen (November 1509) erklärten sich die hessischen Stände zwar bereit, „das Fräulein bei der Frau zu lassen bis so lange sie mit Herzog Georgs Sohne zu ehelichem Stande käme" und der Landgräfin „die Tochter zu unter- halten ein ziemliches nicht zu weigern" ; aber auf Annas

*) Glagau a. a. 0. 22. Derselbe, Anna S. 22. ^) Glagau, Anna S. 53.

Zur Heiratsgeschichte der Herzogin von Rochlitz. 85

hohe Forderungen konnten sie nicht eingehen, sondern legten die Entscheidung darüber in die Hände der sächsi- schen Herzöge. Man einigte sich schlielslich dahin, dafs die Tochter, bis sie zum ehelichen Stande ausgestattet würde , bei der Mutter bliebe , es wäre denn , dafs die Landgräfin sich anderweit verelielichen würde. Zur „täg- lichen Erhaltung" der Tochter sollten der Landgräfin 350 fl. und fünf Fuder Wein zu Darmstadt jährlich ge- reicht werden. Auch sollten die Regenten gehalten sein, Elisabeth mit Kleidern und Kleinodien, wie sich das nach ihrem Stande gezieme, zu versorgen. Diese Abmachungen fanden auf dem Schiedstage zu Marburg (Juli 1510) auch die kaiserliche Bestätigung^**).

Freilich kamen die Regenten ihren Verpflichtungen nur ungenügend nach, weshalb Anna sich genötigt sah, bei den hessischen Ständen, bei Georg, ja selbst beim Kaiser sich zu beschweren*^). Einen Einblick in diese wirtschaftlichen Sorgen der Landgräfin gewährt insbe- sondere ein Schreiben an Herzog Georg, in dem sie ihn bittet dafür zu sorgen, dals ihre Tochter Kleider bekomme. „Denn sie hat", fügt sie hinzu, „nicht gewand, weder seiden noch gefutters, denn was ich ihr aus alten läppen gemacht habe"*"). Mag die Briefschreiberin auch die Farben etwas stark aufgetragen haben: wir werden dem Fürstenkinde, das in seiner Jugend in so dürftigen Ver- hältnissen heranwuchs, unser Mitleid nicht versagen können.

Überdies hatte diese Seite der Sorgen Annas eine viel tiefere Bedeutung als es sonst weibliche Toiletten- sorgen zu haben pflegen. Denn als es der Landgräfin gelungen war, die ständische Opposition gegen Boyne- burgs Regiment wach zu rufen, mufsten ihr u. a. auch diese Beschwerden dazu dienen, sie als Anklagen gegen Boyneburg zu erheben und als die Ernestiner, um ihre schwankende Stellung zu behaupten, die Beschwerden der Landgräfin und der hessischen Stände gegen das mifsliebig gewordene Regiment auf gütlichem Wege beizulegen ver- suchten, fiel es ihrem Scliützling Bo3'neburg schwer, in diesem Punkte seine Verteidigung mit Erfolg zu führen**^).

»") Glagau, Landtagsakten I, 71. 75. 76. 80. 91. 115.

") Glagau, Landtagsakten I, 124. 128 Anm. 1. 149 Anm. 2.

1-) Anna an Georg, Grünberg, o. D. (Oct. 1510"0 (Orig.) Loc.8675 L. Philipps Vormundschaft pp. 1509 24 Bl 130

^*) Glagau, Landtagsakten I, 178 Anm. 1. 269 f.

86 Gr. Plauitz:

Herzog Georg, der um jene Zeit in Ostfriesland kämpfte, konnte in diesem entscheidiingsvollen Augenblicke der Freundin nicht persönlich zur Seite stehen; doch half er ihr zum Siege, indem er durch seine Räte gegen eine Verschleppung der Entscheidung durch die Ernestiner protestierte und sich damit von der Politik seiner Vettern lossagte ^^). Das war ein Dienst, den er der Sache der Landgräfin leistete, so bedeutsam, dals er die alte Freund- schaft nur befestigen konnte.

Nun schlofs sich Landgräfin Anna, die jetzt das Eegiment in der Hand hatte, auch ihrerseits noch enger an Herzog Georg an. Ein Bündnis mit ihm, das sie gegen die ihr Vormundschaftsrecht zurückfordernden Er- nestinischen Fürsten schützen sollte, liels sie ihm alsbald nach dem Kasseler Landtage durch Sittich von Berlepsch antragen und fand bei Georg, der als gewiegter Politiker in dem Augenblick, wo er den Einfluls seiner Vetter schwinden sah, sich den Vorteil, die Erbansprüche des Hauses VVettin zu sichern, nicht entgehen lassen wollte, williges Gehör. Rückte doch nun der Zeitpunkt immer näher, an dem nach der Erfurter Eheberedung sein Sohn mit des Landgrafen Tochter sich verehelichen sollte. Er liefe daher durch Christoph von Taubenheim seine Bereit- willigkeit zum Bündnisschlusse aussprechen^'^). Doch ver- ging noch das ganze Jahr 1514, ehe die Angelegenheit in Flufs gebracht wurde. Die Anregung dazu ging dies- mal vom Herzog aus, der im März 1515 die Landgräfiu, indem er sie an die mit Landgraf Wilhelm getroffene Eheberedung erinnerte und sie darauf hinwies, dafs die Kinder nunmehr „zu vollkommen mündigen Jahren ge- kommen" seien, aufforderte, ihm Antwort über ihre Geneigt- heit zu der beabsichtigten Eheschlielsung zukommen zu lassen ^^). Die Landgräfin, die sich damals in Kassel aufhielt, koimte, da ihre Räte abwesend waren, diesem Wunsche nicht umgehend entsprechen. Sie hoffte, dafs ihre Räte um „Mitfasten" (Laetare) in die Hauptstadt zurückkehren würden, und versprach, dann sich mit ihnen zu unterreden und dem Herzog Nachricht zu geben ^').

1*) Glagau, Anna S. 119. 130f.

^■^) Glagau, Landtagsakten I, 355 f.

*«) Georg an Anna, Weifsenfels, 3. März 1515 (Kanzlei) Loc.7282 Bündnis zwischen H. Georg z. S. und der Landgräfin 1514 16 Bl. 10.

*'') Anna und die Räte (sie) an Georg, Kassel 8. März 1515 (Orig.) a. a. 0. Bl. 11.

Zur Heiratsgeschichte der Herzogin von Rochlitz. 87

Wie selir ihr daran gelegen war, die Verbindung ihres Hauses mit dem des Albertiners zu beschleunigen, sehen wir daraus, dals sie kurz nach Laetare dem Herzog Georg mitteilte: sie habe sich mit einigen ihrer E,äte beredet und sei dahin schlüssig geworden, dafs Georg so bald als möglich einen Gesandten schicken möge, damit die Ver- handlungen über den Bündnisvertrag und die Eheschliefsung zu Ende geführt würden ^^). Am Dresdener Hofe '^ar man geneigt, dieser Bitte sofort zu willfahren, wenigstens stellte Herzog Johann unterm 18. April 1515 Christoph von Taubenheim eine Vollmacht aus, an seiner Statt per verba formalia de presenti et ad hoc apta mit Elisabeth die Ehe zu schlieisen^^). Allein dieser Plan kam jetzt noch nicht zur Ausführung, vermutlich weil durch Herzog Georg, der einen uns nicht näher bekannten Artikel in den Bündnisvertrag aufgenommen wissen wollte, sich dem Abschluls desselben einige Schwierigkeiten in den Weg stellten, dann aber auch weil die Land- gräfin durch die Verhandlungen wegen ihres Streites mit den Ernestinern in den ersten Monaten des Jahres 1515 voll in Anspruch genommen war-"). Mitte Juni erst drängte sie selbst und ihre Räte zur endlichen Erledigung der Sache. Sie berief sich dabei auf ihren Abschied mit Georg zu Marburg und auf die Gesandt- schaft Christoph von Taubenheims, der erklärt habe, dafs Georg bereit sei, „die Einung und andere Sachen zu vollstrecken". Auch machte sie den Vorschlag, in Hersfeld eine Versammlung abzuhalten. Sie werde dort am Dienstag nach Kiliani (10. Juni) mit ihren Räten ein- treffen, um am folgenden Tage die Verhandlungen beginnen zu können'-^). Georg ordnete den Domherrn zu Meifsen und Propst zu Bautzen Dr. Nicolaus von Heinitz und den schon erwähnten Amtmann zu Ereiburg Christoph von Taubenlieim nach Hessen ab. Sie sollten eine doppelte Mission ausrichten. Erstlich waren sie mit gehörigen

^^) Anna und die Räte an Georg, Kassel, 23. März 1515 (Orig.) a. a. 0. Bl. 12.

*^) Notariatsinstrument für Christoph von Taubenheim, Dresden, 18. April 1515 Loc. 10547 Herzog Johann z. S. etc. Bl. 112 (Nu- merierung mangelhaft). Vgl. Seidemann, D. Jacob Schenk (Leipzig 1875) S. 99 Anm. 50.

-0) Vgl. Glagau, Anna S. 60 f.

'-*) Anna und die Räte an Georg, Marburg 16. Juni 1515 (Orig.) Loc. 7282 Bündnis etc. Bl. 13.

88 G. Planitz:

Vollmachten ausgerüstet, die Ehescliliefsung zu vollziehen. Doch sollten, „wenn die Ehe durch das Fräulein von Hessen und Christoph von Taubenheim in Vollmacht Herzog Johanns per verba depotencia (sie) vollzogen würde, Notarien und Testes requiriert und ein Testament darüber aufgesetzt werden". Sodann aber sollten die Gesandten das Bündnis zum Abschlufs bringen. Zwar war der be- wufste Artikel, den Georg in den Bündnisvertrag hatte aufnehmen lassen und über den man sich früher nicht hatte einigen können, weil die Landgräfin seiner Zeit ohne ihre Räte keine Antwort geben wollte, noch un- erledigt. Daher sollten die Gesandten jetzt zusehen, ob die Landgräfin daran Mifsfallen finde. Auch erklärte sich Georg bereit, auf seinem Zusatz nicht zu bestehen-'-). Am 11. Juli fanden in Hersfeld die Verhandlungen statt. Von hessischer Seite waren aufser der Land- gräfin Dietrich von Oleen, Landkomtur zu Marburg, der Hofmeister Konrad von Waidenstein und der Erb- marschall Hermann Riedesel erschienen. Der von den Anwesenden untersiegelte Abschied lautete dahin, dafs „Herzog Johann und Landgräfin Elisabeth Montag nach Bartholomäi (27. Aug.) zu Marburg durch einen Priester zu der heiligen Ehe gegeben werden" sollten. Doch sollte jedem Teile freistehen, den Tag der Trauung zwei oder drei Tage zu verschieben. Am Tage darnach sollte „die freundliche Einung, wie sie dieses Tages zwischen ob- gemeldeten Parteien abgeredt ist, versiegelt und verfertigt übergeben werden". Der Eheschlielsung durch den Ge- sandten von Taubenheim geschah keine Erwähnung mehr--').

Ende August weilte Herzog Johann persönlich in Hessen, um die Ehe zu schlielsen. Da das Bündnis zwischen Georg und der Landgräfin am 29. August unter- zeichnet wurde, so ist mit einiger Bestimmtheit anzu- nehmen, dals Herzog Johann am Tage zuvor den Hand- schlag vollzog. Am 13. September kehrte er bereits wieder nach Dresden zurück'-*). Die Landgräfin sah die schnelle Rückkehr ihres Schwiegersohnes in die ferne Heimat nur

") Instruktion, was Niclas von Heinitz Doctor und Christoffel von Taubenheim zu Kassel werben sollen. Loc. 10547 Herzog Jo- hannsen und S. F. G. gemals auch Landgraf Philipsen pp. Bl. 116ff.

-^) Abschied auf die Eheberedung zwischen Landgräfin Anna und Herzog Georg, Hersfeld 11. Juli 15 5 (Orig. Siegel abgerissen) a. a. 0. Bl. 11.

-*) Glagau, Landtagsakten I, 466 Anm. 1.

Zur Heiratsgeschichte der Herzogin von Rochlitz. 89

ungern. Dazu bewog sie nicht lediglich die verwandt- schaftliche Liebe, sondern mehr wohl die Erwägung, dals gerade die Anwesenheit Herzog Johanns in Hessen dazu dienen könne, ihre nahen Beziehungen zu dem Alber- tiner gegen ihre mächtigen Gegner auszuspielen. Darum wünschte sie den jungen Ehemann in ihrer Nähe zu haben und hatte diesen Wunsch vermutlich auch ihrem Freunde und nunmehr auch nahen Verwandten Herzog Georg kund machen lassen.

Allein man ging in Dresden zunächst nicht darauf ein, weil Johann seinem Vater in Regierungsgeschäften zur Hand sein müsse. Man wünschte Elisabeth auf ein bis zwei Monate in Dresden zu sehen , später sollte dann Johann mit ihr eine Zeit lang nach Hessen kommen. Wegen der Mitgift, liels Georg durch seinen Gesandten melden, brauche die Landgräfin nichts zu besorgen, da Elisabeth nur auf kurze Zeit zu ihrem Gemahl käme-'^). Auf die Bitten der Landgräfln aber liefs Georg sich 1516 doch bereit finden, seinen Sohn nach Hessen zu senden, damit er dort das Beilager vollziehe und eine Zeit lang daselbst verweile ■-**). Die Vermählung fand um Visitati- onis Maria (2. Juli) „one prachtlichen apparat" d. h. niu- in Gegenwart des hessischen Hofes statt"-').

Fast ein Jahr weilte Herzog Johann bei seiner jungen Gemahlin in Hessen. Daher war der Wunsch seiner Eltern berechtigt, die beiden jungen Eheleute nunmehr bei sich zu haben, zumal es dem Herzog Georg auch darauf ankam, auf die junge Herzogin erzieherischen Einfluls auszuüben. Zu diesem Zwecke ordnete Georg Christoph von Taubenheim und Hermann von Pack als Gesandte nach Hessen ab mit dem Auftrage, Johanns Rückkehr und Elisabeths Besuch in Sachsen zu bewirken. Da Herzog Johann, sollten sie melden, „übermälsig" lange abwesend sei und dem hessischen Hofe „Beschwerung verursache", solle er zurückkehren und seine junge Ge- mahlin nebst der Landgräfin mitbringen-*). Allein Anna

2') Instruktion für einen Antrag, o.D. Loc. 10547 Herzog Johann- sen pp. El 90 f.

'-®) Bericht v. Taubenheims (?) an Georg über seine Verhand- lungen mit der Landgräfln, o. D. a. a. 0. Bl. 96 f.

-■') Mon. Firn, bei Mencke Script. II, 1485. H. Johann war also am 30. September nicht mehr Bräutigam, sondern Ehemann. Vgl. Glagau, Anna S. 161, Landtagsakten I, 494.

-'') Instruktion für Chr. v. Taubenheim und Hermann v. Pack. 0. D. Loc. 10547 Herzog Johann z. S. pp. Bl. 12 f.

90 G. Plauitz:

suchte das zu hintertreiben. Sie sei mit der „Zugift" nach Landessitte noch nicht bereit und wisse jetzt kein Geld aufzutreiben, wenn sie nicht dem Landgrafen in seine B.entkammer greifen wolle. Es sei in Hessen Sitte, dafs wenn eine Fürstin heirate, vom Lande eine Steuer erhoben werde; dazu sei aber, solange Philipp noch minderjährig, keine Hoffnung vorhanden. Es liege endlich auch im Interesse der meilsni sehen Erbfolge in Hessen, wenn Elisabeth noch länger im Lande bleibe. Sie wolle die beiden fürstlichen Kinder „in Verwahrung" nehmen und sie zu allen Tugenden anweisen. Den Be- denken, welche man am Dresdner Hofe gegen die lange Abwesenheit Johanns hegte, suchte sie mit der naiven Bitte zu begegnen, ihr doch die Tochter so lange zu lassen, bis sie schwanger sei und einen Sohn brächte; den wolle sie, während Elisabeth ihrem Gemahl nach Sachsen folge, als ihren Sohn erziehen'--'). Ende November 1516 sandte Georg eine zweite Gesandtschaft nach Hessen und be- traute wiederum Hermann von Pack damit. Er traf die Landgräfin zwischen Ziegenhain und Marburg. Wilhelm von Dornberg und Balthasar Schrautenbach befanden sich bei ihr. Pack wiederholte das Ansinnen der früheren Gesandtschaft: Anna solle mit den jungen Eheleuten nach Dresden kommen, das Land zu besehen, darin Elisabeth ihr Leben lang Wohnung haben solle. Lisbesondere über- brachte Pack von der Gemahlin und den Kindern Georgs, die Elisabeth zu sehen wünschten, herzliche Einladungen. Sobald es Anna fordere, sollten Johann und Elisabeth nach Hessen zurückkehren und sich als gehorsame Kinder erweisen. Aber die Landgräfin ging darauf nicht ein. Sie entschuldigte sich, dafs sie „der Laufte wegen" und da der Landtag ausgeschrieben sei, nicht aufser Landes gehen könne. Aus diesem Grunde vermöge sie auch nicht Herzog Johann zu beurlauben. Nach Martini solle er eine Zeit lang Urlaub haben. Das war nun freilich ein sehr weit gesteckter Termin, und Pack konnte sich un- möglich damit zufrieden geben. Er Aviederholte daher nochmals die Bitte der früheren Gesandtschaft, ohne je- doch mehr als die Bewilligung zu erreichen, dafs Johann nach Hause zurückkehren könne. Es klang nicht gerade sehr freundlich, wenn die Landgräfin Pack zur Antwort gab: weil Herzog Georg daran gelegen sei, Johann bei

29) S. oben Anm. 26.

Zur Heiratsgescbichte der Herzogin von ßochlitz. 91

sich zu haben, so habe sie dies bewilligt. Er solle nun zu Johann nach Marburg reiten und mit ihm am nächsten Tage zu ihr nach Ziegenhain kommen. Da wollte sie Johann abfertigen und mit Geleit versehen. Elisabeth zu beurlauben habe sie Taubenheim schon abgeschlagen, dabei bleibe sie. Noch einmal versuchte Pack die Land- gräfin umzustimmen; aber Anna blieb bei ihrem Entscheid •^*^). Es lässt sich denken, dals dieses ablehnende Verhalten der Landgräfin gegen die berechtigten Wünsche des Her- zogs nicht zur Förderung ihres Freundschaftsverhältnisses mit Georg diente.

Georg war darüber entrüstet und klagte die Land- gräfin an, dals sie ihn ins Gespött bringe. Diese aber schob die Schuld auf die beiderseitigen Gegner, die „Bitter- keit zwischen den Häusern Sachsen und Hessen säeten"/^^)

Erst 1517 auf Martini (11. November) wurde Elisa- beth aus Hessen nach Leipzig heimgebracht^-). Doch war ihres Bleibens im Sachsenlande nicht lange. Noch war Elisabeths Verzicht auf die Erbfolge nicht geschehen und die Wittum sverschreibung nicht ausgestellt, noch war das Ehegeld nicht gezahlt und die junge Ehefrau mit Kleidern, Kleinodien und Silbergeschirr nicht aus- gestattet. Vor allem aber. .trug man in Hessen Bedenken, Eochlitz als genügendes Äquivalent für das Heiratsgut anzusehen. Das alles benutzte Anna geschickt, um ihre Tochter wieder nach Hause zu rufen, und Georg, der schon die Kosten der zweiten Heimfahrt überschlug, mulste sie widerwillig ziehen lassen. Am Sonntage Miseri-

^^) Werbung des Abgesandten Hermann v. Pack bei der Land- gräfin. Ciescheben zwischen Ziegenhain und Marburg, Montag nach Andrea (1. Dezember) 1516 Loc. 10547 Herzog Johannsen pp.ßl. 100.

^^) Landgräfin an Georg, Homberg o. D. (eigenh.) a. a. O. Bl. 110.

^■^) Cod. diplom. Sax. reg. II, 9, 377. Aktennotiz Loc. 10547 Der Herzogin von Rochlitz Frawen Elisabeth pp. Bl. 13. Der Verf. dieser Notiz setzt das Beilager auf Corporis Christi 1515 an und kennt nur eine Heimfahrt. Ersteres ist wohl eine Verwechselung mit dem Handstreich, der aber kaum schon im Anfang des Juni (s. oben) stattgefunden haben kann. Letzteres ist, wie wir sehen werden, irrig. Elisabeths Ehe wurde von der ersten Heimfahrt an gerechnet. Vgl. Lutheri CoUoq. ed. Bindseil I, 320. Elisabeth an den Kurfürsten (eigenh.), 23. Januar 1537 am Schlufs: „Hab im Elend (sein müssen) seit schier 20 Jahren". Loc. 10548 Der Herzogin von Rochlitz Leibgedinge Vol. I Bl. 12. Die Annahme, die Ver- mählung Elisabeths habe erst im Januar oder Juni 1519 statt- gefunden (Müller, Annales S. 72, Rommel III Anm. 99 Seide- mann a. a. 0., vgl. unten Anm. 50) ist irrig

92 G. Planitz:

cordias Domini (18, April) 1518 machte sich die junge Herzogin von Dresden aus, wo sich die Reisegesellschaft unter Führung Wolfs von Schleinitz versammelte, auf den Weg nach Hessen. Barbara von der Säle, die Hof- meisterin der alten Herzogin, gab das Geleite bis nach Leipzig, wo Christoph von Taubenheims Gemahlin an ihre Stelle trat. Taubenheim selbst, Volkmar Keller und Innocenz von Starschädel reisten in Georgs und Johanns Auftrage als Räte mit und blieben, während die übrige Begleitung bis auf eine geringe Dienerschaft nach Sachsen zurückkehrte, in Hessen, um mit der Landgräfin wegen Elisabeths baldiger Heimreise zu verhandeln •^■'^). Damit die jungen Eheleute einander nicht entfremdet würden, liefs Georg Elisabeths baldige Rückkehr fordern. Wie er bisher um das Ehegeld nicht gedrängt hatte, so ge- dächte er auch weiterhin auf die Mitgift noch keine Ansprüche zu erheben. Ja, er eiklärte sich sogar bereit, Elisabeth nach meilsnischer Sitte mit Kleidern, Schmuck und Silbergeschirr zu versorgen und der Landgräfln Rech- nung darüber abzulegen. Auf Elisabeths Interessen wegen der Erbfolge in ihrem Heimatlande könne ihr Aufenthalt in Sachsen keinen Eindruck machen. Auch über die zweite Heimfahrt und das damit verbundene Gepränge solle Landgräfin Anna sich keine Sorgen machen; er lasse sich an der ersten „genügen" und sei bereit, nach dem Heiratsbrief Elisabeth in Mühlhausen anzunehmen, Elisa- beth sei zwar eine tugendliche Fürstin, aber noch jung und der Unterweisung bedürftig. Nun stünden die Sachen der Landgräfin so, dass sie nicht immer an einem Orte bleiben könne. Sie könne daher ihre Tochter nicht in Obhut behalten. Bei den Fürstinnen zu Sachsen sei es aber nicht Sitte, dals sie im Lande herumreisten, sondern dals sie bei ihren Gemahlen blieben; die Landgräfin sollte daher mit ihrer Tochter keine Neuerung machen. Es sei zu alledem nötig, einen Tag zu bestimmen, an welchem Elisabeth endgültig nach Sachsen zurückkehre. Erreichten die Ge- sandten bei der Landgräfin nichts, so sollten sie sich an die Regenten und den Ausschufs wenden. Landgraf Philipp wurde dabei ganz übergangen, obwohl er bereits

*') Verzeichnis der Personen, welche Elisabeth auf ihrer Reise nach Hessen begleiten, Loc. 10547 Herzog Johann z. S. pp. Bl. 35. Georg an Chr. v. Taubenheim, o. D, (Konzept), Zettel dazu, Befehl Georgs an Wolf Münch und Hans v. Schweinitz a. a. O. Bl. 40 f.

Zur Heiratsgescbichte der Herzogin von Rochlitz. 93

am 16. März volljährig geworden war^^). Doch hatten die Gesandten auch an ihn eine Botschaft auszurichten. Der Kaiser hatte an ihn das Ansuchen gestellt „das Frauichen zu Hessen" d. i. Landgräfln Elisabeth, Land- graf Wilhelm des Älteren Tochter, in das kaiserliche Frauen- zimmer zu geben, und Philipp hatte in einem eigenen Schreiben Georgs Rat in dieser Angelegenheit eingeholt. Nun riet Georg dem Kaiser eine „glimpfliche Antwort" zu geben, indem man sich hinter die Landschaft stecke, sein Ansinnen aber nicht zu bewilligen, sonst würde es Philipps Landen, Untertanen und Verwandten viel Be- schwerung bringen ■^■^).

Die Gesandten trafen die Landgräfln ohne ihre Räte in Spangenberg und erhielten nur eine hinhaltende Ant- wort. Als Vorwand diente ihr vornehmlich wiederum der Verzicht ihrer Tochter auf die Erbfolge in Hessen. Auch wollte sie sich zuvörderst mit Philipp und ihren Räten besprechen. Sie versprach nur, alsbald einen Tag zu bestimmen, auf dem über den Verzicht, wie über die Heimfahrt verhandelt werden sollte ^*^). Dieses Ergebnis konnte die beiden Sachsenherzöge keineswegs befriedigen. Als daher die Landgräfln eine Zusammenkunft auf Mitt- woch nach Viti (16. Juni) in Tretfurt vorschlug, konnten sie nur ihre Forderungen wiederholen. Georg ordnete wiederum die Räte Volkmar Keller, Christoph von Tauben- heim und den Hofmeister Herzog Johanns Innocenz von Starschädel ab, ohne ihnen eine neue Instruktion mitzu- zugeben-"). Nur Herzog Johann gab ihnen im Einver- ständnis mit seinem Vater eine solche, in welcher er sie anwies, auf Elisabeths baldige Rückkehr nach Sachsen zu dringen, dagegen es wegen des Verzichtbriefs zu keinem Beschlufs kommen zu lassen, sondern einen „Hintergang auf Herzog Georg und ihn zu machen". Die Überreichung

2*) Schenk zu Schweinsberg a. a. 0. S. 32.

^'^) Instruktion für Georgs Räte, die mit Elisabeth nach Hessen reisen, a. a. 0. Bl. 36 ff. Auch Loc. 10547 Herzog Johannsen pp. Bl. 66 ff.

^*') „Die geschickten Räthe, so itz und zu Hessen gewest", an Georg, 6. Mai 1518 (Orig.) a. a. 0. Bl. 177. Landgräfin an Georg und Johann, Marburg 18. Mai (Orig.) Loc. 10547 Herzog Johann z, S. Bl. 84. Georg an Johann und die Räte, Augsburg 11. Mai (Kanzlei) Loc. 10547 Herzog Johannsen pp. Bl. 168 f.

3') Georg an Johann, Augsburg 22. Juni (Konzept) a. a. 0. Bl. 62. Johann an die Räte Keller, Taubenheim und Starschädel, 12. Juni (Kanzlei) a. a. 0. Bl. 89.

94 ^- Planitz:

des Heiratsgeldes, der Verzicht auf die Erbfolge und die Anweisung des Leibgedinges sollten später zu gleicher Zeit erfolgen. Auch erklärte Johann sich bereit, sobald Georg wieder ins Land komme, mit diesem zu verabreden, mit welchen Gütern Elisabeth aulser Rochlitz versorgt werden solle ^^). Von hessischer Seite fanden sich der Landhofmeister Konrad von Waidenstein, „Lobenstein von Lobenstein" ^^) und der Statthalter von Kassel Kraft von Bodenhausen in Treffurt ein. Taubenheim bat im Namen seines Herrn, dals Elisabeth zurückkehren möge und man Zeit und Ort bestimme, da sie von ihrem Gatten und Schwiegervater angenommen werden könne. Die Hessen erhoben wieder ihre alten Einwände. Da Elisa- beth die einzige Tochter und Schwester sei, falle es der Landgrälin und dem Landgrafen Philipp schwer, sie aus dem Lande zu lassen, ehe sie, wie es einer Landgräfin zu Hessen gebühre, „nach Notdurft versehen sei". Die Märkte seien „allenthalben verlaufen", daher könne Elisa- beth in Kürze nicht abgefertigt werden. Zwischen Ostern und Pfingsten sollte aber die junge Herzogin nach Leip- zig gebracht werden, während Johann inzwischen wieder auf ein bis zwei Monate nach Hessen kommen möge. Auf diesen Vorschlag konnten die Meifsner unmöglich eingehen, erklärten aber ihrer Instruktion gemäfs, dafs Georg bereit sei, Elisabeth nach „meilsnischer Landes- manier und Gewohnheit" auszustatten und darüber der Landgräfin Rechnung abzulegen. Allein die Hessen nahmen dieses Anerbieten nicht an. Anna und Philipp würden die einzige Tochter und Schwester selbst aus- statten wollen, wie das jeder Edelmann und Bürger tue. Könne Herzog Johann der Regierungsgeschäfte wegen nicht nach Hessen kommen, so sei der hessische Hof be- reit, Elisabeth zu gestatten, fünf bis sechs Wochen mit ihrem Gemahl in Langensalza zu verleben. Nach der Heim- fahrt sollte das junge Paar eine Zeit lang im Landgrafen-

''*) Instruktion für Herzog Johanns Räte, was sie auf den Abschied, so sie mit der Landgräfin zu Spangenberg genommen, Mittwoch nach Viti (16. Juni) zu Treffurt handeln sollen, o. D. a. a. 0. Bl. 60.

^^) Vermutlich Eitel von Löwenstein, Landmarschall in Hessen. Aus dem Geschlechte von Löwenstein standen noch auf Annas Seite Johann genannt Schweinsburg, Caspar und Heinrich von Löwenstein, die das Ausschreiben des Landtages zuFeLsberg am 22. Dezember 1513 unterfertigten. Loc. 8675 L. Philipps Vormundschaft pp. Bl. 412.

Zur Heiratsgeschichte der Herzogin von Rochlitz. 95

tum Thüringen sich aufhalten, damit beide Höfe „einander Rät und Beistand thun könnten und die Gegner darin ein Entsetzen hätten". Die Meifsner wiederholten noch- mals ihre Bitte um Verkürzung der Frist zur zweiten Heimfahrt, aber die Hessen erklärten gemessenen Befehl zu haben, die festgesetzte Zeit nicht zu ändern, und so verliefen die Verhandlungen ergebnislos '*").

Durch seinen Sohn Johann erhielt Herzog Georg, der damals in Augsburg weilte, alsbald Nachricht von dem geringen Erfolg der Verhandlungen und erteilte da- rum gern seine Genehmigung zu einem Schreiben, das Johann alsbald an die Hofräte und Regenten zu Hessen ausgehen lassen wollte ^^). Er selbst wendete sich schrift- lich an die Landgräfin und den Landgrafen"*-^). Auch an den Hofmeister Konrad von Waidenstein richtet er ein Schreiben und ersuchte ihn um seine Vermittelung*^). Die Landgräfin klagte er an, dafs sie wider die „heilige Ehe" handele, weil sie die jungen Eheleute voneinander trenne. Dem Landgrafen erklärte er, dafs die hessischen Einwendungen für nichts zu achten seien und die jungen Eheleute zusammengehörten. An beide richtete er die Bitte, Elisabeth auf Bartholomäi (24. August) nach Salza zu schicken. Doch verhielten sie sich ablehnend. Die Landgräfln suchte sich gegen Georgs Vorwurf, so gut es ging, zu verteidigen und versprach, nach Ostern Elisabeth selbst in Georgs Fürstentum zu bringen**). Der Landgraf machte nur die alten Ausflüchte, bat, Johann solle nach Hessen kommen, erklärte es aber für unmöglich, Elisabeth schon auf Bartholomäi nach Langensalza begleiten zu können*'^). Christoph von Taubenheim, der abermals als Ge- sandter in Heiratsangelegenheiten nach Hessen ging, er- reichte nur so viel, dafs Elisabeths zweite Heimfahrt „auf

40) Handlung auf dem Tage zu Treffurt a. a. 0. Bl. 74 f.

*i) Georg an Johann, Augsburg, 7. Juli, (Kanzlei) a. a. 0. Bl. 80.

*''^) Georg an die Landgräfin, Augsburg 7. Juli (Abschrift) Loc. 10547 Herzog Johann z. S. pp. Bl. 81 f. Georg an den Landgrafen, Augsburg 7. Juli (Abschrift) a. a. 0. Bl. 79. (Vgl. die Konzepte zu beiden Briefen Loc. 10547 Herzog Johannsen pp. Bl. 81 f. 84.)

^^) Georg an Endres (soll wohl heifsen Conrad) von Waidenstein, 0. D. (Konzept) a. a. 0. Bl. 72 f.

") Landgräfin an Georg, Darmstadt 30. Juli (Orig.) Loc 10547. Herzog Johann z. S. pp. Bl. 85 f.

^^) Landgraf an Georg, Darmstadt 30. Juli, (Orig.) a. a. 0. Bl. 77. 107.

96 Gr. Planitz:

St. Paulstag des Einsiedeis" (10. Januar 1519) fest- gesetzt wurde ^'^)

Im Winter 1518 waren Sterbensläufte d. i. die Pest in Langensalza ausgebrochen. Das benutzte der sehr spar- same Herzog Georg, dem es darauf ankam, soviel wie mög- lich gröfsere Ausgaben für die zweite Heimfahrt zu ver- meiden. Er bat die Landgräfin, ihre Tochter nur bis Esch- wege zu geleiten und nicht mit grolsem Gefolge zu kommen, da Tanz und Freude jetzt unterbleiben mülsten*^). Ge- kränkt erwiderte die Landgräfin: da ihm nicht gelegen sei, dals sie persönlich zu ihm komme, wiewohl sie nicht Tanzens wegen, sondern ihrer und ihres Sohnes anliegen- der Sachen halber persönlich hätte erscheinen wollen, so gedächte sie ihre Tochter am 10. Januar nach Treffurt mit ziemlicher Anzahl zu bringen. Da möge er sie an- nehmen und fortan, in welchen Flecken es ihm gelegen und gefällig sein würde, führen^*).

Schon waren Vorkehrungen getroffen, die junge Her- zogin in Treffurt zu empfangen. Der Graf von Schwarz- burg, Graf Ernst von Hohnstein, Apel von Ebeleben, Christoph von Taubenheim, die letzten drei mit ihren Gemahlinnen sollten am Sonntag nach dem Dreikönigstage Elisabeth in Trefturt „annehmen helfen". Als Reiseroute von Treffurt aus wurde der Weg über Ebeleben, Sonders- hausen, Merseburg und Leipzig vorgeschrieben^^). Da lenkte die Landgräfin ein. Sie kam selbst nach Dresden, und am 8. Januar 1519 reiste Herzog Georg mit ihr, seiner Gemahlin und seinen beiden Söhnen Johann und Friedrich nach Hessen, ohne sich weiter um die angeblichen Sterbensläufte zu Langensalza zu kümmern. Im Gegen- teil, man berührte den genannten Ort sowohl auf der Hin- wie auf der Rückreise, und der Salzaer Stadtschreiber

*") Über die Zeit der Gesandtschaft Taubenheims vgl. Glagau, Anna S. 190, Landtagsakten I, 534.

") Georg an die Landgrälin, o. D (Konzept) Loc 10.548 H. Jo- hannsen z. S. nachgelassener Witwe Leibgedinge 1531 1547 Bl. 30f. Ausdrücklieh betont der Herzog, dafs die Sterbensläufte „erschreck- Jick" sein, dafs .Johann, der verreist w^ar, nicht liabe über Salza den Rückweg nehmen können und dafs er nicht wisse, wie er zur Land- gräfin kommen solle. Doch waren diese Nachrichten wohl absicht- lich übertrieben.

*8) Landgräfin anGeorg, Marburg 21. Dezember 1518 a.a.O. B1.29.

*®) Befehl Georgs an die zum Empfang bestimmten Grafen und Herren, o. 0. 29. Dezember 1519 Loc. 10547. Herzog Johannsen pp. Bl. 20. 21.

Zur Heiiatsgeschichte der Herzogin von flochlitz. 97

Überreichte am 20. Januar der Landgräfin einen vergolde- ten Kopf (d. i. Becher). Am 24. Januar kam man in Kassel an und blieb bis zum 29. Erst am 17. März kam Georg, nachdem er in Halle Fastnacht gefeiert hatte, mit dem jungen Paare nach Dresden zurück. Die Reise kostete 1069 Schock 22 gr. 8 pf., und es bekamen in Kassel die Trompeter 28 Schock Trankgeld „der Braut in den Rock zu blasen" '^^X

Wohl war die junge Herzogin bei ihrer Heimfahrt von ihrer Mutter ausgestattet worden ■^^), doch kann diese Ausstattung nur notdürftig gewesen sein, denn noch standen 5000 fl. für Schmuck aus. Herzog Georg wendete sich darum im folgenden Jahre an den Grafen Beichlingen und an Balthasar Schrautenbach, den alten Vertrauten der Landgräfin und nunmehrigen Ratgeber Philipps, mit der Bitte beim Landgrafen dahin zu wirken, dals die genannte Summe auf der nächsten Frankfurter Messe ausgezahlt würde, erbot sich auch vorläufig auf seinen „glawben" (Credit) aufzubringen, was Elisabeth bedürfe. Sie erwiderten, dafs Philipp wohl sehr geneigt sei, diesem Wunsche zu entsprechen, doch könne er ihn nicht in seinem ganzen Umfange erfüllen, da seine Mutter der von Solms 1500 fl. für einen Hauptschmuck, der Elisabeth überreicht worden, und auch „eine redliche Summe für goldene Tücher, Sammet, Perlen und anderes" gegeben habe. Er wolle daher noch 4000 fl. auf die nächste Frankfurter Messe zahlen ^-). Ein abermaliges Schreiben an die beiden Räte Philipps hatte besseren Erfolg. Der Landgraf erklärte sich nunmehr bereit , 5000 fl. auf der Frankfurter Herbstmesse entrichten zu lassen '^^j. Das

^) Seidemann, Tlieol. Briefwechsel zwischen Landgraf Philipp nnd Herzog Georg 1525 1527 in Xieduers Zeitschrift für Hist. Theol. II (1849), 175 f. Wir haben diese Nachricht leider nicht nachprüfen können, da Seidemann den archivalischen Fundort nicht angibt. Gewifs ist, dafs der Graf von Hohnstein mit Gemahlin sich in Elisabeths Gefolge befanden, denn sie erinnert sich in spätem Jahren noch daran. Vgl. Elisabeth an Georg, Rochlitz 10. April 1537 (Kanzlei) a. a. 0. Bl. 183.

5') Glagau, Landtagsakten I, 547 Notiz o. D. (August 1520 V) a. a. 0. Bl. 4.

^-) Graf Adam Beichlingen und Balthasar Schrautenbach an Georg, Horaberg 14. Juni 1520 (Orig.) a. a. 0. Bl. 8.

^^) Georg an Schrautenbach und Beichlingen, 27. Juni 1520 (Konzept) a a. 0. Bl. 7. Schrautenbach an Georg, 4. Juli (Orig.) a. a. 0. Bl. 5. Georg an Beichlingen und Schrautenbach, Dresden 8. August (Konzept) a. a. 0. Bl. 6.

Neues .\rchiv f. S. G. u. A. XXIV. 1. 2. ^

98 G. Planitz:

Geldgeschäft kam auch richtig- durch Vermittelung des Leipziger Bürgers Hans Scherlein in Frankfurt zum Abschluls'^^j.

Aber noch waren damit die pekuniären Verpflichtungen des Landgrafen gegen Georg nicht erledigt. Noch war das Heiratsgeld von 25000 fl. nicht gezahlt und die junge Herzogin mit Silbergeschirr nicht ausgestattet. Ln Novem- ber 1521 zog der treue Diener Georgs Christoph von Taubenheim wieder an den Hof des Landgrafen, um Philipp an den Rückstand zu erinnern und wenigstens 10 12 000 fl. von ihm einzuziehen. Auch sollte er er- klären, dais Georg bereit sei, Elisabeth ein AVittum zu verschreiben. Um den Landgrafen zur Zahlung zu ver- anlassen, sollte er insbesondere hinzufügen : man habe in Dresden lange Geduld mit ihm getragen ; nun solle er dem Herzog Johann das Heiratsgut nicht länger vorent- halten''''). Aber Taubenheims Bemühungen hatten nur einen geringen Erfolg. Wohl erklärte Philipp, dafs er nicht gewillt sei, seiner Schwester das Heiratsgeld vor- zuenthalten, aber es sei „eins über das andere vorgefallen dadurch solches verblieben". Jetzt zumal, wo er von denen von Nassau und Sickingen bedrängt w^erde, und die Land- schaft darunter leiden müsse, sei es ganz unmöglich, das Geld aufzubringen. Er erbot sich die Summe zu „ver- pensieren" (verzinsen) und bat mit ihm Geduld zu haben. Doch Taubenheim mufste seiner Instruktion gemäfs darauf bestehen, dals das Geld gleich gezahlt werde, ging aber, als er bei Philipp nichts ausrichtete, mit seiner Forderung dahin zurück, dals Philipp die Hälfte des Geldes oder wenigstens 12 000 fl. zu Weihnachten entrichte. Aber

") Herzogs Johanns Quittung über 5000 fl. zu Kleidern und Schmuck Loc. 10547 Herzog Johannsen pp. Bi. 2. Befehl Georgs au den Rentmeister zu Leipzig, die Quittung über 5000 fl. dem Bürger Heinz Scherlin zu übergeben, damit er sich auf der Frank- fui'ter Messe von dem Beauftragten des Landgrafen das Geld aus- zahlen lasse, 0. D. Bl. 3. Georg an den Rentmeister zu Frankfurt, 25. August (Konzept) Bl. L Loc. 10547. Der Herzogin von Roch- litz Fraweu Elisabetli pp. Bl. 14 findet sich folgende Notiz: v*4j ^ fl. hat Heintz Scherlin von veegen des Landgrafen dem Rentmeister geben. Anno xx." Nach Romme 1 III Anm. 99 könnte es scheinen, als habe Landgraf Philipp die 5000 fl. aus brüderlicher Generosität gezahlt.

^5) Instruktion für Christoph von Taubenheira das Heiratsgeld betr., Schellenberg 2. Oktober 1521 Loc. 10547 Herzog Johannsen pp.Bl. 27f.

Zur Heiratsgeschichte der Herzogin von Rochlitz. 99

auch dies verweigerte der Landgraf. Ja, er verstand sich nicht einmal dazu anzugeben, wann er überhaupt zahlen wolle. Nur so viel erreicht Taubenheim, dafs Philipp versprach, mit dem Geld und Silbergeschirr alles in Richtigkeit zu bringen und zu Fastnacht selbst nach Dresden zu kommen, um persönlich mit Georg sich zu unterreden^"). Durch die Anwesenheit Philipps in Dresden aber sollten die Bande noch enger geknüpft werden, welche die beiden Häuser Sachsen und Hessen umschlangen '*'). Durch die eheliche Verbindung Philipps mit der Tochter Georgs, Christina, wurden seine pekuniären Verbindlich- keiten gegen den Herzog ausgeglichen.

■^'') Bericht Christophs v. T., was er bei dem Landgrafen des Ehegelds wegen ausgerichtet hat, 5. November a. a. O. Bl. 30 f.

^"^ Schrautenbach an Georg, Zwingenberg, 13. Mai 1522 (Orig.) Loc. 10547 Herzog Johann z. S. pp. Bl. 108.

7*

V.

Zur Lebensgeschichte Heinrich Stromers von Auerbach 'l

Von

Otto Clemen.

Ein eigentümliclier Zufall hat es gewollt, dafs ich unmittelbar nach dem Erscheinen des untengenannten Büch- leins und bevor ich davon Kenntnis erhalten hatte, einen Aufsatz über dasselbe Thema dem Herausgeber dieser Zeitschrift zuschickte. Auf dessen Veranlassung habe ich meinen Aufsatz zu einer Besprechung der Wustmann- schen Schrift umgearbeitet.

Es ist natürlich, dafs Wustmann, der Leiter des Leipziger Stadtarchives, manches bringt, was ich nicht er- mittelt habe, da er aus dem Ratsbuch, dem Schöifenbuch, der Bürgermatrikel und den Stadtrechnungen im Leipziger Eatsarchiv schöpfen konnte; umgekehrt aber kann ich doch auch einige Ergänzungen liefern. Als einen beson- deren Vorzug des auch äufserlich hübsch ausgestatteten Bändchens möchte ich rühmen , dafs Wustmann die ihm eigene Gabe frischer, flüssiger und gefälliger Dar- stellung, aus der doch überall die gewissenhafte, fleifsige und gründliche Gelehrtenarbeit durchscheint, auch hier gezeigt hat. Doch kann ich mich um dies hier gleich vorauszuschicken nicht damit einverstanden erklären.

^) Gi;stav Wustmann, Der "Wirt von Anerbachs Keller. Dr. Heinrich Stromer von Auerbach 1482—1542. Mit sieben Briefen Stromers an Spalatin. Leipzig, Hermann Seemann Nachfolger 1902. 100 SS. 8».

Zur Lebensgeschichte Heinrich Stromers von Auerbach. 101

dafs er wie in seinen früheren bekannten trefflichen Auf- sätzen „Aus Leipzigs Vergangenheit" auf alle Anmerkungen und Exkurse verzichtet und nur am Schlüsse ein Quellen- verzeichnis anführt, Wustmann tut das gewifs nicht, wie so mancher andere, aus Bequemlichkeit, sondern weil er seinen Aufsätzen das Gepräge angenehmer Plaudereien geben möchte. Wenn man aber meint, dafs Anmerkungen u. dergl. den Leser stören, nun, dann stelle man sie ans Ende; ein blolses Verzeichnis der benützten Handschriften und Bücher erschwert eine Kontrolle der Angaben im Texte und ein Fortarbeiten sehr, macht es manchmal fast unmöglich.

Wustmann geht aus von dem Tiefstand des medi- zinischen Studiums und der Fakultät zu Leipzig am Anfang des 16. Jahrhunderts; erst unser Stromer habe durch Einführung der „Anatomei'- als Dekan 1524 durchgreifende Besserung gebracht. Nachdem Wustmann dann über Stromers Geburtsort und Geburtsjahr-), Studiengang und akademische Würden-'') die erreichbaren Angaben zusammen- gestellt hat, erwähnt er sein Rechenbüchlein ^) und seine

-) S. Günther in der in Anm. 4 genannten Abhandhing S. 6 erwähnt aus einer „Beschreibung des alten Lobwürdigen Geschlechts der Stromer, so in der Churf. Pfalz zu fordest, aber zu der Stadt Auerbach fast jedesmals ihren Sitz und Wohnung inne gehabt haben" von 1593, dafs Stromers' Vater von 1432 bis 1527 lebte, also 95 Jahre alt starb, „wie das Epitaphium in der Kirche zu Auerbach, welches ihm sein Sohn Heinrich Stromer, Dr. med. in Leipzig, hat aufrichten lassen, besagt".

2) Als „Magister Awerbach, iczander licentiat" erscheint Stromer im Cod. dipl. Sax. reg. II, XI, 456, wo der damalige Dekan der medizin. Fakultät Dr. Simon Pistoris sich Herzog Georg gegenüber über Stromer beschwert, dieser habe ihn geschmäht, „er konde meher ader alfso vil alfso ich''. Diese Urkunde gehört nach Fei. Gefs in dieser Ztschr. XVI, 92f. in den Zeitraum März bis Oktober 1511.

*) Einiges Bibliographische sei hier ergänzt. Die Original- ausgabe des Rechenbüchleins, Leipzig, Martin Landsberg 1504, ver- zeichnet Panzer, Annales typographici VII, 149 Nr. 105; eine 2. Ausgabe aus derselben Offizin von 1505 Seidemann, Beiträge zur Reformationsgeschichte I (1846), 32; eine dritte aus derselben Presse von 1512 befindet sich in der Zwickauer Ratsschulbibliothek (XXIV. IX. Iß); Panzer VII, 170 Nr. 323 nennt noch die Ausgabe von Jacob Thauner in Leipzig von 1510 und IX, 13 Nr. 68, 23 Nr. 120 , 42 Nr. 229 die 3 Wiener Ausgaben. Unbekannt ist Wust- mann geblieben die Abhandlung von Siegmund Günther, Der „Algorithmus linealis" des Heinrich Stromer, in den Denkschriften der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften 1888 (Abdruck nach einem Ex. der Münchener Hof- und Staatsbibl. von der 3. Wiener Ausgabe, Februar 1520), sowie desselben Geschichte des mathe-

102 Otto Giemen:

salubeiTiniae adversus pestilentiam observationes^). Auch Wustmann hat aus der Lektüre dieser letzteren Schrift den Eindruck gewonnen, dals sie „trotz manchen Aber- glaubens . . . einen höchst verständigen und aufgeklärten Arzt" zeigt, Charlatanerie und Geheimnistuerei ist Stromer ganz fremd; er dringt vor allem auf Reinlichkeit, Mäfsig- keit und gute Luft. Besonders interessant ist, dals er vom Aderlassen, dem „Alpha und Omega der damaligen Medizin", gar nicht viel wissen will. Das voreilige und das Alter, den Kräftezustand und die Konstitution des

matisclien Unterrichts im deutschen Mittelalter bis zum Jahre 1525, Monumenta Germaniae paedagogica III, 258, Zum „Rechnen auf Linien" vgl. noch R. Treutlein, Das Rechnen im 16, Jahrhundert, in den Abhandlungen zur Gesch. der Mathematik 1, Heft, Supple- ment zur historisch -literarischen Abteilung des XXII. Jahrganges der Zeitschrift für Mathematik und Physik (Leipzig 1887) S, 23 ff. und M, Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik (Leipzig 1892) S. 367— 369. Hugo Grosse, Historische Rechen- bücher des 16. und 17. Jahrhunderts (Leipzig 1901), erwähnt Stromer nicht,

^) Die deutsche Bearbeitung erschien noch eher als das lateinische Original, nämlich am 9. Mai 1516 bei Melchior Lotter in Leipzig (Weller, Repertorium typographicum Nr. 1030), dann wieder ebenda 1517 (Panzer, Annalen Nr. 883, Zwickauer R.-S.-B. XXII. IX. 6) und am 21. August 1517 bei Schöffer in Mainz (Panzer Nr. 884). Auf Stromers Scbrift wird öfter verwiesen in: Ein kurtze vnderri- / chtung heilbarer krefftiger ertzenney. / mit welchen sich der mensch. / wider die pestilenz bewa / ren. auch die ienigen / die do mit begrif- / fen hulff zurey / chen mag. / 6 ff . 4**. 6 weifs. 5 b unten : Hat getruckt zu Leiptzck Melchior Lotther. (Panzer und Well er unbekannt; in Zwickau XXII. IX. 6). In der Vorrede zu seiner deutschen Ausgabe „Geben tzu Leipsick am abent Philippi vnnd Jacobi [30. Aprilj . . . 1516" wendet sich der Verfasser an „Elisabeth aus konigklichem stamme tzu Denmargk geborn, Marggrauyn tzu Brandenburg". Weil sein lateinisches Regiment nicht von jedermann gelesen werden könne, habe er es der Fürstin und ihren „herleyn vnnd frauleyn" zii heil- barer Bewahrung der Gesundheit übersetzt.

Nach dem Catalogus Codicum Manuscriptorum bibliothecae regiae Monacensis IV (1874), 10 (zitiert bei Günther S. 7) wäre in München auch noch ein band sehr. Pesttraktat Stromers zu finden. Wie mir jedoch Herr Dr. Boll freundlichst mitgeteilt hat, bedarf die dort gegebene Beschreibung des Clm, 8244 gar sehr der Be- richtigung. Er enthält gegenwärtig nur 1, einen anonymen tractatus contra pestem, 2. die Übersetzung von Felix Hemmerlins ,,Wiltpaden" durch Joh. Hartlieb, 3. ein Regimen contra arenam. Als Verfasser des letzten Stückes wird im Titel genannt der Doctor artium et medicine Magnus Airmsmalcz de Weylham (Oberbayern), der in Clm. 19903 als Alberti principis ducis phisicus conductus (1506) an- geführt wird. Von ihm wird auch der 1. anonyme Traktat sein. Früher enthielt freilich der Kodex auch Stromers Traktat, aber nur in einer lateinischen und deutschen Druckausgabe (jetzt 4" Path. 364 b).

Zur Lebensgeschichte Heinrich Stromers von Auerbach. 103

Patienten nicht berücksichtigende Aderlassen verwirft er ganz; bei Kindern unter 13 Jahren, schwangeren Frauen, Alten und Schwachen halte er es für ganz unangebracht. Statt der Arterio- und Phlebotomie empfiehlt er das Auf- setzen von Schrüpfküpfen. Darauf geht Wustmann auf Stromers Beziehungen zu den bedeutendsten Humanisten seiner Zeit, besonders zu Erasmus, Reuchlin") und Hütten, über. Nicht erwähnt wird, dafe auch Richard Crocus und Christoph Hegendorfer ihm Schriften dedizierten^).

•5) In dem Briefe an Reuchlin vom 31. August (1516) handelt es sich um Pfefferkorns „Streyt puechlyn" (Böcking, Opera Hutteni VlI, 90). Auf diese Geschichte scheint Stromer gern zurückgekommen zu sein, als einen Beweis dafür, dafs auch Erzbischof Albrecht den „Capnobaten" zuzuzählen sei, als einen Beweis auch für den Eintlufs, den er auf seinen fürstlichen Herrn auszuüben sich rühmen dürfe. Auch dem Augsburger Humanisten Bernhard Adelmann von Adel- mannsfelden erzählte er sie bei einem Besuch im Mai 1.517 (Thurn- hofer, Bernhard Adelmann von Adelmannsfelden [Freiburgi. Br. 1900] S. 142). Reuchlin dankte ihm für seine Schildknappendienste dadurch, dafs er ihn in der an Erzbischof Albrecht gerichteten Wid- mung zu dem von ihm herausgegebenen Liber S. Athanasii de variis quaestionibus , Hagenoae ex officina Thomae Anshelmi M. D. XIX Mense Martio (Böckiug VII, 103f., v. Soden-Knaake, Christoph Scheurls Briefbuch II, 89) als einen alter Aesculapius eloquentiaeque Studiosus Moecenas rühmte. Zitiert schon bei Jo. Henr. Leichius, De origiue et iucrementis typographiae Lipsiensis liber singularis (Lipsiae 1740) S. 32.

") Ersterer widmete ihm eine von ihm besorgte Ausgabe einer Ecloge des Ausouius mit Schollen des Hieronymus Aleander, zu dessen Füfsen er in Paris gesessen hatte: Decij Ausonij Ecloga in qua Cupido cru-/ciatur scholijs ex ore prelegentis Alexandri obiter ex- / ceptis . pulchre illustrata. / Darunter Wappen mit R . C . und Titelbordüre. 6 ff. 4^*. Ob weifs. 6a. Exemplaria bene correcta vendit ßaccalaureus Martinus Herbipolensis. Zwickauer R.-S.-B. XXIV. VII. 9. Die Widmung datiert: Vale in florentissima Lipsia octauo idus Julij [8. JuliJ. (Von Anfang 1515 bis Frühjahr 1517 weilte Crocus in Leipzig: Fei, Gefs in dieser Ztschr. XVI, 55 imd 57). Der Verfasser dankt hier Stromer für verschiedene Wohltaten, u. a. dafür, dafs er ihm nach Halle seinen Wagen entgegengeschickt habe, um ihn an den Hof Erzbischof Albrechts zu bringen. Hegendorfer stellte seinem Encominm somnii Leipzig, Schumann 1519) eineWidmung an Stromer voran, weil er ihm Humor und Gemüt zutraue, diesen harm- losen Scherz, mit dem er in Pestzeiten sich zerstreut und bei Laune er- halten habe, recht aufzunehmen. Auch Mosellan begleitete eine seiner Veröffentlichungen mit einer Widmung an Stromer : Apologia Luciani pro iis qui / in aulis principura degunt , Petro Mosellano Pro- / tegense interprete ./ 6 ff. 4<^. 6 weifs. Das Vorwort endet: Hulderichum de Hütten hominem modis omuibus nobiliss. meo nomine fac diligenter Salutes . . . Lipsiae decimoquinto Kalendas Augusti [18. Juli] (0. G. Schmidt, Petrus Mosellanus , Leipzig 1867, S 87). Die enge Freundschaft zwischen beiden Männern beleuchtet auch der

104 Otto Giemen:

Wichtiger ist es, wie er sich zu der anderen ungleich gewaltigeren Geistesbewegung des Jahrhunderts , zur Reformation, gestellt hat, DaWustmann hier einige Quellen- angaben entgangen sind, möchte ich auf diesen Punkt etwas genauer eingehen.

Die Disputation auf der Pleilisenburg im Jahre 1519 bot unserem Stromer Gelegenheit, Farbe zu bekennen. Schon in dem am 1. Juli aus Leipzig nach Ingolstadt geschriebenen Briefe klagt Eck über die vielen Lutheraner in Leipzig und nennt da gleich an erster Stelle: Dr.Urbach, Medicus Archiepiscopi Moguntini ^). Stromer hat uns zwei interessante Berichte über die Disputation hinterlassen. Den einen in einem Briefe an Spalatin vom 19. Juli hat Wustmann aus dem Original in der Baseler Universitäts- bibliotkek abgedruckt^). Zweitens haben wir aber auch einen Brief Stromers an Hütten vom 22. September ^'^). Der Anfang desselben berührt sich ganz auffällig mit dem des ersten Briefes. Weiterhin betont Stromer, dals es sich bei dieser Disputation nicht darum gehandelt hätte, die Wahrheit ans Licht zu bringen, sondern Sieg und Ruhm zu gewinnen. Er rühmt dann das glänzende Auditorium und den Geist, die Beredsamkeit und Schriftgelehrsamkeit der Disputierenden. Beachtenswert ist, dafs er in diesem Briefe Eck und die Wittenberger ganz gleichmäfsig be-

Anfang eines Briefes Mosellans an Job. Lang in Erfurt, der in den Sommer 1.520 gehört (Cod. Goth. A 399 fol. 229 b, abgedruckt bei Krafft, Briefe und Dokumente aus der Zeit der Reformation, Elberfeld [1875], S. 149 f.): Hodie cum ab Augustini praelectione [vgl. diese Ztschr. XVI 71] domum redierim, . . inter viam salutaui Optimum illum nostrum Stromerum. Is me diu apud se, ut est bumanissimus , detinuit ... Stromers Vermittelnng bediente sich Mosellan, um Spalatin ein Exemplar seiner Übersetzung von D. Agapeti ... ad Justinianum Caesarem/Augustum opusculum boni principis officia . . . complectens (Schmidt S. 61) zu schicken: Clarorum virorum epistolae CXVII e bibliotbecae Gothanae auto- grapbis, Anhang zum Catalogus codicum manuscriptorum bibl. Goth. autore E. S. Cypriano (Lips. 1714) S. 2 f.

*) Seckendorf, Commentarius de Lutberanismo lib. I sect. 26 § LXI p. 86 b (Ausgabe von 1692).

9) Abschrift im Cod. Goth. A 399 fol. 261b -262a. Varianten: W. S. 90 Z 4 : foecundissimam statt iucundissimam : Z. 6 : disputationem seu concertationem ; Z. 12: ligandiue; Z. 13: quibusdam st. nonnuUis; Z. 16: crede st. recte; Z. 20: inscicia st. justitia. Die Richtigkeit der beiden letzten Lesarten bezeugt das Faksimile S. 91

"^) Abgedruckt in meinen Beiträgen zur Reformationsgeschichte aus Büchern und Handschriften der Zwickauer R.-S.-B. I (Berlin 1900), 25-28.

Zur Lebensgeschichte Heinrieb Stromers von Auerbach. 105

handelt und belobt. Es hängt das jedenfalls damit zu- sammen, dals_ er in diesem Briefe sich geniert fühlte, da er für die Öffentlichkeit bestimmt war. Während der Disputation, so erzählt nämlich der Briefschreiber, habe er in den Händen eines in seiner Reihe sitzenden Doktors des Erasmus Ratio seu methodus compendio perveniendi ad veram theologiam (erschienen bei Frohen in Basel im April d. J.) bemerkt und mit Erstaunen und Entrüstung wahrgenommen, dals darin der Brief Albrechts von Mainz an Erasmus vom 13. September 1518 und Erasmus' Antwort vom 21, Dezember nicht mit abgedruckt waren. Da die Briefe für beide Teile sehr ehrenvoll seien, habe er das treflfliche Schriftchen unter Hinzufügung beider Briefe neu drucken lassen. Es ist noch 1519 bei Lotter in Leipzig erschienen^'). Am 9. Januar 1520 schickt Stromer ein Exemplar an Johann Lang in Erfurt^-').

Aus diesen Aulserungen erkennen wir, dafs er, wie so viele andere Humanisten auch in den folgenden Jahren, damals der Überzeugung war, dafs die Wittenberger Reformbestrebungen und die der Erasmianischen Partei in ein Bett zusammenlaufen würden. Dieser fromme Glaube sollte indessen bald erschüttert werden. Bisher hatte er sich immer der Hoffnung hingegeben, dals Erz- bischof Albrecht nicht nur ein Gönner und Beschützer freigeistiger Künstler. und Gelehrten sein, nicht nur an seinem Hofe private Aulserungen und elegante Witzchen gegen kirchliche Mifsstände dulden wolle, sondern auch für ernsthafte und durchgreifende Reformen zu haben sein würde. Da lud nun aber der Kardinal, lediglich um seinen erschöpften Finanzen aufzuhelfen, auf Sonntag nach Maria Geburt 1521 wieder einmal zu einer Aus- stellung seiner Reliquienschätze und zur Gewinnung all des Ablasses, der an sie geknüpft war, ein. Luther, der von der Wartburg scharf Umschau hielt, war nicht gesonnen, diesen Unfug schweigend mit anzusehen. Das Gerücht verbreitete sich, er werde „wider den Abgott zu Halle" schreiben. Es drang auch an Albrechts Hof. Diesem mufste es eine sehr fatale Aussicht sein, von dem kühnen Mönche, dessen rücksichtslos -zermalmende Beredsamkeit er kannte, zu dem das Volk als zu dem Elias redivivus emporsah, dessen Schriften die Leute sich aus den Händen

") Titel ebenda S. 24 f.

^2) Vgl. den im Anhang gedruckten 1. Brief.

106 Otto Giemen:

rissen, an den Pranger gestellt zu werden. Er schickte eine Gesandtschaft nach Wittenberg, die Melanchthon bereden sollte, Luther an dem Vorgehen gegen den Kardinal zu hindern und überhaupt mälsigend auf ihn einzuwirken. Mit dieser schwierigen Mission betraute er Capito, den vielgewandten, und unseren Stromer. Am 30. September kamen sie nach Wittenberg. Da aber Melanchthon mit würdiger Entschiedenheit erklärte, er werde Luther, der vom heiligen Geiste getrieben würde, nie von etwas ab- zubringen suchen, erreichten sie nichts. Vergeblich waren auch Verhandlungen Stromers mit Justus Jonas ^^).

War Stromer wirklich der gerade Charakter, als den ihn Hütten gezeichnet hat (bei Wustmann S. 23 und 25), so müssen wir erwarten, dals er nach solchen Erfahrungen sich mehr und mehr den Lutherischen näherte. Und dafür haben wir auch Beweise. Am 4. Juni 1522 schrieb der Eilenburger Bürger und Schuhmacher Georg Schönichen an den damaligen Rektor Mosellan, sowie an Dungersheim von Ochsenfart und Andreas Frank als an die Häupter der Universität und Stadt Leipzig ein Sendschreiben, in dem er Predigten widerlegte, die er am 1. und 24. Mai in Leipzig mit grofsem Mißvergnügen gehört hatte, und um weiteren Unterricht auf Grund der heiligen Schrift bat^*). Einem Privatbrief zufolge''^) zeigte sich Stromer über die tapfere kleine Schrift sehr erfreut und liefs es

'") Corpus refonnatorum I Nr. 142 (Anfang Oktober anzusetzen). G. Ellinger, Philipp Melanchthon (Berlin 1902) S. 1.56 ft. Auch als Capito am 12. März des folgenden Jahres nach Wittenberg kam, „reconciliaturus se . . Luthero", war er von Stromer begleitet: Horawitz - Hartfelder, Briefwechsel des ßeatus Rheuanus (Leipzig 1886) S. 303 f., Hartfelder, Melanchthoniana paedagogica (Leipzig 1892) S. 122 Aum. 2. Mit Capito stand Stromer auch noch später im Verkehr. Vgl. dessen Brief an ihn, Strafsburg 5. Juli 1.524, bei Kapp, Kleine Nachlese einiger . . . zur Erläuterung der Reformationsgeschichte nützlicher Urkunden II, 610 612.

") Seidemann, Beiträge I, 61 ff. Diese Zeitschrift XIX, 102f.

1") Hermann Mühlpfort aus Leipzig an Stephan Roth in Witten- berg 12. Juni 1523 (bei Buchwald, Archiv f. Gesch. des Deutschen Buchhandels XVI, 26 Nr. 17 falsch datiert): . . . wyst, das Ich Iczund pifs an dritten tog byn zu Leipzigk gewefsen. vnter anderen Szo hab Ich vil newer gezceyten gehört, nemlich das eyn sehnst er von Eylenbergk wider Doctor ochfsenfart geschriben. Des seynt vill heymlich Junger Erfrawet. Des Ich durch doctor auerbach vnd camicianum den fromen herren Eyn Copia vberkhomen hab vnd als pald meynem gnedigen Jungen Herren Hertzog Johans Fridrich zu- geschickt (Original 0 7 der Zwickauer R.-S.-B.).

Zur Lebensgeschichte Heinrich Stromers von Auerbach. 107

sich angelegen sein, sie in Abschriften zu verbreiten. Dafs Stromer zu dem „Urstamme der Leipziger Evange- lischen'* gehörte, scheint auch daraus zu folgen, dafs er mit Magister Oswald Lasan von Zwickau befreundet war^**), der die Bittschrift vom 2, April 1524 mit unter- zeichnet hat^'). Da sich Stromer jedoch im allgemeinen in vorsichtiger Reserve hielt, blieb er von Drangsal verschont. Auch Bischof Adolf von Merseburg, der am 26. April 1524 zur Visitation nach Leipzig kam und dem Stromer als eifriger Lutheraner verdächtigt wurde, wagte sich an den hochangesehenen und, wie männiglich bekannt, auch von Herzog Georg sehr geschätzten Mann nicht heran^^).

Zu seinen späteren Lebensumständen, wie sie Wust- mann dargestellt hat, wüfste ich nur wenige Ergänzungen zu geben^'-'). Erwähnt sei noch, dafs der S. 73 aus Frehers Theatrum zitierte Ausspruch sich schon bei Manlius, Libellus medicus rariorum experimentorum S. 33 findet-*'). In desselben.. Locorum communium collectanea I, 80 ist eine andere iVuIserung Stromers erhalten : Er habe einmal gesagt, die Reformation sei allen Künstlern von Nachteil gewesen aufser den Ärzten. Denn alle Maler, Bildhauer, Goldschmiede beklagten sich, dafs sie hungern müfsten,

16) Diese Zeitschr. XXIII, 143 unten.

1') Seidemann S. 78.

'8) Seide mann, Die Leipziger Disputation (1843) S, 140, 142. Derselbe, Beiträge I, 82.

1^) Zu der S. 69 und 73 erwähnten Schrift Stromers De morte hominis decreta aliquot medica (Panzer YII, 236 Nr. 963) vgl. eine Stelle aus einem Briefe des Johannes Megobacchus an Joh. Lang in Erfurt, Cassel (wo M. Leibarzt war: Krause, Helius Eobanus Hessus [Gotha 1879] Reg. s. v. Meckbach; Jöcher, Gelehrtenlexikon III 353), 20. Januar 1542 (Cod. Goth. A 399 fol. 260b): Non minores gratias ago nunc tibi et habeo et aliquando, si potero, referam ob transmissam praeceptoris mei Aurbachij [„Joannes Meckenbach de Spangenbergk" Sommer 1514 in Leipzig immatrikuliert: Matrikel I 533] de morte disputationem nunquam antea mihi visam, quam ego nuper a te digressus tuo nomine principi meo egi. Zu den Nach- richten über Stromers Kinder S. 79 ff. sei nachgetragen, dafs Johannes Musler (über den ich eine kleine Monographie vorbereite) rühmt, er habe Stromers Töchter in Leipzig elegant lateinisch sprechen hören (H. J. Kämmel, Joh. Musler, Bilder aus einem Lebrerleben des 16. Jahrhunderts, Neixes Lausitzisches Magazin XL VI (1869), 217 Anm. 20).

-0) Für Melancholiker scheint sich Stromer überhaupt inter- essiert zuhaben. Vgl. die bei Hartfelder, Melanchthoniana paeda- gogica S. 192 mitgeteilte Erzählung Melanchthons über die Heilung eines Melancholischen in Leipzig, qui finxerat se esse mortuum.

108 Otto Giemen:

den Ärzten aber nütze es, dals, nachdem die Heiligen aufgeliört hätten, ..die Kranken zu heilen, die Menschen wieder bei den Ärzten Zuflucht suchen mülsten.

Auf die Faustbilder in „Auerbachs Hof", die Wust- mann zuletzt in seinem feinen Bilderbuch aus der Geschichte der Stadt Leipzig (1897) S. 6 reproduziert und kurz be- sprochen hat, geht er diesmal nicht weiter ein. Vgl. besonders Wilhelm Schäfer, Deutsche Städtewahr- zeichen 1 (Leipzig 1858), 32 lt.; Cornelius Gurlitt, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst- denkmäler des Königreichs Sachsen XYIII, 451 f.; G.Wit- kowski, Der historische Faust, in der Deutschen Zeit- schrift für Geschichtswissenschaft N. F. I, Vierteljahrs- hefte S. 325.

Endlich füge ich noch drei Briefe Stromers an Joh. Lang in Erfurt bei, die sich in dem von Siegfried Asterius aus Hildesheim geschriebenen Codex Gothanus A 399 erhalten haben'-'). Leider ist der Text des zweiten Briefes, in dem Stromer von allerhand Blamagen be- richtet, die sich die Sophisten geleistet haben, verderbt.

Beilage 1.

Viro omniuiii saeculorum memoria digno, domino Joamii Lango, sacrarum literarum doctori, praefectoMonachorum D. Augustini,

1). suo suspiciendo.

Salutem p. d. Charissime et digfiiissime Domine Doctor, prae- fecte militum Christi et D. Augus : Vigilantissime. Lator praesens Matthaeus Moler-'-) abiens ad me venit, nolui, ut te virum undique doctissimum peteret sine meis literis barbaris. malo ad te meam in- fantiam prodere quam Harpocraten colere. Matthaeus meo nomine tibi (lonabit compendium Theologiae Erasmi, viri extra omnem ingenij aleam periti, una cum epistolio Keverendissimi Cardinalis Mogun- tiaci ad Erasmum et huius ad illum et . . .^'^) imprudens graeculum inter musas, me infantem inter eloquentissimos acerrimique iudicij viros, qui infantiam meam eo modestius, ut spero, ferent, quo per eam eorum eloquentia magis elucescat. Dissidentium namque ea est natura, ut coniuncta magis elucescat, Caeterum tibi opto faustum felicemque animum ac inconcussam mentis et corporis sanitatem. Ea, quae

-') Über diese Hs. vgl. G. Oergel in den Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt XV, 15ff.

--) Es ist doch wohl der bekannte Erfurter Driicker gemeint: Allgemeine deutsche Biographie XX, 138. XXVI, 829 f. „Matheus Maler de Amberga" immatrikuliert Sommer 1499: Matrikel der Uni- versität Leipzig I, 430.

-'^J Ein Wort unleserlich.

Zur Lebensgeschichte Heinrich Stromers von Auerbach. 109

Liptzg genmtur, audies ex Latore praesenti. interim vale et te amantem, obseruantem , suspicientem redama. Datum Liptzk celerrime nono Januarij Anno 1520. Xuus Henricus Stromer. M.

Beilage 2,

Viro vita, iiiuocentia ac epregria eruditione claro, Domino Johaiuii Laugo Theologo, patrono et Domino suspiciendo.

S. Doctissime Doctor ! ea, quae nobiscum et Vitenbergae aguntur, audies ex Bernhardo latore praesentium^^). Theologastri nonnuUi nobiscum adhuc sunt in communi hominum opinione, in hoc saltem, quod aurei nummi vngaricales sunt meliores Khenensibus et quod vinum praesertim plenum datum gratis valeat contra febres. Addnnt psalterium non conveuire cum Cythara, id est uxorem cum Theologia. Quandoquidem concubinarius et non vxorarius esse posset Theologus. Adßhenum quidam Magister noster praedicavit in eos, qui Aristotelem, philosophorum facile principem, eijciunt e Scholis Theologorum, Quod nullibi in sacrosanctis literis offendatur, quod traduceudi taxandique nominatim non sint mortales, Verum hoc petendum esse ex philo- sophisAristotele, Piatone etPorphyrio, testem omni exceptione maiorem citans Porphyrium, de genere generalissimo usque ad imam speciem iubeat Plato, philosophorum deus, quiescere et ad individua non perueni, solertem vide magistium nostrum, qui vel e pumice aquam elicere potest. Alius dixit: Christum non faisse Jurisconstultum, lapsus sum, dicere volui consultum. Ignorasse enim eum haue regulam Juris in sexto vel septimo: Viros vi repellere licet. Quid probauit'? defendunt sna cornua taiirum. Haec iudicula, ne nihil tibi scriberem, te latere nohü. seria lator tibi dicet. Caeterum magnopere rogo, ne graueris mihi respondere et Petreiura-''), derisorem deorum et hominum, virum disertissimum atque mihi amicissimura, valere iubeas meo nomine cuique dicas velim, ut mihi scribat, alioqui ego eum feriam territico excommunicationis fulmine. Vnum omissum in causa fuit festiua abitio latoris. Theologi, qui pontificem caput Ecclesiae faciunt, concordant in vno cum bis, qui Christum nostrum vindicem statuunt Ecclesiae, quod Romanus Episcopus sit Deus terrenus. Hi enim dicunt eum terrena, non coelestia curare, errantes toto coelo, qui fieri posset, ut sanctissimi non sanctissima et coelestia curent? Cord US-'') vester, quem valere opto, quaerit Christianum non temere in vrbe. Seit enim illic esse sanctissimos homines. Eobanus noster monachos, religiosos illos patres mea sententia, quaerit Christianos, inter quos pelagus Christianorum offendit. Valeat tua excellentia cum optimis Omnibus et Christi gloriam, ut facis, acerrime propugna! Datum celerrime Liptz Dominica post corporis Christi [22. Juni] 1522"). T. H. S.

-^) Enders, Luthers Briefwechsel IV, QßK 146ff. G. Kawerau in Beitr. zur bayerischen Kirchengeschichte III, 250 Krause, Epistolae aliquot selectae virorum doctorum Martino Luthero aequalium, Beigabe zum Zerbster Gymnasialprogramm 1883 S. 9.

^•') Petrejus Aperbach: Allgemeine deutsche Biographie I, 504.

26) Euricius Cordus: ebenda IV, 476—479.

-'') Krause, Helius Eobanus Hessus I, 255 Anm. 3 datiert den Brief fälschlich: I.Juni 1522.

110 Otto Giemen: Zur Lebensgeschichte Heinrich Stromers etc.

Beilage 3.

Doctissimo Theologo Johauni Laugo Sacrarum literarumDoctori.

Vt faustus, felix fortunatissimusque sit tibi tnisque omnibus hie currens novus annus, opto. Si hac tempestate ad tuos veteres amicos venire nequis, faxit Jesus Christus, ut posthac venias; eris nobis gratus hospes. Noua nulla habemus de Colloquio Wormaciano. Venerunt literae^s), qnod accincti fuerunt nostri legati itineri, Verum precibus obtinuisse Episcopum Treuerensem, ut iniuerunt (!) colloquium, et mansenxnt. Dens vertat oinnia in gloriam suara et nostram! Vale in Christo Jesu nostro saluatore et me tuam excellentiam observantem redama! nundinarum strepitus uec haec rite nee plura scribere permisit. Valeat tua dignitas iterum diu, bene et foeliciter. Datum celerrime Liptz Quarta Januarij nato saluatore 1541.

T. H. Stromer.

2*) Jedenfalls von dem mit zum Wormser Religionsgespräch abereordneten Andreas Frank von Kamenz (vgl. diese Zeitschrift XIX, 105).

VI.

Wolfgaug Lazius, ein Geschichtsclireiber des Schmalkaldischen Krieges.

Von

Otto Eduard Schmidt.

Georg Voigts grundlegende Abhandlung „Die Ge- schiclitsclireibung über den Schmalkaldischen Krieg" (Abhandlungen der K. Sachs. Gesellsch. d. Wissenschaften VI, 567— 758) und seine Aufzählung und Beurteilung der Quellen zur Geschichte der Schlacht von Mühlberg (Moritz von Sachsen S. 371 f.) sind natürlich im Laufe des Viertel- jahrhunderts, das seit dem Erscheinen der genannten Werke vergangen ist, mehrfach ergänzt und berichtigt worden. Max Lenz hat in seiner Schrift über die Schlacht bei Mühlberg (Gotha 1879) namentlich den Originalbericht des hessischen Sekretärs Heinrich Lersener über seine Teilnahme an der Schlacht aus dem Marburger Archive mitgeteilt und auf einen Bericht im Stralsburger Stadt- archiv (AA 561), den er den „Strafsburger Anonj^mus" nennt, aufmerksam gemacht, ein Seitenstück zu dem be- kannten bei Hortleder (II Buch 3 Kap, 69) gedruckten Schlachtbericht des Buchdruckergesellen Hans Baumann aus Rothenburg ob der Tauber. Ferner sind in den „Venezianischen Depeschen vom Kaiserhofe", die Fr.Turba im Auftrage der historischen Kommission der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien seit 1889 heraus- gegeben hat, die Berichte, die die venezianischen Ge- sandten Mocenigo und Contarini täglich aus dem kaiser- lichen Lager in die Heimat schickten, bekanht geworden.

112 0. E. Schmidt:

Aus ihnen erfahren wir eine Fülle wichtiger und inter- essanter, bisher unbekannter Einzelheiten. Endlich sind auch die Tagebücher Karls V., die dieser 1550 seinem Geheimschreiber van Male diktiert und Kervyn van Letten- hove 1862 in französischer Sprache herausgegeben hat, durch die Arbeiten Le Mangs genauer und besser gewürdigt worden als bisher^). Die Tradition über den Schmalkaldi- schen Krieg, wie sie sich in der Umgebung des Kaisers gebildet hatte, ferner die wettinisch-albertinische, die wettinisch-ernestinische und die hessische Überlieferung scheinen uns nunmehr genugsam bekannt zu sein. Dagegen fehlt es bisher an einem aus dem Hauptquartier des Königs Ferdinand stammenden Bericht über den Schmal- kaldischen Krieg. Ein solcher ist aus der Feder des Wiener Hofhistoriographen AVolfgang Lazius in mehreren Rezensionen handschriftlich vorhanden. Auf ihn hat schon im Jahre 1894 der Innsbrucker Professor Michael Mayr in seiner Schrift: „Wolfgang Lazius als Geschichtsschreiber Österreichs" S. 54 aufmerksam gemacht und namentlich dadurch eine gewisse Spannung erweckt, dafs er dem Herausgeber der obengenannten Venezianischen Depeschen, Fr. Turba, eine Notiz aus Lazius zum Abdrucke (s. II, S. 229 f.) überliels, aus der hervoi-geht, dals die bei Mühlberg erbeutete kurfürstliche Kanzlei in den Besitz des Königs Ferdinand übergegangen sei. Man durfte also vermuten, dafs Lazius bei seiner Geschichte des Schmalkaldischen Krieges wertvolle Schriftstücke dieser Herkunft be- nutzt habe.

Aus diesem Grunde habe ich mir im vorigen Jahre die beiden, wie es mir schien, wichtigsten Handschriften, die Lazius' Geschichte des Schmalkaldischen Krieges ent- halten, Nr. 7865 und 7688, von der Direktion der Kaiser- lichen Hofbibliothek auf einige Wochen zur Durchsicht erbeten. Meinem Verlangen wurde in der freundlichsten Weise entsprochen, wofür ich auch hier meinen ergebensten Dank ausspreche. Ehe ich aber auf die Ergebnisse meiner Untersuchung genauer eingehe, erlaube ich mir einige Bemerkungen über Lazius' Persönlichkeit voraus- zuschicken.

1) Le Mang, Die DarsteUung des Schmalkaldisclien Krieges in den Denkwürdiglieiten Kaiser Karls V., Leipziger Diss. 1890. II. und III. TeU erschienen als Programm der Annenschule in Dresden 3 899 und 1900.

Wolfgang Lazius. 1X3

Wolfgang Lazius-) die deutsche Namensform ist Latz , der Sprols eines schwäbischen Geschlechtes, Avurde am 3L Oktober 1514 in Wien geboren, wo sein Vater, ein Freund des Beatus Ehenanus und Reuchlins, an der Universität als Professor der Medizin wirkte. Auch der Sohn, ein frühreifes Wunderkind, wandte sich vorzugs- weise der Medizin zu: er war Arzt beim kaiserlichen Heere in Ungarn, darnach (seit 1541) Spitalarzt in Wien und Dozent der Anatomie und Chirurgie. Nebenher aber stürmte auf den reichbegabten leichtbeweglichen Mann die ganze Flut der neuen humanistischen Wissenschaft herein und drohte zeitweise sein ganzes Dasein aus den Angeln zu heben. Schon als Knabe bildete er seinen lateinischen Stil an den Briefen des Filelfo und an den Historikern der Römer. Später hat er selbst lateinische Werke über griechische, römische und deutsche Altertumer verfalist, vor allem aber hat er als einer der ersten unter den deutschen Humanisten alte Urkunden, Inschriften und Münzen als Geschichtsquellen herangezogen. Die Be- schäftigung damit führte ihn auf die ältere österreichische Geschichte und liels ihn zahlreiche Reisen in Klöster und Burgen unternehmen, in denen er Materialien für seine Forschungen zu finden hoffte. So veröffentlichte er 1546 die Vienna Au Striae, eine bis in seine Zeit fortgeführte Geschichte und Beschreibung der Stadt Wien. Diese aber ist nur eine kürzere Fassung eines gröfseren wissenschaft- lichen Werkes über die Geschichte Österreichs^). Lazius ist wohl der erste Geschichtsforscher gewesen, der den grofsen Plan fafste und bis zu einem gewissen Grade durchführte, die Geschichte Österreichs von der Römerzeit an bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts in sechs Dekaden zu behandeln. Das antike Vorbild dazu waren die Dekaden der römischen Geschichte des Livius. Schon die Vor- arbeiten brachten ihn in eine Verbindung mit dem Könige Ferdinand: das Privilegium des Königs für dieses Ge- schichtswerk vom 9. Januar 1544 ist bereits der Vienna Austriae vorgedruckt. Seit 1548 gilt er als Hofhistorio- graph Ferdinands, als solcher erscheint er 1554 im Hof- staate''). Am 19. Juli 1561 ist er, erst im 51. Lebensjahre

-) Vgl. J. Aschbach, Geschichte der Wiener Universität III, 217 und den Artikel Lazius in der Allgemeinen deutschen Biographie XVIIl, 89—93 von Adalbert Horawitz.

3) Mayr a. a. 0 S. 2 f

*) Mayr a. a. 0. S. 3 und 9 Anm. J.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 1. 2. 8

114 0. E. Schmidt:

stehend, wohl mit unter den Folgen geistiger Überarbeitung, in Wien verstorben.

Der Schmalkaldische Krieg als einer der glänzendsten Erfolge des Hauses Österreich niufste natürlich in Lazius' geplantem Geschichtswerke eine grofse Rolle spielen. Lazius hat diesen Stoff sehr bald nach den Ereignissen selbst, zunächst in einem besonderen Werke, zu bearbeiten begonnen. Er sagt nämlich am Schlufs des vierten Buches Rerum Pannonicarum , der ausdrücklich aus dem September 1548 datiert ist, er wolle nunmehr sofort über den Schmalkaldischen Krieg schreiben^). Seine Darstellung desselben ist, wie Mayr (S. 54 ) angibt, in vier Fassungen erhalten. Ich kenne sie aus dem Manuskript der K. K. Hofbibliothek in Wien Nr. 7865, einer Papierhandschrift in Folio, die beigegebenen Karten sind auf Pergament gezeichnet. Verschiedene Umstände deuten darauf hin, dals wir es hier mit der ersten Redaktion zu tun haben. Das Exemplar war wohl für den König Ferdinand be- stimmt. Der Titel lautet:

Mappa sive chorographia castrametationum et profectionum longe invictissimi imperatoris Caroli in bello aduersus Schmalcaldenses in Bavaria Suevia et Risa Virtenbergiaque gesto.

Dann folgt die Widmung an König Ferdinand:

Invictissime et clementissime Rex. In ista Mappa bellum gestum ab imperatore invictissimo Carolo V. Domino nostro clementissimo aduersus Schmalcaldenses in Bavaria cum suis castrametationibus ac profectionibus delineatum est. Nam historiam cum dubie mihi res relatae sint, scribere nolui, priusquam veram informationem a Sacra- tissima Maiestate vestra accipereni. Proinde et spatium hoc vacuorum relictum a me est foliorum. In pictura aut(em) sive Mappa castra imperatoris aurea cruce, castra hostium tentorio, itinera Caesaris sive profectiones aureis lineis, hostium vero rubris lineis, denique numeri ordiae subvigatarum sive ad obsequium receptarum civitatum auro representantur.

Lazius hat also, wie es auch jetzt noch geschieht, den Schmalkaldischen Krieg in den süddeutschen (Sommer und Herbst 1546) und in den sächsischen Feldzug (Früh- ling 1547) eingeteilt. Vom süddeutschen Feldzuge ist nur die Karte vorhanden, auf der in der Tat die Märsche des Kaisers mit goldnen Linien, die der Protestanten mit roten Linien eingetragen sind, ebenso die Lager des Kaisers mit einem goldnen Kreuz, die der Protestanten mit einem roten Zelt. Für den fehlenden Text sind 13 folia freigelassen. Auf fol. 14 folgt dann auf Pergament die

5) Mayr a. a. 0. S. 53 f.

Wolfgang Lazius. X15

Karte zum sächsisclien Feldzuge unter folgender Auf- schrift:

Mappa sive chorograpliia castrainetationum et profectionum longe invictissimorum Caesarum Caroli V et Ferdinandi primi. In bello aduersus Joannem Fridericum exelectorem in Misnia et Saxonia deniqi;e aduersus conspirationem quoruudam in Bohemia gesto, in qua pictura profectiones iraperatoris aureis lineis, profectiones ßegis i'erdinandi argenteis lineis et hostis rubris lineis representantur.

Mayr (S. 65) findet, dais die..genauen geographischen Beschreibungen der behandelten Örtlichkeiten ein großer Vorzug der Werke des Lazius seien, wie denn überhaupt seine Vorliebe für Geographie auch in den historischen Werken überall zum Durchbruche gelange. Dieses Lob muls bezüglich der obengenannten Karte sehr eingeschränkt werden. Sie steht wissenschaftlich tief unter den gleich- zeitigen kursächsischen kartographischen Arbeiten, z. B. unter der grolsen Karte des Hiob Magdeburg, und ist durch die schwersten Fehler entstellt. Der Lauf der Elbe durch Sachsen ist fast genau nach Norden gerichtet, die Orts- namen stehen teilweise an ganz falscher Stelle. So liegt z. ß. ßelgern statt an der Elbe in der Mitte zwischen Mulde und Elbe, Stolpen liegt auf dem linken (!) Eibufer südöstlich von Annaberg, Herzberg südlich von Mühlberg, die„Locherhaid" südlich von „Costdorf" und Falkenberg etc. Auiserdem sind die Ortsnamen so falsch und auch so ab- weichend vom Texte geschrieben, dafs man annehmen muis, der vielbeschäftigte Arzt und Professor der Medizin habe diese Karte nach einer flüchtigen Skizze von einer unter- geordneten Person machen lassen, die nichts von der Sache verstand. So heilst z. B. das Quartier Karls V., das er am 22. und 23. April 1547 innehatte, auf der Karte zum han, während es zum hove gemeint ist das Schleinitzische Schlofs Hof bei Oschatz heifsen mufs; der Wald, in dem Johann Friedrich gefangen wurde, heifst Hemhard Sylva, während im Text richtiger Schuenharta (Schweinart) zu lesen ist. König Ferdinand müfste ein sehr geringer Stratege gewesen sein, wenn ihm diese kartographische Leistung seines Hofhistoriographen Hoch- achtung abgenötigt hätte.

Es folgt dann von fol. 15 an der Text:

Incipit Liber secundus historiae austriacae de rebus a CaroloV et Ferdinande 1. longe invictiss. et clementissimis Caesaribus adversus coniurationeni Schmalcaldiensiuni in Saxonia et Misnia feliciter gestis authore Volfgango Lazio Vienuensi.

Victor iam Caesar, quo tempora etc.

8*

116 0. E. Schmidt:

Ich teile im folgenden die Stellen aus Lazius' Bericht mit, die mir die wichtigsten für die Beurteilung des Ganzen zu sein scheinen. So heilst es fol. 32 v (Bericht über den Vormarsch der Kaiserlichen aus der Öschatzer Gegend an die Elbe):

Inter haec Caesares, dum bis terit hostis consiliis terapus, nihil differendum rati cum ex propinquo Ducem [Johann Friedrich] in adversa ripa Albis, loco, ut videbatur, tuto ad Milenburgum oppidulum, ([uod inter Torgam ac Misnam medium occurrit, comunivisse accepissent, ipsi cum parte exercitus ad exploranda circa loca progressi vicesimo quarto die mensis Aprilis, dum caeterae copiae sequerentur, in villa quadam Rageza medio a fluento Albis niilliario consedere. Hie uti paululum ab Albi locus, ita nee plurimum ab hostium stativis locus aberat. Ubi cum exercitum sub pellibus teuere et pernoctare in crastimum decrevissent (haud parva rebus tarn prosperis, si factum fuisset, mora impedimentoque) addidit stimulum ue id facerent per- opportune ipsum, cuius praesentia cuncta gesta fuere, Christi numen, quod mutatis consiliis principum celeritate arripiendam victoriam suadebat, Itaque eius etiamnunc vesperi (nam primam circiter horam ex itinere Ragezam venerant) iussis militibus cibos coUigere et sarcinas castra ex stativis mota sunt, festinatumque ad Albim fuit, a cuius ripa haud procul villa occurebat, Shermizam incolae vocant, paulo supra strelen oppidulum. Isthic denuo pernoctare Caesares constituerant et dato hostibus fugae intervallo omnem conserendi manum occasionem amisissent, ni Dens consilia mutasset obiecto exploratore, qui ad speculandas res nostras ab hostibus missus fuerat. Cuius inditio cum bestem ad Milenburgum, quod Albis flaentum inter- llueret alto gurgite, omni solutum meta accepisset convivia magis quam arma tractare et tum forte cum concioni sacrae interesset nuncios, qui de adventu Caesarum ipsum certiorera fecerant, inridentem occasionem bene gereudae rei sequendam prudentissimi et diligentissimi principes putantes eo adhuc vesperi exclusa omni quiete etsi fessis tanto itinere militibus tameu acie directa sine omni tumultu castra ad locum qui prope flumen tutissimus stativis est visus delectum comuniveruut.

Wenn man hier von der Konfusion der Zeit und des Orts absieht, die dem leicht passiert, der zwei oder mehrere Berichte zusammenarbeitet denn in Wahrheit kam Karl V. am 22. April in den Dörfern des Jahnathals an und rastete dort am 23., brach aber um Mitternacht, also mit Anbruch des 24., von dort nordAvärts auf und marschierte bis Pausnitz und Schirmenitz an der Elbe , so lassen sich eigentlich fast alle Tatsachen, die Lazius anführt, aus dem bekannten Berichte Baumanns (s. S. 111), die meisten auch aus dem Stralsburger Anonymus (s. S. 111) belegen. Der letztere beginnt seinen Bericht ,.Als die Ro. Kais. Mt. utf Sonntag den XXIIII. Aprilis aus ihrem Leger, so bei einem Dorf zum Hotf genannt gehapt, ver- ruckt . . ." und Baumann sagt „aus irem Feldtlager bey der Jana zwischen Lummitisch (d. i. Lommatzsch) und

Wolfgang Lazius. 117

Mugiln zu morgens verrücket" man mufs sich dabei erinnern, dals Lazius' Karte die Namen Gena = Gana und zum lian =^ zum Bove bietet. Aber der Name Ragez findet sich weder bei Baumann noch beim Strafsb. An., er findet sich aber auch niclit in dem vortreff'lichen Iter Caesaris des Mameranus (erschienen 1547), aus dem Lazius die Namen Gana und zum Hove und weiterhin den Namen des neuen Lagers Shermiz = Schirmenitz haben könnte. Denn Mameranus schreibt:

22. (sc. Aprilis). Usque Houen et Ganam Pagos. Qua et ipsa die fuere ad nonam usque uebulae.

23. Ibidem permansum est, fiieruntque et ea die usque ad decimara tenebrosae et perdensae nebulae.

24. Aprilis, mane sub ipsum statim diluculum illiiic discessum usque Pausenitiuin et Schirmitium pagos, ad Albim lluvium e regione MuUenburgii oppidi, ad alteram ripam siti, infra Strelam Castrum. (Lazius schreibt versehentlich supra Strelen oppidulum im Texte, doch richtig auf der Karte).

Was ist überhaupt unter Ragez zu verstehen? Ohne Zweifel Ragewitz, ein Dorf, das ein wenig abwärts von Hof und Jahna ebenfalls am Jahnabache liegt und das die Einwohner noch heute Ragz aussprechen. Bis dorthin also erstreckte sich am 22. und 23. April das Lager der kaiserlichen Soldaten, während der Schleinitzer Hof Karls V. Hauptquartier war.

Wie kommt aber der Wiener Hofhistoriograph, der diese Gegend nie gesehen hat und übrigens so schlecht über sie unterrichtet ist, zum Namen dieses unbedeutenden Dorfes? In diesem Namen ist uns ohne Zweifel ein Hin- weis auf die Quelle gegeben, die Lazius benutzte. Und in der Tat findet sich eine Spur, die uns weiterführt. In der von Jakob Fugger (f 1575) verfafsten handschrift- lichen Geschichte des Schmalkaldischen Krieges, die in dem Kgl. bayerischen Staatsarchive zu München unter K. schw. 543/4 und K. schw. 500/8 verwahrt wird, befindet sich K. schw. 543/4 fol. 199 f. unter der Aufschrift: „Römischer Keyserlicher Maiestat vnd Hertzog Moritzen zu Sachssen etc. Victori vnd vberwindung, wider Hertzog Johah Friederichen, etwa Churfurst zu Sachssen grunt- licher Bericht" eine der Baumannschen sehr verwandte Relation, die aber im Eingange die Angabe enthält, das kaiserliche Lager sei „bey der Jana umb Ragetz und dem Hove, zwuschen Lummitsch und Mugiln" gewesen. Auf diese Fuggersche Relation hat bereits A. v. Druffel (Des Viglius van Zwichem Tagebuch etc. S. 20* f.) aufmerksam

118 0. E. Schmidt:

gemacht, dann hat Lenz (Die Schlacht bei Mühlberg S. 56 f.) eine von A. v. Druffel angefertigte Kollation des Fuggerschen Berichtes mit dem Baumannschen (Hort- leder II, 1. Aufl., S. 436) veröffentlicht. Da diese Kollation aber nur die gerade in den Ortsnamen nicht sehr korrekte Reinschrift des Fuggerschen Werkes (K. schw. 543/4) berücksichtigt, nicht aber das von Jakob Fugger eigen- händig geschriebene Originalkonzept mit seinen eigen- händigen Randnoten (K. schw. 500/8), so habe ich mir durch die Güte der Direktion des bayerischen Staats- archives eine genaue Abschrift des Schlachtberichts aus aus 543/4 fol. 199 ff. und der dazu gehörigen eigenhändigen Randnoten Fuggers aus 500/8 fol. 94 verschafft. Daraus ergibt sich folgendes. Fugger hat in seinem Original- konzept 500/8 fol. 84, wie schon Druffel richtig angibt, geschrieben: „ad 24. (Aprilis) ist der Churfürst und achter {= Achter) personlich gefangen worden laut der copia N^ 18". Diese Copia ist nicht vorhanden; aber aus der Reinschrift 543/4 ergibt sich, dals sie fast identisch war mit der sedruckten Relation Baumanns, die demnach fast wörtlich herübergenommen den Grundstock der Bericht- erstattung Fuggers über die Mühlberger Schlacht aus- macht. Aber die Baumannsche Relation ist von Fugger an vielen Stellen erweitert: die Zutaten erkennt man am besten und in der reinsten Form aus dem Originalkonzept 500/8 fol. 94. Sie weichen in nicht unwesentlichen Dingen von der von Lenz a. a. 0. veröffentlichten Kollation ab. So heifsen z. B. die Dörfer, bei denen Karl V. am 24. April sein Lager schlug, in Fuggers Reinschrift: „Brisnitz und Schirnütz", bei Lenz „Brisnitz und Schirnitz", in der Fuggerschen Randuote zum Konzept aber richtig: busnitz (= Pausnitz) und schirmitz (= Schirmenitz). Aus diesem Grunde halte ich es nicht für überflüssig, Fuggers Rand- noten , soweit sie mir zur Verfügung stehen , in der ur- sprünglichen Form zu veröffentlichen. Sie sind numeriert; dieselben Nummern müssen an den betreffenden Steilen seines Exemplars der Baumannschen Relation gestanden haben, denn in der Reinschrift finden sich die Randnoten an den richtigen Stellen im Texte. Die Randnoten 1 16 lauten :

1. hinter „Jana": umb Ragetz und dem hove.

2. hinter „den Feind ferner zusuchen": ist also umb 8 Uhr morgens bey dem dorf busnitz und schirmitz ankhomen.

3. hinter „der eben zu derselben Zeit predig gehört": und zu endt der selben ein gebet thon lassen wo sach sey, dafs er disen

Wolfgaug Lazius. 119

Krieg nit von wegen der religion sonder aufs andern Ursachen fuere, dafs ine got in die liandt seiner feindt geben und sein landt zu aschen werden lassen wolle.

4. hinter „Hertzog Ernsts von Braunschweigs Reittschmidt mit sich brachten": welcher den abzug der feindt und das der churfurst nit wollt glauben der hauff und ir Mt. gar dar wern anzaiget.

5. hinter „Bauersmann antroft'en": auss Schickung gotes, dan welcher 3 oder 4 tag vor oder nach gross gelt umb ein menschen der orten geben, het er kainen gfunden.

6. hinter ,,eine Furt durch das wasser gewust und angezeigt": darauff in ir Mt. haissen durch reiten, hat er begert ains rols und dafs man denen so jhenseit schlissen gebut, dafs sy still hielten, er wolte sonst nit über reiten, und wiewol die Kay. Mt. so der paur nit kante im anzaiget, dafs er mit inen nit zuschaffen hat, die weil sy feindt warn, so wolte doch diser nit reiten sy Schüssen dan nit; als nun ir Mt. sein einfalt vernonien, sagten sy im, er solt reitten und sich nit irren lassen, er wolt im versprechen, dafs in kainer treffen noch schaden zuefuegen solt, al£s reit er durch, und wiewol in 10 oder 16 schüss hin und wider ubers wasser geschahen, so wurde er doch nit gedroffen, des er sich als er hiniber kam beruemet, es wer im ghalten worden des im der jhenseit wassers zugesagt dafs sy in nit dreffen wurden.

7. hinter ,,uber die Elb geschickt": mertail hussern, welche den abziehen achter nachgeielt und in niermal auffghalten im Zug, als er selbst bekhent hat.

8. hinter .,ist ir Mt. auf fleissig unterthenigs anhalten" : der Kö. Ku. Mt.

9. hinter ,,es weren wort, damit man Kranke solte trössten": dan er in mermaln gsagt, der vermeinte Keiser solte nit vermögen, dafs er dar minst von seiner reputation wolt weichen.

10. hinter „über das wasser komeu": und als 5 meil von nachtleger.

11. hinter .,von der Kay. Mt. Vorzug erreicht und bestat worden" : alda der von saxen einen hinder sich auff eine hoche gsandt zusehen, wer hernach kheme; der sach dye Kay. Mt. gleich an aim rain in aim schwaitt herumb ziehen mit irem volkh, derhalben es vil mer schien weder [es] was, rit also zu sein herrn, sagt im, der Kayser war mit seiner gautzen macht da; darauff liefs er sich aufs sein wagen auf sein pferdt heben, und

12. hinter ..hatten als wir": sprach der von saxen seinen leuten zne, sy solteu riterlich streiten umb gots wort, da wurd in der al- mechtig got disen tag sig geben.

13. hinter ..auf die Reisigen fort drucken" : Kay. und Ku. Mt. hielten mit iren hoffgesindt und den napolitanischen reutern auff der andern seiften, der teutschmeister baidt erzherzogen sambt andern fursten und herrn in der mit beym reichsfaneu; und wie es in ge- ordnet was, da rit Kun. Mt. zu derselben süuen, sprach inen zue^ sy solten sich erlich und redlich halten oder sych seine sün nit neuen, wolt sy auch uiiumermer darfur erkbenen, wo sy sich änderst hielten, rit damit wider zu Kay. Mt., also wurdt der angriff angfangen.

14. hinter ,, geschlagen und gefangen" : und denckten (? druckten '0 die andern zu alle seiften darauff.

120 0. E. Schmidt:

15. hinter „in lincken Backen": von ein hussarn.

16. hinter „Ring uberantwort" : Der hussar hat die schwert schaid und dolchen von im pracht, aber die napolitanischen reuter, dern der churfürst ainen mit ain faust hamer gschlagen, dafs er hernach in etlich tagen gstorben habn in die schaid wider abdrängen und den churfürsten dem teutschen und hussar genomen.

Es ist noch zu bemerken, dafs in der Reinschrift des Fuggerschen Werkes auch einige Zeilen des Baumann- schen Originals weggeblieben sind, z. B. Hortleder II, S. 436 Z. 53 55. Ein andermal steht statt einiger Baumannschen Worte (Hortleder a. a. 0. S.437, Z. 44) die Bemerkung: „und 16 fendl erobert worden", ohne dafs sich diese unter Fuggers eigenhändigen Randnoten findet. Also hatte auch schon die „Copia 18" (s. oben S. 118), die Fuggers Exemplar der Baumannschen Relation darstellte, einige unbedeutende Abweichungen vom Original.

Lenz (a. a. 0. S. 56) milst zwar kaum einer der An- gaben des Fuggerschen Anonymus historischen Wert zu, mir aber scheint doch schon die Genauigkeit in der Wiedergabe sonst nicht überlieferter sächsischer Dorf- namen darauf hinzudeuten, dals wir es mit dem Bericht eines Augenzeugen zu tun haben, den Fugger durch seine Randnoten in die Baumannsche Relation hineinarbeitete. Er hatte z. B. durch seinen Schwager Georg v. Loxau (v. Druffel, Viglius S. 23*) Verbindung mit hervorragenden Offizieren; sein Berichterstatter aber scheint eher in der Umgebung des Königs Ferdinand als in der des Kaisers gesucht, werden zu müssen : denn der König und das Haus Osterreich wird von ihm auch da erwähnt, wo andere Berichte davon schweigen, so z. B. in der Rand- note 8 hat er dem König Ferdinand ein Verdienst zu- geschrieben an dem Plane des Kaisers, die Elbe zu über- schreiten, ferner lälst er den König eine Ansprache an seine Söhne halten (Randnote 13), und gegen das Ende hin heilst es: „doch haben sy zuvor geschworen wider die Kai. und Ko. M. noch das haus Osterreich nimmer- mehr zu dienen" (vgl. Lenz, Mühlberg S. 59).

Ich kann auch Lenz nicht beistimmen, wenn er aus den anekdotenhaften Elementen des Fuggerschen Anonymus den Schluls zieht auf einen späteren Ursprung dieser Auf- zeichnungen und wenn er meint, der Durchritt des Bauern durch die Furt erscheine hier schon ganz so sagenhaft ausgeschmückt, wie später in der Mühlberger Lokal- tradition. Diese bringt, wie ein Vergleich mit Voigt,

Wolfgang Lazius. 121

Moritz S. 397 dartut, ganz andere Züge herbei; das Gebet des Kurfürsten vor der Schlacht und die lächer- lichen Bedingungen, die der Bauer stellt (s. Randnote Nr.6), spiegeln vielmehr die am Lagerfeuer geführten Soldaten - gespräche wieder, wie sie auch schon wenige Tage nach einer Schlacht aufzutauchen pflegen.

Hier erhebt sich nun die Frage nach dem Verhält- nisse der drei Schlachtberichte, des Baumannsclien, des Strafsburger und des Fuggerschen Anonymus zu einander. Lenz, in dem Bestreben, den von ihm herangezogenen Stralsburger Anonymus zu heben, meint, dafs er das eigentliche Original sei, das von Hans Baumann über- arbeitet worden sei. Er sagt S. 51: .,Ich bedaure sehr, den literarischen Ruhm, den der brave Buchdruckergeselle drei Jahrhunderte genossen hat, schmälern zu müssen. Denn Baumann hat fast nichts getan, als den Str. An. ausgeschrieben, verkürzt, umgeformt, bisweilen auch miß- verstanden" — aber Lenz ist uns den Beweis für seine Behauptung schuldig geblieben ; denn was er z. B. von dem Lersenerschen Brief ausgehend über die Stelle sagt, in der Baumann von dem Versuche Moritzens spricht, den Kurfürsten Johann Friedrich zur Ergebung zu überreden, habe ich in meinen „Kursächsischen Streifzügen" (S.330) als irrig erwiesen. Aulserdem ist aber auch gar kein Anzeichen dafür vorhanden, dafs die Relation des Str. An. eine originale Arbeit sei, während sich Baumann in der Vorrede ausdrücklich als den Verfasser bezeichnet, und wir haben nicht den geringsten Grund, ihn der Lüge zu bezichtigen. Gewils bietet der Str. An. an einigen wenigen Stellen etwas mehr als Baumann z. B. im Anfang den Dorfnamen „zum Hoff" , aber an weit mehr Stellen gibt er nur eine verkürzte Redaktion der Baumannschen Relation. Das kommt daher, dafs der vermutlich im ganzen Lager verbreitete Baumannsche Bericht von denen, die ihn sich abschrieben, je nach ihren persönlichen Er- fahrungen in manchen Stücken erweitert oder verkürzt wurde; aber darum bleibt er doch das Original. Neben ihn tritt nunmehr diejenige, uns leider nicht vollständig erhaltene Relation, aus der Fugger seine Ergänzungen zu Baumann entnahm, der Fuggersche Anonymus. Er war, wie ich oben aussprach, vermutlich ein Offizier Ferdinands. Doch das ist eine unsichere Vermutung. Gesichert dagegen erscheint mir die Annahme, dals zwischen dem Fuggerschen Anonymus und der Erzählung

122 0. E. Scliuiidt:

des Lazius eine Verwandtschaft besteht. Sie stimmen u. a. in folgenden Punkten überein :

1. der Fugg. An. und Lazius, und zwar nur diese, kennen das Dorf Ragetz;

2. beide nennen als Lagerstätte Karls V. am 24. April das Dorf Schirmenitz (Fugg. An. „schirmitz", Lazius

„Shermizam");

3. beide bezeichnen das Auffinden des Bauern, der die Eibfurt verrät, als Schickung Gottes;

4. beide wissen von einer Ansprache, die Johann Friedrich von Sachsen an seine Leute gehalten haben soll;

5. beide sprechen auch von einer ermunternden An- sprache, die König Ferdinand seinen Söhnen zu teil werden liels.

Andererseits bestehen, wie natürlich, auchVerschieden- heiten zwischen der rhetorisch zugestutzten Erzählung des Humanisten und der sachlicheren, wenngleich der Lageranekdoten (s.oben S. 121) nicht entbehrenden Relation des Fugg. An. Das Gebet des sächsischen Kurfürsten, das der letztere berichtet, palste nicht zu der Auffassung, die Lazius von diesem Fürsten zu verbreiten sucht, den er beschuldigt: convivia magis quam arma tractare, und die Erzählung von der Unterhaltung des Kaisers mit Barthol Strauchmann, die die Dummheit des Bauern dokumentieren soll , konnte Lazius schon um deswillen nicht brauchen, weil er das Verdienst der Furtaufflndung nicht dem Kaiser, sondern dem Könige Ferdinand zu- schiebt. Ich denke mir das Verhältnis so, dals Lazius die von mir als Fugg. An. bezeichnete Relation von seinem Herrn, dem Könige Ferdinand, erhielt und später an Fugger weitergab, oder umgekehrt, dals Fugger eine Kopie der aus dem königlichen Lager erhaltenen Relation dem Lazius überliefs. Ein wissenschaftlicher Austausch des Wiener Hofhistoriographen mit der mächtigen und reichen Augsburger Kaufherrnfamilie ist bezeugt: im Jahre 1557 schickte Lazius „ad magnificum illustrem dominum dominum üdalricum Fuggerum" ehie „Rei contra Turcos gestae anno 1556 brevis descriptio", von der sich ein Exemplar in Ambras erhalten hat (Mayr S. 58 Anm. 2).

Fassen wir die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung zusammen, so können als Quellen des Lazius in der Er-

Wolfgang Lazius. 123

Zählung der Schlacht von Mühlberg im Ms. 7865 etwa folgende gelten:

1. Mameranus, Iter Caesaris (s. oben S. 117),

2. die ßaumannsche Relation,

3. der Fuggersche Anonymus oder eine dieser sehr ähn- liche „Zeitung" aus dem Lager König Ferdinands.

Dagegen haben wir eine sichere Spur der Benutzung der erbeuteten kursächsischen Kanzlei oder anderer authenti- scher Informationen, die ihm König Ferdinand hätte geben können, bisher nicht entdeckt. Ich habe in seinem Bericht über die Mühlberger Schlacht in dem Ms. 7865 über- haupt nur wenige Nachrichten gefunden, die über Baumann und den Fugg. An. hinausgehen. Dahin gehört z. B. die folgende Stelle:

Ibi iu ipso ardore militum ne non omnes ad clenientiam tentasse rationes viderentur et ipse peculiariter hostis agnatus Mauritius Dux missis nuntiis animum contumacis ad petendam veniam et aequas couditiones accipiendas nequidquam persuadere conabatur. Qui ut dolo magis (qui iiiiquis se ut plurimum caussis coniungit) quam aperto marte victoriam consequeretur, pecunia corruptos fidissimos duos milites, equitem et peditem, in neceni Mauricii multitudini et tiu'bae preliantiuui imisit. Quorum ille toniientillo militari pectori Ducis apposito, cum ictum scintilla negaret, frustra facinus adgressus est, hie vero hasta magnanimum heroa adortus loricae tautum anmüos aliquot impubes et non corpus ipsum vulnernavit.

Dafs Moritz wirklich bei der Verfolgung der Feinde in Lebensgefahr geriet, wissen wir z. B. aus dem deutschen kaiserlichen Schlachtbericht *^) den wohl Lazius auch gekannt hat , aber daß als Antwort auf die Sendung Lerseners'), auf die in den Eingangsworten angespielt wird, der Kurfürst zwei Mörder gegen den Vetter aus- gerüstet haben soll, das ist meines Wissens nur hier über- liefert. Der Kurfürst war dem König Ferdinand ja be- sonders verhalst, weil er die Böhmen zum Aufstand fort- reilsen wollte, und es ist an sicli denkbar, dals Lazius von seinem königlichen Herrn eine derartige Beschuldigung des Kurfürsten vernahm wahrscheinlicher aber ist es mir, dals Lazius hier, in der Meinung, seinem Herrn zu

<*) Lanz, Korrespondenz Karls V. II, 564 f.

') Der hessische Rat Lersener war während des fluchtartigen Rückzuges des Kurfürsten von Mühlberg nach dem Südrande der Lochauer Heide von Moritz zum Kurfürsten geschickt worden mit der Aufforderung, sich ihm zu ergeben. Vgl. Voigt, Moritz S. 410, Lenz, Mühlberg S. 25 f., 0. E. Schmidt, Kursächsische Streifzüge S. 48 f. und 330.

124 0. E. Schmidt:

Gefallen zu reden, selbst die hämische Beleuchtung zu der Todesgefahr Moritzens hinzugetan hat.

Wir werden an Lazius' Tätigkeit als Militärarzt er- innert, wenn er bei der Erzählung, dafs ein ungarischer Eeitersmann den sächsischen Kurfürsten mit dem Streit- hammer verwundet habe, den ungarischen Namen der Wafife zufügt: Primus incognito Hungarus manus intulit malleo gentili (bakham vocant) in faciem adacto .... Übrigens scheint mir aber nur eine einzige Nachricht des Lazius durch eine besondere schriftliche oder mündliche Mitteilung aus der Umgebung des Königs veranlalst zu sein, nämlich die über die Grölse und Verteilung der in der Schlacht gemachten Beute. Denn während z. B. der Strafsb. An. sich begnügt zu sagen: „Allen Drols, Geschütz und des von Sachsen und anderer mehr Herrn Wegen (Wagen), darauf man viel Gelds und Guts und sonderlich sein des von Sachsen Canzlei und etliche Zahlungen ge- funden, hat man im Holz ereilt und geplindert", berichtet Lazius: Relata et praeda ex hac pugna haud vulgaris fuit, cuius magnitudine omnis expeditionis inopia et fames totius diei abunde resarcta fuit, sedecim machinis (Ge- schütze) et pluribus minoris magnitudinis, denique ingenti pecuniae summa, suppellectilibusque aureis et argenteis ac torquibus a levissimo quoque comparatis. Quorum machinas imperator, scrinia (die Kanzlei) Ferdinandus Rex accepit^). Vasa argentea atque pecunia universa equitatui, ut quisque in acie rebus potiti fuerant, cessere. Praecipue Hungari atque Mauritii Ducis equites . . . magna operae pretia merebantur.

So ist also der Gewinn für die Geschichtswissenschaft, der sich aus Lazius' Erzählung von der Mühlberger Schlacht (Ms. 7865) holen lälst, ein verschwindend geringer oder keiner.

Wir wenden uns nun zu der Redaktion der Geschichte des Schm.alkaldischen Krieges, die Lazius später seinem grofsen Geschichts werke, den sechs Dekaden rerum Austriacarum, einverleibt hat. Diese Redaktion liegt in Ms. 7688 der Wiener Hofbibliothek vor. Da finden wir fol. 208 die Überschrift:

^) Ob diese Angabe der Wahrheit entspricht, kann ich nicht wissen, da mir über den Verbleib der sächsischen Kanzlei keine andere zuverlässige Nachricht bekannt ist. Voigt, Moritz S. 430, 1, behauptet allerdings, die Papiere der erbeuteten Kauzlei seien noch heute im Brüsseler Archiv.

Wolfgang Lazius. 125

Decas VI. De bello Gerraanico, Bohemico, conventibus caesarum Ferdinandi patris ac Maximiliani filii corouationibus et solemnibus quibusdam, authore Wolfgango Lazio Viennensi.

Incipit über I (die I ist aber in V korrigiert) de bello Schmal- caldico, quod ad Ingolstadium ac loca vicina gestum fuit in autumno anni 1546. Inc.: Mortuo Maximiliane caesare . . . Expl. fol. 247: Deo sit gloria.

Fol. 248: Incipit liber secundus rerum Germanicarum.

Inc.: Victoriam caesar, quo tempore (wie im Ms. 7865).

Expl. fol. 258 : Balthasar a Zasnitz Misnensis.

Wir erkennen bei der Lektüre dieser Blätter sehr bald, dafs wir hier in den Dekaden eine vollständigere und gerundetere Erzählung des Öchmalkaldischen Krieges vor uns haben, als in der oben besprochenen frühesten Handschrift. Der oberdeutsche Feldzug des Jahres 1546, der in Nr. 7685 nur durch eine Karte vertreten war, liegt hier auch im Texte vor ; Satzbau und Ausdruck sind sorg- fältiger, kurz, man hat den Eindruck, dals Lazius hier das beste gegeben hat, was er geben konnte; leider bricht die Handschrift mitten in der Aufzählung der bei Mühl- berg Gefangenen ab. Es fragt sich nun, mit welchen Mitteln Lazius den Text seiner früheren Niederschrift verbessert hat, ob etwa hier ein Studium von Urkunden oder ein anderes ernsthaftes Bemühen, der Wahrheit auf den Grund zu kommen, zu beobachten ist. Ich habe ge- nauer wiederum den Bericht über die Mühlberger Schlacht geprüft und ihn mit den anderen zeitgenössischen litera- rischen Darstellungen derselben verglichen, namentlich mit der von Wilhelm van Male (Guilelmus Malinaeus) ge- fertigten lateinischen Bearbeitung des Comentario de la Guerra de Alemana von Don Luis de Avila y Quniga (Venedig 1548). Das Ergebnis war überraschend: die meisten Änderungen, die Lazius am Texte der früheren Rezension vorgenommen hat, verraten Anklänge an Avila, ja ganze Wendungen und Sätze sind direkt aus dem latinisierten Avila abgeschrieben. Die Anlehnung an Avila ist aber keineswegs nur stilistischer, sondern oft auch sachlicher Natur. Im Ms. 7865 hatte Lazius dem König Ferdinand die wichtige Rolle zuerteilt, den Verräter der Eibfurt aufzufinden (indice quodam eorum locorum agricola, quem divinum numen commodum Ferdinando regi obiecerat): im Ms. 7688 wagt er gegenüber dem Zeugnisse Avilas, der Herzog Alba habe alle noch vorhandenen Bauern der Gegend zusammengetrieben und unter ihnen habe sich der Verräter gefunden , diese Version nicht aufrecht zu

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halten, sondern sagt: „oblato forte fortuna agricola eorum finium quopiam, qui se priori die bijugis vado istic Albim superasse dixerat, exhilerati, ut par erat, occasione tarn felici, antequam pons conficeretiir, vadum quaerere equi- tatumque omnem traicere vel cum periculo decrevere (Caesares)". Der eifrig katholische Standpunkt des Ver- fassers tritt gleich darauf zu Tage. Wunder bereiten den Sieg des Kaisers vor: „Sunt qui hie miracula addunt, agricolam vado ostenso nun quam postea visum et Albim flumen, quod continentibus imbribus auctum tum fuerat et ripas inundaverat, subito tum decrevisse caligine praeterea eius diei mane, qui, uti diximus, divo Georgio sacer erat, coelum obductum fuisse, ne ab hostibus propinquitas ad- verteretur. Qua discussa cum iam ad ripam Mylenburgi aduersam pervenissent, vado reperto et aquilam visam supra Caesarum exercitum praevolantem alis expansis, lupum denique de proximo nemore procurrentem versus Caesareanos ab illis crudeliter discerptum fuisse". Für diese und ähnliche Geschichten waren wohl Heiligenlegenden und Livius gleichermaßen das Vorbild. Um Aufhellung der Wahrheit hat sich Lazius in dieser ganzen Darstellung wenig bemüht: wichtiger ist ihm der rhetorische Firnis, mit dem er alles überzieht, was er berichtet, vor allem aber ist er bemüht, die Rolle zu heben, die König Ferdinand gespielt hat. Da er nun die Leistungen des Kaisers nicht gut herabsetzen kann, so verteilt er das Verdienst zu gleichen Teilen auf die beiden erlauchten Brüder: alles geht von den beiden Caesares aus, den beiden prudentissimi et diligentissimi principes, wie er sie mit Vorliebe nennt, und diese werden wieder direkt von dem numen divinum inspiriert. Dabei hat die ganze Erzählung etwas Ver- schwommenes: die einzelnen Akte des Kampfes sind nicht scharf voneinander unterschieden und es fehlt an jedem klaren taktischen Urteil. Die Abhängigkeit von Avila geht aber in den Dekaden so weit, dals er den Lagerort des Kaisers, den er im Ms. 7865 Shermitz und auch Ms. 7688 fol. 253 V noch Schermitza nennt, späterhin nach einer ganz thörichten Etymologie Avilas, die man aber einem Spanier verzeihen kann, ebenfalls „Schermelser" heifsen läfst. Avilas Übersetzer sagt S. 111 v: Scherf- messero loco nomen erat, unde Caesar exierat, id latine novacula (Schermesser) sonat, non ita procul a vado und Lazius: Fluvius ipse, qua parte vado transibatur, incolae a novacula Schermeiserum appellant etc. Nur ganz gering

Wolfgaiig Lazius. 127

scheinen abgesehen von der rhetorisch-katholisierenden Ausschmückung des Ganzen die sachlichen Zutaten zu sein, die Lazius zu den beim früheren Bericht benutzten Quellen und zu Avila hinzugetan hat: so nennt er einen in den beiden genannten Quellen nicht vorkommenden Weitmyllanus , der die Truppen Thumbshirns in Böhmen festhalte; auf eigne frühere Beobachtung geht wohl die Bemerkung über die ungarischen Reiter zurück: „qui altioribus equis vehuntur". Aber diese und ähnliche Kleinigkeiten verschwinden vor der Menge rhetorischer Ausschmückungen und tendenziöser Entstellungen des Tatbestandes, die ihm die Nachahmung des Livius, sein katholischer Standpunkt und höfische Schmeichelei an die Hand geben. Was sich derartiges bei Avila findet, hat Lazius getreulich ausgeschrieben. Avila hat S. 115v Karl V., wie er sich anschickte, die Elbe bei Mühlberg zu durchreiten, mit Caesar am Rubikon verglichen; also schreibt auch Lazius: Ita superato tandem flumine haud aliter atque Julius Caesar Rubicone, der Unterschied ist nur der, dafs im folgenden die Ehre auf die beiden habs- burgischen Brüder, die Caesares, verteilt wird. Die gut katholische Gesinnung des Kaisers erhärtet Avila S. 116v durch folgenden Zug: subsecutus incidit (Caesar) in statuam Christi ad crucem affixi, cuius pectus bombardica gl an de traiectum erat. Horrendum visu spectaculum Caesar exsecratus ferre non potuit, quin publice quoque tam nefarium scelus detestaretur et coelum suspiciens in hanc vocem erumperet: Domine, si velis, facile potes iniuriam tantam ulcisci haec locutus iter inceptum prosequitur beiläufig eine sehr bedenkliche Umwandlung des Gottes der Liebe in einen Gott der Rache. Diese Geschichte bringt auch Lazius: Sunt qui hoc loco Caesaris devotionem ac preces commemorant visaque crucifixi imagine, quae deformata erat ac globo facta, opem divinam implorasse scribant. Schlieislich fragt es sich noch, wann Lazius diese Redaktion der Geschichte des Schmalkaldischen Krieges abgefafst habe. Da die von Lazius benutzte lateinische Bearbeitung des Avila am 10. März 1550 pri- vilegiert ist, so ergibt sich, dals Lazius den betreffenden Abschnitt seiner VI. Dekade frühestens im Sommer 1550 redigiert hat. Andererseits ist auch in dieser Redaktion der Kurfürst Moritz noch durchaus als Freund und Bundes- genosse des Kaisers behandelt, so besonders fol. 258 gegen Ende des Manuskripts. Also fällt die Abfassung vor das

128 0. E. Schmidt:

Jalir 1552, wahrscheinlich in die zweite Hälfte des Jahres 1550 oder ins Jahr 1551.

Gewissermaßen zur Probe meiner Aufstellungen über Lazius' Geschichte des Schmalkaldischen Krieges gebe ich zum Schlufs, da ein Abdruck des ganzen Manuskriptes unter den angegebenen Umständen kaum .lohnen würde, die Schilderung des Kampfes auf der Lochauer Heide und der Gefangennahme Johann Friedrichs, indem ich unter dem Texte nach Möglichkeit die Quellen notiere, aus denen die Darstellung geflossen zu sein scheint, nament- lich aber die Parallelstellen des stark geplünderten Avila:

Itaque acrius de novo proelium oritiir. In quo etsi Saxo obequitans aciem quoque suam diligenter strueret et nunc voce nunc manu suos ad virtutem cohortaretur, ut eo ordine vel Torgam, quae propior erat, ea adhuc nocte properaret, vel ex nemore ehutatus Wittembergam altero die contenderet, tarnen conspecto Caesaris Labaro et admonitus a Wolfgango Crutio, qui componendis ordinibus praeerat, qua arte Caesares aciem struxissent^) ad equitum vim vel inferendam vel sustinendam conferta densitate quam commodissiraam, animo paulatim labi atque utroque instituto itinere desperare necessario tempore proximis sylvis se tegere constituerat, quarum praesidio, si pugnandum esset, ad salutem suam tutius uteretur, vel summa exercitus salva "Wittenbergam se mature reciperet^"), locum totius ditionis suae munitissimum. Etsi enim plerique ducum et consiliariorum suorum Torgam, quae propior erat, contendendum suaderent, quod haec ad delicias magis") quam operi firmo constructa foret, ultro tamen obsidionis periculum in se recipere et salutem suam in discrimen vocare noluit plus loco quam viribus tribuens quadrato agmine quoad eins fieri potuit celerrimis gradibus incedere pergit. Quem Caesares cum misso caduceatore ut sese cum exercitu dederet ac gratiam exspectaret cohortati fuissenf'), caeterum ille recusaret non tam auda- ciae opinione quam silvarum densitati confisus, undiqe, comprehensum illato fortius pede hinc quidem utriusque generis equitatu a lateribus, pone autem peditum legionibus et expeditis iaculatoribus comimxs ac ceu ad gradum insequi non desinebant. Erat sylva et angustiis viarum

^) Avila S. 118v: At Vuolfangus Crucius in exercitu eins Epistatlimus , qui diligentius rem omnem perspexerat, dicit loco paulisper recedat et proxime subsequentia signa quae in se inferrentur, respiciat.

^°) Avila S. 119v: proximis sylvis exercitum tegeret, quarum praesidio, si pugnandum esset ad salutem suam tutius uteretur, vel summa exercitus salva mature se Vitembergam reciperet.

") Ein auffälliger Anklang an die Depesche des venezianischen Gesandten, in der über eine Unterhaltung Albas mit dem gefangenen Kurfürsten berichtet wird. Dabei gebrauchte dieser von Torgau den Ausdruck deliciae meae, Venetian. Depeschen II, 246 f.

'-) In Wahrheit schickte Moritz den hessischen Rat Lersener mit einem Trompeter als Unterhändler (s. oben Anm. 7).

Wolfgang Lazius. 129

et paludibus mnltis impeditissima. Qnarum verum commodis invitatus*^) Saxo equites in fronte iaculatores, ad latera pedites, ex Ins praecipue qui tormenta manuaria gerebant, collocavit et si qi;id aliud fuit roboris, in sulisidiis manere iussit reductisque ex ftxga machinis omniuo tribus '^), ut in illa festinantia iieri potuit, missilibus equitatura Caesareauum submovere conabautur, cohortatusque suos, ,,non de gloria", dicebat, „aut bis agris puguandum nobis est, commilitoues, sed de ipsa adeo vita et religione, circumdati hostibus suraus nee est alius in propinquo exercilus, qui fngientes lecipiat. Quam in Bohemis hacteuus speni posueramus, ludillcator (TbumsbirnV) bosti obiecit. üuicam salutis viam nemora bic densa et impedita jirofundaeque paludes concessere. Itaque qnalis vestra -vis virtusque fuerit, talem deinde fortunam fore existimate neque difficilem vobis intervallum, quod breve ad tenebras est. laborem reddet, quarum ?ubsidio postea, sin vires et nervös intenderitis, vel ad Wittenbergam locum munitum et praesidio amplo firmatum facile et sine discrimine pervenire poterimus" ^^). Et bis dictis ipse equo infestus in Caesareanos direxit.

At Caesares datis tesseris Germanis quidem divi Georgii, Hispauis vero S. Jacobi boriati et ipsi suos brevi oratione sed plena alacritatis et animoium quam in tali occasione ac tam praecipiti tempore convenire militum animis sciebant appellantesque imprimis liberaliter Mauritium ducem fratremque eins Augustum et ducem Albanum subadiculam suum ..bic omnes, dicebat, sumus totius Austriacae foecundae felicisque domus propago, quae ne temere corruat, ad pugnani coacta, in üde vestra ac robore positum est". Atque bis dictis adaequatis inter se ordinibus progressi equites Hungaros reliquosque levis armaturae Neapolitanos procurrere in bostem iubent binc atque binc cum equites iaculatores tum pedites hipposclopistas sedulo subministrabaut. Nibil luinultuariae pugnae simile iara erat, sed invictae et pares acies, si numerum et vires spectes, patenti et aequo campo minimo distantes intervallo proelium ciebaut. Atque binc spes, illinc desperatio animos irritabant, ut nee qua primum aut potissimum parte ferant opem discrimenque praesens efl'ugerent satis scire potuere, adeo omnia variis clamoribus strepebant volitantibusque binc inde globis ignitis praesentaneam optimus quisque mortem intuebalur ^*'').

Acciderat vero comniodum(I)i^) ea in lucta, ut ad dextrum secundae aciei Caesarianae latus in itinere rivus et palus magna obiecta essent, cuius uligine et altiore coeno equi baesitantes sessores dejicerent. Quo animadverso Caesares, ne totum agmen impeditum baereret, secundam aciem paulisper contraxere, dum prior neque

13) Avila S. 119v: Sylva erat paludibus multis et angustiis vianim impeditissima, quarum rerum commodis iuvitatus etc.

") Diesen Zug kennt Avila nicht, aber vgl. Voigt, Moritz S.415.

^^) Diese ganze Rede des Kurfürsten berubt auf freier Er- findung des Lazius, obwohl auch der kaiserliche Landsknecht Joachim Imhof in einem von Knaake (Beiträge zur Geschichte Karls V. [Stendal 1864] Nr. 12) abgedruckten Briefe erzählt, er habe von Torgauer Bürgern gehört, wie der Kurfürst vor seinem Kriegsvolk auf die Knie gefallen und Gott augerufen habe. Von einer Ansprache an die Soldaten weifs auch der Fugg. An. (s. oben S. 119).

J8) Avila S. 120 ganz ähnlich, nur viel kürzer.

1') Avila S. 120: incommodum accidit.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 1. 2. 9

130 0. E. Schmidt:

turbatis neque permixtis cum prima ordinibus expeditior transiret'*). Submotus tuuc quoque paulo levior equitatus fuit et post gravem a lateribus pugnare iussis (verschrieben für iussus), ut more gentis nunc adequitantes nunc retrocedentes hostem distraherent, in fuga subinde a cataphractis tectus globisque emissis defensus. Ea in pugna virtus maxime enituit equitatus Mauritiani, hipposclopistis bene fuerat instructus. Navaverant felicem operam et cataphracti Neapolitani equites a duce Albano laborantibus identidem suffecti. Ita secunda acies Caesareana dextrum cornu rursus assecuta eiusmodi impressionem in hostes fecit, ut equitatus primum illorum in fugam coniectus pedidatum praesidio destitutum praedae ac caedi obiecerit^^). Deinde cum et bis aciem solveret, factum est, ut miseranda non fuga solum, sed caedes ubique oriretur. Siquidem Hungari ac levis armaturae equites ceteri terga prementes fugientium velitando undique a lateribus in ipso sylvae ingressu trucidabant. Subsequebatur gravior equitatus, qui non minori caede et praecipue in pedites saeviebat. Fama tenet Caesares cum ex loco editiore proelium conspicarentur viderentque equites suos confertim hostilibus immisceri, illos ad pedes desilire iussisse suffossisque equis hostium peditum pugnam redintegrasse : Hungari praeterea odio veteri in nomen Germanicum non Imperii tesseram, sed Hispanorum S. Jacobi eo in conflictu US urpasse -*^).

Quauta denique contentione eo vesperi pugnatum tum fuerit, non magis cadavera occisorum hinc inde disiecta armorumque multitudo et captorum numerus ingens, inter quos plerique viri principes et summo loco nati fuerant, testantur, verumetiam spaciura itineris, quod equites eo die a traiectu exiguo temporis momento emensi fuerant, coarguit. Quippe equites ac levioris armaturae praefecti duodecim milia passuum consecuti memorantur, dum Caesares quinque milia confecissent'-') et quod audito pene incredibile est, viginti quattuor continuis horis et equites caeteri omnes et ipsi adeo Caesares cum archiducibus et principibus aliis ex ephippiis non descendisse

^^) Avila S. 120: Ad dexterum secundae aciei latus in itinere rivus et magna palus obiecta erat, cuius uligine et altiore coeno equi haesitantes et se et sessores praecipitabant. Quo animadverso Caesar, ne totum etc., fast wörtlich wie oben bis expedita transiret.

'*") Aus dieser etwas verschwommenen Darstellung kann man nicht ersehen, dafs die Katastrophe der Sachsen durch eine fälschlich abgebrochene Angriffsbeweguug der Reiterei beim Wenden der Pferde herbeigeführt wurde. Auch Avila S. 120 deutet hier den Sach- verhalt nur durch die Wendung an: Albanus rei bene gerendae occasionem adeptus. Den wahren Sachverhalt erkennt man aus dem Bericht des Wolf von Creutz, Le Mang, Progr. d. Dresdner Annen- schule 1900 S. 21.

-^) Dasselbe berichtet mit ganz ähnlichen Worten Avila S. 120 v und 121.

21) Avila S. 121: Medio campi cadavera ut fugerant, ut resti- terant disiecta vel aggerata iacebant. Deditiorum autem tanta multi- tudo fuit, ut plerosque milites nostros viceni et amplius captivi circumsisterent. Caesar ipse ad millia passuum quatuor (6 Kilo- meter), equites vero leviores cataphracti Neapolitani et ex Ger- manis non pauci duodecim circiter passuum millia (18 Kilometer) consectati sunt.

Wolf gang Lazius. 131

fama certa habet-). Qui media circiter in sylva suos a consectatione ulteriori revocantes receptui canere iussere. Inter haec de capto exelectore laetus Caesaribus nuntius adfertur"). Is in Frisio equo thoracem nigrum supra ferream tunicam indutus ex fuga inter caeterog haud procul a ripa a leviori equitatu comprehensus forte , cum neu nosceretur, vulnus clava Hungarica in dextra maxilla accepit: accurrente deiude Tilmanno a Drot et nomen priucipis subiiciente multi simul circumfusi quisque captivitatis laudem vendicare conabatur. Ex quibus quatuor praecipue, duo ex turmis Neapolitanis cataphracti Hispani, quatuor Hispani levis armaturae, totidem Itali, Hungarus et Solesius ordinuin Hispanorum ductor ingenti concertatione prae se quisque in captivitatem trahere nitebantur-*), occupatis annulis, casside, torquibus, calcaribus et ense. At dux ipse cum caeteris nationibus hanc laudem invideret, Tilmanno a Drot Turingo annulum signatoi'iura tradidit eiusque se potestati permisit. Ita a multis protractus ad Caesares coram bis tandem sedentibus sistitur-'*). Qui cum ex equo descendere cuperet et chirotbecam dextrae detrahere officiose contenderet, caeterum, quod obeso esset corpore non posset, detecto tamen capite Imperatoren! honorifica appellatione Germanorum appellans: Ego, iuquit, potentissime et clementissime Caesar, me tibi hie captivum statuo, et plura locutarum Imperator inteiiiellat: Nunc Caesar tuus tandem. Elevaverat is quippe in omnibus suis scriptis Caesaris nomen, Carolum a Gandavo tantum appellitans. Increpaverat pauUo asperius eum Ferdinandus Caesar ob fidem Bohemorum labe- factatam. Quo audito Saxo subticuit humerisque pressis et capite in terram demisso cum gemitum edidisset, Imperator subiecit, haec merito optimo suo evenisse. Eeliquum sermonem tarn novae rei admiratio excluserat Caesaribus, neque gravioribus verbis quam natura illorum ferebat usi tum feruntur, qui utramque semper moderari fortunam noverant.

Auch in der Schilderung' dieser grofsen Szene ist Lazius ganz von Avila S. 122 und 122v abhängig, mit dem er stellenweise wörtlich übereinstimmt, z. B.: Ego, inquit, potentissime statuo, dann: addiditque optimo merito suo ad eiusmodi fortunam ipsum esse redactum (gewisser- mafsen die Antwort auf die schlichte von Baumann über-

2*) Ob diese Bemerkung nur eine Ausführung der Worte Avilas S. 124 v: Caesar licet totius diei continenti labore fatigatus enthalten oder etwa auf eine Erzäblung König Ferdinands zurückgehen, mufs einstweilen dahingestellt bleiben.

23) Avila S. 121v: ecce de capto Saxone nuncius laetus affertur.

2*) Avila S. 122: Contendentium autem principes erant ex turmis Neapolitanis cataphracti Hispani duo, levis armaturae Itali et Hispani circiter quatuor, Hungarus unns et Solesius Hispanus ordinum ductor. Der Vergleich dieser Worte mit denen des Lazius zeigt, dafs das sinnlose quatuor vor praecipue auf einem Schreibfehler des Lazius beruht.

-■^) Tilmann von Trotha ist bei Avila, der den Romanen das Hauptverdienst zuschreibt, nicht genannt, Lazius aber verleugnet hier wie anderwärts (s. S. 132) seinen deutschen Standpunkt nicht. Seine Erzählung ist also hier aus Avila und Baumann kombiniert.

9*

132 O- E. Schmidt:.

lieferte Klage des Kurfürsten: „Miserere mei, Domine, nos sumus jam hie"), endlich: Quo audito Saxo subticuit humerisque pressis et capite demisso terram intuens gemitum edidit. Doch finden sich zwei Abweichungen:

1. Lazius lälst auch den König Ferdinand zu dem Gefangenen sprechen, wovon Avila nichts sagt: die Nach- richt wird aber bestätigt durch ßaumann: „Die Königl. Mt. hat aber ihn etwas hitziger angeredt (paullo asperius), under anderm flergewend, er habe ihn und seine Kind von dem Seinen verjagen und in Armuth bringen wollen".

2. Avila hat seiner Schilderung des tief gedemütigten Sachsenfürsten noch die Worte angehängt: vultu sane miserabili, si quis modo barbarum tantum, tam superbo quo turserat spiritii, dignum censuisset, cuius calamitatem commiseresceret, Worte, die die ganze „Barbaren Ver- achtung", den ganzen Hochmut des stolzen Kastiliers gegen die „dummen" Deutschen bekunden. Diese und ähnliche Stellen des Avilaschen Buches haben bald nach seinem Erscheinen in Deutschland einen berechtigten Sturm der Entrüstung erregt. Es ist nun bezeichnend, dafs Lazius, der sonst feindselig genug gegen Johann Friedricli auftritt, diese eben angeführte Äulserung Avilas .weg- gelassen hat, ebenso fehlt sie in der deutschen Über- setzung des Avilaschen Buches, die der Herzog Philipp Magnus von Biaunschweig-Lüneburg 1552 in Wolfenbüttel erscheinen lieis (s. dort Bogen Y II vei'so).

Die Stimmung der Deutschen gegen Avilas höfische und hochmütige Berichterstattung erhellt besonders daraus, dafs ihn Markgraf Albrecht von Brandenburg zum Zwei- kampf herausforderte und ihn in seinem Ausschreiben von 1552 (Hortleder II, Buch 5, Kap. 5) einen „verlogenen his- panischen Erzbuben" nennt, der den deutschen Fürsten, die Leib und Leben, Land und Leute für den Kaiser eingesetzt, durch sein Buch recht säuberlich gedankt habe. „Jedem ehrliebenden Deutschen sollte das Herz erkalten, dals die ehrlichen Kurfürsten und Fürsten und die edle deutsche Nation so mit Unwahrheit beschrieben und abkonterfeit worden, als wäre sie irgend eine barbarische unbekannte Nation, die nichts von ehrlicher, mannhafter und adeliger Tugend wüIste". Selbst Herzog Moritz und König Ferdinand waren, obwohl Avila ihre Haltung in der Mühlberger Schlacht lobt (S. 123 und 121 v), mit seiner Darstellung nicht zufrieden, da er einzig und allein dem Kaiser und neben diesem dem Herzoge Alba (S. 120 und 121 v) das

Wolfgaiig Lazius. 133

Verdienst des Sieges zuschreibe. So nahm Ferdinand schon 1550 auf dem Reichstage zu Augsburg die gegen Avila gerichteten Spottverse des jungen Leipziger Huma- nisten David Pfeifer (Voigt, Geschichtsschreibung über den Schmalk. Krieg S. 43) gern entgegen; und es ist wahrscheinlich, dals er auch von seinem Hofhistoriker Lazius eine Richtigstellung Avilas erwartete. In der Tat geht ja auch durch Lazius' Darstellung, wie wir sahen, das Bestreben, die Grolstaten des sächsischen Feldzuges zu gleichen Teilen dem Kaiser und dem Könige zuzu- schreiben und auch den deutschen Bundesgenossen ihr Recht werden zu lassen. Aber er war nicht der Mann dazu, diese Absicht kräftig durchzuführen ; er hätte unter diesen Umständen ,_doch wenigstens jede Abhängigkeit von der lateinischen Übersetzung des Avila meiden müssen, das ist ihm aber nicht geglückt. Lazius hatte mehr aut sich genommen als seine vielbeschäftigten und nicht eben starken Schultern er war zeitlebens schwächlich tragen konnten. Scaliger hat über Lazius das Gesamturteil ausgesprochen: „C'estoit un grand ratisseur (Kompilator); 11 faisoit tout imprimer sans jugement". Dieses Urteil erscheint uns in Anbetracht der vielfachen fruchtbaren Anregungen, die Lazius auf verschiedenen Gebieten der Wissenschaft gegeben hat, wohl etwas hart; aber von seiner Geschichte des Schmalkaldischen Krieges muls man zugeben, dals sie kaum irgendwelchen wissenschaft- lichen Wert zu beanspruchen hat.

vn.

Die Türkenfeldzüge Augusts des Starken

1695 und 1696.

Von

Faul Haake.

„Als August der Starke Kurfürst geworden war, hatte es ihn gelockt, dem militärischen Ruhme eines Max Emanuel von Baiern oder Ludwig Wilhelm von Baden nachzueifern; er hatte in Wien den Oberbefehl über die kaiserliche Armee in Ungarn, zu der er selbst 8000 Mann stellte, gefordert und erlangt und hatte in den verlust- reichen beiden Feldzügen von 1695 und 1696 nur zu deutlich gezeigt, dafs seine Feldherrngaben durchaus nicht auf der Höhe seiner Sehnsucht nach dem kriegerischen Lorbeer standen."

So Bernhard Erdmannsdörlfer in seiner „Deutschen Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungs- antritt Friedrichs des Groisen"^). Ähnlich haben Alfred von Arneth^), Major von Angeli^) u. a. geurteilt. Als

') II (BerUn 1893), 90.

') Das Leben des kaiserlichen Feldmarschalls Grafen Guido Starhemberg (1657—1737) Wien 18.53. Bericht des Kurfürsten Friedrich August von Sachsen an Kaiser Leopold I. über den Feldzug des Jahres 1696 gegen die Türken, im Archiv für Kunde österreichi- scher Geschichtsquellen XIII ("Wien 1854), 219 ff, Prinz Eugen I (Wien 1858).

^) Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen II (Wien 1876), Einleitung 6 9. Des kaiserlichen Feldmarschalls Grafen Veter ani Heldentod bei Lugos (Mittheilungen des k. k. Kriegsarchivs 1886, 38—72).

Türkenfeldzüge Augusts des Starken. 135

Österreicher hielten diese Forscher es für ihre besondere Pflicht, die Flecken auf dem Ehrenschild der kaiserlichen Armee zu tilgen. Ihr Führer, Kurfürst Friedrich August T. von Sachsen, schien ihnen gerade der rechte Mann, auf dessen Schultern man die Schuld an den Mifserfolgen der Jahre 1695 und 1696 abwälzen konnte.

Nur einer ist meines Wissens dieser Auffassung ent- gegengetreten: Aloys Schulte in seiner Biographie des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden*). Er legt den Verlust von Lippa und den Tod Yeteranis bei Lugos im Jahre 1695 in erster Linie zwei kaiserlichen Generalen, dem Feldmarschall Grafen Caprara und dem General der Kavallerie Heilsler Grafen von Heitersheim zur Last, die Schlappe bei Dinyas am 16./ 26. August 1696 neben dem Kurfürsten vornehmlich Heilsler. Erdmannsdörffer hat den Widerspruch Schultes gegen die österreichische Legende nicht berücksichtigt; vermutlich schien ihm dieser Katholik allzusehr für August den Starken voreingenommen. Und in der Tat ist Schultes Charakteristik des Kurfürsten, bei dem schon vor der Kandidatur um die Krone Polens „eine der katholischen Kirche günstige Stimmung" vor- handen gewesen sein soll, durchaus verfehlt; nicht aus religiösen, sondern aus politischen Gründen wechselte August der Starke den Glauben'^). Aber als Feldherr war er doch besser als sein Ruf, und eine objektive Forschung mufs zugestehen, dafs nicht ihm die Hauptschuld an dem Unglück der Jahre 1695 und 1696 beizumessen ist; die Unfähigkeit Capraras und die Leere der kaiser- lichen Kassen hatten gleichen Teil daran.

Fünf Feldzüge hatte August der Starke bereits mit- gemacht, als er im Frühjahr 1694 Kurfürst von Sachsen wurde: 1689 bis 1691 gegen die Franzosen am Rhein, 1692 in den Niederlanden, 1693 noch einmal am Rhein und am Neckar. Besonders lehrreich war die Kampagne des Jahres 1691 gewesen, in welcher der feurige General- feldmarschall Hans Adam von Schöning beständig zur Offensive drängte, während der bedächtige Führer der Kaiserlichen, Generalfeldmarschall Graf Enea Silvio Caprara ängstlich zu den Magazinen zurückstrebte; Tag für Tag platzten hier die Gegensätze des Temperaments

*) I (Karlsruhe 1892), 283 285 uud 350 352. ^) Siehe meine Charakterstudie König August der Starke (München und Berlin 1902) S. 12 14.

136 P- Haake:

und der Methode aufeinander. Die jugendlichen Prinzen Johann Georg und Friedrich August nahmen Schönin gs Partei, aber Caprara wulste ihren Vater Johann Georg III. zu gewinnen, und so kehrte die Armee, die Schöning mit Mühe an das linke Rheinufer gebracht hatte, als die Franzosen den Fluls überschritten, von neuem an das rechte zurück. Auch der Kaiser gestand, dafs damit Vorteile, die schon errungen waren, leichtfertig aus der Hand gegeben wurden, und erteilte Caprara einen Ver- weis*^). Gleichwohl erhielt er in den beiden folgenden Jahren das Kommando in Italien gegen die Franzosen, 1694 in Ungarn gegen die Türken: dort verschuldete er durch seine Niederlage bei Orbassano den Abfall des Herzogs von Savoyen von der „Grofsen Allianz", hier rettete ihn nur das Gerücht, dafs Ludwig Wilhelm von Baden zum Entsatz nahe, aus der Einschliefsung in dem festen Lager bei Peterwardein.

August der Starke hatte sich 1694 vom Kriegsschau- platz ferngehalten; er wollte, wie er zu dem branden- burgischen Gesandten Samuel von Chwalkowski äulserte'), keinen Volontär an der Seite eines Markgrafen abgeben, wie im Jahre zuvor sein verstorbener Bruder. Er be- anspi'uchte ein selbständiges Kommando und schlug für das Jahr 1695 die Vereinigung der Sachsen und Branden- burger unter seinem Oberbefehl am Mittelrhein vor*). Aber weder in Berlin noch in Wien fand er Beifall und mufste schliefslicb froh sein, dals ihm der Kaiser die Führung seiner Armee in Ungarn unter den gleichen Bedingungen wie einst dem Kurfürsten von Baiern anbot; am 13. /23. April kam in Dresden ein Vertrag zustande, kraft dessen 8000 Sachsen für zwei Türkenfeldzüge ver- pflichtet wurden und ihr Kurfürst die oberste Leitung

*) Heinrich Freiherr von Friesen. Julius Heinrich Graf von Friesen, kaiserlicher Generalfeldzeugmeister. königlich englischer Generalleutenant (Leipzig 1870) S. 230 f.

■') Chwalkowski an den Kurfürsten von Brandenburg, Dresden, 15. und 26. Dezember 1694 (Berliner Staatsarchiv R41, 2e).

*) Chwalkowski an den Kurfürsten von Brandenburg, Dresden, 26. Dezember 1694. 21. und 23. Januar 1695. Nach Ungarn, sagte August der Starke zu Chwalkowski noch im Januar 1695, werde er niclit gehen, „da Sie Ihre Leute viel zu lieb betten, als dals Sie selbige auf dortigen Kirchhof führen sollten". Schöning aber versprach ihn doch dazu zu überreden, wenn man ihn, Schöning, in alle seine Ämter wieder einsetze, und schlug dem Kaiser vor, August dem Starken den Oberbefehl in Ungarn anzubieten (Chwalkowski an Friedrich IIL, Dresden, 15. Dezember 1694).

Türkeiifeldzüge Augusts des Starken. 137

der Operationen erhielt^). Freies Feld liefs man ihm freilich nicht. Der Kaiser verbot ihm ohne sein Wissen und Willen eine Hauptoperation vorzunehmen; von allen Gründen dafür und dawider sollte er zuvor Bericht er- statten ; nur „in casu subitaneo und wo die Sache keinen Anstand leidet", durfte er nach eigenem Ermessen handeln, war aber an die Beschlüsse des Kriegsrats gebunden, zu dem Generalfeldmarschall Graf Caprara, General der Kavallerie Heifsler Graf Heitersheim und die beiden Generalfeldzeugmeister Graf Heister und Guido Graf Starhemberg unbedingt zugezogen werden mufsten^").

Mit dieser Weisung verliels August der Starke am 18./28. Juli Wien, am 10. August stiels er bei Futtak zur Armee ^^). Sie zählte, die Verstärkungen, welche zum Teil noch im Anmarsch waren, mitgerechnet etwa 50000 Mann; 10000 Mann unter dem Generalfeldmarschall Veterani standen bei Waradia an der Maros unweit der sieben- bürgischen Grenze. Wie ein Keil schob sich in die ihrem Schutze anvertrauten Länder das von den Türken besetzte Banat Temesvar vor; Maros, Theifs, Donau und Temas bildeten ein Viereck, das ihnen nach drei Seiten, nach Norden, Osten und Westen, Gelegenheit zum Angriff und für die Verteidigung den Vorteil der inneren Linie bot; w^ährend sie über Temesvar, das sie besetzt hielten, auf der Diagonale geradenwegs von Belgrad nach Siebenbürgen gelangen konnten, waren die Kaiserlichen an die völlig rechtwinklig ineinander mündenden Flulsläufe der Maros und Theifs gebunden. Nur die Eroberung Temesvars konnte diesem Übel abhelfen; zu seiner Belagerung traf man die nötigen Vorbereitungen; in Lippa an der Maros wurde ein Magazin angelegt und die schwere Artillerie zusammengebracht.

") Loc. 3606 Acta die Campagnen in denen die kgl. polnischen und chnrf, sächsischen Truppen agirt hahen betr, Vol, III 1695. Abge- druckt in „Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen" II, 333 336.

'<') Kaiser Leopold I, an Friedrich August, Wien 30. Juni/10. Juli 1695 Loc. 3606 Vol.lll. Graf Caprara wurde doch wohl schon 1695 in- struiert, „die Mafsnahmen des Kurfürsten zu überwachen und derart zu beeinflussen, dafs die Operationen möglichst im Sinne der kaiser- lichen Generale entworfen und ausgeführt würden" (Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen IL 55).

") Hier war es, wo der närrische Georg Ehrenfried von Lüttichau, das Modell von Christian Reuters „Graf Ehrenfried", den Spitznamen Graf Futach erhielt. Loc. 9333 Diarium bei der churf. Campagne in Ungarn 1695/6.

138 P. Haake:

Aber zu einer Offensive kam es nicht. Man erfuhr, dafs der Sultan in Belgrad eingetroffen sei, um Titel und Peterwardein anzugreifen, und zog sich deshalb am 3./ 13, August näher an letzteres heran. Der Kurfürst legte den Generalen drei Fragen vor: ob man hier stehen bleiben oder noch weiter vorrücken, ob man dem Feind entgegengehen oder ihn diesseits der Defileen von Carlowitz erwarten, endlich ob man, wenn der Sultan sie passiere, eine Schlacht wagen oder sich im Lager halten solle. Der Kriegsrat beschlols, vorläufig stehen zu bleiben und sich nach den Bewegungen des Feindes zu richten; da dieser am 5./ 15. August bis nach Salankamen vorrückte, so wurden sechs kaiserliche und ein brandenburgisches Reiterregiment nach Titel detachiert, um es gegen einen Angriff zu schützen; nach und nach trafen auch die letzten Verstärkungen im Lager ein.

Der Vormarsch der Türken gegen Salankamen wurde bald als ein Scheinmanöver erkannt; schon am 6./16. August bemerkten kaiserliche Patrouillen, dals bei Pancsova eine Brücke über die Donau geschlagen werde; am 15./25. meldeten Husaren des Oberstleutnants Paul Deak den Übergang der ganzen feindlichen Armee. Am folgenden Tage berief August der Starke daher von neuem den Kriegsrat und erklärte, was die kaiserlichen Generale beschlössen, ausführen zu wollen. Heilisler riet, dem Feinde auf dem Fufse zu folgen und den Fluls bei Becse zu überschreiten; dort habe er bereits früher Brücken zur Belagerung von Temesvar schlagen lassen; er wisse, wie der Marsch an jenem Ufer einzurichten sei. Feldzeug- meister Graf Heister warnte davor, die Theifs so früh zu passieren und sich in unbekannten Gegenden den Ge- fahren mangelhafter Verpflegung auszusetzen; er schlug vor, bis Klein- Kanizsa am rechten Ufer zu bleiben, dort überzugehen und am linken Ufer der Maros sich Lippa zu nähern; mit dem Grafen Veterani müsse man sich dort zu vereinigen suchen. Feldmarschall Graf Caprara er- klärte, ihm sei jene Gegend unbekannt; er rate an der Donau zu bleiben^-). Man einigte sich schliefslich zu einem Kompromiß: zunächst nach Becse zu marschieren und sich nach den weiteren Bewegungen des Feindes zu richten. Wich er ostwärts aus, um hinter Temesvar über

'-) N. B. V. Danckelmann an den Kurfürsten von Brandenbitrg, Wien, 24. September 1695 (Berliner Staatsarchiv R. I, Conv. 34).

Türkenfeldzüge Augusts des Starken. 139

Karansebes Siebenbürgen zu erreichen, so wollte man der Theifs am rechten Ufer aufwärts bis Klein-Kanizsa folgen und dann längs der Aranka oder der Maros oder zwischen diesen beiden Zuflüssen der Theifs den Marsch ostwärts fortsetzen. Blieben die Türken bei Pancsova oder Temesvar stehen, so beschlols der Kurfürst die Theifs schon bei Becse zu überschreiten und den Feind anzugreifen ^=^), Bestärkt wurde er darin durch eine Ordre des Kaisers vom 22. August, er habe eine Schlacht eher zu suchen als zu scheuen.

Am 16./26. August brach die Armee von Peterwardein auf; ein Teil unter Feldmarschallleutnant Graf Herbeville blieb zurück, um Titel zu decken; der Rest überschritt am 19./29. und 20./30. August die Theifs bei Becse. Aber die Hoffnung, die Türken von der Richtung nach Nord- osten abzulenken und zum Stehen zu bringen, erfüllte sich nicht ; ohne Aufenthalt zogen sie gegen Temesvar weiter, das sie am 1. September erreichten. Ihnen zu folgen, davon überzeugte man sich bald, war unmöglich; Moräste versperrten überall den Weg; so kehrte man denn am 1. September an das rechte Ufer der Theifs zurück. Wohl vergrölserte sich damit der Vorsprung der Türken ungemein, aber bei einiger Eile konnte er immer noch verkürzt und Lippa, gegen das sich der Feind zu wenden schien, recht- zeitig Entsatz gebracht werden. Am 4. September er- reichte die kaiserliche Kavallerie Klein-Kanizsa, die In- fanterie Zenta. Der Kurfürst besichtigte die bei Klein- Kanizsa angelegte Schanze, liefs sich über die Theifs setzen, rekognoszierte das linke Ufer und kehrte in das Lager zurück, „wo sich der Feldmarschall Caprara wie wohl ziemlich spät mit der Infanterie gleichfalls ein- stellte" ^*). Am 6. September überschritt die Armee die Theifs bei Klein-Kanizsa, am 7. erreichte sie die Aranka und folgte ihrem Laufe nordöstlich zur Maros. Anstatt aber nun an ihrem linken Ufer über Egres, wie Heister wollte, Lippa zu Hilfe eilen, verlangten Caprara und Heifsler sich erst in Csanad von neuem zu verproviantieren und dann am rechten Ufer weiter zu marschieren; „sei es ein Triangel, so bleibe es ein Triangel", erwiderte der Feldmarschall dem Grafen Heister in ziemlicher Erregung.

'^) Friedrich August an den Kaiser, Feldlager bey Peterwardein 26. August 1695. Loc. 3606, Vol. III.

") Theatrum Europaeum XIV (Frankfurt am Main 1702), 740.

140 P- Haake:

Capraras Meinung siegte; man änderte die nordöst- liche in nordwestliche Richtung und erreichte am 10. Sep- tember Csanad. Da brachte ein Bote Veteranis am Abend des folgenden Tages die Nachricht, dals Lippa am 7. Sep- tember von den Türken erstürmt worden sei; eine be- deutende Menge Mehl und Hafer, der gröfste Teil des Feldmagazins und die zur Belagerung von Te- mesvar bestimmte schwere Artillerie fiel damit in die Hände der Feinde, Oberungarn stand ihnen offen, der Weg nach Grolswardein war frei. Alles kam jetzt darauf an, sie an dem Marsch dorthin zu hindern und zur Schlacht zu zwingen: unverzüglich überschritt August der Starke die Maros und rückte am rechten Ufer gegen Aradvor; am 4./I4. September lagerte er zwischen Nagylak und Szemlak, am folgenden Tage bei diesem Orte selbst. Dem Eeldmarschall Veterani sandte er am 3./13. September einen Boten, dafs er die Vereinigung mit ihm suche und beabsichtige, den Sultan anzugreifen. Kaum aber merkte dieser die Absicht des Kurfürsten, als er gleichfalls am 3./13. Stadt und Schlots Lippa in die Luft sprengte und eiligst nach Temesvar aufbrach. Er gedachte seinen Eückzug bis Belgrad fortzusetzen, da hier inzwischen seine Truppen die Offensive ergriffen und Titel einge- schlossen hatten.

Am 5./15. September erfuhr der Kurfürst den Ab- marsch der Türken, am folgenden Tage den Angriff auf Titel. Wiederum platzten die Meinungen im Kriegsrat heftig aufeinander. Zwar darin waren sich alle einig, dals die Hauptarmee Titel und Peterwardein so schnell wie möglich zu Hilfe eilen müsse ^''), aber ob und wie viel Truppen zui- Verstärkung Veteranis und zum Schutze Siebenbürgens zurückzulassen seien, darüber waren die Ansichten geteilt. Heister verlangte mindestens fünf Kavallerieregimenter auf dem geradesten Wege zu Veterani zu schicken, Caprara hielt es für ausreichend, drei Bataillone Infanterie und drei Reiterregimenter in Jenö, fünf Meilen nordöstlich von Lippa, zu postieren, die Veterani nach Bedarf an sich ziehen könne; Heilsler wulste überhaupt keinen Rat. So marschierte denn August der Starke am

'•'') Major V. Angeli findet diesen Eückzug- imbegreiflich und legt ihn dem Kurfürsten zur Ijast, während ihn alle kaiserlichen Generale, selbst Heister, befürworteten und der Kaiser ihn anbefahl für den Fall einer Eroberung Titels (Leopold an Friedrich August, .Ebersdorf, 20. September 1696).

Türkeiifeklzüge Augusts des Starken. 141

7./ 17, bis Csänad, am 8./ 18. September bis Mako zurück; erst liier entschied er sich auf die Nachricht, dafs der Sultan, nachdem Titel gefallen, sich gegen Siebenbürgen wenden wolle, für Heisters Vorschlag, fünf ßeiterregimenter zu Veterani zu senden, und am folgenden Tage, als er hörte, dals die Türken Titel gesprengt und sich nach Belgrad zurückgezogen hätten, die ganze kaiserliche Kavallerie selbst nach Lugos zu führen. Am 10./20. trennte er sich von der Infanterie, die, begleitet von den branden- burgischen und sächsischen Reitern, unter dem Kommando Guido von Starhembergs ihren Marsch nach Peterwardein fortsetzte, erreichte am 21. von neuem Szemlak, am 23. Arad, am 24. Lippa. Hier traf ihn die Schreckenskunde, dafs Veteranis Korps am 21. September bei Lugos zer- sprengt und er selbst gefallen sei.

Durch einen Feldscherer des Generaladjutanten Grafen Dünewald, der am 8./ 18. September einer türkischen Patrouille in die Hände fiel, hatte der Sultan den Rückzug der kaiserlichen Hauptarmee nach Csanad und Mako er- fahren und unverzüglich in seinem Marsch nach Belgrad innegehalten, um sich auf Veterani zu stürzen und sich den Weg nach Siebenbürgen zu bahnen. Veterani stand mit etwa 10000 Mann bei Lugos, des Kurfürsten gewärtig, dessen Nahen ihm der am 3./ 13. September abgesandte Bote meldete; von der veränderten Lage der Dinge wufste er nichts. Voller Zuversicht auf Hilfe nahm er den Kampf in seinem verschanzten Lager an, aber die Hilfe blieb aus und die Übermacht des Feindes war zu grofs; die Türken erstiegen die Umwallung und richteten ein furchtbares Blutbad an. Veterani fiel; nur 5000 Mann retteten sich unter der Führung des Feldmarschallleutnants Truchsels über Karansebes nach dem eisernen Tore^*').

Beim Eintreffen dieserUnglücksbotschaft verlor Caprara vollends den Kopf. Während Heister den Marsch an der Maros weiter ostwärts über Dobra befürwortete, riet der Feldmarschall Siebenbürgen überhaupt preiszugeben und sich nordwärts nach Jenö zu wenden; denn an den 16 Regimentern in Lippa hänge Szepter und Krone des Kaisers. August der Starke fügte sich; erst als er am 15./ 25. September in Jenö erfuhr, dals Truchsefs an der

1^) Graf Truchsefs meldete dem Kurfürsten, V^eteraiii sei durch die falsche Nachricht, dafs der gröfste Teil der feindlichen Armee sich nach Belgrad zurückgezogen habe, bewogen worden, auf seinem exponierten Posten stehen zu bleiben. (Theatrum Europaeum XIV, 744.)

142 !*• Haake:

oberen Maros bei Deva, Generalwachtmeister Pfeffershofen bei Hermannstadt stehe und die Türken sich nach Orsova zurückgezogen hätten, nahm er die Richtung nach Sieben- bürgen und erreichte am 3. Oktober Deva. Da ein Kampf nicht mehr zu erwarten war, so verabschiedete er sich am l./ll. Oktober in Piski von den kaiserlichen Generalen; am 12./22. war er wieder in Wien.

Unzweifelhaft waren in diesem Feldzuge schwere "Fehler gemacht worden; wenn jemand die brandenburgische Armee so hätte spazieren führen wollen, sagte Graf Rüdiger von Starhemberg zu Nikolaus Bartholomäus von Danckel- mann^'), so wäre es ihm wohl übel bekommen. Durch den doppelten Übergang über die Theils bei Becse hatte man vier, durch den Marsch von der Aranka nach Csanad mindestens drei Tage verloren; wäre Heister mit seinem Rat durchgedrungen, so hätte man mit den Türken gleichen Schritt gehalten und Lippa vermutlich gerettet. Auch nach seinem Fall wäre vielleicht die Vereinigung mit Veterani ratsamer gewesen als der Rückmarsch nach Peterwardein; jedenfalls durfte Veterani über diesen nicht im unklaren und ohne genügende Unterstützung gelassen werden, und auch die Preisgabe Siebenbürgens nach der Niederlage bei Lugos war unnötig und falsch. Alle diese Fehler aber, die Heister in einer ausführlichen Denkschrift zur Sprache brachte, kamen auf das Konto von Caprara und Heilsler; ihre bedächtige Methode hemmte jede Vor- wärtsbewegung, und August der Starke wagte nichts gegen den Rat dieser beiden ersten kaiserlichen Generale. Ihm selbst wäre ein Angriff auf das feindliche Heer das Liebste gewesen; darum stimmte er dem Übergang über die Theifs bei Reese zu; darum stand er später stets auf Heisters Seite. Auch den Übergang über die Maros bei Csanad verwarf er mit ihm, so lange er von Lippas Fall nichts wuIste. „Was wollen wir jenseits machen?" fragte er, ,.ich kann nicht sehen zu was Ende oder Nutzen". Er fügte sich der Majorität, um einen Bruch zu vermeiden; hätte sich Caprara mit den kaiserlichen Truppen von ihm getrennt, so wäre er mit seinen 8000 Sachsen in übler Lage gewesen.

Der Kaiser hütete sich wohl, ihm die Schuld an dem schlechten Ausgang des Feldzuges beizumessen, im Gegen-

") N. B. V. Danekelmann an Kurfürst Friedrich III., Wien, September 1695 (Berliner Staatsarchiv R. I, Conv. 34).

Türkenfeldzüge Augusts des Starken. 143

teil : er ermunterte ihn, das Kommando im folgenden Jahre von neuem zu übernehmen, ohne Zweifel, wie der branden- burgische Gesandte meinte ^^), um des Kurfürsten Land und Leute dadurch mehr zu entkräften, wie es früher Baiern gegenüber die wahre Absicht des Wiener Hofes gewesen. Die Hauptschuld warf man auf Heilsler; er sollte sein Gouvernement jenseit der Theils zu decken ge- sucht, ja wohl gar den Fall Lippas gewünscht haben, damit die dort befindlichen Rechnungen mit verloren gingen ^^), und jedenfalls war der von ihm befürwortete Über- gang über die Theifs bei Becse die Quelle alles Übels. Aber nicht weniger verschuldete die unaufhörliche Opposi- tion Capraras gegen jede Offensive; er klebte beständig an den Magazinen und gönnte wohl auch dem Kurfürsten keinen Erfolg. Jedenfalls beauftragte dieser seinen Ge- sandten, den Grafen Ludwig von Zinzendorf, die Wahl Capraras zu seinem Ratgeber im nächsten Feldzüge nach Kräften zu hintertreiben'-"); Heilsler dagegen wünschte er wieder an seiner Seite zu sehen, da er ihm am meisten ver- traue, und in der Tat scheint dieser seinen Irrtum eingesehen zu haben; er vertrat jetzt eine energische Offensive.

Nachdem am 19. März 1696 in Wien ein neuer Rezels zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten zustande ge- kommen war, welcher 12000 Sachsen auf drei Jahre in den Dienst des Türkenkrieges stellte"-^), verliels August

**) N. B. T. Danckelmann an Kurfürst Friedrich III., Wien, 19 Oktober 1695.

^") N. B. V. Danckelmann an Kurfürst Friedrich III., Wien, 24. September 1695.

-^) Friedrich August an Zinzendorf, Frühjahr 1696: Erihnere er auch bei Ihr Magesteten den keiser wegen determination des felt- marschalgs, suche aber zu ferhindern, das Caprara nur nicht ist, sonsten alle mit einander, sie sind mür alle recht I Durch die keiserin kente er fihl machen, dog gebe er der sache eineh guhtte färbe und wende er fohr sein grofses alter und schwagheit zum fatigen! Firstenberg kente auch dinen! Dem Heisler griefse er und frage, wie unser Sachen stehen, den ich ihm an mesten glaube ! Den Savoy griefse er und frage in meinen nahmen, ob er nichts noch wieste, ob er mit mier ginge! Mache er ein compliment triber und gebe er zu ferstehen, das er wieste, das es mier nicht entgegen wehre; ich mechte aber nicht, das es Heisler wieste, den er es nicht gerne sehe. (Loc. 1206 Fürstenhriefe an die gräfüch Zinzendorffsche Familie 1680—1706.)

-1) Loc. 3606 Acta die Campagnen, in denen die kgl. polnischen und churfürstl. sächsischen Truppen agiret haben betr. Anno 1696, Vol IVa. Abgedruckt in Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen II, 384—386.

144 P. Haake:

der Starke am 12./22. Mai Wien, stiels in Pesth zur Armee und passierte mit ihr am 2./12. Juni bei Szegedin die Theils. Es war beschlossen worden, in dieser Kampagne die Offensive zu ergreifen und Temesvar zu belagern; alle vier Gutachten, Capraras, Heilslers, Guido von Star- hembeigs und des Kurfürsten, stimmten darin überein'--). Baron Truchsels deckte mit vier Keiterregimentern und neun Bataillonen Infanterie Titel und Peterwardein, Graf Bussy-ßabutin als Nachfolger Veteranis Siebenbürgen. Als aber der Kurfürst, dem nun doch wieder Caprara nebst Heifsler als Ratgeber zur Seite gestellt war, mit der Hauptarmee Csanad an der Maros erreichte, fehlte zur Belagerung Temesvars noch so gut wie alles, Geld, Belagerungsmaterial und vor allem Pulver, und da auch 10000 Mann noch nicht eingetroffen waren, so beschlofs der Kriegsrat am 12. 22. Juni vorläufig nicht zu operieren, sondern erst diese Mängel abzustellen und sich dann gegen Temesvar oder gegen die feindliche Armee zu wenden"-^); nur eine Rekognoszierung der Festung wurde mit 3800 Reitern und Paul Deaks Husaren vom 19,/29. Juni bis zum 3. Juli unternommen. Ihr Ergebnis war, dals, wenn man die Truppen und Requisiten zeitiger beisammen gehabt hätte, Temesvar ohne grolse Mühe einzunehmen gewesen wäre, ehe Entsatz hätte herankommen können; die Stärke des Platzes bestand lediglich in der Garnison-*). „Die haben es zu verantworten", schrieb der Kurfürst am 18./28. Juli an den Grafen Zinzendorf nach Wien, „die die nohtwendigkeitten nicht beygeschaft, indehm gestern erst ein teil von der munition ankohmen", und einen Tag später: „Ich hoffe, es werden noch welche schamroth werden, soh dieses nicht alleine hinderlich, sondern gahr rückgengig machen wollen". Erst am 20./30. Juli konnte die Hauptarmee aufbrechen; am 3. August langte sie vor Temesvar an; dort vereinigte sie sich mit acht Regimentern, die Graf Bussy-Rabutin auf Befehl des Kurfürsten aus Siebenbürgen heranführte'-'^).

") Loc 9333 ^^.(.a die Canipagne 1696 betr.

-^) Friedrich August au den Kaiser, Feldlager bey Cliouad, 22. Juni 1696. Loc. 3606 Acta die Campagnen, in denen die kgl. polnischen und churfürstl. sächsischen Truppen agiret haben betr. Anno 1696, Vol IV b.

-^) Friedrich August an den Kaiser, 5. Juli 1696. Loc. 3606, Vol. IV b.

-^) Friedrich August an den Kaiser, Feldlager an der Aranka, 15./25. und 19./29. Juli, bey Temesvar 25. Juli/4. August 1696 (Loc. 3606, Vol. IVb).

Türkenfeklzüge Augusts des Starken. 145

Kaum aber hatte man die Belagerung begonnen, als am 4. August neuen Stiles die Nachricht eintraf, dals der Sultan die Donau bei Semlin überschritten habe und zum Entsatz heranrücke; man stand damit vor der Alternative, die Belagerung aufzuheben und dem Feinde entgegenzugehen oder jene fortzuführen und den Sultan in Verteidigungsstellung zu erwarten. Es war eine ähn- liche Situation wie 1686 vor Ofen, und wie Herzog Karl von Lothringen hielt es auch August der Starke für das Beste, sich in dem angefangenen Werk nicht stören und den Entsatz herankommen zu lassen-*^). Aber der Kriegs- rat beschlofs, die Belagerungsartillerie nach Arad zu schicken und den Sultan aufzusuchen ; am 5. August nahm man zwischen Bega und Temes, zwei ziemlich parallel der Theiis und l)onau in südwestlicher Richtung zu- strömenden Flüssen, den Weg auf Becskerek-"). Grofs freilich war die Enttäuschung, als man erfuhr, dafs der Feind bei Semlin gar keine Brücke geschlagen habe und unverrichteter Sache umkehren mufste. Zwei Kavallerie- regimenter und die erst jetzt eingetroffenen Brandenburger sandte der Kurfürst unter Guido von Starhemberg nach Titel, um damit Truchsels' Korps auf 13000 Mann zu verstärken; für die Belagerung von Temesvar blieben ihm noch 38000 Mann; einen Entsatzversuch des Sultans gedachte er vor der Festung oder zwischen Bega und Temes bei Pardany abzuwehren -^j.

Nachdem sich Caprara der Fortsetzung der Belagerung vergebli(Ji widersetzt und umsonst bemüht hatte, die unfern des Lagers bereits eingetroffene schwere Artillerie wieder nach Arad zurückzuschicken, W'Urden die Trancheen am 2./12. August endlich eröffnet. Caprara behauptete, man sei zu schwach, um zwei Attacken gegen einen nahenden Entsatz zu decken; so blieb es bei einer; Tag für Tag rückten die Belagerer näher bis auf 50 Schritt an

26) Eigenhändig- vom Kurfürsten aufgezeichnete und im Kriegs- rat vorgetragene Punkte (Loc 9333 Acta die Campagne 1696 betr.). Sie werden in meiner Publikation der eigenbändigen Entwürfe und Briefe Augusts des Starken abgedruckt werden. Auch Prinz Eugen vertrat in seinem Gutachten, Wien, 31. Januar 1697, denselben Grund- satz(Feldzüge des Prinzen Eugen, Supplementheft zum IL Bande, S. 8).

"'^) Friedrich August übereinstimmend an den Kaiser bey Temesvar 25 Juli/4. August und Wien, 1. Oktober 1696 (Archiv für Kunde österreichischer Geschicbtsquellen XII, 225).

'-S) Friedrich August an den Kaiser, Feldlager vor Temesvar, 3./13. August 1696.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 1. 2. 10

146 -P- Haake:

die Palanka heran. Schon glaubte man des Platzes Meister zu werden, schon entwarf der Kurfürst einen Plan für den Sturm ■-^) da erfuhr man, dals der Sultan, nachdem ihm Guido von Starhemberg den Übergang über die Theils bei Titel verwehrt habe, im Anmarsch begriffen und bereits bei Becskerek angelangt sei. Sofort wurde ein Kriegsrat einberufen und dieselbe Alternative wie vor zwei Wochen aufs neue erwogen: August der Starke und Heilsler schlugen vor, dem Sultan mit 30000 Mann zwischen Bega und Temes bis Pardany entgegenzugehen und 8000 Mann vor Temes var zurückzulassen, um die etwa halb so starke Besatzung in Schach zu halten; aber auch diesmal drang Caprara mit seiner Ansicht durch, dals man die Belagerung aufheben und den Feind mit der ganzen Armee aufsuchen müsse^°). Am 9./19. August wurde die Artillerie nach Arad zurückgeschickt und der Vormarsch gegen Südwesten angetreten, am 21. bekam man mit der türkischen Kavallerie Fühlung*^^), drängte sie zurück und stiefs am folgenden Tage auf das feind- liche Heer, das Pardany bereits passiert und, in den

-ö) Eigenhändiger Entwurf des Kurfürsten (Loc. 9333 Acta die Campagne 1696 betr.). Vgl. meine Publikation.

30) N. B. V. Danckelmann an Friedrich 111., Wien, 2./ 12. Sep- tember 1696: Der Kurfürst hat die Belagerung Temesvars fortsetzen und, wenn der Feind zum Entsatz herangeliommen , ihn schlagen AvoUen, da man nur 20 Schritt vom verdeckten Wege entfernt ge- wesen sei und die Palanka in 24 Stunden wegzunehmen imstande gewesen wäre. „Dafs solchem nach, weilen die Palanka auTser einem Morast den ganzen Ort einschliefset , als woriunen nur 3000 Mann vorhanden gewesen, dafs etwa 4 5000 Mann in solche Palanka logiren und sich hätten vergraben können, so dafs diesen weder aus der Stadt noch aus dem Schlosse hätte Schaden zugefügt werden können. Auf diese Weise wäre ihnen leicht gewesen den Rücken frei zu halten und der feindlichen Armee das Haupt zu bieten. Die kaiserlichen Generale aber sollen anderer Meinung gewesen sein, nämlich die Entsatzarmee aufzusuchen und zu schlagen, ohne sich zwischen ihr und der Besatzung zu hasardiren, vorgebend, dafs die Bedeckung in der Palanka bei einem Feinde, welcher mit dem Seiten- gewehr sehr fertig, nicht zu hasardiren sei". Ferner habe Caprara am 26. August den Angriff widerraten, der Kurfürst aber hart darauf gedrungen und, obschon die Nacht vorhanden gewesen, sich nicht zurückhalten lassen wollen. Caprara habe darauf gesagt, er wolle dann auch das wenige Blut, so ihm noch übrig, mit daran strecken und den Ausschlag der Sache auf andre ankommen lassen. (Berliner Staatsarchiv B. I, Conv. 35.)

^^) Nicht bei Pancsova, wie Schuster und Francke in der Ge- schichte der sächsischen Armee 1, 131, behaupten, sondern nordöstlich von Pardany.

Türkenfeldzüge Augusts des Starken. 147

Flanken durch die Moräste der Bega und Teraes, in der Front durch eine starke Schanze gedeckt, eine unangreif- bare Stelhing eingenommen hatte. August der Starke wich 3000 Schritt zurück, um den Sultan herauszulocken, wartete aber bis zum 24. August vergebens auf seine Annäherung. An diesem Tage formierten die Türken vor ihren beiden Linien eine dritte, führten die Geschütze auf und eröffneten ein heftiges Feuer, das von den Kaiserlichen mit Erfolg erwidert wurde. Da aber der Feind in seiner Stellung blieb, so ging der Kurfürst am 25. August über Dinyas an die Bega zurück, um den Flufs zu überschreiten und den Gegner zu umgehen ; jenseits Becskereks gedachte er Starhemberg die Hand zu reichen und dem Sultan den Rückzug nach Belgrad zu verlegen •^■'^).

Mit dem Rücken an die Bega gelehnt, stand die Armee am Sonntag, dem 16./26. August, zum Übergang be- reit, als man morgens gegen 8 Uhr einige feindliche Truppen gewahr wurde, denen der Kurfürst selbst mit etlichen Reitern entgegenging, um ihre Stärke und Absicht zu erkunden •^•^). Er sah bald hinter einem etwa eine Stunde entfernten starken Gebüsch die ganze Heeresmacht der Türken in eiligem Marsche an der Front der Christen entlang ihrem linken Flügel und der Bega zustreben und formierte so schnell wie möglich die Schlachtordnung, um den Feind noch während des Marsches anzugreifen. Aber dieser vollführte die Bewegung so rasch, dafs er gegen 11 Uhr ungehindert die Bega erreichte und bei Szilas, seinen rechten Flügel vom linken der Christen nur durch ein dichtes Gehölz getrennt, sein Lager aufschlug; in der Front durch eine dreifache Wagenburg, in der linken Flanke durch einen Morast geschützt, hatte er sich so zwischen den Gegner und Temesvar geschoben.

August der Starke befand sich jetzt in einer mifs- lichen Lage. Die Bega im Angesicht des Feindes zu über- schreiten, war ein gewagtes Unternehmen; stehen zu bleiben oder den Rückzug nach Pardany anzutreten, d. h. dorthin,

^^) Friedrich August an den Kaiser, Feldlager bey Olausch, 20./30. August, und Wien, 1. Oktober 1696.

2*) Schlachtberichte enthält aufser den beiden Briefen des Kur- fürsten an den Kaiser eine Relation aus dem kaiserl. Feldlager bey Olaus, den 2. Sept. st. n. 1696 (Loc 3606, Vol. IV b), eine Relation von dem Gefecht mit den Türken, Ebersdorf, 4. September 1696, und der Brief eines Brandenbiu'gers an N. B. v. Danckelmann (Berliner Staatsarchiv R I, Conv. 35).

10*

148 !*• Haake:

woher der Sultan gekommen, verbot der Mangel an Proviant, der sich bereits fühlbar zu machen begann; für eine Schlacht bedurfte es eines langen und schwierigen Aufmarsches. Der Kurfürst und Heilsler erklärten sich für den Angriff, Caprara dagegen; erst als er sah, dals er diesmal nicht durchdrang, gab er schlielslich nach mit den Worten, er wolle denn das wenige Blut, so ihm noch übrig, in die Schanze schlagen und den Ausgang auf andere ankommen lassen; gegen 3 Uhr brach die Armee auf und bekam gegen 4 ühr den Feind zu Gesicht. War nun von voi-nherein die Absicht, mit dem linken Flügel allein den entscheidenden Stols zu führen, oder währte es zu lange, bis der rechte, durch starkes Gebüsch im Vormarsch aufgehalten, mit ihm in gleicher Höhe er- schien — jedenfalls begann der Angriff, ehe die neue Front völlig hergestellt war, und führte nicht zu einem Siege der Christen, sondern zu einem ungleichen und unentschiedenen Kampf.

Kurz nach fünf Uhr ging auf dem linken Flügel Feldzeugmeister Graf Heister^*) mit sechs Bataillonen der kaiserlichen Regimenter Baden, Alt-Starhemberg und Salm, gedeckt durch zehn Schwadronen Dragoner unter dem Prinzen Vaudemont, durch das Gebüsch vor, um die jenseits gelegene Höhe zu besetzen und den Aufmarsch des Gros zu decken. Aber noch ehe sich dies im freien Felde ganz entwickeln und die Lücken schliefsen konnte, brachen 12000 Serdengätsch, verwegene Reiter, welche ihr Leben für Geld verkauften und deshalb „Kinder des Todes" genannt wurden, aus den feindlichen Reihen hervor, warfen sich auf zwei sächsische Bataillone Bornstädt und Jordan, setzten über die spanischen Reiter hinweg und hätten die Infanterie über den Haufen gerannt, wenn ihnen nicht ein paar kaiserliche Schwadronen entgegen- getreten wären und sie zurückgetrieben hätten. Inzwischen hatte Graf Heister mit seinen sechs Bataillonen die feind- liche Wagenburg, die von den Janitscharen verteidigt wurde, angegriffen und erstürmt: schon lösten sich unter den beutelüsternen Siegern einzelne Verbände; da sausten wie eine Windsbraut die Serdengätsch heran, zersprengten die wenigen Dragoner, die von den zehn Schwadronen ihre Pflicht taten, und fielen den sechs Infanteriebataillonen

'^*) Nicht Heifsler, wie Aloys Schulte, Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden I, 351, behauptet.

Türkenfeldzüge Augusts des Starken. J49

in Flanke und Rücken. Diese konnten sich der so plötzlich über sie hereinbrechenden Übermacht nicht erwehren; in wenigen Minuten waren 1400 Mann gelallen und über 400 verwundet; nur kümmerliche Reste retteten sich unter dem Schutze der endlich Hilfe leistenden Dragoner und eines Reiterregiments, das Graf Heilsler selbst herbei- führte. Er brachte die Verfolger zum Stehen und trieb sie bis an die Wagenburg zurück; hier traf ihn eine Musketenkugel unter dem Knie und zerschlug ihm das Bein; auch an der Hand und Schulter durch Säbelhiebe verletzt, wurde er aus dem Gefecht getragen und erlag drei Tage später in Szegedin seinen tödlichen Wunden. Während sich dies auf dem linken Flügel zutrug, attackierte die türkische Kavallerie im Zentrum das Zan tische Regiment, warf es über den Haufen und drang bis in das zweite Treft'en; die Regimenter Zollern und Pfalz -Neuburg wandten, anstatt ihm zu Hilfe zu eilen, sich gleichfalls zur Flucht; die dänische Reiterei aber und das Regiment Vaudemont brachten den Feind zum Stehen und jagten ihn bis an die eigenen Verschanzungen zurück. Als sie dann selbst weichen mulsten und die ganze Reitermasse aufs neue heianflutete, fafste die Kavallerie des rechten Blügels, vor allem die Regimenter Caprara und Sereni, die Türken so tapfer in der Flanke, dals diese eiligst Kehrt machten und hunderte von Verwundeten und Toten auf dem Platze lielsen. August der Starke befahl nun der Infanterie eine einzige Linie zu formieren und vorzurücken, um die Wagenburg zu nehmen; aber noch ehe es zum Handgemenge kam, machte die hereinbrechende Dunkelheit dem Kampfe ein Ende. Da der Feind sich stark verschanzte, so zog sich der Kurfürst gegen 11 Uhr in das Lager zurück; 20 oder 23 Geschütze, welche de- montiert waren und nicht fortgeschafft werden konnten, mufste er preisgeben. Am 27. August stellte er sein Heer von neuem in Schlachtoi'dnung auf, wagte aber ebenso- wenig wie der Sultan einen Angriff und überschritt, da der Mangel an Brod und Hafer immer empfindlicher wurde, in der folgenden Nacht die Bega, um sich bei Olasz mit sechs Kavallerieregimentern, welche ihm Guido von Star- hemberg zuführte, zu vereinigen und frisch zu vei- proviantieren. Der Sultan kehrte, nachdem er die Be- satzung von Temesvar verstärkt hatte, nach Pancsova zurück und liels bei Belgrad eine Brücke über die Sau schlagen. August der Starke setzte daher, um nötigen-

150 P- Haake:

falls Titel gegen einen Angriff zu decken, seinen Marsch eiligst nach Becskerek fort, verliels aber plötzlich am 3./13. September die Armee und eilte nach Wien. Seine Ehre war angegriffen. Er wollte sich persönlich beim Kaiser rechtfertigen.

Unter anderen Infamitäten, so schrieb er im höchsten Zorn an den Grafen von Zinzendorf, den er von seiner bevorstehenden Ankunft in Kenntnis setzte, hat man gesagt, ich hätte mich am Tage der Schlacht mit Heilsler be- trunken und den Feind im Rausch angegriffen^'^). Die ganze Armee kann bezeugen, dafs ich fast nichts gegessen, viel weniger getrunken, und dafs alle im Kriegsrat für den Angriff waren. Ich weils nicht, worin Capraras be- sondere Taten bestehen sollen; er hat kein Wort verloren und sich nicht um das geringste gekümmert, sondern alles gut sein lassen, ebenso Taafe; sie haben mir und Heilsler alles auf dem Halse gelassen. In der Aktion haben von den Generalen nur Heister, Rabutin und Vaudemont ihre Schuldigkeit getan; zuletzt kam noch Gronsfeld mit seiner Brigade hinzu. Ich habe wie ein Hund arbeiten und mich überall hinbegeben müssen, was doch Capraras und Taafes Sache gewesen wäre. Wir haben 3000 Tote und Ver- wundete, Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden hat mehr- mals auf einem Marsche 6000 Mann verloren. Forsche er nach dem Urheber der Lügen! Ich werde in wenigen Tagen in Wien sein. Sage er jedoch nichts von meiner Ankunft !

Noch am 5. September hatte der Kaiser bedauert, dals die Feigheit der vier Regimenter, welche ihre Schuldig- keit nicht taten, den Kurfürsten an einem vollen Sieg verhindert habe, und hatte ihn gebeten, da bei gutem Wetter noch zwei Monate für Operationen blieben, den Feind aufzusuchen und eine zweite Schlacht zu wagen; am 13. legte er ihm unter dem Vorwand, seine Gesundheit schonen zu wollen, die Rückkehr nahe. Es war kein

3*) Christoph Dietrich v. Böse, damals sächsischer Kriegs- kommissar, bemerkt dazu in seinen Memoiren (Loc. 9604, Lehenslauff' des Geh. Raths C. D. v. Böse, entworffeu Veste Pleifsenburg, den 12. September 1738): „Die Attaque geschah zur Unzeit und wider des alten G. F. M Caprara Beistimraung. Inder That war Herr Graf Heusler einzig und allein dessen Ursach, indem er, Churfürstliche Durchlaucht sich zu obligiren, gleichsam ein Lustjagen zu ver- anstalten vermeinte, dieses aber mit seinem Leben und 6000 Mann endigte".

Türkenfekizüge Augusts des Starken. i 151

Zweifel, dafs er den Gerüchten, die über August den ^Starken umliefen, Glauben schenkte; der Kurfürst durfte nicht zögern, sie selbst zu zerstreuen. In den letzten Tagen des September entwarf er eigenhändig eine lange Denkschrift, in der er -den Verlauf des Feldzuges ein- gehend schilderte, und die er dem Kaiser am 1. Oktober überreichte. Hier wies er mit vollem Recht darauf hin, dafs es ihm an Truppen, Geld und Munition gefehlt habe, um die Belagerung von Temesvar rechtzeitig zu beginnen, dafs Caprara beständig bemüht gewesen sei, ihr Hinder- nisse in den Weg zu legen, und ihre Aufhebung schlielis- lich durchgesetzt habe, dafs am 26. August der Angriff einstimmig beschlossen worden sei. Die späte ErölTnung der Trancheen und die Flucht der vier Regimenter in der Schlacht falle nicht ihm zur Last, überhaupt keinem ein- zelnen, sondern der völligen Erschöpfung der kaiserlichen Kassen. Mit bitterem Freimut entwirft er nun ein Bild von dem traurigen Zustand der kaiserlichen Armee. Der Offizier beklage sich über den Ungehorsam des Gemeinen, dieser über die ünzuverlässigkeit und das üble Kom- mando des Offiziers. Der Reiter müsse sich den Winter über in einem geringen Quartier behelfen, zumeist Wasser trinken und den für Wein bestimmten Taler der Kasse zur Anschaffung der Montierung abliefern, den Sommer über vergebens auf Sold warten und so alle Lust zum Kampfe verlieren. Die Offiziere seien vielfach zu aus- schweifend oder zu bequem, um sich um den Dienst ge- nügend zu kümmern, die Obersten vergäben freie Stellen oft jungen unerfahrenen, noch den Studien obliegenden oder auf der Kavalierstour befindlichen Personen oder benutzten gar ihre Offiziere zu Stall- und Hofmeister-, Sekretär- und anderen Privatdiensten, die sie an der Erfüllung ihrer Pflicht hinderten. Die Zahl der Offiziere sei für die Gröise der Kompagnien, die noch einmal so stark sind als in anderen Ländern, viel zu klein und, wenn eine Schwadron zu weichen beginne, nicht aus- reichend, um die Ordnung aufrecht zu erhalten. Kurz: man müsse früh die Magazine füllen, die Artillerie, Munition und Requisiten ergänzen, den Regimentern die Rekruten- und Remontegelder gleich nach der Musterung in den Winterquartieren auszahlen, zur Bestreitung extra- ordinärer Ausgaben eine Feldkasse anlegen, die Truppen Ende April vollzählig beisammen haben und anfangs Mai ins Feld führen, wenn man grölsere Erfolge als in der

152 P. Haake:

vergangenen Kampagne erzielen wolle, Geldmangel sei

die Quelle allen bisherigen Übels.

Ähnlich hatte Feldmarschallleutnant Graf von Auers- perg im April dieses Jahres die Milsstände im kaiserlichen Heere geschildert'^**), und ähnlich sollte es im folgenden der Präsident des Hofkriegsrats Ernst Rüdiger Graf Starhemberg tun'") so konnte denn der Bericht des Kurfürsten nicht ohne Eindruck auf den Kaiser bleiben. In einer eigenhändigen Antwort versprach er August dem Starken die gerügten Mängel abzustellen und versicherte ihn von neuem seines Vertrauens^^^). Er bat ihn, im nächsten Feldzuge das Kommando wieder zu übernehmen, und befahl dem Hofkriegsrate, zur Belagerung Belgrads, die der Kurfürst vorschlug, alles vorzubereiten; „es wird gut sein", erklärte er, „ihm wegen der verlangten Operation die Hoffnung nicht allein nicht zu nehmen, sondern mehreres die Sachen zu facilitiren, indem selbiger auf solchen Fall wohl sich wird zu einer Geldesanticipation disponiren lassen""^). Hätte er von den militärischen Fähigkeiten Augusts des Starken die Meinung gehabt, die die alten eifersüchtigen Generale äulserten, so hätte er ihm sein Heer Avohl schwerlich ein drittes Mal anvertraut; statt seiner lieis er den Grafen Caprara fallen und ersetzte ihn durch den Prinzen Eugen.

Zu der geplanten Belagerung Belgrads kam es nun freilich nicht. Schon am 14. Mai überreichte der Kurfürst dem Kaiser einen neuen Entwurf, welcher die Offensive ganz fallen liefe und riet, eine blois beobachtende Stellung bei Semlin einzunehmen*"). Der Wunsch, die polnische Krone zu erringen, und die Wahrscheinlichkeit, sie nur im Kampfe mit den Rivalen behaupten zu können, hielt ihn von weitaussehenden Unternehmungen gegen die Türken ab. Am 27. Juni in Warschau zum König gewählt, legte er denn auch das Kommando in Ungarn nieder; Prinz Eugen von Savoyen übernahm den Oberbefehl über die kaiserliche

^'') Loc. 3606 Acta die Campagnen, in denen die kgl. polnischen und churfürstl. sächsischen Truppen agirt haben anno 1696 betr. Vol. IVa.

") Feldzüge des Prinzen Eugen II, 35—37. ^^) Leopold an August den Starken, Wien, 13. Oktober 1696 (Loc. 9333 Acta die Campagne 1696 betr ). ^ö) Feldzüge des Prinzen Eugen II, 16. *o) Feldzüge des Prinzen Eugen II, 352—356.

Türkenfeldzüge Augusts des Starken. 153

Armee und erfocht mit ihr am 11. September 1697 den glänzenden Sieg bei Zenta.

Nicht an diesem Erfolge, der die Ergebnisse der Feldzüge von 1695 und 1696 weit in den Schatten stellte, darf man die Feldherrngaben Augusts des Starken messen ; er hatte mit grölseren Schwierigkeiten zu kämpfen als der Prinz Eugen. Mit der Leere der kaiserlichen Kassen und Magazine, die im Frühjahr 1697 wenigstens zum Teil beseitigt wurde; mit der Opposition neidischer oder allzu bedächtiger Generale, gegen die sich Prinz Eugen von vornherein durch möglichst weitgehende Vollmachten zu schützen wufste*'); mit einem unbekannten und schlecht passierbaren Terrain ; mit einem stärkeren und besser zur Schlacht vorbereiteten Feinde. Die Fehler des Kurfürsten waren: 1695 die Theils bei Becse zu überschreiten und 1696 an der Bega dem linken Flügel zu früh den Befehl zum Angriff zu geben; mehr als einmal aber wurde bei den Operationen sein besserer Kat überhört und über- stimmt. Er hat in der Schlacht bei Dinyas die Türken zweimal persönlich bis an die Wagenburg zurückge- trieben*-); er soll nach einem Berichte Danckelmanns zwölf Pferde an diesem Tage unbrauchbar gemacht und sich überall, wo es Not tat, zur Stelle gezeigt haben*");

^1) So ordnete sich Graf Bussy-Rabutin erst auf direkten kaiser- lichen Befehl 1697 dem Prinzen Eugen unter (Feldzüge des Prinzen Eugen II, 71,2). An den harten Urteilen Rabutins über August den Starken, die Arneth in der Biographie Guido von Starhembergs ver- öffentlichte, hat wohl Eifersucht einen grofsen Anteil gehabt; dafs der Kurfürst häufiger Gast der Madame Rabutin war, berichtete N. B. V. Danckelmann am 26. Oktober 1695 nach Berlin.

*'^) Relation aus dem kaiserlichen Feldlager bei Olaus, den 2. September st. n. 1696 (Loc. 3606 Acta die Campagnen. in denen die kgl. polnischen und churfürstl. sächsischen Truppen agiret haben, betr. anno 1696, Vol. IV b).

*ä) N. B. V. Danckelmann an Friedrich III. Wien, 4. September 1696 : Die bravoure des Feldraarschallen Caprara, so auf sein zweites Pferd kommen, wird dabey sehr erhoben, indem er dem tapfersten jungen sich solle gleich erwiesen und was ihm obgelegen versehen haben. Ihre Churfüstliche Durchlaucht zu Sachsen sollen sich aller- ohrts gegenwertig erwiesen und 12 pferde in einem tage unbrauch- bar gemachet haben. Daniel Fassmann, der Biograph des Kur- füi-sten (Das Glorwürdigste Leben und Thaten Friedrich Augusti des Grofsen, Hamburg und Frankfurth 1733 S. 1023), berichtet, dafs er einige Türken mit eigener Hand erlegt habe, und dafs die Sage ging, einige Reiter seien von ihm vom Scheitel bis zum Sattelknopf in zwei Teile gespalten worden. In den Akten steht von diesen Schwabenstreichen nichts.

154 P. Haake: Türkenfeldzüge Augusts des Starken.

er hätte die Schlacht vielleicht gewonnen, wenn nicht die Nacht hereingebrochen und der Angriff der Infanterie dadurch ins Stocken geraten wäre. Er war nicht zu selbstbewulst, um sich der Meinung älterer Männer zu verschlielsen; er war zu schüchtern, um ihnen gegenüber die eigene Ansicht mit Nachdruck zu verfechten. Als Caprara am 3. Februar 1701 starb, tadelte man offen, dafs er andere Generale öfters aus Milsgunst an der Aus- führung wichtiger Dinge gehindert habe**). Auch August der Starke hat diese Milsgunst in den Jahren 1695 und 1696 erfahren. In beiden Feldzügen wären, wie 1691 am Rhein, wohl grölsere Erfolge zu erzielen gewesen, wenn die Gegner Capraras freie Hand gehabt hätten. Jeden- falls waren Schöning und August der Starke tüchtigere Strategen als jener Vertreter einer überlebten, kraftlosen Methode.

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) Zedlers Universallexikon V: Äneas Graf Caprara.

VIII.

Hermann Knothe,

gestorben den 8. Februar 1903.

Von Hubert Ermisch.

Wieder ist ein Altmeister unserer landesgeschiclitlichen Porschung von uns geschieden. Nach kurzer, schwerer Krankheit starb zu Dresden in der Nacht vom 7. zum 8. Februar der Geheime Hofrat Prof. Dr. Hermann Knothe, der gründlichste Kenner der oberlausitzischen Geschichte. Der Kgl. Sächsische Altertumsvereiu , dem er seit dem Jahre 1859 angehörte, hat in ihm sein ältestes Mitglied, das „Neue Archiv für Sächsische Geschichte" einen seiner treuesten Mitarbeiter verloren. Lassen es schon diese Beziehungen und die wissenschaftliche Bedeutung des Entschlafenen als eine Pflicht erscheinen, seiner hier zu gedenken, so ist es dem Verfasser dieser Zeilen zu- gleich ein Herzensbedürfnis, ihm ein Wort der Erinnerung und des Dankes zu widmen; und er darf überzeugt sein, nicht allein dem kleinen Kreise gleichstrebender Forscher, sondern auch dem weiten der Freunde und Verehrer des Verewigten aus der Seele zu sprechen,

Hermann Friedrich Knothe wurde am 9. Oktober 1821 geboren. Wie Theodor Flathe, so entstammte auch er einem deutschen Pfarrhaus. Sein Vater Karl Friedrich Knothe, geboren am 31. Oktober 1793 zu Zittau, war im Jahre 1820 aus seiner Vaterstadt, wo er einige Jahre als Ober- lehrer an der Stadtschule gewirkt hatte, als Diakonus nach dem freundlichen Flecken Hirschfelde zwischen Zittau und Ostritz berufen worden; das einzige Kind aus seiner

156 H. Ermisch:

Ehe mit Julie Caroline, der Tochter des damaligen Diakonus und späteren Primarius Leonhard in Lauban war unser Hermann. In recht bescheidenen Verhältnissen wuchs der Knabe auf; die Einkünfte des Hirschfelder Diakonats waren gering, und erst im Jahre 1836 wurde K. Fr. Knothe nach dem Tode des greisen Pastors Joh. Christian Israel an dessen Stelle gewählt. Der Vater selbst erteilte dem begabten Knaben in fast allen Fächern den ersten Unterricht und zwar mit so grolsem Erfolg, dals dieser schon Ostern 1832, im Alter von 10 Jahren, in die Qaarta des Zittauer Gymnasiums eintreten konnte. Acht Jahre lang hat er es besucht; denn als er im Jahre 1839 vor der Reifeprüfung stand, hielt der Vater den Siebzehnjährigen für noch zu jung zum Studium und liels ihn noch ein Jahr in der Prima. Ostern 1840 bezog er die Universität Leipzig und studierte dort bis 1843 Theologie; wenn wir auch aus den von ihm hinter- lassenen Aufzeichnungen entnehmen, dals für die Wahl dieses Studiums mehr der Wunsch der Eltern als eigener innerer Beruf mafsgebend war, so hat er doch mit der- selben treuen Gewissenhaftigkeit, die ihn sein Leben lang auszeichnete, auch in Leipzig seine Pflicht getan und bestand Michaelis 1843 sein erstes theologisches Examen mit der Zensur cum laude. Anfang 1845 übernahm er dann eine Hauslehrerstelle; in vier angesehenen Familien hat er nacheinander die Kinder unterrichtet, und mehrere seiner Zöglinge haben ihm bis an sein Lebensende treue Anhänglichkeit bewahrt. Auch die gewandten gesellschaft- lichen Formen, die dazu beitrugen, den Verkehr mit ihm stets so angenehm zu machen, verdankte er wohl teilweise diesen Zeiten. Später liels er sich als Privatlehrer in Dresden nieder, wo er in einigen Mädcheninstituten und in englischen, polnischen und russischen Familien Unter- richt gab. Wohl setzte er auch seine theologischen Studien fort; aber je länger er in den geistig angeregten Kreisen der Hauptstadt verkehrte, um so klarer wurde es ihm, dals ein Wirkungskreis wie der seines Vaters ihm kaum je volle innere Befriedigung würde gewähren können. Auch sein Gesundheitszustand liels ihn befürchten, dafs er den Anstrengungen des geistlichen Amtes nicht ge- wachsen sein würde ; schon seit seinem 23. Jahre litt er viel an Heiserkeit und Katarrhen. So begrülste er es denn mit Freude, als ihn Ostern 1855 die Anstellung als Oberlehrer an der vereinigten Real- und Gymnasialanstalt

Hermann Knothe. 157

ZU Zittau dauernd dem Lehrberufe zuführte. Um dieselbe Zeit verlor er plötzlich seinen Vater; die ebenfalls leidende Mutter, deren einzige Stütze er jetzt war, nahm er zu sich und hat sie als guter Sohn bis an ihr Ende (1866) gepflegt. Die treue Erfüllung seiner Kindespflichten war wohl der Hauptgrund, dals er, der seinem ganzen Wesen nach so geeignet zum Familienleben erschien wie selten jemand, zeitlebens unvermählt geblieben ist.

Das Jahr 1861 brachte Knothe die Berufung nach Dresden als Zivillehrer beim Kgl. Kadettenkorps mit dem Titel Professor. Liebte er auch Zittau als seine zweite Heimat, so folgte er doch gern diesem Rufe, einmal weil er auch in Dresden kein Fremder w-ar und die mannig- fachen Anregungen der Grolsstadt wohl zu schätzen Wulste, vor allem aber, weil sich ihm hier weit mehr Ge- legenheit bot, seinen wissenschaftlichen Neigungen zu folgen.

Nahezu 20 Jahre lang hat Knothe als Lehrer der G eschichte, Geographie und deutschen Sprache am Kadetten- korps gewirkt, und viele unter den älteren Offizieren des sächsischen Heeres verdanken ihm reiche Anregung und Belehrung. Es war ihm beschieden, Zeiten zu durchleben, die für einen so überzeugten Anhänger seines Königs- hauses unendlich schmerzlich sein mufsten; er hat sie niemals ganz verwunden. Am Kriege des Jahres 1866 hat auch er teilgenommen, wenn auch nur in der friedlichen Eigenschaft eines „Soldatenschulmeisters"; mit einigen Kollegen und den jüngeren Kadetten zog er nach Öster- reich, Seine damaligen Erlebnisse hat er in einem an- sprechenden Aufsatz beschrieben, der 20 Jahre später in den „Bautzner Nachrichten" erschien und wohl einen noch- maligen Abdruck an einer leichter zugänglichen Stelle vei diente. Nur schwer fand er sich in die veränderten Zeitverhältnisse, die auch auf das Kadettenkorps einen tiefgreifenden Einfluls ausübten. Aber er hielt doch tapfer aus, und erst als es ihm die Verlegung der Anstalt in die Albertstadtsehr erschwerte, seinen Pflichten nachzukommen, und als auch sein Gesundheitszustand immer mehr Schonung verlangte, entschlols er sich 1878 um seine Entlassung zu bitten. Wohl wurde sein Gesuch damals durch den Kriegs- minister von Fabrice, der ihm stets besonderes Wohlwollen bewiesen hatte, in der schmeichelhaftesten Weise abge- schlagen; aber als ihn zwei Jahre später eine Lungen- entzündung heimsuchte, mulste er es wiederholen, und nun- mehr wurde es ihm unter ehrenvoller Anerkennung seiner

158 H. Ermisch:

Verdienste gewährt, die ihren äufseren Ausdruck in der Verleihung des Ritterkreuzes vom Zivilverdienstorden fand.

Wie hoch man seine wissenschaftlichen Leistungen achtete, davon hatte er bald darauf Gelegenheit sich zu überzeugen. Im Jahre 1882 bot ihm das Kgl. Gesamt- ministerium mit spezieller Gutheilsung des Königs die durch den Tod des Geh. Eats von Witzleben erledigte Stelle eines Direktors des Hauptstaatsarchivs an. Aber er lehnte den Ruf, so verlockend er war, doch ab; in erster Linie mit Rücksicht auf seine Gesundheit, daneben aber auch, wie er dies dem Verfasser dieser Zeilen gegenüber damals und später wiederholt betont hat, weil er sich nicht entschlielsen konnte, die glücklich errungene Freiheit wieder daran zu geben.

Es war ihm vergönnt, diese Freiheit noch eine lange Reihe von Jahren zu genielsen. Wohl nötigte ihn sein Befinden fortwährend sich zu schonen, und vor allem deswegen nahm er alljährlich längeren Aufenthalt in der Schweiz, Tirol, Oberbayern, Wiesbaden, seltener in einem norddeutschen Seebade. Aber obgleich er wohl manchmal halb scherzhaft zu klagen pflegte, dafs er alle Leiden, die einem Familienvater in seinem Hause beschieden seien, am eigenen Leibe durchmachen müsse, erfreute er sich doch bis ins hohe Alter einer seltenen körperlichen und geistigen Rüstigkeit. Er verdankte dies vor allem seiner trotz regen gesellschaftlichen Verkehres doch stets sehr mäfsigen Lebensweise. Da brachte ihm das Jahr 1898 ein ernstes Memento mori; er wurde Anfang März von einem Fleischer wagen überfahren und erlitt einen schweren Beinbruch. Obwohl ihm eine aufopfernde Pflegerin zur Seite stand, hatte er doch Monate lang zu leiden; es blieb eine Verkürzung des rechten Beines zurück, so dafs er die volle Beweglichkeit, die für seine Natur ein Be- dürfnis war, nicht wieder erlangte. Seitdem ging es, zumal ihn auch andere körperliche Leiden heimsuchten, langsam bergab. Er selbst empfand das und beschäftigte sich in Gedanken viel mit seinem Ende; wohl selten ist einNachlafs so bis ins einzelne wohlgeordnet zurückgeblieben wie der seine. Schmerzlich bedauerte er, dals die im Januar 1898 erfolgteErnennungzumMitgliede der Kgl.Säclis. Kommission für Geschichte nunmehr nur noch eine Ehrung für seine wissenschaftliche Tätigkeit bedeutete; an ihren Arbeiten hat er sich nicht mehr beteiligen können. Immerhin war er noch ein rüstiger alter Herr, als er am 9. Oktober 1901

Hermann Knothe. 159

seinen 80. Geburtstag feierte; er freute sich aulserordentlich über die königliche Gnade, die ihm damals durch seine Ernennung zum Geheimen Hofrat erwiesen wurde. Noch im vorigen Jahre hat er drei Monate in Wiesbaden und der Schweiz zugebracht, und schon beschäftigte er sich mit neuen Reiseplänen, als er nach einer Krankheit von wenigen Tagen den Folgen eines Influenzaanfalles erlag.

Ein langes Leben liegt hinter ihm, dessen äulserer Verlauf wenig Auffallendes bietet. Dafs es zugleich ein reiches Leben war , an dessen Früchten noch mancher zehren wird, das ist die Wirkung der ernsten wissenschaft- lichen Tätigkeit, die es ausfüllte. Hermann Knothe war eine geborene Forschernatur, und fast fühlt man sich ver- sucht zu bedauern, dals er die engen Grenzen, die er seiner Forschung gesteckt hatte, sein ganzes Leben hin- durch fast mit einer gewissen Ängstlichkeit innehielt. Freilich hat gerade dies ihn in die Lage gesetzt, inner- halb dieser Grenzen ganze Arbeit zu machen. Wenn von irgend wem, so gilt es von ihm, dafs sich erst in der Beschränkung der Meister zeigt.

Es liegt nicht in meiner Absicht, ein vollständiges Verzeichnis aller wissenschaftlichen Arbeiten Knothes zu geben. Für ein solches ist die einzig richtige Stelle das Neue Lausitzische Magazin, in dem die Mehrzahl dieser Arbeiten erschienen ist und dessen Leserkreis eine Über- sicht über sie am notwendigsten braucht. Nur die bedeu- tendsten sollen im folgenden erwähnt werden.

Schon als Zittauer Gymnasiast hatte Knothe an- gefangen, sich mit der Geschichte seiner engeren Heimat zu beschäftigen. Den nächsten Anlals gab ein alter Rechts- streit zwischen seinem Heimatsorte Hirschfelde und dessen Erbherrschaft, der Stadt Zittau; es handelt sich um die Frage, ob Hirschfelde, das bei seinem ersten Erscheinen in der Geschichte als Stadt bezeichnet wird und sich bis in die Neuzeit hinein manche städtische Einrichtungen bewahrt hat, jemals volle Stadtgerechtigkeit besessen habe. Schon 1846 waren im Neuen Lausitzischen Magazin einige Aufsätze Knothes über Hirschfelde erschienen; ihnen folgte 1851 alsErstlingswerk eine streng quellengemälse Geschichte des Fleckens. Sie war es wohl, die ihm den philosophischen Doktortitel der Universität Jena eintrug. AVenn der Verfasser bei aller Vorliebe für seinen Heimatsort doch durch völlig unbefangene Untersuchung der Sachlage zu dem Ergebnis gelangte, dafs Hirschfelde niemals wirkliches

160 H. Ermisch:

Stadtrecht gehabt hat, so ist dies für ihn sehr bezeichnend. Schon damals wie stets war sein einziges Streben, der Wahrheit so nahe zu kommen als möglich; jede Neben- absicht lag ihm fern. Der Geschichte von Hirschfelde folgte 1857 die Geschichte der zum Kirchspiel gehörigen Dörfer Rolinau, Rosenthal und Scharre, dann 1862 die Geschichte der Dörfer Burkersdorf und Schlegel, die ehe- dem Filialen von Hirschfelde waren. Inzwischen war Knothe von Zittau, w^o der Umgang mit dem gelehrten Verfasser der Geschichte dieser Stadt, dem Diakonus Peschek, seine geschichtlichen Studien w^esentlich gefördert hatte, nach Dresden übergesiedelt; hier standen ihm in der Kgl. Bibliothek die reichsten litterarischen Hilfsmittel zu Gebote, und das Hauptstaatsarchiv bot ihm eine Fülle ungehobener Schätze. Jetzt erweiterte sich sein Studien- kreis allmählich über die gesamte Oberlausitz; alle ihre Archive strebte er kennen zu lernen und zu benutzen. Jahr für Jahr erschienen kleinere und grölsere, durchweg auf streng quellenmäfsiger Forschung beruhende Arbeiten, die er teils im Neuen Lausitzischen Magazin , teils in dem von K. v. Weber begründeten Archiv für Sächsische Geschichte, manche auch in anderen Zeitschriften ver- öffentlichte. Immer bewahrte er eine Vorliebe für Orts- geschichte und für die Geschichte der Besitzer dieser Ortschaften, der Adelsfamilien, deren er eine lange Reilie erschöpfend behandelt hat. Im Jahr 1870 löste er mit seiner trefflichen Geschichte des Eigenschen Kreises eine Preisaufgabe der Oberlausitz ischen Gesellschaft der Wissen- schaften, der er seit 1860 als Mitglied, seit 1879 als Ehren- mitglied angehörte. Wenn er, der evangelische Theologe, im Auftrage der Abbatissin und des Propstes von Mariastern 1871 eine urkundliche Geschichte dieses Klosters veröffent- lichen konnte, so ist dies ein glänzender Beweis des Ver- trauens, das man in die völlige Unbefangenheit des Historikers setzte. Allmählich schritt er von speziellen zu allgemeinen Aufgaben; dafs er auch diese zu lösen verstand, davon zeugen seine Aufsätze über die politischen Beziehungen zwischen der Oberlausitz und Meifsen, über die verschie- denen Benennungen des Markgrafentums Oberlausitz, über die Germanisierung der Oberlausitz (sämtlich in v. Webers Archiv), vor allem aber seine treffliche Preisschrift „Ur- kundliche Grundlagen zu einer Recht sgeschichte der Ober- lausitz" (1877), durch die er sich ein bleibendes Verdienst erworben hat. Ihr folgte 1879 sein umfänglichstes und

Hermann Kuothe. 161

bedeutendstes Werk, die Geschichte des Überlaiisitzer Adels und seiner Güter vom 13. bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts, das mit Unterstützung der Stände der Ritterschaft der kgl. sächsischen und des Landtags der kgl. preulsischen Oberlausitz bei Breitkopf u. Härtel in Leipzig erschien, ein Meisterwerk umfassender Gelehrsam- keit und kritischen Scharfblicks, dem nur wenige Terri- torien Deutschlands etwas Ähnliches an die Seite stellen können. Eine Fortsetzung bis 1620 erschien im Jahre 1887. Hatte Knothe schon während seiner amtlichen Tätig- keit stets Zeit für seine geschichtlichen Studien zu finden gewulst, so lebte er, seit ihm die Bürde des Lehramts abgenommen war, ausschlielslich seinen Forschungen, der Verarbeitung jener Fülle von Auszügen und Abschriften, die seine mit peinlicher Sorgfalt geordneten Sammel- mappen bargen. Unter den zahlreichen Schriften seiner späteren Jahre, die alle Teile der Oberlausitzer Geschichte bis ins 17. Jahrhundert hinein betreffen, nenne ich nur die Preisschrift über den Anteil der Oberlausitz an den An- fängen des Dreilsigj ährigen Krieges (1880), die Geschichte des Tuchmacherhandwerks in der Oberlausitz (1882), das treffliche Urkundenbuch der Städte Kamenz und Löbau, das 1883 als Teil des Cod. dipl, Sax. reg. erschien ein Werk, das ihm viel Mühe machte und namentlich seinen angegriffenen Augen mehr zumutete, als er für gut hielt, weshalb sich die Hoffnung der Herausgeber des Cod. dipl., dafs ihm weitere Urkundenbücher der Oberlausitz folgen möchten, leider nicht erfüllt hat , ferner die aus- gezeichnete Preisschrift über die Stellung der Gutsunter- tanen in der Oberlausitz zu ihrer Herrschaft (1885), die sich ergänzend an die Rechtsgeschichte der Oberlausitz anschliefst, die Aufsätze über die geistlichen Güter in der Oberlausitz (1890), über die Geschichte der Oberlausitz unter dem Landvogt Hinko Hlawatsch von der Duba 1410—1420 (1890), über die ältesten Siegel des Ober- lausitzer Adels (1891), über die Hausmarken in der Ober- lausitz (1894), über das Schulwesen in den Dörfern des Weichbildes Zittau (1894), über die Oberlausitzer auf Universitäten bis 1550 (1895), über die Oberlausitzer auf der Universität Leipzig 1420—1550 (1901). Dals er alles, was irgend auf seinem Gebiet erschien, dem eindringendsten Studium unterwarf, davon zeugen seine zahlreichen Rezen- sionen ; noch der vorige Jahrgang dieser Zeitschrift brachte eine solche über Döhlers Urkundenbuch des Klosters

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 1. 2. 11

163 H. Ermisch:

Marienthal als letzten Beitrag aus seiner ebenso sach- kundigen und gerechten als milden Feder.

Lange hoffte ich, dafs den Abschlufs dieser umfassen- den Tätigkeit, die auf allen Gebieten der Oberlausitzer Geschichte zuverlässige Grundlagen geschaffen hat, eine Geschichte der Oberlausitz bis zum Traditionsrezeis bilden würde, die das veraltete Werk von Scheltz ersetzen könnte, und oft habe ich mit dem Verewigten darüber gesprochen. Niemand wäre für eine solche Arbeit ge- eigneter gewesen als Hermann Knothe ; hatte er doch die dafür erforderliche Forscherarbeit eigentlich bereits voll- ständig geleistet. Aber eben deswegen verhielt er sich diesen Anregungen gegenüber stets ablehnend; er meinte, ein solches Werk werde in der Hauptsache nur eine Wiederholung der Ergebnisse seiner früheren Arbeiten sein können und davor scheute er sich. Ich glaube mit Unrecht ; er hätte sich durch eine solche Zusammenfassung der jetzt an den verschiedensten Stellen zerstreuten Re- sultate seiner Lebensarjbeit ein würdiges Denkmal gesetzt.

Auch so aber war sein Wirken ein reiches. Es würde noch reicher erscheinen, wenn wir Knothes Einfluls in den Schriften anderer verfolgen wollten. Wie einst der ehr- würdige Seidemann fast weniger durch die eigenen Schriften gewirkt hat, als dadurch, dafs er alle, die sich mit Geschichte des Reformationszeitalters beschäftigten, aus den Schätzen seines Wissens und seiner Kollektaneen aufs bereitwilligste unterstützte, so pilgerte jeder, der auf dem Gebiete der Oberlausitzer Geschichte arbeitete, zu Knothe, und keiner ging ohne Gewinn von ihm; er war völlig uneigennützig, nur auf die Sache kam es ihm an, und wo er jemand fand, dem die Förderung der Geschichte seiner lieben Oberlausitz am Herzen zu liegen schien, da arbeitete er für ihn gerade so eifrig, wie für seine eigenen Schriften.

Soll ich dieser Charakteristik des Gelehrten noch eine solche des Menschen beifügen? Ich glaube, es ist kaum nötig. Eine so in sich geschlossene, harmonische Natur bleibt sich gleich, auf welchem Gebiete sie sich auch be- tätigt. Dieselbe Bescheidenheit, die die Grenzen des eigenen Könnens eher unter- als überschätzte, sich aber doch ver- dienter Anerkennung offen und herzlich freute; dieselbe selbstlose Hilfsbereitschaft, die wir an ihm als Gelehrten bewundern, zeigte er auch sonst im Leben. Der behagliche Wohlstand seiner Ruhejahre, den er dem eigenen Fleifs und

Hermann Knothe. 163

der eigenen Sparsamkeit verdankte, ist manchem zu gute gekommen; manche Träne hat der Verewigte in aller Stille getrocknet; noch in seinen letzten Jahren hat er seinen Heimatsort Hirschfelde und das Zittauer Gymnasium, in seinem Testament die Zittauer Stadtbibliothek, die geliebte Oberlausitzer Gesellschaft, das Lehrerinnenheim und den Verein für innere Mission in Dresden, vor allem auch die langjährige treue Pflegerin seines Alters freigebig bedacht. Dieselbe Treue, mit der er an seiner Oberlausitz hing, bewahrte er seinem Königshause, betätigte er stets im Beruf, bewies er seinen zahlreichen Freunden. Sein Andenken wird nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in vieler Herzen fortleben!

11*

IX.

Kleinere Mitteilungen.

1. Die Königlich Sächsische Komniission für Geschichte im Jahre 1902.

Von Hubert Ermisch.

Die siebente Jahresversammlung; der K. S. Kommission für Geschichte fand unter Teihiahme sämtlicher Mitglieder mit Ausnahme der durch Krankheit behinderten Oberst- leutnant z. D. Exner und Geh. Hofrat Prof. Dr. Knothe am 11. Dezember V. J. zu Leipzig statt. Seine Exzellenz Herr Kultusminister Dr. v. Seydewitz führte den Vorsitz. Er eröffnete die Verhandlungen mit einem ehrfurchtsvollen Nachruf an Seine Majestät den hochseligen König Albert und der Mitteilung, dafs Seine Majestät König Georg als Ehrenförderer der Kommission an die Stelle des hohen Entschlafenen getreten sei.

Von den Werken, deren Veröffentlichung man im Jahre 1902 entgegensah, ist leider nur die zweite Hälfte der von Prof. Dr. v. Amira in München besorgten Faksimile- ausgabe der Dresdner Bilder h an dschrift des Sachsenspiegels zur Ausgabe gelangt. Wann sich dieser ein zweiter Band mit erläuterndem Kommentar anschlielsen wird, ist zur Zeit noch nicht abzusehen.

Das von Archivrat Dr. Lippert und Dr. H. Beschorner bearbeitete Lehnbuch Friedrichs des Strengen von 1349 ist bis auf die Register im Druck vollendet; die letzteren stellten jedoch an die Herausgeber so grofse Anforderungen, dafs die Verzögerung des Erscheinens be- greiflich ist. Hoffen wir, dafs das Jahr 1903 endlich das von vielen sehnlich erwartete Werk bringen wird.

Auch der I. Band der Akten und Briefe Herzog Georgs, bearbeitet von Prof. Dr. Gels in Dresden, und der

Kleinere Mitteihmg-en. 165

II.BandderPolitischen Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz, bearbeitet von Prof. Dr. Bran- denburg in Leipzig, sind im Druck weit vorgeschritten, so dafs ihr Erscheinen im Jahre 1903 erwartet werden darf; von der Publikation Brandenburgs geht uns, während wir diese Zeilen schreiben, bereits der erste Halbband zu.

Schon seit geraumer Zeit liegt Lipperts Briefwechsel der Kurfürstin Maria Antonia mit der Kaiserin Maria Theresia im Manuskript abgeschlossen vor; doch soll der Druck erst nach dem Erscheinen des Lehnbuchs beginnen. Feiner sind im Manuskript fertig die von Bi- bliothekar Dr. E. Kroker in Leipzig besorgte Ausgabe von Luthers Tischreden nach einer Leipziger Hand- schrift der Sammlung des Mathesius und im wesentlichen auch die von Prof. Dr. R. Wuttke in Dresden und dem Verfasser dieser Zeilen gemeinsam bearbeitete Ausgabe eines bisher unter dem ungenauen Titel „Instruktion eines Vorwerksverwalters des Kurfürsten August" bekannten landwirtschaltlichen Handbuches vom Jahre 1570; der Druck beider Werke wird demnächst begonnen und vielleicht noch vor Ablauf des Jahres beendigt werden können.

Für Ende 1903 hat Dr. P. Haake in Berlin das Manuskript seiner Bearbeitung der Entwürfe und Briefe König Augusts des Starken, für die er noch Studien in auswärtigen Archiven zu machen hat, in Aussicht gestellt.

Andere Arbeiten sind im Laufe des Jahres zwar fort- geschritten, doch lälst sich noch nicht der ungefähre Zeit- punkt ihres Erscheinens angeben. Dies gilt von den Akten zur Geschichte des Bauernkrieges, die Archivar Dr. Merx in Osnabrück herausgibt, von der geplanten Aus- gabe der Ständeakten, für die Dr. W. Görlitz im Hauptstaatsarchiv zu Dresden das Material zunächst bis 1539 sammelt und bearbeitet, von des Archivar Dr. J. Kretzschmar in Hannover Arbeiten Zur Geschichte des Heilbronner Bundes 1633, auch von dem grolsen, die Hauptwerke der sächsischen Bildnerei und Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts umfassenden Sammelwerk, mit dem sich Museumsinspektor Dr. E.Flechsig in Braunschweig seit einer Reihe von Jahren beschäftigt.

Dagegen konnte Prof. Dr. R. Wuttke die Geschichte des sächsischen Steuerwesens und die Geschichte der amtlichen Statistik in Sachsen, die er der Kom- mission in Aussicht gestellt hat, wegen anderer Arbeiten

166 Kleinere Mitteilungen.

nur wenig fördern, und für die Geschiclite der säch- sischen Zentralverwaltung hat sich immer noch kein geeigneter Bearbeiter gefunden.

Auch die Bibliographie der sächsischen Ge- schichte, die wir für eine der wichtigsten Aufgaben der Kommission halten, wird noch nicht so bald erscheinen können; noch ist der mit der Bearbeitung beauftragte Dr. Victor Hantzsch in Dresden mit zeitraubenden und müh- seligen Vorarbeiten beschäftigt.

In der Gruppe von Arbeiten, die eine Gesamtdar- stellung der Geschichte des geistigen Lebens der Stadt Leipzig geben sollen, ist Dr. R. Wustmanns Musikgeschichte am weitesten vorgeschritten; voraus- sichtlich wird im Laufe des Jahres 1903 der I. Band (bis 1630) druckfertig werden. Auch die übrigen Bearbeiter Prof. Dr. H. Böhmer für die Geschichte des kirchlichen Lebens, Rektor Prof. Dr. Kämmel für die Geschichte des Schulwesens, Dr. Kurzwelly für die Geschichte der bildenden Kunst, Prof. Dr. Witkowski für die Literaturgeschichte sind eifrig tätig. Ergänzend tritt zu diesen Arbeiten die Herausgabe der Acta Nicolaitana und Thomana des Leipziger Rektors Thomasius (1678 1684); Prof. Dr. Sachse hofft die Abschrift, die er selbst besorgt, bis Ende 1903 beenden zu können.

Dr. Armin Tille hat eine Sozial- und Wirtschafts- geschichte Leipzigs übernommen und ist mit der Materialsammlung dafür beschäftigt. Er beabsichtigt, ihr eine Vorstudie über die wirtschaftliche Stellung Leipzigs in Deutschland bis gegen Ausgang des 16. Jahrhunderts vorauszuschicken, die er im Manuskript bis Ostern vollenden zu können hofft.

Besondere Aufmerksamkeit wandte die Kommission auch diesmal den historisch -geographischen Fragen zu. Die letzten Ziele, die sie dabei im Auge hat, sind ein historischer Atlas und ein historisch - geographisches Nachschlagewerk für Sachsen. Die Lösung dieser Auf- gaben, deren hohe Bedeutung für die gesamte landes- geschichtliche Forschung aufser Zweifel steht, wird frei- lich bedingt durch eine Reihe recht schwieriger und teilweise kostspieliger Vorarbeiten. Eine dieser Vorar- beiten ist die Herstellung einer mit Gemarkungsgrenzen versehenen historisch - statistischen Grundkarte von Sachsen im Mafsstabe von 1:100000. Von dieser Grundkarte sind im Laufe des Jahres 1902 die Sek-

Kleinere Mitteilimgen. 167

tioneii 415441 (Borna- Altenburg), 414 (Wunsiedel) und 515 (Mammersreutli) erschienen, und die Sektion 467/492 (Greiz -Hof) wird ihnen demnächst folgen. Damit wäre die Aufgabe so weit gelöst, als sie unserer Kommission zufällt. Denn die Herstellung der nordwestlichen Sektionen W'ie auch der Sektion 414/440 (Zeitz-Gera) hat die histori- sche Kommission für Sachsen-Anhalt, der die hiesige Kom- mission die erforderlichen Grundlagen liefert, übernommen und von ihnen auch bereits mehrere (Zörbig- Halle, Düben- Leipzig, Torgau - Oschatz) in vorzüglicher Aus- führung veröffentlicht; wegen der beiden nordwestlichen Sektionen Kalau-Kamenz und Spremberg-Niesky aber, die gröfstenteils Gebietsteile der Provinz Brandenburg enthalten, ist man mit dem Verein für die Geschichte dieser Provinz ins Vernehmen getreten. Eine weitere Vorarbeit für den historischen Atlas bilden die Arbeiten des Privat dozenten Dr. Kötzschke über die Ämter- geographie, die sich neben den Ämtern des Erzgebirgi- schen jetzt namentlich auf die Ämter des Leipziger Kreises, inbesondere das Amt Leipzig selbst, beziehen. Auch die Beschreibung der Bistümer unseres Landes gehört hierher; Seminaroberlehrer Dr. Becker in Waidenburg, der dieselbe übernommen hat, ist gegenwärtig mit der Aus- arbeitung einer Beschreibung des Bistums Meifsen be- schäftigt. Was das geplante historische Ortsver- zeichnis von Sachsen betrifft, so hatte Archivsekretär Dr. Beschorner bereits im Jahre 1901 der Kommission eine ausführliche Denkschrift vorgelegt, in der eine Reihe für dieses Werk erforderlicher Vorarbeiten vorgeschlagen wurden. Der für die aufgeworfenen Fragen gebildete Unterausschufs, bestehend aus den Professoren Bücher, Ratzel, Rüge, Seeliger, dem Archivrat Lippert, dem Privat- dozent Dr. Kötzschke, dem Dr. Beschorner und dem Ver- fasser dieser Zeilen, ist zweimal zur Beratung zusammen- getreten und beantragte: als Grundlage für die historisch- geographischen Arbeiten möchten zunächst die (vor den Zusammenlegungen aufgenommenen) Flurkarten der links- elbischen Hälfte der Kreishauptmannschaft Dresden, sowie der Amtshauptmannschaften Leipzig und Borna versuchs- weise nach einem von Rob. Mittelbach in Kötzschenbroda vorgeschlagenen Verfahren reproduziert und für ihre histo- risch-geographische Bearbeitung, vornehmlich hinsichtlich der Flurnamen und Wüstungen, geeignete Arbeitskräfte ge- wonnen werden. Die Kommission genehmigte diesen An-

168 Kleinere Mitteilungen.

trag. Die Denkschrift des Dr. Beschorner, die auf Be- schlufs der Kommission im Druck erschienen ist^), bietet jedem, der sich über die hier nur in Kürze zu berührenden Fragen näher unterrichten will, Gelegenheit dazu.

So wenig also das Jahr 1902 auch an Veröffent- lichungen der Kommission gezeitigt hat, so grols ist der Kreis der Aufgaben, mit denen sie sich zur Zeit beschäftigt, und es ist begreiflich, dals eine Erweiterung dieses Kreises auf Bedenken stölst. Eine Anfrage des Prof. Dr. Haebler in Dresden, ob ein von ihm geplantes Werk über die ältesten Druckerzeugnisse Sachsens vonderKommission über- nommen werden könne, wurde einem Unterausschusse über- wiesen. Von Seiten des Gesamtvereins der deutschen Ge- schichts- und Altertumsvereine ist die Kommission ersucht w^orden, die Inventarisation der kleineren Archive des Landes (der Stadt- und Landgemeindearchive, der Pfarrarchive, Gutsarchive, Familienarchive etc.) in An- griff'zu nehmen; doch mulste auch die Entscheidung darüber, so wünschenswert diese in Baden bereits vollendete, in der ßheinprovinz, in Westfalen, Thüringen, Schlesien u. a. in Angriff' genommene Inventarisation wäre, einstweilen vertagt werden.

Die Kommission bestand während des Jahres 1902 aus 20 Mitgliedern. Die Zahl der Subskribenten beträgt zur Zeit 207.

2. Nachträge zur Lebensgescliichte des Andreas Frank

von Kamenz ''').

Von Carl Niedner.

Giemen weist in dieser Zeitschrift XIX, 96 Anm. 8 auf die Unsicherheit hin, die darüber herrscht, ob Andreas Frank in Kamenz in Sachsen geboren sei. Er entscheidet die Frage nach Franks Geburtsort nicht endgültig, da die Kirchenbücher von Kamenz erst mit 1583 beginnen -j.

Glücklicherweise aber bieten uns im vorliegenden Fall die seit" 1400 erhaltenen Kamenzer Stadtbücher •^)

1) Denkschrift über die Herstellung eines Historischen Orts- verzeichnisses für das Königreich Sachsen. Im Auftrage der Kgl. Sachs. Kommission für Geschichte ausgearbeitet von Dr. H. Be- s chorner. Dresden, Druck von Wilhelm Baensch 1903. J"^) Vgl. diese Zeitschrift XIX, 95 ff und XXIII, 143 f.

') Beiträge z. sächs. Kirchengeschichte XV, 125.

^) Vgl. über sie diese Ztschr. X, 140 f.

Kleinere Mitteilungen. 169

einen Ersatz. Sie bestätigen urkundlich, dafs Andreas Erank ein Sohn der Stadt Kamenz in Saclisen ist.

Aber die Stadtbücher erzählen nicht nur dies, sondern sie geben auch interessante Aufschlüsse über persönliche Verhältnisse des jungen Leipziger Dozenten. Es ist daher wohl gerechtfertigt, wenn wir die auf Andreas Frank bezüglichen Einträge der Kamenzer Stadtbücher zum Ab- druck bringen.

Wir schicken ihnen einige Bemerkungen voraus.

Die Familie der Frank scheint schon lange, vielleicht seit der Gründung der Stadt, in Kamenz ansässig gewesen zu sein. Sie mag dort im Ansehn gestanden haben. 1427 ist unter den Kamenzer Ratmannen Geld Frang auf- geführt. Auch Jost Frank, der sich mit für Andres Frank verbürgt und den wir mit ziemlicher Sicherheit als dessen Oheim bezeichnen dürfen, finden wir unter den Ratsherren der Stadt, während die 1497 u. ö. erwähnte Jost Franccynn, die wohl auch zur Familie unseres A. Frank gehörte, Äbtissin im nahen Marienstern war.

Der Vater des Andreas Frank ist wohl in dem 1494 und noch weiter erwähnten Mathis Frangko zu suchen*). Ein Vergleich von Stadtbuch III fol. 101a mit Stadt- buch IV (1514 1538) fol. 146 b macht diese Annahme so wahrscheinlich wie möglich. Denn es ist an beiden Orten dieselbe Hypothek, mit der es einmal Mathis, das andere mal Andreas Frank zu tun hat. Zudem ist der Vater des Andreas um das Jahr 1509 nach Stadtbuch III fol. 276b gestorben. Nach dem Jahre 1509 wird aber auch nie mehr des Mathis Frank in den Stadtbüchern Erwähnung getan.

Mathis Frank besals einen Gutshof in Kamenz. Er war Bauer und Brauer dazu. Allen Anzeichen nach war er nicht unvermögend. Wird doch unter seinem Nachlals auch „Silberwerk" mit aufgeführt.

M. Frank war mit Dorothea'^), die nach seinem Tode aufs neue eine Ehe mit Hans Keyl einging, verheiratet.

Als Mathis Frank starb, hinterliefs er aulser seiner Witwe drei Kinder*^): Anna, Nikolaus und, wohl als jüngstes, eben unsern Andreas.

^) Stadtbuch III (1483—1513) fol. 101 b, 103. 152. ^) Der Name der Gattin M. Franks und die Erwähnung des Silberwerks finden sich Stadtbuch IV fol. 58.

«) Stadtbuch III fol. 276 b, vgl. Beilage Xr. I.

170 Kleinere Mitteilungen.

Während Anna sich mit einem gewissen Stephan L elf 1er verheiratet^) zu haben scheint, trat Nikolaus im Jahre 1519^) ins Franziskanerkloster zu Kamenz ein. Ist diese Tatsache an sich gewifs nicht auffallend, wenngleich schon 1517 Luther seine Thesen hatte ausgehen lassen, so gewinnt dieser Schritt N. Franks doch an Interesse, wenn wir hören, dafs Andreas Frank, also Nikolaus' Bruder, der in jenen Jahren öfters in Kamenz gewesen zu sein scheint, zur erasmianischen Reformpartei gehörte und schon seit 1518 auf Luthers Seite stand^). Scheint also der Eintritt N. Franks ins Kloster fast im persön- lichen Gegensatz zu der Anschauung seines Bruders Andreas erfolgt zu sein, so gewinnt eine weitere Tatsache an Interesse. Ehe Nikolaus 1519 ins Franziskanerkloster eintritt, legt er sein Testament nieder. In diesem Testa- ment werden u. a. vorzüglich die Mutter und vor allem die Geschwister bedacht. Seine Schwester Anna erhält 10 Mark ausgesetzt. Ja sogar seiner Stiefschwester Wal- purge legiert Nikolaus; nur seinen Bruder Andreas hat er im Testament ausgeschlossen^^). Diese Tatsache mufs um so mehr auffallen, da Andreas damals notorisch in finanzieller Bedrängnis war, in der wir ihn sogar noch 1521 finden"). Immerhin läist sich natürlich etwas Sicheres über das persönliche Verhältnis der beiden Brüder zu einander nicht behaupten, da positive Beweise fehlen.

Wenden wir uns nunmehr noch kurz den unten ab- gedruckten Einträgen selbst zu.

Stadtbuch III fol. 276b (Beilage I) finden wir die Aufzeichnung über den am 16. Juli 1509 abgeschlossenen Erbvertrag zwischen der Witwe M. Franks und ihren

') Stadtbuch IV fol. 146b, vgl. Beilage Nr. JII.

*) Vgl. Beiträge z. säcbs. Kircbengeschichte I, 120 und Stadt- buch IV fol. 58.

0) Giemen in dieser Ztschr XIX, 100 f.

10) Vgl. Stadtbuch IV fol. 58, wo am 4. April bez. 9. Mai 1519 der „wirdige Nicolaus Frank vor der profession des mynern orden der bruder von der observantz" sein Testament durch Jost Frank u. a. niederlegen läfst. In ihm erhalten die Klosterbrüder 10 Mark, ebenso die leibliche Schwester Anna 10 Mark legiert. Der Stief- schwester "Walpurge, wohl einer Tochter der Dorothea aus zweiter Ehe mit Hans Keyl, läfst Nikolaus seinen Anteil an dem „silberberg", das noch von der Erbschaftsmasse des verstorbenen M. Frank ungeteilt geblieben war, zusprechen.

") Vgl. Giemen a. a. 0. 112 und unten Beilage Nr. II.

Kleinere Mitteilungen. 171

Kindern. Bei dieser Erbteilung fällt auf, dais der Anteil der Witwe an der Erbschaft nicht erwähnt wird, wie man es nach den einleitenden Worten erwarten könnte. Aber der Vertrag selbst zeigt deutlich, dafs eben nur das Erbe der Kinder begrenzt werden sollte. Weiter ist zu bemerken, dals entschieden Andreas den Hauptanteil erlangt. Es scheint dies ein Hinweis darauf zu sein, dals man schon damals Mittel zum Studium des begabten Knaben bereitstellen wollte.

Wir können ferner von diesen Angaben des Stadt- buches aus, wenn wir sie mit dem Leipziger Matrikel- eintrag von 1511 zusammenhalten, das Geburtsdatum A. Franks annähernd in das Jahr 1496 verlegen. Man dürfte also bei Franks Geburtstag an den 30. November 1496 denken. Charakteristisch für die Energie des angehenden Dozenten, andererseits aber auch für den werktätigen Stolz der Bürger auf den gelehrten Sohn ihrer Stadt, ist der Eintrag Stadtbuch IV fol. 37b (Beilage II). In letzter Hinsicht verdient besonders das Marginale beachtet zu werden (Beilage H).

Wir finden in diesem Bürgschaftsvertrag der Stadt Kamenz für den Baccalaureus Frank die „Armut" Franks wieder, die wir schon in dem Brief an Roth^'-) kennen gelernt haben. Aber der gewifs für einen Leipziger Dozenten geringe Ertrag der Braupfanne, die Andreas' Erbteil mit ausmachte, gewährte dem jungen Gelehrten wenn auch karge, so doch fortlaufende Mittel.

1525 scheinen sich die finanziellen Verhältnisse Ma- gister A. Franks wesentlich gebessert zu haben. Er kann seinem Schwager (?) Leffler das Bargeld überlassen und begnügt sich mit einer Hypothek, die auf dem offenbar ihm überkommenen elterlichen Haus ruht (Beilage III).

Ja, 1527 verzichtet Frank völlig auf sein Erbteil er gab wohl die Braupfanne, die Hypothek von 24 Mark und vermutlich auch das elterliche Haus seinen Verwandten zurück ^'^).

Mit dem Marginale zu Stadtbuch DI fol. 276 b vom 15. Juli 1527 verschwindet Andreas Frank aus den Ka- menzer Stadtbüchern.

12) Giemen a.a.O. 102.

^^) Vgl. Beilage Nr. III und Marginale a und b zu Beilage I.

172 Kleinere Mitteilungen.

Beilage iSIr. I.

Erbschaftsvertrag der Dorothea Frank mid ihrer Kinder Anna,

Nicolaus und Andreas vor dem Rat der Stadt Kamenz. 16. Juli 1509.

(Kamenzer Stadtbuch III fol. 276h.)

Die Frengkin und Xickel, Andre und Anna, yre leipliche kyndere.

Zu mergken: das die teylung zwischen der Frenckynne und yren kj^nndern alfso wye hemoch volget gemacht und beschlossen: Nemlich Annan ist zugeteilt: das stucke acker bei dem Houthubel und zehen mark, die die fraw bey yr hat, vor die cleydung-, defsgleichen vyr- zehen mark auch ane gelde, zu yrenu teiln ^^)

Nickeln ist zugeteilt: Die schawne und wiese zum Rodelande, so aber solch teil geringer dann der andern teil eyns, hat man zehen mark dorzu gesatzt, die die frawe heraus solle reichenn; auch zehen mark vor die cleydung, dorzu 14 mark bey der mutter stehende.

Andresen ist zugeteilt: Die pfanne sambt dem gartteu und acker bey dem spital und X mark vor die cleydunge. Auch XIV mark bey der muter stehende, difs gelt sal bey der mutter, der frangkyn stehen, sie dy kinder mit cleydung, efsen. drinken und aller uotturtt bis zu yren mündigen jaren versorgen und, so sie mundig werden und des geldes bedurffende, sal sie ynen das gebin und ueberreichen. Ge- boten f-olchs in den stadtbuch zu vorschreyben. Gescheen am Montag nach sanctorum divisionis apostolorum im fünfzenhundertsten und neunden jaren.

Hierzu die späteren Marginalien :

a) Die XXIIII mark bot magister Frangke Lefflern entricht, wie im andern statbuch vorzeichnet: fol. 146^'').

b) Doctor^") Francke bot sich seines erbfalles allenthalbin vor- zichtet. Gescheen Montag noch Margarethe (15. Juli) Anno 1527.

Beilage Nr. II.

Der Rat zu Kamenz leiht dem Baccalaureus A. Frank 50 Gulden, um ihm die Fortsetzung seiner Studien zu ermöglichen. Weiter wird dem A. Frank zu seiner „Förderung" gestattet, 4 Jahr lang ununterbrochen brauen zu dürfen. Fünf Kamenzer Bürger aber verbürgen sich dem. Hat gegenüber für die Erfüllung der Verbind- lichkeiten des Ä. Frank. 17. Februar 1517. (Kamenzer Stadtbuch IV f 1514— 1538] fol. 37b.)

Baccl. Andreas Franck.

Zu wifsen: das uff heut Montagk post Valentini (17. Februar) vor eynem erbaren rot ist erschynen Baccl. Andreas Frangk und vor- meldet, das er vorder zustudieren inwillens und von wegen seiner

1^) Hierzu das Marginale a s. unten.

1-^) Vgl. Beilage III.

^^) So liest Herr Stadtbibliothekar Uhlig in Kamenz anstatt „Dominus", tcte ich ursprünglich las. In lieben swürdigster Weise hat Herr Uhlig meine Abschriften aus dem Stadtbuch nochmals mit dem Original verglichen imd mir von dem Testament des Nikolaus Frank eine völlige Abschrift gegeben. Ich möchte ihm auch an dieser Stelle meinen Dank aussprechen.

Kleinere Mitteilungen. 173

armutth zuvorlegen nicht vormechte, derlialbin eyn erbar rot gebeten, ym L fl. vorzustrecken. Sulche sume wolde er verbürgen und, dyweil erfs nicht ableiste, vorzinfsen; auch weyter gebeten, das eyn erbar rot im zu eyner vorderung fseine brew^ifane vhyer ior nachenander neben den kirchpfannen wolde lofsen gehen.

Hat eyn erbar rot seyn redlich und seliglich vornhemen angesehn, ym dy phan vhyer ior nochenander zugehen zugesagt und funffzygk fl. beyn hern Johann Poppen, vicario zu Meyfsen, uff schaden auf- gewonnen und genanten Baccl. Andreo vorgereicht. Darvon sal man alle ior jerlich 7 fl. zinfens, als drey halbin gTilden") uff Michael und 3{?)fl.'*) uff walpurge und alfso vortan, dyweil sulch gelt nicht wyrt abgelust. Vor sulche fünfzig fl. und vor dy zins, die jerlich sullen gefallen, haben dy nochfolgenden samptlich und ungesunder! beyn und neben allen iren guttern globt, alfs mit nhamen:

Jacoff Bering,

Jorge Zceller,

Brosig Noldener der Junge,

Merten Faust,

Jost Frank.

Difse genannte bürgen, so ys in yrenn vermugen feyn wyrt, sullen fsy sulche L fl. ablofsen, und, dyweyl es niche abloisen, sullen fy jerlich uff' tageczeit, wie obin vormeldt, VII fl. zcinse dorvon überreichen.

Dys alles iist zu eynem gedechtnis hyreinn vorczeichnet.

Act. die et anno ut supra.

Hierzu das Marginale: Difse funfzigk fl. habin dy bürgen anstad des magisters korrz noch weynachten im XXIIII. iar beym rotte eyngelegt. Aisdan sy eyn rot ganzweis ledigk und lofs gesagt.

Beilage Nr. III.

Andreas Frank cediert seinem Schwager St. Leffler ein Guthaben.

Dieser hinwieder verzichtet seinerseits dafür auf die Hypothek, die

sein Weib auf A.Franks Haus in Kamenz stehen hat.

24. November 1525. (Stadtbuch IV fol. 146 b.)

Magister Andreas Francke. Steffan Leff'ler.

Zu wifsen: das magister Andreas Francke Steffan Lefflern zu seinem frommen XlXfl. (?) gut gelt von Bai toi Kletten zu entpfoen vergunt und nochgelofsen.

Davor bot im Steffan Leffler die 24 mark, die er von wegen seines weibes auff' dem haus Hans Wils vaterteil zu fordern, mit vorwillung eynes erbarn rodts verschreiben lofsen: alfo, wo das haus verkofft, das magister Francke von andern solche 24 mark zur be- zahlung nhemen (man?) fal, ane menigliches hinderung, wie im alten stadtbuch vorzeichent.

Ciescheen am obent Catharine.

i') Durchgestrichen ist: drey halbin gixlden und darüber ge- schrieben ein schoc gut gelt.

1*) 3 fl. ist durchstrichen und darüber 1 schoc geschrieben.

174 Kleinere Mitteilungen.

3. Wo ist Friedrich Hortleder geboren?

Von K. E. Reimanu.

Der gewöhnlichen Annahme nach ist der Geburtsort des bekannten Geschichtschreibers des iSchmalkaldischen Krieges , Prinzenerziehers und herzoglich sächsischen Rates Friedrich Hortleder das Dorf Ampfurth bei Wanz- leben im Regierungsbezirke Magdeburg. Der Verfasser von Hortleders Lebensbeschreibung in der Allgemeinen Deutschen Biographie (Bd. 13 S. 165 f.) macht dieselbe Angabe und weist zu ihrer Begründung auf den Eintrag in der Matrikel der Universität Jena hin, der die im ersten Semester des Jahres 1599 in Jena erfolgte Imma- trikulation Hortleders beurkundet; es heilst dort: Frideri- cns Hordleder Amfurtensis. Demselben Namen mit der- selben Heimatsangabe begegnen wir auch im Album der Universität Wittenberg. Hier w^erden unter den am 1. Mai 1585 Inskribierten aufgeführt: Vcdentinus et Fride- ricus HorÜeder Amfortenses fratres. Zu dem Namen Fridericus ist von anderer Hand hinzugefügt worden : Con- siliarius Aldenhurgensis. Wir vermuten, dals der Träger dieses Namens unser Friedrich Hortleder gewesen ist, der bekanntlich 1608 auf Ersuchen der Herzogin Dorothea Maria, der Witwe des Herzogs Johann von Weimar, vom Kurfürsten Christian IL von Sachsen, dem Vormunde der weimarischen Prinzen, zum Präzeptor ihrer Söhne Johann Ernst und Friedrich bestellt worden und später ihr und ihrer Kinder vertrauter Ratgeber gewesen ist. Die Be- zeichnung Hortleders als Altenburger Rat wäre allerdings eine irrtümliche, das Versehen des Schreibers dieser Be- merkung in der Matrikel aber leicht erklärlich. Denn Herzog Johann hatte, nachdem ihm von seinem älteren Bruder Herzog Friedrich Wilhelm, dem Regenten der gesamten weimarisch -altenburgischen Lande, zu seiner bevorstehenden Vermählung der Ertrag der Ämter Alten- burg, Eisenberg und Ronneburg überwiesen worden war (November 1592), sein Hoflager 10 Jahre in Altenburg gehabt, ehe er es 1603, nach der Landesteilung, wieder nach Weimar verlegte und die Witwe Herzog Friedrich Wilhelms mit ihren Kindern das Schlols Altenburg bezog (1604). Neun von seinen elf Söhnen sind in Altenburg geboren, zwei liegen in der Schloßkirche daselbst be- graben. Eine Verwechselung „der Altenburger Herr-

Kleinere Mitteilungen. 175

Schäften" oder vielmehr der Zeit, da die eine und die andere herzogliche Familie in Altenburg gewohnt hat, konnte in späterer Zeit wohl vorkommen. Die Eichtig- keit unserer Annahme, dals der 1585 in Wittenberg in- skribierte Friedrich Hortleder und der Geschichtschreiber gleichen Namens identisch seien, dürfte auch nicht etwa deshalb angezweifelt werden, weil Hortleder 1585 ja noch ein Kind war, eben erst sein siebentes Lebensjahr an- getreten hatte. Denn wie bekannt, kam es im 16., 17. und auch im 18. Jahrhunderte häutig vor, dafs man Namen von Knaben im Alter von 2 bis 13 Jahren in die Matrikel einer Hochschule eintragen liefs, und nicht immer wies der Rektor in einer dem Namen beigefügten Bemerkung auf das jugendliche Alter der Eingeschriebenen hin ^). In Wittenberg wurde dies erst seit 1589 üblich.

Dafür, dals Friedrich Hortleder in Arapfurth geboren sei, liegt aber, soviel wir wissen, kein anderes Zeugnis vor, als der Eintrag in der Jenenser Matrikel. Aus der Heimatsangabe in der Matrikel, die, nebenbei bemerkt, schon vor der Mitte des 16. Jahrhunderts mit dem aus dem Ortsnamen gebildeten Adjektiv gegeben wird, erfahren wir nun allerdings in der Regel den Geburtsort des Stu- diosen, zuweilen jedoch nur den Wohnort, der ihm zur zweiten Heimat geworden ist'-). So war z. B. M, Sebastian Leonhart, ein Lehrer der Söhne Kurfürst Christians L, 1544 in Freiberg geboren; seine Eltern aber hatten ihren Wohnsitz in Dresden; daher schrieb er sich „von Dresden". Der Geburtsort des kurfürstlich sächsischen Leibarztes Dr. Salomon Albert ist Naumburg; da jedoch seine Eltern bald nach seiner Geburt mit ihm nach Nürnberg über- gesiedelt sind, nennt er sich immer Noribergensis. Wir haben guten Grund anzunehmen, dafs in Bezug auf Friedrich Hortleder die Sache ähnlich liegt. Der Name Hortleder oder Hartleder ist ungewöhnlich oder doch nicht weit verbreitet gewesen. Eine Familie dieses Namens gab es um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Pegau. Im

1) Beispiele hierzu in Gersdorf, Beitrag zur Geschichte der Universität Leipzig (1869) S. 93 und 94 und in den Matrikeln der Universitäten Heidelberg, Rostock, Wittenberg u. a.

") Manchmal ist statt des Heimatsortes der Heimatsbezirk an- gegeben oder die bekannteste Stadt in demselben. Der kurfürstlich sächsische Hofrat Leonhard von Milkau ist 1544 in Alberode bei Löfsnitz geboren. In die Matrikel der Universität Wittenberg jiefs er einschreiben: Leonhardus a Milkau Schneberg. nobilis (6. Juli 1562).

176 Kleinere Mitteilungen.

Sommersemester 1548 wurde Valentinus Hartleder Pega- viensis in Leipzig immatrikuliert (1550 daselbst Bacca- laureus) und 1554 ein Joannes Hartleder Pegaviensis^ letzterer in sehr jugendlichem Alter, weshalb er den Aufnahmeeid, den die Universität in jener Zeit schon von dem Vierzehnjährigen forderte, nicht leisten durfte. Beide werden in Urkunden der Universität auch Hortleder ge- nannt^).

Manches spricht für die Annahme, dafs Friedrich Hortleder nahe Anverwandte in Pegau hatte und dafs zu denselben auch dieser ältere Valentin Hortleder zu rechnen ist. Wie erwähnt, erfolgte Valentin und Friedrich Hort- leders Aufnahme unter die Zahl der akademischen Bürger Wittenbergs am I.Mai 1585 und zwar durch den Rektor Jo- hannes LimmerLutcensis i. u. doctor, der seit 1570 (als Magi- ster) der Universität angehörte. Die Reihe der Inscripti vom Sommer 1585 eröffnen zwei Lützener, Melchior Frank und Johannes Arnold, ein Sohn und ein Enkel der Schwester des Rektors^), dann folgen die Brüder Hort- leder, hierauf Ambrosius Pfretzschner Pegaviensis (nach einer späteren Bemerkung in der Matrikel: doctor iuris factus, obiit Pragae anno 1611), und von den „nomina gratis inscriptorum" vom 1. Mai stehen voran die Namen der Brüder Johannes und Friedrich Pfretzschner aus Pegau, und unter dem 4. August ist verzeichnet Valentin Pfretzsch- ner Pegaviensis (gleichfalls gratis inskribiert). Wir ver- muten, dals alle die Genannten miteinander und auch mit dem Leipziger Baccalaureus Valentin Hortleder ver- wandt waren. Es kam ja nicht selten vor, dafs ein Uni- vensitätsrektor bei Antritt seines Amtes einer Anzahl Jünglingen und Knaben, die seiner Sippe angehörten, aulser den Söhnen auch Neffen, Enkeln und anderen Ver- wandten, damit ein Geschenk machte, dafs er sie in die Matrikel einschrieb'). Nun wird freilich der Verwandt- schaft der Hortleder und Pfretzschner mit dem Rektor nicht ausdrücklich gedacht; aber es ist doch auffällig, dafs dieser gerade am ersten Tage seines Rektorats mit den Nachkommen seiner Schwester und den beiden Hortleder

'^j Vgl. Gr. Erler, Die Matrikel der Universität Leipzig II, 716 und I, 699 Anm. 6.

•*) Vermutlich war letzterer noch ein Knabe; doch fehlt bei seinem Namen in der Matrikel der Vermerk non iuravit.

^) Belege hierfür im Wittenberger Album, Sommersemester 1573, 1589, 1591, 1595, 1597 etc.

Kleinere Mitteilungen. 177

drei Pegauer mit gleichem Familiennamen inskribieren konnte, und etwas später einen vierten desselben Namens, während vordem junge Leute aus Pegau Studien halber sich selten nach Wittenberg wandten, sondern lieber Leipzig aufsuchten, und solche aus Lützen noch weit seltener, andere Ampfurther aber als die Hortleder in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts überhaupt nicht in das Witten- berger Album eingeschrieben worden sind^). Ferner beruht es wohl nicht auf blolsem Zufall, dals die Namen Valentin und Friedrich in zwei von den erwähnten drei Familien- gruppen vertreten sind, der Name Johannes bei allen dreien vorkommt. Wenn man sich nun eriimert, dals dem ältesten Enkel der Sitte gemäls fast immer der Name des Groisvaters beigelegt wurde, so kann man wohl zu dem Schlüsse kommen, dals Valentin und Friedrich Hort- leder Enkel des Pegauer Valentin Hortleder gewesen sind. Die Vermutung, dafs sie selbst aus Pegau stammten, und die andere, dafs ihre Eltern mit ihnen nach Ampiurth übersiedelten, als sie noch Kinder waren, liegt dann nahe.

Dals der Geburtsort Friedrich Hortleders nicht auiser- halb der sächsischen Lande (Meilsen und Thüringen) ge- sucht werden darf, könnte man auch daraus folgern, dafs der Kurfürst von Sachsen, der Vormund der Söhne Herzog Johanns, dem jungen Gelehrten schon bald nach Vollendung seiner Studien das Lehramt bei seinen Mündeln übertrug, während Nichtsachsen vom Dresdner Hofe nur dann zu Präzeptoren sächsischer Prinzen bestellt wurden, wenn sie als Erzieher junger Fürsten bereits tätig gewesen waren und sich besonderer Empfehlungen von selten ver- wandter Höfe erfreuen konnten, oder wenn sie in Sachsen längere Zeit ein Amt bekleidet hatten').

Um darzutun, dafs Friedrich Hortleder wirklich aus Sachsen stammt und dals sein Geburtsort Pegau ist, be- darf es aber nicht der Aufstellung von Hypothesen und Anführung von wahrscheinlichen Gründen. Für diese Tatsache liefert ein gewichtsvolles Zeugnis ein Bericht

^) In der Zeit vom Mai 1548 bis April 1585 sind nur ca. 12 Pe- gauer in Wittenberg immatrikuliert worden.

') Als sich 1596 die Anstellung eines anderen Präzeptors für die kursächsischen Prinzen nötig machte, hielt man im Lande Um- schau nach einem solchen; denn der neue Lehrer sollte einer sein, der „in diesem Lande gezogen und geboren". Hauptstaatsarchiv Dresden Loc. 8017. I. Theil der Schrifften, der Churf. Jungen Herr- schaft education belangende 1593—1598 (21. Mai 1596).

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 1. 2. 12

178 Kleinere Mitteilungen.

in einem Aktenkonvolut des Geheimen Haupt- und Staats- archivs in Weimar, der Mitteilungen und Vorschläge betreffs der Erziehung der ältesten Söhne des Herzogs Johann von Weimar enthält^). In diesem für den Kur- fürsten von Sachsen bestimmten, von Kanzler, Kammer- und Hofräten in Weimar unterzeichneten Gutachten vom 9. Juli 1607 heifst es nämlich: „Unnd weill zu Jena ein .... junger mann Fridericus Hordtleder genannt von Pegau bürtig, welcher besage der universitet beigefügten testimonii seiner geschicklichkeit auch lebens und wandeis halben bey menniglich ein guttes lob hatt, auch in der religion richtig ist, so hielten wir dafür, das derselbe woU und nützlich zum praeceptore zu bestellen". Sollten nicht in den Pegauer Kirchenbüchern Nachrichten über Friedrich Hortleder und seine Eltern zu finden sein?

^) Acta Herzog Johann Ernst des jüngeren und Herzog Friedrichs des altern Gebr. zu S. Weimar Aufenthalt auf der Uni- versität Jena etc. betr. 1607—1614. A. 53 c.

Literatur.

Dichtungen des Königs Joliann TOn Saclisen. Herausgegeben von Carola, Königin -Witwe Ton Saclisen. Leipzig, Bernhard Tauchnitz. 1902. XV, 260 SS.

Das vorliegende Buch, „in dankbarer und verehrungsvoller Er- innerung an den theueren, geliebten Verstorbenen im Anschlufs an Seinen 100 jährigen Geburtstag zu wohlthätigen Zwecken heraus- gegeben", ist ein sinniges Denkmal für den unvergefslichen Fürsten, dem die Vielseitigkeit seiner geistigen Gaben und deren reiche Be- tätigung eine ganz eigenartige Stellung unter seinen hohen Standes- und Zeitgenossen eingeräumt hat. Einem solchen Werke gegenüber ist eine Rezension im eigentlichen Sinne, wie wir sie sonst an dieser Stelle bringen, nicht am Platze, zumal die literarische Würdigung der poetischen Werke König Johanns einem Organ für sächsische Geschichte ferner liegt. Gleichwohl erschien uns ein Hinweis auf das Buch geboten, weil gerade diese Dichtungen für den Geschichts- forscher, dem daran liegt, die Umrisse eines Charakterbildes des verewigten Monarchen zu gewinnen, einen hohen Quellen wert be- sitzen. Dafs der König, dessen Jugend noch in die klassische Zeit unserer Literatur fällt, von Kindheit auf an der poetischen Form Gefallen fand, ist nicht auffällig. Aber es ist nicht allein und nicht vorzugsweise die Form, die für ihn in Betracht kam. Bei weitaus den meisten der mitgeteilten Dichtungen haben wir den Eindruck, dafs sie mit einer gewissen Notwendigkeit entstanden sind, um Emp- findungen und Stimmungen zum Ausdruck zu bringen, die sich in anderer als dichterischer Form kaum wiedergeben liefsen. Der König selbst gibt diesen Gedanken einmal treffenden Ausdruck:

Dichtkunst thut die Wahrheit kund,

Die im Innern lebt.

Die vergebens oft der Mund

Auszusprechen strebt.

Die kein klügelnder Verstand,

Nur das Herz begreift,

Das so gern im Zauberland

Seiner Wünsche schweift.:

f So tragen die Dichtungen den Stempel der Unmittelbarkeit und inneren Wahrheit, und es ist vollkommen gerechtfertigt, aus ihnen Rückschlüsse auf das geistige und seelische Leben des hohen Entschlafenen zu machen. Eben mit Rücksicht darauf sah sich schon der Biograph des Königs, Freiherr P. von Falkenstein, veranlafst,

12*

1 80 Literatur.

eine Auswahl der poetischen Arbeiten des Königs in sein Werk 1878) aufzunehmen. Eine vollständigere Sammlung hat dann 1880 der langjährige Bibliothekar und wissenschaftliche Berater des Königs, J. Petzholdt, veröffentlicht. Diese Sammlung bildet die Grundlage der vorliegenden; doch sind die Texte nicht allein mit Sorgfalt revidiert, sondern die Zahl der veröffentlichten Dichtungen hat sich um über ein Drittel vermehrt; nicht weniger als 22 Nummern werden hier zum ersten Male bekannt gemacht. Von besonderem Interesse ist, dafs dazu auch das Goethe-Archiv in Weimar beisteuern konnte. Hier befindet sich ein Manuskript mit 22 Gedichten, das einst Prinz .Johann auf den Wunsch Goethes diesem übersandt hatte; es ist das besondere Verdienst Seiner Kgl. Hoheit des Prinzen Johann Georg, auf diese Gedichte aufmerksam gemacht zu haben. Elf davon waren bisher unbekannt. Leider ist nirgends angegeben, welche Gedichte sich in dieser Handschrift finden; es wäre das doch von Interesse gewesen.

Über fast ein halbes Jahrhundert erstrecken sich die poetischen Arbeiten des Königs. Das früheste Gedicht „Kameradschatt" stammt aus seinem 15. Lebensjahre; als eines der spätesten wird die schöne Übersetzung von Mauzouis Ode auf den Tod Napoleons, die das Dati;m des 5. Mai 1863 trägt, bezeichnet. Besonders zahlreich sind die Gelegenheitsgedichte; in seinen jüngeren Jahren lieis Prinz Johann kein Familienfest ohne eine poetische Gabe vorübergehen, und die so entstandenen Dichtungen, so flüchtig sie auch teilweise hingeworfen sind, sind uns doch überaus wertvolle Zeugnisse für das schöne Familienleben, das sowohl im Hause des Prinzen Max als dann in dem seines Sohnes herrschte, und für den ausgeprägten Familiensinn des Königs Johann; es befinden sich darunter wahre Perlen, wie das bekannte am Tage der Geburt seines ältesten Sohnes, des nachmaligen Königs Albert, entstandene Gedicht „Vatergedanken" (von dessen Urschrift ein Faksimile beigegeben ist). Ebenfalls den Charakter von Gelegenheitsgedichten tragen die unter den Aufschriften „Reiseerinnerungen" und „Widmungen an einzelne Personen" zu- sammengestellte Gedichte", unter den letzteren befindet sich- ein bisher unbekanntes von 1853 an die Prinzessin Carola, die erlauchte Heraus- geberin des Buches. Andere Gedichte zeugen von dem fernen Natur- empfinden des hohen Dichters; wieder andere sind religiösen Inhalts und erfreuen uns durch die einfache, innige und milde Frömmigkeit, die sich in ihnen ausspricht. Auch im Drama hat sich Prinz Johann veisucht; die Stoffe entnahm er, seinen historischeu Neigungen folgend, meist der Geschichte, doch findet sich auch eine recht belustigende, in Dresdner Mundart geschriebene Posse, zu der ebenfalls die Geburt des Prinzen Albert den Aulais gegeben hat. Sie ist nicht die ein- zige Dichtung, die uns die humoristische Ader des Prinzen zeigt; im ganzen freilich herrscht der ernste Ton vor. In der letzten Abteilung sind einige Übersetzungen zusammengestellt; sie zeigen etwas von jener Anempfindungsfähigkeit, die in der Danteübersetzung zu vollkommenerem Ausdruck gelangt ist. Ausgeschlossen sind die griechischen und lateinischen Dichtungen des Königs, von denen Falkenstein a. a. 0. einige mitgeteilt hat.

Ohne Fi'age hat man allen Grund, der hohen Herausgeberin für das Werk, dem die Verlagsbuchhandlung eine vorzügliche Ausstattung gegeben hat, sehr dankbar zu sein.

Dresden. Er misch.

Literatur. 181

Das Domkapitel von Meifsen im Mittelalter. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Verwaltungsgescliichte der deutschen Domkapitel. (Sonder- Abdruck aus den „Mitteilungen des Vereins für Greschichte der Stadt Meilsen". 1902. VI. Band, 2. Heft). Leipziger Inaugural- Dissertation. Von Knn/ von Brunn genannt von Kauffungen. Meifsen, Druck von C. E. Klinkicht u. Sohn. 1902. VI, 135 SS. 8«. Die vorliegende gründliche Arbeit, die den gewohnten Umfang einer Doktordissertation bei weitem überschreitet und einen Gegen- stand behandelt, an den sich nicht jeder angehende Historiker mit Erfolg hätte wagen dürfen, ist hervorgegangen aus dem Historischen Seminar an der Universität Leipzig; der Verfasser ist ein Schüler des Prof, Dr. Seelii^er. Aufcer den bereits gedruckten Quellen ist reichlich benutzt das Hauptstaatsarchiv Dresden etwa 17 meist umfangreiche Nummern , sowie das Domstiftsarchiv zu Meifsen. Leider füllen diese Archivalien nur die Lücken in der späteren Ge- schichte des Hochstifts aus, und es zeigt sich hier wieder, wie spärlich die (Quellen für des.<en ältere Geschichte fliefsen. Kapitel I behandelt die einzelnen Mitglieder des Domkapitels Stand, Anzahl, Weihe- grad, wissenschaftliche Bildung und Titel der Domherren, ferner deren Rechte und Pflichten, die Besetzung und Erledigung der Dom- herrenstellen, die Vikare ; Kapitel II die Kapitelämter die Dignitäten, die Amter der Vikare, die niederen Kapitelämter ; Kapitel III die Korporationsrechte des Domkapitels Versammlungs- und Beschlufsfassungsrecht, Statuten, Urkimden, Siegel, die Dis- zii)linargewalt und die Vermögensverwaltung des Domkapitels ; Kapitel IV die Stellung des Domkapitels in der Diözese das Ver- hältnis des Kapitels zum Bischof, die wichtigsten Rechte des Dom- kapitels dem Bisehof gegenüber, das Domkapitel und die Diözese.

Zum letzten Punkt des letzten Paragraphen „Die Archidiakonats- verfassung" ist zu bemerken, dafs der Propst von Grofsenhain tat- sächlich archidiakouale Befugnisse hatte (vgl. S. 127). Dies geht unzweifelhaft hervor aus dem Zitat S. 70 oben. In seiner amtlichen Tätigkeit sehen wir ihn u. a. in der Urkunde vom 1. Oktober 1492, die Kirche von Skäfschen bei Grolsenhain betreffend (Fortgesetzte Sammlung von alten und neuen theologischen Sachen 1720 S. 423). In der Niederlausitz begegnet uns ein Archidiakonus bereits (vgl. S. 71) 1228 ff in den Urkunden des Klosters Dobrilug (Ludewig, Reliqu. manuscr. I, 43 cf. 46, vgl. Bertram, Chronik von Mühlberg S. 15). Dafs der Archidiakonat der Oberlausitz bald verschwindet und dem Prager Erzbistum unterstellt wurde (vgl. S. 128), ist wohl ein Ver- sehen, desgleichen will wohl Verfasser in der Anmerkung 678 S. 128 am Schluls sagen, wie aus S. 180 oben hervorgeht, dals nur vier Archidiakonate unter diesem Namen in den Quellen auftreten. Albinus, der im Meifsner Domstiftsarchiv wohl bewandert war, ist bei der Aufzählung der Archidiakonate nur ungenau in den Namen: Meilsen ist die gleichnamige Präi)ositur, Briefsnitz ist Nisan (nach der Präbende des Archidiaconus Ni^icensis bezeichnet, vgl. S. 72 Anm. 381), Lübben ist die Niederlausitz (dem Archidiaconus Lusatiae gehörte die Kirche von Lübben, vgl. Cod. dipl. Sax. reg. IT, 2, 45 f.), das Diakonat Meifsen ist der gleichnamige Dekanat. Und so hätten auch die Anführungen in Anm. 272 und 293 aus Rüling, Geschichte der Reformation in Meifsen, richtiger ihren Platz gefanden in i; 15. In den bei Rüling der Zahl nach erwähnten Kirchorten übte nämlich der Propst, bez. der Dekan die Rechte des Archidiakonus aus. Tber ihre Tätigkeit daselbst berichten verbältnismälsig wenig Urkunden.

182 Literatur. ^

Es handelt sich in ihnen gewöhnlich um die „institutio" eines Pfarrers (vgl. Aum. 682 Nr. 4). Von Archidiakonatssynoden (vgl. S. 130) hat Ref. auch nur hier und da eine spärliche Spur gefunden. S. 5 f. spricht Verf. von der Meil'sner Stadtgeistlichkeit. Wenn mit diesem Ausdruck die Geistlichen der Civitas Misnensis, die hin und wieder neben der Diözese genannt wird, gemeint sind (vgl. auch das Zitat S. 55 Anm. 274), und so scheint es nach dem Zusammenhange, so durfte die Pfarrkirche zu S. Nicolaus nicht mit. erwähnt werden, da sie unter dem Erzpriester von Rofswein stand. Über die Civitas war der Propst als judex Ordinarius gesetzt. Eine genaue Angabe der Einkünfte der Obödieuzen (vgl. S. 107 Anm. 577) aus weit späterer Zeit findet sich in einer Leipziger Handschrift. Da hier bei jeder Obödienz die Kollatur über die betreffende Vikarie angegeben ist, so dürfte das Verzeichnis nach 1517 angefertigt sein (vgl. S. 109 Anm. 583). Die Frage, ob der Cellarius des Hochstifts Meifsen Domherr oder Vikar gewesen ist (vgl. S. 72 f.), entscheidet ganz klar die Zeugenreihe der Urkunde Cod. dipl Sax. reg. II, 4 Nr. 11 (1266), in der erst die Canonici und dann die Vikare genannt sind. Der Cellarius eröffnet die Reihe der Canonici. In Urkunde Nr. 9 desselben Bandes, die 16 Jahre jünger ist, steht derselbe Albertus de Doblin bereits an der Spitze von neun Canonici. Die Jahreszahl 1228 in Anm. 387 ist verdruckt für 1278. Die Angabe „(bei Stolpen)" neben „Kirchhain" ist S. 71 unten wohl irrtümlich gesetzt. Einen andern Kirchort dieses Namens als Kirchhain in der Niederlausitz gab es in der Diözese Meifsen nicht.

Waidenburg i. Sachs. Rieh. Becker.

Beiträge zur Reformationsgeschiclite aus Büchern und Hand- schriften der Zwickauer Ratsscliulbibliotlielt. Von Lic. Dr. Otto Cleineii, Gymnasialoberlehrer in Zwickau. 2. Heft. Berlin, C. A. Schwetschke u. Sohn. 1902. IV und 147 SS. 8°.

Bereits im ersten Hefte von des Verfassers Beiträgen zur Re- formationsgeschichte wurden zahlreiche Erläuterungen, Ergänzungen und Notizen zu den verschiedenen Gebieten der sächsischen Greschichte dargeboten. Auch das vorliegende ßändchen zeigt des Verfassers Belesenheit, Gründlichkeit und Spürsinn. Bescheiden erklärt er im Vorwort, es würden hier keine umwälzenden und überraschenden neuern Aufschlüsse gegeben, Avohl aber einige kleine Lücken aus- gefüllt, Einzelheiten aufgeklärt und einiee Persönlichkeiten, die in der Reformationsgeschichte an mehreren Punkten begegnen und meist mit den Reformatoren ersten Ranges in wenn auch nur vorübergehende und mehr oder weniger äulserliche Beziehungen getreten sind, in ihrem Leben und Wirken vorgeführt. In dem Abschnitt Spalatiniana (S.96 137) werden neben einem Briefe des kurfürstlichen Bibliothekars an einen bei Hartfelder nicht genannten Schüler von Melanchthons Schola privata 22 Schreiben an Spalatin aus einem Münchener Codex abgedruckt und u. a. eingehende Mitteilungen über den bekannten Handschriftensammler Hekel gemacht (S. 98 106). Die Studie über Simon Haferitz (S. 14 25) gibt eine Analyse einer ganz von Münzerischem Geiste durchdrunsrenen Predigt über Matth. 2, 1 12, enthält aber auch eine Reihe Notizen zur Leipziger Buchdrucker- geschichte. In der Arbeit über den Wittenberger Schulmeister, Bornaer Prediger, Naumburger Domprediger und Torgauer Superintendenten

Literatur. 183

Georg Mohr werden zwei Predigten, eine über die Todesfurcht, eine zweite über den Kirchweihtext, analysiert, dazu Mohrs Stellung und Verhalten in den kirchlichen Kämpfen der Zeit geschildert. In dem Abschnitte „Bischof Adolph von Merseburg und die Pfarrer von Schönbach und Grolsbuch" (S. 4—14) wird Fraustadts Darstellung ergänzt. Aus den übrigen Mitteilungen seien noch die Notizen über Luther und Melanchthon erwähnt. Des ersteren Stammbaum wird aus einem Briefe des Dresdner Schulmeisters Theodor Lindemann erläutert, auch nachgewiesen, dafs Luther als Student in Erfurt in der Georgsburse an der Lehmannsbrücke gegenüber der jetzt ab- getragenen Nikolaikirche gewohnt hat (S. 1—3). Melanchthon er- scheint u. a. in seinem Freundschaftsverhältnis zu dem Professor der Medizin Jakob Milich, dem er verschiedene Bücher, z. B. Camerars KaTY]XT)ai? Tou XpiaT'.av.aiJLoü schenkte. Für das dritte Heft wird ein Kegister in Aussicht gestellt, das einen Einblick in die viel- seitigen Ergebnisse der minutiösen Kleinarbeit bieten wird.

Leipzig. Georg Müller,

Matthias Hoe von Hoenegg und sein Eingreifen in die Politik und Publizistik des 30jährigen Krieges. Von Hans Knapp. Halle, Niemeyer. 1902. 55 SS. 8*'.

Das Büchlein gibt zuerst eine gedrängte Übersicht über die äufseren Lebensschicksale Hoes, beleuchtet kurz und treffend seinen Charakter und verfolgt dann, welche Stellung er als kursächsischer Oberhofprediger zu den Ereignissen des 30jährigen Krieges ein- genommen hat. Im Anfange finden wir ihn von dem heftigsten Hasse gegen die Reformierten beseelt und ein gemeinsames Vorgehen von Katholiken und Lutheranern zur Unterdrückung des böhmischen Auf- standes ganz nach seinem Sinne, Nach der Landung Gustav Adolfs hat er dann im Gegensatz zu seiner früheren Ansicht die Solidarität in den Interessen aller Protestanten betont und die Politik des Leipziger Konventes befürwortet. Da ist er selber den Reformierten sehr versöhnlich entgegengekommen und hat seinem Kurfürsten zu energischer Offensive gegen den Kaiser geraten. Von l(i34 ist er dann in abermaligem Umschlage wieder für Trennung von den Re- formierten und für den Separatfrieden Sachsens eingetreten.

Wie man sieht, decken sich die Ansichten Hoes in ihrem Wechsel im wesentlichen mit den Wandlungen, die die Politik Kur- sachsens durchgemacht hat. Ob aber deswegen der Oberhofprediger als der spiritus rector des Dresdner Kabinets anzusehen ist, scheint mir doch höchst zweifelhaft, und weit eher möchte das Gegenteil stattgefunden haben, dal's er nämlich weniger geführt als sich jedes- mal in geschickter Schmiegsamkeit dem in den oberen Regionen wehenden Winde angepalst hat. Für die Jahre 1630— 1635 möchte ich dies Verhältnis jedenfalls behaupten und einen entscheidenden Einflufs Hoes leugnen. Ein im ganzen abschliel'sendes Urteil ist allerdings vorläixtig noch nicht möglich, dafür mangelt es noch zur Zeit an einer genügenden Durcharbeitung der sächsischen Politik. Das vorliegende Buch dringt jedenfalls für diese wichtigste Hoe betreffende Frage nicht in die Tiefe und haftet für alles, was die kuisächsische Politik betrifft, an der Oberfläche. Doch bleibt ihm sein Wert als einer fleilsigen Vorarbeit, auf der spätere werden weiter zu bauen haben: die einzelneu Aui'serungen Hoes in Streit-

184 Literatur.

Schriften und Gutachten sind übersichtlich zusammengestellt, das gedruckte Material dafür ist, soviel man sehen kann, vollständig zu- sammengebracht und durch Nachforschungen im Dresdner und Wiener Archiv und den Bibliotheken von Göttingeu, Gleisen, Gotha und Hamburg ergänzt.

Berlin. Walter Struck.

König August der Starke. Eine Charakterstudie. Von Paul Haake.

München und Berlin, R. Oldenbourg. 1902. 27 SS. 8".

Das vorliegende Schriftchen, dessen Verfasser den Lesern dieser Zeitschrift nicht unbekannt ist, begrüfsen wir mit aufrichtiger Freude. Es ist noch nicht lange her, dafs man in Sachsen eine gewisse Scheu vor der eigenen Geschichte oder doch vor grolsen Teilen der- selben empfand, und diese Scheu hat viel dazu beigetrageu, dafs die Erforschung unserer Geschichte noch so viele Lücken zeigt. Der Klindige wird nicht daran zweifeln, dafs diese Scheu unberechtigt ist. Die Geschichte Sachsens und der Wettiner zeigt, wie die jedes Volkes und jedes Herrscherhauses, Licht- und Schattenseiten, die in ihrem gegenseitigen Verhältnis unbefangen betrachtet, weder gebilligt noch gemifsbilligt, sondern vor allem verstanden werden müssen; treibt die Wissenschaft Vogelstraulspolitik, schliefst sie die Augen, um nichts Unangenehmes zu sehen, so muls die Folge die sein, dafs die landläufige Geschichtsdarstellung entweder höfisch oder opposi- tionell, in beiden Fällen aber tendenziös gefärbt, unwahr wird. Es ist zu hoffen, daJs die Tätigkeit der Königl. Sachs. Kommission für Geschichte, die eine Reihe von Aufgaben aus der neueren Zeit in ihren Arbeitsplan aufgenommen hat. hier Wandel scbaftt. Zu diesen Aufgaben gehört auch die Veröffentlichung der eigenhändigen Ent- würfe und Briefe Augusts des Starken, mit der Dr. Haake beauftragt worden ist. Die gewandt geschriebene Broschüre, die uns hier vor- liegt, ist ein Versuch, auf Grund eines reichen authentischen Materials den Charakter des merkwürdigen Fürsten aus seiner Eigenart und seiner Zeit heraus zu verstehen; und es kann keinem Zweifel unter- liegen, dai's diese historisch-psychologische Untersuchung im wesent- lichen zu gunsten des Vielgescholtenen ausgefallen ist. Sie ist nicht das, was man eine „Rettung" nennt; die Genulssucht des Fürsten, der wie so viele seiner Zeitgenossen eine rücksichtslose Ich -Natur war, wird durchaus nicht bemäntelt. Wohl aber wird hervorgehoben, dafs diese Genulssucht doch nicht das einzige war, was ihn beherrschte. Eine ohne Frage hervorragend beanlagte Persönlichkeit, hatte August das lebhafte Bestreben, sich in jeder Beziehung geltend zu machen. Er „lechzte nach universaler Bildung und nach unsterblichem Ruhm" und war unermüdlich bestrebt, die Lücken seiner Bildung atiszufüUen und die bedeutende Stellung in der Welt , zu der er sich berufen glaubte, ganz einzunehmen. Der Verfasser sucht dies vor allem auf dem Gebiete des Kriegswesens, der äufseren und inneren Politik nachzuweisen, während er die bekannteste Seite seines Wirkens, Augusts künstlerische Bestrebungen, nur flüchtig berührt. Was er bietet, sind nur Skizzen; es wird ihm überlassen bleiben müssen, in der „Geschichte Sachsens unter August dem Starken", die ihn seit Jahren beschäftigt, den Nachweis im einzelnen zu führen. Aber schon jetzt erkennen wir, dafs sich doch nicht so ohne weiteres der Stab über den grofs angelegten Fürsten brechen lälst , wie die

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Gescbichtswerke, aus denen man jetzt die Kenntnis unserer Ge- schichte zu schöpfen pflegt, dies fast ausnahmslos tun,

Dresden. Ermisch.

Untersuchungen zur Schlacht bei Kesselsdorf. Berliner Inaugural- Dissertation. Von Bruno Oettinger. Berlin. 1902. 46 SS. 8*'.

In der vorliegenden Schrift macht Oettinger im Gegensatz zum Oeneral Stabswerk den Versuch, die These Keibels, dals die schiefe Schlachtordnung („Flügelschlacht") Friedrichs des Groisen bereits in den schlesischen Kriegen angewendet worden sei, für die Schlacht bei Kesselsdorf durchzuführen. Oettinger sucht deshalb folgende Darstellung der Schlacht zu beweisen. Leopold greift nach rechts weit aus, hält den linken Flügel zurück, bestimmt den rechten aufser- ordentlich verstärkten Flügel (aufser den sechs Bataillonen Gre- nadiere, acht Regimenter Infanterie Lebwald und acht Regimenter Kavallerie) zum Angriff auf Kesselsdorf, um die Sachsen in der Flanke zu fassen und aufzurollen. Das zweite Treffen (fünf Regimenter) unter Leps, der jetzt dem linken säch.siscben Flügel unter Jasmund gegenüberzustehen kommt, füllt die zwischen den Regimentern des Prinzen Moritz und Lehwalds entstandene Lücke aus. Lehwald nimmt das Dorf, durchzieht es mit seinen Truppen und rollt, in der Flanke der Sachsen stehend, deren Linie auf. Diese Darstellung entspricht aber den in den Quellen überlieferten Tatsachen nicht. Leopold hat zwar den Versuch gemacht, die Sachsen in der Flanke und auf besserem Terrain zu fassen, da sie für einen Frontal- angriff hinter dem Zschonergrund unangreifbar waren Als sein Plan durch die grofse Linksverschiebung der sächsischen Linien vereitelt wurde, hat er ihn aufgegeben und sein Heer „nach der Schablone" aufgestellt, so dals dadurch beinahe die Hälfte seiner Kavallerie auf den linken Flügel zu stehen kam, wo sie überhaupt nicht zu ver- wenden war. Der linke Flügel kam bei der Anmarschriobtung von selbst etwas später an den Feind. Gegen Kesselsdorf haben nur die sechs Bataillone Herzbergs und das Regiment Jeetze gekämpft: dieses, dessen Kommandeur Lehwald war (so erklärt sich die Stelle: Lehwald prit le village par la flaue), hat Kesselsdorf erobert. 16 Regimenter, wie Oetting-er meint, bei der kurzen Zeit durch das Dorf zu bringen, i.st eine absolute Unmöglichkeit: es waren, wie Jasmund selbst angibt, nur vier Bataillone und vier Eskadrons, die in der Flanke und im Rücken der Sachsen, die Panik des sächsischen linken Flügels veraulafsten. Die übrigen Regimenter Lehwalds, nicht Leps', haben gegen Jasmund gekämpft: denn die Tatsache, dals drei Regimenter des zweiten Treffens bei Zöllmen gekämpft haben, kann von Bremen unmöglich aus der Luft gegriffen sein. Die Leps- scheu Regimenter wurden in die Lücken zwischen (nicht, wie Oettinger das Generalstab werk miisversteht, in) den einzelnen Re- gimentern eingeschoben.

So mufs Oettingers Beweisführung als verfehlt angesehen werden. Er hat wie überhaupt alle bisherigen Darstellungen der Schlacht, zwei höchst wichtige, in dem von ihm selbst abgedruckten Berichte Jasmunds überlieferte Tatsachen nicht genügend hervorgehoben: 1. Dafs Kesselsdorf zu Beginn der Schlacht gerade wie Zöllmen vor der sächsischen Linie lag und nicht Schlüssel, sondern eine vorgeschobene Bastion der sächsischen Stellung war.

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Diese war im Gegensatz zu der ersten hinter dem Zschoner Grund vortrefflich gewählt, sie konnte nicht umgangen werden. Wollte der Fürst bei der Kürze der Zeit die Sachsen noch vor der Ankunft des Prinzen Karl gründlich schlagen, so durfte er sich nicht allein mit der Einnahme des Dorfes aufhalten lassen, das, wenn nach schwerem Kampfe gewonnen, aufserdem wenig Vorteile bot, da es von der, wie gesagt, hinter dem Dorfe stehenden sächsischen Linie von oben beschossen werden konnte, sondern mulste die Sachsen, wo er sie fand, auf allen Punkten sofort angreifen. 2. Dafs zusammen mit dem eigenmächtigen Aus- fall Wilsters in erster Linie das Vorrücken Jasmunds die Schlacht zu einer so furchtbar en Niederlage der Sachsen gemacht hat. Dadurch kam Kesselsdorf in die Flanke der Sachsen zu liegen und wurde der Schlüssel ihrer Aufstellung im Moment, als es in die Hände der Preulsen überging. Jetzt erst wurde die Schlacht, ohne dals Leopold sie darauf angelegt hätte, von selbst zur Flügelschlacht.

Die Bemerkungen Oettingers über den Verfasser der Dyherr- schen Denkschrift (= Jasmund), der Anmerkungen eines preufsischen Grenadiers (= Friedrich der Grofse) und über das Ausbleiben Grünnes lind des Prinzen Karl sind richtig. Sie sind das Wertvollste an seiner Arbeit.

Dresden. Ph. Hiltebrandt.

Die Kriege Friedrichs des Grofsen. Herausgegeben vom Grofsen Generalstabe, Kriegsgeschichtliche Abtheilung IL Dritter Theil. Der Siebenjährige Krieg 1756 1763. I. Band: Pirna und Lobo-

sitz. II. Band: Prag. Berlin, E. S. Mittler u. Sohn. 1901. XIII, 371 u. 108 SS. 8**, mit 19 Karten, Plänen und Skizzen, sowie einer Handzeichnung des Königs. VIII, 179 u. 19 S,S. S", mit 12 Plänen und Skizzen.

Bei Sachsens Lage zwischen den beiden rivalisierenden deutschen Vormächten war es unausbleiblich, dafs es in den schlesischen Kriegen stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Im Siebenjährigen Kriege blieb es fast ununterbrochen der heifs umstrittene Boden, den beide mit Eifer erstrebten, mit Zähigkeit zu halten suchten und nach seinem Verluste mit Erbitterung zurückzugewinnen trachteten. Das Kur- fürstentum bot ihnen starke Stützpunkte in seinen Festungen, günstige Stellungen für verschanzte Lager und gute Winterquartiere; es schien unerschöpflich für Lieferungen an Soldaten, Vieh, Getreide, Geld und allem sonstigen Kriegsbedarf. Die Geschichte des Sieben- jährigen Krieges, bis zu der die Forschungen des preufsischen Generalstabes jetzt vorgeschritten sind , darf daher in hohem Grade das Interesse der sächsischen Geschichtsforschung be- anspruchen.

Der erste Band betrifft das Kriegsjahr 1756. Anerkennenswert ist die Vorausschickung einer ausführlichen Darlegung über die politische Vorgeschichte , über das preufsische , österreichische und sächsische Heer und die Geldmittel Preufsens. Dafs in der Vor- geschichte bei allem Streben nach gerechter Würdigung vorwiegend der preufsische Standpunkt zum Ausdruck kommt, ist begreiflich

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und auch selbstverständlich*). Der oder die Verfasser vertreten die Auffassung, die wir der Kürze halber als die Naudt^sche bezeichnen wollen. Der eigentliche militärische Teil behandelt in erster Linie die für die sächsische Armee schmerzlichen Tage von Pirna- König- stein-Ebenheit im September und Oktober 1756-). Hierfür haben wir ja das bekannte gute Buch Asters, dessen Ergebnisse zwar in Einzelheiten berichtigt und vielfach ergänzt werden, namentlich für die Vorgänge auf preufsischer Seite, das aber auch neben dieser neuen Darstellung für den Historiker, der die Verhältnisse beider Heere eingehend kennen lernen will, noch seinen Wert behält. Den säch- sischen Truppen läfst das preufsische Generalstabswerk volle Ge- rechtigkeit und Anerkennung widerfahren, und selbst bei den zahl- reichen Fehlern, besonders Unterlassungssünden, der sächsischen Oberleitung beobachtet es weit mehr schonende Zurückhaltung, als der Sachse Aster, der seinen nur zu vielfach vollberechtigten, bitteren Tadel offen äufsert. Der andere Teil betrifft die Schlacht von Lobo- sitz, deren umstrittene Ereignisse und Bedeutung in lichtvoller Weise erörtert werden. Charakteristisch für die ganze Arbeitsweise ist aber der Umstand, dafs auf die bisherigen Kontroversen (vgl. die Arbeiten von Garnier, Dopsch, Immich mit ihren Differenzen) keine Rücksicht genommen ist. Auseinandersetzungen mit anderen Forschern werden überhaupt vermieden. Wohl mag dieses Verfahren einer so hohen Stelle wie dem Grofsen Generalstabe als vornehmer erscheinen, auch für die Bearbeiter angenehmer sein; der Historiker aber wird sich doch schwerlich ganz damit einverstanden erklären. Auch eine Aus- einandersetzung (nicht im Text, sondern im Anhang) ist sehr wohl streng sachlich und würdig ausführbar und dient unter Umständen der Aufklärung eher, als kühles Ignorieren. Dies und noch einiges andere") sind aber Prinzipienfragen, die nicht den einzelnen Band

*) Auf Einzelheiten einzugehen, ist nicht die Aufgabe dieser Anzeige. Für die Anlegung eines anderen Malsstabes bei Beurteilung von Friedrichs Gegnern sei nur beispielsweise hingewiesen auf S. 56, wo die Behauptung, die Westminsterkonvention habe noch keineswegs eine Lage geschaffen, die Frankreich gezwungen habe, auf Öster- reichs Wünsche einzugehen, doch zu optimistisch ist; denn die Kon- vention deckte Hannover, beraubte Frankreich der Hauptmöglichkeit eines energischen Landkrieges, schädigte also von vornherein dessen Stellung gegenüber England bei des letzteren Überlegenheit zur See. Wer bei Friedrich es billigt, dafs er Vorbeugungsmafsregeln ergriff und nicht wartete, bis es den Gegnern beliebte, mufs es auch bei anderen billigen, wenn sie sich vorsahen; ob Friedrich selbst die Besorgnisse der Franzosen für nötig und begründet erachtete, darauf kommt es doch bei der Berücksichtigung der französischen Motive nicht an, sondern da gilt es, die Sache im französischen Gesichts- winkel zu sehen.

-) Hervorgehoben sei hier nur der Hinweis S. 296 auf den zeitweilig günstigen Stand des Browneschen Entsatzversuches am 11. Oktober, als die Österreicher Altendorf oberhalb Schandaus besetzten und die Preufsen unter Meyerinck sich falls entschieden angegriffen in Schandau m unhaltbarer Lage befanden, die aber leider nicht benutzt (weil nicht erkannt) wurde.

ä) Dazu gehört auch die Nichtnennung der für die einzelnen Länder oder Abschnitte verantwortlichen Bearbeiter, ferner die Wahl

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angehen und daher dessen Bearheitern nicht zur Last zu legen sind ; auch verändern sie nicht den eigenen Wert des Gebotenen an sich. Warme Anerkennung verdient die reiche Beigabe von allerhand Etats. Bestands- und Verteilungsübersichten und Listen, Ordres de Bataille usw.; noch mehr aber die treifliche Ausstattung*) mit Über- sichtskarten, Plänen, Skizzen, von denen mehrere (darunter eine eigenhändige Skizze Friedrichs über Lobositz) dem Bande eingeheftet sind, eine weitere stattliche Zahl in einem besonderen Beilageband vereinigt ist. Ohne den manchmal fast luxuriösen Eindruck der Beigaben des österreichischen Geueralstabswerkes über den ()ster- reichischen Erbfolgekrieg zu erreichen, erfreuen sie doch durch ihre überaus klare, verständliche EinzeicKnuiigsweise, ihre mehifach kunst- technisch sehr schöne Her>itelhing (vol. z. B. die Blätter über Lobositz und Pirna, desgl. im IL Bd. über Prag). Sie sind für die rasche Erfassung der Sachlage höchst förderlich; z. B. die Übersichtskarte 3 über die Standorte sämtlicher am Kriege beteiligter Truppen in Deutschland gewährt ein deutlicheres Bild von den Stärkeverhält- nissen und ihrer räumlichen Verteilung, als das seitenlange Be- schreibungen vermögen; auf Skizze 1 über Vormarsch und Zusammen- ziehung der Preulsen vom 28. August bis 10. September 1756 erfafst man mit einem Blicke die ganzen Vorbereitungen zur Schürzung des Knotens, desgleichen in Band 11 auf Skizze 9 und 10 über die Versammlung der Heere und den Einmarsch im März und April 1757.

Der zweite Band behandelt den böhmischen Feldzug von 1757 bis zur Schlacht von Prag; er berührt daher die sächsische Ge- schichte nicht in gleichem Grade, wie der erste. In starkem Kontrast zu der Unkenntnis und Lässigkeit, die die sächsische Generalität 1756 wiederholt betreffs der Erkundung und Berücksichtigung ört- licher Verhältnisse bei ihren Maisnahmen bewiesen hatte, steht Friedrichs Eifer während des Winters 1756/1757, sich Aufklärung über das Terrain, besonders auch mit vorausblickender Fürsorge schon für Operationen westwärts, nach Thüringen hin, zu verschaffen, für den Fall einer damals ja erst als fernes Gewölk am politischen Horizont auftauchenden französischen Offensive; er reiste selbst nach Leipzig und WeiJsenfels und liefs grofse Teile Sachsens durch Moritz von Anhalt bereisen und genau für militärische Zwecke erkunden. Von hohem Interesse ist die unter Berücksichtigune: der wechselnden politischen Lage mit ihrer Unsicherheit wegen der Haltung und aktiven Schritte Englands und Frankreichs gegebene Schilderung, wie sich allmählich der kühne Kriegsplau von 1757 entwickelte, wie

der Orthographie bei Wiedergabe von Quellenstelleu. Es berührt sonderbar, dals man im Französischen ebenso modernisiert, wie das die akademische Ausgabe der Oeuvres de Frederic und die Polit. Korresp. tun, dagegen im Deutscheu.. eine Orthographie anwendet, die sich peinlich an die unnützesten Aufserlichkeiten, die einer zu- fälligen Schreiberlaune entstammen, klammert, wie bei der Grofs- oder Kleinschreibung, vgl. z. B. S. 285: „Der König lalsen sämtlichen Regt, vor ihre erwielsene aulserorthentliche Pravour in dem gestrigen treffen Viel mahls dancken, und werden ihne proben dero gnade nach möglichkeit erweifsen".

•*) Auch der Textdruck selbst in seiner schlichten Vornehmheit macht der ersten Militärverlagsbuchhandlung Deutschlands alle Ehre.

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der König die von Wiuterfeldt und Schwerin ihm vorgetragenen Ideen nach längeren Erwägungen sich zu eigen machte, sie aber weiterbildete, so dafs aus einem blolsen Vorstois zur Wegnahme böhmischer Magazine und Schädigung einzelner Truppenteile der Streich werden sollte, der die österreichische Hauptmacht vernichten und Friedrich zum Herrn Böhmens machen sollte.

Die Arbeitsleistung, welche die verschiedenen Offiziere zu be- wältigen hatten, war au J serordentlich grols; ihre Forschungen hatten sich neben der umfänglichen Literatur über ein ausgedehntes, ver- streutes handschriftliches Material an Akten, Briefen, Tagebüchern, Karten usw.. zu erstrecken, die in den Staats- und Kriegsarchiven Preulsens, Österreichs, Frankreichs, Sachsens, Anhalts und anderer Staaten, sowie verschiedenen Privatarchiven, zum Teil bisher noch unbenutzt, ruhten. Unter der reichhaltigen Literatur zur Geschichte der Fridericianischen und Theresianischen Zeit ist daher dem Greneralstabswerk mit Recht eine hervorragende Stelle anzuweisen.

Dresden. W. Lippert.

Uikundlicbe Beiträge und Forschungen zur Geschichte des Preufsischen Heeres. Herausgegeben vom Grofsen Generalstabe, Kriegsgeschichtliche Abteilung II. Drittes Heft: Das Gaudische Journal des Siehenjährigeu Krieges. Feldzüge 1756 und 1757. Von Jany, Oberleutnant, kommandiert beim Grofsen General- stabe Berlin, E. S. Mittler u. Sohn. 1901. IV, 64 SS., mit Titelbild.

Der Gedanke , neben den grofsen Kriegsdarstellungen noch kleinere Publikationen über einzelne Ereignisse, Truppenkörper, Quellen etc. herlaufen zu lassen, ist so löblich, dafs er keiner Be- gründung bedarf. Ob es aber nötig war, dafür neben der Reihe der „Kriegsgeschichtlichen Einzelschriften" eine neue Gruppe zu schaffen, ist fraglich; denn abgesehen davon, dafs die Einzelscliriften sich nicht auf das preufsische Heer allein beschränken (obwohl diesem naturgemäfs der Löwenanteil zufällt), dienen beide Serien dem gleichen Zwecke. Doch das ist nur nebensächlich; als erfreulich aber ist es zu bezeichnen, dafs der Grofse Generalstab hier mit dem starr fest- gehaltenen Grundsatz der Nichtnennuug der Verfasser seiner Arbeiten gebrochen hat. Gaudis Aufzeichnungen in ihren verschiedenen Re- daktionen sind von einschneidender Bedeutung für die bisherige Beur- teilung des Siebenjährigen Krieges gewesen, indem sie gern tendenziös ausgenützt wurden und bald einer vorwiegend dem König ungünstigen Auffassung, bald der gegenteiligen als Grundlage dienten. Im Gegen- satz zu den früheren, mehr oder minder kritiklos ihrer jeweiligen Vorlage folgenden Benutzern geht Jany in einer den Anforderungen historischer Quellenkritik vollgenügenden Weise daran, die verschie- denen Überlieferungsformen zu untersuchen, ihre Abhängigkeit und ihr sonstiges Verhältnis zu einander und damit überhaupt erst ihren Quellenwert festzustellen. Es zeigt sich darin schlagend, wie un- erläislich auch für den historisch tätigen Offizier eine gründliche, sozusagen zünftige Ausbildung in einem historischen Seminar ist, wie sie Jany genossen hat. Als Hauptergebnis ist festzuhalten, dafs Gaudi da, wo er selbst anwesend war, als beachtenswerte Original- quelle zu gelten hat, dafs also für 1756/57 seine Mitteilungen für

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den Schauplatz von Wert sind, wo Friedrich II. in dessen Um- gebung sich Gaudi als Guidenkapitän und Flügeladjutant meist befand persönlich dabei war. Die sächsische Geschichte betreifen davon die Abschnitte über die Einschliefsung und Kapitulation der sächsischen Armee; Gaudi war einer der zwölf Offiziere, die Winter- feldt bei seiner Mission ins sächsische Lager am 14. September 1756 begleiteten. Dem Generalstab gebührt besonderer Dank, dafs er neben den rein militärischen Fragen auch den historischen Interessen durch die „Beiträge und Forschungen" in erhöhtem Mafse seine Förderung angedeihen lälst,

Dresden. W. Lippert.

1. Verwaltungsorganisation und Ämterwesen der Stadt Leipzig bis 1627. Von Waltlier Racliel. (Leipziger Studien aus dem Gebiet der Geschichte, herausg. von G. ßuchholz, K. Laraprecht, E. Marcks, G. Seeliger. VlIL Band, 4. Heft.) Leipzig, G.B.Teubner. 1902. XIV, 226 SS. S».

2. [Benjamin Heideclie] Tableau von Leipzig im Jahre 1783. Eine Skizze. (A. u. d. T.: Leipziger Neudrucke, herausg. von G. Wust- mann. Drittes Bändchen.) Leipzig, J. C. Hinrichssche Buch- handlung. 1902. IV, 156 SS. 80.

3. Die Gesclüclite der Dresdner Augustus-Brüclie. Vortrag ge- halten in der Aula der Kgl. Sachs. Techn. Hochschule zu Dresden am 28. Oktober 1902 von Max Foerster. Mit 16 Abbildungen im Text und einer Tafel. Dresden, A. Dressel. 1902. 39 SS. 8».

4. Dresdens Umgebung in Landscliaftsbildern aus dem Anfange des 19. Jahrhunderts. 40 Lichtdruckblätter nach Handzeichnungen und Radierungen von Hammer, Jentzsch, Richter, Wizani, Zmgg und anderen, herausg. von Otto Richter. Veröffentlichung des Vereins für Geschichte Dresdens. Dresden, Lichtdruck von Römmler & Jonas. 1902. qu.-fol.

5. Pirna in den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts. 11 An- sichten in Lichtdruck nach den in der Kgl. Gemäldegalerie zu Dresden befindlichen Gemälden Canalettos aus den Jahren 1752 1755. Herausg. von dem Verein für die Geschichte Pirnas. Pirna 1901. qu.-fol.

6. Bau-Denlimäler der Stadt Pirna aus dem 15.— 17. Jahrhundert. Bearbeitet von Georg Aster. Pirna, L. Scholtz (1902). 5 BU., 20 Taff. fol.

7. Festschrift dem Sächsischen Gemeindetag dargebracht von der Stadt Pirna. (Geschichte der Gemeindevertretung in Pirna bis zum Jalire 1663. Von Oskar Speck.) Pirna 1902. 40 SS. 8».

8. Chronik der alten Bergstadt Lauenstein nebst einer Geschichte der Burg und ihrer Besitzer und der Beschreibung des Gottes- hauses und seiner Kunstschätze (mit 30 Abbildungen). Festschrift zum 300. Gedächtnistage des Festes der Kirchenweihe vom Jahre 1602. Von Max Julius Büttner, evangel.-luth. Pfarrer daselbst. Lauenstein (Leipzig, Arnold Strauch). 1902. VII, 119 SS. S».

9. Heimatkunde von Markranstädt, herausg. von Dr. R. Steitmann.

Leipzig, E. Gaeblers Geogr. Institut. (1902.) 17 SS. 4 BU. fol.

Literatur. 191

10. Chronik von Olsnitz im Erzgebirge. Eine historische, geographi- sche, statistische Beschreibung des Dorfes, verfafst von Emil Jung- hannfs, Lehrer in Ölsnitz i. E. Olsnitz i. E., Selbstverlag des Verfassers. 1901. VIII, 683 SS. S«.

11. Chronilc von Guandstein. Herausg. von Reinhold Grünberg,

z. Z. P. vicarius in Gnandstein. Selbstverlag des Verfassers. 1901, 56 SS. 80.

12. Geschichte des Zschoner Grundes bis zur Ablösung aller Fronen. Herausg. von der Sektion Briesnitz und Umgegend des Gebirgsvereins für die Sächsische Schweiz. Bearbeitet von Alwin Bergmann. Selbstverlag der Sektion Briesnitz. 1902. X, 64 SS. 8".

13. Chronik des Dorfes Marieney i.Vogtl. bis zur Einführung der Sächsischen Landesverfassung. Von Eduard Trauer. Plauen i.V., Kommissionsverlag von A. Kell. 1903. IV, 111 SS. S».

14 Geschichte der Stadt Herzberg im Schweinitzer Kreise, verfafst von Archidiakonus K. Pallas. Herzberg (Elster), Selbstverlag des Verfassers. 1901. 498 SS. 8».

15. Geschichte und Beschreibung der Stadt Zörbig. Von Reinhold Schmidt. Zörbig 1902. 148 SS. 8».

Unserer diesmaligen Besprechung von Erscheinungen auf dem Gebiete der sächsischen Ortsgeschichte möchten wir einen Hinweis auf den kürzlich erschienenen Aiifsatz des Ereiburger Stadtarchivars Peter P. Albert „Ortsgeschichte" (im dritten Bande der „Deutschen Geschichtsblätter" S. 193 ff.) vorausschicken, dessen Lektüre wir allen angehenden Ortschronisten angelegentlich empfehlen; sie finden darin eine Anleitung, wie auf diesem so ungemein fruchtbaren und doch leider oft mit wenig Glück gepflegten Gebiete auch der Dilettant, dem seine Bearbeitung zumeist näher liegt als dem Fachmann, bei einigermafsen geschichtlicher Veranlagung befriedigende Ergebnisse zu erzielen vermag.

Die erste Schrift, die wir zu besprechen haben, ist freilich keine Laienarbeit. Die aus dem Schülerkreise K. Lamprechts hervorge- gangene Untersuchung von W. Rachel über Verwaltungsorganisation und Ämterwesen der Stadt Leipzig (1) ist eine sehr dankenswerte Bereicherung unserer stadtgeschichtlichen Literatur. Wir besafsen bisher über diesen Gegenstand, abgesehen von einer Reihe verdienst- licher Arbeiten G. Wustmanns, so gut wie gar nichts. Der Verfasser, der zunächst nur die Entwicklung des städtischen Amterwesens vom

16. bis 18. Jahrhundert an einem typischen Beispiel zu verfolgen be- absichtigte, überzeugte sich bald, dafs die Lösung dieser Aufgabe eine Untersuchung der Entwicklung der gesamten Verwaltungs- organisation von ihren ersten Anfängen an voraussetzte ; andererseits nötigte ihn die Fülle des Stoffs, das Jahr 1627 seit welchem in- folge der Einsetzung einer kurfürstlichen Kommission zur Beauf- sichtigung der Finanzverwaltung der Stadt sich ein stärkerer landes- herrlicher Einriuls auf die Verwaltung geltend machte als Schlufs- punkt zu wählen. Was zunächst Voruntersuchung war, ist dann zum Hauptteil der Schrift geworden ; da bei Darstellung der Verwaltungs- verhältnisse der Natur der Sache nach die Entstehung und Fortbildung der einzelnen Ämter behandelt werden mufste, so blieb für den zweiten, nur ein Sechstel der Schrift umfassenden Teil, der das Ämterwesen selbst behandelt, nicht viel mehr als eine systematische

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ZusaiDiiienfassiang der Ergebnisse des ersten übrig Es hat das zu. einzelnen Wiederholungen genötigt, die dem Benutzer ein Sach- register recht willkommen hätten erscheinen lassen, und eine gewisse Ungleichmälsigkeit in der Gliederung des freilich sehr spröden Stoffes bewirkt; doch sind das nur Aulserlichkeiten, die dem Werte, der Arbeit selbst keinen wesentlichen Eintrag tun. Eine Einleitung- gibt in Kürze Auskunft über die ältere Verfassungsgeschichte von Leipzig, besonders die Entwicklung und die Rechtsverhältnisse des Rates, mit denen sich früher schon v. Poseru-Klett, Wustmann u. a. beschäftigt haben; ihre Ergebnisse werden in einzelnen, meist nichc sehr wesentlichen Punkten berichtigt (vgl. besonder-i den ersten Excurs). Die Darstellung des ersten Hauptteils beginnt mit der Spitze des Verwaltungsorganismus, dem Bürgermeister (i); dann folgt ein interessanter Abschnitt über die Gerichtsorganisation (II), der sich freilich wohl noch erheblich erweitern lielse, und an den sich unmittelbar ein Abschnitt über die 1595 errichtete Vormundschafts- stube (III) anschlielst. Die Wirkung des eindringenden römischen Rechts zeigt sich besonders in der Stellung der Juristen im Rate und in seinem Dienste (iV); auch das Kanzleipersonal (V) wird da- durch insofern beeinflufst, als der (Ober-) Stadtschreiber, der wichtigste Beamte der Stadt, schon seit dem 15. Jahrhundert fast durchweg ein Jurist ist. Weiter werden behandelt die Baumeister (VI) in ihrer wechselnden Stellung als Finanz- und Baubehörde und die sonstigen Ämter der Finanzverwaltuug (VII); zu dieser gehören in gewissem Sinne auch der Kellereibetrieb und das Brau- und Weiuwesen (VIII), die Ratswage und die Geleitseinnahme (IX), die Bauverwaltung (X), das Zeughaus (XI), die Landstube und die Verwaltung des städtischen Grundbesitzes (XII). Nach kürzeren Erörterungen über das Rathaus- personal (XIII) und die Stadtpfeifer und Kunstgeiger (XIV) folgen dann zum Beschluls vier inhaltsreiche und nach den verschiedensten. Seiten hin wirtschafts- und kulturgeschichtliche Ausblicke gewährende Abschnitte über die Polizeiverwaltung (XV. Wachdienst- und Sicher- heitspolizei, XVI. Feuer-, Wohlfahrts-, Fremden- und Sittenpolizei, XVII. Markt-, Handels- und Gewerbep.olizei , XVIII. Gesundheits- polizei). Der zweite Hauptteil, der das Ämterwesen behandelt, unter- scheidet die R.atsamtleute , d. h. die aus dem Rate selbst gewählten Inhaber von Ämtern, und die eigentlichen Ratsbeamten, d. h. die vom Rate angestellten Beamten, und schildert nach allen Seiten hin ihre Rechtsverhältnisse: Anstellung, Amtsdauer, Entlassung, Pflichten, Besoldung und andere Einkünfte, Altersversorgung etc. Die weitere Entwicklung der städtischen Verwaltung seit 1627 wird in einem Schlufsworte kurz angedeutet Diese Inhaltsübersicht, auf die wir uns beschränken müssen, zeigt, welche Fülle von Material das Buch enthält. Der Verfasser arbeitet streng auf Grund seiner archivalischen Quellen ; er hat es mit Recht vermieden, nach der ihm w.ohlbekannten, einschlagenden Literatur die Lücken der urkundlichen Überlieferung auszufüllen und so ein vielleicht farbenreicheres, aber unzuverlässiges Bild zu entwerfen. So verdankt ihm der künftige Bearbeiter der sächsischen Städtegeschichte ein Hilfsmittel, dem sich an Wichtigkeit bis jetzt vielleicht nur Richters Verfassungs- und Verwaltimgs- geschichte von Dresden an die Seite stellen kann.

Aufserdem nennen wir zur Geschichte Leipzigs nur noch das dritte Heftchen der von G. AVustmann herausgegebenen Leipziger Neudrucke (Nr. 2), das, wie seine beiden Vorgänger, das Leipzig des 18. Jahrhunderts beleuchtet. Der Verfasser des seltenen Schriftchens

Literatur. 193

„Tableau von Leipzig im Jahre 1783" soll ein junger Theologe Benjamin Heidecke aus Merseburg (f 1811 als Propst der lutherischen Kirche in Moskau) sein, der Neujahr 1783 in Leipzig immatrikuliert und durch L. S. Merciers Tableau de Paris zu seiner Arbeit angeregt wurde. Wenn das flüchtig hingeworfene, in altklug-moralisierendem Tone gehaltene Buch, das ohne viel Witz so ziemlich über alles Tadel und Spott ausgiefst und nur selten einmal ein Wort der An- erkennung ausspricht, diesen übrigens mit gewohnter Sorgfalt be- arbeiteten und dm-ch einige Anmerkungen erläuterten Neudruck nicht erfahren hätte, so -würde die Wissenschaft kaum viel verloren haben. Auch die rein lokalgeschichtliche Ausbeute ist ziemlich bescheiden, da der gröfste Teil des Inhalts ebensogut in jede andere Beschreibung einer gröfseren Stadt jener Zeit hineinpassen würde.

Für die Geschichte Dresdens ist der unter 3 genannte Vor- trag von Max Foerster kaum als eine Bereicherung anzusehen. Die vorhandene Literatur, die über die Geschichte der Eibbrücke ziemlich reiche Auskunft gibt, ist fleifsig, aber nicht mit der nötigen Kritik benutzt worden; so entspricht namentlich das, was nach chronikalischen Nachrichten zweifelhaften Wertes und Lindaus Ge- schichte von Dresden über die Anfänge der Brücke berichtet wird, keineswegs dem gegenwärtigen Standpunkt der Forschung. Es gut dies besonders von dem Anteil der Burggrafen von Dohna an der Erbauung der Brücke. Will man den Versuch machen, die Frage, wer die Brücke gebaut habe, durch Vermutungen zu beantworten, so wird man wohl von dem nahen Verhältnis der Brücke zur Kreuz- kirche ausgehen und annehmen müssen, dals hier wie in vielen anderen Fällen kirchliche Werkmeister, die einzigen, die in jener Zeit sich aitf den Steinbau verstanden, die Brücke zunächst als Zugangsweg zur Kirche und zu dem mit der Kirche in nahem Zu- sammenhange stehenden Markte geschaffen haben. An eine be- sondere Brüderschaft für den Bau der Brücke zu denken, liegt keine Veranlassung vor; insbesondere hatte die Kaiandbrüderschaft schwer- lich etwas damit zu ttm. Es mag schliefslich darauf hingewiesen sein, dafs vor kurzem eine von 0. Lehmann verfafste Untersuchung über die Geschichte des Augustusbrückenzolls an einer nicht allgemein zugänglichen Stelle, nämlich in der Sammlung der Druckvorlagen des Rats zu Dresden (1902 Nr. 31a), veröffentlicht worden ist, die durchaus auf archivalischen Quellen beruht und daher Beachtung verdient.

Ob die neueste Lichtdruckpublikation des Vereins für Geschichte Dresdens (4), eine von O.Richter herausgegebene Sammlung von Landschaftsbildern aus der Umgebung Dresdens, wirklich noch zur ortsgeschichtlichen Literatur zu rechnen ist, kann zweifelhaft er- scheinen. Sicher wird sie den Vereiusmitgliedern grofse Freude bereitet haben. Die schlichten Radierungen, Sepia- und AquareU- zeichnungen Adrian Ziuggs und der um ihn in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts sich bildenden Gruppe von Landschaftszeichnern, die den Lichtdrucken zu gründe liegen, atmen den anspruchslos- sinnigen Geist jener Tage, denen die Natur mit ihren gerade um Dresden so reich vertretenen Schönheiten ein erst vor kurzem neu erschlossenes Gebiet war. Die meisten Blätter bieten Stimmungs- bilder, die uns schneller in die Zeit unserer Grofsväter zurück- versetzen, als manche bogenlange Schrift. Aber auch wer auf topo- graphische Einzelheiten ausgeht, kann manches daraus lernen; hat doch Dresden und seine Umgebung niemals so gewaltige Änderungen

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 1. 2. 13

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erlebt, wie in den letzten hundert Jahren. Leider bat der Heraus- geber darauf verzichtet, Erhäuterungen zu den einzelnen Blättern zu geben; es wäre ihm sicher ein Leichtes gewesen, eine Reihe von Fragen zu beantworten, die sich dem Betrachter aufdrängen.

Ebenso bedauern wir, dafs der unter 5 genannten ersten Ver- öffentlichung des Vereins für Geschichte Pirnas keinerlei Text, nicht einmal ein Inhaltsverzeichnis, beigegeben ist. Die Mappe ent- hält elf recht gute Lichtdruckreproduktionen der von Bernardo Beiotto gen. Canaletto in den Jahren 1752 17.55 für das Brühische Palais gemalten und jetzt in der Kgl. Gemäldegalerie (Nr. 618 628) befindlichen Ansichten von Pirna. Sechs dieser Ansichten sind, jedoch ^ nicht nach den Origiualgemälden, sondern nach den in Kleinigkeiten hier und da abweichenden Radierungen, bereits in der 1894 erschienenen Canaletto-Mappe des Vereins für Geschichte Dresdens (Tafel XVII bis XXII) wiedergegeben worden; auf die Einleitung zu dieser Mappe und die Bemerkungen zu den einzelnen Bildern wird der Benutzer des vorliegenden Werkes zurückgreifen müssen, wenn er sich über den Maler und seine Werke näher unterrichten will.

Die Stadt Pirna hat noch eine Publikation von kunstgeschicut- lichem Interesse aufzuweisen (6). Der jetzt in Loschwitz lebende Architekt G.Aster hat eine Sammlung von vor zwanzig und mehr Jahren durch ihn aufgenommenen Strafseubildern und namentlich Abbildungen von Bauteilen, Fenstern, Erkern und vor allem Portalen veröffentlicht; man mufs ihm dafür um so dankbarer sein, als viele dieser meist recht reizvollen Werke der Spätgotik und Renaissance inzwischen als Opfer unserer schnelllebenden Zeit Neubauten haben weichen müssen und entweder ganz verschwunden sind oder in Höfen u. dergl. ein geduldetes Dasein fristen. Das Werk Asters ist eine wesentliche Ergänzung des ersten, von R. Steche 1882 heraus- gegebenen Heftes der Beschreibenden Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreiches Sachsen, in dem die meisten der hier abgebildeten Werke genannt werden; zeigt das übrigens schon seit Jahren vergriffene Heft auch in manchem, dafs es die Erstlingsarbeit des Verfassers auf diesem Gebiete war, so vermissen wir doch ungern seine Erwähnung in der Einleitung zu Asters Publikation.

Eine kleine saubere Arbeit zur städtischen Verfassuugsgeschichte, die auch von allgemeinerem Standpunkte aus Beachtung verdient, ist 0. Specks Geschichte der Gemeindevertretung in Pirna (7); sie sollte als Festschrift dem sächsischen Gemeindetage in Pirna über- reicht werden, der dann wegen des Ablebens des Königs Albert auf 1903 verschoben wurde. Auf Grund der vorhandenen Literatur, hauptsächlich aber nach den Quellen des dem Verfasser unterstellten Ratsarchivs der Stadt Pirna wird zunächst das Verhältnis zwischen Rat und Gemeinde im Mittelalter dargestellt, dann aber die Organi- sation, die nach den unruhigen Bewegungen der Jahre 1518 und 1519 durch eine Verordnung des Herzogs Georg vom 4. Januar 1520 ge- schaffen wurde und im wesentlichen darin bestand, dafs sechs von der Gemeinde zu wählende „Rechherren" zur Beaufsichtigung der städtischen Vermögensverwaltung neben den Rat gesetzt wurden. Unter beständigen Kämpfen besonders mit dem Rat, hier und da aber auch mit der Gemeinde, deren Wahlrecht sehr bald der Kooptation wich, hat sich dieses Kollegium nach und nach immer mehr Befug- nisse gegenüber dem Rat zu erwerben gewufst. Die Vergleiche vom 6. Juni 1611 und vom 4. Juli 1663 lassen die Rechherren in der Tat

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als Vertreter der Bürgerschaft erscheinen, wie es anderwärts, z. B. in Dresden, die Viertelsmeister waren; sie sind somit Vorläufer der durch die Städteordnung von 1832 eingeführten Stadtverordneten.

Ebenfalls als Gelegenheitsschrift gibt sich M. J. Büttners Chronik von Lauenstein (8). Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, dafs der Verfasser, wie so mancher seiner Amtsbrüder, durch die neue sächsische Kirchengalerie zur ortsgeschichtlichen Tätigkeit angeregt worden ist; dies und der Zweck der Festschrift lassen es begreiflich erscheinen, dafs der Geschichte der Kirche und Pfarre ziemlich viel Raum zugeteilt ist. Noch mehr tritt die Ge- schichte des Schlo.sses und besonders der Familie von Bünau in den Vordergrund, der Lauenstein drei Jahrhunderte hindurch gehört hat, während die Nachrichten zur Geschichte der Stadt selbst recht dürftig sind. Das Verzeichnis der „Quellen" auf S. 119 läfst erkennen, dafs der Verfasser sich bemüht bat, möglichst alles zu sammeln, was über Lauenstein gedruckt wordeu ist; wir vermissen nur einen Hinweis auf das in Kreysigs Beiträgen IV, 350 ff. enthaltene Diplomatarium Lauensteinense. Daneben hat er auch archivalische Studien nicht verabsäumt. Aber die kritische Sichtung des Materials ist nicht so ganz gelungen. Wenn neben Urkunden und Akten arglos Hagecius und Peckenstein, die Bünauischen Leichenreden, Poenickes Album der sächsischen Ritterzeiten u. dgl. benutzt werden, so kann man sich nicht wundern, dafs mancher Irrtum mit unterläuft, wie die Nachricht von dem Aufenthalt Markgraf Heinrichs auf dem „Burg- wart" Lauemstein 1249 oder gar die Angabe, dafs das Geschlecht der Bünau schon 996 in hohen Ebren gestanden habe. Ruschel. nicht Bastei, von Körbitz verlieh der Stadt 1374 einen freien Wochen- markt (nicht das Stadtrecht, das der Ort wohl schon vorher besafs); der Vorname ist durch einen Lese- oder Schreibfehler schon in der Lauensteiner Stadtrechtsbandschrift (jetzt im Hauptstaatsarchiv) entstellt wiedergegeben. Über die Dohnasche Fehde, die übrigens gar nicht in ein Buch über Lauenstein gehört, ist seit Bartschs Historie von Dohna, der der Verfasser folgt, doch recht viel er- schienen, u. a. auch im vorigen Jahr ein längerer Aufsatz in dieser Zeitschrift. Der Benutzer wäre unter diesen Umständen dem Ver- fasser sehr dankbar, wenn er sich nicht auf eine summarische Quellenangabe beschränkt, sondern jede einzelne Nachricht belegt und so die unerläfsliche Nachprüfung erleichtert hätte. In eine Be- urteilung der mit einem ausführlichen Stammbaum ausgestatteten Bünauschen Familiengeschichte, auf die der Verfasser offenbar viel Fleils verwandt bat, gehe ich schon deswegen nicht ein, weil dem- nächst der erste Band des lange erwarteten Werkes von R. von Mansberg über den sächsischen Adel vorliegen wird, der u. a. auch die Bünaus behandelt. Die Vermutung, dafs die Figuren an dem berühmten Altarwerke der Lauensteiner Kirche nicht die Stifter (Rudolf von Bünau und Anna geb. von Schleinitz, vgl. Steche, Be- schreibende Darstellung II, 52 f.), sondern einen 1486 verstorbenen Rudolf von Bünau und seine Gemahlin Mecbthild geb. von Schleinitz darstellen, scheint mir recht unwahrscheinlich zu sein.

Steitmanns Heimatkunde von Markranstädt (9) gibt auch einen kurzen Abriis der Ortsgeschichte, der zunächst für die Jugend berechnet ist, aber auch anderen willkommen sein wird, da es eine Chronik der Stadt bisher nicht gibt, abgesehen von der im Rats- archiv handschriftlich vorhandenen des Pfarrers Weifsbach, der der Verfasser einen grofsen Teil seiner Nachrichten verdankt. Für

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künftige Auflagen mag darauf hingewiesen werden, dafs der Name Markranstädt, wie schon die lateinische Form Ranstete forensis lehrt, nur eine Entstellung von Marktranstädt ist (so heifst der Ort z. B. 1355, Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg I, 929), also mit der Mark nichts zu tun hat. Die Gründung des Marktes dürfte noch ins 12. Jahrhundert fallen, da schon 1190 antiquum Eanstete (Alt- ranstädt) erwähnt wird, was doch ai;f ein zweites Eanstädt schliefsen lälst. Das Stift Merseburg erwarb zwar 1285 die zum Gerichtsstuhl Markranstädt gehörigen Dörfer; Markranstädt aber mit dem Patronats- recht (die Kirche bestand also damals auch schon) war 1284 durch Markgraf Dietrich dem AVeifsenfelser Klarenkloster überwiesen worden (Neue Mitt. des Thüi-. Sachs. Vereins XI, 415), und dieses verkaufte das Städtchen 13n4 an Rudolf von Bünau, der es 1355 weiter an den Bischof von Merseburg veikaufte und von diesem als Lehn zurück- erhielt (Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg 1, 911. 929). Die Übertragung" des Niederlagsrechtes an Leiijzig erfolgte schon 1507. Sehr willkommen ist die Beifügung des Stadtplanes (in dem nur Verweise auf die am Rande genannten Stralsennamen hätten ein- gedruckt werden sollen) und eines Planes des wunderlich geformten Marktplatzes; ans welcher lokalen Eigentümlichkeit mag sich wohl die dreieckige Form desselben erklären? Auch eine Karte der Um- gebung von Markranstädt und des Königreiches Sachsen sind bei- gefügt. —

Gehen wir zu den Dorfgeschichten über, so liegt \ms zunächst eine nahezu 700 Seiten starke Chronik von Oelsnitz im Erzgebirge (10) vor. Übertrifft dieses gegen 14000 Einwohner zählende Dorf auch an Gröfse viele unserer Städtlein, so blickt es doch, wenn wir von den letzten Jahrzehnten absehen, auf eine ziemlich bescheidene Vergangenheit zurück. Das von grofsem Fleifs und Sammeleifer zeugende Buch von Junghannfs verdankt seinen Umfang dem Umstände, dafs der Verfasser in erster Linie weniger die Vergangen- heit als die Ge2:enwart ins Auge gefafst hat; er will sein Buch als Nachschlagewerk für den heimatkundlichen Unterricht in der Schule angesehen wissen. Das ist gewifs ein Zweck, gesren den sich nichts einwenden läist; nur sollte man dann nicht den Titel einer „Chronik" wählen. Für die Ortsgfeschichte der älteren Zeit flössen die Quellen ziemlich dürftig; der Verfasser hat die in Frage kommenden Archive sämtlich benutzt und führt aufserdem eine bunte Menge von Druck- werken an, denen er freilich zumeist mehr Bereicherung seiner allgemein- geschichtlichen Kenntnisse verdankt, als dafs sie ihm über Oelsnitz hätten Auskunft geben können. Wir vermissen darunter u. a. das Buch von E. 0. Schulze über die Kolonisierung und Ger- manisierung der Gebiete zwischen Saale und Elbe, das den Verfasser wohl vor der Annahme einer deutschen Eroberang der Gegend im 9. Jahrhundert bewahrt hätte. Das zuletzt von Posse gedruckte Fragment einer Naumburger Bistumsmatrikel, in der Oelsnitz zuerst als Kirchort vorkommen soll, ist nicht von 1286, sondern frühestens aus dem Ende des 15. Jahrhunderts; wird doch die erst 1477 ge- gründete Kirche zu Schneeberg darin angeführt. Die älteste urkund- liche Erwähnung des Ortes Oelsnitz ist erst von 1386, während das Geschlecht der Herren von der Oelsnitz allerdings schon 1219 nach- zuweisen ist. Auch die Erwähnung der Meilsner Bistumsmatrikel vom 22. März 1320 (S. 282) beruht auf einem Mifsverständnifs. Als älteste Patrone der Kirche werden S. 282 „sicher" die Burggrafen von Meifsen, S. 288 die „Grafen" von Wildenfels genannt. Solche

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Flüchtigkeiten begegnen nns mehrfach; auch zeigen die Drucke der Belegurkunden S. 636 ff. und so aanche Lücke im Text (z. B. S. 286 f.), dafs das Entziffern älterer Schriften dem Verfasser nicht immer gelingt. So bedürfen die Nachrichten aus der älteren Geschichte von Oelsnitz durchweg der Nachprüfung. Übrigens bietet die Entstehung der drei,, Anteile" des Ortes, des sächsisch-höfischen, des schönburgischen und des grünhainischen, und ihre spätere Vereinigung in den Händen der Herren von Schönburg manches Interessante. Der Verfasser be- schäftigt sich weiter mit der Lage und Grölse des Dorfes, der Bauart und den Preisen der Häuser, denStrai'sen und Wegen in und um Oelsnitz, der Gemeindeverfassung und -Verwaltung, den Gerichtsverhältnissen der Einwohnerschaft, wobei er uns eine Fülle von ihm gesammelten volkskundlichen Materials an Kinderliedern, Abzählreimen, Spott- versen u. dergl. mitteilt, ferner mit Ackerbau und Viehzucht, Grewerbe und Innungen, Handel und Verkehr; sehr eingehend wird verdienter- mafsen der Steinkohlenbergbau, die Lebensquelle von Oelsnitz, dar- gestellt. Weitere Kapitel sind dem Kirchen-, dem Schul- und dem üppig blühenden Vereinswesen des Ortes gewidmet. Einem alten Chronisteubrauche entsprechen die „Anualen-', die allerhand meist gar nicht auf ( Jelsnitz bezügliche Notizen über harte Winter und Pest, Hungersnot, Getreidepreise und alles mögliche andere nach Herzogs Zwickauer, Eckardts Glauchauer, einer sogenannten „Lichten- steiner" Chronik, der der Verfasser selbst nicht recht traut, und anderen Quellen bringen. Der zweite Teil enthält eine nachahmens- werte Zusammenstellung der geschichtlichen Daten über die einzelnen katastrierten Gebäude, zu deren Verständnis und Vervollständigung wir nur die Beifi\gung einer Flurkarte und eines Verzeichnisses der überlieferten Flurnamen gewünscht hätten, und eine Reihe Tabellen über Witterungserscheinungen, über das Wachstum der Gemeinde an Bewohnern (seit 1755) und Wohngebäuden (seit 1558), über Ge- burten, Aufgebote, Trauungen und Sterbefälle (seit 1696), über Wahlen, über den Postverkehr. Ein alphabetisches Register erleichtert die Benutzung des Buches. Trotz mancher Bedenken und trotz der zu- weilen ermüdenden Breite der Darstellung erkennen wir gern an, dafs es dem Verfasser gelungen ist, eia inhaltreiches und brauchbares Werk zu schaffen, und wünschen ihm, dafs er nicht vergeblich so grolse Opfer an Zeit und Geld gebracht haben möchte.

Wenig befriedigt R. Grünbergs Chronik von Gnandstein (11). Schon das vorgedruckte Quellenverzeichnis, in dem wir z. B. ,,ßezen, Urkunden vom Kloster Zelle" (soll heilsen: Ed. Beyer, Altzelle) und Lepsius, ..Hochstift Magdeburg" (statt: Geschichte der Bischöfe des Hochstifts Naumburg) beide Zitate wiederholen sich in der Schrift selbst und als Hauptquelle für die Einsiedeische Familienge- schichte eine (handschriftliche) Arbeit des übel beleumdeten Valentin König finden, macht bedenklich. Die Schrift wimmelt denn auch von Versehen und Flüchtigkeiten. So verdankt der Gründer von Gnandstein, der „Burgkommandant Gnanno", wohl dem Valentin König seinen Ursprung; dafs das Schlots „höchstwahrscheinlich, wie alle anderen Burgen unseres Vaterlandes, Mitte oder Ende des 10. Jahrhunderts" erbaut worden sei, ist doch überaus zweifelhaft; der Professor Steche, der „in Entzifferung alter Urkunden berühmt war" (S. 17), hiels nach dem dort angeführten Sagenschatz von Gräfse (S. 227, nicht 287) richtiger Knapp; in den Angaben über die ältesten Schlofsherren (S. 19) ist 1241 für 1242, 1337 für 1327, „vierten" für dritten Teil, „Herr" statt Kämmerer von Grunow zu lesen; für

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„Anerchon" (S. 25) Anarch von Wildenfels etc. Ein „Cisterzienser- kloster mit viel Gütern nnd Einkünften" hat es in Gnandstein nie gegeben. In dem Urknndenverzeichnis S. 52 f. finden sich fast in jeder Nummer Fehler. Verhältnismäfsig am brauchbarsten sind die Mitteilungen aus der kirchlichen Geschichte des Ortes, wie die statistischen Zusammenstellungen aus den Kirchenbüchern, die Aus- züge aus Visitationsakten von 1540, einzelne Ergänzungen zur Be- schreibenden Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler Sachsens Heft 15, die biographischen Nachrichten über einzelne Pfarrer.

Den Eindruck einer gewissenhaften Arbeit macht dagegen A. Bergmanns Geschichte des Zschoner Grundes (12). Der Verfasser, der sich als fleiisiger Forscher schon durch manche kleine Arbeit bewährt hat, fand, abgesehen von Weites Programm über den Gau Nisan, wenig Vorarbeiten vor; er arbeitete durchaus auf archiva- lischer Grundlage. Konnte er für die älteren Urkunden die Drucke des Codex diplomaticus Sax. reg. benutzen, so sah er sich für die spätere Zeit ausschliefslich auf ungedrucktes Material angewiesen und hat in der Tat eine grofse Masse von Notizen, namentlich aus dem Hauptstaatsarchiv, zusammengebracht. Er behandelt den Namen des Grundes, seine Natur im Wechsel der Zeiten, die Geschichte der drei Mühlen, der seit 1.575 nicht mehr genannten Kemnitzer, der Welten- und der Zschoner Mühle, das von 1763—1778, freilich mit sehr ungünstigem Erfolge, betriebene Silberbergwerk ,.Gabe Gottes", und geht dann auf die Geschichte der Dörfer Kemnitz, Omsewitz und Burgstädtel, Ockerwitz, Mobschatz, Merbitz und Podemus ein; ausgeschlossen wurde Briesnitz, weil darüber ein so reiches Material vorliegt, dals seine Bearbeitung einer besonderen Schrift vorbehalten bleiben raufs , und die bereits von Lefske in seinem Buche über Gorbitz und Umgegend behandelten Ortschaften. Dankenswert sind auch die letzten Abschnitte über Dorfverfassimg, Dorfverwaltung, Rechte und Pflichten der Bauern von der ältesten Zeit bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts; sie zeigen, dals der Verfasser in der neueren Literatur wohl bewandert ist.

Zu den besten unter unseren Dorfgeschichten dürfen wir E. Trauers Chronik von Marienej' (13) zählen. Der Verfasser, der als Marieneyer Kind über eine genaue Ortskenntnis verfügt, bringt aus seinem Berufe er war lange Jahre Bezirkssteuerinspektor in Plauen ein klares Verständnis der agrarischen Verhältnisse mit, hat sich aber auch mit der Literatur und den archivalischen Quellen gründlich vertraut gemacht; es kam ihm dabei zu gute, dafs die letzteren für die ältere Zeit wenigstens durch Joh. Müller, vor allem aber durch General von Raab gröfstenteils veröffentlicht worden sind. Auf allgemeinem Hinteigrunde, für den die Ergebnisse von E. O. Schulzes „Kolonisierung und Germanisierung der Gebiete zwischen Saale und Elbe" benutzt werden, schildert Trauer knapp und doch mit liebevollem Eingehen auf das Einzelne die Geschichte und Zu- stände des Dörfleins seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, in die er vielleicht etwas zu spät die Entstehungszeit des Dorfes ver- legt, bis zu der tiefgreifenden Umgestaltung aller ländlichen Ver- hältnisse, wie sie die Verfassung von 1831 brachte, in neun Ab- schnitten. Die ersten betreffen Anlage und Namen des Dorfes, wobei dankenswerter Weise auch die geschichtlich so wichtigen Flurteilnamen berücksichtigt werden. Dann werden die verwickelten Jurisdiktionsverhältnisse, die (öffentlichen, grundherrlichen und sonstigen) Lasten der Bewohner, die Geschichte des Rittergutes, der

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Kirche, der Pfarre, der Schule, endlich ein besonders ansprechender Abschnitt die Lage und Schichtung der Einwohner behandelt. Jede Angabe ist durch Anmerkungen erläutert, deren Anfügung am Schlüsse allerdings nicht sehr praktisch ist; aulserdeni enthalten eine Reihe von Anhängen weitere Ausführungen, wodurch der Stoff freilich noch mehr zerrissen wird. Im ganzen aber bietet das Studium des Schriftchens für jeden, den die Agrargeschichte unseres Landes interssiert, mannigfache Anregung. Dankenswert ist die Beifügung einer Flurkarte.. des Dorfes mit Angabe der Jurisdiktionsgrenzen zur Zeit des Überganges der Patrimonialgerichtsbarkeit auf den Staat. Dafs im einzelnen ein so eindringender Spezialforscher wie Seine Exzellenz Herr General von Raab mancherlei Ergänzungen und Verbesserungen zu geben vermag, beweisen die mir freundlichst zur Verfügung gestellten Bemerkungen desselben, die ich unten voll- inhaltlich mitteile 1).

') Zu S. 9 u. 99. Die Beziehungen der Familie Rabe zu Marieney beruhten nur auf einem Lehnsverhältnis, in welchem eine gröfsere Anzahl Bauernhöfe zu dem dieser Familie gehörigen Schlosse oder Hofe Mechelgrün standen, wie dies in noch anderen elf Ortschaften des Gerichtes zu Vogtsberg, die von Oelsnitz aus, wie auch Marieney, in der Richtung nach Adorf und Schöneck zu lagen. Mechelgrün selbst war Lehn der Herren von Plauen, und so konnten die Markgrafen zu Meifsen auch nur die in ihrem Territorium liegenden Güter, Zinsen, Dienste und Gerichte verleihen. Dies ge- schah nun, soweit bis jetzt bekannt, zum ersten Male am 13. März 1414 (Cop. 33 ßl. 34b) durch Landgraf Friedrich den Jüngeren an die Brüder Friedrich und Albrecht Raben, die durch den Tod ihres Vaters kurz vorher in den Besitz von Mechelgrün gelangt waren, das zweite Mal aber nach dem Tode des genannten Land- grafen durch Kurfürst Friedrich IL am 15. Mai 1441 (Cop. 40 B1.130b) an Jan Rabe, obigen Friedrichs einzigen Sohn. Bei der ersten Belehnung werden in Marieney 13 Höfe, bei der zweiten 8 Höfe und der Zehute daselbst als Rabischer Lehusbesitz im Bezirk Vogtsberg aufgeführt, bei letzterer erhalten aber auch die anderen Raben zu Neuensalz, Reusa, Theuma etc., die sich sämtlich im 14. Jahrhundert von Mechelgrün abgetrennt hatten , zahlreiche Lehen, Zinsen etc. in den oben berührten elf Dörfern. Den Rückgang der Güter in Marieney von 13 auf 8 bewirkte, wie angedeutet ist, 1417 der Verkauf von 6 Gütern durch Friedrich Rabe, der sich mit seinem Bruder Albrecht mittlerweile abgeteilt hatte, an die Bürger zu Oelsnitz, welche die auf den Gütern liegenden Zinsen dem St. Leonhards- Altar in der Stadtkirche widmeten. In dem Befreiitngsbriefe Landgraf Friedrichs d. J. vom 4. August 1417 (Cop. 33 Bl. 150) sind diese Güter namentlich, jedes mit seinen Zinsen, aufgeführt; es waren die Höfe der Bauern Trolczen, Pernolcz, Degkenkouwe, Gremfse. der Kretzmer vor der Kirchen und Hauweysen, die zusammen 3 Schock 12 '/j Gr. an Geld zinsten; dazu hatten die ersteren je 15 Rüsten Flachs, 15 Eier,

1 Käse und l Henne, aulserdem noch drei 5 Scheffel Hafer und drei

2 Va Napf Mohn zu zinsen, so dafs der St. Leonhard-Altar aus Marieney aulser den 3 Schock 12 ■,., Gr. an Gelde noch 5 Scheffel Hafer. 2^1^ Napf Mohn, 75 Rüsten Flachs,"'75 Eier, 5 Käse und 5 Hühner jährlich bezog. Dies ist dem Verfasser, der sich mit meinem Regest begnügte, ohne

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Auch diesmal schliefsen wir unsere Anzeige mit der Be- sprechung von Arbeiten über zwei Orte, die zwar heute nicht mehr sächsisch sind, aber geschichtlich zu Sachsen gehören. So ist die Stadt Herzberg aller Wahrscheinlichkeit nach eine Gründung der von dem jüngsten Sohn Markgraf Konrads des Grofseu abstammenden Grafen von IBrehna aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts; nach deren Aussterben 1290 besafsen sie zwar bis 1422 die askanischen Herzöge von Sachsen, dann aber wiederum fast 400 Jahre lang die Wettiner, denen sie also nicht blofs ihre. .Entstehung, sondern auch fast ihre ganze Entwicklung verdankt. Über sie liegt uns ein tüch- tiges Werk des Archidiakonus Pallas (14) vor. Der Verfasser stellt sich streng auf urkundliche Gnmdlagen; nicht blofs das Stadtarchiv, sondern auch die Archive in Dresden, Weimar und Magdeburg hat er fleifsig durchgearbeitet. Leider ist dem Buche kein Stadtplan beigegeben; bei der grofsen Wichtigkeit der Stadtpläne für die Kenntnis der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte unserer Städte sollte dies nie versäumt werden. Ein Blick auf den Stadtplan macht es klarer, als die S. 23 f. gegebene Beschreibung, dafs Herz- berg zu jenen regelmäfsigeu Stadtanlagen des 12. und 13. Jahrhunderts

das Copial selbst einzusehen, entgangen; er sucht die Güter nach dem Erbbuch von 1542 festzustellen. Die im Eabischen Besitz ge- bliebenen Marienej'er Lehngüter kamen, nachdem Jan Rabe teils durch Verkauf, teils infolge von Felonie Mechelgrün verloren hatte, mit diesem an Apel von Tettau und seine Erben.

Die in Anm. 32 geäulserte A^ermutung, daf^ die Raben schon zur Zeit der Gründung des Dorfes Marienej^ den Besitz daselbst erlangt haben, ist kaum zutreffend, da der erste dieses Namens nicht vor 1298 im Vogtlande und zu Mechelgrün erscheint, zugleich aber auf dem Schlosse Wildstein bei Eger sals. Wenn auch der Zeitpunkt nicht feststeht, wann er Mechelgrün erwarb, so kann dies unbedingt nicht vor 1267 gewesen sein, also in einer Zeit, in welcher I^lariene}' aller Wahrscheinlichkeit nach schon vorhanden war. (Vgl. Mit- teilungen des Altertumsvereins zu Plauen III, 47 und Joh. Müller Urk. Nr. 37 und 134).

Zu S. 19. Was die Besitzer des jetzigen Rittergutes anlangt, so ist es wohl möglich, sogar wahrscheinlich, dais die von Marieuey (de Marchenia), späterhin die Marcheneyer genannt, die ersten in der Reihe dieser gewesen sind, doch liegt kein voller Beweis dafür in den wenigen Urkunden vor, in denen die Marcheneyer ge- nannt werden , imd nur die Vergebung einzelner Güter in den be- nachbarten Dürfern Salig und Arnolds grün kann zu dieser Vermutung Veranlassung geben.

Zu S. 24 u. 84. Als die Thossen auf dem Vorwerke zu Marien ey ausgingen und der letzte sein Lehngut dem Lehnsherrn zurückgab, liefs es dieser, Kurfürst Johann Friedrich, wie richtig hervorgehoben wird, sofort durch seinen Amtmann an die Gebrüder Adam, Hans und Joachim von Tettau verkaufen, deren Vater Christoph von Tettau auf Schilbach etc. kürzlich verstorben war In der bald nach 1545 erfolgten Erbteilung zwischen den Brüdern erhielt der mittlere Hans die Güter Neuensalz und Marieuey. Er wohnte aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in letzterem, sondern in Neuensalz, wo er auch am 29. September 1569 verschied, seine Güter vier Söhnen hinterlassend. V^on hier an lälst sich die vollständige ßesitzerreihe von Marieuey, die der Verfasser

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gehört, wie sie im ganzen Osten Deutsclilands so häufig vorkommen; €s entstand wohl kaum durch Ausbau eines älteren Dorfes, sondern vielmehr neben einem solchen, dessen Name „Altherzberg" gewifs nichts mit den „Aldionen" zu tun hat, wenn auch im 11. Jahrhundert diese bei Langobarden und Bayern häufige Bezeichnung von Hörigen einige Male in unseren Urkunden vorkommt. Auch sonst wird mau nicht mit allen Annahmen einverstanden sein können, die uns in den ersten Abschnitten des Buches (Vorgeschichte, Gründung und Anlage der Stadt, Stadtobrigkeit, Bürgerschaft) entgegentreten. Die Ent- wicklung des Rates und sein Verhältnis zum Schöft'enkoUeg bleibt dunkel; die Entstehung der Altbürgerschaft aus mit Freihöfen be- gabten Mannen und Beamten der Fürsten ist kaum anzunehmen, da eben die Freihöfe nicht zum Stadtgebiet gerechnet wurden. Recht anschauliche Bilder gibt der Verfasser aber in den weiteren Ab- schnitten, für die ihm reicheres Material zu Gebote stand. Als be- sonders wohlgelungen möchte ich den fünften Abschnitt über die Stadtverwaltung hervorheben; die Ausführungen über die Kämmerei- verwaltung, über Justiz- und Polizeiwesen (unter Benutzung einer inhaltreichen Willkür von 1423 und ihrer späteren Redaktionen)

sehr unvollständig gibt, nach den Akten des Lehnsarchivs (im Amtsgericht Dresden -Neustadt) nachweisen. Die beiden jüngsten Söhne des Hans von Tettau, Balthasar und Hans Georg, erhielten 1569 zusammen Marieney, und nachdem Hans Georg in den Niederlanden 1580 gefallen war, kam auch dessen Hälfte durch Kauf an Balthasar, der nun alleiniger Besitzer des Gutes wurde. Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen, als der Kur Sachsen Administrator, helehnte ihn am 12. Januar 1592 mit dem Vorwerk und Gut Marieney, dem Erbkretschmar, der Mühle, Schäferei sowie zehn Gütern mit Zinsen etc. im Dorfe selbst, wie mit solchen in Würschnitz, Zaulsdorf und Kottengrün, wie alles sein Vater Hans be- sessen hatte.

Balthasar von Tettau starb zu Marieney am 12. März 1607 {Freitag nach Oculi) und hiuterliels neben mehreren Töchtern sieben erwachsene Söhne Jobst Caspar, Alsmus, Hans Balthasar, Hans Joachim, Hans Christoph, Hans Ernst und Hans Oeorg, die, wie wohl nicht zu verwundern, sich im Besitz des Gutes nicht erhalten konnten. Jedenfalls bestanden im Jahre 1609 in Marieney zwei gesonderte Vorwerke, welche Trennung mutmafslich die Brüder vorgenommen, da der Lehnbrief von 1592 davon noch nichts erwähnt. Die Vorwerke werden als oberes und unteres, das erstere auch als das rothe Haus bezeichnet.

Schon am 8. April 1609 (Mittwoch nach Judica) mufsten die Brüder für eine Schiald von 1700 Gulden das obere Vorwerk auf neun Jahre an Friedrich Volrath von Watzdorf verpfänden, verkauften aber nach Ablauf dieser Frist am 13. März 1618 (Dienstag nach Reminiscere) dasselbe für 2500 Gulden an Hans Abraham von Seydewitz.

Wenig früüer hatten die Brüder von Tettau auch das untere Vorwerk an Thomas Joachim von Feilitzsch veräulsert, der sich am 20. Oktober 1618 beklagt, dafs ihm die Verkäufer, ungeachtet er sie voll bezahlt habe, keinen Kaufbrief ausstellen imd die Lehn- briefe nicht überliefern wollten. Er überliels bald darauf auch dies V^orwerk käuflich an Hans Abraham von Seydewitz, der mit beiden Vorwerken am 24. September 1621 beliehen wurde.

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verdienen auch über das Weichbild von Herzberg hinaus Beachtung zu finden. Auch die Angaben über das Erwerbsleben der Stadt sind reichhaltig und zuverlässig. Mit besonderer Liebe und einer auch den vorreformatorischen Verhältnissen gerecht werdenden Unbefangen- heit des Urteils ist das Kirchen- und Schulwesen dargestellt; zu S. 288 bemerke ich, dafs schon in einer Urkunde von 1242 (Haupt- staatsarchiv Orig. Nr. 380) ein Herzberger Pleban Hartmudus als Zeuge erscheint. Weitere Kapitel betreffen das Verkehrswesen, das Waffenwesen und die Schützengesellschaften, die Geschichte der Brände und des Feuerlöschwesens, die Elster, das Vereinswesen. Überall verfolgt der Verfasser den „inneren Werdegang" der Stadt von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Der Überblick über die „äufsere Geschichte der Stadt", mit dem das Buch schliefst, enthält meist bekanntes aus der Landesgeschichte, wird aber den Einwohnern, für die das Buch ja in erster Linie bestimmt ist, vielleicht besonders willkommen sein. Ein sorgfältiges Sachregister, das über den reichen Inhalt des Buches einen genaueren Überblick gewähren könnte, als das kurze Inhaltsverzeichnis am Schlüsse, würde dem Benutzer viel vergebliches Suchen ersparen ; sollte dem Verfasser das seltene Glück einer zweiten Auflage beschieden sein, so empfehlen wir ihm, dies nachzuholen.

Bereits am 26. September 1624 trat Hans Abraham von Sej'dewitz das Gut seinem Bruder Hans Wilhelm von Seydewitz käuflich für 11500 Gulden ab. Dieser wiederum verkaufte am 11. November 1626 das obere Vorwerk, das rothe Haus, für 3900 Gulden an Konrad Bernhard von Feilitzsch, der es am 10. August 1629 für 4000 Gulden an Adam Wolf von Feilitzsch auf Weischlitz, Rosenberg und Dröda verkaufte, welch letzterer am 7. November 1627 auch das untere Vorwerk von Hans Wilhelm von Seydewitz für 6500 Gulden erworben hatte. Nach diesen Kaafsummen müssen die Vorwerke in ihrer Grölse sehr verschieden gewesen sein.

Adam Wolf v. Feilitzsch wurde am 2. März 1642 bei einem Einfalle von bayerischen Soldaten in Rosenberg ermordet. Seine Güter gelangten au die vier Söbne, von denen in der Erbteilung vom 20. Dezember 1648 der älteste Hans Joachim, welcher sich am 28. September 1646 zu Graslitz mit Ursula von Boxberg ver- heiratet hatte, das Gut Marlene y erhielt.

Hans Joachim von Feilitzsch verfiel in Konkurs, und Marieney wurde am 6. Oktober 1753 subhastiert und für nur 4000 Gulden seinem Schwager Friedrich Wilhelm von Boxberg zugeschlagen. Der niedrige Kaufpreis erklärt sich mit aus dem Umstände, dafs das Gut kurz vorher vollständig abgebrannt war.

Friedrich Wilhelm von Boxberg behielt das Gut 18 Jahre, dann kam es durch Kauf vom 5. Februar 1671 an Urban Caspar von Feilitzsch auf Treuen, der es wiederum am 25. Oktober 1684 dem Hauptmann Wolf Caspar von Röder überliefs, der lange Jahre Besitzer blieb, bis er es endlich am 1. November 1730 seinem Schwiegersöhne, dem Rittmeister Philipp Carl von Schirnding, für 8000 Gulden abtrat. Dieser entäulserte sich des Gutes um den nämlichen Preis, den ihm der Hauptmann Carl Heinrich von Thoss bezahlte, am 14. Juli 1735. Nach dessen am 7 Januar 17.52 zu Marieney erfolgtem Tode behielten seine fünf Söhne das Gut im gemeinschaftlichen Besitz, bis es am 24. September 1767 der

Literatur. 203

Auch das Schriftchen von Reinhold Schmidt überZörbig (15) ist vor allem für die weiteren Kreise der Bürgerschaft bestimmt ; der wissenschaftliche Benutzer, dem das beigefügte Register sehr willkommen sein wird, mufs doch stets auf die ältere Stadtchronik von Elteste (1727—1737) zurückgreifen, schon deswegen, weil sie eine Anzahl Urkunden enthält, die Schmidt keineswegs vollständig ausgebeutet hat. So enthalten z. B. die ausführlichen Privilegien- bestätigungen von 1470 und 1486 manches Interessante, was Schmidt nur flüchtig oder, wie die Bestimmungen über die Freihöfe, gar nicht erwähnt. Auch hier vermissen wir ungern einen Stadtplan. Die Kgl. Bibliothek in Dresden besitzt einen solchen aus dem 18. Jahr- hundert, der auch dem Verfasser bekannt war und recht lehrreich ist. Danach scheint auch Zörbig eine Stadtanlage der Wettiner und zwar ebenfalls der Grafen von Brehna aus dem Ende des 12. oder Anfang des 13. Jahrhunderts gewesen zu sein. Freilich wird eine civitas Zurbici schon 961 urkundlich genannt; aber civitas bedeutete in jener Zeit vor allem Burganlage, was ja nicht ausschliefst, dafs eine (dörfliche) Ansiedelung am Fufse derselben bestanden haben mag. Vielleicht erinnert an sie die unregelmäfsige Gestaltung des südlichen Stadtteils zwischen Markt und Schlofs; der Kirchplatz macht fast den Eindruck eines slavischen Rundlings. Das

älteste derselben, der kgl. preufs. Rittmeister Carl Gotthelf von Thoss, für 13600 Gulden allein erwarb. Er starb ohne Leibeserben am 27. April 1785 und nun ging das Gut wieder auf seine drei noch lebenden Brüder über, welche es am 21. Februar 1798 für 14000 Gulden an die Gattin des jüngsten Bruders, des Hauptmanns Carl Ludwig von Thoss, Frau Christiane Johanna geb. Hendel, verkauften, die es aber zum nämlichen Preise am 16. Juni 1800 ihrem Gatten überliefs. Dieser, Carl Ludwig von Thoss, starb bald darauf am 2. Mai 1803, wodurch das Gut an des verstorbenen schon genannte Witwe und dessen Tochter erster Ehe, Fräulein Caroline Friederike Wilhelmine von Thoss, zu gleichen Teilen fiel. Als letztere, nachdem sie sich im Februar 1810 mit Ludwig Heinrich C hristian Lazarus von Feilitzsch verheiratet hatte, bald darauf starb, erbte Marieney genannter von Feilitzsch, der es am 24. Mai 1815 für 31000 Thaler an Christian Friedrich Seifert käuflich überliefs.

Das Weitere ist bekannt.

Zu S. 84. Im Anhang V. d. ist versucht worden , das an und für sich nicht recht wahrscheinliche Einziehen von Bauerngütern durch das Rittergut nachzuweisen und zwar auf Grund zweier Amts- erbbücher, die aber beide keine Erbhücher sind. Es sind dies vielmehr nur Auszüge und stückweise Abschriften aiis dem Erbbuche von 1542 und anderen Amtsbüchern, die voraussichtlich bei Verpfändung des Vogtlandes für Kurfürst August aufgestellt wurden. Da es sich hier nur um einen Einblick in die Renlabilität der Ämter handelte, blieben natürlich alle Güter weg, die dem Amte nicht zinsbar waren daher die scheinbare Verkleinerang der Anzahl ; andererseits können solche auch zweimal erscheinen, wenn sie, was nicht aus- geschlossen, an mehreren Stellen Zins zahlten daher die schein- bare Vermehrung der Güter. Daraus erklärt sich auch zum Teü die in der Tabelle zum Ausdruck gebrachte und nicht erschöpfend begründete Verschiedenheiten in der Zahl der Mannschaften.

204 Literatur.

vorangestellte Verzeichnis der beniitzten Quellen zeigt, dafs der Ver- fasser sich fleifsig in der Literatur umgesehen und auch archivalische Studien, nicht blofs in den örtlichen Archiven, sondern auch in Dresden und Magdeburg, gemacht hat. Er teilt seinen Stoit rein zeitlich in A'ier Hauptabschnitte: von der ältesten Zeit bis 1350, 1350 1539, 1539—1815, 1815 bis zur Gegenwart. Mancherlei, was in diesem Ralimen nicht unterzubringen war, wird in einem fünften behandelt; so linden wir hier u. a. Ausführungen über die Geschlechter von Zörbig und von Pouch, über das Hospital, das Brauwesen, die Strafsennamen, die Einwohner- und Häuserzahlen besoaders seit dem 17. Jahrhundert und endlich eine „Personalchronik". Der sechste und letzte Abschnitt gibt eine Beschreibung des jetzigen Zörbig. Trägt mau, wie billig, dem populären Zweck der Schrift Kechmiug, so darf man auch sie ohne Erage zu den besseren neuerdings er- schienenen Stadtgeschichten rechnen.

Dresden. E r m i s c h.

Das Schulwesen der Leipziger Landgemeinden im 16. und 17. Jahr- hundert. Als Beitrag zu einer sächsischen Schulgeschichte nach urkundlichen Quellen bearbeitet von Bruno Puchta. Leipziger Inaugural - Dissertation. Leipzig, Druck von Grimme «& Trömel. 1901. 112 SS. 8«.

Welchen Fortschritt die Regierung des Kurfürsten August auf dem Gebiete des sächsischen Volksschulwesens bedeutet, das geht von neuem aus den ausgiebigen Berichten der vorliegenden Studie hervor. Mit Interesse verfolgt man die verschiedenen Stufen: die Visitation von 1555/57 , die Generalvisitation von 1574 und die Kirchenordnung von 1580. Namentlich im zweiten Abschnitte, über die Begründung und Ausbreitung des Landschulwesens, wird hier genaues statistisches Material geboten. Ebenso enthält der dritte Abschnitt von der Aufgabe, den Gegenständen und der Methode des Unterrichts, der vierte über die Lehrer, der fünfte über die Unter- haltung und Beaufsichtigung des Schulwesens zahlreiche charakte- ristische Einzelzüge. Von den drei Beilagen sei die Ordnung der Zwenkauer Lateinschule vom Jahre 1598 hervorgehoben (S. 105 f.). Auch sonst findet sich reiches Material zu der noch sehr vernach- lässigten Dorfgeschichte: erwähnt seien die Notizen über die geist- lichen Brüderschaften (S. 17 f.), deren Verbreitung auf den Dörfern noch wenig bekannt ist, über die Dichtigkeit der Bevölkerung (S. 12, 13), über die wirtschaftlichen Verhältnisse (S. 65ff., 72 ff. u. ö.), über Einnahme und Aufbringung des Schulgeldes (S. 75. 86 ff.). Gründliche und vielseitige Studien im Königlichen Hauptstaatsarchiv zu Dresden, im Königlichen Staatsarchiv zu Magdeburg und im Eegierunssarchiv zu Merseburg, sowie in ehemaligen Leipziger Ephoralakten (jetzt im Archiv des Kgl. Bezirksschulinspektors für Leipzig II) haben dem Verfasser den Stoff für seine Arbeit geliefert.

Leipzig. Georg Müller.

Literatur. 205

Übersicht

über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur

sächsischen Geschichte und Altertumskunde^).

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Arnold, E. M. Ein Post-Gedenkblatt [zur Geschichte der Post in Leipzig] : Leipz. Tageblatt. 1902. Nr. 471. S. 6401.

Zigeuner in Sachsen: ebenda Nr. 534. S. 7271.

Verbotene Wege nach Leipzig vor 200 (und mehr) Jahren : ebenda Nr. 658. S. 9077.

Arras, Paul. Urkundliche Beiträge zu dem Salzraarktstreite zwischen Bautzen und Kanienz (1505 1507): Neues Lausitz. Magazin LXXVIII (1902), 223-268.

Bamberg. Etwas vom alten, privilegierten Lockwitzer Mehl- und Brothandel: Über Berg und Tal XXV (1902), 74—77.

Etwas 'aus der prähistorischen Kinderstube: ebenda XXVI (1903), 136—138.

Baumgärtel. Von Ltitzen nach Bautzen: Wöchentliche Beilage der

Bautzner Nachrichten. 1902. Nr. 17—21. Beil, A. Die Parochie Penig mit Interdikt (1487): Schönburger

Tageblatt. 1903. Nr. 20. 26. Beschorner, H. Denkschrift über die Herstellung eines historischen

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Halle a. S. 1901. 58 SS. 8*>.

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Das Chemnitztal im Mittelalter: ebenda Nr. 373. 375. 377. 379. V. Boetticher. Beiträge zur Geschichte des Kirchdorfs Crostwitz:

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Garde du Korps im russ. Feldzuge: ebenda Nr. 6.

Die sittliche Bedeutung der Haltung sächsischer Krieger im russ. Feldzuge: ebenda Nr. 7.

Was der Major Bevilaqua vom Regiment ,, König" über seine Ge- fangenschaft (1812) erzählt: ebenda.

Die Thaten des sächs. Heeres in den historischen Dichtungen (Das sächs. Heer und die deutsche Dichtung. Das sächs. Heer und die Dichtkiuist) : ebenda Nr. 8. 10—12. 1903. Nr. 1.

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Wilwolt von Schaumburg, Sachsens ältester Feldhauptmann: ebenda 1903. Nr. 2.

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Mfohrnianfi], J. Die Anfänge der elektrischen Telegraphie im Königreich Sachsen: Dresdner Anzeiger, Sonntags-Beilage. 1903. Nr. 5. S. 25 f.

Mörtzsch, Otto. Das Grundsteuerkataster der Aemter unserer säch- sischen Schweiz vom Jahre 1628: Über Berg und Thal XXVI (190.3), 141 f. 153—155.

/— 7 Die Einverleibung von Gemeinden, Vororten und Ländereien durch die Stadt Dresden in alter Zeit: Dresdner Anzeiger. 1903. Nr. 3. S. 7 f.

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M[üllerJ, V. Der Leipziger Ratsschatz: Leipz. Tageblatt. 1902. Nr. 556. S. 7558.

Munde. Die Hauptkirche St. Maria in Kamenz: Neues Lausitz. Magazin LXXVIII (1902), 193-203.

Nabe, Max. Ein bronzezeitliches üräberfeld bei Mockau: Leipziger Zeitung. 1902. Nr. 266. S. 4212 f.

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Obermüller, Adolf. Aus der Urgeschichte des Leipziger Theaters: Leipz. Tageblatt. 1902. Nr. 521. S. 7087.

V. Oppell. Über das Wappen der v. Oppell : Deutscher Herold XXXII (1901), 134.

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Pfau, Clemens. Zur Geschichte der Schimpfwörter in der ßochlitzer Gegend : Mitteilungen des Vereins f. Sachs. Volkskunde II (1902), 347—351.

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Pilli, Georg. Die Landedelfrau: Über Berg und Thal XXV (1902), 83—85.

Über wüste Marken, insbesondere die Wüstung Zscheisewitz : ebenda XXVI (1903), 150—153.

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Planitz, G. Johann Hülsemanu. Zum dreihundertjährigen Geburts- tage: Leipz. Tageblatt. 1902. Nr. 622. S. 8527.

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14*

212 Literatur.

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der Leipziger Zeitung. 1902. Nr. 137. S. 545 - 548. Schevff'ler, Heinr. Joh. GrimmaischesEcce. 1902. 23. Heft. (Beigabe

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Dresden, Alwin Huhle. 1902. 17 SS. 8». Schmicl, Otto. Altsächsische Armeemärsche: Wissenschaftl. Beilage

der Leipziger Zeitung. 1902. Nr. 122. S. 485 f. (Vgl. Kamerad.

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insbesondere im Herzogtum Sachsen -Weifsenfeis in den Jahren

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berg und auf dem Löbauer Berge: Verhandl. der Berliner Gesellsch.

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dem Gebiet hist.-ant. Forschungen XXI (1902), 173—181.

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Schönberg, Oeo v. Kurze Geschichte des k. Sachs. 7. Infanterie-Re- giments „Prinz Georg" Nr. 106, jetzt 7.Königs-Infanterie-Regimeut Nr. 106, während des Feldzuges 1870/71. Nebst einem Verzeichnis der im Jahre 1902 noch lebenden Feidzugsteiluehmer und 36 Por- träts von Offizieren des mobilen Regiments. Zur Erinnerung an die 2. Zusammenkunft der Feldzugsteilnehmer des 106. Inf.-Regi- ments 1870/71 am 2. luid 3. Vlil. 1902 in Leipzig. Leipzig, Schulze & Co. 1902. XIV, 96 SS. 8».

(v. Schönberg, O.) Der Wirkliche Geheime Rath Bernhard Karl Franz von Schönberg. Sonderabdruck aus Heft IX der Chronik des Geschlechts von Schönberg. (1903.) 10 SS. 8».

Schtmke, H. Landeskunde des Königreichs Sachsen für sächsische Lehrerbildungsanstalten. Bearbeitet unter Zugrundelegung der Landeskunde von Lungwitz und Schröter. Mit 44 Abbildungen in Schwarzdruck , 4 Tafeln mit 8 farbigen Dorfplänen und einer farbigen geologischen Karte des Königreichs Sachsen. Leipzig, Ferdinand Hirt & Sohn. 1902. 72 SS. 8».

('(Sc/iMri5',-fc\; Die sächsischen Kriegsminister: Kamerad. 1902.Nr,37. S 9f.

Das Königlich Sächsische Kriegsministerium: ebenda Nr. 38. S. 1 3.

Von der Garnisonkirche auf der Festung Königstein: ebenda Nr. 45. S. 3f.

Schurig, E. Zum 70jährigen Bestehen der Altstädter Hauptwache in Dresden : ebenda Nr. 48. S. 25 f.

Zur Geschichte des Invalidenwesens mit besonderem Bezug auf Sachsen: ebenda 1903. Nr.2. S. lOf. Nr.3. S.10-12. Nr. 4. S. 14f.

Schuster, Alfred. Stollberg. Heimatkundliche Geschichtsbilder für Haus und Schule. Stollberg, Grasersche Buchhandlung (Richard Liesche) Filiale. 1903. 48 SS. 8o.

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Literatur. 213

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Simson, Euqen. Vizekönig Brühl: Kamerad. 1903. Nr. 2. S. 17 f. Nr. 3. S.^12f.

Sohm, Rud. Gedächtnisrede auf König Albert, gehalten in der öffentlichen Sitzung beider Klassen der Kgl. Sachs, (iesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig am 14. November 1902. Leipzig, B. G. Teubner. 1903. 11 SS. 80.

Solbrig, M. Aus alten Zeiten : Bericht aus der Kirchfabrt Langen- hessen auf das Jahr 1902. S. 11 15.

Speck, Oskar. Geschichte der Gemeindevertretung in Pirna bis zum Jahre 1663. Festschrift, dem Sächsischen Gemeindetag dargebracht von der Stadt Pirna. Pirna. 1892. 40 SS. B».

(Simulier, E.) Zwickau. 1. Zum 40jährigen Jubiläum der Berg- schule: Unsere Heimat. lUustr. Monatsschrift f. d gesamte Erz- gebirge und Vogtland 11 (1902 3). 22 f.

(Staub.) Das Nachtgefecht in Ville Evraid am 21. Dezember 1870: Kamerad. 1902. Nr. 47. S. 9—11. Nr. 48 S.1-12. Nr. 49 S 10—12.

Stein. Aus der alten Bergstadt Wolkenstein im Erzgebirge: Unsere Heimat. Illustr. Monatsschrift f. d gesarate Erzgebirge und Vogt- land II (1902; 3), 36 40.

Steitmann, R. Heimatkunde von ]\larkranstädt [mit stadtgeschichtl. Angaben]. Leipzig, E. Gaeblers Geogr. Inst. (1902). 17 SS. und 3 Pläne, fol.

Stock, Th. Oberlausitzer Archivalien (Schöppcnbücher und Guts- akten): Schlesische Zeitung. 1902. Nr. 520.

Aus der Zeit der Oberlausitzer Ritterdienste: Görlitzer Nach- richten uüd Anzeiger. 1902. Nr. 212.

Die Hungersnot in der Oberlausitz: ebenda Nr. 220.

Stoy, Stephayi. Herzog Ernst der Fromme. Festvortrag, gehalten

bei der Feier des fünfzigjährigen Stiftungsfestes des Vereins f.

Thüring. Geschichte und^ Altertumskunde in den akademischen

Ptosensälen zu Jena den 22. Juni 1902: Ztschr. des Vereins f.

Thüring. Gesch. und Altertumskunde N. F. XIlI (der ganzen

Folge XXI), XXXVI-LIX. Stryienski. Marie- Josephe de Saxe, Dauphiue, et ses peintres:

Gazette des Beaux-Arts, 3. per., XXVIII (1902), 5 ff . 247—238. Tetzner, W. Werdauer Altertümer: Mitteilungen des Vereins f.

Sachs. Volkskunde II (1902), 341 346. 356-366. Tille, Armin. Zwei Zeitungsprivilegien [n. a. für ein in Rochlitz

erscheinendes Wochenblatt 1818J: Archiv für Kulturgeschichte

I (1903), 99—106. Trauer, E. Chronik des Dorfes Marieney i. Vogtl. bis zur Ein- führung der Sachs. Landesverfassung. Plauen, A. Kell (Komm.).

1903. 111 SS. 80. Uhle, Faul. Der Chemnizer Markt als Richtstätte. Ein Beitrag

zur Geschichte der Strafrechtsptlege: Chemnitzer Tageblatt und

Anzeiger. 1902. Nr. 463 466.

Preifsaufgaben zur Aufmunterung des Nahrungsstaudes in Kur- sachsen: Leipz. Zeitung. 1903. Nr. .5. S. 68

[Voigt, Osiv.J Anteilnahme der kursächsischen Truppen an der Be- freiung Wiens 1683: Leipz. Tageblatt. 1902. Nr. 561. S. 7637 f.

St ädtebilder aus Sachsen. Werdau : ebenda Nr. 572. 585. S. 7795 f. 7973.

Der Brand von Zittau im Jahre 1757: ebenda Nr. 589. S. 8022.

214 Literatur.

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der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert. Leipzig, J . C. Hinrichs.

1902. Vll, 180 SS. 8". Wagner, Georg. Die Beziehungen Augusts des Starken zu seinen

Ständen während der ersten Jahre seiner Regierung (1694 1700).

Leipzig, Druck von Oswald Mutze. (1903.) VII, 222 SS. 8«. Wagner, Paul. Die geologische Spezialkarte Sachsens und ihre

Vorgängerinnen. Ein Gedenkblatt zum 30jährigen Bestehen der

Geologischen Landesanstalt: Dresdner Anzeiger. 1903. Nr.30. S.2— 5. Wallenstein, A. Bilder aus der 25jährigen Geschichte des Vereins

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XXV (1902), 97 99 Weinschenk, F. W. Die Schlacht bei Warschau am 16. Oktober 1813:

Leipz. Tageblatt. 1902. Nr. 527. S. 7155. Vgl. Nr. 529 S. 7188. Werner, Arno. Geschichte der Kantorei-Gesellschaften im Gebiete

des ehemaligen Kurfürstentums Sachsen. (Publikationen der inter- nationalen Musikgesellschaft. Beiheft IX.) Leipzig, Breitkopf und

Härtel. 1902. 3 Bll. 84 SS. 8». Frh. V. Werthern, Alfred. Gesch. des Geschlechts des Grafen und

Freiherren von Werthern. I. Theil. Urkundl. Familiengeschichte.

I. Heft. Aelteste Familiengeschichte bis 1501. Als Manuskript

gedruckt. Naumburg. 1902. VI, 133 SS. 4». Wiedemann, Alb. Die sächsischen Eisenbahnen in historisch -stati-

.stischer Darstellung. Leipzig, Theod. Thomas. 1902. 263 SS. 8". Wolff'-Beckh, Bruno. Johann Fritdrich Böttger, der deutsche Er- finder des Porzellans. Mit Böttgers Porträt. Steglitz bei Berlin,

Friedrich G. B. Wolff-Beckh. 1903. 48 SS. 8". Woermann, K. Katalog der Kgl. Gemäldegalerie zu Dresden.

Herausgegeben von der Generaldirektion der Kgl. Sammlungen

für Kunst und Wissenschaft. Grofse Ausgabe. 5. verb. u. verm.

Aufl. Mit 92 Abb. Dresden, Druck von Wilh. Hoffmann A.-G.

1902. XXVI, 919 SS. 8«. Wunder, Herrn. Grimmaisches Ecce. 1901. 22. Heft. Meifsen,

Niederlage des Vereins ehemaliger Für,stenschüler. 1901. IV,

97 SS. 8". Wustmann, G. Der Ablafshandel in Leipzig: Leipz. Tageblatt.

1902. Nr. 663. S. 9147. [Wust mann, G.J Leipziger Huldigungen in alter Zeit: ebenda

Nr. 556. 558 f. S. 7557. 7591. 7611.

Weinhandel, Weinbesteuerung und Weinschank im alten Leipzig. Dabei auch etwas vom alten Ratsweinkeiler: ebenda Nr. 636. 648. S. 8751 f. 8933 f.

Der Tanz in Ijeipzig im fünfzehnten und sechszehnten Jahr- hundert: ebenda 1903. Nr. 99. 101. S. 1389. 1417.

Frh. V. Zedtwitz, Arthur. [Die Wappen der aus Hannover nach Sachsen verzogenen Adelsfamilien:] Dresdner Residenz- Kalender für 1903. S. 105-110 mit 2 Tafeln

Zemmrich, J. Der erste Steinbeilfund im Vogtlande: Unsere Heimat. 111. Monatsschrift f. d. gesamte Erzgebirge und Vogtland II (1902/3), 35 f.

Zinck, P. Aus den Baalsdorfer Kirchenbüchern: Mittheiluugen des Vereins für Sächs. Volkskunde II (1902), 366—377.

Zfinckj , P. Die wüste Mark Kolmen, ein Streitobjekt zwischen der Universität Leipzig und dem Dorfe Holzhausen: Leipz. Tage- blatt. 1902. Nr. 571 f. S. 7790. 7795.

Literatur. 215

König Autou als Koinpouist eines österreichischen Grenadierliedes: Kamerad. 1903. Nr. 6. S. 1 f.

Bilder von Aue: 1. Aue vor 50 .lahreu. 2. Zum 25.iährigen Jubiläum der deutschen Fachschule für Blecharheiter. 3. Xoch einmal: Die deutsche Fachschule für Blecharbeiter. 4. Die Realschule : Unsere Heimat. Illustr Monatsschrift f. d. gesamte Erzgebirge und Vogt- land I (1902), 3.Ö5— 358. II (1902/3), 18-20. 34 f. 53— .55.

Die Stadt Bautzen (civitas Budasin) vor 900 Jahren: Wöchentl. Beilage der Bautzner Nachrichten. 1902 Nr. 24 f.

Eine Ortsbeschreibung (Bernstadt a. d. Eigen): Neuer Görlitzer Anzeiger. 1901. Nr. 265.

Das Chemnitzthal hinab: Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger.

1902. Nr. 295.

Beiträge zu einer Häusergeschichte der Stadt_Chemnitz: ebenda

Nr. 297. Einblick in die .Schulverhältnisse der Stadt Dippoldiswalde kurz

nach dem 30jährigen Kriege: Weifseritz-Zeitune-, Monats-Beilage.

1903. Nr. 3.

Vom Dom zu Freiberg: Leipz. Tageblatt. 1902. Nr. 0.35. S. 8711.

Geschichte des Kgl Sachs. 1. Husaren-Regiments „König Albeit", von der Errichtung desselben 1734 bis zur Neuzeit. Nach älteren und neueren Quellen bearbeitet von einem ehemaligen Regiments- Angehörigen. Grofseuhain u. Leipzig, Baiimert & Ronge. 1902. 424 SS. 8».

Leipzig im Kriegsjahr 1759 1760. Handschriftliche Originalauf- zeichnungen : Leipz. Tageblatt. 1902. Nr. 636. S. 8749.

Porsberg und Pillnitz: Über Berg und Thal XXVI (1903), 135.

Die Sachsen und Württemberger am 2. Dezember 1870: Kamerad. 1902. Nr. 48. S. 2 f.

Zum Gedächtnis Bernhards von Schönberg: AVissenschaftl. Bei- lage der Leipziger Zeitung. 1903. Nr. 8. S. 34 f.

Der Sächsische Soldat im Felde. Einzeldarstellungen aus der vaterländischen Kriegsgeschichte des XIX. Jahrhunderts, bearbeitet als Lehr- und Uuterhaltungsbuch für die Angehörigen der Armee auf Befehl des Köuigl. Sachs Kriegsministeriums vom Kriegs- archiv. Dresden, gedr. im Kriegsministeriura. (1903.) 202 SS. 8".

Beitrüge zur Sächsischen Kirchengeschichte. Herausgegeben im Auftrage der „Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte" von Franz Dibelius und Theodor Brieger. 16. Heft. (Jahresheft für 1902.) Leipzig, Barth. 1903. 240 SS. 8 ».

Inhalt: Th. Brieger, Ein Leipziger Professor im Dienste des Baseler Konzils [Nicol. Weigel]. P. Zinck, Die Universität Leipzig in den kryptokalvinistischen Wirren zur Zeit des Kur- fürsten August. "^H. K. Zimmermann, Die Entwickelung der Kircheumspektionen 1530 1800. Bönhoff, Wie hielt in Sachsen die Reformation auf dem Laude ihren Einzug?. 0. Clemen, Mosellanus contra Cellarius. Th. Brieger, Über zwei bisher unbekannte Handschriften von Nicol. Weigels Collec- tura de indulgentiis.

Dresdner Geschichtshiätter. Herausgegeben vom Verein für Ge- schichte Dresdens. Jahrg. XI (1902). Nr. 3. 4. Jahrg. XII (1903). Nr. 1.

21fi Literatvir.

Inhalt: H. Haug, Zur Gesch. der Wilsdruffer Vorstadt. P. Flade, Das kirchliche Leben Dresdens im Zeitalter des Rati- onalismus. — Haug-, Zur Gesch. des Jakobshospitals. (Schnorr V. Carolsfeld,) Aus Julius Schnorrs Tagebüchern XX. XXI. Fiedler, Zur Gesch. des Kiu'ländischen Palais. Hantzsch, Eine Dresdner Kunstsammlung vor 300 Jahren. Mitteilungen der Gesellschaft für Zittauer Geschichte. Jahrg. III (1902). Nr. 3.

Inhalt: Kram er, Zur (leschichte des Zittauer Volksschul- wesens im 17. und 18. Jahrhundert. Xeefse, Die Fortent- wickelung der Zittauer Geschichtsschreibung seit Christ. Ad. Pescheck. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen. Des 6. Bandes 2. Heft. Meifsen, Louis Mosche (Komm.). 1902. S. 121 Ms 268

Inhalt: K. v. Brunn gen. v. Kauffungen, Das Domkapitel von Meifsen im Mittelalter. Loose, Zur Geschichte Meifsens im Kriegsjahre 1745. Mitteilungen vom Freiberger Altertumsverein mit Bildern aus Frei- bergs Vergangenheit. Herausgegeben von Konrad Knebel. 38. Heft. Freiberg i. S., Gerlachsche Buchdi'uckerei (Heinr. Ger- lacb). 1902. 115 SS. S».

Inhalt: Wappler, Ülier den Streittag (22 Juli) der Bergleute.

A Goldschmidt, Die Freiberger Goldene Pforte. Knebel, Peter Schmohl, Königl. Schwedischer und Kurfürstl. Sachs. Haupt- mann. — Wappler, Der Oculist, Schnitt-, Leib- und AVundarzt Stephan von Sütphen, geb. 1601 in Goslar, ge.st 1666 in Freiberg.

Wappler, Die „drei Kreuze'- zwischen Freiberg und Brand.

Wappler, Freiberger Künstler und Gewerken. Distel, Zur Patenschaft des Herzogs Moritz. Distel, Das Grab der Kurfürstin Agnes.

Zum 23 jährigen Bestehen der Sektion Dresden des Gebirgsvereins für die Sachs. Schweiz. 1877. 1902. Festgabe der Sektion Dresden. (Dresden, Hellmuth Henklers Buchdiuckerei. 1902.) II, 138 SS. 0 Taff. 8».

Inhalt: S. Buge, Beiträge zur Literaturgeschichte der Sächsi- schen Schweiz. Gl. Bartsch, Aus dem Tagebuche eines alten Dresdners. M. Martin, Erinnerungsblatt an die Gründungs-, Bau- und Schaffensjahre der Sektion Dresden. W. Kirsch, Die baulichen Unternehmungen uusrer Sektion während der letzten 25 Jahre ihres Bestehens,

Berichtigung zu Baud XXIII.

Im vorigen Band dieser Zeitschrift habe ich S. 212 die Orte Rosenthal, Königstein, Reinhardsdorf, Papstdorf mit Filial Cunners- dorf irrtümlich als Beispiele von Orten angeführt, deren Kirchen von der Leistung des Susidium biennale an den Bischof von Meifsen befreit waren. Diese Orte lagen bereits jenseits der Grenze des Meifsner Bistums und gehörten zur Prager Diözese. An ihrer Stelle seien genannt Meifsen, Bautzen, Mittweida , Weinböhla bei Meifsen. Weitere Beispiele werden sich linden in der historisch-geographischen Beschreibung des Bistums Meifsens , die ich gegenwärtig bearbeite.

Waidenburg i. Sachs. R. Becker.

Zwickau

Schedewit Planitzo

Culitzsch

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Cunersdorf >.

Rottmannsdf. O O

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Nieder- Würschnitz

Ober- ürschnitz

O Stollberg

O Mitteidf.

Karte des Muldensprengels.

(Decanatus trans Muldam.)

I. = sedes Glauchau-Lichtenstein n. Hartenstein. III. Lössnitz i. E.

zum Pleissensprengel

(Archidiaconatus Plisnensis)

zur Propstei Zeitz

zum Bistum Meissen

Wüstung

zum Erzbistum Prag

^ Grenze der Naum- burger Diöcese.

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Sedes Stollberg

Sedes Wolkenstein

Q Dorf-Chemnitz o Auerbach

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X.

Das Onomasticiim mundi generale

des Dominikauermöuches Johannes Lindner

zu Pirna und seine Quellen.

Eiii Beitrag zur Historiographie des Reformations- zeitalters.

Von

K. E. Hermann MüUer.

Die Chronik des Pirnischen Mönches, wie Johannes Lindner kurzweg genannt zu werden pflegt, haben zuerst Georg Fabricius und Petrus Albinus einer eingehenden Betrachtung gewürdigt und deren Angaben vielfach bei der Abfassung ihrer historischen Werke verwertet. Sie stimmen darin überein, dals der Mönch mit grofsem Fleilse aus vielen Quellen allerlei Berichte über die mannigfach- sten Gegenstände zusammengetragen, dabei aber ohne alle Kritik die seinen Angaben zu gründe liegenden Quellen benutzt habe, Sie legen indes dieser Chronik darum einen ganz besonderen AVert bei, weil sich in derselben vieles finde, was man in andern Chroniken vergebens suche. Dafs manche historischen Fehler in das Werk sich einge- schlichen haben, darauf haben schon die Zwickauer Chro- nisten Wilhelmi und Schmied aufmerksam gemacht. Auch Schüttgen und Kreysig, welche sich viel mit dem Pirnischen Mönch und seiner Chronik beschäftigt haben \) und deren

^) Diplomatische und curieuse Nachlese der Historie von Oher- Sachsen I (1730), 150 ff.

218 Hermann Müller:

Mitteilungen über denselben und sein Werk wir an dieser Stelle besonders heranziehen, sind der Ansicht, dafs er viele abgeschmackte Mönchsfabeln aus den ihm zu geböte stehenden Quellen seiner Chronik einverleibt habe.

Ehe wir nun in eine genaue Besprechung der Chronik selbst und ilirer Quellen eintreten, was der eigentliche Zweck unserer Arbeit ist, wollen wir uns nach dem Leben des Autors umsehen. Darüber ist leider nur wenig zu sagen. Weder das Jahr seiner Geburt noch das seines Todes steht fest. Nach Schöttgen und Kreysig ist er ums Jahr 1450 zur Welt gekommen-). Diese Annahme hat manches für sich, da er nach den Matrikeln der Leipziger Universität im Sommersemester 1470 bei derselben im- matrikuliert worden ist^), damals also wohl ungefähr 20 Jahre alt gewesen sein kann. Als Geburtsort unseres Mönches wurde früher Pirna angenommen, wo er den gröfsten Teil seines Lebens im Dominikanerkloster zuge- bracht hat; indessen hat schon Vogel aus den Universitäts- matrikeln von Leipzig den Nachweis geliefert, dals er in dem Städtchen Münchberg in Oberfranken unweit der Grenze des Vogtlandes geboren ist^). Wunderbar berührt es da, dals Hofmann '') noch angibt, Johannes Lindner sei in Pirna geboren. 1470 bezog Johannes Linthner de Munchperg, wie schon bemerkt, die Universität zu Leipzig und erwarb hier 1471 das Baccalaureat, 1473 die Würde des Magister artium*^). Noch im Jahre 1530, in welchem er seine Chronik vollendet, scheint sein Tod erfolgt zu sein; wenigstens wird sein Name später nicht mehr er- wähnt. Demnach muls er ein Alter von ungefähr 80 Jahren erreicht haben '^). Einige Umstände aus seinem Leben sind noch bekannt. Im Jahre 1497 tritt er als Lesemeister des Konvents zu Pirna auf^). Im Jahre 1504 vermachte ihm sein aus Wunsiedel gebürtiger Landsmann und Freund Andreas Frisner, Professor der Theologie zu Hom, in seinem Testament einige Bücher aus seiner Bibliothek^).

-) Diplomatische Xachlese I, 151.

^) Erler, Die Matrikeln der Universität Leipzig I (Cod. dipl. Sax. reg. II, 16), 277.

*) Schöttgen und Kreysig a. a. 0. I, 151.

^) Beiträge zur Sächsischen Kirchengeschichte, herausgegeben von Dibelius und Brieger VlII (1893), 109.

6) Erler, Matr. der Uuiver.sität Leipzig II, 229. 237.

■') Schöttgen und Kreysig a. a. 0. I, 157.

«) Vgl. diese Zeitschrift VIII (1887), 347.

'') Schöttgen und Kreysig a. a. 0. I, 156.

Das Onomasticum des Job. Lindner. 219

Im Jahre 1512 verweilte Johannes Tilianus, mit welchem Namen er sich selbst in seinem Werk bezeichnet, in Ingolstadt, woselbst durch ihn das Jubiläum gehalten wurde ^").

Während seines langen Lebens im Kloster zu Pirna hat nun Johannes Lindner seine ausführliche Chronik ge- schrieben, durch welche er viel von sich reden gemacht und durch welche allein ein gewisses Interesse für seine Persönlichkeit sich bis auf unsere Zeiten erhalten hat. Diese in alphabetischer Ordnung angelegte Chronik, das Onomasticum historicum, enthält in der uns erhaltenen Originalhandschrift 719 Folioseiten. Während sie früher aus einem einzigen unförmigen Bande bestand, ist sie jetzt in deren zwei zerlegt worden. 8ie ist in deutscher Sprache geschrieben und, wie ich bei ihrem eingehendsten Studium zu erfahren genugsam Gelegenheit gehabt habe, wegen der unleserlichen Schrift des Autors vielfach nur schwer zu enträtseln. Lange Zeit befand sich die Hand- schrift in Pirna, geriet dann infolge der Plünderung dieser Stadt durch die Schweden im Jahre 1639 in den Laden eines Krämers und wurde nur mit Mühe aus demselben gerettet und vor der vollständigen Vernichtung bewahrt. Später kam sie in Johannes Knauths Hände, der sie im Jahre 1700 der Ratsbibliothek in Leipzig überliels; in ihrem Besitz befindet sie sich noch heute als ein äufserst wertvolles Manuskript'^). Von diesem Manuskript haben in früherer Zeit mehrere Abschriften existiert, sind aber verloren gegangen. Schöttgen und Kreysig ist es nur ge- lungen i-), eine Abschrift des Onomasticum historicum aus- findig zu machen, welche vom Ende des Buchstabens Gr beginnt und mit dem Buchstaben W endet. Dieselbe ent- hält besonders Nachrichten, die sich auf die sächsische Geschichte beziehen und einen Auszug aus der Original- handschrift des M. P. darstellen. Diese Stellen sind, soweit sie sich nicht schon in den Exzerpten von Mencke^") vor- finden, von Schöttgen nnd Kreysig zum Abdruck gebracht worden. Wenn uns nun auch die Originalhandschrift des Onomasticum historicum erhalten geblieben ist, so hat sie doch insofern Schaden gelitten, als einzelne Blätter der- selben vollständig verloren gegangen, andere dagegen ver-

10) Mencke, Script.rer.Grerm.il, 1621. ") Hof mann a. a. 0. S. 109. ^■-) Diplomatische Nachlese II, 226 ff. 1*) Mencke, Script II, 1447 ff.

220 Hermann Müller:

stümmelt worden sind. Da ist es denn gewissermafsen als ein Glück zu bezeichnen, dals man einzelne dieser Stellen, soweit sie sich auf sächsische Geschichte beziehen, aus den von Schöttgen und Kreysig- abgedruckten Abschnitten ver- vollständigen kann. So fehlt z. B. auf fol. 570 in der Üri- ginalhandschrift ein ganzer Abschnitt über Pirna, welchen Kreysig hat.

Sein Werk hat der Pirnische Mönch im Jahre 1530 vollendet, obwohl die Widmung desselben an seinen Gön- ner, den Herzog Georg den Bärtigen von Sachsen, aus dem Jahre 1529 stammt. Häufig nimmt der Mönch in seiner Chronik auf die Jahre 1529 und 1530 Bezug, indem er erwähnt, dafs diese oder jene Persönlichkeit, von der er gerade spricht, noch in diesem oder jenem Jahre am Leben sei. In der Widmung seines Werkes an Herzog Georg, zu dem er in sehr nahen Beziehungen gestanden haben muls, wahrscheinlich als Ratgeber in religiösen An- gelegenheiten, behauptet er, er habe alle Chroniken, die er für sein Wei'k benutzt, Wort für Wort mit grolsem Fleils durchgelesen, eins zum andern zusammengetragen und berichtet. Er bittet den vortrefflichen Fürsten, den er wegen seiner strengkatholischen Gesinnung und wegen der ganz besonderen Gunst, die er den Mönchen bewies, hochschätzt, die Widmung seines W^erkes anzunehmen und demselben zu merklichem gemeinen Nutzen zum Druck zu verhelfen. Warum der Wunsch des Autors nicht von dem von ihm so hochverehrten Fürsten erfüllt worden und sein Werk ungedruckt geblieben ist, wer vermöchte das zu sa- gen! Vielleicht ist infolge des bald nach der Vollendung des Werkes erfolgenden Todes des Verfassers der Druck unterblieben.

Das Dominikanerkloster zu Pirna besafs eine sehr reichhaltige Bibliothek, welche wahrscheinlich im Februar 1545 nach Aufhebung des Klosters nach Leipzig gebracht und der dortigen Universitätsbibliothek einverleibt wurde. Dai unter waren gute, wohlerhaltene Codices. Der fleilsige Kompilator Johannes Lindner wird aus ihnen einen grolsen Teil seines geographisch -historischen Sammelwerkes zu- sammengetragen haben ^■'). Was er dort an Quellen, die er für sein Werk brauchte, nicht vorfand, mögen ihm zunächst Leipziger Bibliotheken, aulserdem noch vielleicht manche andere geliefert haben.

14

) Hofmanu a. a. O. S. 108.

Das Onomasticum des Joh. Lindner. 221

Aufserordentlich grols ist das Material, welches der Autor in seinem Werk verarbeitet hat. Er ist bestrebt, uns in alphabetischer Reihenfolge die historischen Begeben- heiten aller Länder der alten Welt und die geographischen Verhältnisse von Anbeginn der Welt an vor Augen zu führen. Von den zu seiner Zeit neuentdeckten Ländern wird kaum Notiz genommen. Es sind den einzelnen Ländern Asiens, Afrikas und Europas und den Erdteilen selbst Artikel gewidmet, in welchen über die in ihnen liegenden hauptsächlichsten Städte, über Bewohner und Sitten und über die Fürsten, welche in den einzelnen Ländern gerade herrschen oder einst geherrscht haben, gesprochen wird. Jeder einzelne dieser Fürsten samt seinen Familienmitgliedern, nicht allein den männlichen, sondern meistens auch den weiblichen, wird dann noch be- sonders unter dem entsprechenden Buchstaben des Al- phabets aufgeführt und dort einer viel eingehenderen Be- sprechung unterzogen als bei den einzelnen Ländern. Dabei werden weit mehr berücksichtigt die Fürstengeschlechter des Mittelalters und der ßeformationszeit als die des Alter- tums, und unter ihnen vorzüglich die deutschen, sowohl die kaiserlichen als auch die der einzelnen deutschen Terri- torien. Jeder einzelnen Ehefrau dieser Fürsten und jedes einzelnen Kindes männlichen und weiblichen Geschlechts wird dann noch an anderen Stellen unter den betreffenden ]3uchstaben gedacht.

Es ist klar, dals auf diese Weise vielfach dasjenige noch einmal wiederholt wird, was an anderer Stelle schon gesagt worden ist. Auch viele Städte werden erwähnt, oft sogar minder bedeutende, mit ihren Kirchen, Klöstern und den sich an sie anknüpfenden historischen Ereignissen, ebenso besondere Eigentümlichkeiten dieser Städte und ihrer Bewohner, unter anderem auch Hauptnahrungszweige derselben hervorgehoben. Verschiedene Flüsse und Gebirge werden gleichfalls genannt. Aulserdem werden uns viele deutsche Burgen mit den auf ihnen angesessenen edlen Geschlechtern vorgeführt, besonders in dem Kurfürstentum und Herzogtum Sachsen. Auch zahlreiche Staatsmänner, Feldherren, Dichter, Philosophen, Künstler, Gelehrte, Geschichtschreiber und Heroen des Altertums und des Mittelalters sowie aus der Zeit des Autors ziehen in der Chronik an uns vorüber. Päpste, Erzbischöfe, Bischöfe, christliche Märtyrer und um die Kirche hochverdiente und im Rufe besonderer Heiligkeit stehende Männer und Frauen

322 Hermann Müller:

der verschiedensten Nationen, auch hervorragende Ketzer finden einen Platz in unserer Chronik. Dals der Löwen- anteil an allen diesen Nachrichten Deutschland und seinen einzelnen Territorien, vor allen den ernestinischen und albertinischen Ländern und Teilen des alten Sachsenlandes zufällt, wer wollte sich darüber wundern!

Noch niemand vor mir ist bisher in eine Untersuchung" zur Feststellung der Quellen eingetreten, welche Johannes Lindner bei Abfassung seines Werkes vorgelegen haben. Es ist deshalb schon häutig der Wunsch rege geworden, dafs endlich eine solche Untersuchung vorgenommen werde, um volle Gewilsheit darüber zu erlangen, in wie weit die Chronik des Pirnischen Mönches Nachrichten enthält, die sich nicht in anderen auf uns gekommenen Quellen vor- finden und sich anderweitig für historische Forschungen verwerten lassen. Ich habe mir diese Aufgabe gestellt und glaube, dals es mir gelungen ist, die Quellen für den grölsten Teil der im Onomasticum historicum gebrachten Berichte nachzuweisen. Sehr erschwert hat mir meine Aufgabe der Umstand, dals der Autor sich nur in wenigen Fällen auf die von ihm benutzten Quellen beruft, trotzdem er Ge- schichtsschreiber verschiedener Zeitalter und Nationen unter den betreffenden Buchstaben des Alphabets mit ihren Werken anführt. Die alphabetische Ordnung des Stoffes hat auch nicht wenig dazu beigetragen, mir das Suchen nach den Quellen zu erschweren. Wunderbarerweise hat unser Mönch oft gerade die von ihm erwähnten Geschicht- schreiber nicht als Quellen herangezogen, während er mit einer gewissen Vorliebe häufig aus solchen Geschicht- schreibern geschöpft hat, die er gar nicht einmal namhaft macht, so z. B. aus Johannes Rothe, den er hauptsächlich seinen Berichten über thüringische Verhältnisse, aber auch anderen Mitteilungen als Quelle zu gründe gelegt hat. Genannt als Quellen werden nur Piatina bei Benedikt von Nursia und Blondus in dem Artikel ,.Polen oder Polen- land". Häufig citiert werden dagegen als Quellen Bücher hauptsächlich des alten, zum Teil auch des neuen Testa- ments bei Berichten des Autors über biblische Persönlich- keiten.

Das aus den Quellen Entlehnte hat unser Mönch teils sehr verkürzt, teils wörtlich so wiedergegeben, wie es in den von ihm benutzten Werken steht. Ich lasse die ein- zelnen Quellen folgen, auf welche fulsend der Autor die einzelnen Berichte in seiner Chronik erstattet.

Das Onomasticum des Job. Lindner. 223

A. Tliüriugisclie und hessische Quellen.

1. Chronicon Ecclesiasticum Nicolai de Siegen, herausg.von F.X.AVegele. Thüriiig. Geschichtsquellen LI. Die Stadt Erfurt S. 450 und 451.

2. Chronica minor auctore Minorita Erphor- diensi. Continuatio I. Moniini. German. Script. XXIV, 209 ff. Christburg; die Unschuld der lieil. Kunigunde erwiesen ; die Tataren verheeren Preulsen ; Robertus Pfarrer zu Cölbring [?] in Sachsen.

3. Laniberti Hersfeldensis Annales ab O. C. 1077. Mon. Germ. Script. V. Daher stammen die Be- richte des M. P. über König Andreas von Ungarn, yater des Königs Salomon, über mehrere Päpste, über Äbte von Fulda und Hersfeld, über verschiedene deutsche Bi- schöfe und über Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln.

4. Cronica S.Petri Erfordensis moderna. Mon. Germ. Script. XXX. Dieser Quelle verdankt der M. P. vorwiegend seine Angaben über die Erzbischöfe von Mainz, ferner über den Erzbischof Konrad von Salzburg, den Bischof Lupoid von Worms, über die Geisler, Juden, über Ketzerei in Erfurt und in einigen anderen thüringischen Städten, über die heil. Hedwig, mehrere Päpste, mehrere deutsche Kaiser und einige Könige von Böhmen.

5. Chronicon Citizense des Benediktiner- mönches Paul Lang. Pistorius - Struve , Per. Germ. Script. I, 1120 ff. Aus dieser Chronik hat Johannes Lindner alles geschöpft, was er über die Bischöfe von Naumburg -Zeitz berichtet, ebenso mannigfache Mit- teilungen über Mainzer Erzbischöfe. Sonst sind noch aus dieser Quelle entnommen Nachrichten über deutsche Kaiser bis auf Maximilian i., über verschiedene Fürsten des wittelsbachschen und wettinischen Hauses, über mehrere Pfalzgrafen zu Sachsen, über einzelne Fürsten aus dem Ge- schlecht der Askanier, über den Kui fürsten Friedrich I. von Brandenburg, über die Quitzows, über König Eduard IIL von England, über mehrere Könige von Böhmen, den Grafen Hoyer von Mansfeld, über mehrere deutsche Bi- schöfe, über die Klöster Bosau, Goseck, Bursfeld, Pforta, Oybin, über Streifzüge der Hussiten, über Johannes Hüls, über den heiligen Berg und die Grafen von Andechs, über verschiedene Städte in Thüringen, Meiisen und imVogtlande.

6. Johannes Hothe: Duringische Chronik 1440, herausg. v. K. v. Liliencron. Thür. Geschichts-

224 Hermann Müller:

quellen III. Diese Chronik ist des M. P. Haiiptquelle für seine Berichte über thüringische Geschichte. Er hat aber aufserdem noch alle Nachrichten, welche sie übei- Persönlichkeiten der verschiedenen Nationen und Zeitalter enthält, in sein Werk aufgenommen, so über den Mark- grafen Waldemar d. Gr. von Brandenburg und Peter den Einsiedler,

B. Quellen, umfassend das Gebiet des alten Herzogtums Sachsen.

1. Werner Rolevinck: Fasciculus temporum omninm antiquorum cronicas complectens ab. 0. C. 1474. Pistorius-Struve, ßer. Germ. Script. II, 397 ff. Hieraus entnommen: Der Apostel Bartholomäus gemartert, die Päpste Alexander I., Anastasius I. und IV., Anicetus Benediktus VII., Cletus, Constantin V., Eugenius III., Felix L, Johannes de temporibus.

2. Annalis ta Saxo. Mon. Germ. Script. XVI. Diese Chronik liegt folgenden Stellen als Quelle zu gründe : Eckenbrecht, Sohn des Markgrafen Günther zu Sachsen, Kaiser Lothar II., die Könige Magnus und Nikolaus von Dänemark, Airich, Gründerin desNonnenklosters Gerbstedt.

3. Chronica episcoporum Merseburgensium. Mon. Germ. Script. X, 162 tf. Aus dieser Chronik hat unser Autor alle seine Berichte über die Bischöfe von Merseburg entnommen.

4. Heinrich von Herford: Liber de rebus memo- rabilioribus 1355; herausg. von A. Potthast, Göttingen 1859. Diese Chronik hat dem M. P. den Stoff geliefert für seine Mitteilungen über mehrere Generäle des Pre- digerordens, über mehrere Päpste und deutsche Kaiser, über einige angelsächsische Könige, über die Fi-auen des Herzogs Arnold von Bayern, über die Herkunft des Grafen Balduin des Eisernen von Flandern, über Beda, über mehrere der 72 Jünger Christi, über mehrere Erzbischöfe von Köln, über Bischof Heinrich von Augsburg, über den Märtyrer Patroclos, über den König Robert von Frankreich, über Thomas Walheis, über Bischof Willibrordus zu Fries- land und über den Grafen Hoyer von Mansfeld, genannt Rogerius.

5. Gesta episcoporum Halberstadensium. Mon. Germ. Script. XXIII. Kaiser Heinrichs IL Gemahlin Kunigunde, König Magnus von Dänemaik.

Das Onomasticum des Joh. Linduer. 22 5

6. Thietmarus episcopusMerseburgensis: Chro- nic! Hb ri VIII. Mon. Germ. Script. III, 733 ff. Er- mordung des Colonatus zu Würzburg, Gosbertus Herzog zu Würzburg.

7. Sächsische Weltchronik und deren Thüring, Fortsetzung. Mon. Germ. Deutsche Chroniken IL Als Quelle benutzt vom M. P. für seine Angaben über ver- schiedene deutsche Kaiser, mehrere Päpste, über verschie- dene Mitglieder des Hauses der Grafen von Northeim und des älteren welflsclien Hauses, über verschiedene an- dere sächsische Grofse, über mehrere dänische Könige über Bayerland, über den wendischen Fürsten Mestisch, über das Kloster St. Gotthard zu Hildesheim, über den Erzbischof Heinrich zu Mainz, den Grafen Johann von Holstein, Peter den Einsiedler, den Erzbischof Siegfried zu Köln und den Bischof Ulrich zu Halberstadt.

8. Botho: Cronecken der Sassen (Chroniconpic- turatum) 1489. Leibnitz, Script, rer. Brunsv. III, 277 ff. Diese Chronik hat Johannes Lindner als Haupt- quelle für die Schilderung der histoiüschen Begebenheiten im alten Herzogtum Sachsen selbst, in dessen geistlichen und weltlichen Territorien und in den zum Christentum neu bekehrten Wendenländern gedient. So werden unter anderen neben den Fürsten der verschiedenen Linien des weifischen Hauses auf Grund dieser Quelle erwähnt die hohenzollernschen Kurfürsten in der Mark aus dem 15. Jahr- hundert, mehrere Wettiner aus demselben Jahrhundert und nicht selten auch die Hansestädte. Ebendaher stammen auch Angaben unseres Chronisten über verschiedene deutsche Kaiser, über mehrere Päpste, über die meisten der von ihm genannten dänischen Könige, über einige böhmische Könige, über König Bela von Ungarn, Wladislaw von Polen, über Grafen von Flandern, über verschiedene Grofse des Herzogtums Franken und anderer Herzogtümer, über einige Erzbischöfe von Mainz, über mehrere schlesische Plasten und über Julius Cäsar.

9. Gesta Archiepiscoporum Magdeburgensium. Mon. Germ. Script. XXIV. Diese Chronik ist die vor- züglichste Quelle, aus welcher der M. P. seine Berichte über die Erzbischöfe von Magdeburg und über Magde- burger Stiftsverhältnisse geschöpft hat. Sonst ist sie noch als Quelle herangezogen worden bei den Angaben des Chronisten über den letzten Grafen Esico von Merse- burg, über die Märtyrerin Katharina, Königs Coscus von

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 3. i. 15

226 Hermann Müller:

C3^pern Tochter, über den Bürgermeister Nikolaus Möffel in Nürnberg und über Johannes Capistrano.

10. Magdeburger Schöppenchronik, herausg. von C. Janicke. Chroniken der deutschen Städte VII. Aus dieser Chronik hat unser Autor verschiedene Angaben entnommen über Magdeburger Erzbischöfe, über Magde- burger Burggrafen, über den Stiftsadel des Erzbistums Magdeburg, über die askanischen Markgrafen von Branden- buig, über die askanischen Herzöge von Sachsen, über verschiedene deutsche Kaiser, über die Anfänge der Hohen- zollern in der Mark Brandenburg, über Städte, Burgen und Klöster im Erzstift Magdeburg, zum Teil auch in anderen Territorien, über mehrere Bischöfe von Halber- stadt, über Grafen von Querfurt und über eine Anzahl wettinischer Fürsten.

C. Meifsnische Geschichtsqiiellen.

1. Chronicon Terrae Misnensis. Mencke, Script, rer. Germ. II, 314 tf. Auf diese Quelle sind folgende Stellen des M. P. zurückzuführen: Heinrich der Erlauchte von Meilsen und seine Gemahlin Konstantia, Ludwig zu Meilsen, anfangs Bischof von Halberstadt, zuletzt Erz- bischof von Mainz; aufserdem zum Teil Berichte über die Städte Döbeln, Dresden, Erfurt (daselbst anwesend der Kardinal Philipp von Alantonia), Leipzig.

2. Chronicon Montis Sereni 1225. Mon. Germ. Script. XXII. Dietrich erster Dompropst auf St. Peters- berg bei Halle.

3. Chronicon Vetero- Cellense minus. Mencke, Script, rer. Germ. II, 435 ff. Mehrfache Brände in der Stadt Freiberg a. d. Mulde.

4. Johannes Garzo: Annales Misnenses sive Historia de bellis Friderici Magni. Libri IL Mencke, Script, rer. Germ. II, 1015 ff. König Adolf von Nassau belagert 1 Jahr 4 Monate die Stadt Freiberg a. d. M., Gründung der Stadt Gotha durch etliche Goten.

5. De origine Marchionum Misnensium (sogen. Annales Vetero -Cellenses 1375, 1422), herausg. von I. O. Opel in Mittheilungen d. D. Ges. in Leipzig I, 2. Leipzig 1874. Was diese Quelle über die Wettiner, über die von ihnen gegründeten Klöster, über einige andere deutsche Fürsten und sonst noch über verschiedene

Das Onomasticum des Joh. Lindner. 227

Städte in Thüringen und Meifsen enthält, hat der M. P. alles in sein Werk aufgenommen.

D. Schwäbische Geschichtsquellen.

1. Nauclerus: Chronicon universale (Chrono- graphia) ab O.G.— 1500. Tubingae 1516. Diese Quelle hat der Mönch von Pirna in der ausgiebigsten Weise benutzt. Was er über die Helden der griechischen und römischen Sage, über römische und griechische Staats- männer, Feldherren, auch einige karthagische des Namens Hannibal, von ihm fälschlich als Könige bezeichnet, über römische und griechische Dichter, Astronomen, Philo- sophen, Künstler, Ärzte, über römische Senatoren, über die Könige von Alba Longa und Eom und über die Könige in den verschiedenen griechischen Staaten der älteren Zeit, über die früheren Könige der Ägypter und über ihre späteren Könige aus dem Hause der Ptolemäer, über die Könige der asiatischen Reiche und der Macedonier, über die Könige der verschiedenen germanischen Völkerschaften, über die Könige der Hunnen und über einige der Bulgaren erzählt, ist zum grolsen Teil aus Nauclerus geschöpft. Ebenso hat unser Mönch häufig dieselbe Quelle heran- gezogen bei den Nachrichten, welche er uns gibt über die Könige verschiedener spanischer Reiche, über die Könige von Ungarn, von Apulien und Calabrien, letztere sowohl normannischer, als auch französischer und aragoni- scher Abkunft, über die west- und oströmischen Kaiser, über die deutschen Kaiser bis auf Maximilian I., über die fränkischen Könige und Kaiser aus dem Hause der Karolinger, seltener bei den Nachrichten über die fränki- schen Könige aus dem Hause der Merovinger. Auch bei seinen Berichten über die Capetinger in Frankreich, über mehrere englische und böhmische Könige, über Könige und Herzöge von Burgund früherer und späterer Zeit, über mehrere lothringische Herzöge und über einzelne Familienmitglieder der in verschiedenen Reichen herrschen- den Dynastien hat dem M. P. Nauclerus als Quelle ge- dient. Derselben Quelle sind entnommen zahlreiche Be- richte des Autors über einzelne langobardische und lom- bardische Herzöge, über oströmische Feldherren, über griechische Exarchen in Ravenna, über die Statthalter der römischen Kaiser in römischen Provinzen, über ver- schiedene italienische Fürsten und Fürstinnen, über mehrere

lö*

228 Hermann Müller:

an den Kreuzzügen beteiligte fürstliche Persönlichkeiten, so die normannischen Stammes, über einige aulserdeutsche Klöster, über französische Grolsen, so über Herzöge von Aquitanien, und über Grolse anderer Länder, über türkische und arabische Fürsten, über Hochmeister des deutschen Ordens und über das Ordensland Preulsen selbst. Dieselbe Quelle ist von unserem Mönch auch ziemlich häufig benutzt worden bei dem, was er berichtet über Päpste, über ver- schiedene italienische, französische, spanische und un- garische Bischöfe, über Bischöfe von Alexandria, Jerusalem und andere orientalische, über mehrere Erzbischöfe von Mainz, über einzelne deutsche Bischöfe und Erzbischöfe, so von Worms, Bamberg, Constanz, Lüttich, Stralsburg, Trier und Köln, und über sogenannte Erzketzer. Was ferner das Werk des Nauclerus enthält über die ver- schiedenen Herzogsdynastien in Schwaben, über die Grafen von Württemberg, über die Herzoge von Bayern aus dem agilolfingischen und wittelsbachschen Geschlecht, über die Markgrafen und Herzöge von Osterreich aus dembabenbergi- sclien und habsburgischen Hause, über die Schweiz und das Elsals betretfende Verhältnisse, über verschiedene Mitglieder des älteren weifischen Hauses, über die Zähringer und andere edle Geschlechter des alten Schwabenlandes, über Klöster und Burgen desselben, ist alles so in das Werk des M. P. hinübergenommen worden. Aulserdem hat unser Mönch noch einzelne Nachrichten über biblische Persönlichkeiten aus Nauclerus entlehnt, so über die Jungfrau Maria und den Apostel Petrus.

Folgende Stellen, deren Ursprung ebenfalls auf Nau- clerus als Quelle zurückzuführen ist, mögen hier ihren Platz finden: Abgarus von Edessa, Konradin Peutinger, Konrad Celtis, Dante, Dietlandus ein heiliger Abt zu Diokletians Zeit, der heilige Hieronymus, Flavius Josephus, der Prophet Mahomet, Peter von Tarantasia, die heilige Jungfrau Pulcheria, Basis ein berühmter Arzt, der Pauker von Niklashausen . Butgerus de Bechary Markgraf zu Österreich, Sophi, Titel des Königs in Persia, l^amerlanus, die heilige Walpnrgis, der Erzbischof Udo von Magdeburg, Graf Ulrich von Cilly, Jacobellus, Petrus von Dresden, Hussiten, Johannes Capistrano, Johannes Hufs, Julianus, Kardinal Hostiensis s. Angeli.

2. Fratris Nicolai Baselii Additio. Auctarium Chronographiae Fr. Nicolai Baselii Monachi Hirsaugiensis ab anno Salutis MDXI in annum

Das Ouomasticum des Job. Linduer. 229

MDXIV deductiim. Tubingae 1516. Geradezu vom M. P. ausgeschrieben, besonders für württembergische und pfälzische Verhältnisse.

3. Vita s. Ottiliae Hoemburgensis in Alsatia. Mabillon, Acta SS. ord. Benedicti IV, 441. Die heilige Ottilia.

E. Fränkische Gescliichtsquellen.

1. Ekkehard von Aura: Chronicon universale ab 0. C. a. 1125. Mon. Germ. Script. VI. ßeich der Goten, Guniberga Theolindes Tochter.

2. xlnonymi Chronicon Wirceburgense. Georgii ab Eckhart Commentarii de rebus Franciae orientalis I. Andreas von Gundelflngen, Bischof von Würzburg; Heinrich Base, Bischof zu Würzburg, ward entleibet (doch ward nicht dieser Bischof ermordet, sondern sein Vorgänger Konrad).

3. Trithemius: Catalogus seu Liber scriptorum ecclesiasticorum. Trithemii opera ed. j\J. Freher (Francof. 1601) I, 184ff. Von M. P. bevorzugt als Quelle bei seinen zahlreichen Berichten über wissenschaftlich be- deutende Männer des geistlichen Standes.

4. Trithemius: Catalogus illustrium virorum. Ebenda I, 1211f. Bischof Albert zu Halberstadt, Bischof Eatoldus zu Utrecht, Thomas General des Einsiedler- ordens, Johannes Sacharins von Erfurt, Johannes von Freiberg Predigerordens zu Erfurt.

5. Hartmann Schedel: Chronicon mundi seu Chronicon chronicorum ab 0. C. 1492. Deutsch von Georg Alt. Nürnberg, Koberger 23. Dezember 1493. fol. Hieraus geschöpft Nachrichten über mehrere tür- kische Kaiser, über einige von den 72 Jüngern Christi, über die Arzte Avicenna, Averroes, Galenus und Johannes de Monte Villa, über Bartholomäus von Urbino, Cosmas von Medici, über die Bischöfe Konrad von Constanz, Ulrich von Augsburg, Wolfgang von Begensburg, über König Christian I. von Dänemark, über Gerardus, Doctor Einsiedlerordens zu Rom, über den Patriarchen Hugolinus zu Konstantinopel, über die Erbauung des Janustempels zu Bom, über den Grafen Johannes von Wiltibitz, über Johannes von Imola, Johannes Wiklef, Kaiser Karl IV., den heiligen Kilianus, den Apostel Paulus, die Märtyrerin Perpetua, über die Stiftung des St. Hieronymus- Ordens, Kaiser Siegismund, Johannes de Cassia, Stacius von Neapel,

230 Hermann Müller:

den Dichter Stella, den Armenierkönig Suracassanus Asuber, den Ketzer Theodosion, den Erzketzer Valentinianus, über die Stadt Venedig und die heilige Veronica.

F. Bayrische Geschichtsquellen.

Otto Frisingensis: Chronicon seu rerum ab initio mundi ad sua usque tempora gestarum libri VII r. Mon. Germ. Script. XX. Kaiser Anastasius zu Konstantinopel, der römische Kaiser Aurelianus, Bischof Cyrus zu Alexandria, der griechische Kaiser Heraklius, Bischof Ulphilas.

G. Geschichtsquellen des alten Herzogtums Lothringen.

1. Gesta Trevirorum. Mon. Germ. Script. VI. Hero, Trebetae Sohn, zu Trier.

2. Sigebertus Gemblacensis: Chronographia ab anno 381 1112. Mon. Germ. Script. VI. Agil- niundus, König der Langobarden, Aldroes, König in Bri- tannia, Erzbischof Bruno zu Köln, Edeltrudis, Elisig Leich- nam, Geylana, Herzogs Gosbertus zu Franken Gemahlin, das Reich der Goten, Papst Gregorius I., der fränkische König Lotharius 11., der Erzengel Michael, der Apostel Petrus, der Herzog der Friesen Rabedon.

3. Robertus de Monte: Continuatio Sigeberti Gemblacensis ab anno 1100 1186. Mon. Germ. Script. VI. Tandemus, Pfleger des Schlosses Antorf, ein arger Ketzer.

H. Französische Geschichtsquellen.

1. Robertus Gaguinus: Compendium super origine et gestis Francorum aPharamundo usque ad a. 1491. Francofurti, Wechel 1577. fol. Als Quelle häufig herangezogen bei Angaben über die Merovinger und über den Artikel „Frankreich", ferner bei solchen über Alania, Ambasia, über mehrere Karolinger und Capetinger, den Grafen Balduin von Flandern, den Ge- waltigen der Sachsen Batylda, über Brantildis eine spanische Königstochter, den dänischen König Carnitus, Papst Innocenz III., König Richard Löwenherz von Eng- land und Herzog Richard von Burgund, den Bekämpfer der Normannen.

Das Onomasticum des Job. Lindner. 231

2. Historia Francorum Senonensis. Mon. Germ. Script. IX. Ludwig, König der Westfranken, Karls des Einfältigen Sohn.

3. Vincentius Bellovacensis: Speculum histo- riale. Aug. Vindel. im monast. s. Udalrici et Afrae 1474. 3 vol. fol. Aus dieser Chronik hat der M. P. ungemein viel Material für sein Werk geschöpft. So stammt der grölste Teil dessen, was er über Märtyrer und Märtyre- rinnen der christlichen Kirche, über Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Mönche, Äbtissinnen und Nonnen und über Männer und Frauen sagt, die noch vor der Entstehung des Mönch- tums lebten und sämtlich im Rufe eines ganz besonders heiligen Lebens standen, aus dem Speculum historiale. Bei der Auswahl der heiligen Männer und Frauen aus seiner Quelle wendet unser Autor ein hervorragendes Interesse den im Rufe gröfster Heiligkeit stehenden Königen und Königinnen, Erzbischöfen, Bischöfen, Äbten, Äbtissinnen, Mönchen und Nonnen der angelsächsischen Reiche, Schottlands und Irlands zu. In ähnlicher Weise eingehend und zahlreich auf Grund der ihm vorliegenden Quelle sind unseres Chronisten Berichte über durch Frömmigkeit ausgezeichnete Männer und Frauen des christlichen Galliens und nachherigen Frankreichs. Der in anderen Ländern, wie in Spanien, Italien und im Orient lebenden frommen Männer und Frauen des geistlichen Standes wird auch im Anschluls an das Spec. bist, ge- dacht, doch nicht in solchem Umfange, wie in den vorher- genannten Ländern. Deutschland kommt dabei nur wenig in Betracht. Es werden freilich darunter auch so manche Namen aufgeführt, deren Träger wohl niemals gelebt haben, vielmehr ihr Dasein nur einer frommen Legende verdanken, so Barlaam und König Aveno in Indien. Die Stiftung verschiedener Orden und die Gründung ver- schiedener Klöster, besonders im Angelsachsenlande und in Frankreich, vergifst unser Autor, dabei auf Viuc. Bellov. als Quelle fuisend, nicht zu erwähnen. Mannigfache Er- zählungen über Persönlichkeiten des alten flnd neuen Testaments, so über Moses, mehrere Propheten, über den Heiland der Welt, die Jungfrau Maria, Johannes den Täufer, Maria Magdalena, Lazarus, die Apostel und Evangelisten hat der M. P. aus dem Spec. bist, entnommen. Auf dieselbe Quelle sind die Erzählungen zurückzuführen über Calmana, eine angebliche Tochter Adams, und über Anna und Joachim, die Eltern der Jungfrau Maria. Über

232 Hermann Müller:

die Fürsten der Juden aus dem. Hause der Makkabäer und Iduniäer, über die Könige Ägyptens aus dem Hause der Ptolemäer, über Nektabanus von Ägypten, über die Könige der Lyder, über Alexander den Grofsen und seine Mutter Olympias, über mehrere Könige der Langobarden, der Vandalen, der Goten, über König Mitbridates VI. von Pontus, über den Chaldäerkönig Evilmerodach, über verschiedene Könige des alt- und neupersischen Reiches, über mehrere Exarchen von Ravenna und einige römische Statthalter, über Jugurtha von Nu- midien, über mehrere spanische Könige, über verschiedene römische und griechische Kaiser, besonders über Kon- stantin d. Gr., seine Söhne und seine Mutter Helena, über verschiedene Päpste, syrische Könige aus dem Hause der Seleuciden, über verschiedene Kaiser und das Volk der Tataren, auch zum Teil über Flavius Josephus erzählt, der M. P. nach den Angaben des Vinc. Bellov. hierüber. Über die Merovinger, die Karolinger und verschiedene Cape- tinger, zum Teil über Richard Lövvenherz von England, über mehrere Herzöge der Normandie, über burgundische und andere französische Grolse bringt der M. P. Mit- teilungen auf Grund derselben Quelle. Sie ist auch ver- wertet bei den Berichten über Frankreich und den Helden Roland. Ebenso hat unser Autor das Spec. bist, benutzt an einigen Stellen bei Angaben über deutsche Kaiser, auch bei mannigfachen Berichten über Helden der griechi- schen und römischen Sage, über griechische und römische Philosophen, Dichter und Geschichtschreiber. Verschiedene Stellen der Quelle, die handeln von den einzelnen Ländern und Städten Asiens und Afrikas und von der Entfernung der einzelnen Städte voneinander nach Tagereisen, hat der M. P. ebenfalls in sein Werk aufgenommen.

I. Italienische Geschichtsquellen.

1. Jacob Philipp von Bergamo: Supplementum chronicorum orbis ab initio mundi usque ad a. 1482 libri XV. Venetiis 1490, Dieser Quelle hat der Autor entnommen seine Berichte über die Dogen von Venedig, über einige Dogen von Genua, über die Fürstenhäuser, welche nacheinander geherrscht haben in Montferrat, Savoyen, Mailand und Angleria, Verona, Mantua, Padua, Ferrara, Rimini, Urbino, Bologna, Faenza, Brescia, über Paganus, Herrn zu Genua, über den Grafen Richard zu

Das Ouomasticum des Job. Lindner. 233

S. Bonifacio, über Ezzelino da Romano, über mehrere von Päpsten in italienischen Städten eingesetzte Regenten, über die Mehrzahl der 72 Jünger Christi, über die Könige von Cypern aus dem Hause Lusignan, über die sieben Weisen Griechenlands, über römische und griechische Philosophen, Dichter, Staatsmänner und Redner, über mehrere berühmte italienische Rechtsgelehrte , über jüdische Hohenpriester, über einige normannische JFürsten in Apulien uud Sizilien, über mehrere Könige aus dem Hause Anjou in denselben Ländern, über einige spanische Könige, über diePäpsteClemensI., Felix V., InnocenzVIII., Paulus IL, über die Stiftung mehrerer Mönchsorden in Italien, über verschiedene griechische Kaiser, unter ihnen Konstantin d. Gr. und die Paläologen, über Albertus Mag- nus, über verschiedene Märtyrer und Ketzerführer, über eine Anzahl Bischöfe der älteren christlichen Kirche, über italienische Prälaten des Mittelalters, hauptsächlich aus dem Prediger-, zum Teil aus dem Einsiedlerorden hervor- gegangen, über die heilige Jungfrau Clara im Städtchen Falkenberg, über Franz Petrarcha, Peter Damianus, über König Eduard IV. von England und Herzog Philipp den Gütigen von Burgund, über die Kaiser Karl d. Gr., Lothar I., Heinrich V, und VII., über Octavian und die Kaiserin Messalina.

2. Johannes de Columna, Mare historiarum. Mon. Germ. Script. XXIV. Robert Guiscard.

3. Petrus Paulus Vergerius: Historia Carra- riensium principum ab eorum origine usque ad Ja- cobini mortem (1355). Muratori, Script. rer. Italic. XVI, 113 ff. Jacobus Ubertus Herr zu Padua, Marsilius von Carrara Fürst zu Padua, Marsilius von Carrara, Herzogs Ubertini Sohn, regierte vier Tage zu Padua.

4. Antoninus archiepis copus Florentinus: Chronicon sive Summa historialis ab 0. C. 1457. Lugduni 1512. Dieser Chronik verdankt der M. P. zum grolsen Teil den Stoff zu seinen Berichten über Dominicus, den Stifter des Dominikaner-, und Franz von Assisi, den Stifter des Franziskanerordens, über Gualbert, den Stifter des Ordens von Vallombrosa, über Romualdus, den Stifter des Ordens der Kamaldulenser, über die ersten Dominikaner- klöster in Spanien, über Thomas von Aquino und seinen Vater, über die Generäle des Dominikaner-, Franziskaner- resp. Barfüßer- und Augustinerordens, über zahlreiche Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Abte, denselben Orden

234 Hermann Müller:

angehörig, überwiegend italienischer, zum Teil französischer und spanischer, in einigen Fällen englischer, nur ganz selten deutscher, zum Teil noch anderer Nationalität, über christ- liche Märtyrer aus der Zeit der Christenverfolgungen unter den römischen Kaisern und aus späterer Zeit, über mehrere Kirchenväter, über Lazarus, Maria Magdalena, die Evangelisten Marcus und Matthäus, über Katharina von Siena, Clara von Assisi, über mehrere Grafen von Flandern, mehrere englische Könige und einige italienische Dynasten, so Raimundellus Balzo Herzog zu Tarent.

5. Flavius Blondus: Historiarum decades III ab inclinatione imperii Romani 400 1440 (Aeneas Öylvius). Helmstedt 1699. Daraus von M.P. entlehnt: Herzog Dragont in Ägypten, König Fulco zu Jerusalem, Graf Gottfried zu Campania, Kaiser Heinrich VIL, Papst Johannes XIII., der griechische Kaiser Michael Catalaricus, die Fürsten des ersten Kreiizzuges, Polenland (hier Blondus zitiert), Sirochus, Sohn des Pi'opheten Muhamed, Herzog Wilhelm zu Apulien, Robert Guiscards Bruder.

6. Matthaeus Palraerius Florentinus: Chroni- con ex libro ejus de temporibus sive Chronicon Florentinum 449— 1449. Basileae a, 1559 per Henri- cum Petri. Aioty von Armenien, der Fürst Albacius IL zu Verona, der Türke Belisetus, der Kanzler Jacobus Apianenser zu Pisa.

7. Matthias Palmerius Pisanus: Opus de tem- poribus 1449 1482. Basileae a. 1559 per Henricum Petri. Der Herzog Alfonsus zu Calabria berannte Senis, Hasson Casson, der Venetianer Laurentius Justianus, Pa- triarch, stiftete S. Georgen von Alga- Orden, Simon, ein Kind, von den Juden zu Trient gemartert.

8. Piatina: Liber de vita Christi ac de vitis summorum pontificum Romanorum. Coloniae Agrippi- nae 1624. 4*^. Petrus Cholinus. Hauptsächlich als Quelle benutzt für die Papstgeschichte; außerdem bei Berichten über mehrere römische Kaiser, über einige Könige von Jerusalem, über verschiedene Ketzer, unter anderen Hermogenes, Marcion, Paulus von Samosata, über Bischöfe von Konstantinopel, Antiochia, Tarsus, Gerunda, Brachara, Cäsarea, Palästina, Jerusalem, über Aldeflondia, König Chlodwigs Tochter (richtiger Schwester), Benedikt von Nursia (hier Piatina zitiert), über Bernhard von Clair- vaux, über die 75 flamminei (Abgötterpriester) in England, über Gamaliel, Paulus' Lehrmeister, Graf Guido, Sohn

Das ünomasticum des Job. Lindner. 235

Simons von Montfort, über die Überführung der Gebeine des Apostels Marcus nach Venedig, über Karl aus könig- lichem Stamme in Ungarn, der Manfred bestritt, über die Heiligsprechung des Bischofs Ludwig von Tolosa, über den Evangelisten Marcus, den Apostel Petrus, den Fürsten Philipp zu Tarent, über Sicardus, den Herrn der Stadt Benevent, über Plutarch, Theodelinde, die Kaiserin Theo- dora und den Herzog Ulrich von Böhmen, bestritten von dem Kaiser Heinrich H.

9. Gottfried von Viterbo: Pantheon. Mon. Germ. Script. XXU. Des Apostels Bartholomäus Leichnam von Kaiser Otto H. nach Rom gebracht, Kaiser Hein- rich HL, der römische Kaiser Jovianus, Papst Leo IX.

10. Gottfried von Viterbo: Speculum regum. Mon. Germ. Script. XXII. Konstantin d. Gr., Nero, Trajanus.

K. Böhmische, polnische und ungarische Creschichtstiuellen.

1. Aeneas S3'lvius: Historia Bohemica 894 bis 1458. Helmstadii 1699. Dieser Chronik ist der M. P. im allgemeinen gefolgt bei seinen Berichten über böhmische Verhältnisse.

2. Johannes Longinus sive Dlugossus canoni- cus Cracoviensis: Historiae Polonicae libri XII, ed. H. L. B. ab Huj'ssen. Lips. 1711; liber XIII. cum aliis ibid. 1712. 2 volum. 1480 fol. Diese Quelle hat dem M. P. zum gröfsten Teil den Stoff geliefert für seine Be- richte über die Herzöge und Könige von Polen, über die plastischen Herzöge von Schlesien der verschiedenen Linien, über mehrere Prälaten Polens, über die Stadt Glogau, über den päpstlichen Legaten und Kardinal Guido, über die heilige Hedwig, über Johannes von Schwenckfeld, Doktor zu Prag im Kloster des heilig. Clemens, über den polnischen Edelmann Peter und über Preufseu- und Polenland.

3. Johannes Longinus sive Dlugossus: Epis- copatus Smogorzoviensis et Pizzinensis, quae nunc Wratislaviensis, ecclesiarum historiae et acta 966 1477. Sommersberg, Script.rer.Siles.il, 159 ff. Was der M. P. über die Bischöfe von Breslau, über mehrere Erzbischöfe von Gnesen. über Bischof Petrus von Posen, über Boleslaus den Hohen und über die Gründung

236 Hermann Müller:

des Klosters Heinrichau in Schlesien erzählt, ist aus dieser Chronik entlehnt.

4. Martinus von Troppau: Chronicon pontifi- cum et imperatorum 1277. Mon. Germ. Script. XIX. Diese Chronik ist die Hauptquelle des M. P. für seine Berichte über die Päpste. Aus derselben hat er ferner noch geschöpft für seine Angaben über eine Anzahl römischer und griechischer Kaiser, über einige christliche Glaubensboten, über den Senator Crescentius in Kom, über die heilige Clara von Assisi, über den Abt Desiderius von Montecassino, über den Latinerkönig Janus, über Karl d. Gr., über den Kiesen Pallas und den Erzdiakon Theophilus in Cilicien, der sich dem Teufel ergeben.

5. Johannes de Thwrocz: Illustrissima Hunga- riae regum Chronica seu Chronica Hungarorum. Schwandtner, Script, rer. Hung. p. 39 ff. Dies Werk ist vom M.P. benutzt worden bei Angaben über die ungarischen Könige Bela, Gej^sa Sohn, Colomannus, Emerich, Embrich, Ludwig und über mehrere Könige des Namens Stephan, über die Königstochter Margarete, Nonne im Kloster Insul Predigerordens, über den päpstlichen Legaten Phi- lippus Firmianus; es ist stark benutzt worden bei dem Bericht über das Königreich Ungarn.

Als Quelle hat dem M. P. ferner noch gedient: Vulgata (Versio Vulgata) a. 1462 in Mainz bei Fust und Schöffer. Die Chronik unseres Mönches enthält zahl- reiche Stellen über biblische Persönlichkeiten. Diese sind mit wenigen Ausnahmen, welche aus mittelalterlichen Chronisten stammen, aus der Vulgata entlehnt. Bei einer ganzen Anzahl dieser Stellen gibt sogar unser Autor dasjenige Buch oder diejenigen Bücher der Bibel an, welche er diesen Berichten als Quelle zu gründe ge- legt hat.

Verschiedene Stellen in unserer Chronik, w^ eiche von dem Geschlecht der Vögte von Weida, der Stammväter der Penisen von Plauen, handeln, dürften wohl auf die Auf- zeichnungen, eines Prämonstratensermönches Arnold, Proto- notars der Äbtissin von Quedlinburg, „über die Herren von Weida" oder auf eine andere Quelle, aus welcher derselbe selbst geschöpft hat und die auch Lindner zugänglich war, zurückzuführen sein. Wenigstens verraten die Stellen, welche Dr. Julius Alberti aus diesen Aufzeichnungen in

Das Onomasticum des Job. Lindner. 237

seiner Schrift „Die. ältesten Herren von Weida"^'^) mit- teilt, eine grolse Ähnlichkeit mit den entsprechenden Stellen des M. P. Vermutlich hat dieser Mönch eine Zeitlang dem Kloster Mildenfurth angehört ^*'). Einige Angaben des M. P. über die Vögte von Weida finden sich nicht in Arnolds Aufzeichnungen und werden auch nicht durch andere Quellen beglaubigt, weshalb Alberti die- selben wohl nicht mit Unrecht als unzuverlässig be- zeichnet^^).

Für eine ganze Anzahl Stellen im M. P. über die türkischen Kaiser ist ein Nachweis der von ihm benutzten Quelle nicht zu erbringen. Einzelne solcher Stellen zeigen eine geradezu vollständige Übereinstimmung mit Stellen des Nauclerus, woraus man wohl mit einiger Sicherheit den Schlufö ziehen könnte, dafs unserem Mönch und Nau- clerus hierbei die nämliche Quelle vorgelegen hat. Die Quellen im M. P. zu finden für diejenigen Stellen, die Bischöfe von Meifsen zum Gegenstande haben, ist mir nur zum Teil gelungen. Die Berichte unseres Autors über Länder und Städte in den verschiedenen Weltteilen sind überaus zahlreich. Unter ihnen ragen, wie schon in der Einleitung zu dieser Arbeit bemerkt worden ist, die über deutsche Städte der Zahl und Bedeutung nach be- sonders hervor. Soweit diese Angaben sich auf geschicht- liche Vorgänge beziehen, die sich im Zusammenhange mit den betreffenden Ländern und Städten abgespielt haben, lassen sie sich mehr oder weniger als aus noch vorhandenen historischen Quellen entlehnt nachweisen. Darauf habe ich auch unter den verschiedenen, von mir aufgeführten Quellen des M. P. hingewiesen. Anders geartete Angaben des Autors dagegen, z. B. über Sitten und Gebräuche der einzelnen Völker und über die Zahl der Klöster und Kirchen in den einzelnen Städten und noch andere Um- stände können nicht von uns nach noch erhaltenen Quellen auf ihre Richtigkeit hin einer Prüfung unterzogen werden. So viel steht fest, dals für alle solche Angaben der Mönch von Pirna weder die Chronik des Hartmann Schedel noch die darauf bezüglichen Schriften des Aeneas Sylvius

1^) Gera, C. B. Griesbach's Verlag (1880) S. 22 ff. [Vgl. über Arnold aucb Bertbold Scbmidt, Aruold von Quedlinburg und die ältesten Nacbricbten zur Gescbicbte des Reufsischen Hauses. Inaug.- Diss. Jena 1883]

1") Die ältesten Herren von Weida S. 24.

1^) Ebenda S. 34 ff.

238 Hermann Müller:

Piccolomiiii benutzt hat. Bemerkungen, welche der M.P. über die Entfernungen der einzelnen Städte voneinander nach Meilen macht und die meistens ganz zntreöend er- scheinen, dürfte er wohl den zu seiner Zeit gebräuch- lichen Itinerarien verdanken.

So ist es mir denn gelungen, fast den ganzen Quellen- apparat, der Johannes Lindner zur Verfügung stand, aus- findig zu machen; und es ist infolgedessen die Zahl der Stellen, deren Ursprung sich nicht von mir hat ermitteln lassen, äulserst gering.

Über den Wert unserer Chronik als historische Quelle ergibt sich danach folgendes. Sämtliche Angaben, welche der Mönch von Pirna aus uns noch zugänglichen Quellen geschöpft und in sein Werk aufgenommen hat, sind kein für einen Geschichtschreiber brauchbares Material. Solche Angaben bilden den Hauptbestandteil unserer Chro- nik. Die Berichte , welche unser Autor über historische Ereignisse und über fürstliche oder andere hervorragende Persönlichkeiten seiner eigenen Zeit liefert, entbehren fast allgemein eines besonderen Interesses. Sie sind meistens nur kurz und enthalten kaum etwas, was man als eine Be- reicherung unserer Kenntnis von Personen und Verhält- nissen jener Zeit ansehen könnte. Man könnte da vielleicht dasjenige ausnehmen und ihm einige Bedeutung beimessen, was der Mönch über einige Wettiner, besonders über seinen Landesherrn, den Herzog Georg den Bärtigen von Sachsen, erzählt, dem er eine grolse Verehrung beweist. Dagegen sind nun die Mitteilungen, welche uns der Chro- nist als Zeitgenosse über verschiedene Länder und die in ihnen befindlichen Städte, über Burgen und Klöster, vor allem in Deutschland, macht, recht Avohl für die Geschicht- schreibung zu verwerten. In Deutschland sind dabei ins- besondere berücksichtigt die Burgen Thüringens, Meilsens, Kursachsens, der Lausitz, zum Teil auch des Königreiches Böhmen; auch sogar schon in Trümmern liegender Burgen wird gedacht. Die adligen Besitzer derselben zu des Chronisten Zeit, teilweise auch ihre Vorbesitzer, werden genannt. Aulserordentlich wertvoll sind die Angaben des M. P. über die in verschiedenen Städten, zumal in den schon vorher genannten Ländern, zu seiner Zeit von den Einwohnern hauptsächlich betriebenen Gewerbe: Fisch- fang, Fischhandel, Müllerei, Bierbrauerei, Weinbau, Berg-

Das Onomasticum des Joh. Liudner. 239

bau, über die Lage und Umg-ebung einzelner Städte, über ihre Bewohnerschaft, sogar über Familien, die in ihnen eine besondere Rolle spielten, und über das Vorkommen wendischer Bevölkerung neben deutscher in einzelnen Gegenden. So erfahren wir z. B., dais in Krakau, der damaligen Haupt- stadt des Polenreiches, allein deutsche Ratsherren nach altem Brauch die Stadt regierten und erst in den letzten Jahren Polen in den Rat Aufnahme gefunden hatten, dafs die Stadt Prenzlau (damals Prynsla) keine besonders schönen Häuser, dais Kottbus viel Fische und gutes Bier hatte, dais nach Frankfurt a. 0. viel Tonnen gesalzener und trockener Fische von anderswoher kamen, dafs die Stadt selbst reich an lebenden Fischen war und daselbst eine lange Brücke über die (Jder führte. Wir erhalten im M. P. auch sehr genaue Aufschlüsse darüber, wie sich in einzelnen Städten, hauptsächlich Kursachsens und Thüringens, die Bevölkerung der Reformation zuwandte, wie sich das gemeine Volk in den Städten dieser Länder gegen die Lisassen der Klöster erhob, die wegen ihres unsittlichen Lebenswandels allgemein verachtet waren, sie gewaltsam vertrieb und alles in den Klöstern ver- wüstete und zerstörte, wie aus einzelnen Klöstern Mönche und I^onnen aus eigenem Antriebe entliefen, sich der evangelischen Lehre anschlössen, sich zum Teil.. ver- heirateten, und wie ehemalige Mönche nach ihrem Über- tritt zur neuen Lehre vielfacli Prediger neuer evangelischer Gemeinden wurden. Derartige Angaben unserer Chronik haben mehrere neuere Geschichtschreiber mit Nutzen für ihre historischen Arbeiten verwendet. Einen kleinen Bei- trag zur Kenntnis des Wunder- und Aberglaubens, wie er für jene Zeit charakteristisch ist, vermag auch unsere Chronik zu liefern, insofern als uns darin verschiedentlich das Walten böser Geister und allerlei Wundergeschichten vorgeführt werden. Den Schluls dieses Abschnittes möge eine Stelle aus dem M. P. machen, die nicht mehr im Manuskiipt desselben vorhanden, uns dagegen von Kreysig aufbewahrt ist. Diese steht unter dem Artikel „Pirna" und dürfte wohl einiges Literesse beanspruchen: „1504 unterstund sich ein Bürger einen Wagen mit Schrauben anzurichten, damit ohne Pferde zu fahren; sollte gegen Drelsden fahren, blieb im Kothe stecken nicht fern von der Stadt. Auf der Ebene im Trockenen hätte es eine gute Zeit mögen enden". Wer wird nicht hierbei an unsere modernen Fahrräder erinnert!

240 Hermann Müller:

Irrtümer, welche in unserer Cliroiiik ent- halten sind. An keiner einzigen Stelle seines Werkes, wie es uns in der Originalhandschrift vorliegt, findet sich bei unserem Autor auch nur eine Spur kritischen Sinnes, Er nimmt alle Angaben, auf welche er irgendwo in einer Quelle stölst, so in sein Werk auf, wie sie dort stehen. Einen Zweifel, eine Ungewifsheit, ob das, was seine Quellen aussagen, auch richtig sei, scheint er gar nicht gekannt zu haben. Aufser den Irrtümern, die sein kritikloses Nachschreiben alles dessen, was er in irgend einer Chronik vorfand, veranlaist hat, weil er dadurch alle in den von ihm benutzten Quellen vorhandenen Irr- tümer mit in sein Werk aufgenommen hat, gibt es noch zahlreiche andere Irrtümer darin, für die er allein ver- antwortlich zu machen ist. Besonders schwer hat er sich gegen die Chronologie vergangen. Er mufs bei Benutzung der Quellen gar kein Gewicht auf dieselbe gelegt, über- haupt äufserst flüchtig gearbeitet haben, weil auch allerlei andere Irrtümer und Verwechslungen in seinem Werk mit unteilaufen. Allem Anschein nach hat er die gewaltige Stolfmasse, welche er für seine Arbeit zusammengetragen, ganz und gar nicht bewältigen können. Er ist Kompilator in des "Wortes verwegenster Bedeutung gewesen. Wie bereits in der Einleitung zu dieser Arbeit erwähnt, sind schon in früheren Zeiten Gelehrte, die sich mit dieser Chronik beschäftigt haben, auf die vielen historischen Fehler in derselben aufmerksam geworden. Auch Mencke unterläfst es nicht, in seinen Exzerpten dieser Chronik auf mannigfache Iirtümer hinzuweisen.

Aus der grofsen Anzahl solcher Irrtümer wollen wir verschiedene, besonders ins Auge fallende herausgreifen und hier folgen lassen:

Die Elbe flielst bei Hamburg ins Meer, Braunau wird eine bequeme Stadt in Mähren genannt, während sie doch dem Königreich Böhmen angehört. Anchises wird fälschlich als des Aeneas Bruder bezeichnet, Cäcilia, Tochter des ersten Landgrafen von Thüringen, soll einem Herzog von Bayern vermählt worden sein, und doch besals Ludwig im Barte gar nicht eine solche Tochter. Nicht einmal da, wo der Autor über historische Ereignisse und Persönlichkeiten seiner eigenen Zeit berichtet, ist er in seinen Angaben zuverlässig. Von Ludwig XII. von Frank- reich heilst es fälschlich, er habe das Fräulein von der Bretagne, Maximilians Braut, entführt. Kaiser Karl V.

Das Onomasticum des Job. Lindner. 241

soll 1517 König von Spanien geworden und 1520 zum Kaiser erwählt worden sein. Philipp von der Pfalz, Bischof von Freisingen, soll 1514 als Administrator von Naumburg seinen Einzug in diese Stadt gehalten haben, während dies nach Längs Naumburger Chronik erst 1517 geschah. Geradezu unbegreiflich ist es, wie unrichtig oft Angaben des M. P. über Mitglieder des Hauses der Wettiner sind. Zdena, Gemahlin des Herzogs Albrecht des Beherzten von Sachsen, lälst er schon im Jahre 1500 sterben, während deren Tod erst 1510 eintrat. Georgs des Bärtigen von Sachsen Geburt wird statt des 27. August 1471 ins Jahr 1472 verlegt. Im Artikel über „Altenburg" wird erwähnt, dort sei der erste Kurfürst von Sachsen aus dem Hause der Wettiner, Friedrich der Streitbare, begraben worden, während doch dessen Bruder Wilhelm daselbst seine letzte Ruhestätte fand.

Persönliche Anschauungen des Chronisten. Unser Chronist ist, wie sich klar und deutlich aus vielen Stellen seines Werkes ergibt, von der aufrichtigsten Liebe und Verehrung für seinen Orden und für die katholische Kirche erfüllt. Diese Liebe steigert sich bei ihm geradezu zum Fanatismus. Alle Lehren, Satzungen und Ordnungen der katholischen Kirche sieht er als absolut wahr und auf göttlichem Ursprung beruhend an. Er ist von der Vollkommenheit derselben fest überzeugt und betrachtet jeden, der daran zweifelt und dagegen ankämpft, als einen fluchwürdigen Ketzer. Trotzdem zu seiner Zeit nicht wenig aufrichtig fromme Männer, auch unter der Kloster- geistlichkeit, die Reformbedürftigkeit verschiedener In- stitutionen der katholischen Kirche, besonders des Mönchs- wesens, anerkannten, verschliefst er sich vollständig dieser Erkenntnis. Keine darauf bezügliche Äulserung von ihm findet sich an irgend einer Stelle seiner Chronik. Und doch mufste ihm bekannt sein, dafs in seinem eigenen Kloster zu Pirna nicht alles so war, wie es sein sollte. Offenbar hatte doch die dreimalige Anwesenheit des Leip- ziger Provinzials, der einmal von Johannes Tetzel begleitet war, den Zweck, die in Verfall geratene Zucht in diesem Kloster wieder zu heben. Dafs dieselbe auch in diesem Dominikanerkloster viel zu wünschen übrig liefs, dafür liefert den besten Beweis ein heftiger Angriff, den Johann Stiel, Altarist am Altar der heiligen Katharina in der Pfarrkirche zu Pirna, um 1512 gegen den Prior Johannes Helwig und das unkirchliche Leben im Kloster gerichtet

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 3. 4. 16

242 Hermann Müller:

hat. Der Pirnisclie Mönch erzählt ja auch selbst, sein Kloster sei am S. Leonhardstage 1479 von den Brüdern zu Leipzig „gereformiert worden" ^^). Der M. F. hält es nun für angemessen, uns über die Ursachen dieser Vor- gänge nicht aufzuklären, um den guten üuf seines Klosters, den er auf alle Weise aufrecht erhalten will, nicht zu schädigen. Freilich verträgt sich ein solches absichtliches Verschweigen ihm unbequemer Tatsachen mit dem Berufe eines Geschichtschreibers, dessen erste Pflicht es ist, überall, unbeirrt durch irgend welche äulsere Rücksichten, die ungeschminkte Wahrheit zu sagen, durchaus nicht. Zur Ehre unseres Mönches möchte ich jedoch annehmen, dais er selbst von der allgemeinen Sittenlosigkeit, wie sie damals in den Klöstern herrschte, nicht ergriffen war und den Eegeln seines Ordens streng nachlebte. Seine nahen Beziehungen zu Georg dem Bärtigen von Sachsen, der, abgerechnet seine Abneigung gegen Luther und dessen Eeformationswerk, ein ganz vorzüglicher Landesfürst war und die Klöster in seinem Lande zu reformieren suchte, scheinen hierfür zu sprechen. Der geistige Horizont unseres Mönches erweist sich als übermälsig beschränkt. Die Ideen seines Ordens beherrschen ihn vollständig und lassen kein Interesse und Verständnis für andere Sachen in ihm aufkommen. Seine strengkatholische Gesinnung und die grolse Ergebenheit, welche im allgemeinen die Dominikanermönche gegen die Fäpste an den Tag legten, als deren treueste Diener sie galten, insoweit als ihr Ordensinteresse mit dem päpstlichen zusammenfiel, hin- derten indes den Firnischen Mönch nicht, in seiner Chronik so manches über die Fäpste mitzuteilen, wodurch der Charakter verschiedener derselben in keinem besonders günstigen Lichte erscheint. Solche Berichte finden sich aus der vor ihm liegenden Zeit mehrfach, und er hat sie aus anderen Quellen geschöpft. Um nur ein Beispiel an- zuführen, so erzählt unser Mönch auf Grund der Angabe des Martinus Folonus, „Papst Johann XII. habe zwei Kardinälen die Nasen verstümmeln lassen, sei in den päpstlichen Stuhl eingedrungen, ein unkeuscher Mann und auf die Wildjagd geflissen gewesen". Ich möchte beinahe daran zweifeln, dals ihn hierbei die Liebe zur Wahrheit geleitet hat, während er sonst vollständig über die heftigen Vorwürfe, die seinen Ordensbrüdern wegen ihres unsitt-

18) In Beitr. z. Sachs. Kirchengesch. VIII, 36 u. 37.

Das Onomasticum des Joh. Limlner. 243

liehen Lebenswandels gemacht wurden, mit Stillschweigen hinweggeht. Nach meinem Dafürhalten haben mehrere Vorgänge, die sich zu seiner Zeit zugetragen haben, ihn bis zu einem gewissen Grade gegen das Papsttum ein- genommen und zu Ungunsten der Päpste bei seiner Ge- schichtschreibung beeinflufst. Dafür fehlt es nicht an Anzeichen. In dem Berichte über den Dominikanermönch Hieronymus Savonarola lobt er dessen unsträfliches Leben und erwähnt, dals er auf der Kanzel gegen Papst Alexanders VI. ärgerliches Leben geeifert und durch dessen schändliche Intriguen mit Hilfe des Generals seines Ordens, der sich dadurch die Huld des Papstes gewinnen wollte, seinen Feinden in die Hände gespielt worden sei und den Feuertod habe erleiden müssen. In dem Artikel über Kaiser Karl V. wird ferner gesagt, dals Papst Clemens VII. im Verdacht gestanden habe, dem Eidbruch des Königs Franz I. von Frankreich , welcher die Bedingungen des zu Madrid geschlossenen und von ihm beschworenen Friedens nicht eifüllte, Vorschub ge- leistet zu haben. Unter dem Artikel „Loben (Lübben) in der Niederlausitz" sagt unser Chronist: „Dahyn solte (1497) ein closter prediger ordens aufgerichtet werden, als Papst Alexandei- der VI. hatte conürmirt, aber aus orsachen wegirt es der orden anczunehmen".

Die Abneigung des Chronisten gegen die deutschen Humanisten, in welchen die Dominikanermönche ihre er- bittersten Gegner sahen, tritt mehrfach deutlich in unserer Chronik hervor, äufsert sich jedoch nicht mit solcher Leidenschaftlichkeit, wie man es eigentlich nach seinem zornesmütigen Charakter erwarten sollte. Er erkennt rühmend ihre Gelehrsamkeit in den alten Sprachen an, bezeichnet sie aber als Feinde der Mönche. Nur gegen Johannes Reuchlin tritt er schärfer auf, wozu er wohl durch dessen heftigen Streit mit den Kölner Dominikanern veranlafst worden sein mag. Gegen Luther, der durch sein Auftreten als Reformator der katholischen Kirche überhaupt und dem Mönchswesen im besonderen unheil- bare Wunden schlug, kennt sein Hafs und Groll keine Grenzen. Das darf nicht Avundernehmen, weil er bei seiner ganzen Geistesrichtung, seinem engen geistigen Horizont ganz und gar nicht imstande war, seinem Gegner bei der Beurteilung desselben Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Luther wird von ihm Wittenbergischer Papst, Abgott der Mamelucken , Zisterne alles Irrtums ge-

16*

244 Hermann Müller:

nannt. „Des Wurzel ist böhmischer Art; zu Erfurt im Studio zu aller weltlicher Üppigkeit beflissen, bevor schwarze Künste zu erfahren. Er hat sich angemalst über beschlielslich Ortrange [sie!] aller Päpste, Con- cilien, Doctores, Märtyrer, Universitäten, Kaiser, Könige und Bischöfe oder Heiligen trotzlich und kurslich viel fremde und schismatische verdammte Lehr wieder auf- zukratzen unterm Schein des Evangeliums, der Waldenser, VVikliffer, Hussiten". Das mag genügen, um die Art und Weise zu kennzeichnen, wie der M. P. über Luther her- fällt. Besonders verdammensvvert erscheint ihm Luther auch deshalb, weil er, den er als einen meineidigen Mönch bezeichnet, eine aus dem Kloster entlaufene Nonne hei- ratete. Der grolse Reformator wird von unserem Mönch auch für die groben Exzesse verantwortlich gemacht, welche der Pöbel in vielen Ortschaften gegen die Klöster verübte, und für das Entlaufen der Mönche und Nonnen aus den Klöstern. Woher die Erbitterung des gemeinen Mannes gegen die Mönche und Nonnen stammte, die sich in diesen Erscheinungen kundgab, das anzudeuten unter- lälst unser Mönch wohlweislich. Er findet es unbegreif- lich, dals Luther, obwohl viele gelehrte Männer gegen seine Irrtümer geschrieben und ihn nach seiner Ansicht widerlegt hatten, noch immer auf seinem religiösen Stand- punkt beharre. Seinen Gegnern, die ihn energisch be- kämpft, wird grolses Lob erteilt, vor allem Eck, Emser, Cochläus und Johannes Tetzel; doch wird letzterem zum Vorwurf gemacht, dafs .er durch sein Auftreten beim Ablalshandel dem Pöbel Ärgernis bereitet und dadurch „Tadelunge solches geistlichen Schatzes von wegen Mils- brauchs" hervorgerufen habe. Verschiedene Anhänger Luthers, zumal seine Mitarbeiter beim Reformationswerk, werden, wie nicht anders zu erwarten, heftig angegriffen, ebenso die Schweizer Reformatoren. Von Johannes Stau- pitz, der Luther anfangs sehr nahe stand, sich später aber von ihm lossagte, heiligt es: „er war den weltlichen Herren angenehm, erweckte erstlich verdächtige opiniones". Die gröiste Hochachtung hegt der M. P. für seinen Landes- herrn, den Herzog Georg den Bärtigen von Sachsen, einmal wegen der grofsen Regententugenden, welche den- selben zierten, dann vorzüglich wegen seiner streng- katholischen Gesinnung, wegen der Energie, mit welcher er allen Bestrebungen, der Reformation in seinen Landen Eingang zu verschaffen, entgegentrat, und wegen seiner

Das Onomasticum des Job. Liudner. 245

Wertschätzung aller Klosterinsassen. Ei- kann sich nicht genug tun in seinem Lobe. In der Vorrede zu seinem Werke, welches diesem Fürsten gewidmet ist, spricht der Mönch die Hoffnung aus, „er werde aus christlicher Pflicht tapfer Fleils, höchstes Vermögen vorzuwenden nicht unter- lassen, obberührten lutherischen Afterglauben und hussiti- sche Schwärmerei in seinen Landen auszurotten und zu vertilgen, damit seine Lande und Leute bei altem christ- lichen Brauch zu Erhaltung gemeinen Friedens in christ- lichem Gehorsam mögen unverbrüchlich bleiben".

Li seiner Chronik rühmt der Mönch sein Kloster, „in welchem Maria allzeit gnädig und zeigenhaftig gewest, habe vermittelst Gottes und ihrer Beistand ohne Makel des Lutherianischen Irrtums bis 1530 sich wunderlich erhalten". Mit welchem Zorn und Ingrimm, mit welcher Betrübnis hätte es demnach unsern Mönch erfüllen müssen, wenn er es noch erlebt hätte, wie nach dem Tode des Herzogs Georg unter seinem Nachfolger Heinrich die Reformation im ganzen Sachsenlande eingeführt wurde, und wie gerade in Pirna die ersten zum Luthertum Über- getretenen, die wir mit Namen kennen, Mönche seines Klosters waren, welche darauf Stellen als evangelische Pfarrer in mehreren neuen evangelischen Gemeinden er- hielten^^). Von den Herzögen von Braunschweig wird unter dem Artikel „Braunschweig" gesagt: „Diese Fürsten haben nicht a. 1526 und hernach dem unchristlichen Irrtum des neuen Evangeliums angehangen". Von dem Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg wird gerühmt, „dafs er in seinem Fürstentum durch Acht und Strafe den Anhängern der seelmörderischen lutherischen Sekte entgegentrete; auch seiner eigenen Fürstin nicht habe ihr unchristlich Vor- nehmen gestatten wollen". Harter Tadel trifft diejenigen Fürsten, welche der Ausbreitung der Reformation in ihren Ländern Vorschub leisteten. Vor allen wird der Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen schwer angeklagt, „durch dessen Hochschule Wittenberg so vielfältige unchristliche und heidnische Unart und Irrtümer in Landen und Städten in deutscher Nation ausgestreut worden seien". Er wird vom M. P. charakterisiert als ein vornehmlicher, erfahrener und anschlägiger Fürst, aber zu fleischlicher Wollust und neuen opiniones geflissen. Seinem Bruder und Nachfolger, Johann dem Beständigen, wird schuld gegeben, die Aus-

10'

') Hofmann a. a. 0. S. 40 u. 41.

246 Hermann Müller:

breitung der Reformation in seinem Lande und die Ver- wüstung der Klöster auf alle Weise gefördert zu haben. In ähnlicher Weise, fast noch schärfer wird über seinen Sohn und Nachfolger Johann Friedrich geurteilt. Dem Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg, einem Hohenzollern, wird nachgesagt, dafs „unter ihm sich der lutei'anische verwerfliche Irrtum allenthalben im Erz- bistum Magdeburg sehr vermehrt, ohne ernstliche Strafe, darunter Gottes Schaf lein in gefährliche Irrungen kommen, die Klöster unchristlich spoliiret, Glocken, Monstranzen, Heiligtum samt anderen Kleinodien und Kirchengeräten von Gotteshäusern freventlich entwandt werden". Seinem Unwillen über den Übertritt des deutschen Hochmeisters,

des Hohenzollern Albrecht, zum evangelischen Glauben und über dessen Erhebung zum Herzog von Preuisen gibt der M. P. in folgenden Worten Ausdruck: „(1524) hat obgedachter Markgraf Albrecht, Hochmeister, Gott und dem Orden vereidet, apostatirt und sich zu einem weltlichen Fürsten gewandelt". Im ganzen ruhiger be- urteilt unser Mönch das Vorgehen des Landgrafen Philipp von Hessen. Von ihm heilst es: „Dieser Fürst machte wunderliche Ordnungen in seinem Lande, ein frediger, junger Fürste. Unter ihm sind die Klöster in Hessen sehr verwüstet, die Geistlichen verwaist, und die luterische Sekte gefördert". Diese glimpfliche Behandlung hatte jedenfalls dieser Fürst dem Umstände zu verdanken, dafs er ein Schwiegersohn Georgs des Bärtigen von Sachsen war.

Dais der M. P. den Wunder- und Aberglauben seiner Zeit teilte, darf nicht befremden. Davon konnte sich ja nicht einmal ein Mann wie Luther freimachen, der doch an geistiger Bedeutung denselben turmhoch überragte.

Nach dem bisher Gesagten erhalten wir nun folgendes Bild von der Persönlichkeit des Pirnischen Mönches. Er ist ein seinem Orden und der katholischen Kirche mit der gröfsten Leidenschaft und Inbrunst ergebener Mann, dessen Urteilsvermögen dadurch in der ungünstigsten Weise beeinflufst wird. Darum erscheint seine Auffassung von Personen und Verhältnissen, besonders seiner Zeit, als durchaus einseitig, seine Feder als parteiisch gefärbt. Er vermag nicht im geringsten seinen Gegnern Gerechtig- keit widerfahren zu lassen. Er steckt noch zu tief in den Vorurteilen des Mittelalters, ahnt nicht den Flügel- schlag einer neuen Zeit, die der Welt Befreiung von der

Das Onomasticum des Job. Lindner. 247

geistigen Knechtschaft des Mittelalters bringen wird, bemüht sich vergebens, den Zeiger der Weltenuhr rück- wärts zu drehen. Dabei macht er jedoch den Eindruck eines ehrenhaft gesinnten Mannes, den nur der religiöse Fanatismus blind gegen eine bessere Einsicht macht. Er hat neben den Anforderungen, die sein Orden an ihn stellte und denen er sicherlich mit der grölsten Treue nachkam, soviel Zeit er nur erübrigen konnte, auf historische Studien verwendet. Er hat in seiner Chronik mit grolsem Fleifs, aber völlig kritiklos ungemein viel historisches Material zusammengetragen, ist aber nicht Herr des Stoffes geworden. Sein Werk bietet für die historische Forschung wenig brauchbares Material, weil das Meiste, was er über die vor ihm liegende Zeit be- richtet, aus noch vorhandenen Quellen stammt, die Nach- richten über seine eigene Zeit aber ohne besonderen historischen Wert sind. Nur seine Berichte über Städte und Burgen und die auf den letzteren ansässigen edlen Geschlechter und über die Vorgänge, die sich in einzelnen Klöstern in der Eeformationszeit abgespielt haben, sind nicht ohne ein gewisses Interesse und verdienen die Be- achtung des historischen Forschers.

XI.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner').

1547—1553.

Von

S. Ifsleib.

Der Vertrag von "Wittenberg vom 19. Mai 1547 sicherte den Ernestinern ein jährliches Einkommen von 50000 rhei- nischen Gulden. Laut kaiserlichen Befehles sollten alle ihnen überwiesenen Ämter nach Billigkeit und Herkommen abgeschätzt werden. Wenn der Ertrag der Ämter, Städte, Schlösser, Flecken, Güter, der landesfürstlichen Hoheits- rechte und Nutzungen hinter dem bestimmten Einkommen zurückblieb, so hatte Kurfürst Moritz die Lücke zu decken, den fehlenden Betrag „zu erstatten und auf andere Ämter und Flecken zu verweisen".

Nach erfolgter Verständigung mit Moritz und dem gefangenen Herzog Johann Friedrich ordnete Kurfürst Joachim von Brandenburg als kaiserlicher Bevollmächtigter am 31. Mai an, dals Sonntag den 26. Juni abends drei albertinische und drei ernestinische Räte in Zeitz zu- sammenkommen sollten, um an den folgenden Tagen das gesamte Einkommen der Ernestiner „nach landesüblichem Brauche" zu veranschlagen, zusammenzustellen und einen

1) Die Arbeit ist eine Fortsetzung meines Aufsatzes über die Wittenberger Kapitulation in dieser Zeitschrift XII (1891), 291.293. Vgl. W. We n c k , Albertiner i;nd Ernestiner nach der Wittenberger Kapitulation, in v. Webers Archiv für die sächsische Greschichte VIII (1876), 152 ff. 225 ff. (darauf beziehen sich die Zitate unter „Wenck"); ferner W. Weuck, Kurfürst Moritz und die Ernestiner in den Jahren 1551 u. 1552, in Forschungen zur deutschen Geschichte XII (1872), 1 ff.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 249

billigen Vergleich zustande zu bringen. Alle strittigen Punkte sollte der Kaiser auf Grund eines gemeinsamen Berichtes in Monatsfrist oder möglichst bald endgültig entscheiden.

Mit ausführlichen Weisungen versehen-) kamen sechs auserwählte kurfürstliche und lierzogliche Räte rechtzeitig in Zeitz an. Kurfürst Moritz hatte seinen Räten befohlen, allen Fleils darauf zu verwenden, dals in allen Stücken „nach der Billigkeit und Gerechtigkeit" verfahren würde-^j. Johann Friedrich hatte seine Vertrauensmänner ermahnt, mit Moritz' Leuten nicht zu poltern, sondern aufs glimpf- lichste umzugehen; denn wenn man „die Dinge in der Liquidation'' nicht gütlich abmache, so müfste man sie auf kaiserliche Erkenntnis stellen. Das wollte er vor- läufig ernstlich vermeiden.

Der Anfang der Verhandlung bot manche Schwierig- keit; allein man kam doch bald darin überein, dals das erbliche, beständige und sichere jährliche Einkommen und „die steigenden und fallenden Nutzungen" streng von- einander geschieden und in zwei besondere Anschläge gebracht werden müfsten^). Die steigenden und fallenden Nutzungen, die dem Wechsel der Zeit beständig unter- worfen waren, sollten weder nach dem höchsten, noch nach dem niedrigsten, sondern nach einem durchschnitt-

-) Hauptstaatsarchiv Dresden Loc. 9147 Liquidation, Handlung- zu Zeitz 1547,8 Bl. 38 f. 95 f.; Weimar Reg. M. fol. 1 f . Nr. 1 f. Moritz schickte v. Germar, Statthalter zu Zwätzen, Georg Vitzthuni, Amtmann zu Sachsenburg und Heinrich v. ßünau zu Dro^'ssig; Johann Friedrich sandte seineu Kanzler Jobst v. Hain, Rentmeister Heinrich Mönch und Melchior v. Wechmar. Moritz' Weisung ist in Naumburg ausgestellt am 24. Juni, wo er noch beim Kaiser verweilte. Johann Friedrich schrieb am 24. Juni in Jena an seine drei Räte. Trotz seiner Gefangenschaft leitete er die Regierung seines Herzogtums; nichts geschah ohne seine Zustimmung.

^) Vgl. Wenck S. 153. Die Bemerkungen Wencks über Moritz sind nicht richtig; auch sonst enthalten seine beiden Abhandlungen manchen Fehler.

*) Erbliche beständige und sichere Kammereinkünfte Avaren Erbzins an Geld und Getreide, Erbgeschofs, Zinsen von Laisgütern, Küchenzinsen (Hühner, Gänse, Lämmer usw.), Zins an Unschlitt, Wachs, Mohn, Hanf, Flachs, Salz, au Wein, Bier u. a. ; steigende und fallende Nutzungen., gewährten Geleit, Zölle, Gerichtsgefälle, Lehns- gelder, Lehnware, Äcker, Wiesen, Weiden, Vorwerke, Schäfereien, Viehzucht, Teiche, gehegtes Fischwasser, Wälder, Weingärten, Obst- gärten, Mühlen, Frondienste u. a. Ritterdienst kam nicht in Betracht ; der 10. Pfennig war eine Bede, die Steuer eine freiwillige, nicht regelmäfsige Bewilligung der Landstände in nötigen Fällen.

250 S. Ifsleib:

liehen Ertrage veranschlagt werden. In manchen Fällen wollte man nach dem Herkommen, in anderen wie bei Erbkänfen verfahren u. dergl.

Vor Beginn der Abschätzung verlangten die kurfürst- lichen Abgeordneten alle Bücher, Rechnungen und Ver- zeichnisse über das Einkommen eines jeden Amtes. Darauf legte man ihnen sogenannte Kapitalbücher der Rentmeister vor, worin die Ergebnisse der Jahresrech- nungen der Schösser, der Vögte, der Geleitsleute u. a. zusammengestellt waren. Eine sorgfältige Durchsicht und Prüfung ergab, dals sie „dürftig und lückenhaft" wären. Infolgedessen baten die kurfürstlichen Räte um möglichst genaue Angaben aller Einnahmen und Erträge, damit sie nicht zu Erkundigungen, Besichtigungen und Messungen schreiten mülsten. Über diese Aulserung kam es zu un- erquicklichen Auseinandersetzungen, so dals bald die einen die anderen „als zänkische und hartnäckige Leute", mit denen ohne Hader nicht auszukommen wäre, ansahen. Während die Weimarer für die Zuverlässigkeit und Voll- ständigkeit ihrer Bücher eintraten, hielten die anderen an der Behauptung der Lückenhaftigkeit und UnvoU- ständigkeit fest, weil nicht nur die Holz-, See- und Teich- nutzungen, sondern auch die Jahresrenten der Städte und andere Einkünfte darin fehlten. Überzeugt von der Richtig- keit ihrer Bemerkungen übergaben die Kursachsen der Gegenpartei einen gründlichen Überblick über die Nutzungen der den Ernestinern kürzlich zugewiesenen Amter Dornburg und Kamburg mit dem Ersuchen, ihnen ähnliche Verzeich- nisse und Rechnungen vorzulegen. Als man ihnen nun eine einigermalsen genügende Übersicht über das Ein- kommen des Amtes Weimar zugestellt hatte, forderten sie derartige Verzeichnisse von allen Amtern. Allein die Gegner zögei'ten, verwiesen auf ihre Kapitalbücher und wollten nur darüber guten Bescheid geben, wonach man ausdrücklich fragte. Nach der-Ansicht der kurfürstlichen Räte aber hiefs das, über alles schweigen, wonach sie sich nicht erkundigten. In betreff der weiteren Verhand- lungen war man über verschiedene Nutzungen verschiedener Meinung. In heftigen Streit geriet man über die Berechnung der Holz-, Fisch- und Weinbergnutzungen. Die Weimarer behaupteten, dafs der Weinbau nichts einbrächte und kaum die aufgewendeten Kosten deckte; ähnlich verhielte es sich mit der Fischnutzung; die Waldungen würden auch mehr der Jagd wegen, als des Holzverkaufs halber ge-

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 251

pflegt. Unter keinen Umständen wollten sie die Abschätzung der Klosteinutzung: gestatten, weil der Besitz der Klöster höchst unsicher wäre und man jedenfalls darüber vor dem Kaiser oder vor dem Kammergericht oder vor dem Konzil bald Rede und Antwort stehen mülste. Das erbliche Zinsgetreide sollte nach dem Erfurter Mafs veranschlagt werden; aber über den Preis des Kornes, des Weizens, der Gerste und des Hafers verständigte man sich nicht.

Erfolglos haderte man über die Zahl der Jahre, wo- nach der Durchschnitt der steigenden und fallenden Nut- zungen berechnet werden sollte. Die Kurfürstlichen ver- langten Abschätzung des Einkommens nach dem mittleren Ertrage der letzten zehn oder elf Jahre (1535 1546), die Herzoglichen blieben steif und fest dabei, dals man den Durchschnitt der letzten 22 Jahre suchen und zu- grunde legen mülste.

Aus allem kann man erkennen, dafs die Weimarer darauf ausgingen, alle herzoglichen Einkünfte möglichst niedrig zu veranschlagen, um einen möglichst hohen Zuschufs zur Sicherstellung des jährlichen Einkommens von 50 000 Gulden zu erzielen; die Kurfürstlichen dagegen hielten an der Ansicht fest, dals die thüringischen Ämter mindestens 50000 Gulden einbrächten und wollten ihren Herrn mit jeder Abgabe an die Ernestiner verschonen. Auf ihre Bemerkung, dafs die herzoglichen Amter weit mehr als 50 000 Gulden der Kammer jährlich zuführten, fiel die Gegenbemerkung: man täte, was man wollte, so müfste man doch kurfürstlicherseits fünf oder sechs Amter wieder herausgeben oder eine jährliche Ergänzung von 20000 Gulden zugestehen, um das vertragsmäfsige Ein- kommen von 50000 Gulden zu sichern.

Da die kurfürstlichen Räte es für nötig hielten, von Amt zu Amt zu ziehen, um völlige Aufklärung über alle Nutzungen zu erhalten, so berichteten sie am 80. Juni in aller Eile an den Kurfürsten über die schwierigen und fast fruchtlosen Verhandlungen und baten um neue Wei- sungen. Es wäre wohl zu bedenken, erklärten sie, dafs das, was man einmal bewilligte, nicht ein Jahr, sondern ewig währte'^).

^) tJber die Anwesenheit des Leipziger Rechtsgelehrten Dr. Kitzing in Zeitz vgl. Wenck S. 161. Derselbe hatte auf Befehl des Kurfürsten die Huldigung der Edelleute des Amtes Eisenberg in Zeitz entgegengenommen. Mit der Liquirlation hatte er nichts zu schaffen; doch trat er an den weimarischen Kanzler heran und meinte:

252 S. IMeib:

Kurfürst Moritz war damals durchaus geneigt, sich dem Wittenberger Vertrage gemäls zu verhalten und den Vettern das zu gönnen, was sie mit Fug und Recht be- anspruchen könnteil ; aber er wünschte auch, dals man alle Ämter genau und richtig abschätzte. „Keinesfalls wollte er sich eine unbillige Nachzahlung aufbürden lassen", wenn die thüringischen Ämter, wie man allgemein glaubte, mehr als 50000 Gulden einbrächten. Deshalb befahl er seinen Räten, darauf zu dringen, dals man zuverlässige und ge- nügende Rechnungen über das volle Einkommen der letzten 10 oder 11 Jahre vorlege; wenn nicht, dann sollte es ihnen unbenommen sein, in den einzelnen Ämtern Nachfragen, Erkundigungen, Besichtigungen und Abschätzungen vor- zunehmen. Mit guten Gründen sollten sie auch das Be- streben der Weimarer, die Besoldung der Beamten und die Löhnung des Gesindes vom Ertrage der Ämter ab- zuziehen, zurückweisen. Wenn die Klosternutzungen nicht gütlich in Anrechnung zu bringen wären, dann mülste man davon absehen, damit die Sache nicht an den Kaiser zur Entscheidung gelangte. Falls Pölsneck als schriftsässige Stadt keinem Amte angehörte, so sollte man ihre Nutzung in Anschlag bringen oder sie ihm zusprechen. War ein gemeinsamer Bericht an den Kaiser nötig, dann wollte er ihn vor der Absendung lesen und erwägen.

Nach der Ankunft dieser Weisungen suchten die kur- fürstlichen Räte den Weimarern bestimmter und un- nachgiebiger als vorher zu beweisen, dafs man ohne Er- kundigungen und Besichtigungen in den Ämtern zu keiner sicheren und gerechten Auseinandersetzung komimen könnte.

es wäre gut, alle Weitläufigkeiten durch einen raschen und billigen Vergleich zu schlichten. Da das ernestiuische Einkommen weit über 50000 Gulden betrüge, so möchte man die beiden Amter Dorubnrg und Kamburg gutwillig zurückgeben; vielleicht wäre damit der Kurfürst zufrieden. Es empfehle sich auch, auf den gesamten Besitz zu verzichten und die zugesicherten jährlichen 50000 Gulden zu nehmen und zu verzehren, wo man wollte. Entrüstet wies der Kanzler das Ansinnen zurück und versetzte: man möchte ernstlich daran denken, 7 oder 8 Amter herauszugeben, um den Mangel am Einkommen der 50000 Gulden zu decken usw. Kitzing nahm den Bericht vom 30. Juni mit nach Leipzig, um ihn rasch weiter zu be- fördern. Völlig unbegründet schrieb der Kanzler Jobst v. Hain nach Weimar, dafs Moritz' Räte zwischen Zeitz und Leipzig nach Be- lieben hin- und herritten. In Leipzig schmiedete man die Pfeile, die man in Zeitz verschösse. Dr. Fachs hätte wohl vor allem seine Hände im Spiele. Dr. Kitzing befand sich am 31. Juli unter den kurfürstlichen Räten in Jena.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 253

Schliefslicli setzten sie den Zeitzer Abschied vom 7. Juli durch, wonach etliche kurfürstliche und herzogliche Räte am 31. Juli in Jena eintrefifen, weiter verhandeln und die nötigen Erkundigungen und Besichtigungen in den einzelnen Ämtern vornehmen sollten. Alle Amtleute, Schösser, Geleitsleute, Vögte und andere Beamte und Diener sollten vor den unerlälislichen Erkundigungen ihrer Eide und Pflichten entbunden werden, damit sie als freie Männer ohne Scheu richtige Auskunft geben könnten. Innerhalb 14 Tagen nach vollbrachter Antwort hatten sich dann wieder sechs Räte in Zeitz oder Naumburg einzufinden, um die Liquidation gemäls dem brandenburgischen Ab- schiede vom 31. Mai zu ermöglichen.

Wenige Tage darauf versicherte Kurfürst Moritz seinen in Leipzig tagenden Landständen, dafs er sich be- strebte, mit seinen Vettern einen Vergleich in Güte herbei- zuführen. Fast gleichzeitig befahl Herzog Johann Friedrich seinen Söhnen und Räten, die verlangten Erkundigungen und Besichtigungen nicht zu verhindern, sondern eine Weile geduldig zuzulassen. Suchten aber die Gegner un- billig zu handeln, dann sollten sie über alle unverglichenen Punkte an den Kaiser umgehend berichten und ihn bitten, jeder Ungerechtigkeit gründlich abzuhelfen. Unbedenklich sollten sie daran festhalten, dals von den steigenden und fallenden Nutzungen alle Unkosten, Sold, Löhnung u. dergl. abgezogen und der am Einkommen von 50000 Gulden felilende Betrag nicht durch Geld, sondern durch Zurück- gabe von Amtern gedeckt werden mülste.

In Jena eingetroffen, beschlossen die sechs Räte, die nötigen Erkundigungen gleich im Amte Jena zu beginnen. Ungesäumt lud man den Rat und den Schösser der Stadt sowie andere Beamte, auch Fischer und Holzknechte vor; sie sollten ihre Bücher und Rechnungen vorlegen und „auf Befragen gründlichen und wahrhaftigen Bericht er- statten". Da die Erkundigungen mehr Nutzungen ergaben, als in den vorgelegten Amtsbüchern eingetragen worden waren, so wünschten die kurfürstlichen Abgeordneten auch noch Besichtigungen und Vermessungen vorzunehmen. Dieses Verlangen führte zu heftigen Erörterungen. Die Gegenpartei wollte keine Vermessung zulassen , weil der Zeitzer Abschied nicht davon redete; unwillig verlangten sie, bei allen weiteren Erkundigungen anwesend zu sein, um alle Aussagen genau zu hören; beharrlich sträubten sie sich gegen die Abschätzung der Klöster usw.

254 S. Ifsleib:

Bald stockte die unerquickliche Arbeit infolge eines miisliclien Vorfalles. Ein kurfürstlicher Rat lieis seinen Diener Kreuziger, einst Schösser in Roda, nach Jena kommen, um ihn über manches auszufragen, nicht wissend, dals man zufolge eines weimarischen Verhaftsbefehls schon seit etwa zehn Tagen nach Kreuziger als herzoglichen Untertanen wegen ausgestolsener übler Drohungen gegen Neustädter fahndete. Kaum war nun Kreuziger in Jena angekommen, so wurde er in seiner Herberge verhaftet, ohne dals man seinen Herrn davon in Kenntnis setzte; denn man hatte keine Ahnung vom Schritte des kurfürst- lichen Rates, Im Glauben, dafs die Gefangennahme Kreuzigers erfolgt wäre, um seine Aussagen zu hinter- treiben, forderten die kurfürstlichen Räte seine Befreiung. Als man sie abschlug, verwahrten sie sich gegen das unbillige Verhalten und ritten davon, um in Torgau gegen die herzoglichen Räte Klage zu erheben*^).

Unwillig über den Vorfall und verdrielslich über die verschleppten Verhandlungen benachrichtigte Kurfürst Moritz den Kaiser von der seither fast erfolglosen Liqui- dation und bat ihn, dafür zu sorgen, dals gemäfs dem Wittenberger Vertrage bald klargestellt würde, ob er etwas zu erstatten hätte oder nicht. Gleichzeitig liefs er nach Weimar melden, dafs seine Räte wieder nach Jena kommen sollten, wenn man ihnen alle Amtsbücher, Rech- nungen und Verzeichnisse von zehn Jahren vorlegen, Er- kundigung, Besichtigung und Vermessung ohne Beisein von Zeugen gestatten, keinen Vorgeladenen beschweren und Kreuziger ohne Entgelt befreien wollte.

Ehe man zwischen Torgau und Weimar darüber ins reine kam, reiste Kurfürst Moritz auf den Reichstag nach Augsburg, und der alte vertraute Rat Johann Friedrichs, Dr. Brück, fuhr von Jena nach Torgau, um zufolge kur- fürstlichen Befehles die von seinem Sohne Christian voll- zogene Erbhuldigung und Lehnspflicht zu bekräftigen. Als es geschehen war, führte ihn der alte hochangesehene kurfürstliche Rat Georg v. Carlowitz an ein Fenster und sprach mit ihm lange und ganz vertraulich über Moritz und seine Vettern, über die sächsische Gesamtlehnschaft und über die Liquidation^}. Die wichtige geheime Unter-

^) Die Gefang-enschaft Kreuzigers findet in Schriften an den Kaiser wiederholt Erwähnung.

') HStA. Dresden Loc. 9139 Schreiben Dr. Brücks 1546/1548, Nr. 18, Brief vom 22. August 1547 u. folg. Carlowitz besorgte, dafs

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 255

redung lief darauf hinaus, dafs die Ernestiner mit Moritz in ein freundliches Verhältnis treten sollten, damit die Befreiung- Johann Friedrichs, die Wiedererwerbung der Gesamtlehnschaft und die Liquidation desto schneller er- folgte. Dr. Brück versprach, seinem Herrn samt den Söhnen alles eindringlich zu Gemüt zu führen.

Am 25. August ^^) waren wieder sechs Abgeordnete in Jena, um zu verhandeln; allein abermals traten die früheren Gegensätze schnell und heftig hervor, so dals Dr. Brück an Georg v. Carlowitz ernsthaft und scherzhaft schrieb: die Räte sollten die 50000 Gulden liquidieren; er höre aber, dafs sie mehr trübten als liquidierten, was doch allerwegen nicht fein wäre. In der Tat wirbelte jeder Schritt neuen Staub auf. Beharrlich suchten die Weimarer die Vermessung der Waldungen zu verhindern. Es wäre nicht nur mühevoll, sagten sie, alles abzumessen, sondern auch höchst unbillig, die Holznutzung nach irgend einer Kaufsumme zu berechnen. Das meiste Holz würfe überhaupt keinen regelmäfsigen Gewinn ab. Junger Nach- wuchs mülste erfahrungsmälsig 60 80 Jahre geschont werden, ehe er irgendwie ertragsfähig würde; in ent- legenen Waldgebieten fehlte es an Käufern; Wind und Wetter richteten nicht selten ganze Forsten zu Grunde; alljährlich müfste man auch armen und durch Feuersbrunst heimgesuchten Leuten viel Bauholz unentgeltlich geben usw.

Als die kurfürstlichen Bäte vorläufig auf die Ver- messung der Waldungen verzichteten, erklärten die Wei- marer ihrerseits, dals sie sich vom Verhöre der Schösser, der Vögte und der anderen Vorgeladenen fernhalten und mit der schriftlichen Auskunft über die mündlichen Be- richte begnügen wollten. Kurzweg schlugen sie aber das Gesuch um Übergabe eines Verzeichnisses aller Amts- und Schriftsassen ab, w^eil der Beiterdienst nicht als Nutzung in Betracht käme. Völlig ablehnend verhielten sie sich auch gegen die Auslieferung der auf die sächsische Kur bezüglichen Briefe und Urkunden, sowie der Amtsbücher aller abgetretenen Gebiete und der Schlüssel zum gemein-

es mit Moritz nicht lange währte. Er hätte, wie er sagte, vor Wittenberg gewünscht, dafs der Kaiser den Herzog nicht zum Kur- fürsten erhöbe, weil er nicht die Geschicklichkeit besäfse, die dem kurfürstlichen Stande wohl angehören müfste; allein der Kaiser hätte es durchaus haben wollen, dafs Moritz Kurfürst sein sollte. Dr. Brück hielt Carlowitz für einen echten Reinecke Fuchs. 8) Weimar Reg. M fol. 63 Nr. 4.

256 S. Ilsleib:

Samen Briefgewölbe in Leipzig. Der Streit über den Abzug der Unkosten und Besoldungen vom Einkommen, über die Deckung und Sicherheit des Jahreseinkommens von 50000 Gulden durch Geld oder Land und über die Abschätzung der steigenden und fallenden Nutzungen nach den Erträgen der letzten 11 oder 22 Jahre wurde nicht geschlichtet.

Nach beendeter Pi-üfung der Amtsbücher, Rechnungen und Verzeichnisse, sowie nach der Vollendung nötiger und nützlicher Auszüge verlielsen die Räte am 14. September 1547 Jena, um die anderen Ämter „abzureiten, zu be- sichtigen, auszukundschaften und abzuschätzen"^).

Unterdessen waren eine Reihe Klagen, Forderungen und streitige Fragen, die mit dem Wittenberger Vertrage im Zusammenhang standen, am kaiserlichen Hofe erhoben und anhängig gemacht worden, so dals der Kaiser eine besondere Behörde unter Leitung seines Neffen Erzherzog Maximilian mit der Untersuchung, Erörterung und Bei- legung aller Händel der Albertiner und Ernestiner be- auftragte^").

Zunächst handelte es sich um die an Moritz gewiesenen Untertanen, von denen er einige wegen ihrer im Schmal- kaldischen Kriege verübten Vergehen zur Rechenschaft gezogen, andere zur Erbhuldigung genötigt, andere zu pflichtmätsigem Dienste angehalten hatte. Johann Frie- drich tat dagegen Einspruch und wollte den einen Straf- losigkeit verschaffen, die Verweigerung der Erbhuldigung der anderen rechtfertigen und aulserdem das frühere Dienst- verhältnis zu ihm und seinen Söhnen aufrechterhalten. Moritz entgegnete: niemand könne es ihm verwehren, die neuen Untertanen, die sich während des Krieges gegen ihn vergangen hätten, zur Verantwortung zu ziehen und nach Gebühr zu bestrafen; denn die im Wittenberger Vertrage zugesicherte kaiserliche Begnadigung erstrecke sich nur auf die Vettern und ihre Untertanen, das Recht

") Die Kurfürstlichen berechneten alles nach den Erträgen der letzten 11 Jahre, die Herzoglichen nach dem Durchschnitt der letzten 22 Jahre.

1°) HStA. Dresden Loc. 9139 Des gewesenen Kurfürsten Kriegs- handluug etc. Bl. 29 f., 9140 Handlung und Sachen 1546 1547 Bl. 256 f., 9146 Liquidation u. Händel 1547 Bl. 1 f., 9147 Liquidation, Handlung zu Zeitz 1547/1548 Bl. 161 f., Allerlei Irrungen etc. 1547-1551 Bl. 2 f., 9148 Produkte, Schriften U.Berichte Bl. 1 f., Liquidationshändel, des Churfürsten z. S. Ursachen u. Schriften 1548 1550. Weimar Reg. K fol. 29 Nr. 15 f., Reg. R fol. 38 f.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 257

des Dritten sei ausdrücklich vorbehalten worden. Zwar hätte er gegen einige die Erbhuldigung verweigernde Edelleute Zwangsmittel angewendet; allein nach genügter Pflicht hätten sie ihre gepfändeten Schlösser und Güter sofort zurückerhalten. Ohne Zweifel wäre er auch dazu berechtigt, die früheren Räte und Beamten Johann Frie- drichs, die wegen ihrer Lehen und Besitzungen in seine landesherrliche Gewalt gekommen wären, zur Kats- und Dienstpflicht zu nötigen und anzuhaltend^).

Das kaiserliche Schiedsgericht trat in diesem Punkte auf Moritz' Seite und verwies Johann Friedrich darauf, dafs die über ihn verhängte Acht alle Dienstverhältnisse aufgehoben hätte.

Weiter forderten die Ernestiner über 42000 Gulden Brandschatzungsgelder zurück, die Herzog August nach dem Abschlüsse des Wittenberger A^ertrages eingetrieben haben sollte. Gestützt auf den Herzog von Alba und auf den Bischof von Arras, zeigte Moritz an, dafs sein Bruder auf Antrag des kaiserlichen Kriegsbevollmächtigten Pirro de Colonna Befehl erhalten hätte, mit seinen eigenen und mit kaiserlichen Truppen in Thüringen vorzurücken und dort so lange zu bleiben, bis die Übergabe der beiden Festungen Gotha und Heldrungen erfolgt wäre. Sobald die Nachricht vom Abschlüsse des Vertrages in Thüringen eingetroffen wäre, hätte er sich jeder Brandschatzung enthalten und nur die vor dem 19. Mai eingeforderten Gelder nach dem herkömmlichen Kriegsgebrauche erhoben. AVenn die Vettern aulser den Brandschatzungsgeldern auch noch Schadenersatz beanspruchten , so möchten sie be- denken, wie jämmerlich sie das Land der nächsten Bluts- verwandten vorher verheert und geplündert hätten. Kurz und bündig wies das kaiserliche Hofgericht die „lästige und unbefugte Forderung" der Ernestiner zurück.

Die anderen Punkte sind nicht so schnell wie die beiden erwähnten abgetan, sondern erst nach Jahren mühsam erledigt worden.

") Schwierig: war die Lage des ehemaligen Kämmerers Haus V. Ponikau, über den Johann Friedrich die „Bestrickung'" und Moritz die Pfändung der Güter verhängt hatte. Moritz wollte die Güter nur dann freigeben, wenn Ponikau in seine Dienste träte, denn er wäre sein Untertan und Lehnsmann; beharrlich hielt er daran fest, dafs die Bestrickung ein Eingriff in seine kurfürstliche Obrigkeit uml Gerechtigkeit wäre. Jahrelang dauerte der Streit um Ponikau. Burkhardt in v. Webers Archiv VIII, 49 f.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 3. i. 17

258 S. Ifsleib:

Schon vor Wittenberg (im Mai 1547) forderte Moritz eine Verschreibung, die Johann Friedrich und seine Nach- kommen verpflichtete, den Wittenberger Vertrag in allen Stücken treu und ehrlich zu halten. Wie die beiden älteren Brüder, so sollte auch der jüngste noch im Kindesalter stehende Vetter den Vertrag bestätigen, und berufene Vormünder sollten seine Unterschrift bekräftigen. In Augsburg erneuerte der Kurfürst sein Gesuch, damit niemand die Rechtmälsigkeit seines Besitzes anfechten könnte. Johann Friedrich hielt die Bestätigung des Vertrages von seifen des jüngsten unmündigen Sohnes für unnötig und machte geltend, dafs es für ihn trotz seiner Gefangenschaft geradezu schimpflich wäre, wenn man, solange er lebte, Vormünder für seinen Sohn verlangte. Nur dann sollte ein Versicherungsbrief aus- gestellt werden, w^enn Moritz seinerseits einen gleich- lautenden ausfertigen lassen wollte. Bis zum Tode des Kurfürsten hat man sich abgequält, einen nnanfecht- baren Text zu finden und gegenseitig zur Anerkennung zu bringen.

Wie seine Räte in Jena, so verlangte Moritz in Augsburg die Herausgabe aller Briefe und Urkunden, die sich auf die Kurwürde, auf das Kurgebiet und auf die Lehen des ihm zugewiesenen Grafen Günther von Schwarz- burg bezogen. Ferner begehrte er alle Amtsbücher, Bech- nungen und Verzeichnisse der ihm übertragenen Landes- teile und den ernestinischen Schlüssel zum gemeinsamen Briefgewölbe in Leipzig. Johann Friedrich war erbötig, die Briefe, Urkunden, Amtsbücher usw. nach beendigter Liquidation zu überliefern; vorher w^ollte er sie aber höchstens in das gemeinsame Leipziger Briefgewölbe bringen lassen , damit jeder Teil sie der Notdurft nach gebrauchen könnte.

Nicht nur der Hader über den Betrag der Schulden, die auf den abgetretenen ernestinischen Gebieten lasteten und mit übernommen werden mulsten, sondern auch der Streit über die Zahlung der 100000 Gulden persönlicher Schulden Johann Friedrichs wurde vor das kaiserliche Schiedsgericht gebracht. Kurfürst Moritz focht das ein- gereichte Verzeichnis der Schuldposten an, weil er nur zur Tilgung der Schulden, die der Herzog vor Beginn des Schmalkaldischen Krieges gemacht hätte, verpflichtet wäre. Einige auf bestimmte Bergwerksteile erhobene Ansprüche wies er entschieden zurück und bestritt die ihm zugemutete

Moritz von Sachsen und die Eruestiner. 259

Verpflichtung, dafs er die verpfändeten Landesteile Johann Friedrrchs einzulösen hätte.

Zu weitläufigen Erörterungen führte das Geleit auf den beiden Erfurter Strafsen, die vom Johannis- und Andreastor über Herbsleben undWeilsensee weiterführten. Da der Wittenberger Vertrag Moritz das Leibgeleit ver- lieh, so nahm er auch die Gerichtsbarkeit für sich in Anspruch, weil beide Strafsen seine Amter und Lehen durchschnitten. Dagegen machte Johann Friedrich geltend, dafs „die Obrigkeit und das Gericht samt den Gerichts- fällen" ihm und seinen Söhnen gehörte; denn Leibgeleit und Gericht wären zweierlei und demgemäls teilbar; jedes könnte einen besonderen Herrn haben ^-).

Grofse Anstrengung verwendete der Herzog auf die Sicherung des Leibgedinges seiner Gemahlin, das grölsten- teils auf die böhmischen Lehnsämter Colditz und Leisnig verschrieben worden war. Zufolge des Prager Vertrages vom 14. Oktober 1546 hatte Moritz die beiden Ämter unter der Bedingung erhalten, dals er sie durch Land oder Geld vergüten oder ersetzen sollte ^^). Da nun ihr Besitz eine Gegenleistung an den König erforderte, so verfocht er die Meinung, dals er für frühere Belastung der Ämter nicht zu haften hätte.

Hartnäckig war der Streit über die Schriftsassen oder über „die auf Kanzleischrift sitzenden Grafen, Herren, Ritter und Städte", die trotz der Zugehörigkeit zu den Ämtern doch unabhängig vom Amtmann waren und gleich- sam als Landesunmittelbare im Verkehre mit der landes- fürstlichen Kanzlei standen und vom Landesherrn unmittel- bare Weisung erhielten. Auf .Grund des Wittenberger Vertrages, der schlechthin die Ämter, Städte, Schlösser, Flecken und Güter aufzählte und der Schriftsassen nicht gedachte, hatte Moritz bereits vor Wittenberg behauptet, dals alles ihm gehörte, was nicht der Buchstabe des Vertrages den Vettern „verbürgte. Demgemäls hatte er auch im Entwürfe des „Überweisungsbriefes" ernstlich ver- sucht, alle Schriftsassen auf seine Seite zu bringen. Johann Friedrich aber leistete tapferen Widerstand und rief die Hilfe des Kurfürsten von Brandenburg an. Joachim ver- hinderte damals mit Zustimmung des Bischofs von Arras

^-) HStA. Dresden Loc. 9138 Allerhand Sendschreiben etc. 1535 f. El. 455 f.

*2) König Ferdinand erhielt 1549 die kurfürstliche Besitzung Sagan in Schlesien.

260 S. Ifsleib:

das Vorhaben Moritz'. Nun tauchte die bedenkliche Frage über die Schriftsassen von neuem in Augsburg auf. Über- zeugt davon, dafs die Schriftsassen ebensowenig wie die bereits ohne Vorbehalt überwiesenen Prälaten den Ämtern entfremdet werden dürften, bekämpfte Johann Friedrich mit aller Kraft die „unberechtigte" Forderung. Unwillig und zornig klagte er, dafs aus einem solchen unaussteh- lichen „Gemenge zweier so hart ineinandergreifender Obrigkeiten ewiges Gezänk und unerträglicher Unrat ohne Unterlafs erwachsen" mlUste. Seine Söhne wären dann nicht mehr Landesherren, sondern nur Amtsherren. Hätte ihnen der Kaiser nicht alles, was zu den Ämtern gehörte, gegönnt, so hätte er im Vertrage die Schriftsassen ebenso wie Graf Günther von Schwarzburg erwähnt. Moritz hätte bis jetzt keinen Schriftsassen zur Huldigung vorgeladen, wohl wissend, dals er sie nicht beanspruchen dürfte. Mit Eecht hätte ihm die Stadt Pölsneck den Treueid ver- weigert, weil sie „aus besonderen Gnaden" schriftsässig geworden wäre. Wie die Schriftsassen, so suchte der Herzog auch das im Wittenberger Vertrag nicht genannte, mitten in Thüringen liegende kleine Amt Schwarzwald und den Landkompturhof des deutschen Ordens in Zwätzen, der seit der Erbteilung (1485) zu Meifsen gehört hatte, zu behaupten.

Von hoher Bedeutung für die Ernestiner war ferner die Frage über die Gesamtlehnschaft der Wettiner, die der Kaiser durch die über Johann Friedrich ausgesprochene Acht vernichtet und vorläufig nicht wieder anerkannt hatte ^^). Im Feldlager vor Wittenberg hatte Moritz für die Vettern wegen der Gesamtlehnschaft Fürsprache ein- gelegt, aber sie war vergeblich gewesen. Die fulsfällige Bitte der Herzogin Sibylle im kaiserlichen Zelte und das in Jena überreichte demütige Gesuch Johann Friedrichs des Mittleren hatten in betreff der Gesamtbelehnung nicht den geringsten Erfolg gehabt. Auch in Augsburg war jede Bemühung um ihre Wiedererwerbung fruchtlos^^). Der Kaiser gab unverbindliche Vertröstungen und behielt sich bis auf weiteres freie Entschliefsung vor. Als nun

1*) HStA. Dresden Loc. 9138 Allerhand Sendschreiben 1535 f. ßl. 4-26, 431: Loc. 9139 Schreiben Dr. Brücks etc. 1546—1548 El. 20 f.; Loc. 9142 Churfürst Johann Friedrichs Custodien nnd Erledigung etc. Bl. 12. AVeimar Re^. K fol. 29 Nr. 15: Reg M fol. 63 Nr. 4 f.

1^) Vgl. meine Abhandlung: Moritz von Sachsen 1547—1548, in dieser Ztschr. XIII (1892), 205.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 261

der gefangene Landgraf von Hessen, Dr. Brück und andere hochangesehene Räte Johann Friedrich öfter und ein- dringlich vorstellten, dafs er nach erfolgter Aussöhnung mit Moritz jedenfalls schneller und sicherer zur Gesanit- lehnschaft und zur Freiheit^*') gelangte, erschien er zu- gänglicher als früher, wo er ernste Annäherungsversuche schroff und hartnäckig zurückgewiesen hatte. Allein trotz wiederholter Bemühungen, „sein Fleisch und Blut zu über- winden, Gott die Rache anheimzustelleu und feurige Kohlen auf dem Haupte des Gegners zu sammeln", kam es doch zu keiner Begegnung, Unterredung und Aussöhnung mit dem Vetter ^'j. Die Folge davou war, dafs er die Ge- samtbelehnung ebensowenig wie seine Befreiung erreichte.

Was die Liquidation betrifft, so schob Moritz vor dem kaiserlicheu Schiedsgericht die Schuld der Verzögerung auf die Ernestiner und klagte heftig über die durch Kreuzigers Gefangennahme veranlafste Unterbrechung der Arbeit. Nachhaltig forderte er genaue Amtsbücher, Rech- nungen, Verzeichnisse und gründliche Berichte über das Einkommen der thüringischen Ämter in den letzten 10 oder 11 Jahren. Dann beantragte er kaiserliche Bevoll- mächtigte, die nach Thüringen reisen, alle Erträge ab- schätzen und jeden Streit schlichten sollten, damit man gehässigen Weitläufigkeiten vorbeugte und bald klarstellte, ob das gesamte Einkommen der Vettern 50000 Gulden betrüge oder nicht.

Dem gegenüber suchte Johann Friedrich die lästige Verzögerung den kurfürstlichen Räten aufzubürden, weil niemand mehr als er und seine Söhne Grund zur Eile hätten; jede Verschleppung brächte ihnen Nachteil und Schaden. Verwundert über das Gesuch um kaiserliche Bevollmächtigte verlangte er, dafs man vorläufig „dem brandenburger Abschiede nachsetzen", die begonnenen

i**) Moritz hatte geäufsert : wenn sein Vetter ledig werden sollte, dann würde man ihn vorher auch darum befragen.

^") In jener Zeit gab Moritz zu verstehen, dafs er gesonnen wäre, mit seinen jungen Vettern in aller Freundschaft zu leben, wenn sie einen freundlichen Brief an ihn schrieben. Allein dieser Wunsch wurde nicht erfüllt, weil Johann Friedrich dagegen war und in "Weimar grofse Erbitterung gegen den Kurfürsten herrschte. Wenn man die Briefe der Herzogin Sibylle, die sie nach dem Schmalkaldi- schen Kriege geschrieben hat, liest, so erkennt man darin ihren un- gezügelten, fanatischen, fast unwürdigen Hafs gegen Moritz. HStA. Dresden Loc. 9138 Allerhand Sendschreiben etc. 1535 f. Bl. 435, 508 f. Weimar lieg. M fol. 1 Nr. 1.

262 S. Ifsleib:

Erkundigungen und Besichtigungen beenden und dann in Zeitz oder Naumburg verhandeln sollte. Als Moritz keine Einwendungen dagegen erhob, so pflichtete das kaiserliche Schiedsgericht der Eoi'derung bei.

Infolgedessen trafen am 31. Oktober 1547 sechs Räte in Naumburg zusammen, um in der Liquidation vorwärts zu kommen ^^). Zwar einigten sie sich über die Einkünfte von Zinsgetreide, Ackerbau und Viehzucht, aber über die Holz-, Teich-, Wiesen-, Wein-, Schafnutzung u. a. erreichten sie keine Verständigung, ebensowenig schlichteten sie den Streit über den Abzug der Unkosten und Gehälter vom Einkommen, über die Abschätzung nach 11 oder 22 Jahren, über die Ergänzung durch Land oder Geld usw. Als die Weimarer wider Erwarten zum Berichte an den Kaiser drängten, entgegneten die Kurfürstlichen, dalis man erst nach genügender und erschöpfender Behandlung aller Punkte einen gemeinsamen Bericht ausarbeiten dürfte. Allein die Gegenpartei brach die Verhandlung ungeduldig ab, um ihrerseits die kaiserliche Entscheidung über alle streitigen Punkte umgehend anzurufen.

Während ihr Bericht anfangs Dezember 1547 Augs- burg erreichte, zog Kurfürst Moritz in die Heimat und beriet mit den angesehensten Vertretern der Landstände und mit seinen bedeutendsten Räten über alle Reichstags- angelegenheiten und über die Liquidation. Die Ver- sammelten wünschten, dafs die Liquidation, wenn irgend möglich, ohne kaiserliche Entscheidung in Güte vollzogen würde. Ein Vertrauensmann sollte sich mit den Weima- rern in Verbindung setzen und hören, Avie man zum Ziele gelangen könnte. Darauf bat Christof v. Taubenheim den Kanzler Jobst v. Hain um eine Unterredung; allein dieser schlug sie ab. Weimar wollte alles vermeiden, was auf den Gang der Dinge, in Augsburg störend einwirken mochte. Zufolge einer Äufserung des Bischofs von Arras hoffte man zuversichtlich, dafs der Kaiser „in Sachen der Liquidation rund handeln und stracks durchgehen würde". Ihr nach Augsburg geschickter Bericht bewies, dafs das Einkommen von 50000 Gulden durch einen Nachtrag von 15000 Gulden gedeckt werden müfste und erhob Anspruch auf die früher ernestinischen Ämter im Osterlande und im

1«) HStA. Dresden Loc. 9146 Liquidationssache 1547 Bl. 25 f. ; Loc. 9147 Nanmburgische Handlung 1547 Bl 2 f., Allerlei Irrungen etc. 1547—1551 B1.4 f., Liquidation zu'Zeitz 1547-1548 Bl. 111 f. Weimar Reg. M fol. 21 Nr. 2 f.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 263

Meirsnerlaiide'"). Indessen wurden die schönsten Hoflf- nungen bald getäusclit.

Statt eines Berichtes schickte der Kurfürst eine wohlbegründete Beschwerde über das Verhalten der Wei- marer nach Augsburg. Darauf liels der Kaiser dem gefangenen Herzog anzeigen, dafs die Liquidationshändel nicht einseitig, sondern gemäfs dem brandenburgischen Abschiede gemeinsam an ihn zu bringen wären. Obgleich Johann Friedrich Ende Januar 1548 um einen gnädigen Bescheid auf den Bericht seiner Söhne und Räte bat, so gebot doch der Kaiser am 27. Februar, dafs man dem brandenburgischen Abschiede unverzüglich nachzugehen hätte. Nötigenfalls sollten kaiserliche Beauftragte neben sechs kurfürstlichen und herzoglichen Eäten in bestimmter Zeit alle Hauptsachen vereinbaren oder beide Parteien anhalten, einen gemeinsamen und genügend begründeten Bericht auszuarbeiten -^).

Ohne Zögern gab Moritz seiner Regierung in Torgau Befehl, eine Zusammenkunft von sechs Räten vorzubereiten; Johann Friedrich aber legte dem Kaiser eine Liste von Personen vor, die ihm für die Durchführung der Liquidation in Augsburg besonders geeignet erschienen. Zwar war Moritz bald damit einverstanden, dafs kaiserliche Bevoll- mächtigte an den Liquidationsverhandlungen sofort teil- nähmen; aber er verlangte Abschätzung in Thüringen. Dagegen bestand der Herzog darauf, dals alles, was irgend möglich wäre, in Augsburg erledigt werden sollte; zugleich gab er die bindende Erklärung, dals alles, was er als Gefangener bewilligte, seine Söhne unweigerlich halten sollten-^).

Als man wochenlang darüber gestritten hatte, was in Augsburg erledigt werden könnte oder nicht, verfügte der Kaiser am 17. April 1548, dafs in seinem Namen der

./^) Johann Friedrich liefs sich eine Übersicht über die Einkünfte der Amter Alteuburg, Werdau, Zwickau, Borna, Grimma, Haiuichen, Eilenbarg', Düben u. a. schicken und meinte, da ilir Ertrag kaum 19000 Gulden überstiege, so bliebe für Moritz wenig davon übrig.

-") HStA. Dresden Loc. 9146 Allerlei vermengte Verzeichnisse etc. 1546—1553 Bl. 124 f., Augsburgische Handlung 1547—1548 Bl. 51 f., El. 106.

-1) Auf Moritz' Wunsch betrieb damals Kurfürst Joachim von Brandenburg die Aussöhnung der Vettern; sie scheiterte aber wiederum an der Hartköpflgkeit des Herzogs. In Weimar Reg. K fol. 98 f. JJ 1 liegt Joachims Entwurf zur Aussöhnung der Albertiner und Ernestiner.

264 S. Ifsleib:

Kurfürst von Brandenburg mit sechs Eäten vor allem die vier Punkte, den Abzug der Unkosten von den Ein- nahmen, die Ergänzung des Einkommens von 50000 Gulden durch Geld oder Land, die Schrit'tsassen und das Geleit auf den Erfurter Strafsen, verhandeln und ins reine bringen sollte^-). Erreichte man keine Einigung, dann war ein gemeinsamer Bericht einzureichen.

Trotz aller ehrlichen Vermittelung brachte Kurfürst Joachim die Verhandlungen zu keinem befriedigenden Ab- schlufs. Kurz vor seiner Abreise in die Heimat trug Moritz am 18. Mai-^) seine Beschwerden gegen Johann Friedrich dem Kaiser vor und erreichte durch seinen ausführ- lichen Hinweis auf frühere Vertröstungen und Zusagen-*) so viel, dafs er den am Einkommen von 50000 Gulden fehlenden Betrag nicht durch Land ersetzen sollte. Die mühsamen Verhandlungen in Augsburg beendete das kaiser- liche Gebot, dals die beiden Parteien sich über eine Zu- sammenkunft von sechs Räten verständigen sollten, um im Beisein etlicher brandenburgischer Bäte über alle noch nicht veranschlagten Einkünfte zu verhandeln und nötigen- falls einen gemeinsamen Bericht zur endgültigen Ent- scheidung an ihn einzusenden-'^).

Erst am 24. Oktober L548 trafen acht kurfürstliche und herzogliche Vertrauensmänner in Zeitz ein, um vor- läufig ohne kurbrandenburgische Bevollmächtigte in Güte zu verhandeln-*^). Ihre Aufgabe war, über die noch nicht verglichenen und seither nicht berücksichtigten Einnahmen zu reden und alle Jahrbücher und Verzeichnisse zu ver- vollständigen, unbekümmert um die dem Kaiser anheini-

"•-) Dazu, kamen die streitigen Punkte über die Abschätzung nach 11 oder 22 Jahren, über Pöfsneck, Schwarzwald, Landkomptur- hof zu Zwätzen, über die Pfandschaften u. a.

-'') HStA. Dresden Loc. 9147 Augsburgische Handlung 1547 bis 1548 Bl. 119 f. Vgl. meine Abhandlung: Moritz von Sachsen 1547 bis 1548, in dieser Ztschr. XIII, 218.

2*) Moritz bezog sich auf Gespräche mit König Ferdinand, Kur- fürst Joachim, dem Bischof von Arras und dem Vizekanzler Dr. Seid.

2») Bald darauf folgte Johann Friedrich als Gefangener dem Kaiser in die Niederlande.

-ö) HStA. Dresden Loc. 9148 Neulich ergangene Schriften etc. Bl. 80. 125. 138 f. Weimar Reg. M fol. 122 Nr. 8. Kurfürst Moritz schickte Graf Hans Georg v. Mansfeld, Georg v. Carlowitz, Dr. Fachs und Andreas Pflug; die Herzöge von Weimar sandten Bernhard V. Mila, Dr. Brück, Dr. Erasmus v. Minckwitz und Heinrich Mönch. Die Annäherung beider Parteien hatten vorher der Graf v. Mans- feld und der weimarische Hofmeister Wolf Mülich zustande gebracht.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 265

gestellten Punkte. In Hinblick auf die früheren unerquick- lichen Tagsatzungen schlugen die kurfürstlichen Abgeord- neten der Gegenpartei offen und ehrlich vor, sich mit ihnen über einen bestimmten jährlichen Nachtrag aus der kur- fürstlichen Kammer zur Deckung der vertragsmälsigen 50000 Gulden zu verständigen, damit man mit einem Male über eine grofse Menge von schwierigen peinlichen und kleinlichen Untersuchungen hinwegkäme. Auch brachten sie den Wunsch zum Ausdruck, dafs die jungen Herzöge an den Kurfürsten schreiben und dadurch in ein freund- schaftliches Verhältnis zu ihm treten möchten; denn nach erfolgter Annäherung der Fürsten ginge die Liquidation sicherlich leichter und schneller als bisher von statten. Hierzu aber verhielten sich die Weimarer ablehnend; erst nach beendeter Liquidation wollten sie nähere Be- ziehungen der Vettern anbahnen. Voll Argwohn, dafs man sie nur ausforschen wollte, hüteten sie sich, eine jährliche Abfindungssumme anzugeben ; vielmehr suchten sie vorher den Kurfürstlichen das Zugeständnis abzunötigen, dals die Lücke der Jahreseinnahme durch die Übergabe von etlichen Ämtern gesichert werden sollte. Da nun die einen keine bestimmte iSumme als Nachtrag nannten, die anderen kein Amt als Ersatz bewilligten, so kamen die Verhand- lungen nicht vorwärts. Ohne Lösung der Aufgabe ging man auseinander.

Kurfürst Moritz tadelte die Haltung und das Ver- fahren der Gegner, und Johann Friedrich erklärte, dals man eine neue üble Erfahrung vom alten Meifsner Brauche gemacht hätte.

Die nächste Zusammenkunft fand gemäfs der kaiser- lichen Verordnung im Beisein zweier kurbrandenburgischer Eäte am 19. November 1548 in Naumburg statt"). Bei Beginn der Verhandlung legten die kurfürstlich sächsischen Räte ein Verzeichnis aller vereinbarten und noch nicht vereinbarten Punkte vor. Alle beim kaiserlichen Hof- gericht anhängigen Artikel, sagten sie, und alle früher erledigten steigenden und fallenden Nutzungen mülsten aus dem Spiele bleiben; dagegen hätte man eine Über- einkunft zu trefi"en über die Holz-, Teich- und Schafnutzung und über alle noch nicht veranschlagten Einkünfte. Die herzoglichen Bäte entgegneten, dafs auch die Holz-, Teich-,

2') HStA. Dresden Loc. 9147 Augsburgische Haudhing 1547—1548 Bl. 336 f.

266 S. Ifsleib:

Schaf- und Weinnutzungen als steigende und fallende Nutzungen jetzt nicht in Betracht kämen, weil man diese mit dem Artikel über die Abschätzung nach 11 oder 22 Jahren der kaiserlichen Entscheidung überlassen hätte. Darauf erwiderten die Kurfürstlichen: alle bisherigen Liquidationsverhandluugen bewiesen klar und deutlich, dafs man die Abschätzung der Nutzungen und die „Ab- teilung nach Jahren als völlig getrennte Artikel" zu er- achten hätte. Stets wäre man darauf ausgegangen, zuerst die Nutzungen zusammenzustellen und zu berechnen und dann die Einkünfte nach dem durchschnittlichen Ertrag verschiedener Jahre gleichsam als gewisse, sichere und beständige Nutzungen zu veranschlagen. Auch in Augs- burg hätte man über die Nutzungen und über die Ab- schätzung nach 11 oder 22 Jahren besonders beraten. Demnach mülste man jetzt nicht nur über die seither unberücksichtigten Nutzungen, sondern auch über die noch unverglichenen Artikel verhandeln. Vor allen Dingen hätte man endlich einmal dem brandenburgischen Abschiede vom 31. Mai 1547, der vom landesüblichen Anschlage aller Nutzungen und Einkünfte redete, gewissenhaft nachzu- gehen. Vor dem Berichte an den Kaiser müfsten alle Lücken der Jahrbücher, der Rechnungen und Verzeichnisse ausgefüllt werden. Die Ernestiner hielten wie früher ihre Kapitalbücher für zuverlässig und blieben dabei, dafs die steigenden und fallenden Nutzungen mit dem Artikel über die Abschätzung nach 11 oder 22 Jahren dem Kaiser zur Entscheidung anheimgegeben worden wäre; mit sichtlichem Unwillen lehnten sie es ab, auf eine genaue Berechnung der Holz-, Teich- und Schafnutzung einzugehen. Man hätte sich nur, sagten sie, mit den früher übersehenen Nutzungen wie Fronden, Dielenzoll, Töpferzins u. dergl. zu befassen.

Obgleich die brandenburgischen Bevollmächtigten die Weimarer zur Nachgiebigkeit zu bewegen suchten, so sträubten diese sich doch gegen eine gründliche Unter- suchung der Forstnutzung und wollten auch nur unver- bindliche Vorschläge hinsichtlich der Schaf- und Teich- nutzung anhören. Infolgedessen hielten es die Kursachsen für überflüssig, die Brandenburger länger zu bemühen, und schlugen Einstellung der zwecklosen Besprechungen vor. Darauf entwarfen die brandenburgischen Unter- händler einen Bericht an den Kaiser, worin die Meinungen beider Teile zur Geltung kamen; allein über den Schlufs

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 267

einigte man sich nicht. Die Parteien verlangten dazu die Zustimmung der Fürsten. Verstimmt über die Erfolg- losigkeit der Tagsatzung trennte man sich.

Kurfürst Moritz prüfte den Bericht, ergänzte den Schluis und schickte das Schriftstück am 6. Dezember 1548 an Kurfürst Joachim mit der Bitte um weitere Beförderung. Dann ersuchte er den Kaiser, die Vettern anzuweisen, dafs sie gemäfs dem brandenburgischen Abschiede vom 31. Mai 1547 die gesamten Amtsnutzungen in die „Kapital- bücher und Register" eintrügen und die Holz-, Teich- und Schafnutzung nach landesüblichem Brauche in billiger Weise einschätzen lielsen; denn kaum der vierte Teil der Holznutzung, die sich wohl auf 16000 Gulden beliefe, wäre in die Amtsbücher eingetragen worden. Veranschlagte und berechnete man alles, dann überstiege die gesamte Einnahme jedenfalls das vertragsraälsige Jahreseinkommen von 50000 Gulden. Stellte sich aber heraus, dafs es nicht 50000 Gulden betrüge, dann wollte er kein Land abtreten, sondern Geld geben und die Ergänzungssumme auf etliche Ämter versichern. Wie der Kurfürst, so machte auch Johann Friedrich eine besondere Eingabe an den Kaiser, worin er auf die in Augsburg betriebenen Verhandlungen Bezug nahm und jeder weiteren Verschleppung der Liqui- dation vorzubeugen suchte.

Was geschah? In der Frühe des 18. Februar 1549-^) wurde im Beisein des Bischofs von Arras den in Brüssel anwesenden kurfürstlichen und herzoglichen Räten ein kaiserliches Urteil über mehrere Punkte vorgelesen und zur Abschrift übergeben. Danach sollten bei der Ab- schätzung der ernestinischen Einkünfte die mit der Er- hebung und Einbringung derselben notwendig verbundenen Kosten, aber nicht die Besoldung der Beamten, der Kästner, Schösser, Kornschreiber u. a. abgezogen werden. Der Kurfürst hatte den am Einkommen von 50000 Gulden fehlenden Betrag „in guten und gewissen jährlichen Ge- fällen zu erstatten, zu verweisen und zu versichern", nicht durch Land und Leute zu ergänzen oder zu vergüten. Beide Parteien durften die Fragen über die Schriftsassen und über das peinliche Gericht auf den Erfurter Straften

-9) HStA. Dresden Loc.9138 Allerhand Sendsehreilten etc. 153.5 f. Bl. 535; Loc. 9140 Handlungen und Sachen 1546 f. Bl. 269; Loc. 9146 Allerlei vermengte Verzeichnisse etc. 1546—1553 Bl. 128; Loc. 9147 Allerlei Irrungen Bl. 323 f. 383; Loc. 91 4S Produkte, Schriften und Berichte Bl. 79 f. Weimar Reg. M fol. 122 Nr. 8.

268 S. Ifsleib:

weiter erörtern. Zunächst hatte der Kurfürst auf die von seinen Vettern eingereichte Schrift innerhalb 14 Tagen zu erwidern, dann sollten die Ernestiner entgegnen usw. Jedem Teile war es auch erlaubt, ,.Ratschläge und Be- lehrungen nach dem gemeinen rechtlichen Gebrauche" einzuholen. In betreff der Liquidation sollte man die Jahrbücher und Register der letzten 22 Jahre in Ordnung bringen und die Holz-, Teich- und Schafnutzung, wie die anderen steigenden und fallenden j^utzungen in landes- üblicher und billiger Weise veranschlagen. Die kurfürst- lichen Eäte durften alle Amtsbücher und Verzeichnisse prüfen, die Beamten verhören, Besichtigungen und Messungen vornehmen. Nach vollbrachter Arbeit sollte sich der Kurfürst für einen der vier Vorschläge'-^), die die Ernestiner gegen die Abschätzung nach den letzten elf Jahren gemacht hatten, entscheiden und den gerechtesten Durchschnitt des Einkommens suchen. Er war nicht verpflichtet, die versetzten herzoglichen Jahr- renten einzulösen oder anderen unbilligen Forderungen nachzugeben. Falls die an Gerstungen, Salzungen und Kapellendorf haftende Pfandschaft abgelöst würde, sollte er den dadurch entstehenden Verlust seinem früheren Erbieten nach durch Geld oder sichere Gefälle, nicht durch Ämter oder Güter ersetzen. Im übrigen blieben alle zwischen den Parteien verglichenen Punkte rechts- kräftig.

Zufolge dieses kaiserlichen Spruches war kein Teil vor dem andern bevorzugt; Vorteil und Nachteil, Verlust und Gewinn erschienen gleichmäfsig verteilt.

Eine Äufserung des Kurfürsten über das kaiserliche Urteil ist unbekannt-^"). Herzog Johann Friedrich aber war tief betrübt darüber, dals die Ergänzung des Ein- kommens nicht durch Ämter, sondern durch Gefälle er- folgen sollte, und dafs die Berichtigung der Amtsbücher und Register, sowie die genaue Abschätzung aller Nut-

~°) 1. Das Einkommen der letzten 22 Jahre sollte einfach durch 22 geteilt werden. 2. Die fünf ersten und die fünf letzten Jahre sollten ausgeschieden und der Durchschnitt der zwölf mittleren Jahre gesucht werden. 3. Man sollte das Mittel vom höchsten und niedrig- sten Einkommen der letzten 22 Jahre berechnen. 4. Das Jahr von Walpurgis 1546 bis dahin 1547 sollte malsgebend sein.

'^o) Moritz war von Januar bis März 1549 in Süddeutschland und Italien. Vgl. meine Abhandlung über die Gefangenschaft Philipps von Hessen, in dieser Ztschr. XIV (1893), 230.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 269

Zungen klar und bestimmt gefordert wurde; das hiefs, die Li(iuidation von vorn anfangen und den Hader von neuem anfachen. Bitter beklagte er, dal's der Kaiser nicht rechtmäfsig, sondern nach den falschen Berichten etlicher Leute über gewisse Vorgänge im Lager vor Wittenberg, wovon er kein Wort wüfste, entschieden hätte. Schmerzlich grübelte er darüber nach, ob er den un- gerechten Spruch anfechten und eine Berufung einlegen oder eine demütige Bittschrifft einreichen sollte. Was half es? Die Erfolglosigkeit jedes Schrittes war zu be- sorgen. Schwerlich wurde die Entscheidung gemildert oder zurückgezogen. Überdies reizte er durch sein Ver- halten die kaiserlichen Räte, die das Urteil ausgearbeitet hatten, zu weiterer Mifsgunst. Höchst bedenklich war OS auch, Moritz einen triftigen Grund zur Erbitterung zu geben, weil man mit ihm über die steigenden und fallenden Nutzungen und über die Abschätzung nach 22 Jahren übereinkommen mulste.

Im Mai hatte er die Überzeugung, dafs es besser wäre, sich mit Moritz friedlich auseinanderzusetzen, als eine Berufung oder Bittschrift beim Kaiser einzureichen und dann eine weitläufige Rechtfertigung abzuwarten und dergl. Ohne sich eine Blöfse zu geben, sollten seine Räte darüber Erkundigungen einziehen, ob Moritz zur gütlichen Verhandlung geneigt wäre. Seine Söhne sollten vorläufig nicht an den Vetter schreiben, weil der Schritt kurz nach erfolgtem kaiserlichen Spruche als Kleinmut, Nieder- geschlagenheit und allzugrolse Nachgiebigkeit erschiene. Es wäre zu befürchten, dals dann dem Gegner „der Bauch desto mehr wüchse" und er hoffartiger als früher die Li- quidation wenig beförderte. Schriebe aber Moritz an seine Söhne, dann sollten sie freundlich antworten. Unter Um- ständen könnte man auch Briefe an einem Tage gegen- seitig austauschen, wie einst er und sein Vater Johann es mit Herzog Georg gemacht hätten. Zuletzt empfahl er, dafs Dr. Brück sich mit Dr. Fachs ins Einvernehmen setzte und eine Unterredung beantragte. Ungeachtet der kaiserlichen Entscheidung sollte dann Dr. Brück darauf bestehen, dafs die Ergänzung des Einkommens wenigstens teilweise durch Ämter gesichert würde; auch sollte er hören, ob Moritz dahin zu bringen wäre, dafs er auf die Schriftsassen sowie auf die Stadt Pölsneck und das Ämtchen Schwarzwald gutwillig ver- zichtete.

270 S. Ifsleib:

In der Tat kamen die beiden Räte Fachs und Brück am 24. Juli 1549 in Weilsenf eis zusammen -^^j und berieten vertraulich, wie wohl die weitläufig und langwierig ge- wordene Liquidation rasch und gut zu beenden w^äre. Beide meinten, dals man sich über eine runde Summe, die das jährliche Einkommen von 50000 Gulden sicherte, verständigen mülste. Darauf äulserte Dr. Brück, dals die bisherige Abschätzung seines Wissens eine Jahreseinnahme von 33000 Gulden ergeben hätte, demgemäß müfste der Kurfürst einen jährlichen Zuschufs von 17000 Gulden ge- währen. Wäre er nun zu bewegen, den Rest teils durch Ämter, teils durch gute Gefälle oder Geld zu erstatten, dann erlielsen die jungen Herzöge jedenfalls etwas vom Nachtrage der 17000 Gulden. Dr. Fachs erwiderte, dals sich die Abschätzungssumme bereits auf 36 096 Gulden beliefe ; doch stiege sie noch erheblich durch den Anschlag aller Nutzungen. Schwerlich könnte jemand den Kur- fürsten zur Abtretung eines Amtes bringen; denn die thüringischen Ämter Weiisenfels, Frej^burg, Sachsenburg u. a. besäfse Herzog August, auch wäre ihm das.. Amt Eisenberg der Jagd wegen überlassen worden ; die Ämter Suiza, Herbsleben und Eckartsberga könnte man der Lage und der Stralsen halber nicht entbehren. Dr. Brück ver- setzte, dafs jede künftige Abschätzung einen Rest von 17000 Gulden aufweisen würde, man möchte schätzen, wie man wollte. Bliebe Dr. Fachs bei seiner letzten Äulserung , dann müfste er nach Weimar schreiben , dals man sich keine Hoffnung auf Land und Leute machen sollte. Der kurfürstliche Rat erklärte, dafs er es beim Gesagten bewenden liefse.

Die weitere Unterredung beider berührte die Punkte über die Schriftsassen, über das Gericht auf den Erfurter Strafsen, über Pölsneck und Schwarzwald, über die säch- sischen Obergerichte •^-), über den neuen Reichsanschlag u. a. Beim Leibgeding der Herzogin Sibylle machte Dr. Fachs darauf aufmerksam, dafs die Sache nicht ohne König Ferdinand erledigt werden könnte; dieser aber suchte, wie man jüngst in Prag erfahren hätte, alles „sehr

3') HStA. Dresden Loc. 9138 Allerhand Sendschreiben etc. 1535 f. Bl. 549; Loc. 9148 Xeulichste ergangene Schriften etc. 1549 Bl. 152 f. Weimar Reg. M fol. 203 Nr. 13. 14.

^-) Vgl. darüber HStA. Dresden Loc. 9148 Liquidationshäudel 1548—1550 Bl. 171. 191. 208.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 271

hart und genau" ^^). Hinsichtlich der Gesamtlehnscliaft konnte er mit gutem Gewissen versichern, dals der Kur- fürst bei jeder Gelegenlieit um die Zulassung seiner Vettern zu derselben gebeten hätte; allein der Kaiser wäre unnachgiebig und wollte erst die jungen Herzöge erproben. Hätten Moritz und August männliche Erben, wodurch die Wahrscheinlichkeit eines Erbfalles an die Vettern in weitere Ferne rückte, dann käme man viel- leicht eher zum Ziele als jetzt, wo die Aussicht auf männ- liche Lehnserben in Dresden und Weil'senfels zweifelhaft und besorglich wäre. Als Dr. Brück fragte, ob der Kur- fürst seinen der Schulden wegen bedrängten Vettern wohl etliche tausend Gulden als Abschlagszahlung von den laufenden Rückständen geben würde, anwortete Dr. Fachs, daliä er die Sache nicht anzubringen wagte; denn sein Herr hätte jedenfalls Avenig guten Willen dazu, weil die Herzöge sich gegen ihn so sehr verhetzen liefsen und nicht einmal an ihn schrieben. Dr. Brück erwiderte: er hätte längst gewünscht, dafs sie es täten, um des Guten willen, das daraus hervorgehen möchte. In Zeitz (im Oktober 1548) hätte ein kurfürstlicher Abgeordneter er meinte Graf Hans 'Georg v. Mansfeld geäulisert, dafs Moritz jedenfalls zu bewegen wäre, ein, zwei oder drei Ämter herauszugeben, wenn die jungen Herren an ihn schrieben. Sofort erklärte Fachs: wer es auch gesagt hätte, sicherlich hätte er keinen Befehl vom Kurfürsten dazu gehabt.

Als man die Religion und das Interim erwähnte, sprach Dr. Fachs mit so grofser Anerkennung vom Ent- würfe der neuen kursächsischen Kirchenordnung, den die Theologen auf Grund des Leipziger Landtagsbeschlusses ausgearbeitet hätten, dafs Dr. Brück im stillen besorgte, man möchte eines Tages als Bedingung zur Verständi- gung mit den jungen Herzögen ihren Anschlufs an das Leipziger Interim stellen.

Schlielslich kehrten die beiden Räte zur Liquidations- frage zurück und verabredeten, ihrerseits zu erforschen, ob die Fürsten geneigt wären, das weitläufige Liquidations- verfahren zu verlassen und sich über eine bestimmte Summe jährlichen Zuschusses zu einigen. Günstigenfalls wollten beide in Naumburg wieder zusammenkommen und alles

^^) Dr. Fachs teilte den Inhalt des Prager Vertrages vom 8. Juni 1549 kurz mit. S. H8tA. Dresden Urkunden 11392.

272 S. IMeib:

besprechen. Zuversichtlich hoiften sie, die anderen Punkte leicht zu erledigen, sobald man über den Hauptartikel einig wäre.

Nach Jena zurückgekehrt, berichtete Dr. Brück an Herzog Johann Friedrich und seine Söhne ausführlich über das Gespräch mit Dr. Fachs und empfahl weitere gütliche Verhandlung. In Weimar waren die Räte darüber verschiedener Meinung: die einen spendeten dem Vor- schlage Brücks Beifall, die anderen, voran der Kanzler Jobst v. Hain, wünschten die Einreichung einer Bittschrift an den Kaiser gegen den Rechtsspruch vom 18. Februar. Zuletzt einigte man sich, über gütliche Verhandlung und Bittschrift die Meinung des gefangenen Herzogs einzu- holen. Dadurch geriet Dr. Brück in peinliche Verlegenheit, denn er hatte Dr. Fachs umgehende Nachricht in Aussicht gestellt. Notgedrungen schrieb er ihm, dafs man in Weimar zur gütlichen Verhandlung geneigt wäre; doch hielte man es für nötig, den jungen, zur Zeit in Pommern verweilenden Herzog Johann Wilhelm-^*) davon in Kenntnis zu setzen und seine Ansicht zu erfahren. Nach erfolgter Antwort wollte er ihm unverzüglich schreiben.

Der gefangene Herzog billigte die gütliche Verhand- lung und die Bittschrift. Während man diese an den kaiserlichen Hof beförderte, sollte Dr. Brück mit Dr. Fachs abermals zusammenkommen und über eine bestimmte Summe verhandeln; es wurde ihm erlaubt, von 17000 auf 15500 Gulden herabzugehen, wenn er _ bemerkte, dafs Moritz geneigt wäre, ein, zwei oder drei Ämter oder einige Dörfergruppen abzutreten und auf die Schriftsassen, die Stadt Pöfsneck und das Amt Schwarzwald zu verzichten. In einem vertraulichen Brief an Dr. Brück klagte Johann Friedrich darüber, dafs Moritz allem Anscheine nach mit der Zeit alle ihre Besitzungen an sich bringen und „zum Mantel auch gern den Bock" haben wollte. Spräche der Kaiser eines Tages seinen Söhnen des Glaubens wegen ihr Land ab, dann würde Moritz, da er die Gesamt-

^*) Über den Aufenthalt Johann Wilhelms bei seinem Schwager Philipp in Pommern seit Juni 1549 vergleiche man Weimar Reg. K 269 Nr. 12 u. 11. Der Vater hatte die Reise des Sohnes nach Pommern erlaubt. Unwillig aber war er später über die Fahrt des Sohnes nach Königsberg zur Hochzeit des Herzogs von Preufsen (im Februar 1550); denn er vermutete, dafs man dort etwas Neues einfädeln und seine Söhne mit hineinziehen wollte. Johann Wilhelm mufste väter- lichem Befehl zufolge nach Pommern zurückkehren und hatte sich brieflich zu rechtfertigen.

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belehnung besäfse, sie verjagen und vertreiben unter dem früher (1546) gemachten Vorwande, dafs er das Land nicht in fremde Hände kommen hissen dürfte. Eine Ver- gleichung seiner Söhne mit Moritz wäre aber nicht wünschenswert; denn Christus und Belial gehörten nicht in ein Reich. Seine Söhne sollten sich hüten, mit ihrem Vetter viel Gemeinschaft zu haben oder gar neue Bünd- nisse zu schliefsen; die Wiederaufrichtung der alten, zu gegenseitiger Unterstützung verpflichtenden Erbeinigung sollte vermieden werden.

Als Dr. Brück um eine neue Unterredung gebeten hatte, zeigte Dr. Fachs nach längerem Schweigen am 12. September 1549 an, dals zwei triftige Gründe alles verzögert hätten : einmal wäre der Kurfürst auf dem Tage von Jüterbog, wo die sächsischen Kreisstände über die Vollziehung der Acht gegen Magdeburg beraten hätten, durch ein herzogliches Schreiben aus Weimar unverdienter- weise hart verunglimpft worden"^') und zweitens hätte man lange Zeit nach der Zustellung des kaiserlichen Urteils vom 18. Februar gegen das Herkommen und gegen den Gebrauch des sächsischen Rechtes eine Bittschrift am kaiserlichen Hofe eingereicht, um eine Änderung in mehreren Punkten herbeizuführen. Weder das ungebühr- liche Schreiben noch die unberechtigte Bittschrift dienten zur Beförderung eines friedlichen Vergleiches. Es könnte nur dann eine neue Unterredung stattfinden, wenn Brück es vorher dahin brächte, dafs die Herzöge die Bittschrift fallen liefsen.

Vom Kaiser aufgefordert, auf die Bittschrift zu er- widern, erklärte Kurfürst Moritz kmz und bündig, dafs er die Ergänzungssumme nur durch gute Gefälle oder Geld, nicht durch Ämter erstatten wollte. Aulserdem behielt er sich vor, seine Gründe über die Abschätzung nach 11 oder 22 Jahren anzugeben, falls die Bittschrift künftig noch Berücksichtigung fände.

Darauf befahl Johann Friedrich seinem vertrauten Rat, auf alle Fälle ein zweites Gespräch mit Dr. Fachs zu ermöglichen, damit seine Söhne dem Vetter vorläufig nicht entgegenkommen rnüfsten, denn es stünde geschrieben: Gott stielse die Hofiartigen vom Stuhle und erhöbe die

'^^) Der Kreistag zu Jüterbog dauerte vom 21. 31. August 1549. Die Weimarer hatten ihre Abwesenheit durch die Berufung auf ihre Geldnot entschuldigt, vrohin sie durch den Rückstand der ihnen schuldigen kurfürstlichen Ergänzungszahlungen geraten wären.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 3. 4. 18

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Demütigen. Wiederum warnte er ernstlich vor einem näheren Verhältnisse oder vor einem Bunde seiner Söhne mit Moritz.

Schwieriger als man dachte kam es zur zweiten Be- gegnung der beiden Räte. Erst im Februar 1550 lud Dr. Fachs den alten Brück nach Leipzig ein mit der Bitte, zwei Genossen mitzubringen, damit die Verant- wortung nicht auf ihren Schultern allein ruhte.

Mittlerweile hatte ein beachtenswerter sehr vertrau- licher Briefwechsel zwischen Johann Friedrich und Dr. Brück begonnen'^*'). Seit Monaten w^urde des Herzogs Gemahlin Sibylle von Besorgnis erregenden Krankheits- anfällen heimgesucht. ZurÄulserung über den Gesundheits- zustand heftig gedrängt, erklärte der Leibarzt Dr. Ratzen- berger dem Gefangenen am 10. Dezember 1549, dais die eheliche Trennung der Hauptgrund der Krankheit wäre. Obgleich die unglückliche Herzogin den Kaiser um die Befreiung des Gemahls flehentlich bat, so erhielt sie doch eine abschlägige Antwort. Die Klagen der Gattin hätten wohl ein steinernes Herz bewegen können, schrieb Johann Friedrich an Brück; allein am kaiserlichen Hofe wäre keine Barmherzigkeit, sondern nur Gewalt und Tyrannei. Aus Furcht, dais er nach der Befreiung oder Betagung etwas Gefährliches anfangen könnte, schenkte mau ihm und seinen Worten weder Glauben noch Vertrauen. Der bedauernswürdige Zustand der Gattin liels ihm keine Ruhe; Tag und Nacht überlegte er, was zu tun wäre. Endlich gab er kund: wenn Brück und Fachs die Liqui- dation glücklich beendet hätten, dann wäre vielleicht Moritz bereit, den Kaiser zu bitten und zu bewegen, dafs er ihn um seiner Gattin willen nach Meifsen bringen und dort gefangen halten Heise. Wenn er sein krankes Weib retten und mit ihr zusammenleben könnte, dann wollte er sich seinem ärgsten Feinde guten Mutes anvertrauen. Viel- leicht verhielte sich der Vetter nicht gar zu übel gegen ihn, damit er endlich aus dem bösen Geschrei, das er bei Freunden und Feinden hätte, herauskäme. Es wäre an- zunehmen, dafs er ihn ganz gern in seiner Gewalt sähe, weil er dann die Gewähr dafür hätte, dafs die jungen Vettern nichts gegen ihn anfingen; denn da Moritz wie

^ö) HStA. Dresden Loc. 9138 Allerhand Sendschreiben etc. 153.5 f. BL592; Loc. 9142 Chuffürst Johann Friedrichs Custodien und Erledigung- etc. Bl. 8. 16 f.

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sein Bruder August ein böses Gewissen besäfse, so fürchtete er sich allerorten vor jedem rauschenden Blatte. Mutvoll wollte er gewisse Demütigungen ertragen, wenn sie weder Gewissen noch Ehre verletzten. Vor der Haft in Meifsen aber wünschte er etliche Bedingungen zu stellen und mit Moritz zu vereinbaren.

Zufolge eines erhaltenen Entwurfes war er gewillt, auf dem ihm zugewiesenen Schlosse^") mit der Gemahlin und mit dem Hofgesinde auf eigene Kosten zu leben, keine Nacht ohne besondere Erlaubnis aufserhalb der Behausung zu bleiben und nie ohne den mit seiner Über- wachung betrauten Amtmann auszureiten oder auszufahren. In seiner Umgebung wünschte er einen solchen Geist- lichen zu haben, der das AVort Gottes und das Sakrament gemäls dem Augsburgischen Bekenntnis lehrte und spen- dete. Des Glaubens halber sollte man gegen ihn weder Druck noch Zwang anwenden. Seine Söhne und Räte sollten jederzeit freien Zutritt zu ihm und unumschränkten Briefwechsel mit ihm haben. Da er nur des Kaisers Gefangener wäre, so beanspruchte er nach dessen plötz- lichem oder unerwartetem Tode volle Freiheit; doch wollte er den Wittenberger Vertrag in allen Stücken halten.

Während Johann Friedrich über diese Dinge strenge Verschwiegenheit gegen seine Söhne und Räte verlangte, erlaubte er Dr. Brück, mit Dr. Fachs darüber ganz geheim und vertraulich zu reden und seine Meinung zu hören. Obgleich die ganze Sache auf den alten getreuen und bewährten Rat einen tiefen Eindruck machte, so war er doch voller Bedenken , sie mit Dr. Fachs vor beendeter Li(iuidation zu besprechen. Der Herzog aber wies jeden triftigen Grund zurück und forderte ungeduldig eine ent- schlossene Beförderung des geheimen Handels. Brück sollte möglichst bald nach Leipzig eilen, ohne Scheu oder Scham vor die Türe des Dr. Fachs fahren und zu ihm gehen; keine bange oder quälende Besorgnis sollte die angebotene Unterredung vereiteln. Die Not geböte, den geheimen Handel zu betreiben und das Gemüt der Wider- wärtigen zu erforschen, selbst wenn die Meilsner noch hoffärtiger, stolzer und trotziger würden. Jedermann kannte sie und alle Welt, auch der kaiserliche Hof, redete übel von ihnen. Er selbst fürchtete nichts; denn Gott könnte

*■') Er dachte vor allem an das Schlofs Schellenberg-, wo er „als ein schwerer AVaidmann" bequem jagen könnte.

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ihn überall schützen und behüten. Alles geschähe der Gemahlin wegen; seine Pflicht und Ehre geböte, sein armes Weib aus schwerer Trübsal zu retten und vor zeitigem Tode zu bewahren. Vor Wittenberg, vor Halle und in Ausgburg wäre er viel zu hart gegen Moritz ge- wesen; jetzt dächte er anders und wünschte Versöhnung mit dem Gegner. Falls Brück die Sache nicht allein auf sich nehmen wollte, so möchte er Bernhard v. Mila und Erasmus v. Minckwitz in das Geheimnis ziehen; sein Sohn aber sollte nichts davon wissen, weil er wegen seines jungen und hitzigen Gemütes mehr Lust zur Bache als zur Versöhnung hätte "^). Unter allen Umständen wäre Eile nötig. Ungeachtet der eingetretenen Besserung der Gesundheit seiner Gemahlin ermunterte er unermüdlich zur geheimen Unterredung mit Dr. Fachs; allein Brück konnte es nicht über das Herz bringen, nach Leipzig zu fahren und über die schwierige Sache vertraut zu plaudern. Am 9. Mai 1550 kam endlich eine neue Liquidations- verhandlung zwischen sechs kurfürstlichen und herzog- lichen Räten, darunter Dr. Fachs und Dr. Brück in Zeitz zustande ^^•'). Bei Beginn derselben zeigte Dr. Fachs an, dals man vor allen Dingen über die Holz-, Teich-, Schaf- und Weinnutzung, sowie über die noch nicht veranschlagten Einkünfte reden müfste, um endlich die Jahrbücher und Register zu vervollständigen. Dann könnte man sich über die jährliche Nachzahlung vergleichen. Die Holznutzung würde je nach dem Prozentsatze des Reinertrages teils auf 16000, teils auf 12800 Gulden veranschlagt; nicht

"*) Am 15. Februar 1550 entwarfen Johann Friedrich der Mittlere \ind ein Graf von Mansfeld (Volrad?) ein Bedenken zum Kampfe der Protestanten gegen die Papisten. Man wollte Erfurt und Eimbeck, Bamberg, Würzburg, Nürnberg, Eiclistätt u. a. erobern, auch den bedrängten Christen in den Niederlanden und in Frankreich Hilfe leisten, ehe die Gegner ihre geheimen Werbungen und Rüstiangen beendeten Es galt die Bischöfe mit allen Pfaffen tot zu schlagen, ehe sie die Anhänger des Augsburgischen Bekenntnisses überfallen und samt der reinen Lehre ausrotten könnten. HStA. Dresden Loc. 9142 Churfürst Johann Friedrichs Custodien und Erledigung Bl. 3. Man beachte, dafs am 26. Februar 1550 Markgraf Hans von Küstrin mit Herzog Albrecht von Preufsen und Johann Albrecht von Mecklenburg den Königsberger Bund gründete. Im März näherten sich Moritz und August dem Markgrafen Albrecht von Kulmbach und gingen auch auf Gründungeines Bundes aus. Vgl. Albrechts Denkschrift an Moritz vom27.März HStA. Dresden Loc. 7281 Französische Verbundnisse etc. Bl. 29; s. A v. Drnffel, Briefe u. Akten I, Nr. 388 400.

^''') HStA. Dresden Loc. 9148 Neulichste ergangene Schriften in der Liciuidatiou 1548—1550 Bl. 202.

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iinerlieblicli wäre auch die Fisch-, Schaf- und Weinnutzung:. Dr. Brück erwiderte: es erschiene überflüssig;, alle Einzel- heiten von neuem weitläufig zu erörtern; denn sie wären da, um sich über eine bestimmte Summe zu verständigen. Das G-esamteinkommen der jungen Herzöge betrüge tat- sächlich nicht 36096 Gulden, sondern nur 33000 Gulden einschlieislich des Einkommens von Pöfsneck, Schwarz- wald usw., demnach hätte der Kurfürst jährlich 17000 Gulden zu erstatten. Nun wären sie willens, mit den kurfürstlichen Räten darin übereinzukommen, dals der jährliche Nachtrag von 17000 Gulden teils durch thüringi- sche Ämter, teils durch sichere Gefälle ersetzt und ge- währleistet würde. Dr. Fachs entgegnete, dafs sich in ihrem Verzeichnisse von 36096 Gulden das Einkommen von Pölsneck und Schwarz wald, das ungefähr 1000 Gulden betrüge, nicht befände; es fehlten darin auch noch andere nicht unbedeutende Einkünfte. Keinesfalls brächte die Holznutzung nur 2500 Gulden ein, wie man behauptet hätte, sondern allermindestens 7500 Gulden; die Fisch- und Teichnutzung betrüge auch nicht weniger als 5000 Gulden. Kurz, man wäre ihrerseits davon überzeugt, dafs höchstens 5000—6000 Gulden jährlich ergänzt werden müfsteu. Um endlich einmal volle Klarheit zu erhalten, hielten sie es für zweckmäfsig, die beiderseitigen Ver- zeichnisse nebeneinander zu legen und gemeinsam die Ab- weichungen zu prüfen. Die AVeimarer wiesen diesen Antrag kurz zurück. Die Unterschiede rührten jedenfalls, sagten sie, von der verschiedenen Berechnung nach 11 und 22 Jahren her. Um des Friedens willen aber wollten sie ihren Herren empfehlen, von den 17000 Gulden 1500 bis 2000 zu erlassen, vorausgesetzt, dafs man andererseits in manchen Stücken nachgiebig wäre. Daraufgab Dr. Fachs zu erkennen, dafs sie ihrerseits die Absicht hätten, den Kurfürsten dahin zu bringen, dafs er jährlich 7000 Gulden aus der Rentkammer verabreichen und seine Ansprüche auf die Schriftsassen, auf Pöfsneck und Schwarzwald fallen liefse. Mit dem Gesuche um Abtretung eines Amtes aber möchte man sie künftig verschonen. Obgleich Dr. Brück noch mehr zu erreichen suchte, so blieb es doch beim Anerbieten von 7000 Gulden.

Wie früher, so wünschten auch jetzt die kurfürst- lichen Räte, dafs die jungen Vettern an den Kurfürsten schrieben, weil eine persönliche Annäherung nützlich wäre; allein sie bemerkten wenig Willfährigkeit. Vor derTrennung

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versprach man einander, eine neue Zusammenkunft mög- lichst bald herbeizuführen.

Herzog Johann Friedrich entsetzte sich fast über das geringe, geradezu schimpfliche Angebot von 7000 Gulden; doch befahl er, einer anderen Tagsatzung nicht aus dem Wege zu gehen. Nach langer Beratung beschlols man in Weimar, den Kaiser um besondere Bevollmächtigte zur Schlichtung des Liquidationsstreites zu bitten. Unwillig über das Zeitzer Ergebnis ersuchte Kurfürst Moritz den Bischof von Arras, dafür zu sorgen, dafs der Kaiser die jungen Vettern nicht eher belehnte, als bis die Liquidation beendigt und der Streit über die Schriftsasseu, über Pöfsneck, Schwarzwald u. a. entschieden wäre*").

In jener Zeit trat der frühere kurfürstliche Kämmerer Hans V. Ponikau als Vermittler des Liquidationsstreites auf und hoffte ihn zu schlichten*^). Zunächst traf er mit dem Landhofmeister Bernhard v. Mila und Erasmus v. Minck- Avitz*-) in Bürgel zusammen und versprach, alle Mühe darauf zu verwenden, dafs die jungen Herzöge jährlich 14000 oder wenigstens 12000 Gulden Zuschuls erhielten. Zw^ar bezweifelte er, dafs der Kurfürst ein Amt abträte; aber er wollte diesen Punkt möglichst oft zur Sprache bringen. Dafür glaubte er bürgen zu können, dafs Moritz nach beendeter Liquidation die Wiedererwerbung der Gesamtlehnschaft und die Befreiung Johann Friedrichs ernstlich betreiben würde. Wie Ponikau, so suchte am 20. August 1550 Dr.Kitzing mit dem weimarischen Kanzler erfolgreiche Verhandlung anzuknüpfen. Zwei Tage später erbot sich Heinrich v. Bünau , die Eintracht der beiden sächsischen Häuser herstellen zu helfen.

Nicht genug! Am 22. August kam noch ein ganz un- erwartetes Anerbieten. Der hessische Rat Hans Bau von

40) HStA. Dresden Loc. 9142 Churflirst Johann Friedrichs Castodien und Erledigung etc. Bl. 27; Loc. 9147 Allerlei Irrung etc. 1547—1551 Bl. 515.

*i) Ponikau befand sich noch in Bestrickuug auf Pomsen. S. Anm. 11. HStA. Dresden 9148 Neulichste ergangene Schriften etc. 1548—1551 Bl. 214.

*-) Jobst V. Hain hatte damals das Kanzleramt unwillig nieder- gelegt. Johann Friedrich nannte ihn gelegentlich den ,,Mann mit dem dicken Bauche". W. Wenck hat S. 250 die Worte auf Moritz irrtümlicher Weise bezogen. Später übernahm Erasmus v. Miuckwitz das Kanzleramt. HStA. Dresden Loc. 9138 Allerhand Sendschreiben etc. 1535 f. Bl. 558. 582; Loc. 9142 Churfürst Johann Friedrichs Custodien und Erledigung Bl. 74. Weimar Keg. K fol. 26 Nr. 14.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 279

Holzliauseu^*^), „ein sehr aiifiiclitiger und runder Gesell", war bei Moritz und August gewesen und zeigte auf der Heimreise in Weimar seinem Vetter Eberhard von der Tann, Amtmann der Wartburg, vertraulich an: Herzog August Heise sagen, dals er es gern sähe, wenn sich die jungen Herzöge mit seinem Bruder gütlich verglichen. Wenn sie ihn oder Markgraf Hans oder Markgraf Albrecht von Branden- burg'*'*) zusammen oder einzeln als Unterhändler leiden könnten, so käme man jedenfalls nicht nur zur Verhand- lung, sondern auch zum Vertrage. Ganz geheim erzählte Rau: es wären allerlei Dinge vorhanden, die er noch nicht offenbaren dürfte ; aber kraft eines geplanten Ver- trages könnten die jungen Herzöge nicht nur mehr Land gewinnen als sie verloren hätten, sondern sie gelangten auch bei eintretenden Todesfällen wieder zu ihren früheren Besitzungen. Als Eberhard neugierig fragte, welches Land sie erhalten sollten, sagte sein Vetter: es gezieme sich nicht, schon jetzt davon zu reden.

Von Kassel aus teilte dann Rau Herzog August mit, dafs er seinen Auftrag in Weimar erledigt hätte und bat, eine Antwort mit Geduld zu erw^arten und kein Milsfallen an irgend welcher Verzögerung zu haben. Kaum hatte der hessische Rat Weimar verlassen, so sprach sein Vetter mit dem Kanzler v. Minckwitz und bat um eine günstige Antwort. Dieser berichtete sofort an Herzog Johann Friedrich und fragte ihn, was er tun sollte, da aufser Ponikau, Kitzing und Bünau auch Rau Verhandlung an- geboten hätte. Nach gründlicher Erwägung aller Mit- teilungen riet der Gefangene, Herzog Augusts Anerbieten mit füglichen Worten hinzuhalten, bis Ponikau sein Vor- haben ausgeführt hätte. Eberhard von der Tann sollte seinem Vetter anzeigen, dafs die jungen Herzöge bereits eine Zusammenkunft etlicher Räte bewilligt hätten ; bliebe deren Verhandlung fruchtlos, dann könnte man Herzog August oder Markgraf Hans als Vermittler wohl leiden, nicht aber Markgraf Albrecht. Vom Kanzler aufgefordert schrieb von der Tann in diesem Sinne nach Kassel.

*^) HStA. Dresden Loc. 9142 Churfürst Johann Friedrichs Custodien und Erledigung Bl. 38. 138. 140 f.; Loc. 9148 Sächsische Irrung etc. Bl. 21. A. v. Druffel I, Nr. 477.

^*) Vgl. meine Ahhandlung: Hans von Küstrin inid Moritz von Sachsen, in dieser Ztschr. XXIII (1902), 11 13, wo über Moritz' Verhältnis zu Markgraf Albrecht und über Augusts Besuch beim Markgrafen Hans die Kede ist.

280 S. Ifsleib:

Die geheimnisvollen Andeutungen des hessischen Rates liefsen Johann Friedrich vermuten, dafs man mit Frank- reich verhandelte, seine Söhne mit Moritz aussöhnen und in einen neuen Bund hineinbringen wollte. Moritz suchte wohl deshalb an Frankreich einen Rückhalt, weil ihn die Haltung, die er auf dem Reichstage gegen Konzil und Interim einnehmen lielse, mit dem Kaiser entzweien könnte. Und da auch andere Fürsten den Reichstag nicht be- suchten, so wäre gewil's etwas Neues im Werke; jeden- falls hätte man die Absicht, eine neue Glocke zu gielsen, woran seine Söhne und die jungen Landgrafen teilnehmen sollten. Man könnte für und gegen einen Bund mit Frankreich sprechen. Nach seinen Erfahrungen wäre es ratsam, dafs seine Söhne gemäfs dem Wittenberger Ver- trage lebten, die Liquidation beendeten und mit ihrem Besitze und Einkommen zufrieden wären. Mit grofsem Schaden und Verlust hätte er erfahren müssen, wie man Bündnisse hielte und wohin sie führten. Wie leicht brächten die treulosen Leute, die jetzt alles lieblich und suis vorspiegelten, seine Söhne zuletzt um ihr Weniges.

Am 8. September 1550 meldete nun Ponikau nach Weimar, dais jetzt die beste Gelegenheit zur Beendigung der Liquidation gekommen wäre, da er den Kurfürsten davon überzeugt hätte, dafs die jungen Herzöge zum Vertrage geneigt wären. Rasch hätte sich Moritz ent- schlossen, die schon festgesetzte Reise auf den Reichstag um 10 14 Tage zu verschieben*'^). Infolgedessen kamen der Kanzler v. Minckwitz und der Landhofmeister v. Mila mit Ponikau am 11. September in Eisenberg zusammen. Dort rühmte sich Ponikau seiner beiden Unterredungen mit dem Kurfürsten und seiner Beratungen mit den ein- flulsreichen Räten Fachs, Komerstadt und Christof v. Carlo- witz. Das erste Gespräch mit Moritz auf dem neuen Schlolsbau zu Dresden hatte den Erfolg gehabt, dafs die Räte ihm etliche Artikel vorlegten; allein er wies sie zurück, weil sie weder gehauen noch gestochen wären. Während des zweiten Gespräches hätte er dem Kurfürsten gründlich auseinandergesetzt, dafs die jungen Herzöge einen jährlichen Nachtrag von 13000 oder mindestens 12000 Gulden und das Amt Eisenberg, sowie Verzicht

*•'*) Die Verschiebung der Reise hatte andere Gründe. S. meine Abhandlung: Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550-1551, in dieser Ztschr. V (1884), 181.

Moritz von Sachsen imtl die Ernestiner. 281

auf die Schriftsassen, auf Pölsneck und Scliwarzwald, auch Willfährigkeit hinsichtlich des Leibgedinges der Herzogin u. a. erwarteten. Wie mit dem Kurfürsten, so hätte er sich mit den Eäten darüber „etwas scharf ge- bissen"; denn sie wollten nur 12000 Gulden geben, das Amt Eisenberg und die Schriftsassen behalten und mit dem Leibgeding verschont bleiben. Je zwölf Vertreter der Landstände sollten rasch zusammenkommen und verhandeln. Dann wollte der Kurfürst in der Nähe sein, die Dinge abwarten und den Vertrag annehmen. Das wäre sicher und gewils, fuhr Ponikau fort, dafe sich Moritz nach dem Ende des Liquidationsstreites für die Befreiung des ge- fangenen Herzogs und für die Gesamtlehnschaft fleilsig verwenden würde; allerdings könnte er sich nicht ur- kundlich dazu verpflichten, beides durchzusetzen. Gern träte er mit seinen jungen Vettern in ein freundschaft- liches und vertrauenvolles Verhältnis. Nach einigem Zögern erklärten sich v. Minckwitz und v. Mila mit einer Tagsatzung von zwei landständischen Ausschüssen einvor- standen ; doch baten sie um einen späteren Tag als den 21. September, weil sie in einer so wichtigen Sache die Zu- stimmung des gefangenen Herzogs und seines Sohnes Johann Wilhelm, der noch in Pommern wäre, einholen mülsten.

Davon in Kenntnis gesetzt, erklärte Kurfürst Moritz, dafs die Vertreter der Landstände während seiner Ab- wesenheit nicht verhandeln dürften. Obgleich sich bald darauf seine Reise nach Augsburg zerschlug, so unter- blieb doch vorläufig verschiedener Gründe halber die ge- plante Tagsatzung.

Aus etlichen Briefen an seinen Kanzler ersieht man, dafs Johann Friedrich die Liquidation lieber durch Räte als durch Vertreter der Landstände beendigt wissen wollte; denn es wäre zu befürchten, dals in einer land- ständischen Versammlung der Gesamtnutzen und Vorteil der beiden sächsischen Häuser eine allzugrofse Rolle spielte; leicht brächte man die Erneuerung der Erbeini- gung, der Erbverbrüderung und der alten Erbteilungs- verträge, die Wiederaufrichtung des gemeinsamen Hof- gerichtes und andere Dinge, unter Umständen auch eine Verständigung der Theologen über Glaubensfragen zur Sprache und beantragte die frühere enge sächsische Ge- meinschaft. Erfolgte ..sie aber, dann machte Moritz als der Mächtigere sein Übergewicht jederzeit geltend und suchte seine Vettern allmählich „zu eigenen Leuten" herab-

282 S. Ifsleib:

zudrücken; allein Gott hätte seine Söhne nicht zu Bauern, sondern zu Fürsten geschaffen. Mit grölster Vorsicht, allen geheimen Verlockungen aus dem Wege gehend, sollte man keine Zusammenkunft seiner Söhne mit Moritz begünstigen, kein neues Bündnis schlielsen, keine gefähr- liche Gemeinschaft erstreben. Er selbst wünschte keine Befreiung durch den Vetter usw. Als er hörte, dafs nach der Niederlage der Magdeburger im Kampfe gegen Herzog Georg von Mecklenburg Moritz auf Befehl des Kaisers die siegreichen Landsknechte zusammenhielt und die Be- lagerung der glaubenstreuen Stadt begann, da wollte er mit ihm nicht viel mehr zu schaffen haben, wäre er ein doppelter Lutheraner oder ein Pfaffenknecht, führe er in die Hölle oder in den Himmel. Ihm graute vor dem un- berechenbaren Vetter; wer ihm vertraute, hätte Gefahren von allen Seiten zu befürchten. Seinethalben wollte er weder ehrlos noch gewissenlos handeln und nichts hinter dem Kücken des Kaisers tun. Der Wittenberger Vertrag sollte die Grundlage bleiben, worauf er und seine Söhne zu fufsen hätten, bis Gott es anders fügte und schickte. Der Kanzler v. Minckwitz erhielt Befehl, die Liquidation auf der Basis, die Ponikau gewonnen hätte, vorwärts zu bringen und die Vertreter der Landstände vorläufig aus dem Spiele zu lassen.

Unterdessen war auch Moritz auf dem Landtage zu Torgau, Anfang November^*') 1550, von seiner Eile mit der landständischen Tagsatzung zurückgekommen; denn als er seine Landstände zur Wahl eines Ausschusses auf- forderte, brachte die Mehrheit triftige Gründe dagegen vor und empfahl die Beilegung des Liquidationsstreites durch geeignete Räte. Nur mit groiser Mühe setzte er durch, dafs zunächst Ponikau mit vier kurfürstlichen und vier herzoglichen Räten verhandeln und dann ein Aus- schufs von je 17 Vertretern der beiden Landstände mit Hilfe eines Obmannes alle nicht verglichenen Artikel endgültig entscheiden sollten. Ehe aber dieser Plan zur Ausführung kam, nahmen die Dinge eine andere AVendung.

Während der geheimen Unterredung mit den hessischen Räten Wilhelm v. Schachten und Simon Bing am 5. De- zember in Wittenberg*^) berührte der Kurfürst auch sein

4ß) HStA. Dresden Loc. 9355 Landtag zu Torgau 1550,

'*■') Vgl. meine Abhandlungen: Magdeburgs Belagerung durch

^loritz von Sachsen S. 219 und die Gefangenschaft Philipps von

Hessen S. 261.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 283

Verliältnis zu den Vettern in Weimar und sagte: ihret- wegen hätte man bei ihm Handlung angezettelt; doch Avüi'ste er nicht, ob's Ernst oder Betrug wäre. Wäre es Ernst, so wollte er rund und von Grund aus handeln; aber sie sollten sich keine Gedanken machen, von ihm die Kur- würde wieder zu erlangen. Wären sie zum Vertrage geneigt, dann wollte er sie dem gemeinen Handel zum Besten nicht ausschliefsen und die Befreiung ihres Vaters mit Fleils befördern, damit die Zwietracht zwischen ihnen fiele und nicht das gemeine Werk hinderte. Als Wilhelm V. Schachten mitteilte, dafs Hans Rau vor etlichen Mo- naten mit seinem Schwager Eberhard von der Tann darüber gesprochen und von ihm eine günstige Antwort ei'halten hätte, ersuchte ihn Moritz, sich der Sache emsig anzunehmen und zu versuchen, ob die Gemüter einander näher gebracht werden könnten. Beide Hessen ver- sprachen, ihr Mögliches zu tun und nahmen ihren Heim- weg über Eisenach, um Eberhard von der Tann auf der Wartburg aufzusuchen. Da sie ihn nicht fanden, lud ihn V. Schachten am 15. Dezember von Kassel aus zu einer Besprechung ein, woran höchstens noch Bernhard v. Mila teilnehmen sollte. Leider wurde die Sache durch eine vierwöchentliche Krankheit Eberhards verzögert. Erst am 28. Dezember schrieb er von Tann aus seinem Schwager Wilhelm in grolser Eile, dafs er mit Bernhard v. Mila am 30. Dezember in Eisenach oder am folgenden Tage in Kreuzburg an der Werra eintreffen wollte. Gern wäre AV'ilhelm v. Schachten mit Bing nach Kreuzburg geritten; allein keiner von ihnen konnte abkommen, weil nicht nur grofse Aufregung in Kassel über den mifsglückten Flucht- versuch des gefangenen Landgrafen herrschte, sondern auch die zwischen Kurfürst Moritz und Hans v. Heideck samt seinen Genossen begonnene Verhandlung eifrig be- trieben werden mufste. Infolge einer Einladung vom 30. De- zember erschien Eberhard von der Tann am 4. Januar 1551 in Kassel und versicherte, dals die jungen Herzöge von Weimar mit dem Kurfürsten in freundschaftliche Beziehung zu treten wünschten. Darauf beschlofs man, dafs Hans Rau in das Lager vor Verden eilen und mit Moritz reden, auch zwischen ihm und Hans v. Heideck, mit dem er sehr wohl vertraut wäre, verhandeln sollte; vor der Abreise aber sollte er an Herzog August schreiben, dafs Eberhard von der Tann jetzt dringend i'iete, die geplanten Ver- handlungen mit Weimar rasch anzuknüpfen.

384 S. Ifsleib:

Während Rau in der Eichtuug nach Verden davon- ritt, eilte Eberhard von der Tann nach Weimar und sprach sowohl mit Johann Friedrich dem Mittleren als auch mit dem Kanzler v. Minckwitz. Dann schickte er die von Rau aus Waldeck erhaltenen Briefe (vom 12. Sep- tember 1550 und 5. Januar 1551) nach Weil'senfels^^) und bat in einem Begleitbriefe um Beginn der gütlichen Ver- handlung. Am 15, Januar 1551 gab Herzog August seine Bereitwilligkeit dazu zu erkennen. Dann forderte er von Dr. Komerstadt in Dresden Aufschluls über den Stand der Liquidationssache. Durch ein Schreiben vom 26. Januar erfuhr er, dalis am 2. März acht Räte verhandeln und eine AVoche später zwölf Vertrauensmänner unter Leitung eines Obmannes über alle nicht verglichenen Punkte ent- scheiden sollten. Fast gleichzeitig erhielt er die Nach- richt aus Weimar, dals man bereits etliche Artikel an die kurfürstlichen Räte geschickt hätte mit der Bitte, Gegenartikel zu stellen und die Tagsatzung anzuberaumen.

Mittlerweile war Hans Rau im Feldlager vor Verden angekommen und hatte mit Kurfürst Moritz gesprochen. Darauf zeigte er Eberhard von der Tann vertraulich an, dafs der Kurfürst seinen Bruder August und Markgraf Hans als Vermittler wohl leiden könnte und damit ein- verstanden wäre, wenn vertraute Räte von beiden Teilen recht bald zusammenkämen und einen Vertrag wohl vor- bereiteten; gern wollte er um Mitte März auf günstig gelegener Malstatt erscheinen und den Vertrag vollziehen. Unverzüglich begab sich Eberhard von der Tann nach Weimar und setzte Johann Friedrich den Mittleren davon in Kenntnis. Mit dessen Zustimmung ersuchte er am 7. Februar Herzog August, die Zusammenkunft der Räte und den Abschluls des Vertrages zum Wohle des Hauses Sachsens zu befördern. Als das Schreiben in Weifsenfeis anlangte, war der Herzog nach Dresden gereist und hatte mit seinem von Verden heimgekehrten siegreichen Bruder geredet. Bald darauf erhielt Eberhard günstige Antwort. Herzog August teilte ihm mit, dals Moritz Markgraf Hans erwartete, um mit ihm alle Dinge zu besprechen^'*).

*^) Rau war in der Herrschaft Waldeck erkrankt und fürchtete Verzögerung der Reise zu Moritz und zu Herzog August.

^'^') Am 3. Februar 1551 bat Johann Friedrich der Mittlere seinen Vater um die Erlaubnis zur Teilnahme an dem bevorstehenden Türken- kriege. Nach geheimer Beratung mit dem Kanzler v. Minckwitz, Bernhard v. Mila und Dr. Brück lehnte der Gefangene die Bitte des

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In Dresden schlössen Moritz und Hans (vom 19. bis 23. Februar 1551) das bekannte Bündnis zum Schutze des wahren christlichen Glaubens gemäfs dem Augsburgischen Bekenntnisse, zur Erhaltung der deutschen Freiheit und zur Befreiung der gefangenen Fürsten (des Landgrafen Philipp und des Herzogs Johann Friedrich) unter der Bedingung, dals die jungen Herren von Weimar dem Bündnisse beiträten und ihre Irrungen mit Moritz durch geeignete Unterhändler zu gebührlichem Austrage kommen liefsen. Wenn Frankreich den Bundesfürsten Hilfe und Beistand leistete, dann sollten sie ohne Zögern die beiden Gefangenen zu befreien suchen •''**).

Darauf zog Hans v. Heideck mit einer Werbung des Markgrafen nach Weimar, wo seine Ankunft (am 3. März) Verwunderung und Verlegenheit erregte, weil er sich noch in kaiserlicher Acht befand. Um des Markgrafen willen aber gab man ihm Gehör; er sprach nicht nur mit dem Kanzler und einigen Räten, sondern auch mit Herzog Johann Friedrich dem Mittleren über die Beilegung des Liquidationsstreites. Nach kurzem Bedenken waren sie damit einverstanden, dafs Herzog August, Markgraf Hans, Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg und Fürst Wolfgang von Anhalt die Vermittlung übernehmen sollten. Zwei Tage später schickten sie Hans v. Heideck eine schriftliche Antwort auf seine Werbung nach Freiburg an der Unstrut nach; dann folgte ein Verzeichnis aller Artikel, worüber zu verhandeln wäre.

Der Kanzler v. Minckwitz wünschte die Reise des jungen Herzogs zur Tagsatzung zu verhüten; allein Johann Friedrich der Altere meinte, dafs die Zurück- haltung des Sohnes den Fürsten als „Mifstrauen und Grobheit" erscheinen müfste. Doch riet er zur gröfsten Vorsicht. Mit väterlichem Ernst ermahnte er den Sohn, sich während der Liquidationsverhandlung in keine „Bei- liändel" einzulassen; ohne Beisein und Zustimmung seiner Räte sollte er nichts bewilligen oder versprechen, unter-

Sohnes wegen der Gefahren, sittlichen Schäden und Unkosten des Kriegslehens ab. Johann Friedrich sollte sich nicht dazu drängen, weil ihn weder der Kaiser, noch der König, noch Erzherzog Maximilian zum Zuge aufgefordert hätten usw. Der jugendliche Herzog hatte die Absicht, „1000 Pferde und 10 Fähnlein" zu führen. Weimar Reg. K fol. 266 Nr. 10.

^'') Vgl. meine Abhandlung: Hans von Küstrin und Moritz von Sachsen, in dieser Ztschr. XXIII (1902), 19 f.

286 S. Ifsleib:

schreiben oder besiegeln. Stets sollte er sagen, dafs er ohne Wissen seines Vaters und seines Bruders Johann Wilhelm nichts tun könnte. Der Kanzler v. Minckwitz, der Landhofmeister Bernhard v. Mila und der Hofmeister W^olf Mülich erhielten den strengen Befehl, allerorten und jederzeit um den Sohn zu sein und sich nie von ihm absondern zu lassen, selbst wenn sie Verdruls und Ärger davon hätten. Wie der Sohn, so versprachen die Räte Gehorsam.

Mittlerweile hatte Hans v. Heideck die weimarische Antwort samt den Artikeln an die Fürsten geschickt. Kurfürst Moritz freute sich über die Zustimmung des Vetters zur Tagsatzung; aber an den übergebenen Artikeln nahm er Anstois''^). Darauf verständigte er sich mit seinem Bruder August und stellte Gegenartikel auf, die man in Weimar für „kurz, dunkel und gefährlich" hielt. Von Moritz gebeten, redete Fürst Wolfgang von Anhalt am 21. April in Weimar mit Johann Friedrich und seinen Räten vertraulich über ihre Artikel und über eine ur- kundliche „A^ersicherung", die der Kurfürst nach be- endetem Liquidationsstreite jedenfalls verlangen würde''^-).

Mit Zustimmung beider Parteien beraumten Herzog August und Markgraf Hans eine Tagsatzung in Naum- burg^-^) an. Sonntag, den 3. Mai, sollten die Räte der Fürsten eintreffen und tags darauf die Verhandlungen er- öffnen. Später sollten die vier Unterhändler und Land- graf Wilhelm von Hessen erscheinen und vermitteln; zu- letzt sollten Kurfürst Moritz und Herzog Johann Friedrich mit je acht Vertretern ihrer Landstände ankommen •^^).

■'^) Die 16 Artikel enthielten die Ergänzung zum Einkommen von 50000 Gulden, die Schriftsassen, den Schadenersatz von 42000 Gulden, die Schuld von 100000 Gulden, das Leibgut der Herzogin, Kanzlei- händel, Gesamtlehnschaft, Befreiung Johann Friedrichs u. a.

ö2) HStA. Dresden Loc. 9142 Churfürst Johann Friedrichs Custodien und Erledigung etc. Bl. 63. 78. 83.

^2) Berlin 39, 3, Naumburgische Handlung und Handlung zu Naumburg. HStA. Dresden Loc. 8787 Naumburgische gütliche Hand- lung 1548 1551 Bl. 1. 39 f.; Loc. 9139 Des gewesenen Churfürsten Kriegshandlung 1546—1553, Naumburgische Handlung 1551 B1.55f. ; Loc. 9148 Sächsische Irrung 1551 Bl. 29, Den gefangenen Churfürsten Johann Friedrich belangend 1551 Bl. 1. 21 f., Irrung und Liquidation 1549—1552 Bl. If, ; Loc. 12040 Schriften, Vorschläge usw. zu Naum- burg 1551 Bl. 1 f. Weimar Reg. M fol. 212 Nr. 18, fol. 218 Nr. 19, fol. 219 Nr. 6 usw.

■'^) Kurfürst Moritz war gegen seinen Vetter durchaus zuvor- kommend. Ohne weiteres überliefs er ihm die Herberge, die er

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 287

Die Räte Herzog Augusts waren rechtzeitig zur Stelle; dann kamen die Räte des Herzogs von Weimar, des Kurfürsten und des Fürsten von Anhalt. Die Räte des Markgrafen fanden sich erst am Abende des 5. Mai ein, noch später die des Herzogs von Mecklenburg und des Landgrafen Wilhelm.

Gemäls der getroffenen Übereinkunft erschienen die Räte Herzog Augusts und Wolfgangs von Anhalt am 4. Mai um zwölf Uhr auf dem Rathause und hörten die kurfürstlichen und die herzoglichen Räte nacheinander. Bei Beginn des Vortrags erhoben die kurfürstlichen Räte dagegen Einspruch, dafs die früher verglichenen oder vom Kaiser entschiedenen oder am kaiserlichen Hof- gerichte noch anhängigen Artikel in die Verhandlung ge- zogen würden. Dann gaben sie ausführlichen Aufschlufs über den Liquidationsstreit und sagten, dafs man in Zeitz (am 9. Mai 1550) darauf ausgegangen wäre, eine Er- gänzungssumme zur Sicherung der vertragsmäfsigen Ein- nahmen von 50000 Gulden festzusetzen. Man hätte der Gegenpartei in Aussicht gestellt, den Kurfürsten dahin zu bringen, dafs er ihr jährlich 7000 Gulden gäbe, wenn sie ihm in einigen Stücken willfährig wäre. Um zwei Uhr erschienen die herzoglichen Räte und fochten etliche kurfürstliche Artikel an, die nach ihrer Meinung weder zur Liquidation, noch zum Wittenberger Vertrage gehörten und bisher nie in Frage gekommen wären. Über die Ver- handlung in Zeitz teilten sie mit, dafs man ihrerseits erst 17 000, dann _15 000 Gulden als runde, teils durch Geld, teils durch Ämter zu erstattende Summe beansprucht hätte; eine weitere gegenseitige Annäherung wäre nicht erfolgt. Die Räte der Unterhändler baten beide Parteien um schriftliche Übergabe ihrer gehaltenen Vorträge, damit sie dieselben den anderen Räten nach der Ankunft vor- legen könnten.

An den nächsten Tagen wurden die Besprechungen über die Liquidation gemeinsam, aber nutzlos, fortgesetzt. Beide Parteien stritten wie früher um die Jahrbücher, Rechnungen und Verzeichnisse, über die Jahre der Ab- schätzung, über die Abschätzungssumme, über die Schrift- sassen, Klöster, Strafsen usw. Die kurfürstlichen Räte wollten durchaus nichts davon wissen, dafs man der

wünschte, obgleich er sie schon für sich gewählt hatte; auch liefs er für das Gefolge reichlich sorgen.

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Gegenpartei das Amt Eisenberg .oder Königsberg •^^) je- mals in Aussiclit gestellt hätte. Überdrüssig aller Wort- gefechte erklärten sie, dafs der ganze Streit über die Liquidation vor die Fürsten als die rechten Vermittler gehörte und forderten Schlufs der unerquicklichen Aus- einandersetzungen. Bis zur Ankunft der Fürsten wurden nur noch schriftliche Berichte und Verzeichnisse einge- fordert und übergeben.

Sonnabend, den 9. Mai, nahte Landgraf Wilhelm; Sonntag nachmittag trafen Herzog August, Markgraf Hans, Herzog Johann Albrecht und Fürst Wolfgang ein, es folgten die Vertreter der Landstände, und abends kam Kurfürst Moritz. Der Kanzler v. Minckwitz suchte Herzog Johann Friedrich in Dornburg zurückzuhalten; aber auf Wunsch der Fürsten erschien er am folgenden Tage^*^).

Dienstag, den 13. Mai, früh sechs Uhr versammelten sich die vier Unterhändler mit ihren Käten auf dem Rat- hause und begannen die Tätigkeit damit, dafs sie den Bericht über die seitherigen Verhandlungen hörten und besprachen. Darauf bemühten sie sich zwei Tage lang, aus den zahlreichen Artikeln der beiden Parteien die wichtigsten herauszuheben, zu vergleichen, sorgfältig zu prüfen und nach Recht und Billigkeit zu erwägen. Dann versuchten sie als ehrliche Makler, die Parteien in diesem und jenem Punkte zur Nachgiebigkeit zu bringen und einen Vertrag zu schliefsen.

Freitag, den 15. Mai, verhandelten sie ohne Räte mit Moritz und Johann Friedrich. Zuerst suchten sie Moritz in seiner Wohnung auf und baten ihn Markgraf Hans war der Wortführer um eine vertrauliche Erklärung über mehrere Artikel. Nach längerer Besprechung war der Kurfürst entschlossen, seinen Vettern zur Sicherung des Einkommens von 50000 Gulden jährlich 10000 Gulden, sowie der Herzogin Sibylle eine jährliche Leibrente von 3000 Gulden oder 12000 Gulden erblichen Nachtrag ohne Leibrente zu geben; dagegen sollten die Vettern auf den Grafen Günther von Schwarzburg, auf den Landkomptur- hof Zwätzen und auf die Erfurter Strafsen verzichten.

"^) Markgraf Albrecht von Kulmbach hatte am 14. April 1551 dem Kurfürsten Moritz das Amt Königsberg in Franken für 60000 Gulden verkauft. HStA. Dresden Urkunde 11427, vgl. 11447 und Loc. 9930 Amt Königsberg.

•'''') „Viele fremde und auswärtige Leute" kamen nach Naum- burg, um alles auszuspähen.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 289

Hierauf begaben sich die Fürsten zu Johann Friedrich und forderten ihn im Beisein des Kanzlers und des Land- hofmeisters auf, ihnen im geheimen seine Meinung über den jährlichen Nachtrag, über das Leibgut seiner Mutter und über Grafen Günther anzuvertrauen; denn die Ver- ständigung über diese drei Punkte, sagten sie, liefse eine Einigung über alle anderen erwarten. Johann Friedrich bat sich Bedenkzeit aus. Gegen Abend erklärte er den wieder erschienenen Unterhändlern, dafs der jährliche Nachtrag 15000 oder, mindestens 13000 Gulden betragen und teilweise durch Ämter, wie Eisenberg und Königs- berg, erstattet werden müfste. Da das Leibgut der Mutter wenigstens 6000 Gulden jährlich einbrächte, so könnte er kaum bis auf 3000 Gulden herabgehen. Verzichtete er auf die hohe Obrigkeit über Grafen Günther, so verlöre er „die Folge, die Steuer und die Botmälsigkeit". Als Markgraf Hans den Kanzler fragte, ob man das Leibgut nicht in die 13000 Gulden rechnen könnte, erhielt er von ihm eine abschlägige Antwort; auch wollte man nicht die Leibrente gegen 2000 Gulden erbliches Einkommen aufgeben.

Folgenden Tages verhandelten die Fürsten mit Moritz von früh bis abends nach fünf Uhr, ohne zu essen oder zu trinken. Anfangs blieb der Kurfürst bei seiner tags vorher gegebenen Erklärung stehen. Dann brachte man ihn mit Hilfe der Vertreter seiner Landstände etwas vorwärts; doch gedachte er weder ein Amt abzutreten, noch die vierjährigen Rückstände des Nachtrags zu bezahlen, noch die Hoheitsrechte über Günther v. Schwarzburg u. a. preis- zugeben. Wiederholt betonte er, dafs niemand von ihm Befehl erhalten hätte, die Vettern auf ein Amt zu ver- trösten.

Am Pfingstfeste (17. Mai) vor der Predigt sprachen die Fürsten aulser Herzog Johann Albrecht mit Johann Friedrich im Beisein des Landhofmeisters. Markgraf Hans teilte ihm mit, dafs der jährliche Nachtrag durch Geld allein erstattet werden sollte. Moritz gäbe ihm jedenfalls einen jährlichen Zuschufs von 13000 Gulden, wenn er auf das begehrte Amt Königsberg und auf die Leibrente seiner Mutter verzichte. Die anderen Punkte stiefsen noch auf Schwierigkeiten. Nach der Predigt ging Herzog August zu Moritz, „um zu vernehmen, ob der heilige Geist an diesem Feste etwas Besseres gewirkt hätte"; Markgraf Hans dagegen übergab Johann Friedrich etliche

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 3. i 19

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Artikel mit der Bitte, sich darüber zu äiifsern. Beide Fürsten fanden auf beiden Seiten wenig Entgegen- kommen.

Montags nach der Predigt erschien Markgraf Hans wieder bei Johann Friedrich und klagte darüber, dais der Handel immer beschwerlicher würde, weil niemand nach- geben wollte. Lebhaft stellte er den Vorteil eines güt- lichen Vergleichs der Langsamkeit und Unsicherheit des Eechtsganges am kaiserlichen Hofe'^') gegenüber und sagte ernst, dafs es bei reiflicher Überlegung für beide Teile besser wäre, „etwas über Nacht zu tun". Durch gründliche Erwägung aller Verhältnisse hoffte er Will- fährigkeit zu erreichen. Der junge Herzog aber forderte 12000 Gulden Nachtrag und das Amt Eisenberg oder die Einrechnung des Amtes in die 12000 Gulden. An der Zahlung des vierjährigen Rückstandes hielt er ebenso fest wie an dem Leibgute der Mutter und an den Hoheits- rechten über Günther v. Schwarzburg.

Dienstag, den 19. Mai frühmorgens, hatte v. Ponikaii mit Wissen Herzog Augusts eine längere vertrauliche Unterredung mit dem Kanzler v. Minckwitz über Moritz. In eindringlicher Weise empfahl er, dafs Johann Friedrich allein oder in Begleitung eines Eates den Vetter besuchen und mit ihm selbst verhandeln möchte. Moritz, sagte er, hätte einen schelligen und wunderlichen Kopf'^^); zeigte man ihm Entgegenkommen, dann wäre er viel zugäng- licher als sonst und man erreichte von ihm mehr als durch hundert Schriften. Der Kanzler weigerte sich, seinerseits auf den Vorschlag einzugehen, doch redete er darüber mit dem Herzog, dem Landhofmeister und dem Hofmeister. Triftige Gründe nötigten zur Ablehnung des Besuches.

^") Markgraf Haus wollte auf beiden Seiten eine verhcäugnisvolle kaiserliche Eiuwirkung spüren, „damit die Vettern ja nicht mit-

einander verglichen werden sollten"

öS

) Als Fürst AVolfgaug eines Tages in der kurfürstlichen Wohnung auf dem Gange dahinschritt und die Türe des Zimmers, wo Moritz mit den Räten Fachs, Komerstadt und Mordeiseu war, etwas offen stand, sah und hörte er, dafs Moritz die ihm mifsfälligeu Artikel seiner Räte zerrifs und zornig sagte: ob sie meinten, dafs er im Hintern entzwei wäre und sich vor seinen Vettern fürchten sollte. Sie sollten solche Artikel machen, woraus zu erkennen wäre, dafs seine Vettern sich vor ihm und nicht er sicli vor ihnen fürchten müfste. Täten sie das nicht, dann liefs er sie alle drei an den Baum hängen. Weimar Reg. K fol. 219 Nr. 6.

Moritz von Saclisen und die Ernestiner. 291

Nachdem die Fürsten im Laufe des Tages lange Zeit mit Moritz und Fürst Wolfgang auch mit den weimarischen Eäten verhandelt hatten, suchten sie gegen sechs Uhr abends Johann Friedrich auf und erklärten ihm, dafs der Kurfürst die Absicht hätte, 12000 Gulden jährlichen Nach- trag, 3000 Gulden jährliche Leibrente und 24000 Gulden Rückstand „aus Freundschaft und vetterlichem Willen" zu geben; in allen anderen Punkten sollten sie seiner mächtig sein. Darauf überreichten sie die kurfürstlichen Artikel schriftlich und baten inständig um eine zufrieden- stellende Erklärimg. Wiederum forderte der junge Herzog Bedenkzeit zur Beratung mit seinen Eäten und den Ver- tretern der Landstände. Dann liefs er um Geduld bis zum andern Morgen bitten. Ehe aber die Unterhändler darauf eingingen, fragten sie Moritz nach seiner Meinung. Umgehend liefs er sagen, dafs er wegen eiliger und dringender Geschäfte am nächsten Morgen bei Tages- anbruch davonreiten müfste. Zuletzt entschlofs er sich, bis um sechs Uhr zu warten. Könnte die Antwort bis dahin nicht erfolgen, sagte er, dann möchte sie Johann Friedrich den Unterhändlern nachschicken. Trotz mancher Bedenken versprachen die Weimarer, um sechs Uhr eine Antwort zu geben.

Li der Frühe des 20. Mai liefs Moritz seinem Vetter durch Bernhard v. Mila und Eberhard von der Tann ver- traulich sagen: wenn es zwischen ihnen zum Vertrag käme, so wollte er für die Befreiung seines Vaters und für die Gesamtbelehnung alles tun'^^). Um dieselbe Zeit schickte Markgraf Hans zum Kanzler v. Minckwitz und liefs ihn fragen, ob der Herzog die kurfürstlichen Artikel annähme. Als er erfuhr, dals man Gegenartikel übergeben wollte*''^), liefs er dringend davon abmahnen; lieber sollte man die kurfürstlichen Artikel „in Bedenken nehmen".

^°) Als Bernhard v. Mila dem Markgrafen erzählte, dafs der Prinz von Spanien und Herzog von Alba den gefangenen Herzog auf haldige Befreiung vertröstet hätten, entgegnete Hans: er wüfste hestimmt. dafs der Gefangene die Freiheit nicht eher erlangte, als bis die Liquidation und andere Dinge im reinen wären. Er hätte sich der Verhandlung mit angenommen , weil er die Befreiung des Herzogs wünschte. Der Gefangene möchte wissen, dals er es ihm zu Liebe getan hätte. Um der Befreiung willen sollte man ein kleines nicht grols achten und in manchen Stücken nachgeben.

^"') Johann Friedrich verlangte 12000 Gulden Nachtrag eiu- schliefslich das Amt Eisenberg, 48000 Gulden Rückstände, 6000 Gulden Leihrente, Graf Günther usw.

19*

292 S. ITsleib:

Überreichte man Gegenartikel, so zerschlüge sich die ganze Verhandlung und zwischen den Vettern entstünde eine viel grölsere Erbitterung als je zuvor. Kaum fände man dann jemals wieder Mittel und Wege zur gütlichen Verhandlung. Infolge dieser Ermahnung erschien Johann Friedrich mit seinen Eäten gegen sechs Uhr in der Woh- nung Herzog Augusts und liels den anwesenden Unter- händlern durch seinen Kanzler anzeigen, dals er innerhalb vier AVochen an Herzog August eine Antwort auf die kurfürstlichen Artikel schicken wollte. Dann dankte er allen für ihre grolse Mühen und nahm Abschied von ihnen. Ohne eine Begegnung mit dem Vetter erreicht zu haben, ritt Kurfürst Moritz kurz nach neun Uhr davon; etwas später verlielsen die Unterhändler Naumburg, zuletzt Johann Friedrich'^').

Auf Grund der ihm zugeschickten Berichte*'^) über die Naumburger Tagsatzung lobte der gefangene Herzog die treue Sorgfalt, Festigkeit und Wachsamkeit seines Kanzlers. Seinem Sohn aber gebot er väterlich und ernst- lich, sich vor dem Ende der Liquidation in keine „Bei- händel" eiuzulassen; niemand sollte darauf hinausgehen, ihn mit Gewalt zu befreien.

Trotz vieler Hindernisse hatte es Markgraf Hans doch dahin gebracht, dals der junge Herzog teils selbst teils durch den Landhofmeistfer oder durch den Hofmeister erklärte: er wäre entschlossen, sich mit den Fürsten für die Freiheit des Glaubens, des deutschen Vaterlandes und seines Vaters zu verbinden, es geriete, wie es w^ollte; doch müfste die Sache vor der Ausführung so geheim als möglich bleiben, damit der Vater nichts davon erführe. Eine Vollmacht zum Eintritt in den Bund wollte er über- senden.

Zwei Tage nach der Abreise von Naumburg (den 22. Mai 1551) schlössen Moritz, Hans, Johann Albrecht und Landgraf Wilhelm in Torgau einen Vertrag, worin

*'i) Vor der Abreise gab Herzog August seinem Vetter den Wunsch zu erkennen, mit ihm gelegentlich zu jagen. Johann Friedrich erwiderte, dafs er ihn gern als Jagdgenossen bei sich sehen wollte. Allein der Plan kam nicht zur Ausführung.

"-) Der Kanzler tadelte heftig die ungereimten Artikel und die Starrköpfigkeit des Kurfürsten; in allen Stücken hätte er sich so verhalten, als ob er römischer Kaiser wäre. Moritz wäre mehr darauf ausgegangen, seine gefährlichen Beihändel nach seinem Gefallen durchzusetzen, als die Liquidation zu beenden. Gott würde aber seinen teuflischen Hochmut strafen und ihn erniedrigen.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 293

sie den Dresdner Abmachungen bindende Kraft gaben, weil Johann Friedrich sich erboten hätte, dem Bunde beizutreten und seine Irrungen mit Moritz durch die vier Unterhändler schlichten zu lassen. Wenn er nun in Monatsfrist schriebe, dafs sie die Irrungen auf Grund der zuletzt übergebenen Artikel beilegen sollten, dann wollte Moritz damit einverstanden sein. Nach beendeter Liquidation sollte die Aufnahme der jungen Herzöge von Weimar in den Bund erfolgen. Falls sie aber die ge- hegten Erwartungen täuschten, so sollten die Bundes- fürsten auf einer neuen Tagsatzung ohne Rücksicht auf sie alle Bundesangelegenheiten vollziehen. Ein Nachtrag lautete: wenn die jungen Herren von Weimar dem Bunde nicht beiträten, dann sollte man von ihnen eine gründliche Erklärung, dals sie keine Gegner sein wollten, verlangen; im Falle der Weigerung sollten sie wie Feinde behandelt werden.

Unmittelbar nach dem Torgauer Tage meldete Mark- graf Hans zufolge einer geheimen Verabredung dem Land- hofmeister Bernhard v. Mila, dals die bewuisten Sachen gut stünden. Schnell sollte er den Hofmeister Mülich mit der Vollmacht Johann Friedrichs zu ihm schicken. Als sich die Ankunft verzögerte, schrieb Hans an Moritz: es schiene ihm, als wollten die Weimarer gern fühlen, wo das Brett am dünnsten wäre; allein „er wollte von ihnen wissen und nicht wähnen". Sofort bat ihn der Kurfürst, den Leuten nicht zu viel zu trauen, denn er fürchtete sich vor grofser Verräterei. Am 7. Juni er- schien Mülich in Küstrin; aber die Vollmacht brachte er nicht mit. Daher liels der Markgraf den jungen Herzog sowohl um Annahme der letzten Naumburger Artikel als auch um schnelle Zusendung einer unanfechtbaren Vollmacht dringend und inständig bitten. Ganz ver- traulich gab er dem Hofmeister eine Abschrift des Tor- gauer Vertrags und befahl auf das strengste, sie nur dem Herzog und dem Landhofmeister zu zeigen; Moritz dürfte niemals etwas davon merken.

Darauf schickte Johann Friedrich am 16. Juni an Herzog August eine Antwort auf die letzten kurfürstlichen Artikel, aber eine Vollmacht gab er nicht aus der Hand. Heftige Schreiben des Markgrafen erreichten nichts als Entschuldigungen, Ausflüchte und Beteuerungen. Bernhard V. Mila versicherte, dafs der Herzog dem Bunde sehr zu- getan wäre; aber er müfste überaus vorsichtig sein, da-

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mit er nicht bei etlichen kaiserlich gesinnten Räten in Verdacht käme. Schwerlich könnte er vor der Ankunft einer „Drangschrift" oder eines „Drohbriefes" in den Bund treten. Kurz, als der Markgraf die Vollmacht brauchte, besals er sie nicht.

Auf Befehl des Vaters blieb Johann Friedrich auch fern von der allgemeinen christlichen Vereinigung, die Kurfürst Moritz auf Melanchthons Rat zur einmütigen Verteidigung der evangelischen Lehre auf dem Konzile in Trient herbeizuführen suchte. Das von Melanchthon und Georg von Anhalt verfafste sächsische Bekenntnis fand in Weimar keinen Beifall. Ferner verhielt sich der Gefangene ablehnend gegen eine zu seinen Gunsten ge- plante Fürbitte. Als Moritz sich anschickte, beim Kaiser eine allgemeine Fürbitte für den gefangenen Landgrafen einzulegen, bemühte sich Markgraf Hans auch für Johann Friedrich und machte dessen Söhne geflissentlich darauf aufmerksam. Allein der Gefangene verbot seinen Söhnen und Räten aufs strengste, seine Sache mit der des Land- grafen zu vermengen, wodurch des Kaisers Ungnade gegen ihn nur gröiser würde. Lieber wollte er länger in der Haft bleiben, als auf diese Weise frei werden.

Weil Markgraf Hans auf der Tagsatzung in Lochau, die am 25. September 1551 begann, die weimarische Voll- macht nicht vorlegen konnte, so wurden die Bundesver- handlungen dadurch in mancher Beziehung getrübt und beeinträchtigt. Der jungen Herzöge wegen kam es sogar zu harten Wortgefechten zwischen Moritz und Hans. Zu- letzt setzte man fest, dals der Vertrag von Torgau für die Weimarer einstweilen bindende Kraft behalten sollte; man war auch gesonnen, sie und ihr Land zu schützen, wenn sie eine durch Geiseln gewährleistete Erklärung gäben, in keiner Weise Gegner des Bundes sein zu wollen. Wenn sie später die Lochauer Verträge annähmen, hiefs es weiter, dann sollten sie dem Kaiser den Wittenberger Vertrag, soweit er ihn beträfe, kündigen. Der von den Bundesfürsten befreite Herzog sollte die Regierung nicht eher erhalten, als bis er die Bundesverträge angenommen und Moritz samt August und allen Mitverwandten ge- nügende Sicherheit wegen des Wittenberger Vertrages ge- geben hätte.

Verhängnisvoll war das Zerwürfnis, welches am Schlüsse der Verhandlungen zwischen Moritz und Hans stattfand. Davon benachrichtigt, schickte König Heinrich II.

Moritz Ton Sachsen und die Ernestiuer. 295

von Frankreich den Rlieingrafen Jobann Philipp in grofser Eile nach Deutschland, um die verfahrene Sache in das rechte Gleis zurückzubringen. Man sollte nicht nur den abtrünnigen Älarkgrafen wieder in den Bund bringen, sondern auch einen der jungen Herzöge von Weimar für die Bundessache gewinnen. Kurfürst Moritz ersuchte den Rheingrafen, ohne ihn in Weimar zu verhandeln"'^). Auf dessen Bitte um eine geheime Unterredung ge- dachte Johann Friedrich, ihn w^ährend einer Jagd im Hause Bernhards v. Mila in Bürgel zu treffen. Schlielslich kam der Rheingraf am 27. Dezember 1551 nach Weimar*'^), wo damals auch Fürst Wolfgang verweilte und verhandelte. Beider Anliegen betraf die Liquidation und die Bundes- sache. Der Rheingraf rühmte die Neigung des Kurfürsten zur Beendigung der Liquidation und zur Freundschaft mit dem Vetter. Als aber Johann Friedrich die Zurück- gabe einiger Ämter erwähnte, lenkte er dessen Blicke auf das Bistum Naumburg, auf das Eichsfeld, auf Erfurt und andere Gebiete und versicherte ihm, dafs der Kur- fürst, wenn das Glück seinen Plänen hold wäre, ihn für den Verlust seines Landes reichlich entschädigen würde. Auf Antrag des Rheingrafen war Johann Friedrich ge- willt, mit Moritz zusammenzukommen und schlug eine geheime Begegnung bei Eisenberg vor. Der Bundessache wollte er jeden möglichen Vorschub leisten; aber er be- klagte, dafs er sich besonders vor dem Kanzler, der „dem Kaiser jetzt gar ins Loch schlüpfen" möchte, so sehr in acht nehmen müfste*^"').

Zwar fand die geheime Zusammenkunft zwischen Moritz und Johann Friedrich nicht statt; aber Fürst Wolfgang berichtete dem Kurfürsten am 20. Februar in

^^) Am 12. Oktober 1551 erhielt Moritz in Colditz die Antwort Johann Friedrichs auf die letzten Naumburger Artikel und das Gesamtschreiben der Unterhändler vom 31. Juli. Beide Schriften beantwortete er am 12. November in Magdeburg, drei Tage nach seinem feierlichen Einzüge. Die kurfürstliche Antwort kam am 18. Januar 1552 nach Weimar.

«54) Weimar Keg. K fol. 166 Nr. 13. M. fol. 225 Nr. 21. Vgl. Druffel I, 859.

ö'^) Auf der Buudesverhandlung in Friedewalde in Hessen (vom 11 14. Februar 1552) forderte der französische Gesandte mit Nach- druck den Eintritt der jungen Herren von Weimar in den Bund, damit die gewöhnlichen Leute die Bundessache desto günstiger be- urteilten. Moritz erklärte, dafs man die Vettern nicht auszuschliefsen gedächte, wenn sie Lust zum Bunde hätten usw.

296 S. Ifsleib:

Leipzig *^^), dafs der Vetter der Bundessache aufs höchste gewogen wäre und daran teilnehmen wollte. Um sein Vorhaben gegen den Vater und Bruder desto besser ver- antworten zu können, sollte Moritz ihm die Länder nennen, wozu er ihm zu verhelfen gedächte. Auf die Befreiung seines Vaters sollte er nicht weniger als auf die Rettung des Landgrafen bedacht sein. Ferner sollte er ihn ebenso wie die anderen Fürsten in den Bund aufnehmen und ihn in Rücksicht auf seine Mittellosigkeit mit einigem Gelde versehen. Wegen der Landstände bat er ihn um eine. Drangschrift. Die Gesamtbelehnung sollte er auf alle Weise zu erreichen suchen.

Kurfürst Moritz abei- wollte sich vor dem Eintritt des Herzogs in den Bund in keine Erörterung über die ver- heifsene Entschädigung durch Stifter und dergleichen ein- lassen. Er war bereit, das Land des Vetters zu schützen, wenn dieser ihm den Schutz seines Landes verbürgte. Ohne Bedenken zeigte er sich damit einverstanden, die Liquidation auf Grund der Naumburger Artikel fortzu- setzen oder vorläufig zu verschieben. Geld wollte er vor- schiefsen, sobald Johann Friedrich den rechten Ernst für die Bundessache zeigte. Er versprach, die Befreiung des Gefangenen zu befördern, wenn ihm damit ein Gefallen geschähe. Die Gesamtbelehnung hoffte er zu erreichen. Ein Drohbrief sollte rechtzeitig in Weimar eintreffen.

Die Übersendung der gewünschten „Drangschrift" er- folgte am 12. März 1552, drei Tage nach dem Landtage zu Torgau ^'). Darin zeigte der Kurfürst das Ziel des mit Frankreich geschlossenen Bundes, sowie die Übertragung der kurfürstlichen Regierung auf Herzog August an und forderte Herzog Johann Friedrich auf, frei und offen zu erklären, ob er dem Bunde beitreten und das Glück mit den anderen versuchen, ob er mit zu Felde ziehen oder Kriegsvolk stellen oder andere Hilfe gewähren und ob er sich mit seinen Landständen gegen Herzog August und alle kurfürstlichen Untertanen freundlich erzeigen wollte. Als Mitglied des Bundes sollte er auf Freund-

««) HStA. Dresden Loc 9155 Assekuration etc. Bl. 1 f.

ß'^) In Torgau verhandelte man über das Konzil zu Trient, über die Irrung-en mit den Ernestinern, über die Gefangenschaft des Land- grafen und über die Gefahr vor den Türken. Die Landstände Avünschten unter anderem, dafs Herzog August die Liquidation zu glücklichem Ende führen möchte. Vgl. meine Abhandlung: Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552, in dieser Ztschr. VII (1886), 5. 10 f.

Moritz von Sachsen uu l die Einestiner. 297

sichaft, auf Hilfe und Rettung- in der Not und auf gütliche Beilegung- aller Irrungen geniäls der Naumburger Artikel rechnen. Falls er jedoch die Bundesgenossenschaft ab- lehnte oder -vveitläutige Bedenken hätte, oder gar feind- liche Gesinnung verriete, so wäre man genötigt, ihn zu einer untrüglichen Erklärung zu bringen. Am 15. März erwiderte Johann Fiiedrich, dafs er wegen dei- hoch- wichtigen Sache seine Landstände um Rat fragen mülste.

In jenen Tagen, als Kurfürst Moritz den Krieg gegen den Kaiser begann, lehnten die zusammenberufenen weima- rischen Landstände und Theologen wegen des wittenberger Vertrages, wegen der zu befürchtenden Gefahr für den gefangenen Herzog und wegen der Mittellosigkeit des Landes, jede Teilnahme an den Bundesbestrebungen ab und führten Johann Fiiedrich einhellig zu Gemüte, dafs er zufolge der vielfachen ernsthaften Warnungen und Befehle des Vaters und wegen der schweren Lage seines Landes „mit gutem Gewissen und fürstlicher Ehre" vor- hin tig dem Bunde nicht beitreten könnte. Gegen Herzog August und Moritz' Untertanen aber wollten alle wie friedliche Nachbarn sich verhalten.

Darauf eilte Eberhard von der Tann mit dem Ma- gister Burkhard nach Süddeutschland*'^) und meldete dem siegreichen Kurfürsten in Augsburg (am 9. April), dals Johann Friedrich trotz seiner grofsen Neigung zum Bunde infolge der Ratschläge und Gutachten seiner Landstände und Theologen vorläufig noch nicht daran teilzunehmen vermöchte. Doch bäte er um Rat, wie er sich der Ver- pflichtung gegen den Kaiser entziehen könnte, wie die gefahrlose Befreiung des Vaters, der ehrenvolle Eintritt in das Bündnis, die Wiedererwerbnng der sächsischen Gesamtbelehnung und die Erstattung des verlorenen Landes zu erreichen wäre. Ohne Zögern wollte er Mitglied des Bundes werden, sobald es mit gutem Gewissen und fürst- licher Ehre und mit Zustimmung der Landstände geschehen könnte.

Der Kurfürst bedauerte, dafs Johann Friedrich dem Bunde, der die Befreiung seines Vaters und andere hohe Ziele verfolgte, so wenig entgegenkäme und so lange zögerte, etwas zu wagen und dem Glück die Tore zu öfl'nen. ,, Wollte er mit geniefsen, dann sollte er auch mit schieisen". Sein seitheriges Verhalten gäbe Grund

CS

) Weimar Reg. K fol. 125 Nr. 1 f.

298 S. Ifskib:

ZU Mifstrauen und VerJacht. Die Bundesfürsten wüfsten Wühl, dafs ihm der Vater den Eintritt in den Bund öfter verboten hätte, weil der Gefangene seine Befreiung vom Kaiser erwartete und wünschte. Sie hätten auch die bestimmte Nachricht von Innsbruck, dafs der Herzog sich jetzt eifrig bemühte, durch allerlei Gesuche und Erbieten seine Freiheit zu gewinnen '^^). Zuletzt ersuchte der Kur- fürst Eberhard von der Tann, auf eine Annäherung des jungen Herzogs an den Bund hinzuarbeiten.

Darauf berief Johann Friedrich in aller Eile einen. Ausschuls seiner Landstände und erwarb von ihm die Zu- stimmung zu einer neuen Sendung an die Bundesfürsten sowie an den König von Frankreich. Zum zweiten Male trat Eberhard von der Tann mit seinem Begleiter Ma- gister Burkhard die Heise nach Süddeutschland an. Als er unterwegs erfuhr, dafs Kurfürst Moritz in Linz wäre, zog er über Heidelberg und über den Rhein in das Kriegs- lager des Königs von Frankreich. Ermutigt durch zwei Schreiben Eberhards entschlofs sich Johann Friedrich am 24. Mai, den König von Frankreich und die Bundesfürsten persönlich aufzusuchen. Kaum aber war er im ersten Nachtquartier in Ichtershausen angelangt, so nötigte ihn ein eiliger Brief aus Innsbruck (vom 18. Mai) zur Rück- kehr nach Weimar. Drohend warnte ihn der Vater vor jeder Gemeinschaft mit den Gegnein; denn seine Be- freiung stände nahe bevor. Ehe der Brief ankäme, hoffte er bestimmt auf freiem Fufse zu sein.

Wie kam es dazu^^)? Als das feindliche Ausschi'eiben des Königs von Frankreich, welches die Ziele des Bundes aller Welt verkündigte, Innsbruck erreicht hatte, fafste der überraschte Kaiser seinerseits die Befreiung Johann Friedrichs ins Auge. Er wollte ihn lieber freiwillig als gezwungen der Haft entlassen. Als freier und dankbarer Fürst konnte der Herzog ein brauchbares Werkzeug seiner Politik wei'den. Infolge dessen kam am 24. März 1552 eine vertraute Person zum Gefangenen und ermunterte ihn, sich um die Gnade des Kaisers zu bewerben, weil die Zeit dazu günstig wäre. Da der Herzog jemanden zu sprechen wünschte, der freien Zutritt zum Kaiser hätte.

^^) Zur Bestätigung des Gesagten las der Kurfürst die Stelle eines Briefes vor.

™) Weimar lieg. K fol. 152 f.; HStA. Dresden Loc. 9143 Des Chuifürsten Joliann Friedrichs Custodien und Erledigung Bl. 277 f. Vgl. Druffel II, 1221. 1238, III, 1436.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 299

SO nahte der Kämmerer und Unterstallmeister v. Andelot und erbot sich, sein Anlieg-en an die rechte Stelle zu bringen. Am folgenden Tage redete der anwesende jülichsche Gesandte Dr. Hase mit dem ersten kaiserlichen Riit Granvelle. Darauf brachte abends um sieben Uhr der Vizekanzler Dr. Seid die Verhandlung mit Johann Fiiedrich in Gang. Vertraulich sprachen sie über die Befreiung des Herzogs und über seinen Einti'itt in den kaiserlichen Dienst, über die Glaubensfreiheit und über die Gesamtlehnschaft, über den Wittenberger Yei'trag, über Gotha und Erfurt, über die Liquidation und über den Naumbnrger Tag mit seinen geheimen „Beihäiideln". über die Gesinnung der deutschen Fürsten gegen den Kaisei- und über die europäischen Mächte.

Bei der folgenden Unterredung behandelten sie ein- g-ehend das französische Ausschreiben, die Entlassung aus der Haft, die nötige „Versicherung" und die Unter- stützung der kaiserlichen Politik. Johann Friedi'ich be- teuerte, dafs er seit dem Schmalkaldischen Kriege jede Verbindung mit Frankreich aufgegeben hätte; aucli seine Söhne ständen nicht im Bunde mit Frankreich. Auf das sti'engste hätte er ihnen jede Teilnahme an Unternehmungen gegen den Kaiser verboten; täten sie irgend einen miis- liebigen Schritt, so geschähe es gegen seinen Willen. Am französischen Ausschreiben hätte er ebensowenig Ge- fallen wie an dem der Bundesfürsten. Es wäre eine Ver- schmitztheit und Bosheit der Gegner, seiner Befreiung in ihren Schriften zu gedenken. Dadurch wünschten sie den Kaiser gegen ihn aufzuhetzen und seine Entlassung aus der Haft zu hintertreiben. Seine Freiheit aber wollte er nur dem K^aiser vei'danken. Leicht könnte es dieser so einrichten, dafs jedermann befände, er gewährte sie aus freien Stücken und nicht auf Drängen und Treiben der Feinde. Die Rückkehr in die Heimat, fuhr er fort, AVäre augenblicklich schwer auszuführen; zöge er durch die Schweiz, AVürttemberg, Bayern oder selbst durch Böhmen, überall könnte er in die Hände der Gegner fallen. Daher wollte er, wenn ihn der Kaiser befreite, so lange an seinem Hofe bleiben und Glück und Unglück mit ihm teilen, bis der Krieg zu Ende wäre. Ferner wollte er sich verpflichten, niemals gegen den Kaiser zu handeln, sondern stets treu auf seiner Seite zu stehen; dagegen erwartete er völlige Begnadigung und Aus- söhnung, die Erneuerung der Gesamtlehnschaft und die

300 S. Ifsleib:

Bewilligung' der Glaubensfreiheit.. Gern gedachte er die kaiserliche Politik zu unterstützen; aber als schwacher und mittelloser Mann, sagte er, könnte er vorläufig keine grofsen Dienste leisten usw.

Am 9. April 1552 gab König Ferdinand dem Kaiser den Rat, die Befreiung des Herzogs nicht zu beeilen, sondern sich über sein künftiges Veihalten erst hinlänglich zu vergewissern. Allein nach dem Tage von Linz hielt es Karl V. für zweckmäfsig und gut, die Befreiung Johann Friedrichs zu beschleunigen. Als der König mit dem Bruder in Innsbruck über die bevorstehenden Verhandlungen in Passau Beratung hielt, teilten Granvelle und Dr. Seid am 12. Mai dem Gefangenen mit. dals der Kaiser ihm die Freiheit schenken wollte, unbekümmert um den Verlauf des Passauer Tages. Führten die Verhandlungen zum Frieden, dann mülste er sich verpflichten, die frühereu Verti'äge zu halten. Wäre aber keine Verständigung mit den Gegnern möglich, dann hätte der Kaiser die Absicht, den Kurfürsten Moritz als aufrührerischen Fürsten zu ächten. In diesem Falle wünschte er, dem Herzog die Kurwürde, das Kurland und die anderen Gebiete zu ver- leihen, vorausgesetzt, dafs er die Länder auf eigene Kosten eroberte. Dann legten sie ihm schriftlich eine Reihe Fragen zur Beantwortung vor.

Der Herzog'^^) erklärte seine Bereitwilligkeit zur Vollziehung der Acht, wenn ihm der Kaiser die dazu nötigen Mittel vorstreckte. Denn er und seine Söhne, sagte er, wären zu arm, um ein so stattliches Werk allein auszuführen^-). Auf seine Freunde könnte er nicht eher rechnen, als bis sie wülsten, dals er frei wäre und der Kaiser sich der Sache ernstlich annähme. W^ie dieser vor dem sächsischen Kriege (1546) die Kurfürsten und Fürsten gegen ihn gewonnen hätte, so möchte er sie jetzt gegen Moritz gewinnen'-^). Viele Fürsten wären nur deshalb Anhänger der Gegner, weil sie vom Bunde seine Befreiung und anderes erwarteten. Sobald sie erführen, dafs ihn der Kaiser aus freien Stücken der Haft ent-

■") Kurz vorher war sein Kanzler v. Minckwitz angekommen, um ihn bei den Verhandlungen zu unterstützen.

■'■-') Er bat um eine Anleihe von 200000 Kronen, damit er 2000 Reiter uiul 10000 Knechte anwerben könnte.

■'*') Johann Friedrich hoffte Herzog August von Moritz dadurch zu trennen, dafs er ihm den Besitz des gesamten väterlichen Erbes, verspräche.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 301

lassen liätte, so änderte sich vieles, nnd mancher liefse sich leicht auf die kaiserliche Seite bringen. Käme in Passau, fuhr er fort, der Friede nicht zustande, dann sollte der Kaiser die Ausschreiben der Bundesfiirsten wideilegen, Glaubensfreiheit gewähren und durch ver- schiedene Gnadenbezeigungen beweisen, dals er nicht darnach trachtete, die deutsche Freiheit zu schwächen oder zu vernichten. Täte er das, so gewänne er bald einen starken Anhang, anderenfalls „erschiene Moritz im rechten Lichte gegen ihn als Held für die Freiheit".

Am 18. Mai waren die V^erhandlungen mit Johann Friedrich so weit vorgerückt, dals die Vereinbarung der auszustellenden „Versicherung" nur noch seine Entlassung aus der Hatt verzögerte. Da erstürmte Moritz am folgenden Tage die Ehrenberger Klause und rückte gegen Innsbruck vor. Angesichts der drohenden Gefahr beschlols der Kaiser, mit seinem Bruder Ferdinand nach Bruneck zu flüchten. Während der Vorbereitungen zur Abreise schlug für den Gefangenen die Befreiungsstunde. Zunächst sprach der König mit ihm in einem kleinen Lustschlosse des Hof- gartens, dann verkündigten ihm abends um sechs Uhr Granvelle, Fürst Heinrich von Plauen und zwei Räte seine Entlassung; doch mulste er sich durch fürstliche Zusage und durch Handschlag verpflichten, so lange am kaiserlichen Hofe zu bleiben, bis seine Heimkehr unan- gefochten ej'folgen könnte.

Auf dem Wege von Bruneck nach Villach in Kärnthen fafsten neue Verhandhnigen die Verwendung Johann Friedrichs gegen Moiitz schärfer als vorher ins Auge. Erfüllt vom Gedanken, seine verlorenen Länder mit der Kurwürde wieder zu erlangen, entfaltete der Herzog eine emsige Tätigkeit. In grolser Eile zeigte er aller Welt seine Befreiung durch den Kaiser an und bat viele Fürsten und Städte um Geld und Hilfe. Im Kriegslager der Bundesfürsten suchte er geheime Umtriebe anzuzetteln, und in Passau ging er mehrere Fürsten an, seine Partei zu eigreifen'^*). Allein die Passauer Verhandlungen führten zum Frieden. König Ferdinand, Herzog Albrecht von Bayein u. a. bewahrten Moritz vor der Acht.

■") Der Herzog von Bayern lehnte weg-en seiner guten Fiennd- schaft mit Moritz jede Unterstützung ab; der Gesandte des Maik- giafen Hans sagte, dafs sein Herr in der jetzigen geschwinden und gefährlichen Zeit jeden Handel vorsichtig bedächte.

302 S. Ifsleib:

Während der gerettete und verdienstvolle Kurfürst in die Heimat eilte, einen Landtag in Dresden hielt und seinen Zug gegen die Türken vorbereitete, erlangte Johann Friedlich volle Freiheit und die Erlaubnis zur Rückkehr in sein Land. Am 27. August 1553 nahm ihn der Kaiser in Augsburg zu Gnaden an, erhob ihn ^Yieder in des Reiches Fürstenstand und übertrug ihm alle Landesteile und alle Ansprüche, die der Wittenberger Vertrag seinen Söhnen und Erben eingeräumt hatte. Die sächsische Ge- samtbelehnung und die alte Erbverbrüderung zwischen Sachsen und Hessen wurde erneuert. Der Kaiser ge- stattete den Wiederaufbau der Festung Gotha und ver- sprach, nichts gegen die evangelische Lehre vorzunehmen in der Hoffnung, dals Gottes Gnade zur rechten Zeit den Zwiespalt zur Einigkeit führen würde.

Am 31. August stellte der Herzog die von Moiitz geforderte und vom König befürwortete „Versicherung" aus, worin er sich verpflichtete, den Wittenberger Vertiag bis auf die vom Kaiser aufgehobenen oder veränderten Artikel, soAvie alle den Vertrag betreffenden Urteile uüd Erklärungen des kaiserlichen Hofgerichtes zu halten, nichts heimlich oder öffentlich gegen die Vettern anzu- stiften, vorzunehmen oder tun zu lassen und die von seinen Söhnen und von seinem Bruder Johann Ernst vollzogene, auch vom Herzog Wilhelm von Jülich, Franz (3tto von Lüneburg, Philipp von Pommern und vom Markgrafen Hans verbürgte Sicherheit innerhalb dreier Monate an den kaiserlichen Hof zu senden. Dagegen sollten Kui-- fürst Moritz und Herzog August in einer vom Kurfürsten Joachim von ßrandenbui'g, vom Herzog Albrecht von Bayern, Christof von Württemberg und Fürst Heinrich von Plauen verbürgte Verpflichtungsurkunde binnen drei Monaten zusagen, dafs Johann Friedrich, seine Söhne und sein Bruder bei dem abgeändei'ten Wittenberger Vertrag bleiben und darüber hinaus in keiner Weise beschwert und vergewaltigt w^erden sollten. Vertreter der beiden sächsischen Landstände sollten die fürstlichen Versicherungen in drei Monaten bekräftigen. Kaiser- liche Bevollmächtigte aus den genannten füistlichen Bürgen sollten auf Grund der Naumburger Verhand- lungen (1551) die Irrungen der Vettern in Jahresfrist gütlich oder rechtlich beilegen. Erreichten sie ihr Ziel, dann sollte die Versicherung ewig und unwiderruflich sein. Brächten sie keine Einigkeit in Jahresfrist zu-

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 303

Stande, dann sollte alles so bleiben, wie es vor der Ver- sicherung gewesen wäre.

Kurfürst Moritz griff verschiedene Stellen der Ver- sicherung Johann Friedrichs als höchst bedenklich und beschwerlich an und forderte den Kaiser auf, die be- tretlenden Funkte ändern zu lassen. Gleichzeitig schrieb er König Ferdinand, dalis die Versicherung des Friedens halber geändert werden müfste; denn sie öffnete dem Gegner Tür und Tor. Ehe er eine solche Versicherung annälime, wollte er die Sache „lieber auf die Faust setzen". Seine entschlossene Haltung hatte Erfolg.

Die Heimkehr Johann Friedrichs erregte in Kur- sachsen manche Besorgnisse. Viele sagten, der Kaiser hätte ihn überaus gnädig entlassen; es fiel auf, dals er den Titel eines geborenen Kurfürsten führte"^'^) und Gotha zu befestigen begann; man sah heizogliche Münzen mit dem Kurwappen und der Aufschrift „verus elector" und hörte, dals er in Strafsburg Geschütze gielsen Heise, Daher bestürmten die Räte den Kurfürsten, aus Ungarn zurückzukehren, für die Sicheiheit des Landes zu sorgen und die Irrungen mit den Vettern beizulegen. Moritz beruhigte sie; doch bat er König Ferdinand, jede unzulässige und gefährliche Neuerung zu verhüten. Ohne Säumen fordeite dieser vom Kaiser die Beseiti- gung der vorhandenen Beschwerden; denn der Herzog führte den Titel eines geborenen Kurfürsten mit Un- recht, die alten Rechtsgewohnheit eu gestatteten ihm nicht, Münzen mit dem Kurwappen zu prägen, die Be- festigung Gothas widerspräche dem Wittenberger Ver- trage und gefährdete die Ruhe im Reiche. Zufolge der zwischen Böhmen und Kursachsen bestehenden Erb- einigung müfste und würde er Moritz gegen den Vetter im Falle der Not Hilfe leisten. Wiederholt kam der König in seinen Briefen an den Bruder auf diese Punkte zurück.

Nach der Rückkehr aus Ungarn wünschte Moritz lebhaft die Beilegung des Lniuidationsstreites; aber er vermied es, die Sache anzuregen. Glücklicherweise hatte die Gegenpartei das Bedürfnis, den ersten Anstofs dazu zu geben.

■'■') Der Herzo? nannte sich zum erstenmal geboreneu Kurfürsten Sachsen im Briete an seinen Sohn, Villach, den 7. Juli 1552.

von

Weimar Reg'. K fol. 141 Nr. 7

304 S. Ifsleib:

Johann Friedrich veranlagte die Herzogin Elisabeth von Eochlitz, ihren Bruder Philipp von Hessen um gütige Vermittlung anzugehen. Die Antwort lautete günstig, und auf eine Anfrage des Landgrafen erwiderte Moritz, dais er keinen Menschen auf Erden lieber als den Schwieger- vater zum Vermittler haben wollte. Zwar schlug Philipp eine wiederholte Eiidadung nach Dresden zui' Fastnaclits- feier aus; allein er schickte seinen Sohn Wilhelm. Vom Vater beauftragt, erforschte der junge Landgraf die Ge- sinnung des Kurfürsien gegen Johann Fiiediich, und da er sie versöhnlich fand, ermunterte er zur AVieder- aufnahme der Liquidationsverhandlung. Moritz war dazu bereit, wenn sie auf Grund seiner Naumburger Artikel stattfinden sollte; alles andere wies er zurück. Als ihm AVilhelm in Torgau einen Brief des Vaters zeigte, worin dieser zur Abtretung einiger Ämter riet, wurde er ernst und sagte kurz: „Da wird nichts draus". Während eines Besuches in Eilenburg schlug der junge Landgraf im Verein mit Hans v. Heideck dem Kurfüi'ston in fröhlicher Stunde vor, Johann Friedrich die drei Ämter Altenburg, Eisenberg und Königsberg zu geben; allein er lehnte es ernst und bestimmt ab. Er hatte keine Lust, seine Feinde zu stärken; denn die Vettern, meinte er, blieben zeitlebens seine Gegner, er täte, was er wollte. Überdies wäre er gemäfs der kaiserlichen Erklärung gar nicht verpflichtet, ihnen Land und Leute zu geben. Darum gedächte er lieber den Leib daranzusetzen, als die drei Ämter ab- zutreten. Ebensowenig wie in Torgau und Eilenbuig hatte Wilhelm mit seinein Vorschlage in Lf^ipzig Glück, wo er ihn nochmals zu machen wagte. Moritz ge- stand nur die Veihandlung auf Grund der Naumburger Artikel zu^*').

Ende Februar 1553 beratschlagte er mit dem Aus- schufs seiner Landstände und mit etlichen Räten über die Foi'tsetzung der Litiuidation und über die Versicherung'^). Dann schickte er zu Johann Friedrich und gewann dessen Zustimmung zu einer Tagsatzung,

"0) Weimar Reg. K fol. 194 MM Nr. 4.

'''') HStA. Dresden Loc. 9149 Versicheruiigeu otc. 1.ö52 1553 Bl. ]27 f.; Loc. 9149 Chuilürsten Moritz und Johann Friedrich be- langend 15.53 Bl. 1 f. Weimar Eeg. K fol. 189 MM Nr. 2. Jobaun Friedrich war im März 1553 in Koburg und ordnete die Hintei'- lassenschaft seines veistorbenen Bruders.

Moritz von Sachsen und die Ernestiner. 305

In Eiseiiberg'^) betjanii am 7. Mai 1553 die Verliaiul- ]img- über die Liquidation und über die Versiclieiimg, sowie über die Befestigung Gothas und über den an- genommenen Kurtitel mit Kurwai)i)en. Die heizoglichen liäte hoben hervor, dafs der Kaiser den Bau der Festung Gotha ausdrücklieh bewilligt hätte. Kurtitel und Kur- wappen dürfte der Herzog als Sprosse des kurfürstlichen Stammes und als gewesener Kurfürst führen"^"). Die goldene Bulle gestattete es, der AViltenberger Vertrag ver- böte es nicht, und die Gesamtlehnschaft lieise es zu. Herkommen und Brauch, wäre es, dafs Fürsten sich nach Ländern schrieben, woiauf sie nicht einmal Anwartschaft hätten. Demgegenüber machten die kurfürstlichen Bäte geltend, dafs der Festungsbau gegen den Wittenberger Verti'ag verstielse, und ohne Bewilligung des Kurfürsten könnte der Vertrag nicht geändert werden. Das Kuisiegel Johann Friedrichs hätte der Kaiser vor Wittenberg zer- schlagen lassen; damit wäre jedes Recht auf Kurtitel und kurwappen vernichtet worden. Herzog August be- säfse nähere Anwartschaft auf das Gesamtlehen als die Ernestiner; indessen führte er ebensowenig wie die Pfalz- grafen bei Bliein den Kurtitel oder das Kurwappen. Die kaiserliche Kanzlei gäbe dem Herzoge den Kurtitel nicht. Daher müfste eine solche unberechtigte Neuerung ver- letzen. Nach langem, fruchtlosem Streite stellte man beide Tunkte der kaiserlichen Entscheidung anheim^'^).

Über die Versicherung verständigten sich beide Teile am 17. Mai. Die abgeänderten Versicherungsverträge sollten bis zum 18. Juli vollzogen imd am 26. Juli in Torgau und in Weimar übergeben werden. Die Beilegung des Liquidationsstreites scheiterte wie früher daran, dals der Kurfürst das Einkomnien von 50000 Gulden nur durch Geld und nicht durch Ämter sichern wollte. Auf einer neuen Tagsatzung in Eisenberg sollte Landgraf Philipp

"«) HStA. Dresden Loc. 91,50 Eisenliergische Handlung und Registratur. Kuburgisclie Handlung ln53: Loc. 9151 Eisenl.ergisclier Tag lö5o. Vgl. Mordeisens Gutachten über Gotha im Loc. 9139 Des gewesenen Churfürsten etc. 15i«--]5ö3 Bl. 217. Der Kaiser wollte die Liquidation auf den von ihm nach Frankfurt einberufenen Tag verweisen. Johann Friedrich war dafür, Moritz dagegen.

'''>) Der alte Dr. Biück stellte es in Abrede.

80) Man vgl. des Kaisers Brief an Moritz, 80. Mai 1553 u. a. HStA. Dresden Loc. 9139 Des gewesenen Churfürsten Ivriegshand- lung etc. 154H - 1553 Bl. 265. 275. 308.

Neues Archiv f S. G. u. A. XXIV. 3. 4 20

306 S. Ifsleib: Moritz von Sachsen und die Emestiner.

von Hessen vermitteln; man bestimmte zuerst den 19. Juni dazu, dann den 16. Juli. Allein die Kriegsunrulien und der unerwartete jähe Tod des Kurfürsten vereitelten den Plan. Moritz starb am 11, Juli 1553 auf dem Schlacht- felde bei Sievershausen.

Am 24, Februar 1554 beendete der Naumburger Ver- trag den Liquidationsstreit. Kurfürst August gab den Ernestinerii die Ämter Altenburg. Eisenberg, Sachsenburg und Herbsleben, sowie das Einlösungsrecht des Amtes Königsberg in Franken, die Lehnschaft und Oberbot- mäfsigkeit an dem Amte Allstedt u, a.; außerdem zahlte er lÖOOOO Gulden.

XII.

Zur älteren Verl'assuDgsgeschiclite der Stadt Leipzig.

Von

Karl Koppmanu.

7-'

Durch die eingegangene Verpflichtung, das 1902 er schienene Buch vonAYalther Rachel: „Verwaltunjrs Organisation und Ämterwesen der Stadt Leipzig bis 162 in den Göttinger Gel. Anzeigen zu besprechen, bin ich veranlalst worden, mich mit der älteren Verfassungs- geschichte Leipzigs, die dort (S. 3—11) skizziert und in verschiedenen Punkten (S. 213— 217) näher erörtert worden ist, auf Grund der Leipziger Urkundenbücher (Cod. dipl. Sax. Keg. II, Bd. 8 10) und der von Wustmann ver- öifentlichten Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Leipziger Eats (in dessen Quellen zur Geschichte Leipzigs Bd. II) etwas näher zu beschäftigen. Ind^-m ich dabei nach Möglichkeit auf das einzugehen versuclite, was mir noch nicht genügend aufgeklärt zu sein schien, entstand mir eine Reihe von Erörterungen, deren Unifaiig über den gegebenen Rahmen weit hinausgeht. Bei der Bedeutung der aufgeworfenen Fragen, die erklärlicher- weise zum Teil dieselben sind, die auch Rachel zu be- antworten gesucht hat, hoife ich jedoch bei den Freunden der sächsischen Stadtgeschichte auf einiges Interesse rechnen zu dürfen, wenngleich es mir nicht sowohl darauf ankam, überall zu neuen und feststehenden Ergebnissen zu gelangen, als vielmehr darauf, wie einerseits auf die Unfestigkeit der Verhältnisse, so andererseits auf die Dunkelheit und Unsicherheit, in der wir bei der Unzu-

20*

308 K- Koppmann:

läiigliclikeit des vorhandenen oder doch bisher erschlossenen Materials schweben, aufmerksam zu machen und dadurch einem Beiiifeneien es nahe zu legen, was für die ältere Geschichte Leipzigs gerade auf diesem Gebiete noch zu tun ist.

1. Wann findet die Ratswahl statt?

Nach AVustmann (11, 65) mufste die AValil „immer ein paar Wochen früher" als der Ratswechsel „vorgenommen Averden, damit die Bestätigung zur rechten Zeit eintraf"; Rachel spricht vom Tage der Wahl überhaupt nicht. Urkundlich erfolgt die landesheiTÜche Bestätigung des ncuerwählten Rates 1480 schon „am sonntag Estomichi" (das II, lB2j, während das betreffende Gesuch des bisherigen Rates 1513 erst am 7. Februar, also Mon- tag nach Estomihi (das. 11, 64), 1476 „utf dinstag noch Estomihi" (Cod. II, 8, Nr. 488), 1503 ,,ulf mitwoch cinerum" (Wustmann II, 149) ergeht. 1512 wird die Bitte eines Ratsheirn um zeitweilige Befreiung vom sitzenden Rat „hewt dinstag nach dem sontag Estomihi" ausgesprochen: „nachdem itzundt die zeidt enistehe, das er neben andern uf ditz jar zum ratstulh solt voi'ordent werden" (das.ll, 153). 1561 „ist man von dem alten gebrauch der wähl, nemlich den fastnachtmontag (Montag nach Estomihi), abgewichen und uf den freitag zuvoin transferiret .... Und sol hinfurder ... die wähl alle jar uf den freitag vor den fastnachtsontag gehalten weiden", aber schon im nächsten Jahr ist „die wähl altem gebrauch nach uf den montag nach Estomihi . . . verschoben und wie voi" alters ge- halten" (das. II, 175).

2. Wann und wie geht der Ratswechsel vor sich?

In betreff' der ältesten Zeit nimmt v. Posern -Klett an, dafs der Ratswechsel schon „gegen Ausgang des drei- zehnten Jahrhunderts" am Montag nach Invokavit statt- gefunden habe (Cod. II, 8, XXIX), wählend Rachel meint, ihn für diese Zeit als zwischen 8. und 21. Januar erfolgt naclnveisen zu können (S. 213. 214). Das Urkundenmaterial ist das folgende: am 8. Januar 1292 werden als Zeugen ISymon scnltetus und 19 andere Personen, an erster Stelle Johannes de Lubenitz, an vierter Martinus de Grimmis genannt (Cod. II, 9, Nr. 35); am 7. November 1292 er- scheinen als Zeugen Symon scnltetus, Johannes de Lubenitz,

Zur Verfasfcungsgeschichte von Leipzig. 309

Simon Ecstete tuiic tenipoiis magister consulum (II, 10, Nr. 33); am 12. September 1293 Urkunden Symon scultetus, Martinus consulum magister atque rector und 11 consules, während Johannes de Lubenitz, Symon Ekstede et Symon tilius ejus die aus 17 Personen bestehende Zeugenreilie eröft'nen (II, 9, Nr. 39); am 30. Juni 1294 Urkunden Symon scultetus, Martinus de Grimmis magister buriensium, Jo- hannes de Lubenize, Symon Ecstete und 7 weitere consules, von denen zvvei auch am 12. September 1293 genannt werden, während als Zeugen Symon scultetus, Johannes de Lubenize, Simon Ecstete und 21 andere Personen auf- treten (II, 9, Nr. 40); am 21. Januar 1295 erscheinen unter den Zeugen Simon scultetus, Johannes de Lubnizc magister civium (II, 9, Nr. 43). Zum Bürgermeister erwählt worden sind also 1292 vor dem 7. November Simon Ecstete, 1293 vor dem 12. September Martin von Grimma, 1294 vor dem 30. Juni abermals Martin von Grimma, 1295 vor dem 21. Januar Johann von Lobenitz, und folglich hat die Neuwahl nach dem 7. November des einen und vor dem 21, Januar des anderen Jahres stattgefunden. Die nähere Bestimmung: zwischen 8. und 21. Januar glaubt Rachel daraus gewinnen zu können, dals ein undatiertes Schreiben, in welchem „S. scultetus et Johannes Vurman magister civium, consules et universi cives" bezeugen, dals das Thomaskloster „recepit donatum ab Ulrico Bauro et Adelheyde uxore sua hereditatem ipsorum, quam habebant inter institores et si quam aliam possent contrahere seu habere" (II, 9, Nr. 36), vom Herausgeber (nach II, 8, XXX „mit höchster Wahrscheinlichkeit") in das Jahr 1292 ge- setzt wird, Aveil Ulrich Bauer und seine Ehefrau diese Schenkung am 8. Januar 1292 vorgenommen haben (II, 9, Nr. 35). Aber der Urkunde zufolge vergaben Ulrich und Adelheid „hereditatem nostram, quam inter institores habemus et si quam aliam habere poterimus", auf ihren Todesfall, „cum ambo decesserimus", und folglich ist an- zunehmen, dafs jenes Zeugnis nicht unmittelbar nach der Vornahme der Schenkung, sondern erst nach dem Tode der Schenker, von denen Ulrich noch 1298 am Leben war (II, 9, Nr. 49), ausgestellt worden sei, vermutlich im Jahre 1301, in welchem Johann Fuhrmann, der unter den am 12. September 1293 namhaft gemachten 11 Ratmannen erst an achter Stelle aufgeführt wird, das Bürgermeisteramt nachweisbar verw^altete (II, 9, Nr. 53, 56). Für das 14. Jahrhundert setzt Rachel den Ratswechsel in den

310 K. Koppmann:

Februar, eventuell zwischen 3. und 20. Februar, aber seine Grundlagen, das Vorkommen eines und desselben Bürger- meisters einerseits am 14. Mai 133G und am 20. Februar 1342, andererseits am 3. Februar 1354 und am 8. Mäiz 1359, scheinen mir doch, zumal da dabei der dreijährige Turnus dort angenommen werden mufs, hier vorausgesetzt wird, zu schwankend, um darauf bauen zu können. Als seinem Ergebnis scheinbar widersprechend führt er selbst es an, dals 1385 in betreff der vier Hauptleute beschlossen wird, „dy czu kisene us drj reten alle jar uf wynachten" (II, 8,. ]^r. 91), zu einem Zeitpunkt also, dem dei- von uns für das Ende des 13. Jahrhunderts ermittelte Termin völlig entspricht. —.Aus dem 15. Jahrhundert liegt die Nachricht vor, dals die Ämterverteilung, die dem Katswechsel folgte, 1469 „Ulf sontagk Invocavit"' stattfand (Wustmann II, 129). Für den Anfang des 16. Jahrhunderts gibt uns die Alte Ratsordnung, die Wustmann (II, 137) von 1500, Rachel (S. 217—218) von 1507 datiert, über diese Frage Auskunft. Sie unterscheidet, wenn ich lichtig sehe, drei Akte: am Sonnabend nach Estomihi erfolgt vormittags der eigentliche Wechsel oder die Umsetzung, nachmittags die Verkündigung, am Montag nach Invokavit die erste Sitzung des neuen Rates. Im allgemeinen bestimmt sie zunächst, „das hinforder alle jar jerlichen ein burgermeister mit zwelf rathmannen, darzu durch drei i'ethc gekoren, utf sonabendt nach Estomihi ader nach dem fastnacht- sontag, das jar auls und über zu regiren, aufgehen sollen"; ,.vor mittage um acht schlege" soll der alte Rat, „sitzende in irer gewonlichen rathstube", den Ratseid „dem nawen, aufgehenden rathe, sitzende an der andern seifen," vor- lesen und von dessen Mitgliedern einzeln schwören lassen und darauf seinen bisherigen Platz dem neuen Rat ein- räumen und sich an dessen Stelle setzen; „nach mittage umb des seigers eins" soll „die vorkundignnge des ge- kornen nevven rathes und die bestetigunge den gemeinen burgern, wie gewonlichen, gethan werden und bescheen" (Wustmann li, 142, 143); „auf den montagk, fso der nawe rath erstmals aufgeht, sali der regirende burger- meister den zwelf rathmannen die ordenunge des auf- und abegelms . , . leisen lassen" (das. II, 145). Die spätere Zeit kennt dagegen nur zwei Akte, die sich beide am Montag nach Invokavit, nachmittags, abspielen: erst die Verkündigung, dann die Umsetzung. Zufolge einer Auf- zeichnung von etwa 1530 wird nämlich „auf den montag

Zur Verfassungsgeschichte von Leipzig, 311

nach Iiivocavit nach essens der newe radt der gemeinde pnbliciret, auch von dem alten voreidet und das regiment angenommen" (das. 11, 162), und eine Aufzeichnung von ca. 1560 schildert, ohne jedoch den Tag zu nennen, den Vorgang folgendermaisen : der alte Rat verkündet der Ge- mehide die Neuwahl und die landesherrliche Bestätigung, indem der Bürgermeister die Anrede hält und der Ober- stadtschreiber „des liaths Wilkuhr" und die Bestätigungs- urkunde verliest; darauf begibt sich der alte Hat in die liatsstube, läfst den inzwischen berufenen und in der 8chofsstube versammelten neuen Rat vor sich kommen, bittet ihn, die Regierung zu übernehmen, und räumt ihm, nachdem die landesherrliche Bestätigung nochmals ver- lesen worden ist und der neue Rat paarweise den Rats- eid geleistet hat, seinen bisherigen Platz ein ; dann wird der dritte Rat hereingerufen und die drei Räte nehmen die ihnen vorbehaltenen Wahlen zur Besetzung gewisser Ratsämter vor, worauf die beiden nunmehrigen alten Räte Urlaub nehmen und den neuen Rat in der Ratsstube zmücklassen (das. II, 174 175). Unter der Ratswillkür, 1637 als statuta bezeichnet (Wustmann II, 213j, ist wohl eine den Burspraken der norddeutschen Städte ähnliche Zusammenstellung polizeilicher Anordnungen, wie sie z.B. die „Willkür und Polizei-Ordnung von 1454" (Cod. II, 8, Nr. 317) darbietet, zu verstehen, nach Wustmann ohne nähere Erklärung die Polizeiordnung der Stadt, später die Statuta genannt (II, 68), nach Rachel die Statuta (S. 51).

3, Wer wählt den Rat?

Nach V. Posern - Klett (Cod. II, 8, XXX) erfolgte die AVahl in der ältesten Zeit „nur durch die Stadt- gemeinde", nach Wustmann (II, 63) war der Rat ursprüng- lich „unzweifelhaft von der Bürgergemeinde gewählt worden"; Rachel S. 3 sagt unsicher, die Wahl habe in älterer Zeit „wohl der Stadtgemeinde" zugestanden, redet aber S. 7 mit Sicherheit von der älteren Zeit, „als der Rat noch von der Stadtgemeinde gewählt wurde". Wenn jedoch der Rat das Organ der Gemeinde war und diese ihm gegenüber keine Vertreter hatte (Rachel S. 8), so versteht man nicht, wie sie die Wahl ausgeübt haben kann. Wustmann nimmt an, dafs der Gemeinde noch nach der Alten Ratsordnung ein Vorschlagsrecht zugestanden habe, während Rachel die betreffende Bestimmung, dals

312 K. Kopiimanii:

fiir die Wahl eines Ratnmiines zwei Personen „von der gemeine" vorgeschlagen werden sollen, gewils lichtig als „ans der Gemeinde" versteht (S. 214) Nach dieser Ord- nung wird der neue Rat „durch drei rethe gekoren" (Wustmann II, 142); als aber 1512, wie erwähnt, ein Rats- mitglied bittet, ihn nicht in den sitzenden Rat zu wählen, „haben die rete . . . dem sitzenden rat bevolhen, einen andern an seiner stat zu erwelen", 1513 verweigert der Laudesherr die Bestätigung der Wahl und verlangt, dafs der neue Rat „nicht allein durch diejhenigen, die des- selbigen jars im rat und regiment gesessen, sundern auch in beiwesen der andern zweier burgermeister und des halben teils der eldisten irer beisitzer und ratskumpan" gewählt werde (das. II, 64j, und am 14. Februar 1515 heilst es dementsprechend: „nachdem in vorigen und alden jharn der sitzende rath allein macht gehabt, den rath des zukommenden jhars zu kisen, und doch izo ein voranderung gemacht, also das dem sitzenden rath etliche eldesten von den andein zweien rethen sollen zugegeben werden" (das. II, 158).

4. Was ist unter der Stadtgemeinde zu verstehen und wie äufsert sich dieselbe in ihrer Tätigkeit?

In Bezug auf die vorhin gedachte Verlesung der Will- kür nimmt Wusimann (II, 68) an, sie sei erst 1556 ein- geführt worden, „nachdem das neue Rathaus fertig war, dessen grofser Saal längeres Verweilen einer^ gröfsern Versammlung ermöglichte". „Natürlich", fügt er hinzu, „war bei der Verlesung nicht die ganze Bürgergemeinde anwesend, es waren vor allem die Innungen, die herauf- bestellt wurden, und auch diese erschienen nicht voll- zählig, sondern schickten ihre Ältesten und Obermeister. Dazu kamen dann die Handelsdeputierten, die Cramer- meister und die Gassenmeister der , Nachbarschaften' vor den Thoren". Wenn auch nicht die Richtigkeit, so wird doch die Vollständigkeit dieser Angaben in Zweifel zu ziehen sein : wird allein ein so beschränkter Kreis zu erscheinen aufgefordert, so schliefst das nicht aus, dafs die ganze Bürgerschaft sich einzustellen berechtigt ist und von diesem Recht nach Belieben Gebrauch macht. Für die ganze Bürgerschaft ist doch das Bestätigungs- schreiben des Landesherrn bestimmt, dessen Verlesung derjenigen der Willkür vorangeht; der Rat bittet, „uwre gnade w^ollen disse selbigenn gekornen gnediglich contir-

Zur Verfassimgsgeschichte von Leipzig. 313

miremi und bestetigenii, der genie3'ne bey uns emstlicli gebieten, on difs jar ul's geliorlsam und gefolgig- zcu sein anstadt uwrer gnade, dadurch die Stadt in eintracht, uwern gnaden zcu eren unnd unns allen zcu nutz vor- gestanden mag werden" (II, 8, Nr. 488; Wustmann II, Nr. 11), und demgemäls meldet der Landesherr „unisern burgern gemeinlich", dals genannte Personen durch den Rat des vergangenen Jahres gekoren und auf dessen Gesucli von ihm bestätigt worden seien, und gebietet ihnen, denselben „dils künftige jar aufs an unlser stat gevolgig und gehorlsam" zu sein (Wustmann II, 3). Gewils mit Recht bemerkt Wustmann (II, 65, Anm. 1), wenn auch das älteste Gesuch des Rats erst von 1476 und die älteste Bestätigung erst von 1480 datieren, so lasse doch die ganze Fassung beider Schriftstücke erkennen, „dafs es sich dabei um ein noch weit älteres Herkommen handelt" (II, 65, Anm. 1). und sehr wohl darf man in dieser Be- ziehung daraufhinweisen, dafs die älteste Bestätigung des neu gewählten Rats in Dresden, die ebenfalls mit einer Ermalnnnig der Bürger zum Gehorsam schliefet, bereits aus dem Jahre 1399 stammt (Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden I, 67). Dem- gegenüber erregt es aber Bedenken, wenn aus der ersten Erwähnung der Verlesung der Willkür im Jahre 1556 gefolgert wird, sie sei damals erst eingeführt worden. Ein Raum, in dem sich eine gröfsere Versammlung längere Zeit aufhalten konnte, muls doch auch Vor der Vollendung des neuen Rathauses bestanden haben, wenn ihn auch der Nicht -Leipziger natürlich nicht nachzuweisen vermag. AVill man auch kein Gewicht darauf legen, dafs es am 29. Juli 1466 in betreff einer von der Stadt verkauften Rente heilst: „Unnde uff das wir obgnante burgermeister und radtmanne und gantz gemein . . . alle obgeschreben rede und globde stete unde unvorbrochen halden wollen und sollen, so haben wir unser Stadt ingesigel mit willen unnd wissen an diesen brieö' lassen hengen" (II, 8, Nr. 403), und dafs am 19. März 1470 durch den Rat eine Rente verkauft wird „mit Genehmigung der Landesfürsten, mit zeitigem Rath aller dreier Rätlie, mit AVillen und Wissen der Ältesten und der ganzen Gemeine" (II, 8, Nr. 451), so lassen doch andere Stellen unzweideutig erkennen, dafs Verhandlungen zwischen dem Rat und der Bürgerschaft stattfanden. Am 7. September 1457 „hatte der rat eine Sache an dy gemeyne bracht", dafe nämlich der Landes-

314 K. Koppmaun:

lierr eine Erhöhung der Jahrrente begehre, und „daruff hath die gomeyne dem rate antwort gegeben", er möge den Landesherrn bitten, es bei dem alten Herkommen zu lassen, da ihr die Leistung des Geforderten zu schwer falle; „wurde sie unser herre dorobbir y hertlich darumbe anlangen, so wolle sie sich von dem rate nicht setczen; unde eis ist ir rat nicht, das man sich ein sollichs obirgeben solle" (II, 8, Nr. 327); am 3. November 1466 fassen die drei Räte wegen eines dem Landesheirn zu zahlenden Steuerbeitrags einen Beschluls über die Währung, die bei der Scholserhebiing gelten soll, und am 5. November „habin die rethe die gemeine . . . vor sich vorboth unde yn irer gegenwertikeit alle punct unde artikel obinberurt lel'sin laslsin: alfso haben sie eyntrechticlich doryn gewilliget unde deme alfso zcu thune den retlien zeugesaget, unde habin dorczu den rethin allin, Jungk unde alltt, vleylsiglich gedanckef^ (11, 8, Nr. 406). Neben einem Raum, in dem die Ge- meinde mit den drei Räten zusammentritt, setzen diese Stellen voraus, dals die erstere durch das Herkommen gegebene oder in jedem Fall besonders erwählte Sprecher hat, durch die sie, vermutlich nach vorangegangener Beratung unter sich, ihre Meinung äulsert, hier, in- dem sie ihnen ihr Einverständnis mit den Beschlüssen der Räte erklärt, das Zusammenstehen mit ihnen ge- lobt, ihren Dank ausspricht, in andern Fällen aber doch wohl auch ihre abweichende Meinung zum Ausdruck zu bringen vermag. Zwei weitere Fälle einer Berufung der Bürgerschaft durch den Rat werden von Rachel (S. 8, Anm. 2) angeführt, aber nicht näher gekennzeichnet. Es erübrigt daher nur noch, darauf hinzuweisen, dals der Anfang der „Willkür und Polizei -Ordnung" von 1454 lautet: „Mit willen und vulbort defs richters ist gewil- koret", der Schlufs aber: „Dis ist gewilkort durch alle dry rete und dy gemeyne durch volbort des gerichtis" (II. 8, Nr. 317), denn wenigstens das, meine ich, ist mit Sicherheit daraus zu folgern, dals die Gemeinde die Ver- lesung dieser AVillkür, die 1463 als die „aide wilkore" bezeichnet wird (II, 8, Nr. 365), ohne Widerspruch zu erheben, angehört hat. Die angezogenen Stellen sind der Zeit von 1451 1485 entnommen, weil Rachel (S. 8) der Ansicht ist, in der zweiten Hälfte des 15. Jahr- hunderts sei die Gemeinde durch den Rat, der für die ältere Zeit als deren Organ bezeichnet werden könne

Zur Verfassmigsgescliichte von Leipzig. 315

lind sich 1463 selbst als ihr „vorweiser . . . unde offeiin iuiiplute" (II, 8, Nr. 365) bezeichne, in ihrer Stellung herabgedrückt worden. In der Tat kommen Stellen, die •eine Mitwirkung der Gemeinde bekunden, in der früheien Zeit häufiger vor: Scholsfreiheit erteilen 1335 der Rat „unde daczu wi gemeinen bürgere" (II, 8, Nr. 33); eine schofsfreie Leibrente verkaufen 1395 der Rat „und darzu dye burger gemeynlichin" (Nr. 105); Rentenbriefe stellen aus 1434 der Rat „mit rechter wissenschafft und volwort unser gemeynen bürgere" (Nr. 185), 1444 der Rat „und flie ganze Gemeine arm und reich" (Nr. 224); die Be- schlüsse, dals keine Schmiedewerkstelle innerhalb der Stadt verlegt werden und dals kein Bürger Vorspreche eines Ordens oder eines Klosters der Stadt sein solle, werden 1359 durch den Rat „et totam communitatem civitatis" gefafst (Nr. 51, 52), der Beschlu/s, jährlich vier Hauptleute zu erwählen, 1385 durch die drei Räte „myt der ganczen gemeyne willen unde wissen" (Nr. 91); die Annahme eines Pfarrers zum Vorsteher, Verweser und Hofmeister im Johannis- Hospital geschieht 1391 durch den Rat „mit gutem vorrate, wessen, willen und vulbort allir drey rete und der ganczen gemeine" (Nr. 97); den Vertrag mit dem landesherrlichen Geleitsraann schliefseu vor 1361 „unsere bürgere unde dy dry rete (Nr. 57); Juden- Schutzbriefe werden 1430 und 1436 ausgestellt durch

den Rat „mit willen unde wissen dreier rete unde der

gemeine und von geheisses unde befelunge wegin . . . unser lieben gnedigin hern" (Nr. 170, 189j; Huldigungs- lirkunden stellen aus 1312 der Rat „consensu nostroium communium civium" (Nr. 26), 1403, 1410 und 1446 Bürgermeister, Rath „unde gancze gemeyne" (Nr. 117, 127, 235). Aber abgesehen von der häufigeren Er- Avähmmg, die sich übrigens zum Teil durch die Be- schränktheit des Zeitraums von 1451 1485 und den vielleicht darauf beruhenden Umstand, dals uns für diesen Zeitraum Huldigungs- und Juden - Schutzbriefe überhaupt nicht vorliegen, erklärt, und von der nicht zu verkennenden Tatsache, dafs in der späteren Zeit mehr- fach nur der Zustimmung der Ältesten gedacht wird, wo in der früheren von der Zustimmung der Gemeinde die Rede ist, vermag ich doch von einer ursprünglichen Bedeutung der Gemeinde, welche die jährliche Wahl des Rats durch sie wahrscheinlich machen könnte, keine Spur zu finden.

316 K. Koppmanu:

5. Wann ist das Kollegium der drei Räte ent- standen?

Eacliel setzt deren Entstehung nach v. Posern-Klett (II, 8, XXXI) zwischen 1316 und 1352. Die letztere Jahreszahl ergiebt sich ihnen daraus, dals nach einer Stadtbuch -Notiz, die „nach dem Jahre 1345, aber voi- 1361" niedergeschrieben ist, „unsere bürgere unde dy dri rete" einen Vertrag mit dem landesherrlichen Geleitsmann abschliefsen (II, 8, Nr. 57) und dals am 9. Dezember 1352 „den burgermaistern, dem rathe unnd der gemeinde" ein Lehnbrief ausgestellt wird (II, 8, Nr. 45). Die erstere Jahreszahl beruht auf dem Ergebnis, dafs nach den uns erhaltenen Ratslisten vorher und noch damals kein drei- jährlicher Wechsel, sondern eine jährliche Neuwahl, bei der jedoch die Wiederwahl einzelner besonders bewährter Personen nicht ausgeschlossen gewesen sei, stattgefunden habe. Für diesen Punkt liegt uns folgendes Quellen- material vor: am 8. November 1309 erfolgt eine Beur- kundung „de scitu quoque et consilio civium Lypczensium,^ videlicet Nycolai de Grimmis magistri consulum, Johannis de Yleburch, Rulonis de Berngershagin, Bertoldi de Vri- burch et ceterorum consulum, qui sigillum civitatis Lipzk pro testimonio suo presentibus a])penderunt" (II, 9, Nr. 72)^ am 16. Juni 1310 sind unter den Zeugen: Nycolaus de Grimmis magister civium, Johannes de Yleburch, Rulo de Berngershain und 10 andere consules, unter denen Bertoldus de Vriburch an achter Stelle genannt wiid (II, 9, Nr. 74); am 24. Juli 1311 werden, ebenfalls als Zeugen, Rulo magister civium und 6 namhaft gemachte consules aufgezählt, von denen drei auch am 16. Juni 1310 vorkommen (II, 9, Nr. 79); am 10. Oktober 1311 sind Rulo de Beingershain magister consulum, Nicolaus de Grimmis, Johannes de Yleburg, et alii fidedigni Zeugen (II, 9, Nr. 80); am 25. April 1312 wird der Huldigungseid geleistet durch Rulo de Beringershain und 11 andere consules, von denen vier (die drei ersten und ein anderer) auch am 24. Juli 1311 vorkommen (II, 8, Nr. 26); am 2. Juli 1315 Urkunden Johannes de Ileburg, Rulo de Beringershain und 9 andere consules, von denen einer auch 1312 vorkommt (II. 10, Nr. 37); 1316 ist Zeuge: Johannes Cine magister consulum cum ceteris juratis et consulibus, 11 Personen, von denen drei auch am 2. Juli 1315 vorkommen (II, 8, Nr. 29). Ein dreijährlicher Ratswechsel hat demnach in der Tat noch nicht bestanden; von den Ratsmitgliedern des Jahres 1316

Zur Verfassungsgeschichte von Leipzig. 317

sind Johann eine schon 1310, 1311, 1312, Heinrich von Threna 1311, 1312. Johann Rumhart 1312, 1315, Hermann von Freiberg 1312, Pezolt Pudernas 1315, C. Kaie 1315, <lie andern sechs soweit die (für die Jahre 1313 nnd 1314 fehlenden) Listen erkennen lassen vorher noch nicht im Rat; Bürgermeister gewesen sind 1309 und 1310 Nikolaus von Grimma, 1311 und 1312 Rulo von Berngers- hain, 1315 Johann von Ilburg, 1316 Johann Cine. Rachel meint, vielleicht habe die Ausbildung des drei- jährigen Turnus schon in den dreifslger Jahren des 14. Jahr- hunderts stattgefunden, aber das schon erwähnte Vor- kommen eines und desselben Bürgermeisters am 14. Mai 1336 und am 20. Februar 1342 bietet auch in dieser Be- ziehung keine sichere Grundlage dar. Überhaupt wird aus den beiden angeführten Tatsachen des Auftretens dreier Räte zwischen 1345 und 1361 und der Erwähnung einer Mehrzahl von Bürgermeistern am 9. Dezember 1352 nicht ohne weiteres gefolgert werden dürfen, dals der dreijährige Turnus in seiner vollen Ausbildung, wie wir ihn im 15. Jahrhundert kennen, unmittelbar an die Stelle einer jährlichen Ratswahl getreten sei. Für eine solche Folgerung kann zwar angeführt werden, dafs Ticzmann Seifertshain 1361, 1364, 1370 (II, 8, Nr. 59, 60, 67, 70) und Johann Hosang 1381 und 1384 (II, 8, Nr. 82, 89) Bürgermeister gewesen sind. Gegen sie aber scheint es zu sprechen, dafs Johann Albern am 10. Januar 1391, am 28. Auaust 1393 und am 25. Mai 1396 als Bürgermeister fungiert (IL 8, Nr. 97, 101, 110); wollte man nach Rachels Meinung über die Zeit des Ratswechsels annehmen, dals das erstgenannte Datum einem Amtsjahr von Fe- bruar 1390 bis Februar 1391 entspreche, so würde dem, wie es scheint, entgegenstehen, dafs von den am 10. Januar 1391 genannten zehn Ratmannen am 25. Mai 1396 nur drei wieder voi'kommen, von denen freilich ehier, Otto Crutziger, auch am 28. Dezember 1384 amtiert hat. Durchaus unvereinbar mit ihr ist es aber, dafs Johann Stufs, der 1359 Bürgermeister gewesen ist (II, 8. Nr. 51 53), noch 1361 hinter Bürgermeister Johann Lindenau als der erste der elf Ratmannen er- scheint (II, 8, Nr. 61) und dals ebenso Heinrich Hnn- leben, der 1387 Bürgermeister gewesen ist (II, 9, Nr. 158; 8. Nr. 94), am 25. j\lai 1396 hinter Bürgermeister .Jo- hann Albern als erster der elf Ratmannen aufgeführt wird (II, 8, Nr. 110).

318 ^- Koppmami:

6. Aus wie viel Personen bestehen die drei Räte?

Die alte Ratsordnung bestimmt, ..dals drei retlie und in einem iedern rathe ein burgermeister und zwelf rath- mau bleiben, sitzen und sein sollen" (Wuslmann 11, 137). Nach einer Aufzeichnung von etwa 1530 dagegen „sint drei rethe, in dene allen sint zwonnddreissig . . . personen, also das allewege zwölf personen, den burgermeister mit eingerechnet, einen radt machen" ; nachdem nämlich zehn Personen mit Einschlufs des Bürgermeisters in den Rat gewählt worden sind, „so gibt der aide (bisherige) sitzende radt nocli zwene herren aufs irem mittel darzu und uber- antwort dieselben, domit . . . die zahl der zwölfen erfüllet werde" (das. 161 162). Nach der ersten Bestimmung sollen also drei Räte von je 13 Mitgliedern, nach der zweiten ein sitzender Rat von zwölf und zwei ruhende von je zehn Mitgliedern vorhanden sein. In der Tat finden sich nach Rachel (S. 3, 4) 1514 1515, wenn auch nur in diesem Jahre, 13 Mitglieder des sitzenden Rats, 1529 aber 32 Mitglieder der drei Räte, während 1502 nur 29, im Anfang des 17. Jahrhunderts oft nur 24 Per- sonen vorkommen (S. 4), 1690 aber ,.15 bis 16 Personen der Ordnung nach ins Regiment" und 1734 in das Rats- kollegium 35 Personen, nändich drei Bürgermeister, zwei Konsulenten und zu jedem Drittel zehn Mann gehören (Wustmann 11, 62).

7. Wie verhalten sich die Ältesten zu den drei Räten?

Nach Wustmann (II, 76) werden zu den Sitzungen der drei Räte „nicht die Ratsdrittel vollständig zuge- zogen, sondern nur der sitzende Rat des Jahres voll- ständig, von den beiden andern Ratsdritteln nur die Ältesten"; nach Rachel (S. 5) erscheinen dagegen „im all- gemeinen blofs die , Ältesten', doch sind bei besonders wichtigen Fällen auch die gesamten Ratsherren zugegen". Yon Beschlufsfassungen des sitzenden Rats mit den Ältesten reden folgende Stellen: 1452 „ist der rat mit willen der eldestin ein wurden", dafs „eine aide gewon- heit", die dem Vorkauf von Obst wehrt, aufrecht gehalten werden soll (Nr. 293); am 28. Februar 1453 hat der Rat wegen der Klage mehrerer Gewandschneider über den Tuchverkauf im Hause „die eldesten besant unde sint defs ein wurden" (Nr. 298, deren Überschrift irrtümlich von

Zur Verfassiuigsgeschichte von Leipzig. 319

den Ältesten der Gewandsclmeider redet); am 23. August 1479 setzt der Rat „mit vorwillung der eldisten" eine obeivormundscliaft liehe Behörde ein (Nr. 505). Unter den Ältesten sind nicht nur diejenigen der beiden ruhenden, sondern die aller Räte zu verstehen: „mit volbort der eldisten aller drier rete" erlaubt der Rat am 29. November 1452 den Schmieden die Verwendung. _ von Steinkohlen (Nr. 291). Die Bezeichnungen „mit den Ältesten" und „mit den drei Räthen" oder „mit den beiden andern Räthen'' werden als gleichwertig nebeneinander gebraucht: die „Willkür und Polizeiordnung" vom 31. März 1463 ist ihrem Schkils zufolge „gesaczt unde wilkort vom rate mit volbort der eldesten", während der Eingang lautet: „Sollicher unde ander mehr bewegung halben hat der sitczende rat einmutiglich geratslaget unde mit volbort drier rete gesacz . . ., also hirnach folget" (Nr. 365); am 26. Februar 1467 erfolgt die Vereinigung der Innungen der Gürtler und Nadler „mit willen des raths unde der eldisten" (Nr. 411), während an demselben Tage das Ver- hältnis der zu zwei Innungen gesonderten Barbiere und Bader durch den Rat „mit wi.^fsen, willin unde e3ntrechtic- licher belslysunge der andern zcwier rethe" geordnet wird (Nr. 410). Nach andern Stellen handelt dagegen der sitzende Rat sowohl mit den Ältesten, wie mit den beiden andern Räten: in betreif der Brau- und Malzhäuser „hat der sitzende rat (am 20. September 1469) in beiwesen der eldisten und der andei'U zcweyer rete beslossen" (Nr. 435); die Erbauung eines neuen Turms am Rathause hat am 17. Oktober 1474 „der sitczende rath in beywefsen der eldesten gemeyniclich unnd der ander zweyer rete eyn- trechticlich nach czeitlichen und gutem rate beslofsen" (Nr. 471); eine Kornernte verkauft der Rat am 30. März 1474 „mit wolbedachten muthe und redelichem und gewont- lichem rathe der andern zcweier rethe und sunderlich mit gunst, willen und wissen unser eldesten" (Nr. 468), eine Geldrente am 10. Januar 1475 „mit Rathe der Aeltesten und mit Genehmigung der andern beiden Räthe" (Nr. 473). Auch die drei Räte kommen mit den Ältesten zusammen, beschliefsen ihrem Zeugnis geniäfs oder auf Grund ihres Vorschlags: wegen der von vielen Neubürgern vernach- lässigten Verpflichtung zum Sefshaftwerden „sint (am 17. Juni 1469) alle drey rete und die eldisten zcusauipne komen" (Nr. 430). und zur Aufstellung einer Fleischtaxe „sint (am 1. Juli 1469) alle drey rete mitsampt den eldisten

320 K Koppmann:

bei einander gewest" (Nr. 431); am 27. Juni 1467 be- schlielsen die drei Räte die Verpflichtung derDoribewohner zu einer kleinen Abgabe für jedes aus der ötadt geholte neue E.ad, „also denn dal's vor jarn ouch gewonlieit ge- wefst ist, also die eldesten allifs wissentlich ist unde von sich gesaget habin" (Nr. 413); am 16. Februar 1482 wird hinsichtlich zweier aus dem Rat gewiesenen Personen von den drei Räten „uf ein mittel, so j-n die eldisten aller dreier rethe vorgeslagen haben, beslossen und ein- tre(chti jglich gewilliget" (Nr. 521). Andererseits beschliefsen auch die Ältesten für sich, ohne die drei Räte, mit ver- bindlicher Kraft für diese: in betreif einer neuen Leistung bei Gewinnung des Bürgerrechts „sint (am 11. April 1453) dy eldestin aller drj^er rete ein wurden, dafs hinforder alle rete halden sollin" (Nr. 300).

8. Wer sind die Ältesten?

Dafs die beiden ruhenden Bürgermeister, wie zu der späteren Enge, so auch zu den Ältesten gehören, kann, wenn auch am 2. März 1479 der Rat „mit vorwillung der ander zweyer burgermeister und der eldisten" einen Raum verpachtet (11, 8, Nr. 500) und 1513 der Landesherr, wie angeführt worden ist, für die Ratswahl die Beteiligung „der andern zweier burgermeister und des halben teils der eldisten irer beisitzer und ratskumpan" verlangt, keinem Zweifel unterliegen. Weniger deutlich ist die Zugehöi'igkeit der Baumeister zu den Ältesten, und in Bezug auf sie mufs die Vorfrage aufgeworfen werden, ob es bei der Verwaltung der verschiedenen Ratsämter eine Stufenleiter gab oder nicht. Nach Rachel (S. 177) sind von einer solchen „höchstens Spuren" vorhanden und von drei Tatsachen, die er als solche anführt, dafs nämlich erstens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Bürgermeister zumeist aus den Baumeistein genonmien M'erden, zweitens Dorfherren, Schofsherren und Einnehmer grölstenteils ruhende Baumeister sind und drittens der Richter nach Beendigung seines Amtsjahrs in das Kolle- gium der Beisitzer tritt, kann man nur die erste dafür gelten lassen. In dem 1717 von Wintzer herausgegebenen, mir unbekannt gebliebenen Verzeichnis der Ratsmitglieder werden nach AVustmanns Angabe jedem Namen die Jahre beigefügt, in denen dessen Träger 1. Ratmann, 2. Richter, 3. Baumeister, 4. Bürgermeister geworden und 5. gestorben

Zur Verfassungsgeschiclite von Leipzig. 321

ist, aber die darauf beruhende Meinung-, dafs das Richter- und das Baumeisteramt Sprossen einer Amtsstutenleiter vom neuerwählten Katmann zum Bürgermeister ge- wesen seien, erklärt Wustmann (II, 71) für einen Irr- tum, da abgesehen vom Büi'germeister und später auch vom Prokonsul oder Konsulenten, die von selbst über ■den andern standen, der Rang eines Ratsniitgliedes nicht auf seinem jeweiligen Amt, sondern auf seinem Amtsalter im Rat beruht habe, weshalb denn auch in Verzeichnissen des ganzen Ratskollegiums von den Baumeistern und Richtern zwar die meisten, aber durchaus nicht alle un- mittelbar hinter den Prokonsuln ständen. Die Beweiskraft dieser Tatsachen will mir nicht enileuchten: die Anord- nung des Wintzerschen Verzeichnisses kann doch nur darauf beruhen, dafs insofern eine Stufenleiter wirklich vorhanden war, als der Ratmann erst Richter, dann Bau- meister wurde, nicht auch das Umgekehrte vorkommen konnte, und dem entspricht es, dals nach Rachel (S. 19, 18) der Richter bei seiner Abwesenheit auch durch einen Baumeister (als ehemaligen Richter) vertreten werden konnte und sein im übrigen lebenslänglich verwaltetes Amt niederlegte, wenn er zum Baumeister erwählt wurde; wenn aber, abgesehen von Konsulenten oder anderen Graduierten, denen zweifelsohne ein Vorrang vor dem ältesten Baumeister zukommt, eine oder mehrere Personen zwischen ihm und dem Büigermeister stehen, so scheint mir das durch die Annahme erklärt werden zu können, dafs es möglich war, hohen Alters wegen auf die Fort- führung- des Baumeister- oder Richteramts zu verzichten, ohne deshalb aus dem Rat austreten und den der Anits- dauer entsprechenden Rang aufgeben zu müssen. Leider ist das bisher veröffentlichte Material für die Untersuchung dieser Fragen auiserordentlich dürftig. Dennoch lälst der Vergleich der Nachrichten über die 1469—1471 vor- genommene Ämterverteilung und der Ausgaben für die Be- soldung der Ratsmitglieder im Rechnungsjahr 1470 1471 (Wustmann 11, Nr. 1, 2) mit den aus diesen Jahren be- kannten Ratslisten (11, 8, Nr. 440, 451 und 457; 9, Nr. 281). so viel dabei auch dunkel bleibt, meiner Meinung nach das Vorhandensein einer Stufenleiter deutlich eikennen. Der Rat besteht damals aus 31 Persouen. von denen 1469 elf, 1470 zwölf und 1471 ebenfalls zwölf dem sitzenden ]{at angehören; je zwei sind 1470 und 1471 in ihn aus dem alten Rat übernommen. Durch die drei Räte werden

Neues Archiv f. S. O. u. A. XXIV. 3. 4. 21

322 ' K. Koppinauii:

ein Richter, ein Wagemeister und ein Schenk erwählt, durch den sitzenden Rat zwei Baumeister, zwei Bier- meister, ein Futtermeister und zwei Harnischmeister; die Stadtreclmung von 1470 1471 nennt außerdem noch zwei Scholsmcister. Der Schenk ist in allen drei Jahren derselbe, Peter Bantschmann, der zwölfte im sitzenden Rat von 1471. Harnischmeister sind 1469 der neunte, Nikolaus Wolf, und der elfte, Hans Feuchtwanger, 1470 der zehnte, Jakob Tommel, 1471 der zehnte, gleichfalls Jakob Tommel, und der elfte, Lamprecht von Kronenbei g. Futtermeister ist 1469 der zehnte, Augustin Schultz, 1470 der neunte, der erste Harnischmeister des Vorjahrs Niko- laus Wolf, 1471 der achte, Nikolaus Biese. Biermeister sind 1469 der sechste, Ludwig Scheibe, und der achte, Johann König, 1470 der fünfte, Klaus Rennau, und der elfte, Fritz Pfister, 1471 der sechste, Bartholomäus Hommelshain, und der neunte, Nikolaus Berngershain. Scholsmei^ter sind 1471 Johann König, der zweite Bier- meister von 1469, und Fritz Pfister, der zweite Bier- meister von 1470. Wagemeister ist 1469 Klaus Rennau, der erste Bieimeister von 1470, 1470 und 1471 Ludwig Scheibe, der erste Biermeister von 1469. Richter ist 1469 Jakob Sommer, der vierte von 1470, 1470 Paul Kaiser, der fünfte von 1471, 1471 Polykarp Storni, der siebente von 1470. Erster Baumeister ist 1469 der zweite, Tile Herwig, 1470 der zweite, Heinrich Stange, 1471 der fünfte, der Richter von 1470 Paul Kaiser; zweiter Bau- meister ist 1469 der vierte, Hans Bantschmann, 1470 der achte, der von 1469 übernommene Benedikt Moller, 1471 der siebente, Konrad Stoufmehl. Zwischen dem Bürger- meister und dem ältesten Baumeister stehen 1471 drei Personen, die kein besonderes Amt bekleiden: Heinrich Forster, seit 1432 (II, 9, Nr. 205) und Andreas Wander- gern, seit 1444 im Rat (8, Nr. 224j. haben den Vorrang vor Paul Kaiser, der demselben seit 1450 angehört (8, Nr. 265), kraft ihres höheren Amtsalters, Dr. Valentin Schmiedeberg, seit 1470 im Rat (Nr. 451), als Graduierter. An Gehalt wird gezahlt: dem Bürgermeister Hans Stockart 18 Schock 20 Gr., Heinrich Forster, „seinem eidist en ratsfiunde, umb seiner getrawen und vlissigen dinste willen, so er langczit bei der stat und dem rate getan hat, und zcu hilf seines wesens" 5 Schock, Andreas Wandergern „nach dem eldisten seinem ratsfrunde, onch zcu erstatunge seiner muhe und arbeit, so er in vor-

Zur A^erfassuiigsgeschichte von Leipzig. 323

gangen zciten von des ratz wegen gehabt und getrawen vleis bei der stat getan hat", 4 Schock, Dr. Valentin Schniiedeberg „zcu erstatungen seiner muhe und arbeit, so er dils jar ober bei des rats tun gehabt hat", 4 Schock; des weiteren erhalten die beiden Baumeister je 15 Schock, die beiden Biermeister je 10 Schock, der Futtermeister und die beiden Hainischmeister (wie es scheint) je 5 Schock, der Schenk 3 Schock und von den Nichtmitgliedern des sitzenden Hats der Richter 7 Schock, der Wageraeister 15 Schock und die beiden Scholsmeister (wie. es scheint) je 2 Schock. Nimmt man an, dafs die Ältesten ur- sprünglich nur aus dem Bürgermeister und dem Baumeister bestanden, mit der Zeit aber ihre Zahl sich durch das Eindringen von Graduierten, einesteils, und die Möglich- keit, ein sonst lebenslänglich geführtes Amt niederzulegen, andererseits, erweiterte, so begreift es sich, dals 1517 die Forderung des Landesherrn nach Teilnahme der beiden ruhenden Bürgeimeister und der Hälfte ihrer Ältesten Zweifel hervorrufen konnte, „welche belieben den burger- meistern vor die eldesten geacht werden sollen", und am 14. Februar der Beschlufs gefafst wurde, „das allewege derjhenige, der am obersten oder dem bürgeimeister am nehesten sitzt, und der eldeste pawmeister aufs einem rathe neben ihrem bnrgermeister sollen vor die eldesten geacht und gehalten werden" (Wustmann H. 158). Auf die weitere Entwicklung der Enge, die Eachel S. 215— 216 bespricht, kann ich bei der Natur des Quellenmaterials nicht eingehen.

2r

XIII.

Kleinere Mitteilungen.

1. Wilhelm Loose.

Von P. Markus,

Ein Mann, der in der vaterländischen Geschichts- sclireibung eine eigenartige und in ihrer Art vorbildliche Stellung eingenommen hat, ist am 29. April zur ewigen Ruhe eingegangen, nachdem ihn ein qualvolles Blasen- leiden schon vier Jahre lang grölstenteils von seinem Schulamt ferngehalten und ihn seit dem 15. Januar 1903 zum unwillkommenen Ruhestande verurteilt hatte. Es ist der Lokalhistoriker von Meifsen, Professor Dr. Karl AVilhelm Loose ').

Die äufseren Umrisse seines Lehens sind ziemlich einfach: Chemnitzer Kind (geb. 14 Oktober 1839), mit 15 Jahren Freiberger Gymnasiast, mit 21 Jahren Leipziger Student der Theologie, nacli der ersten theologischen Prüfung Hauslehrer bei Basel, nach der zweiten Instituts- lehrer erst in Blasewitz, dann (1868) an der Bühmeschen Realschule in Dresden, deren wissenschaftliche Leitung er bald übernahm, wurde er Michaelis 1874 an das Zittauer Gymnasium beiufen, Ostern 1876 an das Realgymnasium zu Döbeln versetzt, Ostern 1879 mit dem Direktorat der Meifsner Realschule betraut, die er beinahe 23 Jahre verwaltet und zu schöner Blüte gebracht hat.

1) Eine vortreffliche , zuverlässige und liel evoll eingehende Biographie des Verewigten, auf welche hier statt aller Quellen- angaben verwiesen sei, bringen die Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meifsen (VI, 324—348) aus der Feder des Herrn Dr. Alfred Leicht.

Kleinere Mitteilungen. 325

Aber dieses einfache Leben sclilols in seinen Anfängen einen Reichtum fruchtbaier historischer Anregungen und in seinem Fortgang eine Fülle verdienstlicher historischer Arbeit ein. Im Hause seines Vaters, eines geachteten und sich zu ansehnlichem Wohlstande em])prschwingenden Schmiedemeisters, fand er altzünltige Überlieferungen, auch farbenreiche Erinnerungen aus der Franzosenzeit; vor dem Hause das buntbewegte Treiben der Akzise; in Freiberg uralten Bergmannsbrauch und uralte Bauwerke, wie insbesondere das Gymnasium selbst; in Leipzig das aufgehende Gestirn des jungen Treitschke, der als Privat- dozent mit Loose bei einer und derselben Wirtin wohnte; in der Schweiz ein Staatswesen mit tief in die Vorzeit hineinreichenden Wurzeln und durch keinerlei gewaltsamen Bruch in ihrer Kontinuität gestörten Traditionen. Jn dieser ausgezeichneten Schule historischen Empfindens und historischer Anschauung herangereift, liels er seit den Dresdner Jahren sichtlich auch unter dem Eindruck der grofsen Ereignisse von 1866 und 1870 die Theologie allmählich ganz zurücktreten gegen die Germanistik und deutsche Altertumsforschung.

Seine ersten Studien schöpften aus Nürnberger Quellen und betrafen die Geschichte der alten Reichsstadt, deren romantischer Zauber (erhöht durch die enge Freundschaft, die er mit dem gleichgesinnten, kenntnisreichen Stadt- archivar, früheren Studiendirektor Lochner daselbst ge- schlossen hatte) ihn lange nicht wieder losgelassen hat: wohl ein Dutzend Jahre hintereinander hat er die Sommer- ferien dort zugebracht, bis dann das schöne Meifsen ihm zur bleibenden Heimat wurde.

Wo er auch weilte, immer war es ihm ein Bedürfnis, sich nicht nur lokal und gesellschaftlich, sondern auch historisch auszukennen. Die Meifsner Geschichte mit ihren zahlreichen Ausblicken auf die allgemeine Landes- geschichte, bedeutend genug, um den wissenschaftlichen Forscher zu befriedigen, knapp genug umschrieben, um ganz von ihm beherrscht zu werden, erfüllte ihn bald völlig, sie wurde seine eigentliche Lebensaufgabe; und keiner seit dem trefflichen IJrsinus hat auf allen und gerade den schwierigsten Gebieten derselben so erfolg- reich gewirkt wie er.

Und eben die Art, wie er dies tat, möchte ich als vorbildlich bezeichnen. Es gehört ein eigenes Organ dazu, um, wie er, die Vergangenheit gleichsam körperlich zu

326 Kleinere Mitteiluugen.

scliauen, mit iliien Denkmälern in ein persünliclies Ver- liältnis zu treten, mit ihnen zu verkehren wie mit alten Bekannten und vertrauten Gegenständen im Vaterhaus. Dabei hat er jedoch iiber dem Lokalen nie das Allgemeine vergessen, die Ortsgeschichte stets in ihrem Znsanmien- liang mit den grofsen historischen Lebensgemeinschaften und Lebensprozessen empfunden, das Bild der Gesamt- entwickelung aber immer durch kräftige Lokalfarben und charakteristische Einzelheiten individuell zu beleben gesucht. Wird diese Kunst mit dem warmen Gemüts- anteil und der wissenschaftlichen Sorgfalt Looses geübt: ich AYÜIste nicht, welche menschlich schönere und auch fluchtbarere Betätigung geschichtlichen Sinnes es geben könnte.

Mit selbstloser Hingabe, mit rastloser Ausdauer, mit unendlichen Oi)fern an Mühe, Zeit und Geld hat Loose zunächst die unerläfslichen Pionierarbeiten verrichtet, unter denen die volle vier Jahre erfordernde Sichtung und Neuordnung des Meilsner Ratsarchivs obenan steht. Daraus ergab sich nun eine ununteibrochene Folge von Publikationen zur Meifsner Geschichte, die fast sämtlich in den von Loose herausgegebenen und bis zum G. Bande geführten Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meifsen erschienen. Ein der Leichtschen Biographie angehängtes Verzeichnis weist bei einer Gesamtzilfer von 82 nicht weniger als 57 Nummern auf, die sich auf die Geschichte Meifsens oder seiner Umgebung beziehen: eine Fundgrube bisher unbekannten Quellenmaterials, darunter die mühseligsten Einzelforschungen, die er grund- sätzlich am liebsten sich selbst vorbehielt.

Aber Looses Tätigkeit wäre nicht erschöpfend ge- würdigt, wenn man sie nur nach ihrer privaten und literarischen Seite hin betrachten wollte. Das zeigte sich schon bei seiner ersten Leistung für jNIeilsner Alter- tumskunde: in jener fast vollständigen Sammlung der Hunderte alter Stiche, Schnitte und Diucke, welche die äufsere Gestalt Altmeilsens wiederspiegeln, und in dem werktätigen Interesse, das er gleich damals (im ersten Jahre seiner Meifsner Tätigkeit) bei den städtischen Behörden für die Sache erweckte. Alle Reste der Vorzeit fesselten ihn gieichmäfsig, und er hielt es für seine Aufgabe und besafs die Kunst, auch andere für seine Studien zu begeistern, auch dem schlichtesten Bürger das Gefühl dafür zu schärfen, dafs er auf histori-

.Kleinere Mitteilungen. 327

schem Boden wandle, und dal's dieser Vorzug Pflichten auferlege. Mit eindringlicher Beredsamkeit (wie sie ihm auch bei Schulfeierlichkeiten zur Verfügung stand) und grüfster Zähigkeit verfolgte er sein Ziel. Diese Gabe der Propaganda feierte ihren ersten Triumph bei der Gründung des Meifsner Geschichtsvereins: während Theodor Flathe einen solchen überhaupt nicht für lebens- fähig gehalten, machte sich Loose anheischig, in be- stimmter Frist 300 Mitglieder zusammenzubringen, was ihm auch binnen wenigen Monaten gelang. Dieselbe werbende Kraft bewährte sich aufs neue bei der Heraus- gabe jedes Jahresheftes der Mitteilungen, wofür es nicht immer leicht war, die nötigen Mitarbeiter zu finden, ge- legentlich geeignete Themen vorzuschlagen und wohl auch die Bearbeitung zu beraten; ferner bei der Erneuerung der Kreuzgänge der Franziskanerkirche (1892) und dann (1901) dieser Kirche selbst und ihrer Einrichtung als 8tadtmuseum; endlich bei der Gründung des Dombau- vereins (1896), auf die er bereits seit 1882 hingearbeitet hatte. Es wird wenige Männer geben, die für die För- derung des heimatgeschiclitlichen Sinnes so erfolgreich gewirkt haben wie Loose.

Zu bedauern ist es, dafs ihm nicht noch die ersehnten Jahre ungestörter Mufse vergönnt waren, um die geplante zusammenfassende Geschichte von Meifsen zu schreiben, die gewifs ein Meisterwerk geworden wäre. Entschädigen mufs dafür das von ihm hinterlassene Erbe geschichtlichen Interesses und Verständnisses, sowie der Antrieb zu ferneren Studien, der anfser in seinen wertvollen Vor- arbeiten gerade auch in den dankbaren Aufgaben liegt, die er den Fortsetzern seines Werkes übrig gelassen hat.

2. Einige Bemerkungeu zu dem sogenanuten Schenkscheii Atlas.

Von Hans Besch'orner.

>

Jeder, der sich eingehender mit sächsischer Geschichte beschäftigt hat, weifs den Wert des sogenannten Schenk- schen Atlasses zu würdigen, d. h. desjenigen Kartenwerkes, das als Prachtatlas (Atlas August eus) füri^ugust denStarken >on dem ehemaligen Pastor in Skassa, nachmaligen säch- sischen Hofgeographen Adam Friedrich Zürn er mit grolsem

328 Kleinere Mitteilungen.

Fleilse gezeichnet, jedoch erst nach dessen Tode in be- schränktem Umfange von Peter Schenk in Amsterdam gestochen wurde. Wenige aber von denen, die diesen sogenannten Schenk benutzten, werden dai'auf aufmerksam geworden sein, dafs die einzelnen Exemplare des weit verbreiteten Atlasses sowohl in der Anzahl als auch in der Anordnung der Karten meist wesentlich voneinander abweichen, so dafs das Zitieren nach den Nummern der einzelnen Blätter unzulässig ist und sich statt dessen stets die umständliche Bezeichnimg nach ihrem, w^enn auch abgekürzten Titel notwendig macht, z. B. Schenk, Karte der Ämter Wittenberg u. Gräfenhaynichen, Schenk, Karte des Amtes Weilsenfels, etc. Noch weniger hat man sich allerdings gefragt, worauf diese Verschiedenheit be- ruhe und ob sie sich nicht vielleicht im Interesse der Wissenschaft beseitigen lasse.

Soviel sich durch Prüfung einer grofsen Anzahl Schenkscher Atlanten feststellen liels, wurde der Atlas, wenn man von dem im Jahre 1811 bei Sülpke in Amster- dam vorgenommenen Neudrucke') absieht, fünfmal auf- gelegt. Die erste Ausgabe kündigte sich an als:

Atlas Saxouicus novus,

darinnen niclit allein

die Länder des Kurfürsteuthuras Sachsen uiich ihren Kreisen,

I. Der Knrkreis V. Erzgebürgische

II. Meissnische VI. Voigtländische

III. Leipziger und

IV. Thüringische VII. Neustädtische,

nebst dessen incorporirten Ländern

I. Dem Marggrafthume III. Der Gefürsteten Graf-

Ober- und Schaft Henneberg

IL Niederlausitz IV. Grafschaft Mannsfeld,

sondern auch

die Fürstenthümer und Herrschaften des Fürstlichen Hauses Sachsen,

nebst allen daran grenzenden Ländern, enthalten; welche alle mit

der grössten Sorgfalt und Fleisse übersehen und von Fehlern

gesäubert worden. •»

Amsterdam und Leipzig b&y Peter Schenk 1752.

1) Atlas von ganz Sachsen, dessen Kreise, der Ober- und Nieder- lausitz etc. Neue Ausgabe. 56 Karten mit französischem und deut- schem Text.

Kleinere Mitteilungen. 329

An Stelle des Sternchens befindet sich eine schöne, von J.Wandelaai'1733 gezeichnete und gestochene Vignette, die Chronos darstellt, wie er der Wahrheit den Schleier abzieht, und als Unterschrift die Worte „Omnia tempore nota" trägt. Schon im folgenden Jahre erschien eine neue Ausgabe mit dem verändei'ten Titel:

Neuer Sächsischer Atlas

enthaltend

die sieben Kreise

des

Kuhrfürstenthums Sachsen

als

I. den Kuhrkreis

II. Meisnischen

III. Leipziger

IV. Thüringischen V. Erzgebtirgischen

VI. Voigtläudischeu und VII. Neustädtifrchen,

ingleichen I. die Marggrafschaft Ober- und Niederlausitz, II. die gefürstete Grafschaft Heuneberg,

nebst allen angrenzenden Landen

und

den Fürstenthümern und Herrschaften des

Fürstlichen Hauses Sachsen.

Mit Königl. Pohlu. und Churfürstl. Sachs.

allergnädigsten Privilegio

Amsterdam und Leipzig

bey Peter Schenk 1753.

An Stelle der schönen Chronosvignette ist ein kleiner Stich getreten, der verschiedene Meßinstrumente in malerischer Anordnung zeigt.

Ganz dasselbe Titelblatt trägt die Ausgabe von 1757, nur sind als Verleger Peter Schenk und Sohn genannt.

Auch das Titelbatt der vierten Auflage von 1760 weicht wenig von den beiden vorigen ab. Es ist blols hinter der Angabe der Verlagsorte und Verleger die Be- merkung „und in den Messen zu Leipzig, auf der Peter- strasse im Homannischen Hofe zu bekommen. 1760" hinzu- gefügt und aufserdem statt des kleinen ein ziemlich grolser, aber recht plumper Kupferstich gewählt. iVuf einem Tische stehen und liegen alle möglichen geodätischen Instrumente. Den Tisch umgibt eine Blätter- und Fruchtranke, die sich nach aufsen in Ornamentwerk verliert.

330 Kleinere Mitteilungeu.

Mit einem ganz neuen Titelblatte wurde dagegen die Ausgabe vom Jahre 1775 versehen, wohl die letzte, wenn wir von dem bereits oben erwähnten Neudrucke des Jahres 1811 absehen. An Stelle der deutschen ist wieder die lateinische Bezeichnung Atlas Saxonicus novus getreten. Die folgenden Worte „enthaltend" bis „des fürstlichen Hauses Sachsen" stimmen zwar bis auf kleine ortho- graphische Abweichungen mit dem AVortlaute überein, sind aber in anderen Typen gesetzt. Als Verzierung ist wieder eine andere, dreieckige Vignette genommen, ein doppeltes Füllhorn mit Blumen und einem darüber fliegenden Vogel. Endlich sind auch zwischen der Angabe „Amsterdam und Leipzig Bey Peter Schencken-) und Sohn" und der Jahreszahl 1775 die Worte „und in den Messen ... zu bekommen" wieder weggelassen.

Weichen auch die Titelblätter der einzelnen Aus- gaben ziemlich stark voneinander ab, so blieb doch, wenn man fremde Bestandteile abrechnet, der Kartenbestand von der ersten bis zur letzten Ausgabe derselbe, wie genaue Vergleichungen ergaben-^). Welche Karten aber zu dem eigentlichen Schenk gehörten, lernen wir aus den gedruckten Inhaltsverzeichnissen kennen, die sich hin und wieder in den Exemplaren finden und zweierlei Gestalt zeigen. Dasjenige „Register", das nach Form und Inhalt das ältere zu sein scheint^), hat halbe Kartengrölse und umfalst 63 Nummern, nämlich:

1. Das Tittelblatt.

2. Inhalt oder Register. 3—43. Kursächsische Charten.

44—51. Charten von angränzenden Ländern.

52 63. Prospecte. Weil aber die Mitnumerierung des Titels und des Registers keinen Sinn hatte, liefs Schenk ein neues „Verzeichnifs der Landcharten und Prospecte des Neuen

") Hier einmal mit ck geschrieben. Da man aber sonst den Namen meist nur mit k findet, ist es wohl richtig, der Form Schenk den Vorzug zu geben.

ä) So findet sich z. B. in allen, auch den letzten Ausgaben nur ein Plan des Lagers bei Leipzig 1745, während berühmte Campements aus späterer Zeit einfach unberücksichtigt geblieben sind.

'^) Ob dieses gleich der ersten oder erst späteren Ausgaben beigegeben wurde, läfst sich nicht sagen; denn daraus, dafs ich ge- druckte Verzeichnisse nur in Ausgaben von 1760 und 1775 gefunden habe, möchte ich noch nicht den Schlufs ziehen, dafs die gedruckten Register erst den letzten Ausgaben hiuzugeiügt wurden.

Kleinere Mitteilungen. 331

Sächsischen Atlafs" in kleinerem Formate drucken. Dieses ist für uns von grofsem Werte. Zusammen mit dem erst- genannten Register lälist es keinen Zweifel darüber, dafs ein vollständiger Schenk aus 49 Karten einschlielslich dem Wegweiser" bestand. Dazu gehörten eigentlich noch 24 Ansichten (Prospekte), doch fehlen diese heute meistens. Auch welche Karten in den Schenkschen Atlas gehören, welche nicht, läfet uns das Verzeichnis deutlich erkennen. Die verschiedenen Homannschen, Seuterschen und sonstigen Karten, die man häufig eingebunden und auch mitgezählt -findet, haben natürlich nichts darin zu suchen. Aber auch ■einige von Zürner selbst für einen besonderen Zweck ge- zeichnete Karten haben nichts mit dem Schenkschen Atlas zu tun. So gehört z. B. nur die „Accurate geographische Delineation des Creis-Ammtes Leipzig", nicht aber der „Geographische Entwurff des Amtes Leipzig" hinein.

Endlich lehrt uns das Verzeichnis auch, wie eigent- lich die Reihenfolge der Karten und die Zählweise der -aus mehreren Teilen bestehenden Blätter (Erzgebürgischer, Meissner Kreis, Ober- und Niederlausitz) vom Heraus- geber gedacht waren. Wegen dieser in mehrfacher Hin- vsicht grolsen Wichtigkeit möge hier das „Verzeichniis der Landchaiten und Prospecte des Neuen Sächsischen Atlafs, welcher mit Kön. Poln. und Churf. Sachs, allergn. Privilegio bey Peter Schenken Pet. Sohn in Amsterdam und in Leipzig und in Drefsden zu bekommen ist", in Abdruck folgen, namentlich auch deshalb, weil es sich in den wenigsten Exemplaren findet. Es lautet:

Das Tittelblatt.

1. Neue Charte des Churfürstenthums Sachsen und sämrat- licher iucorporirter Laude.

2. Die Aemter Wittenberg, Gräfenhaynchen und Seyda.

3. Das Amt Gommern mit Elbenau und die Grafschaft Barby Chursächsischen Antheils.

4. Das Amt Beltzig.

5. Die Aemter Annaburg, Pretzsch, Schweinitz, Torgau und Mühlberg.

6. Das Amt Bitterfeld und die zum Leipz. Kreysse gehörigen Aemter Delitzsch und Zörbig.

7. Die Aemter Liebenwerda und Schlieben.

8. Die vier Aemter M eis sen, nemlich das Kreys-, Procuratur- Schul- und Stifts-Amt, das Stift und Amt Würzen, das Amt O schätz und das Erzgebürgische Amt No ssen. Zwey Blatt.

9. Das Amt Grossenhayn mit Zabeltitz.

10. Die Aemter Dresden und Moritzburg.

11. Die^Aemter Stolpen und Radeberg mit Lausitz.

12. Das' Amt Senftenberg.

332 Kleinere Mitteilungen.

13. Das Kreyssamt Leipzig.

14. Läger der Königl. Poln. und Churf. Sachs. Armee bey Leipzig 1745.

15. Die Aemter Würzen, Eilenburg und Düben.

16. Die Aemter Grimma und Mutzschen.

17. Die Aemter Colditz, Leisnig, Döbeln, Rochlitz, Schnl- amt Grimma und Mügeln mit Sornzig.

18. Das Amt Borna.

19. Charte vom Erzgebürgischen Kreise im Churfürstenthum Sachsen.

20. Die Aemter Pirna, Hohenstein und Lohmen sammt den Erzgebürgischen Aemtern Dippoldiswalda und Grüllenburg mit Tharandt.

21. Die Reichsgräfl. Schönburgischen Herrschaften und Aemter Glaucha, Waidenburg, Lichtenstein, Hartenstein^ Stein, Wechselburg, Penig, Rochsburg und Remissau.

22. Die Aemter Augustusburg, Chemnitz, Frankenberg mit Sachsenburg und Stollberg.

23. Die Aemter Frey berg, Frauenstein, Altenberg undLauter- stein.

24. Die Aemter Schwarzenberg, Wolkenstein, Rauenstein, Grünhayn mit Schletta und Wiesenburg.

25. Das Stift Merseburg mit allen seinen Aemtern Merseburg, Lauchstädt, Schkeuditz und Lützen.

26. Das Stift Naumburg und Zeitz. Das zum Leipziger Kreisse gehörige Amt Pegau und die Aemter des Thüringischen Kreisses, Schulpforta, Tautenburg und Weissenfeis.

27. Der Voigtläudische Kreyfs mit allen darzu gehörigen Aemtern Plauen, Pausa, Voigtsberg sammt der Reichsherrschaft A s c h a.

28. Der Xeustädtische Kreyss mit allen darzu gehörigen Aemtern,. Arnshaug, Weida mit Mildenfurth und Ziegenrück.

29. Die Laudgrafschaft Thüringen. 80. Das Amt Weissenfeis.

31. Das Amt Freyburg.

32. Das Amt Eckartsberga.

33. Das Amt Langensalza, die Gahnerbschaft Trefurth und Voigten Dorla; sammt der Reichsstadt Mühlhausen Gebiete.

34. Die Aemter Sachseuburg und Weisensee.

35. Die zum Fürstenthume Querfurth gehörigen Aemter Jüter- bock und Dahma.

36. Die Grafschaft Mannsfeld, das Amt Sangerhausen, die Aemter des Fürstenthums Querfurth, Querfurth und Sit- tichenbach lind das Weimarische Amt Allstädt.

37. Die Grafschaft Stollberg und dahin gehörigen Aemter Hohnsteiu, Stollberg, Hayn, Berenroda, Ebersburg, Wolfsberg, Uftrungen, Rosla und Questenberg.

38. Das Marggrafthum Überlausitz mit den Budissiner, Görlitzer, Queis- und Eigenischen Kreysseu und darinu befindlichen Herrschaften Muscka, Hoyerswerda, Königs- brück, Rothenburg und Jahmen. 4 Blatt.

39. Das Marggrafthum Niederlausitz mit den Luckau-, Guben-, Kalau-, Krumspree-, Lübben- und Sprembergi- schen Kreyssen imd denen darinn befindlichen Herrschaften Neuenzeil, Dobrilugk, Friedland, Forsta, Pforten, Sorau, Triebel, Leiten, Sonnewalda, Drehna,''Strau_'

Kleinere Mitteilungen. 333

pitz, Lieberosa, Lübbenau, Am titz samt den Brandenburg.

Antheile. 4 Blatt. ■40. Die in der Grafschaft Henneberg gelegenen Chursächsischen

Aemter Schleusiugen, Sula, Kühndorf und Bennshausen. 4L Wegweiser durch das Churfürstenthum Sachsen und sämtl. in-

coiporirte Lande.

Charten Ton angrnnzenden Ländern.

42. Die zum Fürstenthume Altenburg gehörigen Sachsen- Gothai- schen Aemter Altenburg und Ronneburg.

43. Das Fürstenthum Anhalt.

44. Das Fürstenthum Halberstadt, die Abtey Quedlinburg und Grafschaft Wernigeroda.

45. Das Herzogthum Magdeburg und Halle.

46. Die Hochgräfl. Reussischen Herrschalten Lobenstein und Ebersdorf nebst der Pflege Hirschberg.

47. Des Königreichs Böhmen Egerischer Kreyfs.

48. ,, ,, Ellenbogener Kreyss und die Ge- gend und Stad.

48. Kayser- Carlsbad.

49. Die Herrschaft Töplitz im Leitmeritzer Kreysse des König- reichs Böhmen.

Prospecte.

Gesicht des Königl und Churfürstl. Schlosses Augustusburg. Prospect der Hauptstadt Meissen.

Vier Prospecte von Leipzig nach allen vier Gegenden 1 auf 11 Blatt Prospect des Schlosses Pleissenburg zu Leipzig ^ ä 1 Tbl. und

Fünfzehn Prospecte der vornehmsten Häuser zu Leipzig j 6 gr.

NB. Der gewöhnliche Preiss der Charten ist ä Stück 4 gr., bey denen welche höher zu stehen kommen, ist der Preiss dabey befindlich.

Man sieht u. a. also: Der „Wegweiser" gehört nicht, "wie man das oft finden kann, vornhin, sondern an den 8chluls der den Kurstaat behandehiden Karten (Nr. 41). Die Doppelblätter des Meifsnischen und Gebürgischen Kreises, ebenso die vierfachen Blätter Oberlausitz und Niederlausitz rechnen nur als je eine Karte, dürfen also keine fortlaufenden Nummern erhalten. Auch die Numeiie- rung 8a, 8b, 19a, 19b etc. ist nicht im Sinne des alten Verzeichnisses. Dennoch wäre es vielleicht praktisch, diese meist angewendete Methode beizubehalten, da sich im Hinblick auf möglichste Schonung der Blätter ein Zusammenkleben der einzelnen Stücke zu einer Karte, wie man das öfters sieht, nicht em.pfiehlt. Nur müfste man sich dann auf eine bestimmte Reihenfolge einigen und das westliche Blatt stets mit a, das östliche mit b, bei den vierfach geteilten Karten aber das obere west- liche Blatt mit a, das obere östliche mit b, das untere westliche mit c und das untere östliche mit d benennen. Aulser den besprochenen werden aber noch andere Zweifel,

334 Kleinere Mitteilungen.

die sich in den verschiedenen Schenks geltend machen^ durch das Inhaltsverzeichnis beseitigt. Möchten deshalb in Zukunft alle Bibliotheken, Archive, Museen und sonstigen Besitzer Schenkscher Atlanten dieses zur Richtschnur nehmen und die Karten ihrer Exemplare unter Berück- sichtigung etwa fehlender Blätter und unter Ausscheidung aller fremder Bestandteile danach durchnumerieren lassen. Dann wird man sich des grolsen Vorteils bedienen können, die einzelnen Karten einfach nach Nummern, nicht nach ihrem umständlichen Titel zu zitieren.

Von den Prospekten, die wegen ihrer Seltenheit, wertvoll sind und sich beispielsweise in dem Exemplare Histor. Sax. A 14b (Forma maxima) der Königl. Öffent- lichen Bibliothek zu Dresden vollzählig finden, ist der erste ein von Pöppelmann gezeichneter und von Peter Schenk iunior, sculptor Amstelaedensis, stammender Kupfer- stich der Augustusburg, der zweite ein wohl ebenfalls von Peter Schenk dem Jüngeren'^) gestochener „Prospect von der (Orig. des) uhralten und berühmten Hauptstadt Meifsen sammt dem vortrefflichen Hertzoglichen Schlosse Albrechts- Burg". Während diese beiden Blätter grolse Dimensionen (56 ^^2 43^/2 nnd 58 : 44^.2 cm) aufweisen, sind die folgenden vier sehr malerisch aufgefalsten und fein durchgeführten Ansichten von Leipzig, „Wie solches auff der Strasse vor dem Haellischen, Grimmischen, Ranstaeter, Peters-Thor sich praesentiret", nur 24^0 : 19^ o cm grols und zu zweit allemal auf einem Blatt untergebracht. Sie tragen alle vier den Vermerk ,,P. Schenk exe. cum privileg, Eegis Polon. et Elect. Sax. et Ord. Holl. et Westfr. Amste- laedami 1705" «).

Auf diese „Vier Prospecte von Leipzig" folgt „Das Schlots oder Castell zu Leipzig, die Pleissenburgk genant,, wie solchez gegen westen anzusehen" (Arx Lipsiensis dicta Pleissenburgum versus Occidentem), ebenfalls von Pet. Schenk zu Amsterdam mit Piivileg gestochen (25\o : 20 cm),. und auf derselben Seite eine von S. Blättner gezeichnete und von P. Schenk 1704 gestochene Abbildung des Hauses von Franz Conrad Romanus mit der Unterschrift „Accurata delineatio aedium pulcerrimarum atque spectatissimarun» viri Nobilissimi atque Excellentissimi D. Francisci Conrad! Romani, Icti celeberrimi, Comitis Palatini etc. etc., Con-

^) RecLts unten steht mu' Pet. Scbenck exe. Amstel. cum privil. ^) Auf dem vierten Blatt steht in der rechten Ecke ganz klein 1704.

Kleinere Mitteilungen. 335

siilis clarissimi Reip. Lipsiensis, quam illustrissimo eins Nomini officiose inscribit Petrus Schenk Sereniss. ac potentiss. Poloniae E,egis atque Elector. Saxon. sculptor Ordinarius Amstelaedami cum privilegio 1704".

Den Beschlufs machen die „Prospecte der vornehmsten Häuser zu Leipzig", nicht 15, wie das alte liegister an- gibt, sondern 16 an Zahl, je zwei auf acht Blättern. Sie sind durchnumeriert. Nr. 1 stellt das Rathaus von Leipzig dar, „By Petrus Schenk in de Warmoes Straat op t' hoekje von de Vissteeg in N. Visschers Atlas tot Amsterdam", Nr. 2 die Börse, Nr. 3 6 bürgerliche Woh- nungen, und zwar x4.pels, Fabers, Homans, Jäggers, Orteis, Homans, Dr. Schachers und Romanus' Haus, Linckens Apotheke, die Feuerkugel, Heidenreichs, des Bürger- meisters Langen, Schellhafers und Küstners Haus. Die Familie Homann ist also mit zwei Häusern vertreten. Dagegen handelt es sich bei der Abbildung des Hauses von Romanus um ein und dasselbe Gebäude, das nur von verschiedenen Standorten aus gesehen ist. Die Stiche bilden einen wertvollen Beitrag zur Leipziger Baugeschichte des 18. Jahrhunderts.

3. Die Akten der Generaldirektion der Königlichen Samnilnngen im Königlicli Sächsischen Hauptstaats- archiv.

Von W. von Seidlitz.

Zu Ende des Jahres 1902 wurden die alten Akten der Generaldirektion, d. h. die im wesentlichen von der Neuordnung der Sammlungen durch König August IT. im Jahre 1722 bis zum Bezüge des Semperschen Galerie- gebäudes im Jahre 1855 reichenden, aus dem Archiv der Generaldirektion dem Hauptstaatsarchiv zur Aufbewahrung übergeben. Da ihr mannigfacher und interessanter Inhalt (nur die wichtigsten Sammlungs-Inventare wurden zurück- behalten und den einzelnen Sammlungen überwiesen) fortan bequem zu benutzen sein wird, so empfiehlt es sich, hier einen kurzen Überblick über diese Akten zu geben.

Den Hauptbestandteil bildet das im Jahre 1829 ge- ordnete und dann weitergeführte Archiv. Es zerfällt in 19 Kapitel folgenden Inhalts:

I. Die Galerien und Kunstsammlungen überhaupt, sowie deren Sicherstellung. 24 Nummern. Darunter den

336 Kleinere Mitteilungen.

Ankauf der Brülilsclien Sammlung betr. (Nr. 5); Kauf der Kupferplatten etc. von Heinecken (6, 7); Walthersches Legat 1813 fgg. (8); Engelsche Sammlung 1816 (9); Transport nach dem Königstein 1813 (11).

II. Das Grüne Gewölbe. 38 Nummern. Die 1758 nach Holland gesandten goldenen und silbernen Geschirre (4, 5); Verpfändung von Juwelen in Amsterdam 1764 (7, 18—20); Transport nach Görlitz 1806 (17).

III. Königliche ütfentliche Bibliothek. 91 Nummern. Den französischen Bildhauer David betr. (86).

IV. Galerie der antiken und modernen Statuen. 9 Nummern.

V. Galerie derMengsischen Gipsabgüsse. 5 Nummern. Die 1803 in Rom erkauften und nacligehends in Gibraltar verloren gegangenen Gipsabgüsse 1816 (4).

VI. Münzkabinet. 15 Nummern.

VIC. Gemäldegalerie. 29 Nummern. Transport nach dem Königstein 1760 1763 (5); Abgabe von Gemälden an Heinecken u. a.(7); Schildereien in Warschau 1739 1765 (9); Etat des tableaux de Mgr. le Duc d'Orleans (20); Beraubung der Bildergalerie durch Wogaz 1788 (22); Palmaroli 1823 ] 827 (25); Ankauf der Modeneser Galerie 1745—1747 (27); Briefe von Algarotti (27).

VIII. Kupferstichkabinet. 20 Nummern.

IX. Naturalien- und Mineralienkabinet. 28Nummern. Nachrichten den Tempel Salomonis betr. 1732 (19).

X. Kunstkammer, Physikalischer und Mathematischer Salon. 21 Nummern.

XL Modellkammer. 10 Nummern. Verauktionierung alter unbrauchbarer JModelle 1826 und 1829 (8).

XII. Das Japanische Palais und die daselbst befind- liche Porcelain-Sammlung 8 Nummern.

XIII. Rüstkammer. 10 Nummern.

XIV. fällt aus.

XV. Allgemeine Gegenstände. 36 Nummern. Auf- stand 1849 (38).

XVI a und b. Kassensachen und Rechnungswesen. 92 Nummern...

XVI c. Ältere Oberkämmerei- Rechnung, von 1661 bis 1697. 34 Nummern.

XVII. Gewehrgalerie. 21 Nummern.

XVIII fällt aus.

Daran schliefst sich ein im Jahre 1871 zusammen- gestellter Nachtrag zu einzelnen der vorstehenden Kapitel.

Kleinere MitteiUmgeu. 337

la. Die Galerien und Kunstsammlungen überhaujit. 11 Nummern. Darin: Summarischer Extrakt aller Me- talliquen und diversen Antiquitäten von Steinhäuser 172 . . (6); V^erzeichnis der aus mehreren Königlichen Gallerien zur Auktion bestimmten Gegenstände 1832 (11).

II a. Das Grüne Gewölbe. 4 Nummern.

Illa. Königliche Öffentliche Bibliothek. 4 Nummern.

III b fällt aus.

IV a. Galerie der antiken. .und modernen Statuen. 1 Nummer: Beschreibung des Ägyptischen Museums in Turin von G. Seyffarth 1827—1836.

V a. Galerie der Mengsischen Gipsabgüsse. 1 Nummer: Denkschrift Quandts 1824-1839.

VI a. Münzkabinet. 1 Nummer.

VII b. Gemäldegalerie. 42 Nummern. J. A. Riedels Nachrichten zur Geschichte der Galerie 1744—1760, Abschrift (la.); Korrespondenzen über Erwerbungen unter König August II I. (31 fgg.).

Villa. Kupferstichkabinet. 2 Nummern.

IX a. Naturalien- und Mineralienkabinet. 2 Nummern.

X a. Kunstkammer. 38 Nummern. Verzeichnis der- jenigen unansehnlichen und unbrauchbaren Gegenstände der Kunstkammer, welche zu verkaufen sein möchten, und Auktionsverzeichnisse 1833 (52).

Xb. Mathemat.-physikalischei- Salon. 2 Nummern.

XI a. Modellkammer. 3 Nummein.

XIII a. Rüstkammer. 5 Nummern.

XVII a. Gewehrgalerie. 1 Nummer

AVJIIa fällt aus.

XIX. Verschiedene die Königlichen Sammlungen nicht betreifende Angelegenheiten. 9 Nummern. Verein für Kunst und Wissenschaft 1816(1); Gründung eines deutschen Kunstvereins in Rom 1843 (2); Vortrag des Dr. Klerain die Errichtung einer Akademie der Wissenschaften in Dresden betr. 1846 (3); Holbein- Ausstellung 1871 (4—9).

Die dritte und letzte Abteilung bilden die 1831 ge- ordneten zum Oberkammerherrn -Departement gehörigen Akten, soweit sie nicht bereits 1835 an die Oberhof- marschallamts-Expedition abgegeben worden sind. Sie enthalten die folgenden Kapitel:

I. Oberkammerherrn -Charge. IL Reskripte und Resolutiones. III. Vorträge und Anzeigen. IV. Ober- kämmerei-Expedition. VII. Korrespondenz. VIII. Mis- €ellanea.

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 3. 4. 22

338 Kleinere Mitteilungen.

Dazu kommen naclistehende zum Oberkammerherrn- Departement gehörige, nicht einzehi verzeichnete Akten:

I. Personalia. II. Ceremonialia und Feste. III. Expedition und Correspondenz. IV. Mobiliar, Garderobe, Bausachen. V. Theater und Capelle (Carne- val) VI.Miscellanea. VII.Repertorien. VIII Druck- sachen. — IX. Porzellan-Manufactur.

Man sieht also, hier ist ein reiches Material nieder- gelegt, das hoffentlich zu recht zahlreichen Veröffent- lichungen in diesem Archiv, in den Dresdner Geschichts- blättern und anderswo führen wird.

4. Zur Kiographie des Johannes Cochläus.

Von Otto Giemen.

„Anfangs Juli, spätestens anfangs August 1535" siedelte Cochläus von Dresden als Kanonikus nach Meißen über. Herzog Georg hatte ihn in Gnaden aus seinen Diensten entlassen und ihm bei der Verabschiedung auf die Seele gebunden, bis zu dem von Paul III. in Aus- sicht gestellten Konzile keine Streitschriften gegen die Lutheraner zu erlassen. Und wirklich zog sich Cochläus jetzt für anderthalb Jahre vom Kampfplatze zurück und widmete sich wissenschaftlichen Studien ^). Ganz in den Anfang seines Meilsener Aufenthalts fällt eine Veröffentlichung, die sein letzter Biograph, Martin Spahn-), übersehen hat:

OPVSCV- / LA SIMONIS FAGELLI / Villatici Bohemi, Canonici / Pragensis, & c. / De Coena domini, Concion. III. / Hymnorum , Liber unus. / Epigrammatum, Libri III. / Epitaphiorum, Liber unus. / Distichorum, Liber unus. / LIPSIAE, / M. D. XXXVI. / Titelbordüre. 144 ff. 8". 144b weils. 143a unten: Lipsiae excudebat Michael/ Blum, Mense August. / 1535. / Zwickauer ßatsschulbiblio- theklL VII. 49,.

Der Verfasser dieser Predigten und Gedichte weilte 1511 in Bologna als Präzeptor des Heinrich von Rosenberg,

1) M. Spahn, Johannes Cochläus (Berlin 189R) S. 251 f.

-) Entgangen ist Sp. auch die Korrespondenz zwischen C. und Johann liivius (C. an R., Meifsen, 24. Juli 1536; ß. an C, 5. August 1536): Mitteilungen des Vereins f. Geschichte der Stadt Meifsen I. S (1886), 48—56 (Vgl. schon Fei. G efs, Histor.Zeitschr. LXXXIl, 504).

Kleinere Mitteilungen. 339

späteren Statthalters von Böhmen (f 1526), erscheint seit 1521 als canonicus ecclesiae 8. Viti in arce Pragensi, hat aber auch noch andei'e Pfründen und AVürden innegehabt, war ein unruhiger Geist und händelsüclitig und staib 1549 bei einem 8tur'ze von der Sraubbrücke im Prager Schlosse'). Als Cochläus zu Ostern 1534 mit seinem Herzog in Prag war, beherbergte ihn Fagellus^). Seitdem waren die beiden INIänner miteinander befreundet. Das wulste Johann Hasenberg •'^), als er unterm S.Juni 1535 des Fagellus' Manuskripte an Cochläus schickte mit der Bitte, dieselben durchzulesen, zu emendieren und danach zum Druck zu befördern der Autor selbst sei zu bescheiden dazu. Mit der von dem allzeit dienstwilligen Cochläus be- sorgten Ausgabe, die im August 1535 bei Michael Blum in Leipzig erschien, war Fagellus übrigens sehr wenig zufrieden*'); er veranstaltete deshalb eine vielfach ver- änderte und vermehrte Neuausgabe, die 1538 in der neuerrichteten Oftizin des Nikolaus Wolrab in Leipzig gedruckt wurde:

(Blättchen) OPVSCVLA / SIMONIS FAGELLI VILLATICI / Bohemi ... LIPSIAE, / In officina NICOLAI WOLRAB / M. D. XXXVIU. / 148 tf. 4«. 148 weils. 147b Mitte: LIPSIAE / M. D. XXXVIIL / Zw. R. S. B. XVIL XII. 2,,.

^') Crustav C. Knod, Deutsche Studenten in Bologna (1289 bis 1562) (Berlin 1899) Nr. 3990.

■*) Opuscula A 3b (S.F. V. an C, Prag-, 3. Juni 1535): ,,cuni dorai meae te habeiem hospitem optatissimum". Spahn S. 231. 254.

■^) Es ist der berüchtigte Pornooraph, der Luthers Ehe be- schimpfte. Vgl. meine Beiträge zur Keforraationsgeschichte III (Berlin 1903), 98. Fagellus hat ihm mehrere Cxedichte gewidmet (2. Aussf. Niija, TiijlJ, Za, Ggij'J), aus denen sich ergiebt, dals Hasen- berg damals Uekan der Stephanskirche in Leitmeritz war. Zu denken gibt, dals er zuin Erzieher der Kinder König Ferdinands bestellt wurde. Vgl. die Überschrift eines Gedichts auf ihn: De reverendo et magfnitico Domino Johanne Hasenbergio, Praeposito Litomeracensi, Canoiiico V'ratislauien. Praeceptore Reginae Elizabethae: Regis Maximiliani: et archiducum Ferdinandi, Catharinae viduae etc. Et Caroli. liberorum Ferdinandi Regis Rom. Auf fol. B 2a von: Scholae et eins officii generalis descriptio per Nicrdaum Mameranum Lucem- burgensera. Augnstae Rheticae Philippus Vlhardus excudebat . . . 8°. Nach dem Epitaphium C 3b starb Hasenberg am 22. Februar 1551 in Aucsliurg. Über Nie. Mam. vgl. Foppens, Bibliotheca Belgica (Bruxellis 1739) II, 914.

_'■') Vorwort der 2. Ausg. (Aija): „Etenim per eins [Cochlaei] a Lipsia absentiam et Typographi negligentiam multa perperam excussa sunt, quaedam etiani opera nescio cuius niutata et expuncta quaedam".

22*

340 Kleinere Mitteilungen.

5. Eine Büste des Otto v. Dieskau.

Eine Berichtigung'. Von V. Dieskau.

Im 16., die Amtshauptmannschaft Leipzig betreffen- den Hefte der „Beschreibenden Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, her- ausgegeben vom Kgl. Sachs, Altertumsyereine zu Dresden" befindet sich als Tafel III zwischen den Seiten 24 und 25 eine Abbildung mit der Unterschrift: ,.Büste des Grafen Ernst Christoph von Manteuffel". Die Bemerkung hierzu S 25: „wohl zweifellos den Grafen Ernst Christoph v.Man- teutfel darstellend" deutet schon darauf hin, dafs der Ver- fasser nicht frei von Zweifeln gewesen sei und dafs es sich nur um eine Mutmafsung handle. Letztere ist indes irrig; sie entbehrt jedes Griuides und bedarf der Berichtigung.

Die in Marmor kunstvoll gearbeitete Büste befindet sich in der Kirche zu Gautzsch; sie stellt einen mit einem faltenreichen Gewände bekleideten Mann in reiferen Jahren dar. Ihr gegenüber ist neben der herrschaftlichen Lauer- schen Kapelle an der inneren Kirchenwand ein gleichfalls aus Marmor kinistvoll hergestelltes Relief befestigt, das ebenfalls einen Mann in reiferen Jahren, und zwar zweifel- los den genannten Grafen v. Manteuffel darstellt.

Beide Abbildungen stimmen in einem Punkte über- ehi: die beiden Kopie sind mit Allongenperücken bedeckt. Eine weitere Ähnlichkeit besteht dagegen nicht, wie der Augenschein lehrt. Die Abbildungen müssen deshalb auf verschiedene Personen bezogen werden. Letzteres wird noch weiter durch folgendes dargetan.

In Leipzig befinden sich zwei getreue Bildnisse des Grafen v. Manteuffel, das eine, eine Marmorbüste, der Grölse und Form sowie der Allongenperücke nach der in Gautzsch ähnelnd, im nörd.lichen SeitenschiÖe der Pauliner- kirche, das andere, ein Ölgemälde, in der Universitäts- bibliotliek. Eine prüfende Vergleichung dieser Darstellungen mit der Büste in Gautzsch, bei der schon die oberwähnte Abbildung auf Tafel III benutzt werden kann und genügt, stellt nun in unzweifelhafter Weise klar, dals die Gautz- sclier Büste sich auf eine ganz andere Person bezieht. ])ie Gesichtsbiklung zeigt sich dabei in allen Punkten als völlig verschieden. Dies tiitt, um nur eines zu erwähnen, sehr scharf hervor bei dem Kinn. Denn bei den Abbil- dungen des Grafen ist dieses völlig rund und glatt, während

Kleinere Mitteilungen. 341

es auf der Büste in Gaiitzsch gespalten, gleichsam mit einem längeren Grübchen versehen, eischeint. Hierzu kommt, dals der Unterschied auch in beachtlichen Aulser- lichkeiten zu erkennen ist. Denn auf allen drei Abbil- dungen des Grafen sind dessen Ordensdekorationen, und zwar sowohl auf der stahlbepanzerten Brust des Reliefs in Gautzsch und der Büste in der Paulinerkirche, als auch auf und bei dem Hausgewande, mit dem der Graf im er- wähnten Ölgemälde bekleidet ist, in überaus hervortreten- der Weise dargestellt. Diese Gleichmälsigkeit der Be- handlung deutet daraufhin, dafs bei den Abbildungen des Grafen der Wiedergabe der Ordensdekorationen stets Be- deutung und ein gröfseres Gewicht beigelegt worden ist. Derartige Auszeichnungen sind dagegen auf der Büste in Gautzsch gar nicht angedeutet, obwohl die dargestellte Person das Gesellschaftskleid vornehmer Herren trägt.

Wird schon hiernach die Annahme der Identität voll- ständig widerlegt, so mag doch zum Überflusse noch darauf hingewiesen werden, wie es an sich nicht wahr- scheinlich ist, dafs auf verhältnismäisig kleinem Baume zwei wertvolle plastische Darstellungen eines und des- selben Objektes zur dauernden Erinnerung an die näm- liche Persönlichkeit aufgestellt worden seien, und dals ferner Graf .Manteuffel, der Besitzer von Lauer, nicht auch von Gautzsch war, im Bilde nur neben der Lauerschen Herrschaftsstube seinen Platz angewiesen erhalten konnte, während er auf die gegenüberliegende Seite, neben die Herrschaftsstube von Gautzsch, nicht gehörte. An dieser letzteren Stelle aber, zuerst rechts, dann links, jetzt wieder rechts, hat die Gautzscher Büste seit ihrer Aufstellung gestanden.

Es fragt sich nun hiernach w'eiter: wem hat denn die Büste in Gautzsch gegolten? Dies beantwortet eine in meinen Händen befindliche, aus sachkundigster, in genealogischen Dingen sehr gut unterrichteter Feder ge- flossene, immerhin ältere handschriftliche „Beschreibung der in der Kirche zu Gautzsch bei Leipzig noch vor- handenen Denkmale" mit direkten, jeden Zweifel aus- schlielsenden Worten dahin, dals es die Büste des Kammer- herrn Otto V. Dieskau sei, auf den sich die a. a. O. S. 23 beschriebene, von Anfang an und jetzt wieder darüber befindliche Marmortafel, deren Inhalt jedoch daselbst nicht vollständig und treu wiedergegeben ist, bezieht, in der in der Ahnenreihe mütterlicherseits der mit: „?" bezeichnete

342 Kleinere Mitteilungen.

freie Raum durch den Namen: von Veitheim auszufüllen ist. Dieser Otto v. Dieskau war, wie sich auch aus dem Inhalte dieser Tafel und dem Kirchenbuche in Gautzsch ergibt, der kurfiirstl. Sachs. Kammerherr, Vize-Oberhof- raeister und Kreissteuereinnehmer im Leipziger Kreise V. Dieskau auf Kautschitz (Gautzsch) und Gruna, der am 17. Juli 1683 zu Dresden „bei gehaltenem Ausschulstage" gestorben war und dessen sterbliche Hülle auf dem kur- fürstlichen Leichenwagen nach Gautzsch gebracht und hier am 24. desselben Monats in der Kirche vor dem Altar begraben worden ist.

Zu dem nämlichen Resultate führt noch weiter die Erwägung, dals die Sache sich nicht anders verhalten kann. Denn mit dem Grafen v. Manteuifel hat die Büste, wie gezeigt, nichts zu tun. Eine andere Person, auf die sie bezogen werden könnte, aulser dem bezeichneten Otto V. Dieskau, kommt gar nicht in Betracht. Dagegen haben des letzteren Gemahlin und Kinder, die sich auf der er- wähnten Tafel selbst als: Conjux et Liberi Moestissimi bezeichnen, das Andenken des Verstorbenen durch die gedachte Tafel, zu der noch das zweite, gleichfalls höchst kunstvolle, dem nämlichen Otto v. Dieskau gewidmete Denkmal auf der gegenüberliegenden Seite der Kirche hinzukommt, in reichster Weise geehrt. AVas liegt näher als die Annahme, dafs sie als weiteres Zeichen ihrer Pietät imd Liebe gleichfalls in kostbarster Weise das marmorne Bild des Heimgegangeneu der darüber befind- lichen Marmortafel zur Ergänzimg und bleibenden Er- innerung beigefügt haben?

Ich schliefse diese Darlegung mit der Bitte an die ge- ehrten Leser, welche im Besitze des im Eingange gedachten Heftes sind, die nötige Berichtigung darin vorzunehmen.

Dr. Paul Haake, von der Kgl. Sächsischen Kommission für Geschichte mit der Herausgabe der eigenhändigen Entwürfe und Briefe Kurfürst Friedrich Augusts I. von Sachsen (König Augusts II. von Polen) beauftragt, bittet diejenigen Leser, welchen eigenhändige im Privatbesitz oder in Archiven befindliche Aufzeichnungen Augusts des Starken bekannt sind, ihm den Fundort gütigst anzugeben und mitzuteilen, ob ihrer Aufnahme in die Publikation nichts im Wege steht. Aktenstücke, welche nur seine Unterschrift tragen, deren Text aber von anderer Hand herrührt, werden nicht berücksichtigt. (Adresse: Beilin SW. 47, Bellealliancestrafse 65, I.)

Literatur.

Codex (llploraaticus Saxoniae regiae. Im Auftrage der Kg\. Sachs. Staatsregierung herausgegeben von Otto Posse und Hubert Ermisch. Zweiter Hauptteil. XVni. Band. (A. u. d.T.: Die Matrikel der Universität Leipzig. III. Bd. Register. Herausgegeben von (Tieorg Erler.) Leipzig, Giesecke & Devrient. 1902. XV, 1001 SS. 4^

Bei einer Matrikelpublikation mit ihren Tausenden und Aber- tausenden von Namen läuft die Registerarbeit nicht bloft darauf hinaus, einen knappen Namensauszug des Weikes zu liefern, sondern sie wird fast zur Wiedergabe des ganzen Inhalts selbst, sie bietet eine alphabetisch gegliederte Umschreibung des gesamten Textes in zasammengedrängter Form. Das Hauptkriterium eines guten Re- gisters ist die Brauchbarkeit und, soweit das menschenmöglich ist, die Vollständigkeit: luan mufs jedeu Namen finden können, sei es sofort direkt oder durch Verweise. Bei einem Matrikelregister kommt es besonders darauf an, dafs 1. jeder Personenname als solcher vorkommt, denn die Matrikel dient in erster Hinsicht den personal- oder familiengeschichtlichen Forschungen; es gilt, einen bestimmten Mann oder die Träger eines gemeinsamen Namens zu ermitteln gleichviel ob sie alle zu derselben Familie gehören oder nicht. Die Scheidung aller der Personen namens Scultetus oder Schulz, Molitor, Molner, Moller, Mulner, Müller usw., die ganze Seiten füllen, wäre selbst bei zehnjährigem Studium ebenso vergeblich, als wenn jemand in den Adrefsbüchern von Berlin, Dresden und Leipzig die ver- schiedenen Familien der Müller und Schulze scheiden wollte. Die zweite Hauptbenutzungsweise geht vom orts- oder landesgeschicht- licheu Standpunkt aus: sie will wissen, wer aus den einzelnen Orten zu einer gewissen Zeit oder überhaupt sich den akademischen Studien gewidmet hat, wie sich die Menge der Studierenden verschiedener Städte oder Landesteile oder verschiedener Orden u. dergl. zu ein- ander verhält, um daraus Schlüsse auf den Bildungsstand im all- gemeinen, die Ausbildung einzelner Stände u. a m. zu ziehen. Hier- für ist es nötig, unter lokalen Rubriken alle als daher gebürtig oder sonst dahin gehörig bezeichneten Personen zusammenzustellen. Allen diesen Anforderungen hat sich Erler im umfassendsten Mafse bemüht gerecht zu werden.

Er hat ein einziges grofses Register angelegt. Von der in neuerer Zeit vielfach angewandten Zusammenlegung gewisser Buch- staben hat er nur bei den mit I, J oder Y anfangenden Namen Ge- brauch gemacht, die als eine einheitliche Lautgruppe bearbeitet sind, sowie bei C und K, indem sämtliche C zu K gestellt sind; dagegen

344 Literatur.

sind B und P, D und T, F und V getrennt behandelt und nur in den Überschriften mit generellen Verweisen auf die entsprechende Media oder Tennis versehen. jSicht unbedenklich erscheint hiervon die Zuweisung aller C zu K. Wohl ist ohne weiteres zuzugeben, dafs vielleicht neun Zehntel der C tatsächlich in der Aussprache als K sich darstellen und deshalb unbedenklich dem K einverleibt werden können. Bei einer ziemlichen Zahl von Namen aber entspricht das C einem Z, und diese hat Erler zwar unter K mit aufijtnommen, doch zugleich auf Z verwiesen, so bei Cervest s. Zerbst, Ciciensis s. Zeitz, Cimerman s. Zimmermann, Cygelstreicher s. Ziegelstreicher usw. Wieder andere aber sind echte (J, besonders in lateinischen Worten, so bei Caelestiuus, Cerdo, Cingulator und auch bei einigen Namen, bei denen das C ständig üblich war und ist, wie Cilli; auch diese stehen unter K, obwohl es doch sicherlich niemals einem Mann des 15. oder IH. Jahrhunderts eingefallen ist, Kingulator zu sprechen, mögen auch die alten Kömer selbst Kikero gesagt haben! Mindestens diese Namen waren unter 0 zu stellen.

Entschieden lehnt Erler den Versuch ab, für die Namen die landläutige Form oder die Form, zu der der Name sich allmählich entwickelt hat, zu geben, eine Beschränkung, die völlig zu billigen ist. Bei Ortsnamen ist die Durchführung dieses Prinzips dadurch, etwas erleichtert, dafs die überwiegende Menge von ihnen noch be- steht, die als Stichwort zu wählende Namensform damit also (von wenigen Schwankungen abgesehen) feststeht; selbst bei den Wüstungen hat meist der Name sein iJasein als Flurname weitergefiihrt und die sprachlichen Wandlungen, denen auch die Eigennamen unterworfen sind, mitgemacht; anders bei Personennameu^ Wie viele Namen be- gegnen uns da nur ein oder einige Male, ohne dafs wir in der Lage sind, die Namensentwicklung in späteren Generationen zu verfolgen. Selbst wo es möglich ist, wie bei angesehenen Familien, verursacht es oft umständliche Nachforschungen, die sich wohl für ein oiler auch mehrere Dutzende von Namen anstellen lassen, nicht aber für Hunderte und Tausende. Bei dieser Unmöglichkeit der Detailprüfung und der Ermittelung der eigentlichen Namensformen hat Erler mit einiger Gewaltsamkeit sich unter den verschiedenen Lesarten seiner Matrikelhaudschriften für eine entscheiden müssen. Der Bedenken und Mängel, die daraus entstehen können, dafs vielleicht gerade die eine Variante, die korrekter ist, vor der ungenaueren oder falschen hat zurücktreten müssen (eine Erscheinung, auf die Referent in seiner früheren Besprechung an dieser Stelle XVIII, 174 hinwies), ist Erler selbst sich wohl bewufst, doch angesichts der absoluten Unmöglichkeit eines anderen Verfahrens mufste er eine Entscheidung treffen. Jeder Provinzial- oder Lokalforscher, der die seinem Ge- biete oder seiner Stadt angehörigen Familien genauer kennen wird, wird die Verstöfse meist mit geringer Mühe berichtigen können. Es wird nun deren Aufgabe sein, für ihr Gebiet aus den jMatrikelu ihre Landsleute, ihre Stadtkinder usw. auszuziehen und zu jedem das Sonst noch vorhandene Material zusammenzustellen, wie das z. B. Knothe für die Oberlausitz, Pfotenhauer für die Schlesier in Bologna, und in umfassendster Weise für die Bologneser deutsche Matrikel Knod getan haben.

Dafs da und dort trotz der Tausende von Verweisen noch Ein- weise hätten gegeben werden können, liegt auf der Hand (z. B. Imperterritus ohne Verweis auf die deutsche Form ünverczhayt. In lapidea domo ohne Verweis auf Steinhaus, Steinhausen, Steinhäuser,

Literatur. 345

Lapicüla ohne Verweis auf Steinmecz, Kandelg-isser ohne Verweis auf Cautrifusor u. derg-l.); es wird ja schwer sein, da eine Grrenze zu ziehen. Die Arbeit, die in diesem III. Bande geleistet ist, ist und bleibt höchst anerkennenswert und hervorragend nützlich; jetzt erst ist das Rieseninaterial für die Geschichte der Geisteskultur be- sonders Mitteldeutschlands und, bei der früheren grofsen Bedeutung Leipzigs, in weiterem Mafse sogar ganz Deutschlands in leicht über- sehbarer Form geordnet und den verscliiedenen Interessenten bequem zugänglich gemacht. Die drei Bände sind zugleich ein literarisches Denkmal für den Herausgeber, dem der volle Dank aller Benutzer gebührt und dem für sein weiteres, Ausdauer forderndes und ent- sagungsvolles Unternehmen (die Publikation der Matrikel bis 1809) bestes Gelingen beschieden sein möge.

Dresden. W. Lippert.

Studien zu Tliüringisclien Geschiclitsquellen. IV VI. Von Oswald Holder -Egger: Neues Archiv für ältere deutsche Ge- schiclitskimde Bd. XXI (1896). S. 443-546, 687—735. Bd. XXV (1900). S. 84—127.

Aus Handscliriftou des Erfurter St. Petersklosters. Von Oswald Holder- Egger: ebenda Bd. XXII (1897). S. 503— 541.

Mouunioiita Erphesfurtensia saec. XII. XIII. XIV. Edidit Oswaldus Holder- Egger. (Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum ex Monumentis Germaniae historicis separatim editi.) Hannover, Leipzig, Hahn. 1899. VIII, 919 8S. 8».

Wir haben einer lange versäumten Pflicht zu genügen, nachdem wir im 17. Baude dieser Zeitschrift (S. 201 ff.) über die drei ersten Abteilungen von Holder -Eggers Studien berichteten. Hatten jene sich in erster Linie mit der Reinhardsbrunner Chronik zu beschäf- tigen, so steht in den drei letzten Abteilungen die Erfurter Historio- graphie im Mittelpunkte der Erörterung, am meisten die grofse Chronik des Erfurter Benediktinerklosters St. Peter, die Cronica S. Petri Erphordensis moderna, so schon im 14. Jalirhundert genannt im Gegensatz zu den Annalen Lamperts von Hersield mit Erfurter Fortsetzung (1078—1181), welche in denselben Handschriften der Chronik voranstanden. Studien IV und V gehören enger zu- sammen, insofern hier H.-E. nacheinander die Komposition der Chronik und die Entstehung der bei der ersten Anlage der Chronik zu Anfang des 13. Jahrhunderts bentifzten älteren Anna- listik untersucht. Studie VI bringt Nachträge und Ergänzungen. Ich gebe im folgenden den Gang der Forschung in seinen wesent- lichen Zügen wieder, wie ich das früher getan habe. Allerdings bin ich diesmal nur selten in der Lage, von eigenen früheren Forschungen aus zu den Ergebnissen Holder -Eggers Stellung zu nehmen. Doch mag, wenn es mir gelinet, obwohl die Schwierigkeit einer lichtvollen Darstellung in knapper Form diesnial viel gröl'ser ist. Weg und Ziel hinreichend anzudeuten, auch dieser Überblick nicht unnütz erscheinen. Einige andere Ausführungen werde ich in den Göttinger gelehrten Anzeigen geben.

Die uns in der Göttinger Handschrift (16. Jahrliundert) vor- liegende Gestalt der Cronica S. Petri Erphordensis moilerna bis 1355 gehört genau genommen erst dem 15. Jahrhundert an; ein Satz zum Jahre 1344 kann erst nach 1410 geschrieben sein. Das Gleiche gilt

346 Literatur.

vou der Gestalt der Schwesterhandschriften, welche Schedel und der Verfasser des Erphordianus Variloqnus benutzten. Aber diese Gestalt ist aller Wahrscheinlichkeit nach bis auf ganz geriuge Zusätze doch er- heblich älter. Schon vor 1349 wurde die Chronik vou dem Kompilator der Chron. Reinhardsbr. benutzt, sie reichte allerdings damals gewifs nur bis zum Jahre 1337 (1338) Welche Hilfsmittel boten sich nun sonst, um den zeitlichen Abschlufs der Chronik festzustellen V

Indem H.- E. die Cronica einerseits mit dem in der wertvollen Dresdner Handschrift K 3lö enthaltenen Auszuge derselben, andrer- seits mit der Thüringischen Fortsetzung der sächsischen Weltchronik auf die Annalen vou 1336 1353 vergleicht, stellt er fest, dafs alle drei Quellen eine uns verlorene Fortsetzung der Cronica von 1336 1353 ausgeschrieben haben, dals ihre reiche und genaue Erzählung am vollständigsten in der Dresdner Handschrift erhalten ist, aber aus den beiden anderen Ableitungen ergänzt werden kann (Contin. II). Der Text der Dresdner Handschrift geht auf eine ältere in Eisenach mehrfach benutzte Fassung zurück, welche für die Zeit von den Anfängen bis 1335 die Cronica je später je reicher exzerpierte uud nun die Foitsetzirng mit wenigen Kürzungen wiedergegeben hat. H.-B. bezeichuet die Fassung der Dresdner Handschrift mit E. Aus der auch in Erfurt, aber wohl nicht im Peterskloster geschriebenen Chronik E schöpfte auch eine Erfurter Handschrift des 17. Jahr- hunderts (M), welche E. Schmidt bei ungenügender Kenntnis der Dresdner Handschrift zu der irrigen Hypothese einer Erfurter Rats- chronik Veranlassung gab. Eine in den verschiedenen Ableitungen verschieden lautende Nachricht über den grofsen Sturm des Jahres 1335 dient zur Verstärkung des Ergebnisses, dafs die älteste uns be- kannte Form der Cronica bis 1335 gereicht hat. Sie ist dann von 1336—1353 reichhaltig fortgesetzt worden. In dem Texte der Göttinger Handschrift ist neben dieser Fortsetzung (II) für die Dar- stellung der letzten beiden Jahrzehnte 1335-1355 (Contin. 1 und III) noch anderes Material verwendet worden. Die Chronik bis 1335 hatte schnell eine Fortsetzung bis 1338 erhalten, vielleicht zum Zwecke der Mitteilung nach ßeinhardsbrunn. Die Tatsache, dafs für die Reiuhardsbrunner Chronik die Cron. mod. mit dieser Fortsetzung bis 1338 (Contin. I, die der anderen Fortsetzung jener drei Ableitungen bis 1353 (II) ganz fremd ist) ausgeschrieben wurde, ist Beweis der Weiterführung bis 1338. Und auch Konrad von Halberstadt benutzte für seine uns bekannte AVeltchronik eine Form der Cronica, die bis 1338 reichte, also mit Contin. I, wenn wir nicht etwa annehmen wollen, dals ihm alle^, was auf jene zurückgeht, durch Vermittelung der Reinhardsbrunner Chronik zugegangen ist. In wenige Worte zusammengefafst (vgl. IV S. 470) stellt sich die Sache so dar: der Verfasser von Contin. III bis 1355 (in der Göttiuger Handschrift) hat Contin. I bis 1338 (vgl. Reinhardsbr. Chronik) ganz aufgenommen, er hat Contin. II bis 1353 (am besten erhalten in der Dresdner Hand- schrift K. 316) stark benutzt und mit anderem, vielleicht eigenem, annalistischen Material verknüpft. Dabei wäre noch zu bemerken, dafs Contin. I anf das Jahr 1334 zurückgreift unter Benützung eines unmittelbar gleichzeitigen Avignoneser Berichtes über den Tod Johanns XXII. und die ersten Tage Benedikts XII. Dafs die dritte Fortsetzung (bis 1355) erst spät, um 1410, aus gleichzeit-gen Auf- zeichnungen und den beiden anderen Fortsetzungen kompiliert worden sei, kann wegen der schon oben erwähnten Notiz zum Jahre 1344 behauptet werden, wahrscheinlicher aber liegt da, wie zum Jahre 1373,

Literatur. 347

«ine spätere Interpolation vor. Die dritte Fortsetzimg ist unzweifel- liaft von einem Mönche des Petersberge^ verfafst; bezüglich der ersten und zweiten stellt H.-E. zunächst fest, dafs sie ebenfalls von Erfurtern gfeschrieben seien und macht weiterhin wahrscheinlich, dals der uns überlieferten Contin. II wie der Contin. III eine reichere Fassung zu Grunde liegt, die in den bis 1335 reichenden Origiualkodex der Cron. S. Petri eiiigetratren worden war. Sie ist dann natürlich auch von einem Mönche des Petersberges geschrieben worden. Diese nicht erhaltene reichere Fassung der Fortsetzung 1335—1353 (Contin. II) hat auch für ilie Cronica Thuringi)rum des Eisenacher Dominikaners und für die Thüringische Fortsetzung der sächsischen Weltchronik vorgelegen. Der Petersberger Mönch, welcher den Originalkodex mit der Fortsetzung bis 1353 (Contin. II) für seine bis 1355 reichende Kezension benutzte, niufs daneben eine zweite Handschrift der Cron. S. Petri benutzt haben, in weicher die erste Fortsetzung bis 1338 stand, man darf annehmen dieselbe Handschrift, welche in Reiubards- bruan ausgeschrieben worlen war. Die dargelegten Erörterungen bieten fast durchgängig Neues auf Grand scharfsinniger Kombination und Ausnatzuug der vorher beinah gar nicht herangezogenen Dresdner Hiudschrift.

Höchst dankenswert ist der weiterbin mittelst umfassender Vergleichung der direkten und indirekten Ableitungen der Cronica gelieferte Beweis, dafs die lange gehegte Annahme von dem einstigen Vorhandensein einer reicheren Form dieser Chronik als der uns in der Göttinger Handschrift erhaltenen für den Stamm der Chronik (bis 1335) nicht zutrifft, vielmehr vollständig irrig ist. Willkürliche mechanische Behandlung des Materials hatte za jener Behauptung geführt, und dann war die eben besprochene Tatsache, dafs die Fortsetzung von 1336 1353 allerdings in einer reicheren Fassung existiert haben mufs, der Befestigung des Irrtums zu Hilfe gekommen. H.- E. zerstört ihn, indem er die Zwischenglieder zwischen der Cronica und deu späteren Ableitungen aufsucht. Er stellt fest, dafs der Verfasser des Erphord. A'ariloquus neben der voll- ständigen Cronica bis 1355 zwei Cronicae Erfordenses des Dietrich Engellius (nun gedruckt Mon. Erph. S. 788 ff.) nach der Dresdner Handschrift J 47 benutzte. Die eine Eng. I A Annalen von 108t) bis 1351 ist ein kurzes mittelbares Exzerpt aus der Chronik E (s. oben) 1036—1353, die andere. Eng. IB Annaleu von 438 bis 1213 beruht auf einer Erfurter Notizensammlung, welche von einem Domherrn des Erfurter Marienstifts angelegt und mit, gleichfalls von Engelhus benutzten, Annalen von St. Marien in derselben Hand- schrift vereinigt war. Zur Kontrolle der Chronik E gegen die An- iiahme einer verlorenen gröfseren Cronica als Quelle irgenilwelcher Überschüsse gegenüber der Göttinger Handschrift kann gelegentlich die Reiuhardsbruuner Chronik und die thüringische Fortsetzung dienen, in anderen Fällen ergeben sich andere Erklärungen für das vorhan- dene Mehr. Einmal (Mon. Erph. S. 377 N. 6) konnte wirklich der Text der Cronica um zwei Sätze von zusammen acht Worten aus dem Variloquus bereichert werden, da der Schreiber der Göttinger Hand- schrift durch Wiederkehr desselben Wortes abgeirrt war. Wenig bedeutende Annalen des Erfurter Marienstiftes haben in irgend einer Ableitung wie für Eng. I B auch für die Cronica Reinhardsbruun. und vielleicht fiir die späte Mainzer Kompilation, die unter dem Namen Annales Wormat. bi'eves bekannt ist, vorgelegen. Andere Stellen und Bestandteile, die fiir eine gröisere Peterschronik iu

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Anspruch genommen wurden, sind als anderswoher stammend zu erweisen.

Gänzlich im Schal teureich verschwindet das aiigehlich ver- lorene grölsere „Chrou. Sampetrinum" mit dem Nachweis, dafs die üöttinger Handschrift selbst Spuren der allmählichen Entstehung der Chronik, Zeichen des Wachstums au den entscheidenden Stelleu aus ihrer Vorlage, der Petersberger Handschrift bis 1335, der Original- handschrift des Chronisten von 1209, übernommen hat. Notizen über Ordensgründungen, die heute der ganzen Chronik voranstehen (Mon. Erph. s. 150 fl.) sind zum Teil wörtlich abgeschrieben aus dem Texte der Chronik zum Jahre 1274. Der Einschnitt ist 1276 zu macheu, wie die Eiuschiebung einer Reihe undatierter Nachrichten über wider- natüi liehe und Miisgebuiten hinter den (ersten) Bericht über den Feldzug Rudolfs I. vom Jahre 1276 erweist. Entstanden ist aber die Chronik nicht, wie H.-E. 1894 annahm, erst damals, kurz nach 1276, sondern schon viel früher im Jahre 1209. Das er- giebt sich aus einer Einschaltung zum Jahre 1208 (Bericht über eia italienisches Erdbeben im Jahre 1279), auf welche schon unter dem Jahre 1187 verwiesen wird. Dieser Umstand bezeugt klar, dafs die Chronik ursprünglich nur bis zum Jahre 1208 gereicht hat, und damit stimmt trefflich, dafs mit dem Jahre 1209 die stattliche Entlehnung aus der Crunica Reinhardsbrunn, beginnt, welche für die Zeit vorher nicht benutzt worden ist, damit stimmt ferner, dafs die Ereignisse des Jahi-es 1208 von einem gleichzeitig lebenden Verfasser erzählt werden, und endlich dafs die Cronica minor für diesen ersten Teil der Chronik (1072-1208) nicht benutzt ist.

Erst durch diese Erörterungen H.-E"s. wird über die Entstehung der durch mehr als drei Jahrhunderte reichenden Chronik Klarheit an Stelle verworrener unklarer Vorstellungen gesetzt. Da nun die Chronik erst zu Anfang des 13. Jahrhunderts angelegt worden ist, war es tmrichtig, die bis dahin verlaufende Erzählung derselben in so und so viele Abschnitte zu zerlegen, wie frühere Forscher getan haben, vielmehr handelt es sich darum festzustellen, wie die Erfurter beziehungsweise Thüringer Annalen des 12. Jahrhunderts aussahen, welche dem Chronisten von 1209 vorlagen, wie sich das Material dieses Chronisten verhält zu den tms handschriftlich er- halteneu drei Reihen von Erfurter Annalen des 12. Jahrhunderts, welche Giesebrecht wenigstens zum Teil ganz mit Um echt, als ein Exzerpt aus der Cronica ansah, und zu anderen Annalen thüringischen Ursprungs, deren frühere Existenz gefolgert werden muls. Uns sind erhalten 1. Annales S. Petri Erphesfurtenses antiqiü bis 1163, eine Fortsetzung von Exzerpten aus Lamperts Annalen bis 1075, aus der Pommersfelder Handschrift gedruckt: Mon. Erphesf. S. 1 20, vgl. die Lichtdrucktafel mit Abbildung des gröfsten Teiles der Annaleu Mon. Germ. SS. 30, 1, 336, von 1126 ab von vielfach wechselnden Händen gleichzeitig geschrieben. 2. Annales S. Petri Erphesf. breves 1078 1154 reicbend, Fortsetzung der vollständigen Annalen Lamperts, bis 1153 gröfstenteils aus den vorgenannten Ann. S. Petri antiqui abgeschrieben, gedr. Mon. Erphesf. S. 48 ft'. 3. Annales S. Petri Erphesf niaiores 1078—1181 reichend, wie Nr. 2 Fortsetzung der vollständigen Annalen Lamperts, 1163 grofsenteils aus den- selben Ann. S. Petri antiqui abgeschrieben, gedr. Mon. Erph. S. 49 ff. Nr. 2 und 3 gehen zurück auf einen Kodex des Erfurter St. Peters- klosters von Lamperts Annalen mit Fortsetzung, die noch über 1163 hinausreichte. Dieselbe oder eine ganz ähnliche Handschrift be-

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iiutzte neben den Ann. S. Petri antiqui der Verfasser der Cronica l>is 1209.

Den Ann. S. Petri maiores und der Cronica lag aber nocb eine andere nicht erfurtiscbe Quelle vor, wertvolle Annalen der Jahre 1152 1181 (die Einheitlichkeit des Stils für die ganze Zeit wird nberzeug'eud erwiesen), welche von 1152 1175 uns fast nur in der Chronik, von 1177 1181 fast nur in den Annalen erhalten sind <fnr die vier Jahre von 1178—1181 liegt der Chronik eine anilere, Erfurter, Quelle zu gründe). Bei dieser (jestaltung der Annalen hat wahrscheinlich Rücksicht auf den luhalt der Chronik in den- selben Jahren eingewirkt; H.-E. hält es für sehr wohl denkbar, dafs die „Aunaleu" und die Chronik von demselben Petersberger Mönche komponiert worden sind. Die fremden wertvollen Annalen von 1152 1181, thüringischen Ursprungs, denkt sich H.-E. in Keinhardsbrunn entstanden wegen der entschieden land- gräflichen Gesinnung, die sich in ihnen ausspricht, und mit Rück- sicht auf originale Reinhardsbrunner Nachrichten derselben Jahrzehnte (bis 11H4), die in der Cron. Reinhardsbr. erhalten starke stilistische A'erwandtschaft mit der verlorenen Quelle zeigen (die Hauptmasse derselben ist vom Reinhardsbrunner Xompilator s. Z. aus den sonst benutzten Erfurter Ableitungen, den „Annalen" und der Chronik ent- nommen worden). Der Beweis des Reinhardsbrunner Ursprungs der verlorenen Quelle läf:^t sich nicht zwingend führen, aber das Ergebnis hat doch einen sehr hohen Grad von Wahrscheinlichkeit.

Auch nur AVahrscheiulichkeit kann H.-E. für die fernere These beanspruchen, dafs die wertvollen verlorenen Annalen der .lahre 1115 (oder wohl 1110) bis 1149, welche in der Cronica und den Annales Pegavienses ausgeschrieben sind, welche aufserdem für die Jahre 1125—1187 als Ekkehard-Fortsetzung des im Erfurter Peters- kloster geschriebenen Codes Gothanus erhalten blieben (früher Annales Eiphesf. Lothariani genannt, jetzt als Continuatio Chronic! Ekkehardi herausgegeben, Mon. Erph. S. 23 ff.), gleichfalls in Reinhardsbrunn entstanden seien. Gegen L. Cohns Annahme, dafs sie im Erfurter Peterskloster verfafst wurden, spricht entschieden die Tatsache, dafs dort gleichzeitig eine andere Annalenreihe ent- stand, die Ann. S Petri antiqui, für Reinhardsbrunn spricht die auf- fallend häufige Erwähnung der Mitglieder des Ludovingischen Fürstenhauses (wahrscheinlich einigemal mit besonderer Beziehung auf Reinhardshrunn), ferner mehrfache ungewöhnliche Überein- stimmung des Sprachgebrauches dieser Annaleu (bis 1149) mit den- jenigen der Annalen von 1152 1181, wobei anzunehmen wäre, dafs erstere den letzteren im selben Kloster als Vorbild gedient hätten.

Kurz können wir tms über den sechsten Abschnitt der Studien fassen. Ein erster Teil nimmt die Untersuchung der ersten Studie über die Eisenacher Dominikanerlegende wieder auf, nachdem M. Baltzer einige Einwendungen zu Gunsten der vormals von ihm behaupteten früheren Abfassung (um das Jahr 1320) gemacht hatte. Sie Averden als unbegründet erwiesen, die Gründungsgeschichte des Eisenacher Konvents aus inneren Gründen als Erzeugnis fabu- lierender Schriftstellerei dargestellt, darüber hinaus werden mit Hilfe urkundlichen Materials, das ich dem Verfasser zur Verfügung gestellt hatte, zahlreiche Angaben der Grüudungsgeschichte, wie der Legende überhaupt als „falsch oder im höchsten Malse bedenklich" erfunden, der Charakter der im Jahre 1398 geschriebenen Jenaer Handschrift ■als Originalkonzept wird aufs neue erhärtet und die Benutzung von

350 Literatur.

kurzen, wenio: bedeutenden älteren Aufzeiclinungen der Eisenader Dominikarer in der Cronica Tliutingor, derselben .Jenaer Handschrift, welche die Legende enthält, wider Baltzers Zweitel verteidigt.

Weiter stellt H.-E. in Ergänzung seiner Vorrede zur Ausgabe der Chroniken Sifrids von Ballhausen (Mon. (ierm SS. XXV) jetzt das Verhältnis dieses Kompilators zur Erfurter Cronica fest. Es ist kein unmittelbares. Vom Jahre 1191 ab tindet sich keine eiczige Stelle bei Sifiid, die sich auf die Cronica zurückführen lälst. So hat er weder das ursprünglich bis 1208 reichende Weik noch dessen Fortsetzung bis atf seine Zeit vor sich gehabt. Die Ver- wandtschaft mit Nachrichten von 1184 ab rückwärts aber beruht darauf, dais Sifrid einen dürftigen Auszug aus der Cronica, der im 13. Jahrhundert (zwischen 1209 und 1277) hergestellt war, benutzte, für die Folgezeit lag ihm eine kleine unbekannte Erfurter Universal- chronik vor, in der einiges aus den Annales Erphoidenses fratium Praedicatoruin (1220 12f)3j wie auch aus anderen Erfurter Annaleu (z. B. von St. Majien) ausgeschrieben war Endlich wird auch die Erfurter Quelle der Zusätze untersucht, welche dem Verfa-^ser der Cron. minor zu Erfurt für seine vierte Rezension (Hand- schrift C-) vorgelegen hat. H.-E. kommt zu dem Ergebnis, daf:5 hier, wie auch in der Cronica neben den Ann. Eiph. fr. Praed., deren von mir angenommene Ableitung aixs verlorenen St. Mai ien- Annaleu H.-E. einschränken möchte, oder neben deren Quelle andere kürzere Erfuiter Annalen benutzt sind, über deren Ursprung er nichts sagen kann. Zweifellos in St. Marien zu Erfurt entstanden ist eine um die Mitte oder gegen Ende des 13. Jahrhunderts verfiilste Aufzeich- nung über die (iründung der Erfmter Kirchen (mit dem angeblichen Gründungsjfihre der Stadt 438 beginnend), welche in Ableitungen im Anhang des Liber cronicor. Erford. und in den beiden Cronicae Erfordenses Engelhusianae vorliegt.

Als ein vor Abschlufs der „Studien" erschienener Anhang der- selben ist die Abhandlung „Aus Handschriften des Erfurter St. Petersklosters" zu betrachten. Darin sind Nekrologe, Abts- und Mönchslisten des Klosters, Urabschrifren und andere Inschriften und ein sehr interessanter, kuiz nach 1300 geschriebener Brief der Mönche des Klosters Weilsenburg an die von St. Peter, betr. den Todestag des vermeintlich gemein-iamen Stifters Dagobert (Autwort auf Frage der Erfurter), aus Handschriften des 13 bis 18. Jahr- hunderts mitgeteilt. Die Helwig- Handschi ift lieferte für mehiere von H.-E seiner grofsen Ausgabe der Cronica beigefügten Anhänge bessere Texte, die jetzt in den Mon. Erph. gedruckt sind.

Aulserordentlich grofs und überaus dankenswert ist die Arbeits- leistung, welche in den hier, wie in den früher besprochenen Ab- handlungen H.-E"s. geliefert worden ist. Wer sich in sie vertieft, wird immer wieder staunen, mit welcher Umsicht und Vorsicht, mit welchem Scharfblick und feinster Handhabung unserer Methode Fragen gelöst werden, die unbedingt zu den alierschwierigsten mittel- alterlicher Quellenforschung gehölten.

Besonders dankbar werden wir seiu müssen, dal's H.-E. die Ergebnisse seiner die ganze Erfurter Historiographie des Mittelalters umfassenden Forschungen editorisch in einem Bande zusamraenfaiste, welcher uns die Eifurier chronikalischen Quellen des 12. bis 14. Jahrhunderts bietet. Sind über 300 von den 800 Textseiten des Bandes der Cronica S. Petri moderna gewidmet, die H.-E. kurz zu- vor im XXX. Folioband der Mon. Germ, herausgegeben hatte, hatte er

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bei dem neuen Druck nur verhältnismälsig wenig in Einleitung, kritischem Apparat und Anmerkungen zu verändern und zuzusetzen, so bietet neben der willkommenen handlichen Ausgabe dieser überaus wertvollen Chronik der vorliegende Band Neuausgaben der in vier anderen Bänden der Mon. Genn. (VI, XVI, XXIV, Dtsche Chron. II) vor Jahrzehnten gedruckten Erfurter Annalen und Chroniken, und hier ist der Fortschritt textlich und vom Standpunkte kritischer und historiographischer Würdigung von der reinen Kommentierung zu schweigen ein so überaus grolser, dals diese Quellen uns zum Teil wie neu geschenkt erscheinen, jedenfalls die älteren Ausgaben der ver-schiedenen wertvollen Erfurter Annalen des 12. und 13. Jahr- hunderts im VI. und XVI. Band der Mon Germ, als weit überholt aus- zuschalten sind. Fast neu ist das Auctarium Chronici Ekkehardi, die Zusätze eines Petersberger Mönches zu der bekannten Welt- chronik in der aus St. Peter stammenden Gothaer Handschrift.

In noch anderem Sinne als die Annalen des 12. und 13. Jahr- hunderts erfuhr eine völlige Neubearbeitung die Weltchronik des Erfurter Minoriten (Cronica minor), welche H.-E. 1879 mit Aus- lassung des eisten Teiles (von Roruulus bis zum Jahre 700), der Hälfte des Ganzen, herausgegeben hatte. Jetzt erscheint sie voll- ständig. Auch von den Fortsetzungen des weitverbreiteten Werkes, von dem wir fünf Rezensionen haben (vier vom Verfasser, eine von einem Rotweiler Dominikaner), werden hier mehr als in der Folio- ausgabe gegeben und dazu drei ungedruckte Anhänge. Der kritische Apparat ist völlig umgestaltet welche Mühe diese Arbeit erforderte, läfst ein Blick auf den Stammbaum der Handschriften S.519 erraten, die Nachweisung der Quellen war überaus zeitraubend. Die Chronik ist nicht durch ihre tatsächlichen Angaben wertvoll, denn dem Ver- fasser steht der Sinn auf Fabelwerk; Papst- und Heiligengeschichte interessiert ihn, für seine thüringische Heimat hat er nichts übrig, aber für den Einblick in die "Weltauffassung eines thüringischen Bettelbruders des 13. Jahrhunderts und für den Zusammenhang der späteren Chronistik ist das Buch lehrreich, und am Errde hat er auch mehrere stofflich ausgiebige Fortsetzungen (1262 1265, 1266 1267, 1268 1272) hinzugefügt.

Zum ersten Male an einer Stelle vollständig, wenn auch mit Weglas>ung der alten Geschichte, erscheint der über Cronicorum Erfordensis, der sich so fruchtbar ei wiesen hat für die Erkenntnis des Zusammenhanges zwischen der Historiographie von Erfurt, Reinhardsbrmm und Eisenach, und insbesondere in Eisenach, an dieser dritten Station der thüringischen Geschichtschreibung, soviel bemrtzt worden ist. Noch nicht herausgegeben war die Cronica Erfordensis (Cronica Engelhusiana I Au. Bj, welche in einer 1423 im Auftrage von Dietrich Engelhus geschriebenen (Dresdner) Handschrift vorlag. Sie hat, wie wir oben sahen, für die f'eseitigung der These von einem verlorenen gröfseren Chron. Sampetr. gute Dienste geleistet. Ein Namensverzeichnis von nicht weniger als hundert Seiten und ein Glossar beschlielst den Band, Uiit welchem der thüringischen Geschichtsforschung eine höchst dankenswerte Gabe gewährt worden ist.

Den einheimischerr Forschern bleibt es vorbehalten, auf dieser Grundlage die Erfurter und Eisenacher Chroniken des späteren Mittelalters neu zu bearbeiten, soweit dies nicht in jüngster Zeit geschehen ist (Kammermeister und Stolle). Dafs Wegeies Ausgabe der Chrorjik des Nikolaus von Siegen völlig trngenügend ist, hat

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H.-E. Studien IV, 496, gezeigt. Ein gutes Stück editorischer Arbeit ist an den lateinischen Eisenacher Chroniken vom Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts noch zu tun (H.-E. konnte seine Ab- sicht, sie in einem Bändchen der kleinen Monumentenserie heraus- zugeben, wegen anderer drängender Arbeiten leider nicht ausführen). Sie mufs vorausgehen, ehe ein thüringischer Forscher Germanist und Historiker die Ehrenpflicht einer (iesamtausgabe der Werke Johann Rothes erfüllen kann.

Marburg. K. Wenck.

Cardinal Albrecht yon BrandenTnirg und das Neue Stift zu Halle 1520 1541. Eine kircbeu- und kunstgeschichtliche Studie von Dr. phil. Paul Redlich. Mainz, Franz Kirchheim. 1900. XII, .361 u. 264 SS. 80.

Am 13. Mai 1901, etwa dreiviertel Jahr nach dem Erscheinen seines Buches, ist Paul Redlich im Alter von 32 Jahren an der Lungenschwindsucht gestorben. Was die Wissenschaft an ihm ver- loren hat, kann nur der ermessen, der dies Buch, sein erstes und zui:;leich letztes, durchgearbeitet hat. R. war einer der wenigen Historiker, die auch mit den Bedürfnissen und Forderungen der Kunstwissenschaft wohl vertraut sind. Was namentlich in der deutschen Kunstgeschichte den Fortschritt so sehr erschwert, ist ja der Mangel an archivalischen Forschungen über Künstler und Kunst- Averke. R. hätte vielleicht sein ganzes weiteres Leben, wäre es ihm beschieden gewesen, darauf verwandt, diesem Mangel abzuhelfen. Zunächst wenigstens gingen seine Pläne, soweit sie seinen Freunden bekannt geworden sind, in dieser Richtung. Einer Anregung Lam- prechts folgend, hatte er in den Archiven Material gesammelt für eine Darstellung der Kunstbestrebungen des Kardinals Albrecht von Brandenburg. Schliefslich beschränkte er sich auf eine urkund- liche Geschichte des Neuen Stifts in Halle, der hervorragendsten Schöpfung Albrechts; das übrige sollte bald nachfolgen. Das vor- liegende Werk legt Zeugnis ab von dem Fleifs und der Gründlich- keit seines Urhebers, es wird infolge der Zuverlässigkeit seiner Angaben von dauerndem Werte sein.

Über die Anfänge und das Ende des Hallischen KoUegiatstiftes waren von früheren Forscliern mancherlei Irrtümer verbreitet worden, die nun wohl für immer beseitigt sind. Über die Verfassung imd Verwaltung des Stiftes wuiste man nur einige Ein-zelheiten, R. hat sie zum ersten Male in klarer und umfassender Weise dargestellt und sich dadurch auch die Kirchenhistoriker zu Danke verpflichtet. Den grüfsten Teil des Buches aber bat er der Stiftskirche (dem heutigen Dom) und ihien Kunstwerken und Reliquien gewidmet, von denen leider nur eine kleine Anzahl auf uns gekommen ist. Durch seine Untersuchungen wird bestätigt, was den Einsichtigen (wozu z. B. der Architekt Schönermark nicht gehört) schon längst nicht mehr zweifelhaft war, dafs die Stiftskirche keine Neugründung Albrechts ist, sondern im wesentlichen die alte Kirche der Domini- kaner vom Ende des 13. Jahrhunderts, die er nur für die Zwecke des Stifts hat verändern und namentlich im Innern verschönern lassen. Interessant ist ferner der Nachweis, dafs manche noch jetzt erhaltenen Kunstwerke, die sich an anderen Orten befinden, entweder aus der Stiftskirche in Halle stammen, oder für sie bestimmt waren. Besonders gespannt konnte man seih, ob R. näheres über die Be-

Literatur. 353

zit-hiingeu des Kardinals zu den Scliöpfeni der hervorragendsten Ge- mälde der Kirclie mitteilen würde. Leider hat er darüber in den Archiven nichts mehr gelunden. als was schon bekainit war. Wichtig sind auf jeden Fall die Nachrichten über den Meister Simon, der in den dreifsiger Jahren für den Kardinal in Halle gemalt hat; doch ist dieser sicher nicht der Urheber auch nur eines der Gemälde, die sich jetzt in Aschatfenburg befinden, obgleich dies R. glaubhaft zu machen sucht; denn was uns diese Gemälde selbst sagen, läfst sich nicht vereinen mit dem, was R, über den Meister Simon mitteilt. Am ausführlichsten handelt R. über das sogenannte Heiligtum der Stiftskirche, die kosthai'eu Reliquien, die ja den Hauptanlafs gegeben haben zu Luthers heftigem Vorgehen gegen den Kardinal. Für die Geschichte des Kunsthandvverks, insbesoniere der Goldschmiedekunst, ist dieser Abschnitt äiilseist wichtig. Für das grofse mit Miniaturen geschmückte handschriftliche Reliquienverzeichnis, das jetzt die Aschaffenburger Hof bibliothek besitzt, schlägt R. den Namen Liber ostensionis" vor anstatt des früher gebräuchlichen, aber ganz falschen Namens „Mainzer Domschatz", was nur zu billigen ist.

Auf die eigentliche Darstellung folgt noch ein 245 Seiten starker Anhang mit archivalischen Belegen, durch deren Verött'eutliclmng <ler Wert des Buches aufserordentlich erhöht wird.

Redlichs Arbeit gibt ihrer ganzen Natur nach wenig Anlafs zu Meinungsverschiedenheiten. Nur da, wo es sich um rein kunst- geschichtliche Dinge handelt, lindet man bisweilen Ansichten und Vermutungen ausgesprochen, die sich nicht halten lassen. Doch ist hier niclit der Ort, darauf einzugehen. Berichtigen mufs ich nur die Angabe (S 6), Albrecht sei am 7. Mai 1514 in Magdeburg, am 14. Mai in Halle eingezogen. R. folgt hier der Darstellung "Mays. In den Quellen steht nur der Sonntag Cautate und der darauf folgende Sonntag Rogate. Cantate iiel aber 1514 auf den 14. Mai, Ro2ate auf den 21. Mai. Ferner läfst sich der Brief Friedrichs des Weisen an den Domdechanten in Magdeburg (Beil. Nr. 24b, S. lOJ*) doch noch genauer datieren, als es R. für möglich hielt. Er kann nicht allzu lange nach dem Tode des Erzbischofs Ernst von Mngdeburg geschrieben sein, denn Friedrich nennt seineu Bruder „uegst verstorben". Das ergäbe das Jahr 1514.

Ein sehr sorgfältig gearbeitetes Register beschliefst das Buch. Ein besonderes Verzeichnis der Künstler, die in den archivalischen Beilagen vorkommen, wäre der l)e>seren Hervorhebung wegen er- Avünscht gewesen.

Braunschweig. Ed. Flechsig.

Das Prozfifsverfalueu gegen den knrsäclisischen Kanzler Dr. NicolansKrell 1591—1(501, dargestellt nach den Akten des Dresdner Haupt.'^taatsarchivs. Inau^ural- Dissertation von Benno IJoluien- städ!. Halle a. S. 1901. 58 SS 8".

Die Dissertation ist ein Teil eines Buches, das zur Zeit noch nicht erschienen ist, und führt bis zum Jahre 1594. Doch läfst sich durch Untersuchung des ersten Kapitels, das die Vorgeschichte und Entstehung des Prozesses enthält und das Fundament der weiteren Darstellung bildet, ein Urteil über den Wert der ganzen Arbeit abgehen.

Dl ei Fragen will B. beantworten: 1. Durch wen wurde Krell verhaftet? Waren jene Männer, die die Einbringung Krells verlaugten, wirklich das Organ der gesamten Landesvertretung, wie sie angaben?

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 3. 4. 23

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2. Wer trug die Scliuld an der zehnjährigen Verschleppung des gerichtlichen Verfahrens gegen ihn? 3. Was führte seine Ver- urteilung herbei? Ist Krell schuldig, oder ist nicht der Kurfürst Christian I nicht minder wie die Helfershelfer, die Krell im Mini- sterium gefunden hatte, für die Reformen der sächsischen Regierung verantwortlich zu maclienV

Wie man aus dem Titel und aus diesen Fragen sieht, will der Verfasser eigentlich nur das Frozeis perfahren in seinem Beginn, Verlauf und Ende und z war f o r m a 1 - j u r i s t i s c h darstellen. Allein dies ist nicht möglich, ohne auf die Vorgeschichte des Prozesses selbst zurückzugehen. Deshalb ist der Verfasser genötigt zur ßeant- worttiug der ersten Frage: wer liels Krell verhaften, auf Krells Gegner, auf Krells Mafsregelu und auf Krell selbst, kurz auf das, worum es sich im Prozefsvei fahren handelt, einzugehen. Ebenso ist die dritte Frage nach der Schuld Krells nur aus der Vorgeschichte durch Unter- suchung der Persönlichkeit Christians I. und seines Verhältnisses zu Krell zu beantworten.

In der Vorgeschichte des Prozesses aber ist B. wenig beschlagen. Krell. sagt B., war ein Mann, der „unter Einflufs Bezas (des starreu calvinischen i)ogmatikers und Nachfolgers Calvins) die dogmatische Engherzigkeit abgestreift hat und die an Zahl zwar kleine, an geistiger Kraft aber um so bedeutendere freiere melunchthonische Richtung in Sachsen zu neuem Leben erweckt". Abgesehen aber davon, dafs die in Sachsen herrschende Orthodoxie auch an geistiger Kraft dem Mclanchthonismus weit überlegen war, ist dies-er an Krell gar nicht das Hauptcharakteiistikum. Krell ist, wie Pauke ihn richtig be- zeichnet, „Politiker'', d. i. Staatsmann und Jurist der in erster Linie das Interesse seines protestantischen Territorialstaates im Auge hat. Als solcher ist er nur im Gegensatz zur lutheiischen Orthodoxie zu hegreilen. Liese ,.politischen Köpfe-', „die eiu'-n Fufs auf der Kanzel, den anderen in der Welt hatten", waren es, die, wie die von B. nirgends erwähnte, aber für die Beurteilung des Prozesses unendlich wichtige sogenannte Blnmesche Leicheupredigt zeigt, der Orthodoxie als „die heimlichen Calviuisteu" galten. Lie ()ilhodoxen, die geistigen Söhne Luthers, auf die Macht der Idee allein veitiauend, hoftten alles „von der Predigt der reinen Lehre des göttlichen Wortes, die politici aber verliefsen sich nicht auf das Wort Grottes, sondern auf den weltlichen Arm der Obrigkeit und gingen, da es das Inter- esse dieser forderte, gegen die Orihodoxie mit brutalen Strafmandaten vor. Die.<e nennt Bohnenstädt ganz uniassend „Reformen" und unter- scheidet zwischen Relormen von prinzipieller und praktischer Be- deutung. Sie stellen aber eine Klimax von immer tiefer greifenden Maisregeln dar, durch die der Einflufs der Orthodoxie auf den Hof, auf die Universität und endlich auf das Volk beseitigt werden sollte. Die Orthodoxie aber hatte ihre Stütze im niederen Volke und im streng gläirbigen Adel, der schon zu Augusts Zeiten unzufrieden, sich jetzt durch die Eingriffe in das ius patronatus verletzt fühlte. Ihnen gesellte sich die fanatische Kurfürstin- Witwe und endlich der Hofadel bei. Dafs diesem ,,der durch die Zeitverhältnisse geschaffene Gegensatz gegen das Fürstenhaus mit dem Landadel gemeinsam" gewesen wäre, ist nicht richtig, vielmehr stand der Hofadel bis zum Jahre 1590 auf Seiten der Regierung und beteiligte sich au ihren 3Iafsregeln, wie B. an seinen einzelnen Vertretern ausführlich nach- weist. Indes wird man seine Haltung nicht eher richtig beurteilen können, ehe man nicht weifs, wer Chri-stian I. war. Der Prozefs war

Literatur. 355

also, was B. veikaiiiit hat, niclit ein Kampf um das Recht, sondern um die Macht, nnd es kam in ihm der Kampf zweier Prinzipien, des weltlicli- staatlichen und des religiösen, zum Aus trag. Mit dem Toile des Kuifürsten unterlag das erstere, und in Krell, der es verkörperte, wollte mau es vollkommen vernichten. So erklärt sich der schliefsliche Untergang des Kanzlers.

Ebensowenig wie die Per.^ünlichkfit Krells hat B. die Christiansi, erkannt. Ihm ist Christian „eine schwache, leicht zu beeinllussende Natur, ohne die Leidenschaftlichkeit und dogiiiati>clie Beschränktheit Seines Vaters". Ihm, dem übiiijens schon zwanzigjährigen, wird Krell kaum 30 Jahre alt „zum Erzielier gegeben, der ihn in melanchthoni- scheu Crundsätzen grolszieht". B. spricht hier vollkommen ohne Kritik die orthodoxe Legende nach, die um Krell als den allein schuldigen bezeichnen zu können, Christian als einen frommen Idioten hinstellen mufs, der schliefslich, als er die argen Taten seines hinter- listigen Verführers höit, „vor Gram in die Grube fährt". Wer aber die Geschichte Christians kennt, weils, dak er ein leidenschaftlicher, selbständiger, auf allen Gebieten unermüdlich tätiger und geistig bedeutender Kürst gewesen ist. Wie bei seiner Auffassung von Cbri.-^tian I. B. Krells Unschuld „quellenkuudlich" beweisen will, ist mir vor der Hand unerkläilich, znmal da er auch sonst bemüht ist, das N'erf.ihien gegpu ihn, in dem wie kaum in einem Prozesse gelogen uml gebogen wurde, als ein formal geordnetes hinzustellen (S. 31 nnd 47j, was sich aus seiner eigenen Darstellung leicht wider- legen läfst.

Erst wenn B. die berührten Fragen aus derVorgesrhichte beant- wortet, härte er zur Darstellung des formalen Prozefs Verfahrens schreiten sollen. Sie wären dann auch nicht so unübersichtlich, sondern viel klarer und verständlicher geworden. Er konnte jetzt im einzelnen nachweisen, dals, da die Orthodoxie in Krell das ihr feindliche Prinzip vernichten wollte, beharrlich den Tod des Kanzlers forderte, dal's aber, da Krell in Wirklichkeit un-chuldig war, dieser nur in einem von Anfang an unregelmäfsigen und langwierigen Prozefsverfahren, das man nun einmal anstellen mufste, erlangt werden konnte. Das Prozefsverfahren selbst ist von B. im ganzen richtig dargestellt. Er hat ßecht, wenn er Friedlich Wilhelm als das „retardierende Moment- bezeichnet. Gleichwohl hat er seine Haltung nicht voll und yanz erkannt. Friedrich Wilhelm befand sich der Orthodoxie und Krell gegenüber in der Lage des Pilatus. Aus politischen Gründen mufste er bei der Stimmung des Landes Krell verhaften und konnte ihn nicht wieder entlassen. Andererseits aber wufste er, dafs Krell unschuldig war: deshalb wollte er seine Verurteilung nicht anders herbeigeführt sehen, als auf dem Wege eines geordneten Verfahrens. Die ,, psycho- logische Betrachtung'' ß's. S. 42., dafs mit der Länge des Prozesses das Interesse des Administrators an der Verurteilung des Kanzlers gewachsen sei, ist, so feinsinnig sie aussieht, verfehlt. Dafs er die Anklage der Landschaft zu der seinigen gemacht and die Beweis- führung übernommen habe, ist ebenfalls verkehrt (S.45). Es ist selb.st- verständlich, dafs wenn er eine aktenmäfsige Beweisführung wollte, er den Ständen die Akten über Krells Politik liefern mufste: denn diese befanden sich natürlich nicht im Archiv der Landschaft, sondern in dem der Regierung. Dafs er Krell zu retten suchte, beweist die Tatsache, dafs er das summarische Inquisitionsverfahren, durch das Krell einfach der Prozefs gemacht werden sollte, zurückwies, imd ferner sich mit der Lieferung der Prozefsakteu nicht beeilte, weil

23*

356 Literatur.

er der richtigen Hoffnung war, dafs mit der Zeit die Erbitterung im Lande gegen Krell nachlassen würde.

Trotz dieser Mängel, die bei der Schwierigkeit der Arbeit und der unendlichen Fülle des Stoffs gewifs verzeihlich sind, kann mau der Schrift B's. das Lob nicht versagen, dafs sie als ein mit vielem Fleifse unternommener Versuch, zum ersten Male den ProzeJ's kritisch- historisch zu begreifen, angesehen werden mufs und als solcher als die wichtige Grundlage einer späteren umfassenderen Parstellung gelten kann, wie auch immer man sich zu seiner Arbeit stellen mag.

Dresden. Phil. Hiltebrandt.

Die Beziehungen Augusts des Starken zu seinen Ständen während der ersten .Jahre seiner Regierung (1694 1700). Von Dr. phil. Georg Wagner, Lehrer am Köuigl. Seminar in Rochlitz. Eochlitz, Kommissionsverlag von Pretzsch Nachf. 1903. VII, 222 SS. 8".

„Die vorliegende Dissertation ist ein Ausschnitt aus einer um- fangreicheren Arbeit, welche den Zeitraum von 1694 1700 behandelt, und deren Veröffentlichung der Verfasser beabsichtigt." Sie gibt zum ersten Male eine aus den Akten des Dresdner Hauptstaats- archivs geschöpfte Darstellung der Beziehungen Augusts des Starken zu seinen Ständen in den genannten sechs .Jahren. Sie gestattet aus unbenutztem Material eine weitere Vervollständigung, bedarf in den Partien, welche sich nur auf gedruckte Quellen stützen, mehrfacher Berichtigung und beurteilt die leitenden Persönlichkeiten meines Er- achtens nicht immer gerecht und treffend, entwirft aber im grofsen und ganzen ein zuverlässiges Bild und ist ein wertvoller Beitrag für die Ge- schichte Augusts des Starken und Sachsens in dieser Zeit überhaupt. Nur hätte sieh der Verfasser noch etwas mehr über den Wortlaut der Akten erheben und strenger an die gestellte Aufgabe halten sollen; der Fülle des Stoffes ist er nicht ganz Herr geworden und für einige seinem Thema ferner liegende ]3ehauptuugen den Beweis schuldig geblieben.

Wagner leitet seine Darstellung ein mit einer Übersicht über die Literatur, den Entwicklungsgang Augusts des Starken bis 1694, stiue Politik von 1694 1700 und die allgemeinen Zustände in Sachsen zu dieser Zeit. Unter den neueren Charakteristiken des Königs, die er erwähnt, fehlen diejenigen Carl Justis (Winckelmann und seine Zeitgenossen, 2. Aufl., Leipzig 1898, I, 233 ff.), Carl Hallendorffs (Bi- drag tili det stora nordiska krigets lörhistoria, Upsala 1897, S. 101 und Konung Augusts politik ären 1700— 1701, Upsala, 1898, S. 12/13) und Szymon Askenazys (Kouiec Augusta IL in der Biblioteka War- szawska 1900 II, 389—426); meine eigene, die im September 1902 erschien, konnte Wagner nicht mehr benutzen. August der Starke war nicht der „erste" sächsische Prinz, der die grofse Kavalierstour machte; auch gab nicht seine Liebe zu dem Fräulein von Brockdorff den Anlafs für die Pv.eise ins Ausland. Den Oberbefehl in Ungarn ..erzwang" er sich 1695 nicht vom Kaiser; er hätte viel lieber am Rhein gegen die Franzosen gefochten; den Bericht über den Feldzug des Jahres 1696 schrieb er am 1., nicht am 30. Oktober. Bei dem Besuche Kurfürst Friedrichs III. von Brandenburg in Dresden im Dezember 1696 ist von der polnischen Kandidatur nicht die Bede gewesen; den Berliner Hof überraschte, wie schon Aloys Schulte in der Biographie Markgraf Ludwig Wilhelms von Baden gezeigt hat, die Kunde von den Absichten des Wettiners im Juni 1697 völlig.

Literatur. 357

Der Einfall in Livland war kein „Versucli, für Kursachsen den ver- lorenen Kontakt mit dem Meere wiederzugewinnen" ; bis zur Ostsee erstreckte sich Polen bereits, als sich August der Starke um die Nachfolge Sobieskys beAvarb; seine Politik war 1700wie lf)97(lynastisch, antihabsburgisch, weder sächsis-Ji noch polnisch. Die Übersicht über die innere Lage in Sachsen um 1H94 hätte trotz der spärlichen Lite- ratur noch etwas anschaulicher ausfallen können; namentlich Kobert Wuttkes Arbeiten (Gesindeordnungen und Gesindezwangsdienst iu Sachsen bis zunr Jahre 1835, Tabellen zu den 1694 rn der Gehe- stiftung gehaltenen Vorträgen über sächsische Finanzgeschichte und der Aufsatz „Stand und Wachstum der Bevölkerung" in seiner sächsischen Volkskunde) liefern manches von Wagner nicht beachtete Detail; erst dies macht das Auftreten des Adels und der Städte auf den Landtagen und die Stellung des Kurfürsten zu ihnen ganz verständlich. Das Schwergewicht und der Wert der Arbeit liegt in der Schilderung des Landtages von 1^94/1695, des Ausschufstages von 1696, der willkürlichen Zusammenkunfo von 1697, der Tätigkeit des Revisionsrates von 1697 1700 irnd des grofseu Landtages von 1699 bis 1700; wie es der Stoff verlangt, glredert ihn Wagner in drei Teile: Augusts des Starken Anfang bis zur polnischen Kandidatur, der absolutistische Vorstofs im Generalrevisionsrate gegen das Ständetum, der Sieg der Landschaft. Eine auf Schmälenrng des ständischen Einflusses gerichtete Tendenz ist in der Regierung Augusts des Starken von Antang an bemerkbar; der iu der absolu- tistischen Schule des Grofsen Kurfürsten aufgewachsene FeldmarschaU Hans Adam von Schöning drängt ihn auf diesen Weg; Schöning hat, wie die Berichte des brandenbiu-gischeri Gesandten Samuel v.Chwal- kowsky aus Dresden lehren, seit seinem Übertritt in sächsische Dienste (1691) unal)lässig die Verstärkung des Heeres und die Einführung der Konsumtionsaccise gefordert. Einen ernsten Konflikt mit den Ständen aber suchte August der Starke his 1697 geflissentlich zu vermeiden; er kam ihren Wünschen soweit wie möglich entgegen. Das änderte sich mit dem Erwachen seines dynastischen Ehrgeizes und seiner Wahl zuiu König von Polen; jedes Mittel, Geld zu er- langen, war ihm jetzt recht und jeder Mann, der es ihm beschaffte, auch. Ludwig Gebhard Freiherr v. Hoym, ein gewissenloser aber gewiegter Finanzmann, der, bedeutender Unterschleife angeklagt, 200000 Taler für die Niederschlagung seines Prozesses zahlte, wurde wieder Kammerpräsident und mit dem zum Statthalter ernannten Fürsten Anton Egon von Fürstenberg Mitglied einer „grofsen Kom- mission", welche Vollmacht erhielt, sämtliche Hof- und Staatsbeamte, adelige Grundherren und städtische Magistrate zur Rechenschaft zu ziehen; durch den Hinzutritt des Generalwachtmeisters Grafen Karl Gustav V. Löwenhaupt, des Vizekreishauptmanns Gurt Heinrich v. Ein- siedel, des Geheimen Rats Caj v. Rumohr und des Hofrats Bernhard Zech bekam sie einen mehr kollegialen Charakter und als General- revisinnsrat fast diktatorische Gewalt. Wagner schildert nun ihre Tätigkeit im einzelnen, die Prozesse gegen die Beamten des Hofes, der kriegskasse und Rentkammer, der Forst-, Jagd- uod Münzyer- waltung, gegen die Ohersteuereinnehmer, gegen die Unterobrigkeiten in den Amtern und Städten, die wachsende Erbitterung der Hof- aristokiatie und der Stände gegen Fürstenberg, ihr Drängen nach einem neuen Landtage, seinen Verlauf vom September 1699 bis zum März 1700, die Aufhebung des Generalrevisionskollegs und die Kassa- tion der bei ihm eingelaufenen Akten. Er sieht mit Recht in der

358 Literatur.,

Geldnot Augusts des Starken das Motiv für sein Zurückweichen vor den Forderungen der Stände, er beklagt ebenso mit Recht den Sturz des Revisionsrates trotz des Eigennutzes einiger Kommissare, trotz offenbarer Willkür im Vorgehen gegen historische Rechte als eine Stagnation in der Entwicklung des Staates, aber er irrt meines Erachteus in der Beurteilung Fürstenbergs und Augusts des Stai-ken: ersterer ist ihm ein zacher, unselbständiger Herr, der durch immer neue Anfragen beim König die Verantwortung von sich abzuwälzen sucht, letzterer ein von Anfang an zu energischen Reformen ent- schlossener Mann von den besten Absichten für eine gedeihliche Fort- entwicklung Sachsens.

Ich kann dieser Auffassung nicht zustimmen: mir erscheint Fürstenberg neben dem aus Rache gegen seine Standesgenossen ins absolutistische Lager übergegangenen Hoj'm als der eigentliche Träger des Reformprogramms, August der Starke dagegen als ein Hemmnis seiner Durchführung und der Gesundung des Staates i). Ihm lag nur daran, durch das Generalrevisionskolleg die für seine dynastischen Ziele erforderlichen Mittel zu beschaffen; eine Reform grofsen Stiles bezweckte er damit nicht. „Man mus die leitte nicht verfolgen, die in credit seind, bies man nicht andre alsohbalt hat, die dasselbe prestiren kehuen", schrieb er im April 1698 an Fürsten- berg, als dieser den Juden Bernd Lehmann und den Kriegszahl- meister Lämmel zur Verantwortung zog; die gegen die Mitglieder der höchsten Aristokratie eingeleitete Untersuchung schlug er nieder. Das Generalrevisionskolleg gab er preis, weil es ihm nicht daseinbrachte, was er für seine dem Interesse Sachsens geradezu schädlichen Pläne brauchte; die Million, die ihm die Stände dafür zahlten, verschleuderte er in der Expedition gegen Riga und im Kampfe mit den Schweden. Auch Fürsteniterg war ein Absolutist, der gewifs nicht wie Branden- burgs Grofser Kurfürst das Interesse des Landesherrn und des Staates identitizierte, trondern jenes über dieses stellte; er hoffe, schrieb er im November 1698 an August den Starken, durch die Revision werde Sachsen „in einen solchen Zustand kommen, dafs es E. K. M. umb ein merkliches besser werden geniefsen können'. Al)er während der König möglichst rasch möglichst viel Geld zusammenscharren und den Adel soviel wie möglich schonen. wollte, giiff Fürstenberg das Übel an der Wurzel an, suchte das Übergewicht der Aristokratie

1) In dem Aufsatz „August der Starke und die katholische Kirche in den Jahren 1697 1720" (Zeitschrift für Kircheugeschichte 1903 XXIV, 86 135) sagt Johaunes Ziekursch: „Mit Bewufstsein lenkt dieser Herrscher in dieselben Bahnen, auf denen viele deutsche Fürsten, vor allem die HohenzoUern, dem Ziele zustrebten, durch Ausdehnung ihrer Herrschergewalt nach aufseu wie im Innern wahrhaft lebensfähige, nur ihrem eigenen Gesetze gehorchende Staats- gebilde zu schaffen". Ich halte diese These für ebenso falsch wie die Behauptung: „Es war keineswegs ein Werk des Zufalls oder fürst- licher Laune, sondern es entsprach den politisch-geographischen Verhältnissen, wenn Friedrich August auf Polen Eiutluis zu gewinnen suchte" (d. h. sich um seine Krone bewarb). August der Starke hat sich nie von sächsischen oder polnischen, sondern nur von Haus- interessen leiten lassen; es unterscheidet ihn gerade von den drei be- deutenden HohenzoUern, dem Grofsen Kiirfürsten, Friedrich Wilhelm I. und Friedrich dem Grofsen, dafs diese sich dem ihrem Staate inne- wohnenden natürlichen Gesetze uuteror<lueteu, er dagegen nicht.

Literatur. 359

zu brechen, ein pflichttreues Beamtentum zu scliaffen und das Bürger- tum nach Kräften zu heben; was er bezweckte, war der Gewinn bleibender Hilfsquellen für die dynastische Politik des Königs. August der Starcke lebte sozusagen von der Hand in den Mund; erfüllt von Plänen zur Eroberung der Moldau und Wallachei und zur Aufteilung der Habsburgischen Monarchie, hatte er keinen Sinn für langwierige Keformen in der ihm zu eng gewordenen Heimat; was konnte zudem letztere in einem Weltreich, wie es ihm vorschwebte, bedeuten? Auch für Fürstenberg wären die Interessen Sachsens wohl nie die in letzter Linie bestimmenden geworden; immerhin hat doch das Generalrevisionskolleg dem Lande durch die Beseitigung der ärgsten Mifsstände nicht unerheblich genützt; der eigentliche Träger der Reformidee aber ist nicht der König, sondern Fürstenberg uud Hoym gewesen.

Berlin. Paul Haake.

Johann Friedrich Eöltger, der deutsche Erfinder des Porzellans. Von Bruno Wolff-lieckh. Steglitz bei Berlin, Friedrich G. B. Wolff-Beckh. 1903. 48 SS. 8"!

Diese Schrift will nichts weiteres, als einen Auszug und eine Zusammenfassung der dramatisch interessanten Teile aus dem Leben des Erfinders des europäischen Porzellans geben, wie es Eugelhardt vor nunmehr fast 70 Jahren in seiner bekannten Biographie dieses Manues versucht hat. Diese Absicht wäre an sich ganz löblich, da diese Biographie, die erst nach dem Tode Engelhardts, nicht einmal vollendet, herausgegeben worden ist, stellenweise so ungeordnet und mit trockenem Aktenmaterial belastet ist, dals sie trotz romanhatt spannender Teile für ein gröfseres Publikum nicht immer lesbar sein konnte. Aber ihre Ausführung kommt leider recht sehr zu spät, da man inzwischen doch allgemeiner erkannt hat, dafs das Bild, welches Eugelhardt von Böttger entworfen hat und das heute leider noch ganz allgemein die Grundlage für die Beurteilung dieses Mannes abgibt, sich als ziemlich verfehlt darstellt. Denn Böttger ist nach den neuesten Forschungen doch mehr als ein Charlatan und Wind- beutel gewesen. Von dieser Veränderung der Auffassung ahnt der Verfasser nicht das geringste. Er kennt auch nicht eine einzige neuere Arbeit über die Geschichte des Meifsner Porzellans. Um so unangenehmer wirkt die Literaturangabe am Schlufs, dilettantisch zusammengefundene Werke, deren Benutzung sich nicht einmal in der Arbeit nachweisen läfst.

Dresden. Ernst Zimmermann.

Der Dresdener Friede und die Politik Brühls. Von Reinhold Becker. (Bibliothek der sächsischen Geschichte und Laudeskunde herausgegeben von G. Buchholz I, 1.) Leipzig, S, Hirzel. 1902. XIV, 143 SS. 8°.

In dem Vorwort betont mit Recht der Herausgeber dieser neuen Sammlung historischer Monographien, dafs manclie Abschnitte der sächsischen Geschichte bisher nicht die Berücksichtigung gefunden haben, die sie verdienen; zur Abhilfe dieses Übelstandes will die neue Samoilang beitragen.

360 Literatur.

Das Material zu der vorliegeuden Arbeit hat der Verfasser den Archiven in Dresden. Berlin, Wien, Hannover und Paris entnommen und mit Fieifs und Geschick verarbeitet. Ausführlich schildert er uns die diplomatischen Verhandlungen, die zum Abschlufs des Dresdner Friedens fühlten. Wie vorher, so gab auch in der Folge- zeit die Feindschaft gegen Preufseu der sächsischen Politik Mafs und Ziep); allein der letzte Krieg hatte gezeigt, wie wenig Verlais auf die Seemächte im Kampf mit Preufsen war, deshalb weigerte sich Graf Brühl zu Beginn des Jahres 1746, seine Hand zur Aus- führung der von Österreich gegen Preufsen geschmiedeten Pläne zu bieten, solange nicht Rufslaud und Hannover für sie gewonnen wären. Um der augeublicklicheu Geldnot zu steuern und um einer Annäherung Österreichs an Frankreich die Wege zu bahnen, schlofs Brühl mit Frankreich einen für Sachsen sehr günstigen Subsidieu- vertrag ab.

Den wertvollsten Teil der Arbeit bildet das Kapitel über Österreich. Irrtümer laufen dem Verfasser dort öfters unter, wo er im Anschlufs an die voihandene Literatur mit seiner Darstellung an die voraufgegangenen Ereignisse anzuknüpfen sucht: denn was Flathe in Anlehnung an Arneth von der sächsischen Politik während der ersten Jahre des österreichischen Erbfolgekrieges erzählt, reicht in keiner Weise aus. Nur so viel will ich hier nach eingehenden archivalischen Studien feststellen, dafs Sachsen, keineswegs von blinder Ländergier getrieben wie der Verfasser S.30f. will , sondern mit vollem Recht seit Friedrichs Einmarsch in Schlesien dauernd eine feindselige Haltung gegen Preufsen eingenommen hat. Sein Beitritt zum Frankfurter Partagetraktat-) ist von Frankreich und Preufsen erzwungen worden; sobald Brühl durch den Breslauer Frieden die Hände wieder frei bekam, suchte er Rufsland, Österreich, Sachsen und Hannover zu einer antipreufsischen Koalition zu ver- einigen-^); ihre Anfänge bildeten die mit Österreich und Rufsland 1743 und 1744 abgeschlossenen Verträge ■*). Demselben Zweck dienten seit Mitte 1742 die, freilich erfolglosen, Bemühungen Brühls, zwischen Frankreich und Österreich den Frieden zu vermitteln-^).

Gröfsere Sorgfalt hätte der Verfasser den Zitaten widmen können. Seine Hinweise auf die zweite Auflage von Kosers Friedrich d. Gr. (S. 37 Anm. 2 Und 4, S. 56 Anm, 1 und 3, S. 124 Anm. 1, S. 125 Anm, 4) geben falsche Seitenzahlen. Der 2. Bd. des V. Teils von Droysens Gesch. d. pr. Pul. wird bald als Dr. V, bald als Dr. II angeführt. S. 16 Z. 10/11 mufs es statt französischen österreichischen heifsen.

Breslau. Johannes Ziekursch.

^) Deshalb hätte der Verfasser besser getan, das Kapitel über Preufsen nicht ans Ende zu stellen, sondern weiter vorzuschieben.

-) Der Verf. nennt ihn irreführend Nymphenburger Vertiag. Heigel spricht von ihm S. 183, nicht 123.

ä) Dieser Gedanke (S. 22. 37. 131) war also Brühl im Jahre 1745/1746 nicht neu.

-*) Was der Verfasser S..42 über das Spioniersystem mitteilt, ist wörtlich dem Abkommen mit Österreich vom 13. Mai 1744 entnommen. Mit England hat Sachsen 1744 keinen Subsidienvertrag abgeschlossen,, wie der Verfasser im Anschluls an Droysen behauptet.

5) Also nicht erst seit 1744; vgl. S. 10 und 132.

Literatur. 36 1

Der kursäclisische Kapellmeister Naumann aus Blasewitz. Eine

Darstellung- seiner Lebensscliicksale von M. J. Nestler. Mit 2

Porträts und 4 Abbildungen. Dresden, Eudolt' Zinke. 1901. 208 SS. 80.

Zwei Jahre nach dem TodeXauinanns (7 1801) veröffentlichte sein Freund Professor A. Gr. Meißner zu Prag ,.Bruchstücke zur Bioaraphie J, G-. Naumanns" (zwei Teile, Prag, Karl Barth, 1803/1804), Ilie auf umfänglichem handschriftlichen Material beruhen und ein treffliches Lebensbild des Mannes geben. 1841 erschien diese Biographie in einem manchmal etwas anders angeordneten und in Kleinigkeiten abweichenden, zumeist aber wörtlichen Auszuge von einem unge- nannten Herausgeber '), der 1844 auch noch die vor allem anziehende und lehrreiche „Jugeudgeschichte" gesondert veröffentlichte. Auch die anläfslich des hundertjährigen Todestages erschienene Arbeit Nestlers ist weiter nichts als ein meist wörtlicher Auszug aus Meifsners Lebensbeschreibung. Wie weit ein solcher abermals not- wendig war, bleibe dahingestellt. Jedenfalls hätte aber der Verfasser in einer Vorrede auf diesen Charakter seines Werkes aufmerksam oder wenigstens mit aller Entschiedenheit auf Meifsner als seine fast ausschliefsliche Quelle hinweisen müssen. Die gelegentliche Erwäh- nung in einigen Anmerkungen genügte nicht. Für die wissenschaftliche Kritik ist mit dem Gesagten das Nestlersche Buch, das keinerlei selbständigen Wert besitzt, erledigt. Auch die wenig hervorragenden Abbildungen sind, wohl mit Ausnahme des Geburtshauses und der Grabstätte, frühei'en Werken entnommen.

Dresden. B es chorner.

Dem Gedächtnis König: Alberts von Saclisen. Eeden und Gedichte, herausgegeben von Hans von Nostitz. Dresden, v. Zahn & Jaensch. 1902. 3 Bll., 93 SS. 8».

(xed.ächtnisrede anf König' Albert, gehalten in der öffentlichen Sitzung beider Klassen der Kgi. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig am 14. November 1902 von Rudolph Sohm. Leipzig, B. G. Teubner. 1903. 11 SS. 8«.

Zu König Alberts Gedächtnis. Ein Abrifs seines Lebens. Von Otto Kaemmel. Mit einem Porträt. Dresden, Wilhelm Baeusch. 1902. 50 SS. 8".

Dals das Ableben eines Fürsten, der nicht blofs für sein Land, sondern für ganz Deutschland eine so hohe Bedeutung gehabt hat wie König Albert, eine Fülle von Rückblicken auf die Geschichte der letzten .Tahrzehnte hervorgerufen hat, ist selbstverständlich. Aber so zweckentsprechend und gut gemeint diese Nachrufe auch sein mögen, neue geschichtliche Aufschlüsse darf man in ihnen nicht

') Wenn Emil Naumann, der über seinen Grofsvater übrigens auch nichts Neues vorzubringen weifs, in der Allgemeinen Deut- schen Biographie XXIII, 306 314, den Auszug dem Hofrat Dr. G. H. V. Schubert zuschreibt, so ist dies ein Irrtum. Dieser hat 1843 auf Bitten seines ungenannten Freundes nur das Vorwort dazu verfalst.

362 Literatur.

siiclien, umsoweniger, als erst vor wenigen Jahren des Königs Jubiläuia den Anlals gegeben hat, sein Leben und seine Regierung nach allen Seiten hin zu beleuchten. Bei dieser Gelegenheit ist bekanntlich auch der erste Band von P. Hassels auf reichem Material aufgebauter Biographie König Alberts erschienen, dem ein zweiter bald folgte; sie reichen bis zum Regierungsantritt, umfassen also neben der Jugendzeit die bewegten Lebensjahre, die den Grundton für die Stellung König Alberts in der deutschen Geschichte gegeben haben: des Kronprinzen Feldherrntätigkeit und seine Mitwirkung bei der Gründung des deutschen Reiches waren es doch vorzugsweise, was seiner Persönlichkeit weit über Sachsens Grenzen hinaus eine seltene Volkstümlichkeit verschafft hat. Eine ungleich schwierigere Aufgabe bleibt der Fortsetzung von Hassels Werk vorbehalten; liegen auch die Früchte der fast- dreifsiaj ährigen Regierung des Königs vor Augen, so ist es doch durchaus nicht leicht, den eigenen Anteil za bestimmen , den der Fürst daran genommen , zumal die intimen Quellen gröfstenteils noch auf lange Jahre hinaus schwer zugänglich sein werden und die Zurückhaltung, die sich der König, in strenger Beobachtung seiner verfassungsmäfsigen Rechte und Pflichten, selbst den ihm persönlich Nahestehenden gegenüber stets auferlegte, ein Urteil über den Umfang seiner Herrschertätigkeit sehr erschwert. Hoffen wir, dafs es dem Biographen gelingen wird, diese Schwierig- keiten zu überwinden und ein Bild des Königs zu entwerfen, das in der Geschichte fortleben wird.

So hohe Anforderungen darf mau an die Schriftchen nicht stellen, die wir hier aus der Menge der Nachrufe herausheben; was sie au geschichtlichem Material enthalten, ist durchweg bekannt. Aber als warm und wahr empfundene Charakterskizzen am Grabe eines nicht blofs wegen seiner Verdienste hochgeachteten, sondern auch als Persönlichkeit geliebten Fürsten glauben wir sie doch an dieser Stelle nicht übergehen zu dürfen.

Am unmittelbarsten spiegeln den Eindruck des 19. Juni 1902 die damals gehaltenen Ansprachen wieder. Eine Anzahl derselben hat Oberregierungsrat Hans von Nostitz in würdiger Ausstattung herausgegeben und Ihrer Majestät der Königinwitwe gewidmet, für deren Stiftung, den Albertverein, der Ertrag bestimmt ist. Die Einsegnuugsansp räche des Fürstbischofs Kardinal Kopp und die in der evangelischen Hofkirche gehaltene Gedächtuispredigt des Oberhofpredigers D. Ackermann sind Meisterleistuugen geistlicher Beredsamkeit, berühren jedoch, ihrem Zwecke entsprechend, die ge- schichtliche Bedeutung des Verewigten nur beiläufig. Im Vorder- gründe steht diese dagegen in der gehaltvollen Rede, die Professor Feliciau Gels bei der Gedächtnisfeier der Technischen Hochschule, der Kunstakademie und der Tierärztlichen Hochschule am 28. Juni hielt; sie führt uns König Albert in sinniger Anknüpfung an seinen Stammvater, den Herzog Albrecht, zunächst als Krieger und zwar als deutschen Krieger vor, der „die eigenen Ruhmeszweige so un- lösbar eng in den grofsen deutschen Kranz verflochten", wie kein anderer Wettiner seit der Reformation. Die nationale Bedeutung des Königs steht durchaus im Vordergrunde; „es wird keine leere Ver- mutung sein, wenn wir in ihm einen mächtigen Pfeiler jener Brücke sehen,., die eine weise Staatskunst von unserem neuen Reich hinüber nach Österreich zu bauen wufste". In maikigen Worten betont das- selbe Prof. Lamprecht in der Ansprache beim Trauerkommers der schlagenden Verbindungen der Universität Leipzig (10. Juli 1902);

Literatur. 363

sie bezeichnet treffend als die „einzigartige Stellung des Königs in den letzten Jahrzehnten seines Lebens" „die Stellung eines getreuen Eckart, eines Helden und eines Mentors zugleich der nationalen Ge- schichte", und legt besonderes Gewicht darauf, dafs der merkwürdige Umschwung in der öffentlichen Meinung Sachsens, die Überwindung der noch in den siebziger Jahren so scharf hervortretenden partikula- ristischen Strömungen durch den J^eichsgedanken vor allem der Persön- lichkeit des Königs Albert, der „stillen aber sicheren Art seines Ein- greifens" zu danken ist. Auch in der Rede, in der H. von Nostitz am 12. Juli 1902 im Konservativen Verein zu Dresden den Hingegangenen feierte, steht die nationale Bedeutung des Königs im VordergruntL Sie hebt hervor, wie der Lebenslauf des Königs ein selten glücklicher genannt werden kann, reich durch die Liebe des Elternhauses und der fast durch ein halbes Jahrhundert mit ihm vereinten Gattin, reich aber auch deswegen, weil es ihm vergönnt war, ,,an der grofsen Arbeit seines Volkes und seiner Zeit so herrlichen Anteil zu nehmen". „Keine bessere Morgengabe kann das Leben einem Manne von der Edelart König Alberts bescheren, als dafs er an der Wende einer neuen Zeit, einer Zeit mit einer grofsen Aufgabe, geboren und dafs er unmittelbar vor sie gestellt wird". Zwei stimmungsvolle Gedichte von Julius Mittag und Curt Schulze erinnern an jenen ergreifenden Augen- blick, als der sterbende König seiner treuen Lebensgefährtin die „letzte Rose" überreicht.

Als die bedeutendste unter den Gedächtnisreden auf König Albert ist doch wohl die Ansprache Rudolph Sohms zu be- zeichnen. In wenigen grofsen Zügen wird angedeutet, wie in der Zeit von der Geburt bis zur Thronbesteigung des Königs Sachsen aus einem „halb mittelalterlichen Lande" ein moderner Verfassungs- staat mit neuzeitlichen Grundbesitz- und modernen Verkehrsverhält- nissen geworden, in die Zeit seiner Regierung aber ,,der vollständige Durchbruch der neuen Verhältnisse", die Umwandlung Sachsens in einen der bedeutendsten Industriestaaten fällt. Auf die geistvollen Bemerkungen über die Bedeutung der Monarchie im modernen Staatsleben, aber auch über die Verbindung von Königtum und Wissenschaft, von Macht und Freiheit, möchten wir besonders hinweisen.

Unter den in der Tagespresse erschienenen Würdigungen des Königs heben wir nur die zuerst im Dresdner Anzeiger erschienene biographische Skizze von Otto Kaemmel hervor, die zwar auch nichts eigentlich Neues enthält, aber ein lichtvolles und fein ge- zeichnetes Büd des verewigten Monarchen gibt. Entsprechend den vorliegenden Materialien nehmen die Jugendzeit des Königs und seine Tätigkeit als Kronprinz und Feldherr den gröfsten Raum ein; doch sind auch aas der Zeit der Regierung die wesentlichen Momente knapp und scharf herausgehoben'), und namentlich seine Stellung und sein Einfluis als Bundesfürst wird voll gewürdigt. Als trefflich gelungen möchten wir namentlich die Charakteristik auf S. 43 ff. hervorheben.

Dresden. Er misch.

1) Auf die etwas eingehendere Behandlung der Tätigkeit des Königs als Staatsmann , die ich im Dresdner Journal (Nr. 1.53—157) gegeben habe, sei mir gestattet, an dieser Stelle hinzuweisen.

364 Literatur.

Tafeln vorgescliichtlicher Gegenstände aus Mitteldeutscliland^

herausgegeben von Paul Benndorf. Leipzig, Frietlr. Braudstetter. 1903. 4 Taff.

Jede Tafel enthält kurze Erläuterung, ist 65:80 cm grofs und kostet unaufgezogen 8,50 Mk. Auf 4 Tafeln werden in 107 Nummern (davon ca. 50 Nummern aus dem Königreich Sachsen) prähistorische Gegenstände aus der Steinzeit, Bronzezeit, vorrömischen Eisenzeit, der römischen Kaiserzeit, derVölkerwanderuugszeit und der slavischen Periode geboten. Der äerausgeber wollte damit ein Anschauungs- mittel in erster Linie für höhere Schulen und Volksschulen, sodann aber auch für Vereins- und Privatsammlungen schaffen. Ein Vergleich der Benndorf 'sehen Tafeln mit älteren, anderwärts zu gleichem Zwecke hergestellten, läfst den Vorzug der ersteren ins hellste Licht treten. Sie haben infolge der Gröfse der Gegenstände und der guten Aus- führung der Lichtdrucke eine vortreffliche Fernwirknng und eignen sich darum für Unterrichtszwecke recht gut. Im Interesse der prä- historischen Forschung möchte man wünschen, dafs besonders alle Landschulen in den Besitz eines solchen Anschauungsmittels kämen; denn erst dann, wenn unsere Landbevölkerung mit Form und Be- deutung der vorgeschichtlichen Reste vertraut gemacht wird, ist die Erwartung berechtigt, dafs kein für die Vorgeschichte der Heimat wichtiger Bodenfund di;rch Unverstand zu Grunde geht.

Es wäre schliefslich doch wohl möglich gewesen, die Zahl der auszuwählenden Tj'pen einzuschränken, so dafs zwei Tafeln für den beabsichtigten Zweck ausreichten, die dann mehr Aussicht auf all- gemeine Ausführung in den Landschulen hatten, als deren vier.

Bei einer 2. Auflage würde es sich empfehlen, auf seltene Formen zu verzichten und nur Typisches auszuwählen. Die Bezeich- nung „Urne" ist nur auf die vor slavischen (germanischen) Grab- gefäfse mit Leichenbrand anzuwenden. Tafel III, Nr. 5 Fundort Weinbühla hei Meifsen. Tafel IV, Nr. 42 Fundort Grofspostwitz bei Bautzen. Tafel IV Hallsatt statt dt. Tafel IV leidet an Über- füDung.

Dresden. F. H. Döring.

Die Slawen in Dentscliland. Beiträge zur Volkskunde der Preufsen, Litauer und Letten, der Masuren und Philipponen, der Tschechen, Mährer und Sorben, Polaben und Slowinzen, Kaschuben und Polen. Von Dr. Franz Tetzner. Braunschweig, Fr.Vieweg & Sohn. 1902. XX und 518 SS. 8».

Dr. Fr. Tetzner bietet in seinem umfangreichen und mit viel Liebe zur Sache geschriebenen Buche mehr als der Haupttitel des- selben „Die Slawen in Deutschland" verspricht, indem er auch von den zwar nichtslavischen, aber mit den Slaven d. h. den Polen lange Zeit in enger Beziehung stehenden alten Preufsen, Litauern und Kuren-Letten handelt, die er zusammenfassend „die baltischen Volksstämme in Deutschland" nennt; aber daraus dürfte ihm doch wohl niemand erneu Vorwurf machen. Ebenso ungerecht er- scheint mir der Vorwurf, dafs er, weil er die Mährer und Tschechen in Oberschlesien voneinander sowie die Masuren in Ostpreufsen von den Polen trennt, nicht wüfste, dafs die Mährer zum tschechischen und die Masuren zum polnischen Volksstamm gehören; ob hingegen die Kaschuben und Slowinzen zum polnischen Sprachgebiet zu rechnen seien oder nicht, darüber streiten ja die Gelehrten selbst noch mit-

Literatur. 365

•einander. Meiner Ansicht nach hat Tetzner gar nicht ein streng wissenschaftliches Werk schallen wollen, sondern er hatte es sich zur Hauptaufgabe gemacht, ein Euch zu liefern, das seine deutscheu Leser mit den Stammeseigentümlichkeiten aller unter und neben ihnen "wohnenden nichtdeutschen, in der Hauptsache slavischen Mitbürger im Osten von Deutschland auf anregende Weise näher bekannt machen soll. Aus diesem Gnmde hat er auch seinem Werke die originellen und trefflichen .Illustrationen beigefügt, deren Beschaffung ihm jedenfalls viel Mühe und seinem Verleger viel Geld gekostet hat. Mit Rücksicht darauf hat er ferner an den in den offiziellen Statistiken und auch sonst im gewöhnlichen Verkehr gebräuchlichen Sonderbezeichnungen der einzelnen Zweige der gröfseren slavischen Volksgruppen festgehalten und seine Arbeit auch auf die jetzt.. aus- gestorbenen Preufsen und Polaben ausgedehnt in der richtigen Über- legung, dafs seine Beschreibung bei gar vielen ihrer Nachkommen ein lebhaftes Interesse und die Erkenntnis wachrufen werde, dafs sich, wenn auch die alte Sprache verklungen, unter ihnen im übrigen doch noch gar vieles von der Väter Sitten und Gebräuchen, religiösen Anschauungen und sozialen Einrichtungen bis iu die Gegenwart er- halten hat. Mit Rücksicht darauf endlich hat er von denjenigen teils lebenden teils ausgestorbenen Volksstämmen eingehender ge- sprochen, die wie die Polaben, Kuren und Philipponen dem grofsen Publikum und wohl auch manchem Gelehrten bisher wenig oder so gut wie gar nicht bekannt waren, denjenigen aber, die wie die Polen aus der derzeitigen Tagesliteratur in Deutschland genugsam bekannt sind, weniger Zeit und Raum gewidmet. Letzteres war auch schon rein äufserlich geboten; denn hätte er dem so reichen polnischen Volkstum eine ebenso eingehende Behandlung wie den anderen zu teil werden lassen, so wäre sein schon an sich umfangreiches Buch iinverhältnismäfsig dick geworden oder er hätte die Polen ausschalten und iu einem besonderen zweiten Bande behandeln müssen. Besonders wohltuend wirkt der ruhige objektive Ton, in dem der Verfasser von den übrigen Volksstämmen spricht, und das Streben nach möglichst genauer Zpichnung ihrer gegenwärtigen wie vergangenen nationalen und sozialen Verhältnisse.

Die zwölf einzelnen Abschnitte des Buches sind in den besonderen Titeln durch die angeführten Namen derVolksstämme genau bezeichnet. In jedem derselben bespricht Verfasser bald mehr bald weniger ein- gehend: 1. das Sprachgebiet und die Geschichte des betreftenden Zweiges, 2. seine Siedlung (Dorfanlage, Gehöfte, Hausinschriften), 3. Kleidung, Beschäftigung, Hausgeräte, 4. Feste und Spiele, Sitten und Gebräuche, 5. Aberglauben (Götter und Geister), 6. das geistige Leben: Musik, Tanz und Gesang, Lied und Spruch, 7. Literarhistori- sches, Sprachliches, Sprachproben (neben anderen durchweg das Vater- unser). — Jedem Abschnitt ist vorausgeschickt die einschlägige Jjiteratur und zwar, soweit sie aus deutscher Feder geflossen, mög- liebst vollständig, was sicherlich manchem slavischen Forscher will- kommen sein wird; die slavische Literatxir fi'eilich fehlt meist ganz, was sich aber dadurch entschuldigt, dals der Verfasser sich natüilich nicht alle die fremden Sprachen und Dialekte hat aneignen können, um die in jenen geschriebenen einschlägigen Schriften für sein Buch zu verwerten.

Zahlreiche Abbildungen, Karten, Pläne und Proben von Liedern nebst Melodien erhöhen noch den Wert des Buches: es bietet nämlich im ganzen 15 Volksmelodien, darunter die einzige, sehr interessante

366 Literatur.

und bisher unzugängliche lüneburgisch- wendische (polabi?che) zu dem von Hennig aufgezeichneten Hochzeitslied, 76 Volkslieder, wenn auch mit Rücksicht auf die Leser meist in deutscheu Übertragungen; 22 Karten der Sprachgebiete nebst Plänen und 192 Abbildungen von Volkstrachten, Bauernhäusern, Geräten der bäuerlichen Kleinkunst u. dergl. teils im Text, teils auf besonderen Beilagen ; besonders die letzteren können als glücklich gewählte und tadellos ausgeführte Typen der betreffenden Landschaften allen, insbesondere auch den slavischen Ethnographen aufs wärmste empfohlen werden; bei den ethnographischen Karten, die sehr instruktiv sein könnten, ist zwar auch die gröfste C-Tewissenhaftigkeit geübt worden, doch nur zwei (die litauische und f-lowinzische) beruhen auf Tetzners eigenen For- schungen, die übrigen stützen sich nicht allein auf die Statistik der Volkszählungen, sondern auch auf verschiedene nicht immer ganz zuverlässige Gewährsmänner, so dafs sie infolge dessen nicht überall der Wirklichkeit entsprechen.

Da ich den mir gesteckten Rahmen weit überschreiten würde, wollte ich alle 12 Abschnitte des Buches einer näheren Durchsiebt unterziehen, so kann ich hier nur auf den die Leser des N. Sachs. Archivs zunächst interessierenden Abschnitt über die Sorben bez. Lausitzer Wenden (SS. 282 345) näher eingehen, der abgesehen von einigen kleinen Irrtümern eine Fülle von anziehenden Einzelheiten enthält und die übrigen sogar noch durch die Menge seiner durchweg gelungeneu Illustrationen übertriift. Angenehm berühren niuls vor allem einen Wenden, der sein Volkstum liebt, das gerechte Urteil des Verfassers auf S. 288: „Wenn gewisse deutsche Kreise die wendische Sprache ausrotten wollen, trotzdem die Wenden sich stets durch Loyalität ausgezeichuf-t haben, so beruht dies auf falschem Patriotismus, aber die Zahl der AVendenfeiude ist wohl eine ganz geringe". Ja, aufserhalb der Lausitzen wohl, aber im wendischen Sprachgebiet selbst gibt es gar manche Leute, die sich durch Feind- schaft gegen das Wenden tum beliebt zu machen und Vorteile zu erlangen hoffen. Hätte der Verfasser Gelegenheit gehabt, die Lausitzen öfter aufzusuchfu und länger unter den Sorben forschend zu weilen, dann hätte er gewifs auch selbst diese Beobachtung ge- macht; er hätte aber dann auch gelegentliche Reiseerleb aisse, wie z. B. die ausgedehnte Schilderung des gereizten betrunkeneu Bauern in Burg -Spreewald (S. 289 f.), doch wohl bei Seite gelassen und vor allem sicherlich die meisten Versehen uud Unrichtigkeiten, die ihm hin und wieder untergelaufen sind, in seiner sonst so anmutenden und lesenswerten Beschreibung unseres Wendenlandes vermieden. Wenn ich diese jetzt hier kurz erwähnend berichtige, so soll dadurch dem Werte des Buches kein Abbruch getan, sondern nur dem vom Verfasser selbst S. 8 der Einleitung ausgesprochenen Wunsche ent- sprochen werden.

Der erste Abschnitt über das Sprachgebiet imd die Geschichte der Sorben ist weniger gelungen als die übrigen und hat dazu manche Ungenauigkeiten. Das heutige Sprachgebiet auf der Karte S. 284 ist offenbar ungenau begrenzt und besonders in der Gegend zwischen Senftenberg - Spremberg - Forst zu Ungunsten des wenJischen Volks- tums beschnitten. Weifswasser (S. 290) bei Muskau als ein in den letzten 25 Jahren entstandener deutsch-polnisch-tschechisch-jüdischer Fabriksort kann selbstverständlich kein Verlangen nach wendischer (sorb.) Predigt haben. Das hat auch der sei. Pfarrer D. Immisch sehr gut gewufst. Königswartha (S. 290) ist weder eine Stadt noch die

Literatur. 367

einzige sorbische Stadt, noch hat es 15 Vereine, geschweige denn 15 Vereine für Sorben, die in der ganzen sächsischen Lausitz kaum Tiel mehr als 15 wirkliche sorbische Vereine haben dürften. Die offenkundigen schlechten Scherze in den Zähllisten der Volkszählung Ton 1890 hätte der Verfasser doch nicht für bare Münze nehmen, sondern richtigstellen sollen; dals 1890 von den preuf^^ischen Sorben S. 291) der Staatsangehörigkeit nach 509 Osten eich, 13 Ungarn, 10 Schweden und je 2 Belgien und Rumänien angehörten und 9 Sorben bei den Juden waren, ist offenbar Unsinn: die 509 und 13 Personen, die fcich zur österreichischen bez. ungarischen Staatsangehörigkeit bekannten, waren natürlich keine Wenden bez. Sorben des Verfassers, sondern Winden d. h. Sloveneu aus Österreich - Ungarn , und seine „9 Sorben bei den Juden" sind vielmehr 9 Juden bei den Sorben, die wirklich bereits auch niedersorbisch sprechen und woLl nicht ohne Absicht sich zu den Wenden geschlagen haben. Die übrigen haben jedenfalls aus Ulk bez. Unverstand sich zur rumänischen und Gott weifs welcher Staatsangehörigkeit bekannt. Sorbischer (vulgo wendi- scher) Gottesdienst in Leipzig ist mir unbekannt. Die Klanzei (S. 291 Z. 16 V. u.) gehört nicht ins Sorbenland, sondem ins lüne- burgische Wendland. A^on Heinrich dem Löwen (S. 292) ist (1180) meines Wissens kein Aufstand der Sorben angezettelt worden, sondern das letzte Eingen derselben um ihre Freiheit fand bereits zwischen 1110—1118 statt. Der Vettersfelder Goldfund (S. 292) wird weder in Görlitz noch in Bautzen, sondern in Berlin aufbewahrt.

Im zweiten meist einwandfreien Abschnitt über Dorf und Gehöft wird bei der Beschreibung des Gehöftes fast ausschliefslich auf die Niederlausitz und zwar auch da nur auf den Spreewalddistrikt (Werben, Burg, Guhrow) Rücksicht genommen, und die dortige Dorf- anlage und Bauweise scheinbar auch auf das übrige Wendenland ausgedehnt. Hier hätte dem Verfasser grofse Dienste leisten können die im Öasopis M. S. 1889 veröffentlichte Monographie „Wobydlenje luziskich Serbow" (Wohnung der Lausitzer Wenden). Im Sorbenlande steht der Obstbau (gegen S. 296 Z. 19 v. o.) höchstens mit Ausnahme des nassen Spreewaldes und einiger Dörfer der tmfruchtbaren Heide jedenfalls auf ebenso hoher Stufe der Entwickelung Avie bei den deut- schen Bauern in Sachsen und Preufsen. Dafs ein grofser Feuerhaken (S. 301) irgendwo als Gemeindestab benutzt worden wäre, ist dem wifsbegierigeu Forscher doch wohl nur von einem schalkhaften Bauer zum Scherz aufgebunden worden. Der Vorderzaun geht in der Regel nicht um das ganze Gehöft und ist dann überhaupt kein Vorderzaun mehr. Die Bezeichnung Holzschindel und mehr noch Schilf- und Strohschindel ist schief; übrigens sind heutzutage mit Schilf bez. Stroh oder Schindeln gedeckte Häuser im Sorbenlande selten und gewifs nicht häitfiger als in den angrenzenden nichtsorbischen Gegenden.

In dem dritten Abschnitt über die Kleidung wird zu wenig geschieden zwischen deu ganz verschiedenen Trachten der Nieder- lausitz, der Muskauer Gegend und der Oberlausitz, und eingehenderer Beschreibung teilhaftig wird eigentlich nur die dem deutschen Publi- kum SU wie so bereits am meisten bekannte und keineswegs origi- nellste Spreewaldtracht. Dagegen ist auffälligerweise die auf den Abb. 125 und 129 gezeigte Tracht der Wenden der preufsischen Ober- lausitz aus den Kirchspielen Klitten und Hoyerswerda- Bluno so gut wie gar nicht erlätxteit, nicht minder aber auch die so interessante aussterbende niedersoi bische Tracht des Kirchspiels Schorbus (Abb. 127). Die strengen Verordnungen gegen den Kleiderluxus der Avendischen

368 Literatur.

Landbevölkerung (zur Zeit Aiigusts des Starken) bezogen sich nur auf die Oberlausitz und in der Hauptsache nur auf die reiche Pflege um Bautzen. Der Festkopfschmuck Hupatz der niedersorhischen Jungfrauen (S. 310) wird nicht bei gewöhnlichem Kirchgang, sondern nur von Bräuten und Brautjungfern sowie ledigen Taufpatinnen und natürlich in verschiedener Form und Ausschmückung getragen. Die Ostersängerinnen endlich auf Abb. 125 stammen nicht aus Schleife (S. 310), sondern aus Klitten.

Der vierte Abschnitt (Götter und Geister) enthält sehr vieles Unrichtige und Vervi'orrene ; hier hätte der Verfasser die meisten Fehler vermeiden können, wenn er das vortreffliche Buch von Adolf Cerny „Mythiske bytosce luziskich Serbow" (Mythische Wesen der Lausitzer Wenden; Bautzen 1898) gekannt und studiert hätte. Über- . haupt hätte die ganze höchst unkritische Göttergeschichte besser wegbleiben sollen; denn die meisten der dort angeführten Gottheiten waren den Sorben vöUig unbekannt, und überdies heifst abgesehen von anderen Unrichtigkeiten der slavische Donnergott nicht Perkun wie bei den Litauern, sondern Perun und der angebliche slavische Priapus nicht Propilaga, sondern Pripegala. Natürlich ist in der Kiederlausitz zmija (nicht zmij) nur die gewöhnliche Benennung für Schlange (S. 311), aber in der ganzen Oberlausitz Avird der „feurige Luftdrache" nicht plon wie in der Niederlausitz, sondern zmij ge- nannt. Einen Glauben „an den Tschary („wo"s scheucht")" gibt es nicht, sondein der Verfasser hat seinen Berichterstatter nicht ver- standen; für Tschary wurde ihm gesagt tschachy (d. i. Gespenster), und dieses ist einfach der Pluralis von Tschach (vgl. S. 311 Z. 5 v. o. Tfach). Die wendischen Heinzelmännchen (S. 311 Z. 10 v. u.) heifsen nicht ludki, sondern lutki und dies bedeutet nicht „Leutchen", sondern ^Puppen" (Zwerge); auch hausen nach dem Volksglauben der Wenden diese hilfsbereiten Wesen nicht in den Ecken und Ritzen der Häuser, sondern aufserhalb der Dörfer in Hügeln und Wäldern und ins- besondere in den alten Urnenfriedhöfen.

Der fünfte sehr umfangreiche Abschnitt- gibt eine im ganzen richtige und gefällige Darstellung verschiedener Sitten und Gebräuche der Sorben. Zu der Beschreibung der Hochzeitsgebräuche (S. SlSlf.l ist zu bemerken, dafs die katholische Braut (S. 317 Z. 6 v. u.) nicht um den Kopf ein Band mit Schleifen schlingt, sondern gleich den evangelischen Bräuten in der preulsisch- sorbischen Oberlausitz auf dem Kopf die turbanartige „ßorta" trägt, welche auch bei den evangelischen Wenden der sächsischen Oberlausitz noch vor mehreren Jahrzehnten den Brautschmuck bildete. Der Festkopfputz der Mäd- chen aus dem Kreise Hoyerswerda (Abi). 129) ist ebenfalls nur eine Borta, nicht etwa eine Art Fes (S. 310). Die ältere veiheiratete Begleiterin der Braut (bei Tetzner: Brautfrau!) heifst zwar wendisch Slonka (S. 318) : dieses Wort bedeutet aber zu deutsch nicht Salzmeste (!), sondern Beschützerin, Besehirnurin (von altsorb. slouic = poln. slonic, altslav. sloniti, vor der Sonne bedecken, schützen, beschiimen). Nicht beim Verlassen des Hauses, sondern bei der Rückkehr von der Taufe sagt die Hebamme bez. älteste Patin den S. 325 zitierten Spruch in folgender Fassung (natürlich wendisch): „Wir nahmen einen Heiden mit und bringen Euch (Dir) einen Christen zurück." In der sonst richtigen Beschreibung der Gebräuche bei Krankheit und Begräbnis ist S. 326 Z. 6 v. o. ein ganz vereinzelter Fall fälschlich generalisiert. Der Wende empfindet in diesen Fällen ebenso tief und ernst wie der Deutsche. Dafs beim Pfiugsttanz (S. 332)

Literatur. 3(39

wie überhaupt beim Tanz fast nur deutsch gesungen werde, ist so allgemein gesagt nicht richtig, sondern kann nur vun Burg im Spree- wald und anderen Orten an der Sprachgrenze gelten; überdies sind gerade die Püugstsitten weniger eingehend und zum Teil unrichtig beschrieben: in den mir bekannten Gegenden des Sorbenlandes z. B. weifs man absolut nichts davon, dafs der Pfingstbaum aus irgend einem Walde gestohlen sein müfste, sondern im Gegenteil die jungen Burschen halten es mit Rücksicht auf die zu ehrenden „Dorfschönen" für eine Ehre, ihn recht teuer zu erkaufen. Hier hat der Verfasser seinen Berichterstatter jedenfalls mifsverstanden. Die Burschen müssen nämlich den aufgerichteten Pliugst- bez. Maienbaura bis zum Maienfest allnächtlich abwechselnd beAvachen, damit er ihnen nicht zum Ärger und zur Schande von den Burschen der Nachbarorte bei Nacht und Nebel entführt und so das Pängstvergnügen vereitelt werde. Wenn der Verfasser das Jungferustechen und Hahurupfen (S. 334) wirklich irgendwo in der Niederlausitz gesehen hat, so sind dies sicherlich von auswäits eiugefühite und keineswegs alt wendische Spiele wie das Stollenreiten (nicht Stollereiten) und Hahnschlagen.

Zum sechsten Abschnitt (Hlusik, Tanz und Gesang, Lied und Spruch) ist berichtigend zu bemerken, dafs sich wendische Volks- musik und Volksmusikanten auch noch in der katholischen Pflege und zwar besonders in den Kirchspielen Crostwitz, Ralbitz und Katibor finden. Die Legenden (S. 343) sind gewifs nicht von Pastoren (!) gedichtet, sondern sie stammen alle bereits aus der Zeit vor der Reformation und haben zu Dichtern poetisch begabte und schrift- gelehrte Männer aus dem Volke (Volksdichter). Was die Litauer und Deutschen (S. 343 Z. 4 v. o.) bei den wendischen Rundgesängen und Hochzeitsliedern zu schaffen haben sollen, ist mir unverständlich. Zu der Behauptung „Volkslieder sammelten Haupt und Schmaler 1842 1843" sei bemerkt, dafs Haupt keine Volkslieder gesammelt kat, sondern nur seinen Namen als Staffage zum Titel hergab; ge- sammelt hat die Lieder allein Schmaler mit jahrelanger 31uhe und zwar vor 1841, w'o der erste Band erschien. Die neuereu im ganzen ebenso umfangreichen Sammlungen wendischer Volkslieder erwähnt Dr. Tetzner gar nicht.

Die Angaben über Literatur und Sprache sind zwar auch in den meisten übrigen Teilen des Werkes sehr knapp und karg, hin- sichtlich der Sorben aber (S. 344 f.) sind sie ganz besonders lücken- haft und ungesichtet; von obersorbischen Dichtern z. B. werden neben Zejler bez. deutsch Seiler (Tetz. fälschl. Zeiler) nicht einmal die beiden noch lebenden, allgemein , bekannten und anerkannten Jan Radj'serb-Wjela und Jakub Bart-Cisinski erwähnt. Auch sind die spärlichen wendischen Texte, die als Sprachproben zu gelten haben, nicht frei von Fehlern, insbesondere die beiden Liederstrophen aus einer Schrift des Hortzschansky d. i. Höroanski von 1782 (S. 323f.) und das niedersorbische Vateruuser (S. 345), das eine völlig veraltete und fehlerhafte Orthographie aufweist, an der freilich in erster Linie nicht der Verfasser, sondern sein Gewährsmann schuld zu sein scheint.

Trotz der angeführten Versehen und Unrichtigkeiten'», deren sich ähnliche auch in den anderen Teilen des Werkes linden, die

1) Als Druckfehler sind wohl zu betrachten und zu berichtigen: S. 282 Z. 5 V. u.: Werben in Hoyerswerda. S. 285 Z. 5 v. o.: Lud- kau in Luckau. S. 286 Z. 1 v.o.: Glagow in Gaglow. S. 291

Neues Archiv f. S. G. u. A. XXIV. 3. 4. 24

370 Literatur.

aber in einer zweiten Auflage, welche voraussichtlich sich in nicht allziüanger Zeit nötig machen wird, mit Hilfe von sachkundigen Männern aus den einzelnen Volksstämmen leicht beseitigt werden können, ist und bleibt das Tetznersche Buch ein sehr verdienstvolles und interessantes Werk, dessen Anziehungskraft, wie bereits erwähnt, noch erhöht wird durch die beigegebenen Illustrationen sowie durch die gewandte und gefällige Darstellung, die sich durchweg fernhält von trockener, ermüdender Gelehrsamkeit trotz der vielen eingestreuten statistischen Einzelheiten. So sind z. B. , um nur dies noch zu er- wähnen, Daten über das Schwinden und Zurückdrängen der einzelnen Sprachen aus. Schule, Kirche und Gemeinde zusammenfassend in solcher Menge und Übersichtlichkeit bisher nirgends zu finden gewesen.

Wenn man zum Schlafs das Werk als Ganzes ins Auge fafst, darf man wohl getrost behaupten, dafs der Verfasser seine Hauptaufgabe, das grofse deutsche Publikum mit den nichtdeutschen Volksstämmen in der östlichen Hälfte des deutscheu Reiches auf angenehme und anregende Weise näher bekannt zu machen und für ibr Volkstum unser Interesse zu wecken, recht glücklich gelöst hat und dafür volle Anerkennung und den Dank seiner Leser wohl verdient.

Freiberg i. S. Dr. E. Mucke.

Slarische Clirestouiathie mit Glossaren. Von Dr. Erich Berneker,

ao. Univ.- Prof. in Prag. Stralsburg, Karl J. Trübner. 1902. XI, 484 SS. 80.

Diese recht praktische und schon längst als Bedürfnifs em- pfundene Chrestomathie, die im Verlage der durch Herausgabe wissenschaftlicher Werke rühmlichst bekannten Firma von R. Trübner in Strafsburg erschienen ist, verdient eine kurze Anzeige im Neuen Sachs. Archiv besonders aus dem Grunde, weil sie auch die wendische Sprache berücksichtigt. Sie bietet passend ausgewählte Stoffe aus der Schriftsprache und den wichtigeren Volksdialekten aller slavischen Sprachen in folgender Anordnung: Kirchenslavisch. Russisch^ Klein- russisch. Bulgarisch. Serbisch- Kroatisch. Slovenisch. Cechisch. Slovakisch. Polnisch. Obersorbisch. Niedersorbisch. Polabisch. Das Obersorbiscüe ist vertreten dufch sein ältestes Sprachdenkmal, den Bautzeuer Bürgereid (15. Jahrb.), ferner durch einen der sieben Bufspsalmen Davids von Martini (17. Jahrb.) und durch das Volks- märchen vom Kriege des Wolfes mit dem Fuchs, das Niedersorbische durch einen Abschnitt aus der gröfstenteils noch uugedruckten Über- setzung des Neuen Testaments von M. Jakubica von L548 und durch das längere Märchen vom dummen Hans.

An jede der 12 Abteilungen schliefst sich ein genaues Glossar an, bei dem zugleich auf die hauptsächlichsten Wörterbücher der einzelnen slavischen Sprachen hingewiesen ist.

Z. 11 v.u.: Rütschel in Kritschel bez. Pritschel. S. 294 Z. 14 V. 0.: Hufen in Morgen. S. 294 Z. 3 v.u.: Gurhow in Guhrow. S. 30t) Z. 2 V. u. : neimten Jh. in neunzehnten Jahrb. S. 310 Z. 6 u. 4 V. u. : serenje und Bud in serjenje und bind. S. 311 Z. 14 u. 13 v. u. : Serponitza und Drjanotka in Serpownica und Dremotka. S. 312 Z. 1 v. u. : Krapat in Krabat. S. 345 Z. 5 v. u. : zwoje in twoje. S. 345

Z. 3 u. 2 V. u.: daj und winikam in daj und winikam.

Literatur. 371

Das Studium der slavischen Sprachen in Deutschland hat durch Bernekers Buch eine wesentliche Stütze und Erleichterung erfahren, und es ist nicht nur angehenden Studenten der Slavistik, sondern auch allen, die sich leicht über die einzelnen slavischen Sprachen und ihre gegenseitige Verwandtschaft orientieren wollen, warm zu empfehlen.

Freiberg i. S. Dr. E. Mucke.

Neue sächsische Kircliengalerie. Unter Mitwirkung der sächsischen Geistlichen herausgegeben von D. Georg Bucinvald, Pfarrer an der Nordkivche zu Leipzig. (13d. IV— Vi.) Ephorie Meifsen (unter redaktioneller Leitung von Pfarrer Hickmann). Ephorie Schneeberg. Ephorie Zwickau (unter redaktioneller Leituugvon Pastor H. Klotz). Leipzig, Conrad Strauch. 1902. 3 Ell. u. 1298 Spp.; 2 Bll. u. 616 Spp.; 3 Bll. u. 1008 Spp. 4»^.

Das verdienstliche Unternehmen, über das wir zuletzt Bd. XXII S. 382 ff. dieser Zeitschrift berichtet haben, schreitet vielleicht nicht so schnell, wie mancher Leser und Mitarbeiter wünscht, aber doch stetig fort; drei stattliche Bände sind im Jahre 1902 zum Abschlüsse gelangt. Bei der Fülle des Stoffes, die sie bieten, ist uns ein Ein- gehen auf Einzelheiten nicht möglich; wir beschränken uns auch diesmal auf wenige allgemeine Bemerkungen und knüpfen dabei an unsere früheren Besprechungen an. Dafs die in ihnen geäufserten Wünsche bei der Oberleitung des Werkes und einem grofsen Teil der Mitarbeiter freundliche Berücksichtigung gefunden, haben wir mit Befriedigung wahrgenommen.

Sehr zu billigen ist, dafs die für die Schultern des einzelnen entschieden zu schwere Last der Redaktion des Gesamtwerkes durch die Übertragung der redaktionellen Leitung einzelner Bände (Ephorien) an solche Geistlichen der betreffenden Bezirke, deren bisherige Studien sie als besonders gut vorbereitet er,scheinen liefsen, wie P. Klotz in Zwickau und Pfarrer Hickmann in Colin bei Meifsen, eine wesentliche Erleichterung erfahren hat. Inwieweit diese Herren redaktionell eingegriffen haben, kann der Leser freilich nicht beurteilen; nur selten sind einmal in den Noten oder auch durch ein Fragezeichen im Text berechtigte Zweifel angedeutet. Wer jedoch die Schwierig- keiten einer solchen undankbaren Tätigkeit kennt, wird nicht zu streng richten, wenn hier und da noch etwas stehen geblieben ist, was wir, schon mit Rücksicht auf den gewaltig anschwellenden Um- fang des Werkes, ohne Bedauern vermissen würden. Denn es hat doch auch sein gutes, wenn den einzelnen Mitarbeitern und besonders denen, die mit offenbarer Liebe zur Sache gearbeitet haben und das ist die grofse Mehrzahl ihre individtielle Freiheit möglichst wenig beschnitten wird, und wir nehmen lieber einzelueWiederholungen und die Unglei<^hmäfsigkeit in den Kauf, die dadurch entsteht, dafs der eine in erbaulicher Breite die Geschichte seiner Parochie ein- schliefslich aller ,.Casus tragici", von denen die Kirchenbücher be- richten, erzählt, der andere aber in epigrammatischer Kürze seine Exzerpte unverarbeitet aneinander reiht, als dafs wir einer schemati- schen Gleichförmigkeit das Wort reden möchten. Der Versuchung, die Ortsgeschichte bis auf Chiisti Geburt oder noch weiter zurück zu verfolgen und die alten Hermunduren- und Wendengeschichten, die Verdienste Heinrichs I. und andere allgemeingeschichtliche und

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372 Literatur.

allgemein bekannte Tatsachen immer von neuem aufzuwärmen, ist meist mit Erfolg Widerstand geleistet worden, während sich freilich der gefährliche Boden der ürtsnamenerkläruug immer noch als sehr verlockend erweist.

Ein erfreulicher Fortschritt ist, dafs doch weitaus den meisten Artikeln mehr oiier weniger ausführliche Angaben über Qi;ellen und Literatur beigefügt worden sind. Was erstere anlangt, so müssen wir immer von neuem betonen, dafs neben den örtlichen Archiven eine Berücksichtigung des Dresdner Hauptstaatsarchivs in allen Fällen empfehlenswert und in den meisten unerläfslich ist. Namentlich seine Visitationsakten enthalten fast stets reiches Material. Da eine Ver- sendung dieser Akten niclit möglich ist, so wäre vielleicht zu erwägen, ob ihre Bearbeitung für das (iebiet einer ganzen Ephorie nicht einem einzelnen übertragen werden könnte, am besten natürlich dem Re- daktor des betreifenden Bandes, dessen Arbeit dadurch freilich wesentlich erschwert würde. Für die Literaturangalien liefse sich eine Vereinfachung etwa dadurch erzielen, dafs die für alle Artikel gleichmäfsig in Betracht kommenden Werke (wie die alte Kircheu- galerie, Schumann und Schilfners Lexicon von Sachsen, der Codex diplom. Saxon., das Archiv und das Neue Archiv f. Sachs. Gesch., die Beschreibende Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler Sachsens usw.) und die für den betreffenden Einzelband zu benutzenden Monographien (wie Bej^ers Altzelle, Märkers Burggraftum Meifsen, die betr. ortsgeschichtlichen Zeitschriften usw.) seitens der Redaktion zusammengestellt und in einem Abzug den Mitarbeitern übersandt würden; es genügte dann ein Abdruck dieser Verzeichnisse am Schlüsse des einleitenden Abschnittes jeden Bandes, und die einzelnen Bearbeiter könnten ihre Angaben auf die speziell ortsgeschichtlichen Werke beschränken. Die bedenklii-hen Folgen einer unzulänglichen Kenntnis der Literatur, wie sie ja an einem entlegenen Pfarrorte wohl begreiflich ist, machen sich hier und da bemerkbar; so würde z. B. der Artikel ,, Siebenlehn" anders ausgefallen sein, wenn der Verfasser das Freiberger Urkundenbuch und Beyei's Altzelle benutzt hätte; die Kenntnis von Märkers Burggraftum Meifsen würde den Bearbeiter der Parochie Grünhaiu vor der Behauptung bewahit haben, dafs ,,die Burggrafen in den Markgrafen- und Kuifüi-steustand erhoben worden seien" (Eph. Schneeberg Sp. 3.59). Die Vermutung über die Entstehung von Bärenwalde (Eph. Zwickau Sp. 466) wird dadurch hinfällig, dafs Auerbach erst um 1440 in den Besitz der Burggrafen von Dohna gelaugte. Die Turmkno])ffabelei über die Kirche zu Culitzsch (ebenda Sp. 595) haben wir bereits Bd. XXITI S. 172 zurück- gewiesen. — So liefsen sich ja noch viele Einzelangaben berichtigen; im ganzen hat man aber doch den Eindruck, dafs der wissenschaft- liche Gehalt des Werkes mit jedem Bande ein höherer wird.

Neben den Quellennachweisen, die ja besonders dankenswert sind, wenn sie sich nicht auf allgemeine Angaben beschränken, sondern jede einzelne Nachricht belegen, wie dies z. B. Klotz für Zwickau, Planitz für Obercrinitz, Schüller für Härtensdorf, Kruspe für die Ephorie Meifsen gewissenhaft tun, verdienen besonderes Lob die sorgfältigen Namen- und Sachregister, die allen drei Bänden Ijeigefügt sind; für Meifsen hat sich der Herausgeber Buchwald selbst der grofsen Mühe unterzogen. Gerade diese Register erschliefsen den reichen Inhalt des Werkes auch für allgemein-gescliichtliche Zwecke, und ein grofser Teil seines Wotes liegt doch daiin, dafs es nicht blofs für die Kirchengeschichte Gewinn gewährt.

Literatur. 373

Die gesamte Einrichtinig; des Werkes ist sonst dieselbe geblieben ■wie bisher. In einleitenden Abschnitten behandeln Höhne die Ephorie Schneeberg, Klotz die Ephorie Zwickau und Kruspe die Ephorie Meilsen sehr anerkennenswerte Ausführungen, wie aucli die von Landgraf über die Parochien der Schönburgischen Herrschaften Hartenstein und Stein. Die einzelnen Parochialgeschichten gehen von der allgemeinen Ortsgeschichte aus, wobei die Darlegung der Besitzverhältuisse in den ländlichen Parochien natürlich besonders wichtig ist; durch ihre Berücksichtigung wird die Kirchengalerie, wenn sich auch hier und da ein Fehler eingeschlichen haben mag, doch zu einem unentbehrlichen Nachschlagewerk für die Geschichte unseres Adels. Das Schwergewicht liegt auf der Geschichte der Kirche und der Pfarre. Für die vorreformatorische Zeit üossen die Quellen abgesehen vom Stift Meifsen und Klöstern wie Grünhaiu und Altzelle meist recht dürftig; doch werden sie in der Regel mit anerkennenswerter Unbefangenheit und nicht ohne Verständnis für die kirchlichen Einrichtungen des Mittelalters benutzt. Ausführ- licher werden die Reformationsgeschichte und die kirchlichen Organi- sationen des 16. Jahrhunderts behandelt. Weiterhin bieten die Kirchen- bücher ein ortsgeschichtlich oft sehr wertvolles Material; man wird z. B. für die reiche Fülle von Einzelnachrichten zur Geschichte des Dreifsigjährigen Krieges und der Kriege des 18. Jahrhunderts sehr dankbar sein müssen, wenngleich sie in ihrer traurigen Einförmigkeit auf den Leser recht ermüdend wirken. Mit besonderer Vorliebe be- handeln die Verfasser in der Regel die einzelnen Pfarrer, über die ihnen oft viele Nachrichten zur Verfügung standen; das bekannte Werk von Kreyfsig erfährt manche Berichtigung (vgl. die Zusammen- stellung dieser Berichtigungen für die Ephorie Meifsen, die Nachahmung verdient). Auch die Baugeschichte der Kirchen, ihre Glocken, ihre Ausstattung werden sehr eingehend behandelt, wobei für die Ephorieu Schneeberg und Zwickau die Arbeiten Steches zu gründe gelegt werden konnten. Staunenswert ist die Zahl der in den letzten Jahr- zehnten neu gebauten Kirchen, von denen fast durchweg Abbildungen gegeben werden, wie denn überhaupt die illustrative Ausstattung des Werkes sehr reich ist. Besonders hinweisen möchten wir auf die Ausführungen des Dorapredigers Körner über den Meifsner Dom, denen das Linnemannsche und das Schäfersche Turmprojekt beigefügt sind; der Verfasser kann sich weder mit dem einen noch mit dem andern befreunden und steht somit auf demselben Standpunkte, wie die meisten Fachmänner und fachwissenschaftlichen Vereine des Landes. Die volkskundlichen Bestrebungen unserer Zeit macheu sich darin bemerkbar, dafs die kirchlichen Sitten und Gebräuche viel- fach berücksichtigt werden. Endlich wird durchweg die Geschichte der Schulen eingehend behandelt.

Auch die vorliegenden Bände machen den Eindruck, dafs die neue Kirchengalerie eine wesentliche Bereicherung iinserer orts- geschichtlichen Literatur zu werden verspricht. Möchte doch auch der buchhändlerische Erfolg nicht ausbleiben, der, wie wir hören, bisher noch zu wünschen übrig läfst. Diejenigen Kirchengemeinden, die über einigermafsen ausreichende Mittel verfügen, sollten eine Ehre darein setzen, das Werk ihrer Pfarrbibliothek einzureihen, und wenigstens denjenigen Band, der die eigene Parochialgeschichte ent- hält, sollte jede Kirchengemeinde besitzen.

Dresden. Er misch.

374 Literatur.

Geschichte der Kantorei -Gesellschaften im Gebiete des ehe- maligen Kurfürstentums Sachsen. Von Arno Werner. (A. u. d. T.: Publikationen der Internationalen Musiki^esellscbaft. Beihefte. Heft IX.) Leipzig, Breitkopf & Härtel. 1902. 84 SS. S".

Die Kaiandbrüderschaften, das kulturelle Vorbild der sächsischen Kantoreien. Ein Beitrag zur Geschichte der kirchlichen Musik- pflege in vor- und nachreformatorischer Zeit. Von Johannes Kautenstraucb. Dresden, Rammingsche Bucbdruckerei u. Verlag.

190.3. 45 SS. 8».

Von den beiden vorstehend genannten Schriften, die sich mit einer besonders im Gebiet des vormaligen Kurstaates Sachsen blühenden Form des musikalischen Vereinslebens beschäftigen, verdient nament- lich die erste auch in weitereu Kreisen Beachtung zu linden. Sie behandelt die in unseren meisten Städten unter den Namen Kantoreien bestehenden Gesellschaften zur Pflege des kirchlichen Piguralgesangs, deren Anfänge wohl noch im Mittelalter zu suchen sind (s. u.), die aber zu besonderer Blüte erst in der ßeformationszeit gelangten; der sächsische Kurkreis wurde unter dem Einfluls der Wittenberger Kantorei das eigentliche Stammland der Kantoreien, aber sie finden sich doch auch sonst allenthalben in den Städten des albertinischen Sachsen (vgl. das dankenswerte Verzeichnis S. 1.5 ff.). Auf Grund eingehender archivalischer Studien schildert der Verfasser die Ent- wicklung der Kantoreien aus freiwilligen Säugerchöieu ohne feste Organisation zu Gesellschaften mit bestimmten, individuell aus- gestalteten Ordnungen unter geistlicher Spitze; obwohl sie schon früh auch Nichtsänger aufnahmen, stand doch die Pflege des kirch- lichen Kunstgesanges durchaus im Vordergrunde, wie denn auch die Schulen damals eifrig für gute musikalische Ausbildung sorgten. Nach mittelalterlichem Vorbild traten allerhand Nebenzwecke dazu, unter denen namentlich die Leichenbegängnisse verstorbener Mitglieder und die jährlichen mindestens einmal wiederkehrenden festlichen Convivien von Bedeutung waren. Der Dreifsigjährige Krieg führte zu einem vorübergehenden Niedergange der Kantoreien; allein nach der Mitte des 17. Jahrhunderts erfolgte ein neuer Aufschwung, wenn auch ohne persönliche Beteiligung des höheren Bürgerstandes. Be- zeichnend für diese zweite Periode der Kantoreien ist die wachsende Bedeutung der Orchesterbegleitung und die Pflege der deutschen Musik im Gegensatz gegen die italienische, die mehr und mehr in den höheren Gesellschaftskreisen Boden gewann. Verhängnisvoll für die Kantoreien wurde die Einwirkung des Pietismus und dann des Rationalismus; trotz Bachs und Händeis geriet in der Zeit von etwa 1680 bis 1800 die kirchliche Figuralmusik in Mifsachtung, die Kantoreien wurden zu philadelphischen Gesellschaften, Begräbnis-, Witwen- und Waiseukassen, in denen vielfach die Anfänge der späteren Berufsgenossenschaften, Vorschufs- und Hilfskassen zu finden sind. Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts begannen die Männer- gesangvereine dem so tief in der deutschen Natur liegenden Bedürfnis volkstümlicher Musikpflege Rechnung zu tragen; zwar suchten die preufsische wie die sächsische Regierung im Gegensatz zu diesen Vereinen, denen sie aus politischen Gründen nicht ohne Milstrauen gegenüberstanden, die alten Kantoreien neu zu beleben, indes mit geringem Erfolge. Als Anhang wird die Lützeuer Kantoreiordnung vom Jahre 1570 mitgeteilt.

Literatur. 375

Über die kirchlichen Brüderschaften des Mittelalters und ihre •vielseitige soziale Bedeutung man denke nur an ihren Zusammen- hang mit den Handwerkerinnungen ist schon mancherlei geschrieben worden. Za den interessantesten von ihnen gehören die Gesellschaften, die nicht blofs in Sachsen, sondern in fast ganz Norddeutschland unter dem Namen der Kalande vorkommen Sie verdienten wohl einjual eine erschöpfende Behandlung, für die aber ein weit reicheres 3iaterial zu Grunde gelegt werden mülste, als das, über das Rauten- strauch verfügt. Der Verfasser will hauptsächlich die Xaland- biiiderschaften als die unmittelbaren Vorgänge der Kantoreien des ]6. Jahrhunderts nachweisen. Die Hauptaufgabe des Kalands war die Abhaltung öffentlicher Seelenmessen, bei denen die Brüder die Gesänge, meist ohne Zuziehung des Schulchors, ausführten, was ja allerdings annehmen läfst, dafs die Kalande die Pflege des kirchlichen Gesanges als eine ihrer Aufgaben ansahen. Noch mehr ist dies der Fall bei den Gesellschaften, die im 15. Jahrhundert hier und da (Chemnitz, Delitzsch, Oschatz) unter den Namen der Kon- stabler oder Stabulisten auftraten; Werner hält sie für ..Neben- gründungen" des Kalands, nach Rautenstrauch sind sie als eine Neuorganisation des Kalands selbst anzusehen. Beide Ansichten gehen nicht allzuweit auseinander. Sehr bemerkenswert ist, dafs wir vielfach die späteren Kantoreien im Besitz von Stiftungen und sonstigen Vermögensobjekten sehen , die früher dem Kaland gehört haben ; das deutet doch wohl darauf hin, dafs man im 16. Jahrhundert eine Verwandtschaft zwischen den Kaiandbrüderschaften und den Kantoreien annahm. Indes zu völliger Klarheit läfst sich nur dadurch gelangen, dafs man die so überaus zahlreichen Notizen über die einzelnen Kalande in umfassender Weise sammelt und so eine klarere Erkenntnis über den Zweck und die Einrichtungen dieser Brüderschaften, die offenbar einen weitreichejiden Einüufs und be- deutende Mittel besafsen, zu gewinnen strebt. Inwiefern die zahl- reichen Urkunden über die Aufhebung des Spolienrechts am Nachlafs von Geistlichen, von denen eine des Markgrafen Wilhelm II. (nicht III.) S. 9 benutzt wird, dabei in Betracht zu ziehen sind, muls dahin- gestellt bleiben.

Dresden. Ermisch.

€reschichte der Stadt Dresden in den Jahren 1871 bis 1902.

Werden und Wachsen einer deutscheu Grofsstadt. Von Ratsarchivar Prof. Dr. Otto Richter. Mit 24 Kunstblättern, 18 Buchschmuck- bilderu und einem Stadtplane. Zur deutschen Städteausstellung herausgegeben vom Rate der Königlichen Haupt- und Residenz- stadt Dresden. Dresden, von Zahn & Jaensch. 1903. XV, 270 SS 80.

Mit diesem Buche, zu dessen Abfassung der Oberbürgermeister Dresdens die Anregung gegeben hat, ist dem Verfasser keine leichte Aufgabe gestellt gewesen. Die Schwierigkeit liegt in der Fülle und Mannigfaltigkeit des zu bewältigenden Stoffes, zunächst schon darin, ihu sachlich zu bewältigen. Man vergegenwärtige sich nur, was etwa den Inhalt einer deutschen Stadtgeschichte bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts bildet, und vergleiche damit nur flüchtig, aus der Inhaltsübersicht diese 32 Jahre Entwickeluugs- geschichte einer modernen deutschen Grofsstadt, und mau wird einen

376 Literatur.

gewaltigen Unterschied bemerken. In den neueren Grofsstä<lten ist es, wie der Verfasser selbst im Vorwort sagt, nicht mehr blofs die Aufgabe der Gemeindebehörden, zu ordnen und zu überwachen, die Stadtverwaltuugen „haben ihren Einflnfs auf die mannigfaltigsten Kulturgebiete ausgedehnt und sind selbst Unternehmer grofser ge- werblicher Betriebe geworden, so dals ihre Tätigkeit neben Industrie, Handel und Verkehr im Vordergrunde des städtischen Lebens steht". Dazu kommt, dafs seit dem grofsen Kriege von 1870 neben die Beziehungen zu dem angestammten Herrscherhause und dessen Hofe, die in der Residenzstadt natürlich besonders zahlreich und lebhaft sind, die Beziehungen zu Kaiser und Reich getreten sind, die in dem Leben jeder deutschen Grofsstadt jetzt stark hervoitreten und deren Darstellung daher einen breiten Raum einnehmen mufs. "Wo anderwärts in den letzten Jahren bei festlichen äufseren Anlässen ähnliche Bücher geschaffen worden sind, hat man daher den Weg ein- geschlagen, dafs die Bearbeitung unter eine Anzahl von Fachmännern verteilt worden ist. Mit Recht weist aber Richter auf das Un- befriedigende solcher ,Aiifsatzsamralungen" hin: es fehlt ihnen ge- wöhnlich der innere Zusammenhang, sie leiden an einer unerfreulichen Verschiedenartigkeit der Anifassung und der Schreibweise, wenn nicht gar an Wiederholungen und Widersprüchen. Richter hat es gewagt, sein Buch allein, ohne Mitarbeiter zu schreiben, und dieses Wagnis ist dem Buche zum Vorteil ausgeschlagen. Infolge seiner amtlichen Stellung haben ihm neben all den zahlreichen einschlägigen gedruckten Quellen natürlich überall auch die Akten zur Verfügung gestanden man glaubt hier und da deutlich die Stellen zu be- merken, wo er unmittelbar aus dem Rohmaterial der Akten ge- schöpft hat , überdies hat er fast den ganzen von ihm geschilderten Zeitraum als aufmerksamer Beobachter in Dresden mit durchlebt. Nennt er sich aitch auf manchen Gebieten einen ,, Laien", in seinem Buche merkt man nirgends etwas davon. Zwar ergeht er sich auf einzelnen Gebieten augenscheinlich mit besonderer Sicherheit und besonderem Behagen, z. B. auf dem des Bauwesens; alle aber zeigen dieselbe Sachkunde, dieselbe Gleichmäfsigkeit der Durcharbeitung, und bei einer Fülle genauer und zuverlässiger Details in Daten und Zahlen ist die Darstellung überall gedrängt und auf das Wesent- liche beschränkt. Und noch ein grofser Vorzug ist dem Buche ans dem Umstände erwachsen, dafs es aus einer einzigen Feder geflossen ist: die vortreffliche Gruppierung des Stoffes. Er ist nicht nur sachlich, er ist auch schriftstellerisch, künstlerisch bewältigt. Während Darstellungen, die von einer Mehrzahl von Mitarbeitern geschrieben sind, den Stoff immer nur äufserlich zerlegen können, auf inneren Zusammenhang aber verzichten müssen, ist es Richter gelungen, „das Vorwärtsschreiten auch zeitlich zur Erscheinimg zu bringen, ohne sachlich Zusammengehöriges allzusehr auseinanderzureifsen". Er hat das dadurch erreicht, dafs er erzählende Kapitel, in denen er die äufseren, namentlich die politischen „Ereignisse" einer Anzahl von Jahren zusammenfafst, aber auch manches unterbringt, was man als Stadtchronik bezeichnen kann, mit Kapiteln aus der Verwaltungs- geschichte der Stadt und unter diesen wieder zusammenfassende Abschnitte, wie „Die Stadtverwaltimg seit 1871", „Streit zwischen Rat und Stadtverordneten", „Die letzten Jahre der Amtsführung Stübels-', „Die Stadtverwaltung unter Beutlers Leitung", mit solchen, die besonders wichtigen Vorgängen gewidmet sind, wie „Umgestaltung der Bahnhofsanlagen", „Verkehr und Elektrizität", und solchen, die

Literatur. 377

einzelne Gebiete durch die ganze geschilderte Zeit hindurch verfolgen, wie „Bauten und Stadtverschönerung", „Die wirtschaftlichen und so- zialeuVerhältnisse", „Das kirchliche Leben", „Wissenschaft undKunsf' abwechseln läfst. Den besten Beweis dafür, wie wohlerwogen und wie wohlgelungen diese Gruppierung ist, liefert der Umstand, dafs der Verfasser bei der Verbindung der einzelnen Teile, der grölseren wie der kleineren, sich nirgends mit Floskeln zu behelfen braucht, dafs alles gleichsam ungesucht innerlich und organisch mit- einander verbunden erscheint.

Obwohl Richters Buch amtlichen Charakter hat, sind ihm doch offenbar nirgends Fesseln angelegt gewesen. „Der Inhalt und die Verantwortung dafür gehört dem Verfasser allein", schreibt er im Vorwort, und wie er sich auf der einen Seite als Freund alles ge- sunden Fortschritts zeigt, übt er auf der anderen bisweilen auch freimütig Kritik, an Mafsregeln der Verwaltung wie an Kunst- schöpfungen. Seine klai'e und saubere Schreibweise, die aus seinen frühereu Arbeiten zur Genüge bekannt ist, kommt in dem vorliegenden Werke besonders schön zur Geltung.

Die Verlagsbuchhandlung ist bemüht gewesen, durch allerhand künstlerische Beigaben dem Buche auch ein seines Inhaltes würdiges Gewand zu geben, das freilich etwas buntscheckig ausgefallen ist und zum Teil au eine gerade herrschende Modeströmung Konzessionen macht, die man vielleicht schon nach wenigen Jahren zurücknehmen zu können wünschen wird.

Wie mit den früheren stadtgeschichtlichen Arbeiten, die die Stadt Dresden dem stillen, emsigen Gelehrtenfleifse ihres Archivars zu danken hat seiner dreibändigen Verfassungs- und Verwaltuugs- geschichte Dresdens und dem vielversprechenden ersten Bändchen einer neuen zusammenfassenden Stadtgeschichte , hat Richter auch mit dieser Darstellung der jüngsten Vera;angenheit der Stadt wieder ein Buch von vorbildlichem Werte geschaffen. Es sollte es keiner ungelesen lassen, der sich an eine ähnliche Arbeit zu machen gedenkr. Der Rat der Stadt Dresden hat es sicherlich mit freigebiger Hand an zahlreiche deutsche Stadtbehörden versandt. Hoffentlich teilt es dort nicht das Schicksal so mancher Bücher, acht Tage auf dem Tische der „Ratsstube" auszuliegen und dann in irgend einem Schranke der Ratsbibliothek beigesetzt zu werden, sondern findet auch unter den Mitgliedern der städtischen Behörden recht eifrige und gründliche Leser; sie können sehr viel Anregung und Belehrung daraus schöpfen.

Leipzig. G. Wust mann.

Entgegnung.

In der vorigen Nummer dieser Zeitschrift (S. 185 f.) greift Hilte- brandt die Darstellung über den Verlauf der Schlacht bei Kesselsdorf in meiner Dissertation an und erklärt meine Beweisführung für verfehlt, als „den Quellen nicht entsprechend''. Hiltebraudt gibt zu, dafs „Leopold zwar den Versuch gemacht habe, die Sachsen in der Flanke zu fassen", aber nur, weil ,,sie für einen Frontalangriff hinter dem Zschoner Grund unangreifbar waren". Nur deshalb (?) machte Leopold einen so ungeheuren Bogen, liefs er Wilsdruff in seiner Flanke, ge-

378 Literatur.

fährdete er seine Rückzugsliiiie , weil die Sachsen unaTigreifl)ar waren? Bei dem Sieger von Turin das anzunehmen, scheint mir doch etwas gewagt. Und kdnnte denn Leopold überhaupt die un- angreifbare Stellung der Sachsen? Er hat wahrscheinlich von den zur Rekognoszierung ausgesandten Truppen erfahren, die Sachsen stehen hinter dem Zschoner Grunde. Nun wohl, sagt Leopold, packen wir sie von der Flanke! Und nun macht er jenen ungeheuren Bogen, der ihn gerade auf den linken Flügel der Sachsen führte. Es ist also der von vornherein grofs angelegte Plan des Fürsten, der unabhängig von der starken Stellung der Sachsen gefafst wurde.

Nun meint Hiltebrandt, diesen Plan ,, hätten die Sachsen durch die Liuksschiebung der sächsischen Linien vereitelt", Leopold hätte sein Heer nach der Schablone aufgestellt, so dafs die Hälfte seiner Kavallerie überhaupt nicht zu verwenden war. Ein Blick auf die Stellung beider Heere zeigt indes zur Genüge, dafs gerade die Kelterei Kesselsdorf stark überflügelte. Bis südlich von Kesselsdorf standen die Preufsen. War das Dorf genommen, so konnte die Reiterei den Sachsen sofort in die Flanke fallen. Leopold hat dem- nach den Gedanken der Flügelschlacht nicht aufgegeben, sondern den Verhältnissen geniäfs modifiziert und ihn im rechten Augenblick mit der ihm eigenen Energie durchgeführt. ,, Gegen Kesselsdorf haben nur die sechs Bataillone Herzbergs und das Regiment Jeetze gekämpft", fährt Hiltebrandt fort und meint, ich hätte das Dorf durch 24 Bataillone Lifanterie (sechs Bataillone Herzbeig und acht Regimenter Lehwald) und acht Regimenter Kavallerie angreifen lassen. Davon steht in der Dissertation kein Wort. Lehwald hatte nur acht Bataillone, die, nach den preufsischen Quellen zu urteilen (Stille, Friedrich, histoire de mon temps und offizielle Relation a\if dem Schlachtfelde verfafst), gegen Kesselsdorf dirigiert waren. Er- obert wurde das Dorf nur vom Regiment Jeetze, mit dem Lehwald den übrigen Bataillonen voraneilte.

Von der Beteiligung der Reiterei habe ich nichts erwähnt, im Gegenteil auf S. 14 besonders hervorgehoben, dafs die Reiterei erst nach der Eroberung von Kesselsdorf ins Gefecht geführt wurde.

Ferner schiebt mir Hiltebrandt unter, ich hätte 16 Regimenter durch das Dorf gebracht. Er rechnet wahrscheinlich so: 4 Regimenter Lehwald, 6 Bataillone Grenadiere = 3 Regimenter, ferner 9 Reiter- regimenter = 4-|- 3 -|- 9 = 16. Diese Rechnung ist aber direkt falsch, eine derartige Behauptung habe ich nicht aufgestellt. Die sechs Bataillone Grenadiere haben, wie ich S. 12 und 13 hervor- geholjeu habe, wohl nichts besonderes ausgerichtet. Eben erst in völliger Auflösung, konnten sie unmöglich wieder geordnet vorrücken. Die andern Regimenter sind die Lehwalds und die Reiterei. Lehwald kam am Nordosteingang von Unkersdorf her, seine Truppen erklettern die Anhänge und gewinnen den Osteingang. Die Reiterei geht in zwei Trupps durch das Dorf. Stille, Roell, Bonin, d. h. höchstens 1500 Reiter, das, meine ich, war wohl möglich; die übrige Reiterei, ca. 3700 Reiter, ging südlich um Kesselsdorf herum.

Dem Quellenzeuguis Jasmuuds, dafs vier Eskadronen und vier Bataillone gegen ihn in Flanke und Rücken gekämpft hätten, steht der Bericht des hierüber besser orientierten Fürsten gegenüber. Der Hinweis auf Bremen, dafs drei Regimenter des zweiten Treffens bei Zölloien gekämpft, ist völlig nichtssagend, da Bremen hierfür keinen Beweis liefert und auch nicht immer zuverlässig ist.

Literatur. 379

Zum Schlufs hebt Hiltebrandt „zwei höchst wichtige Tatsachen" hervor :

1. Kesselsdorf war nicht Schlüssel der sächsischen Stellung, sondern nur eine vorgeschobene Bastion. Der Fürst hätte sich bei der Kürze der Zeit nicht mit der übrigens höchst nutzlosen Einnahme von Kesselsdorf aufhalten dürfen und griff deshalb auf allen Punkten sofort an. Dagegen möchte icli anführen: War Kesselsdorf ge- nommen, so waren die Sachsen immer in Grefahr, von zwei Seiten angegriffen zu werden. Die Jleiterei konnte ihnen sofort in die Flanke fallen.

2. Die zweite Behauptung, dafs die Niederlage der Sachsen nicht so furchtbar geworden wäre, wenn Jasmund beim Ausrücken der Sachsen noch stehen geblieben wäre, ist wertvoller. Allein ver- loren war die Schlacht nach dem Fall von Kesselsdorf doch, was auch die Sachsen tun mochten.

Berlin. B. Oettiuger.

Da Oettinger im wesentlichen die Behauptungen seiner Disser- tation wiederholt, möchte ich nur auf folgende Punkte eingehen. Dafs ich in der Angabe der von Oettinger augeführten Stärke des rechten preufsischen Flügels sogar noch um vier Bataillone zu hoch gegriffen habe, ist ein Irrtum, den ich gern eingestehe, da dies nur lür meine Auffassung von der Schlacht spricht : denn der angreifende rechte Flügel wäre dann auch nach Oettinger nur um drei Bataillone stärker gewesen, als der zurückgehaltene linke. Wie schlecht hätte der Fürst die 7000 Mann Infanterie, durch die er den Sachsen über- legen war, benutzt, wenn er eine Flü2:elschlacht hätte liefern wollen! Ferner, wer den hohlen Weg gesehen hat, weife, dafs die 3700 Mann Kavallerie, Avenn nicht nördlich vom Dorfe, nur südlich durch dieses aufs Schlachtfeld gebracht werden konnten. Das Quellen- zeugnis Jasmunds, der als sächsischer General wahrhaftig Grund genug hatte, die Stärke des ihm gegenüberstehenden Feindes nicht zu niedrig anzugeben, ferner die beiden von mir als ,, höchst wichtig" bezeichneten Tatsachen hat Oettinger nicht wegdisputieren können, und ein gröfseres Zugeständnis als das, dafs der Fürst den Gedanken der Flügel- schlacht den ,, Verhältnissen gemäfs modifiziert" habe, habe ich von meinem Gegner nicht erwarten können. Zum Schlufs möchte ich ihn daher nur noch auf die Verlustlisten des linken „zurückgehaltenen" preufsischen Flügels verweisen. Hoffentlich veranlassen sie ihn nicht, seine Ansicht dem Gedanken der Flügel- schlacht zu liebe dahin zu modifizieren, dafs eigentlich der linke preufsische Flügel der angreifende gewesen sei.

Dresden. Ph. Hiltebrandt.

380 Literaiui.

Übersicht

über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur

sächsischen Geschichte und Altertumskunde.

Albrecht, Beivhard. Crimmitschauer Schützen -Erimieningen. Fünf Kuliurskizzen aus fünf Jahrhunderten. Als Denkschritt für die Jubelfeier vom 1. bis 5. Juli 1903 zur Feier der vor 300 Jahren erfolgten Gründung einer Armbrust-Schützen-Innung im Auftrage des Fest- Ausschusses vertatst und der Schützengesellschat't seiner Vaterstadt gewidmet. Crimmitschau, Böttcher & Neumerkel. 1903. 147 SS. 8".

A[rnoldj, E. Ausgrabungen am vFÜsten Schlosse „Osterland" bei Oschatz: Lpz. Tgbl. 1903. Nr. 86. S. 1214

Arnold. E. Ein Schuls im Walde [Attentat auf Kurfürst Christian II. ° 1603]: ebenda Nr. 248 S. 2571.

Das wüste Schlofs „Osterland" bei Oschatz: Der Burswart IV (190.3), 91 f

Atierbach, Alfr. Das Archiv des Vogtländischen altertumsforschenden Vereins : 72. und 73. Jahresbericht des Vogtländischen Altertums- forschenden Vereins zu Hohenleuben (1903) S. 1 45.

Bär, Anton. Schlofs und HeiTschaft Wildenfels : Glückauf! XXIII (1903), 17-26. 33—38. 53—55.

Becker, Reinhold. Der Dresdener Friede und die Politik Brühls. (A. u. d. T. : Bibliothek der Sächsischen Geschichte und Landes- kunde, herausgegeben von G. Buchholz. Bd. I. Heft 1.) Leipzig, S.Hirzel. 1902. XIV, 143 SS. 8«.

Behr, Otto. Türkensorgen eines vogtländischen Adligen ums Jahr 1600. Ein Beitrag zur Geschichte derer von Metzsch: Unsere Heimat. lUustr. Monatsschritt f. d. gesamte Erzgebirge, Osterland und Vogtland. II (1902/3), 243—246.

Behring, W. Beiträge zur Geschichte des Jahres 1577. IL Die Berichte der kursächsischen Gesandten Abraham von Bock und Dr. Andreas Pauli über die Friedensvermittlung zwischen König Stephan Bathory und der Stadt Danzig: Zeitschrift des West- preufsischen Geschichtsvereins XLV (1903), 1—136.

Beil, A. Der Dracheufels bei Penig: Der Burgwart I V (1903), 57—60.

Benndorf, P. Tafeln vorgeschichtlicher Gegenstände aus Mittel- deutschland. Leipzig, Brandstetter. 1903. 4 Taft'.

Bönlioß'. Die ursprüngliche Parochie Zwickau: Kirchl. Mitteilungen f. Zwickau und Umgegend. (Beilage zur Zwickauer Zeitung.) XVI (1903) Nr. 15-17.

V. Bojanowski, Eleonore. Louise Grofsherzogin von Sachsen -Weimar und ihre Beziehungen zu den Zeitgenossen. Nach gröfstenteils unveröffentlichten Briefen und Niederschriften. Mit 1 Porträt. Stuttgart und Berlin, J. G. Cottasche Buchhandlung Nachfolger G.m.b.H. 1903. XII, 429 SS. 8».

Brabant, Arth. Die Kapitulation Dresdens am 4. September 1759: Unsere Heimat 11 (1903), 88-90. 113-115.

Brode, Beinhold. Der Schauplatz des Kaisermanövers 1903. Histo- rische Skizzen aus Deutschlands Vergangenheit. Halle, Gebauer- Schwetschke. 1903. XV, 155 SS. 4».

Brück, Bob. Schlots Moritzburg: Dresdn. Auz., Sonntagsbeilage. 1903. Nr. 26 f. S. 121 f. 125-127.

Literatur. 381

Druck, Hob. Ein Beitrag' zur Baiigeschichte des Domes zu Meifsen. DresdQ Auz. 1903 Nr. 254. S. 4.

Buchholz, G. Die Sprengung der Dresdner Brücke durch Davoust am 19. März 1813: Grenzboten. Jabrg. 62 (1903). Nr. 16. S. 141—153.

Bnchting. Erinnerungen aus der alten Zeit von Dippoldiswalde. Dippoldiswalde, Carl .lehne. 1903. VII, 126 SS. 8".

Buchwald, Georg. Neue Sächsische Kirchengalerie. Unter Mit- wirkung der sächsischen Geistlichen herausgegeben. Die Ephorien Chemnitz I und IL Lfg. 11 28. Leipzig, Arwed Strauch. 1903. Sp. 409—1064.

Clobcs, Wilhelm. Erzgebirgisclie Städtegründungen: Saxonia, Rund- schau des gesamten Kultur- und Geisteslebens der Sachsen II, 16—23. 70—78.

Colditz, H. Unterirdische Gänge in Lichtensteiu: Lichtenstein - Calln- berger Tageblatt. 1903. Nr. 114. (Berichtigung zu ebenda Nr. 113.)

Dfandera]. Ein Attentat? [auf Kurfürst Christian IL 1603]: Lpz. Tgbl. 1903. Nr. 182. S. 2637 f.

Distel, Theodor. Kurfürst Moritz von Sachsen und seine Ge- mahlin. Zur Erinnerung an den 9. Juli 1553: Jllustrierte Zeitung. Nr. 3133.

Weitere geschichtliche Hermäa in hunter Reihe: Zeitschrift für die gesamte Strafrech tswissen^^chaft XXIII (1902/1903), 934—938.

Der Leipziger Anatom 1631 im Streite mit den Gerhern: Deutsche medicinische Wochenschrift XXVIII (1902) Nr. 38 und XXIX (1903) Nr. 8

: Aerztücher Befund eines in Leipzig Erstochenen (1584): ebenda XXVII L (1902) Nr. 48.

Georg BartiiJch's aus Königshrück „Augenkunst" (1583): ebenda XXIX (1903) Nr. 29.

Zum Gedächtnisse Theophilus Lessings, Grofsvaters u. a. des „Nathan"- Dichters: Kamenzer Tageblatt. 1903. Nr. 69

Ernst von Houwald und sein Trauerspiel „Das Bild" in Dresden: Dresdn Anz. 1903. Nr. 133.

Dürr, A. Fr. Die Buchhandlung Alphons Dürr iu Leipzig. Fest- schrift zur Feier des fünfzigjährigen Geschäftsjubiläums am 21. Februar 1903. Leipzig. 1903 XV, 149 SS, 4^.

J. u. A. Erbstein'' s Erörterungen auf dem Gebiete der Sächsischen Münz- und Medaillen- Geschichte bei Verzeichnung der Hofrath Engelhardt'schen Sammlung veröifentlicht. Fortgeführt von Julius Erbstein. IV. Mit 4 Taff. Dresden, Selbstverlag des Verfassers. 1903. S. 251— 301. 8».

F[abian], E. Eine erzgebirgische Gewehrfabrik des 16. Jahrhunderts : Unsere Heimat II (1902/3), 214 f.

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den Jahren 1697 1720: Zeitschrift f. Kirchengeschichte XXIV (1903), 86-1.35. 232—280. Zimmermann^ Ernst. Der Blumenstraufs in der Kgl. Porzellan- sammlung: Dresln. Anz. 1903. Nr. 111. S. 2f.

Der Gobi- und Silbeiklunpen Böttgers in der Königlichen Por- zellansammlung: Dresdn. Anz., Sonntags -Beilage. 1903. Nr. 36. S. 1(:1-16.3.

Die Porzellanplastik Kändlers: Das Museum VIII (190.3), 21—24. Zinck, Paul. Das Rocblitzer Museum: Unsere Heimat II (1902/3),

169—172. Zfinck], P. Aus einer Leipziger Pestordnung des 17. Jahrhunderts:

Lpz. Tgbl. 1903. Nr. 349. S. 4940. Züchommler. Max. Zum hundertjährigen Geburtstag von Julius

Mosen:Wis^enschaftl. Beil. der Lpz. Ztg. 1903. Nr. 79. S. 317— 319.

Literatur. 389

Die staatliche Denkmalpflege in Sachsen: Lpz. Tgbl. 1903.

Nr. 297. S. 4253. Dr. Gustav Klemm als Schilderer erzgebirgischer Zustände und

erzgebirgischen Lebens: Glückauf! XXIII (1903), 49 53. Alte sächsische Orden: ebenda Nr. 109. S. 1524. Der Siebenjährige Krieg 1756 1763. Herausgegeben vom

Grofsen Generalstabe. Kriegsgeschichtl. Abteilung II. (A. u. d. T. :

Die Kriege Friedrichs des Giofsen. lil. Teil.) Bd. III: Kolin.

Bd. IV: Grofs-Jäger.sdorf und Breslau. Bd. V: Hastenbeck und

Kolsbach. Berlin, Ernst Siegfried Mittler & Sohn. 1901— 1S03.

VIII, 231 u. 24; X, 254 u. 52; VIU, 251 u. 54 SS. 8». Mit 15,

12, 10 Karten, Plänen und Skizzen Spitzenklöppeln im Erzgebirge vor 100 Jahren: Unsere Heimat II

(1902/3), 215. Zui- Geschichte und Ernexierung der Kirche von Wahren: Lpz. Tgbl.

1903. Nr. 295. S. 4223. Die Kirche zu Ziegelheim: Schönburger Tageblatt. 1903. Nr. 89.

2. Beil. S. 1 f.

Aus alter und neuer Zeit. Localgeschichtliche Monatsbeilage zum Local-Anzeiger für die Ortschaften des Lockwitz-, Müglitz- und Weifseritztales U.S.W. Redakteur P.Welzel. Nr. 104-110. ]902;3. Inhalt: Parochialgeschichtliches von ßöhrsdorf. Bamberg, Kauscha im Jahre 1813 Pilk, Über wüste Marken, insbes. die Wüstung Zscheisewitz.

Dresdner Geschichtsbläfter. Herausgegeben vom Verein für Ge-

. ^ schichte Dresdens. Jahrg. X1I(1903). Nr 2.

Inhalt: 0. Richter, Aufwand eines Dresdner Brautpaares in der Rokokozeit.

Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte. XII. Jahr- buch für 1902—1903. Chemnitz, 0. Mays Buchhandlung (E. Roeder). 1903. 92 SS. 8°.

Inhalt: E. Weinhold, Aus heiteren und trüben Tagen unseres Schlosses. R. Franke, Chronikalische Reimereien alter Kirchendiener von Chemnitz, P. Uhle, Der Aufruhr in Chemnitz am 11. September 1830. Ders., Carl Paul Kirchner. G. Franke, Alfred Matiug- Sammler.

Mitteilungen des Verei7is für Geschichte der Stadt Meißen. Des 6.Bandes3.Heft. Meifs^n, Louis Mosche (Komm.). 1903. S.269— 404. Inhalt: K. v. Kauf fun gen, Die älteste Meiisner Stadtrech- nung vom Jahre 1460. Loose, Beiträge zur Meifsner Ge- schichte. — Leicht, Wilhelm Loose. Schulze, Karl Gottlob Gebauer. K. v. Kauffungsn, Zur Geschichte Meifsens im Kriegsjahre 1745. Loose, Ältere Beiträge zur Meifsner Ge- schichte. — Instruktion für den Stadtmusikus in Meifsen (1837).

Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaherg und Um- gegend. VIIL Jahrbuch für 1900—1902. 2. Bd, S.Heft. Annaberg, Graser (Komm.). 1903. S. 157—220.

Inhalt: Oskar Michael, Die Annaberger Hospitalordnung vom Jahre 1550. E. F i n c k , Stürme und Nöte bei dem Posamentierer-Handwerke, ein Beitrag zur Geschichte der Anna- berger Erwerbsverhältnisse zwischen 1750 und 1850.

Eegister.

Abtei -Lungwitz bei Waidenburg

52. Adelmann v. Adelmannsfelden,

Bernhard 103. Adolf, Bisch, v. Merseburg 107. Alba, Hzg. V. 129ff. 257. Albern, Job., Bürgermeister zu

Leipzig 3i7, All)ernau bei Schneeberg 47. 49. 56. Albert, Saloraon, Leibarzt 175. Albrecht (d. Beherzte), Hzg. v.

Sachsen 63. 73.

Hzg. V. Baiern 301 f.

jMarkgraf v. Brandenburg- Kulmbach 132. 276. 279.

Erzbisch, v. Mainz u. Magde- burg 103 ff. 246.

Hzg. V. Preufsen 246. 272. 276. Albreciitsburg 334. Alexander VI., Papst 243. Algarotti 336.

Allstedt, Amt 306. V. Altenberga, Dietr., Burggraf 20. Altenburg 42. 174. 304. 306. Altzelle : Annales Vetero-Oell, 226. am Ende, Michael, Bürgermstr.

zu Döbeln 75. Ainpfurth bei Wanzleben 174 f.

177. T. Andelot, k. Kämmerer 299. Anhalt s. Georg, Wolfgang. Anna, Gem. Markgraf Wilhelms I.

72.

Landgräfin v. Hessen 83 ff. Annaberg, Epborie 47. 66. Annalista Saxo 224. Antoninus, Erzbisch, v. Florenz

233. Aperbach, Petrejus 109. Arad 140 f. 145.

Arnold (von Quedlinburg) 236.

, .Tob., aus Lützen 176. Arnoldsgrün i. Vogtl. 200. Arras s. Granvella.

Aue 44. 49. 56 f. 60. 62. 64. Auerbach b. Zwickau 44. 62.

i. Vogtl. 56 f. 60. 64. 101. s. a. Stromer.

V. Auersperg, Graf, Feldmarschall-

lentnant 152. Augsburg 254. 258 ff. 302. August, Ivurf. V. Sachsen 62. 66.

129. 257. 271. 275. 279. 284ff.

d. Starke s. Friedrich August. Augustusburg 333 f.

de Avila, Luis 125 ff.

Baden s. Ludwig Wilhelm. Baiern s. Albrecht. V. Ballhausen, Sifried 350. Balthasar. Landgraf v. Thüringen

4 ff. 8. Bärenwalde b. Kirchberg 51. 56f. Baselius, Nicol., Mönch in Hirschau

228. Baumann, Haus, aus Rotenburg

o./T. 111. llöff. Bautzen 17. Becheler, Eüdiger 24.

Tilo 24.

Becse in Ungarn 138 f. 142 f. 153.

Becskerek in Ungarn 145 ff.

Beichlingen, Graf Adam zu 82. 97.

Beieifeld bei Schwarzenberg 44. 49. 60f. 64.

Belgrad 140 f. 149. 152.

V. Bergamo, Jacob Philipp 232 f.

V. Berlepsch, Sittich 86.

V. Berngershain, Rulo, Bürger- meister zu Leipzig 3]6f.

Register.

391

Bernsbach b. Schwarzenberg 49. Beinsdorf b. Lichtenstein 44. 54.

60. 63. 65. Beintitz b. Lommatzsch 10. Bertha v. Groitzsch, Gem. Dedo IV.

61. Beutha bei Hartenstein 44. 54.

60. 62. 65 f. Bing, Simon, hess. Rat 282 f. Blättner, S., Zeichner 334. Blondus, Flavius 234. Blum, Mich., Buchhändler in

Leipzig 339. Bockau b. Aue 49. 50. 62. Bockwa b. Zwickau 55. V. Bodenhausen, Kraft, Statt- halter von Kassel 94. Böhmen s. Johann, Karl IV. Borner, Nickel, in Döbeln 74. Börtewitz b. Mügeln 29. V. Böse, Christof Dietr. 150. Botho's Chronik der Sachsen 225. V. Boxberg, Friedr. Wilh. 202. V. Boyneburg, Ludw., Statthalter

an der Leine 83 ff. Biandenburg s. Albrecht, Hans,

Joachim. V. Brandenstein, Heinrich 12. Braunschweig, Herzöge von 245. Breiteubruun b. Schwarzenberg

49. 56 f. Brück, Ch)'istian 254.

Greg., Dr., Kanzler 254 f. 261. 264. 269 ff.

Brühische Sammlung 336.

Brünlos b. Stollberg 53.

V. Bünau, Heiur,, zu Droyfsig

249. 2781 Bürgel 3.

Burkersdorf b. Kirchberg 55. Burkhard, Magister 297 f. Burkhardtsgrün b. Schneeberg 47. Bussv-Rabutin, Graf 144. 150.

153.

Cainsdorf b. Zwickau 55.

Callnberg 48.

Capito 106.

V. Cappelndorf, Nicol. 16.

Theod., Notar 28. Caprara, Enea Silvio, öster. Feld- marschall 135 ff.

v. Carlowitz, Christof 280.

Georg 254 f. 264. Carlsfeld b. Schwarzenberg 57.

Chemnitz 74. Kloster 15. Archi- diakonat 51.

Christian IL, Kurf. v. Sachsen 174. 177 f.

Christina, T. Hzg. Georgs v. Sach- sen 99.

Christof, Hzg. v. Württemberg 302.

Chronica episcop. Merseburg. 224.

minor auct. Minorita Erphord. 223.

s. Petri Erford. moderna 223. 345 ff.

Chronicon montis Sereni 226.

terrae Misn. 225.

Vetero-Cell. minus 226.

Wirceburgense 229.

V. Chwalkowski, brandenburg. Ge- sandter 136.

eine. Job.. Bürgermstr. zu Leipzig 316.

V. Cleen, Dietr., Laudkomtur zu Mai'burg 88.

Clemens VII., Papst 243.

Cochlaeus 244 338 f.

Colditz, Amt 259.

de Colonna, Pirro, kais. Kriegs- bevollmächtigter 257.

de Columna, Job. 233,

Contarini, venetian. Gesandterill.

Cordus, l^uricius 109.

Crandorf b. Schwarzenberg 49. 56.

Cranzahl b. Schiettau 53.

v. Creutz, Wolf 128. 130.

Crocus, Rieh. 103.

Crossen b. Zwickau 55.

Crottendorf b. Scheibenberg 45. 48. 53. 56. 60. 62. 65 f.

Crusse, Marg., in Döbeln 77.

Nicol., in Döbeln 77. Crutziger, Otto, Ratmann in

Leipzig 317. Csanad in Ungarn 139 ff'. Culitzsch b. Wilkau 55 f. Cunersdorf b. Kircliberg 56. Cunnersdorf b. Schiettau 53.

v. Danckelmann. Nicol. Bartbol.

142. 146. David, Bildhauer .336. Deak, Paul, Oberstleutnant 138.

144. Delitzsch 42.

Dennheritz b. Meerane 54. 63. Deva an der Marcs 142.

392

Eegister.

Dietrich (d. Bedrängte), Markgraf T. Meifsen 55. 67.

Bisch. V. Meilseu 22.

V. Dieskau, Otto, Kammerherr

340 ff. Dinyas in Ungarn 135. 147, 153. Dlugossus, .Joh.Longinus sive 235. Döbeln 5. 9. 67 ff. Dobenau, Arcbidiakonat 43. Doberuitz b. Müi^elii 29. V. Domberg, WUh. 90. Dornbnrg, Amt 250. 252. Dorothea Maria, Gem. d. Hzg.

Johann v. Weimar 174. Dresden 5. 136. 15öff. 313.

Generaldirektion der Königi. Sammhmgen 335 ff.

Dresseden, Claus, in Döbeln 77. Dünewald, Graf, Geueraladjutant

141. Dungersheim von Ochsenfart 106.

V. Ebelebeu, Apel 96.

Lutold 39.

Ebersbach b. Waidenburg 51.

Ebirhardi, Nicol., bischöfl. Ofhzial 31. 34.

Eck, Dr. 104. 244.

Eibeustock 50. 57. 61. 64.

Eisenach 25. 38. 349 f.

Eiseuberg 251. 280f. 288ff. 304ff.

Ekkehard von Aura 229.

Elisabeth, Gera. Markgraf Wil- helms I. 68.

Elisabeth (von Rochlitz), Gem. Hzg. Johanns v. Sachsen 79 ff". 304

, T. Landgraf Wilhelms d. Alt. V. Hessen 93.

Elterlein b. Annaberg 45. 54. 60.

62. 64 ff". Emser 244. V. Ende, Götz 82. Engeische Sammlung 336. Eobanus, Helius, Hessus 109. V. Epstein, Eberh. 83. Erasmus 103. 105. 108. Erfurter Geschichtsquellen 345 ff. Erlbach b. Stollberg 52. Ernst, Kurf. v. Sachsen 63. 73. Ernsttal 52. Eschwege 83. Eugen, Prinz v. Savoyen 145. 152 f.

V. Fabrice, Kriegsminister 157.

Fachs, Dr. 252. 264. 269 ff. 290. Fasrellus, Simon 338 f. V. Feilitzsch, Adam Wolf, auf Weischlitz 202.

Christian Lazarus 203. Gem. s. Thofs

Hans Joachim 202.

Konrad Bernhard 202.

Thomas Joachim 201.

Urban Caspar 202.

Ursula geb. v. Boxberg 202. Ferdinand I., König 112ff. 259.

264. 2'/0. 285. 300 ff. 339. Florenz s. Antoninus. Frank, Familie, zu Kanienz 169.

Andreas 106. 110. 168fi'.

Anna s. Leffler.

Dorothea 169 ff.

Geld 169.

Jost 169 ft\

Mathis 169.

Melchior, aus Lützen 176.

Nikolaus 169 ff. Frankfurt a./Ü. 239. Frankreich 280. 285. 296. 298 f.

s. a. Heinrich. Franz Otto, Hzg. v. Lüneburg 302. Freiberg 3. 5. V. Freiberg, Hermann, ßatmann

zu Leipzig 317. V. Freising, Otto 230. de Friburg, Bertoldus, Eatmann

zu Leipzig 316 f. Friedrich (d. Freidige), Markgraf

T. Meifsen 21. 67. 72.

(d. Ernste), Markgraf V. Meifeen 8 ff. 37.

(d. Strenge), Markgraf v. Meifsen 4 &. 8. 22. 25 ff. 36 ff'. 72.

(d. Streitbare), Kurf. v. Sachsen 40. 69. 75. 78.

(d. Einfältige), Landgraf v. Thüringen 199.

(d. Friedf ), Kurf. v. Sachsen 199.

(d. Weise), Kurf. v. Sachsen 245.

Sohn Hzg.Georgs V.Sachsen 96.

Hzg. V. XVeimar 174.

Bisch. V. Merseburg 4. Friedrich August I., Kui'f. v.

Sachsen (August IL, Kg. v. Polen) 139 ff. 327. 335. 337 f. 342. 356 ff. Friedrich Wilhelm, Hzg.v. Sachs.- Altenburg, Administrator 174. 201.

Register.

393

Friedrichsgrün b. Zwickau 48. Frisner, Andr. , Prof. der Tb eol.

iu Rom 218. Fugger, Jakob 117 ff.

Ulrich 122. Futtak in Ungarn 137.

Gableuz b. Stollberg 53. Gaguiuus, Robertus 230. Gartolf, Andreas 19. Garzo, Job. 226. Gautzsch b. Leipzig 340 ff. Georg, Hzg. v. Sachsen 79 ff. 107. 220. 238. 241 f. 244f. 338 f.

Kürst V. Anhalt 294.

Hzg. V. Mecklenburg 282.

V. Germar, Statthalter zuZwätzen

249. Gersdorf b. Hohenstein- Ernsttal

44. .54. 60. 63. 65. Gerstungen 268. Gesau b. Glauchau 54. 63. Gesta archiepiscop. Magdeburg.

225.

episcop. Halberstad. 224.

Trevirorum 230. Geyer 53.

Giegengrün b. Kirchberg 55.

Giefsen 83.

Glauchau 44. 48. 54. 56. 58ff. 62 ff.

Glossen b. Mügeln 29.

Gnäditz b. Weifsenf eis 19.

V. Goch, Dietr., Domherr zu

Meifseu 8. Golfsen, Burggraf \. 6. Gorau, Wüstung b. Oschatz 29. Gotha 38 f. 257. 302 ff. Gottesgab 56. Granvella, Eisch. v. Arras 257.

259. 262. 264. 267. 278. 299 ff. Grauschwitz b. Mügeln 29. 35. 39. Gregor XL, Papst 22. Griesbach b. Schneeberg 45 ff. 56.

60 f. Grimma 74. de Grimmig, Nicol., Bürgermstr.

zu Leipzig 316 f. Groitzsch 12 s. a. Bertha. Groniewald, der, b. Mügeln 30. Gronsfeld, General 150. Grofsenhain 5. 34. Grofswaideiu 140. Groze, Job. 19. Grumbach b. Waidenburg 51. Grünhain 45. 52 ff. 60 ff'. 64.

Grünstädtel b. Schwarzenberg 49.

56 f Guben 9.

V. Hain, Jobst, Kanzler des Hzg.

Johann Friedlich 249. 252.

262. 272. 278. Halberstadt, Bisch, v. 40. s. a.

Ludwig.

Konrad v., Weltchronik 346. Hans, Markgraf v. Brandeuburg-

Küstrin 276. 279. 284 ff. 301 f. Härteusdorf b. Wildenfels 44. 48.

60. 62. 64. Hartenstein 59 f. 61 f. 64f. Hartmannsdorf b. Kirchberg 55 f. Hartraanustorf s. Ortmannsdorf. Hartleder, Job. 176.

Valentin 176 f.

s. a. Hortleder.

Hase, Dr., Jülichscher Gesandter 299.

Haseuberg, Job. 339

V. Haugwitz, Gelfrat 52.

Hebestreit, Heinrich 19.

Hegendorfer, Christof 103.

Heideck, Hans 283. 285 f. 304.

Heinecken 336.

Heinitz, Nicol., Dr., Domherr zu Meifseu 87.

Heinrich (d. Erlauchte), Mark- graf V. Meilieu 67.

(d. Fromme), Hzg. V.Sachsen 65.

IL, Kg. V. Frankreich 294. 298.

V. Plauen, Burggraf zu Meifseu 301 f.

Pfarrer in Nossen 32. Heinrichsort b. Lichtenstein 48. Heifsler Graf v. Heitersheim, öster.

General d. Kav. 135. 137 ff". Heister, Graf, Geueralfeldzeug-

meister 137 ff. Heldrungen 257. Helwig, Hans, in Döbeln 77.

Job., Prior des Dominik -Kl. zu Pirna 241.

Herbeville, Graf, Feldmarschall- leutnant 139.

Herbsleben, Amt 306.

V. Herford, Heinr. 224.

Herrn annstadt 142.

Hersfeld 87 f.

Hessen s. Anna, Elisabeth, Phi- lipp, Wilhelm.

Hirschfelde 155. 159.

394

ßegister.

Historia Francorum Senonensis

231. Höckendorf L. Leisnig 29. 35. 39. Hof b. Oschatz Hoff. Hohenforst 61 f. Hohensteiii i. Erzgeb. 52. 63. Hohudorf b. Lichteusteiu 48. V. Hohnsteiu, Graf Ernst 96f.

Graf Heinrich (1344) 14. (1438) 40.

(1505) 82.

Hortleder, Fiiedr. 174 ff.

Valentin 174 ff.

s. a. Hartleder.

Hosang, Job., Bürgermstr. zu

Leipzig 317. Hundshiibel b. Eibenstock 50f.57f. Hunleben, Heinr., Bürgermstr. zu

Leipzig 317, Hussiten 77 f. V. Hütten, Ulrich 103 f. 106.

de Ileburch, Job., Bürgermstr.

zu Leipzig 316 f. Ingolstadt 219. Innsbruck 298 ff.

Jahna b. Oschatz 116 f. Jena 174 f. 253 ff. Jeuapriefsnitz b. Jena 19. Jeuö in Ungarn 140f. Jerisau b. Glauchau 54. 63. Joachim I., Kurf. v. Brandenburg 245.

IL, Kurf, V. Brandenburg 248. 259. 263 f. 267. 302,

Johann, Hzg. v, Sachsen 79 ff.

(d. Bestand.), Kurf. v. Sachsen 245.

Hzg, V. Weimar 174. 177 f.

Kg. V. Böhmen 14,

L, Bisch. V. Meifeen 5f. 16f, 22. 25. 32.

IV,, Bisch. V. Meifsen 73.

XII., Papst 242.

Decan in Gotha 37 f. Johann Albrecht, Hzg. v. Mecklen- burg 276. 285, 287 ff'. 292.

Johann Ernst, Hzg. v. Weimar 302, Johann Friedrich (d. Grofsmütige),

Kurf. V. Sachsen 106, 115 ff.

200, 246. 248 ff,

(d. Mittlere) 260. 276, 284 ff.

Johann Georg III., Kurf. v,

Sachsen 136,

Johann Georg IV., Kurf. v.

Sachsen 136. Johann Philipp, Rheingraf 295. Johann Wilhelm, Hzg. v, Weimar

272. 281. 286. Johaungeorgenstadt 48. Jonas, Justus 106. Judeman, Arnold 38. Jülich s. Wilhelm. Jüterbog, Kreistag (1549) 273.

Kaie, C, Ratmann zu Leipzig 317. Kamburg, Amt 250. 252. Kamenz i. Sa. 168 ff. Kämpfersgrün b. Löfsuitz 54, Kapellendorf b, Weimar 268. Karansebes in Ungarn 139. 141. Karl IV., Kg, v. Böhmen 17,

V,, Kaiser 112 ff 254f. 262 ff. 285. 2 97 ff.

Hzg. V, Lothringen 145. Kassel 83. 97.

KeUer, Volkmar 92 f.

Keyl, Hans, in Kamenz 169 f.

Walpurge 170. Kirchberg b. Stollberg 52.

b. Zwickau 55 ff.

Burggrafen v. 19 ff.

Albrecht 20.

Hartmann, 20,

V. Kirchberg, Familie 20 f,

Heinrich 21,

Johann 19.

Konrad s. Wallhausen.

Weruher 20.

Wirich 19ft\ Kitzing, Dr. 251 f. 278 f. Kleinbernsdorf b. Remse 54. Klein -Kauizsa in Ungarn 138 f. Kleinwulm b. Zwickau 55, Klemm, Gustav, I)r, 337. Klösterlein -Zelle b. Aue 44. 49.

60 ff Knobeisdorf b. Döbeln 70, Knothe, Herrn., Friedr,, Geh.

Hofrat 155 ff'.

Karl Friedr,, Pfarrer in Hirsch- felde 155 ff.

V. Kochberg, Hartmod 19.

V. Kolditz, Thimo, Marschall 36. 38 f,

Komerstadt, Dr. 280, 284. 290.

Kommission , Kgl, sächs. , f. Ge- schichte 164 ff,

Königsberg, Amt 288 f. 304. 306.

Register.

395

Königstein 336.

Königswalde b. Schiettau 53.

Kottbus 239.

Kottengrün i. Vogtl. 201.

V. Kottvvitz, Heiur., Protonotar

8. 12. 27. 33. 37. Krakau 239. Krell, Nicol. 353 ff. Krenziger 254. 261. Kudorti', Heinr., zu Lobeda 73.

Laraberti Annal. Hersfeld. 223. Lang, Job., in Erfurt 104 f. 107 ff.

Paul 223.

Langenbach b. Hartenstein 50.

Langensalza 94 ff'.

Lasan, Oswald, v. Zwickau, Mag.

107. Lauer b. Leipzig 340 f. Lauter b. Aue 49. 62. Lazius, Wolfg. 111 ff. Leöler, Anna, geb. Frank 169 ff.

Stephan 170 ff.

Leipzig 3. 6 f. 39 ff". 74. 252 f. 256. 258. 271. 307 ff; 333 ff. 340.

Universität 101 ff'. 156. 171. 218. 220.

Dominik. -Kloster 242. Leisnig, Amt 259,

Burggrafen 29. 32. 61. Albrecht 72.

Hugo 82.

Leonhard, Primarius in Lauban

156. Leouhart, Sebast., Mag. 175. Leopold 1., Kaiser 134 ff. Lersener, Heinr., hess. Sekretär

111. 123. Leutersbach b. Kirchberg 56. Lichtenstein 44 f. 48. 58 ff. 62 ff. Limbach b. Oschatz 29. V. Limbach, Bartholom. 30.

Benedictus 30.

Deinhard 30. 32 f. 35. 39.

Dietr. d. Alt. 31.

Dietr.', Pfarrer in Mügeln, Protonotar 27. 29 ff.

Elzebeth, ISfonue in Sornzig 30.

Hans 30.

Hermann 30. 35.

Job. 30. 32. 35.

Margarete, Xonne in Sornzig 30.

Michael 30.

Strenflil 30. 35.

V. Limbach, Wernher 30. 35.

Wolmann 30.

Limmer, Joh., Eektor iu Witten- berg 176. Lindenau b. Schneeberg 47.

Job., Bürgermstr. in Leipzig 317.

Lindner, Job., der Pirnaische

Mönch 217 ff. Linz 298 ff.

Lippa a. d. Maros 135. 137 ff. Löbichau b. Jena 19. V. Lobkowitz, Nicl. 41. Lobsdorf b. Glauchau 44. 54. 60

63. 65. Lochau 294.

Loose, Wilhelm, Prof. 324 ff. Löfsnitz i. E. 44. 50. 54. 58 ff.

62. 65 f. Lothringen s. Karl. V. Loucha, Heinr. 38. V. Löwenstein, Eitel 94.

Heinrich 94.

Joh. gen. Schweinsburg 94.

Kaspar 94.

V. Loxau, Georg 120. Luckau 3.

Luckewitz b. St. Egidien 44. Ludwig, Markgraf v. Meifseu, Bisch. V. Halberstadt 4f.

IV., König 13.

Ludwig Wilhelm, Markgraf v.

Baden 136. 150. Lugau b. Stollberg 44. 54. 60. 62

64 ff. Lugos 135. 141. Lüneburg s. Franz Otto. Luther 105 f. 243 ff. V. Lüttichau, Georg Ehrenfried

137. Lützen 176 f.

Magdeburg 282. s. a. Alhrecht.

Schöppenchronik 226. Mainz s. Albrecht. Mako in Ungarn 141.

Maler, Matthaeus, Drucker zu

Erfurt 108. V. Malticz, Albr., Hofrichter 14. Mameranus 117. 123. Mansfeld, Graf Hans Georg 264.

271.

Graf Volrad 276.

V. Manteuffel. Graf Ernst Christoph 340 ff.

396

Register.

Marburg- 83. 85. 87 f. Marieiiey 198 ff. V. , die (de Marchenia) 200. Mariensteni, Kloster 169. Markersbach b. Schwarzeiiberg" 45.

48. ]\[arscball v. llockritz, Heinr. 35. Maxen, Hans 40. Maximilian (II.), Erzherzog von

Österreich 256. 285. Mechelgrüu 199 f. Mecklenburg s. Georg, Johann

Albrecht. Medeniczwald, der, b. Mügeln 80. Meerane 54. 58. 63. Meifsen, Mkgr. s. Anna, Dietrich,

Elisabeth, Friedrich, Heinrich,

Ludwig, Wilhelm.

Burggrafen 52 f. 61 f.

Heinrich (1414) 72 f.

Heinrich v. Plauen (1552)

301 f. Meinher d. J. 38.

Bistum 51. Bischöfe 237. s. a. Dietrich, Johann, Tbimo, v. Wallhausen, Withego.

Stadt 6. 39 ff. 324 ff. Melancbtbon 106. 294.

V. Meldingen, Sophie, Witwe des Tilo Becheler 24.

Jutta u. Kunig., ihreTöcht.24. Mengssche Gipsabgüsse 336 f. Merseburg s. Adolf, Friedrieb,

Thietmar. V. Mila, Bernhard 264. 276. 278.

280f. 283 f. 286 291. 293. Mildenfurth, Kloster 237. V. Milkau, Leonh., kurf. Hofrat

175. T Miltitz, Beruh. 19. V. Minckwitz, Erasmus 264. 276.

278 ff. 300. Mitteldorf b. Stollberg 53. Mittweida 75. 82. Mittweida b. Schwarzenberg 45.

48. 56. 60 f. 64. Mocenigo,venetian. Gesandter 111. Mönch, Heinr., ßentmeister 249.

264. de Monte, Robertus 230. ]\fordeisen 290. Moritz, Kurf. v. Sachsen 123.

127 ff 248 ff. JFosel b. Zwickau 54 Mosellanus, Petr. 103 f. 106.

Mügeln b. Lirabach 32. Mühlberg, S.-hlacht 111 ff. Mühlhausen 84. MuldensprengeUarcbidiacon.trans

Muldam) 43 ff'. Mülich, Wolf, Hofmstr. 264. 286.

293. Mülsen s. Jacob 48.

s. Michael 44. 60. 63. 65.

s. Niclas 45. 48. 60. 62. 65 f. Münchberg in Oberfrankeu 218. Mustafa IL, Sultan 138 ff'.

Nauclerus 227 f. 237. Naumburg, Bistum 43 ff. 51ff. ,'

Propstei 43.

Stadt 262. 265. 286 ff. 804. 306. Keidhardtsthal b. Schneeberg 47. Neudoif b. Scheibenberg 48. 53.56. Neudörfel b. Scbneeberg 47. Neueusalz i. Vogtl. 199 f. Neustädtel 45 ff. 56 f. 60 f. 64. Neuwelt b. Schwarzenberg 49. de Nicczewicz, Fricczo, Hauptm.

zu Leisnig 75. Niedercrinitz b. Kirchberg 55. Niederdorf b. Stollberg 53. Niederlungwitz b. Glauchau 63. Niedermülsen b. Glauchau 63. Niederpfannenstiel b. Aue 54. Niederschindmas 1). Mosel 54. Niederschlema b. Schneeberg 49. Niederwürschnitz b. Stollberg ,53, Niederzwönitz b Stollberg 53. Nikolaus, Plebau von Geithain,

Notar 15. 28.

Pleban von Oelsnitz, Notar 15. Nimbschen, Kloster 10. 31. Noschkowitz b. Döbeln 73. Nürnberg 325.

Oberdorf b. Stollberg 53. Oberhohndorf b. Zwickau 55. Oberlausitz 155 ff. Oberlungwitz b. Waidenburg 52.

63. Oberpfannenstiel b.Löfsnitz 49. 54. Oberschlema b. Schneeberg 49.

62. 64. Oberwinkel b. Waidenburg 51. Oberwürscbnitz b. Stollberg 53. Oederan 42. Olasz in Ungarn 149. Oelsnitz i. Erzgeb. 44. 54. 60.

62. 64.

Register.

397

Oelsnitz i. Vogtl. 199.

V. (1. Oelsnitz, Asimis 65.

Oiliassano, Schlacht 136.

(Jileans, Hzg. v. 336.

Oisova 142.

Oitelshain b. Remse 54.

(Jitmaunsdorf h. Lichtenstein 44.

48 f. 60. 62, 64. Oschatz 41.

Ösrerreich 42 s. a. Maximilian. Osterweih, Wüstung b. Zwickau

54 f. Oitilia, s., Hoemburgensis in

Alsatia, Yita 229.

V. Pack, Heinrich, Amtmann zu Delitzsch 82.

Hermann 89 f. Palmaroli 336.

Palmerius. Matthaeus, Plorentinus 234.

Matthias, Pisanus 234. Pancsova a. d. Donau 138f. 146.

149.

Pauitz b. Mügeln 29. 35 39.

Pardany in Ungarn 145 ff.

Paschkowitz b. Mügeln 29.

Passau 301 ff.

Pausnitz a.,E. 116if.

Pcgau 82. 175 ff.

Peterwardein 136. 138 ff.

Plefferskofen , Generalwacht- meister 142.

Pfeifer. David 133.

Pflug, Andreas 264.

Pfretzschner, Ambros., aus Pegau 176.

Friedr. 176.

Job. 176.

Valentin 176.

Pliilipii, Landgraf V. Hessen 79. 90. 92 ff. 246 26L 283. 285. 294. 296. 304 f.

Hzg. V. Pommern 272. 302. de Piccolomini , Aeneas Sylvius

235. 237. Pirna 74"" 2l8ft' 239. 241. 245. Pirnaischer Mönch s. Lindner. Pistoris, Simon, Dr. 101. Plauitz b. Zwickau 55. V. d. Planitz, Familie 55 f.

Rudolf 64 f. Piatina 234. PLitten 56.

Y. Plauen, Heinrich s. Meifsen.

Pleifsensprengel (arcbidiaconatus

Plisnen«is) 43. 54 ff. Pöblbeig, Herrs(diaft 53. Pölbitz b. Zwickau 55. Polen s. Friedrich August. Pommern s. Philipp. V. Ponikau, Hans. Kämmerer 257.

278 ff. 290. Poppe, Job., Vicarius zu Meifsen

173. Pöppelmauu 334. Pöfsneck 2ö2. 260. 264. 269 f. 272.

277f. 281. Prag, Erzbistum 53. 56. Prenzlau 239. Preufsen s. Albrecht. Pruze, Konr.. Pleban v. "Werben,

Protonotar 14f. 18. 22. 26. 28. Pudernas, Peczolt, Ratmann zu

Leipzig 317.

V. Quandt 337. Quedlinburg s. Arnold. V. Querfurt, Gebhard 8.

Rabe, Familie 199.

Albrecht 199,

Friedlich 199.

Jan 200.

Ragewitz b. Oschatz 116ff. 122. Raschau b. Schwarzenberg 48.

56. 64. Ratzenberger, Dr., Leibarzt 274. Ran V. Holzhausen. Hans, hess.

Rat 278 ff. 283 f. Rautenkranz b. Auerbach i.Vogtl.

56. Registerwesen Iff. Reinhardsbrunner Geschichtsquel- len 345 ff, Reinholdshain b. Glauchau .54. 63. Reinsdorf b. Zwickau 45. 56. 60.

62. 64. Remse, Kloster 51 f. 54. 58. Reucblin, Job. 103. 113. 243. Reusa i. Vogtl. 199. Rheingraf s. .Johann Philipp. Rhenanus, Beatns 113. Riedesel , Herm. , he.ss. Ei-bmar-

schall 83. 88. Riesa, Kloster 10. Rittersgrün b. Schwarzenberg 49.

56. Rivius. Job. 338. Rochlitz 42. 80 ff. 91. s. Elisabeth.

398

Register.

E-ochlitz, Nie, Stadtschreiber zu Döbeln 70.

T. Röder, Wolf Caspar 202.

Rodewisch b. Auerbach 56.

Rödlitz b. Lichtenstein 45. 60. 63. 65.

Rolevinck, Werner 224.

Romanus, Franz Conr. 334.

V. Rosenbei'g, Heinr. 338.

Rofswein 73. 77 f.

Rothe, Job. 223.

Rothenkirchen b. Auerbach 56f.

Rotlebeu, Martin 39.

Rottlof, Wüstung 54.

Rudolf, Bisch, v. Naumburg 9.

Rumhart, Job., Ratraann zu Leip- zig 317.

Rumpf, Cuntz 39.

Sachsen s. Albrecht, August, Chri-stian, Christina, Elisabeth, Ernst , Friedrich , Friedrich August, Georg, Heinrich, Jo- hann, Johann Friedrich, Jo- hann Georg, Sibylle, Siegmund, Zdena.

Sachsen- Altenburg s. Friedrich Wilhelm.

Sachsenburg, Amt 306.

Salzungen 268.

Salankamen 138.

V. d. Säle, Barbara, Hofmeisterin 92.

Salig i. Vogtl. 200.

Saupersdorf b. Kirchberg 55.

Savoyen s. Eugen.

V. Schachten, Wilh., hess. Rat 282 f.

Scharroch 19.

Schedel, Hartmann 229. 237.

Schedewitz b. Zwickau 55.

Scheibenberg 48. 53. 60. 62. 65f.

Schellenberg 42.

Schenk, Peter, in Amsterdam 327 ff.

jun., Kupferstecher 329 ff.

Scherlein, Hans, Bürger zu Leip- zig 98,

Schirmenitz a./Elbe 116ff.l22. 126.

Schirnding, Philipp Karl 202.

V. Schleinitz, Wolf 92.

Schiettau 53.

Schlotheira 14.

Schlunzig b. Zwickau 55. 58. 63.

Schmalkald. Krieg 111 ff.

Schneeberg 46. 60 f. 64.

Schneeberg, Ephorie 48. Schneppendorf b. Zwickau 55 f. Schönau b. Wildeufels 45. 49 f.

.56. 60. 62. 65 f. V. Schönberg, Dietrich 10.

Johann 10.

V. Schönburg, Herren 52f. 62. 64 ff.

Ernst 64.

Friedrich. zuHassenstein 8.38. Schönheide 57.

Schönichen, Georg, zu Eilenburg 106.

V. Schöning, Hans Adam, Feld- marschall 135 f.

Schrautenbach, Balthasar 90. 97.

Sehwarzbach b. Markersbach 48. 54.

Schwarzburg, Graf v. (1519) 96.

Günther Graf v. , Herr zu Wachsenburg (1350) 38.

Günther Graf v. (1547) 258. 260. 2880'.

Heinrich Graf v. (1438) 40. Schwarzeuberg 45.49. 56 ff. 60f. 63. Schwarzwald, Amt 260. 264. 269f.

272. 277f. 281.

Sebottendorf, Wüstung, n. Löfs- nitz 54.

Seegeritz b. Taucha 35.

Sehma b. Schiettau 53.

Seifert, Christian Friedrich 203.

Seifertshain, Ticzmann, Bürger- meister zu Leipzig 317.

Seid, Dr., Vizekanzler 264. 299 f.

Semlin 145. 152.

Seufslitz, Kloster 14.

V. Seydewitz, Hans Abraham 201.

Hans Wilhelm 202. Seyffarth, G. 337.

Sibylle, Gem. Hzg. Joh. Fried- richs I. V. Sachsen 259 ff. 270. 274. 281. 288 ff.

V. Siegen, Nicol. 223.

Siegmund, Hzg. v. Sachsen, Bisch. Y. Würzburg 39.

Sigebert v. Gembloux 230.

Siechte, Jacob, v. Schleinitz 76.

Marathe 76. Siegel, Heinze 72. Sornzig, Kloster 6. 30. 32. Sosa b. Eibenstock 50. 58. Spalatin 104.

St. Egidien b. Lichtenstein 44. 60.

63. 65. Stangendorf b. Glauchau 63.

Register.

399

Starhemberg, Graf Erust Rüdiger 142. 152.

Graf Guido, Generalfeldzeug- meister 137. 141. 144 ff.

V. Starkeuberg 8.

V. Starscbädel, Innocenz, Hof- meister Hzg. Johanns 92 f.

Staucha, Kloster 72. 74.

Staupitz, Job. 244.

Stein, Schlofs 50. 62.

V. Stein, Wilh., zuWittgeustein 83.

Steinhäuser 337.

Steiniger, Elias, Schichtmeister 56.

Stiel, Job., Altarist in Pirna 241.

Stolberg, Graf Heinrich d. J. 82.

Stollberg 48. 51 f.

Strafsburger, Anonymus 1 11. 116 ft'.

Strehla a./Elbe 116 f.

Stromer, Heinr. , von Auerbach 100 ff.

Stufs, Job., Büi-germstr. zu Leip- zig 317.

V. Stuteniheim, Otto 38.

Stützeugrün b. Auerbach 57.

Sülpke in Amsterdam 328.

Swertfeger, Nicol., Vogt zu Dö- beln 75.

Sylvius, Aeneas, s. Piccolomini.

Szegedin 144.

Szemlak in Ungarn 140 f.

Szilas in Ungarn 147.

Taafe, General 150.

T. d. Tann, Eberhard, Amtmann

auf der Wartburg 279. 283.

291. 297 f. Tanneberg b. Geyer 53. V. Taubenheim, Christof, zu Bedra,

Amtmann zu Freiburg 82.

86 ff. 98 f.

Christof 262. Temesvar 137 ff. Tennstädt 82.

V. Tenstete, Ulrich 19. Y. Tettau, die 57. 61 f.

Adam 200.

Auselm 57. 64.

Apel 200.

Asmus 201.

Balthasar 201.

Christof, auf Schilbach 200.

Hans 200.

Hans Balthasar 201.

Hans Christof 201.

Hans Ernst 201.

V. Tettau, Hans Georg 201.

Hans Joachim 201.

Joachim 200.

Jobst Caspar 201. Tetzel. Job. 241. 244. Thamsbrück 12. Theuma i. Yogtl. 199. Thierfeld b. Hartenstein 45. 58.

60. 62. 66. Thietmar, Bisch, v. Merseburg 225. Thimo, Bisch, v. Meifsen 73. V. Thofs, Familie 200.

Carl Heinrich 202.

Carl Gotthelf 203.

Carl Ludwig 203.

Caroline FriedrikeAVilhelmine, verm. v. Feilitzsch 203.

Christiaue Johanne geb. Hendel 203.

V. Threna, Heinr., Ratmann zu

Leipzig 317. Thumbshirn 127. 129. Thüringen s. Balthasar, Friedrich. Thurm b. Glauchau 45. 56. 60.

63. 65. de Thwrocz, Job. 236. Tirschheim b. Waidenburg 51. Titel in Ungarn 138 ff. Töpeln b. Leisnig 32. Torgau 6. 31. 38. 42. 254. 282.

292 f. v.Torgau,Botho, Herr in Bychin 38. Treben b. Lommatzsch 10. Treffurt 93 f. 96. Trithemius 229. V. Troppau, Martin 236. V. Trotha, Heinr., hess. Marschall

83

Tilmann 131.

Truchsefs, Baron, Feldmarschall- leutnant 141. 144 f. Trützschler v. Eichelberg 50.

Ungarn 136 ff. Urban V., Papst 22.

V. Yanre, Otto 25. 38. \'audemont, Prinz 148ff. A^erden 284.

A^ergerius, Petrus Paulus 233. Veterani , Generalfeldmarschall

135. 137 f. 140 f. Vielau b. Zwickau 45. 48. 56. 60.

62. 65 f. Vincentius Bellovacensis 231 f.

400

Register.

T. Viterbo, Gottfried 235. Vitzthum, Apel 76. Georg. Amtmaun zu Sachseu- burg 249.

Vulgata 236.

"Waldeck, Heinrich Graf zu 82.

Philipp Graf zu 82.

V. Waklenberg, Herreu 53.

üuarch 52. Waidenburg 51.

V. Waidenstein, Konrad, Statt- halter a. d. Werra , Landhof- meister 83. 88. 94 f.

V. Wallhausen (v. Kirchberg), Konr., Protonotar, dann Bisch, von Meifsen 4. 8. 13 ff. 37.

Walthersches Legat 33ö,

Walthersdorf b. Schiettau 53.

Wandelaar, J. 329.

V. Wangenheim, Friedr. 8.

Waradia a. d. Maros 137.

Warschau 336.

Wartburg 24. 37 f.

V. Watzdorf, Friedr. Volrath 201.

Webau b. Weifseufels 19.

V. Wechuiar, Melchior 249.

Weida 40.

V. Weida, Vögte 236 f.

Heinr., auf Wildeiifels 64.

Weidensdorf b. Remse 54.

Weimar s. Dorothea Maria, Frie- drich, Johann, Johann Ernst 302.

Amt 250.

Weifsbach b. AVildenfels 49 f. 56. 64.

Weifsenfeis 270.

Weilsensee 8 f. 25. 38. 82.

Weltchronik, sächs. 225.

Wernsdorf b. Glauchau 45. 56. 60. 63. 65.

Wiczan, Claus, in Dölieln 77.

Wien 113. 143.

Wiesenthal (Ober-, Hammer- unter-) 48. 56. 60. 62. 65 f.

Wildbach b. Hartenstein 49 f. 65 f.

Wildstein b. Eger 200.

Wilhelm (d. Einäugige), Markgraf V. Meifsen 4 ff. 40 f. 72. 74.

Wilhelm IL, Landgraf v. Hessen 79 ff. 286 ff. 292. 304.

Hzg. V. .Jülich 302. Wilkau b. Kirchberg 55 f. Wildenfels 48. 61 ff. Wilker, Liborius 42. Withego IL, Bisch, von Meifsen

31. 34. Wittenberg 39. 42. 106. 109. 129. 245

Vertrag (1547) 248. 252. 257 ff. 275. 280. 282. 287. 294. 302 f:

Universität 174 ff. Witteudoif, Wüstung, n. Löfsnitz

54. v. Witzleben, Dietrich 82.

Kristan, Hofrichter 8. 38 f. Wogau b. .Jena 19.

Wogaz 336.

Wolfgang, Fürst v. Anhalt 285 ff.

295. Wolkenstein 51. 53. Wolrab, Nie, Buchhändler in

Leipzig 339. Wormser ßeligionsgespräch

(1.551) 110. Wulm b. Zwickau 55. Würschuitz i. Vogtl. 201. Württemberg s. Christof. Würzburg s. Siegmund.

Zaulsdorf i. Vogtl. 201.

Zdena, Gem. Hzg. Albrechts 241.

Zigilheim, Hans 76.

Zeitz 43. 56 ff. 249. 252 f. 264. 271. 276. 287.

Zenta in Ungarn 139. 153.

v. Zinzendorf, Graf Ludwig, Ge- sandter in Wien 143 f. 150.

Zittau 155 ff.

Zschocken b. Wildenfels 45. 60. 62. 64.

Zschorlau b. Schneeberg 47. 49. 56.

Züruer, Adam Friedrich 327. 331.

Zwätzen, Landkomturhof 260. 264. 288.

Zwickau 48. 55. 64.

V. Zwochovv, Olcze 35.

Zwönitz i. Erzgeb. 45. 54. 60. 62. 64.

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