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JOHN M. KELLY LIBDADY
DONATED IN MEMORY OF
DR. GEORGE HEIMAN
University of St. Michael's College, Toronto
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23ict?ter S3anb
©er 3öanberer unb fein «Schatten
(gnenfd)ti(f)eä 2inäumenfct)tid)e5 11, Zweite abt^etlung)
'iilfxtb ^xbmv SSevtag in (Stuttgart 1921
©ei; Sßanbcrer unb fdn 6(^attm
Söon
^^'^''^ Marcu
%ifxtb ^xbntx SSexU^ tn @tuttc|avt 1921
Überfe^ungSred^t vorbehalten
a)rutf bcr Unton 3)cutfc^c «erlagSgcfeafd^aft in ©tuttgort
©eltc S)er Sßanbcrer unb fein ©d^atten (1879)
(aWenfd^Iid^eä 2lÜ3umen[cf)Iic^eä II, Zweite 2l6t^eilung . 1
3Jlorgcnröt^e (1880/81)
SSombe (1886) 195
®rftcä »ud^ 203
3n)cite§ $8urf| 285
2)ritteS Sud^ 345
»ierteä S8uc^ 403
S-ünftcS Sud[) 481
S^ad^beric^tc , ... 565
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!Der SBanberer unb fein Debatten
Zweite 2l6t()citimg)
(1879)
91te6fd)e« SLÖevte. Klan.=Mu«8. IV.
I
^cr (Scljcitten: ^a ic^ bi(^ )ü lange lüdjt rebeu f)örte, fo möd)tc ic^ bir eine ©elegen^ett geben.
^er Sßanberer: ©^ rebet: tüo? unb iuer? gaft ift e§ mir, al§ ^örte tc^ mtd^ jelber reben, nur mit nod) fcljtimd^erer (Simme a(§ bie meine ift.
^er (Schatten (nad) einer SSeile): greut e^ bid) nid)t, (Gelegenheit jum Sieben gu I;aBen?
Tier Sßanberer: S5ei ©ott unb allen fingen, an bie id) nid)t glaube, mein (^djatkn rebet: ic^ \)öxc cv, aber glaube e^ nid)t.
'I)er (Schatten: 9f?et)men Jüir eö ()in unb ben!en lüir nid^t iueiter barüber nac^, in einer <Stunbe ift aUe-o uorbei.
^er SBanberer: ®an,^ fo backte id), alS id^ in einem $föatbe bei ^i(a erft ^tvd unb bann fünf ^ameele faCj.
^er(Sd)atten: (S§ ift gut, bog n)ir S3eibe auf gleidje SBeife nad)fid)tig gegen unö finb, toenn einmal unjcre Vernunft ftille ftet)t: fo tüerben mir unö auc^ im ©ejpräd^e nid^t ärgerlid) merben unb nid)t g(eid) bem ^(nberen ^aumenjc^rauben anlegen, faUö fein SBort un^ einmal unüerftänbtid) !(ingt. SSei^ man gerabc nid)t 5u antroortcn, fo genügt eö fd)on, ütva^ 5U fagen: ba§ ift bie billige S5ebingung, unter ber id) mid) mit 3emanbem unterrebe. S3ei einem längeren (SJeJprüc^e loirb
üucl) ber 3Bei|efte einmal ^itm 9krveit imb brcintaf 5um
^er Söonberer: ^eine ©enütjfamfeit ift nic^t fd}mctd)c([)aft für beii, luclcl)eni bu fie cingefteöft.
^er (Sd^ alten: ©oü id) benn fd)meidje(n?
^er SSanberer: 3d) had)tc, ber menfd)(i^e (Sd^atten fei feine (Sitelfeit; biefe aber toürbe nie fragen: „foE id) benn fd^meidjcln ? "
SDer ©djatten: ^ie menfd}Iid)e (£itelfeit, fotueit id^ fie fenne, fragt and) nid)t an, \vk id) fd)on 5ineinial tl)at, 06 fie reben bürfe; fie rebet immer.
^er SSanberer: 3d) mcrfc erft, luie nnartig id) gegen bic^ bin, mein geliebter (Schatten: id) l)aOe nod) mit feinem SBorte gefagt, mie fe()r ic^ mid^ freue, bid^ gu ^ören nnb nid)t bloß 5U fer)en. ^u unrft e§ tüiffen, ic^ üebe ben ©d)atten, mie id) ha^ lHd)t liebe, ^amit e§ <Sd)ön^eit beö ®efid^t^5, ^entlid)!eit ber 9k^be, (SJüte nnb geftigfeit be^ S^arafterö gebe, ift ber (5d)atten fo nötl)ig mie ha^% 2kl)t ©^5 finb nid)t Gegner: fie i)alten fic^ öielmel)r üebeDoü an ben §änben, nnb menn bo§ Sid)t öerfd)minbet, fd)Uipft if)m ber ®d)atten nad).
^er (Sd)atten: llnb id) l)affe bac-felbe, uhv^ bn I)affeft, bie 9tad)t; id) liebe bic 9[)?enfd)en, med fie :$3id)t' jünger finb, nnb frene mic^ hc^ Seud^tenö, \>iv^ in il)rem ^(uge ift, menn fie erfennen nnb entbcden, bie nner= müb(id)en (^rfcnner unb ©ntbeder. Sener (Sd)attcn, me(d)en alle !Dinge geigen, menn ber (Sonnenfd)ein ber S'rfenntnife anf fie fällt, — jener ©d)atten bin id) and).
®er SBanberer: 3cl) glanbe bid) gn üerftel)en, ob bu bid) gleid) ctlua^^ fd)attcnl)aft au^Sgebrüdt l)aft. 5lber bu l)atteft 3'ied)t: gute greunbe geben fid) l)ier unb ba ein bnnfleö Sföort aU QQidjcn be^5 ßinuerftänb- niffev, tueld)e^ für jeben il)ritten ein $Kätl)fel fein foll.
- 5 —
llnb tüir ftnb gute greimbe. ^c§^a(6 genug be§ 35orreben§! Giitige ftunbert Jrageit brürfen auf meine (Seele, unb bie Qät, wo bu auf fie antn^orten fannft, ift ütelleic^t nur fur^. (Se^cn iuir ^u, n)orüber tt)ir in aEet (5i(c unb 55^iebfertig!eit mit einanber ^ufammenfommen.
jDer @d}atten: 5(ber bie (Sd)atten finb fd)üdjterner aU^ bie 50?enfcf)en: bu irirft 9^iemanbem mitt()eilen, njic mir 5ufammcn gejpro(^en (jaben.
^er ^Sauberer: 3Bie mir ^ufammen gefprod)ert babcn? ^er .^oimmel bdjüto: mid) üor langgefponnenen fd)rtftlic^en (^cfprüdjeu! 3Senn ^(ato Weniger Suft am Spinnen ge()abt Ijätte, mürben feine Sefer mef)r Suft an ^(ato ()abcn. (Sin ^efpräc^, ha§> in ber 2Bir!(ic^fett ergetjit, ift, in (Sdjrift nermanbett unb gelefcn, ein C^emälbe mit lauter falfd}cn ^crfpcftiüen : ^ alle^S ift ^u lang ober ^u fur^. — ^od) merbe id) üielleid^t mittfjeilen bürfcn, morüber mir übcrcingefommen finb?
®er (Schatten: ^amit bin idj 5ufricben; benn ade merben barin nur beine i'Xnfid)ten miebererfenncn: bey (Sdjatteuy mirb niemanb gebenfen.
^er SBanbcrer: '^ielleid)t irrft bu, greunb! iVh:^ jel5t \)at man in meinen 5(nfid}ten me()r bcn (Sd)atten luafjrgenommen a(§ mid).
^er (3d}attcn: 9J('el)r ben Sd)atten, alö ba§ Sic^t? Oift ci^ möglid)?
^er ^^anbercr: ^Sei ernftbaft, lieber ^Juirr! 0»3leidj meine crftc grage uerlaugt (ivnft. —
1
93 0 m S a u in b e r (V r f e n n t n t fe. — 3i^al)r jd)einlid) feit, aber !eme S[Ba^rf)eit: greife^ einltd) feit, aber feine greil^eit — biefe beiben grüdite finb e^, berenttüegen ber Saum ber (Srfenntnijg nic^t mit bem S5aum beö Seben^ öern)ecf)felt trerbcn !ann.
^ie ^^ernunft ber 3Sett. — Tag bie 3BeIt nid)t ber Snbcgriff einer ewigen 93ernünftigfeit ift, lägt ftd) cnbgültig baburd) behjeifen, baß jenes @tüd 3BeIt, hjelc^eS tnir fennen — idj meine unfre menfd^tid)c SSernunft — , nii^t all^u Vernünftig ift. Unb iüenn fte nic^t allezeit unb öollftönbig meifc unb rationell ift, fo tüirb eS bie übrige 3Se(t auc^ nid)t fein; f)ier gilt bei (Bd)(u§ a minori ad majus, a parte ad totiim, uitb 5tt)or mit entfd^cibenber ^raft.
3.
„5Im Einfang mar." — Tic (Sntftcljung berlicvv' Iid)en — ha^ ift ber metapt)i)fifd)e 9^id)trieb, meldjcr bei ber 93etrad)tung ber §iftorie miebcr auöfd)lägt u^^ burd)auö meinen mad)t, am ^tnfang aller ^inge ftel)c ta^ SScrtf)t)oaftc unb SBefentlidjftc.
4.
DD^iuiB für ben SSert^ bet 3Ba^rf)eit. — gut bie §ö^c ber S5erge ift bie 9J?üf)faI i^rer ^Befteigung biird)au§ fein 50^aagftab. Unb in ber 2öiffenfd)aft foll c<i anberö fein! — fagen un§ (Sinige, bie für eingetüei^t gelten trollen — , bie 9)?ü^fal um bie SSa^r^eit foll gerabe über ben SBerti) ber 3Saf)r^eit entfc^eiben! ^tefe tolle SO^oral ge^t öon bem ©ebanfen an^, \)a^ bie „SSo^r^ l)eiten" eigentlii^ nid^tg njeiter feien a(§ Xurngerät^fc^aften, an benen n)ir unö njacfer mübe gu arbeiten Rotten, — eine Woxal für ?(t^(eten unb geftturner be§ ©cifteö.
5.
@pracf)gcbraucf) unb 5BivfIic^fett. — (5§ giebt eine er^eucf)cltc 9J?i§Qd)tung aller ber ^inge, tt)elcl)c tl)atfäd3lid) bie 9J?enfc^en am iuic^tigften nel)men, aller näci)ftcn ^inge. ^an fagt ^um Seifpicl „man if;t nur, um 5U leben," — eine öerfludjte Süge, mie jene, meiere öon ber Äinber^^eugung al§> ber eigentlidien ^nbficl)t aller SBoUuft rebet. Umgefe^rt ift bie ipod)^ fd)äl^ung ber „n)id)tigften ^inge" faft niemals ganj äc^t: bie ^riefter unb 9}?etapl)l)fi!er liaben un^ jtüat burd)au§ auf bicfen ©cbicten an einen l)eud)lerifd) über- trcibcnben ©pradjgebraud^ gemölint, aber baö @efül)( bod) nidjt nmgcftimmt, meld)e§ biefe mic^tigften ^ingc nid)t fo toidjtig nimmt mic jene üeradjteten näd)ften I)inge. — (Sine leibige ^olge biefer boppelten §cud)clei aber ift immcrl)in, ha^ man bie näd)ften ^Dingc ^um '3eifpiel ©ffcn SBoljuen ®id)'5lleiben Sßer!el)ren nid^t ;,um Dbjeft beö ftätigen unbefangenen unb allgemeinen ::)iad)bcnfenö unb Umbilbcn^ madjt, fonbern, meil bic§
— 8 -
für ^erabtüürbigenb gilt, feinen intelleftucllen nnb fünfte Ierifd)en (Srnft baüon abtüenbet: fo ha^ f)ier bie (^etnofjn- l^eit unb bie gritiolität über bie Unbebad)tfamen, ttamentlii^ über bie nnerfa^rne Sugenb, (eichten (Sieg l^abcn; n)äf)renb anbererfeit^:? nnfere fortmä^renben S3er= ftöfee gegen bie einfadjften ^efe^e be§ Störperö unb @eifte§ un§ 5(IIe, 3üngere unb ältere, in eine befc^ämenbe 5lbf)öngig!eit unb Unfreiheit bringen — id^ meine in jene im (^runbe überflüjfige 5(b^ängig!eit t)on Srgten, Se^rern unb (Seelforgern , bereu ^ruc! jc^t immer nodj auf ber gangen ©efeßfc^aft liegt.
6.
^ie irbifcf)e (55ebre(^lid)feit unb if)re öaupt= urfad)e. — Tlan trifft, menn man fic^ umfief)t, immer auf SD^enfc^en, me(d)e it)r Sebentang (Eier gegeffen t)abcn, öl)ne gu bemerfen, ta^ bie (önglic^ten bie moljl^^ fdjmedenbften finb, mel^e nid)t miffen, ba^ ein ©emitter bem Unterleib förbeiiid) ift, bajs 253oI)Igerüd)e in falter flarer Suft am ftär!ften ried)en, ha^ unfer ®efd)mad§finn an t)erfc^iebenen ©teilen be§ SJ^unbe^o ungleii^ ift, bog jebe $IRal)l§eit, bei ber man gut fpiid)t ober gut ^ört, bem TlaQcn 9^ad)tl)eil bringt. 9J?an mag mit biefen 33eifpielen für ben SJ^angel an ^eobad)tung^= finn nic^t gufrieben fein: um fo met)r möge man guge^^ ftel)en, ia^ bie allernä elften 2)inge oon ben 9}Mften fel)r fd)led^t gefe^en, fel)r feiten bead)tet merben. Unb ift bie§ glei^gültig? — 3D?an ermäge bod), ha\] au^ biefem 9J?angel fid) faft alle leiblidje unb feelifd)e ®ebred)en ber (Singeinen ableiten: nid)t gu njiffen, maö un^5 förberlid), \va^ un» fd)äblid^ ift, in ber (Einrichtung ber :5ebenömeife, ^ert^eilung bcö ^ag^,
- 9 —
3eit iinb 5(u§iüa^l bc^ 5Berfcl)rcö, in 23cruf unb Tln^c, Sefe^Ien unb ©e^ord^en, D^atur^ unb ^unftem^jfinbcu, ©ffen, ©d)Iafen unb 9f^ad^ben!en; im 5l(einften unb 5intäglirf)[ten untüiffenb 5U fein unb feine fcTjarfeu 5(ugen 5U fjaben — ha^ ift e§, lüa^^ bie (Srbc für fo Sßiele gu einer „SSiefe beö Unl^eil^" mad}t. Sy^an fagc nic^t, e§ liege l^icr njie überall an ber menfdjlid)en Untiernunft: öielmefir — SSernunft genug unb über* genug ift ha, aber fie n)irb falfc^ geri d)tet unb fünftüd} t)on jenen Keinen unb allernädjften fingen abgeteuft, ^riefter unb Se^rer, unb bie fublimc §errfc{)fud)t ber Sbealiften jeber 5(rt, ber gröberen unb feineren, reben fc^ou beut Äinbe ein, e^ fomnie auf etujaä gang 5(nbercö an: auf ha^ §eil ber (Seele, tm ^taat^* bienft, bie ^örberung ber SSiffenfd^aft, ober auf STnfe^en unb S3efit3, alö bie SJ^ttel, ber gangen SJ^eufd^^cit ^ienftc gu cnueifcn, tnä^renb ba^ S3ebürfni§ beö (Singefnen, feine groge unb ficine 9^ot^ tnnerljalb ber tierunbgtnangtg ^ageöftunben cttva^ 33erüc^ttid)ey ober (SJIeii^güUige^ fei. — ©ofrateä fd^on we^xtt fid) mit allen Säften gegen biefe I)od}müt()ige SSernad)(äffigung be^3 9JJenfc^(id)en gu (JsJnnften bcö 9}^enfd)en unb liebte eö, mit einem Sßortc §omer'ö, an ben njirflidjen Umfreiö unb Inbegriff alleä (Sorgend unb Dkd^benfenö gu mat)nen: 2)aä ift e§ unb nur ^a§, fagtc er, „traö mir gu §aufc an (Sintern unb ©d)limmem begegnet".
7.
SUJCt ^r oft mittet. — (^pifur, ber (Seelen* 93cfd)tDid)tiger beö fpateren TOerttjumö, Ijatte jene rnuiibcr* ooHe ©infi^t, bie l^eutgutage immer noc^ fo feiten gu finben ift, bag gur S3erul)igung bc^ ©emütl)^ bie Söfung ber leisten unb öufeerften tljeoretifc^cn gragcn gar nidjt
— 10 -
nötljtg fei. (So genügte e§ i^m, ©olc^en, tDcId)e „bic ©ötterangft" quälte, §u fagen: „tnenn e§ ©ötter giebt, fo befümmern fie fid) nidjt um un§", — anftatt über bic le^te grage, ob e§ ©ötter überhaupt gebe, unfrudjtbar unb au§ ber gerne §u biäputiren. 3ene ^ofttion ift Diel günftiger unb mächtiger: man giebt bem 5(nbern einige (Sd)ritte öor unb maä)t i^n fo pm §ören unb ^el)er5igen gutit)iriiger. ©obalb er fid) aber anfd)ic!t ha§> ©egentf)ei( gu bemeifen — \>a^ bk ©ötter fic^ um un§ fümmern — , in lüeld^e Srrfale unb ^orngebüfdje mu^ ber 5(rme geratf)en, ganj öon f eiber, o^ne bie Sift be§ UnterrebnerS, ber nur genug Humanität unb gcin^eit ^aben mu^, um fein 9}Jitteiben an biefem @c^aufpiele gu Verbergen. S^^^^^ !ommt jener 5Inbere gum (gfel, bem ftär!ften Slrgument gegen jeben (Sag, gum ©fei an feiner eigenen 33e^auptung; er toirb fall unb gel)t fort mit ber felben (Stimmung, toie fic aud) ber reine 5It^eift (jot: „\va§> gel)en mic^ eigentlici^ bie ©ötter an! ^ole fic ber Xcufel!" — Sn anberen gäÖen, namentlid) iüenn eine §alb pl)^fifd)e, l^alb moraIifd)e §^potI)efe ha^ ©emütl) öerbüftert l^atte, U^iberlegte er nid^t biefe §^pot^efc, fonbern geftanb ein, t>a^ e§ moI)I fo fein fönne: aber e§ gebe nod^ eine gmeitc ^^pot^efe, um bie felbc ©rfd^einung §u erüären; öieEeid^t fönne e§ fid) au^ noc^ anber^ öerl)alten. SDie 9)?el)rl)eit ber §l}pot()efett genügt au^ in unferer Q^ nod), gum S5eifpiel über bic §er!unft ber ©emiffen^biffe, um jenen (Bä^attm tjon ber @eele gu net)men, ber au§ bem 9^ad)grübeln über eine einzige, allein fid)tbare unb baburd^ l^unbertfa^ über* fd)ägte §t)potI)efe fo leicht entfteljt. — SBer alfo SLroft §u fpenben toünf d)t, an Unglüdlid^e, Übelti^äter, ^^pod^onber, (Sterbenbe, möge fid^ ber beiben beru^igenbcn Beübungen (gpüur'ö erinnern, loelc^e ouf fel^r t)ielc
— 11 —
grogen ftc^ antoenbcn laffen. 3n ber einfarf)ftcti gorm ruurben fie eüüa lauten: erften^, gefegt e§ öer^ält fic^ jo, fo ge^t e§ un§ ntd)t§ an; gtreitenS: cg fann fo fein, e^ fann aber anc^ anbcr« fein.
8. Sn bcr 9^ad^t. — ©obalb bic D^adjt hereinbricht, berönbert ficf) unfere ©mpfinbung über bie näd^ften ^tngc. SDa ift ber SSinb, ber tüte auf t)erbotenen SBegeit umgef)t, pfternb, tüie ©ttua^ fud)enb, öerbroffen, tüeil er'§ md)t finbet. 2)a ift ba§ Sampenüd^t, mit trübem röti)(t(f|em ©dieinc, ermübet blidenb,'ber 9^arf)t ungern lt)iberftrebenb , ein ungebulbiger ©ftaöe be§ h)od)en äJ^enfd^en. ^a [inb bie ^tt^em^üge be§ <S^Iafenben, i^r frf)auerüc^er Xa!t, ju ber eine immer lüicberfe^renbe (Sorge bie SJJelobie ju btafen fd^eint, — toir ^ören fie nicf)t, aber trenn bie ^ruft be§ 6c^(afenben fid^ l^ebt, fo fü()Ien njir un§ gefd^nürten ^ergenö, unb irenn ber 5rtl)em finit unb faft in'§ XobtenftiEe erftirbt, fogeit tüit un^ „ru^e ein SSenig, bu armer gequälter ©eift!" — Ujir münfc^en attem Sebenben, treil e§ fo gebrüdt lebt, eine enjige diu^t; bie ^aä:)t überrebet gum Xobc. — SSenn bic 9J?enfcf)en ber ^onne entbeljrten unb mit SDf^onblid^t unb D( ben ^ampf gegen bie ^Qdi^t füljrten, tt)eld)e $f)i(ofo^)]^ic tuürbe um fie i^ren (Sd[)teier füllen! 9J?an merft eä ja bem geiftigen unb feelifd)cn ^efen beS 9[f^enfd^en fc^on ju fet)r an, tüie e§ buri^ bie §ä(ftc ^un!e(l)eit unb (Sonnen*(Sntbei)rung, öon bcr ba§ 2tbm umflort tüirb, im (5Jan5en üerbüftert ift
9.
3So bic Se^rc t)ün bcr greir)eit beS SSilleng cntftanbcn ift. — Über bem ©inen ftet)t bic
— 12 ~
0lot]^tt)enbtg!ett in bct (5JcftaU feiner Setbenfc^aftcn, übet bcm 3(nbcrn al^ @eiüoI}nI)eit §u Ijören imb ^u ge^ord)en, über bem dritten qI§ logifdje^ ©eluiffcn, über bcm ^ßicrten aU Saune unb mutf)n)illi9e§ S3c(jagen an @eiten= fprimgen. SSon btefen SSieren irirb aber gerabe ha bie greif) eit i^re§ SSiEcnS öcfncljt tuo Scber \)on iljnen am fefteften gebunben ift: c§ ift, al^ oD bcr (Scibemuiirm bie greifjeit feinet SSiIIcn§ gcrabe im ^Spinnen fud)te. 2SoI)cr !ommt bic§? ®r[id)tlicfj bafjer, \)a^ jeber fic^ bort am meiften für frei ^äit, wo fein Seben^gefüljl om größten ift, alfo, lüie gefagt, balb in ber Seibenfdjaft, bolb in ber $flid)t, balb in ber (5r!enntni§, balb im SKutljtrillen. S)a§, tüoburd) ber ein5e(ne SD^enfd^ ftar! ift, lüorin er fid) belebt fü^It, meint er nnmilWürlic^, muffe aud) immer ha^ (Clement feiner greif)eit fein: er rechnet 5lb^ängig!eit unb ©tnmpffinn, Unab^ängigfeit unb Sebenögefüf)! al§ not^lnenbige ^aarc gufammen. — §ier lüirb eine (Srfal^rung, bie ber SlJ^cnfd^ im gefeH* fd^aftIid)=^olitifd^en (Gebiete gemad^t \)at, fätf^Iid) auf ta^ allerle^te meta^^^fifd^e ©ebiet übertragen: bort ift ber ftar!e SlJ^ann aud) ber freie SJJann, bort ift lebenbige^ ®efüf)I ijon greube unb Seib, §ö^e be^ §offeng, ^^n^eit be§ S3ege^ren§, 9J?äc^tig!eit be§ §affen^3 ha^ 3nbef)ör ber §errfd)enben imb llnabf)ängigen, ttjäfjrenb ber Untertoorfene, ber ©flaue, gebrüdt imb ftum^f lebt. — ^ie Seljre üon ber greif)eit be^3 3ßil(en§ ift eine ©rfinbung I)errfd)enber (Stönbe.
10.
^einc neuen 5letten füllten. — ©o lange ttJtt nid)t füllen, \>a^ tüxx irgenb tt)ot)on abfangen, l^atten tüir un§ für unabhängig: ein ge^^tfdilug, tuelc^er geigt,
^ 13 —
W)k ftof^ itnb fjcrrfcljfücljtig bcr ^Dicnfclj tft. $)cnn tt nimmt I)ier an, bafj er unter allen Umftnnben bie 5(M)än gigfeit, fobalb er fie erleibe, merfen nnb erfennen muffe, unter ber SSoran§fe^nng, \)a^ er inber UnaOljängigfeit für gettjö^nüd} lebe nnb fofort, tnenn er fie an^mljm^'' meife öertiere, einen (SJegenfa^ ber (Smpfinbung fpüren mcrbe. — SBie ober, menn ha^ llmge!ei)rte tvaljx luäre: t^afj er immer in Dielfacljer ^(bljängigfeit lebt, fic^ aber für frei ^'ait, Wo er ben ®rucf ber ^ette auö langer (SJen)of)nl)eit nid)t meljr fpürt? 9^nr an \)m neuen Letten leibet er md): — „greit^eit be§ SBiUenö" l^ei^t eigentlich nic^tö mciter, al^5 feine neuen Stettcn füllen.
11.
^ie greil)eit bc^3 SBillen^ nnb bie Sjolation ber gafta. — Unfere gemol)nte ungenaue S3cobad}tun9 nimmt eine ©rujjpe t>on (£rfd)einungen aU (Sinö unb nennt fie ein gaftum: jUJifdjen i^m unb einem anbern gaftum benft fie ftd) einen leeren diaum fiinju, fie ifolirt jebeg gaftum. 3n SBat)rl^eit aber ift ad unfer §anbetrt unb (^rfennen feine golge t)on gaften unb leeren gmifdjenräumen, fonbern ein beftänbiger giufe. ^un ift ber Glaube an bie greil)eit be§ SBiUen^ gerabe mit ber $8orftelIung eineö beftänbigen, einartigen, ungettjeilten, untf)eilbaren gliegenö unUerträglid): er fe^t üorau«, bag jebe einjelne^anblung ifolirt unb untf)eilbar ift; er ift eine 5ltomiftif im Q3creid}e be^ SBoHenS unb Srfennenö. — ®erabe fo mie mir ßljaraftere ungenau öerf teilen, fo mad)en mir e*ä mit ben gaften: mir fpredjen Don gleichen St)araftereu, 9leid)en ^aften: beibe giebt eS nid)t. 9hin loben unb tabeln mir aber nur unter biefer falfd)en SBorauöfe^ung, bafj ei*
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^U\6)t ^afta geBc, bog eine aBgeftufte Drbnung tjott Gattungen ber galten üor^anben fei, tüetd^er eine abgeftnfte SBertl)orbnnng entfpredje: alfo toir ifoHren nid^t nnr ha^ einzelne gaüum, fonbern audj tüieberum bie ©ru^pen öon angeblid^ fleinen galten (gute, böfe, mitteibige, neibi}d)e §anblungen u. f. to.) — beibe Walt in:t()ümli(i). — ^a§ SSort unb ber S3egriff ftnb bei fi^tbarfte ®runb, n)e§l)a(6 tuir an biefe Sjotation üon §anblungen=®ruppen glauben: mit if)nen bejeic^nen iüir nidjt nur bie ^inge, n)ir meinen urjprünglid^ buri^ fie ta^ SBo^re berfelben gu erf äffen, ^urd^ SBorte unb S5egriffe merben n^ir je^t nocij forttüöljrenb öerfül^rt, bie S)inge un§ einfad)er gu beulen, al§ fie finb, getrennt bon einanber, unt^eilbar, jebe^ an unb für fid^ feienb. @§ liegt eine p]^iIofopt)ifd^e 9}?ljtl)o(ogie in ber ^piadjc öerfterft, tt)eld^e alle 5(ugenblicfe tt)ieber l)erauöbri^t, \o t)orfi(i)tig man fonft aud^ fein mag. 2)er (SJlaube an bie greil)eit be§ SSiEene, ha^ l^eigt ber gleid^en gölten unb ber ifolirten galten, — l^ot in ber (Sprod^e feinen beftänbigen ©üongeliften unb ^Inmolt.
12.
^ie ^runbirrtljümer. — ^omit ber 9J?enfc^ irgenb eine feelifdfje Suft ober Unluft empfinbe, mu^ er öon einer biefer beiben SÜufionen bef)errfd£)t fein: entnjeber gloubt er an bie ®(eid[)^eit genjiffer golto, getüiffer (Smpfinbungen: bann l^ot er burd^ bie Sßerg(eidE)ung je^iger 3"f^ö^be mit früf)eren unb burd^ (^leid^ = ober Ung(eidE)fe§ung berfelben (toie fie bei oUer Erinnerung ftottfinbet) eine feelifrfje Suft ober Unluft; ober er glaubt an bie 2Bit(en§==grei]^eit, ettna ujenn er beult „bie^ l)ätte ic^ nic^t t^un muffen", „bieS !^ätte
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anlietS auslaufen fönuen", unb gctüinnt barauJ ebenfalls Suft unb Unluft. D^ne bie Srrtf)ümer, n?eld^e bei jeber feelifd^en ßu[t unb Unluft t^ätig ftnb, tpürbe niemals ein 3J2enfd§entt)um entftanben fein — beffen ©runbempfin* bung ift unb bleibt, ba^ ber SJ^enfd) ber greie in ber SBelt ber llnfreit)eit fei, ber ett)ige 2Bunbertf)öter, fei e§ bo^ er gut ober böfe ^anbelt, bie erftaunli^e %n^- naf)me, ha^ Übertt)ier, ber gaft=^®ott, ber ©inn ber ©c^öpfung, ber 9füd)t^inn)eg§uben!enbe, ha^ fiöfung§= toort beS fo»mifcf)en 9fiät!)felg, ber groge §errfd)er über bie Statur unb SSeräd)ter berfelben, ba^ SSefen, ba^ feine ©ef^idjte SBeltgefd^idjte nennt! — Vanitas vanitatum homo.
13.
3 U) ei mal fagen. — @^ ift gut, eine <Bü^t fofort boppelt au§5ubrüden unb il)r einen redeten unb einen (infen gug ju geben. 5(uf (Sincm S3ein !ann bie 2Sat)r= ^eit jUjar fte^en; mit peien aber mirb fie ge^en unb ^erum!ommen.
14.
^er gj^enfd) ber Ä'omöbiant ber SSelt. — @S mü§te geiftigere ®efd)öpfe geben, alö bie 3J?enfd§en finb, blog um ben §umor gang auSgufoften, ber barin liegt, bag ber 2)^enfd| ficf) für ben Qtotd beö gangen SBeltenbafeinö anfielet unb bie 3J?enfc^l)eit fid) ernftlic^ nur mit ^uöfic^t auf eine 2Belt=3J?iffion jufrieben giebt §at ein ©Ott bie Söelt gefc^affen, fo fd^uf er ben SJknfc^en jum 5(ffen ©otteö, alö fortn)äl)renben ^Inlafe jur (Sr^eiterung in feinen anzulangen @tt)igfeiten. ^ie @pl)ärenmufi! um bie (Srbc Ijcrum n?äre bann n)oI)l t>a^ ©pottgelädjter aller übrigen öJefc^üpfe um ben 9}tenfdjen
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fjcrum. SWit bcm (Sct^mers ftljctt jener gelanQtDerltc Unfterblidje fein Siebling§tt)ier, um an ben tragifc^^ ftolgen ©ebärben nnb Einbiegungen feiner Seiben, über^ l^au^t an ber geiftigen ©rfinbfmnfeit be§ eitelftcn ®e* fd^ö|3fe§ feine gvenbe gu I)aben — qI§ (Srfinber biefe» (Srfinberg. ^enn tper ben SO^enfcIien §um (Spaage erfann, l^atte meljr ®eift al§ biefer, unb and) meljr greubc am ©eift. — (Selbft ^ier noc^, wo fid^ unfer äJ^enfc^en- tljum einmol freituittig bemüt^igen iDill, fpielt un§ bie ©itelfeit einen (Streid), inbem njir SJcenfdjen njenigften^S in biefer (Sitelfeit ettüaS gan§ Unt)ergleic^lid)e§ unb SSunberl^afte^ fein mödjten. Unfere (Singigfeit in ber Sßelt! a6), e§ ift eine gar gu unlüal^rfc^einlid^e (Ba6:)el S)ie Elftronomen, benen mitunter iüirllid) ein erbentrüdter @efid)tg!reig gu X^eil tDirb, geben gu üerfte^en, ha^ ber Xro^Dfen Seben in ber Sföelt für ben gefammten Sljarafter be§ ungel)euren DgeonS Don Sßerben nnb ^ergel^en oI)ne S3ebeutung ift: ha^ ungegölilte ©eftime äl)nlid)e 33ebingungen gur (Sr^eugung be§ Sebenö t)aben ttjie bie (Srbe, fe^r Diele alfo, — freilidj foum eine §anbboII im $8ergleid^ gu hm unenblid) Dielen, loeld^e ben lebenben EIuöfd)lag nie geljabt Ijobm ober Don il)m längft genefen ftnb: ha^ \>a^ 2thm auf jebem biefer ©eftirne, gemeffen an ber ßeitbauer feiner ^'inftenj, ein Elugenblicf, ein Eluffladern gemefen ift, mit langen, langen ß^^^räumen Ijinterbrein , — atfo !eine§tüeg§ \)a^ Qxd unb bie le^te SIbfid)t il)rer ©jiftenj. S^ietteidjt bilbet \x6) bie Elmeife im SBatbe ebenfo ftar! ein, ba^ fie giel unb 5Ibfid)t ber (S^ifteng bc§ 2BaIbe§ ift, tük tt)ir bieö tl)un, njenn tDir an ben Untergang ber 9J?enfdjI)eit in unferer ^Ijantafie faft untoiüfürlic^ ben ©rbuntergang anfnüpfen: ja mir finb noc^ befd^eiben, menn mir babei ftelju bleiben unb ^ur Sei^enfeier beS lejjten
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SJtcnfdjcn nidjt eine oHgcmcine 25?clt^ «nb ^ötterbammc=j ruiig öeranftalten. ^er unbefangenfte Slftronom felber !ann bie ©rbe of)ne SeOen !oum anber§ emipfinben qIS tote ben Ieud)tenben unb fd)tx)ebenben ®rabf)ügel ber SJ^enj^^eU.
15.
öefrfietbenljcit be§ 30^cnjc^en. ~ Sic tücnig Siift ö^"ügt ben 3JJeiften, um baö Sebcii gut ju finbcn, tote bcfdjeiben ift ber 9J?enf(^!
16.
Sßorin ©reid)gültigteit not^ tf)nt — 92id)t§ tüäre t)er!et)rter, al§ abtoarten tüoHen, tt)a§ bie SBiffen^ fd)aft über bie erften unb legten ^inge einmal enbgültig jeft] teilen toirb, unb bi§ bat)in auf bie l^erfömmlii^e Seife bcnfen (unb namenttid^ glauben!) — tüie bieS fo oft angeratt)en toirb. 2)er Slrieb, auf biefem Gebiete burd)au§ nur (Sid^erl^ctten ^aben gu toollen, ift ein religiöfer 9^a^trieb, nic^tö 93effereS, — eine öerftedte unb nur fdjeinbar ffeptifdje 5Irt beä „meta)3t)t)fifd)en S3ebürfniffe8", mit bem §intergeban!en öerfuppelt, baß noc^ lange geit feine 5luöfid^t auf biefc legten ©idjert)eiten t)or()anben unb big bal)in ber „©laubige" im 9fJed)t ift, fid) um ba§ gan5e ©ebiet nid)t ju fümmem. SBir t)aben biefe ©id)erl)eiten um bie allere äufeerften §ori§onte gar nidjt nötljig, um ein boKc^ unb tüd)tige§ 2Jienfd^ent^um ju (eben: ebenfomcnig üU bie 5lmeife fie nötf)ig ^at, um eine gute ^Tmeife ju fein. SSicImet)r muffen tuir unö barübcr in'^ ^lorc bringen, n)o()er eigentlid) jene fatale 3ßic^tig!eit fommt, bie tuir jenen fingen fo lange beigelegt ^aben: unb
Vlleöfcl)e« «Berte. maff..«u«fl. IV. 2
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baju btaui^en tolr bte §iftorte bet et^ifd^en itnb religiöfen ©mpfinbungen. ®eim nur unter bem ©inftuß biefer (Smpfinbungen [tnb un§ jene alleri^i|eften fragen ber ^rfenntntfe fo ert)eblid| unb furd^tbar geujorben: man i)at in bie äujgerften S5erei(^e, tpo^in nod^ bog geiftige 5luge bringt, o^ne in fie einzubringen, foldie S5egriffe loie <Sd)u(b unb «Strafe (unb §tt)ar etüige (Strafe!) f)ineint)erf(i)Iep)3t: unb bie§ um fo unöorfiditiger, je bunüer biefe S5ereid)e tüaren. SJJan l^at feit 5i[Iter§ mit SSemjegen^eit bort :p^antafirt, töo man S^i^t^ feftfteEen lonnte, unb feine S^ad^fommen überrebet, biefe ^^an^ tafien für (Srnft unb Sßa^rf)eit gu nehmen, jule^t mit bem abfd)eulid)en Xrum^)fe: ta^ ©lauBcn me^r n^ertl^ fei, als Sßiffen. Se^t nun t^ut in ^infid^t auf jene testen ^inge nic§t Söiffen gegen ©lauben not^, fonbem ®(eid^gültig!eit gegen ©lauBen unb angeblid^eg Sßiffen auf jenen ©ebieten! — 5llte§ 5lnbere mu^ un§ nö^er fleljen al§ ^a§, toa^ man un§ bi^l^er als t>a^ Sßid^tigfte öorgejjrebigt f)at — ic^ meine jene gragen: toogu ber SJ^enfd^? $BeI^e§ SooS i)at er na^ bem ^obe? SSie berföf)nt er fic^ mit ®ott? unb tok biefe (Suriofo lauten mögen, ©benfoluenig tüie biefe gragen ber S^ies ligiöfen gelten unS bie gragen ber pf|iIofo<3l^ifd^cn ^og- matiJer an, mögen fic nun Sbealiften ober SJJoterialiften ober 9flealiften fein. @ie aKefammt finb barauf au§, uns 5U einer ©ntfd^eibung auf Gebieten gu brängen, 100 toeber ©lauben nod^ SBiffen not^ t^ut; felbft für bie größten Sieb^abcr ber ©r!enntniß ift e§ nü^lid^er, toenn um alleS (Srforfd^bare unb ber SSemunft 3"9ö"9- lic^e ein umnebelter trügerifd^er Sumpfgürtel fi^ legt, ein Streifen beS Unburt^bringtid^en, ©mig^glüffigen unb Unbeftimmbaren. ©erabe burd^ bie SSergleidjung mit bem S^cid^ be3 ^unfefö am Sf^anbe ber Siffen§^(£rbe
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ftetgt bie ^eHe unb nol^e, nöc^fte SBelt beS Sßtffen§ ftet3 im 1ßkrtf)e. — 2Bir muffen iDteber gute 3fiac^barn bet näd^ften S)inge tuerben unb ntd)t fo beröi^tltc^ lüie bi^^er über fie iiinhjeg nad^ Sßolfcn unb 9^ad§tunE)o(ben l^inbüden. Sn SBälbem unb §ü^Ien, in fumpfigen ©trid^en unb unter bebecften §immeln — ha \)Qi ber SJ^enfc^, alö auf ben ^ulturftufen ganzer Sa^rtaufenbe, all5ulange gelebt, unb bürftig gelebt, ^ort I)Qt er bie ©egentüart unb hk 9kd)barf^aft unb \>a^ fieben unb fid^ felbft öerac^ten gelernt — unb Ujir, tüir Senjof)ner ber Iid)teren ©efilbe ber Statur unb be§ ©eifteS, befommen jegt nod^, burd) ©rbfdjaft, tttoa^ ton biefem ©ift ber SBera^tung gegen \>a^ 9^äc^fte in unfer SBIut mit.
17.
Xiefe (Srflärungen. -— SSer bie ©teile eiucä 5(utori^ »tiefer erüärt", alö fie gemeint njar, t^at ben Slutor nid^t erflärt, fonbent öerbunfelt. ©o fteljen unfre 3J^etap:^5fifer jum STejte ber 9latur; ja nod^ f^Iimmer. ^enn um i^re tiefen (Srfläntngen anjubringen, ridjten fie fid) ^öufig ben Xe^l erft baraufl)in ju: baä ^eigt, fie ö erb erben il)n. Um ein curiofeS S5eifpiel für ieftüerberbnife unb 5ßerbun!elung be§ 5Iutor^3 5U geben, fo mögen l)ier ©d^opcnl^auer'S ©ebanfen über bie ©c^n?angcr(d)aft ber Sßeiber ftet)en. 2)aö ^In^cidje« beg fteten ^afeinS beö SöiUenö jum Seben in ber QQ\t, fagt er, ift ber Soitud; 'i)a^ 5ln5eid^en beä biefem Sßitlen aufd 9^cue gugcfcllten, bie 9Äöglid)!eit ber (Sriöfung offcnf)altenben i]id)te§ ber (£rfenntni§, unb äUjar im bödjften ©rabe ber ßlarl)eit, ift bie erneuerte SD^enfd)* iDcrbung beö Sßillenö 5um Seben. ^aS B^^cfien bicfer ift bie (5d)tDQnöerfdf)aft, n^elc^e baf)er franf unb frei, ja
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ftoTj eintjcröeTjt, njäljrenb ber (Eoitii§ fid) tocrfricc^t tric ein SSerbred^er. @r beljouptet, 'Oa^ jcbe^ SS ei 6, Jücuii Beim ®eneration§a!t überrafc^t, Dor (Sd^am öetgel^n möd^te, aber „i^re^djtoangerfd^aft, ol^ne eiite(3pur öou @d)am, ja mit einer 5(rt <Stot§, gnr (Sd)au trägt". SSor ^Uem lögt fid^ biefer Bwjfcnb nid^t |o Ieid)t mel)r jur (Sd)au tragen, oU er fic^ felber §ur ©d^au trägt; inbem (Sd)openI)ouer ober gerabe nur bie 5lbftd)tli(^!eit be§ Svix^^d]a\i^%v([Qcn^ Ijeruorfjcbt, bereitet er fid^ ben Xe^t üor, bamit biefer §n ber bereit geljoltcnen „örMrung" :|jaf]e. ©obann ift ha^, toa^ er über bie 5lllgemeinl)eit beö §u erHärcnben^^ünomcn^ ]"agt, nid^t n)at)r: er f^rid^t öon „jebem SBcibe"; öiele, namentlid^ bie jüngeren grauen, geigen aber in biefem guftanbe, felbft t)or ben näd^ften Huöeüuanbten, oft eine |)einlid)e SSerfd^ämtl^eit ; unb tüenn SSeiber reiferen xmb reifften SHterS, jumal folc^e au§ bem nieberen S5oI!e, in ber %f)at fid^ auf jenen gitf^Q^^ etwa^ §u ©utc tfjun foEtcn, fo geben fie n)ot)l bamit 5U öerftcljcn, \)a^ fie nod) t)on i^ren Tlännexn begetjrt n)crbcn. ^ajs hd i^rcm Slnblidf ber ^a6)bai unb bie D^adjborin ober ein öorübergeljenber grember fagt ober benft: „follte e§ möglid^ fein — ", biefcä 5l(mofen mirb Don ber n)eiblid}cn ©itelfeit bei geiftigem Xiefftanbe immer no^ gern angenommen. Umgefel^rt njürben, n?ie an^ (Sd^openf)auer'§ Sägen ju folgern toäre, gerabe bie üügften unb geiftigften SBeiber am meiften über i^ren 3"f^o"^ öffentlich fro!)Ioden: fie ^aben jo bie meifte 5ru§fid)t, ein SBunberünb beg SnteHeftä ju gebären, in n)eld)em „ber SBille" fid) gum allgemeinen S3eften mieber einmal „Verneinen" fann; bie bummen SSeiber Ratten bagegen aücn ©runb, iljre ©(^toangerfd^aft noc^ fd^amljafter 5U öerbergen qU ^UeS, toag fie öerbergen. — 9J?an fann nidE)t fagen, ha^
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btefe ^iitgc auS ber Sötrflic^fett genommen finb. ©efe^t aber, ©c§o^enf)auer l^ätte gan^ im OTgemeinen barin fflcd)t, ha^ bie SSciber im ^i^ftonbe ber <Sd)tüanger}^aft eine (SelbftgefäHigfeit me^r geigen, alö fie fonft geigen, fo läge hod) eine (Sr!(ärung näljer gnr §anb a(§ bie feinige. Wan fönnte ficf) ein ©aifern ber §enne and) t)or bem Segen be» ßieö benfen, be§ 3nf)alte§: (Sef)tl (Se^t! Scf) loerbe ein (£i legen! S^ tpcrbe ein (5i legen!
18.
^er mobernc ®togene§. — Seöor mon bm 9}Zcnfc^cn fnc^t, mng man bie Satcrne ge[nnben f)aben. — ^'ixO c§ bie Saterne bc§ (S^nüerö fein muffen?
19.
3mm oral tften. — ^ie 9J?ora(iften muffen eS fid) je^t gefallen taffen, Smmoraliften gefc^olten ju nierben, njeil fie bie SO^orat feciren. 2Ber aber feciren tv\U, mu§ tobten: jebodi nur, bamit beffer gelüufet, beffer geurt^eilt, beffer gelebt tüerbe; nidjt, bamit alle SSeft fecire. fieiber aber meinen bie 9}2enfd)en immer noc^, bag jeber 9}2oralift oud) burd^ fein gefammte^ §anbeln ein ä)hifterbilb fein muffe, meld)c§ bie 5tnberen nadigualjmcn i)ätten: fie öermcdjfeln itjn mit bem ^rcbiger ber 9J?oral. ^ie alteren 5[J?ora(iftcn fecirten nid)t genug unb prcbigtcn atlgu[)äufig: ba^cr xüi)xt jene 2Scm)ed)feIung unb jene unongcncljmc golgc für bie jc^igcn 5Ji'ora(iften.
20.
9^id)t gu t)ermed)feln. — ^ie 5D?oraliften, meldjc bie großartige mädjtigc aufopfernbe S)en!n)eife, ettpa
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bei bett gelben ^(utard)'^, ober ben reinen crlend)tctert njörmeleitenben <See(cn5u[tanb ber eigentücf) guten 9JZänner unb grauen, al§ fc^tcere Probleme ber (Sr!enntni§ be^anbeln unb ber §erfunft berfelben nad)fpüren, inbem fie \)a^ ßomplicirte in ber onfd^einenben ^infac^f)eit ouf^ geigen unb i>a^ ^uge auf bie SSerfledjtung ber 9}?otiöc auf bie eingett)obenen garten iSegrip - Xäufd^ungen unb bie t»on 3llter§ t)er t)ererbten, (angfam gefteigerten (Singel^ unb ®rut)j3en^@ni()finbungen rid^ten, — biefe SJloraliften finb am meiften gerabe öon benen t)erfd)icben, mit benen fie bod) am meiften öertüed^felt tüerben: t)on ben Heinlid)en ©eiftern, bie an jene ^enfujeifen unb ©eelenjuftänbe über^au^)t nid^t glauben unb il^re eigne 5rrmfelig!eit t)tnter bem (SJIange bon ©röge unb 9^einf)eit öerftedt tüö^nen. ^ie 3)?oraliften fagen: „^kx finb ^obleme", unb bie ^börmlid^en fagen: „l^ier finb Söetrüger unb Söetrügereien" ; fie leugnen alfo bie ©jiftenj gerabe beffen, toa^ jene gu erflären befliffen finb.
21.
^et 9}?enfd) aU ber SlJ^effenbc. — SSicdeidit l^at alle SD^oralität ber 5Ö^cnfd)^eit in ber ungef)eurert inneren 5(ufregung i^ren Urfprung, ireld^e bie llrmcnfd)en ergriff, al§ fie ba§ 3J?aa§ unb \)a^ ä)?effen, bie SSage unb ha§> SBägen entbedten (2)a§2Sort „9J?enfc^" htöenkt \a ben SD^effenben, er t)at fid^ nad) feiner größten dnU bedung benennen moßen!). 3)?it biefen SSorfteÖungen ftiegen fie in öereidie i)tnauf, bie gang unmegbar unb untüägbar finb, aber cS urfprünglid^ nid^t gu fein fd^ienen.
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22.
unb ber 3J?äd)ti9e, ireldjer einer ©emeinbc öerfprid^t, fie gegen ben D^änber gu fdjügen, finb lüal^rfd^einüd^ im ©runbe ganj äi)nltd§e Sßefen, nur bog ber gtüeitc feinen SSortI)ciI anberö alö ber erfte erreidjt: nömtid^ burc^ regetmäfeige 5l6gaben, njeld^e btc ©emeinbc an if)tt cntrid)tet, unb nic^t mel)r burd) ^ranbf(f)a^ungen. ((£§ ift ba§ namlid)e SBerpItnife tt)ie gujijc^en §anbel§mann unb ©eeräuSer, treidle lange 3^^^ ^^" ^^^ biejelbc ^erfon finb: ujo i^r bie eine gunftion nid^t räti)Iici^ fc^eint, \)a übt fte bie anbere au§. (Sigentlid^ ift ja felbft je^t noc^ alle ^aufmann§'3J?oraI nur bie SSerflügerung ber @eeräuber'3J?oraI: fo n)ol)Ifei( tt)tc möglich laufen — ipomöglic^ für S^ic^tö aU bie Unternel^mungSfoften -— , fo tf)euer loie möglid^ öerfaufen.) S)aö SBefentlic^e ift: jener 3J?äd^tigc tjerfprid^t, gegen ben 9?äuber ®teid^* gett)id^t gu galten; barin feigen bie ©d^iuac^en eine SJ^oglic^fett ju leben. 2)enn entttjeber muffen fie fid^ felber ^u einer gleid)tt)iegenben 2J?acf)t 5ufamment:^un ober fid^ einem ©IcidEitüiegenben untertrerfen (i^m für feine Seiftungen ^ienfte (eiften). ®em le^teren Sßerfa^ren toirb gern ber SSorjug gegeben, ujeil eg im ©runbc jtoct.gefä]^rlid[)e SSefen in (Sd^ad) f)äU: ba§ erfte burd^ bag jnjeite unb ha^ jujeite burd) ben Q5cfic^t^^pun!t beS S8ortf)ei(§; le|tere§ f)at nömtid^ feinen ®ett)inn bat>on, bie UnterttJorfenen gnöbig ober leiblidE) ju bel^anbeln, bamit fie nic^t nur fidj, fonbern aud^ i^ren 93e^errfd)er ernäljren fönnen. X()atfäd)tid^ fann cS babei immer nod^ f)ort unb graufam genug juget)en, cber öerglid^en mit ber früt)er immer mögtid^en völligen SBernidjtung at!)men bie 9J2cnfd^en fd^on in biefem 3"ft«nbe auf. —
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S)ic ®cmeinbe tft im ^Tnfang bte Drganifatton bet ©c^lnadien gitm (Sjleic^geiDi^t mit gefa^rbro!)cnben 2)^ö(f)ten. dine Drganifation ^""^ Ü6ergeiüi(^t märe röttilicfjer, tücnn man bobei fo ftar! toürbe, um bic ©egenmad^t auf einmal §u öernid^ten: unb l^anbelt e§ fid^ um einen einseincn mäd)tiöen ©(^abent^uer, fo loirb bie§ gemig öerfud^t Sft aber ber (Sine ein ©tammljaupt ober Ijat er großen Sln^ang, fo ift bie fd)nclle entfc^eibenbc ^emid^tung unmat)rf(^einlid^ unb bie bauernbe lange %^^\)t §u getoärtigen: biefe aber bringt ber ©emeinbe ben am loenigften münfd^baren 3uftanb mit fid^, loeil fie burdfi if)n bie 3^^^ Derliert, für i{)ren Seben^untcrl^alt mit ber nötf)igen Sftegelmäfeigfeit 5U forgen, unb ben Ertrag oHer 5lrbeit jeben 5Iugenblic! bebrol)t fielet. S)e^t)atb 5iel)t bie ©emeinbe öor, i^re SKad^t ju Sßert^eibigung unb Eingriff genau auf bie §öt)e §u bringen, auf ber bie Ttadjt b^3 gefä^rlicf)cn 9^ad}bar<S ift, unb i^m ju öerfte^en ju geben, ba§ in if)rer Sßagfd^ale je^t glcid) öiel ^ liege: tüarum ujolle man nid^t gut greunb mit einanber fein? — ®Ieid^= geloid^t ift alfo ein fef)r tt)id^tiger Segriff für bie öttefte 9^cd[}tS' unb 9)Zora((ebre; ©leid^gelui^t ift bie SafiS ber ©ercd^tigfeit SSenn biefe in ro^^eren Seiten fagt: „tluge um Sluge, 3^^» ^^ S^W* \^ f^6* fi^ ^^^ crrcidjte ©leid^geipid^t öorauS unb XdxU e§ ijermöge biefer SSergeltung ert) alten: fo bü% menn jejjt ber (Sine fic^ gegen ben Sluberu ücrgct)t, ber 5lnbere feine "iRaä^c ber blinben Erbitterung nieljr nimmt, ©onbem öermöge be§ jus talionis tt)irb ba§ ©leid^gemi^t ber geftörten 2)?ad^tt)er]^ältniffe toicberl^ergcftent: benn ein Slugc, ein 2trm mcl^r ift in fold^en Uräuftcinbcn ein (Stüd Tla6:^t, ein ©emid^t mc^r. — Snnerl)a[b einer (Siemctnbe, in ber aüe fid^ al« gteid^gemid^tig betrad^ten, ift gegen
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SBergetiungen, boö Eieigt ge^en ^urrf)6rGrf)ungen beS $rindp§ beä (SJIeii^gcnjtc^tS, ^cE)anbe unb ©träfe ba: ©(^anbe, ein ©elut^t, eingefegt gegen ben Übergreifenben ©in^eüien, ber bnrd) ben Übergriff fic^ Sßort^eite öerfrf)afft ^at, bnrd) bie 6c^anbc nnn lüieber 9^ad)tf)eile erfät)rt, bie ben früljercn SSortljeil Quft)e6en nnb überlüiegen. (Sbcnfo ftet)t e^ mit ber ©träfe: fte fteHt gegen \)a^ Übergetüic^t, \)a^ fid) jeber 3Serbred)er gufpri(f)t, ein biet größeres ©egengeinic^t onf, gegen (55ert)altt^at ben Werfer* itüaxiQ, gegen ^icbfial)! ben 5föiebererfa§ unb bie ©traf- fumme. ©o tüirb ber greöler erinnert, bog er mit feiner §anblung au§ ber ©emeinbe unb beren ^oxaU 33 ort!) eilen au§fd^ieb: fie bet)anbelt i^n tvk einen Ungleidjen, ©^tüod^en, au^er \i)x (Ste!)enben; be^l^atb ift ©träfe nidjt nur SBieberüergeltuug, fonbern \:)at ein dJlti)x, ein ütxva^ üon ber §ärtc beö 9^atur5uftanbe!o; an biejcn miü fie eben erinnern.
23.
06 bie 5tnl)änger ber Scl)rc bom freien SSiüen ftrafen bürfen? — ^ie 9}2enfd)en, me(d}e öon SSerufSmegen ridjten unb ftrafen, fudjen in jebem galle feft^nfteHen, ob ein Übe(tf)äter überf)aupt für feine %l)at berantmortlid^ ift, ob er feine SSeniunft anmenben fonnte, ob er au^ (SJrünbcn Iianbelte unb nidjt un- bcmugt ober im 3^^i"g^- ©traft man if)n, fo ftraft man, ha^ er bie fd)ledjteren ^irünbc ben befferen Uor,^og: mc(d)c er alfo gefannt l)ahcn mujj. 2Bo biefe iftenntnife fct)lt, ift ber äJ^enfd) nad) ber l)errfd)enben 5tnfic^t unfrei unb nid)t öerantmortlid): e§ fei benn, \)a^ feine Unfcnntniö, h^^^ SBeifpiel feine ignorantia legis, bie 3oIge einer abfi^ttidjcn S]ernad}(äffigung bc3 ®r(crncn§
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tft; bann l^at er alfo fd^on bamalä, al§ er ntcfit lernen ^üoHte töaS er follte, bie fd^Iei^teren ©rünbe ben befferen borßcjogen unb mufe je^t bie So-^se fetner fcf)Iec^ten 2öaf)I bugen. SSenn er bagegen bie befferen ®rünbe ni(f)t gefei)en ^at, ctma au^ (Stumpfe unb SÖIöbfinn, fo pflegt man nid^t gu ftrafen: e§ l^at x\)m, tnie man fagt, bie SSa^I gefe^^It, er l^anbelte al§ X^ier. ^ie abfid^tli(f)c Sßerleugnung ber befferen S3ernunft ift jetjt bie SSorau§^ fe^ung, bie man beim ftrafiDürbigen ^erbrecfjen mad|f. Sßie !ann aber jemanb abfidjtlic^ unöemünftiger fein, aU er fein mu^? Sßo^^er hk (Sntfc^eibung, n^enn bie 223agfd§alen mit guten unb fd)Iee§ten Tlot\\)m belaftet finb? %i\o nid^t t)om Srrt^um, öon ber S5linb^eit ^er, n\d)t toon einem äußeren, aud^ bon feinem inneren S^^^^Ö^ 5er? (9}?an ertoöge übrigen^, ha^ jeber fogenannte „äußere gtoang" nidf|t§ lüeiter ift, al§ ber innere gtuang ber gurd)t unb be§ ©d^mer^eS.) SBo^er? fragt man immer Jüieber. ^ie SS er nun ft foß alfo nid^t bie Urfad^e fein, tüeil fie fid^ nidEit gegen bie befferen (SJrünbe entfd^ciben fönnte? ^ier nun ruft man ben „freien SßiEen" gin: ^ülfe: e§ foE ba§ üollenbete S3elieben entfd)eiben, ein äRoment eintreten, tpo fein SJ^otiö it)irft, njo bie St^at aU SSunber gefdf)ie§t, au§ bem ^i^t^ i)erau§. Ttan ftraft biefe ongeblid^e ^eltebigfett, in einem gaUe, tt)o fein S5elie6en ^errfd^en foEte: bie SSemunft, Ujetdje ba§ ®efe|, ha§> SSerbot unb (Sebot fennt, f)ätt^ gar feine Sßaf)l laffen bürfen, meint man, unb al§ S^^ng unb ^ö^ere Wa^t toirfen foEen. ^er SBerbred^er h)irb alfo beftraft, toeil er t)om „freien SSiEen" ©ebraud) madf)t: ha^ l^eigt »eil er o^ne ©runb ge^anbclt f^at, too er itarf) ©rünben f)ättt l^anbeln foEen. 5Iber mar um tl^at er bieä? S)ie§ eben barf nidjt einmal mc^r gefragt toerben: c§ toor eine ST^at o^ne „barum?", o^ne Tlotxo,
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o!)nc ^crfunft, tttoa^ Q'mtd[o\t^ unb SSemunftlo|e§. — ®inc folrfjc %\)at bürftc man ober, ttai^ ber crften oben öorongefd^idten Sebingung aEer ©trafbarfeit, anä) nid^t ftrafen! 5(uc^ jene 5(rt ber (Strafbarfeit barf nid)t geltenb gemadjt lt)erben, at§ tijenn ^ter etlüoS ntd)t gett)an, etnjaS unterlaffen, öon ber SSemunft ntc^t ©ebrau^ gemad^t fei: benn unter allen Umftänben gefdja:^ bie Unterlaffung o^ne 5Ibfid)t! unb nur bic abfid)tli^e Unterlaffung beö Gebotenen gilt at§ ftrafbar. SDer SSerbred^er ^at ^toax bie fc^tci^teren ©rünbe ben befferen öorge^ogen, aber ot)ne ©runb unb 5(bfic^t: er l^at jtüar feine SSemunft ni(^t angetrenbet, aber nid^t, um fie nid^t angunjenben. Sene SßorauSfe^ung, bie man beim ftrafmürbigen SSerbred)en mad)t, ha^ er feine SSemunft abfirf)tlitf) üerleugnet f)abe, — gerabe fie ift bei ber 5(nnaf)me be§ „freien SBillen^" aufgcljoben. 3l)r bürft nid^t ftrafen, if)r 5Int)änger berSeljre üom „freien SBitlen", nad) euem eigenen ©runbfäl^en nid^t! -— ^iefc finb aber im ©runbe S^id^tö, als eine fc^r ttjunberlid^c Segrip'9)?t)t{)olDgie; unb baö §ut)n, treld)ea fie auö== gebrütet l^at, ^at abfeitS öon aller SBirÜic^feit auf feinen ^iem gefeffen.
24.
3ur 23eurt^etlung beö S5erbred)erö unb feincö 9iid^ter8. — S)er $8erbred)er, ber ben ganzen ging ber Umftänbc !ennt, finbet feine Xt)at nid)t fo auger ber Drbnung unb S3egreiflid)feit , tüie feine Slidjter unb Xabler: feine ©träfe aber xoxxt it)m gerabe nad) bem ©rab öon ©rftaunen gugemeffen, toeldjcä jene beim ^Tnbücf ber Sri}at alS einer Unbegreiflid^teit befällt. — Söenn bie Äenntnig, tpeld)e ber 9Sertt)eibiger eineö SSerbrcc^crÖ bon bem gaU unb feiner SSorgefd)id)te ^at, iueit genug
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reicht, fo muffen bie fogenannten SD^ilberungögrüiibe, n)e(d)e er ber ^d^c nad^ Vorbringt enblic^ btc gan5C ©djulb ]f)inu)egmilbern. Ober, ttod) beuttid^er: ber SScr= tf)eibiger iüirb f(i)rittrt)eife jene^ öerurtl^eitenbe itnb ftraf^ 5umeffenbe ©rftaunen mitbern unb jule^t 90115 aufgeben, inbem er jeben e^rlicf)en 3ii^örer gu bein inneren ©eftönbni^ nötl)igt: ,,er mugte fo f)anbeln, lüie er gefjonbett f)Qt; tuir n)ürben, n)enn tt)ir ftraften, bie eit)tge 9^otf)tt)enbig!eit beftrafen." — ^en ^rab ber (Strafe abmeffen no^ bem (SJrab ber ^enntni^, lüeld)en man 'üon ber ^iftoric eine^ SSerbrec^enö Ijot ober über= ^anpt geminnen fann, — ftrettet bie§ ntcfjt miber aHc S3tritg!eit?
25.
^er Xaufd^ unb bie 55inig!eit. — S5ei einem ^aufd)e mürbe e§ nur bann e^rlid^ unb red^tlid) äi^gel)en, menn Seber ber S5eiben fo üiel Verlangte, alg i^m feine (Sad^c mertl^ \ä)dnt, bie 9J?ü^e beö ©riangenö, bie Gelten- f)eit, bie aufgemenbcte Qcit u. f. m. in ^nfd)Iag gebrad^t, nebft bem 5lffe!tion§mertf)e. ©obalb er ben $rci§ in §infid)t auf ha§> SSebürfnife be§ Hnbern mad^t, ift er ein feinerer 9fiäuber unb (Srpreffer. — 3ft @e(b ha^ eine Xaufd^objeft, fo ift gu ermögen, ha^ ein gran!en= tt)aler in ber §anb eineS reid^en (Srben, eine§ ^agelöl^nerg, eines Kaufmannes, eines ©tubenten gan§ t)erfd)iebene ^inge finb: Seber mirb, je nad^bem er faft iRirfjtS ober 5ßiel t^at, iE)n 5U ermerben, 2öcnig ober SSiel bafür empfangen bürfcn — fo märe eS billig: in 333al)rt)eit fte^t e§ 6e!annt(id) umgefe^rt. 3n ber großen ©elbmelt ift ber Xf)aler bcS faulften ^Retd^en geminnbringcnber als ber beS Firmen unb ^Irbeitfamen.
29
26.
9^ed)t§5iiftänbe aU WitUl — $Rcd)t, auf 53erträgen gmifc^eii ®(eidjen beruf)enb, beftel)t, fo lange bie Wad)t berer, bie fi(^ Vertragen {)a6en, eben gleich über ö^nlid^ ift; bie ^lug^eit l)at ha^ SRe(f)t gefc^affen, um ber ge^be unb bcr nu^lojen SSergeubung gtuifd^en ä^nüd^en ©eiüalten ein (Snbe gu machen, tiefer aber ift ebenjo enb gültig ein ©nbe gemad^t, n)enn ber eine %l)ä{ cntjd)ieben fd)tüä^er al§ ber anbere gettjorben ift: bann tritt Untcrttjerfung ein, unb ha^ $Re^t t)ört auf, aber ber ©rfolg ift bcrfelbe tük ber, luetdjer biöf)er burd) ta^ 9fied)t erreid^t lüurbe. ^enn jeßt ift eg bie Silug^eit be^ Übermiegenben, meldte bie ^raft be§ Unteriuorfenen ju fd)onen unb nid^t nu^Ioö gu üergeuben anrät^: unb oft ift bie ßage beö Unter- tüorfenen günftiger, al§ bie beö ©Ieid[)gefteIIten njar. -- 3fled)t§5uftänbe finb alfo §eittüeiüge 9)?itte(, njefd^e bie ^(ug^eit anrätf), feine 3^^^^-
27.
(SrÜärung ber (Sc^abenfreube. — ^ie Gdjabcn- freube entftetjt baljcr, bajs ein Sebcr in mandjer i{)ni tDül)l bettjugten §infi(^t fid^ fd)Ied)t befinbet, (Sorge über Syieib ober (5d)mer§ t)at: ber ©djaben, ber ben 5lnbern betrifft, fteHt biefen i[)m gleid), er üerföljnt jeinen 9Zelb. — 93efinbet er gcrabe fid) felbcr gut, fc fainnielt er bod) ha^ Ungtüd beö iJiädjften alä ein Kapital in feinem 33en)uJ3t)ein auf, um eö bei einbrechend bem eigenen Ungtüd gegen ba^ofclbe ein^ufcticn: and) fo t)at er „©c^abenfreube". ^ie auf ©leidjtjeit geridjtete ©efinnung toirft alfo it)ren SJ^aafeftab. au^ auf \)a^
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Gebiet bc§ (^iüd^ unb bc» 3^föK§: ©c^abcnfrcube ift ber gememfte 5lu§bruc! ü6er "Om ©ieg unb bie SBteber* ^erfteßung ber ©leid^^eit, auc^ innerhalb ber ^öljeren SSeltorbnung. (Srft feitbem ber 3Kenfd^ gelernt ^at, in anberen 3J^enfd)en feinet ©leid^en ju fe^en, alfo erft feit 53egrünbung ber ©efettf^aft gieBt e§ ©d^obenfreube.
28.
S)ag 2Sin!ürnd)e im ^it^^cff^« ^er (Strafen. — ®ie meiften ^erSrec^er fommen gu i^ren (Strafen luie bie SÖSeiber gu if)ren ^nbern. (Sie t)a6en gel^n- unb ^unbertmal ba§ jelbe getrau, ol^ne ü6Ie folgen gu fpüren: J3(ö|ti(^ !ommt eine ©ntbecfung unb ^inter il^t bie Strafe. SDie (55en)ot)n]^eit foüte boc^ bie ©d)u(b ber Xl^at, berentnjegen ber SSerbredjer geftraft niirb, entfc^ulbbarer erfd^einen laffen: e§ ift ja ein §ang ent* ftanben, bem fd^loerer ^u tPtberfte^en ift. Slnftatt beffen jpirb er, n)enn ber SSerbac^t be§ genjol^nfieitSmägigen S8er6red§en§ Vorliegt, l^ärter geftraft, bie ©en?ot)n^eit tpirb a(§ (SJrunb gegen alle SD^itberung geltenb gemad)t. Umgefel^rt: eine mufter^afte SebenStüeife, gegen tüelc^c \)a^ SSerbred^en um fo fürd^terlid^er abftid)t, foEte bie ©d^ulbbarfeit t)ertd^ärft erfc^einen laffen! 5Iber fie |)ftegt bie ©träfe ju milbem. (So loirb alleS nid^t nad^ bem 9Serbrec[)er bemeffen, fonbern nad^ ber ©efeüfc^aft unb beren ©d^aben unb ®efat)r: frühere 9ftül^tid)Eeit eines SJ^enfd^en iDirb gegen feine einmalige (Sd^äb(id)feit eingered^net, frühere ©djäblic^feit 5ur gegentüärtig ent* bedten abbirt, unb bemnad^ bie Strafe am l^öc^ften jus gemeffen. Söenn man aber bergeftalt bie i8ergangent)eit cineö 3JZenfd)en mit ftraft ober mit beIof)nt (bieS im erften gaü, opo boS SSeniger*Strafen ein Selo^nen
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ift), fo foHte man nod) tüdter jurüdge^n unb bie Ur[ad)C einer fold^en ober folc^cn SSergangen^eit [trafen unb BeIol£)nen, icf) meine ßltem, ©rgie^ier, bie (5JefeIIfd)aft u. f. to.: in öielen gäHen tühb man bann bie Dfiid^ter irgenbrt)ie bei ber (Sdjulb bett)eiligt finben. (£§ ift toiHfürli^, beim SSerbrec^er ftel^en ju bleiben, loenn man bie SSergangen^eit [traft: man follte, fall§ man bie abfotute ^ntfd^ulbbarfeit jeber ©c^ulb nid)t gugeben tt)itt, bei jebem einjelnen gaE ftet)n bleiben unb ntc^t meiter jurücfbliden: alfo bie (S^ulb ifoliren unb fic gar nidjt mit ber SSergangenl^eit in §ßer!nüpfung bringen, — fonft mirb man ^um (Sünber gegen bje Sogü. Qk^t öielmet)r, i^r SSiUen^-greien, ben not^ttjenbigen ©djiug aug eurer £el}re üon ber „grei^eit be§ SSiKen^" unb befretirt fül^nlid^: „feine Z^at ^at eine SSergangen^eit."
29.
^er 9^eib unb fein eblerer ©ruber. — 2So bie ©leid^^eit Ujirflid^ burd)gebrungen unb bauemb begrünbet ift, entfte^t jener, im 45an§en a(§ unmoralifd) geltenbc §ang, ber im S^aturguftanbe faum begrciflid) n^öre: ber 9^eib. ^er SJ^eibifc^e fü^It jebeg §ert)orragen be^ ^Tnbcren über ha^ gemeinfame 9J?aa§ unb tpiU i^n bi^ ba{)in ^erabbrüden — ober fic^ bi^ bort^in ertjeben: toorau^ fid) jnjei öerfc^iebene §anblung%eifen ergeben, loeldje §efiob aU bie böfe unb bie gute (Srig begeidjnet ^at. (Sbenfo entftel^t im 3iif^Q"^^ ^^^ ©teid^I^eit bie Snbignation barübcr, ha^ eg einem 5lnberen unter feiner SBürbe unb ®(eid)l)cit fd)led)t ergcl)t, einem Stoeiten über feiner ©leic^^eit gut: eö finb bie§ 5lffeftc eb lerer Staturen. @ie öermiffen in hcn fingen, roct^e t3on ber 5SiIIfür beä 9J?enf^en unob^ängig finb,
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(SJcrccTjtigfctt unb 58t((tg!ett, ba^ Ijclßt: fte öerlanöcn, \>a% jene @Ieidj()cit, bie ber Tltn\^ anerfennt, nun auc^ t)on ber D^atur unb bem Bi^f^^ anerfannt tüerbe; fte gümen barüber, bag e§ ben (SJIeidjcn nii^t gleid^ ergebt.
30.
$JJetb ber ©ütter. — ^er „92eib ber Götter" cntjte^t, n)enn ber niebriger ©eadjtete [id) irgenbtrorin bem 5)ö()eren öleic§}e|t (mie ^Ijaj) ober bur^ ©unft be§ <Sc^tdfa(§ tl^m gleidjgefefet tüirb (tüte D^iobe al§ überreich gefegnete SJiutter). Snnerl^alb ber gefellfdiaftlii^en $Rongorbnung fteUt biefer D^eib hk gorberung auf, bog ein Seber Mn SSerbtenft über feinem (Staube f)a5e, aud^ ha^ fein ©lud biefem gemä^ fei unb uamcntlid) ha^ fein ©elbftbetüugtfein jenen <B^xanlm nic^t enttüac^fe. Oft erfäl^rt ber fiegreid^e (SJenerat ben „D^eib ber ©ötter", ebenfo ber @d)üler, ber ein meifterlid^e^ SSer! fd§uf.
31.
(gitelfeit aU ?tad)tricb be§ ungefeUfdjoft* Itd)cn 3«l"^tinbeö. — SDa bie SDtenfc^en i^rer (Sidjerl}eit n^egen fid^ fetber al§ gtcidj gefegt l^aben, jur ©rünbung ber ©emeinbe, biefe 5(uffaffung aber im (SJritnbe tüibe#bie Statur be§ ©ingelnen gef)t unb etujaö ©rgtrungene^ ift, fo mad)en fidj, je met)r bie allgemeine @id)er^eit getr)äl)rieiftet ift, neue (Sdjö^Iinge beö alten XriebeS nad^ Übergetüic^t geltenb: in ber ^tbgrengung ber (^täxiOe, in bem 5(nfprud) auf Semf^^SSürben unb sS8orred)te, über^au^jt in ber (Sitelfeit (9)Janieren Xrad)t ©pradje u. f. id.). ©obalb eiitmal bie ©efa^r beS @emeintt)efen§ tuieber fül^lbar tt)irb, brüden bie
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3a^lretd^eren, toel^e i^r UBergelüidit nid^t im 3itftö«^c ber Qllgemcineu fHu^t burd^fe^en fonnten, loieber ben 3«ftanb ber ©leid^^eit l^erbor: bie abfiirben @onberred)te xmb Sitelfeiten öerfd)tt)inben auf einige 3^^^- ©tür^t aber t>a^ ©emeintüefen gonj guiammen, gerätl^ alleS in ?Inard^ie, fo bricht fofort ber 9^atur§u[tanb, bie unbe* Fümmerte rüc!fid^t§Iofe Ungleidiljeit t)erüor, ujie bieg auf Slorf^ra gefd^a^, nad) bem S3erid)te be^ Xf)u!t)bibe§. @§ gicbt tpeber ein 9^atun:ed)t, nod^ ein S^atunnirec^t.
32.
SSilligfeit. — ©ine gortbilbung ber ©ered)tig!eit ift bie SiHigfeit, entftef)enb unter (Solchen, lueldje nidjt gegen bie (55emeinbe=®Ieid)^eit üerftoßen: e§ trirb auf gälle, tt)o ha^ (5Jeje§ uid)t§ t)orfd)reibt, jene feinere 9iüdfid)t be§ ®Ieidf)gen)id^t§ übertragen, njetdje öor^ unb rüdmärtö blidft unb bereu 9[)?afime ift „lüie hu mir, fo ic^ bir". Aequum (jeigt eben „e§ ift gemäß unferer (5)teid^i)eit; biefe milbert auc§ unfere Keinen S^erfd^ieben^ Ijeiten ju einem Hnfcf)ein öon ©kid^^eit t)erab unb \v\ü, ia^ U)ir mand^eg un§ nad^fe{)cn, tva^ mir nidjt müßten".
33.
Elemente ber 9?adje. — ^a§ SSort „9M)e" ift fo fdineU gef^rodjen: faft fd^eint eS, alö ob eö gar uid^t mcljr ent()a(ten fönne, alö ©ine SBegriffö- unb emj)finbung§= SSurgeL Unb fo bemüi)t man fid) immer nod), bie^ fctbe ju finben: mie unfere $y^ationa(ö!onomen uod^ uid)t mübe gemorben finb, im SBorte ,,SBert^" eine foId)e einf)cit ju mittern unb md) bem urfprüngtidjcn 2önr5eI^S3cgriff beö SBertf)eö ju fud)cn. 5110 ob uid)t
^>Heefd)e8 mcxtt. RIaff «SluSö. IV. 8
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aUe Sßorten Xafd^en toören, in tDeldie balb S)ie§ balb Sene^ balb 9J?er)rcre§ auf einmal gefterft tüorben ift! ©0 ift aud^ „9(lod)e" balb ^ie§ balb Sene§, balb etttjaä mel)r gufammengefegteS. SD^an unterfc^eibe einmal jenen abmel)renben gurürffdilag, ben man faft unnjillfürli^ aud^ gegen leblofe (Segenftänbe, bie un§ befd)äbigt l)aben, (njie gegen ben)egte.9J^af deinen) au^fül)rt: ber (Sinn unferer ©egenbetüegung ift, bem S3efcf)äbigen ®tnl)alt gu t^un, babur^ ha^ tt)ir bie 9Kafd)ine gum (Stillftanb bringen. ®ie ©tärfe be§ @egenf(i)lag§ mug mitunter, um bie§ ju erreichen, fo ftar! fein, ia^ er bie 3J?afd^ine gertrümmert; tt)enn biefelbe aber ju ftar! ift, um bom (Singelnen fofort gerftört Ujerben gu !önnen, tüirb biefer bod^ immer noi) ben l)eftigften ©d^lag au^fü^ren, beffen er fä^ig ift — gleic^fam al§ einen testen S5erfud^. <Bo benimmt man fiel) oud^ gegen fd)öbigenbe ^erfonen bei ber un* mittelbaren ©mpfinbung be§ ©c^aben§ felber; tü\U man biejen 5lft einen 9f^acl)e=5l!t nennen, fo mag e§ fein; nur ertüöge man, \)a^ Ijier aßein bie ©elbfi^ßrljaltung i^r SSernunft^9f?äbermerf in SBetüegung gefegt l)at, unb ha^ man im ©runbe nid)t an ben ©(^äbtger fonbern nur an fid^ babei benft: Xdix l^anbeln fo, ol}ne lieber fd^aben gu njollen, fonbern nur um nod) mit Seib unb Seben baöon^ufommen. — 9)?an brandet S^it, toenn man öon fid^ mit feinen ®eban!en §um ©egner übergel)t unb fid^ fragt, auf toelc^e Sßeife er am empfinbüd^ften gu treffen ift. ^ieö gefc^iel)t bei ber gtueiten 5lrt Don 9?ad)e: ein 9^ad^benfen über bie SSermunbbarfeit unb Seiben§fä^ig!eit beS $lnbem ift il)re SSorau^Jc^ung; man ttjiö ftje^et^un. S)agegen fid^ felber gegen toeiteren ©d^abcn fiesem liegt l)ier fo toenig im ©efic^t^heiö beö 9tacl)e^9^e^menben, \>a^ er faft regelmä^iö ben lociteren eigenen (Sdl)aben ^u. SBegc
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bringt unb t^m fe^r oft faltSIütig borget cntgegeiificl^t. SBar eö Bei ber erftcn fixt öon 9f?ad^e bie ^Ingft öor bcm gtüeiten ^djlage, tDeI(f)e bett ©egenfdjlag fo ftar! mc möglid) mad)te: fo ift I)ier faft ööüige ©Id^gülttg* feit gegen ^a§, tva^ ber ©egner tf)un tuirb; bie ©tärfe be^ (5Jegenfd)(ag§ irirb nur burd^ S)a^, njaö er un§ get^an I)at, Oeftimmt. SBa§ ^at er benn gctf)an? Hub IüqS nü^t e^ un§, tüenn er nun leibet, nad)bem iüir burd^ it)n gelitten f)aben? ߧ t)anbc(t fid) um eine SSieber? (;erftellung: Ujä^renb ber ^adj^Mti erfter 5Irt nur ber ©elbft^Srt^altung bient. SSieUeic^t öerloren n)ir burd) ben (SJegner 93efi^, 9kng, greunbe, ^nber — biefc SSer(ufte iuerben burd^ bie 9{ad)e nid)t gurüdgefauft, bie Sieber^erfteEung begießt fid^ allein auf einen 9Ze5en= öcrluft bei aflen ben ertüä^nten SSerluften. S)ie 9^ad^e ber Sßieber^erfteßung bett)al)rt md)t öor iüciterem (5d)abcn, fie madjt ben erlittenen ©djaben xndcjt n^ieber gut, — außer in (Sinem gaße. SSenn unfere @l)re burd^ hm (Gegner gelitten l^at, fo öermag bie ^ad)c fie njieberl)er5uftenen. ©ie f)at aber in jebem gaflc einen (Sdjaben erlitten, tt)enn man unS abfidjtli^ ein Seib zufügte: benn ber ©egner belüieö bamit, ha^ er un§ nid^t fürd)tete. 2)urd) bie 9fiad)e betneifen mir, ha^ mir audl) il)n nid^t fürdl|ten: barin liegt bie 5Xuggleid)ung, bie SBieberl)erftcllung. (^ie 5Ibfidjt, ben völligen 9J2angel an gur^t ju geigen, gel)t bei einigen ^erfonen fo meit, bag iljnen bie (§Jefül)rlid^feit ber ^Qdjt für fie felbft — (Einbuße ber ®efunbl)eit ober be§ Sebenö ober fonftige Sßerlufte — al^ eine unerläglidje Sßebingung jeber 9?a(^e gilt, ^eö^alb gelten fie ben 2öcg be^ ^uellö, obfd)on bie (5Jerid)te il)ncn \>m 5Inn bieten, um aud) fo ©enug« tl)uung für bie SSeleibigung ju erljalten: fie nehmen aber bie gefal)rlofe SSieberljerftcHung iljrer (£t)re nic^t olö
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genügenb on, toeil ftc t^ren SD^angel an gurd^t nic^t ben?eifen !ann.) — S3et ber crfterh)Q{)nten 5lrt ber 9f?aci^e tft e§ gerabe bte gurd^t, bie ben ©egenfd^Iag au§fül)rt: I)ier bagegen tft e§ bie 5I6lDefenl)eit ber gurdjt, tDeld^e tote gefagt burd^ ben ©egenfc^Iag fid^ betoeifcu iDtü. — S^id^tg fd^eint alfo t)erfd)tebener a(S bie innere SD^otit)irnng ber beiben §anblung§tüeifen, bie mit ©inem SBort „S^lad^e" benonnt njerben: unb tro|bem fommt eö fe^r pufig öor, ba^ ber S^lad^esÜbenbe in UnKarl^eit tft toa^ i^n eigentlid^ §ur %i)at beftimmt ^at; öieKeic^t, bag er au§ gnrd^t nnb um fic^ gu erl^alten ben ©egen- fd^lag führte, f)tnter^er aber, aU er Qdt ^atk, über ben @efidjtg^un!t ber t)erle|ten ^f)re nad^5uben!en, f eiber ^idi) einrebet, feiner ©l^re f)Q(ber fi^ gerärfjt gu l^aben: — biefe^ Tloüt) ift ja jebenfaUg Dorne ^mer aU 'Da^ anbere. 2)abei ift noc^ n^efentlid^, ob er feine (£I)re in ben 5tugen ber STnberen (ber SBelt) befdEjäbigt fiel)t ober nur in ben klugen be^ SeleibigerS: im legteren galle njirb er bie gel^eime diati)z öorgie^en, im erfteren aber bie öffentlid)e. Se nad)bem er fidj ftarf ober fdjmad^ in bie @eele be§ X()äter§ unb ber ^ufd^Quer l^ineinbenft, loirb feine ^adi)t erbitterter ober galjmer fein; feljlt i^m biefe 5lrt ^^antafie gan§, fo toirb er gar nid^t an ^a^e beulen, benn ba^ ®efüt)l ber „@^re" ift bann bei i^m nid^t öor^anben alfo aud^ nid)t ^u öerle^en. ©benfo loirb er nid^t an dia6^e ben!en, n^enn er ben X^äter unb bie 3«f^ö«er ber %\)at öerad^tct: Ujeil fie tl^m feine @t)re geben fönnen, a(§ SSerad^tete, unb bemnad^ aud) feine (St)re nel^men fönnen. (gnblid) tüirb er auf 9fiad)e in bem ni^t ungelüö()ntid^en gaUe öergid^ten, ha^ er ben X^äter liebt: freiließ hü^t er fo in beffen 5(ugen an (^Ijxe ein unb toirb t)ietteid^t ber ©egenliebe baburd^ weniger toürbig. 5Iber aud) auf aKe ©egenliebc
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ißcrjid^t Ictften ift ein Dp\tt, nje(d)eg btc 2khc ju bringen bereit ift, njenn fie bem geliebten Söefen nur nid^t n)e^et^un mnfe: bie§ tjiege fid^ f eiber met)r tüe^etf)un, alö jeneS Opfer h3el)et^ut. — 5IIfo: Sebermann njirb fic^ rö(J)en, er fei benn ef)rIo^ ober öoK SSer* a(f)tung ober öoU Siebe gegen ben @d)äbiger unb Seleibiger. 5(ud^ ttjenn er fid) an bie @erid)te toenbet fo iüiH er bie 9?ad)e a(§ priöate ^erfon: nebenbei aber nod^, ai^ toeiterbenfenber öorforgIid)er äJ^enfc^ ber ©efeUfdjaft, bie 5Rac^e ber (SJefeöfc^aft an ©inem, ber fie nid)t et)rt. ®o ttjirb burc^ bie geric^tlid)e ©träfe fotüol)! bie ^ritiate^re alö aud) bie ®efellfd)aftget)re lüieber^ergeftellt: bog fiei^t ~ (Strafe ift dia^c. — (£g giebt in i^r ungtüeifel^aft aud) nod) jenes anbere ju* erft befc^riebene ©lement ber diadjt, infofern burd^ fie bie ^efellfd^oft i()rer (Selbftsför^altung bient unb ber 9^ot()n)eJ)r falber einen ^egenfd)Iag fül)rt. ^ie ©träfe tüxU ha& U) eitere (Sd)äbigen üert)uten, fie toxU ab« fd^ reden. 5Iuf bie SBeife finb mirflid^ in ber ©träfe beibe fo öerfc^iebcne Elemente ber 91ad)e öerfnüpft, unb bieä mag öielleic^t am meiften baf)in toirfen, jene ermähnte S3egrifföt)ertt)irrung ju untert)alten, termögc bereu ber (Sin^elne, ber fid^ räd^t, getüö^nlid^ nid)t tt)cife, toaö er eigentlid^ ttjiU.
34.
^ic Xugenben ber Siubugc. — 9l(ö 2)?itglicber t)on ®efellfd)aften glauben tt)ir gettjiffe Xugenben nid)t ausüben ju bürfen, bie unS alö ^riöatcn bie grögte ©l^rc unb einiget SSergnügen ma^en, jum S3eifpiel ©nabe unb 9^oc^fid^t gegen ^öerfel^Ienbe aller %xt — überl)aupt jebe »'^anblungsujcife, bei njetc^er ber SSorti)ei( ber ©efeüfc^aft
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burd^ unfere Xugenb leiben lüürbc. Äein Sachter- (Kollegium barf fid^ öor feinem ©etüiffen ertauben, gnäbig ju fein: bem ^önig aU einem (Singeinen ^at man bie§ SSorred^t aufbehalten; man freut fid^, toenn er ©ebrauc^ babon mad)t, gum S3elüeife bag man gern gnäbig fein möchte, aber burd^au§ nid)t alS ©efeKfci)aft. ^iefe erfennt fomit nur bie i^r öort^ eill^af ten ober minbeften^ unfd^äbli(^en ^ugenben an (bie oJ)ne (Sinbuge ober gar mit ßinfen geübt tüerben, gum Öeifpiel ©e- redjtigfeit). Sene Xugenben ber Einbuße fönnen bemnad^ in ber ©efeUfd^aft nic^t entftanben fein, ha no^ je^t, innerhalb jeber !(einften fid^ bitbenben (55efeIIfdE)aft ber Sßiberfpru^ gegen fie fi^ ergebt ®§ finb alfo Xugenben unter 9^id^t'®leidE|gefteI(ten, erfunben bon bem Über^ (egenen, (Sinjelnen, e§ finb ^errf^er^STugenben, mit bem §intergeban!en: „id^ bin mädjtig genug, um mir eine erfic^tüc^e (Sinbufee gefallen gu laffen, bie§ ift ein S5emci§ meiner 3J?ac§t" — alfo mit @toIj üermanbte Xugenben.
35.
©afuifti! be§ SSortl)eilg. — ©§ gäbe feine Sofuifti! ber 3J?oral, toenn e§ feine Safuiftif be^ S8ortl)eil^ gäbe, ^er freiefte unb feinfte SSerftanb rei^t oft nid^t auiS, ätoifd)en pvd fingen fo gu tt)äl)len, t>ai ber größere SSortl)eil not]^n)enbig bei feiner SBal)l ift 3n fold^en gäHen tüotjlt man, tüdl man n)äf)len mug, unb i)at l)iuterbrein eine 2lrt (Seefranfl)eit ber ©mpfinbung.
36.
3^"^ $eucf)ler merbcn. — Sebcr 93ettlcr mirb pm feeud^ler; loie Seber, ber auä einem SJtangel, auä
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einem S'Jot^ftanb (fei bte§ ein Jjerfönltd^er ober ein öffentlid^er) feinen ^eruf ntacf)t. — ^er Settter empfinbet ben TlariQd lange nid)t fo, gl§ er i^n em))finben mad^en mug, loenn er t)om betteln leben tt^itt.
87.
©ine "äxt ©ultug ber Seibenfd^aften. — S^r ^üfterlinge unb :pl^iIofo^)I)ifc^en S5linbfd)leid§en rebet, um ben Sf)ara!ter be§ ganjen SSetttoefen^ ansuftagen, öon bem furchtbaren (Sf)arafter ber menfrf)li(^en Seibenfdjaften. 5l(ö ob überaß, tt)o e§ Seibenfd^aft gegeben \)at, eg aud) gurc^tbarfeit gegeben ^ätte! HIS ob e§ immerfort in ber SSelt biefe ^Irt öon gurc^tbar!eit geben müßte! — SDuri^ eine SSemai^Iäfftgung im kleinen, burd^ 9J^angeI an ©eIbft=Seobad)tung unb S5eobad)tung berer, njeld^e erlogen n^erben foKen, \)abt if)r felber erft bie Seibenfd^aften gu foId)en Untliieren anlpa^fen laffen, baß eud^ je^t fd^on beim SBorte „Seibenfd)aft" gurd)t befällt! @ö ftanb bei eud) unb fte^t bei ung, ben SeibenfdC)aften i()ren furd)tbaren ^Ijaxahei ju nehmen unb bermaaßen öorjubeugcn, ha^ fie nic^t ju öertieerenben SSilbwaffern njerben. — Tlan [oII feine SSerfe^en nid)t ju enjigen gatalitätcn aufbtafen; melmet)r UJoUen mir reblid) mit an bei 5(ufgabe arbeiten, bie fieibenfcfiaften ber 9J?enfc^t)eit aßejammt in greuben^ fd)aften um^umanbcln.
38.
^etotffenSbiß. -— ^er (SJertiffenSbiß ift, mie ber S3i6 beö £)unbeö gegen einen ©tein, eine S)umml)eit
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39.
Urfprung bcr S^le^te. — ^le 9?crf)tc ge^en junöd^ft auf §er!ommen gurücf, bo^ §)erfommen auf ein einmalige^ 5(b!ommen. 9J^an toax irgenbtrann einmal beiberfeitig mit ben folgen be§ getroffenen 2l6fommen§ aufrieben unb n)ieberum ju träge, um e§ förmlich ^u erneuern; fo lebte man fort, tt)ie ttjenn e§ immer erneuert tnorben möre, unb aHmö^Iic^, al^ bie ^tx^ geffenf)eit i^re Diebel über ben Urjprung breitete, glaubte man einen ^eiligen unöerrüdbaren ä^f^onb ju f^ahm, auf bem jebeg ®e}d)Iec^t n)eiterbauen müjfe. ^a§ §er- fommen tuar je^t ^^^^ng, aud) iüenn e§ hm $J^u|en nid^t mel)r brad^te, beffenttoegen man urfprünglid^ ba§> 5lb!ommen gemacht ^aite, — ^ie (Sd^ machen Ijaben f)ier i()re fefte ^urg p aKen Reiten gefunben: fie neigen bal^in, ha§> einmalige 3(b!ommen, bie Knaben- ernjeifung ju öcretüigen.
40.
^tc S5ebcutung be§ 95ergef{en§ in bcr moralifdien (Sm|)finbung. — ^iefelben ^anblungen, tt)eld^e innerhalb ber urjprünglid^en i^JefeUfd^aft ^uerft bie 5Ibfid§t auf gemeinfamen 9^u^en eingab, finb fpäter t)on anberen Generationen auf anbere äJiotiöe ^in getrau n)orben: ou§ gurd^t ober (£f)rfurd^t tjor S)enen, bie ftc forberten unb anempfal^len, ober auö @eniol)nl^eit, hjeil man fie öon ^nb^eit an um ftd^ \)attt ti)\m fe^en, ober ouS SBo^ImoHen, n)eil i^re ^Tu^übung überaß greube unb 5uftimmenbe ©efid^ter fd^uf, ober ouä ©itelfeit, meil fie gelobt tourben. (Sold^c ^anblungen, an benen bo8 ©runbmotiö, baS ber ^^ü^Iid^feit, Dergcffcn lüorben
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tft, {)ei§ctt bann moraIijd)e: nid)! etrtja tüeil fic au§ jenen anbeten 3J2otit)en, fonbern n)eil fte nid^t au§ beiüugter $y^ü|Itcf)fett get^an ttjetben. — SSo^er biejer §ag gegen ben 9^u|en, ber ^ter fid)tbar njirb, tüo fid^ oKc^ Iü6en§lüertf)e §anbeln gegen ba§ §anbeln nm beg D^u^enc^ ttjiHen förmlid^ abf erliegt? — Offenbar ^at bie ©ejedfcfiaft, ber §erb aller Tlotal unb aller Sob= fprüi^e beö moratijc^en §anbeln§, allgn lange unb allgu l)art mit bem (£igen=9^u^en unb (Sigen-^Sinne be§ 4;inäelnen jn (ömpfen gehabt, um nid^t gulegt jebe§ anbere 3JJottt) ftttlid) ^ö^er ju tajiren als ben ^u^en. (So entfiel)! ber 5(njcf)ein, al§ ob bie SJ^oral nicfjt auö bem 9^u^en l)erauSgen)ad)fen fei; it)äl)renb fie urfprünglid) ber ©efeEfdjaftS^S'^ugen ift, ber grofee Tln^z f^atte, fi^ gegen alle bie ^riüat^S^ii^lid^feiten burd)5ufe|en unb in l)öl)ereS 5lnfef)en ju bringen.
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^te (grbreid^en ber ^JÜioraütät. — (£g giebt and) im 5U^oralifd^en einen (£rbs9fleic^tl)um: i^n befigen bie (Sanften, (5iutmütt)igen, 9Jlitleibigen, 5D?ilbtptigen, iueldjc OTe bie gute §anblung§n)ei{e, aber nid)t bie SSemunft (bie Ouette berfelben) öon il)ren ^Korfa^ren f)er mit* belommen l)aben. 2)a§ 5lngenel)me an biefem 9?eid^t^um ift, baß man Don il)m fortmäl)renb barreii^en unb mit« tt)eilen muß, njenn er überhaupt empfunben n)erben joll, unb baß er fo unn)ill!ürli(^ baran arbeitet, bie 3lbftänbc gtüifdien moralifd^^reid^ unb «arm geringer 5U mod^en: unb ^ttjar, tt)aö baö 3J2cr!tt)ürbigfte unb 33efte ift, nid)t ju fünften cineö bereinftigen 2J?ittel* moaßeg ätt)ii^cn 5(rm unb 9?eid), fonbern gu ©unften eine^ allgemeinen ^ieid^- unb Ü6erreid^=n)erben§. —
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©0 tote f)tcr gefd^ef)en tft, löjst ftd^ cttuo btc l^errf^enbc 5Inficf)t über ben moralifdien (£r6retd)t^unt §ufammen= faffen: aber e§ fd)etnt mir, ba§ biefelbe me^r in majorem gloriam ber SDZoratität, ot§ §u @f)ren ber 2öa^rlE)eit aufredet* erf)a(tcn loirb. ^ie Srfal^rung minbeften^ fteßt einen ©a| auf, tt)eld)er, luenn nicf)t als Söiberlegung, jebenfallS als bebeutenbe (£inf(^rän!ung jener 5ltIgemeinE)ett ju gelten t)at. D^ne ben erlefenften SSerftanb, fo fagt bie (Srfa^rung, oI)ne bie gö^igfeit ber feiuften SSat)( unb einen ftarfen §ang gum SJ^aag^oIten tcerben bie 9J?ora(if^'(£rbreicf)en gu S^erfd^loenbern ber 9}?ora(ität: inbem fie l^altloS fic^ i^ren mitleibigen, milbt^ättgen, öer- föi)nenben, befd)tpid)tigenben trieben überlaffen, machen fie alle SBelt um fid^ na^Iäffiger, bege^rlid^er unb fentimentaler. SDie ^nber fo(rf)er pd^ft moralifd^en Sßer^ fd^wenber finb bat)er leidEjt — unb, tüie leiber gu fagen ifi beftenfallg — angenehme fd^toörfilid^e Xaugenid)tfe.
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^er 9flid^tcr unb hit SJ^ilberungägrünbc. — „SJ^an foH aud^ gegen ben Teufel ^onnett fein unb feine (Scf)ulben begasten", fagte ein alter (Solbat, alS man il^m bie ©efd)i^te gauftenS ettraS genauer erjä^It i)attt, „gauft get)ört in bie §ölle!" — „O^ if)r fd)redflid^en 9J2ännerI" rief feine (Satün au§, „toie ift 'oa^ nur mög« lic^! (Sr \)at ja nichts gett)an a(§ feine Xinte im ^intenfa§ gelobt! SJ^it S3(ut fd^reiben ift freiließ eine ©ünbe, aber begf)alb foH ein fo fc^öner Wann boc§ nid^t brennen?"
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Problem ber ^flid^t gur Sßa^rt)eit. — ^id^t ift ein ämingenbeS, gur Zf^at brängenbeS (SJefü^I, baS luir
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gut nennen unb für tnbtgfuttrbar galten (— über Urfpnmg, ®rän§e unb S3ered)tigung beäfelben lüoEen tdix md)t reben unb nic^t gerebet l^aben). 2)er Genfer l^ält ober alles für gett)orbeu unb alleS ©etüorbene für bis* futirbav, tft alfo ber SJ^ann o^ne ^fUd)t, — fo lange er eben nur Genfer ift. %l^ folc^er toürbe er alfo aud^ bie ^flicf)t, bie SSal)rl)eit §u fel)en unb ^u fagen, nicf)t anerfenncn unb bieS (SJefü^l nic^t füllen; er fragt: tüol)er fommt fie? ttJO^tn Ujill fie? aber bieS gragen felber niivb bon il)m als fragtrürbig angefel)en. §)öttc bteS aber nicfjt jur golge, \>a^ bie SJJafcliine beS ^euferS xiidjt nte^r redjt arbeitet, toenn er fi^ beim 5l!te beS (£r!ennenS UjirClic^ unöer:pflicf)tet füllen fönnte? Snfofern fc^eint l)ier gur Neigung ha^ felbe (Clement nütl)ig ju fein, baS bermittelft ber 9J2afcf)ine unterfud^t Ujerbcn foK. — ^ie gonnel tpürbe Dicücidit fein: angenommen eS gäbe eine ^flic^t, bie 2Bal)r^eit ju erfcnnen, luie lautet bie SBa^rljeit bann in S3e§ug auf jebe anbere ^Irt bon ^fli^t? — Slber ift ein l)t)potl)etif^eS ^flid3tgefül)l nic^t ein SSiberfinn?
44.
<3tufcn ber 9Jioral. — SJ^oral ift gunädift ein 9}?ittel, bie ©emeinbe überl)au^t ju erl)alten unb ben Untergang bon it)r abäun)et)ren; fobann ift fie ein SJtittel, bie C^cnieinbe auf einer gemiffen §öl)c unb in einer gettjiffen ®üte ju crl)alten. 3l)re SDtotiüe finb gurc^t unb ,V)offnung: unb jniar um fo berbere, mädjtigere, gröbere, als ber §ang gum Sßerfei)rten, (Sinfeitigen, ^erfönlic^en nod) fcljr ftar! ift. S)ie entfe^lidjften ^ngftnüttel muffen t)ier i)ienfte tt)un, folange nod^ feine milberen tuirfen toollen unb jene boppeltc 5lrt ber ©rljaltung fi^
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ntd^t onberS erreichen löfet (ju i^rett allerftärfften gehört bie ©rfinbung etne§ SenfcttS mit einer eioigen §öne). SBeitere (Stufen ber ^oial unb alfo 9JätteI jum be^ geicfjneten 3^ecfe finb bie S3efet)(e eineö ®otte§ (toie baS mofaifdje ©efe^; noi^ tueitere unb Rotiere bie S3efet)le eineg abfoluten ^flid)t6egriff§ mit bem „bu foöft", — 3IEe§ no^ giemlii^ grob gugeijouene, aber breite ©tufen, meil bie 9J?enf^en auf bie feineren, fd^mäleren i^ren gug nocE) nid)t §u fe|en tüiffen. ^ann !ommt eine Tloxal ber Steigung, be§ ^efdjmacf^, enblid^ bie ber ©infid^t — tt)eld)e über aße iHufionören 3J?otiöc ber Wloxal t)inau§ x'\i, aber fid^ flar gemad^t l^at, tüic bie 9Jienjdf)t)eit lange Reiten f)inburd^ feine anberen l^abcn burftc.
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Tloxal beg TOtleibenS im Tlnnht ber Unmögigen. — OTe Die, toeld^e ftd^ felber ni^t genug in ber (^ttoalt f^ahm unb bie HKoroIitöt nid^t alö forttod^renbe im ©rogen unb Äleinften geübte ©elbft^ be^errfd^ung unb ©elbftüberttjinbung fennen, toerben unloinfürlid^ ju SSerJ)errIid^em ber guten, mitleibigen, toof)(tt)onenben 9tegungen, jener inftinftiöen 5n?oralitat, toeld^e feinen ^f)p\ f)at, fonbern nur au§ §er^ unb ^ülf^ retd)en ^nben ju beftel^en fd^eint. 3a e§ ift in i^rem Sntereffe, eine SJ^oralitöt ber SSemunft §u öerböd^tigen unb jene anberc jur olleinigen ju machen.
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floaten ber ©eele. — Hud^ bie (Seele mug i^rc bcftimmten (Sloafen ^oben, tüo^in fie il)ren Unxaif)
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abfliegen lögt: bagu bienen ^crfonen, SSerf)äItntffc, ©tönbe ober \)a^ SSatertanb ober bie SBelt ober enblid^ — für bie ganj §offä^rtigen (id^ meine unfere lieben mobemen „^effimiften") — ber liebe ©Ott.
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@ine 5Irt üon 9^u()e unb S3efd)auHd)feit. — §üte bid), baß beine S^lu^e nnb S3efd)aulid)!eit nid^t ber be§ §unbe§ öor einem gleifd^erlaben gleid^t, ben bie gurd)t nidf)t t)orloört§ unb bie Söegierbe nirf)t rüc!märt^ gef)en (ägt: unb ber bie klugen auffperrt, al^ ob fie SD^ünber mören.
48.
®a§ Sßerbot ofjue (Ss^rünbe. — @in Söerbot, beffen ^rünbe toir ni^t t)erftel)en ober gugeben, ift nid)t nur für ben ^ro^fopf, fonbem audj für ben Srfenntni^- burftigen faft ein ©e^eig: man lägt e§ auf ben SSerfud) anbmmen, um fo ju erfahren, ttje^^alb ha^ SSerbot gegeben ift. 9J?oraIi(d^e SSerbote, iüie bie beS ^e!aIog§, gaffen nur für 3^^^^^^^!^ ^^^ unteriüorfenen SSernunft: je^t iüürbe ein SSerbot „bu foUft nid)t tobten" „bu follft nidjt e{)ebred^en", ot)ne ©rünbe ^ingef teilt, el^er eine Jd)äb(id)e a(^ eine nü^tidje SSirhing l)aben.
49.
S^arafterbilb. — 2Ba§ ift t>a^ für ein 9)?enjdj, ber Don fid^ fagcn !ann: „id) Derad)te feljr Ieid)t, aber l)afie nie. 5(n jcbem SJtenfc^cn finbc id^ fofort etujaö f)erauö, "t^a^ ju et)ren ift unb beffenttüegen id^ i^n e^re: bie fogenannten Iieben«n?ürbigen (Sigenfc^aften jieljen mid^ toenig an".
46 -
50.
9JZitIeiben unb SSerac^tung. — SJ^tleiben äugern lütrb qIö ein 3^^cl)^"^^^^ S^era^tung empfunben, meit man erfidjtlid) aufgefiört l)at, ein ©egenftanb ber gurc^t §u fein, fobalb einem 9J?it(eiben cmiefen lüirb. 50^an ift unter ba§ S^iöeau beö ®(eid)gen)id)*t§ f)inaBgefunfen, lr)äl)renb fd)on jene§ ber men(d^ütf)en (Sitelfeit nid)t genugt^ut fonbern erft ha^ ^eröorragen unb gurc^tein- flögen ber ©eele ha^ ertDünjd)tefte aöer ®efül)Ie giebt. 2)e§f)alb ift e§ ein Problem, tüte bie (Sd^ä|ung beö 5D2it(cib§ Qufgefommen ift, ebenfo iüie erflärt ttjerben mug, tüarum jet^t ber Uneigcunü^ige gelobt mirb: urfprüngüd) tt)irb er öerad^tet ober al§ tücfifd^ gefürd^tet.
51.
Äleiu fein !önnen. — Wan mug ben S3Iumen ©räfern unb (Sd)metterlingen aud) nod^ fo na\) fein tüie ein ^inb, ha^ nii^t t)iel über fte Ijintreg reid)t. Siöir Siteren bagcgcn ftnb über fic J^tnauSgetoad^fen unb muffen un§ gu i^nen ^erobloffcn; id) meine, Ut (äJräfer f) äffen un§, tnenn tuir unfere Siebe für fie befennen. — SSer an allem (Stuten Xl}eil öaben tüill, mug aud^ gu ©tunben flein ju fein t)erftel;en.
52.
Snl^alt be§ ©emiffen^^. — S)er Snl^alt unfere^ (SJelriffenä ift aUc§>, ma§ in ben 3al)ren ber äinbl)eit öon unä ol)ne ®runb regelmögig geforbert ujurbe, burd) ^erfonen, bie mir öerel)rten ober fürd^teten. SSom (55en?iffen caii tüirb alfo jeneä ©efül^l be^ SDÜxffeng erregt
— 47 —
(,,biefe§ mug id^ tl^un, biefe§ (äffen")» lt)e(d^e§ ntd^t fragt: irarum muß id)? — Sn allen gällen, tüo eine (Sad)c mit „lueil" unb „toamm" gctl^an tüirb, t)anbelt bcr äJJenfd) ol^ne ©etüiffen; be§t)a(6 aber nod^ nirfjt tüiber boSfelbe. — ^er ©iaubc an $(utoritäten ift bie Quelle beS ®en)iffen^>: e§ ift alfo nirfjt bie (Stimme ®otte§ in ber SBruft be§ 3J?enfcf)en, fonbern bie (Stimme einiger 5!}?enfd)en im 9J?enfd)en.
53.
ÜbertDtnbung ber ^eibenfc^aften. — ^er iU^enfrf), ber feine ßeibenfdjaften überujunbcn t)at, ift in ben S3efi^ be§ frud^tbarften @rbreid)eS getreten: lüie ber Solonift, ber über bie SBälber unb (Süm|)fe §err geujorbeu ift. Sluf bem S3oben ber be^njungenen Seibenfc^aften ben ©amen ber guten geiftigen SSerfe föen, ift bann bie bringenbe näd)fte ^Tufgabe. ^ie Überminbung felber ift nur ein SD^ittel, fein Qid; menn fie nid)t fo angefdjen tt)irb, fo mäc^ft fd)nett allertei Unfraut unb STeufel^jeug auf bem leer genjorbenen fetten ^oben auf, unb ba(b ge()t e§ auf if)m tooller unb toller ju al§ je öort)er.
54.
^cfd^id jum dienen. — 5CI(e fogcnannten ^raftifd)en 9ö?enfc^en i^ahcn ein (^efd)id jum dienen: ba^ eben mad)t fie ^raftifd}, fei eö für ^Tnbcre ober für fid^ fctber. Sf^obinfon befaß nod) einen befferen 2)iener, als J^reitag ftjar: ha^ toax (Srufoe.
55.
(5iefaf)r ber (Spradje für bie geiftige grci« f)eit — ScbeS SBort ift ein ^onirtlicir.
48
56.
■Gkift «nb Sangctueile. — 2)a§ ©prü^toort: ^^er 9J?a9t)Qr ift Diel ju faul, um fid^ §u langtüeilen" (]iebt §u benfen. ^ie fetuften uub t^ötigften Xf)iere erft finb bcr Saugeuiüeite fä^ig. — @in SSortüurf für eiueu ßrofeeu ^td)ter lüöre bie SangettJeile ©otteS am ficbenten Xage ber @d)öpfung.
57.
Sm SSerfeljr mit htn ^^teren. — Wan fann ha^ (Sutfte^en ber S[Rora( in uuferem SSertjalteu gegen bie ^{)iere nod^ beobad^ten. SSo Saugen unb (Schaben nidjt in S3etrad^t fommcn, {)aben tüir ein ©efütjl bcr öölligen UnUeranttüortIic^!eit; tüir tobten unb üertrunben gum ^eif)3iel Snfeften ober laffen fie leben unb ben!en für genjö^nlid^ gar 9^id)tö babei. SSir finb fo ^lump, bog fd^on unfere 5lrtigfeiten gegen 23(umen unb f leine ^^tere faft immer mörberifd) finb: toa^ unfer 35erguügen an i^nen gar nic^t beeinträchtigt. — ©§ ift \)a\tz bc\^ geft ber üeinen Xt)iere, ber fc^njülfte Stag be§ 3at)re§: eg tüimmelt unb !rabbelt um un§, unb tnir jerbrücten, ofine c§ 5U ttJoHen, aber aud^ o^ne Mjt gu geben, balb ^ier balb bort ein SBürmdEjen unb gefieberteS ^äferrf)en. — ^Bringen bie ^(}iere un§ ©c!)aben, fo erftreben tüir auf jebe SBeife i^re SSernidjtung, bie 9J?ittet finb oft graufam genug, o()ne ha^ n)ir bic§ eigentlid^ n)oIIen: c§ ift bie @raufam!eit ber ©ebanfenlofigfeit. S^ü^en fie, fo beuten n)ir fie au§: biö eine feinere ^lugtieit unö le^rt, ba§ gemiffe X^iere für eine anbere S3el)anblung, nämtid^ für bie ber Pflege unb Qiidjt, reic^Iid^ lohnen, ^a erft entftel^t SSerantnjortlid^Ieit. ©egen ha^ ^auStl^ier ioirb bie Ouölerei gemieben; ber eine 3J?enfd^ empört fid^,
_ 49 —
tt)enn ein anbercr unbarm^er§ig gegen jeiitc Stnl) ift ganj in ©emäg^eit bcr primitiüen ^emeinbe-SD^oral, tüdd)t ben gemeinjamen O^iigcn in ®efaf)r fiet)t., fo oft ein (Sinselner fic^ t)ergef)t. 5öer in ber ©emeinbe ein SSerge^en tt)af)rnimmt, fürchtet ben inbirelten @K)aben für fid): unb tüir fürd)ten für bie ©üte beö gleifdje^, bc§ SanbbaueS unb ber SSerfe^r§mitte(, tDcnn toir bic §augt§iere nid^t gut bel^anbelt fe^en. ßw^em ertüedt ber, iDcId^er xo^ gegen i()iere ift, ben 5(rgtt)of)n, aucf) xo\) gegen frfjttjadje, ungleidje, ber ffia^t unfä!)ige 9Jienfd)en ju fein ; er gilt a(§ unebel, be§ feineren (StoIgeS ermangeinb. (So entfielt ein 5lnfa^ öon moralifc^em Urt{)eilen unb (Smpfinben: ba^ Sefte t^ut nun ber 5I6er^ glaube ^ingu. 3J?and^e ^^iere reiben burd^ S3Iide, ^öne unb ©ebärben ben 3J?enfd^en an, fic^ in fie l^ineinju* bieten, unb mand^e S^ieligionen kl)xm im %i)kxt unter Umftänben ben Sßol)nfi^ öon aj^enfd^en- unb (SJötter* feelen fel)en: tt)e§l^alb fie überhaupt eblere SSorfid^t, ja et)rfürd)tige (Sc^eu im Umgange mit ben X{)ieren anem:j)fef)Ien. %n6) nad) bem SScrfd)n)inben biefe§ Slber^ glaubeng ttjirfen bie Don i^m ern^edten (gmpfinbungen fort unb reifen unb blühen au§. — ®aö (S^riftentt)um t;at fid^ belanntlid) in biefem fünfte als arme unb jnrüdbilbenbe 9f?e(igion betoö^rt.
58.
^tnt (Sd)aufpieler. — @§ giebt unter ben 9J?enfd)en feine größere 53anaütät alä ben ^ob; su^njeit im ?Range ftet)t bie Geburt, loeil nid^t aUe geboren merben, meld)e bod) fterben; bann folgt bie §eirat ?Iber biefe Keinen abgejpieltcn ^ragifomöbien »erben bei jebet it)rer ungejäfitten unb unzählbaren 5luffül)rungen
yiteöf*«« «Jerfe. Rlaff.-^uSfl. lY. 4
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immer toteber bon neuen ©d^aufpielern bargefteHt unb l^ören be§f)alb ntd)t auf, tntere)ftrte 3ufc3^oiier ju ^aben: toäf)renb man glauben follte, ba^ bte gefammte 3nfcf)auer== fdiaft be§ (Srbent^eater^ fic^ löngft au§ Überbrug baran an allen S3öumen aufgehängt l^ätte. ©o Diel liegt an neuen ©d^aufpielern, fo tt)entg am <Stüd
59.
SßaS ift „obftinat"? — ®er fürgefte 2öeg ift nic^t ber mögltc^ft gerabe, fonbem ber, bei n)eld^em bie günftigften Sßinbe unfere ©egel fdinjeHen: jo faßt bie Sel)re ber ©d^ifffa^rer. S^r nirf)t ju folgen, ba§> ^eigt obftinat fein: bie ^eftigfeit be§ Q^^arafter^ ift ba burd) S)umm^eit öerunreinigt
60.
^ag Sßort „eiteneit". — S§ ift löfüg, bog einzelne SBorte, beren tt)ir SD^oraliften frf)led^terbingö nid)t entratl)en fönnen, fd^on eine 5lrt (gittencenfur in fid^ tragen, au§ jenen Sdtm f)er, in benen hk näd)ften unb natürli^ften 9?egungen beö a)?enfd^en öerfeiert n)urben. (So tt)irb jene ©runbübergeugung, ha^ mir auf ben SSellen ber ®efellfcf)aft öiel mel^r burc^ ba^, toa^ tt)ir gelten, al§ burd^ ba^, ttjaS loir finb, gute^3 JJa^t^ n)affer ^aben ober @d)iprud^ leiben — eine Über« geugung, bie für alle§ §anbeln in Sejug auf bie ©efell« fd^aft bag ©teuerruber fein mug — mit bem aßgemeinften SSorte „(Sitelfeit", „vanitas« gebranbmarft: eineS ber öoüften unb in^altrei^ften ^inge mit einem Sluöbrudt meldjer baöfelbe aU ba^ eigentlid^ ßeere unb 9^iic^tige begeic^net, etuja^ (5Jro§e§ mit einem S)eminutiüum, ja mit ben geberftridien ber ßaricatur. @ä ^ilft nic^t§,
— 51 —
loir muffen fold^e SSorte gebraud^en, aber babet unfer 0\)x ben ©inflüfterungen öfter ©eiüo^nl^eit öerfd^liefeen.
61.
^ür !enf ata ü§muö. — ^er Xür!enfatalilmu§ ()at ben ©runbfel^Ier, \)a'^ er ben 9)?enfcf)en unb ha§> gatum alö ^njet gefc^iebene ^inge einanber gegcnüberfteHt: ber 3J?enfci^, fagt er, fönne bem gatum triberftreben, eä §u vereiteln fuc^en, aber frfjüeglid^ behalte e§ immer ben @ieg, me^^alb ha^ SSernünfttgfte fei, gu refigniren ober nad^ 95elieben ju leben. 3n SBa^r^eit ift jeber Tlcn\d) felber ein ©tücf ^atum; menn er in ber angegebenen Söeife bem gatum ju miberftrcben meint, fo üoKäietit ftc^ eben barin aud^ ha^ ^atum; ber ^ampf ift eine (Sinbilbung, aber ebenfo jene 9f?efignation in ha^ ^atum; alle biefe (Stnbilbungen finb im gatum eingefcf)Ioffen. — ^ic Slngft, meiere bie SJJeiften üor ber Sef)re ber Unfrei^ ^eit bcö SBillenö f)aben, ift bie 5Ingft öor bem Xürfen^ fataliömuö: fie meinen, ber SDJenfd) merbe fd^mäd^Iid^ refignirt unb mit gefalteten §änben öor ber S^ifunft ftet)en, meil er an i^r 9^id)tö gu anbern Vermöge: ober aber, er merbe feiner öoUen Saunent)aftigfeit bie 3ügel fdjiefeen laffen, meil aud) burrf) biefe ha^ einmal 33eftimmte nid)t fd)limmer merben fönne. ^ic Xl)or' I)citen be!§ 2)^en[cf)en finb ebenfo ein ©türf gatum mie feine ^lugl)eiten: aud) jene 5lngft öor bem (§ilauben an ha^ gatum ift gatum. ®u felber, armer Ängftlidjer, bift bie unbe^minglid^e Moira, meld)c nod^ über ben ©Ottern tt)ront, für SlKeö, ma§ ha fommt; bu bift (Bcgen ober gind) unb jebenfallö bie geffel, in mclc^er ber ©tärffte gebunben liegt; in bir ift alle 3ufunft ber a)^enfd)cn^2Belt Dorljerbeftimmt, t^ f)ilft bir 9^ic^t§, menn bir üor bir felber graut.
- 52 —
62.
Hbt)o!at be§ ^eufeU. — „9Iur bur(^ eigenen Schaben tüirb man !lug, nur burd) fremben ©droben tt)trb man %nt" — fo lautet jene feltfame ^^ilofopljte, ttjelc^e alle 9iRoralttät au^ bem TOtleiben unb alle Sntelleftuaütöt au§ ber Sfolation be§ SQ^enfdjen ableitet: bamit tft fte unbeltjugt bie ©ac^tüalterin aUer trbifdien (Sd^abfiaftigfeit. 2)enn ha^ SD^itleiben \)at ha^ Seiben nöt^ig, unb bie Sfolation bie SSerad^tung ber ^(nberen.
63.
^ie moralifc^en (5t)üra!terma§!cn. — 3n ben Reiten, ha bie (Sl^ara!terma§!en ber <Stänbe für enbgültig feft, gteid^ ben ©täuben felber gelten, Uierben bie 9KoraIiften üerfü^rt fein, auc^ bte moraüfd)en (S^oraftermaöfen für abfolut §u l^alten unb fic fo ju geidinen. (So ift molihx^ als 3eitgenoffe ber ©efeüf^aft Subtoig'ö XIV. üerftönblid); in unferer @efe{Ifd)aft ber Übergänge unb TOttelftufen ttjürbe er al§ ein genialer gebaut erfc^einen.
64.
^ie Uornel^mfte ^ugeub. — Sn ber erften STera beg l^ö^eren 9J?enfd^ent:^umö gilt bie ^a^jferfeit al§ bie öontel)mfte ber ^ugenben, in ber gttjeiten bie ©ered^tigfeit, in ber britten bie SD^ägigung, in ber öierten bie 2öeiöl)eit 3n toelc^er 5lera leben tDir? 3u tueld^er lebfi bu?
65.
SBaS öorl)er nötl)ig ift. — (Sin 3)Jenfc^, ber über feinen Söligorn, feine (SJaU* unb 9fJad)fu^t, feine SSolluft
— 53 -
ntd^t 9J?eiftcr lücrben iütll unb c« öerfuc^t, trgcnbiDorm fonft 93?eifter ju iperben, x\i fo bumm luie ber 5lcfermann, ber neben einem SBilbbad^ feine äder anlegt, of)n^ fid^ gegen it)n §u f^ü^en. ^*
66.
SßaöiftSBafir^cit?— ©d)tpar§ert(aWeIand)t{)on): „2J2an ^rebigt oft feinen ©lauben, njenn man i^n gerabe öerloren t)at unb auf allen Waffen fu^t, — unb man prebigt ii)n bann nirf|t am fc£)le(^teften!" — Sut^er: ®u rebeft ^eut' tt)aljr njie ein ©ngel, öruberl — ©d^tüarjcrt: ,,SrBer eä ift ber (SJebanfe beiner geinbe, unb fie mad)en auf bic^ bk D^u^anroenbung." — Sutfjer: 80 loar'^ eine Sügc au^ bc§ ^eufelö §interm.
67.
®eiüo^nt)eit ber ©egenfä^e. — ^ie allgemeine ungenaue ^Beobachtung ficl)t in ber Statur überall ©egen* jö§e (mt j. f8. „toarm unb falt"), njo feine ©cgenfä^c, fonbem nur ©raböcrfdjiebenljeiten finb. ^iefc fd)(e(^te ©etüoljnlieit ^at unö herleitet, nun aud) nod) bie innere 9f?atur, bie geiftig^^fittüd^e SSelt, nad^ foId)en ©egen* fä^en t)erftef)en unb ^erlegen ju tootten. Unfägüc^ öiel ®cf)mer5l)aftigfcit, ^Inmaagung, §ärtc, (Sntfrcmbung, (Srfältung ift fo in bie menfc^lic^e ©mpfinbung t)inein* gc!ommen, baburd^ bajj man (SJegcnfa^c an ©teHc ber Übergänge ju fe^en meinte.
Ob man Vergeben fönnc? — 9Bie fann man i^nen überljau^jt »ergeben, loenn fic nid^t toiffen, toaö
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fie tt)un! Tlan ^ai gar 9^td)t§ ju tergeBcn. — 'ahn meig ein 3}2enfd| jemals ööUig, toa§ er t^ut? Unb lüenn bte§ immer mtnbeften^ fragli^ bleibt, fo ^abcn aljo bie 9JJenfd)en einanber nie (Sttraö §u tiergeben, unb ^nabe-üben ift für ben S3ernünfägften ein unmöglid^eö ®ing. 3" aüerle^t: tüenn bie Ü6eltf)äter ttjirüid^ gelüugt Ejätten, toa^ fie traten — fo ttjurben lüir bod^ nur bann ein dt^d^t gur S5ergebung ^aben, njenn mx ein dttd)t gur Sefd)ulbigung unb jur (Strafe Rotten. 2)ieg aber J)aben tpir nic^t.
69.
habituelle @d^am. — Sßarum empfinben ftjir (Sd^am, ttjenn un§ ettüaö (SJute^ unb ^luSgeid^nenbeg ertüiefen iüirb, ha^ löir, tt)ie man fagt, „nic^t öerbient t)aben"? So fd}eint un§ bobei, ba§ tüir un§ in ein ©ebict eingebrängt l^aben, tüo n)ir nid^t l^inge^ören, ttjo njir au^gefd^Ioffen fein foHten, gleid)fam in ein §ei(ige§ ober 2ll(ert)eiligfte§, tt)e(d)eö für unfern gufe unbetretbar ift. ^urc^ ben Srrt^um SCnberer finb tt)ir boi^ hinein- gelangt: unb nun übertoältigt un§ t^eil^ Surc^t, ti)eil^ S^rfurd)t, t^eil§ Überrafd^ung, n)ir tüiffen nidjt, ob mir fliegen, ob mir be§ gefegneten 5(ugenbIidEeö unb feiner (Knaben -SSorttieile genießen foHen. S3ei aller (5dC)am ift ein SJJ^fterium, meld^e^ burc§ un^ entmeit)t ober in ber ®efal)r ber (£ntmeit)ung §u fein frfjeint; alle ©nabe erzeugt ©dE)am. — ©rmögt man aber, ba)^ mir über]^au)3t niemals etma§ „öerbient ^aben", fo mirb, im gaU man biefer 5lnfid^t innerhalb einer d^riftfidjen (^efammt=S3etracE)tung ber ®inge fid^ t)ingie6t, ba^ (§Jefüt)l ber ©d; am tiabituell: meil einem (Soldjen ©ott fortmöl^renb ju fegnen unb ©nabe ju üben fd^eint. vlbgefe£)en t)on biefer d^riftUd^en Sluglegung loäre aber
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aitd^ für bcn tjöllig gottlofcn SBeifen, bcr an bcr grünbüd^en Unöerantirortüd^fett unb Unberbtenfttidjfett attc§ SBirfen^ unb 2Se[en§ feft^ält, jener 3"f^onb ber l)abituellen (S(f)am rnöglid}: itienn man i^n 6et)an^tt, alg ob er bieö unb jeneö öerbient l^abe, fo fc^eint er fid^ in eine ]^öf)ere Drbnung üon SBefen eingebrängt §u §aben, tt)elrf)e über()aupt ettt)Q§ berbienen, lüeld^c frei finb unb if)re§ eigenen SSoIIenS unb ^önnenö ^erantn)ortung mirfüd^ gu tragen öermögen. SSer ju il)m jagt „bu l^aft e§ berbient", fdEjeint i^m jugurufen „bu bift fein SJ^enfd^, fonbem ein ©ott".
70.
2)cr unge{d)icftefte (Sr^iel^er. — S5ei tiefem finb auf bem 33oben feinet SBiberfprucf)Sgeifte3 attc feine rt)irfnd§en Xugenben ange^jflangt, bei Senem auf feiner Unfäl)igfeit, D^ein ju fagen, alfo auf feinem 3uftimmung§geifte; an S)ritter ^at alle feine 2J?oraIität au§ feinem einfamen ©tolge, ein SSierter bie feine au^ feinem ftarfen ©efeHigfeitötriebe aufnjad)fen laffen. ©efe^t nun, burd^ ungefc^icfte ©rjielier unb g^föHe ipören bei biefen ^ßieren bie (5amen!ömer ber Xugenben nid|t auf ben ©oben i^rer Statur auögefäet njorben, ujeld^er bei it)nen bie mcifte unb fctteftc @rb!rume ^at: fo tt)ären fie ot)ne 3J?oralitat unb fd§n)arf)e unerfreuliche 2Wenfd[jen. Unb ttjer UJÜrbe gerabe ber ungcfc()idttcfte aller ©r^ie^er unb bog böfe SBer^ängnig bicfcr t)ier 9J?cnfd§en geujefen fein? SDer moraIifd)c ganatifcr, tüel^er meint, ha^ bag ©Ute nur auö bem ®uten, auf bem (§Juten ujac^fen fönne.
-- 56 —
71.
^cfjreibart ber ^orftd^i -- 51: W)ex, tüemt Sllle bieg tüüfeten, \o tüürbe e§ ben 9J^etften frf)äb(icf) fem. ^u felber nennft blefe SJ^einungen gefäf)rUd^ für bie ®efäf)rbeten, unb bod^ t^eilft bu fte öffentlid^ mit? 55: S^ fd^reibe fo, ha^ treber ber $öbe(, nod^ bie populi, nod^ bie Parteien aller 5lrt mic^ lefen mögen, golglid) tüerben biefe SKeinungen nie öffentliche fein. ^: 5lber tük fdjreibft bu benn? S5: SSeber nü^lid) noc§ angenehm — - für bie genannten ^rei
72.
(SJöttH^e gj^ifftonäre. — Sinei) (Sohateä füp ft(^ aB göttli^er TOffionär: aber ic^ njeig nid)t, njaö für ein Hinflug t)on attifc^er Sronie unb Suft am ©paaren aucl) felbft t)ierbet nocl) §u fpüren ift, Ujoburd^ jener fatale unb anmaaßenbc ^Begriff gemilbert ttjirb. @t rebet o^ne (Salbung baöon: feine 93ilber, öon ber Söremfe unb bem $ferb, finb f^lii^t unb unpriefterlic^ , unb bie eigentlirf) religiöfe Slufgobe, ujie er fte ftd) gef teilt fü^lt, ben ©Ott auf l)unberterlet Sßeife ouf bie $robe ju ftellen, ob er bie Sßalir^eit gerebet ^aht, lägt auf eine !ü^ne unb freimütl)ige ©ebärbe frf)lie§en, mit ber l^ier ber SJ^iffionär feinem @otte an bie (Seite tritt. SeneS 5lufsbies^]ßrobes@teEett be§ ©otte^ ift einer ber feinften Sompromiffe 5tt)ifdl)en grömmig!eit unb grei^cit be§ ©eifteS, tüeld^e je erbad)t lüorben finb. — 3e§t l^aben lüir au(^ biefen feompromil nid^t me^r nötf|ig.
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73.
(Srjrlid^eS WaUxtl^nm. — ^Raffael, bem öi4.,an ber ^rc^e (fofern fie gafilimgSfä^ig toax), aber tüCTiig, gleid^ ben Seften feiner ^dt, an ben ©egenftönben beä fird)Ud)en ©laubenS gelegen toar, ift ber anfpmd)§t)oIIen efftatif^cn grömmig!eit mandjcr feiner S3ef teuer nicf|t einen (Schritt fteit nachgegangen: er f)ai feine (Sl)r(id^!eit benjafirt, felbft in jenem 5(u§na()me5S3i(b, baä urfprüng« li^ für eine >Pro5effion§=gaf)ne beftimmt toar, in ber ©ijtinifc!)en SD^abonna. ^ier njoEte er einmal eine SSifion malen: aber eine fold^e, lüie fie eble jnnge SJ^änner of)ne „©tauben" auc^ (jaben bürfen unb l)aben »erben, bie SSifion ber gu!ünftigen ©attin, eineS fingen, feeIifc^=öomel^men, fdjUJcigfamen unb fet)r fdjönen SSeibeS, boS iljrcn (Srftgeborenen im SIrme trägt. SJJögen bie Eliten, bie an t)a§> ^eten unb anbeten gctt)öf)nt finb, ^ier, glcid^ bem eljmjürbigen ©reife jur Sinfen, etnjaS Ubermenfd^Ii^eä Uere^ren: njir Süngeren iüollen c§, fo fd)eint S^iaffael ung äujurufen, mit bem fc^öncn 9)?äbd^cn jur Steckten Ijalten, todd)z mit if)rcm aufforbemben, burd^auS nidjt beöoten S3lide ben S3etrad)tem beS S5ilbeg fagt: „^M)t toaf)x? SDiefc Wlutkx unb i^r ^inb — \>a^ ift ein angcne()mer einlabenber 5Inblid?" ^ieö ®efid)t unb biefer S3Iicf ftral^It ton ber greube in ben ©efid)tcrtt ber S8ctrad)ter njieber; ber ^ünftler, ber bie^ SlÜeö crfanb, genießt fid^ ouf biefe SBeife fclber unb giebt feine eigene greubc jur greube ber ^unft« ©mpfangenben t)inäu. — 3n Setreff beö „f)ei(anb^aften" ^uif^brudä im Äopfe cineö ^nbeö f)at ^Raffael, ber (£f)ilic^c, ber feinen ©eelensuftanb malen njoHtc, an beffen (Sfiftenj er nid^t glaubte, feine gläubigen S3e* trac^ter auf eine artige Sßeifc überliftet; er malte jeneö
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D^aturfpiel, ba§ mrf)t feiten tjorfonimt, ba^ SUMunerauge im ^nb§!opfc, unb gtüat ha^ 5Iuge beg tüateen ptfc^« retdjen ^Oianne^, ber einen S^iot^ftanb fic^t. Qu biefcm 5Iuge get)ört ein ^art; ba§ biefer feljlt unb ha^ groei öerfd^iebene Seben^alter f)ier au§ (Sinem ©eftdjte fpre^en, bieg ift bte angenef)me ^arobo^ie, tvdä^z bie ©laubigen ftd) im ©inne tf)re§ SSunberglaubeng gebeutet I;aben: fo tüie e§ ber ^ünftler ton il)rer £unft be§ S)euten§ unb hineinlegend auc^ ertüarten burftc
74.
^a§ ©ebet. — 9^ur unter jtoet Sßorau^fe^ungen ^atte oöeg S3eten — jene noc^ nid)t ööEig er(ofcf)enc (Sitte älterer Qdtm — einen (Sinn: e§ müßte möglid^ fein, bie ®ottf)eit §u beftimmen ober umguftimmen, unb ber S5etenbe müßte felber am S3eften toiffcn, ma§ il^m notf) t^ue, tüa§ für i^n tüa^rl^aft n)ünfd^en§n)ert^ fcl 55eibe ^orau^fc^ungen, in aÜen onberen ^Religionen an« genommen unb E)ergebra(f)t, inurben ober gerabe üom (s;i}riftcnt!)um geleugnet; loenn eö tro^bem ba§ ©ebet beibef)ielt, bei feinem ©tauben an eine allmeife unb aHöorforgtid^e SSemunft in ©ott, burd) loeldje eben bie§ (SJebet im ©runbe ftnn(o§, ja gotteöläfterlid^ toirb, — jo geigte e§ auc^ barin ioicber feine betounberungötoürbigc (S^Iangen:=^fugI)eit; benn ein flareä ©ebot „bu foEft nid)t beten" l)ätte bie (S^riften burd) bie ßangemeilc jum Und)riftentl)um gefül)rt. Sm djriftlid^en ora et labora oertritt nömlid) baS ora bie ©teile beS SS er« gnügenS: unb nja^ Ratten ol^ne ta^ ora jene Unglücf« lid^en beginnen foHen, bie fid^ ha^ labora öerfagten, bie ^eiligen! — aber mit ©ott fid) unterl)alten, il)m allerlei angenehme ^inge aböerlangen, fid^ felber ein
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2öcniö barüber luftig mad^en, lote man fo t^örtd)t fein fönne, nod^ Sßünfdje gu t)aben, trog einem fo t)ortreffItrf)en SSater, — ba^ mar für §eiüge eine fef)r gute ©rfinbui^.
75.
(gtne ^eilige fiüge. — ^te ßügc, mit ber auf ben fiippen 5(rria ftarb (Paete, non dolet), tierbun!e(t oEe Söa^r{)eiten, bie je t)on (Sterbenben gefprod^en mürben. (S§ ift bic einzige f)eilige £üge, bie berühmt gcmorben ift; mö^renb ber ©eruc^ ber ^eilig!eit fonft nur an Str- t^ümern t)aften blieb.
76.
^er nöt^tgftc 5lpofteI. — - Unter ^tüölf 5(pofteIn mu§ immer einer t)art mie (Stein fein, bamit auf ii)m bie neue ^irc{)e gebout merben fönne.
77.
2Ba§ ift bog ^ergänglirf)erc, ber ®eift ober ber Ä'örper? — Sn bcn rei^ttid^en, moratifd)en unb rcligiöfen fingen f)at ba^ ^tufjerlid^fte, ha^ 5lnfc^aulid)e, alfo ber Sraudj, bic ©ebärbe, bie (Zeremonie, am meiften !I)aucr: fie ift ber ßcib, ^u bem immer eine neue (Seete ^injiifommt. ^er ßuItuS mirb loie ein fefter 9Bürt = Xeyt immer neu ausgebeutet; bie Segriffe unb ©mpfinbungen finb ba§ Slüffige, bie (Sitten baö ^arte.
78.
^et ©lüube an bie^ranf^eit, als Äranffteit. — (Srft baS (S^riftent^um Ijat ben Teufel an bic SSanb
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ber SBclt gemalt; erft baiS S^riftent^um ^at btc «Sünbe in btc SBelt gebrad)t. ^er Glauben an hk Heilmittel» njelc^e e§ bagegen anbot, ift nun atlmälilic^ hi§ in btc tiefften SSurjeln ^incin erfd^üttcrt: aber immer noc^ befteljt ber (SJlaube an bie ^ranf^eit, meieren e^ gc le^rt unb öerbreitet fjat
79.
9iebc unb ©c^rift bet 3ieligiö(en. — SBenn ber @til unb ©eJammtauSbrucf beö ^riefter^, beö rebenben unb fc^rcibenben, nic^t fc^on ben religiöfen 3Renf^en anfünbigt, fo brauet man feine 3J?einungen über SfJeligion unb ju (fünften berfelben nic^t mel)r ernft ju nehmen. (Sie ftnb für il)ren Sefifer fetber fraftloö gemefen, tt)enn er, mie fein @til öerrät^, Stonie, 3ln= maafeung, S3oiSt)eit, ^afe unb alle SBirbel unb SBed^fel ber Stimmungen befigt, ganj mie ber unreligiöfefte 3J?enf(^; — um mieöiel fraftlofer merben fie erft für feine ^örer unb Sefcr fein! Äurj, er roirb bienen, biefelben unreligiöfer ^u mad^en.
80.
©efa^t in ber ^4ierfon. — Sc me^r ®ott aU ^ßerfon für fic^ galt, um fo loeniger ift man i^m treu gemefen. ^ie 9}?enfd^en finb i^ren ©ebanfenbilbern biel anl^ängli^cr, aU il^ren geliebteften beliebten: be§l)al6 opfern fie fi^ für ben ©taat, bie Äirdjc unb auc^ für @ott — fofern er eben i^r ©rjeugnife, i^r ©cbanfe bleibt unb nic^t gar ju perfönlic^ genommen toirb. 3m leiteten gaUe ^abern fie faft immer mit i^m: felbft bem grömmften entfuhr ja hit bittere 9ficbe „mein ®ott, toarum ^aft bu mid^ öerloffen!"
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3)ic toeltlid^e ^ercrfjtigfett. — @g tft mögü^, bic tueltli^e ©ereditigfeit au§ ben SIngeln gu Ijeben — mit ber Sel)re öon ber OöHigen Untjerantttjortlic^feit unb Unfrfjulb SebermannesJ : unb cö ift fd^on ein Sßerfuc^ in gleid^er Siid^tung gemQd)t njorben, gerabe auf ®runb ber entgegengefe^ten ße^re öon ber ööHigen SSerantn)ort5 ürf)feit unb ^erfd)ulbung Seb ermannet, ^er (Stifter be^ Si)riftentl)um§ njar e§, ber bie n)elt(i(i)e (5Jered)tig!eit auf()eben unb boS ^idjtm unb ©trafen auö ber SSelt fd)affen tt)onte. ^enn er öerftanb alle ©d^ulb al§ „©ünbe", \)a^ fieigt alg greDel an (3 Ott unb ni^t alö greöel an ber SBelt; anbererfeit^ i)klt er Sebermann im größten 9J?aa6fta6e unb faft in jeber §infic^t für einen (Sünber. ^ie ©d)ulbigen foEen aber nid)t bie SJid^ter i()reä ®Ieid)en fein: fo urt^eiltc feine S3ittig!eit. 2(Ue S^tic^ter ber ttjeltUd^en ®ererf|tig!eit maren alfo in feinen 5Iugen fo fc^ulbig mie bie öon it)nen SSerurtf)eiIten, unb i^rc äJäene ber (Sd)ulbIofig!eit fd)ien i^m fo I)eurf)(erifd) unb pf)arifäerE)aft. Überbieö fat) er auf bie äWotiöe ber 5>anb= iungcn unb nic^t auf ben ©rfolg, unb ^ielt für bic S3eurtl)ei(ung ber SJ^tiöe nur einen ©injigen für fdjarffid^tig genug: fid) fclber(ober mie er fic^ auSbrücfte: ®ott).
82.
@ine 3Iffeftation beim 5(bfc^iebc. — 2Ber fid^ öon einer Partei ober ^Religion trennen iüitt, meint, e^ fei nun für if)n nötf)ig, fie ju ttjiberlegen. 5lber bieg ift fet)r l)od^müt!)ig gebadet. iRöt()ig ift nur, toi er flar einfiel)!, toeldie 5llammem it)n bisher an bie|e <Portei ober iHeügion anljieUen unb baß fie e^ nic^t mc^r
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t^m, tüQ§ für ^IBftd^ten i^n ba^tn getrieben fjaben unb bag fie je^t anber§iüol)tn treiben. SSir ftnb nid^t auä ftrengen ©rfenntnifegrünbcn auf bie (Seite jener gartet ober Sf^eligion getreten: tüxx f ollen bie§, toenn toii öon i^r fc^eiben, aud^ nic^t affeftiren.
83.
§etlanb unb ^rgt — ^er (Stifter be§ ßfiriften« tt)um§ tDax, tüie e§ fid^ t)on felber öerfte^t, al§ Kenner ber menfd)Iic^en @ee(e nid^t ol^ne bie größten 9J?ängel unb SSoreingenommenl^eiten unb al§ 5lrjt ber ©eele bem fo anrüd)igen unb Iaienf)aften ©tauben an eine Uniöerfal=» mebi§in ergeben. @r g(eid)t in feiner 9}?ett)obe mitunter jenem ßo^mv^te, ber jeben (Sd^merj burd^ STuSreifeen be§ 3(^^^6^ ^dkn tütH; fo gum SSeifpiel tnbem er gegen bie ©innlid^feit mit bem S^latl^fd^Iage anfömpft: „Benn bid^ bein 5(uge ärgert, fo reiße e§ ouö." — Slber cö bleibt bod^ nod^ ber Unterfd^ieb, ha^ jener 3ö]^"ö^ät tt)enigften§ fein 3^^^ crreidEjt, bie (Sd^meräIofig!eit be§ Patienten; freiti^ auf fo plumpe 5lrt, ba§ er Iäd)erlid[} ttjirb: Ujöl^renb ber (5;^rift, ber jenem 9?att)f daläge folgt unb feine (Sinnlid)!eit cüöWt ju l^aben glaubt, fid^ täufd^t: fie kht auf eine unl^eimlid^e bamp^rifd^e 5(rt fort unb quält il^n in toiberlid^en SSermummungen.
84.
^ie befangenen. — ©ineS SOJorgen^ traten bie (befangenen in ben 2lrbeit§t)of: ber SSärter fehlte, ^ie ©inen öon i^nen giengen, loie e§ il^re 2lrt niar, fofort an bie ^Irbcit, Hnbere ftanben müßig unb btirften tro^ig um^er. ^a trat (giner tjor unb fagte laut: „5(rbeitet fo öiet il^r toottt ober tl^ut nid^t^: eö ift 5lIIe§ g(cid§. (£ure
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geheimen Srnfd^Iögc ftnb an'^ Std^t gefommen, .ber ©cföngniglüärtcr t)at eu^ neuli^ belaujdjt unb tüilf in ben Häuften Xagen ein fürd^terli^eö ©erid^t über cud^ ergel^en laffen. S^r fennt iE)n, er ift ^art nnb nac^= trägerijd)en ©inncg. 9?un aber mer!t auf: i^r ^aht mid) bi§()er öerfanntrid^ bin nid^t, tüa§ id) f(i)eine, fonbern öiel me^r: id^ bin ber ©of)n beö (SJefängnigtuärterS unb gelte OTe§ bei i^m. Sc^ !ann eud) retten, id^ tt)ill eudf) retten; aber, n)ot)tgemerft, nur diejenigen öon eud^, lüeld^e mir glauben, \)a^ xdj ber (So^n be§ ©eföngni^- ttjärterS bin; hk Übrigen mögen bie grüd^te iljreö Unglaubens ernten." „9^un, fagte nadf) einigem ©c^njeigen ein älterer befangener, lüa§ fann bir baran gelegen fein, ob n)ir cS bir glauben ober nid^t glauben? S3ift bu toirÜid^ ber ©ol^n unb öermagft bu ^a§, toa^ bu fagft fo lege ein guteS SBort für un§ 5IIIe ein: cg ttJärc tüirflirf) red)t gutmütt)ig öon bir. ^a§ ©erebe üon (SJIauben unb Unglauben aber lajs bei ©eitel" „Unb, rief ein jüngerer 3J?ann bagtoifdl^en, ic^ glaub' e§ il)m a\iä^ nirf)t: er Ijat fid^ nur etnjaö in ben Slopf gefegt. 3c^ tüette, in adjt Xagen befinben toir unS gerabe nod) fo l)ier irie l)eute, unb ber ©eföngnigtüörter tt)ei§ Sf^idjtS." „Unb ttjenn er (5ttüa§ gemußt l)at, fo weig er'S ni(f)t me^r", fagte ber Se^te ber befangenen, ber je^t erft in ben §of ^inab!am, „ber ®efängni6n)ärter ift eben ^)lö$lid^ geftorben." — „§olIa, fd^ricen 9}?el)rere burd^* cinanber, I)onaI §err (Sol)n, $err @o^n, ttjie fte^t eS mit ber @rbfdE)aft? ©inb tt)ir öieüeid^t je^t beine befangenen?" — „3d^ l)abe e§ cud^ gefagt, entgegnete ber 5lngcrebete mitb, id^ Ujerbe Seben freilaffen, ber an mid) glaubt, fo geioig als mein SSater noc^ lebt." — ^ic befangenen lad)ten nidjt, judtcn aber mit ben Sld^fcln unb liegen il)n fielen.
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85.
^er SSerfoIget @ottc§. — $autu§ ^at ben ©ebanfen au^gebadjt, (Sabin i^n nac^gebadjt, ha% Unsä^ügen feit (Stüigfeiten bie SSerbammni| guerfcmnt ift unb ia'^ bicfer fc^öue Seltenjjlan fo eingerid)tet tourbe, bamit bie §en:lid)!eit ©otteS fic^ baran offenborc; ^immel unb §ölle unb 9}^enfd)^eit foKen alfo ha fein,
— um bie (SiteÜeit ©otteS gu befriebigen! SBeld^ graufame unb unerföttlid)e (Sitelfeit mug in ber ©eele beffen geftacfert ()aben, ber fo ©ttt)a§ fid) guerft ober gugtreit augbad)te! — $aulu§ ift alfo boc^ (Sauluö geblieben — ber SSerfolger (^otteö.
86.
©o!rate§. — 3öenn $llle« gut ge^t, luirb bie 3eit fommen, ba man, um fic^ fittlid)=oernünftig ju förbem, lieber bie 9}?emorabilien be§ (So!rate§ in bie §)anb nimmt al§ bie SSibel, unb ujo 9J?ontaigne unb ^oraj al§ SSorläufer unb äöegnjeifer gum SSerftänbnig be§ einfadjften unb unoergänglid)ften SKittlersSSeifen, be§ (Sofrate^, benugt ujerben. gu il^m fül^ren bie (Strafen ber öer= f^iebenften p^ilofop^ifd^en fiebenönjeifen ^urüd, toeldje im ©runbe bie SebenSmeifen ber terfc^iebenen 'Xempera= mente finb, feftgeftellt burci^ SSemunft unb ©emo^n^eit unb aUcfammt mit if)rer @pi|e f^in nad) ber greube am Seben unb. am eignen ©elbft gerid)tet; toorauö man fdjlicfeen möd^te, bag baö ©igent^ümlic^ftc nn ©ofrateS ein 5tntl)eill)aben an allen Xemperamenten gemefen ift.
— SSor bem (Stifter beö Sl)riftentl)umS l^at ^ofrateö bie fröl^lid^e ^Trt be§ (Srnfte^ unb jene SÖ3eiöl)eit ö oll er ©Reimen ftrei<^c oorauS, tt)eld^e ben beften
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©eelcnjuftanb be§ 3J?enf4en augmadjt. Überbieg ^attt er bcn größeren SSerftanb.
87.
®ut fd^reiben lernen. — ^ießeit beö ©ut^reben^ ift öorbei, tpeil bie ßett ber ©tabt=Su(turen borbct tft. 2)ie le^te (Strenge, tT3cId)e 5lriftoteIe§ ber großen ©tabt erlaubte — e§ muffe ber |)ero(b nod^ im ©tanbc fein, ftc^ ber gan§en öerfammelten ©emeinbe öernel^mbar ju madjen — , biefe (SJren^e fümmcrt un§ fo tuenig, al§ un§ überhaupt no^ ©tcbtgemeinben fümmern, un§, bie tpir felbft über bie Sßölfer i)inh)eg öerftanben n)erben tooHen. 3)eS§aIb muß je^t ein 3eber, ber gut europäifc^ gefinnt ift, gut unb immer beffer fcf)rciben Temen: e^ l^ilft nid^tg, unb njenn er felbft in S)eutfd)lanb geboren ift, tt)o man bag @d^lec^t*fd^reiben aU nationale^ SSorred^t be^anbelt. S3effer fd^reiben aber Ijeigt ä^gleid) anij beffer beuten; immer 3J?itt^eilen§n)ert^ere§ erfinben unb eS tDtrflid) mittl)eilen fönnen; überfegbar lüerben für bie @)3ratf)en ber S^adjbam; jugängiid) fic^ bem SSerftänbniffe jener SluSlänber machen, n)eld)e unfere (Sprad)e lernen; bal)in XDxxUu, ha^ olIe§ @ute Gemeingut UJerbe unb ben greien atteg frei ftelje; enblid), jenen je^t nod) fo fernen Suftanb ber ®inge Vorbereiten, tüo hm guten ©uropäem il^re große 5(ufgabe in bie §änbe fällt: bie Seitung unb Übermadjung ber gefammten ©rbcultur. — SBer \)a^ (SJegent^cil prebigt, fid) nic^t um ta^ (3nU fd)reiben unb ®ut4efen ^u !ümmem — Beibe ^ugenben hjac^fen mit einanber unb neljmcn mit cinanber ab — , ber jcigt in ber %\)at bcn SSülfcm einen SScg, njte fie immer nod^ mel)r national njcrben fönnen: er t)cnncl)rt bie 5lranfl)eit biefeö 3al)rl}unbcrtö unb ift ein geinb ber guten Europäer, ein geinb ber freien ©eifter.
9«e|tc!)e8 «Berte. man.^«u«9 IV. ß
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88.
S)tc Sel)re öom Beften <SttIe. — ^tc Se^re t)om &xl !ann einmd bie Se^re fein, ben EuSbrucf gu finben, öermöge beffen man jebe ©ttmmung auf ben Sefer unb §örer überträgt; fobann bie Se^re, ben 5Iu§brucf für bie tüünf^en^lperttiefte (Stimmung eine§ 3)tejd)en ju finben, beren SJJitt^eilung unb Übertragung alfo aud^ am meiften gu iDünfd^en ift: für bie (Stimmung be§ öon §er§en§grunb Belegten, geiftig freubigen, gellen unb auf^ rid^tigen 3JJenfd)en, ber bie Seibenfd^aften üBermunben l^at. ^ieS toirb bie ßet)re öom beften ©tile fein: er cntfpridit bem guten 2J?enfd^en.
89.
5Iuf ben ©ang Hc^^t geben. -— ®er (SJang ber (Sö|e geigt, ob ber Slutor ermübet ift; ber einzelne SIuS* brudt fann beffenungead^tet immer nodEi ftar! unb gut fein, ujeil er für fid^ unb frül^er gefunben ujurbe: bamal^ al§ ber ©ebanfe bem Hutor §uerft aufleud^tete. (So ift eg l^öufig bei ®oett)e, ber ju oft bütirte, menn er mübe loar.
90.
@d^on unb nod}. — 51: ^te beutfd^e ^rofa ift nod^ fe^r jung: (^oet^e meint, ha'^ Söielanb i^r ^ater fei 33: (So jung unb fc^on fo ppd^! ^: 5Iber — foöiel mir befannt, fc^rieb fd)on ber S3ifd)of UlfilaS beutfrf)e ^rofa; fie ift alfo gegen 1500 Saf)re alt lö: (So alt unb nod) fo ^öpd^!
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91.
Ortgtnal'beutfc^. — S)ie beutfd^e $rofa, treidle in ber ^f)at nicf)t narf) einem SJ^nfter gebilbet ift nnb ixjoj)! al§ originales (SrgengniS beö beutid)en ©efd^modä 5U gelten i)at, bürfte ben eifrigen 5lntüälten einer 5u!unftigen originalen bentfc^en (jultur einen gingergeig geben, tüie ettüa, o^ne S^ad^a^mung t)on 9J?uftem, eine toirfUd^ beutfd^e Xrac^t, eine beutfc^e ©cfelligfeit, eine bentfdje gimmereinri^tung, ein beutfd^eS äJiittagSeffen au§fe{)en iperbe. — Semanb, ber längere geit über biefe 5Ingfid§ten nadigeba^t f)attt, rief enblid^ in öollem ©direden an§: „5(ber, inn be§ §imme(§ SBiKen, öieKeid^t ^aben tüir fd^on biefe originale (Kultur — man fprid^t nur nid^t gerne boüon!"
92.
SSerbotene 93üd)er. •— 9^ie (gtnjaS lefen, tpaö jene arroganten SSieltoiffer unb SSirrföpfe fdf)reiben, ttjeldje bie abfd)eu(id^fte Unart, bie ber logifd^en ^araboyic t)aben: fie njenben bie logifd^en gormen gerabe bort an, njo 5lIIe3 im ©runbe frec^ im))rot)ifirt unb in bk Suft gebaut ift („5llfo" foU bei iljnen f)ci6en „bu (gfel öon fiefer, für bi(^ giebt eS bie§ ,alfo* nid^t — loof)! aber für mic^" — njorauf bie ^rnttuort lautet: „bu ©fei t)on ©d)reiber, mo^u fcljreibft bu benn?")
93.
^eift geigen. — Sebcr, ber feinen ©eift j^ ei gen toiH, Iä§t mcrfen, ta^ er aud) reid)tid^ Dom ®egentl)eil \)at Sene Unart gciftreid)cr grangofen, i[)rcn beften ©infäüen einen 3^9 ^ou d^dain beizugeben, ^at \l)xtn
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Urjprmtg in ber 2lbfid}t, \nx fctd)er ju gelten, oI§ fte finb: ftc iroHen läffig fdjenfen, gleirfifam ermübet t>om be[tänbigen ©penben au§ überöoßen ©d^at^^äufem.
94.
^eutjdjc unb frangöftfdjc Sttteratur. — ^Q§ Ungtud ber beutjd}en unb frangöfifdjen Sitteratnr ber legten l^unbert Saf)re liegt borin, ho!^ bie ^eutfc^^ 5U zeitig auä ber (Sd^ute ber gran5ofen gelaufen finö — unb bie gran^ofen, fpäterl^in, gu zeitig in bie^c^uteber ©eutfdjen.
95.
Unferc $rofa. — ^eine§ ber jetzigen (5ulturt)i)lf er f)at eine fo f^Ied)te $rofa lote ha^ beutfd^e; unb luenn geiftreidje unb öerloö^nte grangofen fogen: e§ giebt !eine bentfc^e ^ofa — fo bürfte man eigentlid^ ni^t böfe njerben, ba c§ artiger gemeint tft, al§ toir'ö öer- bienen. ^ii^t man nad) ben (SJrünben, fo fommt man gule^t gu bem feltjamen (Srgebnig, ba^ ber ^eutfd^c nur bie improbifirte $rofa lennt unb üon einer anberen gar feinen begriff l)at (£g !(ingt i^m fd^ier unbegreifU^, toenn ein Staliäner fagt, bajg $rofa gerabe Am fo biel fc^merer fei al§ $oefie, um lüie öiel bie S)ar^ fteEung ber nadten ©d^ön^eit für ben iBitb^auer fd^toerer fei a(g bie ber befleibeten (Sd^ön^eit. Um i8er§, SBilb, 9fJt)t)tl)mu§ unb 9f{eim ^at man fic§ reblid^ gu bemühen — ha^ begreift aud^ ber ®eutfd)c unb ift nid^t geneigt, ber ©tegreifs^id^tung einen befonber§ f)of)en SSertl^ 5u= jumeffen. SIber an einer (Seite $rofa mie an einer SBilbfäuIe arbeiten? — e§ ift i^m, alö ob man il^m ettuag auö bem gabellanb öorerjöl^Ite.
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96.
^cr gro^e (3ttl. — 'j£)er große (Stil entfielt, tücnn ha^ ©djöne bcn (Sieg über boä Ungel^eure boDom trägt
\ 97.
5Iu§tt)etd)eK. — 9}?an loeig njd^t el)er, loorin 6et au5ge§eid)nctcn ©elftem ha^ gerne it)re§ ?Iu3bru(f§, tljrer SBenbung liegt, tDenn man nicfjt fagen fann, auf tüeld^eä SSort jeber mittelmäßige ©d^riftfteEer beim 'än^^ brüden berfelben ^aiijt iinöermeiblid^ geratl^en fein loürbc. 5IIIe großen 5lrtiften jeigcn fic^ beim Senfen i^reö gut)rh)erf§ jum 5Iu§n)eid^en, ^um ©ntgleifcn geneigt — boc^ nidjt ^um Umfallcit
98.
(SttoaS tute SBrob. — 93rob ncittrofifirt ben ®e- fc^mad onberer ©peifen, tüifdjt if)n ttjeg; be§I)a(6 get)ört e§ 5U jeber längeren Tlaljl^Qit Sn allen ^tunfttüerfen muß eg etnjoä mie Sörob geben, bamit eä t)er[d)iebene SBirfungen in il)nen geben !önne: tt)eld)e, unmittelbar unb o^ne ein foI^e§ geitmeiligeö 5ru§rut)en unb ^aufiren aufeinanberfolgenb, fdjnell erfd)öpfcn unb SSiberttjiHen mad^cn njürben, fo baß eine längere SJJalfjIjeit ber ^nift unmögtid^ n)ärc
99.
Sean ^aul. — Scan $aul tü\\[]k fc^r öicl aber f)atte feine 2Biffcnfd)aft, uerftanb fid^ auf allerlei 5tunft= griffe in ben Stünften, aber ijattc feine Slunft, fanb 6ei= nal)e 9^ic^tS ungenießbar, ober i^atk feinen ©efc^mad,
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Befa§ ©efiil)! unb Srnft, go§ aber, lüenn er baöon ju foften gab, eine lDiberIt(i)e X()ränenbrüf)e barüber, ja er {)atte 2Bi^, — aber leiber für feinen §ei§f)unger barnac^ btel §u trentg: tt)e§f)alb er ben Sefer gerabe burd) feine 2Bi|Iofig!eit gur SSerglDeiflung treibt Sm Jansen tüar er ha^ bunte ftar!ried;enbe Unfraut, loeIcE)e§ über ^a6)t ouf ben garten gruc^tfelbem (S^iEer'ö unb (55oet{)e'§ auffd)o§; er tnar ein bequemer guter 9)?enf(^, unb bod) ein Sßer^ängni§, — ein SSerpngniB im ©djiafrod.
100.
5Iud) ben ©egenfag 5U fd)meden tüiffen. — Um ein SSerl ber SSergangenljeit fo gu genießen, tok e§ feine geitgenoffen empfanben, mu§ man ben bamalö Ijerrfd^enben (SJefdjmad, gegen ben c§ ftc^ abl^ob, auf ber ^m^t ^abeiu
101.
25etngeift=5lutoren. — 9J^and)e (SdjriftfteHcr finb toeber (SJeift nod^ Söein, aber SSeingeift: fie fönnen in glammen geratt)en unb geben bann SSärme.
102.
^er 9}?ittlers©inn. — 2)er (Sinn bc§ (5Je[d)mad§, aU ber loal^re 9J2ittIer^©inn, l^at bie anberen (Sinne oft 5U feinen 5lnftd)ten ber ^tnge überrebet unb if^nen feine ©efege unb ©etoo^nljeiten eingegeben. 9}?an fann bei Srijd)e über bie feinften ©e^eimniffe ber fünfte ^luf* fd^lüffe er^^alten: man hcaä^tc, toa^ fdjmedt, »ann e§ fdjmedt, njonad^ unb ujie lange e§ fd^medt
71
103.
Scfling. — Seffing \)at eine äd^tfran^öfifclje STugcnb unb tft ü6erf)aitpt aU (5(i)riftfteIIet bei ben grangofen am fleigigften in bie @d^ule gegangen: er öerftef)! feine 2)inge im @d)aulaben gut ju orbnen unb aufguftellen. Df)ne biefc tDir!(id)e £unft mürben feine ©ebanfen, fo tüie beren ©egenftänbe, giemlic^ im S)un!el geblieben fein, unb o^ne bog bic allgemeine ©inbuge groß tüörc. kn feiner ^unft ^aben aber biele gelernt (namentlid^ bie legten Generationen beutfdjer ©elel)rtcn) unb Un5äl)Iigc fid^ erfreut, greilid^ Ratten jene Sernenben nid^t nötl)ig gehabt, toit fo oft gefc^ef)en ift, i^m aurf) feine unangenct)mc Xon^SD^anier, in it)rer TOfd^ung öon 3an!teufetei unb S3iebcr!eit, obgulemen. ~ Über ben „ß^rifer" Seffing ift man je^t einmütt)ig: über ben „T)ramatifer" toirb man e§ n)erben.
104.
Unertüünfd^te Sefer. — SSie quötcn ben STutor jene braöen ßefer mit ben bicflid^tcn ungefd^irften ©eelen, toeld^e immer, tt)enn fie tooran anftoßen, qvl6) umfallen unb fidE) jebe^mal \)abd treibe t^un!
105.
2)id^ter'®cbanfen. — 3)ie n)irfttdf)en ©cbanfcn gc^en hex loirüidjen ^id^tem alle Derfd)teiert einl)cr, toic bie ^gt)pticrinnen : nur \)a^ tiefe 5lugc bc§ (SJe« ban!cn§ blidt frei über ben (Sd)lcicr l)inlüeg. — ^id)ter« Gcbanfen finb im ^urdj[d)nitt nid^t fo tjiet njert^, als fie gelten: man bcjalilt eben für ben <Sd^lcicr unb bie eigene S^cugicrbc mit.
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106.
©c^retbt etnfarf) unb nü^Iti^. — Übergänge ^TuSfütirungen garbenfj^tele be§ 5lffe!t§, — 5IIIe§ ba§ (d)en!en tPtr bem Slutor, ttjeti h)ir bie§ mitbringen unb feinem S5ud)e gu (SJnte !ommen laffen, faEä er fclbcr uns ettoag 5U ©ute ttjut.
107.
SStelanb. — SStelanb l^at beffer qI§ trgenb jcmanb bentJcE) gefd^rieben unb babei fein red^te^ meifter(id|e§ (Genügen unb Ungenügen gehabt (feine Überlegungen bcr Briefe ©cero'g unb be§ Sudan finb bie beften beufd^en Überfe|ungen); ober feine ©ebanfen geben un§ tiid^tS mel^r gu benfen. SSir Vertragen feine f)eiteren ilJ^oralitäten ebenfo lüenig tüic feine l^eiteren Smmora* litäten: beibe ge!)ören fo gut gu einanber. ^ie SU^enfrfjen, bie an il^nen t^re greube l^atten, njaren bod^ ttjoljl im ©runbe beffere SO^enfd^en al§ n)ir, — aber aud^ um ein gut ^l^eil fdfjtoerfäHigere, benen ein folc^er (Scf)riftfteIIer eben notl^ tt^at — ©oetf)e tl)at ben ^eutfd)en nidf)t not§, bal^er fte aud^ öon i^m feinen ©ebraud^ ju mad^en tüiffen. SU?an fe^e ftc^ bie S3eften unferer (Staatsmänner unb 5lünftler barauft)in an: fie 5IIIe l^aben ©oetlje nid^t äum (Sräie^cr geljabt — nid^t l^aben fönncn.
108.
©eltene geftc. — körnige ©ebrängt^eit, Sfhi^e unb Sfieife — Jüo bu biefe (Sigenfdfjaften hü einem Slutor finbeft, ba mad^e §alt unb feiere ein langet geft mitten in ber Süfte: eä njirb bir lange nid)t njiebcr fo tüo^l lüerben.
— 73 —
109
^er ©(f)a^ ber bcutfc^en" ^rofa. — Söenu man öon ©oetl^e'S (Schriften abfieljt unb namentlid^ üon ©oet^e'S llntert)altungen mit ßcf ermann, bem Beften beutf(f)en S3u^e, ba§ e§ gtebt: lDa§ bleibt eigentlid^ öon ber beutfd)en ^rofa-Sitteratur übrig, ha^ e§ öerbiente, toieber unb tt)ieber gelefen ju ttjerben? Sid^tenberg'g 5(^()origmen, ha^ erfte Söud^ öon Sung-^tilling'S fiebenS* 9ef(i)id^te, 5(balbert (Stifter'^ Dlad^fommer unb (SJottfrieb 5l!eIIer'§ fieute öon ©elbn^^Ia, — unb bamit njirb t^ einfttüeiten am Gnbc fein.
110.
©d^rctbftil unb (S:prcd)fttL — S)ic 5tunft ^u f (^reiben öerlangt Dor OTem (5 rfa| mittel für bic ^Tuöbrucf^arten, tt)elc^e nur ber 9iiebenbe ^at: otfo für ©ebärbcn, ^Tccente, ^önc, 55ItdCc. ^e§f)alb ift ber (Sd)reib= ftil ein ganj anberer, a(§ ber (Sj3rerf)ftil, unb etiuaS toiet <S(^ii)ierigere§ : — er rtjiE mit SBenigerem fid^ ebenfo ücrftänblirf) madjen tt)ie jener. 2)emoftf}ene§ t)ie(t feine Sieben anberö aU \m fie lefen: er l)at fte gum (SJelefen* njerbcn erft überarbeitet. — ©cero'^^ $Keben foKten, jum g(eid)en Qtvtd^, erft bemoftljenifirt njcrben: ic^t ift Diel mel^r römifc^cä ^orum in if)ncn, alö ber Sefcr öcr» tragen !ann.
SSorfidjt im (Sitircn. — ^ie jungen ^Tutoren tüiffen nid)t, ba'^ ber gute ^hiöbrud, ber gute ©ebanfe ftd) nur unter <Seine3gIcid)en gut entnimmt , baß ein öor5ügIid)eö (Ixiat ganje (Seiten, ja baS ganac f&ix^
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benndjten !ann, htbem e§ ben Sefcr iramt unb i[)m gu^urufen fd)eint: „®teb ^tc^t, i(i) bin ber (Sbelftein unb rtng§ um mid^ ift SCet, b(ei^e§ fd)mä^tid)e§ S3IetI" Sebe§ Sßort, jeber (SJebanfe tviU nur in feiner ©efell* fd)aft leben: ba§ ift bie Woxal be§ Qcnjä^Itcn @ti(§.
112.
SSte foll man 3rrtt)ümer jagen? — 9D2an !ann ftreiten, ob e§ fd)äblid)er fei, ttjenn 3rrtl)ümer f^(ed)t gefagt tuerben ober fo gut njie bie beften SSaI)rf)eiten. (SJeitJi^ ift, ba§ fte im erftem gaH ouf boppelte Sßeifc bem ^opfe fd^aben unb fd^tüerer au§ iljm gu entfernen ftnb; aber frcili^ toirfen fie nid^t fo fi^er tt)ic im gtüeiten gaEe: fie finb ttjcniger anftedenb.
113.
Sefc^ränJen unb bergrö^ern. -^ §omer l^at ben Umfang bc§ (Stoffel befdjrän!t, öerfleinert, aber bie einzelnen ©ccncn auS fid^ toadifcn laffen unb öer« grögert — unb fo machen e§ fpäter bie Xragifer immer Don S^euem: jeber nimmt ben (Stoff in nod^ fl einer en ©tüden aU fein SSorgänger, jeber aber ergielt eine reid)ere SIütt)enfüIIe innerhalb biefer abgegrengten umfriebeten ®artent)eden.
114.
Sitteratur unb SO?oraIttat fid^ erflärenb. — 9J2an fann an ber gried)ifd)en fiitteratur geigen, burc^ tt)e(d)e ^öfte ber griec^if^e ®eift fic^ entfaltete, mie er in öerfc^iebcne iöa^^nen geriet]^ unb tporan er fd§n)ad^
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hjurbc. 5lIIe§ ta^ giebt ein S3ilb baöon ah, tute c§ im ©cunbc Qudfi mit ber gried^ifd^en ^oxalit'dt gugegangen ift unb tpic eg mit jeber 9J?ora(itöt 5ugef)en tüirb: irie fie erft S^^^Ö ^or, erft §arte geigte, bann onmäf)Ii(^ milber tüurbe, lüie enblid) Suft an gen)iffen §anb(ungen, an gen^iffen ©ontjentionen unb gormen entftanb, unb barauS lüieber ein §ang gur alleinigen Slu^übung, jum OTeinbcfi^ berfelben: tüie bie S3a^n ftd^ mit 'SQttU bemerbenben füllt unb überfüllt, mie Überföttigung eintritt, neue ©egenftänbe be§ Kampfes unb (S^rgeigeä aufgefurf)t, Veraltete in'g Seben erttjerft tüerben, tt)ie ha^ ©d^aufpiel fid^ tüieber^olt unb hk 2vi\dja}m be§ 3ufd^auen§ überljau))t mübe toerben, toeil nun ber
gange ^ei§ burdjlaufen fdjcint unb bann fommt
ein (Stillefte^en, ein 5lu§atl)men: bie S3äc§e Verlieren fid^ im ©anbe. (£3 ift ba^ (£nbe ha, trenigftenS ein (5nbe.
115.
Söelc^e ©egenben baucrnb erfreuen. — ^icfc (SJcgenb Ijat bebcutenbe 3^9^ 3^1 einem ©emälbe, aber irf) fann bie gormel für fie nidjt finben, al§ langes bleibt fie mir unfaßbar. 3d^ bemerfe, ha^ oKe Sanb* fcl)aftcn, bie mir bauemb gufagen, unter aller 9J?annic^=» faltigfeit ein einfacl)e§ geomctrifd)cg fiinicn := ©d^ema i)aben. D^ne ein foldjcS mat^ematifd^eS <Subftrat tüirb feine ©cgcnb etmaö fünftlerifd^ := ©rfreucnbeä. Unb 'oicU leidE)t geftattct biefe Siegel eine gleid^ni6l)afte Slnn^enbung ouf ben 9J2entd;en.
116.
SSortefen. — SSorlefcn fönnen fe^t öorau8, baß mnn t)ortragen fönne; man f^at übcrafi blaffe g-arben
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anjulüenben, aber bie ®rabe bcr ^^lä)lc m genauen Proportionen ju bem immer t)orfd^n)ebenben unb biri= girenben, öoß nnb tief gefärbten ©runbgemälbe, ha^ l^eigt na^ bem S8 ortrage berfelben Partie gu beftimmen. 5l(fo mug man bieje§ legteren mächtig fein.
117.
^er bramatifd^c (Sinn. — 2Ber bie feineren öier ©inne ber ^unft nid^t l)ot, fudjt 5IIIe§ mit bem gröbften, bem fünften gu üerftef)en: bte§ ift ber bramatifd^e ©inn.
118.
§ erb er. — §erber ift 5tIIe§ \)a§' nid)t, \va^ er öon \x^ toäljum mai^te (unb felber §u n)öt)nen tt)ünf d)te): fein großer Genfer unb (Srfinber, fein neuer treibenber grud^tboben mit einer urtt)albfrifd)en unau^genugten Straft. 5lber er befa§ in f)öd^ftem Tlaa^t ben ©inn ber Sßitterung, er faf) unb pflücfte bie (£rft(inge ber Saf)re§5eit früljer al§ alle 5lnberen, tt)e(c^e bann glauben fonnten, er l^abe fie tt)ad^fen (äffen: fein ®eift mar jmifdien gellem unb ^unfiem, ^Utem unb Sungem unb überall bort mie ein Säger auf ber Sauer, mo e§ Übergänge, (Senfungen, (Srfc^ütterungen, bie ^Ingeid^en inneren OueUen^ unb 2Berben§ gab: bie Unrul^e beö grül^lingö trieb i^n uml;er, aber er felber mar ber grü^ling nii^t! — S)a§ al)nte er mol^l ju ä^i^^i^f ^^^ moEte e§ bo^ fidler felber nid^t glauben, er, ber e^rgeijige ^riefter, ber fo gern ber (5Jeifter5^;ßa|)ft feiner Qdt gemefen märel ^ie§ ift fein Seiben: er fcl)eint lange ai^ ^rätenbent mel^rerer Slönigtpmer, ja cineö Uni* terfalreid^e^ gelebt gu ^abcn unb ^attt feinen 5lnl)ang,
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lüeld^er Qtt itjtt gtauliite: ber junge (SJoet^e tüar unter if)m. 5I6er überaK, hjo gule^t touen tötrüi^ öergeBen iDurbeu, gteug er leer au§: ^ant, ©oet^e, fobaun bie tt)ir!üd^en crften beut{d;en §iftorifer unb ^()ilo^ logen nat)men ii)m lüeg, njaö er fid^ üorbe^alten U)äf)nte, — oft aber aucf) im ©tiUften unb ©e^eimften ni^t toö^nte. (SJerabe njenn er an ftd^ snjeifelte, loarf er fic^ gern bie SBürbe unb bie S3egeifterung um: bieä njaren bei i^m aUgu oft ©eltjönber, bie t)ie( Verbergen, il)n felber töufdjen unb tröften mußten. (Sr ^atte tt)ir!Iitf) SBegeifterung unb geuer, aber fein ©t)rgeij toar Diel größer! SDiefer blie§ ungcbulbig in ha^ geuer, ha^ e§ flatferte fnifterte unb rauchte — fein ©til ftadert, fniftert unb raud^t — aber er loünfrfite bie große giamme, unb bie[e brad) nie ^eröor! @r faß nid^t an ber Xafet ber eigentlich ©d^affenben: unb fein ®^rgei§ ließ ni(i)t gu, ha'^ er fid^ befdC)eiben unter bie eigentlid^ ©enießenben fegte. (So mar er ein unru(}iger ©aft, ber ^orfofter aller geiftigen ©erid^te, bie fid) bie 2)eutfd)cn in einem t)alben Sa^rt)unbert au§ allen Sßelt=: unb Seitreidf)ett 5ufamment)olten. 9^ic mirflid^ fatt unb fro^, mar §erber überbieg aEjuIjäufig franf: ba fegte fid^ bi^toeilen ber S^eib an fein ^^tt, au^ bie ^eud)elei madjte i^ren Söefud^. @tmaö SBunbeS unb Unfreie^ blieb an it)m I;aften: unb mef)r als irgenb einem unferer fogcnannten „^laffifer" ge^^t i^m bie einfältige madere SD^annt)aftig!eit ah.
119.
©erud) ber SSorte. — Sebeö SSort f)at feinen ©crud^: eS giebt eine §armonie unb ^iöljarmonie ber ©erüc^e unb atfo ber SBorte.
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120.
^er gefugte (Stil. — S)er gefunbene ©til ift eine Seleibigung für ben greunb be^ gefuditen ©tilS.
121.
(^elöbniß. — Sc^ tDiII feinen 5Iutot me^r lejen, bem man anmerft, er tüoUte ein SBud^ mad^en: fonbern nur jene, bcren ©ebanfen unöerfef)en§ ein S3uc§ Ujurben.
122.
S)te !ünft(erifd)e Sonbentton. — ^reiöiertel §omer ift (Sonöention; unb ä^nliiS) ftef)t e§ bei aUen gried^ifc^en ^nftlern, bie ju ber mobemen DriginQlität§:= lüut^ feinen ©mnb Ratten. (£^ fel)Ite i^nen aKe 5Ingft t)or ber (Sonüention; burc(| biefe l^iengen fie ja mit il^rem ^ublifum gufammen. ©onUentionen finb nümliif) bie für ta^ SSerftänbnig ber gn^örer eroberten tonftmittel, bie mü^öoK erlernte gemeinfame <Bpxad)e, mit lt)eld)er ber ^ünftler fid^ tmrflid^ mi tt!^ eilen fann. 3^^^^ njenn er, toie ber griec^ifc^e ^idjter unb SJJufifer, mit jebem feiner Slunftlperfe fofort fiegen tviU — ha er öffentlich mit einem ober giüeien 9^eben5uf)(em ju ringen geiröt)nt ift — , fo ift bie erfte S3ebingung, \)q% er fofort aud) öerftanben toerbe: toa^ aber nur burd^ bie Sont)ention möglidE) ift. ^a§, \va^ ber ^nfiler über bie (SonUention ^inauS erfinbet, \>a^ giebt er auö freien ©tücfen barauf unb Ujagt babei fid^ felber baran, im beften gall mit bem Erfolge, ba§ er eim neue (Sonöcntion fc^afft. gür gen)öt)n(id^ iDirb ha^ Originale angeftaunt, mitunter fogar angebetet, aber feiten öer* ftanben; ber (S^onöention ^artnödfig au^tueidien f)n^t:
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nt^t berftonbctt toerbeit iooEen. SSorauf njeift alfo bic moberne DrtgtnalitätStDutl^ l^in?
123.
5(ffeftatton ber SSif jenf^afttic^fett Sei Äünftlern. — ©d^tUer glaubte, gleid^ anbeten beutfd^en £ün[t(em, tuenn man (SJeift l^abe, bürfe man über allerlei fd)tüierige (SJegenftänbe aud^ tDof)t mit ber gebet im<)roöt{iren. Unb nun ftel^en feine ^rofa^Sluffäge ba — in jeber S3e§ie^ung ein 3J?ufter, irie man njiffen^ fc^aftlidje gragen ber 5Ieft^etif unb Tloxal nirf)t angreifen bürfe — unb eine QJefa^r für junge Sefer, meldte, in if)rer S9etüunberung be§ 2)i(f)ter§ ©exilier nid^t ben 3J?ut^ ^oben, bom S)enler unb ©d^riftfteller (Sd^iüer gering ju ben!en. — ^ie SSerfud^ung, toeldje ben S!ünftler fo Ieirf)t unb fo bcgreifli^ertreifc befällt, oud^ einmal über bie gerabe i^m Verbotene Sßiefe §u get)en unb in ber SBiffenfd^aft ein Sßort mitgu« fpre^en — ber Stüc^tigfte nämlid) finbet geitujeilig fein ^anbtDerf unb feine 2öer!ftätte unaugftel)Iid^ — , biefe SSerfud^ung bringt ben Äünftler fo meit, aller SBelt ju geigen, toa^ fie gar md)t ju fef)en hxanfi)t, nämlid^ ha^ e§ in feinem 2)enf5immerrf)en eng unb unorbentlid^ auSfieljt — njarum aud^ nidC)t? er n)ot)nt ja nid^t barin I — , bag bie SSorrat{)§fpeirf)er feinet SBiffenä t^eiB leer, tl^eilö mit 5lrim§framö gefüllt finb — loarum aud^ nid^t? eS ftel)t bieä fogar im ©runbe bem Slünftler^^nbe nid^t übel an — , namentlidl) aber, ba§ fclbft für bie Icid^teften §anbgriffe ber n3iffen)d)aftlid)cn SJ^et^obe, bie felbft Slnfängern geläufig finb, feine ©elenfe ju ungeübt unb fd^ttjerfäUig finb — unb aud^ bcffen braudtjt er fid^ tDa^rlic^ nid^t ju fdC)ämen! — dagegen entfaltet er
— 80 —
oftmals leirtc geringe Äunft barin, oHe bte getjler Unarten unb fdjle^ten ©ele^itentiaftigfeiten, tok fie in ber it)tffenf(f)aftlt(!^en Snn^t öorfontmen, nai^pal^men, im ©lanben, hk^ eben gel^öre, tcenn nid^t ^ur @ad)e, fo bod) gum ©c^ein ber <Ba6)t; unb bie§ gerabe ift ba^ Suftige an foldien ^ünftler=@d)riften, bag l^ier ber ^ünftler, oljne e§ gu iüoUen, bocf) tf)ut, toa^ feinet 5Imte§ ift: bie tt)iffenfd^aftlid)cn unb unfünftlerifd^en Staturen §u- ^arobiren. ©ine anbere Stellung §ur SSiffenfd^aft oI§ bie parobifc^e foHte er nämlirf) nic^t l^aben, fotüeit er eben ber ^ünftler unb nur ber Änftler ift.
124.
©ie gauft^Sbee. — ©ine fleine 9^äl)tcrin iuirb berfü^rt unb unglüdlid) gemadjt; ein groger (5JeIeI)rter aller Oier gaMtäten ift ber Übelt^äter. ®a§ fann bod^ nic^t mit redeten fingen zugegangen fein? 9^ein, getoig nidjt! Df)ne bie S3eiplfe be§ leibl^afägen Teufels f)ätte eg ber groge ©ele^rte ni(^t gu <Btant)t gebrad^t. — (Sollte bie§ tüirHid^ ber größte beutfd^e „tragifc^e ©ebanfe" fein, toie man unter ^eutfc^en fagen {)ört? — gür ©oettje n)ar aber aud[) biefer ©ebanfe nodt) gu f ür^terlidE) ; fein milbe§ ^erg fpnnte nic^t umt)in, hk ücine 9^äf)terin, „bie gute @eele, bie nur einmal fid^ öergeffen", nad^ tt)rem unfreittjiKigen Stöbe in bie 9^Q^e ber ^eiligen §u berfe^en; \a felbft ben großen @elet)rten braiJ)te er, burd^ einen ^offen, ber bem Xeufet im entfc^eibenben 5lugenb(id gefpielt tt)irb, nod^ §ur red)ten Seit in ben §immet, if)n „ben guten 9JZenfd[jen" mit bem „bunüen S)range": — bort im §immel finben fid^ bk Siebenben toieber. — ©oettje fagt einmal, für ba^ eigentlid^ Xragifd^e fei feine Statur ju conciliant genjefen.
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125.
@iebt CS „beutfd)e eiafjtfer"? — (Sainte-^öeubc Bemerft einmal, bog §u ber 5lrt einiger Sitteraturen baS SBort „ßlaffifer" burd^auS mdjt üingen tt)oIIe: lüer tt)erbe jum Seifpiet fo leicht öon „beutfd^en (Slaffifem" reben! — SBaS jagen unfre beutfiJien ^urf)t)änbler baju, toetc^e auf bem SSegc ftnb, bie fünfzig beutfd^en Stoff if er, an bie n)ir frf)on glauben foEen, nod^ um lueitere fünfzig gu t)ermet)ren? ©c^eint e§ boc§ faft, al§ ob man eben nur 30 Saf)re lang tobt gu fein unb alä erlaubte S3eute öffentüd^ baguliegen brauche, um unt)erfet)en§ <)Iö^lid^ at§ Slaffifer bie trompete ber 2luferftef)ung gu ^ören! Unb bie§ in einer Qeit unb unter einem SSoIfe, h)o felbft öon ben fed^§ grogen ©tammöätem ber Sitteratur fünf ungtreibeutig öeralten ober üeraltet finb, — ol^ne ha^ biefe Q^it unb biefeS ißolf fid^ gerabe beffen gu fd)ämen l^ätten! SDenn jene finb öor ben ©tärfen biefer Qtit gurürfgetüid^en — man überlege c§ ficf) nur mit aller SiHigfeit! — SSon ©oet^e, toie an* gebeutet, fet)e irf) ah, er get)ört in eine l)ö^ere Gattung Don fiitteraturen, a(§ „ Station al^Sitteraturen'' finb: beö()alb fteljt er aud) gu feiner Station ttjeber im Sßerl;ältnig beöfiebenö, noc^ beö 9^eufein§, nod) be§ SSerattenS. 9^ur für 2Benige ^at er gelebt unb lebt er nod^: für bie SJ'Jeiften ift er nid)tg als eine ganfare ber (Sitelfeit, loeli^e man öon 3cit gu 3eit über bie bcutfd^e ©renge I)inüberbläft. ®oet()e, nidjt nur ein guter unb groger 93^enfc^, fonbem eine Kultur, ©oetl^e ift in ber ©cfd)ic^te ber S)eutfd)en ein 3^^ifd)enfan of)ne f^o^gen: tt)er ujöre im ©taube, in ber beutfc^cn ^oliti! ber lejjten 70 3at)re gum öeifpiel ein ©tücf ©oetlje aufgugeigenl (tt)ät)renb jebenfallä barin ein ©tüd ©c^iHer, unb öielleic^t fogar ein (Stüdc^en
9Ue^f(^«0 SBerre. ftlaff.^Vueg. lY. 6
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Scfftttg t^ätig geiüefen tft). 5I6er jene anbern günf! ^Io|)ftod veraltete fd^on 6ei Seb^eiten auf eine fet)t e^rtüürbige SBeife; unb \o grünbltd^, bog ba§ nad)* benfIid)eS5ud) feiner f^jäterenSa^re, bie (55ele^rtem9fiepu6li!, , iüol^I bi^ heutigen Xag t)on S^iemanbem emft genommen lüorben ift. §erber i)aüe ha^ Unglücf, \>a^ feine (Sd^riften immer enttpeber neu ober öeraüet lüaren; für bie feineren unb ftär!eren ^ö]3fe (tüie für £id)ten6erg) roar jum Seifpiel felBft §erber'g ^au^tlDer!, feine Sbeen gur ©efd^id^te ber SOienfd^^eit, fofort beim (£rfc§einen ettooS Sßeralteteg. SBielanb, ber reid^Iid) gelebt unb ju leben gegeben ^at, lam a(§ ein ftuger Susann bem (Sd)tüinben feinet ©influffeS burd^ ben ^ob guüor. fieffittg lebt öieüeidit l^eute nod^, — ober unter jungen unb immer jüngeren ©ete^rten! Unb (Schiller ift je^t au§ ben §änben ber Sünglinge in bie ber Knaben, aller beutfd^en ^aben geratl^en! @§ ift ja eine befannte| 5lrt beö SSeralten^, ba^ ein Sud^ gu immer unreiferen I Sebenöaltern l)inabftcigt. — Unb toa^ Ijat biefe günf äurücfgebrängt, fo ha^ gut unterrid^tete unb arbeitfame SJ^änner fte nidi)t mel^r lefen? ^er beffere (Skfd^madt ta^ beffere SBiffen, bie beffere 5ld^tung t)or bem SBa^ren unb Sßirflid^en: alfo lauter Xugenben, tt)eld^e gerabe burd^ jene günf (unb bur^ §e^n unb gtuangig 5lnbere njeniger lauten S^amcn§) erft ioieber in ^eutfd)lant angepflanzt toorben finb, unb h)eldl)e je|t al§ i)o^e\ SBalb über if)ren Arabern neben bem k)ä)aütn bei (Sl)rfurdl)t aud^ ettoaS t)om <Sdl|atten ber SSergeffen^eii breiten. — 5lber Slaffüer finb ni^t ^In^jflanjei t)on intclle!tuellen unb litterarifd^en Xugenben, fonben SSollenber unb l)ödl)fte Sid^tfpigen berfelben, toeld^< über ben SSölfern fte^en bleiben, luenn biefe felber gi ©runbe gelten: benn fie finb leidster, freier, reiner al§ fie
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£§ tft ein I)ot)cr guftant) ber SD?cnf^I;eit tnögltd^, tüo )a§ Europa ber SSöÜer eine bun!Ie SSergeffen^eit ift, DO (Suropa aber nod§ in breigig fel^r attcn, nie ber^ leiteten Söüd^em lebt: in ben ßlaffüern.
126.
Sntcreffant, aber nidjt fd^ön. — ^tefc (55cgenb jerbirgt i{)ren (Sinn, aber fie l^at einen, ben manerrat^en nöd^te: tt)of)in x6^ fel)e, lefe id) SBorte unb Sßinfe ju EBorten, aber id| ireig nid^t, lüo ber ©a^ beginnt, ber )aä 9?ätf)fel aUer biefer- 2Bin!e töft, unb iperbe jum Benbef)aIS barüber, ju untcrfu^en, ob öon f)ier ober )on bort auö ju lefen ift.
127.
©egen bic ©prad)=9^euerer. — Sn ber (Sprad^e
leuem ober altertpntetn , ba^ (Seltene unb grembartige
or^icfien, auf S^ieid^t^um beS SBortfdfja^eä \iatt auf
3ejd)rän!nng tradE)ten, ift immer ein B^ic^ic" ^^^ "«*
creiften ober öerberbten ®efc^madE§. ©ine cbele 5Irmut,
Der innert)alb be§ unfd^cinbaren öefi^eö eine meifterlid)e
jreit)eit jeidinet bie gricd)i[d;en 5lünft(er ber SRebe au§:
tie tüollen loeniger f)aben, alö ha^ SSotf f|at — benn
icjc^j ift am reidjftcn in 5Iltcm unb Steuern — aber fie
^)oIIen bie^ SSenige beffer l^aben. SD^an ift fdjueU mit
em 5luf5äf)Ien it^rer §(rd)aiömen unb grembartigfeiten
:rtig, aber !ommt nid)t ju ®nbe im Setuunbem, Ujenn
lan für bie leidjte unb jarte 5trt it)re§ SSerfet)r^ mit
cm 5llltäglic§en unb fd)einbar längft SSerbraud^ten in
le- Sorten unb SBenbungen ein guteS ?(uge ^at
84
128
^te traurigen unb bic ernften Tutoren. — 2Ber gu ^a^ier bringt, tt)a§ er leibet, lüirb ein trauriger 5lutor: ober ein ernfter, lücnn er unä fagt, tua§ er litt unb n)e§t)alb er je^t in ber greube au^ru^t.
129.
(SJefunbl^eit be§ (^cfc[jmac!a. — Sie fommt e§, ha'^ bie ©ejunbljciten nirfjt fo anftccfcnb finb tvk bie ilranf^eitcn — überhaupt, unb nantenttid^ im (5iefd)mad? Ober giebt e§ (Spibemien ber ^ejunbtjeit? —
130.
SSorfa^. — ^cin S3ud^ me^r lefen, ha^ ju gleid)er 3eit geboren unb (mit ^inte) getauft lüurbe.
131.
2)en ©ebanfen t erb cf fern. — ^en ©til öer beffern — ha^ i)d^t ben ©ebanfen öerbeffem, unb ga 9^id)t§ ipeiterl — SSer bie^ nid)t fofort jugiebt, and) nie baüon ju überzeugen.
132.
Glaffifd^e Söüdjer. — S)ie fd)n)äd)fte «Seite jcbc claffifd^en ^ud}e§ ift bie, bog e§ ^u fef)r in ber SO^uttei fprac^e feinet 5Iutorg gefdjrieben ift
85
133.
(Sd)(ed)tc Sucher. — S)a§ f&n6) foll nad) gebet Xinte unb (Sd^retbtifc^ öertangen: aber getpö^nlid^ Der^ langen gebet ^inte unb ©d)reibtifc^ nac^ bem S3ud^e. ■öeöljalb ift e§ je^t fo tnenig mit SBud^ern.
134.
©tnne^gegenmart. — 5Da§ ^ubltfitm totrb, toenn c§ über ©emälbe nadjbenft, babei gum ^td^ter, unb loenn cö über ®ebid)te na^benft, jum ^orfc^er. Sni Slugen* bitrf, ba ber 5lünftler eö anruft, fe^tt e§ i^m immer am rechten ©inu, nid^t alfo an ber ©eifteS-, fonbern an ber (Sinnet gegentDart
135.
(S5etüä{)Itc ©ebanfen. — 2)cr getüö^lte (Stil einer bebeutenben Qext tüäijlt nid)t nur bie SBortc, jonbem auc§ bie (SJebanfen au^, — unb gtoar bcibe au§ bem Übüd)en unb §errf d)enben: bie getoagten unb aHjufrijd) ried)enbcn ©cbanfen finb bem reiferen ©c* ifc^mad nid)t minber 5Urt)iber atä bie neuen tollfül^neit 93i(ber unb ?tu§brüde. «Später rie^t beibeä — ber gen^ä^lte ^ebanfe unb baö gelüäfjtte SSort — leidet nac^ iTOttelmä§ig!eit, »eil ber ®crud^ be^ ®etüäf)(tcn fid^ jd)nell öerflüd)ttgt unb bann nur nod^ bag ÜblidjC unb '.Hiltäglidjc baran gefc^merft tuirb. !
136.
^auptgrunb ber Ißcrberbniß bcS ©ttt§. — '-l)tc{)r Gmpfinbung für eine (Sac^c ä ei gen ttJoKen, al^
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man tütrfl^ l)at, Derbtrbt bcn ©til, in ber ©pra^c unb in ollen ^nften. SSielme^r ^at alle große ^nft bic umgefe^rte Steigung: fte liebt e§, gleid) jebem fittlid^ bebeutenben ^D^enjdien, ia^ ©efü^l auf feinem SBege anjul^alten unb nid^t gan§ an'§ @nbe laufen gu taffen. S)iefe ©d^am ber l^alben ® efü^I§ ^ (Sid)tbar!eit ift gum SSeifpiel hd ©opt)o!le§ auf ha^ ©d^önfte ju beobachten; unb e§ frfieint bie ßüge ber (Smpfinbung ju öerflären, tt)enn biefc fid^ felber nüd)terner giebt, alö fie ift.
137.
3ur (Sntfd)u(bigung ber fd^merfälligcn ©tiltften. — 5Da§ Seid^t^®efagte fällt feiten fo fd^met in'§ ®e()ör, a(§ bie (Sad§e toirüid) toiegt — ba§ liegt aber an ben fd)Ied^t gefd)ulten O^ren, meldfje au§ ber Sr= 5tel)ung burd) ^a§, tt)a§ man bi§l)er äJ^ufif nannte, in bie ©d^ule ber pl;eren Slon!unft, ha^ l^ei^t ber Stiebe, übergef)en muffen.
138.
SSogelperfpeftiüe. — §ier ftürjcn SBilblüaffct bon me{)reren (Seiten einem ©d^lunbe ju: i^re Semegung ift fo ftürmifd^ unb reißt ha^ 5(uge fo mit fid^ fort, ha^ hk fat)(en unb beloatbeten ®ebirg§l()ange ringsum nid^l abgufinfen, fonbern toie l)inab5uflief)en fd^einen. 9Jian mirb beim ^(nblid angftöoH gefpannt, a(§ ob titoa^ geinbfeligeä I)inter ^IKebem Verborgen liege, öor bem Wc^ PüdEjten muffe, unb gegen baö un§ ber SIbgrunt (Sd^u| t)erlief)e. ^iefe ©egenb ift gamid^t gu malen c§ fei benn, ha^ man toie ein S8ogel in ber freien Sufi über t!)r fc^loebe. §ier ift einmal bie fogenannte S3oge^ ^)erfpeftiöe nid£)t eine fünftlerifc^e SßiCüür, fonbern t>X{ einjigc SD^öglid)feit.
87 -
139.
©ctoagtc SSergleicIjungen. — SBenn btc gc* tüagten SScrgleic^ungen m(|t öetreife öom 9J?utf)tt)iIIen be§ (Sd)riftfteIIer§ finb, fo finb fie Setüeife feiner er= mübeten $I)antafte. Sn jebem galle aber finb fie S3etoeife feines fd)Ierf)ten ©efd^macfeS.
140.
3n 5letten langen. — S3ei jebem gried^ifd^en 5^nftler, ^ic^ter unb (Sd)riftfteIIer ift §u fragen: niel^eä ift ber neue 3^ong, ben er fid) auferlegt unb ben er feinen 3^^^9^"offen reigtJoU mad^t (fobag er 9^acf)= afjmer finbet)? ^enn ujaö man„(£rfinbung" (im 2)?etrifc^en jum S3eifpiel) nennt, ift immer eine fold^e felbftgelcgte geffet. „Sn Anetten taugen", eS fid) fd)n)er mad^eu unb bann bie ^äufd^ung ber Seid^tigfeit barüber breiten, — ba§ ift baS toftftüd, Ujeld^eS fie unä jeigen iDoHen. ©d)on bei §omer ift eine gulle t)on tjererbten gormein unb epifi^en (£r5ät)Iung§gefe^en tt)af)räunet)men, innere l^alb bereu er taugen mugte: unb er f eiber f^uf neue Konventionen für bie Äommenben I)ingu. 2)ie$ toar bie (SrgieI)uug§5(Sd)uIe ber gried^ifc^en 2)id)ter: guerft alfo einen vielfältigen S>^(m^ fid^ auferlegen laffcn, burd^ bie frül)eren ^id)ter; fobann einen neuen 3^o"9 ^^h^- crfinben, i^n fid^ auferlegen unb il)n anmutl)ig befiegen: fo \iQ% 3^ö"9 ""^ ®i^9 bemerft unb bemunbert ttjerben.
141.
gülle ber 5lutoren. — ^aS Se^te, ttjaS ein guter 5lutor befommt, ift gülle; ttjer fie mitbringt, loirb nie
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ein guter 5tutor loerben. ®te ebelften S^ientttjferbe ftitb mager, big fie öon i^ren (Siegen auöru^en bürfeit
142.
^eud^enbe gelben. — ^id^ter unb ^ünftter, bie an (Sngbrüftigf eit be§ ©efü^IS leiben, laffen i()re gelben am mei[ten feueren: fie öerfte^en firf) auf ba§ leidste 5ltf)men nid)t
143.
©er §aIb*S5Itnbe. — S)er §at6^S5ünbe ift ber ^obfctnb aller 5lutoren, tneli^e firf) gel}en laffen. ©iefe füllten feinen Sngrimm fennen, mit bem er ein fSn^ im- jc^lägt, au§ njelc^em er merft, 'üo!^ fein SSerfaffer fünfzig (Seiten braudjt, um fünf ©cbanfen mit^ut^eilen: jenen Sngrimm barüber, ben 9f?eft feiner 5lugen faft o^ne ©ntgelt in ®efal)r gebrad^t gu l^aben. — ©in §alb- S3linber fagte: alte 5lutoren l^aben fid^ ge^en laffen. — „m6) ber ^eilige ©eift?" — 5lu^ ber l)eilige ©eift 5rber ber burfte c§; er fc^rieb für bie ©anä^^linben.
144.
©er @ttl ber Unfterblicl)fett. — X{)uft)bibeS fott)o:^l tüie ^acitu§ — beibe fiaben beim 5lu§arbeiten il)rer Sßerfe an eine unfterblid^e ©auer berfelben gebadet: bic§ tüürbe, lüenn man cS fonft nid^t lüü§te, fd^on au§ ibrem ©tile §u errat^en fein, ©er (Sine glaubte feinen ©cbanfen burd^ ©infalsen, ber 5lnbrc burd^ ©infodficn ©aucr()aftigfeit gu geben; unb S3cibe, fdjcint e^, ^aben fiel) nicl)t uerred)net
89 -
145.
©egeit Silber unb ©leic^niffe. — mit 53ilbem unb (SJIeid^niffen üBeräeugt man, aber Betüeift tticftt. ^e§f)a(6 \)at man inner()a(6 ber SBiffenfd^aft eine foli^e (Bä)m Dor S3ilbem unb ©leid^niffen; man njiti i^ier gerabe \)a^ Über^eugenbe, \)a^ ®laubIid§*9J?a^enbe nid^t unb forbert toielme^r ba§ fältefte 9}?t6trauen aud^ fd^on burd^ bte 5(u§brudE§tT3eife unb bie IoI)len SBänbe ^erau^r lüeil \ia^ 9J2igtrauen ber $rüfftein für \)a^ ©olb ber ^emife^ f)eit ift.
146.
5SorficI)t. — SSem e^ on grünblid^em SBiffen ge6ric[)t, ber mag fid) in 2)eutfd)(anb \a f)üten, ju fd^reiben. SDenn ber gute 2)eutfd^e fagt ha nid^t: „er ift untDiffenb", fonbern: „er ift Don 5tüeifetf)aftcm (^^axattti", — jDiefer übereilte (Sd)Iu§ madjt übrigens ben ©cutfd^cn aKe ©fjrc.
147.
33 em alte (SJerippe. — S3cmattc ©eri^pe: ba^ finb jene 3lutoren, lt)etd)c ^aS, toai il^nen an gteifd^ abgeljt, burd^ fünftlid^e garben erfe^en möchten.
148.
'I)er großartige ©til unb baS §öt)erc. — SJ^an lernt cö fdjnellcr großartig fd)rcibcn, aU leicht unb fd)(id)t fd)rciben. S)ie ©rünbe baoon verlieren fi^ in'g 2J?oraIiid]e.
— 90 —
149.
©ebafttan ^aä). — (Sofern man Sac^'§ 9J^ufi! nid^t aU boUfommcner unb getot^tgter Kenner be§ ß^ontr(ipun!te§ unb aller Wirten be§ fugirten ©tile§ l^ört, unb bemgemä§ be§ etgentücijen artiftifd^en ®enuffe§ entrat^en mug, tDtrb e§ un§ al§ §örern feiner SJZufi! gu Wnti)t fein (um un§ granbio^ mit (SJoetf)e au§§ubrücEen), al§ ob toir babei toären, toie (SJott bie 2Se(t fd^uf. ^a§ I)ei§t: loir füllen, ha^ J)icr ettoaS ©roge§ im Sßerbe« ift, aber no(^ nidjt ift: unfere große mobeme SJ^ufif. (Sie f)ai fc^on bie SSelt übern)unben, baburd^ bag fte hk ^rd^e, bie ^Nationalitäten unb ben Sontrapuntt übertoanb. Sn ^a^ ift nodl) gu öiel crube S^riftlid^feit, crubeS ®eutfc^tl)um, crube ^d^olaftif; er ftcl)t an ber ©d^toeHe ber euro)3äifd^en (mobernen) SONufif, aber fd^aut fid^ Don l^ier nad^ bem SOWttelalter um.
150.
§änbeL — §anbel, im ©rfinben feiner 9Jhifif Iul)n, neuerunggfüd^tig, loalirl^aft, gelü altig, bem .geroifd^en gugeiüanbt unb bertoanbt, beffen ein 33 ol! fällig ift, — tourbe bei ber 5Iu^arbeitung oft befangen unb !alt, \a an ftd) felber mübe; ha toenbete er einige erprobte 3J?etf|oben ber ^urd)fül)rung an, fd^rieb fd^nell unb öiel unb tüQX ^of), trenn er fertig mar, — aber nid^t in ber 5lrt frol^, mie e^ ©Ott unb anbere ©d^öpfer am 5(benbc il)re§ SSer!tag§ gemefen finb.
151.
§a^bn. — (Someit ftd^ (^enialitöt mit einem fd^Ied^t- ^in guten SD^enf^en terbinben fann, ^at §at)bn fie
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gehabt (5r gef)! gerabe Bt§ an bic ©rettgc, tocld^e bic 9J?oraIität bem SnteKeft giel^t; er macfjt lauter SD'hifif, bie „feine SSergangenljeit" §at.
152.
©eet^oöen unb Tlo^axt — S3eet^oöen'§ 2)?uftf erjd^eint f)äuftg tüte eine tiefbelüegte Söetrac^tung beim unerttjarteten 2öieber!^ören eine^ längft öerloren geglaubten (BtMc^ „Unf^ulb in Xönen": e§ i[t 9}?ufif überäJ^ufü. Snt Siebe ber Settier unb ^nber auf ber ©äffe, hd ben eintönigen Sßeifen tüanbernber Statiäner, beim ^anje in ber SDorffd^enfe ober in ben 9^äcf)ten be§ (SarneöalS, — ta entberft er feine „9J?e(obien": er trägt fie luie eine S3iene jufammen, inbem er balb I)ier hcilb bort einen Saut, eine !ur5e golge er^afd)t. (S§ finb itjm oerKärte Erinnerungen au^ ber „befferen SBelt": äl^nlic^ lote ^(ato e^ fic§ oon ben 3been ha6)k. — SJ^o^art fte^t gan^ anberS ju feinen SKelobien: er finbet feine Sn* fpirationcn nid)t beim §ören oon SJJufif, fonbem im <k>d)avLtn beö Sebenö, be§ bettjegteften füblänbifdjen SebenS: er träumte immer oon Stallen, toenn er nidjt bort mar.
153.
9iccitatiö. — ®I)cmalö mar ha^ JRecitatib trorfcn; je^t leben mir in ber 3cit beS naffen 9^ecitatio§: e§ ift in'ö SBaffer gefallen, unb bic SSeUen reiben ci^, mol)in fie moHen.
154.
„Weitere" SKufif. — ^at mau lange bic 93?ufif entbcl;rt, fo gel)t fie nacljl)er mie ein fcl}mcrer ©übmciu
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an^ufd^ttcK ttt'ö S3lut unb l^interlä^t eine narfotifc^ Betäubte f)aI6lt)ad^e fdilaf^fel^njürfittge @ee(e; rtatnentüc^ tl^ut bie§ gerabe bie 1^ eitere 9)?ufi!, ttjeld^e jufammeu S3itter!eit unb SSertüunbung , Ü6erbru6 unb §eimn)ef) giebt unb 5I(Ie§ toie in einem öer^ucterten ©iftgetrön! U)icber unb trieber gu }d)Iürfcn nöt^igt. ^abei fcf)eint ber ©aal ber f)eiter raufdienbcn greube ftd) ju öer^ engern, ba§ Sic^t an ^elle gu üerlicren unb bräuner gu tüerben: gule^t ift e§ einem ^u SJ^ut^e, oI§ ob bie 9J?ufif toie in ein ©efängnig ^ineinüinge, tüo ein armer 9J?en{^ t)or ^eimrtjet) nitfjt fc^Iafen fann.
155.
gran5©d)ubert — g'^anj ©cljubert, ein geringerer 5lrtift als bie anbem großen SJ^ufifer, )^atk bod) öon 5IIIen ben größten (Srbreic^tl^um an SJ^ufif. (£r öer* fd^njenbete i^n mit öoEer §anb unb au§ gütigem ^crjen: fo ta^ bie ^ufüer nod^ ein paar Sa^rf)unberte an feinen ©ebanfen unb Einfällen gu gef)ren ^aben toerben. 3n feinen SBerfen ^aben tt)ir einen (Sd)a^ tjon unb er« braurf)ten ©rfinbungen; 5(nbre toerbcn i^re ©röße im SSerbrauc^en l^aben. — dürfte man Seetljoöen ben ibealen 3"^örer eine§ ©pielmanne§ nennen, fo \)ättc ©(i)ubert barauf ein Wnred)t, felber ber ibeate ©pielmann au f)eißen.
156.
SUlobernfter 5ßortrag ber ÜJ^uftf. — ^er große trogifd) « bramatifdje SSortrag in ber ä^ufi! befommt feinen Sl^arafter burd^ 9^ad)a^mung ber ©ebärben be^i großen ©ünberS, ujie i^n ha^ (S!)riftentf)um fid) bcnft unb njünfd^t; beS langfam ©^reitenben, leibenfdjaftlid]
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(SJrübelnben, be§ l3on ©einiffengqitQt §m* unb §er^ getüorfenen, be§ cntfe^t giiet)eTiben, be§ entgüdt §af(^en* ben, be§ üer§tpeifeU (StiHefte^enben — unb tüaä fonft 5[IIe§ bic iOietImale be§ großen @ünbertt}um§ finb. 9^ur unter ber SSorauöfe^ung beg ß^riften, ba^ alle SJ^enfd^en große ©ünber finb unb gar 9^id)t^ t^un, alS fünbigen, ließe e§ fid^ rechtfertigen, jenen ©til be§ SSortragö auf alle SD^ufif anjuiüenben: infofem bie 9J2ufi! ha^ Sl66ilb alle§ menfd)Iicf)en Xf)un§ unb Xret6en§ tüäre, unb al§ fold^e^ bie ©ebärbenjprad^e be§ großen ©ünberg fortnjä^renb gu fpred^en f)ätte. (Sin Qn^öx^x, ber nic^t genug ßt)rift loäre, um biefe Sogif gu öerfte^en, bürfte freilid) bei einem foId)en SSortrage erfd^redt aufrufen: „Um be§ §immeB njillen, toie ift benn bie ©ünbe in bie SD^ufif gefommen!*"
157.
gelij a)^eubeIöfoI)n. — Selij 9J?enbeIöfor)n^5 SQ^ufi! ift bie 9Jtufi! be^ guten ©efct)marf§ an allem ©Uten, hJaS bagetoefen ift: fie toeift immer l^inter fid^. SSie !önnte fie öiel „SSor^id^", öiel Si^^w^f* ^abenl — 5tber I)at er fie benn I)akn n? ollen? (Sr 6e[aß eine !£ugenb, bie unter 5tünftlem feiten ift, bie ber S)an!6arfeit ol)ne S^ebengebanfen: audE) biefe ^ugenb njeift immer t)inter fict).
158. ©ine SO^utter ber 5tunfte. — 3n unferem ffeptijc^en 3^^^^^^^^ gctjört juc eigentlidjcn 2)et)Otion faft ein brutaler §eroiömu§ bcö ©^rgeijeS; baö fanatifc^e 5lugen{d)ließen unb 5lniebeugen genügt nidjt meljr. Söäre eö nid}t möglid), \>a'^ ber (Sljrgeij, in ber !J)et)otion ber fiepte für aüc Seiten ju fein, ber ^ater einer
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legten fat:^oIifd^en ^rd^enmuftf lüürbe, tüte er frf)on ber SSater be§ legten ür^Iid^eit S5aufti(§ getDefen ift? (Tlan nennt i^n SefmtenfttL)
159.
greil)eit in geffeln — eine fürftlid^c gret* f)eit. — ^er legte ber neueren SDZufüer, ber bic ©d^önlEieit gefd)aut unb angebetet I)at, gleich Seoparbi, ber ^ole ß^^opin, ber Unnad^Ql)niItcC}e — oHe bor unb nad^ i^m ^efommenen !^aben auf bie§ S3etn)ort !ein Hnred^t — ß^^opin ^atte bieJelSe fürfttidje SSornet)m^ett ber Sonüention, njelci)e 9^affael int ©ebraud^e ber ^erfömmlic^en ein« fad)[ten garben geigt, — aber nid^t in SSegug auf ^färben, fonbem auf bie ntelobifd)en unb r^5tt)mifd)en §er!ömmlic^!eiten. S)iefe ließ er gelten, al^ geboren in ber ^tiquM^, aber tt)te ber freiefte unb anmutf)igftc ©eift in biefen geffeln fpietenb unb tangenb — unb gmar oT)ne fte gu öer^^ö^nen.
160.
(Sljopin'ö S5arcaroIe. — güft alle 3"ftänbe unb £eben§lüeifen l^aben einen feligen 9}bment. ^en njiffen bie guten Huftier {)erau§äufifc^cn. <So Ijat einen fold^en felbft baS ßeben am ©tranbe, ta^ \o Iangtt)ei(ige f(i)mugige, ungefunbe, in ber S^älje beö lörmcnbften unb ()abgierigften ©efinbel^ fid) abfpinnenbe; — biefen feiigen äJioment l^at Sl^opin, in ber S3arcaroIe, fo jum (Srtönen gebracht, ha^ felbft ©ötter babei gelüften fönnte, lange ©ommerabenbe in einem ^al)ne gu liegen.
- 95 - 161.
9f?o5crt (Sdjumann. — ®er „Süngting", tüte i^tt bte romantifdjen Sieberbirf)ter ^eutf^Ianb'g unb granf* reid^'S um ba§ erfte S)rittel bie[e§ Sa^rl^unbertg träumten, — biejer Süngtiug ift üoUftänbig in @ang unb Xon üSerfe^t njorbcn — burd^ 9^o6ert ©d^umann, ben ettJtgen Süngling, \o lange er fid) in tjoßcr eigner toft füt)lte: e§ gicbt freiüd^ 3}?omente, in benen feine Th\\\t an bte ciDige „alte Sungfer" erinnert.
162.
^tc bramatifd)en «Sänger. — „SBarum fingt biefer Bettler?" — (^r bcrftc^t lüa!)rfd)eiitlic^ nid^t gu jammern. — „^ann tljiit er 9?ed^t: aber unfere bra^ matifd)en (Sänger, iDeldjc jammern, ireil fie nid^t ju fingen öcrfte^cn — iijim fie aud^ 'Oa^ Dk^te?"
163.
^ramatifdje SD^nfü. — gür ben, lueldjcr nidjt fielet, toa^ auf ber S3ül;ne Dorgcljt, ift bie braittatifd^e SJJufif ein Unbing; fo gut ber forttaiifcitbe Kommentar ju einem Verloren gegangenen ^ejte ein Unbing ift. Sie tierlangt gan^ eigentlid), ba^ man oud) bie D()ren bort Ijabe, tuo bie 5(ngen ftel^en; bamit ift aber an (Sutcrpc bemalt geübt: biefe arme 9J?ufe tDiU, bafe man i()re klugen unb Dtjren bort ftel^en (äffe, too aUe anberen SD^ufen fie aud^ ^aben.
164.
©ieg unb ißcrnünftigteit. — Seiber entfdfjcibet aitd) bei ben aeftf)etifd)en biegen, n?c(d^c ^ünftler mit
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t^reit SBerlen unb beten ©(f)u|rebett erregen, sulefet bic ^Qft unb nid^t bte $8emunft. Se|t nimmt aüe SSelt afö l^iftorifd^e Z^at\a6)t an, ha^ ®(ucE im ^am|}fe mit ^iccini 9fie^t gehabt l^aBe: jebenfaUg l^at er gefiegt; bie ^raft ftanb auf feiner 8eite.
165.
SSom principe be§ SSortrag§ in ber 3}Zufif. — ©Iau6en benn inirHid^ bie je^igen ^ünftler be§ mufildifd^en SSortrag§, ha^ f)öc^fte ©e6ot iljrer ^unft fei, jebem (BtM fo biet $od)reIief ^u geben, al§ nur möglidi ift, unb e§ um jeben $rei§ eine bramatif^e ©^jrad^e reben gu laffen? Sft bie§, gum Seifpiel auf SJ^ogart angettjenbet, nic^t gang eigentlid^ eine ©ünbe loiber ben ©eift, ben ()eiteren, fonnigen, §örtlid)en, leidjt^ finnigen ©eift 9J?o§art'§, beffen ©ruft ein gütiger unb nirf)t ein furi^tbarer (Smft ift, beffen S5ilber nid)t auä ber SBanb I)erau§fpringen tüoEen, um bie 5tnf(^auenben in (Sntfe^en unb glu(i)t gu jagen. Ober meint i^r, 2J?05artifdje 9J?ufi! fei gleic^bebeutenb mit „SJiufi! be§ fteinenten ®afte§"? Unb nid)t nur SJ^ogartifc^e, fonbem aUe SD^fif? — Eber i^r entgegnet, bie größere SSirfung fpred)e 5U ©unften eureg ^rincipS — unb it)r \)ättct Siedet, topfem nid^t bie (SJegenfrage übrig bliebe, auf tuen \)a geujirft tDorben fei, unb auf n?en ein t)ornef)mer ^ünftler übertiaupt nur n)ir!en U) ollen bürfe! 9^iema(§ auf ba§ SSolf! 9Ziema(§ auf bie Unreifen! 9^iema(§ auf bie ©mpfinbfamen ! S^iemal^ auf bie ^anft)aften! SSor Willem aber: niemals auf bic Ebgcftuntpften!
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166.
TlnVit öott §eute. — ^tefe mobcmfte 9U?iifif, mtt i^ren ftarfeit Sungen unb fd^tüad^en D^erüen, erfd)ricft immer juerft t)or fid) fe(6er.
167.
2Ö0 bie -9J?unf ^etmifd) tft. — ^ie SD^ufi! erlangt i^re große Tla(S)t nur unter SO^enfc^en, loeldje nid^t biöfutiren !önnen ober bürfen. S^re görberer er[ten S^langeS finb be§^aI6 gürften, tt^etd^e njotten, \)a^ in if)rer fflät)^ nidöt t)tel fritifirt, ja nid^t einmal öiet gebadet ujerbe; fobann ©efeKfdtjaftcn, treidle, unter irgenb einem 2)rude (einem fürftlidf)en ober religiöjen) fidf) an ba^ ©dEitreigen gemö^nen muffen, ober um fo ftärfere 3aubermitte( gegen bie Sangemeile be§ @efü^I§ fudjen (gemö{)nlidf) bie emige S8erliebt^eit unb bie emige SUJuftf); brittenö gange SSölfer, in benen e§ feine „(SJefeKfdfjaft" giebt, aber um fo me!)r (Singelne mit einem ^ang jur @infam!eit, ju l)albbun!(en ©ebanfen unb §ur SScre^rung aUeg llnau§fpred)(ic^en: eö finb bie eigentlid)en Wn'jih feelen. — ^ie 4Jriedf)en, aU ein reb= unb ftreitluftigeö 35olf, t)aben beö^alb bie mifi! nur aU gufoft gu ^inften vertragen, über tt)eld)e fid) mirflid) ftreiten unb reben lägt: mät)renb über bie 3)^ufif fic^ faum reinlid^ ben!en lägt. SDie ^t)tt)agoreer, jene 5ru§nar)me=(5Jried)en in fielen ©tüden, maren, mie öertautet, aud) große 9J?ufifer: biefelben, meldje ha& fünfjätirigc ©d^meigen« aber nid^t bie ^iatefti! erfunben Ijaben.
yUeijfd)«« aaeife Rloff .«lu«fl. IV
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168.
(ScttttmcntoIttSt in ber 5D?uftf. — Wan fei ber ernften unb reid^en 3Jiufi! nod^ fo getrogen, um fo me^r öteEetcf)t totrb man in einzelnen ©tunben öon bem ©egenftütf berfeI6en übernjunben, begaubert unb faft {)inn)eggefd)moIäen; 16) meine: tjon jenen allereinfad^ften ita(iänifd)en Dpern * SJieliSmen , toeld^e, tro^ aßer r]§5t{)mif(i)en (£införmigfeit unb ^armonifd^en ^nberei, un§ mitunter tüie bie @eele ber 9J^ufi! felber angufingen {d)einen. (3M eS ju ober nii^t, i^r ^^arifäer be§ guten ®efd)mad§: e§ ift fo, unb mir liegt je^t baran, biefe§ 9f^ätf)fel, bag eg fo ift, gum iRat^en aufzugeben unb felber ein SSenig \>axan l^erum^uratfien. — ^I§ mir nod^ £inber moren, !^aben tüir ben §onigfeim öieler ^inge §um erften Tlal ge!oftet, niemals trieber mar ber ^onig fo gut tüie bamaB, er t)erfü]f)rte §um Seben, ^um längften Seben, in ber ©eftalt be§ erften grüf)(tng§, ber erften Blumen, ber erften Schmetterlinge, ber erften greunb- fc^aft. ^amofö — e§ toar öieEeid^t um ha^ neunte Sal^r unfere^ Seben§ — prten loir bie erfte SJ^ufif, unb ha^ tOQx bie, toetd^e mir guerft öerftanben, bie einfac^fte unb ftnblid^fte alfo, meld)e nid)t öiel mel^r al§ ein SBeiterfpinnen be§ 51mmenliebe§ unb ber (Spielmannö- toeife mar. (Tlan muß nämlid^ aud^ für bie geringften „Offenbarungen" ber ^unft erft Vorbereitet unb ein* gelernt toerben: e§ giebt burd)au§ !eine „unmittelbare*' Söirhtng ber £unft, fo fd^ön aud^ bie $^iIofop:^en baöon gefabelt l^aben.) ^n jene erften mufifalifd^en (Sutgüdfungen — bie ftörfften unfereö fiebenö — fnü^ft unfere (£m|)finbung an, njenn toir jene italiänifd^en 9Jie(i§men l^ören: bie ^nbe§ = <Selig!eit unb ber SSerluft ber ^nb^eit, ha^ ©efü^I be^ Untüieberbringlid^ften alä
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bed föftlic^ften Sefi^eS — ba§ rü^rt babei btc ©aiten unfrcr ©cele an, fo ftar! tüte e§ bte reid)fte unb ernfteftc ©egeniüart ber ^unft olletn nid^t öermag. — ®tefe 9J^ifc^ung aeft{)etifd)er greube mit einem mordifd^en Zimmer, toeld^e man gemeinf)in je^t „Sentimentalität" p nennen pflegt, ettraö gar ju l^offa^rtig, n)ie mir fcf)eint — e§ ift bie Stimmung gauftenä am Sd^Iufje ber erften (Scene — biefe „Sentimentalität" ber §örenben fommt ber italiänifd^en SD^ufi! gu (^ntt, tod^e fonft bie erfafjrenen geinfdjmeier ber^unft, bie reinen „^leftl^etifer", ju ignoriren lieben. — Übrigen^ iroirft faft jebe Tln\xl erft Don ha on jouberliaft, tDo tt)ir au§ if)r bie Sprad^e ber eigenen SSergangent)eit reben ^ören: unb infofem fd)eint bem fiaien aKe olte 3J^ufi! immer beffer ju njerben, unb alle eben geborene nur »enig mcrti) gu fein: benn fie erregt nod^ feine „Sentimentalität", ireldie, njie gefagt, ha^ n)efcntli^[te ©lüdES-ßtement ber 9}?ufif für Seben ift, ber nid^t rein al§ 5(rtift fic^ an biefer Slunft ju freuen üerniag,
169.
5Itg greunbe ber Tlü\il — gnU^t finb unb bleiben njir ber»3)hifi! gut, toie mir bem SJionblidjt gut bleiben, öeibe tooUen ja nid^t bie Sonne Derbrängen, — fte ttJoHen nur, fo gut fte e§ fönnen, unfere SRäd^tc ert)ellen. ^Tber nid^ttoa^r? fdjcrgen unb lad^en bürfen n?ir trofebem über fie? @in SSenig mcuigftenä? Unb Don gc\t 5u Qcxt? Über bcn 9J?ann im 9Jionbe! Über ba^ aßeib in ber SDtufif!
170.
^ie ^unft in ber ^cit ber 5lrbett. — Sß^ir IJoben baä ^etoiffen cineä arbeitfamen 3eitalterfi^: bieö
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erlaubt un§ nidjt btc beften «Stuttben unb SSormittoge ber ^unft ju geben, unb toenn btefe ^nft felber bie größte unb föürbigfte tüäre. ©ie gilt un§ al^ @ad^e ber 3J?u§e, ber ©r^olung: lüir n)ett)en il)r bie 9?efte unjerer 3eit, unferer Prüfte. — ^ie§ ift bie aÖgcmeinfte X^at{Qd)e, bur^ ttjeldje bie ©tettung ber ^nft jum 2thm terönbert ift: fie t)at, toenn fie tl^re großen QdU unb £raft^5tnfprüc^e an bie £unft^(£m^fangenben mad)t, ba^ (SJelüiffen ber 5lrbeitfamen unb ^üc^tigen gegen fid^, fie ift auf bie ©eiriffenlofen unb Säffigen angemiefen, ttjetdje ober, i^rer Si^atur na^, gerabe ber großen ^unft nid)t §uget{)an finb unb it)re 5tnfprüd)e al§ ^In- maaßungen em^finben. @§ bürfte be§t)alb mit i^r gu @nbe fein, tneil i^r hk Suft unb ber freie 5It^em fet)lt; ober — bie große 5lunft üerfud^t, in einer 3Irt 33ers gröberung unb SSerfleibung, in jener anberen Suft l^eimifd^ gu toerben (minbeften§ e0 in i^r aug§ut)alten), bie eigentlid) nur für bie ! leine ^unft, für bie ^unft ber (Sr^olung, ber ergöglid)en gerftreuung ha^ natürlidie (Clement ift. ®ie§ gefd^ie^^t jegt aöertüärtö; auc^ bie Äünftler ber großen ^nft öerfprect)en ©rl^otung unb 3erftreuung, au^ fie tüenben fid) an ben ©rmübeten, aud^ fie bitten it)n um bie 5(benbftunben feinet 5(rbeit§5 tageg, — ganj UJie bie unter^altenben ^ünftler, tt)e(d)e gufrieben finb, gegen ben fc^rtjeren ©ruft ber (Stirnen, bag SSerfunfene ber Singen einen (Sieg errungen ju ^aben. 2Ö3eld^e§ ift nun ber tunftgriff il)rer größeren ©enoffen? ^iefe l^aben in il)ren S3üd)fen bie geiüalt= famften (SrregungSmittel, bei benen felbft ber §albtobte xioä) jufammenfdjrecfen muß; fie ^aben ^Betäubungen, SBeraufc^ungen, ©rfc^ütterungen , X^ränenfrämpfc: mit biefen übermöltigen fie ben (Srmübctcn unb bringen i^n in eine übernä^tige Überlebenbig!eit, in ein Slußer^id^^^in
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beö (Snt^ücfcnö unb be§ ©djtetfenS. SDürftc man, megert ber ®efäf)r(trf)!eit if)rer SQiittel, bcr großen Äunft, hJtc fic je^t, al§ Dper, SEragöbic unb 9J?ufi!, lebt, — bürftc man il^r a(§ einer argüftigen ©ünbertn gürnen? (SJemi^ nid)t: fic lebte \a f eiber l^unbertmal lieber in bem reinen Clement ber morgenblid^en @tiUc unb tt)enbete fid) an bie ermartenben, unöerbraud)ten, fraftgefüüten 9Jiorgen== ©eelen ber gi^Woner unb 3"^örer. hänfen lt)ir i^r, ha^ fie e§ öorgiel^t, fo ju leben, a(ö bat)on§upief)en: ober geftel^en ttjir un§ aud^ ein, ba§ für ein ßeitalter, tüel^eö einmal ttjieber freie, tJoUe geft= unb greubentage in ba§ Seben einfüt)rt, unferc groge ^unft unbraud^bar Jein h)irb.
171
^tc ^IngeftcIIten ber SBiffenfd^aft unb btc 5lnberen. — 2)ie eigentlid^ tüdjtigen unb erfolgreichen ©ele^rten fönnte man inögejammt al§ „ Slngef teüte" begeidinen. SBenn, in jungen Sa!)ren, i^r ©djarffinn ^inreirfjenb geübt, i^r ®ebäd)tni§ gefüHt ift, toenn §anb unb 3luge ©id)erf)eit gewonnen ^aben, fo Ujerben fic öon einem älteren ©ele^rten auf eine ©teile ber SBiffenjd^aft ongenjiefen, mo if)re (£igenf(i)aften 9^u^en bringen fönncn; fpäter()in, narf)bem fie felber ben S3(id für bie tücfen^aften unb jd)abljaften ©teilen il)rer 2Siffenfd)aft erlangt l)aben, fteüen fic fici^ öon felber bort{)in, mo fic not^ tl)un. ^iefe Staturen aücfammt finb um bcr 3Siffenfcl)aft miUcn ba: aber cö giebt feltnere, feiten gelingcnbc unb ööHig auörcifcnbc Staturen, „um bereut- loillcn bie 2Biffcnfcl)aft ha ift" — mcnigftenö f^cint c8 il)ncn felber fo — : oft unangenel)mc, oft eingebilbetc, oft querföpfige, faft immer aber bi^ ju einem ®rabc zauberhafte 9}^cnfdjcn. ©ic finb nid^t ?lngcftclltc, unb
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an6) xd^i 5lnftcEcr, fic Bcbtcnen fid^ beffen, toaS öon Senen erarbeitet unb ftdjergefteEt tüorben ift, m einer getüiffen fürften^aften ©elaffen^eit unb mit geringem unb feltenem Sobe: gleid^fam al§ ob jene einer niebrigern Gattung öon Söefen ange!)örten. Unb bod) ^aben fic eben nur hk gleid^en (Sigenfd^aften, tooburd^ biefe 5lnberen fid^ au§äeid)nen, unb biefe mitunter fogar ungenügenber enttoidfelt: obenbrein ift it)nen eine f8z- fd^rän!tf)ett eigentf)ümlid^, bie jenen fe^lt, unb bereut* lüegen e§ unmöglid) ift, fie an einen ^often gu fteUen unb in ifjuen nü|(id^e SSerfjeuge ju fet)en, — fie !önnen nur in ilfjrer eigenen Suft, auf eigenem Soben leben, ^iefe Söefd^rönftt)eit giebt il^nen ein, toa^ Wt§> t)on einer SBiffenfdioft „gu i^nen gehöre", bog Reifet, loaS fie in i^re Suft unb SBot)nung t)eimtragen fönnen; fie toä^nen immer i^r jerftreuteS „(Sigent^um" gu fammeln. SSer^inbert man fie, an if)rem eigenen SRefte äu bauen, fo ge{)en fie tüie obbac^lofe SBögel ju ©runbe; Unfreil^eit ift für fie (5c^tt)inbfuc^t. Pflegen fie einzelne ©egenben ber SSiffenfd^aft in ber 5{rt jener 5lnberen, fo finb e^ bod^ immer nur fold^e, mo gerabe bie iJ)nen nött)tgen grüd^te unb (Samen gebeif)en; toa^ ge^t e§ fie an, ob bie SBiffenfd)aft, im ©angen gefe^en, unangebaute ober fd)(e^t gepflegte ©egenben f)at? (S§ fei)It it)nen jebe unperfönlid^e X^eilnal^me an einem Problem ber (5r!enntni§; mie fie felber burd^ unb burd^ ^erfon finb, fo madfjfen audE) alle i^re ©in* fid^ten unb ^enntniffe loieber gu einer ^^ßcrfon jufammen, ju einem lebenbigen SSielfad^en, beffcn einjelne %\)dk öon einanber abpngen, in einanber greifen, gemeinfam emöf)rt merben, ba§ als ©anjeS eine eigne Suft unb einen eignen ®erud§ l^at. — ©old^e Staturen bringen, mit biefen i^ren t)erfonen^aften @r!enntni§*®ebilben,
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jene ^äufd^itng Ijttüox, ba^ eine SBiffenfd^aft (ober gar bie gange ^^iIofo>3f)te) fertig fei unb am 3ieie fte()e; baSSeben in i^rem ©ebilbe übt biefen 3öuber au§: al§ n)el^er §n Qdtm fe^r ber^ängnigöoß für bie SBiffen* frf)aft unb irrefül^renb für jene t)orf)in befdjriebenen, eigentlid^ tüd^tigen 5(r6eiter beg ©eifteö getoefen ift, ju anbem ^dttn loieberum, al§ bie ^ürre unb bie (Ermattung I)errfd^ten, toie ein Sabfal unb gleid^ bem 5(nl)au(^c einer füllen crquidHidjen 9flaftftätte getoirft l^at. — ©enjö^nü^ nennt man fold^e ä)^enfrf)en ^^ilofop^en.
172.
Slncrfennung be§ SlalentS. — TO x^ burd^ ha^ ^orf @. gieng, fieng ein £nabe au§ Seibe^fröften an, mit ber ^eitfc^e §u fttaUen, — er ^atte eö fd^on toeit in biefer ^nft gebrad^t unb tüugte eg. Sd^ toarf i!^m einen S3Iic! ber ^fnerfennung ju, — im ©runbe tl^ot mir'g bitter toefje. — @o mad^en tvvt eö bei ber 5lnerfennung Dieter Xalente. 2öir tt)un i^nen njo^t, njenn fie un^ n)et)e t^un.
173.
fiad^cn unb Söd^eln. — Sc freubiger unb fidlerer ber ®cift ttjirb, umfomet)r Verlernt ber 3J?enfc^ bag laute (5Je(ärf)ter; bagegen quiUt i^m ein geiftige^ Söd^cln fortn)ät)renb auf, ein ^eid)en feinet SSertounbeniS über bie 5at)llo(en üerftedEten Slnne^mlic^feiten beä guten 3)ajcing.
174.
Unterhaltung ber Äranfen. — 9Bic man bei fectijd^em ^mmer fid^ bie ^aorc rauft, fid^ öor bie
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@tim frfjlögt, bte Sßange gerfteifc^t ober gar tok Cbipu^ bie kugelt auöBo^tt: fo ruft man gegen l^efttge förper* lic^e (Sdimergen mitunter eine l^eftige bittere (gmpfinbung §u §ülfe, burd) (Erinnerung an SSerleumber unb SSer^ böditiger, burd^ SSerbüfterung unferer ^i^^^ftr bur^ SSo^^eiten unb S)o(d)fticf)e, njelc^e man im ©eifte gegen 5lbtt)efenbe fc^Ieubert. Unb e§ ift 6i§lüeilen babei toa^r: \>a^ ein Teufel ben anbern auftreibt, — aber man l^at bann ben anbern. — ©arum fei ben hänfen jene anbere Unterhaltung anempfol)Ien, bei ber fid^ bie ©(^mergen gu milbern fd^einen: über 2öot)It]^aten unb 51Crtig!eiten nad^^ubenfen, toelc^e man greunb unb geinb eriüeifen fann.
175.
aj^ebiofrttät aU 9J?aöfc. — l^ie äJJebiofritöt ift bie glüctlii^fte Tla§>U, bie ber überlegene ©eift tragen !ann, tüeil fie bie groge 9}?enge, ha^ Ijeigt hk SJ?ebiofren, nid^t an 9J?a§!irung beulen lägt — : unb bod^ nimmt er fie gerabe il)retti[)egen öor, — um fie nidjt §u reiben, \a nid^t feiten ou§ SJätleib unb ®ütc.
176.
®tc (SJebulbigen. — ^ie ^nie fd^eint ju l^ord^en, bie Xanne ^u toarten: unb beibc ol^ne Ungebulb: ~ pc beulen nidjt an ben lleinen 3}^enf(|en unter fid^, 'btn feine Ungebulb unb feine 9^eugierbc auff reffen.
177.
^ic beften ©d^er^e. — ^er @d^er§ ift mir am niiElommenften, ber an (Stelle eineö fd)lüereu, nid^t
— lo:) —
unbcbenflic^en ©ebanfen^ fte^t, juglcic^ alö SBinf mit bcm ginger nnb SSIingeln bc§ ^tugeö.
I
178.
3u6e^ör aller ^ere^rung. — Überall, too bte SBcrgongen^eit öerei)rt luirb, foK man bie (Säuberlichen unb (Säubernben nid^t einlaffen. S)er ^ietät njirb o^ne ein wenig (Staub, Unrat^ unb Unflat!) nid)t xdo\)1
179.
S)tc große ©efa^r ber ®elel)rten. — ©erabe bie tüd)tig[ten unb grünblidjften ®elel)rten finb in ber ®efal)r, il)r £eben§äiel immer niebriger geftedt ju fel)en unb, im (5Jefül)le baöon, in ber gtoeiten g)älfte il)reg ßcbcnS immer mi§mutf)iger unb unüerträgli^er gu loerben. 3"^^^ fc^lDimmen fie mit breiten Hoffnungen in il)re SBiffenfc^aft l)inein unb meffen fic^ fül)nere STufgaben gu, beren QkU mitunter burd^ i^re ^^antafic fci^on öormeggenommen n)erben: bann giebt e§ ^Tugenblidfe ttjie im Seben ber großen entbedenben Sd)iffal)rer, — SBiffen, 5l^nung unb toft l)eben einanber immer l)öl)er, bi^ eine ferne neue ^fte jum erften äJ^ale bem Sluge aufbämmert. 9^un er!ennt aber ber ftrenge 3)?enf(^ Don Sal)r gu 3al)r mef)r, Ujie Diel baran gelegen ift, baß bie (Sinjelaufgabe beö gorjd^erö fo befd)rön!t njic möglid) genommen merbe, bamit fie ol)nc ^cReft gelöft ujerben !önne unb jene unerträglid^c 58ergeubung öon 5traft öcrmieben merbe, an meldjer früt)ere ^crioben ber SSiffenfdjaft litten: alle 5Irbeitcn mürben jelinmal gemarfjt, unb bann l)atte immer nod^ ber @lfte baS le^te unb befte SSort ju fagen. 3e me^i
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aber ber ©ele^rte btefeS ^ät^feI:=Söfen o^nc 9fleft fennen lernt unb übt, um fo größer loirb auc§ feine ßuft baran: ober ebenfo tüödjft aud^ bie (Strenge fetner Slnfprüd^e tu SSe^ng auf ^a§, ttjaS f)ter „o^ne Dfieft" genannt ift. (£r legt alle§ bei (Seite, toa§ in biefem (Sinne unüoEftänbig bleiben muß, er geloinnt einen SBibern^iEen unb eine SSitterung gegen ba§> §albs SöSbare, — gegen 5lIIe§, toa^ nur im ©angen unb Unbeftimmteren eine 5Irt ©id^erl^eit ergeben !ann. (Seine 3ugenbj)Iäne verfallen öor feinem ^licfe: !aum bleiben einige ^oten unb ^ötd^en barauä übrig, an bereu @nt!nüt)fung je^t ber SJieifter feine Suft l^at, feine ^aft geigt. Unb nun, mitten in biefer fo nüglidfien, fo rafttofen Xl^ötigfeit überfüllt il)n, ben ältergenjorbenen, plöglid^ unb bann öfter lieber ein tiefer 9}2i6mutl)f eine 5lrt (§Jetuiffen§-Oual: er ficl)t auf fid^ l^in, toie auf einen ^ertoanbelten, alö ob er öerfleinert, emiebrigt, gum funftfertigen gnjergen umgef(^affen töäre, er beunrul)igt fid^ barüber, ob nidf)t t)a^ meifter* lid^e SBalten im kleinen eine Söequemlic^feit fei, eine 5lugflud^t t)or ber SJ^a^nung gur (^röge be§ £eben§ unb @eftalten§. 5lber er fann nic^t mel)r hinüber, — bie 3eit ift um.
180.
^ieSel^rer im 3eitalter ber S5üd^er. — S)abur^ ba^ bie ©elbft=:(£r5iel)ung unb S]erbrüberung§=(Sräieljung ollgemeiner toirb, mu| ber Sel)rer in feiner je^t geU)öt)nlid}en gorm faft entbel)rlid^ toerben. lernbegierige greunbe, bie fid§ gufammen ein Söiffen aneignen tooHen, finben in unferer ^dt ber S3üd^er einen lürgeren unb natürlid^eren SSeg, alg „(Sd^ule" unb „Seigrer" finb.
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181.
^ic (StteÜett al§ bte große S^ü^Iid^feit. — Urfprüngüd) bet)anbelt ber ftar!e (£tn§elne nid^t nur bte Statur, fonbem anä) bie ©efeKfd^aft unb bte frf)n)äd)eren ©njelnen alä ©egenftanb be§ SRau5sS5aue§: er nü^l fte aus, fo t)ie( er fanit, unb ge^t bann toeiter. SBeil er fef)r unftrf)er (ebt, ttjed^felnb gtüifcfien junger unb Überfluß, fo töhttt er me^r Xtjiere, al0 er öer§e{)ren fann, unb <3lünbert unb miß^anbelt bie 9J^enfd)en me^r, o($ nötl^ig ttjäre. ©eine SJ^a^täußerung ift eine dtad)^^ öußerung jugleidi gegen feinen pein- unb angftt)oIIen 3uftanb: fobann tvxU er für möd^tiger gelten, als er ift, unb mißbraud)t beSl^atb bie Gelegenheiten: ber gurd)t' junjad^g, ben er erzeugt, ift fein SÄad^tjutoad^S. @r merft geitig, ba^ nic^t ba§, n)a§ er ift, fonbem \>a^, \va^ er gilt, x\)n trägt ober niebertoirft: t)ier ift ber Urfprung ber (Site! feit, ^er 9}iäcf)tige fud^t mit allen TOttetn SSermet)rung be§ ©laubenS an feine Wladjt — 2)ie Untemjorfenen, bie üor i^m gittern unb i^m bienen, n)iffen mieberum, ba^ fie genau fo mel njertf) finb, a(§ fte if)m gelten: toeöfiatb fie auf biefe Geltung f)in- arbeiten unb nid|t auf if)re eigene S3efriebigung an fid^. SBir fennen bie ©itelfeit nur in ben abgefc^ttjöd^teften gomten, in it)ren ©ubliniirungen unb f (einen S)ofen, ttjeil njir in einem fpäten unb fef)r gemilberten 3uftönbe ber GcfeKjc^aft leben: urfprüngücf) ift fie bie große SJiü^üdifeit, baS ftärtfte aJJittel ber er()altung. Unb gttjar njirb bie ©itclfeit um fo größer fein, je flügcr ber (Sinjelne ift: Ujeil bie SSerme^rung beö GlaubeniJ an 2J^adE)t lei^ter ift, als bie S8ermc()rung ber Tla^t felber, aber nur für ^cn, ber Geift Ijat — ober, Xük eS für Urguftänbc Reißen muß, ber liftig unb ]^interl)altig ift.
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182.
Söcttcr^etd^en ber Kultur. — @§ giebt fo loenig entfd^eibenbe SSetterjetc^en ber (Sultur, ba§ man fro^ feilt muß, für feinen §au§s unb ©artengebrau^ H)enigften§ (Sin untrüglid^eS in ben §änben ju ^aben. Um 5U prüfen, ob jemanb gu un§ gef)ört ober ni^t — id) meine ^u ben freien ©eiftern — , fo ^)rüfe man feine ©nH^finbung für ba^ S^riftentl^um. <Bk^t er irgenbloie anberö §u i^m aU Jritifd^, fo fe^ren loir if)m hm 9fiüc!en: er bringt un§ unreine Suft unb f^Ied^te^ Sßetter. — Unfere ^Tufgabe ift e§ nid^t mel^r, foId)e 9J?enf^en ju Iel)ren, toa^ ein (Scirocco^SBinb ift; fic ^aben 3J?ofen unb bie ^rojj^eten be§ SSetterö unb ber 5(uff(ärung: toollen fic biefe nidjt l^ören, fo —
183.
3firnen unb ftrafen ^at feine geit. — gürnen unb ftrafen ift unfer 5lngebinbe üon ber ^t)ier{)eit f)er. S)er SD^enfc^ lüirb erft münbig, tüenn er bie§ 2öiegen== gefd)enf ben X^ieren gurürfgiebt. — §ier liegt einer ber größten ©ebanfen t)ergraben, ireld^e SJ^enfd^en l^aben !önncn, ber ©ebanle an einen gortfd^ritt aller gortfd)ritte. — (SJel^en toir einige Sal^rtaufenbe mit einanber öortt)ärt§, meine greunbe! (£§ ift fet)r öiel greube nod^ ben 9}?enfd^en öorbe^alten, tooöon ben ©egentoärtigcn nod) !ein ®erud^ jugeloe^t ift! Unb ^toax bürfcn wir un§ biefe greube öerfpred^en, ja al§ etloa§ 9^otf)n)enbige§ t)er^ei§en unb bef^tpören, im gaH nur bie ©ntmidelung ber menfd^lid^en SSernunft nid^t fttllc ftc^t! @inftmal§ toirb man bie logifd^e ©ünbe, toeld^e im 3ürnen unb ©trafen, einzeln ober gefeKfd)aftött)eife geübt, verborgen Hegt, nid^t mel^r über'S §erj bringen:
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ctnftmolS, tocnn ^er^ unb Äopf fo na\) bei ctnanber ju too^nen gelernt t)aben, tüte fie je^t nod^ einanber ferne fte^en. ^ag fie ftd) ntd^t meljr fo ferne ftel^en lüie urfprüngüd^, ift beim S5(id auf ben ganzen (SJang ber 9D?enf(^^eit giemltc^ erft(f)tüd); unb ber ©ingelne, ber ein :8eben innerer 5(rbeit ^u überfdjQuen l}at, loirb mit ftol^er greube fid§ ber überhjunbenen Entfernung, ber enettf)ten 5lnnä^erung beujugt toerben, um barauf ^in nod^ größere Hoffnungen tt)agen gu bürfen.
184.
5lbfunft ber „^effimiften". — (Sin SSiffen guter S^a^rung entfcf)eibet oft, ob n)ir mit ^ot)[cm Stuge ober t)offnungöreid) in bie 3ii^it"ft fd)auen: bie§ reicf)t in'§ §öd^fte unb ©eiftigfte Ijinauf. ^ie Unäufriebenl)eit unb 2Se(t=©d)rt)är§erei ift bem gegentoärtigen ©ef^Iecf)te t)on ben et)cmaligen §unger(eibern i)er ö ererbt. 5Iud) unfern ^ünftlem unb ^id}tern merft man l)äufig an, ttjenn fie felber audj nod} fo üppig leben, \)q^ fie öon feiner guten §erfunft finb, \>a^ fie oon unterbrücft lebenben unb f^Iec^t genährten ^orfaI)ren SD^an^erlei in'g S3lut unb ©e^irn mitbefommen ()aben, toaö oI§ ©egenftanb unb genjäf)Ite garbe in i^rem 2öer!c »ieber fic^tbar mirb. 2)ie ßultur ber ©riechen ift bie ber SSermögcnben unb grtjar ber Slltöermögenben: fie lebten ein paar Saljr^unberte l)inburd^ beffer alö njir (in jebem ©inne beffer, namentUd) öiel einfad^er in ©peife unb ^ran!): ba njurben enblid) bie ©eljirne fo öoll unb fein ^ugleid^, ba floß baö S3(ut fo rafd^ i)inburci^, einem freubigen t)enen Seine gleid), \>a% baö @ute unb S3eftc bei i^nen nid)t meftr büfter, öer^üdt unb gemaltfam, fonbern fd^ön unb fonnenfjoft ^crauötrat.
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185.
SBom tcrnüttftxgen Xobc. •— SBa§ ift Vernünftiger, bte 3}?afd^tnc ftiEgufteEen, loenn ha^ SBer!, bog man öon il^r öerlangte, ausgeführt tft, — ober fie laufen ju laffen, bt§ fie öon felber ftiHe ftel^t, ba§ l^tii^t bi§ ftc öerborben ift? Sft Se^tereS nic^t eine S3ergeubung ber Unterhaltung^* loften, ein äJ^ipraud^ mit ber ^aft unb 5Iufmer!fam!ett ber Sebienenben? $E3irb l^ier nic^t tüeggettjorfen, trag anberSlüo fe^r not§ t^'dk? SSirb ntd^t felbft eine 5lrt SJäßad^tung gegen bte 2)^afd^inen überhaupt öerbreitet, baburd^, bafe öiele t)on il^nen fo nu^IoS unterhalten unb bebient tüerben? — S^ f^jred^e bom unfreitoiHigen (natürlid^en) unb üom freituilligen (vernünftigen) Xobe. ^er natürlid^e Xob ift ber Von aEer SSemunft unabhängige, ber eigentlid^ unvernünftige %oh, bei bem bie erbarm* lid^e ©ubftanj ber ©d^ale barübcr beftimmt, tt)ie lange ber Äem befte^en foH obernid^t: bei bem alfo ber Verfümmernbe, oft franfe unb ftumpffinnige ®efängni§tpärter ber §err ift, ber ben $un!t be§eid^net, too fein Vornehmer (befangener fterben foll. ^er natürlid^e %oh ift ber ©elbftmorb ber 9^atur, ia^ l^eigt bie SSernid^tung beS Vernünftigen SSSefenS burd^ ha^ unvernünftige, lueld^eS an \)a^ erftere gebunben ift ^VLX unter ber religiöfen S3eleud^tung !ann e§ um* gefe^rt erfd^einen: n)ei( bann, tt)ie billig, bie ^ö^ere SSer* nunft ((Sottet) i^ren SSefe^I giebt, bem bie niebere ^er* nunft fic^ ju fügen i)at ^lugerl^alb ber religiöfen !5)cn!ung§art ift ber natürlid^e ^b feiner ^Serl^errlid^ung tvertl^. — ^ie tt)eiSt)eit§VoIIe 5lnorbnung unb SSerfügung bcS XobeS gel^ört in jene je^t ganj unfaßbar unb un* moratifd^ ftingenbe 9J?oraI ber 3"^"ftr in bereu 3)?orgen* röt^e ju blidcn ein unbefd^reiblid^cS ©lüdf fein mug.
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186.
3urü(JBtIbcnb. — Sine Sßer6rcci)er gtüingcn btc ©efeüfc^aft auf fräl)ere (Stufen ber Kultur ^nxM, al§ bte ift, auf lüeldjer fte gerabe fte^t; fie tt)ir!en §urüd6ilbenb. 9J?an benfe an bie Sßerfseuge, loeltfie bte ©efellfdjaft ber 9^ot^tt)el)r falber fid^ fd^affen unb unterf)alten muß: an ben terfcf)mi^ten ^olijiften, ben ©efängnißtüärter, ben genfer; man öergeffe ben öffentlid^en 5lnf läget unb ben 5lböo!aten nid^t; enblid^ frage man fid), ob nicl)t ber 9flid)ter felBer unb bie (Strafe unb ba^ gange ©erid^tSöerfa^ren in il^rer SSirfung auf \)k 9^id)t= i8er6red)er üiel el)er nieberbrifiienbe, al§ erljebenbc ©rfc^etnungen finb: e§ n)irb eben nie gelingen, ber 9^ot^tt)e()r unb ber 9iad^e ha^ ©etuanb ber Unfcl)ulb umzulegen; unb fo oft man ben SJ^enfrfien al§ ein 9J?ittcl gum QroQde ber ©efettfd^aft benugt unb opfert, trauert aUe l)öl)ere 9J?enfd^lid^feit barüber.
187.
Ärteg oI§ Heilmittel. — SJ^att unb crbörmlid) lüerbenben SSölfern mag ber ^eg alö Heilmittel angu^ ratl)en fein, faÜö fie nämli^ burdjauS nod^ fortleben UjoHen: benn e^ giebt für bie Sßöller'(Sd^it)inbfud}t aud) eine S5rutalitätS=£ur. ^aö ett)ige Sebcn=tt)ollen unb S^idjt^ftcrbcn^fönnen ift aber felber fc^on ein 3^^^^" t)on ©reifenl^aftigfeit ber ©mpfinbung: je üoHer unb tüdjtigcr man lebt, um fo fdjnetter ift man bereit, ha^ Seben für eine einzige gute ©mpfinbung baf)in gu geben, ©in SSolf, baS fo lebt unb enipfinbet, Ijat bie Kriege nidjt nöt^ig.
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188.
©etftige unb leibltdie SSerpflan^ung al§ Heilmittel -— ^ie berfd^iebcnen Kulturen finb öer}d)iebene geiftige Klimata, Don beuen ein jebeö biefem ober jenem Organismus t)ornel)mIid) fd^äbüd^ ober fieilfam ift. ^ie §iftorie im ©angen, als baS SBiffen um bie öerfcf)iebenen Kulturen, ift bte§ eilmitte (le^re, nic^t aber hk SBiffenfd^aft ber §eil!unft felber. 2)er ^Irjt ift erft rec^t nod^ nötf)ig, ber fid^ biefer §eil= mitteKe^re bebient, um jeben in fein i^m gerabe erfprieglic^eS Mma ^u fenben — . geitloeilig ober auf immer. Sn ber ©egen&art leben, innerhalb einer einzigen ßultur, genügt nid^t als allgemeines 9f?ecept, babei ttjürben gu biele l)öd)ft nu^lid)e Wirten üon äRenfc^en auSfterben, bie in il)r nid^t gefunb atljmen fönnen. 9jHt ber §iftorie mu§ man il)nen Suft mad)en unb fie ju erl)altcn fud)en; aud) bie 9[Renfd)en gurüctgebliebener Kulturen ^aben i^ren SBert^. — S)iefer ^ur ber ©eifter ftel)t §ur @eite, ha^ bie 9D^enfc[}l)eit in leiblidjer Segie^ung barnad) ftreben mu§, burc^ eine mebiginifdie ©eogrop^ie bal^inter^ gufommen, gu njeldjen Entartungen imb ^anf^eiten jebe ©egenb ber (Srbe 5lnla6 giebt, unb umge!el)rt toeld^e §eilfa!toren fie bietet: unb bann muffen aümö^lid^ SSölfer Familien unb (gingelne fo lange unb fo an^altenb terpflim^t lüerbcn, bis man über bie angeerbten J)l)^fifd)en ©ebred^en §err geluorben ift 2)ie gange (Srbe tt)irb enblid^ eine (Summe öon ©efunb^eitS- (Stationen fein.
189.
^er 93aum ber 9)?enfd)^cit unb bie SSer^ nunft. — ^aS, toaS i^r als iibert)ölferung ber (Srbe in
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grcijen'^after Äur^ftcfjtigfett fürd^tet, gteBt bem §offnung§« tooHeren eben bte groge 2Iufga6e in bic §Qnb: bic 9}2enfc^f)eit foH einmal ein Söaum tüetben, ber hk gange @rbe überfd)attet, mit Dielen TOHiarben Don S3Iütf)en, bie aUc neben einanber grüd^te »erben foUen, unb bie ©rbe fetbft foll gur (Srnäljrung biefcö Saume« öorbereitet lüerben. ^ag ber je^ige nod§ Heine Stnfa^ baju an <Saft unb ^aft gunetime, ha^ in ungöl^Iigen Sandten ber @aft gur (Smö^rung bog ©anjen unb be§ (gingelnen umflröme — aug biefen unb ö^ntic^en Slufgaben ift ber '3Raa^\tah gu entnetjmen,. ob ein jc^iger SD^enfd^ nü^Iirf) ober unnü^ ift. S)ie 5Iufgabe ift unfäglic^ grog unb fü^n: niir Mc loollen b%VL if)un, ha'^ ber S3aum nidjt üor ber S^^* öerfaule! ^em l^iftorifd^en Äopfc gelingt e§ njoljl, baö menfd)lid^e SSefen unb Xreiben fid^ im fangen ber Qtit fo t)or bie fingen ju ftellen, toie un§ 5lEen ha^ 5(meifen * SSefen mit i{)ren funftt)oü getprmtcn §aufen bor 5lugen ftef)t. Dber^ fläc^licf) beurt{)eilt, irürbe aud^ ba« gefammte 9J^enfrf)en* t^um gteid^ bem 5lmeifent^um t)on „Snftinft" reben laffen. Sei ftrengerer Prüfung nefjmen tt)ir mal^r, tüie ganje Sßölfer, ganje Sal)rt)unberte firf) abmüt)en, neue TOttel auSfinbig ju ma^en unb auSjuprobiren, njomit man einem großen mcnfdjlidjen fangen unb julegt bem großen ®efammtsgrud)tbaume ber 9J?cnfd)t)eit njo^It^un föune; unb maS auc^ immer bei biefem Sluöprobiren bie ©injelnen, bie SSölter unb bie 3<^itcn für ©d^aben leiben, burd) biefen ©djaben finb iebeömal ©inselnc flug getüorben, unb öon x^nm auS ftrömt bie 5l(ugl)eit langfam auf bie SD^aaßrcgeln ganzer Sölfcr, ganger Qätcn über. Slud^ bie 5Imcifcn irren unb bergreifen ftd^; bic 3)ienfd^t)eit fann red)t mot)t burd) Z\)oxl)cxt ber Wxttd öerberbcn unb öcrborren, tjor ber Qz\i, cd giebt »eber
Wictfdje« a»ctfc. niarf.«au«9 IV. 8
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für Sene, nod^ für ^tefe einen ft^er fü^renben Snftinlt. SBtr muffen öielmel^r ber großen Aufgabe tn*g ©cfic^t feigen, bie (Srbe für ein ©eloäd^ö ber größten unb freubigften grud^tbarfeit öorjnbereiten, — einer 5(nf' gäbe ber SSemunft für bie SSernunft!
"^ 190.
S)a§ 2oh beg Uneigennü|igen unb fein Ux^ f^jrnng. — g^^f^en jtoei nac^barlid)en §äu<)tlingen n)ar feit Salären §aber: man öertoüftete einanber bie ©aaten, fülirte beerben toeg, brannte §aufer nieber, mit einem unentfd^iebenen (Erfolge im (Spangen, loeil il^re 3}^ac^t jiemlic^ gleid^ toar. ©in 3)ritter, ber burd) hk abge= fd^Ioffene Sage feinet S3efi|t^um§ öon biefen get)ben fid^ feml^alten !onnte, aber bod§ ®runb l^atte, ben %aQ in fürd^ten, an bem einer biefer l^önbelfüd^tigen S^ad^born entfc^eibenb gum Übergen)id^t fommen toürbe, trat enblid^ jtoifdien hk ©treitenben, mit 2öo^Itt)oEen unb geier^ üd^ieit: unb im ©e^eimen legte er auf feinen grieben^^ öorfd^lag ein fd^toereS ©eloirfit, inbem er jebem einzeln ju öerfte^en gab, fürberf)in gegen ben, »elc^er fid^ toiber ben grieben ftröube, mit bem 2(nbem gemeinfame <Sac^e ju mad^en. 3J^an fam öor i^m jufammen, man legte gögemb in feine §anb bie §önbe, »eld^e bi^^er bie SSerfjeuge unb att^u oft bie Urfad^e beö §affeg getoefen maren, — unb toirüid^, man öerfu^te eö crnftlid^ mit bem grieben. Seber fal^ mit ©rftaunen, toie )3lö|Iid§ fein Sßo^Iftanb, fein S5e^agen touc^g, mie man je^t am S^ad^bar einen faufö* unb öerfaufö^ bereiten ^önbler, anftatt cineS türfifd^en ober offen j^ö^nenbcn Übeltl^öterS, l^atte, tt)ie felbft, in unöorl^er* gcfe^enen S'lot^fällcn, man ftd§ gcgenfcitig auS ber 9^ot^
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jtc^cn fonnte, anstatt, tüte c§ bi^^er gefd^e^eit, btefe iRoti) be§ S^lad^barg au^junu^en unb auf'§ §öd^ftc ju fteigem; ja c§ fd^ten, a(§ ob ber 9Kenfd^enfd^lag in beibcn ©egcnben fid^ feitbem öerfd^önert ^ätte: benn bie Slugen Ratten fid^ erijellt, bie ©tirnen ftd^ entrunjelt, 5lEen toax ha^ SScrtrauen §ur ßi^'^i^f^ h^ ^^9^" gelüorben,
— unb nid^tS ift ben ©eelcn unb Seibern ber SJ^enfd^en förberlid^er, al§ bie§ ^ßertrauen. Tlan faJ) einanber alle Sa^re am Xage beS S3ünbniffe§ iüieber, bie Häuptlinge fottjo^l toie beren ^Inl^ang: unb jloar öor bem Slngefid^t beS 9)tttt(er§, beffen §anblung^it)eife man, je größer ber 9^u^en ttjar, ben man i^x üerbanfte, immer me^r anftaunte unb öerel^rte. 9J?an nannte fteuneigennü^ig
— man t)atte ben SBlidf öiel ju feft auf ben eigenen, feitf)er eingeernteten 9^u^en gerid^tet, um öon ber ganb* iungStoeife be§ S^ad^borS mef)r ju fef)en, al§ ba^ fein 3uftanb in golge berfelben fidf) nid^t fo öeränbert ^abc tt)ie ber eigene: er lüar öielmet)r berfelbe geblieben, unb fo fd^ien eS, ha^ Sener ben D^u^en nid)t im ^Tuge gehabt \)abe. Qum erften 9J?a(e fagte man fid^, ha^ bie Uneigennü^igfeit eine Xugenb fei: gettiig mochten im kleinen unb ^riöaten ftd^ oftmals hd i^nen äl^nlid^e 5)inge ereignet l^aben, aber man l^atte ha^ 5Iugenmer! für biefe STugenb erft, alS fie jum erften Tlak in ganj groger (Schrift, leSbar für bie gan^e ©emeinbe, an bie SBanb gemalt lourbe. (£rfannt al§ Xugenben, ju 9^amen ge!ommen, in ©d^ö^ung gebracht, gur 5Ineignung anempfohlen finb bie moralifd^en ©igenfd^aften erft Oon bem 5lugcnblidEe an, ba fie fid^tbar über ®(üd unb 33er^ängmB ganaer ©efeHf^aften entf Rieben ^aben: bann ift nämlid^ bie §ö^e ber ©mpfinbung unb bie ©ncgung ber inneren fd^öpferifc^en Gräfte bei SSielen fo grofe, ba6 man biefer (Sigenjc^aft ©efdjenfe bringt,
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öom Sefteit, tooä jcber {)at: bcr (gtnfte legt tl^r fernen (^nft 5U gügen, ber Söürbige feine Sßürbe, bie grauen i^re TOIbe, bie Sünglinge aUcö §offnung§* unb 3utoft§= reid)e ii)re§ 2Sefen§; ber ^id^ter lei^t i^r SSorte unb Dramen, rei^t fie in ben fReigentan^ ä^nlid^er 2Befen ein, giebt i^x einen (Stammbaum unb betet gule^t, tok e^ Änftler t^un, ba§ ©ebilbe feiner ^^antafie a(§ neue ©ott^eit an — er (ef)rt fie anbeten, ©o n)irb eine Xugenb, lüeil bie Siebe unb bie 5)an!barfcit OTcr an i^r arbeitet, loie an einer S5ilbfäule, jule^t eine 3lnfammlung be§ ©uten unb S8erel^rung§tt)ürbigen, eine %it %tmpd unb gött(id)er $erfon gugleid^. @ie fte^t fürberljin al§ einzelne Xugenb ba, al§ ein SBefen für fi4 tDa§> fie bi§ bal^in nic^t n^ar, unb ixU bie SRed)te unb bie Si^ad^t einer gef)eiligten Übermenfd^Iid^feit auö. — Sm f))äteren ©ried^enlanb ftanben bie ^tähte. öoß öon fold^en t)ergottmenfd^Iid)ten 5(bftra!tiö (man öergei^e ha^ abfonberIid)e SSort um beg abfonberlic^en öegrip tt)illen); baS ^ol! l^atte fid) auf feine 5lrt einen <)tatonifd)en „Sbeent)immel" inmitten feiner (Srbe l^ergerid^tet, unb \d) glaube nid^t, ha'^ beffen Sntüol^ner ttjeniger lebenbig empfunben ujurben, a($ irgenb eine a(t^omerifrf|e (5Jottl)eit.
191.
2)un!el53€^^^i^- — „S)un!el*3^iten" nennt man fold^e in Dbrnjcgen, ha bie ©onne ben ganzen Xag unter bem ^origonte bleibt: bie Temperatur fäHt babei fortmö^renb (angfam. — ©in fd)öne§ (5Jleid)ni6 für alle Genfer, n^elc^en bie <Sonne ber 2J2enfd^^eit§ := 3"^M^ geitttjcitig üerfd^tüunben ifi
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192.
^cr ^^ilofopt) ber Üppigfett. — ©in ©arteten, geigen» fleine ^äfe unb bagu brei ober öier gute greunbc, — ba§ ttjor bic Üppigfeit ^pifur'g.
193.
i5)ic (Spod^en beö Se6en§. — ^te eigentlid)en (Spod^en im Seben finb jene fur^e Reiten beö (StiE- ftanbeg, mitten inne jtüijc^en bem 5(uf[tcigen unb StBfteigen cine§ regierenben ©ebanfeng ober ®efül^I§. §ier ift loieber einmal ©attl^eit ha: alle§ 5(nbere ift ^urft unb §unger — ober Überbrug.
194.
^cr ^raum. — Unfere Slräume finb, Ujcun fie einmal au^nal^m^^meife gelingen unb DoHfommen njerben — für gemöl)nlicf) ift ber Xraum eine ^fufdier-^lrbeit — , f^mbolifc^e ^cenen« unb S3i(ber=^etten an ©teile einer er5öf)Ienben ^id^ter-^pradje; fie umfd^reiben unfere ©riebniffc ober (Srmartungen ober ^l^er^ältniffe mit bic^terifd^er ^ü^nl)cit unb öeftimmtt)eit, ha'^ mir bann 3J?orgen§ immer über un§ erftaunt finb, menn mir un§ unferer träume erinnern. 9Bir öcrbraudjen im 5^raume ju öiel ^ünft(erifd)cS — unb finb bc§f)atD am ^agc oft ju arm baran.
195. 9^atur unb SBiffcnfd^aft. — ©an^ mic in ber 3^atur mcrben aud) in ber 9Siffenfd)aft bie fd)(cd)tcrcn unfrud)tbareren ®egcnben jucrft gut angebaut — meil
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t)terfür eben bic Tlittd bcr ange^enben SBifjenfc^aft ungefähr ausreißen, ^ie Bearbeitung ber fru^tbarften ©egenben fegt eine forgfam enttüirfelte ungeheure Slraft t)on 3)^et{)obe, getüonnene @inje('9fie{ultate unb eine organifitte @^aar öon 3lrbeitern, gut gejd^ulten 5Irbeitern, borau§; — bie§ 5lIIe§ finbct fic^ crft fpät gufammen. — 2)te Ungebulb unb ber @{)rgeij greifen oft ju frü^ m^ biefen frud^tbarften ©egenben; aber \>k ©rgebniffe finb bann gleid) 9^uE. Sn ber SJ^atur würben fid^ folc^e SSerlufte boburd^ rö^en, bog bie Slnficbler öeri^ungerten.
196.
©infad^ leben. — (Sine einfädle Sebenömeife ift jegt fd)tt)er: bagu t^ut öiel mel^r ^ad^benfen unb (Srfinbungggabe not^, al§ felbft fe^r gefd^eibte Seute ^aben. S)er (S^rlid^fte bon i^nen tpirb öiettei^t noc^ fagen: „Sd^ ^(iht nid^t bie Qdt, barüber fo (ange nad^« pbenfen. 2)ie einfad[)e SebenSraeife ift für midj ein §u öorne^me^ Q\d; ifi) toiÜ loarten, bi§ S® eifere, alö id^ bin, fie gefunben I)aben."
197.
©pigenunb(Sj)igc^en. — ^ie geringe grud^tbar f eit, bie pufige (£^eIofig!eit unb über^au^t bie gefc^led^tli^e ^ü^le ber !^öc|ften unb cuttiöirteften ©eifter, fonjie ber ^u it)nen geprenben klaffen, ift ttjefentlidf) in ber DConomie ber 9J?enfdf)f)eit: bie Vernunft erfennt unb mad£)t Q^thtan^ baüon, ha^ bei einem äugerften ^n!tc ber geiftigen (£nttt)icfelung bie ©efal^r einer nerööfen D^ad^fommenfd^aft fe^r grog ift: fold^e 9J?enfd^en finb @|)igen ber 9)?enfd^^cit — fie bürfen nid^t weiter in ©pigdfien auslaufen.
— 119 —
198.
^etnc Statur ma6)i ©Jjrürtgc. — Sßeitn bcr üJ^enfd^ ft^ nod^ fo ftarf fortenttoidEelt unb au§ einem ©egcnja^ in ben anbem überjufpringen fd^eint: bei genaueren S5eobarf)tungen toirb man bod^ bie SSct^ ja^nungen auffinben, lüo ha^ neue ©eböube au§ bem älteren ^erauStoäd^ft. 2)ie§ ift bie5(ufgabe beg S9iogra))^en: er mu§ nad^ bem ©runbfa^e über ha^ ßeben benfen, bog feine 9f?atur @j)rünge mad^t
199.
3it)ar reintid^. — SBer ftd^ mit rcingetüafd^enen Summen fleibct, f leibet [id^ jtoar reinlic^, aber bod^ Iumpenl)aft.
200.
^cr ©infame fprid)t. — Tlan erntet aU 2o\)n für üielen Überbrug, 3J^igmut^, Sangettjeile — lüie bie§ OTeS eine ©infamfeit o^ne greunbe, Sudler, ^ftic^ten. ßeibenfd^aften mit fid^ bringen mug — jene SBiertelftunben tieffter (Sinfef)r in fid^ unb bie Statur. SBer fidf) ööHig gegen bie fiangemeile öcrfd^anjt, öerf drangt fid^ audj gegen fid^ f eiber: ben fröftigften Sabetrunf auS bem eigenen innerften S3om lüirb er nie ju trinfen befpmmen.
201.
galf^c Serül^mtl^cit. — 3d) f)affe jene angeb* liefen Sf^aturfc^ön^eiten, meldte im (Sirunbe nur burd^ baä SBiffen, namentlid^ baS geograp^ifd^e, ttma^ be= beuten, an ftd^ aber bem fc^ön^eitSburftigen ©inne
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bürftig b(ei6cn: jum S^cifptel bic ^Tnftrf)! be^ TlontUanc t)OH ®enf aug — tttoa^ Unbebcutenbe^ o^nc bic ju §u(fe eilenbe ®ef)trnfreube be^ SBiffen§; bic näheren Serge bort finb aUt fc^öner unb au«brucfööoßer — aber „lange nidit fo l^od)", tüte jeneg abjurbe SSiffen, gur 5l6ftf)tüäd)ung, fiingiifügt. ^a§ 5luge tt)iberfpri(f)t babci bem SSiffen: tüte foü e§ fic^ int 2Siberfpred)en ttja^r^aft frenen !önnen!
202.
S8ergnügung§:=9fieijenbe. — (Sie ftcigen tüie X^iere bcn S3erg l^inauf, bumm unb fi^ttjigenb; man l^attc tl^nen gu fagen üergeffen, ha^ e§ unternjcgS fd)öne 5lu§fi^ten gebe.
203.
gu ötel unb ju tücnig. — ®te 9J?enfd)en burc^^ leben je^t alle gu tjiel unb burrf)benfeit gu ttjcnig: fie l^aben §ei6^unger unb Äoli! gugteic^ unb tücrben be^^alb immer magerer, fo öiel fic auc^ cffen. — 2Ser jegt fagt: „id^ !^abe ni^t§ erlebt" -— ift ein S)ummfopf.
204.
(Snbe unb ^xtl — 9^d^t iebeS (5nbc ift ha^ ßid. SDa§ @nbe ber 3)?e(obie ift mä)t beren S^ä; aber tro^- bem: 'i)at bic SJ^cIobie i^r ©nbe nid^t erreid^t, fo \)at fie aud^ i^r 3^^^ t^^^)^ erreid^t. ©in ©leid^ni^. *
205.
S^cutralitöt ber großen ^atux. — ^ie 9Zeutra« Ittöt ber großen ^atur (in 53crg, äJJeer, SSalb unb Söüfte)
^ 121 —
gefönt, ober nur eine fur§e Qdt: nac^^er ttjerben lütr ungebulbig. „SBoIIen benn bie[e ^inge gar m(i)t§ 5u unä fagen? ©inb von für fie nirfjt ba?" (S§ entfte()t ha^ ©efüljl eine§ crimen laesae majestatis humanae.
206.
^tc 2l6ftd)tcn öergeffen. — Tlan tjergigt über ber 9?eife gemeinl)tn bereit QiqI. goft jeber S3eruf toirb als 2J?ittet ju einem Qtotdz gen5ät)lt unb begonnen, aber als le^ter Qtvcd fortgefüt)rt. ^aS SSergeffen ber 5(bfid)ten ift bie ^äufigfte ®ummf)eit, bie gemad)t iPirb.
207.
©onnenbat)n ber 3bee. — Söenn eine Sbee om §on§onte eben aufgebt, ift gett)üt)n(id) bie Temperatur ber @ee(e babei fe^r falt. @rft allmät)lid^ enttüidelt bie 3bee i^re Sßärme, unb am t)ei§eften ift biefe [ha^ ^eigt fie tl^ut i!^re größten 2Bir!ungen), n)enn ber ©laube an bie Sbee fcfjon n)ieber im ©infcn ift
208.
SBoburd) man Hüe njiber firf) t)ättc. — SSenn je^t jemanb ju fagen njagte: „ttjer nid)t für mic^ ift, ber ift tt)iber mirf)", fo tyitte er fofort 5nie tt)ibcr fid). — ^iefe (Smpfinbung marfjt unferm 3citaUer @t)rc.
209.
©icf) beä 9^ctc^t!)umö fd^ömen. — Unferc 8^ Verträgt nur eine cinjige Gattung öon 9ieic^en, folc^c,
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toel^e fid^ t^re^ 9fJetd)t^umö fc^ätncn. ^ört matt t)on Seittanbem „er ift fel^r xdä)*', \o ^at man baSei fofort eine ö^n(td)e ©mpfinbung tüte beiitt 5tnbItdE einer ttjiberltt^ anfc^njeUenben £ran!^eit, einer %^tU ober SSafferfud^t: man mn§ ftd^ geloaltfam fetner Humanität erinnern, um mit einem folc^en ^teid^en fo t)er!ef)ren ju fönnen, ba§ er öon unferm ©felgefül^Ie ^ii^t^ merft. ©obalb er aber gar fid^ ttma^ auf feinen 9fJei^t]^um ju (55ute tl^ut, fo mifd)t fic^ ju unferm ©efü^Ic bie faft mitleibige SSertounberung über einen fo l^ofjen ©rab ber menfc^Iid^en Unvernunft: fo ha^ man bie §änbe gen ^immel erl^eben unb rufen möd^te „armer (Sntfteßter, Überbürbeter, f)unbertfa(^ ©efeffelter, bem jebe ©tunbe ettoaS Unangenet)me§ bringt ober bringen !ann, in beffen ^liebern jebeS feignife öon ^toan^ig SSötfem na^^udt, loie magft bu unS glauben mad^en, ba^ bu bid^ in beinem guftanbe iDO^Ifül^Ift! ^enn bu irgenbtoo öffentlid^ erfdf)einft, fo Ujiffen toir, ha^ e§ eine 5(rt ©:pie6rutf)enlaufeng ift, unter lauter 33lidEen, tt)elcf)e für bid^ nur falten j)a6 ober 3ubringli(^!eit ober fd^meigfamen ©pott l)aben. ^ein ©rlüerben mag leidster fein al§ ha§> ber 3Inberen: aber e§ ift ein überflüffigeö ^rtoerben, tt)eld^e§ njenig greube mad)t, unb bein S5en)a^ren aEe§ @rtt)orbenen ift jebenfallg je^t ein mül^feligereS ^ing al§ irgenb ein mül)felige§ ©rtoerben. 2)u leibeft forttt)äl)renb, benn "OVL berlierft fortmä^renb. 2Ba§ nü^t e^ bir, bag man bir immer neue§ !ünftlid^e§ S3lut jufü^rt: be^l^alb t^un bod^ bie ©d^röpfföpfe nic^t tüeniger n)e]^, bie auf beinem SRadten fi^en, beftönbig fi^en! — 5lber, um nid^t unbillig ju njerben, e§ ift fd^ttjer, öießeid^t unmöglid^ für bi^, nic^t reid^ ju fein: bu mu^t ben)ol)ren, mugt neu ertoerben, ber vererbte ^ang beincr Sf^atur
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tft baö Sorf) über btr — aber beöl^alb täu[d)e un^ md)t unb fd^ömc hiä) e!)rüd^ unb fid^tüc^ be§ Sod)e§, baö bu trägft: ba bu ja im (SJrunbe beiner (Seele mübe unb unlüillig 6ift, e§ ^u tragen. 2)tcfc (Sd)am fd)änbet md)t."
210.
5Iu§fd^n)cifung in bcr Stnmaajgung. — (£§ giebt fo anmaafeenbe 9J2enfd)en, bog fie eine ©rö§e, ioelcfie fie öffcntli^ beiüunbem, nid^t anberS ju loben tüiffen, al§ inbem fie bicfelbc al§ SSorftufe unb S3rüde, bie ju il)nen fü^rt, barfteßen.
211.
^uf bem S3oben bcr (Sd^mad^. — SBer ben 9D?enfd)en eineSSorftellung nehmen n)ill, tf)utftd§ getüö^nlicf) nid^t genug bamit, fie §u ttjiberlegen unb ben unlogifd^en Söunn, ber in i^r fi^t, \)txavL^n^k^m: öielmel^r tüirft er, narf)bem ber Söurm gelobtet ift, bie ganje grud^t aud) nod^ in ben ^ot\), um fie ben SJ^enfd^en unanfel^nlid^ 5U mad)en unb (£fe( öor if)r einguflögen. ©o glaubt er ha^ SUhttel ge[unben ju ^aben, bie bei n)iber(egten SSorfteUungen fo gen)ö{)nlic§e „Söieberauferfteljung am britten ^age" unmöglid^ ju mad^en. — (£r irrt fid^, bcnn gerabe auf bem S3oben ber(Sd^mad^, inmitten beö Unf(atl)eö, treibt ber grud^tfcm ber $8orftcIIung fdjneö neue Äeimc. -- 5llfo: ja mdf)t t)ert)ö^nen, befd)mu^en, toa^ man enbgültig befeitigen njill, fonbem cö od)tungdt)oIl auf (Siä legen, immer unb immer njieber, in 3lnbetrad)t bag SSorftcHungen ein fe^r jö^eö Scben l^aben. ^ier mug man nad^ ber SUiajime l^anbeln: „@ine SSiberlcgung ift !eine SSiberlegung."
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212.
ßi)o§ ber Tloxaiität — ^a btc ©ebunben^ctt ber ©eifter oBnimmt, ift ftc^erlic^ bte 9}2oralität (bie öererSte, überlieferte, inftinlt!)afte §anblung^tt)eife narf) moralifc^en ©efü^Ien) ebenfalls in ^bna^me. citd^t aber bie eingelnen iugenben, SJ^ögigfeit, ®ercc§tig!eit (Seelenruhe, — benn bie größte greit)eit be§ betüugten ©ei[te§ füJ)rt einmal f^on untpiUfürlic^ ju i^nen §in unb xäti) fie fobann au4 al^ nügli^ an.
213.
©er ganatüer be^ SJHgtrauenä unb feine S5ürgfd^aft. — ©er 5IIte: ©u tüiEft ha^ Ungeheure njagen unb bie 9J^enfcf)en im ©roßen belef)ren? 2öo ift beine 93ürgfd)aft? — $5rrf)on: §ier ift fie: id^ njill bie SJ^enf^en öor mir felber n)amen, ic^ tüill alle ^e^Ier meiner D^atur öffentlid^ be!ennen unb meine llbereilungeTip SBiberfprüd^e unb ©umml^eit t)or aUer ^2Cugen blofefteöen. §ört nidbt auf mid^, tt)itt i(^ i^ncn fagen, bi§ id^ nicf)t eurem (S^eringften gleid^ gemorben bin, unb nod^ geringer bin, al§ er; fträubt eud^ gegen bie Sßa^r^eit, fo lange i^r nur fönnt, au§ @fet t)or ©eni, ber ii^r gürfpred)er ift. Sd^ njerbe euer ^ßerfü^rer unb S5etrüger fein, ttjenn i^r notf) ben minbeften (SJIanj öon 5(d)tbar!eit unb SSürbe an mir njal^rnel^mt. — ©er SCIte: ©u öerfprid^ft gu öiel, bu fonnft biefe Saft nic^t tragen. — ^^rrl^on: <Bo tüxU \d) and) bieg ben 9J?enfd)en fagen, \>a'^ i^ gu fd^njad^ bin unb nidf)t {)a(ten fann, ftjag \6) terfprerfie. Se gröjger meine Unn)ürbig!cit, um fo mei)r n)erben fie ber Sßal^r^eit mißtrauen, tcenn fie burd) meinen 9Jhinb ge^t. -— ©er
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$IItc: SSiffft bu bcnit bcr Seigrer be§ Sy^tgtrouenS gegeit bie SSaijr^eit fein? — ^^rrl^on: ^e§ SJ^igtrauenä, tute e§ nod^ nie in ber SSelt tüar, be§ TOgtrauenS gegen 5IIIe§ unb Sebeö. (S§ ift ber einjtge SBeg jur Sßai)rf)eit. S)a§ red)te STuge barf bem linfen ni^t trauen, unb ßid^t ttjirb eine 3^^^iö"9 ginfternijg l^eigen muffen: bie§ ift ber 2Seg, ben i^r gef)en mügt. (Glaubt nid^t, \>a^ er eud^ ju gru^tböumen unb fd^önen SSeiben flirre, kleine l^arte Körner loerbet i^r auf il^m finben, — ba§ finb bie SBal^rfieiten: Sat)räe^enbe lang Ujerbet il)r bie Sügen ^änbeöoll öerfd)Iingen muffen, um nid^t §unger§ ju fterben, ob i^r fdf)on toiffet, ha^ eS Sügen finb. Senc Körner aber n^erben gefäet unb eingegraben, unb öicHeic^t, öielleid)t giebt eS einmal einen ^ag ber @mte: niemanb barf if)n öerfpred^cn, er fei benn ein ganatifer. — 2) er Sllte: greunb, grcunbl 5(uc§ beine SBorte finb bie beg ganatiferS! — ^^rrl^on: S)u l^aft SRed^t! id^ tt)ill gegen aUe SBorte migtrauifd^ fein. — 2) er Sil te: ^ann toirft bu fd^toeigen muffen. — ^^rr^on: Sd^ merbe ben 3J?enfd)en fagen, \)q.% \(5) fdimeigen mug unb \>a^ fie meinem (S^h)eigen mißtrauen follen. — 2)er 5tlte: ®u trittft alfo öon beinem Ünteme!)men jurüd? — ^^rrt)on: SSielme^r — bu ^aft mir eben baä Xf)or gegeigt, burd^ Ujcldje^ id^ gel;en muß. — 2) er 511 tc: 3d) tueijj nid^t — : öcrfte^en ttjir uns je^t nod^ üöllig? — ^^rr^on: 2öai)rfd^einlic^ nid^t. — ^ er Sitte: SBenn bu bid^ nur f eiber ööllig Uerftel)ft! — ^^rr^on brel)t fid^ um unb lad^t. — 2) er Sitte: Sld^ greunb! (Sd)n)eigen unb Sadjen — ift baS jeßt beine ganjc ^l)i(ofop()ie? -- ^t)rrI)on: Sg toärc nid)t bie fc^Iec^tefte. —
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214.
(5uro^)äif(^e S3ü^er. — SKan tft beim ßefen t)on SJ^ontmgne, 2a !)fiod^efoucau(b, 2a S5ru^^re, gontenette (namentlich ber dialogues des morts), i8aut)enargue§, ß^tjamfort bem ^lltertl^um nö^er al§ bei irgenbiueld^et ©rupj3e t)on fec^S ^Tutoren anberer SßöÜer. ^urd^ jene @ed^§ ift ber ©eift ber legten Sal^rl^unberte ber alten S^^^^^^^i^^Ö lieber erftanben — fic jufammen Bilben ein loid^tige^ ©lieb in ber großen no^ fort* laufenben ^tttz ber Sf^enoiffonce. S^re S5üd§er erl^eben ftd§ über ben Sßed^fel be§ notionalen ©efd^macfö unb ber t)f|ilofop^ifd^en gärbungen, in benen für gett)ö^nli(^ jegt jebe§ ^d^ fd^iKert unb fd)iKem mu§, um berül^mt gu Serben: fie entlialten mel^r tt)irflid^e ©ebanfcn a(§ aKe ^üd^er beutfd^er ^l^ilofopl^en gufammengenommen: @eban!en t)on ber ^Trt, toeld^e ©ebanfen mad^t, unb bie — id^ bin in SSerlegenl^eit ju @nbe gu befiniren; genug, ha^ e§ mir 5tutoren jn fein fd^einen, toeld^e toeber für ^nber nod^ für ©d^tüärmer gefd^rieben ^aben, Ujeber für Sungfrauen nod^ für ß^^riften, »eber für S)eutfd^c nod^ für — id^ bin toieber in SSerlegenl^eit, meine Sifte gu fd^Iiejgen. — Um aber ein beutlid^eS 26b gu fagen: fie toören, gried^ifd^ gefd^rieben, an^ Don ®rie(^en öerftanben toorben. SBie öiel \)ätte bagegen felbft ein $tato öon ben ©d^riften unfcrer beften beutfd^en S)enfer, jum 95eifpiel (§Joet^e'§ unb @d^opcn- l^auer'g, überl^aupt öerfte^en fönnen, Don bem SBibcr- toiHen ju fd^tt)eigen, »eld^en il^rc ©d^reibart i()m erregt l^aben toürbe, nämlid^ ha^ ^un!Ie, Übertriebene unb gelegentlid^ loieber Älapjjerbürre, — gel^Ier, an benen bie (SJenannten nod^ am menigften Don ben bcutfd^en S)en!crn unb bod^ nod^ aHjuöiel leiben (®oet^c, a(g Genfer, f)at
I
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btc SBoIfe lieber umarmt, qI§ Sttttg ift, unb <Sd^opert* t)auer lüanbelt md)t ungeftraft faft forttoä{)renb unter '^Jlcid^niffen ber ^inge ^tatt unter ben fingen felber). — dagegen, ttield^e §ellig!eit unb jterltdie 93eftimmtf)ett bei jenen granjofenl S)iefe ^unft l)ätten aud) bie feino^rigften ©ried^en gutl^eigen muffen, unb ©ineö tDürben fie fogar ben)unbert unb angebetet ^aben, ben fran^öfifdien SSi^ be§ ^u§brud§: fo ettt)a§ Hebten fie fel^r, ot)ne gerabe barin befonberg ftar! ju fein.
215.
SO^iobc unb mobern. — Überaß, too norf) bie Unn)iffent)eit, bie Unrein(irf)!eit , ber 5Iberg(aube im ©c^Ujange finb, Ujo ber S8er!e^r (at)m, bie Sanbmirt^fd^aft armfelig, bie ^riefterfc^aft mäd)tig ift, ta finben fid^ aud^ nod^ bie S^ationaltrad^ten. dagegen ]^errfd)t bie 9Kobe, n)o bie STngeidien beS @ntgegen= gefegten fid^ finben. 2)ie Tlobt ift olfo neben ben Xugenben beS jegigen (£uro|)a ju finben: foEte fie toirüic^ bercn ©d^attenfeite fein? — ^wnöd^ft fagt bie männliche öeüeibung, tt)e(c^e mobifd^ unb nid^t me^r national ift, öon 5)em, ber fie trägt, au§, ba§ ber (Suropäer nid^t alö ©in^elner noc^ alö ©tanbcS^ unb SSoIf^genoffe auffallen toitt, ha^ er fi^ eine abficl)tlic^e Dämpfung biefer Wirten oon (Sitelfeit jum ®efe^ gemacht l)at: bann ha^ er arbeitfam ift unb nic^t öiel 3cit äum 5lntleiben unb @id^=pu§en i^at, an6) oUeö Äoftbare unb Üppige in ©toff unb galtentourf im SBiberfprud^ mit feiner §lrbeit finbet; enbli^ bog er burd^ jeinc Xrac^t auf bie gelel^rteren unb gciftigeren ^Berufe atö bie ^intoeift, meldten er als europäifc^er Tl^x[\6) am nöd^ften ftel)t ober ftel)en möd^te: toö^rcnb
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burd) btc noc^ öorl^onbenen 9^attottoItra(!)tcn bcr fHäubet, ber §irt ober ber ©olbat qI§ bie tüünfd^Barften unb tonangeBenben Se6en§fteIIungen {jinburd^fd^immern. 3nner= t)alb biefe§ (^e\an\mtf(^^axalttt^ ber männli^en SJ^obe giebt e§ bann jene üetnen ©c^tüanfungen, tüeld^e bie ßitelfeit ber jungen Tlännex, ber (Stu|er unb 9^trf)t§s tl)uer ber großen ©täbte ()ert)or6ringt, alfo ^ercr, njelc^e al§ euro^)äifd|e 93^enfd)en nod^ nic^t reif getüorben jinb. — • ^ie europäifd^en grauen finb bieg nodEi biel tüentger, lt)e§f)alb bie ©d^toanfungen bei it)nen öiel größer finb: fie lüoöen au^ ha^ S^ationale nid^t unb l^affen e§, ai§> ^eutfd^e, grangofen, 5Ruffen an ber ^leibung erfannt gu tüerben, aber aü ©ingelne ItJoHen fie fe!^r gern auffallen; ebenfo foH 9^iemanb fd^on burd^ t^re Sefteibung im ß^eifel gelaffen werben, bo^ fie ju einer angefe^eneren 0affe ber ©efeEfd^aft (gur „guten" ober „Ijofien" ober „großen" SBelt) gepren, unb gtüar Ujünfd^en fie na^ biefer ©eite l^in gerabe um fo mep öoreingune^men , üU fie nid^t ober !aum ju jener klaffe gef)ören. S5or 5IEem aber loiE bie junge grau ^\d}t§> tragen, tt)a§ bie tttüa^ ältere trögt, ttjeil fie burd^ ben SSerbad^t eineg f)öf)eren SebenSalterg im greife gu faKen glaubt: t>k ältere toicberum möd^te burd^ jugenblidEiere ^radf)t fo lange töufd^en, al§ eö irgenb angebt, — auS toeld^em SBettbetoerb fid^ geittüeiftg immer SO^oben ergeben muffen, hzi benen \>a^ eigentlid^ Sugenb^ lid^e gong ungtueibeutig unb unnadtja^mlid^ fid)tbar lüirb. §at ber ©rfinbungSgeift ber jungen ^nftlerinnen in foIdf)en SBIojgftellungen ber Sugenb eine 3^i^Qi^9 gefd^ttjelgt, ober um bie gange 2Ba^rt)eit gu fagen — Ijat man tt)ieber einmal ben (SrfinbungSgeift älterer t)öfifd^er Kulturen, fott)ie ben ber nod^ beftet)enben Stationen, unb übert)au)3t ben gonäen coftümirten (&:b!reig gu S^iatl^e
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gebogen unb ttwa bic (Spanier, bie dürfen itnb OTgried^cn jur Snfcenirung be^ jcljöncn gleijdjc^ gufammengefoppelt: fo entbedt man cnblid) immer mieber, ba§ man fic^ bod) nidjt gum Seften auf feinen SSort^eil tierftanben ^abe; ha^, um auf bie 9J?änner 2öir!ung §u machen, ba§ ^erftedfpielen mit bem fd)önen Seibe g(üd(id)er (et al§ bie nadte unb l)at6nadte (£f)rlid)fett; unb nun breöt fidi \)a^ 9fiab be§ ®efd&made§ unb ber ßitelfeit einmal tüieber in entgegengefe^ter D^iidjtung: bie etmaS ölteren jungen J^i^ouen finben, ba^ i^r Üieic^ gefommen fei, unb ber SSettfömpf ber Iieblid)ften unb abfurbeften ©efd^öpfe tobt mieber öon 9^euem. Se mel)r aber bie grauen innerlid) gune^^men unb md)t mel)r unter fic^, njie bisher, bcn unreifen TOer^flaffen ben SSorrang 5ugeftel)en, um fo geringer loerben biefe ©djmantungen it)rer Xrad)t, um fo einfad)er i^r ^u^: über meld)en man billigermeife nid)t nac^ antifen äJ^uftern ba§ Urt{)ei( fpred)cn barf, a(fo nid^t nod) bem 9}?aa§* ftabe ber ©eiüanbung füblänbifc^er ©ee^^tntüo^nerinnen, fonbem in Serüdfid)tigung ber himatifd)en S9ebingungen ber mittleren unb nörb(id)en ©egenben Suropa'S, beret nämtid), in meldjen je^t ber geift= unb fonnerfinbenbc ©eniuö ©uropa'ö feine (iebfte §eimat f)at. — Sm ©angen tüirb alfo gerabe nid)t ha^ Söe^fetnbe ha^ d^ara!teriftijd^e 3cid)en ber 9Jtobe unb beä SD^obernen fein, benn gerabe ber 2ßed)fel ift ctmaö $Rudftänbige§ unb bejeid^net bie nod) ungereiftcn männlidjcn unb tüeiblidien Europäer: fonbem bie ^Ibte^nung ber nationalen, ftänbifd)en unb inbiöibuelten (Sitelfeit ^em entfpredjenb ift cä ju loben, n)ei( eö Jrafts unb jeiterfparenb ift, mcnn cinjclne <3täbte unb (SJcgcnben (Suropa'g für alle übrigen in <Bad)cn ber Äleibung beulen unb erfinben, in 5lnbetrad^t beffen, ba§
9He%fd)i« «Btrte. Alan «KuSg IV. d
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ber gormenfinn nid)t jebennann gefd^cnft §u fein ^ftegt; auc^ ift e§ imrfüc^ fein aE^u l^od)fIiegenber (S]f)rgeij, toenn pm S5eiJ})ieI $ari§, fo lange jene ©^toanfungen nod^ befielen, e§ in 5Infprud^ nimmt, ber alleinige (Srfinber unb Steueret in biefem 9^eid)e ju fein. SSiE ein ^eutf^er, au§ §a§ gegen biefe 5lnfprü(^e einer franko* fifd^en ©tabt, ftd^ onberS fleiben, jum Seifpiel fo tt?ie 5l(bred)t ^ürer ft(^ tmg, fo möge er ertüögen, bog er bann ein (Softüm ^at, melc^e^ ehemalige ^eutfc^e trugen, toelc^eS aber bie ©eutfd^en ebenfotoenig erfunben l^aben,. — eS ^at nie eine STradjt gegeben, toeld^e ben S)eutfd§en al§ ^eutfd^en be§eid^nete; übrigen^ mag er ^ufel^en, loie er au§ biefer Xrad^t l^erau^fd^aut unb ob ettoa ber ganj moberne ^oj)f nid^t mit all feiner Sinien- unb göltd^en= fd^rift, toeld^e ha^ neun^e^ntc Sa^r^^unbert l^ineingrub, ^egen eine ^ürerifdje Söefleibung ^nfprac^e tl^ut -- ^ier, too bie S5egriffe „mobern" unb „europäifd^" faft gleid) gefegt finb, toirb unter Europa öiel mef)r an Sönberftreden öerftanben, al§ \)a^ geogra<)l^ifd^e ©uropa, bie fleine §albinfel 5Ifien'g, umfaßt: namentlid^ gel^ört Emerifa I|in§u, foiüeit e§ eben ha^ Xod^terlanb unferer Sultur ift. 5lnbererfeitS faßt nic^t einmal ganj (Suropa unter ben (S^uItur-SSegriff „Europa"; fonbem nur aUe jene S8öl!er unb SSölfert^eite, totl^z im ©ried^en^ 9iömer«: 3ubens unb S^riftentt)um il)re gemeinfame SSergangen^eit t)aben.
216.
^ie „beutfd^c Xugenb^ — ©^ ift nid^t ju leugnen, ba^ Dom StuSgange be§ öorigen 3a!)rt)unbert§ an ein Strom moralifd^er (Srn^ed^ung burd^ (Suropa flog. ^amatfS erft tt)urbe bie Xugenb n^ieber berebt; fie lernte e§, bie ungestoungcncn ©ebärben ber (Srijebung, ber
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Kü^rung finben, fie fdjämte firf) i^rer felScr ntd^t me^t unb erfann ^f)iIofop]^ien unb ®ebid)te §ur eigenen 35ers f)errlid^ung. @uc^t man nod) ben Duellen biefeS ©tromeS: fo finbet man einmal 9?ouff eau, aber ben m^tliifd^en 9iouffeau, ben man fid^ nad^ bem ©inbrucfe feiner <Sd)riften — faft !önnte man tüieber fagen: feiner m^t^ifd^ aufgelegten (Sd)riften — unb nac^ ben gingergeigen, bie er felber gab, erbid)tet f)att^ (— er unb fein ^ublifum arbeiteten beftönbig an biefer Sbea(figur). !J)er anbere Urfprung liegt in jener SBieberauferfte^ung beg ftoifd^^ großen 9fiömertf)um3, burrf) tDelc^e bie ^rangofen bie Aufgabe ber fRenaiffance auf ha^ SBürbigfte tüeiter^ geführt \)ahm. @ie giengen üon ber 0iad)fd^öpfung antifcr gormen mit l^errlid^ftem Gelingen gur iJiad^fc^öpfung antifer (Stjaraftere über: fo ha^ fie ein 5lnred^t auf bie allerpd)ften (Sf)ren immerbar bef)a(ten loerben, alä bai ^olt, ttjeld)eö ber neueren 9}?enfd)i)eit bisher \)k beften Sudler unb bie beften S[Renfd^en gegeben ^ot. 2Bie biefe bojjpelte 58orbi(bIid)!eit, bie be^ m^t^ifd)en Stouffeau unb bie jene^ n)iebcrem)edten 9?ömergeifteg, auf bie fd^tröcfieren 9^ad)bam n)ir!te, fielet man namentlid^ an ^eut[c^Ianb: tt)eld§eä in golge feinet neuen unb gan^ ungewohnten '^luffd^njungeS ju ©ruft unb (SJröge beg SBoHeng unb @id^=S3e^errfd)en3 jule^t t)or feiner eigenen neuen Xugenb in ©taunen geriet!) unb ben Segriff „beutjd^e ^ugenb" in bie SBelt marf, toic ald ob eS nid^tS Urfprünglid^crcS, (SrbeigenereS geben fönntc alö biefe. ^ie erften großen 9J?änner, toeldje jene franjöfifd^e Anregung jur ©röge unb S3en)u6tf)eit be« fittli^en SBoIlenS auf fic^ überleiteten, Ujaren el^rlid^er unb öergafeen bie ^anfbarfcit nicf)t. ^er aj^oraliömu« Äant'ö — toot)er !ommt er? (£r gicbt c8 miebcr unb ttjicber ju tcrftc^en: öon JRouffeau .urib bem »icberertoedtcn
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ftoifcfjen SfJom. ^cr Woxalx^mn^ (Bc^iller'§ : gIetcE)e OueHc, gteidie S[^er^errlid)ung ber DueHe. S)er 3J?oraliömu§ S5eet^ot)en'§ in SE^önen: er tft ha^ eiDige Soblteb S^iouffeau'g, ber antifen grangofen unb @d)tller'§. @rft „ber beutfd^e Süngling" öergag bie 2)anf5arfett, ingtütfc^en Ijatte man ja t>a^ D^r nad^ ben ^rebigem be§ grangofentiaffeö l^ingelüenbet: jener beutfd^e Süngling, ber eine 3^^^^0"9 mit mef)r SSeiüugt^eit, al§ man 6ei anbern Süngüngen für erlaubt l^ält, in ben SSorbergrunb trat. Sßenn er nad) feiner ^ater|d)aft }f)ürte, fo mochte er mit 9^ed)t an bie S^öl^e ©d)it(er'§, gic^te'g unb (Sd)(eiermad^er'§ benfen: aber feine ©rofeööter Ijättt er in $ari§, in ©enf fud)en muffen, unb e§ iDor fe{)r furgfid^tig ju glauben, tnaS er glaubte: ta^ bie ^ugenb nic^t äüer al§ breifeig Sahire fei. ^amal^ getüöljute man fid^ baran, §u Verlangen, bal^ beim Sßorte „beutfc^" aud) nod^ fo nebenbei bie ^ugenb mitüerftanben njerbe: unb bi§ auf ben l^eutigen Xag \)at man e§ nod) nid^t üöEig Verlernt. — S^ebenbei bemerft, jene genannte moralifd^e (Srmedung l^at für bie @r!enntni§ ber moralifd^en (Srfd^einungen, lüie fid^ faft errat^en lögt, nur S^ad^t^eile unb rüdfdjreitenbe 33ett)egungen gur golge gef)abt. SBaS ift bie gan§e beutfdje 9JJoraI)):^iIofopt)ie, öon ^ant an gered^net, mit aEen i^ren frangöfifdjen, englifdjen unb italiänifc^en 5Iu§Iäufern unb 9^eben5ÜgIern? @in ^aIbtE)eoIogifd^e§ 5Ittentat gegen §ett)eäu§, ein ^btoeifen ber lange unb mül)fam erfämpften greiblide ober ginger^eige be§ redeten SßegeS, tüeld^e er gule^t gut au^gefprod^en unb gufammengebrad^t t)at. S3i§ auf ben l^eutigen Xag ift §elöetiug in S)eutfc^lanb ber beft^ befd^imt)fte atter guten 9??otaüften unb guten SJ^enfd^eu,
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217.
ßlQJfifdj unb romautifd). — (Son)of)t btc claffifc^ al§ bte romantifc^ gefinntcn ©elfter — it)le c§ biefe 6etben (SJattungen immer gtebt — tragen fid) mit einer SSi[ion ber S^i^i^^f^* ^^^^ ^^^ erftcrcn au§ einer (Stärfe ifjrer 3^^^ (jcrauö bic Icgtcren au§ bereu G dj 10 ä d) c.
218.
^ie SJ^ajdjine qIö ßef)rertn. — ®ie SDZafd^inc Icf)rt burd^ ftd^ f eiber ha^ Sneinanb ergreifen öon 9D?enfd)cn- Raufen, bei 5(!tionen, tvo jeber nur @in§ gu tl^un i:)at\ fie giebt ba§ SO^ufter ber Partei - Drganifation unb ber ^tieg§füf)rung. (Sie (e^rt bagegen nid)t bie inbiüibucHe ©elbff^errlid^feit* fie mac^t au§ SSielen eine SDtafc^iuc, unb au§ jebem ^inselnen ein SBcrfjeug^u einem 3tt»ecfe. Sl^rc oHgemeinfte Söirfung ift: bcn Sluljcn ber dentralifntion gu Icljrcn.
219.
9f^id)t fe§t)aft. — 9}Jan tüoljut gerne tu ber fleincn ©tobt; aber öon QQit ju 3ci^ treibt gerabe fie unö in bie einfamfte unent()ülllcfte S^iatur: bann nämlidj, lucnn jene un§ einmal miebcr ju burd)fic^tig gemorben ift. ©nbüc^ ge{)en Ujir, um un§ lieber üon bicfer Statur ju erboten, in bie grofee ©taDt. Einige 3üge au§ berfelben — unb mir erratl)en ben Söobenfag il)re§ S3ed)er§, — ber 5trci§(nuf, mit ber ffcinen ©tabt am 5(nfange, beginnt t)on ^euem. — ©o leben bie SJiobenien: meiere in 5(Cfcm etmag ju grünblid) finb, um fegtiaft ju fein gleid) bcn 3J?cnfd)en anberer ^^^ten.
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220.
fUealixon gegen bte SD^afd^inen^SuItur.— ^ic SJJafd^ine, felber ein (Sr^engnig ber ]^öd;ften S)en!fräfte, fe|t 6et ben ^erfonen, toeldie fie Bebienen, fa[t nur bie meberen geban!enIofen Gräfte in Seiuegung. Sic entfeffett babei eine Unmaffe ^aft nhtx^aiDpt, bie fonft fd^Iafen läge, ha^ ift toa^r; aber fie giebt nid^t ben eintrieb gum §ö^erfteigen, ^um Seffermad^en, gum ^nftlertüerben. ©ie mad)t tl^ätig unb einförmig — i)a§ ergengt aber auf bie S)auer eine (SJegentoirfung, eine öer§n)eifelte Sangetüeilc ber @eele, lüeld^e burd^ fie nad§ tt)ec|feIt)oIIem 50?ü§iggonge bürften lernt
221.
^ie ©cfö^rüdjfett ber ^lufüärung. — MeS baS ^alböerrüdte, ©^aufpielerifd)c, Stf)ieri{^^©raufame, SBoHüftigc, nantentU^ (Sentimentale unb ©ic^^felbft* S3erau|d^enbe, tt)c8 jufammen bie eigentlid^ ret)oIu = tionöre @ubftanj au§mad)t unb in Ü^ouffeau, öor ber 9flet)o(ution, gleifd^ unb ®eift geworben n?ar, — biefe^ ganje SBefen fe^te fid^ mit J)erfiber S5egeifterung nod^ bie 5tufflärung auf ha^ fanatifd^e §aupt, welches burc^ bieje felber njie in einer öerflärenben Glorie gu Ieucf)ten begann: bie 51ufflärung, bie im ©runbe jenem SBejen fo fremb ift unb, für fi(^ njattenb, ftiH tük ein Sid)tgtan5 burd) SSolfen gegangen fein njürbe, lange 3eit aufrieben bamit, nur bie (Sinjelnen umgubilben: jo \>a^ fie nur fel)r langfam auc^ bie ©ittcn unb ©inri^tungen ber SSölfer umgebilbet l)ätte. Se^t aber, an ein genjaltjameS unb plö^lid^eS SBefen gebunben, n)urbc bie $lufflärnng (eiber gelpaltjam unb Jjlö^lic^. 3l)te
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©cfäl)rlid)fett tft baburd) faft t^röfeer geworben als bic Befreienbe unb er{)ellenbe Sf^üfelidjfeit, JDeld^e burd^ fic in bie groge 9fleöoIution§=S3en3egung !am. Sßer bie§ begreift, tt)irb aud^ toiffen, auS toeld^er SSermifd^ung man fie t)erau§§iiäie^en, öon tüeld^er SSerunreinigung man fie ju läutern I)at: um bann, an fid^ fei b er, ba§ SSerf ber 5luf!(ärung fortjufe^en unb bie Sfieöolution nod^tröglic^ in ber ®eburt gu crftiden, ungefc^ei)en ju mad^en.
222.
^ic ßcibenfrf)aft im SD^ittcIaltcr. — ^a« 9KitteIalter ift bie Qdt ber größten Seibenfc^aften. SBeber ba§ Stltertl^um nod) unfere ^tit fjat biefe ^luSloeitung ber ©ce(e: if)re 9?äumlidj!eit Ujar nie größer, unb nie ift mit löngeren SJ^aagftäben gemeffen n)orben. ^it p!)t)ftfd)e llrn)alb'2eiblic^!eit öon Sarbarenüölfem unb bie überfee(enf)aften, überrtjai^en, aüäuglänjenben klugen t)on c^riftlid^en 2)?t)fterien=Süngem, ha^ ^nblid)fte, Süngfte unb ebenfo ia^ Überreiffte, SllterSmübefte, bic 9f?ol)|eit be§ 9?aubtt)ier§ unb bie SSeräärtelung unb 5tuöfpigung beä fpätantüen ©eifteS — SlUeä bieS fam bamalä an @iner ?ßcrfon nid)t feiten jufammen: ha mußte, tüenn einer in Seibenfd^aft gerietl), bie ©tromfd^neUc beä (§JemütI)e§ gen^altiger, ber ©trübet öeüüirrter, ber ©turj tiefer fein alö je. — SBir neueren 9J?enfcf)cn bürfen mit ber Einbuße 5ufrieben fein, tDcId)e I)ier gemad)t lüorben ift
223.
^Rauben unb fparen. — Mc geiftigen ©ehjegungen gcl)en öortuärtS, in ^otge beren bie (Großen ju rauben, bic 5^Ieinen ju fparen Ijoffen fönnen. ^cöl)alb gieng ^um Seifpiel bic bcutfd^c ^Reformation öornjftrtö.
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224.
gröl^ttc^e ©eeten. — SBenit ouf ^run!,^run!ens l^eit unb eine übelrtedjenbe Wct öon Unflät^erei aud) nur bon ferne l^ingetütnft tüurbe, bann tüurben bie @ee(en ber älteren ^eutf^en fröl^lid^, — fonft tvaim fie tjerbroffen; aBer bort Rotten fic t^re 5Irt Don SSerftänbni^'Snniöfeit
225.
SDa§ on^fd^tüeifenbc ^t^en. — (Selbft qI§ ber gijd^marft 5Itr)en'^ feine Genfer unb ^ic^ter befommen l^atte, befa§ bie gried^ifd^e 5Iu§fd)tt)eifung immer nod) ein ib^Eif^ereS unb feinere^ ^lu^fe^en, al§ eä je bie tömifdje ober bie beutf^e 5Iu§f(^iüeifung ^atte. ^ie (Stimme SuDenaF^ f)äü^ bort lüie eine l^o^Ie Xrompete gelungen: ein artige^ unb faft !inblid)e§ ©elöd^ter ^ätte il^m geanttüortet.
226.
Sllug^^eit ber ©ried)en. — ^a ba§ (Siegen* unb §erborragen=n3oIIen ein unübertuinblidjer Quq ber Dtatur ift, älter unb urfprüngli^er al§ alle Sl^tung unb greube ber ®Ieid)ftettung, fo l^at ber griedjifd^e (Qtaat ben g^mnaftifd^en unb mufifd)en Sßettfampf innerl^alS ber ©leid^en fanftionirt, alfo einen Xummelpla^ abgegrenzt, 100 jener ^rieb fid^ entlaben !onnte, o^ne \>k poIiti)d}c Drbnung in ©efa^r §u bringen. Tlit bem enblic^en SSerfaHe be§ g^mnaftif^en unb mufifdf)en 2öett!ampfe§ gerietf) ber gried^ifd^e (Staat in innere Unrul^e unb 5luflöfung.
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227.
„!Der etütge (E^ifur." -- ©pifur ^at 5U allen Reiten gelebt unb lebt nod^, unbefannt 2)enen, lüefc^e [idj (Spüureer nannten unb nennen, unb ol^ne 3fiuf bei ben $I}iIofopf)en. 5Iud^ f)at er felber ben eigenen 9^amen öergeffen: e§ tror ha^ f^njcrfte ©epöcf, tt)etd^e§ er je abgenjorfen i)at
228.
@ti( ber Uberlegcnf)eit. — (Stubentcnbeutfd), btc (Spred)n)eije be^ bcutfd)en ©tubenten, i)at i^ren Urfprung unter ben nid)t'ftubierenbcn ©tubenten, tüetcfic eine 5Irt Don libergen)id)t über i^re ernfteren ©enoffen baburd^ ^u erlangen tüiffen, bog fte an Silbung, ©ittfamfeit, ©elef)rtl)eit, Orbnung, 50?ä6igung alleö 3J^aö!eraben^afte aufberfen unb bie SBorte auö jenen 95ereid^en ^tvax forttüäl)renb ebenfo im 9J?unbe füfjren, tüie bie S3efferen, Gelehrteren, aber mit einer So§f)eit im S3Iicfe unb einer begleitenben ©rimaffc. 3n biefer (Spra(f)c ber Überlegenheit — ber einzigen, bie in jDeutfd^Ianb original ift — reben nun uniüillfürlid^ aud) bie ©taatS- mönner unb bie geitungö-^tücr: eg ift ein bcftänbige^ ironi}d)eö (Sitircn, ein unrul)igeö, unfriebfcrtigeS ©djielen bc^ 5(ugeö nad) 9Jcd)tä unb 2\nU, ein ©änfc[ü^d)cn- unb (55rimaffen=S)eutfci^.
229.
®ic Sßcrgrabenen. — 2öir jielicn un§ in'S Sßcrborgenc ^urüd: aber nid)t auS irgcnb einem perfönlid)eu 9}ii5mutl)e, alö ob un3 bie politifdjcn unD focialen SSerl)ältniffe ber Gcgcmoart nidjt genugtl;öten,
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fonbcm toell lotr burd^ unferc ßw^c^^i^^ii^Ö ^öftc jparen unb fammeln njotten, h)eld)e fpäter einmal ber dultur gatij not^ tljun lüerben, je inef)r biefc ®egen* tüart biefe ©egentoart ift unb d^ fold^e i^re ^luf- gäbe erfüllt. 2öir bilben ein Kapital unb fud^en cö fidler gu fteEen: aber, ttJte in ganj gefä^rlid^en ^txitn, baburd^ \i(y^ tüir e§ ö er graben.
230.
X^ rannen be§ ©eifteS. — 3n unfercr ^tyi hjürbe man jeben, ber fo ftreng ber 3Iu§brud (£ine§ moraIifd)e§ 3^9^^ ^^^^' ^^^ ^^^ ^erfonen Xlf)eopf)raff§ unb 5D?oIiöre'S e§ ftnb, für fran! galten, unb öon „fijer Sbee" bei ii)m rebcn. ^a§ 5Itf)en be§ britten Sal^r^ l^unbertS toürbe un§, toenn njir bort einen Sefud^ mad^en bürften, toie öon Darren beööÜert erfc^einen. 3e|t §errfd)t bie ®emo!ratie ber 93egriffe in jebem ^opfe, — öiele ^ufammen finb ber §err: (Sin einzelner S5egriff, ber §err fein njoUtc, l^eigt je|t, tüie gefagt, „fije Sbec". ^ie§ ift unfcre SIrt, \At X^rannen ju morben, — \o\t njinfen nad^ bem 3rrcnf)aufe l^in.
231.
©efö^rlid^fte 5(uStDanberung. — 3n ^Rufetanb giebt cS eine SluStranberung ber SnteHigenj: man gel;t über bie ©renje, um gute S3üd^er ju lefen unb gu fd^reiben. (So loirft man aber ba^in, ha^ öom ©cifte öerlaffene SBaterlanb immer met)r gum öorgeftredften ^Qi6:^tn 5Iften§ ju mad^en, ber ba§ fleine (Suropa öerf^Iingen möd^tc
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232.
^tc (Btaat^'dlaxxax. — ^te faft religtöfc Siebe 5um Könige gientj hti ben ©riechen auf bte ^oIi§ über, q(§ eö mit Dem ^önigtljum gu ßnbe mar. Unb meil ein S3egriff me^r Siebe erträgt, al^ eine ^erfon, unb namentlich Dem Siebenben nid)t fo oft t)or ben ^opf ftögt, mie geliebte 2)?enfd)en eö t:^un (— benn je me^r fie ftd) geliebt toiffen, befto rüd|'id)t§loier mcrben fie meiften^, biö fie enblid) ber 2id)t ni^t mel)r mürbig finb, unb mirflid^ ein 9^i6 entfielt), fo mar bie $oli§* unb <Btaat^^ SSerc^rung größer, al§ irgenb je t)orl)er bie gürften« SSerel^rung. 2)ie QJriedjen finb bie (Staat§=9^arren ber alten ©efdjidjte — in ber neueren finb e§ anbere SSölfer.
233.
(^egen bie SSernad)läffigung ber STugcn. — Ob man ni^t bei bm gebilbeten klaffen (Snglanb^i, meldte bie Times lefen, alle 5el)n 3a[;re eine 5(bnal)me ber <Scl) traft nadjmcifcn fönnte?
234.
©roßc SSerfe unb großer ©laubc. •— Scncr Ijaitc bie großen 2öer!e, fein QJenoffe aber l)attc ben großen ©(auben an biefe SSerfe. (Sie maren unjertrennlidj: aber erfid)tlid^ l)icng ber (Srfterc ööHig öom gleiten ab,
235.
S)cr ®cf eilige. ■— „3d) befommc mir nid)t gut** fagtc Scmanb, mn feinen $)ang jur ©efeüfdjaft ju
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erüären. „^er SJiagen ber ©efellfd^aft ift ftärfer qI§ ber ntemtge, er berträgt mic^."
236.
5Iugen=©d)üe6en be§ (^etfte§. -— Sft man gcüOt unb getüo^nt, über ha^ §anbeln na^^ubenfen, fo mitg man bod^ beim §anbeln felber (fei biefe§ felbft nur S5rieffd^reiben ober (Sfjen unb Xrinfen) ha^ innere 5Iugc fd^Iiefeen. Sa, im Öefpräc^ mit ^urc^fd^nitt^menfd^en mu§ man e§ öerfte^en, mit gefd^Ioffenen ^en!er^ klugen gu ben!en, — um nämlic^ \)a§> ^rc^fd^nitt^- teufen gu erreichen unb §u begreifen. 2)iefe§ ^ugen=(Sii)liegen ift ein fühlbarer, mit SSiöen t)oIf5iet)barer 2l!t.
237.
^ie furd^tbarfte dta^z. — SSenn man ftd) an einem ©egner burd)au3 rächen toill, fo foH man fo lange toarten, bi§ man bie gange §anb "ooU Sßal^r^^eiten unb ©ered^tigleiten l^at unb fie gegen i^n au^fpielen fann, mit ©elaffen^^eit : fo \>a^ ^adj^ üben mit ©ered^tig!eit üben jufammenfäHt. (£§ ift ik furd^tbarfte 5trt ber fdad^t: benn fie l^at feine Snftan^ über fic^, on bie nod^ ap^ettirt tuerben föimte. So räd^te fid[) S5oItaire an ^iron, mit fünf Seilen, bie über beffen gan§e§ Seben, Sd^affen unb SßoEen ridjten: foöiel SSorte, foöiel SSaf)rt)eiten; fo räd)te fid) berfelbe an griebrit^ bem ©rogen (in einem Briefe an il)n, Don g^rne^ au^).
238.
$^uju§^©teuer. — SJJan lauft in ben Säben hai 9^ött)ige unb 9^öd^fte unb mu§ e^ tfjeuer begasten, tneil
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man mit6c5Qt)(t, tüa^ bort anä^ feil ftefjt, aber nur feiten feine 5l5ne!)mer f)at: ha§> SujnS^ofte nnb ©elüftartige. (So legt ber Suju§ bem (£infad)en, ber feiner enträtl;, bod^ eine forüüä^renbe ©teuer auf.
239.
SSarum bie S3ett(cr nod) leben. — 2Senn alle ^llmofen nur auö SD^itleiben gegeben n)ürben, fo tt)ären bie S3ettler aUefammt öer^ungert.
240.
SBarum bie ^Bettler nod) leben. ^ie größte Hlmofeufpenberin ift bie geigl^eit.
241.
Sföie ber Genfer ein ©efpröd) benu^t. — Ol)ne §ord)er gu fein, fann man \)\d Ijörcn, n?enn man t)erftel)t, gut gu fel)en, bod) fid^ f eiber für 3citen au§ hm 5(ugen ju Verlieren. 5lber bie 90^enfd)en lüiffen ein ©efpräd^ nid^t gu benu^en; fte üertüenben bei SBeitem gu \)iel ^Tufmerffamfeit auf ha^, wa^ fie fagen unb entgegnen njollen, ioälirenb ber n)irflic]^c gor er fid) oft begnügt Vorläufig gu antiüorten unb dttva^ al§ 5Ibfd}lag§s galjlung ber ^öflid}!eit überl)aupt gu fagen, bagegen mit feinem l)interl)altigen ®ebäd)tniffe 5l(Ie§ baüonträgt, tuaS ber 5lnbcrc geäußert \)at, ncbft ber ^Irt in STon unb ©ebärbe, ttjte er c3 äußerte. — 3m getüöljnlidjen ©efpräd^e meint jeber ber gü^renbc ju fein, ujie ttjenn jtDei ©d)iffe, bie neben einanber faljrcn unb fic^ Ijier unb ba einen fleinen ^Stoß geben, bciberfeitS im
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gutctt ©tauBen finb, i^r S^a^barfd^iff folge ober Joetbc fogar gefd^teppt
242.
®te ^unft, ftd) ju entfd)ulbtgen. — SSenn fi(^ Semanb tor un^ entfd)ulbigt, fo mu^ er e§ fcf)r gut machen: fonft fommen mir unö felbet leicht ate bte (Sd^ulbtgen öor unb l^aben eine unangenehme (£m^}finbung.
243.
Unmöglii^er Umgang. — S)a§ (Sd)iff beiner (Gebauten gel)t gu tief, al» ba^ bu mit i^m auf ben (SJeloäffem biefer freunblii^en, anftönbigen, entgegen;' fommenben ^erfonen fahren fönnteft. S§ finb ba ber Untiefen unb ©anbbänfe gu Diele: bu ttjürbeft bic^ bre^en unb loenben muffen unb in forttoö^renber SSerIcgenljcit fein, unb 3cne ttJürben al^balb auc^ in SSerlegen^eit geratf)en — über beine SSerlegenl^eit, bereu Urfac^e fie nic^t errat^en fönnen.
244.
guc^§ ber güd)fe. -- ©in re^ter %ndy^ nennt nic^t nur bie Xrauben fauer, toelc^e er nid§t erreichen fann, fonbem aud§ bie, n)e(d)e er erreicht unb 5Inberen Dortoeggenommen f)at
245.
Sm näc^ften S^erfel^re. — Sßenn 3}?enfc^en au^ no(^ fo eng gufammengeljören: e§ giebt innerhalb t^re§ gemeinfamen gorijonteS bo^ nod) alle öier §immd3- rid^tungen, unb in mand^en ©tunben merlen fie e§.
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246.
!5)aiS (Sc^iüeigen be§ (£!el3. — ^a mac^t Semanb als Genfer unb SKenfd^ eine tiefe fd^merä!)Qfte Umtoanblung burc^ unb (egt bann öffentlid^ B^UQ^^S baöon ab. Unb bie ^örer merfen 9^id)t§! glauben x\)n no^ ganj a(§ ben ^(ten! — SDiefe gen)öf)nlid^e ©rfa^rung Ijat mani^en ©c^riftftellern fd^on @fel gemad^t: fie fiatten bk 3ntelleftualität ber SJ^enfc^en ju ^06^ Qtaä^ttt unb gelobten fid^, aU fie i^ren Srrttjum tpa^ma^men, \>a^ «Sd^toeigen an.
247.
®efd)äft^ = (5:ruft. — ^ie ©efc^üfte manches JReidjen unb SSomel^men finb feine 5lrt 5IuSru^en§ t)on attäulangem getüo^inl^eitSmägigem 9Kü§iggang: et nimmt fie beSf)aIb fo ernft unb paffionirt, luie anbete Seute i^re feltenen 9J?u6e=(£r]^o(ungen unb 'Liebhabereien.
248.
^oppelfinu beö SlugeS. — 2Bie baö ©eioöffer 5U beinen Süfeen eine plö^d^e fd^uppenl^afte (grjitterung überläuft, fo giebt eS auc^ im menfc^Iic^en 5Iuge foIc§ej)Iö§= Iid§e Unfic^ert)eiten unb 3it)eibeutig!eiten, bei benen man fi^ fragt: ift'3 ein ©c^aubem? ift'« ein fiä^eln? ift'g S3eibe«?
249.
^ofitiö unb negatiö. — tiefer Genfer Braud^t Sfttemanben, ber it)n tpiberlegt: er genügt fic^ baju felbcr.
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250.
©te 9?ad)e ber leeren S^e^e. — 3)Zatt nc^^mc ft^ bot aUzn ^erfonen in 5Id)t, ireldje ba^ tnttrc (5Jefü()( be§ gifc^er^ l^aben, ber itocT) mü^euoUem ^agelüerf am ^2(6enb mit leeren 9^e^en l^etmfä^rt
251.
(Sein Sf^ed^t nicf)t geltenb mod^en. — 2J?atf)t anSüben foftet 3)^üt)e unb erforbert Wlnt^ ©e^^alb mad^en fo 35iele il)r gutc§, QÜerbeftc^ Üiec^t ntd^t geltenb, ireil bie§ ^edEjt eine ^Trt ^a^t i[t, fie aber gu faul ober gu feige finb, e§ au^guüben. S^ad^ftd^t unb (SJebulb iieifeen bie ^edfmantet^Stugenben biejer gef)(er.
252.
Sid^ttröger. — Sn ber ©efellfc^oft toörc fein (Sonnenfd^ein, lüenn il^n nid^t hk geborenen ©d^meic^el« !a^en mit f)ineinBräd^ten, id^ meine W fogenaunten Sie6en§n)ürbigen.
253.
5Im milbtl^ätigften. — SSenn ber 3)Zenfcf) eben fci^r geehrt Sorben ift unb ein SScnig gegcffen \)at, \o ift er am milbt^ättgften.
254.
3 um Sicf)te. — ^ie SUJenfd^en bröngen ftd^ §um 2i^k, nid)t um beffer ju feigen, fonbem um beffer ju glänjen. — 9Sor mm man glänzt, ben laßt man gerne a(§ Sid^t gelten.
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255.
^ie §^<)oc5onber. — ^er §t)pod^onbcr tft ctit SJJenfd^, ber gerabe genug ®eift unb Suft am Reifte befijt, um [eine Selben, feinen SSerluft, feine gel)ter grünblid^ ju nel^men: aber fein ©ebiet, auf bem er [tc§ nö^rt, ift §u flein; er njeibet e§ fo ab, bag er enblid^ bie einzelnen ^älmdien fud)en muß. ^abei njirb er enb* (id^ jum 9^eiber unb (SJeiä^alä — unb bann erft ift er unauäftef)Iirf).
256.
gurüderftatten. — §efiob rät!) an, bem 9fiac^bar, ber ung auggef)oIfen f)at, mit gutem SÖ^aage unb njomöglic^ reidjlidjer jurürfjugeben, fobatb niir e3 öermögen. S)a6ei ^at nämlic^ ber ^a6)bax feine greube, benn feine einftmalige ®utmütt)ig!eit trägt i^m S^n\m ein; aber aucJ) 2)er, toeld^cr jurüdgiebt, f)at feine J^reube, infofem er bie Keine einftmalige jDemuti)igung, fi^ auät)elfen laffen ju muffen, burd^ ein Keinem Übergettid^i a(g ©cfienfenber, jurüdfauft
257.
Seiner al3 nöt{)ig. — Unfer SeobaditungSfinn bafür, ob Slnbere unfere (5d)tüüd)en tt)al)rnet)men, ift öiel feiner, alä unfer S3eobacf)tungöfinn für bie ©c^mädjen 5Inberer: toorauS fid^ alfo ergiebt, bag er feiner ift, alä nött)ig ttjäre,
258.
Sine (irf)tc ?Irt Don ©d^atten. — ^id^t neben ben gan^ nächtigen ajienfc^cn befinbet fid& faft
9ne|fd)ed aSette. man.^VuSg. lY. 10
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rcöelmä^ig, iüie an fte ongcBunbcn, eine Sid)tfeele. ©te ift gleid^fam ber negative ©chatten, ben jene merfen.
259.
(Stc^ tttd)t rächen? — (5§ gieBt fo tjtefe feine toen ber 9f?ac^e, ba§ (Siner, ber 51nla§ f)ötte fid^ 5U räd^en, im(S5runbe t^un ober laffen fann, toa^ er \v\U: aUe Sßelt »irb bo^ nad^ einiger ^^^t übereinge!ommen fein, bag er fid^ geräd^t f)abe. 6icC) nic^t gu rächen ftet)t alfo !aum im belieben eine§ 9J^enfd)en: ba^ er e^ nid^t tüolle, barf er nid^t einmal ansjpred^en, treil bie $8eracf)tnng ber 9f^ad^e al§> eine fn6Iime,fe^r ent|)finblid[je ffta^^ gebeutet unb em^funben tpirb. — SßorauS fid[) ergiebt, ba^ man ntc^t^ ÜberflüffigeS t^un foü
260.
Srrtl^um ber ß^renben. — Sebcr glaubt einem S)en!er etiuaö (£I)renbeö unb Slngencljme^ §u fügen, toenn er i^m geigt, tüie er t)on jelber genau auf benfelben ©ebanfen unb felbft auf ben gleidfien 5Xu^>brudE ßeratljen fei; unb to^ tüirb bei fold^en TOtt^cilungen ber Genfer nur feiten ergoßt, aber ^aufig gegen feinen (5Jeban!en unb bcffen 5(u§brudf migtrauifc^: er befc^liegt im (StiEen, beibe einmal ju rebibiren. — 9}?an muB, ernenn man 3emanben e^ren tt)ill, fi^ tior bem 5lu§brutf ber Übereinftimmung pten: fte fteUt auf ein gleidjc^ 9^Deau. — Sn bielen göllen ift e§ bie (Ba(i)t ber gefell|d^aftlid[)en (Sc^idEIid^!eit, eine 3J?einung fo anjuprcn, a(g fei fte nid^t bie unfrige, ja al§ gienge fie über unfern §ori§ont I)inau§: jum SBeifpiel menn ber Sllte, 5lIterfaE)rene einmal au§nal)m§tDeife ben @d)rein. feiner (Srfenntniffe auficl)Iie6t. . i
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261.
SB rief. — ^er S3iief tft ein itnaitgemelbeter S3cfncl), r S3rief6ote ber Vermittler unpfüc^er Übcrfdüe. '^an ttte QÜe aä^i Xage eine ©tnnbe gnm ^Sriefempfangen iben unb barnad^ ein 33ab nehmen.
262.
^er SSoreingcnommene. — Scmanb fagte: ic^ it gegen mi^ öor ein genommen, öon |[!inbe§betnen an: äl^alb finbe id) in jebem Zahd cttüaö SSa^rl^eit nnb in [)em Sübe etiüa^ ^umm^eit. ©q§ Sob njirb öon mir ;möi)nlid^ gu gering nnb ber ^abe( ^n {)od) gefdjä^t.
263.
2[3eg jnr ^leidjfjeit. — Ginige Stnnben Serg« »igcnö mad)en auö einem (Sdjnft unb einem ^eiligen jei giemlid^ gleid^e ©efdjöpfe. ®ie ©rmiitung i[t ber irjcfte SBeg jur ©Ieid)I)eit nnb S3rüberlid)!eit — unb e grci()eit tüirb enblid) burd) ben ©djlaf Ijingngegeben.
264.
5.>crlciimbung. — ^ommt man einer cigentUd) 'amen ^ßerbädjtigung auf bic Gpur, fo fndje man ren llrfprung nie bei feinen et)rlid^en unb einfadicn einben; \)c\m biefe mürben, tuenn fie fo ct\m^ über i§ erfänben, a($ geinbe leinen Glauben finben. 5lber te, benen mir eine 3cit^Q"9 om meiftcn genügt ()aben, :Id)e aber, auö irgcnb einem ®runbe, im ÖJef)eimen ^er barüber fein bürfen, 9iid]t^3 me^r Don unö 5U
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erlangen, — (Sotd)c finb im (Stanbe, bte Sufamie m'§ SRoHen ju bringen: fte finben Glauben, einmal njeil man onnimmt, ha^ fte 9^id^t§ erfinben lüürben, tuaS i^nen felber ^^a\)en bringen fönnte; fobann tt)eit fte un§ nä^er iennen gelernt {)aben. — 3i^"i ^rofte mag ftd^ ber fo fd^Iimm SSerlenmbete fagen: SSerleumbungen finb Äranfi)eitett Slnberer, bic an beinern £eibe au§bred)en; fie bettjeifen, ta'^ bie ^efeUfc^aft (Sin (moralifd^er) Körper ifi fobag hn an bir bie ^r öornel^men fannft, bie ben SCnberen nützen foH.
265.
^a§ tinber^§immelreid}. — ^a§ ©lücf beä £inbe§ ift ebenfo fel^r ein Tltit^n^ lüie ba§ (SJIüd ber §5perboreer, öon bem bie ^rie^en erjö^itten. 3Benn ta^ ©lud überl)au^t auf @rben ipo^nt, meinten biefe, bann genjig möglidöft .ixieit t)on un§, etnja bort am $Ranbe ber (Srbe. Ebenfo benfen bie ölteren 9J?enf(^en: toenn ber SQ^enfd^ überl)aupt gtücflic^ fein fann, bann gen)i§ mögti^ft fem l)on unferem 5((ter, an ben (SJrenjen unb 5(nfängen be^ Seben§. gür mand)en 9}ienfd)cn ift ber ^Tnblid ber ^nber, burd| ben ©c^Ieier bieje^ S)^tf)ug f)inburd^, ba§ größte ©lud, beffen er tl)eill)aftig tuerben fann: er getjt felber bi§ in ben SSorl^of beS §immelreid)§, menn er fagt „laffet bie ^iitblein 5U mir !ommen, benn if)rer ift ba§> §immelreid^". — ®er ^)tl)n^ t)om ^nber^gimmelreid^ ift überall irgenbmie t^ätig, mo e§ in ber mobernen SSelt etma§ t)on (Sentimentalität giebt
266.
^ie Ungebulbigen. — ©erabe ber SSerbenbe tüiU baS Sßerbenbe nid)t: er ift ju ungebulbig bafür
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%tx Süngitng ioiH nirf)t lü orten, 6t§, norf) langen (Stubten, Seiben unb (£ntbef)mngen, fein ©emälbe öon 9D^enfrf)ett unb 2)ingen t)oIl toerbe: fo nimmt er ein anbetet, ia^ fertig baftef)t unb i^m angeboten toirb, auf ^reu unb (SJtauben an, al§ muffe eö i^m bie fiinien unb garben feinet ©emälbeS öorrt)eg geben, er iroirft ft^ einem $f)iIofop^en, einem ^idjter an'ö ^erj unb mu§ nun eine lange geit gro()nbienfte tf)un unb fid^ jelbct Verleugnen. SSie(e§ lentt er babei: aber l^äufig öergigt ein Süngling ba§ Semenö* unb ©rfennenöniert^efte barüber — firf) felber; er bleibt geitlebenö ein Parteigänger. 5ld^, eö ift öiel Sangeujeile ju übertüinben , öiet (Sc^n)ei§ nötf)ig, bi§ man feine garben, feinen ^infet feine Seinemanö gefunben l)at! — Unb bann ift man nod^ lange nic^t 9}?eifter feiner Sebenä!unft — aber njcnigftenö §err in ber eigenen SBerfftatt.
267.
(So giebt feine ©rjiel^er. — 9^ur üon @elbft* ©rjic^ung foHte man alö ©en!er reben. 2)ie Sugenb* (Srjie^ung burd^ 5(nbere ift entujeber ein ©jperiment, an einem no(^ Unerfannten, Unerfennbarcn toÜjogen, ober eine grunbfä^tic^e S^iüeHirung, um baö neue SScfcn, tt)cld)cä cö aud; fei, ben ©etTJo()n^eiten unb ©ittcn, njctdje ^errjd)en, gcmög ju mad^en: in beibcn gällen alfo ^ivoa^, ba§ beö ^enferö untoürbig ift, baö SBcrf ber ßltcm unb Se^rcr, Ujcldje einer bcr öermegenen (£t)rlid)en nos ennemis naturels genannt f)at. — ©ineä ^ageä, n^enn man längft, nac^ bcr SJJcinung ber SScIt, erlogen ift, entbe dt man fidj felber: ba beginnt bic Slufgabe bcö ^cnferS; jefet ift eö ^cit, it)n ju §)ü(fc ju rufen — nid^t atö einen ©rjiefier, fonbcrn alö einen ©elbft^Grjogcncn, bcr (5rfa!)rung l^at.
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268.
TlitUxhtn mit ber Sugenb. — (S§ jammert mvi, toenn mx t)ören, ta^ einem Sünglinge fcf)on bie 3ö^ne au§5rerf)en, einem 5Inbern bie 5lugen erbünben. SBüBten iüir al(e§ Untoiberrnflidie nnb §offnunggIofe, ba§ in feinem gangen Sßefen ftedt, tuie groß mürbe erft ber Sammer fein! — Sße^^alb leiben mir hierbei eigentlid)? SBeif hk Sugenb fortführen foE, ma^ mir unternommen I)oBen, unb jeber 516= unb 5Inbrn(^ ifjrer ^^aft unferem 2Ber!e, ha^ in i^re §änbe fällt, pm ©djaben gereii^en n)iÖ. @§ ift ber Sammer über bie fd^(ec^te (SJarantie unferer Unfterblid^feit: ober menn mir un^ nur a(§ SSoUftreder ber 3)^enfd^§eit§=nJ?iffion füllen, ber Sammer barüber, ha^ btefe TOffion in fd)mäd^ere §änbc, al§ bie unfrigen finb, ü6ergef)en mu§.
269.
^ie Sebenöalter. — S)ie SSergleid^ung ber mcr Sat)re§3eiten mit ben tiier Sebenöattern ift eine el^rmürbige 5llberni)eit. Söeber bie erften 20, nod^ bie legten 20 Saf)rc be§ Seben§ entfpred)en einer Sa^reögeit: öorauggefegt ha^ man fid) bei ber S3ergleid)ung nidjt mit bem SBeig be§ §aare§ unb (Sd)nee§ unb mit ä^nlidjen garbenfpielen begnügt. Sene erften äiuangig Sat)re ftnb eine SSorbereitung auf ha^ Seben überhaupt, auf ha^ gange Sebenöjal^r, al^ eine 5Irt langen S^eujaljr^tageö; unb bie legten gtüangig überfd)auen, terinnerlid^en, bringen in gug unb ßiiföntmenflang, maö nur 5llle§ Dürf)er erlebt mürbe: fo mie man e§, in fleinem SD^aage, an jebem (g^toeftertage mit bem gangen üerf(offenen Safire t^ut Stüifc^en inne liegt aber in ber %^at ein ßcitraum, melier
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bic 3SergIeid)ung mit bcn Sa^re^äeiten na^c legt: her 3eitraum öom älDon^tgften bi§ jum fünf^igflen Sa^rc (um ^ter einmal in S3aufcf) unb Sogen natf) 3a^r§el^enben gu red;nen, luÖ^renb e§ fic^ öon felbcr t)erftef)t, ha% 3eber nac^ feiner ©rfa^rung biefe groben ^Infä^e für ftc^ verfeinern mu§). 3ene breimat ^djxt 3ai)re ent* fprcc^en breien Salire^geiten: bem «Sommer, bem grü^ling unb bem ^erbfte, — einen Söinter i)at ha^ menfc^Iicf)e ßeben nidjt, e0 fei benn, bafe man bie (eiber nidjt feiten eingeftodjtenen garten, falten, einfamen, l)offnung§armen, unfrudjtbaren ^ranf^eit^^eiten hk SBintergeiten be§ 9}?enfdjen nennen toiß. ^ie ^mansiger Sal£)re: ^eig, läftig, gen)itterf)aft, üppig treibenb, mübe mad)enb. Safere, in benen man ben STag am 5Ibenb, lüenn er ju (Snbe ift, preift unb fid^ babei bie ©tirn abmifd^t: Saljre, in benen bie Slrbeit un^ t)art, aber notf)tt)enbig bünft, — biefe ätüangiger 3a^re finb ber (Sommer beö Seben^. S)ie breigiger bagegen finb fein ^rüljUng: bie Suft balb §u njarm, balb §u lalt, immer unruf)ig unb anreigenb: queüenber Saft, SlätterfüHc, 23Iüt()enbuft überaß: öiele be5aubernbe 9}?orgen unb ^äd^te: bie 5Irbeit, ju ber ber Vogelfang unä njecft, eine redete ^erjenS'STrbeit, eine 5Irt ®enu§ ber eigenen SRüftigfeit, öerftür!t burd^ öorgeniegenbe Hoffnungen. (Snblid) bie t)icr5iger Sa^re: gelieimni^öoK, loic olleS StiIIeftcI)enbe; einer f)o^en ujciten Scrg-öbene gleidjenb, an ber ein frifd^er SBinb Einläuft; mit einem Haren, ujolfentofen §immel barüber, meli^cr ben Xag über unb in bie 9^ädE)te f)inein immer mit ber gleic£)en «Sanftmut^ blicft: bie 3^^* ber @rntc unb ber fierjlidjften §eiterfeit — cd ift ber 5>crbft bc§ ßebcnS.
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270.
^er ©etft ber grauen tn bcr ic^igcn ©efellf^aft. — SSte bte grauen je^t ü6er ben ©eift ber 3J?änner benfen, erröt^ man barau§, hal^ fie bei i^rer ^unft be§ ©d^müdeng an 5lIIe§ e^er benfen, at§ ben ®eift tf)rer güge ober blc geiftreic^en (Singelnf) eilen i^reS ®eft(i)t§ nod) 6efonber§ ju unterftreic^en: fie üerSergen derartiges öietme^r unb tüiffen fic^ bagegen, §um S3eifpiel buri^ eine 5lnorbnung be§ ^aar§ über ber (Stirn, ben StuSbrud^ einer (ebenbig bege^renben ©innlid^feit unb Ungeiftigfeit gu geben, gerabe n)enn fie biefe @igenf(f|aften nur tüenig befigen. 3f)re Überzeugung, ha'^ ber (Seift bei Söeibern bie SJ^änner erfd^recfe, ge^t fo lüeit, ha^ fie felbft bk @d)ärfe be§ geiftigften ©inneS gern öerleugnen unb ben fRuf ber ^urgjid^tigfeit abfid^tlic^ auf fidj (aben; baburc^ glauben fie tt)o^l bie 9}Jänner gutraulid^er gu mad^en: e§ ift, a(§ ob fid^ eine einlabenbe fanfte 2)ämmerung um fie üerbreite.
271.
©ro§ unb öerganglid^. — SBaS ben S3etrad^tenben ju X^ränen rü^rt, ba§ ift ber fdf)tt)ärmerifd)e ©lüdfeä-Sticf, mit bem eine fcfjöne junge grau if)ren hatten anfielt. Wan empfinbet aüe §erbft=2öet)mut^ babei, über bie ©röge fonjof)(, als über bie SSergänglid^feit beS menfdEjtic^en ©lüde«.
272.
Opfers ©inn. — SDlanc^e grau \)at ben intelletto del sacrifizio unb toirb i^reS SebenS ni(f)t met)r frol),
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tüenn ber (^atk ftc nt^t opfern lt)tll: ftc lueig bann mit t^rem SSerftanbe ntc^t me^r lüo^in? unb tüirb unDerJe^enö auö bent Dpfert^iet ber Dpferprtefter fetber.
273.
^a§ nntt)ctblicl)e. — „^umm tük ein Tlann" fagen bie grauen: „feige tute ein SSeib" jagen bie SJ^änner. ©ie ^umml^eit ift am SBeibc ba§ Unto ei blid^e.
274.
9J?annIid)e§ unb tDeibli^e§ Xem^jerament unb bie @terblid}feit. — 2)a6 baö männM)e ®efd}(ed)t ein frf)Ied)tereS Temperament ^at, al§ ba§ tüeibüd^e, ergiebt fic^ aud^ barauä, ha^ bie männlid^en ^nber ber (gterblid^feit mef)r auggefe^t ftnb, a(g bie tüeiblid^en, offenbar njeil fie Ieirf)ter „au§ ber §aut fahren": t^re 2BiIbf)eit unb Unöerträgüd^feit öerfcfilimmert aUe Übel Ieid)t bis in'S SLöbtüdje,
275.
!5)te Seit ber ^l;!(opcnbautcn. — ^te ^tmo» Iratiftrung iSuropa'S ift unauf^altfam: loer \xd) bagegcn ftcmmt, gebraud)t bod^ eben bie TUttd baju, toeId)c ei*ft ber bemofratifd^e ©ebanfe Sebermann in bie §anb gab, unb mad)t biefe SO^ittel felber l^anbtid^er unb ttJtrffamer: unb bie grunbfä^tid^ftcn Gegner ber 2)emofratic (id) meine bie Umftur^geiftcr) fc^einen nur beö^alb ba ju fein, um burd^ bie SIngft, ttjeld^e fic erregen, bie t)erfd)iebencn Parteien immer fdjneller auf ber bemo* fratijdjen Söalju öonoärtS ju treiben. 3^un !ünn e^ einem
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Qngefidjtg ^erer, t^eld^c jefet öelDugt unb c^rfid^ für btefc 3ufunft arbeiten, in ber %f)at bange njerben: e§ liegt etn)a§ Öbe§ unb (£införmige§ in it)ren ®e[i(f)tem, unh ber graue ©taub fd)eint aud^ bi§ in il^re (SJeljtrne l^inein genjeljt ju fein, ^ro^bem: eg ift möglid^, ha^ bie D^adjlrelt über biefeS unfer S3angen einmal Iad)t unb an bie bemo== fratifc^e 5lrbeit einer S^iei^e t)on @e{d)Ied)tem etnja fo ben!t, tt)ie toir an ben S3au t)on ©teinbömmen unb <Si^u§« mauern — al§ an eine Xptigfeit, bie not!)n)enbig Diel (Staub auf Kleiber unb @efid)ter breitet unb unöermeiblicf) tool^I aud| bie 5(rbeiter ein tüenig blöbfinnig mai^t; aber toer mürbe beStüegen foI^e§ Xt)un unget^an lüünfc^en! @§ fd^cint, ha'^ bie S)emofratifirung (Suropa'ö ein ©lieb in b^r ^dk jener ungef)euren |)rop^ljIa!tifc^en HJJaaferegeln ift, U)eld)e ber (S5eban!e ber neuen ßdt finb unb mit benen iüir un§ gegen ba^ S}?ittelalter abgeben. Se^t erft ift ha^ Qdtaikx ber (5:^!Io:|)enbauten! (Snbüd^c (Sid)erl)eit ber gunbamente, bamit aÜe 3iJ^"i^ft ^^\ i\)nm o^ne ^efa^r bauen !annl Unmöglic^feit fürberl)in, ha^ bie gruc^tfelber ber Kultur Ujieber über 9^adjt öon ftjilben unb finnlofen S3ergtt)öffem gerftört toerben! ©teinbämmc unb @c^u^mauern gegen S5arbaren, gegen (Seud)en, gegen leibliche unb geiftige SSer!ned^tung! Unb bie§ 5IIIe§ gunädjft iDÖrtlicI) unb gröblid^, aber allmät)lid) immer pf)cr unb geiftiger öerftanben, fo ha^ alle ^ier angebeuteten 9}?ao6regeIn bie geiftreid)e ©efammt* Vorbereitung be§ !)öd)ften 5tünft(er§ ber ©arten!unft 5« fein fd)einen, ber fid) bann erft ju feiner cigent(id)cu 5lufgabe toenben !ann, ioenn jene Dodfommen au§= gefül)rt ift! — greilid^: hQi hm tocitcn 3<^i^trcdcn, tt)eld^e l)ier 5h)if(^en SJiittel unb gmecf liegen, bei ber großen, übergroßen, ^aft unb ©eift t)on Sal^r== ^unberten anf^3annenben 2J?üI;faI, bie fdjon not^ tfyit, um
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nur iebcö einäetnc Wittd ju fdjaffen ober ^erbei^uld^affen, barf man e§ ben 5trbettern an ber ©egentoart nidjt §u \)axt onrcd^nen, iüenu fte laut befretircn, bie 9J^auer unb ba§ (Spalier fei frf)on ber Qtücd unb ha^ le^te giel; ha ja nod^ S^iemanb ben Partner unb bie gru^tpflan^en ficljt, um bcrcnttüiüen ba^ Spalier 'Oa ift.
276.
©o§ JRec^t beg allöemeinen ©timmred^tcö. — ^a§ ^olf l)at ftd^ ba§ aUßemeine ©tinimredjt nid)t gegeben, e§ I^at ba§{eI6e, überall, njo e§ je^t in Geltung ift, empfangen unb vorläufig angenommen: jebenfall^ ^at e§ aber ha^ 9^cdjt, e§ tpieber jurüdgugeben, njenn eö feinen Hoffnungen nid)t genugttjut ^ie§ fdjeint je^t allerorten ber gaÜ §u fein: benn ttjenn bei irgenb einer ©clegenljeit, tüo e§ gebrandet mirb, faum 3^eibrittel, ja tielleidjt nidjt einmal bie SJ^ajorität aller (Stimmbered)tigten an bie (Stimm* Urne fommt, fo ift bie§ ein SBotum gegen ba^ gange (Stimmft)ftem überl^aupt. — 5D^an muß ^ier fogar nod^ Diel ftrenger urtljeiten. ©in ©efc^^, lücldjeö beftimmt, bafe bie 9Jtajorität über ha^ SSo^l 5lller bie Ic^te ©ntfd)eibung Ijabe, fann nid)t auf ber* felbcn ©runblage, tvoidjt burd) ba^ofclOe erft gegeben Jüirb, aufgebaut iperben; cö bebarf notljUicnbig einer nod) breiteren: unb bie§ ift bie (Sinftimmigfeit Miller, ^aö aHgemcine ©timmrcdjt barf nid)t nur ber Vluöbrucf eines SJ^ajoritätcn-Sittenö fein: ha^ gange Sanb muß eS tDoHen. ^eöl)alb genügt fd)on ber SS3iberfprud) einer fel)r f leinen $!Jtinorität, baöfclbc als untl^uniic^ lüicbcr bei (Seite gu fteÜen: unb bie 9?icl^tbetl)eiligung an einer 5lbftimmung ift eben ein foldjcr Söiberfpruc^, ber baS gange ©timmft)ftem jum gaUc bringt. 2)ad
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^aBfoluteSSeto" bc§ ©tngelnen ober, um ntc^tm'§5tletnltd^c 5U Verfallen, \>0i^ ^eto tüentger Slaufenbe ^ängt über biefem ©Aftern, al§ bte (Sonfequenä ber ©erec^tigteit: bei jebem ©ebrauc^e, ben man tion i^m modjt, mug e§, laut ber %xi öon iBet^eiltgung, erft belüetfen, 'tia^ cö no^ äu 9fJed)t befte^^t
277.
^a§ fd}led}te (Scfiüej^eit ~ SSie fd)Ied^t fc^üe^t man, auf Gebieten, tüo man ntc^t §u §aufe ift, felbft lüenn man al§ 9}Zann ber SSiffenfd^aft nod) fo fcl)r an ba§ gute ©diüegen genjö^nt ifti ^^ ift befd^ämenb! nnb nun ift !lar, bag im großen SBetttrciben, in (Sachen ber ^olitif, bei aÖem ^lö^üc^en unb SDrängenben, tüie eg faft jeber S^ag ^erauffü!)rt, eben biefeS fd)Ied)te ©djliefeen entfd^eibet: benn niemanb ift ööUig in bcm gu §aufe, xoo§> über 9^ac^t neu gelüadjfen ift; alle^ ^olitifiren, aud§ bei ben größten (Staatsmännern, ift SnH3roöifiren auf gut ©lud.
278.
^römiffen be§ Wa\z^\xitn''^t\io\i<tx^. — ^te ^reffe, bie 9J?afdjine, bie ©ifenba()n, ber XelegrapI) finb ^rämiffen, bereu taufcnb]äl)rige ^ondufion noc^ 9^temonb 5u gie!)en getüagt l^at
?79.
©in §emmfd)u]^ ber Q^ultur. — SSenn iDir f)ören: bort ^aben bie SJJänner nid^t ^t\i ju ben ^)robu!tiüen ©efd^äften; SBaffenübungen unb Umgüge nehmen tl^nen \im ^ag treg, unb bie übrige Seuölferung mu| fie
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ernähren unb fleiben, tl^rc Xxad^t ober ift auffattenb, oftmals bunt unb öoH D^anl^eiten; bort ftnb nur tüenigc unterfd^eibenbe ©igenfdiaften anerfannt, bie (Sinjelnen gleichen einanber me^r al§ anbertoörtS ober njerben bod^ al§ (SJIetd^e bel^anbelt; bod^ öerlongt unb gtebt man (5Jef)orfam ot)ne SSerftönbnig: man befieJ)It, aber man Ijütet fid) ju überzeugen; bort finb bte (Strafen rt?enige, biefe toenigen aber finb l^ort unb gei)en fd§nell gum Seiten, gürc^terlid^ften; bort gilt ber ^errat^ al§ ba^% größte SSerbre^en, fd)on bie ^tif ber Übelftänbe mirb nur öon ben 9}?ut^igften genjogt; bort ift ein 3J?enfd)en(eben njo^tfeil, unb ber @f)rgei5 nimmt ^äufig bie gorm an, ha^ er ba^ Seben in (§Jefaf)r bringt, — tt)er bie§ OTeS ^ört, mxh fofort fagen: „eS ift ha^ S3i(b einer barbarif(i)en, in ®efal)r fd)iüebenben ^efellfifiaft." SSielleic^t ha^ ber (Sine fiin^ufügt: „e§ ift bie ©djilberung ©parta'ö"; ein 5lnbcrcr njirb aber nad^ben!lid| »erben unb öermeinen, eö fei unfer moberneö 9J?iIitärn)efen bef daneben, n)ie eö inmitten unfrer anberSartigen (Sultur unb ©ocietät baftet)t, als ein lebenbiger ^Inad^roniSmug, als ba§ S3ilb, njie gefagt, einer barbarifc^en, in (5Jefaf)r fcf)n)ebenben ©efellfc^aft, als ein poft^umeS SSerf ber SSergangenf)eit, toelc^eS für bie 9^äber ber ©egentoart nur ben Sßertf) eineS ^emmfd^u^S I;aben !ann. — 3J?itunter tt)ut aber auc§ ein ^emmfc^ul) ber (Sultur auf boS §öd)fte notf): toenn eS nämlid) gu fd)nell bergab ober, njie in biefem gaüe öielleidjt, bergauf ge^t
280.
9J?e^r 9(d)tung üor ben SBiffentcn! — Sei ber Soncurren^ ber ^Irbeit unb ber S5crfäufer ift baS ^ubtifum jum 9^id)tcr über baS §anbttjerf gemad^t:
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t>a^ l)at aber feine ftrenge ©ad^fenntmg unb urtljcilt nad^ bem (Sd)eiite ber ®üte. golgltd^ tüixb bie ^unft be§ ©c^etneg (unb t)tellet(i)t ber ©efd^mad) unter ber ^errfd^aft ber Soncurrenj ftetgen, bagegen bie Cuaütät aller ©r^eugniffe fic^ öerfd)led)tern muffen. Solgüd^ tüixö, hjofern nur bie SSernunft nicf)t im Sßert!)e fäö^ irgenbtüann jener Soncurren^ ein ©nbe gemad)t loerben unb ein neueö ^rincip ben ©ieg über fie baöontragcn. 9^ur ber §anbtx)er!§meifter follte über 'Oa^ §anblüer! urt^eilen, unb ba^ ^ublüum ob^nngig fein öom ©lauben an bie $erfon be§ Urt^eilenben unb an feine (£l)r(id§!eit. ^emnad) feine anonyme 5Irbeit! TOnbeften^ müßte ein (Sad)!enner aU S3ürge berfelben bafein unb feinen ^amm aU $fanb einfe|en, tüenn ber D^ame be§ Ur= l^eberS fef)It ober !IangIo§ ift. 2)ie 2öoI)IfeiII;eit eine» SBerle^ ift für ben Saien eine anbere ^ilrt ©djein unb Xrug, ha erft bie ^auerl)aftigfeit entfd)eibet, bog unb intüiefern eine 6ac^e ti)of)lfeiI ift; jene aber ift fd^njer unb t)on bem Saien gar nid^t ju beurtf)eilen. — ^Ifo: lüa^ (£ffe!t auf ha^ 5(uge mai^t unb tüenig foftet, bo§ befommt je^t ha^ ÜbergeU)id)t, — unb ha^ tuirb natür(i(^ bie SD^af deinen arbeit fein. §mtüieberum be^ güngftigt bie 9}?afd)ine, t)a^ l)tx^t bie Urfad)e ber größten (Sd^neüigfeit unb Seic^tigfeit ber §crftellung, aud^ if)rerfeit§ bie öerfäuflic^fte (Sorte: fonft ift fein er^eblid^er ©etoinn mit i^r gu machen; fie ttJürbe gu loenig gebraudjt unb gu oft ftillc ftetjen. Sßa§ aber am üerfäuflid^ften ift, barüber entfdjeibet ha^ ^ublifum, ioiq gefagt: e§ muß t>a^ Xäufdjenbfte fein, ia^ Ijeißt ^a§, tüa^ einmal gut fd£)eint unb fobann aud) n)ol)Ifeil fd)eint. 5l(fo auc^ auf bem Gebiete ber 5lrbcit muß unfer Sofung^ujort fein: „9}?el)r 5ld}tung öoc ben ^iffenben!"
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281.
^te ®cfal)r ber 5löntge. — ^ie ©emofratie '^at eö in ber §anb, o'^ne alle (SJetüoItmittel, nur burd^ einen ftätig geübten gefepiägigen ^xnd, \)a^ ^önig- nnb Mfert^um ^o^t gu mad}en: Bt§ eine ^uU übrig bleibt, öieEeid^t, njenn man tüill, mit ber S3ebeutung jeber D^nll, ha'^ fie, an fid^ ffl\iS)t^, bod^ an bie redete (Seite gefteUt, bie SSirfnng einer ga^t öerje^nfadit. ®a§ ^aifer^ unb 5lönigtf)um bliebe ein ^rad^tüoHer gierrat an ber fd)lidjten unb g^üedmägigen ©etnanbung ber !5)emo!ratie, 'Da^ fd[)öne Überftüfftge, ttjeMjc^ fie fid^ gönnt, ber 9?e[t alle§ ftiftorifd^ e^mjürbigen Urbäter^ierrate^, ja ha^ ©^mbol ber §iftorie felber — unb in biefer ©in^igfeit dxoa^ ^öd^ft 2öir!fame§. njenn eg, tüie gejagt, nidfjt für fidf) allein fteljt, fonbern ridjtig geftellt toirb. — Um ber @efal)r jener 5UiS()üI)tung tor^nbengen, Ijalten bie Könige je^t mit ben gönnen an iljrcr SSürbe a(§ 5lrieg§fürften feft: ba§u braud)en fie Kriege, ha§> ^ei(3t 5Iuöna(jme5uftänbe, in benen jener (angjame gefe^mü^ige ^nicf ber bemo!ratifd;en bemalten paufirt.
282.
^er ßct)rcr ein notljiuenbigeö Übet. — Go mcnig iuie möglidj ^^3erfonen jtuifdjcn \>m probuftiuen (^kiftcrn unb ben ^ungernbcn unb empfangenben ©ciftcrn! 2)cnn bie 9JJittlerttjefen fälfdjen faft untüillfürlid) bie 9kl}rung, bie fie vermitteln: fobann tüollcn fie gnr S3cloI)nnng für il)r ^l^crmittetn 5u t)iel für fid), n)aö alfo ben originalen, probuftiöcn ©eiftent entzogen loirb: nämtic^ Sntcreffe, Söenjunberung, ^(lit, (53clb unb 5lnbere^. — ^Ufo: man fe^c immerhin ben
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Se^rer al§ ein not^tnenbigeS Übel an, gonj tote ben §anbel§mann: al§ ein Ü6el, ba^ man fo flein trie möglid^ mad^en mu§! — Söenn t3ielleicf)t bie 9^ot^ ber beutfc^en ^^^f^^nbe je^t i^ren ^anptgrunb barin l)at, bog öiel 5U SSiele öom §anbel leben unb gut leben njoEen (alfo bem (Srgeugenben bie greife möglid^ft gu tierringern unb bem SSer^e^renben bie greife mögtidift gu ert)öl)en fud)en, um am möglid)ft großen ©d^aben S3eiber ben Sßortl)ei( ju l^aben): fo fann man gemig einen §auptgrunb ber geiftigen S^ot^ftänbe in ber Überfülle öon Seigrem fe^en: i^rettoegen njirb fo njenig unb fo fd^Iei^t gelernt
283.
^ie 5lc^tung§fteuer. — S)en un^ iöefanuten, Don un§ ©eet)rten, fei .e§ ein ^Irgt, ^nftler, §anbnjerfer, ber @ttt)a§ für un§ t^ut unb arbeitet, begalilen ipir gern fo f)od) al§ tüir fönnen, oft fogar über unfer SSermögen: bagegen be§al[)It man ben Unbefannten fo niebrig e§ nur angeben njiU; ()ier ift ein ^ampf, in tDeld^em Seber um ben gupreit Sanbe§ !ämpft unb mit fid^ fämpfen mad^t. Sei ber 3lrbeit be§ S3e!annten für un^ ift eUm^ Unbe§a!)lbare§, bie in feine 5Irbeit unferttüegen l^ineingelegte (Smpfinbung unb (Srfinbung: ttjir glauben ba§ ©efül)l l)ieröon nic^t anberS al§ burd^ eine ^Trt 5lufo^ferung unfererfeitS auSbrüdEen ju fönnen. — SDie ftär!fte ©teuer ift bie 5Id^ tun giften er. Se mel)r bie Soncurrenj l^errfd^t unb man Don Unbefannten !auft, für Unbefannte arbeitet, befto niebriger mirb biefe ©teuer, tt)öf)renb fic gerabe ber SUJaajsftab für bie 4>ö^e beö menfc^lid^en (Seelen ^^SSerfe^rcS ift.
— 161 ~
284.
^aS Tlittcl jum h)trfüd^en grteben. — ^einc ^Regierung gießt je^t ju, \)a^ fie ha^ §eer unterl^alte, um gelegentliche (SroderungSgelüfte ju Sefriebigen; fonbem bcr SSert()etbtgung foß e§ bienen. Senc SJ^oral, treldie bie 9^ott)tt)e^r billigt, irirb al^ i^re gürfpred^erin angerufen. ^a§ t)eiJ3t aber: fid) bie 9[Rora(ität unb bem S^ac^bar bie Smmoralität öorbe^olten, njeil er angrip* unb .eroberung^Iuftig gebadet ttjerben mu§, trenn unfer <Staat notljiüenbig an bie TOttel ber S^ot^tuel^r benfen foH; überbieg erflärt man if)n, ber genau ebenfo tüie unfer (Staat bie 51ngripluft leugnet unb aurf) feinerfeitS \)a^ §cer tiorgeblic^ nur au§ 9^ott)tt)e^rgrünben unterj)ölt, burd) unfere ®r!(ärung, tne^fialb lüir ein §eer braud^en, für einen §eu(f)ler unb liftigen SSerbred)er, n)eld)er gar 5U gern ein l^armlofeö unb ungefd)idteg Dpfer ot)ne allen Slampf überfallen möi^te. (So fielen nun alle Staaten je^t gegen einanber: fie fe^en bie fdjledjte (SJefinnung beö 9^ad)bar§ unb bie gute ©efinnung bei fid) DorauS. SDiefe 3[5orau§fe^ung ift aber eine Snl)umanität, fo fd)limm unb fd)limmer al§ ber ^ricg: ja, im ©runbe ift fie fd)on bie ^lufforberung unb Urfad^e §u ^egen, h)cit fie, lüie gefagt, bem ^ad)hax bie Smmoralität unter fdjiebt unb baburd) bie feinbfelige ©cfinnung unb %l)Qt ju prooociren fdjeint. ^er Se^rc Don bem §eer alö einem SO^ittel ber '^otljm^x muß man ebcnfo grünblid^ abfd^mören aU ben (Sroberungö- gelüften. Unb eg fommt öielleic^t ein groger ^ag, an tt)eld)em ein SSolf, burd^ Kriege unb (Siege, burd^ bie l)öd)fte 3lu§bilbung ber militärifc^en Drbnung unb SnteHigeuä auSgejeid^net unb gctt)öl)nt, bicfen fingen bie fd^tDerften Opfer ju bringen, freitt)illig aufruft: „ioir
5«leufd)c8 Jlöctte. Rlüff .3lu«0. IV. n
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jerBrecS^en ba§ ©(^toert" — unb fem gefammteS ^eertuefen bt§ in feine legten gunbamente gertrüntmert. <Bi6) h)e{)rIo§ mad^ert, loä^renb man ber SSe^r* l^aftefte toax, au§ einer §ö^e ber ©mpfinbung ^erauö, — ha^ ift ha^ Tlxttd gnm mirüi^en grieben, ttjeld^er immer auf einem grieben ber ©efinnung ru^en mug: lüäi)renb ber fogenannte betoaffnete griebe, tt)ie er je^t in aEen Sänbern einl^ergelf)t, ber Unfriebe ber ©eftnnung ift, ber fid^ unb bem S^ad^bar nic^t traut unb ^alb au§ §a^, J)alb au§ gurdjt bie Sßaffen nid^t abtegt. Sieber ju (^runbe ge^n al§ I)affen unb fürd)ten, unb jhjeimal lieber ju ©runbc gei)en al§ fid) I)affen unb fürdE)ten machen, — bie§ muß einmal aud^ bie oberfte 9J?ajime jeber einzelnen ftaatlidjen ©efeüfd^aft ttjerben! — Unfern liberalen ^olf^tjertretem fe^It e§, tDie belannt, an geit §um S^iad^benfen über bie Statur be§ SJ^enfd^en: fonft tüürben fie loiffen, ha^ fie umfonft arbeiten, Ujenn fie für eine „allmä^lid^e §erabminberung ber SJiilitörlaft " arbeiten. SSielme^r: erft n)enn biefe 5lrt 9^ot^ am größten ift, toirb aud^ bie 5Irt ©Ott am näc^ften fein, bie l)ier allein Reifen fann. 2)er ^eggg(orien=S3aum !ann nur mit ©inem Tlalt, burd^ einen Sli^fd^lag gerftört merben: ber S3Ii| aber !ommt, i^r tt)i§t eö \a, au§ ber SSoÜe unb au§ ber §ö^e. —
285.
Dh ber SSefi^ mit ber ®ered)tig!eit auS^ geglid^en merben !ann. — 2öirb bie Ungered^tig!eit be§ 93efi^e§ ftarl em^funben — ber Q^^Ö^^ ^^^ großen Uf)r ift einmal ttjieber an biefer (Steße — , fo nennt man 5toei 3J?ittel, berfelben ab^ulielfen: einmal eine gleid^e SSertl^eilung unb fobann bie kuf^ebung be^ ©igent^um«
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mtb ben S^^^i^cEfall bed Söefi^eö an btc ©emetnfc^aft. Se^tereS SD^ttet ift namentlich nad) bem ^crgen unferer ©ocialtften, lüetd^e jenem altertpmlicfjen 3uben barüber gram finb, ha^ er fagte: bu foUft nid^t [teilen. 9^ad^ ipen foH ba§ ftebente (SJebot öielmet)r tauten: bu follft nid^t befi^en. — ^te S8erfud)e nac^ bem erften 9fiece:|3te finb im 5IItertpm oft gemad^t lüorben, jtoar immer nur in fleinem 9JJa§ftabc, aber bod^ mit einem SJ^igerfoIg, ber aud^ un§ nod^ Sef)rer fein fann. „©Ieid)e 5tdterIoofe" ift leidet gefagt; aber tük t)ie( S3itterfeit erzeugt fid[) burd^ bie babci nöt^ig hjerbenbe Trennung unb ©d^eibung, burd^ ben ^erluft ton altöereljrtem S3efi§, toie öiel $ietät mirb öerte^t unb geo^jfert! Tlan gräbt bie 9}?oraIität um, JDenn man bie ©ren^fteine umgräbt. Unb lieber, tük öicl neue ißitterfeit unter ben neuen iöefigemf toie öiel @iferfudf)t unb ©d^eelf el^en, ba e§ jftjei toirflid^ gteidEje 5Ictertoofe nie gegeben ^at, unb tüemt eS fofd^c göbc, ber menfdE)licf)e 9^eib auf ben 9^ad^< bor nicöt an bercn ßjleid^^cit glauben tüürbc. Unb »ic lange bauerte bicfe fdf)on in ber SBurjel Vergiftete unb ungefunbe ®(eidjl)cit! Sn njenigen ®efcf)(edjtem n^ar bur^ ©rbjd^aft l^ier ha^ eine Soog auf fünf ^öpfe, bort njaren fünf ßoofe auf einen ^opf gelommen: unb im S'ötte man burcE) t)arte @rbfd()aft§s©efege folc^en TOgftänben borbeugte, gab eS gnjar nod^ bie gteid^en 5Ider(ooje, aber ba^njifd^en dürftige unb Unjufriebene, meld£)c nid^tS be[af;cn, auger ber 9J?i6gunft auf bie ^Tnöerroanbten unb ^([(fßaxn unb bem SScrlangen nad^ bem Umfturj aUcr S)inge. — SSill man aber, nad^ bem jtoeitcn SRecepte, ha^ @igcnt()um ber (SJemeinbe jurücfgcben unb ben (Sinäcinen nur jum jeitmeiügen ^-ßädjter mad)en, fo jcrftört man \>a^ §ldcrlanb. ^enn ber SJ^enfd^ ift gegen 51lleö, ioaö er nur öorüberge^enb
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beftfet, o^ne SSorforge unb 5Iufopferung, er Derfä^tt bamtt auSbeutertfd), oI§ 9iäuber ober al§ lübertic^er SSerfc^trenber. SBenn ^lato meint, bte (Selbftjuc^t tt)erbe mit ber Huffiebung be§ S3cfi§e§ aufget)oBen, fo ift t^m ju anttüorten, bog, nad^ ^Tbgug ber (5e(6ftfud^t, Dom 3D^enfd)en jebenfalttö ni^t bie öier Sarbinaltugenben übrig bleiben tnerben, — trie man fagen muf: bk örgfte $eft fönnte ber SJ^enjdjIjeit nid^t fo fdjaben, a(§ menn eine§ Xageä bie (Sitelieit an§ i^r cntfditüQnbe. Di)ne (Sitelfeit unb ©elbftfuc^t -- toa^ finb benn bie menfc^lic^en 21ugenben? Sßomit nid^t öon ferne gefagt fein foK, bag e§ nur ^amm unb Wla§>Un öon Senen feien. ^(ato'S utoj)iftifd)e ©runbmelobie, bie jegt nod^ t)on ben (Socialiften fortgefungen lüirb, berul^t auf einer mangelhaften ^enntnig be§ S[Renf(i)en: i^m fehlte bie ^iftorie ber moralifc^en (£m^3finbungcn, bie ©infid^t in ben Urfprung ber guten nü^Iid^en ©igenfd^aften ber menfd^Ud^en @eele. ©r glaubte, Ujie ha^ gan^e 5((tert^um, an ®ut unb ^öfe lt)ie an SBeig unb ©djiDarj: alfo an eine rabüale $8erfdf)ieben^eit ber guten unb ber böfen 9)^enfc[)en, ber guten unb ber ftf)(ed)ten ©igen^ f^aften. — ^amit ber S3efig fürbert)in met)r Sßertrauen einflöße unb moralifd^er toerbe, l^alte man alle ^Irbeit^iüege gum ! leinen SSermögen offen, aber öer^inbere bie mütjelofe, bie iplögüd^e S3ereic^erung; man jie^e alle gtüeige be§ Xran§port§ unb §anbeB, iueld^e ber Sin« pufung groger SSermögen günftig finb, alfo namentlid^ ben ©elb^^anbel, au§ ben Rauben ber ^riöaten unb $rit)atgefellfcf)aften — unb b^tta6)tt ebenfo bie 3ut)iel* toie bie 9^id^tg«S3efi^er atö gemeingefälirlid^e äöefen.
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286.
2)er 2Scrt^ ber 5lrbett. — SBoKtc man ben SBert^ bcr $[r6ett barnac^ beftimmeit, toie ötel 3eit, gleig, guter ober fcl)lerf)ter SSiöe, g^^^Öf (Srfinbjamfeit ober gaul- l^eit, (E^r(id^!eit ober @d)em barauf öerloenbet tft, fo fann ber Söert^ niemaB geredet fein; benn btc gonje $erfon mügte auf bie 2öagftf)ate gefegt loerben fönncn, \va^ unmögüd^ ift. §ier ()ei§t eg „rid)tet nid^t!" 5(6er ber Üiuf nad^ ©ere^tigfeit ift e§ ja, ben tüir je^t öou S)encn ^ören, tüeld^e mit bcr 5l6fd)ä^ung ber 5Ir6eit ungufrieben finb. ^en!t man ttJeiter, fo finbet man jebe •ißerfönlic^feit unöerantttjortlid^ für iljx ^robu!t, bie 5Ir6eit: ein SSerbienft ift alfo niemals barau§ alj§ulciten, jebe 5tr6eit ift fo gut ober fc^Iec^t, toie fie bei ber unb ber nott)menbigen Sonfteßation öon Säften unb ©djtoäc^en, ^enntniffen unb Sege^rungen fein mu§. @S ftef)t nid)t im S3elieben beS 5Irbciterö, ob er arbeitet; aud) nic^t, njie er arbeitet. 9^ur bie ©efic^tSpunfte beS D^ugenS, engere unb meitere, ^aben SSert^fc^ä^ung ber 5(rbeit gefdjaffen. S)a§, maS n)ir jeljt ©ere^tigfeit nennen, ift auf biefem gelbe fel^r n)o()( am $(a^ alö eine pd^ft öerfeinerte 9^ü^Ii(^!eit, tvddjc nid^t auf hm SJ^oment nur 9fiücEfid)t nimmt unb bie ®elegen!f)eit auS* beutet, fonbem auf ^auerljaftigfeit aßer ßuftänbe fiunt unb beöi)ülb aud) \)a§> 3So()I beä 5(rbeiterS, feine Icib* lid)e unb feelifd)e 3"f^^^^»^)^it ^"'^ ^"9^ fößt, — bamit er unb feine 9^ad)fommen gut aud) für unferc 9^ad)fommen arbeiten unb nocf) auf längere ß^iträume, als baS menfd)(ic^e ©ingellebcn ift, ^inauS juoerlöffig werben. 2)ie 5IuS beutung beö ^IrbciterS n^ar, luie man je^t begreift, eine ^ummljcit, ein 9{aub'S3au auf 5loften ber 3wfwnft, eine ©efätjrbung bcr ©cfellfc^aft. Scgt l)at
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moit faft fd^on ben ^eg: unb jcbenfaög tüerben bic Soften, um ben grteben gu erhalten, um S^ertcdge gu fdjltegen unb SSertrauen gu erlangen, nunmel)r fe|r gro^ fein, njeil bie %^ox^dt ber 5(u§5eutenben fc(;r groß unb langbauernb tüar.
287.
3^om (Stubtum be§ ®e[enfd^aft§==^örjDer§.— ^o§ Übelfte für ben, hjeldjer jegt in Europa, namentlt(^ in ®eutf(i)Ianbr Öfonomi! unb ^oliti! ftubieren tüxU, liegt barin, baß bie t^atfäc^Ui^en Suftönbe, anftatt bie Siegeln ju ejemjjüficiren, bie ^tu^nal^me ober bie Übergang^' unb 5tu§gang§ftabien ejentptificiren. SJian muß be§f)alb über ha^ t^atfäd)Iic^ S3efte§enbe erft f)inn)egfet)en lernen unb §um S3etf)3iel ben S3Iitf fernf)in auf SRorbamerüa rid^ten, — n)o man bie an* fänglii^en unb normalen SBetPegungen beö gefeUfd^aft* iicf)en ^örj)er§ noc^ mit klugen feigen unb auffud^en fann, trenn man nur ujill, — tüöf)rcnb in ^eutfcf)lanb bagu fd)töierige f)iftorijd)e (Stubien ober, tt)ie gefagt, ein gernglag nött)ig finb.
288.
Snloiefertt bic SKafd^inc bemütl^igt. — ^c 9}iafd^ine ift unperfönlid^, fie entgiel^t bem @türf 5Irbeit feinen ©to%, fein inbiüibueE ©uteö unbge{)Ier]^afte§, n)a§ an jeber S^ic^t^SJ^afd^inenarbeit licht, — alfo fein Sißdjen Humanität. grüi)er mar alleä kaufen öon^anb- merfem ein ^luSjeid^nen öon ^erfonen, mit beren Slb§eid)en man fic^ umgab: ber §au§rat() unb bie ^leibung mürbe bergeftalt jur (S^mbolif gegenfeitiger äöert{)fd)ö^ung unb iperfönlid^er 3itfommenge!^örig!eit,
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tDö^tenb lüir je^t nur inmitten anonymen nnb unper[ön> Ii(^en <SfIat)entl)um§ ju (eben frf)etnen. — 9J?an mug bie Erleichterung ber Slrbeit nid^t ju t()euer faufen.
289.
$unbertJQ()rige Duarantöne. — !5)ie bemo* fratijd^en Einrichtungen finb Ouarantäne^^Inftalten gegen bie alte $eft t^rannen()after ©elüfte: alä foId)e feljr m^iiä) unb fe^r langtüeilig.
290.
©er gefäf)rlic^fte 5(nt)änger. — ©er gefö^rs lid^fte 5In()änger ift !J)er, beffen 5lbfaII bie ganje Partei üernid^tcn ttjürbe: olfo ber befte STnfjönger.
291.
©aS (Bä)\d\al unb ber ai^agen. — Ein S5utter:= brob me^r ober iDeniger im Seibe beö Socfe^*^ entfd)eibet gelegentlid^ über SBettrennen unb SBetten, alfo über (SJlücf unb Unglücf t)on ^aufenben. — @o lange ha^ ©d^irffal ber Ißölfer noc^ uon ben 2)iplomaten abfängt, iDerben bie SDMgen ber ^Diplomaten immer ber ©egenftanb patriotifd)er 93e!lemmung fein. Quoueque tandem —
292.
©ieg ber ^^cmofratie. — Eg Derfuc^en je^t alle ppKtifct)en 9}^äd)te, bie 5(ngft öor bem ©ocialiömuS anögubcuten, um fid) gu ftärfcn. 5(ber auf bie 2)auer l;at bod) allein bie ©cmohatie ben S8ortl)eil baüon: bcnn
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alle ^arteten ftnb je^t genöt^tgt, bem „SSoIfe" ju fd^meic^eln itnb tf)m ©rteid^terungen unb grei^eiteit aÖer5lrt gu geben, tooburd) e§ enblid) omnipotent lüirb. ^a§ SSoI! ift t)om (SorialtSmu^, oB einer Sel)re öon bet SSerönberung be§ (£igentt)umern3er5e§, am entfemteften: unb toenn e^ erft einmal bie ©teuerjdjtaubc in ben §änben ^at, bur^ bie großen 9J?aioritöten feiner Parlamente, bann toirb e§ mit ber ^rogrefftöf teuer bem ^apitalifteU' ^aufmann§= unb S3örfenfürftentf)um an ben Sei6 geCjen unb in ber %i)at langfam einen SD^ittelftanb fd^affen, ber ben (Bociali^mu^ loie eine überftanbene ^an!^eit bergeffen barf. — SDa§ praftifd^e (Srgebniß biefer um fid) greifenben ^emofratifirung tpirb junödift ein euro)3äifdjer SSöIferbunb fein, in loeldjem jebe^ einzelne SSoI!, nad) geogra:pf)ifd)en g^^^^^öfeigfeiten abgegrenzt, bie Stellung eine§ SantonS unb beffcn (Sonberredjte innel^at: mit ben ]§iftori[d)en Erinnerungen ber bi^l^erigen Golfer Ujirb babei tüenig nod^ gered)nct ioerben, ipeil ber ipietätüolle ©inn für biefelben unter ber neuerung§liid)ägen unb öerfuc^Slüftemen §errf^aft be^ bemofratifd^en $rinci)3§ aümä^lic^ öon ©runb au^ entlourgelt toirb. ^ie Sorrehuren ber ©renken, n)e(d)e babei fid^ nöt^ig geigen, lüerben fo au§gefüf)rt, ha^ fte bem SfJugen ber großen Santone unb guglei^ bem be§ ^efammtöerbanbeS bienen, nid^t aber bem ©eböc^tniffe trgenblüe(d)er tjergrautcn SSergangenf)eit. ^ie ©efic^t»* pun!te für biefe ßorrelturen §u finben iüirb bie 5lufgabc ber guHxnfägen 2)i^3Iomaten fein, bie gugleid) MturforfcEier, Sanbn)irtf)e, SSerfel)r^5!enner fein muffen unb !eine §eere, fonbem (SJrünbe unb $Rü§lid)!eiten I)inter ftd) I)aben. S)ann erft ift bie öugere «ßolitif mit ber inneren unsertrennbar t)erhuH)ft: töä^renb je^t immer nod^ bie le^tere i^rer ftolsen Gebieterin
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nad^läuft unb im erbärmlid^en 5törbd^en bte ©to^pelöl^ren jammelt, bic bei bcc (Smte bcr erftercn übrig bleiben.
293.
3tcl itnb Wxttel ber ^emofratie. — ^ie S)cmo!ratie tüiH möglidjftSSielen Unabl)öngig!eitfd)affeu unb öerbürgen, Unab^öngigfeit ber 9J?einungen, ber ScbenSart unb beß (Smerbß. S)Q3U l)at fie nöt^ig, fotuof)! ben Sefigtofen al§ ben etgent(id) iHeid^en ha^ ^o(itijrf)c (Stimmredjt abjufprec^en: al§ ben gtüei unerlaubten 9J^enfd)enf(aff en , an beren Sefeitigung fie flötig arbeiten niußr tüeil 2)ie{c i^rc 5lufgabe immer mieber in gragc ftellen. ©benfo mu§ [ie aÖeS t)erf)inbern, lüa§ auf bie Organifation öon Parteien abguäielen fd)cint. ^enn bie brei großen geinbe ber Unabfjängigfeit in jenem brei* farfjen ©iune finb bie ^abenidjtfe, bie S^eid^en unb bic Parteien. — Sc^ rebc Don ber 2)emofratie al§ öon cttoa^ Ä^ommcnbem. ^aö, maß fd)on jefet fo f)eiJ3t, unter« (d)cibet fid) öon ben älteren 9f?egicrungß[ormen aEein baburd), baJ3 eß mit neuen ^ferben fä^rt: bie ©tragen finb nod) bie alten, unb bie SRöber finb aud^ nod) bie alten. — Sft bie ©cfaljr bei biefen gu{)rmer!en beö il^ölfermo^lß mirflid; geringer geitjorben?
294.
^ie 93efonncn^cit unb ber ©rfolg. — Senc große (£igcnfd)aft ber ^cfonnenl)eit, meiere im ®runbe bie '^ugcnb ber ^ugcnben, i^re Urgroßmutter unb Königin ift, l)at im gemö^nlidjen fiebcn feineßmegS immer \)c\i C^:cfo(g auf il)rer ©eite: unb bcr greier mürbe fic^ gctäufdjt finben, ber nur bcß ©rfolgß megen fic^ um
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jene ^«genb BetüorBen fiötte. (Sie gilt nomlicJ^ unter ben t)ra!ttfc^en Seuten für berböd^tig unb lüirb mit ber §inter()a(tig!eit unb ()euc^Ierif(^en ©c^lQu()eit üem)ed)felt: loem bagegen erfid)tUdj bie ^efonnen^eit abget)t, — ber Tlann, ber rofc^ ^"Ö^^^f^ ^^ ^"^ einmal banebengreift, ^at ha^ SSorurt^eil für ft^, ein bieberer, guöerläffiger ©efelle ju fein, ^ie ^)ra!tijc^en Seute mögen alfo ben iBefonnenen Ttid^t, er ift für fte, toie fie meinen, eine ©efa^r. 5(nberer]eit§ nimmt man ben SSefonnenen leidet al§ ängftlid), befangen, pebantifd^ — bie unpraftifdjen nnb geniefeenben ßeute gerabe finben ilfin unbequem, ttjeil er nid^t Ieid^tf)in lebt n)ie fie, olEine an ha^ §anbetn unb bie ^flid^ten gu benfen: er erfd)eint unter i^nen lüie if)r leibhaftes ©etoiffen, unb ber ^elle Sog UJirb M feinem 5(nblicf il;rem 5Iuge bleid). SBenn i^m alfo ber ©rfolg unb bie S3eliebtt)eit fef)(en, fo mag er fid^ immer gum STrofte fagen: „fo I)od^ finb eben hk (Steuern, njcld^e bu für h^n S5efi^ be§ föftlid^ften ©uteS unter 2Kenfd)en ga^len mugt, — er ift eä loert^I"
295.
Et in Arcadia ego. — 3c^ fa^ l^inunter, über ^ügel'SBeHen, gegen einen milc^grünen ©ee i)in, burd^ Pannen unb alterSemfte gid)ten l^inburd^: gelöbrodfen aller 5lrt um mid^, ber S3oben bunt bon S5Iumen imb (SJräfem. ©ine §eerbe beujegte, ftredte unb betritt fid^ t)or mir; einzelne ^ü^e unb ©nippen ferner, im fdC)ärfften 5Ibenbli(l)te, neben bem S^abelgeplg; anbere näl^er, bunfler; OTeS in S^iu^e unb §(benbfättigung. ®ie Uljr geigte gegen ^alb ©ed^S. 2)er (Stier ber §eerbe loar in ben lüei^en fd^öumenben S3ad) getreten unb gieng langfam njiberftrebenb unb nad^gebenb feinem
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flurgcnben Saufe nad^: fo l^attc er too^I feine 5lrt boit grimmigem S3e^ngen. 3^^ bunfelbraune ©efd^pfe, bergamoöfer §erfunft, luaren bie §irten: ha^ Wähd^m faft alö Ä'nabe gefleibet. 2inU geljen^änge unb (Schnees felber über breiten SBalbgürteln, red^t§ ättjci ungefjeurc beeifte ^^^fen, l)od| über mir, im (Schleier be§ ©onnen« bufteö fcfjtüimmenb — 5lIIe§ groß ftitt unb \)tU. S)ie gcfommte <Sd)önt)cit irirfte gum ©d)aubern unb jur ftummen 5lnbetung beö 5lugenblidä il)rer Offenbarung; unn)i(lfürlic^, tt)ie alö ob e§ nid)t§ $^atürüd)ere§ gäbe, ftellte man fid^ in biefe reine fd)arfe £ic^ttt)elt (bie gar nid^tS (Se()nenbe§, ®rtt)artenbc§, ^or= unb Qüxii& blicfenbeö \)atk) grie^ifdje §eroen f)inein; man mußte ujie ^ouffin unb fein ©d)üler empfinben: ;^eroifd& gugleic^ unb ibt)llifc^. — Unb fo l)aben eingelne 3J?enfd^en aud^ gelebt, fo fic^ bauernb in ber SSelt unb bie SBelt in fic^ gefüllt, unb unter il)nen einer ber größten äJ^enf^en, ber ©rfinber einer ^eroifd^=ib5lIifcf)en 2lrt ju J)l)ilofop^iren: (Spifur.
296.
SRed^nen unb meffen. — SStelc 2)ingc fe^en, mit einanber emjögen, gegen einanbcr abred)nen unb auö if)nen einen fd^neHen ©d)luß, eine giemlid) fiebere (Summe bilben, — ba^ mad)t ben großen ^olitifer, gelbl)errn, 5laufmann: alfo bie ®efd)n)inbigfcit in einer 2lrt öon 5lopfrcd)nen. (Sine ©ac^e fetten, in il)r baö einzige 3J?otii) 5um §anbeln, bie Siic^terin aüeö übrigen §anbe(n§ finben, mad)t ben gelben, auc^ ben ganatifer — ol|o eine gertigfeit im SU^effen mit ©incm 9JJaaßftabe.
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297.
9^i(^t unjeittg fe^cn lüollen. — «Solange man ^ttoa^ erlebt, muß man bem (Srtebni^ ftd^ Iltngeben unb bte klugen fd^Iiegen, alfo ntd^t bar in fd)on ben S3eo6ad^ter machen. ^a§ nämlic^ toürbe bie gute SSerbauung be§ (£rtebniffe§ ftörcn: anftatt einer SSei^fjcit trüge man eine Snbigeftion baöon.
298.
5tug ber ^rajtS be§ Sßeifen. — Um tt}eife 511 tüerben, muß man gelriffe (Sriebniffe erleben njoüen, alfo i^nen in hm Df^ad^en laufen, ©e^r gefä^rlid^ ift bieg freilid^; mancl)cr „3Beife" ttjurbc babei aufgefreffen.
299.
^ie ©rmübung be§ ^eifteS. -— Unfere gelegent^ lid^e ©leicbgültigfeit unb ^ölte gegen 9}?enfd^en, toeläjc un§ al§ §ärte unb (Sl)ara!termangel aufgelegt njirb, ift ^aufig nur eine (Srmübung be§ ®eifte§: bei biefer finb un§ bie 5lnberen, loie toir un§ jclber, gleid^gültig ober läfüg.
300.
^ein§ ift notf)." — SBenn man fing ift, ift einem allein barum 5U t^un, bajs man greube im §er5en I)abe. — 5lrf), fe^te Seinanb l^inju, n^enn man flug ift, tl)ut man am heften, ttjeife ju fein.
301.
(Sin 3cugni§ ber Siebe. — Semanb fagte: „Über 5n)ei ^erfonen l^abe \d) nie grünblic^ nad^gebadjt: c^ ift baS 3^^9"^6 «meiner Siebe ju i^neu."
— 173
302.
SBtc man fcEiIed^te 5Irgumentc ju öerBeffern fudjt — 9J?and)er tütrft feinen {rf)(c^ten 5Irgumenten nod) ein <BtM feiner $erfönltd)feit hinten nad), U)ie a(^ ob jene baburd^ ri(^tiger iiire S3at)n laufen lüürben nnb fid) in gerabe unb gute 5(rgumente öernjanbeln liegen; ganj loie bie ^egelfÄteber aud^ nad^ bem SBurfe nod^ mit ©eüärben unb (£d§tt)enfungen ber £ugel bie SRidjtung ju geben fud)en.
303.
^te 9fied)tlid)!eit. — @ö tft nod) njenig, njenn man in SSejug auf DfJec^te unb ®igentl)um ein SJ^ufter^ 9J?enfd^ ift; njenn man §um Sßcifpiel at§ 5lnabe nie Dbft in fremben (Sparten nimmt, alg Tlann nid^t über ungemä^te SBiefen läuft, — um fleine ^inge ju nennen, tt)eld)e ipie befannt, ben S3cmcig für biefe 2(rt öon 9J?ufter^aftig!eit beffer geben als große. @§ ift nod^ njenig: man ift bann immer crft eine „juriftifc^e ^erfon", mit jenem (^xa\> öon SJ^oralität, bereu fogar eine „(5JefeIIfd)aft", ein SJ^enf^eU'^Iumpen fät)ig ift
304.
3Jienfd)! — SSa§ ift bie ©itelfeit bc§ eitelftcn SJ^cnfdjen gegen bie ©itelfcit, Jücldje bcr S3cfd)eibenfte befi(3t, in §)infid)t barauf, ba^ er fid) in ber Statur unb SSelt aU „5menfd)" füljlt!
305.
9^ütl}igftc ©tjmnaftif. — ^urd) ben SCRangct an Heiner ©elbftbetjerrfdjung brodelt bie güljigtcit jur
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großen Ott. Seber Xag tft fd^Iec^t Benu^t uttb eittc ©efaör für ben ttöd^fteit, an bem matt itid^t lüemgftenö ettttttal ftc^ (StlüaS iitt ^leinett berfagt ^at: btefe ©^mnafti! ift unentbel^rlti^, tüenn man ftd^ bie greube, feilt eigener §err ju fein, ert)alten loilL
306.
©id) felber bcrlieren. — Sßenn man erft ftd^ felber gefunben f)cit, muß man terftel^en, fid^ öon g^^t 51J 3^^ ä^i Verlieren — unb bann imeDer ju finöen: öorau^gefe^t ba^ man ein Genfer ift. 2)iejem ift e§ nömlid^ nad^t{)eilig, immerbar an ©ine ^erfon gebmtben äu fein.
307.
SBann Stbfdjieb nehmen not^ tl^ut — SSon bem, n)a§ bn erfennen unb meffen mißft, mußt bu 5(bfd)ieb nel^men, tüenigftenä auf eine 3^^^ ^^^ ^^i^» bu bie ^tabt t)erlaffen ^aft, fieljft h\i, toie l^od^ fid^ iljre X^ürme über bie Käufer erl^eben.
308.
5lm TlxttaQ,. — 2öem ein tl)ättger unb ftürme» reicher 9J?orgen be§ Seben§ befd^ieben mar, beffen (Seele überfäEt um ben SDättag be§ SebenS eine feltfame SRul^efuc^t, bie 9J?onben unb Sa^re lang bauem fann. (5§ mirb ftill um i!)n, hie (Stimmen Hingen fem unb ferner; bie (Sonne fdjeint fteit auf t()n l^erab. 5Iuf einer verborgenen SBalbmiefe fie^t er ben großen $an fd^Iafenb; alle SDinge ber Statur finb mit i^m eingcfdjtafen, einen 5lu§brud Don ©migfeit im ©efi^te — fo bünft e§ i^m.
— 175 —
®r lüiß tiicl)t§, et forgt ficE) um 9^td^t§, fein ^erj fte^t füll, nur fein ^luge lebt, — e§ ift ein Xob mit hja^en 5lugen. S8iele§ fie^t ba ber SD^enf(^, n)a§ er nie faf> unb fotoeit er fie^t, ift 5(lle§ in ein £id§tne§ einQC* fponnen unb gleidifam barin BecjraBen. @r fül)lt fic^ glüdlid^ babei, aber eS ift ein fd)lt)ere§, fd^njereö ®(üd. — ^a enblid^ erl^ebt ficf) ber SBinb in ben S3äumen, TOttag ift öorbei, ba^ Seben reigt i^n Ujieber an fid^, ba^ Seben mit blinben 5Iugen, ()inter bem fein befolge l^erftürmt: SBunfd^, ^rug, SSergeffen, Genießen, SSernic^ten, SSergäng(irf)!eit. Unb fo fommt ber 5Ibenb f)erauf, ftürmcreirfjer unb t^atenboKer, al§ felbft ber WloxQtn n?ar. — S)en eigentlid^ tt)ätigen SJ^enfc^en er^ fdjeinen bie länger n)ä!)renben ßi^f^^^'^c ^^^ ©rfennenS faft un^eimlid^ unb hanUjaft, aber nid^t unangenehm.
309.
^td^ öor feinem SJ^aler lauten. — ©in großer Tlaltx, ber in einem Portrait ben öoßften STuöbrud unb Hugenblid, beffen ein Tlcn\^ fäl)ig ift, entpUt unb niebergelegt t)at, tuirb bon biefcm 9J?enfd)en, mcnn er i^n fpäter im mirfüd^en 2ch^n ttjiebcrfiet)t, faft immer nur eine (Saricatur ju feigen glauben.
310.
^ic jttjei (SJrunbfäge beS neuen Seben8. — (Srfter (^runbfa^: man foll ba§ fiebcn auf ba^ ©id)crfte, 93ctt)ciöbarfte ^in cinrid^ten: nic^t njie biöl)er auf ba§ ©ntfemtefte, Unbeftimmtcfte, ^orijont-SBolfen^ l)aftefte l^in. 3^^^^^^^ ©runbfa^: man foH fid^ bie Sflei^enfolge be§ S^äd^ften unb 9^al)en, beö ©id^crcn
— 176 —
unb loeniger ©td^eren feftftellen, Betjor man fem SeBcn eiitrt^tet unb in eine enbgültigc Diid^tung bringt
311.
©efä^rlic^e SfJeijbarfeit. — ^Begabte 9}2enfcl)cn, ^ie aber tröge finb, hJerben immer ettDa§ gereift erfd^einen, luenn einet i^rer greunbe mit einer tüd)ligen 5Irbeit fertig getüorben ift S^re ßiferfnd^t ift rege, fie fc^ömen fid) it)rer ganl^eit — ober öiclmeljr, fic befürchten, ber ^^ätige öeracfjte fie gegcnmörtig nod^ mei^r, a(§ fonft. Sn biefer ©ttmmnng fritifiren fie bo§ nene SBer! — nnb if)re ^nti! mirb jnr 3ia^e, jum t)öd)ften S3efremben be§ Urljeber§.
312.
3crftörcn ber Sllnfionen. — 2)ie3IIufionen finb gctüi^ !oftf)3ieIige SSergnügnngcn: aber ba^ gerftören ber SHufionen ift noi^ foftfpieliger — at§ SSergnügen htixa^kt, toa^ eS unleugbar für mand)en 9J?enfd^en ift.
313.
SDaS Eintönige be§ SBcifen. — ^ie£ül)e §aben mitunter ben ^Tu^brud ber Sßermunberung, bie auf bem SSege jur grage f teilen bleibt dagegen liegt im Huge ber t)ö^eren SnteÖigenj ha^ nil admirari auö^ gebreitet toie bie ©intönigfeit beg n)oIfen(ojen §immelS.
314.
S^id^t 5U lange !ran! fein. -— Tlcax pte fid^, ju lange !ranf ju fein: benn balb ttjerben bie ^ufdjauer
~ 177 —
bur^ btc ü5K^e SSer|)f(t^tung, 5}(tt(eibett su Besetgen, ungcbulbig, njeil c§ tl^nen ju üiel iD^ü^e mad^t, biejen ^uftonb lange bei firf) oufrec^t gu ertialten — unb bann ge^en fte unmitte(6ar gnr SSerbäd)tigung eure§ ©f)arofter§ über, mit bem ©d^Inffe: „i^r öerbtent e§ fran! gn fein, nnb wir braudjen un§ nicEjt mc^x mit 9J?itIeiben anäuftrengen."
315.
SBinf für (Snt^ufiaften. — SBer gern t)ingeriffen njerben tt)ill unb fi^ (eidit nad^ Oben tragen laffen möchte, foü sufel)en, bog er nid)t ^u fdEjtüer njerbe, ha^ Reifet §um SBeifpiel, bog er nid^t t)iel lerne unb namentlich öon ber Sßiffenfd^oft fid^ nidjt erfüllen laffe. S5icfe mad^t fd^njerföHig! — ne^mt eud^ in M)t, i^r (Snt^ufiaften!
316.
<Sid) 5U überrafd^en tüiffen. — SBer fic^ felber feigen njid, fo mie er ift, mu^ e§ ljerftel)en, fid) felber ju überrafcf)en, mit ber gadet in ber §anb. ^enn c.^ ftel)t mit bem ©eiftigen fo, tüie e§ mit bem Körper- lid)en ftef)t: n^er gcmo^nt ift, fic^ im (Spiegel ju fdjauen, t)ergi6t immer feine ^ägUd^feit: erft burd) ben 3J?aler befommt er ben ©inbrud berjelben mieber. ?lber er getüöl)nt ftd£) and) an baö ^emälbe unb öergi^t feine ^üglid^feit jum jnjeiten 3)?ale. — ^ieö nac^ bem all- gemeinen ©eje^e, bag ber 9J?enfd) baö Unueränberlidi- §ä5lid)c nid)t erträgt: e§ fei benn auf einen 5lugenblid; er t)ergi§t e§ ober leugnet e^ in allen fällen. — ^ie SDJoraliften muffen auf jenen „5lugenblid" redjnen, um i^re SBal)rl)eiten üorbringen ju bürfen.
»Ueof*<« «öertc. ftlaft.'«u«fl. IV ^o
— 178 —
317.
SDJetnungen unb gtfd^e. — Wan ift Scft^cr feiner 9}?etnungen, tüte man Sefi^er öon gtfd)en ift, — infofern man nömlid^ S3efi^er eine§ 5ifd)teid^e§ ift 9Kan mug fifd^en gelten unb ©(ürf f)aben, — bann i)at man feine gifd^e, feine 9J?einungen. 3d^ rebe ^ier öon lebenbigen 9}?einungen, t)on lebenbigen gif(^en. 5Inbere finb ^n- frieben, tüenn fie ein goffilien=(Sabinet befigen — unb, in \f)xm. Äopfe, „Überzeugungen".
318.
5In5eid^en öon greil^eit unb Unfreiheit. — ©eine not^tüenbigen ^ebürfniffe fo öiel toie möglid^ f eiber befriebigen, lüenn auii) unöoEfommen, ha^ ift bie 9flid)tung auf greil^eit t)on (Seift unb ^erfon. SSiele, aud^ überflüffige Söebürfniffe fid^ befriebigen laffen, unb fo öoKfommen al§ möglid^, — ergießt jur Unfrei]^ eit. ^er ©opl^ift §i^pia§, ber 2lIIeg toa^ er trug, innen unb äugen, felbft erloorben, felber gemad^t l^atte, entfpric^t eben bamit ber S^Hc^tung auf t)öd^fte grei^eit be^ ©eifteö unb ber ^erfon. S^ic^t barauf !ommt eg an, bog 5(Ee§ gleid^ gut unb üollfommen gearbeitet ift; ber ©tolj flicft fd^on bie fd^ab^aften (Stellen ou§.
319.
©id^ felber glauben. — 3n unfererS^it mißtraut man 3ebem, ber an fic§ felber glaubt; e^emalö genügte eg, um an fid^ glauben gu machen. S)a§ Siecept, um je^t ©lauben gu finben, l^eigt: „@d^one bic^ felber nic^t! SBiUft bu beine 9J?einung in ein glaubmürbigeö 2\6)t fe^en, fo günbe guerft bie eigene §ütte an!
320.
Dieid^er unb ärmer ^ugteic^. — S^ !enne
einen 9J?enfd)en, ber al^ 5linb \d)on ftd^ gelpöfint ^atte,
gut öon ber Sntefleftualität ber 9J?enfcl^en §u benfen, alfo
bon i^rer tüat)rcn §tngebung in ^Segug auf geiftige ^inge,
it)rer uneigennü^igen 33eöor5ugung beö al§ tt)at)r fe
fanntcn unb bergleid)en, bagegen Don feinem eigenen
^opfe (Urtf)eil, ®ebäd)tni6, ©eifteSgegeniüort, $f)antafie)
hefc^eibene, ja niebrige begriffe gu f)aben. (£r mad^te
'id) nid^tö au§ ftd^, tüenn er fid^ mit ^Tnberen öerglid^.
tJJun njurbc er im Saufe ber Saf)re erft einmal unb
Dann l^unbertfad^ ge^tüungen, in biefem ^un!te um^u^
lernen, — man foHte benfen ju feiner großen greube
inb (5jenugtf)uung. (£§ ga6 auc6 in ber %\)at @troa§
)at)on; aber „boc^ ift, loie er einmal fagte, eine Sitter-
feit ber bitterften 5lrt beigemifc^t, meiere id^ im früt)eren
öeben nirf)t fannte: benn feit i^ bie 3J?cnf(f)en unb
nid) fetber geregter fd^öfee, fd^eint mir mein ©eift
oeniger nü^e; id^ glaube bamit faum noc^ tttoa^ ©uteö
Jttüeifen ju fönnen, meil ber ©eift ber 5tnberen e§
üd^t ansune!)mcn t)erftel)t: id§ fcl)e je^t bie fdjredlid^e
flüift gtüifd^cn bem ^ülfreid^en unb bem ^^ülfebebürftigen
mmer öor mir. Unb fo quält mid) bie "üHoti), meinen
Seift für mid^ ^aben unb aflein geniegcn gu muffen,
0 tueit er genießbar ift. ?Iber geben ift feiiger alö
iabcn: unb maö ift ber SfJeic^fte in ber Sinfamfeit
liner Söüfte!"
321.
2Ö1C man angreifen foll. — ^ie ©rünbe, um )ercnttt)iflcn man an (^tiva^ glaubt ober nic^t glaubt, inb bei beu aücrjeltenftcn 3Jicnfd^en überhaupt fo ftar!,
-~ 180 —
aU fie fein fönnen. gür getoö^nltd^ ^at man, um ben Glauben an ©ttuaS ju er[c^üttern, burd^auS nt(f)t nöt^tg, o^nc SSeitere^ ha^ fd^loerfte ©efc^ü^ be§ 5lngrtff§ öor§ufaf)ren; bei S5ielen fü^rt e§ fd^on pm ^kk, loenn man ben Eingriff mit ettüaS Särm mai^t: fo ta^ oft ^nallerbfen genügen, (biegen fel^r eitle ^ßerfonen reid)t bie 90?iene be§ aUerjdjtüerften ^ngriff^ an§>: fie fef)en ftd^ fe^r ernft genommen — unb geben gern nad^.
322.
^ob. — ^urtf) bie fidjere 5ru§fid)t auf ben Xob fönnte jebem Seben ein föftli(^er, itJo^lriecCienber Xropfen öon Seic^tfinn beigemifc^t fein — unb nun {)abt i^r tounberlid^en 5r)30t^e!er=6ee(en au§ i^m einen übel= fc^medenben ©ift'SL^roJ)fen gemad^t, burc^ ben ba^ ganje Seben miberlidf) toirbl
323.
9!eue. — 9^iemal§ ber D^eue 9^aum geben, fonbem fid^ fofort fagen: bieg l^iefee ja ber erften ^ummt)eit eine ätoeite gugefeöen. — $)at man ©d^abcn geftiftet, fo finne man barauf, ®ute§ gu ftiften. SBirb man megen feiner §anblungen geftraft, bann ertrage man bie ©träfe mit ber ©mpfinbung, bamit fd^on etma^ ®ute§ ju ftiften: man fd^recEt hk Ruberen ah, in bie gleid^e Xl^orl^eit äu Verfallen. Seber geftrafte Übeltl^äter barf fid^ alö SBo^Itf)äter ber 2JJenfd^^eit fügten.
324.
3um Genfer merben. — 3Bie !ann Semanb ^um Genfer toerben, menn er nid^t minbeften^ ben britten
— 1»1 —
%l}^\i jebcn Xage§ o^tte Seibenfdjaftcn, 9J?enfc^en imb
«cf)er öerbringt? 325.
2)ag befte Heilmittel. -— (Sttoaä ©efunbf)cit ab unb 5U ift ba§ befte §ei(mittel be§ 5han!en.
326.
D^ic^t anrühren! — • ®§ giebt fc^redlic^e SD^enfd^en, toeId)e ein Problem, anftatt e» ju löfen, für 5ine, loeld^e fic^ mit i^m abgeben tuoKcn, öerfigen unb jc^tüerer lösbar machen. SBer e§ ntd)t öerfte^t, ben SJlagel auf ben ^opf §u treffen, foU ja gebeten fein, ilju gar nid)t ju treffen.
327.
^ie öcrgeffene Statur. — SSir fpred^en t)on SRotur unb öergeffen un» bobei: lüir f eiber finb Statur, quand mdme — . JJoIgüd^ ift Statur ettnaö ganj Slnberc^ alö ba§, tt)aö hJtr beim S^ennen iljreS SRamenö empfinben.
328.
Xicfc unb Sangtüeiligfeit. — S5ei tiefen 90? cnfd)cn loic bei tiefen örunnen banert e^ lange, bis (£tn)ag, ha^ in fie fäHt, i^ren ^runb erreidjt. ^ie ^nfci^auer, iüeld^c getuö^ntid) nid^t lange genug njartcn, galten fold^e 3Kenfd)en (eid^t für unbctüeg(id) unb l^art — ober auc^ für langtDeilig.
329.
SBann e§ 3^^* U^ fi^ ^rcue ju geloben. — 9J?an ücrtänft fid^ mitunter in eine geiftige 9äd)tnng,
~ 182 —
lt)eld)cr unfrc Söegabung lDtberfprid)t; eine 3^^^ong fömpft man ^erotfd^ njtber bte g(utt) unb ben SSinb an, im ©rnnbe gegen fid^ felbft: man tüirb mübe, feucht; tva^ man öoHbringt, mad^t ©inem feine redete greube, man meint §u tjiel bei biefen Erfolgen eingebüßt §u l^aben. Sa, man öergnjeifelt an feiner grud)tbarfeit an feiner ß^'^i^^f*' mitten im (Siege melleid)t. ©nblic^, enblid) fetjrt man nm — unb jegt tüet)t ba* SBinb in unfer ©egel unb treibt un§ in unfer gat)rn)affer. Sße(d|e§ (31M\ Sßie fiegeSgetüiß füllen toir un§! Se|t erft Ujiffen tüir, toa^ mir finb unb ma§ mir moEcn, je^t geloben mir un§ ^reue unb bürfen e§. — al§ Söiffenbe.
330.
SBetterj)rop^eten. — SBic bte Söolfen un§ ber^ ratzen, mof)in ^od) über un§ bie SBinbe laufen, fo finb hk leid^teften unb freieften @eifter in i^ren SRid^tungen üorau§t)er!ünbenb für ha^ Sßetter, baö fommen mirb. ^er SSinb im X^ate unb bie ÜD^einungen bei» SD^arfteö öon §eute bebeuten 9^id^t§ für 2)a§, ma^ fommt, fonbern nur für ®a§, ma§ mar.
331.
©tätige S5ef(^(eunigung. — Sene ^erfonen, lt)eld£)e (angfam beginnen unb fd^mer in einer <Sac^e l^eimifd^ merben, l^aben nad^l^er mitunter bie ©igenfc^aft ber ftätigen S3efd^leunigung, — fobag gule^t D^iemanb n)ei^, mot)in ber ©trom fie nod) reiben fann.
332.
S)ie guten ®rei. — ®rö§e, ^nf)t, <Sonnenlid^t — biefe S)rei umfaffen 5lIIeg, toa^ ein Genfer münfd)t unb
-^ 183 —
aucf) öon ftd^ forbett: feine Hoffnungen unb ^id^ten, feine §(nfprücf)e im Snteöeftueöen unb 9J?oralif(^en, fogar in ber täglichen ßeben^tüeife unb felbft im Sanb* fcE)aftlicf)en feinet Sßn^nfi^e^. S^nen entfpred)en einmal er^ebenbe ©ebanfen, fobann beruhig enbe, brittenS auf^ellenbe — bierten§ aber ©ebanfen, iüeld^e on allen brei ©igenfc^aften Slnt^eil f)aben, in benen alle§ 3rbifrf)e jur Sßerflärung fommt: e§ ift ha^ 9^eic^, ipo bie große SDreifaltigfeit ber greube l^errfdjt.
333.
gür bie „Sßa^r^eit" ftcrben. — Sßir würben un§ für unfere 3Jieinungen nirf)t berbrennen laffen: mir finb il)rer ni^t fo fidler. 5l6er öieEeid^t bafür, bog mir unfere SD^einungen l)aben bürfen unb önbem bürfen.
334.
(Beine ^ajc Ijaben. — SBenn man gerobe fo öicl gelten toill, alö man ift, muß man (ittoa^ fein, ha^ feine Xaje {)at. 5lber nur ha^ ®emöl)nlic^e l^at feine ^aje. (Somit ift jeneS SSerlangen enttoeber bie S'^^GC einfid^tiger 93efd)eibcn'^eit — ober bummer Unbefcl)eibent)eit.
335.
SD^oral für ^öuferbauer. — SD^an muß bie berufte n^egncljmen, ioenn ba^ §auä gebaut ift.
336.
(Sop^ofleiSmuS. — SBer l^at me^r Söaffer in \)cn SBcin gegoffcn als bie ®ricrf)en! 9^üc^tcrnl)cit unb
— 184 —
(^t%k öerbunbeu ~ ha^ toax ha^ ^Ibelö^^SSorred^t be§ 5Itf)ener§ gut Qdt be§ ^op^otk^ utib nad^ i^m. 2J^ad)e e§ natf), Ujer ba fann! Sm Seben unb ©d^affcnl
337.
^o§ §erotfcf)e. — - ^a§ §erotfd)e befte^t barin, baß man ©roßeS tl)ut (ober ettt)a§ in groger SSeife nid^t t^ut), of)ne fid^ im SBetüampfe mit 5(nbercn, t)or 5lnberen p füf)len. ^er §erc§ trägt bie ^inöbc unb ben ^eiligen unbetretbaren ©rengbegir! immer mit \x6), tDof)in er aud^ gel^e.
338.
^o^)t3e(gangeret ber 9^atnr. — Sn mand^er 9^atur^®egenb entbedEen iüir un§ fetber njieber, mit an^ genet)mem (SJraufen; e§ ift bie fd^ön[te SDoppelgängerei. — SBte glüdfüd^ mug ^er fein !önnen, njeld^er jene (Smjjfinbung gerabe l^ier ^at, in biefer beftänbigen fonnigen Oftoberluft, in biefem fd^oÜ^aft gtüdtlid^en ©fielen beg 2Binb§uge§ bon grü^ biö 5lbenb, in biefer reinften ^eKe unb mäßigften Riü)k, in bem gefammten onmutl^ig ernften §)üget=, (Seen= nnb 2öaIb=Sl^ora!ter biefer §od[jebene, tüeldf)e fid^ o^ne gurd)t neben bie ©d^redEniffe be§ etüigen @d^nee§ Eingelagert l^at, l^ier, tüo Stauen unb ginnlanb gum S5unbe §ufammenge!ommen finb unb bie §eimat aller filbernen garbentöne ber Statur 5U fein fd^eint: — lüie glüdflid^ ber, ttJeld^er fagen !ann: „e§ giebt geluig tiel ©rögereS unb ©d^önereä in ber Statur, bieö aber ift mir innig unb öertraut, blut^öertoaubt, ja noc§ me^r."
185 —
339.
Seutfeligfeit bcö SBetfen. — ^er SBetfe lütrb untüißfürlid^ mit ben anbem 3J?enfc^en leutselig umge^ien tüie ein gürft unb fie, tro| aller SSerfc^iebenfjeit ber S^egobung, be§ @tanbc§ unb ber ©efittung, leidet aU gleidiartig Bet)anbeln; toa^ man, fobalb eg bemerft n^irb, i^m fe^r übel nimmt.
340.
©olb. — m^^, m§> ©olb ift glöngt ni^t. ^ie {aufte (Strahlung ift bem ebetften 9JJetalIe 5U eigen.
341.
$Rab unb ^emmfd^ul^. — SDaS 'Slab unb ber §emmfd)ul) \)ahm öerfd^iebene ^füd^ten, aber ani^ eine gleid^e: einanber tt)ef)e ju tl)un.
342.
Störungen bcS SDenfcrö. — 5Iuf OTe^, maö ben Genfer in feinen ©ebanfen unterbrid)t (ftört, luie man fagt), muß er friebfertig ^infd^auen, tüie auf ein ncueö 3J?obeII, baö jur ^pr l)ereintritt, um fi^ bem 5lünftler anjubieten. !J)ie Unterbred^ungen ftnb bic Stäben, ipclc^e bem (^infamen ©peifc bringen.
343.
ißiel ®eift f)aben. — S^iel ®eift l)aben crpt jung:, aber man muß eS ertragen, bamit gerabe für älter ju gelten, alö man ift. 5Denn bie 9J?enfc^en lefen bie ©c^rift^üge beö (iJeiftcd ab als > (Spuren ber
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Sc5en§erfat)rung, ha^ l^eigt be§ ^kU unb ©d)Iimm* gelebt^l^aben^, be§ Selben^, Streng, S5ereuen§. 5njo: man gilt il^nen für älter foiüo^^I a(§ für f(f)l echter, al§ man ift, trenn man öiel ©eift l^at unb jeigt
344.
SSte man ftegen mu^. — 9J?an foll nid^t fiegen njoHen, lüenn man nur bte Slugfti^t ^at, um eines §aare§ SSreite feinen ©egner ju über{)oIen. S)er gute (Sieg mu§ ben S5efiegten freubig ftimmen, er mu§ etroaS ©öttlidieg t)aben, tüeld^eS bie S3eftf)ämung erfpart.
345.
Sßa^n ber überlegenen ©eifter. — ®ie über* legenen ©eifter t)aben TM)e, fi^ öon einem Sßal^ne frei ju mad^en: fie bilben fid^ nämlid) ein, ha^ fie bei ben TOttelmä^igen 9^eib erregen unb a(§ 5(u0na^me emj)funben hjerben. Stf)atfä(f)Iid^ aber tuerben fie al§ S)a§ empfunben, mag überflüffig ift unb iuaö man, menn eg fehlte, ni(i)t entbehren iüürbe.
346.
gorberung ber 9fleinlid)feit. — ^aß man feine SJ^einungen tücc^felt, ift für bie einen Staturen ebenfo eine gorberung ber S^teinlid^Ieit, mic bie, bo§ man feine Kleiber m^djfelt: für anberc Staturen aber nur eine gorberung i^rer (^teüeit.
347. 2tud^ eines §ero§ mürbig. — §ier ift ein§ero§, ber 9^id^t§ gct!)an l^at alg ben SSaum gefd^üttett, fobalb
— 187 ~
bie glückte reif tüaren. ^ünft eud^ bie§ §u lüenig? 60 jeljt eurfj ben Saum er[t an, ben er fd)üttelte.
I
348.
SBoran btc Sßetgf)eit ju meffen ift. — ^er SiUüac^ö an SBeiS^ett Iä§t ft(^ genau nad^ ber S(6naf)me an ®at(e bemeffen.
349.
!5)en Strt^um unangenef)m fagen. — (£g ift md)t nod^ iebennann^ ®efd)mad, ba^ bie 3Ba^rt)eit angenehm gefagt iuerbe. SD^öge aber toenigftenS 9^ie* manb glauben, ha^ ber Srrtljum jur SBaljr^eit tüerbe, tocnn man it)n unangenel)m fage.
350.
®tc gotbene Sofung. — !lDem 9}?enfc^en finb tiele 5letten angelegt njorben, bamit er e§ verlerne, fid) luie ein Xt)ier ju gebärben: unb njirüid), er ift mitber, geiftiger, freubiger, befonnener gettjorben, a(g alle ^Ijiere finb. 9fhin aber (eibet er nodj baran, \)Ci^ er fo lange feine 5tetten trug, ba§ eS it)m fo lange an reiner Suft unb freier Seujegung fe()Ite: — biefc Letten aber finb, \^ ttjieber^ole eö immer unb immer njieber, jene fd)tDeren unb finnöoUen 3rrtt)ümer ber moralifc^en, ber religiöfen, ber metapbt)fijd)en SßorfteHungen. ©rft menn auc^ bie Äctten^Äranf^eit übermunben ift, ift \>ai erfte groge Q\d ganj erreidjt: bie 5I6trennung beö 2)?enfd)en t)on ben Xt)ieren. — 9^un fielen mir mitten in unjcrer 5lrbcit, bie Sletten abjune^men, unb ^aben babci bie
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^öd)fte $Borftd)t rtöt^tg. 'Slni bcm öerebelten Sßenfd^en barf bie gret^ctt be§ (SJetftcg gegeben iDerben; i^m aKetn na^t ixt (Srletdjterung be§ Sebenö unb fal6t {eine SSunben au§; er guerft barf fagen, ba^ er um ber greubig!ett njillen lebe unb um feinet tüeiteren gieleg lüillen; unb in jebem anberen 9)?unbe ipöre fein SSaf)If|)ruc^ gefäf)rli(^: grieben um mid) unb ein SSofilgefaUen an allen näd)ften fingen. — S3ei biefem SBaf)Ifprud^ für (Singelne gebenft er eine§ alten großen unb rü{)renben SSorteö, n)eld)e§ Tillen galt, unb ha^ über ber gefammten 2)^enfd)t)eit fielen geblieben ift, a(§ ein SSa^lfprud) unb 2öa]^räeirf)en , an bem Sebet gu ©runbe get)en foE, ber bamit §u geitig fein S3anner fc^müdt, — an bem ba§ (5t)riftent^um gu ©runbe gieng. 9^od) immer, fo fd)eint e§, ift eö nic^t 3^^*' ^^6 ^^ allen 9J?enfd)en jenen §irten gleid^ ergeben bürfe, bie ben $immel über fidj erließt fa^en unb jene^ SSort prten: „griebe auf (Srbcn unb ben 9J?cnfd§en ein SBoljlgefallen an einanber." — 3mmer noc^ ift e§ bie Qdt ber ©injelncn.
^er ^c!)attcn: SSon 5IEem, ttjaS bu öorgeBrad^t Ijaft, l^Qt mir md)t§ mel)r gefaEen al§ eine Söerf)ei§ung: i^r ttJoKt lüieber gute 9^ad)6artt ber näd)ften SDingc itJerben. ^ie§ tüirb aii^ un^ ormcn ©rf)attcn gu (SJutc fommen. S)enn, geftel)t e§ nur ein, it)r Ijaht bi^^er un§ alljugem öerteumbet.
2) er SSanberer: SSerleumbet? ^Iber tüarum t)aht x\)x eud) nie üertljcibigt? S^r Rottet ja unfere Df)ren in ber S^ä^e.
^er(5d^otten: ©§ fd^icn un§, als ob h)ir euc^ eben 5U nQt)c ftjären, um öon un§ felber reben gu bürfen.
^er SSanberer: ^elifat! @ef)r belifat! 5(d), t^r ©cf)atten feib „bcffere SJienfdjen" als tuir, ba§ merfe i^.
^er ©djQtten: Unb bod^ nanntet if)r unö „ju- bringlid)" — unö, bie tüxx minbeftenS ©incS gut öcrftc&en: äu fd)n)eigen unb ju Unarten — fein (Snglönber öerftel^t eä beffer. @ö ift n)at)r, man finbet unS fet)r, fe^r oft in bem ©cfolge beö 9J?cnfd)en, aber bod^ nic^t in feiner £nec^tf(^aft. SBenn ber 9J?enf^ baS Sid)t fd)eut, fc^cuen ton ben SU^enfdjcn: fo tucit gel^t ho6) unfere greit)eit.
^er Sßanberer: 5td), bad Sic^t fd^eut nod^ tjicl öfter ben 9Jienfd)en, unb bann Derlagt if)r if)n auc^.
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^cr ©(fjatten: Sc^ ^ahz btc^ oft mit (Sdjnterj terloffen: e§ ift mir, ber i^ tripegierig bin, an bem SJ^enfd^en SßieleS bunM geblieben, n)ei( ic^ nid)t immer um if)n fein fann. Um ben ^ei§ ber öoÖen SO^enfd^en- ©r!enntni§ möd^te iä) and) tüo^I bein ^SflaDe fein.
^er SSanberer: SBeifet bu benn, tüd^ id} benn, ob bu bamit nid)t unöerfel^enS au§ bem (Sflaüen §um §errn toürbeft? Ober gtoar ©flatje bliebeft, aber ate ^eräc^ter beineS §errn ein Seben ber ©miebrigung, be§ ©!el§ füljrteft? @eien tüir S3eibe mit ber grei^eit gufrieben, fo toie fte bir geblieben ift — bir unb mir! ^enn ber 5lnblid eine§ Unfreien n)ürbe mir meine größten greuben üergäHen; \>a^ S3efte märe mir jutribcr, menn e§ Semanb mit mir t^eilen müßte, — ic^ njitt !eine ©flaöen um mid^ toiffen. ^eS^alb mag id^ auc^ ben §unb nic^t, ben faulen, fc^meifmebelnben (Sd)maro|er, ber erft at§ ^ned^t be§ SD^enfc^en „{)ünbifd)" gemorben ift unb öon bem fte gar no(^ §u rül^men ))f(egen, baß er bem §errn treu fei unb it)m folge mie fein —
^er (Sd^atten: SBie fein <Sd§atten, fo fagen fte. S3ieIIeid)t folgte id) bir f)eute anä) fd^on ju lange? fö§ mar ber längfte ^ag, aber mir finb an feinem @nbe, I)abe eine üeine SBeite nod^ (SJebulb! 2)er Sf^afen ift feud^t, mid^ fröftelt.
^er Söanbcrer: O^, ift e§ fd^on 3^^^ 8" fd^eiben? Unb id^ mußte bir gule^t nod^ mel^e t^un; id) \a\) e§, bu murbeft bun!(er hahel
©er ©d^atten: 3d^ errötf)ete, in ber garbe, in meld^er id^ e§ öermag. Thx fiel ein, \>a^ id^ bir oftgu güßen gelegen Ijahe mie ein §unb, unb ba^ bu bann —
©er Sßanbcrer: Unb fönnte id^ bir nid^t in aller (SJefd^toinbigtcit uodf) (^tma^ ^u Siebe tt)un? §aft bu feinen SSunfd^?
- 191 -^
^ci (Sd)attcn: Slcinen, auger cttua ben Söimfc^, tt)dä)m ber :p§iIofo))^tfc]^e „§unb" bor bem großen ^Itejonber l^attc: gcl)e mir ein njeuig au§ ber (Sonne, e^ tt)irb mir gu folt.
2)er SBanberer: 2Ba§ foll xä) il)m?
SDer 6d)atten: Xritt unter biefe gidjten unb fc'^aue bid) noc^ ben 35ergen um; bie ©onne [tn!t.
®er SBanberer: — SSo bift bu? Sßo 6ift bu?
F
50lorgentöt^e
(Sebanfen über bk mova(ifd£)cn SSoxixxtWik (1880/81)
„0:8 ßlcbt fo olctc gjlorgcnröt^en bte noc^ ntci)t Qc(cuci)tci öaben." 9tt0oeba.
Sileöfc^e« «Jerre. filafT.^^uSfl. IV 13
SSorrebe. (Ib86)
3n biefem S3ud^c finbet man einen „Unterirbifcfien* 1 ber 5(rbeit, einen öol^renben, ©robenben, Untergraben- m. Wan fie^t il^n, öoran^gefe^t, bag man klugen für Ic^e 5lrbeit ber Xiefe i)at —, tok er (angfam, befonnen, xt fanfter Unerbittlid^feit öornjörtg fommt, of)ne bag e ^oti) fid) aüjufeiir öerrieti)e, n?eld)e jebe lange @nt* il^rung t)on fiirfjt unb fiuft mit fid^ bringt; man !önntc in felbft bei feiner bunüen 5trbeit jufrieben nennen. )d§eint e§ nid^t, ba^ irgenb ein (SJIaube if)n fü^rt, ein :roft entfd^äbigt? ^ag er öieHeic^t feine eigne lange inftemig t)aben n)ill, fein UnöerftänMi^e^, SSerborgene^ tät^fe(t)afteS, n)ei( er meig, toaS er aud^ t)aben loirb: inen eignen 3J?orgen, feine eigne (Sriöfung, feine eigne '("orgenröt^e?. . . Q^mx% er tühh 5urücffet)ren: fragt in nicf)t, Uja^ er ba unten n)ill, er Ujirb eö eud^ felbft 1)011 fagen, biefer fd)einbare Xropt)oniog unb Unter« bifd)e, menn er erft tüieber „9J2enfd^ getporben" ift. ^lan öerlernt grünblid^ baä (Srf)n)eigen, ttJenn man fo inc\e, njte er, ?Q?auInjurf tüax, allein toar
2.
, 3n ber %i:)at, meine gebulbigcn ^reunbe, id) miH e« |4C^ fogen, tüaö ic^ ba unten woUU, l)ier in biefer fpöten
— 196 —
SSorrebc, loc^c Icti^t \)ättt ein 9^ac^ruf, eine Seid^enrebc toerbcn fönnen: benn td^ bin gurüd gefommen unt — id^ bin baüon gefommen. Glaubt ja nid^t, ha^ id^ eud^ ffVL bem gleid^en Sßagniffe aufforbern loerbe! Dht\ aud^ nur jur gleid^en (ginfamfeit! 2)enn toer auf folc^er eignen Sßegen ge^t, begegnet niemanbem: ha^ bringer bie „eignen Sßege" mit ftd^. ^iiemanb fommt, i^m babei 5U Reifen; mit OTem, njaS i^m tjon Oefa^r, Qn^aü, SoS^eit unb fd^Ietfjtem SSetter guf töfet, muß er alleir fertig toerben. ^r ^at eben feinen 2Beg für fid^ — unb, tpie billig, feine S5itterfeit, feinen gelegentlid[)en SSerbruJ an biefem „für fid^": tooju e§ jum S3eifpiel gehört, §u n)iffen, ha^ felbft feine greunbe nid^t erratl^en fönnen, tpo er ift, tool^in er gel^t, bog fie fid^ biStoeilen fragen tDerben „toie? gel^t er überhaupt? f)at er nod^ — einen Sßeg?" — S)ama(g untemal^m id^ etttjaS, ba§ nid^t jeber* manng @ad^e fein bürfte: id| ftieg in bie Xiefe, id^ bof)rtc in ben ®runb, id§ begann ein alte^ SSertrauenju unter* fud^en unb anjugraben, auf bem tvix ^fiilofopl^en feil ein paax Sal^rtaufenben loie auf bem fid^erften ®runb( ju bauen pflegten, — immer lieber, obtool^t jebeS ©ebäube bi§I)er einftürjte: id^ begann unfer S8 er trau er jurSDf^oralju untergraben. 5lber i^r öerfte^t mid^ nid^tx
3.
(£g ift bisher am frf)tedjteften über ®ut unb 95öf tta^Q^aä)t tt)orben: eS toar bieS immer eine ju gefäl^ lid^e @a^e. 2)ag ©etDtffen, ber gute 9fiuf, bie §ötte unter Umftänben fetbft bie ^olijei erlaubten unb erlaube feine Unbefangenl^eit; in ©egentoart ber Tloxal foll ebc» tpie 5lngefid^t§ jeber 5lutorität, nid^t gebadet, nod^ ttjenigc gerebet tt)erben: l^ier toirb — gel^ord^t! ©o Ion
197
Ote SBett ^ki)t, tvax nod) !etnc 5lutorität SSiüenS, ft^ jum (SJegenftanb ber £ritif nehmen gu laffen; unb gar btc Floxal fritiftren, bie Woxal ate Problem, afö probier matifd^ nel^men: lote? toax \)a^ nid^t — ift ba§ md)t — umnoraltfd)? — 5lber bie SKoral gebietet nic^t nur über jebe 5Irt t)on (Sd^rerfmitteln, um fid^ !ritifd^e §änbc unb golterhjerfjeuge Dom ßeibc ju Iialten: i^re ©id^er* I)eit liegt nod^ mef)r in einer gelniffen ^nft ber öejauberung, auf bie fie fic^ t)erftet)t, — fie h)ei6 ju „begeiftem". (S§ gelingt i^r, oft mit einem einzigen Slicfc, ben fritifd^en SBiUen gu lähmen, fogar ju fid^ l^inüber« jutodten, ja eö giebt gälle, n)o fie if)n gegen fid^ felbft ju fet)ren nieig: fo bag er fi^ bann, gteid^ bem @!or^ pione, ben ©ta^et in ben eignen £eib ftid^t. ^ie Woxai Derfte{)t fid£) eben öon TOer§ ^et auf jebe Xeufelei üon Überrebung§!unft: eö giebt feinen SJebner, aud^ ^eute nodj, ber fie nidfjt um i^re §ülfe angienge (man f)öre jum S3eifpiel felbft unfere 5(nard^iften reben: tok rttoralifd^ reben fie, um ju Überreben! S^^^^^ l^eigen fie 'id^ felbft nod) gar „bie (SJuten unb ®ered)ten".) ^ic Floxal \)at fid^ eben Don jelier, fo lange auf (Srben ge^ tcbet unb überrebet ujorben ift, at§ bie größte äJ^eifterin per 33erfü]^rung betoiefen — unb, toa^ unö ^t)iIofopf)en !anget)t, als bie eigent(irf)e Sirce ber ^^i(ofopf)cn. SBoran liegt eS bodl), bag öon $lato ah alle pl^ilo* fopl)ifd)en 83aumeifter in (Suropa umfonft gebaut ^aben? T)a§ aUeS einzufallen brol)t ober fdjon in ©d)utt liegt, maa> fie f eiber ei)rlid^ unb emftl)aft für aere perennius Welten? £)\) toie falfd^ ift bie 5lntnjort, meld[)e man je^t noc^ auf biefe grage bereit f)ält, „Ujeil oon i^nen Sitten ^ic SSorauSfe^ung öerfäumt toar, bie Prüfung beS ^unba^^ mente«, eine Slriti! ber gefammten 93emunft" — jene iDcrtjängni^Uotte ^ntnjort 5l'ant'ö, ber bamit unö moberne
— 198 —
$f)iIofoj){)en tüafir^afttg ni^i auf einen fefteren uitb toeniger trügltd)en ^oben geloctt ^at\ ( — unb nachträglich gefragt, loar e§ nid^t ettoa^ fonberbar, ju t)ertangen, 'Oa^ ein Sßerfjeng feine eigne ^refflid)!eit unb Xaug(id^!eit fritiftren foHe? ba"^ ber SnteEeft felbft feinen Sßert^, feine ^oft, feine ©renken „er!ennen" foEe? toax e§ nicf)t fogor ein toenig lüiberftnnig? — ) ^ie rid)tige 5lnttt)ort toäre t)ielmet)r getuefen, ha^ alle $()iIofop|en unter ber SSerfül^rung ber Tioxai gebaut l^aben, aud^ ^ant — , ba^ it)re W)\idi)t fd^einbar auf ©etüig'^eit, ouf „SBaf)rf)ett", eigentlid^ aber auf „majeftätifdie fittli^e (SJeböube" ouSgieng: um un§ nod^ einmal ber unfd)u(bigen (Spradjc ^ant'g ju bebienen, ber e§ alö feine eigne „nid)t fo glönjenbe, aber bod^ aucE) nid^t toerbienftlofe" 5Iufgabc unb 5lrbeit bejeid^net, „ben Soben ju jenen majeftöäfd^en fittlid^en ©eböuben eben unb baufeft §u madf)en" (^ti! ber reinen SSemunft n, ©. 257). U6), e§ ift i^m bainit nid^t gelungen, im ®egent{)ein — tüie man !)eute fagen mug. ^ant ttjar mit einer fold^en fd^tüörmerifdjert STbftd^t eben ber redete @of)n feinet 3at)rt)unbert§, ba^ me^r alä jebe^ anbre ba§ Sal^r^unbert ber <SdE|tüärmerei genannt lücrben barf: mie er e§, glüdflid^er SBeife, aiid^ in ©e^ug auf beffen n)ertt)boIIere (Seiten geblieben ift (jum S3eif^)ie( mit jenem guten (B^d (Senfualiömu^, beiti er in feine ©rfenntnigtl^eorie f)inüberna^m). 5IudE) i^r: {)atte bie HJ^orat-^arantel Stouffeau gebiffen, aud^ if)iri lag ber ®eban!e be§ moraIifdf)en ganatiSmuä auf bcii ©runbe ber @eele, a(g beffen SSoUftredEer fid^ eir anbrer Sünger 9fiouffeau'§ füllte unb befannte, nömlid 9tobe§J)ierre, „de fonder sur la terre l'empire de la sagesse de la justice et de la vertu" (9^ebe üom 7. Suni 1794) 5lnbrerfeitö fonnte man e§, mit einem fold^en granjofen ganatiömu§ im ^erjen, nid^t unfran§öftfd^er, nid^t tiefet
199
grünbttd^er, beutfrf)er trctBen — tüenn ba§ Sßort „bcutfrf)" in btefcm @tnne !)eute nod) erlaubt ift — , al§ e§ ^ant getrieben ^at: um 9flaum für fein „moralifd^eS 'Sidfi)" §u fc^affen, fal^ er ftd^ genöttiigt, eine unbetoei^bare Söelt angufegen, ein logifc^eS „Senfeitä", — baju eben \)aite er feine ^ti! ber reinen SSernunft nöt^ig! 5Inber§ auSgebrüdt: er ^ätU fic nid^t nött)ig gehabt, n)enn it)m nid^t (Sin§ tüid^tiger oI§ alleä getnefen loäre, ba§ „moralifd^e S^ieid)" unangreifbar, lieber noc^ ungreifbar für \)k Sßemunft ju mad^en, — er empfanb eben bie 5tngreifbarfeit einer moralifi^en Drbnung ber ®inge Don ©eiten ber SSemunft ju ftarf! ^enn 5Ingefid^t^ t)on Statur unb ©efdjid^te, 5Ingeftc^tö ber grünblid^en Unmoralität öon ^atur unb ©efd^id^te lüor ^ant, tt)ie jeber gute 2)eutfd)e t)on 5llter§ t)er, ^effimift; er glaubte an bie Woxai nid^t toeil fie burd^ D^atur unb ©efd^id^te beriefen tüirb, fonbem tro^bem \)a^ if)r burd^ Statur unb ®efd^id)te beftänbig toiberfprod^en n)irb. Wan barf ftd^ t)iel(eid£)t, um bie^ „tro^bem ta^" ^u üerfte^en, an etma^ SSertüanbteö bei Sutl^er erinnern, bei jenem anbent großen ^effimiften, ber eö einmal mit ber ganzen fiut^erifd^en S8crtt)egent)eit feinen greunben ju ®emüt^e führte: „tüenn man burdf) Sßemunft e§ f äffen !önnte, Ujie ber ^ott gnöbig unb gered[}t fein !Önne, ber fo öiel 3om unb 93o§l)eit §eigt, tDoju braud£)te man bann ben ©tauben?" 9^id)t§ nämtid^ f)at üon je^er einen tieferen (Sinbrudf auf bie beutfd[)e (Seele gemad^t, nidf)t§ Ijat fie mct)r „öerfu(i)t", alS biefe gefäl^rtidjfte aller ©d^(u6= folgerungen, n^eld^e jebem redeten ^Romanen eine ©ünbe tuibcr ben ©eift ift: credo quia absurdum est: — mit tt)r tritt bie beutfdje fiogi! juerft in ber ®efd)id^te be^ d^riftlid^en 'I)ogma'g auf; aber aud^ ^eute nod^, ein Sal^r* taufcnb fpätcr, tuittem tüir 2)cutfd)cn Don fteute, fpätc
S)cutfd^e in iebem 95etrarf)tc — cttoaS bon SBa^r^eit, öon 2}?ögUd^feit ber 2öa^rl)ctt leintet bem berühmten reaIbioIe!tifd^en ®runb*(Sa^e, mit luel^em §egel feiner 3eit bem bentfd^en ©eifte jum ©ieg über (£uro)3a öer^alf — „ber SBiberfpmd^ betüegt bie SBelt, aße ^inge finb ftd^ felbft toiberfpred^enb" — : loir finb eben, fofiar biä in bie ßogif ^inein, ^effimiften.
%htt nid)t bie (ogifd^en 2öertt)urtl^eile finb bie unterften unb grünbüd)ften, ^u benen bie X(ipf erfeit unfrei 5lrgtt)o]^n§ l^inunterfann: ha^ SSertranen anf bie SSemnnft, mit bem bie ®ültig!eit biefer Urt^eile fte^t unb faßt, tft, a(§ SSertrauen, ein moralifd^eS ^()änomen . . . SSieHeid^t i)at ber beutfi^e $effimi§mu§ feinen legten ©d)ritt no^ ju tl^un? SSieKeid^t mu§ er nod^ ©in Tlai auf eine furchtbare SBeife fein credo unb fein absurdum neben einanber fteEen? Unb inenn bieS S3ud^ bi§ in hk Woxal l^inein, bi§ über ba^ SSertrauen §ur Tloxai ^intoeg |)effimiftif(^ ift, — foßte eg nid^t gerabe bamit ein beutfd^eS S3uc| fein? ^enn e^ ftellt in ber %^at einen Sßiberfprud) bor unb fürd^tet fid) nid^t baöor: in il^m toirb ber 9iJ^oraI ba§ SSertrauen gefünbigt — loarum bod^? 5(u§ SJ^oraütät! Dber njie follen Ujir'g l^eigen, toa^ fid^ in if)m — in ung — begiebt? benn tt)ir toürben unfrem ®efd)macEe nad^ befd[)eibenere Sßorte öor^ietin. 5lber cg ift !ein B^^f^» ^^^ h^ ^^^ ^^d^ rebet ein „bu follft", aud^ ttjir noc§ ge{)ord^en einem ftrengen ©efe^e über un§, — unb bieg ift bie legte Tloxal, hk fid^ aud^ uns nod^ l^örbar mod^t, bie aud^ tt)ir noc§ gu leben tüiffen, t)ier, ttjenn irgenbloorin, finb auc^ toir noc[) 90^enfd)en beö ©enjiffenS: ba^ ipir nämlic^ nid^t
— 201 -
tüieber jurüdtüoKen in \>a^, looS un§ o(3 überlebt unb morfdi gilt, in irgenb etlüaS „UnglaubtoürbigeS", f)ei6c eg nun ®ott, Xugenb, 2öa{)r^eit, ®ererf)ttgfeit, 9^ärf)ften^ liebe; ba^ toxt unö feine Sügenbrürfen ju alten Sbeaten geftatten; ha^ tt)ir öon ©runb au§ allem feinb finb, hjaä in un§ öermitteln unb mifrfjen möd)te; feinb jeber je^igen 5Irt ©tauben unb S^riftlid^feit; feinb bem §alb^ unb §a(ben aßet SRomanä! unb SSaterlänberei; feinb auc^ ber 5lrtiften * ®enü6lid)feit , 5Irtiften - ©etoiffenloftgfeit, h)e(d^e un§ Überreben möd^te, ha anzubeten, ttjo tüir nic^t met)r glauben — benn Ujir finb 5(rtiften — ; feinb, furtum, bem gangen europöifd)en gemininiömuS (ober Sbeali^muS, njenn man'S lieber t)ört), ber en)ig „f)inan jie{)t" unb etoig gerabe bamit „{)erunter bringt": — allein al^ 9J?enfc^en biefe§ (5Jen)iffen§ füt)len njir un§ nod^ öer- h)anbt mit ber beutfd^en 9ie(^tfc^affen!)eit unb grömmig* feit bon Sal^rtaufenben, ttjenn aud) o(§ beren fragtrürbigfte unb Ie|tc 51bfömmlinge, Ujir Smmoraliften, tüir ©ottlojen tjon l)eute, \a fogar, in getpiffem SSerftanbe, al§ beren (Srben, al§ SSoUftreder it)re§ innerften SßillenS, eineg pe(fimiftifd)en SSillenS, loie gefagt, ber fid) baöor nid^t fürd)tet, fid^ felbft ju öemeinen, tt)eil er mit Suft öer« neint! Sn un§ öoIIjiet)t firf), gefegt ha^ \f)i eine Formel iüoUt, — bie 6elbftauft;ebung ber SO^^oral.
5.
— ä^i^^t aber: iüogu müßten niir bag, n)aä rtir finb, tüaä tt)ir tüollen unb ni^t UJoHen, \o laut unb mit fold^em Sifer fagen? ©el)en njir eS f älter, ferner, flüger, l)öl)er an, fagen n)ir c§, Ujie eö unter un^ gefagt n}erben barf, fo l)eimlid), bag aüc SSelt eä überl)ört, baß atte 2öelt unö überl)ört! ^or OTcm fagen n?ir e3 langjam . . .
— 202 —
^icfe SBorrebe fommt jpöt, aber nid)t ju fpöt, toaS üegt im ©runbc an fünf, fed^§ Sauren? @tn folc^e§ S5n^, ein fold^eg Problem ^at feine (Site; ü6erbie§ finb tüir S5eibe greunbe be§ lento, ic^ ebenfolpo!)! al§ mein S3ud^. SD^an tft nid^t umfonft ^fiilotoge getoefen, man ift e§ öieHeidjt nod), ba§ h)ill fagen, ein Se^^rer be^ langfamen SefenS: — enblid^ fc^reibt man auc^ langfam. Sefet gel)ört e§ nid^t nur ju meinen (55etüo^nl)eiten , fonbern auc^ §u meinem ©efd^macfe — einem bo^^aften ©efd^marfe bieEeid^t? —, nid)t§ me^r §u fd)reiben, ftjomit nid^t jebe 5Irt SJ^enfd^, bie „(£ile ^at", jur SSerjtüeiftung gebrarf)t tüirb. ^f)i(oIogie nämlid^ ift jene ef)rlüürbige ^unft, lüelc^e t)on i^rem 5Seref)rer öor 5(Öem (£in§ ^eif d^t, bei (Seite ge^n, fid^ Qdt laffen, ftiK lüerben, langfam werben — , alg eine ®oIbfrf|miebefunft unb *^ennerfd^aft be§ Sßorteö, bie lauter feine öorfid^tige ^Irbeit abjutl^un ^at unb nid^tg erreid^t, tüenn fie e§ nid^t lento erreid)t ©erabe bamit aber ift fie f)eute nött)iger aU je, gerabe baburrf) ^k^t fie unb bezaubert fie un§ am ftör!ften, mitten in einem Zeitalter ber „5Irbeit", toiE fagen: ber §aft, ber unan= ftönbigen unb fd^njt^enben @ilfertig!eit, ba^ mit 5(C[em gleid^ „fertig tüerben" tniH, aud§ mit jebem alten unb neuen ^udC)e: — fie felbft mirb nid)t fo leicht irgenb njomit fertig, fie le^rt gut lefen, \>a^ ^d^t langfam, tief, m& unb öorfid^tig, mit ^intergebanfen, mit offen ge^ laffenen X{)üren, mit garten gingem unb klugen lefen . . . $IReine gebu(bigen greunbe, bieS^d^ tnünfd^t ftdE) nur üott- fommne Sefer unb ^^ologen: lernt mid^ gut lefen! —
[Ruta bei ©enua, im ^erbft be8 3o^rc8 1886.
(grftes 5Bu(^.
1.
S^a^trögltd^e SScrnünftigfeit. — 5IIIc ^trtgc, bie lange leben, tocrben attmä^üd^ fo mit SSemunft burd^tränft, \)ai \\)xe 3lb!unft auS ber Unöernunft baburd) untDa!)rfcf)ein(ic^ ttJtrb. Älingt mrf)t faft jebe genaue ®efd)trf)te einer (£ntftef)ung für baö ®efüt)l paraboj unb freöell^aft? 2öiberfprid^t ber gute ^iftorifer im QJrunbe nic^t fortn?äl^renb?
SSorurt^eil ber (SJele^rten. — (£ö ift ein rid^tigc^ Urtt)eil ber (Sele^rten, ha^ bie 9D?enfd^en aller geiten ju iDtfjen glaubten, iüaS gut unb böje, loben^^ unb tabelnStDertl) fei. 5lber c^ ift ein S8orurtl)eil ber ®clcf|rten, ba§ tüir eä je^t beffer ttjü^ten alä irgenb eine Qtxt
3.
^rileS i)at feine 3eit. — ?tlö ber SJ^enfcf) aüen !5)ingen ein ®efd^led^t gab, meinte er nid^t ju fpielcn, fonbem eine tiefe ©infirfjt geioonncn ju ^aben: — bcn ungel)curen Umfang biefed 5rrtl)umS ^at er fid) fe^r fpät unb je^t tjieEeic^t nod^ ni^t ganj cingeftanben. — ^benjo ^at ber 93'Jenfc^ allem, n^aö ba ift, eine 93e*
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jietiung jur Tloxal betgelegt unb ber Söett eine et^tfd^c S3ebeutung über bte ©c^ulter gelängt. ^a§ tüirb einmal ebenfo ötel unb ntd^t mebr SBertl^ l^aben, als e§ Ijente fd^on ber @Iaube an bte 9}iönnUd)!eit ober Sßetblid^feit ber ©onne f)at.
®egen bie erträumte ^t§f)armontc ber ^p^äxtn. — Sßtr muffen bie öiele falf^e ©rogartigfeit n)ieber auS ber Sßelt fdjaffcn, tueil fie gegen bie ©ered^tig^ feit ift, auf bie aEe S)inge t)or un§ ^nf^jrud^ ^oben! Unb baju t^ut notf), bie Söelt nid^t biS^ormonifd^er fe^en ju lüollen, ate fie ift!
5.
(Seib banfbar! — ^a§ gro^e (Srgebni^ ber bis- herigen 9}?enfd^^eit ift, ba^ tt)ir nid^t me^r beftönbige gurc^t öor toilben Xtjieren, öor S5arbaren, t)or ©öttern unb t)or unferen träumen gu t)aben braud^en.
6.
^er Xafd^enfpieler unb fein Sßiberfpiel. — ^aS ©rftaunlid^e in ber Sßiffenfd^aft ift bem ©rftaunlid^en in ber ^nft beS Xafd^enfpielerS entgegengefe^t. S)enn biefer toxU unS bafür gcluinncn, eine fet)r einfädle ©aufalität bort 5U fei)en, loo in 2Bat)r!^eit eine fel^r com^)licirtc ©aufalitöt in X^ötigfeit ift. 2)ie Sßiffenfd^oft bagegen nöt^igt uns, ben ©tauben an einfädle ßaufalitäten gerabc bort aufzugeben, too aEeS fo leidet begrei^id^ fd^eint unb toir bie Spanen beS 5lugenfd^einS finb. 2)ic „einfad^ften" S)inge finb fet)r complicirt, — man fann fid^ nid^t genug barüber uertounbent!
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7.
Umlernen beS S^oumgcffi^IS. — ipaben bte totr!Itd§en ^tnge ober bie ctngeBilbeten S)ingc me^r 5um menf^üd)en ®Iütf beigetragen? ©etoig tft, bag bife äöeite be^ fKaumeS gtotjc^en ^öd^ftem ®Iü(f unb tiefftem Unglüd erft mit §ülfe ber eingebilbeten ®tnge !)ergefteflt toorben ift. 2)iefe 3(rt öon 9iaumgefut)l tt)irb folgltd^, unter ber @intt)ir!ung ber SSiffenfd^aft, immer öerfleinert: fo tpic tütr öon il^r gelernt Jiaben unb nod^ lernen, bie @rbe alö Kein, ja ha^ ©onnen« f^ftem a(g ^un!t ju empfinben.
8.
XranSfiguration. — ^ie rat^Io^ Seibenben, bie bertüorren Xräumenben, bie überirbifd^ (Sntjürften, — bieö finb bie brei ®rabe, in n^eld^e 9^affael bie SD^enfdjen eint^eilt. ©o blidten ipir nid^t mel^r in bie SSelt — unb aud^ S^toffael bürfte ed je^t ni^t mel^r: er lüürbe eine neue ^ranöfiguration mit $lugen fe^en.
S3egriff ber ©ittlid^feit ber ©itte. — 3m SSer^ältnig ju ber fiebenSnjeife ganzer 3at)rtaufenbc ber SWenfd^^eit leben luir je^igen SJienfdien in einer fel^r unfittlic^en 3^*- ^^^ 9J?ad)t ber ©ittc ift erftaunlid^ abgejd)tt)äd^t unb ha^ (Sefü^l ber ©ittlid^feit fo öer= feinert unb fo in bie §ö^e getragen, bafe c^ ebenfo gut als Verflüchtigt be^eidinet tt)erben fann. ^eö^olb merben unö, bcn ^pätgeborencn, bie ©runbeinfi^tcn in bie (Snt= ftcl)ung ber 3J^oral fc^wer, fte bleiben und, toenn mir fic
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tro^bcm gefunbcn f^ahtn, an ber 3""9C ^^^^n unb tooÖcn nid^t ^erau§: tüdl fte grob fltngenl Ober tpeit fte bic @ittlid^!eit ju öerleumben fd)emen! ©o jum SBettptel gletd^ ber §auptfa^: ©ittlid^fett ift nid^tö 5tnbere§ (aljo namentlid^ nicfit me^r!), a(§ ®e()orfain gegen ©itten, toeld^er 5lrt biefe aud§ fein mögen; ©itten aber finb bte f|er!ömmltd^e ^Trt ju ^anbeln nnb abjufd^ä^en. Sn fingen, njo !ein §er!ommen Befle()It, giebt eö feine ©ittlid^!eit; unb je njeniger baS ßeben burd^ §erfommen beftimmt ift, um fo Keiner loirb ber ^ei§ ber ©ittlid^!eit. ^er freie 3J?enfd) ift unfittlid^, toeil er in Wem öon ftd^ unb nid^t t)on einem ^erfommen abf)öngen lüiU: in aÖen urfprünglid^en 3uftänben ber äJ^enfd^l^eit bebeutet „böfe" fo öiel toie „inbiöibueH", „frei", „toiUÜiriic^", „ungen)ot)nt", „unüor* l^ergefel^en", „unbered^enbar". Smmer nad^ bem 3Raa6ftab fold^er 3iiftönbe gemeffen: toirb eine ^anblung getrau, ni^t meil ba§ §er!ommen fie befiel^It, fonbem au§ anberen 9Kotiüen (jum S5eifj)iel be§ inbiöibuetten S^eng toegen), ja felbft auS eben ben 9J?otit3en, n)eld^e baS ^er* !ommen el^emalS begrünbet f)aben, fo ^eigt fie unfittlid^ unb loirb fo felbft t)on il^rem Xpter em^funben: benn fie ift nid^t aus (Sel^orfam gegen \>a^ §erfommen getl^on toorben. Sßa8 ift baS §er!ommen? @ine l^ö^ere 5lutorität, toeld^er man ge^ord^t, nid^t toeil fie ha^ un^ 9^ü^Iid^e befiel^It, fonbem toeil fie befiehlt. — SBoburd^ unter* fd^eibet fid^ bieS ©efül^I Oor bem §erfommen t)on bem ®efü^( ber gurd^t über^au^jt? ©^ ift bie ^ur^t öor einem l^öl^erm SnteHeft, ber ha befiel^It, öor einer unbegreiflid^en, unbeftimmten SJ^ad^t, üor tttoa^ me^r Qi& ^erfönlid^em, — eö ift 5lberglaube in biefer ^urc^t — Urfprünglid^ gel^örte bie ganje ©r^ie^iung unb Pflege ber ©efunbl^eit, bie (£^e, bie §eil!unft, ber gelbbau,
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ber ^ieg, ha^ 9?eben unb 6d)toetgen, ber SSer!e^r unter etnanber unb mit bcn (^ötttm in ben SBereid^ ber (Sittlic^fcit: fte Verlangte, ha^ man SSorfd^riften Beobachtete, ol^ne an fic^ a(§ Snbiöibuum ju beulen. Urjprünglid^ alfo toar alle§ @itte, unb toer fid^ über fte ert)eBen ttJoHte, mußte ®efe|geber unb SJ^ebijtn^^ mann unb eine 5lrt §albgott toerben: ba§ tjeigt, er mußte ©itten madjen, — ein furd)tbare§, leben^^ gefö^rltd^e^ ^ing! — SBer ift ber (Sittltd^fte? (Sinmal ber, Ujel^er ha^ (Sefe| am l^öufigften erfüEt: alfo, gleid^ bem S5rat)manen, ha^ S3en)ußtjein be^felben überall()in unb in jeben Keinen ^^itt^eil trögt, fo ha^ er fortnjäf)renb crfinberifd^ ift in ©elegenl^eiten, ha^ ®efe^ §u erfüllen, ©obann ber, ber eS aud^ in ben fd^tt)erften gätten erfüllt, ^er ©ittftd^fte ift ber, meld) er am meiften ber @itte o<)fert: meld^eg aber finb bie größten Opfer? 9^ad^ ber Söeantmortung biefer grage entfalten fid^ mel^rere unter- fd^ieblid^e SJioralen; aber ber mi(i)ttgfte UnterfdE)ieb bleibt bod^ jener, metd^er bie 3KoraIität ber l^öufigften ©rfüllung Don ber ber fd^merften ©rfüEung trennt. Tlan töufd^e fic^ über baö SJ^otiö jener SJ^oral nic^t, toeld^e bie f^merfte ©rfüEung ber @itte atö 3^^^^" ^^^ ©ittlid^!eit forbert! 2)ie ©elbftüberminbung mirb nid^t it)rer nüglid^en golgen t)alber, bie fie für ha^ Snbiüibuum l^at, geforbert, fonbem bamit hie (Sitte, ba^ ^erfommen l^errfd^enb crfd^eine, tro^ allem inbiüibueHen (5Jegen= gelüft unb SSortf)ei(: ber (Sinjelne foö fid^ opfern, — fo ^eifc^t c« bie ©ittli^feit ber (Sitte. — 3ene äJ^oraliften I bagegen, meldte mie bie S^ad^fotger ber fo!ratifd^en j gußtapfen bie 3D^oraI ber @elbftbel^errfrf)ung unb (knU l)altfamfeit bem Snbibibuum alS feinen eigenften 8^ortt)eiI, als feinen perfönlic^ften ©d^Iüffel ^um ®tüdf
I an'g §erj legen, machen bie ^lu^nal^me — unb
I
I 9lteefcJ)e» WJetle. ftlaft..«u«fl. IV. U
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trenn e§ un§ onber§ erfd^eint, fo tft c^, tüctl iDtr unter il^rer S^ad^tüirhing erlogen ftnb: fie aUe gelten eine neue ©trage unter ^öd^ttc^fter SJägbiKtgung atter SSertreter ber ©ittitrfjfeit ber (Sitte, — fie löfen fid^ au§ ber ©emeinbe auö, al§ Unfittlid^e, unb ftnb, im ttefften SSer^: ftanbe, böfe. (Sbenfo erfd^ien einem tugenbl^aften 9?ömer alten (Sd^rote§ jeber ©i^rift, tüeld^er „am erften nad^ feiner eigenen (Seligfeit trad^tete", — afö 6öje. — Überall, tt)o e§ eine ©emeinbe unb folglid^ eine (Sitttic^- feit ber (Sitte giebt, l^errfd^t aud^ ber ©ebanfe, ha^ bie (Strafe für hk ißerle^ung ber (Sitte t)or OTem auf hk ©emeinbe fallt: jene übematürlid^e (Strafe, bereu Äußerung unb ©ren^e fo fd^lüer ju begreifen ift unb mit fo abergläubifd^er 5lngft ergrünbet toirb. S)ie ©emeinbe fann ben (Sin^elnen anl^alten, ba^ er ben nöd^ften (Sd^aben, ben feine Xl^at im ©efotge l^atte, am (Sinjelnen ober an ber ©emeinbe toieber gut mad^e, fie fann aud^ eine 5lrt 9?ac^e am ©in^elnen bafür nef)men, ba!^ burd^ i^n, al§ angeblid^e S^ad^ujirfung feiner %ljat, fid^ bie göttüd^en SBoIfen unb Qoxm^tütttex über ber ©emeinbe gefammelt l^aben, — aber fie em^finbet bie Sd^ulb beg ©inselnen bodE) t)or 5lIIem al§> if)re (Sd)utb unb trägt beffen ©träfe als i^re Strafe — : „bie (Sitten finb todfer gelüorben, fo flogt e^ in ber (Seele eine^ Seben, n^enn fold^e Xl^aten möglid^ finb." Sebe inbiöi- bueHe ^anbtung, jebe inbiöibuelle ^enfmeife erregt (Sd^auber; e§ ift gar nid^t auSjured^nen, tva^ gerabe bie feltneren, au§gefudE)teren, urfprünglid^eren ©eifter im ganzen SSerlauf ber (5Jefd^idf)te baburd^ gelitten l^aben muffen, ba^ fie immer al^ bie böfen unb gefä^rlid^en em))funben tourben, ja bag fie fid^ felber fo em<)fanben. Unter ber §errfd^aft ber (Sittlid^feit ber Sitte f)at bie Originalität jeber 5lrt ein böfe« ©en^iffen
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befommen; big biejen 5lugenb(ic! ift ber §immcl bct S3eftcn nod^ baburd^ öerbüfterter, alö er fein mügtc
10.
©egcnbetDcguucj gtuiic^en ©inn ber ©ittli^« feit iinb (Sinn ber ßaufalität. — Sn bem SJiaage, m tt)eld)em ber @inn ber Saufalität zunimmt, nimmt ber Umfang be^ $Reid)e§ ber (Sittlid^!eit ab: benn {ebeSmal, toenn man bie noti)menbigen ^irfungen begriffen l)at unb gefonbert t)on ollen 3"fööeit, aUem gelegentlid^en 9^ac^t)er (post hoc) ju benfen öerfte^t, ^at man eine Unja^l ))l)antaftifd^er ßaufaUtäten, an toeld^e al^ ^runblagen t)on ©itten bi§I)er geglaubt tourbe, gerftört — bie njirflid^e SBelt ift Diel l'leiner al§ bie p'^antaftifd^e — unb jebeömal ift ein ©tüd 5i[ngftlicl)feit unb 3^ö"9 ^^ ber Sßelt öerfcf)tt)unben, jebeSmal aud) ein <Stüd 5lc|tung t)or ber ^lutorität ber (Sitte: bie ©ittlid^teit im trogen l^at eingebüßt. 2öer fie bagegen öerme^ren lüill, mu§ ju t)erl)üten miffen, ba§ bie (Erfolge controlirbat toerben.
11.
SSol!^3moral unb SSolfömcbiätn. — ^In bet SWoral, ttjeld^e in einer (SJemeinbe f)errfd)t, n)irb fort* ä^renb unb öon Sebermann gearbeitet: bie SJJeiften ringen S5eifpiele über 93eifpiele für baS bel)auptete 33 cr- ältnig Don Urfa^e unb golge, (3d|ulb unb (Strafe [jinju, beftätigen eö alö n)ol)lbegrünbet unb mel)ren feinen tauben: (Einige mad)en neue S3eobac^tungen über nblungen unb golgen unb jie^en (Sd^lüffe unb ®e* e^e barau^: bie Söenigften nel)men l)ie unb ba ^Inftofe mb laffen ben (Glauben an biefen fünften fi^tüad^
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tücrbeit. — 5nie ober ftnb einanber gletdC) in bcr öönjttc^ roi)en, unlütffenfc^aftltd^en Wct i^rer ^!)ätig!ett; ob c§ fid^ um S3eifptele, S5eobad§tungen ober ^Inftögc E)anbe(t, ob um ben Setuei^, bie S3e!räfttgung, ben 5lu§- brud, hk SBiberlegung etne§ ®efe^e§, — eö ift tüertl^^ lofe^ 9)?ateria( unb toertl^lofe gorm, mie 3)^aterial unb gorm aEer SSoI!§mebt§m. S5oI!§mebi§tn unb SSolf^morat gel^ören ^ufammen unb foEten ntd)t me^r fo öerfd^ieben abgefd^ö^t loerben, tote e§ immer no^ geyd)iet)t: beibeg ftnb bie gefü^r Haften ©c^eintoiffenfd^aften.
12.
^ie golge aU 3^t!^ot. — ß^emafö glaubte man, ber ©rfolg einer %i)at fei nid^t eine golge, fonbem eine freie S^t^at — nämüd) ®otte§. Sft eine größere SSertoirrung bentbar! Wan mußte fid^ um bie %^at unb um ben ©rfolg befonberS bemül^en, mit gan^ berfd^iebenen HJätteln unb ^ra!tifen!
13.
3ur neuen ©rjieljung be^ 5D^enf^en« gefdE)(ed)tö. — §elft, i^r §ülfreid)en unb 2öot)lgefinnten, bod) an bem (Sinen 2Ber!e mit, ben Segriff ber (Strafe, ber bie gan^e Sßelt übern)u^ert l^at, au§ i^r gu entfernen! ®§ giebt !ein böfereS Un!raut! 9^id^t nur in bie golgen unferer §anbIung§toeifen ^at man i^n gelegt — unb toie fd^recflid) unb Oemunftmibrig ift fd^on bieS, Urfad^c unb SBirfung al§ Urf ad)e unb (Strafe ju oerftet)en! — aber man l)at me^r getf)an unb bie gange reine ßufäHig- feit beS (5)efdf)e^enS um it)re Unfd)ulb gebrad^t, mit Diefer Deau^ten Snter^retationöhmft be^ (Straf'S3egriffö.
~ 213 —
3ör ntcm \)at bte Xottf)eit fo toett getrieben, bte (Sfiftcn^ felber alg ©träfe empfinben §u fieigen, — eö ift, afe ob bie ^fiantafterei öon ^erfermeiftern unb §en!em bt^^er bie (^r5ic^ung beö 9JJenfc^en9e[d)IedjtS geleitet ^ücl
14.
©ebeutiing be§ 2öaf)nfinnS in bcr ®ef^icf)te ber SO^oralität. — SSenn tro§ jenem furchtbaren ^ruc! ber „(Stttli^feit ber (Sitte", unter bem ade (SJemeinnjefen ber 3}^enf(^()eit lebten, üiele Sa^rtaufenbe (ang t)or unferer g^i^^c^i^iJttÖ ^^'^ ^^ berfelben im fangen unb ©rogen fort bi§ auf ben heutigen Xag (n)ir felber too^nen in ber fleinen SSelt bcr 3(uönaf)men unb gleid)fam in ber böfen S^^^)- — ttjenn, fage id), tro^bem neue unb abnjeid^enbe ®eban!en, SSertljfdiä^ungen, triebe immer rtjieber ()erau§brad)en, fo gef(i)at) bie§ unter einer fd)auberi)aften ®eleitfd)aft: faft überall ift eö ber SBa^nfinn, n)e(d)er bem neuen ©ebanfen ben SBeg ba^nt, toeld^er ben 23ann eineö berel^rten Söraud^eö unb Slberglaubenö bri(f)t. Segreift it)r e§, me^Ijalb eö ber SBa^nfinn fein mußte? ^tma^ in Stimme unb ®ebärbc fo ©raufen^afteö unb Unbered)enbareö hjie bie bämo- nifd)en Saunen be^ Sßetterö unb beö 9}^ecreö unb beä- f)a(b einer äl)nlic]^en ©cf)eu unb 53eobac^tung SBürbigeä? ©ttüoö, baä fo fic^tbar ia^ 3^^<^cn oöEiger llnfreitt)illig= feit trug, mic bie 3iJ^ii"ÖC" "^^ ^^^ «Schaum beö (Spileptifd^en, ba§ ben 2öal)nfinnigen bcrgeftalt alä 9}?a§fc unb (5rf)alIrol)r einer (SJott^cit 5U lenn^eidjnen fd^ien? fötiüaö, baö bem Xröger eineä neuen ©cbanfenS felber @l)rfurc^t unb @d)aubcr öor fid^ unb nidjt mel^r ©etuiffenäbiffe gab unb if)n baju trieb, bcr ^rop^et unb 3JJärt^rer beöfelben 5U Ujerben? — äöätjrenb e^ un^
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fteute norf) immer mtcber na'^c gelegt tü'xxb, bog bcm ^enie, anftatt eine§ ^orne§ @alj, ein £om SSa^nmutj Betgegekn tft, lag aKen frül)eren 9[)?enjd^en ber ©ebanfe t)iel nä^er, ia^ überaß, tüo e§ SSal^nftnn gtebt, e§ auc!§ ein ^om (5Jenie unb Sßeig{)eit gäbe, — etma§ „(5iDtttid)e^", Jüic man ft^ guftüfterte. Ober öielme^r: man brürfte fid) fräftig genug au§. „^urd^ ben SSa^nfinn finb bie größten ©üter über ©riec^enlanb gefommen", fagte ^lato mit ber ganzen alten 5D^enfd):^eit. (^el)en mir noc^ einen (Sd)ritt meiter: allen jenen überlegenen SKenfc^en, meldte e^ unmiberftel^lid) bal)in §og, ba^ Soc^ irgenb einer (5ittlid)leit ju bredjen unb neue (^cfe^e ju geben, blieb, menn fie nii^t mirflid^ mal)nfinnig maren, nirf)t§ übrig, al§ [idö tt)al)nfinnig ju mad^en ober ju fteöen — unb gmar gilt bie§ für bie D^euerer auf aEen Gebieten, nidEjt nur auf bem ber ^)riefterlid^en unb polttifclien @a|ung: — felbft ber 9^euerer be§ poetifd^en aj^etrumg mu|te burd) ben 2öal)nfinn fic^ beglaubigen. (S3i§ in öiel milbere Reiten l^inein Derblieb barauS ben S)id^tem eine gemiffe (Sonöention be§ 2Ba^nfinn§: auf meld)e jum Seifpiel @olon jurüdgriff, al§ er bie 5lt^ener jur Sßiebereroberung öon (Salamis aufftad)elte.) — „SBtc mad£)t man fid^ mal)nfinnig, toenn man e§ mdf)t ift unb nid^t magt, e§ §u fd^einen?" biefem entfe§licl)en ®eban!engange l)aben faft aKe bebeutenben 9J?enfd^en ber älteren ßiöilifation nadE)gel)angen; eine geheime Seigre t»on ^nftgriffen unb biätetifd)en 25?infen pflanzte fid^ barüber fort, nebft bem ©efül^le ber Unfd^ulb, ja ^ciligfeit eine§ folc^en 9^ad}ftnnen§ unb SSorl^abenS. ^ie Siece^te, um bei ben Snbianern ein 3Kebi^tnmann, bei ben (5l)riften be§ SJättelaltcrS ein ^eiliger, bei ben ©rönlänbem ein 5Inge!of, bei ben 93rafilianem ein ^ajc ju ioerb^n, finb im Söefentlid^en bie felben: unfinnigcä
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gaftcn, fortgcfc^tc gefd)(ed^türf)e (£ntl)attung, in bic SBüfte ge^en ober Quf einen Serg ober eine (Säule ftcigen, ober „fid^ auf eine bejalirte SBeibe fegen, bie in einen (See ^inau§fief)t" unb fd)Ied)terbing§ an 9^rf)t§ benfen ol^ ba§, toa^ eine SSerjütfung unb geiftigc Unorbnung mit fid^ bringen !ann. SBer loagt e§, einen S5Iidt in bie 3öilbni§ bitterfter unb überflüfftgfter (Seelen- nötf)e ju tl^un, in meieren ttja^rfd^einlic^ gerabe bie fru^tbarften 3J^enfd^en aßer Q6tm gefd)mad^tet ()aben! Sene ©eufjer ber ©infamen unb SSerflörten ju f)ören: „5ld), fo gebt bod^ SSat)nfinn, i^r §immlifd)en! Sßa^n^ finn, bafe ic^ enb(id) an mic^ f eiber glaube I (^tU ^e(i= rien unb 3udtungen, J)(öglid)e Siebter unb ginftemiffe, fd^rerft mid^ mit groft unb ©lutt), toie fte fein @terb- liäier noc§ entpfanb, mit ©etöfe unb umgef)enben ©e^ ftalten, lagt micf) t)eulen unb njinfeln unb toie ein X^ier fried)en: nur bog id^ bei mir f eiber (SJIauben finbe! 2)er 3^eifel frigt mid^ auf, id^ t)abe ba^ ®efeg getöbtet, ha& ®efeg öngftigt mid£) loie ein Seid^nam einen Seben= bigen: ioenn id^ nid)t mel)r bin alö ha^ ®efeg, fo bin i^ ber SSertoorfenfte öon 5Iüen. ^er neue ©eift, ber in mir ift, tt)oi)er ift er, n)enn er nirf)t öon eurf) ift? SBetueift e5 mir bod), ba§ ic^ euer bin; ber Sßa^nfinn oHein betüeift e^ mir." Unb nur ju oft erreichte biefe Snbrunft i^r ^\d ju gut: in jener 3eit, in meld^er baö ßllriftent^um am reid^ften feine grud^tbarfeit an ^eiligen unb SBüften-^nfieblent benjieä unb fi^ baburdf) felber 5U betoeifen öermeinte, gab e^ in Scrufalem grofee 3rrenf)öufer für öerunglüdfte ^eilige, für jene, ioelc^e it)r le^tcS ^om (Salj baran gegeben Ratten.
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15.
®tc ölteften XroftmittcL — ©rftc @tufc: bcr 9J?en|d) fielet in jebem ÜSelbefinbcn vath äJäggefd^tcf ettt)a§, iüofür er trgenb jemanb 2Inbere§ leiben (äffen mu§, — babei loirb er fi(^ feiner nod§ üorfjanbenen Tlad^t betougt, unb bie§ tröftet i^n. Q^dtt @tnfe: bcr SKenfd^ fie^t in jebem ÜSelbefinben unb äJiiggefd^idE eine (Strafe, ha^ ^ei^t bie (Sü^nung ber ©d^ulb unb ha^ Tlxüd, fid^ öom bösartigen 3öubcr eine§ tt)irflid)en ober bermeintlicfien Unrechtes loszumachen. SBenn er biefeS §8ortf)eil§ anftcl^tig h)irb, itjetctjen ba§ Unglücf mit ftd^ bringt, fo glaubt er einen 5Inberen nid)t me^r bafür leiben (äffen ju muffen, — er fagt fid§ öon biefer , 5(rt S^efriebigung (oS, n)ei( er nun eine anberc l^at |
16. ,
©rfter 6a§ ber Sit)i(ifation. — S5et ro()en S8ö(!em giebt e§ eine Gattung öon bitten, beren 5(bfid^t bie ©itte überhaupt ju fein fdjeint: J)ein(id^e unb im ©runbe überf(üffige S3eftimmungen (toie jum S3eifpie( bie unter ben ^amtfd^aba(en, niema(§ ben @d^nee üon ben <Sd^u()en mit bem SD^effer abgufd^aben, niema(S eine Äo^(e mit bem 9J?effer ju fpie^en, niema(§ ein ßifen in'g geuer gu (egen — unb ber Xob trifft ben, n)e(d^er in fo((^en Etüden §utt)iber^anbe(t!), bie aber bie fort^ mä()renbe 9^ä()e ber @itte, ben unauSgefe^ten <3^ang, ©itte ju üben, fortloä^renb im S5emu§tfein er()a(ten: ^ur S3e!räftigung be§ großen @a^e§, mit bem bie ^iöi(ifation beginnt: jebe @itte ift beffer a(g feine (Sitte.
217
17.
^tc gute unb bte Böfe Statut. — (Srft l)ahtr\ btc SJ^enfd^en ftd^ in bie D^atur ^inetngebtc^tet: fte fa^en überall fid^ unb S^reögleid^en, nömltd) i^re böfe unb launenhafte ©efinnung, gteid^fam öerfterft unter SBotfen, @ert)tttem, 9^aubtf)teren, Säumen unb läutern: bamalö erfanben fte bie „böfe 9^atur". S)onn tarn einmal eine 3eit, ha fie fid) njieber au§ ber Statur l^inau^bic^teten, bie 3^^^ S'iouffeau'^: man rtjar einanber fo fatt, bog man buri^auS einen Sßeltlrinfet ()a6en tcoEte, too ber aJ^enfc^ nirf)t ^infommt mit feiner Dual: man erfanb bie „gute Statur".
18.
S)tc SJioral beg freittjilligen fieiben^. — SBcld^er ®enu§ ift für 3J?enfd^en im ^eg^äuftanbe jener Keinen, ftetö gefä^rbeten ©emeinbe, loo bie ftrengfte (Sittlid^!eit Ujaltet, ber ^örf)fte? Söfo für fraftöoHe, rad^füc^tige , feinbfelige, türfif^e, arglüö^nifd^e, jum gurd^tbarften Bereite unb burc^ (Sntbe()rung unb ©itt^ Iirf)feit gef)ärtete Seelen? ^er ©enug ber ©raufam^ feit: fo tüie eg aud^ 5ur Xugenb einer foId)en @eele in biefen 3"fiönben gered^net niirb, in ber ®raufam!ett erfinberifd^ unb unerfättlid^ ju fein. 5In bem ^l^un be§ (SJraufamen erquidEt fid^ bie ©emeinbe unb tüirft einmal bie ^üfter!eit ber beftänbigen 5Ingft unb Sßor= fidE)t Don fid). ^ie ©raufamfeit gel)ört jur ölteften geftfreube ber 2J?enfd)l)eit. Sotglid^ bentt man fid^ aud^ bie ©ötter erquidt unb feftlid) geftimmt, tüenn man it)nen ben 5lnblid ber ©raufamfeit anbietet, — unb fo fd)teid)t fid^ bie §8orftelIung in bie SBelt, bag bag freinjitlige Seiben, bie fe(bftem?ä^lte SJiarter
218
einen guten ©tnn unb 2Bert^ f)abc. 5nima!)lt(^ formt bte ©itte in ber ©emeinbe eine ^royiö öemög biefer SSorftellung: man toirb Bei allem auöfd^tüeifenben Söo^I- befinben öon nun an migtrauifd^er unb hd aEen fd^tüeren fd)mer5l)aften ^^^f^^^^^i^ juöerfid^tlid^er; man fagt fid^: c§ mögen molf)! hk ©ötter ungnöbig tüegen be§ ®lüct§ unb gnäbig toegen unfereS Seibeng auf un§ feigen, — nirfjt etttja mitleibig! ^enn ha^ SJJitleiben gilt alö öcräc^tlid^ unb einer ftarfen, furdjtbaren (Seele untüürbig; — aber gnäbig, loeil fie baburd^ ergoßt unb guter S)inge njerben: benn ber ©raufame geniest ben {)öd)ften ^|el be§ SU^aditgefü^IS. @o fommt in ben ^Begriff be^ „fittlidiften 9}?enjc^en" btr ©emeinbe bie Xugenb beg l^öufigen SeibenS, ber (gntbe^rung, ber t)arten ßeben§tt)eife, ber graufamen ^afteiung, — nid^t, um cä toieber unb lieber ju fagen, a(§ 3J^itte( ber S^i^^t ^^^ Setbftbel^errfd^ung, be§ SßerlangenS nai^ inbiöibuettem ®(ütf, — fonbern al§ eine Xugenb, tod6)t ber ©emeinbe bei ben böfen ^ötttvn einen guten ©erud^ macf)t unb toie ein beftänbige§ 3Serfö^nung§o))fer auf bem Elitäre ju il)nen entporbampft. 5Itte jene geiftigen güf)rer ber SSöIfer, tüeld^e in bem trägen fruct)tbaren ©d^Iamm it)rer (Sitten ettoaS ju betüegen öermod^ten, I)aben außer bem Sßa^nfinn aud6 bie freitüiUige 9J?arter nötl^ig gehabt, um ©lauben ju finben ~ unb gumeift unb ^uerft, tüic immer, ben ©lauben an fid[) f eiber! Se me{)r gerabe i!)r ©eift auf neuen SSa^nen gieng unb folglid^ t3on ®e- loiffenSbiffen unb 5tngften gequält tüurbc, um fo grau= famer tüüt^eten fie gegen ba§ eigene gleifd^, 'Oa^ eigene ©elüfte unb bie eigene ^unb'^eit, — tüic um ber (5Jott= ^eit einen @rfa| an Suft ju bieten, tt)enn fie öielleid^t um ber öemad^Iöffigten unb befämpften ©ebräud^e unb ber neuen S^dc tüiHen erbittert fein foHte. ©laube man
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rnd^t ^u frf)ticll, bo§ totr jc^t öon einer {olc^en fiogi! be^ ®efüt)(g ung ööHig Befreit f)ätten! 2)ie ^elben^afteften Seelen mögen fi^ barüber mit fid^ befragen. 3eber fleinfte Schritt «uf bcm gelbe beö freien 2)en!en§, be§ perfönlic^ gcftalteten Seben^ ift t)on ie^er mit geiftigen unb förperlid^en 9J?artem erftritten lüorben: nid^t nur ba^ SSorti)ärt§'(Sd)reiten, nein! öor Willem ha^ ©d^reiten, bte Söetuegung, bie SSeränberung ^at i^re ungälitigen SO^ärt^rcr nöt^ig gehabt, burd^ bie langen pfabfudE)enben unb grunblegenben Sal^rtaufenbe t)inburd^, on h)elrf)e man freilid^ ni^t benft, lüenn man, h)ie gehJol)nt öon „2SeItgefrf)td^te", üon biefem (äd^erlid^ Keinen 5Iug^ fd^nitt be§ menfd^lid^en ^afein^ rebet; unb felbft in biefer fogenannten Söeltgefc^i^te , tüelrf)e im ©runbe ein fiärm um bie legten 9^euigfeiten ift, giebt e§ fein eigentlich n)idötigere§ X^ema, al§ bie uralte Xragöbie öon ben äJJärt^rem, bie ben @umpf betoegen tu 0 Uten. S^id^tg ift t^eurer erfauft al§ baS SBenige t)on menfcf)lid^er SSemunft unb bom ©efü^le ber grei^eit, lüeldlieö jc^t unferen (Stolj ausmacht, tiefer @tolj aber ift eg, beffentnjegen eö un§ je^t faft unmöglich lüirb, mit jenen ungeheuren 3^itf^^^^" ^^^ „@ittlid^feit ber (Sitte" 5U empfinben, mel(f)c ber „2öeltgefdE)id^te" öorau§= liegen, alö bie toixllxdjc unb entfd^eibenbc §auptgefcl)ic^te, melcl)e ben (5l)araftet ber 9D'?enfdE)t)eit feftgeftellt fjat: h)o ba^ Seiben al§ Xugenb, bie ©raufamfeit alö Xugenb, bie ^^crftcHung alö Xugenb, bie "^adjt als Xugenb, bie S8erleugnung ber SSemunft ald Xiif|<nb, bagcgcn bad 9Bol)l6efinbcn als ®efal)r, bie SBigbcgier alö ®cfal)t, ber griebe alö ®efal)r, baS 3Jätleiben als ®efa()r, baS S3emitleibettt)erben olS ©^impf, bie Slrbeit als (Sd)im|)f, ber S[öal)nftnn als ®üttlid^!eit, bie SSeränberung als baS Unfittlid^e unb
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Sßerberbenfrfitüangere in Geltung ttjor! — ^t meint, e§ l^abe ftd^ 5lIIe§ bie§ geänbert, unb bic SJ^enfd^^ctt muffe fomit i^ren S^arafter öertaufd^t t)a6en? D^, ii)X 5D^enfcf)en!enner, lernt eu^ beffer fennen!
19.
(Stttlid^feit unb SSerbummung. — ^e (Sitte re^jräfentirt bie (£rfal)rungen frül)erer H)^enfd)en über ba§ öermeintüd^ 9^üpc^e unb ©d|äblirf)e, — aber ha^ ®e* füf)I für bie @itte ((Sittlid)fett) bejie^t ftrf) nic^t auf jene @rfa!)rungen al§ foId)e, fonbem auf ha^ 5llter, bie §eiüg!eit, bie Snbi§!utabilität ber (Sitte. Unb bomit mxH bieg ©efüi^I bem entgegen, ha^ man neue @rfa!)rungen mad)t unb bie bitten corrigirt: ta^ \)d^t, hk (Sittltd)!eit tt)ir!t ber (Sntftetjung neuer unb befferer (Sitten entgegen: fie öerbummt.
20.
greitt)öter unb greibenicr. — ^c greitE)oter ftnb im 9^ad^t^ei( gegen bie greiben!er, lt)eil \>k SJJenfd^en fid^tbarer an ben golgen öon X^aten al§ öon ®eban!en leiben. S5ebenft man ober, ta^ biefe tüie jene it)re S3efriebigung fud^en, unb ha^ ben greiben!em f^on ein 5Iu§ben!en unb 5lu§fpred^en öon öerbotenen fingen* biefe S5efriebigung giebt, fo ift in 5Infe^ung ber 3J?otiöc alle§ (Sinö: unb in 5lnfel)ung ber golgen tt)irb ber ^Tuöfd^Iag fogar gegen ben greiben!er fein, t)orau§gefe|t ha^ man nic^t nad) ber nädjften unb gröbften (Si(^t* bar!eit — ha^ tieigt: nid^t n)ie aKe SSett urt^eilt. 9D?an t)at t)iel t)on ber ^Serunglintpfung tuieber ^urüdtgune^men, mit ber bie äJ^enfd^en aEe Sene behalt t)aben, »eld^c burc§ bie X t) a t ben S3antt einer (Sitte burd^bradjen, —
— 221 —
hn OTgemetnen fietgen fte SSerbrcdjcr. Scber, bcr t>a^ befte^enbe ©ittengefe^ umtüarf, i)at bi^^er juerft immer alg fc^Ied^tcr 9J?enfd^ gegolten: aber loenn man, tüie cg öorfam, ^tntert)er e§ nid^t toleber aufjurtd^ten termoc^te unb ftd) bamit jufrieben gab, fo öeränberte fid^ ba^ ^äbifat oUmä^ttd^; — bie ®efd)td^te f)anbelt faft nur öon btefen fd^Ied^ten SJ^enfc^en, n^elc^e fjjäter gutgefprod^en toorben finb!
21.
„Erfüllung beS ©efe^eS." — Sm gaüe, bag bie 33efolgung einer moralifd^en SSorfc^rift bod) ein anbereS Sf^efultat ergiebt, a(§ berfprod^en unb ertüartet tPirb, unb ben ©ittli^en nid^t \)a^ öerl^eigene (SJIüdf, fonbern toiber ©rttjarten Unglüd unb ©lenb trifft, fo bleibt immer bie ^u§f(udf)t beö ©etoiffen^aften unb Sngftlid^en übrig: „e§ ift ettüaS in ber 5tugfüt)rung öerfe^en njorben." Sm aUerfd^iIimmften ^aUe toirb eine tief leibenbe unb jerbrüdEte 9J?enfd[)l^eit fogar befretiren „eg ift unmöglid^, bie SSorfd^rift gut au^^ufü^ren, tuir finb burd) unb burd^ fd^mod^ unb fünbl)aft unb ber SD^oralität im innerften (SJrunbe nid^t fäf)ig, folglid^ ^aben toir auc^ feinen 5lnfprud^ auf ®tüd unb Gelingen. 2)ie moralifd^en ^orfd)riften unb $8ert)ei6ungen finb für beffere 5E3efen, a(§ tü\x finb, gegeben."
22.
SSerfe unb ©laube. — Smmer nod^ tuirb burd) bie proteftantifd)cn fieljrer jener ©ninbirrtl^um fort= gepflanjt: ba^ e§ nur auf ben ©lauben un!omme, unb bafe an§ bem Glauben bie Sßerfe notf)n)enbig foU^cit
~ 222 —
muffen. ^ie§ ift fd^Iec^terbmgS mt^t toa^x, aber Kingt fo öerfü^rerifd^, bafe cS fd^on anberc Snteßigenjcn alö bie ßut^er'g (nömlid^ bic be§ ©ofrateö unb ^lato) Betl^ört ^ot: obtool^I ber ^lugenfd^ein aller (Erfahrungen aller iage bagegen fprtd^t 2)ag juberftd^tltd^fte SStffen ober Glauben fann nid^t bie £raft jur %f)at, nod^ bie ©etoanbt^eit gur X^at geben, e§ !ann nid^t bie Übung jenes feinen, ütelt^eiügen 5IRed)ani§mu§ erfe^en, njeld^e vorhergegangen fein mug, bamit irgenb ettoaS au§ einer SSorftettung fid^ in 5lftion t)ertt)anbe(n fönne. SSor 5lllem unb juerft bie 2ßer!e! ^a§ l^eifet Übung, Übung, Übung! ^er ba§u gei)örige „©taube" tt)irb fid^ fc^on einftellen, — beffen feib öerfid^ert!
23.
Söorin Wix am feinften finb. — ^aburd^, ha^ man fid^ biele taufenb 3at)re lang bie ©ac^en (Statur, SQSerfjeuge, (Sigentl^um jeber 5lrt) ebenfaES belebt unb befeelt taiS^U, mit ber ^aft ju fd^aben unb fid^ ben menfd^Ii^en 5lbfid^ten ju entjiefien, ift ha^ ®efüt)( ber D^nmad^t unter ben 3J?enf^en öiel größer unb uiel l^äufiger getoefen, a(§ e§ Ijättt fein muffen: man l^atte ja nötf)ig, fid^ ber (SadE)en ebenfo ju öerfid^em, njie ber 3)^enfd)en unb Siliere, burd^ (Gewalt, 3^öng, (Sd^meirf)elei, SSerträge, Opfer, — unb t)ier ift ber Urfprung ber meiften aberglöubifd^en ©ebröu^e, ba§ l^eigt eines erl^eblidien, bielleid^t übertoiegenben unb trogbem öergeubeten unb unnü^en S5eftanbtt)ei(S aller öon 9J2enfd[)en bisher geübten X^ätig!eit! — ^ber ioeil ha^ ©efü^l ber Dtin* mad|t unb ber gurd^t fo ftar! unb fo lange faft fort^ toö^renb in S^ieijung ttjar, l)at fid^ i>a^ ©efül;I ber Tlad)t in fold^er geinl}eit enttt)idEeIt, ba^ eS je^t
t)tertn ber Tlcn\ä^ mit ber belifateften ©olbtuage auf* nehmen fann. (S§ ift fein ftär!fter §ang getüorben; bic TOttel, n)e(d)e man entberfte, ftd^ biefeg (SJefü^l ju f^affen, finb beinahe bie ©efd)i^te ber ß^ultur.
24.
^er S3elDei§ einet 3Sorfc^rift. — 3m 5lIIgemetnen roirb bie ®üte ober (Sd)led)tig!ett einer §8orfd;rift, 5um 93eifpiel ber, S3rob ju baden, \o betoiefen, ha^ ba^ in il^r öerfprod^ene 9?efuttat ficf) ergiebt ober nic^t ergiebt, iJorauSgefegt bog fie genau ausgeführt n)irb. 5lnberS ftef)t e§ jegt mit ben mora(ifd)en Sßorfd^riften: benn ^ier finb gerabe bie Sfiefultate nid^t ju überfe!)en, ober beutbar unb unbeftimmt. 2)iefe SSorfd)riften ru^en auf §5pott)efen öon bem aUergeringften loiffenfd^aft* Iid)en SBert^e, bereu S3en)ei§ unb bereu SBiberlegung au§ ben 9ie[u(taten im (SJrunbe gleid) unmöglich ift: — aber einftmatg, bei ber urfprünglidien 9?o^^eit aller 2Biffenf(i)aft unb ben geringen 5lnfprüd^en, bie man machte, um ein ^ing für ertt)iefen ju nel^men, — einftmate ujurbe bie (SJüte ober ©d^Ied^tigleit einer S8orf(f)rift ber Sitte ebenfo feftgefteUt Ujie je^t bie jeber anberen ^or(d)rift: burd) §inn)eifung auf ben (£rfolg. SGSenn bei ben (Singeborenen in 9fiuffifd)=5lmerifa bic ä^orfd)rift gilt: bu follft feinen X^ier!nod)en in'S geuer njerfen ober ben §)unben geben, — fo n)irb fie fo beioiefen: „t^ue eö unb bu irirft !ein ©lud auf ber 3agb l}aben." $j?un aber ^at man in irgenb einem @innc faft immer „fein ®Iüd auf ber 3agb"; eS ift nid^t leicht möglid), bie ®üte ber SSorfdjrift auf biefem SBege ju loibertegen, namentlid^ n)enn eine ©cmeinbe unb nid^t ein ©injelner aU Präger ber (Strafe gilt; t)ietmel)r UJtrb
— 224 —
immer ein Umftanb eintreten, toeld^er bie Sßorfdjrift ju bettjeifen J(f)eint.
25.
(Sitte nnb ©diön^eit. — Qu (fünften ber «Sitte fei nic^t t)er(d^tt)iegen, ba^ bei Sebem, ber fid^ i^r Dößig unb öon ganzem §er§en unb Don 5ln5eginn cm untertDirft, bie 5Ingrip^ unb ^ert^eibigung^organe — bic förjjerlid^en unb geifttgen — öerfümmern: ba^ ]^ei§t, er tüirb §uneE)menb fd)öner! ^enn bie Übung jener Orc,ane unb ber i^nen entjpred^enben ©efinnung ift e^, n)eld)e pfelid^ ert)ält unb p^lic^er mad^t. ^er alte ^aöian ift barum t)ä§Iid^er aU ber junge, unb ber tüeiblic^e junge $at)ian ift bem 9)^enfd^en am ö^nlic^ften: alfo am fd^önften. — §iernad§ mac^e man einen ©d)Iu§ auf ben Ürfjirung ber ©d^ön^eit ber SBeiber!
26.
^ie XI}ierc unb bie 9}?oraI. — ^ie ^raftifen, tueld^e in ber Verfeinerten ©efeEfd^aft geforbert luerben; ha^ forgfältige SSermeiben beä Söd^erlid()en , beg 5luf* füEigen, be§ 5Inmaagenben, ba§ äi^i^^f^^ö^n feiner Xugenben fotüot)! trie feiner t)eftigeren Sege^rungen, ba§ (Sid^=gleic^=geben, (Sidi-einorbnen, ©idfi-öerringem, — bie^ 5lEe§ a(§ bie gefeKfdjaftlid^e 9}?oral ift im Proben überaE big in bie tieffte XI)iertt)eIt l^inab ju finben, — unb erft in biefer Xiefe fef)en loir bie §interabficf)t aKer biefer liebenSmürbigen SSor!et)rungen: man Ujill feinen SSerfolgern entgegen unb im 5luffud^en feiner S3eute be* günftigt fein, ^eö^alb lernen bie Xt)iere fidf) be^errfd^en unb fid^ in ber SBeife öerfteHen, \>a^ man^e gum S5eifpie( i^re garben ber garbe ber Umgebung anpaffen
— 225 —
(vermöge ber fogenanntcn „(^romatifc^en gunftion")» bog fte fid^ tobt ftcllen ober bie gormen unb färben eiltet anbeten X^kxe^ ober öon @anb, S3(ättern, 5ted)ten, ^d^tpämnien annel^men (^a^, tua§ bie engüfdjen gorfd^er mit mimicry begeic^nen). ©o ö erbirgt fid^ ber (Singelne unter ber ^(Kgemeinfcljaft bc§ S3egriffeg „9J?en{d)" ober unter ber ©cfeÜfdiaft, ober pagt ft^ an SM^^"» ©tänbe, Parteien, SDZeinungen ber Qdt ober ber Umgebung an: unb §u allen hm feinen Wirten, un§ glücfürf), banfbar, mädjtig, öerliebt 5U [teilen, n)irb man leidjt ba§ tljieriji^e ©leidjui^ finben. ?ludj jenen ©inn für Sßal)r^eit, ber im ©runbe ber (Sinn für ©id^erljeit ift, ^at ber S[J?enfd) mit bem Xljiere gemeinjam: man lüill fic^ nid)t täufd)en laffen, fic^ nid)t burc^ fid^ felber irre füf)ren laffen, man l)ört bem ^iti^^ben ber eigenen Seibenfd^afteu mig^* trauifd) gu, man be^toingt fid) unb bleibt gegen fidj auf ber Sauer; bieö OTe§ öerfte^t \>a^ Xl)ier gleid^ bem 5[f^enfd)en, aud) bei il)m toädjft bie (Selbftbeljerrfdjung aug bem @inn für ba§ $ß3ir!lid)e (au^ ber Älugljeit) ^eraug. Ebenfalls beobad)tet eg bie Sßirfungen, bie e§ ouf bie ^orftellung anberer Xl^iere ausübt, eg lernt üon bort au^ auf fid) 5urüdbliden, fidl) „objeftiü" nel)men, e§ l^at feinen 4jrab öon ©elbfter!enntni§. ^a§ Xl)ier beurt^eilt bie S3etuegungen feiner ®egner unb greunbe, e§ lernt il)re @igentl)ümlid)!eiten au^njenbig, e§ rid)tet fi^ auf bieje ein: gegen ©injelne einer beftimmten Gattung giebt eö ein für aüemal ben ^ampf auf unb ebenfo errätl) e^ in ber ^Innä^erung mand)er Wirten Don X!)ieren bie ^ibfidjt beö griebenö unb beS SSertrag^. ^ie ^Infänge ber 4)ered)tigfeit, toie bie ber Älugl)eit, SD^äfeigung, Xapfcrfeit, — fur^ allc^, toaS tüir mit bem 9^amen bor fofratifdl)en Xugenben bc^cidjuen, ift t^ierl)aft: I eine golge jener 'Xriebc, tocldjc lcl)ren, nac^ 9^al)rung
! 9Ueöfci)c« «öeite. RlQrf.»Wu«fl. IV. 15
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ju fud^en unb ben getnben ju entgeljcn. ©mögen trir nun, ia^ and) ber J)ö(^fte 5Ö?enfd§ fic^ eben nur in ber 5(rt feiner 9Za^rung unb in bem S3egriffe beffen, n)a§ il}m OTe§ feinblirf) ift, erhoben unb Verfeinert f:)at, fo tüirb e§ nid^t unerlaubt fein, ha^ gan^e moralifd)e ^Ijänomen a(ö tC)ier^aft 5U begeid^nen.
27.
^er Söert^ im (SJlauben an übermenfcöliflic Seibenfdjaften. — ^ie Snftitution ber (Stje ()ä(t {)art= nädtig ben ©lauben aufrecht, ba^ bie Siebe, obfc^on eine Seibenfd^aft, boi^ al§ folc^e ber ^Dauer fäl)ig fei, ja ba§ bie bauerf)afte leben^Iänglidje Siebe aU S^^egel aufgeftellt toerben !önne. 2)urc^ biefe gö^tgfeit etne^ eblen ®(auben§, tro^bem ha^ berfelbe felE)r oft unb faft in ber Siegel tüiberlegt tüirb unb fomit eine pia fraus ift, Ijat fie ber Siebe einen l^ö^eren 5lbel gegeben. Me Snftitutionen, tuetd^e einer Seibenfd^aft ©Tauben an i^re ^auer unb $8erantn)ortIic£)!eit ber ^auer gugeftel^en, rtiiber ha^ SBefen ber Seibenfd^aft, f)aben i^r einen neuen dlan^ gegeben: unb ber, ttjeli^er öon einer foMjen Seibenfctjaft nunmehr befallen tt)irb, glaubt fid) nic^t, lüie früher, baburd^ emiebrigt ober gefö^rbet, fonbcrn bor ftd^ unb feinet ©leid^en gehoben. 9J?an ben!e an Snftitutionen unb ©itten, tüelc^e au§ ber feurigen Eingebung be§ 5lugenblidt§ bie etoige Streue gefd)affen Ijabcn, au§ bent ©elüft be§ 3otne§ bie etrige D^adje, au§ SSer^treiflung bie etnige Xrauer, au§ bem plögtid)en unb einmaligen Sßorte bie etoige S5erbinblid)!eit. Scbe^Smal ift fe^r öiel §eudf)elei unb Süge burd^ eine fold^e Umfc^affung in bie Söelt ge!ommen: jebe^mal aud}, unb um biefen ^reii;>, ein neuer übermenfd^Iid^er, ben 9}tenfd)en Ijebcnber «egriff.
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28.
2)ie Stimmung aU ^(rgument. — S33a^ tft bic Urfadic freubiflcr (Sntfd^Ioffen^eit jur %f)ai? — btcfe gragc l)at bie 9J?enfc^en üie( befdjäftigt. ^ie älteftc unb immer nod) geläufige tottoort ift: (SJott tft bte Ut:^ fad^e, er gtebt unö baburd) ju i)erftel^en, t>Q^ er unferem SSiUen juftimmt. Sßenn man ef)emal^ bte DraM über ein 55ori)aben befragte, lüotlte man uon il^nen jene freitbtgc (SntfcI)[offcnt)cit l^eimbringen; unb jeber beanttoortetc einen 3^^^^!^^^ ^^^" ^^^ mehrere möglidie ^anblungen Dor ber @ccle ftanben, fo: „id) n^erbe \)a§> t^un, itjobei jeneö (^3efü^( firf) einfteüt." Man entfd)ieb ftd) alfo uid)t für baig ^ernünftigfte, fonbern für ein 35orftaben, bei beffen S3ilbe bie ©eele mutl)ig unb t)offnung§t)oII njurbc. T)k gute (Stimmung tourbe a(ö 5Irgument in bie SBag* fd)a(e gelegt unb überwog bie 58ernünftigfeit: be^l^alb, ttjeit bie Stimmung aberg(äubifd) aufgelegt lüurbe, a(g $Mrfung eineg ©otte^, bcr Gelingen ücvljcigt unb bnrd) fie feine 58ernunft alö bie l)öd^fte ^ernünftigfcit reben (äjjt. 9^un crtuäge man bic golgen cine§ fold^en SSor^ urll;ei(g, tnenn !Iuge unb mad)tburftige SDMnner fid) einer bebicnten — unb bebienen! „Stimmung mad)cn!" — bamit fann man alle ^rünbc erje(jen unb ade (^cgen- öviiube bef legen!
29.
!DicSdjanfptclcrbcrXugenbunbber(Sünbe.— Unter bcn 9}?änncrn bc^ ^tltcrtljiunö, Uicld)c biirdj i()rc Xugenb berüljmt tuiivbcn, gab eö, ^uic cö fdjcint, eine Un= unb Übermal)! Don (üld)cn, bie Hör fid) fei ber |c^au(pielcrtcn: namcntlid) tnerbcn bie (ijricd)cn, alö cingcf(ci(d)tc (Sdjaufpidcr, bic^5 eben ganj unluillfürlid)
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get^an unb für gut Bcfunben fjabcn. ^a§u wax jebet mit feiner ^ugenb im SBettftreit mit ber Xugenb eine§ 5lnbern ober aßer 5Inberen: iüie foHte man nic^t alle itünfte aufgelrenbet ()aben, um feine Xngenb gur (Sd)au 511 bringen, Dor OTem Dor fi(^ f eiber, fd)on um ber Übung miHen! Sßa^ nü^te eine ^ugenb. bie man nid^t geigen !onnte, ober bie fid^ nid^t gu geigen t)crftanb! — liefen (Sd^aufpielern ber iugenb tt)at \)a§> ßljiiftent^um (£inf)alt: bafür erfanb e§ ta^ n)iberlid)e ^run!en unb ^arabiren mit ber ®ünbe, e§ brad^te bie erlogene @nnb= ^aftig!eit in bie SBctt (Oi§ §um l)eutlgen Xage gilt fie al§ „guter ^on" unter guten S^riftcu).
30.
^ie Ijerfcinerte ©raufamfeit a(§ Xugenb. — §ier ift eine 9J^oraIität, bie gan§ auf bem Xriebe nad) 5Iu§§ei^nung beruht, — bmlt nic^t gu gut öon it)r! S2Sa^ tft benn ha^ cigentlid^ für ein ^rieb unb metd)ev ift fein §intergebanfe? Wlan UjiK mad)en, ha^ unfev ^InblidE bem ^Inberen ioelje t(}ue unb feinen D^eib, bav (^efüt)I ber £)l)nmad)t unb feinet §erabfin!en§ Ujccfc; man tviU i()m bie S3itter!cit feinet gatumS ju !often geben, inbem man auf feine ß^^^Ö^ ^^^^^ Xropfen unfereö §onig§ träufelt unb i()m fd^arf unb fd^abenfro^ bei biefer Dermeintlidjen 2Bot)It^t in'S ^fuge fie^t. tiefer ift bcmüt^ig gemorbcn unb üoHfommen je^t in feiner ^emut^, ~ fud)et nad^ benen, iüeldjen er bamit feit langer 3^^* eine Xortur ^at mad[)en toollen! i^r toerbet fie fd)on finben! Sener §eigt Erbarmen gegen bie Xl)iere unb tuirb be^tjatb bctuunbert, — aber e§ giebt geujiffe SD^enfdjen, an tt)e(d)en er eben bamit feine ©raufamfeit l^at au§« (äffen n)oIIen. ^ort fte[jt ein groger ^ünftler: bie oor^
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em^)funbcne SöoKuft am S^etbe begtüungener 9^ebcu6u^tcr t)at feine ^roft nic^t fd)Iafen laffen, biö ha'^ er gro§ getrotben ift, — it)ie üiele bittere 5Iugenblicfe anberer Seelen Ijat er ficf) für ba^ ©rogttjerben gatilen laffen! ^ie ^eufd)f)eit ber Sf^onne: mit tüel^en ftrafenben 5Iugen fiel)t fie in ta^ ©efid^t anberSlebenber grauen! n)ie öiel ßuft ber 9?ad^e ift in biefen klugen! — ®a§ X^ema ift fur§, bie SSariationen barauf tonnten ga^IloS fein, aber nic^t leidet langtüeiüg, — benn e^ ift immer nod^ eine gar ju paraboje unb faft lüe^e t^uenbe 9^euig!eit, ba^ bie 9J^oraIität ber ^(ug^eic^nung im legten (SJrunbe bie Snft an Verfeinerter (SJraufamfeit ift. Sm legten ©runbe — bag foll l^ier tjeifsen: iebeömal in ber erften Generation, ^enn trenn bie ©ctüo^ntjeit irgcnb eine§ au^jeid^nenbeu Sltjunö firf) t) ererbt, n)irb bod) ber §)intergeban!e nid)t mit öererbt (nur Gefühle, aber feine ©ebanfen erben fid) fort): unb Uorauögefegt, bajs er nid)t burd) bie ©r5iet)ung mieber baljintergef^oben tüirb, giebt e§ in ber jttjeiten (S^eneration fc^on feine ßuft ber ©raufamfeit me^r babei: fonbern fiuft allein an ber Gcioo^nt)eit at§ oId)er. 'Diefc fiuft aber ift bie erfte ©tufe be^ „4jutcn".
31.
^er (Stolg auf ben Geift. — SDer (Stol^ bc« 3)?enfd^en, ber fid) gegen bie Se^re ber ^{bftammung Don Srijiercn fträubt unb jtüifc^en 'iülatnx unb 9)?enfc^ bie große Äluft legt, — biefcr ©tolj l)at feinen ®runb in einem $öorurtf)ei( über ha^, iuaö (SJeift ift: unb biefcS lBorurtf)eil ift ücrtjältnigmäfeig jung. 3n ber großen S8orgef(^id)tc ber 9D'^cnfd)I)eit fegte man Geift überall Dorauö unb badjte nidjt baran, it)n alö SSonedjt beö ^Wenfd^en ju efjren. SSeil man im Gegentfjeil baS ©eiftige
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(nebft allen STrteben, S3o^I)etten, Sfleigungen) junt ©emcin« gut unb folglich gemein gemad^t l)attt, fo fd^ämte man fid^ nid^t, öon Xl)teren ober S3öumen abguftammen (bie borne^men ©efd^Ied^ter glaubten fid^ burd^ foIdf)e gabeln geehrt) unb fa^ in bem Reifte ba§, tüaS un§ mit ber Statut öerbinbet, nxdjt xva§> un§ t)on if)r abfd^eibet. (So ergog man fid^ in ber S5e((^eiben5eit, — unb ebenfalls in golge eineS 35orurt^eiI§.
32.
!I)er §emmfc^ul^. — ^O^oralifd) ju leiben unb bann §u pren, biefer 5Irt fieiben liege ein Strtl^um ^u ©runbe: bie§ em|)ört. (£§ giebtja einen fo einzigen ^roft, burd^ fein Seiben eine „tiefere SSelt ber 9Sa()r!^eit" ^u bejal^en, a(§ alle fonftige Sßelt ift, unb man tüill öiel lieber leiben unb fid^ babei über bic SSir!lid£)!eit er^ ^aben fül)len (burrf) ha^ SBemufetfein , jener „tieferen SBelt ber $Bal)rl)eit" bamit nal)e gu fommen), al§ ol)ne Seib unb bann o^ne bieö @efül)l be§ (£rl)abcnen fein. (Somit ift e§ ber (Stolj unb bic gemoljnte 5Irt, il)n ^u befriebigen, tt)el^e fid^ bem neuen ^erftänbnife ber SOZoral entgegenftemmen. SBeldf)e ^aft tt)irb man alfo anjunjenben i)ahcn, um biefen §enmifc^ul) ju bcfeitigen? 9D?el)r (Stolj? ©inen neuen (Stols?
33.
^ie $8erad)tung ber Urfad^en, ber folgen unb ber 2öir!lic^!ett. — Sene böfen B^föKe, n)eld)c eine ©emeinbe treffen, Jjlö^lidCje SSctter ober Unfrudit* barfeiten ober (Seud)en, leiten alle 9}ätglieber auf 'c>m 5lrgtt)0^n, \)a^ ^[^erftöge gegen bie (Sitte begangen ftnb
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öDet bog neue ®ebröud)e erfunben tuerben muffen, um eine neue bämonifi^e ©enjalt unb Saune §u befd^tüic^- tigen. 2)iefe %vt 5(rgn)of)n unb 9^ad)ben!en gel^t fomit gerabe ber (^rgrünbung ber maleren notürüd^en llrfacf)en au§ bem 2öege, fie nimmt bie bämoniftfie Urfad^e al§ bie SBorau^Sfe^ung. §ier ift bie eine Ouelle ber erb- liefen SSerfeljrttjeit be§ menfrf)Iid)en Sntelleftg: unb bie anbere Quelle entfpringt baneben, inbem man ebenfo grunbfäpd) ben tva^xm natürlid^en golgen einer §anb(ung ein öiel geringere^ 5(ugenmer! fc^enüe, a(§ ben übematürlidjen (hm fogenannten ©trafen unb ©naben ber ®ottf)eit). & finb jum S5cifpie( beftimmte S3äber für beftimmte Qtxtm öorgefc^riebcn: man hahtt, m(i)t um rein ju tüerben, fonbem Ujcit e§ öorgefc^rieben ift. Tlan lernt nirf)t bie tDirüi^en golgen ber Ünreinlid^feit flief)en, (onbem ba§ öenneintüdje 9}^i§fallen ber ©ötter an ber SSerfäunmig eineS ^aht^. Unter bem SDrude obergläubifc^er 5(ngft argiüöf)nt mon, e^ muffe fel^r öiel mc^r mit biefem 5lbn)afd)en ber Unreinlich feit auf fid^ (jaben, man legt jtveite unb britte öebeutungcn i)inein, man üerbirbt fid^ ben (Sinn unb bie Suft am 2öir!(id^cn unb (;ält bieg sule^t, nur infofern e§ ©t)mbol fein !ann, nod) für Ujcrt^uoll. @o i^eradjtet ber SJ^cnfd) im Saune ber (Sittlid^!eit ber (Sitte erftenö bie Urfad^en, ^tocitenS bie golgen, brittenS bie SSirflid)- feit, unb fpinnt alle feine Ijöljeren (Smpfinbungen (ber ©Ijrfurdjt, ber (Srljabenl^cit, be§ (Stol^eö, ber ^Danfbarfeit, ber Siebe) an eine cingcbilbete SSeU an: bie fogcnannte f)öf)ere SBclt. Unb nod) ic(jt fc^en mir bie golge: mo ba§ 65efü()( eineö 9}^cnfd)cn fid^ erl^cbt, ha ift irgenbmic jene cingcbilbete 2Bc(t im (Spiel. @ö ift traurig: aber cinfttucilcn muffen bem U)iffenfd;aft(idjeu SDknfdjcu alle Ijöljeren (5Jefül)le t)erbäd)tig fein, fo
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fef)r ftnb ftc mit SSa^n unb Unftnn t3crqmdt. S^ic^t ha^ fte e§ an fic^ ober für immer fein müßten: aber getüig iDirb öon allen allmäpcf)en Steinigungen, lüeld^e ber 3J?enfd^t)eit bet)orftelf)en, bie Sleinigung ber f)ö()eren ^efü^le eine ber aümä^Iid^ften fein.
34.
aJioralifd^e ©efütjle unb moratifd^e Segriffe. — (Srfid^tüd^ tüerben moralifc^e ©efü^le fo übertragen, ha^ bie ^nber bei hm (Srnjad^fenen ftarfe Steigungen unb 5lbneigungen gegen beftimmte ^anblungen mal^r- nehmen unb ha^ fte al§ geborene 5tffen biefe Steigungen unb 5Ibneigungen nad)mad^en; im fpöteren fieben, wo fie fid^ bott öon biefen angelernten unb too^l* geübten 5lffe!ten finben, l^alten fie ein nad^tröglid^e^ SSarum, eine 5lrt S5egrünbung, ha^ jene Steigungen unb SIbneigungen bered^tigt finb, für eine @od§e beS 5Inftanbe§. SDiefe „Segrünbungen" aber l^aben tüeber mit ber 5>er!unft, nod) bem ©rabe be§ ®efüt)fö bei il^nen ettüa^ ^u ttjun: man finbet fid^ eben nur mit ber ^egel ah, ha^ man aU öemünftige^ SBefen ©rünbe für fein gür unb SBiber t)aben muffe, unb gmar angeb« bare unb annet)mbare (S^rünbe. Snfofem ift bie ©e- fd£)id^te ber moralifd^en (5Jefüf)le eine ganj anbere al§ bie (SJefd^id^te ber moralifd^en S3egriffe. ©rftere finb mäd^tig bor ber §anb(ung, (entere namentlid^ nacl) ber ^anblung, angefid^t^ ber S^iöttiigung, fidE) über fie au^5uf))red^en.
35.
®efüt)(e unb bcren 5lb!unft Don Urt[)eilen. — „Vertraue beinem ©efül^le!" — 5lber ©efü^Ie finb nidjtd
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fie^tcS, Urfprünglic^c^ , f)tnter bcn (Siefüf)ten [teilen Hr= t()etle unb 2öert^frf)ö§ungen, \ddd)t in ber gorm öon ®cfüf)Ien (Steigungen, 5(bneigungen) un^ öererbt ftnb. ^ie Snfpiration, bic auö bem ©efü^Ie ftammt, tft ba^ (Sntelünb eine^ Urtljeil^ — unb oft eine^ foif(f)en!
— unb jebenfaE^ nid)t beine^ eigenen! ©einem ©e- füljle Vertrauen — ba^ ^eigt feinem ©rogöater unb feiner (SJrofemutter unb beren @ro§e(tern me^r ge^ord)en alö ben (SJöttmi, bie in unö finb: unferer Vernunft unb unferer ©rfaljrung.
36.
Sine 9^arrt)cit ber ^ietät mit §intergebanfen.
— SBie! bie ©rfinber ber urottcn (S^ulturen, bie ölteftcu SSerfertiger ber SSerfjeuge unb 5D?c6fcf)nüre, ber Söagen unb (Sd)iffe unb Käufer, bie erften S3eobarf)ter ber Ijimmlifd^en (5Jefe^mä§igfeit unb ber Siegeln be§ (Sin^ moleing, — fie feien ctmaö unöergteic^Iic^ 5lnbere^ unb §ü()creö a(g bie (Srfinber unb S3eobarf)ter unferer Reiten? 2)ie erften <Sc^ritte l)ätten einen SSertf), bem alle unfere Steifen unb 2öe(tumfege(ungen im 9fJeid^e ber @nt= bedungen nic^t gleid)fämen? ©o Üingt ba^ SSorurtl^eit fo orgumentirt man für bie ®eringfd)ä^ung beö gegem iüärtigen ®eifteö. Unb bod^ liegt auf ber §anb, ha^ ber Sufall e^emalg ber größte aller ß;ntbeder unb Seobad^ter unb ber n)üI)IiuolIenbe ©inbläfer jener erfin* berifc^en ^2((ten mar, unb bag bei ber unbebeutenbften ßrfinbung, bie je^t gcmad^t mirb, me^r (SJeift, 3^^^* "^^ UMffenJd)afttic^e $t)antafic t)erbroud)t mirb, ald frül;er in ganzen Zeitläuften überf)aupt üorljanbcn mar.
- 284 — 37.
ga(frf)e (Sc^Iüffe au§ bcr ^n^üd)U\t — 2Senn man bie l)öcf)fte DZü^Itc^feit einer ^a6)t bctDtefcu l)at, \o ift bamit aud) nod} fein ©djritt jur (SrfläruiiQ i^reö Urfprung^ getf)an: \)a^ fieißt, man fann mit bev 9iüglic^!ett niemals bie 9^otf)tt)enbig!eit bet (Sjiften^ üerftönblid) madjen. 5l6er gerabe ha^^ umgcfefjrte Ur^ t^eil Ijat bi§f)er gef)crrfd^t — unb bi§ in bie ©ebicte ber ftrengften SSiffcnfdjaft Ijinein. ^at man nic^t felbft in ber 5lftronomie bie (angebliche) 9^ü^Iic^!eit in ber ^Inorbnung ber Satelliten (\)a^ burd| bie größere (Snt* fernung t)on ber (Sonne abgefdjtuäc^te Sid)t anbern?eitig §u erfe^en, bamit eö ben Sett)ot)nern ber (SJeftirne nic^t an Sidjt mangele) für ben ©nb^med it)rer 5Inorbnung nnb für bie ©rfldrung ifjrer ®ntftct)ung anSgegebcn? Sßobei man fi(^ ber (Sd)lüffe be§ ßolumbuS erinnern tüirb: bie (Srbe ift für ben 3J?enfd^en gemacht, alfo, tüenn e§ Sänber giebt, muffen fie ben)o^nt fein. „3ft cö tüa^rfd}ein(id) , 'öa^ bie Sonne auf 9^idjtS fd^eine, unb baß bie nädjtlid)en SSa^eu bcr Sterne an pfablofc 5D?eere unb menfdjenteere Sänber üerfdiiüenbet iüerbenV"
38.
^ie triebe burd) bie moralif^en Urtf)ei(e umgeftaltet. — ^cr felbe ^rieb entmidclt fic^ ^um peinlidjen ©efüt)I ber geigljeit, unter bcm d'inbrud beö XabelS, ben bie Sitte auf biefen ^rieb gelegt Ijat: ober 5um angenel)men ®efül)t ber 5)emut!), fallö eine Sitte, mie bie d^riftlid^e, i^n fid^ an'S ^crj gelegt unb gut gef)eißcn ^at ^aö I}ei§t: eö l^öngt fid^ iljm ent* toebcr ein gute§ ober ein böfeS ©enjiffen an! ^In fid)
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f)Qt er, iüte jeber ^rieb, ttieber bte§ noc^ üBerfiaupt einen moralifdjen SI)ara!ter unb Dramen, nod) fetbft eine bcftinimte bcgicitenbe (Smpfinbung ber Suft ober Unluft: er nmxU bicö OTc§ erft, als -feine gnjeite Statur, tuenn er in Sf^elotion gn fc^on auf (3\it unb S3öfc getauften trieben tritt, ober al§ ©igenfd^aft t)on SBefen bcmer!t toirb, rt)e((^e t)om 18o(fc fc^on moralifcf) feft- gcftellt unb abgefc^ä^t finb. — ©o f)aben bie älteren (55ried)cn anber§ über ben D^eib empfunben alS toir; §efiob 3öf)(t i^n unter ben 3Sir!ungen ber guten, njo()It()ätigen (£ri§ auf, unb eS (jatte nichts 5(nftö§ige§, ben (SJöttern ctnjaS D^eibifdjeö gu^uerfennen: begreif(id) bei einem ß^f^onbe ber ^inge, beffen (Seele ber Sßett- ftreit tvax; ber Sßettftrcit aber wax alö gut feftgeftcllt unb abgefdjä^t. ®bcnfa(I§ tüarcn bie ©riedjen üon un§ üerfdjieben in ber ^Ibfdjö^ung ber §offnung: man empfanb fic al§ blinb unb tüdifd); §efiob [)at ba§ ©törffte über fie in einer gabel angebeutet, unb ^tvax etttjaö fü ©cfrembenbeö, bag fein neuerer (Srüärer e§ öerftanben i)at, — benn eö geljt njiber ben mobernen ®eift, meld)er Dom ©(jriftentljum Ijer an bie §offnung at^ eine Xugcnb ju glauben gelernt Ijat. 33ei ben ©riei^en bagegen, njeldjen ber Qugang jum SBiffcn ber 3u^^"ft nid)t gängüd) öerfcf)(offcn fdjien, unb bencn in gal^IIofen gällcn eine ^Xnfrage um bie 3"^uttft gur religiöjen ^füc^t gemadjt iourbe, mo luir unö mit ber Hoffnung begnügen, muftte moljf, S)anf allen Dvafcln unb SBal)rfagem, bie Hoffnung ctmaö begrabirt mcrbcn unb in'S S3öfc unb C^3c[ü()rlid)e l)iuabfin!eu. — ^ie Suben Ijabcn ben 3orn anber§ em:pfunben alö tvxx unb il)n l)eilig gefprod)en: bafür l)aben fie bie büftere SJJajeftät bc§ 9J?cnfd)cn, mit n)cld)er Ucrbunben er fid^ geigte, unter fid) in einer §ü()e gefcljen, bie fic^ ein Europäer nid)t üorguf teilen
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termag; fie i)ahm tl^ren jomtgen l^eiligen Se^oöot) nad) i^reu gornigen l^eifigen ^rop^eten geBilbet. 5lit i()nen gemeffen, finb bie großen Qnmtv unter ben (Suropäeru gleid^jam ®efc^ö^)fe au§ jttjeiter §anb.
39.
^a§ SSorurtf)ei( öom „reinen ® elfte". — Über^ aU, tvo bie 2ef)re öon ber reinen (SJeiftigfeit ge^errf d^t ^at, ^at fie mit i^ren WnSfc^tüeifungcn bie 9^ert)en!raft gerftört: fie Ief)rte ben Slorper geringfd^ögen, t)ernad)Iäffigen ober quälen, unb um aller feiner triebe toillen ben äJ^enfc^en f eiber quälen unb geringfd^ägen; 1 fie gab üerbüfterte, gef|)annte, gebrüdEte (Seelen, — njeld^e nocl} überbie^ glaubten, bie Urfoc^e i^re§ (£lenb^®efül)l^ p lennen unb fie t)ielleicl)t ^eben ju !önnen! „Snt ' Körper mu§ fie liegen! er btü^t immer nöd^ §n fe^r!" — fo fd^loffen fie, töäl^renb tl^atfäd^lid^ ber^ felbe gegen feine forttnäl^renbe Sßerl)öt)nung burd^ feine j ©d)mer§en ©infprad^e über Sinfpradje erl)ob. @ine allgemeine, d^ronifd^ getüorbene Übernerüofität mar enblic^ ha^ 2oo^ jener tugenb^aften Sfieingeiftigen : bie Suft lernten fie nur no^ in ber gorm ber ©fftafe unb anberer SSorläufer be§ SBal)nfinn§ fennen — unb i^r (Softem fam auf feine ©pi^e, al§ cö bie ©fftaje alö baä ^öliegiel be§ £eben§ unb al§ ben öerurtljeilenben ÜJiaa^ftab für aU^^ Srbifd)e na^m.
40.
^a§ Grübeln über ©ebräud^c. — S^^^M^ SBorfdljriften ber (Sitte, einem einmaligen feltfamen SSorfommnig flüd^tig abgelefen, tvurben fe^r fd^neU
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iinüerftönbltd^ ; e§ Heß ft^ i^re 5I6ftd^t ebenfo njentg mit (Sid^er^eit ausrechnen tüte bie (Strafe, toelc^e ber Übertretung folgen lüerbe: felbft über bie golge ber Zeremonien blieb ß^eifel; — aber inbem man barüber ^in unb l)er rietfj, njud^S ba§ Obje!t eineS fotd^en ©rübelng an Sßert^, unb gerabe ha^ 5Ibfurbe[te eineS ©ebraudje» gieng ^uU^t in bie t)eiligfte §eiligfett über. Wlan ben!e nii^t gering öon ber ()ier in Sö^rtaufenben aufgetüenbeten Straft ber 9(J?enfc§()eit unb am iüenigften bon ber S3Sir!ung biefeS Grübelns über ®ebräud)e! SBir finb tjier auf ber ungeheuren ÜbungSftätte be§ SnteHefteS angelangt, — nid^t nur ha^ t)ier bie Df^eügionen auSgefponnen unb fortgefponncn n)erben: t)ier ift bie njürbige, obfdjon fdjauerlidje SSorlrelt ber Sßiffenfd^aft, ^ier mud^S ber 2)idf)ter, ber Genfer, ber ^Irjt, ber ©efe^geber! SDie ^Ingft t)or bem Unt)er[tänblid)en, rt)etd)e§ in ätüeibeutiger SSeife öon unS (S^eremonien forberte, gieng allmä^lid) in ben Sf^eij beö (Sd)tDert)erftönbIid)cn über, unb iuo man nid)t 5U ergrünben tuu^te, lernte man fd^affen.
41.
3ur 9ßertt)beftimmung ber vita contempla- tiva. — ^ergcffen mir atS SOZcnfc^cn ber vita contem- plativa nidjt, me(d)e ?(rt üon Übel unb Unfegcn burd) bie Derfd)icbenen 9^ad)mir!ungen ber S3efd)au(id)feit auf bie SJ^enfdjen ber vita activa gefommen ift, — fur^, me(d[)e (Megenrcdjnung bie vita activa ung ju mad^en t)at, menn mir allju ftot-^ mit unfcren 2Bo()ttI)atcn un§ uor il)r brüften. ©rftcnS: bie fogcnanntcn rctigiöfcn 9'laturen, meldje ber Qal)i nad) unter \)cn Sontcmptatiüen übertüiegen unb folgtidj i^re gemeinfte ©pecicö abgeben, l)üben ju allen 3^1^^^^ ^i^^)"^ gemirtt, ben vv«ftifdjen
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9}?enf^en ha^^ Seben fd^iüer ju ma^m itnb c5 i^ncn h)omögIi(^ ju tjerleiben: ben §immel üerbüftern, bie (Sonne an§Iöfdjen, bie greubc üerbädjtigen, bie ^off^ nungen entirert^en, hk tl^ätige §anb (äi)men, — ba^ I)Qben fie ücrftanben, ebenfo n^ie fie für elenbe Qdtm unb ©ntpfinbnngen i()re Slröftungen, 5tlmofen, §Qnb* reidjungen nnb (Segen§fprücf)e ge()abt fjoben. 3^^^^^^^- bie ^ünftler, civoa^ feltener a(§ bie 9^eligiöfen, aber bod) immer nod) eine häufige 5(rt öon 5D?enfd)en ber vita contemplativa, finb aU ^^3erfonen ^nmcift unleibüc^, (aunifd), neibifdj, getualtfam, nnfriebtid^ genjcfen: biefe 3Sir!ung ift Uon ben er^citcrnben unb erljebenben Sßirfungen i^rcr 2Ser!e in ^Ibjug §u bringen, ^ritten^: bie ^f)i(ofop^en, eine ©attung, in ber fid^ religiöfe unb fünftlerifdjc Gräfte beifammen üorfinben, bod} fo, ha^ ttwa^ ®rittc§, ha^' ^ialeftifdje, bie ßuft am ®emon[trircn, nod) baneben ^(a| l)at, finb bie Urljeber öon Übeln nad) ber 3BMfe ber Ü^eligiöfen unb ber ^ünftler gelocfen unb {)aben nod) bagu burd) il)rcn biale!tifd)en §ang Dielen 9[Renfdjcn ßangett)ei(e gemad)t; bo(^ tuar i()re 3al)l immer fel)r Kein. S5iertenö: bie Genfer unb bie n)iffenfd}aft(id)en ^(rbeiter; fie tt)aren feiten auf Sßirfungen au§, fonbern gruben fid) ftill i^re SD^anlmurfg- (öd^er. ©0 ()aben fie menig S^^erbrug unb Unbel)agen gemad)t unb oft aU ©egenftanb be§ <Bpottc^ unb ®elöd^tcr§ fogar, ol^ne c$ §u n)oIIcn, ben 9J?enfc^en ber vita activa \)a<i Seben er(eid)tert. Quki^t ift bie Sßiffen^ fd)aft bod) dtva§> fel)r 9^ü^Iid)eö für Slße getoorben: luenn biefeS 9^u^enö ()alber jegt fel)r oiele gnr vita activa ^orl^erbeftimmte fid) einen SBeg 5nr üBiffen= [c^aft bar)nen, im (Sd)tüei6e i^re^3 5(ngcfid)t§ unb nid)t ol)ne 5to^f5cvbrcd)en unb S5ern)ünfc|ungen , fo trägt bod) an foId)cm Ungemad) bie ©d)aar ber Genfer unb
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tt)iffenfrf)aft(trf)en ^(rbeiter feine (Sc^ulb; ed ift „felbft* gefd^affcne ^ein".
42.
§cr!unft ber vita contemplativa. — Sn ro^cn gelten, Wo bie ^ejfinüftifdjcn Urt^eile iiOer SO^enfcf) unb !föc(t t)errf^en, ift ber (Sin^elne im ®efüt)(e feiner Dollen .^aft immer barauf au§, jenen Urtl)ei(en gemöft 5U (jnnbeln, alfo bie SSorfteHung in 5(!tion 5U überfe^en, bnrd) Sagb, 9fJanb, Überfall, SJ^ijjljanblung unb $D^orb, eingerechnet bie bläfferen 5lbbilber jener §anblungen, toie fie innerljolb ber ©emeinbe allein gebulbet tucrben. 2ä^t feine Äraft aber nad^, fü^lt er fid) miibe ober fron! ober fd^njermüt^ig ober überfättigt unb in golge baüon §eitlüeilig n)nnfd)= unb begierbenloö , fo ift er ba ein üerljältni^mägig befferer, ha^ ^ei§t njeniger fc^äb- lidjer 9}Zen[d), unb feine peffimiftifd)en SSorftcllungen entlaben fi^ bann nur nod) in Sßorten unb ©ebanfen, ^um Seifpiel über ben 33Sertl) feiner (SJenoffen ober feine§ SSeibe^S ober feinet ßeben§ ober feiner ©ötter, — feine Urttjcile Ujerben böfe llrt^eile fein. 3n biefem 3uftanbe njirb er jum Genfer unb $ßorau§üerfünber, ober er biegtet an feinem ?lbergtauben toeiter unb finnt neue ^ebräud)c auö, ober er fpottct feiner geinbe — : \m^ er aber and) erbenft, alle ^rjeugniffe feiueö ©eifteö muffen feinen 3i^f^<^"^ toieberfpiegeln, alfo bie g""^!)!»^ ber gurd^t unb ber ©rmubung, bie ?lbnal)me feiner ®d)ä^ung beö §anbelnö unb (^eniefecn^; ber ©eljatt biefer ßrjeugniffe muJ3 bem ©eljalte biefer bid)terifd^cn. bcn!eri|d)en, priefterlid)en (Stimmungen entfpred)cn; ba-o böfe Urteil mufj barin regieren. «Später nannte nmn alle bie, meld)e anbauernb tljaten, ma§ früljer ber ©in^elne in jenem 3"fti^"^c tl)at, meld)e alfo böfe urtljeilten.
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melani^oItfcC; unb t^atenarm lebten, ^d^kt ober Center ober ^rieftet ober ^ebi^inmänner — : man n)ürbe foIrf)c 9}?enfdjen, toett [ie ntdjt genug ^anbelten, gerne gering gef(i)ö|t nnb qu§ ber ©emeinbc geftogcn ^aben; aber e§ gab eine ©efa^r babei, — fie njaren bem ^Ibergtauben unb ber <B);>ux gött(id)er Mfte narfjgegangen , man jtoeifelte nid)t baran, ha^ fie über unbefannte TOttel ber Wlaä)t geböten. ^te§ ift bie ©d)ä§ung, in ber bo§ öltefte (5Jejd)(ed)t contem|)Iatit)er Staturen lebte, — genau fo treit öerad)tet, alö fie nid^t gcfüri^tet tüurben! Sn foli^er Vermummter (SJeftalt, in fold^em gmeibeutigen 5Infe§en, mit einem böfen ^erjcn unb oft mit einem geängftigten ^op\e, ift bie (^Kontemplation §uerft auf ber @rbe erfd|ienen, äugleid) fd^tuad) unb furdjtbar, im ©e^etmen Verachtet unb öffcntlid) mit abergläubifd^er (S^rerbietung überf glittet! §ier, ujie immer, mufe e^ ^ei^en: pudenda origo!
43.
Sßie ijtete Gräfte je^t im Genfer jufammen- fommen muffen. — @id) bem finnlidjcn ?(nfdjauen 5U entfremben, ftd^ §um 5Ibftra!ten gu erl^eben, — ha^ ift mirflic^ einmal at§ @rt)ebung gefül^It morben: inir fönnen e§ nid)t ganj me!)r nad^empfinben. 2)a§ (Sd^toelgen in ben blaff eften SBort- unb ^ingbilbem, ha^ @piel mit foId)en unfdjaubaren , un^örbaren , unfül)tbaren Sßefen tourbe loie ein Seben in einer anbem l^ö leeren 3ßett entpfunben, auö ber tiefen S8erad)tnng ber finntid^ taftbaren öerfü^rerifd^cn unb böfen Sßelt ^erauö. „^iefe abstracta t)erfüt)ren nid^t me^r, aber fie fönnen unö führen!" — babei fd^mang man fid) tvk öufmärtg. ^d^t ber Sn^alt biefer <SpieIe ber ©eiftigfcit, fie felber finb „ba^ §öt)ere" in ben SSorjeiten ber Sßiffenfd^aft gemefen.
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^a^et ^Iato*§ Söeiritnberitng ber ^ioletttf unb fetn begeifterter ©laube an tf)re notl^tDCubige S3c5iel)ung ju bem guten entftnnli^tcn 3J?enfd)en. dlxä)t nur btc (Srfenntniffe ftnb einzeln unb QÜmäljIi^ entbedt lüorben, fonbcrn and) bte TOttel ber (Sr!enntni§ überbau))!, bie 3uftänbe unb Ojjerationen , bie im 9}?enfrf)en bem (Srfennen öorou^geljen. Unb icbeSmal fd)ien e^, aU ob bie neu entbecftc D|)eration ober ber neu emjjfunbene 3u[tanb nid)t ein 9J?itteI gu allem ©rfennen, fonbem fd)on 3nE)aIt, Qid unb ^umme alleö (Srfennenötüertfjen fei. ^er Genfer ^al bie ^^antafie, ben 5(uffd)njung, bie 5lbftra!tion, bie (Sntfinntid)ung, bie (Srfinbung, bie S(t)nung, bie Snbu!tion, bie 2)iale!tif, bie ^cbuftion, bie ^tü, bie 9J?ateriülfammIung, bie unperfönlidje ^enllueije, bie S3e[d)aulid)feit unb bie 3iifö^^tt^^tt^^)f^i^i^tt9 ^^^^ "^^t am iuenigften ©ercd)tig!eit unb fiiebe gegen 5((Ie§, voa^ ha ift, nötl)ig, — aber aEe biefe TOttel l)aben einzeln in ber @efd)id^te ber vita contemplativa einmal al§> ß^^ede unb (e^te Qtv^dt gegolten unb jene (Seligfcit i^ren ©rfinbem gegeben, metdje beim ?luflcud)tcn eincö legten Qwcdt^ in bie menjc^lid)e <Seele fommt.
44.
Urfjjrung unb 33ebeutung. — SBarum fommt
mir biefer (SJebanfe immer mieber unb (cud)tet mir in
immer bunteren garben? — ba^ el^emalö bie gorfd)er,
toenn fie auf bem SBege jum Urjprung ber ^inge maren,
immer etmaö Don bem ju finben meinten, ma^ t)on
unicf)ä|jbarer 33ebeutung für alleö ^anbeln unb llrtl)cilen
I jei, ja bafe man ftctö öoraugfe^tc, üon ber @infid)t
j in ben Urfprung ber 2)inge muffe beö ajknfdjen
II 5) eil abr)ängen: ba(3 mir je^t tjingegcn, je meitcr mir
: >JUeüfd)e« SWcrlc. man.'9lu«0 IV. 10
— 242 —
bcm Urfprunge ttad^ge^en, um fo Ujentgcr mit unfcren Sntereffen bet^etügt finb; ja, ha^ aüe unfere SSertl)- fd^ä^ungen unb „Snterefftrt^eiten", bie tüir in bie S)inge gelegt I)aben, anfangen iljren (Sinn §u öerlieren, je me^r tüir mit unferer (Srfenntnife gurüdE unb an bie ^inge felbft l^eran gelangen. SJ^it ber (Sinfid)t in ben Urf()rung nimmt bie S3ebeutungö(ofig!eit be§ Urf)3rung§ ju: tDäljtenb ha^» S^ädjfte, ba§ Um==un§ unb Sn-ung aEmä^lid^ garben unb (Sdjön^eiten unb 9iätfjfel unb Sieic^t^umer t)on S3ebeutung aufpjetgen beginnt, Don benen fii^ bie altere 9J?enjd)t)eit ni^t§ träumen liefe. (Sljematg giengen bie Genfer glei^ eingefangenen X^ieren ingrimmig ^erum, immer nad) ben ©täben i^re§ 5läftg§ f|)ä^enb unb gegen biefe anfpringenb, um fie 5U gcr^ brechen: unb feiig fdjien ber, treldjer burdj eine Surfe ettt)a§ t)on bem SDraufeen, öon bem Senjeit^ unb ber gerne ju feigen glaubte.
45.
@in Xragöbien=5lu§gang ber ©rfenntnife. — SSon aEen äJ^itteln ber (Sr^ebung finb e§ bie 9J?cnfd)cns ü^jfer gelüefen, n)eld)e ju allen Seiten ben SD^enfc^en am meiften er(}oben unb gel)oben l^aben. Unb öielleid)l fönnte mit ©inem ungel)euren ®eban!en immer nod^ jebe anbere S3eftrebung nicb ergerungen njerben, fobafe iljm ber (Sieg über ben (Siegreid)ften gelänge, — mit bcm (^ebanlen ber fid) opfernben SJienfd^^eit. 2öcm aber foEte fie fid) o))fern? 9J?an fann bereite barauf fc^mören, ia^, tnenn jemals ha§> ©tcrnbilb biefeS @eban!eng am §ori§onte erfd)eint, bie (grfcnntnig bei 3Sa^r:^eit al§ ha^ einzige ungel)eure 3^^^ ii^^^^Ö geblieben fein tüirb, bem ein folc^eS Opfer angemeffen UJärc, n)cil il)m fein Opfer ju gro§ ift. 3näniifd)en ift \)a^% Problem
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noc^ nie aufge[tetlt tüorben, tmuiefem bcr 9)^enfd)^ett, als einem ©anjen, (Sd)ritte mögtid) finb, bie (£rfenntnt§ gu förbern; 9efd)tt)ei9e benn, loeldier @r!enntni§trieb bie 9}?enfd)^eit \o hjeit treiben fönnte, fid^ felber bar* anbringen, um mit bem Send)ten einer t)ortt)egnef)menben SSeiöljeit im ^luge §u fterben. ^ielleid)t, ttjenn einmal eine 93erbriibcrung mit 33cn)of)ncrn anberer (Sterne jum 3tDed ber ©rfenntnig l^ergeftellt ift, unb man einige 3af)rtaufenbe lang fid) fein SSiffcn üon <Stem ju @tern mitget^eilt f)at: öieKeidit, bafe bann bie SBegeifterung ber (Srfenntnig auf eine fold^e glutt)'$ö^e fommt!
46.
3iDeife( am ß^^^if^^- — ,M^W P*^^ ^opf- fiffen ift ber 3^^^f^^ \^^ ^^"^^ h)of)(gebauten Äo^jf!" — bieg SBort 9J?ontaigne'S l^at ^aäcal immer erbittert, benn eS öertangte niemanben gerabe fo ftarf nad§ einem guten ^opffiffcn alö i^n. Söoran feljite ci? bod)? -
47.
^ie 353orte Hegen unö im Sßege! — Überall, mo bie Uralten ein ^ort l)inftellten, ha glaubten fie eine ©ntbedung gemad)t jn ^aben. 2öie anberö ftanb eS in !!£3al)rl)eit! — fie l)atten an ein ^^roblem gerührt, unb inbcm fie mäljntcn, eS gel oft ju l)aben, l)atten fie ein §cmmni6 ber ööfung gefc^affen. — Se^t mu§ man bei jcbcr @r!enntnift über fteini)arte üeremigte SBorte ftulpcrn, unb luiib babei eljer ein iöeiu brcdjen ülö ein 3öüvt.
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, 48.
„(Srfcnnc btd) fclbft" ift bie 9Qn§c SBtffen« fc^nft. — ©rft am @nbe ber ©denntuig aller SDinge itJtrb ber 9J?enjd^ fitf| fetber er!annt ^aben. ^cun bie SDinge finb nur bie ©renken be§ 30^en)cl)eu.
49.
®a§ neue ©ruubgefüljl: unfere enbgütttge $ßergänglid}!eit. — ®^emal§ fud)tc man §um (SJefü^^t ber §errlid)!eit be§ 3J?en|d^en §u fommen, inbem man auf feine göttliche 5Ib fünft ^in^eigte: bie^ ift je^t ein uerbotener Sßeg getüorben, benn an feiner ipr ftcljt ber 5tffe, nebft anberem greulichen ©et^ier, unb ftetfc^t üerftänbnigöoll bie Qä^nt, toie um ju fagen: nidjt meiter in biefer 9fäd)tung! (So öerfud^t man e§ je^t in ber entgegengefe^ten 9^id§tung: ber ^eg, tuo^in bie 3]^cnfd)ljeit gei)t, foH gum 33en)eife i^rer §errlidj!eit unb ®ottt)ermanbtfd)aft bienen. 5Ic^, aini) bamit ift e^3 nid)t§! 5lm (Snbe biefe§ Sßege§ fteljt bie ^abume beS legten 9J?enf^en unb Slobtengräberö (mit ber 5(uffd}rift „nihil humani a me alienum puto"). 9Bic f)od^ bie 9J?enfd)f)eit fid) entiüidelt l^aben möge — unb öieÜei^t löirb fie am (£nbe gar tiefer al§ am Einfang fteljen! — e§ giebt für fie feinen Übergang in eine ^ö()ere Drb= nung, fo menig bie ^meife unb ber Dl^rtuurm am Siibe i^rer „©rbenbalju" §ur ©ottüertüanbtjc^aft unb ©luigfeit emporfteigen. SDa§ SBerben fd)Ieppt ha^ ©emefenfein l^inter fid) l^er: rt)arum follte e§ Don biefem emigcn ©d^aufpiele eine 5lu§na:^me für irgenb ein ©temd^en unb toieberum für ein ©attungdjen auf i^m geben! g-ort mit foldjen (Sentimentalitäten!
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50.
^cr ©taube an bcn S^aufd^. — ^\c 3J?cnjd)en bcr erhabenen imb üerjücftcu ^tugenbürfc, benen e§ für gen)öl;n(ic^, um be§ ©egeufa^e^ tütllen unb tt)egen ber öerfd;tüenberifcl)cn 5(6nüt^ung i^rer 9^eröen!räfte, etcnb unb tvoftIo§ 5u Wntl)e ift, 6etrad)ten jene Hugenblicfe at§ ba^5 eigentliche ©elbft, al§ „fid)", \>a§> @(enb unb bie Slroftlofigfeit al§ bie 3Birfung be§ .^tu^er^fi^"; unb be^Ijalb beulen fie an i[)re Umgebung, i^re Qcxt, i()re gan^e Söelt mit ract)füc^tigen (SJefüIjten. SDer Df^aufd) gilt i()ncn a(ö 'Oa§> tüaf)re Seben, aU 'oa§> eigentliche 3d): in aüem ^(nberen fcf)en fie bie ©egner unb SSerIjinberer be^ 9kufd)e§, fei biefer nun geiftiger, fittlic^er, religiöfcr ober fünft(erifd)er Dktur. SDiefen fc^rt)ärmerijd)en SErun!en= bolben Derbanft bie 9)2enfd)t)eit üiel ÜbleS: benn fie finb bie unerfätt(id)en Unfraut=5(u§fäer ber Un^ufrieben^eit mit fic^ unb ben Sy?äd)ften, ber ^eit- unb SBeltüerac^tung unb namentlid) bcr 3öe(t=90^übig!eit. SSielleid^t !önnte eine ganje §öl(e Don 58erbred)ern n\ä)t biefe brüdenbc, (anb- unb (uft=l)crberbcnbe, un()eimüc^e 91ad)n)irfung in bie fcrnfte gerne [)\n {jahQw, mie jene Heine eble ©emeinbe öon Unbänbigen, "^^^tjantaften, §albUerrücften, Don ©cnie'S, bie fid) nid)t bef)enfd)en fönnen unb aüen möglidjen ®enuf? an fiel) erft bann (jaben, n^enn fie fic^ Dötlig Verlieren: Uuif^rcnb ber ^erbrcdjcr fet)r oft nod) einen S3etreiö Don au^^ge5eid)netcr (gelbftbeljerrfdjung, ^(nfopfcrnng unb Slüigljcit giebt unb bicfe ©igenfd^aftcn bei bcnen, n)cld)c i()n füvdjten, wad) er()ä(t. ^urct) il)n iuirb ber §i!nme( über bem Sebcn DicHeidjt gefäl)rlid) unb büftcr, aber bie Suft bleibt fräftig unb ftrcng. — 3" ?((lcbem pffanjcn jene ©djiuärmcr mit aüen i()rcn teftcn ben ©tauben an ben 9knfd) atd an baö Sebcn
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im Seben: einen fnrd)t6aren (SJtauben! SSie bic SSilben je^t fc^nell burc^ ba§ „geuernjaffer" öerborben n)erbcn unb §u ©ruttbe gelten, fo ift bie 3J?enfd)E)eit im ©onjcn nnb trogen langfam unb grünbüd^ burd^ bie gciftigen geuerUJäffer trunfen madjenber (5Jefül)Ie unb burd) bie, iüefd^e bie S3egierbe barnad) lebenbig erl^ielten, üerborben njorben: öieHeidjt ge^t fte nod) baran 5U ©runbc.
51.
@o tüte tüir nod) finb! — „@eien tüir nad)* ftd^tig gegen bie großen (Sinäugigen!" — ijat ©tuart MxU gejagt; alö ob S^ad^fic^t 5U erbitten nöt^ig toäre, ioo man getoöljut ift, il^nen ©(auben unb beinahe 5(nbetung §u goEen! Sd) fage: feien njir nai^fid^tig gegen bie ß^^^öugigen, grofee unb fteine, — benn ^öf}er aU hx§> jur 9^ad)fid)t tocrben tuir, fo Joie Ujir finb, e§ bod^ nid)t bringen!
52.
2Bo finb bie neuen ^(r^te ber @ce(e? — SDic SJättel be§ Xrofte^ finb cö gemefen, burd) rt>e(d)e 'üci^ ßeben erft jenen leibuoüen (Sirunbd)ara!ter, an ben man je^t glaubt, bekommen l)at; bie größte ^an!()cit ber SJ^enfd^en ift au^ ber Sefämpfung i^rer .^anfljeiten entftanben, unb bie anfd^einenben Heilmittel ^aben auf bie 2)auer (Sd^timmereö erzeugt, alö ba^ njar, tt)aö mit i^nen befeitigt tocrben follte. 5luö Unfenntnig f)ic(t man bie angenbüdüd) tüirfenben, betäubenbcn unb hc- raufdE)enben WUttci, bie fogenannten ^röftungen, für bie eigentlid^en §eil!räfte, ja man mer!te e§ nidjt einmal, bo^ man biefe fof ortigen ©rtcid^terungen oft mit ber
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allöemeinen unb tiefen S8erfd;led^terung be§ ßeibenS be* 5Ql)Ite, bog bte Ätanfcu an ber 9^ad)tt)ir!un(} be§ 9^aufd^e§, fpäter an ber (£nt6e()rung be§ 91aufd)e§ unb nod) \päkx an einem brüdenben ®efammtgefü()I üon Unru{)e, ^iieröen^ittern unb Ungefunbt^eit gu (eiben Ratten. Sßenn man bi§ 5U einem geu^iffen ®rabe er!ran!t tpar, genaS man nid)t md)v, — bafür formten bic fc^te ber (Seele, bie allgemein beglaubigten unb angebeteten. — 3J?an fagt ©djopen^auem nat^, unb mit fdedjt, ha'^ er bie Seiben ber 9JJenfd)§eit enblic^ einmal mieber emft genommen I)abe: mo ift ber, meld)er enblid) aud) einmal bie ©egen^ mittel gegen biefe Seiben emft nim.mt unb bie unerhörte Ouadfatbcrei an ben oranger fteHt, mit ber, unter ben tjerrlid^ften Dramen, biö je^t bie S[J?enfc^f;eit i^re <See(en- fran!t)eiten ju bet)anbe(rt getüöl)nt ift?
53.
50?i6braud) ber ©enjiffenljaften. — ^ie (SJemiffen^aften unb uid)t bic (SJeUjiffeniofen loaren e^, bie fo furdjtbar unter bem ^rud üon 33u§prebigten unb iQüEenängften 5U (eiben Ratten, jumal tt)enn fie gugleid) 90^enfd)en ber ^Ijontafie maren. ^Kfo ift gerabe bencn baä fiebcn am meiften öerbüftert morben, meiere §eiter- feit unb anmutf)igc SSilber nöt()ig ()atten — nid)t nur 5U if)rer (SrI)oIung unb ©enefung t)on fid) fctber, fonbern bamit bie 3Jccn(d)()cit fid; il)rer erfreuen !önne unb Don il)rcr (Sd)ünl)eit einen ©traljl in fidj (;inübernef)mc. Ot), mie Diel überflüffige ®raufam!eit unb XI)ierquü(erei ift Don jenen 9k(igionen ausgegangen, me(d)e bie (Sünbe crfunben ()aben! Unb t^on ben 9)^cnfd)en, iüeld^e burc^ fie ben Ijödjften ^cnu^ itjrcr aj^adjt ^aben tüoUten!
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54.
^tc ^cbanfen über bte ^rau!f)ctt! — ^ic ^pijantafie beö £i*anfen berul^igen, ba^ er tüenigfteu^ nid^t, lüie bisher, me^r Don feinen ©ebanfen über feine ^anf^eit gn leiben ^at aU bon ber Stronffjeit fetber, — i^ ben!c, \)a^ x\t ctma^l Unb eö ift nic^t njenicj! SSerftel^t tl)r mm unferc Hnfgabc?
55.
^ie „^ege". — ®ie Qnöebficf)en „fürjeren 2Scgc" l^aben bie SJJenfdjt^eit immer in grofee ©efa^r gebrodjt; fte tiertögt immer bei ber froljen Sotfc^oft, ha^ ein fold^er !ür§erer 9?3eg gefnnben fei, i^ren Sß^eg — nnb Derliert ben SSeg.
56.
5)er 5Ipoftat bc§ freien @eifte§. — 2Bcr bat benn gegen fromme glauben^ftorle DJJenfdjen eine 5lb= neigung? Umgefe^rt, feigen toir fie ntd)t mit ftiüer §od§a(^tnng an nnb freuen un§ iljrer, mit einem grünb= lid^en SBebauem, bog biefe trcffüd^en 3)?enfdjen nid)t mit uns 5U)ammenempfinbcn? 5(ber tuoljer ftammt jener tiefe ))(ö^(id^e S®ibcrtt)i(Ie o^ne (SJrünbe gegen ben, ber einmal alTe grcifjcit be§ ©eifteS l^atte unb am (£nbc „gläubig" mürbe? ^enfen mir baran, fo ift c$ unS, als l^ätten njir einen eMfjaftcn 5Inblid gei)abt, ben mir fd^neE üon ber ©eele njegn)ifdjcn müßten! SBürben toir nid^t bem Deref)rteften SJ^enfdjen ben S^tüden breiten, menn er in bie) er S5e5iel}ung unS nerbä^tig mürbe? Unb jmar nid^t auS einer moralifd^en SScrurt^cifnng, fonbeni an§> einem p(ötjlid)en ®!e( unb ©raufen! SBo^er biefe
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(S^ärfe ber ®nt|.iftnbung! SSieIleid)t toxtb un§ biefcr ober jener 511 üerfte^en geben, ta^ \v\i im ©runbe unfer fe(6er nid}t ganj fieser feien? SDag njir bei 3eiten ^omen^edten ber fpi§e[ten SSeradjtung um un§ ))flan5ten, bamit n)ir im entfdjeibenben 5(ugenb(ide, tüo ha^ 5((ter iin§ fd^tuac^ unb öergegüd) mad)e, über unfere eigene ^erai^tung nid)t t)imücgfönnten? — 5lufrid)tig: biefe S8ermut^ung greift fel)(, unb irer fie madjt, tüeig nic^t^ öon bem, iuQ^ ben freien (SJcift belegt unb beftimmt: tüie tüenig crfd)eint iljm 'tia^ ^Serönbern feiner 9}^einungen an fid) Q(ä öerädjtlid)! Söic üerc^rt er umgefe^rt in ber gä^ig« feit, feine SJJeinungcn §u njed^feln, eine feltene unb (lot)e ^tu^jeid^nung, namentlidj njenn fie biö in'ö 5([ter ljincinrcid)t! Unb fclbft gu htn Verbotenen grüdjten be§ spemere se sperni unb beö spernere se ipsum greift fein (Sljrgeij ^inauf (unb nid)t fein Ä(einmut^): ge* fd)n)eige 'ba^ er bie ?Ingft beö Sitten unb 93equcmen bauor ^ätte! Qu 5U(ebem gilt if)m bie Seigre öon ber Unfd^ulb alter 3J?einungen fo fi^er tme btc Seigre üon ber llnfd)nlb oller §anblungen: iüie fönnte er üor bem 5(poftaten ber geiftigen grciljeit gum 9iid)tcr unb genfer tucrben! SSielme^r berül)rt il;n fein 5(nblid, tt)ie ber ^Inblid eineö miberlid^ (Srtranften ben ^Ir^^t berul)rt: ber p^t)fif(^e ©fei üor bem ©djtuammigen, (Srmeidjtcn, libcrmudiernben, ©itemben ficgt einen 5(ugenblid über bie ^^ernunft unb ben Sßillen, §u Ijclfen. ©0 mirb unfcr guter SBiüc uon ber ^Sorftcllung ber ungeljeuren lln= reblid)feit überiüältigt, tt)etd)e im ^Ipüftaten be^ freien ©eifteö gemaltct l)aben mufj: Don ber ^orftellung einer allgemeinen unb hbi in'ö ilnodjcngcrüfte beä (S^ljaraftcr^ greifcnbcu d'ntartung. —
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57.
9Inbere gurd)t, anberc (Sid^erf)ett. — ^a§ S^riftentljum ()atte bem ßeben eine gan^ neue unb uu^ begrenzte (5JefäI)rItd^!ett beigelegt, unb bamit eben= fallg ganj neue (St(f|erf)eiten, ^enüffe, (£r!)oIungen unb 5I6fd)ä5ungen oller i)tnge gefct)affcn. ^iefe ®cfäl)rlid)!eit leugnet unfer 3a()r^unbert, unb mit gutem (SJemiffen: unb boc^ fd)Ie|)J)t e§ bie alten ©emol^nfieiten ber djtifttidjen @i^erf)eit, be§ d)riftlid^en ©eniegenS, @ic^=(£rt)olcn^o, 5lbf(^ä^en§ nod^ mit ftd^ fort! Unb 6i^ in feine ebetften ^nfte unb ^[)itofo)}t)ien !)inein! SSie matt unb tjerbraudjt, tüie (;aI6 unb linüfd^, rtjie n)i(lfürlid^=fanatif(^ unb Dor OTem: tuie unfi(^er muß ba§> 5I[Ie§ fid^ au§ne{)men, jc^^t, ba jener furd)t6are ©egenfa^ ba§u, bie aUgcgentüärtigc gurc^t be§ ©l^riften für fein etüigeö §eit, öertorcn gegangen ift!
58.
^a§ e^riftentljum unb bie ^Iffefte. — ^i^^ bem (S,()nftentf)um ift and) ein großer nolfötfjünilic^cr ^roteft gegen bie $()iIofo|)I)ie t}crau^^5uf)ören: bie 33cr= nunft ber alten SBeifen ijatk ben 93^enfd)en bie ?lffe!tc toiberrat^en, ha§> S^riftentt)um loiH bicfelbcn i^ncu lüieb ergeben, ßn biefem Qwed^ fprid)t e^ ber Xugenb, fo loie fie öon ben ^(;i(ofop^en gefaßt tpar, — al^ (Sieg ber SSemunft über ben ^Xffeft — aden moraUfd^en 2Bert(} ab, öerurf^eilt überfjaupt bie SSemünftigfeit unb forbert bie 5Iffefte ^erau^5, fid) in il)rer öußerften (Störfc unb ^rad^t §u offenbaren: a^o Siebe gu ©ott, gurdjt öor (SJott, aU fanatifd)en ©lauben an (SJott, al§ blinbeftc^5 hoffen auf ©ott.
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59.
Srrt^um ol« ßnOfal. ~ Wan mag jagen, toaö man mü: 'i)a^ (S^nftentljum \)at bie 9J?enfc^en üon ber £aft bcr mora(i[d)cn ^Tnforbernngcn befreien n^otlen, baburcf) baß c^3 einen für§eren Si^eg §ur ^oUfom^ men()eit gu geigen meinte: gan§ fo, mie einige ^^ilo- jop()en fid) ber müljjeligen nnb (angirierigen 2)ialeftif nnb ber ©ammtung [treng geprüfter STljatfad^en ent= fd)(agen ju fönnen iüäf)nten nnb anf einen „fönigüd^en S[Beg gut 2BaI)r[)eit'' uertDicfen. & Wax Beibe Wak ein Srrtf)nm, — aber boc^ ein gro{je^3 Sabfat für Übermübe unb SScrjnjeifetnbe in ber 3Büftc.
60.
9(tler ®eift tüirb enblid^ letbUrf) fic^tbar. — •J)a^ ^I^riftent^um l)at ben gefammten ©eift galjUofcr Hntertüerfungöluftiger, aller jener feinen unb groben Snt^ufiaften ber ^emütfjigung unb ^Tnbetung in ftd) gefd)Iungen, e§ ift bamit au§ einer (änblid)en ^tumpljeit — an n)eld)e man §um S3ci[picl bei bem ältcften ^ilbc beö 5(poftc(ö ^ctruö ftar! erinnert tüirb — eine feljr geiftreidje 9^e(igion gemorben, mit Xaufenben üon galten, ^intergebanfen unb 5Iu§pd)ten im ®cfid)te; eö l)at bie 3J?enjdjI)eit (Suropa'ö geUji^igt unb nidjt nur t^eologifd) t)erfd)(agcn gemadjt. 3n biefem (55eiftc unb ^im ^unbe mit bcr 9J?adjt unb fe()r oft mit ber tiefften Überzeugung unb S()rlid)!eit bcr Eingebung \)at eg uicücidjt bie fcinftcn ^eftotten bcr mcnfd)Iid)en (5Jc^ (clljd)aft ouö gemeißelt, bie eö biöf)cr gegeben Ijat: bie (SJeftaltcn ber Ijöljcrcn unb l)öd)ften fatf)olifd)en (^3cift(id)feit, namcntlid) luenn biefe einem üomct)mcn
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©efc^Iec^te cntfproffen Waxtn mtb öon bont^ercm cm« geborene 5(nmut^ ber ©ebärben, f)errf^enbe togen unb Jc^öne §änbe unb güße Ijinsubrad^ten. §ier erreidjt ba^ menfd^(td)e 5Xntlt^ jene ^Durd^geiftigung , bie burd^ bic beftänbige (Sbbe unb gtut^ ber §n)et Wirten be§ ©lüdey (be§ (SJefü^t^ ber SO^ac^t unb beö (5JefiU}(§ ber Ergebung) ^ert)orgebrad)t tüirb, nac^bem eine anögeba^te Seben^^ toetfe ba§> %i)kx im SD^enfc^en gebönbigt ^ai; Ijicr f)ä(t eine X^ätig!eit, bie im (Segnen, ©ünbenüergeben unb 9fle|)räfentiren ber ©ottf^eit befteljt, forüt)äf)rcnb ba§ ©efü^t einer übermenfc^licljen SJ^iffion in ber (Seele, ja aurf) im Seibe tnacl); ^ier CjeiTfc^t jene t)ornef)me Sßerac^tung gegen bie ®ebred^li(^!eit öoii Körper unb 2öo()Ita!)rt be§ (^(ürfe^, tüie fie geborenen ©olbaten ^u eigen ift; man ^at im ®e()orcr)en feinen (Stolg, ma§ bad 5lu§äeid)nenbe alter 5trifto!raten au^ma^t; man \)at in ber ungeheuren Unmögüd^feit feiner ^Tufgabe feine ©ntf^ulbigung unb feine Sbealität. ^ie mäd^tige (Sd)öns t)eit unb getn(;eit ber ^ird)enfürften \)at immerbar für ha^ SSol! bie Sßal^rfjeit ber 5I1rd)e beluiefen; eine zeitweilige 53rutalifirung ber (SJeiftlidjfeit (Ujie ju Qdtcn Sutljer'ö) fül)rte- immer ben ©lauben an ba^ ®egent(}ci( mit ftd). — Unb bieg ©rgcbnig menfd^lidjer (Sd)ön()cit unb gein^eit in ber §armonie Kon ©cftalt, @eift uiib 5{ufgabe UJöre, mit bem @nbe ber Dicligionen, au(^ ,^u ®rabe getragen? Unb ^ofjereö licJ3e fic^ nid;t cncic^cn, nic!)t einmal evf innen?
61.
^a§ Dpfer, ba§ notl) tljut. — '3)iefe ernftcn, tüd)tigen, rec^tlii^en, tief empfinbenbcn 9[)?enfd)cn, ttjeld^e jegt nod^ oon ^ergen ß^riften ftnb: fie finb
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c§ ftcf) fd^utbig, einmot oitf (ändere 3ett berfud^Stücifc üf)ne (i()riftent[jmu §u (eben, fie finb e§ tf)rem ©tauben fdjulbig, einmal auf biefe 5lrt einen ^lufentljalt „in ber Söüfte" ju nel^men, — nur bomit fie fic^ ha^ Üiec^t enterben, in ber grage, ob ha^ (Sfiriftent^um nöt^ig fei, nütgureben. Sinfüüeilen Heben fie an it)rer (Sd^oUe unb läftem t)on ba au§ bie SBelt jenfcit^ ber (Scholle: jo, fie finb böfe unb erbittert, ioenn jenianb gu Ucrfte^en giebt, bajs jcnfeits ber @c^oIIe eben nod) bie gange, gange SBelt liegt! ha^ baö S()riftent^um, alle§ in 5((Iem, eben nur ein SSinfel ift! 9^ein, euer 3^ii9"^& ^^^9^ "i^t et)er etiüüö, al« bi§ it)r Sa^re lang o^ne (S^riftentl;um gelebt I}abt, mit einer e^rlidjen Snbrunft barnad), eg im i(5^egent(jei(e be§ S^riftent^umä au^gulialten: big iljr tvext, \mt öon itjni fortgemanbcrt feib. Ux^t loenn ha^ §eim* tuet) euc^ gurüdtreibt, fonbern ha^ Urtl^eit auf ®runb einer ftrengen ^erglei^ung, fo ()at euer §eim!e^ren etttjaö §u bebeuten! — 2)ie gufünftigen 9)?enfc^en tüerben cö einmal fo mit allen SSertl)fd)ä^ungen ber 33crgangen' l)eit mad)en; man mu^ fie freituiUig no(^ einmal burd) leben, unb ebenfo il)r ©egent^cil, — um fd^lie^- ßdj baä dttd)t ju Ijaben, fie burc^ ha^ @ieb fallen ju (äffen.
62.
5Som llrf^rnnge ber S^eligionen. — Sßie fann nuci (eine eigene 3J^einung über bie ^inge al^ eine Offenbarung empfinben? ^Dieö ift baö Problem Don )cr (Sntftcljung ber $J{eligionen: jcbeömal l;at e^ einen ilKenfd}cu babei gegeben, in tt)cld)em jener S[>organg iiöglic^ toar. >Die SSorau^fetuutg ift, bafe er Uorfier d)on an Offenbarungen glaubte. 9^un geiuinnt er eineö ?ageö plö|jlid) feinen neuen Gebauten, unb ba§
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SBefettgenbe einer eigenen großen, SBelt nnb ^afein um* fpannenben §t)pott)efe tritt fo gctüaltig in fein iöetüugt* fein, ha^ er fid) nid)t al§ ©d^öpfer einer foI(f)en (Sciigfeit §u fül^len Wa^t nnb bie Urfadje baüon unb n^ieber bie Urfad)e ber Urfad^e jencS neuen ©ebanfenS feinem ©otte gufcfjreibt: afe bcffen Offenbarung. Sßie follte ein SD^enfd) ber Urheber eineS fo großen @(üc!e§ fein !önnen! — lautet fein t)effimiftifcf)er 3^^if^^- ^^^u toixUn nun im ^Verborgenen anbere §ebel: jum Seifpiete man befröftigt eine DJ^einung t)or fic^ baburc^, bog man fie al§ Offenbarung entpfinbet, man ftreid)t bamit ba§ ^^potCjetifd^e meg, man ent^ietjt fie ber ^tit ja bem Snjeifel, man mad}t fie l^eiüg. <Bo eniiebrigt man fid^ ^tüax felber gum Organon, aber unfer ©ebanfe fiegt jule^t als ®otte§geban!e, — biefeö ©efü^I, bamit am (£nbe (Sieger §u bleiben, erringt bie Ober{)anb über jcneö ®efü{)I ber (Srniebrigung. 5(ud) ein anbereS ®efüt)( fpielt im ^intergrunbe: loenn man fein ©rgeugnig über fid^ felber ergebt unb fd^einbar t)om eigenen SSertlje abfielet fo giebt e§ bod^ babei ein gro{)loden t)on SBaterlicbe unb SSatei^tolj, ha^ alleö ausgleicht unb mel;r als auSgleid^t
•
63.
9^äd^ften = §af}. — ®efegt, toir empfönben bot 5Inberen fo, ujie er fid^ felber em^jfinbet — hü^, \va^ (Sd^oJ)enl)auer SKitleib nennt unb maS ridl)tiger (^n=Seib, (£inleibig!eit ^ieße — , fo tuürben n)ir i(}n Raffen muffen, Ujenn er fid) felber, gteid^ ^aScat, l^affenSmert^ finbet. Unb fo empfanb ioo^l audj ^aScal im ©anjen gegen bie SO^enfd^en, unb ebenfo baS alte Sl)riftentl)um, ha^ man. unter 9^ero, beS odium geueris humaui „übcrfül;vtc ' UJte ^acituS melbet.
255
64.
^Ic Sßer^iüeifelnben. — ^a§ Stjriftent^um Ijat ben Snftinft be§ Sägcr§ für olle bte, tücMje irgenb iüüburrf) überl^au^t gur S^er^tüeifding gu bringen finb, — nur eine 5luön)alj( ber 90?enfd)f)eit ift beren fällig. §inter t^nen ift e§ immer I^er, il;nen (aucrt e§ auf. $a§CQ( mad)te ben SSerfud), ob nid)t mit §ü(fe ber fd)ncibenbften (Srfenntnig jebermann jur SSerjtüeiflung gcbradjt luerben fönnte; — ber ^erjud) mißlang, ju [einer gmciten ^ergtüeiftung.
65.
S3raf)mQncn* unb (5()riftent^um. — (S§ giebt S^ece^te jum ©efü^Ie ber 9}?Qd)t, einmal für @o(dje, meldje fid) felber be^errfdjen fönnen unb meldte bereite baburd) in einem (5JefüI)(e ber 9J?ad)t ju §aufe finb; fobann für @oId)e, njcld^en gerabe bie§ fe^It. gür SU^cnfd^en ber erften Gattung t)at ba§ ©ra^manentl)um ©orge getragen, für 9)?enfd)en ber peiten (Gattung ba^ (Sl^riftent^um.
66.
gäf)tgfeit ber SSifion. — ^urd) ha^ ganje SWittetatter l)inburd) golt a(§ baS eigent(id|e unb ent= fdjcibenbe $D?erfmat be§ ^ödjften 3J?enfd)entt)umö : ha^ man ber ^ifion — ba§ (jeifet einer tiefen geiftigen (Störung! — fä^ig jei. Unb im ©runbe gelten bie mittelalterlid^en ^obenöüorfdjriften aUcr ptjeren D^aturcn (ber religiosi) bnvauf I)inauc^, ben 5[J?cnfd)en ber 35ifiün fä()ig gu madien! 2Baö äBunber, trenn nod) in unfere ßcxt l)iiiein eine Überfdjätjung ()alOgeftörter, pljontaftifdjer,
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fanatischer, fogenannter genialer ^erfonen ükrftrömte; „fte l^aben 2)inge gefe^cn, bie anbere nirf)t feljen," — gctni^! unb bie§ foEte un^ t)ürfid)tig gegen fie ftimmen, aber nid^t gläubig!
67.
^rei§ ber ©laubigen. — SBer fotd^en SBertt) barauf legt, bo§ an i^n geglaubt Ujerbe, ha^ er ben ^immel für biefen ©laubcn getüä^rleiftet, unb iebermann, fei e§ felbft einem @c^äd§er am Sheu^e, — ber mug an einem furdjtbaren 3^^if^^ gelitten unb jebe 5Irt Don ^eujigung fennen gelernt. l)aben: er iüürbe fonft feine ©laubigen nid^t fo tljeuer faufen.
68.
^er erfte (^i)ü\t — OTe Söelt glaubt nuc^ immer an bie ©d^riftfteHerei be§ „^eiligen ©eifteö" ober fielet unter ber 9^ac^n)ir!ung biefe^ ©lauben^'^; Ujenn man bie S3ibel aufmad^t, fo gef^iel^t eS, um fid^ ju „erbauen", um in feiner eigenen, perfönlid^en großen ober Keinen S^otl^ einen gingerjeig be§ XrofteS ju finben, — furg, man lieft fic^ hinein unb fid^ ^eraud. ^a| in i^r and) bie ©efc[)id^te einer ber e^rgeigigften unb aufbringlid^ften Seelen unb eine§ ebenfo aber- gtöubifd^en al§ öerfd^Iagenen ^opfe§ befdjrieben ftet)t, bie ©efd^id^te be§ 5I)3ofteIg ^au(u§, — iüer njcig ha^, einige ©elel)rte abgeregnet? Dt)ne biefe merfujürbige ©efd^idjte aber, o^ne bie 33ern)irrungen unb ©türme eine^ fo(df)en ^o^jfeS, einer fo(d£)en <Sce(e, gäbe e§ !einc ßl^riftenl^eit; faum toürben tvlx üon einer fleinen jübifd^en (Se!te erfahren l^aben, bereu 3J?eifter am ^eu^e ftarb. grei(idC): ^ätte man eben biefe ©efdjid^te ^ur
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icdjten Qcit Begriffen, Ijötte man bte @(f)rtften be§ ^antn$ nidjt al§ bte Offenbarungen be§ „t;etligen ®eifte§", fonbem mit einem reblic^en unb freien eigenen Reifte, unb ol^nc an aUe unfere perfönüd^e ^oti) babei gu ben!en, gelefen, njirüid) gelefen — e^ gab anbert= l^alb Sa^rtaufenb feinen fold^en Sefer — , fo tüürbe eö ouc^ mit bem ß^riftentt)um löngft öorbei fein: fo feljr legen biefe SSIötter be§ jübifrfjen ^a§cal ben Urfprung be^ (S^^riftent^um^ bIo§, toie t)k 93Iätter be§ fran§öfifd}en ^aäcal fein ©d^idfal unb \)a^, tDoran e^ ju ©runbe ge^en tüirb, bloßlegen. SDa§ ba§ ©d^iff be§ ßl;riften« tf)umö einen guten Xtjcil be§ jübifi^en SaHafteS über $8orb loarf, ba§ e§ unter bie Reiben gieng unb gelten fonnte, — ha^ ^ängt an ber ®efd)ic^te biefe§ ©inen SD?enfrf)en, eine§ fet)r gequälten, fef)r bemitleiben^tüertl^en, fel)r unangeneljmen unb fid^ felber unangenehmen SD'^enfd)en. ^ litt an einer fijen Sbee, ober beutlid)er: on einer fijen, ftetö gegentoärtigen, nie jur 9iu()e lommenben grage: tuetc^e SSetoanbtniß eS mit bem j[übifd)en ©efe^e l^abe? unb jmar mit ber Erfüllung biefe g ©efe^eg? 3n feiner Sngenb l^atte er ii)m felber genugt^un tüoUen, I)eigl^ungrig nad) biefer Ijöd)ften ^lug^eidjnung, njetc^e bie 3uben ju benfen öermod^ten, — biefeg SSol!, njetd^cö bie ^^antafie ber ftttlid)en (Srljaben^ I t)eit l^öljer alö irgenb ein anbere« SSoI! getrieben ^at unb toeldjem allein bie (Sdjöpfung eines {)eiligen ©otteS, nebft bem (5Jeban!en ber ©ünbe a(S eineS ^ergel^enS an biefer §eiltg!eit, gelungen ift. ^autuS tüax jugteid^ ber fana= tifd^e SSert^eibiger unb ®(;rcmüäd)ter bicfeS ^otteS unb feinet ©efe^eS getoorben unb fortnjöljrenb im Kampfe unb auf ber Sauer gegen bie Übertrete^ unb 5(n^tucif(er beöfclben, t)art unb bofe gegen fic unb jum Sufecrfteir ber ©trafen geneigt. Unb nun erfuf)r er an fid), bafe
vUcöfcJje« aaaert«. SUaff.««(u«fl. IV. 17
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er — r^t^ig, fmnttci), melandjoltfd^, Bösartig im §q6, tük er tt)ar — ha^ ©efe^ felber ntd^t erfüllen lonnte, \a, tüa§ tl^m ta^ ©eltfamfte fd^ten: bog feine ou§= fd^meifenbe §errfc^fuc^t fortlüä^renb gereift tt)urbe, e^ gu übertreten, unb ba§ er biefem @tadje( nad^geben mugte. 3ft e§ tDirflid^ bie „gieif^Iid)feit", tpe(d)e i^n immer tüieber jum Übertreter mad^t? Unb nid)t bielmel^r, h)ie er fpäter argtüö^nte, \)\ntci i^r ba^ (SJefel f eiber, tüeld^e^ fid^ forttt)äl^renb al^ unerfüllbar Bett)eifen mu^ unb mit untüiberftel^lidfiem ^ouber jur Übertretung lodEt? 5tber bamalS l^atte er biefen ^lu^- toeg nocf) nid^t. SSielerlei lag i^m auf bem ®en)iffen — er beutet l^in auf geinbfdE)aft, 9}^orb, gauberei, S3ilber= bienft, Ungud^t, Xrunlen^eit unb Suft an ou§fd)treifen= ben (Belagen — unb tr>ie fel^r er aud) biefem ©eiüiffen, unb nod^ mel^r feiner §errfd^fud^t, burd^ ben äußerften ganatigmug ber ®efe^e§=SSerel)rung unb -SSertl^eibigung njieber Suft §u mad^en fuc^te: eg !amen 5lugenblide, n)0 er fid^ fagte „(SS ift alleS umfonft! bie SD^arter beS unerfüllten ®efe|e§ ift nid)t 5U übertüinben." Ä^nlid^ mag ßutl^er empfunben Ijoben, al§ er ber öoHfommene SJ^enfd^ beS geiftlid)en SbealS in feinem ^lofter tüerben tüottte: unb ö^nlid) tuie £utl}ern, ber eineS ^ageS ha^ geiftlid^e Sbeal unb ben ^op\t unb bie ^eiligen unb bie gange ©lerifei ju l^affen begann, mit einem tvaijxm töbtlid^en ^a% je Ujeniger er i^n fid^ eingeftel^en burfte, — ä^nlid^ ergieng e§ $aulug. ^aö ®efe^ toax bo§ ^euj, an tneld^eS er fid^ gefdjlagen fül^lte: n)ie I^agte er e§! ttjie trug er e§ il)m nad^! toie fud^tc er l^emm, um ein SJättel 5U finben, eS ju öernid^ten, — nidjt meljr e^ für feine $erfon 5U erfüllen! Unb enblic^ leud^tete i^m ber rettenbe ©eban!e auf, jugleid^ mit einer SSifton, tri« eS bei biefem ^pileptifer nid^t anberä jugeljen bnnte:
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x^m, bem iüütrjcnbeii (Siferer be§ (SJcfefeeg, ber tnnerltd^ beffen tobmübe tüax, erfd^ien auf emfamer (Straße jener 6;^riftuS, ben £id)tglan§ ©otteS auf feinem ©efid^te, unb ^auiug l^örte bie Sßorte: „lüarum üerfoigft bu mtd^?" 3)aS SBefenttid^c, toa^ ba gefdial^, ift aber bte§: fein Äo<)f tDar auf einmal \)tU getüorben; „e§ ift unt)er= nünftig, ^atte er fid^ gefagt, gerabe biefen (S^riftu^ ju Verfolgen! §ier ift ja ber 5lu§n)eg, ^ier ift ja bie öoHfommene ^adj^, ^ier unb nirgenbä fonft l^ab^ unb f)alte id) ja ben SSernid^ter beö ®efe^e§!" ^er ^an!e be§ gequälteften §od^mutl^eg fü^It ft^ mit ©nem @d^Iage tüieber l^ergeftellt, bie moralif(^e $ßer= jUjeiflung ift tüie fortgeblafen, benn hk Tloxai ift fort= gebtafen, bemid^tet, — nömlirf) erfüllt, bort am Äreuje! S3iöljer f^atte i^m jener fd£)mä(}üd|e %oh alö ^auptargument gegen bie „ äJ^effianität ", üon ber bie Hn^änger ber neuen Se^re fprad^en, gegolten: tüie aber, toenn er nöt^ig toar, um \>a^ ®efe^ abjutliun! — ^ie ungel^euren golgen biefe^ Einfalls, biefer 9?ötl)fel= löfung iüirbeln üor feinem S3Ii(fe, er tt)irb mit ©inem Tlak ber glüdtlid^fte SJ^enfc^, — ta^ ©d^irffal ber Suben, nein, aller 9}?enfd)en fdjeint il)m an biefen Ein- fall, an biefe ©efunbe feinet plö^Iid)en 5lufleud^ten^ igebunben, er l)at ben ®eban!en ber ©ebanfen, ben l©d)(üffel ber (Sdjtüffel, ha^ 2i6)i ber Sid^ter; um i^n ifelber brel)t fid^ fürber-^in bie ^efd)idf|te! ^enn er ift Don je^t ab ber fieljrer ber SSernid)tung bed ®e« fe^eö! 2)em S3öfen abfterben — baä \)d^t, au6) bem ®cfe^ abfterben; im JJIeifd^e fein — ha^ l^eifet, aud^ im ©efe^e fein! Wt ei)riftuä (Sinä göoorben — ba« l^eißt, audE) mit if)m ber S^ernidjtcr be« ©efe^eö ge= tuorben; mit il)m gcftorben — ba« (jeigt, aud^ bem ^efc^e abgeftorben! ©elbft toenn e« nod^ möglid^ toäre.
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5U fütibtgen, fo bo^ ntc^t met)r gegen ba§ (Sefe^, „tc^ bin ougerl^alb be^felben". „Söenn id^ je^t ba§ ®eje| ttJteber aufneljmen unb mid) il^m untertüerfen iDolIte, fo njürbe tc^ ß^riftu^ gum 9[)^it(;e(fer ber ©ünbe mad^en"; benn ha^ ®efe^ toav bagu ha, ba^ gefünbigt tüerbe, e^ trieb bte @ünbe immer ^erüor, tüie ein fc^arfer @aft bie £ran!^eit; (SJott f)ätte ben Xob ef)rifti nie befd^Iiegen !önnen, trenn überl)ant)t of)ne biefen Xob eine (SrfüEnng beg ®efe^e§ möglid^ getüefen lüäre; je^t ift nid^t nur atte ©d^utb abgetragen, fonbern bie @d)ulb an ftd^ Uer« nid^tet; jefet ift ba§ (SJefe^ tobt, je^t i[t bie gieif^ti^= feit, in ber e§ tpot^nt, tobt — ober n)enigften§ in fort* ioätjrenbem 5lbfterben, gteid^fam t)errt)efenb. 9^od^ fur^e 3eit inmitten biefer SSermefung! — ba§ ift ha^ SooS be§ ©f)riften, beüor er, @in§ genjorben mit (5^riftu§, auferfte^t mit ß^riftug, an ber göttlid^en §errlid^!eit t^eilnimmt mit @{)riftu§ unb „(So^n ®otte§" njirb gleid^ S^riftu^. — ^amit ift ber 9flaufd^ be§ $au(u§ auf feinem ®i|ifel. unb ebenfalls bie g^^^i^öK'^^^it f^^"^^ ©eele, — mit bem ©ebanfen be§ (Sin§tt)erben§ ift jebe ®cf)am, jebe Untere orbnung, jebe (Sc^ranfe öon i^r genommen, unb ber unbänbige SBille ber ^errfd^fud^t offenbart fic^ al§ ein t)ortt)egnet)menbe§ ©d^njelgen in göttlichen §errtid^* leiten. — 2)ie§ ift ber erfte (Sl^rift, ber (Srfinber het S^riftlid^feit! S5i^ bat)in gab eö nur einige iübifdje @e!tirer. —
69.
UnnadE|af)m(id}. — ®3 giebt eine ungel)eurc Spannung unb i5^)annn)eite jtoifd^en S^eib unb greunb* fd)aft, 5n)ifd)en ©elbftöerad^tung unb (Stolj: in ber erften lebte ber ©ried^e, in ber jtueiten ber ßl^rifi
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70.
SBoäU ein grober SntcUelt nü^c tft. — ^ic d)nft(id)e SHr^e ift eine @nc5fIo))äbte öon t)or§ettIt^en (Spulten unb tofd^QUungen ber öerfd^iebenften 3(6!unft unb beö^olb fo miffion^fäl^ig : fte mod^te e^emal^, fic mag je^t fommen, tt)oI}tn fie lutll, fte fonb unb finbet ettt)a§ 5f^n(id^e§ t)or, bem fte fid) onpaffen unb bem fic Qllmät)lici^ it)ren (Sinn unterjd)ieben !ann. 9^id^t baS 6{)riftüc^e an x\)x, fonbern ha^ UniDerfaI=§eibnifd^e i^rer ©ebräud)e ift ber ©riinb für bie 5(u§6reitung biefer SBeltreligion ; i()rc ©ebanfen, bie guglcid) im Sübifc^en unb im §ellenifc^en lüurgetn, ^aben t)on 5(n6eginn an iiber bie nationalen unb raffemögigen 5(bfonberungen unb gein^eiten, gleich ot§ über SJ3orurt^ei(e, fid^ ju ergeben geiDugt. SD^an mag biefc 5lraft, ha^ SSerfd)iebenfte in einanber tüad)fen ^u laffen, immerhin belDunbem: nur öergeffe man an6) bie t)eräd)t(id^e (Sigenfd^aft biefer ^aft nid^t, — bie erftaunüd)c ^rob^eit unb ®enügfam== feit i^re^ 3ntelleftö in ber 3^t ber ^rd)enbi(bitng, um bergeftatt mit jeber ^oft fürtieb ju nc^meivunb ©egen- \ä\^c tvk ^cfctftcinc 511 üerbaucn.
71.
^ic d)rifttid^e 9?ad}e an JRom. — 9^id)tö er* ämübet öieKeic^t fo fcl)r alö ber 5lnblicf eine^ beftänbigen ©iegerö, — man ^attc 9f^om 5mei()unbert Sa'^re lang ein 3[^olf nad) bem anbern fid) untcrtucrfcn fcf)en, ber Slreiö Unit nmfpannt, alle 3"^""ft \d}kn am @nbe, ade ^ingc lüurbcn auf einen cmigen 3u[^önb eingerid)tet — ja, njcnn baö 9ieid} baute, fo haute man mit bem hinter- gebanfcn bcö „aere perennius"; — tpir, btc iptr nur bie
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„Ttdandjolk ber 9f|utnen" fennen, fönncn faum jene gan^ anberöartige Tltlan^oüt ber eiuigen bauten öerfte^iett , gegen tt)eld)e man ftd^ ju retten fu(^en mußte, tüte e§ gel)en tooKte, — jum S3eifptel mit bem fietrf)tftnne ^orajenS. 5lnbere fud^ten anbere Xroft* mittel gegen bie an SSergtoeiflung grenjenbe 3J?übig!eit, gegen ha^ töhitnbt S3ett}u5tfein, ha^ aUt ©ebanfen* unb gerjenSgänge nunmel^r o^ne Hoffnung feien, ha^ überaß bie große @J)inne fi^e, ba^ fie unerbittlii^ alleS Slut trinfen iDerbe, IDO e§ au(^ noii) quelle. — tiefer ia!^rf)unbertalte njortlofe §)a§ ber ermübeten S^^l^^^i^^i^ gegen S^iom, fo njeit nur 'iRom l^errfd^te, entlub fic^ enblid^ im ß^riftentfjume, inbcm e§ diom, bie „Seit" unb bie „(Sünbe" in ©ine ©mpfinbung jufammenfaßte: man rodete fic^ an i^m, inbem man ben plö^üdien Untergang ber SBett \x^ in ber D^ö^e hadjte; man rödjtc fid^ an i^m, inbem man tpieber eine 3"'^"ft ^or fic^ ftellte — 9?om f)atte aöeS ju feiner SSorgefd^id^te unb ^egenmart §u madfjen geiüußt — unb eine B^^^^f^r in SSergleid) §u iüeld^er 91om nxd)t me^r als ba§ 2Bid)tigftc erf(^ien; man rödf)te fidf) an xi)m, inbem man öom legten ©erid^t träumte, — unb ber gefreujigte Sube a(§ @^mboI be§ §eit§ tt)ar ber tieffte ©pott auf bie prad^t« ijoEen römifd^en ^rätoren in ber ^roüinj, benn nun er* fd^icnen fie als bie (St)mboIe beS Unl;ei(S unb ber §um Untergange reifen „SBelt". —
72.
^aö „9^a^=bem=Xobe". — ^aS e;^riftent^um fanb bie SSorftellung t)on ^öllenftrafcn im ganzen römifd^en ffldd)t öor: über il^r t)aben bie jal^Ireid^en geheimen ^ulte mit befonberem 2öoI;IgefalIen gebrütet, aU übet
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bem fritd^tljarften (£i t^rer Tla^t (Spifur ^atk für feinet (SJIeid^en mrf)t§ ^rögere^ gu t^un geglaubt, a(§ bie SBurgeln btefeS ®(auben§ au^guret^en: fein ^riuiup^, ber am fd^önften im äJ^unbe be§ büfteren unb bod) i)zU genjorbenen Sünger^ feiner Se^re, be§ 9f?ömerg Sucretiug, au§!(ingt, !am gu frü^, — ba§ (Sl^riftent^um na^m bm bereite öertoeüenben ©lauben an bie unterirbifd^en ©d^rerfniffe in feinen befonberen (Bd)ui^, unb t^at flug baran! SSie ^ätte e^ o^ne biefen fü^nen ©riff in'§ öoEc ^eibent^um ben @ieg über bie Popularität ber TOt^ra^* unb Sfiöculte baüontragen fönnen! <Bo bradtjte eg bie gurd)tfamen auf feine (Seite, — bie ftärfften 5tnl^änger eine§ neuen ®(auben§! ^ie Suben, al§ ein SSoIf, n)eld)e§ am Seben l^ieng unb ^ängt, gteid) ben @rierf)en unb inet)r alö bie ©riechen, l^atten jene SSorfteEungen tüenig angebaut: ber enbgültige Xoö ai^ bie (Strafe beS (Sünberg, unb niemals lieber aufcrftcf)en alS öugerfte ^rol^ung, — baS tüir!te fd^on ftar! genug auf biefe fonberbaren SD^enfd^en, toeld^e if)ren fieib nid^t (oStüerben iDoUten, fonbem if)n, mit if)rem Verfeinerten 3(gt)ptici§mu§, in ade @mig!eit ju retten {)üfften. (Sin jübif^er Tläxi\)xtx, uon bem im stueiten S9ud£)c ber 3J^a!fabäer §u (efen ift, bcnft nidjt baran, auf feine l^erauSgeriffenen ©ngetüeibe SSer* äid)t 5U leiften: bei ber ^Tuferfte^ung tviü er fie t)aben, — fo ift eS jübifd)!) 2)en erften ßljriften (ag ber ©ebanfe an enjige dualen gang fem, fie had)kn „öom Xobe" erlöft ju fein unb ernjartetcn Don ^ag ju ^age eine SScrtDanblung, unb nid)t mel)r ein (Sterben. (5ßic fcttfam muJ3 ber erfte Xobeöfall unter biefen Sßartenben gcnjirft t)aben! SSie mifd)ten fidf) ba SSernjunberung, gro^toden, 3^^^f^^» (Sc^am, Snbnmft! — njal)r(td^ ein SSortuurf für groge Slünftler!) $au(ud njugte nid)tä ^cffercd feinem (Sriöfer nadjjufagen, a(§ ba^ er ben
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ßugang jut Unfterbttd^feit für 3ebermann eröffnet l^abe, — er glaubt nod^ nid^t an hk ^Tuferfte^ung ber Un* erlöftett, ja in x^olg^t feiner Seigre t)om unerfüllbaren ©efe^e unb bom Xobe aU golge ber (Sünbe argtoö^nt er, im ©runbe fei bi^^er niemanb (ober fel^r tüenige, unb bann au§ (^na\)t unb o^ne SSerbienft) unfterblic^ getoorben; je^t erft beginne bie Unfterblid^!eit i^re Xl^ore aufgut^un, — unb ^ule^t feien aui^ für fie fel)r wenige au^ertüöl^It: loie ber §od^mut() be§ 5(u§em)äf)Iten nid^t unterraffen !ann l^in^u^ufügen. — ^Tnbertüärtö, too ber ^rieb nad^ Seben nid)t gleid^ gro§ toar, tuie unter Suben unb Subend^riften, unb bie ^Tuöfid^t auf llnfterb== lid^lett nirf)t of)ne 2Beitere§ tt)ert{)tioIIer erfd^ien a^^ bie 5lu§fid^t auf einen enbgültigen %oh, iuurbe jener ^eib= nif^e unb bod^ aud^ nid^t gan^ unjübifd^e S^\ci^ öon ber §ötte ein ertüünfc^teä Sßer!§eug in ber §anb ber TOffionäre: e§ er^^ob ftd^ bie neue Set)re, ha^ aud^ ber (Sünber unb Unerlöfte unfterblid^ fei, bie Set)re bom @n)ig^58erbammten, unb fie toar mädf)tiger a(§ ber nun- mel^r ganj öerblcid^enbe ©ebanfe t)om enbgültigen Xöbe. (Srft bie Sßiffenfd^aft l^at i^n fid^ ujieber jurüd^erobem muffen, unb ^toax inbem fie pgleid^ jebc anbere SSorftellung öom Xobe unb jebeS jenfeiäge 2thm ablehnte. SSir finb um (Sin Sntereffe ärmer geworben: ha^ „9^ad^sbem=Xobe" get)t unS nid^tö mel)r an! — eine unfäglid^e Söol^It^at, tpeld^e nur nod^ ju jung ift, um al§ folc^e njeit^ unb breit^in empfunben ^u ttjerben. — Unb öon D^euem triump^irt ©pifur!
73.
gür bie „SBa^r^eit"! — „^ür bie SBa^r^eit be5 (Jl^riftentl;umg fprad} ber tugcnbfiafte SS3anbeI ber (5:i;riften,
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ibre ©tanb'^oftigMt im Seiben, ber fefte ©laubc unb öor OTem bie SSerbreitung unb ba§ SBad^^t^um tro^ aller ^rübfal", — fo rebet if)r audf| ^eute nod^! @§ ift 5um (grbarmen! ®o temt bod^, bafe bieS 5flle§ nic^t für unb nid)t gegen bie SBa^rt)eit \pxxd)t, baß bie SBa^rl^cit anberS belüiefen tüirb ol§ bie 2Baf)r^aftig' feit, unb bag te^tere burd^au§ fein Argument für bie crftcre ift!
74.
(5;f)riftti(^cr ^intergebanfe. — ©oute bie§ nic^ ber gett)öl)nli^fte §intergebanfe be§ ©Triften be§ erften 3a!)rl^unbertg gett)efen fein: „e§ ift beffer, fic^ feine ©d^utb einjureben a{§> feine Unfd^ulb, benn man lüeiß nic^t genau, lüie ein fo mäd)tiger 9?id^ter ge= finnt ift, — fürd)ten aber muß man, baß er lauter ©d^ulbbertjußte ju finben t)offt! S3ei fetner großen Wad^t mirb er (eid}ter einen (Sc^ulbigen begnabigen al§ jugefteljen, ba^ einer tjor il^m im 9fiec^te fei." — ©0 empfanben bie armen Seute in ber ^roöin^ Dor bem römifd)en $rätor: „er ift ju ftol^, alg baß mir unfc^ulbig fein bürftcn," — mie foHte fic^ nid^t gcrabe biefc ®m))finbung bei ber d)riftlid)en ^ergegenmärtigung beö {)ö^ften Sfiic^terg miebcr cingefteHt i)aben!
75.
S^id^t curopäifd) unb nic^t t)orne^m. — ©§ ift ctma^ Drientalifd)eö unb etmaä Söeiblidjeö im (£l)riften= tljunt: ba^ öerrätl^ fid^ in bem ©ebanfcn „men ®ott lieb t)at, ben jüdjtigt er"; benn bie grauen im Orient bctrad)tcn güdjtigungcn unb ftrenge 5(bfdjließung i^rer ^|>crfon gegen bie S33ett a(S ein 3^^^^" ^^ ^^^^^
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ti^reS 5D?anne§ uub befc^tüeren firf), tüenn biefe 3^^^^^" ausbleiben.
76.
95öfe benfen l^ct^t böfe mad)en. — ^ie ßetbenfd^aften tüerben böfe unb tüififc^, iüenn ftc böfe unb tütfifc^ betrad)tet lüerben. (So ift e§ bem Sl)rifteTt' t()um gelungen , au§ @ro§ unb 5tp!^robite — großen ibea(fät)tgen Wa6)kn — ^öKtfrfie ^obolbe unb Xrug= geifter §u fd^affen, burc^ bie 9J^artem, tüeld^e c§ in bem ©eloiffen ber ©laubigen bei aEen gefd)lecf)tli(^en (Sr- regungen entfielen lieg. Sft e§ ni(^t fd)redli(^, not^? hjenbige unb regelmäßige ©mjjfinbungen gu einer Quelle be§ inneren @Ienb§ ju mad^en unb bergeftalt ha^ innere (SIenb bei jebem 3J?enf^en not^tnenbig unb regele mäßig mad^en ju tuoEen! 9^od) ba§u bleibt e§ ein geheim gegoltenes unb baburd^ tiefer tüurgelnbeS (SIenb: benn nid^t aEe l^aben ben Thit^ ©t)a!efpeare'S, i^re d^riftlid^e SSerbüfterung in biefem fünfte fo gu be- fennen, tok er e§ in feinen Sonetten getrau i}at. — SD^uß benn etnjaS, gegen ha§> man §u Mmpfen, ha^ man in (Sc^ranfen gu Italien ober fid^ unter Umftönben ganj aus bem ©inne §u fd[)Iagen l^at, immer böfe l^eißen! Sft eS nid^t gemeiner (Seelen 5trt, fid^ einen geinb immer böfe ju benfen! Unb barf man @roS einen geinb nennen! 5ln ftd^ ift ben gefd[)led^tlid^en Ujie ben mit:= leibenben unb anbetenben (£m^)finbungen gemeinfam, \>a^ t)ier ber eine 3J?enfd^ burd^ fein SSergnügcn einem onberen 9J?enfd£)en tüo^Itf)ut, — man tinfft berartige tüo^IrtJoKenbe Sßeran[ta(tungen nid^t ju ^äufig in ber 9^atur! Unb gerabe eine fold^e öerläftem unb fie burd^ baS böfe ©etoiffen öerberben! S)ie S^i^Qunö ^^^ 9}?^«' fd^en mit bem Böfen ©eipiffen Derfi^tuiftern! — QuU^t
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f)at btcfe SSerteufelung be^ @to§ einen ^lomöbicu^^Iuä' gang befommen: ber „Teufel" @ro§ ift allmä^ü^ ben SD'^enJc^en inteteffanter al§ alle (£nge( nnb ^eiligen ge^ toorben, 5Dan! ber 9Jhin!e(ei unb ®e:f)etmtf)ueret ber ^rd^e in aßen erotifd^en fingen: fie ^at ben)ir!t, bis in unfere 3^^^^" l^inein, ha^ bie SicbeSgefc^ii^te baö einzige njirftic^e Sntereffe tt)urbe, ha^ alten Reifen gemein ift, — in einer bem 5l(tert^nm unbegreiflichen Über^ treibnng, ber fpäter einmal aurf) nod^ baö ©elöd^ter nachfolgen tDirb. Unfere ganje ^id^terei unb Meuterei, öoin (SJrögten bi§ jum S^iebrigften, ift burd^ bie auä- fd^toeifenbe Söid^tigfeit, mit ber bie SiebeSgefc^id^tc barin a(g ^auptgefd^id^tc auftritt, gegeid^net unb me^r als gejeid^net: öießeid^t ba^ ihrethalben bie S^adjtüett urt^eilt, auf ber ganzen §interlaffenfd^aft ber d^riftlic^en ßuttur liege ettüaS ^leinlid^eS unb ^ScrrüdtteS.
77.
Sßon ben ©celen=9D^artern. — S3ei irgenb njctc^en 9D?artem, bie einer einem fremben fieibe jufügt, fd^reit je^t jebermann laut auf; bie (Sm^örung gegen einen SJ^enfd^en, ber beffen fäf)ig ift, brid^t fofort loS; ja, ujir gittern fd)on bei ber 33orfteIIung einer 3J?arter, Ujeld^e einem 9J?enfd£)en ober X^iere jugefügt njerben !önnte, unb leiben ganj uncrträgtid^, öon einer feft beujiefencn X()atfad^e biefer ?(rt ju öeme^men. 5rber man ift nod^ tncit entfernt, in Setreff ber ©ee(en=9J?artem unb ber (£nt-- ict^Iid^feit il)rer ^wfügung ebenfo allgemein unb beftimmt ^n em^finben. ^a8 Sl)riftent^um l^at fie in einem un= erl)örten SD^aaße jur ?lntt)enbung gebradE)t unb prebigt biefc 5lrt golter nod^ fortn^äljrenb, ja eö flagt ganj unfdjulbig über 5lbfall unb fiauujerben, tpcnn eö einen
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Suftaub o^ne folc^e nj^artern antrifft, — oUeö mit bem @rgebm§, ba§ bte 9}?enfd)^eit \xä) gegen ben geiftigen geuertob, bte geiftigen goltern unb goltertx)er!geuge t)eute nod^ mit ber gleid^en öngftlid^en ©ebulb unb Unent- fd)toffent)eit benimmt, tüie el^emalS gegen bie ©raufam^ feit am Seibe öon 9[J?enfd^ unb X^ier. SDie §ölle ift hja^rtid^ fein Bloge^ SSort geblieben: unb ben neu gefc^affenen tt)irflirf)en ^öllenöngften ^at oud^ eine neue (SJattung beö TOtleiben^ entfprodien, ein gräfeli^e^ ccntnerfd^ttjereö, früheren 3^^^^^ unbefannteö (SrDarmen mit fold^en „untüiberruflid^ gut $ölle SSerbammten", tüie e§ 5um 3^eijpie( ber fteinerne ®aft gegen ®on 3uan ^u erfennen giebt unb n)eld)e§ in ben d^riftlidjen Safir- l^unberten ttjol^t gum öfteren fcf)on (Steine jum ^et)flagen gebrad)t l^at. $(utorc^ giebt ein büftereS S5ilb t)om ^nftanb eineö 5(bergläubifcben innerljolb be§ §eibent^um§: bie§ Silb toirb ^armloS, tüenn man ben (5;f)riften be§ 9[IHtte(aIter§ bagegen ^ält, n)e(cf)er mutl)maa6t, er möd^te ber „etoigen £lua(" nid^t mel^r entrinnen fönnen, S{)m geigen fid^ entfe|Iid^e 5(nfünbiger: t)iel(eid)t ein (Stord^, ber eine @d)(ange im ©djuabel \)ält unb nod^ jögert, fie gu öerfd^Iucfen. Ober bie D^atur toirb plö^Iid^ bleid), ober e§ fliegen glüf)enbe garbcn über ben 93oben ^in. Ober bie ©eftalten t)on öerftorbenen 5(nöerttjanbten naf)en, mit @efid)tem, lueld^e ©puren furchtbarer ßeiben tragen. Dber bie bunflen Söänbe im 3^^""^^!^ ^e^ (Sd^Iafenben erretten ftd^ unb auf if)nen geigen ftd^ in gelbem Qualme 9}?artcrn)erfgeuge unb ein ®elt)irr üon (Sd^langen unb Xeufeln. 3a, tt)eld)e entfe^Iic^e (Btätte ^at ba^ Sf)riftentf)um fd^on baburd^ auS ber (Srbc 5U madien genju^t, ha^ eS überaß ba^ (S^rudfiy aufrid^tetc unb bergeftalt bie (Srbc oI§ ben Drt begeidjuete, „tro ber (SJered^te gu ^obe gemartert n^irb"! Unb ttjcnn
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bie ©etüalt großer JBußprebiger einmal au ba^ ^elmli^c ßetben ber ©injelnen, bie Tlavttx be^ „Kämmerleins" in bie Öffentlid^!eit trieb, ttjenn §um Seifpiel ein SB^itefielb prebigte „tüie ein (Sterbenber ju ©terbenben", balb ^eftig toeinenb, balb laut ftam^fenb unb leibenfd^aftlic^, mit ben einfc^neibenbften unb plö^Iid^ften Xönen, unb o^ne ©d^eu baöor, bie ganje SSu^t eineS ^TngriffS auf eine einzelne antuefenbe ^erfon §u rid^ten unb fie auf eine furd^tbare Sßeife auS ber ©emeinbe au^äufonbern, — n)ie feilten fid^ ha jebegmal bie ßrbe tt)ir!Iid) in bie „SBiefe beö Un^eiB" umnianbeln §u Ujollen! 3J?an fat) bann gan^e jufammniengeftrömte HJJaffen tuie unter bem Einfall @ineS Söa^nfinn^; öiele in ^äm))fen ber 5lngft; onbre lagen ha^ otjue S^etüugtfein, betoegungSloS: einige jitterten ^eftig ober burii|}d)nitten bie Suft mit burd)= bringenbem, ftunbenlang an^altenben ©efd^rei. Überall ein tautet 5It^men, loie öon Seuten, bie l^albertoürgt nad^ ßebenöluft fdjnappten. „Unb iüirflid), fagt ein togen^ jeuge einer foId)en ^rebigt, toaren faft alle gu ©e^ör fommenben fiaute biejenigen öon 9}?enfd)en, bie in bitterer dual fterben." — SSergeffcn mir nie, mie erft ba§ (5t)riftentf)um eö mar, baS auS bem (Sterbebett ein 3J?arterbett gemad£}t l)at, unb ba^ mit ben (Scenen, toeld^e auf il)m feit^er gcfetjen mürben, mit ben ent^ fe^Ud^en Xönen, meldte t)ier jum erften 9)Za(e möglich crfc^ienen, bie (Sinne unb baS S3Iut jatjdofer S^i^Ö^" für i^r fiebcn unb baS iljrer 9^ad)!ommen öergiftet morben finb! aj?an ben!e fid^ einen t)armlofen 9D?enfd)en, ber ^ nid^t tjerminben fann, einmal fotd)e SBorte gel^ört ju t)aben: „Ol) (Smigfeit! Ol) ha^ id) feine (Seele l)ättc! Ol) baß id^ nie geboren märe! 3d^ bin öcrbammt, t)erbammt, auf immer verloren. SSor fcc^S 3^agen Ijättet i^r mir Ijelfen fönnen. 5lber ^ ift vorbei. 3d^ geljöre jc^t
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bem teufet, tc^ tütH mit i^m jur §ölle gc^ert. iBred^ctr bred^et, arme fteineme ^ergen! SßoHt i^r ntd^t brcd^en? 2öa§ lann noc^ me^r gefd^e^en für fteineme $erjen? Sd^ bin öerbammt, bamit i^r gerettet ttjerbet! S)a ift er! 3o, ha ift er! ^omm, guter Xeufel! ^omm!" —
78.
^ie ftrafenbc ©eredjtigfett. — Ungtüd unb ©djulb, — biefe beiben ^inge finb burd^ ba^ St)riften« tt)um auf Sine SSage gefegt tüorben: fobag, toenn baö Unglüd gro^ ift, ha^ auf eine <Sd)ulb folgt, je^t immer nod^ untoiUfürlid^ bie ©röge ber @c^ulb felber bamad^ jurüctbemeffen tt)irb. ®ie§ aber ift nid^t antif, unb be^l^alb gel^ört bie gried^ifd[)e Xragöbie, in ber fo reid^üc^ unb bod^ in fo anberem (Sinne t)on Unglüd^ unb ©d^ulb bie Stiebe ift, ju ben großen S3efreierinnen be§ ©emütt)^, in einem 3J?aage, tok e^ bie Sitten felber nid^t em|)finben fonnten. @ie toaxtn fo l^armloS geblieben, jtoifdien ©d^ulb unb UnglüdE !eine „aböquate 9fielation" anjufe^en. ®ie (Sdt)ulb i^rer tragifd^en §eroen ift IDO^I ber fleine (Stein, über njeld^en biefe ftoljjem unb be^njegen fie tDo^l ben 5lrm bred^en ober fidf) ein STuge auSjd^lagen: bie antue ©mpfinbung fagte bagu: „Sa, er l^ätte tttva^ bebad^tfamer unb h)eniger übermüt^ig feinen Sßeg mad[)en foKen!" 5lber erft bem ß;i)riftentl)um tüax e§ t)or6e]^alten, ju fagen: „§ier ift ein fd^mereS Ungtüdt, unb l^inter il^m mu^ eine fd^toere, gleid[)fd^n)ere (Sd^ulb Verborgen liegen, ob mir fie fd^on nid^t beut(i(^ feigen! (£mt)finbeft bu Unglüdtlid^er nid^t fo, fo bift bu üerftodtt, — bu h)irft nod^ (5d[)limmereS ju erleben ^aben!" — (Sobann gab eS im Hltertl^um toirflid^ nod^ Unglüdf, reincS, unjdC)ulbige^ Unglücf; erft im ©^riftentl;um
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rotrb alle§ Strafe, iüo^töerbiente (Strafe: e§ madjt btc ^^antafie be§ ^ßeibenben arnS) nod) letbenb, fo \>a^ er bei allem Übel^ergeljen ftc^ moralifd^ öertüerflid^ unb t)ertoorfen fü{)It. 5lmte 9)?en[d)t)eit! — S)ie ©riechen f)aben ein eigene^ Sßort für bie ©m^jörung über ha^ UngÜidC be§ 5lnbem: biefer ^Tffeft lüar unter d^riftlid^en SSöÜern nnftatt^aft unb i^at ftd^ ipenig entmidett, unb fo fei)(t i^nen aud^ ber 9iame für biefen männlicheren ©ruber beä aJätteibeng.
79.
©in 58or]d)(ag. — SSenn unfer 3d^, nad) ^avcal unb bem (5^riftentl)ume, immer ()affen§tüertf) ift, tvk bürften h)ir eö aud) nur geftatten unb annetjmen, ha^ anbere e§ liebten — fei e^ ®ott ober 3J?enfd^! @g toöre njiber aUm guten 5Inftanb, ftd^ lieben ju laffen unb babei redit tüot)! ju tpiffen, bag man nur §a§ öcr* biene, — um öon anberen abn)e()rcnben (£nH)finbungen gu fd)n)eigen. — „5lber bieö ift eben \>a§> ifl^d) ber ©nabe." — ©o ift eud) eure 9^äd§ftenliebe eine ®nabe? (Sucr 3}?itleib eine ®nabe? 9^un, njenn eu(^ bie§ möglid^ ift, fo tt)ut nod^ einen (Sd)ritt Ujeiter: liebt eud^ fetber QUO ©nabe, — bann ^aU i^r euren (SJott gar nic^t mel)r nötl^ig, unb baS gan^e 2)rama öon ^ünbenfaU unb @r* llöfung fpielt fid^ in eud^ felber ju ®nbe!
80.
^er mitleibigc et)rift — ^ie 5leljrfeite bc« c^riftlidjcn 9J?itIciben§ am fieiben be§ S^ädjften ift bie tiefe 53eargn)ör)nung aller greube be^ S^ä^ften, feiner greubc an OTem, toa^ er tuid unb !ann.
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81.
Humanität be3 ^eiligen. — ©in ^eiliöer iuat unter bie Gläubigen geratt)cn unb formte t^ren be* ftönbigen §ag auf bie ©ünbe nid^t me^r au§l)alten. 3^- te^t fagte er: „(^ott ^at aEe ^inge gefd^affen, nur \>k ©ünbe uic^t: \va^ SBuuber, t>a^ er i^r nid^t gen)ogen ift? — 5lber ber SD^enfd^ f)at bie (Sunbe gefd^affen — unb er foöte bie§ fein ein^ige^ ^nb Derftogen, bIo§ hjeil e§ ®ott, bem ©ro^öater ber ©ünbe, mi^füEt! 3ft ba§ {)uman? OTe (Sl^re bem, bem @^re gebührt! — aber ^erj unb ^flidjt foKten bod^ juerft für t>a^ ^nb fprec^en — unb juglüeit erft für bie (S^re be^ ©roß« tjaterö!"
82.
^er geiftlidje Überfall. — „^aS mugt bu mit bir felber au^mad[)en, benn eS gilt bein Seben!" — mit biefem S^m\^ fptingt Sutf)er ^eran unb meint, mir fünften un§ ha^ SD^effer an ben §al§ gelegt. 2öir aber meieren il^n mit ben SBorten eine§ ^ö^eren unb S3e* badjtfameren tion unä ab: „(£^ fielet bei un§, über bie§ unb ha^ !eine SJ^einung ju bilben unb fo unfrer @eelc bie Unrul^e ju erfparen. ^enn bie !Dinge felbft fönnen it)rer S^^atur nad^ unS feine Urtl^eite abnötl^igen."
83.
5lrme 9J2enfc^I}eit! — (Sin Zxop^m ölut ju bicl ober §u menig im ©el^irn fann unfer fieben unfäglid) elenb unb ^art ma^en, ba§ mir mef)r an biefem Kröpfen ju (eiben ^aben, al^ ^romet^euS an feinem ®eier. ^bcr äum ©d^redlid^ften fommt e^ erft, menn mon nid^t einmal
2:/{) —
tue ig, bog jener ^ro)3fen bie Urfadje ift. ©onbern „ber STeufel"! Ober „bie (Sünbe"! —
84.
^te ^^tlologie be§ ©^riftent^um^. — S5Me toenig ha^ (S^riftentl)uni ben @tnn für 9fieblic^!eit unb ®ere(^tig!ett crjiel^t, tann man §iemlt(^ gut nad^ bem ß^arafter ber ©d^riften feiner (5JeIe!)rten abfd^ö^en: fie bringen it)re 9}?utE)maa6ungen fo breift öor toie S)ogmen unb finb über ber ^luölegung einer SSibelfteEe feiten in einer reblid^en SSerIegent)eit. Smmer luieber ^eigt cS „id) ^abe ^c6)t, benn e§ fle^t gefc^rieben — " unb nun folgt eine unt)erfd)ämte $E3iH!ürli^feit ber 5lu§= legung, bog ein ^f)i(o(oge, ber e§ f)ört, mitten gtDifdien Sngrimm unb fia^en fte'^en bleibt unb ftd^ immer toieber fragt: ift eö mög(i(^! ift bie§ e'^rüd^? 3ft eö aud) nur anftönbig? — 2öa§ in biefer ^infid^t immer no(^ auf proteftantifd^en ilanjeln an Unreblid^feit öerübt tuirb, mie phinMp ber ^rebiger ben SSortl)ei( ausbeutet, bag i^m l^ier niemanb in'S Sßort fällt, tt)ie l^ier bie 33ibel gegmidt unb gegtuadt unb bie ^unft bc^ ©d)Ied)tsSefenS bem Sßolfe in aller gorm beigebracht njirb: ba^ unterf djä^t nur ber, meldjer nie ober immer in bie ^r^e gcf)t. S^^^^^ o^^^- ^^^ f^II man t)on ben 9^ad)ti)irfungen einer 9?eligion ermarten, n)etd)e in ben 3al)rt)unbcrten i^rer Segrünbung jencö unerhörte p^iIo= Iogifd)c ^offenfpiel um baS alte Xeftament aufgefü()rt ^at: id) meine ben Sßerfud^, \)a^ alte Xeftament ben Suben unter bem Seibe meg^u^ielien, mit ber ^eljauptung, eä entl)alte nid)tg alö d)riftlid)e ficljrcn unb gcl)öre ben Sljriften alö bem mal)ren SBolfe Sfrael: tt)äl)rcnb bie 3uben cä fid^ nur angemaagt l)ätten. Unb nun ergab
9llc8td)e« ttHerte. Rlaft.««u«fl. IV. 18
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man ft^ einer SButl^ ber 5(u§beutung unb Unterfd^ieSung, tt)e(d)e unmögüd^ mit bem guten ®en)iffen öerbunben getüefen fein fann: it)ie fel^r aud§ bie jübifd^en ©ele^rten |)roteftirten, überall follte im alten Xeftament öon S^riftuS unb nur Don (5l^riftu§ bie 9f{ebe fein, überall namentlid^ t)on feinem ^eu§e, unb tvo nur ein §0(5, eine 9flutt)e, eine ßeiter, ein SmtiQ, ein S5aum, eine SOßeibe, ein ©tob genannt tuirb, ha bebeute bie§ eine ^roj)^e5eiung auf ha^ ^eujeS^^oI^; felbft bie 5lufrid^tung be§ ®inI)om^ unb ber eisernen @d)lange, felbft 9J?ofe§, loenn er bie 5lrme jum ®ebet ausbreitet, ja felbft bie (S))ie§e, an benen ha^ ^affal)lamm gebraten toirb, — aUeS STnfpielungen unb gleid^fam SBorfpiele be§ ^eujeS! ^at bieS jemals jemanb geglaubt, ber eö behauptete? 33^an ernjäge, ia^ bie ^rd^e nirf)t baöor erfd^raf, ben Xeyt ber ©eptuaginta ju bereid)ern (j. S5. bei ^falm 96, $8. 10), um bie eingefd^muggelte ©teEe nad^^er im <Sinne ber c^riftlid^en ^rojjl^ejeiung auSäunügen. 2J?an toax eben im Äam<)fe unb badete an bie Gegner, unb nidjt an bie SJeblic^feit.
85.
geinfieit im SJJangel. — spottet nur nid^t über bie äJ^t^ologie ber ©ried^en, tüeil fie fo tuenig eurer tieffinnigen aJJetap^^fif gleitet! S^r foütet ein 3Sol! betüunbem, t>a^ feinem fd^arfen Sßerftanbe ^ier gerabe ipalt gebot unb lange Qtxt %alt genug l)attt, ber (5Je=; fa^r ber ©d^olaftif unb beS f^ji^finbigen Aberglauben«^ au^äutüeid^en!
86.
^ie d^riftlid^en Interpreten beg SeibeS. — ^aS nur immer tjon bem 9J2agen, ben GcingertJeiben, ben^
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^erjfd^lagc, ben Sterben, ber ©alle, bem (Samen ^er^ fomme — oKe jene SSerftimmungen , ©nthöftungen, Überreizungen, bte gan^e ^^Jf^nigfeit ber un^ fo un- befannten SJ^ofd^ine! — aUeS ba§ muß fo ein (5^ri[t n)ie ^a^cal alg ein moralifd^eg unb religiöjeg ^pnomen nef)men, mit ber grage, ob ®ott ober Xeufet ob @ut ober S3öfe, ob §eil ober SSerbammni§ barin ru^en! D\) über ben unglürflid^en Snterpreten! 933ie er fein (Softem toinben unb quälen muß! SBie er fid^ felber toinben unb quälen muß, um Siedit §u behalten!
87.
^0^ fittlidje SBunber. — ^ag S^riftent^um fennt im ©ittftd^en nur ha^ Sßunber: bie plö^Iid^e SSeränberung aller 2öertt)urtl^ei(e, ha^ plö^d^e 5luf geben aller ©c* tDof)nl^eiten , bie plö^Iid^e untoiberftetjüd^e S^ieigung ju neuen ©egenftänben unb ^erfonen. @g faßt biefeS $f)änomen al§ bie Söirhing ©otteä unb nennt e^ ben 2lft ber SBiebergeburt, eä giebt it)m einen einzigen I unöergleidjlid^en SSert^, — aUeS, toa^ fonft (Sittlid^leit t)ei6t unb ol^ne SSe^ug ju jenem SBunber ift, njirb bem Sänften bamit gleid)gü(tig, ja t)ielleid)t fogar, al^ SBol)!- j gefügt, (Stotggefü^I, ein ©egenf taub ber gurd^t. 3m ' neuen Xeftament ift ber ^auon ber ^ugenb, beS er- füllten ©efe^eä aufgefteUt: aber fo, ha^ e^ ber Äanon ber unmögtirfjen Xugenb ift: bie fittlid^ nod^ ftrebenben 2J?enfd^en fottcn fid^ im 5lngefid[)te eine^ fo(d)en Äonon^ iljrem QkU immer ferner fügten lenien, fie foHen an ber Xugenb öerjtoeifeln unb fid) enblid^ bem Srbarmenbcn an'^ ^erj ttjerfen, — nur mit biefem ^b(d)(uffe fonnte ha^ fitt(id)C ©emüt;en bei einem (5t)riften no(^ aU loertljüoU gelten, tjorau^gefe^t
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alfo, \>a^ eS immer ein crfoIglofe§, unluftigeS, melanc^o^ lifd^eg S3ctuü]^cn bleibe; fo fonnte eS nod^ baju btenen, jene e!ftatifd^e SJHnute l^erbei^ufüliren, luo ber 9Kenfd^ ben „©urd^bruc^ ber ©nabe" unb bo0 ftttlid^e SBunber erlebt: — aber notf)toenbig ift btefe§ 9üngen nad^ @itt(id^!ett nid^t, benn jenes Sönnber überfallt nid)t feiten gerabe ben <Sünber, toenn er gleid§fam öom "äu^- fa|e ber @ünbe blüt)t; ja, e§ fd^eint felber ber (S^)rung aus ber tiefften unb grünblic^ften (Sünbl^aftigfeit in il)r ©egentl^eil ettoaS ßeid^tereS unb, oI§ ftnnfälliger S5en)ei§ bcg SBunberS, aud^ tttoa^ Sßünfc^barereö ^n fein. — 2öag übrigen^ ein fold^er j)Iö|Iid^er temunftlofer unb unnjiberfte^Iid^er Umfd^Iag, ein fold^er Söei^fel üon tiefftem (£(enb unb tiefftem SBo^Igefü^l J)!^^fto(ogifd^ ju bebeuten l^abe (ob t)ieEeid)t eine maSfirte ^pilepfte?) — \>a^ mögen bie Srrenärjte ertuägen, toeld^e ja bergleid^en „SSunber" (jum iBeifpiel a(g 9J?orbmanie, 9J?anie beS <Se(bftmorbe§) reic^Iid^ p beobad^ten §aben. S)er öer* pitni§mägig „angenel^mere ©rfolg" im gaUe beS ©l^riften mad^t feinen irefentlic^en Unterfd^ieb. —
88.
Sut^er ber groge S23o^(tI)ater. — ^aS Se* beutenbfte, UjaS Sut^er genjirft ()at, liegt in bem SJ^ig^ trauen, ipeld^eS er gegen bie ^eiligen unb bie ganjc d^riftlid^e vita contemplativa gertjed^t l^at: feitbem erft ift ber SBeg ju einer und^riftlid^en vita contemplativa in Europa tüieber gugänglid^ getoorben unb ber SSer* ad^tung ber njeltlid^en X^ätig!eit unb ber ßaien ein Qid gefegt. Sutl^er, ber ein loadterer S5ergmann§fof)n blieb, afö man if)n in'S Softer gefjjerrt l^atte, unb l^ier, in (Ermangelung anberer Xiefen unb „Xeufen", in fid^ einftieo
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unb {cf)recf(id)c bunfle ®änge bohrte, — er merftc enb(irf), hci^ ein 6efd)aultd)e§ l^etügeö Seben t()m un* möglich fei unb bog feine angeborene „5lftiüität" in <Seele unb ßeib t{)n §u ©runbe rid^ten lüerbe. ^(Iljulangc t)erfud)te er mit Äafteiungen ben SSeg §um ^eiligen §u finben, — enblid^ fagte er feinen ©ntfd^Iu^ unb fagte bei fid^: „e§ giebt gar feine h)ir!(id)e vita contem- plativa! S3ir ^aben un§ betrügen (äffen! ^ie ^eiligen finb nid^t md)t njert^ gettjefen aU njir ^IKe." — ^a§ wax freilirf) eine böurifc^e 5lrt, 9?ed^t gu be()alten, — aber für 2)eutfd^e jener Qdt bie redete unb einzige: tvk erbaute eö fie, nun in if)rem fiut()erifd^en ^ate(^i§mu§ 3u lefen: „auger ben getin Geboten giebt e§ !ein Sßerf, ia^ ©Ott gefallen fönnte, — bie gerüt)mten geift= li^en SBerfe ber §eiligen finb fe(bftert)ad)te."
89.
3^6^fel a(« @ünbc. — ^aö S^riftentf)um l)Qt ba« Äufeerfte get()an, um ben ©rfel gu f daliegen, unb fd^on ben 3^cifc^ f^i^ ©ünbe erflört. äJ^an foK ol^ne SSemunft, burc[) ein SBunber, in ben ©lauben l^ineingeujorfen njerben unb nun in i^m luic im ()ellften unb un5tt)eibeutigften Elemente fdjnjimmen: fd)on ber S3(id na^ einem geft^ taube, fc^on ber ©cbaufe', man fei öielleid)t nid)t jum <Sd)tDimmen allein ba, fc^on bie (eife 9?egung unferer ampt)ibifd^en Statur — ift ©ünbe! Tlan merfe boc^ bafe bamit bie S3egrünbung be^ ©(aubenö unb aUcd 9^ad)benfen über feine §erfunft ebenfalls fd)on a(d fünbtjaft auägefd)toffen finb. Wlan mU S3linbr)eit unb Xaumel unb einen eioigen (SJcfang über ben SßeHen, in benen bie SSernunft ertrunfen ift!
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90.
(JgoiömuS gegen ©goiömuS. — SBic btele fdjltegen immer ttoc^: „eS tPörc ha^ Seben nid^t au§- jul^alten, tüenn e§ feinen ®ott gäbe!" (ober, tüie eä in \)^n Reifen ber Sbealiften l^eifet: „e§ tüäre ba§ Seben nic^t auSjnl^atten, toenn it)m bie etf)ifd^e S5ebeutfam!eit feinet ®mnbe§ fehlte!") — folglid^ müf je eö einen (Sott (ober eine etfjifd^e Sebeutfamfeit be§ S)afein§) geben! Sn 2Bat)r« l^eit fte^t e§ nur fo, ba^, toer \x6) an biefe SSorftellungen gehjöf)nt ^at, ein fieben o!t)ne fte nid^t ttjünf d^t: ta^ e^ alfo für i^n unb feine ®rt)altung notl^toenbige SSor* fteHungen fein mögen, — aber njeld^e ^Inmaagung, ju belretiren, ha^ alleS, lt)a§ für meine (&cf)altung not^* ttjenbig ift, aud^ tüirftid^ ba fein muffe! ^IS ob meine ®rf)altung ettoaS $Rot^loenbige§ fei! SBic, toenn anberc umgefel^rt em^jfänben! njenn fie gerabe unter ben öe=» bingungen jener beiben ®lauben§arti!e( nid)t leben modalen unb ha^ Seben bann nid)t me^r Icben^tpert^ fönben! — Unb fo fte^t e§ jefet!
91.
SDic 9f?eblid)feit (SJotteg. — (Sin (5Jott, ber oKnjiffenb unb aHmöd^tig ift unb ber nid^t einmal bafür forgt, bag feine 5Ibftd^t öon feinen ©efd^öpfen t)erftanben tcirb, — follte ba§ ein ®ott ber @üte fein? ^er bie 5af)I(ofcn 3^^^^^ i^"^ S3eben!cn fortbeftel^n lägt, Sal^rtaufenbe lang, aU ob fie für ba§ §ei{ ber 3J?enfd)^eit unbebenüid^ hjören, unb ber bod^ tuieber bie, cntfe^li(|ften gotgen bei einem (Sic^=öergreifen an bctj SBat)r^eit in ^lu^ftdjt ftellt? SBürbc e^ ni^t ein graufamer ©ott fein, ioenn er bie Söa^r^eit l^ätte unb eS onfel^en Bnnte, n^ie bie 9}?enfc^(}eit fid^ jämmerlich um fie
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quält? — 5l6cr öieKet^t ift c« bod) ein ®ott bet ®üte, —
unb er fonnte fid^ nur mrf)t beutlid^cr auäbrücfen!
©0 fet)Itc eg i^m üießetd^t an ®eift baju? Ober an
SBerebfamfeit? Um fo f^Iimmer! ®ann irrte er \x6)
bielleid^t anä) in bem, toa^ er feine „SBa^rl)eit" nennt
unb er ift felber bem „armen betrogenen Xeufel" nid^t
fo ferne! SJhi^ ^ ^^nn nii^t beinahe ^öEenqualen
augftel^n, feine ®efc]^ö;)fe um feiner (Srienntnig tüiHen fo,
unb in aüe (Snjigfeit fort nod§ fd^Iimmer, leiben ju fe{)en
unb nx6)t ratzen unb l^elfen ju fönnen, auger toie ein
Xaubftummer, ber allerl^anb Dielbeutige B^ic^en mad^t,
n)enn feinem ^nbe ober §unbe bic fd§recflid)fte ^efo^r
auf bem SRacfen fi^t? — ©inem berartig fd^Iiegenben
unb bebrängten ©laubigen loäre toa^rlid^ ^u ber^eit^en,
hjenn i^m baS SJätteiben mit bem leibenben ©Ott näl;er
läge als baS 3J?itleiben mit ben „S^öd^ften", — benn
cS finb nirfjt me^r feine $Rädjften, toenn jener ©infamfte,
Uranfängtid)fte aud^ ber fieibcnbfte, Xroftbebürftigfte
tion 5inen ift. — OTe ^Religionen jeigen ein 9J?er!mal
baüon, bag fie einer frü!)en unreifen SnteMtualität
|ber a}?enfd^{)eit i^re ^lerhinft öerbanfen, — fie aUe
'nehmen eS erftaunlid^ leidet mit ber Sßerpf(id;tung, bie
jSBa^r^eit ju fagen: fie n)iffen nodf) nid^tS Don einer
i^fli^t ®otte§, gegen bie SD^enfc^^eit toa^r^aftig unb
Ibeuttid^ in ber TOttf)ei(ung 5U fein. — Über ben „öer^
borgencn ®ott" unb über bie ©rünbe, fid^ fo Verborgen
; iu t)alten unb immer nur ^alb mit ber @pracf)e an'S fiic^t
;ju fommen, ift niemanb bercbter genjefen ald ^aScat,
jum Seiten, bag er fid^ nie barüber (jat berul)igen
fönnen: aber feine Stimme flingt fo juberfid^tlii^, alö
ob er einmal mit ^inter bem 33orl^ang gefeffen l)ätte.
(£r ^atte bie SBitterung einer llnmoralität in bem „deus
absconditus" unb bie größte (Sd)am unb (Sd)eu baDor,
— 280 "
ftd) bie§ eingugefte^^en: unb fo rebete er, tüte einer, ber fid^ fürd)tet, fo laut aU er fonntc.
92.
$(m (Sterbebette be^ ßl^rtftent^um§. — ^ie tüixUx^ afttben SJ^enfd^eti ftnb je^t innerlich ol)ne (5;§riftentf)um, unb bte mäßigeren unb betrad)t|anteren äJ^enfc^en be§ geiftigen TOttelftanbeS befi^en nur nod^ ein 5urec^tgemad)te§, nämlid^ ein lounberlid) berein- fad^teS S^riftent^um. ©in ©ott, ber in feiner Siebe aUeg fo fügt toie e§ un§ fdilie^id^ am beften fein n)irb, ein ©Ott, ber un§ unfere Xugenb n)ie unfer ®(ücf giebt unb nimmt, fobaß e^ im ©angen immer red^t unb gut jugel^t unb fein (Srunb bleibt, ha^ ßeben f^tüer gu nel^men ober gor §u öerHagen, furj, bie 9iefignaticn unb S3efd^eibenl^eit jur ©ottl^eit erhoben, — ba^ ift baä S5efte unb Sebenbigfte, toa^ öom (S^riftentl^um nod^ übrig geblieben ift 5lber man foUte bo^ merfen, ha^ bamit ba§ 6;i^riftent:^um in einen fanften SJ^orali^muS über* getreten ift: nirf)t folüol)! „®ott, grei()eit unb Unfterblid^- feit" ftnb übrig geblieben, a(§ 2So{)Itt)oIIen unb anftänbige ©efinnung unb ber ©laube, \>a^ auc^ im gangen W, SBo^ItüoUen unb anftänbige ©efinnung ()errfd^en tuerben: eg ift bie (Sutl^anajie be§ S^riftent^umS.
93.
2öaS ift 2öa^rt)eit? — SSer tüirb fid) ben (Sd)lu6 ber ©laubigen nid^t gefatten loffen, njel^en fie gern mad)en: „bie SBiffenfd^aft fann nid^t tvai)x fein, benn fie leugnet ©ott. golgüd^ ift fie nid^t au§ ©ott; folglich ift fie ni^t n^a^r — benn ©ott ift bie SBal)r^eit." $Rid)t
- 281 -
her ©c^Iug, fonbem bie SSorauSje^uncj enthält ben gef)(er: tote, tüenn (Sott eben nid^t bie SSa^r^eit tt)äre, unb eben bieg beriefen ttjürbe? toenn er bie ©iteüeit, ha^ Tlad)U gelüft, bie Ungebulb, ber ©d^rerfen, ber entjüdte unb entfette SBal^n ber $I)^enfd)cn toöre?
94.
Heilmittel ber SSerftimmten. — ©rf)on^au(uä meinte, ein 0^)fer fei nöt{)ig, bamit bie tiefe SSerftimmung ©otteg über bie (Sünbe aufgel^oben toerbe: unb feitbem f)aben bie (S^riften nid^t aufgel^ört, il^r 3Jä§be^agen über fid^ felber an einem Opfer auSjutaffen, — fei bieö nun bie „Sßelt" ober bie „®efd§id^tc" ober bie „SSemunft" ober bie greube ober bie frieblid^e 9lut)e anberer 2J?enfd^cn — irgenb cttpaä ®ute8 mug für i^re ©ünbc ftcrben (trenn aud^ nur in effigie)!
95.
^ie t)iftorifd^c Söiberlegung als bie enb* gültige. — @t)emak fud^te man ju betoeifen, i>a^ eS feinen ®ott gebe, — ^eute geigt man, tt)ie ber ©laube, bog eS einen (SJott gebe, entftel)en !onnte unb moburd^ biefer ®Iaube feine ©d^toere unb SBid^tigfeit erf)a(ten l^at: baburrf) tüirb ein ©egenbetoeiS, ba§ eö feinen ®ott gebe, überflüffig. — SBenn man ehemals bie vorgebrachten „öetoeife toom ^afein ®otteö" lüibertegt l^atte, blieb immer nod^ ber 3^^^^^» ob nid^t nod) bcffere SBemeife aufjufinben feien alä bie eben toib erlegten: bamalö berftanben bie 5ltt)eiften fic^ nid^t barauf, reinen Xifc^ ju madl)cn.
— 282 —
96.
„In hoc signo vinces." — (So bor9efrf)ritten (Suro})o au{^ fonft fein mag: in religtöjen fingen f^at cd nod^ md)t bie freiftnntge S^aiöetät ber alten 93raf|manen errei^t, jum S^^^^^n» ^^6 ^^ Snbien öor öicr Sal^r^ taufenben mel^r gebadet tourbc unb mel)r Suft am 3)enfen üererbt ju luerbcn ^jflegte, al§ je^t unter un§. 3ene SSral^manen nämlid^ glaubten erftenS, bag bic ^rieftet mäd)tiger feien al§ bic ©ötter, unb jtoeitcnä, \>a^ bie f&täu6)t e§ feien, toorin bie 3Kad^t ber ^riefter begriffen liege: ttje^^alb if)rc ®i^ter ni^t mübe tourben, bic S5räu^c (lebete, (Zeremonien, Djjfer, Sieber, äJietren) olg bic eigentlichen (SJeber atte§ ®uten ju greifen. Sßic biet ^idjterei unb STberglaube l^ier aud^ immer baätDifd^en* gelaufen fein mag: bie ©ä|e finb toal^r! (^nen ©d^ritt toeiter: unb man toarf bic ®ötter bei ©eite, — toa^ Europa aud^ einmal tl^un muß! ^o6) einen ©d^ritt toeiter: unb man l^attc aud^ bic ^riefter unb SBermittler nid^t me^r nöt^ig, unb ber Seigrer ber S^leligion ber @clbftcr(öfung, S3ubb]^a, trat auf: — toie ferne ift @uro^)a nod) üon biefer ©tufe ber (Sultur! SBenn cnblid^ aud^ atte Sräud^e unb ©itten öemidljtet finb, auf loeld^c bie Wlaä)t ber ©ötter, ber ^riefter unb (Srlöfer fid^ ftügt, loenn alfo bie Tloxal im alten ©inne geftorben fein loirb: bann fommt — ja n)a§ fommt bann? ^od^ ratzen toir nid^t l^erum, fonbem fef)en toir junäd^ft ju, ha^ Europa na^^olt, toa^ in Snbien, unter bem S8olfe ber Genfer, fd^on öor einigen 3af)rtaufenben als (SJebot beS ^enfenä gctljan lourbe! (£§ giebt jc^t öieHeid^t jet^n WS ^tDonjig 9}?iIlionen 9Kenfd^en unter ben öerfdC)iebenen Sßölfem (guropa'S, toeld^e nidf)t me^r „an ®ott glauben", — ift eS ju t)iel geforbert, \>a^ fic cinanber ein S^id^en geben?
— 283 —
©obalb ftc fic^ bcrartig crfcnnen, tüerben fic fid^ oxic^ ju crfcnnen geben, — fic tücrben fofort eine 93^ ad^t in (Europa fein unb, glücfüd^ertDcife, eine Tlad^t jtoifd^cn ben SBölfcm! 3^^f^ctt ^c« ©tanben! 3^if<^«^ ^^^ unb $Reid^! 3^if^^" S3cfef)Ienbcn unb Untcrtoorfcncn! 3toifd)en bcn unrul^igftcn nnb ben rul^tgftcn, Berul^igcnbften SKcnf^cn!
Qmik^ SÖüäf.
97.
9J?an iüirb moraüfc^, — ntd^t tocil man moraltfc^ ift! — ^ie Untemjerfung unter bic SJ^oral fann ff(aüenl)aft ober eitel ober eigennü^ig ober refignirt ober bum^f'jd^njärmerifd^ ober gebanfenloS ober ein 2111 ber Sßerjtoeiflung fein, njie bie Unteüüerfung unter einen Surften: an fid) ift fie nic^tö 9}?oralifd)eö.
98.
SBanbel ber SQioral — (£3 giebt ein forttoä^renbe« Umtoanbeln unb 5(rbeiten an ber 9^oral, — baS 6ett)irfen bie S8erbred^en mit glüdCIid^em 5lu3gange (n)05U jum S3eifpiel aUe Steuerungen beS moralif^en -Denfen« gehören).
99.
SBorin toir ^lUe unvernünftig finb. — SBir 5ief)en immer nod^ bie Folgerungen öon Urt{)ei(en, bie ton für falfd^ t)a(ten, öon fief)ren, an bic ttjir nid)t met)r glauben, — burc^ unferc ®efüt)lc.
100.
^om Xraume ertoadjen. — Sble unb njeife 9J?enfd^en ^aben einmal an bie 9}^ufi! ber ©pljären
-- 288 —
geglaubt: eble unb toeife SJJenf^en glauben no(^ immer an bie „ftttlid^e Söebeutung be§ ^afeinä". ^Tbcr cineS XogeS toirb an6) biefe ©pt)ärenmufif if)rem C^re m^t mt^x öemel^mbar fein! (Sic erttjad^en unb merfen, ba§ i^r Ol^r geträumt ^otte.
101.
S3ebenfHd). — ©inen ©lauben anne^^men, bIo§ n)eil er ©itte ift, — ha^ ()ei§t bod|: unrebli^ fein, feige fein, faul fein! — Unb fo toären Unreblid^feit, geig!)eit unb gaul^cit bic SSorau§fe^ungen ber @itt(ic^feit?
102.
^ie ölteften moralifc^en Urtf)cile. — 2Bie mad)en toir e^ boc^ bei ber §anb(ung eineä 9J?enfc§en in unfrer S^ö^e? — S^t^^^i^ft fet)en tt)ir barauf l^in, tüaö aug il^r für uns l^erauSfommt, — tüir fe^en fie nur unter biefem ©efiditspunit. ®icfc SBirhing net)men tt)ir als bic 5lbfid^t ber §onbIung — unb enblid^ legen tüvc if)m ha^ §aben fold^er Slbfid^ten als bauernbe (Sigem fd^aft bei unb nennen il^n jum S3eifpiel öon nun an „einen fd^öblic^en 9}?enfd^en". S)reifa(^e Srrung! ^rei^ fad^er uralter gel)lgriff! SSielleid^t unfre (Srbfc^aft t)on ben ST^ieren unb it)rer Urtl^eilSfraft l)er! Sft nid^t ber Urfprung aller SJ^oroI in ben abfdl)eulid^en fleinen (Sdl)lüffen ju fud)en: „»aS mir fd^abet, ha^ ift ettüaS 8öfeS (an fid^ ©dljöbigenbeS); tüaS mir nü^t, ha^ ift ettoaS ® ut eS (anfic^ SBoI}ltl)uenbeS unb SJiu^enbringenbeS); tpaS mir einmal ober einigemalc \diahd, ha^ ift ba^ geinblid£)e an fid^ unb in fid^; ttjaS mir einmal ober einigemalc nügt, ha^ ift ha^ greunblid^e an fidlj unb in fid^." O pudenda origo! §ei|t ha^ nid^t: bic
— 289 —
er5ämilid)e, gelegentüd^e, oft zufällige ^ielatton etneS 5(nberen gu ung al^ fein SBefen unb SBefentltd^fteS auggubtcljten unb gu üe^anpten, er fei gegen aÜe SBcIt unb gegen firf) felber eben nur folc^er 9^e(ationen fällig, bergleid^en Ujir ein- ober einigemale erlebt tjaben? Unb fil5t i)inter biefer ftjaljren 9^arrt)eit nid)t nod) ber un6efcf)eibenfte aller ^intergebanfen, ba§ rt)ir felber \>a^ ^rincip beö ®uten fein muffen, toeil fid^ ©uteS unb ^öfeg nad) unö bemi^t? —
103
@§ giebt ^tuei Wirten öon Leugnern ber 6ittli^!eit. — „^ie ©itttid^feit leugnen" — 'Oa^ fann einmal l^eißen: leugnen, bafe bie fittlirf)en 9J?otit)e, rt)eld)e bie 9J?enfd)en angeben, mxtixd) fie gu if)ren ^anblungen getrieben l^aben, — e§ ift atfo bie Sel^auip' tung, baJ3 bie @ittlidf)!eit in 3Borten beftef)e unb jur groben unb feinen Betrügerei (namentlich ©elbftbetrügerei) ber SJ^enf^en gehöre, unb öielleid^t gerabe bei ben burd) Xugenb ^erü^mteften am meiften. (So bann !ann eö feigen: leugnen, bog bie fittlid^en Urt^eile auf SBal)rl;eiten berul)en. §ier mirb gugegeben, \)a^ ftc 3)?otiüe beö §anbelnä Ujirüidf) finb, ba§ aber auf biefe SBeife Srrtpmer, at§ ®runb alleg fittlicf)en Urtl)ei(enö, bie 9J?enfd)en ju iljren moratifd^cn §anblungen treiben. ^ieg ift mein 63eft^töpunft: bod^ möchte id) am ioenigften t)cr!ennen, \)a^ in fef)r öielen gälten ein feinet 2}?i{itrauen nad£} 5rrt be§ erften ®efid^t§punfte§, atfo im (§Jciftc beö Sa ^od)efoucauIb, aud) im S^ted^te unb jeben^ faHö öom I)öc^ftcn allgemeinen 9^u^en ift. — 3d^ leugne olfo bie <Sittlid)feit toie i^ bie §Ildf)^mie leugne, ba§ ^eigt i^ leugne iljre ^orau^fe(jungen: ni d^t aber, ba^
I ^JHctifdjc* «löeite. Älaff,.<au«{i. IV. Xü
- 290 —
cS 5nd^t)mtften gegeben ^at, tüelrfje an btefe SSorou§* fe^ungen glaubten unb auf fie ^tn l^anbelten. — S^ leugne aud^ bte Unfittli^!eit: nid^t, ha^ sa^IIofe 9}?enfd^en fid^ unfittlid) füllen, fonbem ba^ c^ einen ©runb in ber SSa^r^eit giebt, fid^ fo gu füllen. Sc^ leugne nid^t, toie fid^ ijon felber terftel^t — öorauS^ gefegt ba^ xd) fein ^arr bin — , bog Diele §anb(ungen, toelc^e unfittüd^ feigen, gu bermeiben unb 5U befäm^fen ftnb; ebenfalls, bog öiele, bie fittlidE) fieigen, ju tf)un unb gu förbern finb, — aber id^ meine: ha^ (Sine n)ie ba^ 5(nbere au§ anbeten ©rünben al§ biSfjer. SBir ^aben umzulernen, — um enblidC}, bieHeid^t fe^r fpät, nod^ mel^r gu erreid^en: umjufü^Ien.
104.
Unfere Sßertf)fd^ägungen. — OTe ^anblungen gelten auf SSertt)fd^ä^ungen jurücf, aUe SSertl)fd)ägungcn finb enttpeber eigene ober angenommene, — legterc bei SBeitem bie meiften. SSarum nehmen »ir fie an? 5lu§ x^vixdjt, — ha^ l^eißt: toit i)a(ten eö für rat^famer, un§ fo ju ftetten, al§ ob fie aud^ bie unfrigen loären — unb getoöfinen un§ an bicfe SSer^ ftellung, fobag fie julegt unfere Statur ift. ©genc 2öertl)fc^ö^ung: ha^ tviU befagen, eine ^a(i)t in Sc^ug barauf meffen, tüie njeit fie gerabe un§ unb niemanbem 5Inberen fiuft ober Untuft madjt, — ettt)a§ äugcrft (Seltene^! — 5Iber toenigftenS mug bodEi unfre SBcrt^«, fd)ätjung be^ 5lnberen, in ber ha^ Tloüt) bafür liegt, ha^ Ujir unS in bcn meiften gäÖcn feiner SScrt^* fc()ägung bcbicnen, öon un§ au§gcl)cn, unfere eigene Söeftimmung fein? 3a, aber alö Slinber mad}en toir fie unb lernen feiten lüieber um; njir finb meift geitlebend
— 291 —
bie Starren ftnblid)er angelüö'^nter Urtr)elle, in ber Wct, tote tt)ir über unfre D^äc^ften (beren ©eift, Sf^ang, 9J?ora(ität, SSorbilbüdjfeit, 93ern)erflirf)!eit) urtf)ei(en unb cS nöt^ig finben, öor i^ren SBert^fc^ä^ungen ju ^ulbigen.
105.
1)er (SdjeinsSgotSmuö. — ^ie OTcrmeiften, loaS fie aucf) immer öon i^rem „(Sgoiömuö" ben!en unb fagcn mögen, i\)nn tro^bem i^r Sebenlang nid)t§ für i^r ego, fonbem nur für bog ^()Qntom öon ego, n)eld)e3 fid) in ben köpfen il)rer Umgebung über fie gebilbet unb fid^ i!)nen mitget^eilt ^at; — in golge beffen leben fie OTe gufammen in einem S^ebel öon unperfönlid)en, f)alh^ ^)erfönli^en SJZeinungen unb miHf ür(id)en , gleidjfam bidjterifdjcn S[Bertl)fd)äf ungen , ßiner immer im 5lopfe bc§ 5(nbem, unb biefer ^opf njieber in anberen köpfen: eine Ujunbcrü^e Söelt ber ^IjantaSmen, meld)e fid^ babei einen fo nüchternen 5lnfd)ein ju geben mei^! S)iefer Diebel öon 3J?einungen unb ©emö^nungcn n)äd)ft unb lebt faft unabhängig öon ben SD^enfdjen, bie er cin()üllt; in i{)m liegt bie ungcf)eure SBirfung allgemeiner Urt()ei(e über „ben 9J?cn(c^en'' — alle biefe ftd) f eiber unbc!annten 3J?enfd^en glauben an \>a^ blutlofc 5tb= ftrahum „SDZenfd)", \)a^ l)eigt an eine gütion; unb jebe SSeränberung, bie mit biejem 5lbftraftum öorgenommen toirb, burc^ bie Urtt)eile cinjelner 9D^äd)tiger (n)ic gürften unb ^t)ilofop^en), mirft aufeerorbentli^ unb in unöer= nünftigcm SRaage auf bie große 5U?el)r5al;l, — aÜeö au§ bem (iJrunbe, ba[3 jeber ©injelne in biefer SJ^cl^rjaljl fein tüirflic^cö, il)m jugünglidjeö unb öon iljm crgrünbcte^ ego ber allgemeinen blaffen giftion cntgcgenjuftellcn -unb fie bamit ju öemid)ten öermog.
— 292 —
106.
©egen bte 2)eftnittünen ber moraItfd)en Qxck. — 3)?an ^öxt allertt}ärt§ je^t ha^ Qkl ber Woxal ungeföl)! fo beftimmt: e§ fei bte ^r^^altung unb görberung ber 9}?enf(^^eit; aber ha§> ^eigt eine gormel ^aben tüollen, unb tüeiter nirfjt^. ©r^altung, njorin? mug man fofort bagegen fragen; görberung, tüol^in? Sft nid^t gerabe ha^ SSefentlid^e, bie ^Intirort auf biefe§ SSorin? unb 3Bo^in? in ber gormel au^gelaffen? Sßa§ lögt fid^ alfo mit il^r für bie ^flid^tenlel^re feftfe^en, toa§> md)t fd)on, ftit[fd)n)eigenb unb gebanfenlo^, jegt ai§> feftgefcgt gilt! ^ann man au§ if)r genügenb abfef)en, ob man eine möglidift lange (Sjiften^ ber äyjenfc^^ieit in'§ 5(uge gu faffen l^abe? Ober bie möglid)fte ©ntt^ierung ber 5U?enfd^^eit? 2öie öerfd^ieben mürben in beiben gällcn bie Tlittd, ha^ ^eißt bie pra!tifd|e 9J?oraI, fein muffen! (SJefe^t, man mottte ber 9[J?enf(^f)eit bk \)ö6)\k x^i mögliche SSemünftigMt geben: bie§ ^ie^e getuife nic^t i^r bie l^öd^fte i^r möglicf)e ^auer Verbürgen! Dber gefegt, man.bäd)te an if)r „t)öd)fte§ (3iM" al§ ixi^ 2öo|in unb Söorin: meint man bann ben {)öc^ften (SJrab, ben aüma^Iid) einzelne SJ^enfc^en erreid)en fönnten? Dber eine, übrigen^ gar nid^t §u bered^nenbe, le^tenö erreichbare ^uri^fc^nitt^ - ©lürffeligfeit aller? Unb marum lüöre bie 50^oralität gerabe ber SSeg bal^in? Sfij nid^t burd^ fie, im ©ro^en gefe^en, eine fo(dE)c gülle t)on Unlufts Quellen aufget{)an morben, halß man cl)ei urtl^eilen !önnte, mit jeber Sßerfeinerung ber (Sittltd)!ei fei ber 9}?enfd^ biSl^er mit fid§, mit feinem 9^äd)ftct unb mit feinem Soofe be§ ^afeinS ungufriebene* gemorben? Sft nid^t ber bi§!^er moraIifd)fte 9J?enfd) bei Glaubens gemefen, ber einzig beredf)tigte S^^f^^"^ ^^
— 298 —
9[J2enfrf)en im ^Itigefic^tc ber Tlotal fct btc tiefftc Unfetigfett?
107.
Unfer Unxcd^t auf unfere X^orf)ett. — 2Bic
foH man ^anbeln? SBoäu fott man f)anbetn? — 33ei
ben nä^ften unb gröbftcn Scbürfniffen be§ (Singetnen
beantmorten fidft biefe gragen leicht genug, aber in
je feinere, umfänglichere unb n)id£)tigere (SJebiete beö
§anbelnö man auffteigt, um fo un[id)erer, folglid) um
fo n)iEfürIirf)er tüirb bie S3eantn)ortung fein. 9^un aber
foll ^ier gerabe bie 2Si(lfürIic^!eit ber ©ntfd^eibungen
au§gefcf)(offen fein! — fo ^eifd)t e§ bie 5lutorität
ber Tloiai: eine un!(are Slngft unb (Si^rfurc^t foII ben
3J?enfd)en unöeräüglirf) gerabe bei jenen ^anblungen
leiten, bereu Qmdt unb TOttel i^m am menigften fofort
beutlic^ finb! ^iefe 5tutorität ber SJ^oral unterbinbet
ba§ jDenfen, bei fingen, wo eö gefäl)rtid) fein fönnte,
falfc^ ju beuten — : bergeftalt pflegt fie fid^ öor
il)ren 5(n!lägern gu redjtfertigen. galfd): ha^ l)ei§t
f)ier „gefäl)rlid)'\ - aber gefäljrlid) für men? ®en)öl)nlid)
ft e^ eigentlid) nid)t bie ©efa^r beö §anbelnben, meldje
ie 3nl)aber ber autoritaäüen SD^oral im 5(uge ^aben,
onbern il)re ®efal)r, i^re möglidje ^inbuge an 9}?ad)t
nb ©eltung, fobalb baö ?kc^t, ujiUfürlid) unb tl)örid)t,
od) eigener. Keiner ober grof3cr Sßernunft §u l)anbeln,
oHen 5ugeftanben tüirb: für fic^ felber nämlid) mad)en
fic unbcbcnflid) ©ebraud) öon bem 3fied)tc ber 23ill!ür=
(id^feit unb ^^or^eit, — fie befel)len, aud) wo bie
Jrogen „n)ie foK id) l)anbcln? 1üo,^u foll id) l)anbeln?"
'cum ober fdjUjierig genug ju beantworten finb. —
lUib tüenn bie 3Sernunft ber 9Jknfd}l)eit fo auger?
nbcntlic^ langfam mädjft, bag man bicfeö 2Bac^ötl;um
- 294 —
für ben gongen ®ang ber 9J2enf(f)i)eit oft geleugnet l^at: toaö trögt me^r bie ©d^ulb baran al§ biefe feterüd)e 5(ntüefen^eit, ja ^TUgegentüart moraIi}d)er S5cfet)(e, ttjetd^e ber tnbimbueüen grage nad) bem Sßoju? unb bem Sßie? gar nid)t geftattet, laut gu tt)erben? (Stub njir nic^t bar= auf ^tn erlogen, gerabe bann patt)etifd^ ju füllen unb un§ in'§ 2)un!Ie §u f(ütf)ten, njenn ber SSerftanb fo flar unb !att njte möglid^ blicfen foöte! S^ämüd^ bei aEen pfieren unb njtd^tigeren 5(ngelegen^etten.
108.
©intge Xl)efen. — 2)em Snbiöibuum, fofcrn e§ fein ©lud njill', foE man feine S5orfd)riften über ben 2Beg gum Q^ind geben: benn ba§ inbiöibueße ©lücf quiKt au§ eigenen, jebermann unbefannten ^efe^en, e§ !ann mit SSorfd)riften ton ^(u^en ^er nur üer^inbert, gel^emmt n)erben. — ^ie SSorf c^rif ten , nje(d)e man „moralifd^" nennt, finb in 2Ba]£)rl)cit gegen bie Snbioi* buen gerid;tet unb ujollen burdjau^ nid)t beren ©lücf. (Sbenfo menig begiel^n fid^ biefe SSorfd)riften auf ha^ Mnd unb bie 2Sot)rfal}rt ber aj^enfd)t)eit", — mit meieren Sßorten ftrenge S3egriffe gu öerbinben über- Ijoupt ni^t möglid^ ift, gefd)n)eige \>a^ man fie aB fieitfterne auf bem bunüen Dgean moraIifd)er SSeftre- bungen gebraud)en !önnte. — ©§ ift nidjt nja^r, bofe bie äJ^oroütät, n)ie ba§ SSorurtt)ei( tritt, ber ßntiüidlung ber SSemunft günftiger fei a(§ bie Unmoralität. — (5ö ift nid^t nja^^r, bag ba§ unben)u§tc 3^^^ ^" ^^ ^nttuidtung jebeS benjugten SScfen§ (%\)kt, 3J?enf^ 9}?cnfd)()eit u. f. io.) fein „Ijöd)fte§ ©lud" fei: t)iclmel)r giebt e^ auf atten (Stufen ber (£ntn)id(ung ein befon* bereS unb unöergleid^bareö, toeber ^ö^ereg nod) niebereS,
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jonbem eben eigentf)ümltd^e§ @Iücf ju erlangen. @nt* rt)icf(ung toiU nic^t ®(ud, fonbem (Snttpidlung unb tt)eiter nidjtö. — 9^ur tüenn bie 9J?enfd)5eit ein aÖgemetn anerfannteö 3^^^ ^ötte, fönnte man öorf erlagen „fo unb fo foK gel;anbelt toerben": einftnjeiten giebt e^ fein fotc^eS 3i^^- ^^fo foll man bie gorberungen ber Tloxai ni^t in S5eäie^ung gur 9J?enfd)I)eit fegen, eS ift bic^ Unöemunft unb (Spielerei. -- 2)er 9J?enfd)^eit ein S^d anempfe!)(en ift eüua^ ganj 5Inbere§: bann ift \>ci^ 3iel al^ ettpa^ gebadet, \>a^ in unferem Seüeben ift; gefegt eö beliebte ber 3)?enfd^^eit fo tüie öorgef erlagen toirb, fo fönnte fie fid^ barauf f)in aud) ein SJ^oralgefcg geben, ebenfoöä auö if)rem S3elieben !t)erau§. ^Tber bi^^er follte ba^ 9J?oraIgefeg über bem S3elieben fte^en: man moHte bieö ®efeg fid| nid^t eigentlid^ geben, fonbern e^ irgenbn)o!)er nel^men ober irgenbmo eö auffinben ober irgenbmoljer eS fic^ befel^Ien laffcn.
109.
@e(bftsS5et)errfd)ung unb 9[)^ä§igung unb i^r legtet Tloixt). — 3d) finbe nid)t mel)r als fcd)S njefenttid^ öerfdjiebene 9)^ett)oben, um bie §eftigfeit cincö Xriebeä ju befämpfen. (Einmal !ann man ben Slnläffen jur S3efriebigung beö Xriebeä auötocidjen unb ^ burd) lange unb immer längere 3^^tftreden ber 9Zid)t= bcfriebigung il)n fdjtuodjen unb abborren mad)cn. ©o- bann fann man eine ftrenge regelmäßige Drbnung in feiner Söefriebigung fid) jum ©efcg mad)cn; inbem man in il)n felber auf bicfc SBeife eine Siegel bringt unb feine giutl) unb (^hht in fcfte S^itgrcn^en einfd)(ic6t, !)at man 3^uifd)en5eiten getoonnen, tuo er nid)t met)r ftört, — unb uon ba auö fann man öieücid^t jur erften
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3J?etf)obe üBerge^en. ^ritten^ !ann mon ftc^ abftc^tüc^ einer tüilben unb unbänbtgen S3efriebigung eineö ^riebeö überlaffen, um ben ©!e( bation etnguemten unb mit bem (Sfel eine 9J?ad)t über ben Xrieb ju erlangen: öorauS^ gefegt ba§ man e§ nid^t bem Ü^eiter gleid^ t^ut, ber fein $ferb gu Xobe ^e§t unb f eiber babei ben §al§ brid)t — n)0§ leiber bte Siegel bei biejem ^erfud)e ift. SSiertenö giebt e§ einen inteKeltueEen Shinftgriff, nämlid^ mit ber S3efriebigung über{)au|)t irgenb einen fe^r peinlid^en (5Je= banfen fo feft gu öerbinben, ha^, nad) einiger Übung, ber ®eban!e ber S3efriebigung immer fogleid^ felber alö fef)r ipeinlid^ empfunben Ujirb (gum Seifpiel trenn ber ©l^rift fid^ gemöi)nt, an bie 9^äf)e unb ben §o^n beö Xeufel§ beim (SJefc^Ied^t^genuffe, ober an emige §ötten= [trafen für einen Tloxh au§ 3f?ad^e, ober aud^ nur an bie SSerärf)tIid^feit §u benfen, meldje gum 33eifpiel einem (55elb:=^iebfta^( im 5Iuge ber öon i^m öerefjrteften 3)^enfd§en folgt, ober toenn manrf)er fd^on gu ^unbert SJ^alen einem t)eftigen SSerlangen nac^ bem ©elbftmorb hk SSorfteEung be§ Sammerg unb ber (Selbftoormürfe üon SSermanbten unb greunben entgegengefteßt unb bamit fid) auf ber (Sd^irebe be§ Seben§ erl)alten f)at: — je^t folgen biefe SSorfteHungen in il^m auf einanber mic Urfad^e unb Söirfung). §iert)in gel)ört e§> and), menn ber (StoI§ be§ 9}?enfd^en, mie §um Seij^iel bei ßorb iS^ron unb D^apoleon, fid^ aufbäumt unb ha^ Über= geloid^t eine§ einzelnen 5lffefte§ über bie gefammte §a(tung unb bie Drbnung ber 3>crnunft aU ©eleibigung empfinbet: röorauö bann bie ©emo^n^eit unb bie öuft entftelf)t, ben ^rieb ju tt)ranniftren unb il)n gleid^fam fnirfd^en gu mai^en. („3d) lüill ni(^t ber (Sflaöe irgenb eineg 5lppetite§ fein" — fd^rieb S^ron in fein Stage^ bud^.) günften^: man nimmt eine ^i^Iofation feiner
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.fhaftmengen öor, inbem man ftc^ trgenb eine befonberS fd^lüere unb anftrengenbe 5(r6eit auferlegt ober ftd^ abfirf)tli^ einem neuen 9ietäe unb SSergnügen untertüirft unb bergeftalt ©ebanfen unb p^5fifcf)e§ ^äftefpiel in onbere S3aJ)nen Ien!t. (£6en barauf läuft e§ auc^ j)inau§, ttjenn man einen anberen Xrieb geitnjeilig begünftigt, i^m rei^e (5JeIegenf)eit ber S3efriebigung giebt unb i^n }o §um $ßerfrf)tt)enber jener £raft mad)t, über tüel^e fonft ber burd) feine §eftig!eit löftig gemorbene Xrieb gebieten njürbe. tiefer ober jener t)erf te^t e§ tool^I aud^, ben einzelnen ^rieb, ber ben ®etx)altt)erm fpieten möd)k, baburrf) im 3^""^^ h^ galten, bo^ er allen feinen i^m befannten anberen trieben eine ^eitnjeilige 3tufmunterung unb geft^eit giebt unb fie ha§^ gutter auf§et)ren f)eigt, iüelc^eö ber Xt)rann für fid) allein ^aben tritt. (Snblid) fecf)fteng: mer e^ au§l)ält unb öer= nünftig finbet, feine gefammte leiblid^e unb feelifd^e Organifation gu fcf|mäd)cn unb nieberjubrüden, ber er- reid)t natürlid) ba^ Qki ber (Sdjtoäd)ung eine§ einzelnen t)eftigen Xriebe^ ebenfattö bamit: njie gum S3eifpiel ber tt)ut, n)eld)er feine (Sinnlid)feit au§l;ungert unb babei freilid) aud) feine D^üftigfeit unb nid)t feiten feinen aSerftanb mit au^^ungert unb ^u ©d^anben madjt, gteid) )cm Gifteten. — 5t(fo: ben 5(n(äffen auön^eidjen, 9^egcl in ben Xrieb tiineinpftangen, Überjättigung unb (Sfel an *'it)m erzeugen unb bie ^ffociation eine§ quätenben (5Je= :)an!enö (mie ben ber (5d)anbe, ber böfen folgen ober x^^:^ beleibigten ©toljes)) §u (Staube bringen, fobann bie J)i^olofntion ber Gräfte unb enblid^ bie attgemcinc ^d)tüäd)ung unb (£rfd)üpfung, — ba^ finb bie fcd)ö llicd)oben: ba§ man aber überljaupt bie §cftig!eit eineS Iricbeg beÜimpfen n)in, fte^t nid)t in unferer Tla6)t, bcnfo mcnig, auf U)etd^c SD?ett)obe man tjerfäUt, ebenfo
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iDcntg, ob man mit btefct SJiet^obc (Srfolg ^at SSielme^t tft unfer Sntelleft Sei biejem ganjen SBorgongc erfirf)t(ic^ nur ba^ blinbe SBerl^eug eine§ anberen Zxitht^, meld^er ein Df^iöal beffen ift, ber un§ burc^ feine §eftig^ feit quält: fei e§ ber Xrieb noc^ ffln^t ober bie gur^t öor (Sd^anbc unb anberen böfen golgen ober bie Siebe. SBä^renb „iüir" un§ alfo über bie §eftig!eit eine§ XriebeS 5U bef lagen meinen, ift e§ im ©runbe ein STrieb, melrf)er über einen anberen flogt; ba» \)d^t: bie SSa^r^ nel^mung be§ ßeiben§ an einer foId)en §eftigfeit fegt öorauä, ha^ e§ einen ebenfo t)eftigen ober norf) heftigeren anberen Strieb giebt, unb ha"^ ein ^am^jf beöorftet)t, in njeld^em unfer SnteHeft Partei net)men mu^.
110.
^aö, mag ftd^ miberfegt. — Wlan farni folgenben SSorgang an fid^ beobad)ten — unb ic^ mollte, er mürbe oft htohadjtct unb beftätigt. @§ entftef)t in un§ bie SSitterung einer 5(rt t)on fiuft, bie mir noc^ nidjt fannten, unb folglid^ entftet)t ein neue^ SSerlangen. 9^un fommt e§ barauf an, ma§ biefem SSerlangen fid^ mib erfegt: finb e^ ^inge unb 9f^üdtficf)ten ge* meinerer 5(rt, auc^ 9J?enfd^en, mc(d)e menig in unferer 5Id)tung gelten, — fo umfleibet fid) ha^ S^d beö neuen 93erlangen§ mit ber (Smpfinbung „ebel, gut, lobenömertt), o)3fcrmürbig", bie gan^e öererbte moralifc^e Einlage nimmt eö nunmci^r in fic^ auf, legt eö ju il}ren alö moralifd^ empfunbenen Qklm — unb jegt meinen mir nidjt mel^r nad) einer fiuft, fonbem nad) einer 3)ZoraIität ju ftreben: mag bie 3iiöerfid}t(id)feit unfcreg (Strebend fe^r öenneljrt.
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111.
5ln btc 95ett)unberer ber DBicftiöttät. — 2Bcr alö ^nb mannid)faltige unb ftarfc ©efü^Ie, aber tüenig feinet Urt^eil unb fiuft an ber inteUeftualen @ered)tig= feit bei ben SSertpanbten unb S3c!anntcn, unter benen er auftt)ud^§, tt)at)rgenommen unb folglid^ im 9^ad}bi(ben t)on ®cfü()(en feine ht\it 5h:aft unb 3eit t)er6raud)t ijat: Bemerh alö (Srttjad^fener an fi^, bog iebeä neue 5)ing, jeber neue 9J2enfd) fofort 3w"ci9W"9 ober ^IDneigung ober 9^eib ober SSerarf)tung in it)m rege mac^t; unter bem 2)rurfc biefer (Srfal^rung, gegen ben er fid^ ot)n- mächtig fü^It, 6en)unbert er bie ^Neutralität ber ©mpfinbung, ober bie ^^Dbjeftiöität", tok ein SBunber* bing, a(§ @a^e beö ®enie'§ ober ber feltenften 9J?ora(ität, unb tüill nxdjt baran glauben, \)a^ aud^ fie nur ba^ Äinb ber 3"^^ ^^^ (55en)o^nI)cit ift.
112.
3ur S^aturgefd^ic^te tion ^flirf)t unb
1 5Rerf)t. — Unfere ^ftic^tcn — ba^ finb bie 9Red)te anbercr
i auf unö. SSoburd^ ^aben fie biefe erworben? ^aburd^,
bag fie unö für öertragö:: unb öergeltungöfä^ig nal)men,
jfür gleidt) unb äl)ntid) mit ftd^ anfe(jten, bog fie unS
|baraufl)in ettoaS anocrtrauten, un§ erjogen, jurcd^ttüiefen,
' unterftü^ten. 2öir erfüllen unfre ^f(id)t — ba§ \)c\^t:
mir rcd)tfertigen jene SBorfteüung Don unferer 2J?ad)t,
auf hjetd)e !)in unö aKeS ermiefen iourbe, loir geben
jurüd, in bem SJ^aage, alö man unä gab. <So ift eö unfer
(Sto(5, ber bie ^füd)t ju tl)un gebeut, — toir inollen
unfre (Selbftl)errlid)feit tt)ieberl)erftenen, iuenn n)ir bem,
tüaS anbre für unö traten, Htoa^ entgegenfteHen, baö
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tüir für fie t^un, — benn jene ^aben bamtt in bte ©pt)ärc unferer Waä)t eingegriffen unb tüürben bauemb if)re §anb in if)r l^aben, iüenn tuir nid)t mit ber „^flid^t" eine SBieberöergeltung übten, ha^ l)ei§t in ü)xt 9J?ad^t ein= griffen. 9^ur auf ta^, tüa§> in unferer Wad^t ftel)t, fönnen fid§ bie iRed)te anberer be^ie^n; eö tüäre unvernünftig, toenn fie tttva^» Don un§ tDoÜten, ha^ un§ f eiber nid)t gel^ört. ©enauer mu§ man fagen: nur auf ba^», mag fie meinen, ba§ e^ in unferer SKac^t fte^t, öorauöfe^enb bag e§ ba^felbe ift, öon bem trir meinen, e§ ftel^e in unferer äJ^ac^t. (S§ fönnte leicht auf beiben leiten ber gleid)e Srrt^um fein: ha^ ©efü^l ber ^flid^t l^öngt baran, ha^ mir in Se§ug auf ben Umfreiö unferer Tla6^t ben- felben ©lauben l^aben, tok bie 5Inbem: nömlid^ ta^ toir beftimmte S)inge öerfprec^en, un§ §u il^nen t)er= pftid)ten fönnen („greiljcit be§ SBilleng")- — 3}?einc 9?ed)te: ha^ ift jener ^t)eil meiner Wadjt, ben mir bie 5Inberen nid^t nur §ugeftanben l^aben, fonbern in me(d)em fie mirf) erhalten iDoKen. Sßie fommen biefe 5(nberen ba§u? ©inmal: burd^ i!^re ^Iugf)eit unb gurd)t unb SSorfid)t: fei e§, ta^ fie etmaö S^nlid^eö öon un^ gurücfermarten (®d^u§ if)rer 9f?ed)te), ba§ fie einen ^ampf mit un§ für gefä^r(id) ober ungnjetfmägig Ijalten, ha^ fie in jeber ^Verringerung unferer Straft einen 'iRad)^ t^eit für fid) erblidEen, toeil tt)ir bann §um Sünbnig mit i^nen im ©egenfa^ ju einer feinbfeligen britten 5D?ad)t ungeeignet merben. @obann: burd^ (Sd^enfung unb 5lbtretung. Sn biefem gaüe l^aben bie 5[nberen 3}?ac§t genug unb übergenug, um baöon abgeben ^u fönnen unb ba^ abgegebene (Stücf bem, meld)em fie e^ fd^en!ten, gu Verbürgen: mobei ein geringe^ 3)?ad^t^ gefüf)( bei bem, ber fid) befd^enfen lägt, öorau^geje^t mirb. 60 ent]tef)en S^ied^te: ancrfannte unb geipö^r*
— 801 —
leiftete ajjQd^tgrabc. SSerfd^teBen firf) bte Wlad)tt)cx^\t' niffe iüefentlid), fo öergcl^en 9?cd^te unb e§ Silben ftd£) neue — bieg ^eigt ha^ SSölfcrredjt in feinem fort^ lüä^renben S3ergel)en unb (Sntfte^en. 9'^immt unfere Tlad)t ttjefentlid) ab, fo üeränbert fi(i| \)a^ ©efüt)! bercr, lüeld^c bi§()er unfer 9ierf)t genjö^rleifteten: fie ermeffen, ob fie un§ ftjieber in ben alten SSoHbefi^ bringen fönnen, — füllten fie ftd^ ftiergu auger ^tan'Oz, fo leugnen fie öon i)a an unfere „$Recf)te". (Sbenfo, n)enn unfere 9J?ac^t er^eblid) junimmt, ücrönbert fid) ba^ ©e- fü^I berer, tt)eld)e fie biSl^er aner!annten unb beren 5(ner!ennung lüir nun nic^t nte^r braud^en: fie öer^ fudjen tüoi)i, biefelbe auf \)a§> frühere 3D?aa§ ^erab§u^ brücfen, fie toerben eingreifen njollen unb fid) auf i^re „^füd^t" babei berufen — aber bieg ift nur ein unnügeS 3Sortemad)en. 9Bo "iR^^^t f)errfd)t, ha njirb ein Qn- ftanb unb ®rab öon Tlad)t aufredet ermatten, eine i8erminbcrung unb S3ermef)rung abgen)ef)rt. ^a§ 9^ec^t anberer ift bie Sonceffion unfereg ©efü^Ig öoii 9J2ad)t an bag ®efüt)l Don 9J?a^t bei biefen 5(nberen. Söenn fid) unfere Tla6)t tief erfd)üttert unb gebrod^en jeigt, fo ^örcn unfere 9f?ed^te auf: bagegen ^ören, rtjenn njir fel)r tjiet mäd^tiger genjorben finb, bie ?fied}t^ anberer für unö auf, loie tt)ir fie biö je^t if)nen jugeftanben. — ^cr „billige 3J?cnf(^" bebarf fortn)äl)renb beg feinen %altz§> einer SBage: für bie 9J?ac^t= unb 9?edjtggrabe, iudd[)e, bei ber öcrgönglidjen 5lrt ber menfdjtic^en "Dinge, immer nur eine furje 3^^^ ^^ ®Ieid)gen)id)te [djUjeben toerben, gumeift aber finfen ober fteigen: — billig fein ift folglich fdjujer unb crforbert biel Übung, Uiel guten SBiUen unb fel)r oiel fel)r guten ®eift. —
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113.
2)aS ©treben nad) ^uSjetd^nung. -- ^a§ ©trcben nod^ 5Iu§5ei(f)nung l)at forttüä^renb ein Sfugen^ merf auf ben 9^äd)ften unb tüill tüiffen, tute e§ i^m ju 9}?ut^e tft: aber bie 9Kitempfinbung unb bo^ 9J?ittt)tffen, meiere biefer %mh §u feiner S^efriebigung nötf)ig i)at, finb tüeit batjon entfernt, ^orm(o§ ober mitleibig ober gütig 5U fein. Wan tüxÜ öielmel^r n)a{)mer)men ober erratl)en, toie ber 9^äd)fte an un§ öugerlid) ober ihnerlii^ leibet, toie er bie ©eftjalt über fid) öerliert unb bem ©inbrude nad^giebt, ben unfere §anb ober aud^ nur unfer 5rnblid auf i^n ntad)en; unb felbft toenn ber nad) 5lu§§ei^nung ©trebenbe einen freubigen, erf)ebenben ober erijcitemben (Sinbrud mad^t unb mad^en toollte, fo genießt er biefen @rfo(g bod) nic^t, infofern er babei ben ^öd^ften erfreute, er^ob, ert)eiterte, fonbern infofem er fid^ ber freniben (Seele cinbrüdte, beren gorm öerönberte unb nad^ feinem SöiUen über i^r Ujattete. ^a§ Streben nadE) ^Tuö- jeidjuung ift ha§> ©treben nad^ Übertoältigung be§ D^öd^ften, fei e§ aud} eine fel)r mittelbare unb nur gefüljlte ober gar ertröumte. (S§ giebt eine lange 9f^eil)e üon ©raben biefer I)eimlid^ begel^rten Übertoältigung , unb ein Doli' ftänbigeö SSer^eidjnig berfelben !äme beinahe einer ©e* fdE)ic^te ber Sultur gleid^, üon ber crften nod^ fro|en* Ijaften ^Barbarei an bi§ jur gra^e ber Überfeinenmg unb ber !ran!^aften Sbealitöt ^inauf. ^a§ ©treben nad^ 5Iu§* jeidinung bringt für ben 9^äd}ften mit fid^ — um nur einige (Stufen biefer langen Seiter mit ildamen ju nennen — : Tlaxtcxn, bann (Sdjiäge, bann (Sntfe^en, bann ongftbolIeS (Srftaunen, bann SBerlounberung, bann ^teib, bann S3emunberung, bann (Srljebung, bann greube, bann §eiter!eit, bann Sachen, bann S[5erlad)en, bann SSerfpotten,
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bann S8erl)öl^nen, bann ©d^Iage-auät^eilen, bann 3J?attem' ant^un: — ^ier am (Snbc ber Seiter fielet ber 5(ffet unb 9J?ärtl)rer, er empfinbet ben l)öd)ftcn ©enu^ babei, eben ha^ ai^ golge feinet Xriebe^ nac^ ^tuSseid^nung jelber baöon ju tragen, tva^ fein (SJegcnbilb auf ber erften ©proffe ber Seiter, ber 93arbar, bem ^Tnbercn ju leiben giebt, an bem unb öor bem er fid) auszeichnen miß. ^er Xriump^ beö 5Iffeten über fid) f eiber, fein babei nad) Snnen gen^enbeteö 5(uge, toelc^eS ben 9D^enfcf)en ju einem Seibenben unb ju einem ^^fiijöii^"^^" jerfpaltet fielet unb fürber^in in bie 3(u§enn)elt nur t)ineinb(i(ft, um au§ \f)x gteid)fam §0(5 jum eigenen (Sd)eiter^aufen ju fammeln, biefe le^te Xragöbie beS XriebeS na^ 5Iu§5eid^nung, bei ber e§ nur nod) ©ine ^erfon giebt, tüddje in fid^ felber üertoI)(t, — ha^ ift ber mürbige 3Ibfd)(u§, ber ju bem 5Infange ge()ört: beibemal ein unfägUd)c§ ©lud beim 51nblid öon 9J?artern! 3n ber Xl)Qt, ha^ müd, als baö lebenbigfte ©efü^I ber Tlaiijt QcOad)t, ift öieÜeic^t auf ber (Srbe nirgenbmo größer gemejen, als in ben (Seelen aberg(äubifd}er 5(ffctcn. 5)ieö brüdcn bie Sra^manen in ber ®cfd)ic^te öom ^lönig 93i9t)amitra ouS, ber aus taufenbiä^rigcn 93u6übungen eine folc^c Äraft fdjöpfte, bag er eS untemal)m, einen neuen §immel 5U erbauen. Sd) glaube, in biefer gau/^en Gattung innerer ©rtcbniffe finb mir je^t grobe 9^eulinge unb taftenbe 9?ät()fe(ratl)cr; öier Sa()rtaufenbe frül)er mu^tc man me^r üon biefcn öerruc^ten SSerfcinerungcn bcS ©elbftgcnuffeS. 2)ie (Sd)öpfung ber SBclt: üiellcidjt, ha^ fic bama(S üon einem inbifdjcn Träumer als eine affetifdjc ^ro-^ebur gcbad)t morben ift, meldje ein ©Ott mit fic^ öoruimmt! 5Sielleid)t, ha^ ber ®ott fid) in bie bemcgte O^atur mie in ein 9J?artertü erfreu g bannen toollte, um babei leine «Seligteit unb SJJac^t öerboppelt ju fül)len! Unb
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gefegt, e§ iüöre gar ein (SJott ber Siebe: h)etrf)er ©enug für einen fotd^en, leibenbe äRenftf)en §u fd)affen, an ber ungefüllten SD^arter im 5InblidE berfelben red^t göttlid^ unb übermenfc^lid^ 5U leiben unb fid) bergeftalt felber 5U t^rannifiren! Unb gar gefegt, e^ tüäre nid^t nur ein (SJott ber Siebe, fonbern aui^ ein ©ott ber §eilig!eit unb @ünblofig!eit: lüel^e Delirien be§ göttlid^en 5lf!eten finb 5U al^nen, n)enn er (Sünbe unb @ünber unb eftjige SSerbammniffe unb unter feinem §immel unb Xl)rone eine ungeheure ©tötte ber etüigen Qual unb beö ertjigen @tö^nen§ unb <Seuf§en§ fcliafft! — @§ ift nid^t gang unmögliif), ha'^ ami) bie (Seelen be§ ^aulu§, be^. ^ante, be§ ß^alDin unb i'^reS ©leid^en einmal in bie fd^auerlid^en ©e^eimniffe fold^er Sßollüfte ber Wa^^t eingebrungen finb; — unb angefid^t^ foldjcr ©celen !ann man fragen: ja, ift benn tt)ir!lid^ ber ^ei^lauf im (Streben nad^ 5lu§§eid)nung mit bem 5lffeten am legten (Snbe angelangt unb in fid^ abgeroEt? könnte biefer ^eiS nid)t nod^ einmal öon Einfang an burd^laufen ujerben, mit ber feftgel^altenen ©runbftimmung be^3 5lf!eten unb gugleid^ be§ mitleibenben ®otte§? 5llfo anberen tvt^e tl)un, um fid^ baburd^ lüe^e §u tl)un, um bamit mieberum über fi^ unb fein äfiitleiben gu trium)3l)iren unb in ber äugerften Tla^t gu fdjmelgen! — SSerjeiljung für bie 5Iu§fdf)tt}eifung im 9^ad^benfen über OTeö, tva^ in ber feelifdien 5Iu§fd^meifung bc§ 90?a^tgelüfte§ auf ©rben fd^on möglid^ genjefen fein fann!
114.
S5on ber @r!enntniB beS Scibeubcn. — 2)cr 3uftanb franfer 90^enfd)en, bie lange unb furdjtbar t)on i^ren Seiben gemartert merben unb beren SScrftanb
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tro^bem bobet ft^ m^t trübt, ift nid^t o^ne Sßert^ für bte ©rfcnntnig, — no(^ gan§ abgefel)!! öon ben inteUef* tuellcn 2Sof)ltf)aten, iDel^e jebe tiefe (Sinfamfeit, jebe plöt^üdje unb erlaubte greil)eit Don allen ^flidjten unb ®elüof)nf)eiten mit fic^ bringen. 2)er ©djirerlcibcnbe fiel)t auä feinem 3wftö"^c ^i* ^i"^^ entfc^üd)en Stalte t)inau§ auf bic Finger aUe jene f leinen lügnerifdien Zaubereien, in benen für genjöfjnlic^ bie ®inge fdjmimmen, tüenn 'Oa^ 5Iuge be§ ^efunben auf fie blicft, finb if)m t)erfd)tt)unbcn: ja er felber liegt öor fid) ha of)ne 55(aum unb garbe. (SJefc^t ba^ er biä^er in irgenb einer gefä()rlid)en ^t)antafterei lebte: biefe {)öd)fte (Ernüchterung huxdj ©djmerjen ift ha^ SJ^ittel i^n ^erauSjureigen, unb öielleic^t ta^ einzige 3JJitte(. (©g ift möglid), \>a^ bie^ bem (Stifter be§ G^riftent^um^ am ^eu^e begegnete: benn bic bitterften aller SSorte „mein (SJott, iüarum l^aft bu mid) öerlaffen!" entl)alten, in aller ^iefe öerf tauben, mie fie t»erftanben Ujerben bürfen, ha§> 3^"9"i6 ^«^ attgemeincn ßnttäufc^ung unb 5(ufflärung über ben S53al)n feinet SebcnS; er n?urbe in bem 5lugenblide ber ^ödjften Qual lieüfi^tig über fid^ felber, fo mie ber 'bitter e^ öon bem armen fterbenben SDon Ouijote er5äl)lt.) jDie ungel;eure ©pannung be§ Sntellefteä, toeldjer bem ©djmerj 2!Biber|)art l^alten njiH, mad}t, baJ5 olleS, worauf er nun blidt, in einem neuen fiii^te leud)tet: unb ber unfäglid)e ^Reij, ben alle neuen S3elcud)tungen geben, ift oft mädjtig genug, um allen 5lnlodungcn jum Selbftmorbc Xro^ ju bieten unb baä fortleben bem Scibenben al§ l)üd)ft beget)renön)ertl) er[d)cinen 5U laffen. -lltit 33crad)tung gebenft er ber gemütl)lid)en umarmen 'JicOeImcIt, in ber ber (SJefunbe ol)ne S3ebenfcn Ujanbelt; mit 3Scrad)tung gebenft er ber ebelften unb gclicbtcften oUufionen, in benen er früher mit fic^ felber fpielte; er
— öUb —
^at einen (SJenu^ baran, bteje SSerodEitung tuie ou§ ber tiefften ^öKe l^eraufäubefd^toören unb ber (Seele fo ha^ bitterfte Setb gu marf)en: bnr^ biefe^ ®egengeh)id)t l^ölt er eben bem ^)t)5fifd^en ©d^merje ©tanb, — er füf)(t e§, ha^ gerabe bie§ @egengett)id)t je^t notf)t]f)ut! Sn einer fd^anerüd)en §eE[id)tig!eit über fein ^föefen rnft er fid) ju: „fei einmal bein eigener 5ln!Iäger unb genfer, nimm einmal bein Seiben aU bie öon bir über bid^ öer^ängte ©träfe! ©eniege beine Überlegen'^eit al§ 9fii(^ter; me^r no(^: genieße bein ^Belieben, beine t^ran= nifd^e SBiEfür! ©rl^ebe bi(^ über bein ßeben tük über bein Seiben, fie^ i)xnah in bie ©rünbe unb hk ®runb* lofigfeit!" Unfer ©tolj bäumt fi^ auf, tt)ie nod) nie: e§ ^at für i^n einen did^ ol)ne ^leic^en, gegen einen foId)en X^rannen n)ie ber ©d^merj ift, unb gegen alle bie ©inflüfterungen, bie er un§ mad^t, hamit ton gegen ha^ Seben 3^i^P^6 ablegen, — gerabe ha^ £eben gegen ben X^rannen gu Vertreten. Sn biefem giiftonbe lDef)rt man fid§ mit Erbitterung gegen jeben ^effimiömu^, bomit er nid^t alg golge unfrei 3^ftanbe§ erfd)eine unb uns als 95efiegte bcmütl)ige. 9^ie ift ebenfattS ber S^eij, (§JeredC)ttg!eit beö Urtf)ei(§ ju üben, größer als je^t, benn je^t ift e§ ein Xrium^:^ über unö unb ben reigbarften aßer 3^ftänbe, ber jebe llngererf|tig!eit beS Urt^eilS entfdE)ulbbar machen n)ürbe; — aber xvix tüoHen nid)t entf^nlbigt fein, gerabe je^t UJoHen n)ir geigen, ba§ tüir „ol)ne @rf)ulb*' fein !önnen. SBir befinben unS in förmlidjen kämpfen beS 5>0(^mut^S. — Unb nun !ommt ber erfte ^ämmerfd^ein ber TOlbcrung, ber ©enefung — , nnb faft bie erfte iföirfung ift, bog iüir uns gegen bie Übermad)t unfereS §oc^mutl)eS toe^ren: tüir nennen unS barin albern unb eitel, — als ob mir etmaS erlebt l)ätten, baS einzig märe! 9Bir bemütl^igen o^ne
^anfbarfett ben aHmö^tigen <StoI^, bur^ ben irtr c5en ben (Sc£)mer5 ertrugen, unb Verlangen ^eftig nad) einem (SJegengift be§ (Stolge^: toir hJoKen itn§ entfrembet unb entpcrfönüi^t tuerben, nac^bem ber ©dimerg un§ §u gertjaltfam unb gu lange perfönüd^ gemacht ^atte. „2Beg, lüeg mit biejem ©tolgel rufen lt)ir, er ftjar eine ^ranftieit unb ein ^am:|)f me()rl" 2öir fe^en tt)ieber t)in auf 50?enf(5en unb D^atur — mit einem üerlangen^ beren 5Iuge: mir erinnern un§ h)e()mütf)ig löc^elnb, bajg mir einiget in S5e§ug auf fie je^t neu unb anberö miffen a(§ t)orl)er, ba§ ein (S(i)teier gefallen ift, — aber eö er* quirft unö fo, iüieber bie gebämpften ßid^ter be§ Sebenö §u fe^en unb auö ber furd)tbaren nüd)ternen §elle ^erauöjutreten, in melc^er mir a(§ Seibenbe bie 2)inge unb burd) bie ^inge ^inburd) fa^en. SBir gürnen nid^t, menn bie goubereien ber ©efunbl^eit mieber ju fpielen beginnen, — mir fei)en mie umgemanbelt ju, milbe unb immer nod^ mübe. 3n biefem ßi^f^onbe faun man nic^t SO^fif t)ören, ol^ne ju deinen. —
115.
^ag fogenannte „Sd}".— ^ie (Spradje unb btc 5Sorurtf)ei(c, auf benen bie Sprache aufgebaut ift, finb unö melfad) in ber ©rgrünbung innerer SSorgänge unb Xriebe t)inberlid): gum S3eifpiel baburd), bafe eigentlid^ 3öorte allein für fuperlatiöifc^e (SJrabc biefer ^ov- gänge unb Xriebe 'i)a finb — ; nun aber finb mir gcmo{)nt, bort, mo un^ SBorte fehlen, nid^t met)r genau 5U beobad)ten, meil eö ))cin(ic^ ift, bort nod^ genau ju benfcn; ja el)ebem fd)(o6 man unmiUf ürlid^ , mo baö Sf^cic^ ber 3öorte auff)öre, ^öre auc^ bog 9fieid^ be« i^ofeiu^ auf. Qovn, ^a^, Siebe, 9J?itleib, S3egct)ren,
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(Sriennen, greubc, (5(f)mc% — ha^ ftnb 5tIIe§ Spanten fit cjtreme 3iif^önbe: bte milberen mittleren unb gar bt tmmertüQ^renb f))ie(enben nieberen ©rabe entgegen uns unb bod^ ttjeben fie gerabe ba^ ©efpinnft unferei (St)arafter§ unb ©d^icffal^. Sene ejtremen 5lu§6rüd)e - unb felbft ba^ mößigfte un§ betüu^te SSol)tgefaIIe] ober Sü^ifefallen Beim (Sffen einer ©peife, beim §örei eine^ Xone§ ift öieÖeid^t immer nod^, rid^tig aSgefdjägl ein ejtremer 5Iu§6rud) — gerreigen fef)r oft bog ®e fpinnft unb finb bann getüotttfiätige 5lu§naf)men, §umei( njoljt in golge t)on ^Tufftauungen: — unb luie öermögei fie al^ folc^e ben S3eo6ad^ter irre ju füf)ren! ^id} tüeniger, q(§ fie ben ^anbetnben 9}?enfc]^en in bie Srr führen. SBir finb ^tlle nid)t ha^, alö ujaö tt)ir nad ben 3iJfiäi^ben erfdjeinen, für bie Ujir aÜein SSettJu^tfeij unb SBorte — unb folgüd) Sob unb Xabel — l^aben ttjir öerfen.nen un§ nad^ biefen gröberen 5lu§6rücf)en bie un§ allein befannt tüerben, tüir mad^en einen (Sd)Iuj au§ einem 9J?ateria(, in toeld^em bie 5Iu§na^men bi Siegel übertoiegen, tt)ir öerlefen un§ in biefer fd^einbai beutlid^ften SSud^ftabenfd^rift unferei ©elbft. Unferi 9J?einung über unö aber, bie lüir auf biefem falfc^a SBege gefunben l^aben, baS fogenannte „^dj", arbeite fürberl^in mit an unferem S^arafter unb (Sd)icffal. —
116.
^ic unbcfannte Sßelt be§ „(SubjeftS". - ^ad, tt)aö ben SJ^enfd^cn fo fd^ujer ju begreifen fättli ift i^re Untuiffenlieit über fid^ f eiber, öon ben ältcftci 3eiten bis je^t! S^id^t nur in S3c5ug auf ®ut unb S3ö[( fonbem in ©egug auf oiel Sßefent(id)ere§! 9^od^ imme lebt ber uralte ^a^n, baJ3 man toiffe, ganj genau tt)iff<
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)tc ba§ mcnid^ltrf)e §anbeln ju (Stanbc fommc,
t jebem gatte. 9^id)t nur „(SJott, ber in'§ ger^ fie^t",
id)t nur ber X^äter, ber feine %fjat überlegt, — nein,
u^ jeber 5lnbere gtüeifelt nid^t, ba§ SBefentlid^e im
Vorgänge ber ^anblung jebeS Slnbem ju t)erftel^cn.
3d) tüeig, IDQ^ id) tüiH, ipaö id) getrau f)abe, ic^ bin
:ei unb öeranttuortlid^ bafür, id) niad)e ben 5lnbem
eranttt)ortIid3, id) fann aße fittlid^en SJ^öglid^feiten unb
tie inneren 33en)egungen, bie eö üor einer §anb(ung
iebt, beim 9^amen nennen; i^r mögt ^anbeln, njie if)r
)oIIt, — i^ öerfte^c barin mic^ unb eu(^ 5IIIe!" —
) \)ad)U e^emal§ jeber, fo ben!t fa[t nod^ jebcr.
pofrateö unb ^(ato, in biefem (Stüde große 3^^^^^
:nb beujunberung^njürbige 9f?euerer, Ujaren bod^ l^armlo^
ilöuSig in S3etreff jeneS öerljöngnißöollften SSorurtljeitS,
pe§ tiefften Srrtfjumö, ha^ „ber rid)tigen (Srfenntniß
ie ridjtige §Qnb(ung folgen muffe", — fie maren in
Icfcm ^runbfajje immer nod^ bie @rben bc§ allgemeinen
3a()nfinng unb ^ünfelö: \)a^ eg ein SBiffen um ba§
kfen einer §anblung gebe. „(So märe ja fd^redlid),
cnn ber ©infidjt in baö SSefen ber redeten XI)at nid^t
e red)te %i)at folgte", — bieö ift bie einzige 5trt, mic
nc ©rofjen biefen ©ebanfen gu bemcifen für nütl)ig
etten, baö (5icgentl)eil fd)ien i^ncn unben!bar unb toll
- unb bod) ift bieö ©egent^eil gerabe bie nadte, feit
roigfeiten täglich unb ftünblid^ bemicfene SBirflid)feit!
t c^ nid)t gerabe bie „fdjredlid^e" 2Bal)rl)eit: ha%
xd man t)on einer %\)at überljaupt miffen fann,
cmatö auörcid)t, fie 5U tl)un, bajj bie Sörüdc üon
: ©rfcnntnig jur %f)at in feinem einzigen galle biö^cr
[dalagen morben ift? S)ic §anblungen finb niemals
als ma§ fie unS erfdjcinen! ^ir l)aben fo Diel
iifie geljabtf ju lernen, baß bie äußeren 2)inge nid}t
— 310 —
fo fmb, tüte ftc uns erf (feinen, — nun tno^Ian! mit her inneren Sßelt ftef)t e§ ebenfo! ^ie moraliji^en ^anblungen finb in 2Baf)rf)eit „etn)a§ 5Inbere§" — met)r !önnen toir nid^t fagen: unb alle ^anblungen finb itjefentlt^ unbefannt. ^a§ ©egent^etl toar unb ift ber attgemeinc Glaube: tüir l^aben ben älteften 9^ea(i§mu§ gegen unö; bis je^t badete hk 9J?en)cf)tjeit: „eine §anblung ift ha^, als lüaS fie nnS erfd^eint." (S5eim SSieberlefen biefer Sßortc fommt mir eine fe^r auSbrüdlid^e (Steße (Sd^open^auer'S in'S ©ebädCitnife, lüeld^e id^ anführen njiE, §um SSemeife ba§ and) er nod^, unb ^\vax o^ne jeben (Bhupd in biefem moralifd^en 9^ea(i§muS pngt unb Rängen geblieben ift: „tnirüid^ ift jeber öon unS ein com^)etenter unb öoüfommen mora(ifd)er SfJid^ter, (SJuteS unb S3öfeS genau !ennenb, ^eilig, inbem er ha^ ©ute liebt unb ha^ S3öfe t)erabfd)eut, — bieS 5lIIeS ift jeber, injofern nid^t feine eigenen, fonbem frembe §anb(ungen unterfud^t ttjerben unb er blo§ §u biKigen unb ^u mißbilligen ^at, bie Saft ber ^u§fü{)rung aber öon fremben «Sd^ultem getragen n)irb. Seber !ann bemnad^ als S3eic^tiger gan5 unb gar bie (Stelle ©otteS vertreten.")
117.
3m ©efängniß. — 9J?ein 5(uge, tüie ftar! ober jd)tt)a^ eS nun ift, fie^t nur ein (Bind lüeit, unb in biefem <BtM mebe unb lebe x6), biefe §ori5ont=Sime ift mein näd^fteS großes unb fleineS 35ert)ängni6 , bem id^ nid)t entlaufen fann. Um jebeS Sßefen legt fi^ berart ein concentrifd)er ^eiS, ber einen 9JätteIpun!t fjat unb ber il^m eigentpmlid^ ift. ^l^nlid^ fd[}tie§t uns baS £)t}r in einen Üeinen D^Jaum ein, äf)nlid^ hai (Setaft 9^ad^ biefen §ori5onten, in toeId)e, mie in ®e* föngnißmauem, jeben t)on unS unfere (Sinne einfdtjUeßen,
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mcffcn tüix nun bie SBett, lotr nennen btefcS na^ unb jenes fern, btefeS grog unb jeneS Hein, btefeS I)art unb jenes Ujeicf): biefeS 3JJc))en nennen UJtr ^mpfinben — eS finb aßeS, alleS Srrtljümer an fid^! 9^ad) ber 3J?enge öon (Sriebniffen unb (Erregungen, bie unS burdifd^nittlid^ in einem S^i^t^iti^^^e mögtid) finb, mi§t man fein Seben, als fur§ ober lang, arm ober reid^, öoH ober leer: unb nad^ bem burrf)fd)nitt(id^en menfd^üc^en Seben migt man ha^ aller aubern ®efrf)ö))fe — eS finb aKeS, aÜeS 3rrt()ümer an fid^I Rotten n)ir l^unbertfad^ fd[)ärfere klugen für bie 9^äf)e, fo toürbe unS ber äJ^enfrf) un* ge!)euer lang erfd;eincn; ja eS finb Organe benfbar, öermöge bereu er als unerme^Iid) empfunben UJÜrbe. 3(nberer)eitS fönnten Organe fo befd)affen fein, t^a^ gange (Sonnenft)fteme verengt unb gufammengefd^nürt gleid^ einer einzigen QeUe empfunben irerben: unb öor Söefen entgegen gefegter Orbnung !önnte ©ine Q^Ut beS menfd)(id)en SeibeS fid^ als ein (Sonnenft)ftem in 53e* toegung, Sau unb §armonie barfteÜen. 2)ie (SJemoi^ns f)eiteu unferer (Sinne I)aben unS in Sug unb ^rug ber ©mpfinbung eingefponnen: biefe n^ieber finb bie ®runb- lagen aller unferer Urtljeile unb „@r!enntniffe" — eS gicbt burd^öuS fein (Entrinnen, feine ©cf)lu|)f' unb ®d)leid)n)ege in bie njirflid^e SSeltl 2öir finb in unferem 9^c^c, tüir (Spinnen, unb njaS Ujir aud) barin fangen, Ujir fönnen gar nichts fangen, als n^aS fic§ eben .in unfercm S^ie^e fangen lägt.
118.
I SöaS ift benn ber 9?äc5ftel — SSaS begreifen injir benn öon unfemi S^ädjften als feine (Strengen, ic^ Jimeine baS, Ujomit er fid^ auf unb an unS gleid^fam
— 312 —
cmjcid^net mtb etnbrücft? SBtr begreifen nichts bon t^m a(§ bte Sßeränberungen an un§, beten Urfad^e er ift, — unfer SBiffen bon il^m gteirf)t einem ^ol^Ien geformten 9?aume. SBir legen i^m bie (£m^)finbungen bei, bie feine ^onblungen in un§ f)eröormfen, nnb geben i^m fo eine falfd^e umgefel^rte ^ofitiöität SBir bitben i^n nad^ unfrer ^enntnife öon un§, ^n einem Satelliten unfrei eigeneit ®^ftem§: unb toemt er unS Ieurf)tet ober fid^ üerfinftert, unb irir ton S3eibem bie le^te Urfod^c finb, — fo glauben toir bo^ ha^ ©egent^eil! 2Se(t ber ^^antome, in ber toir leben! SSer!et)rte umgeftül|)tc leere, unb bod^ boU unb gerabe geträumte Sßeltl
119.
©rieben unb (Srbi^ten. — Sßie toeit einer feine @elbft!enntni6 aud^ treiben mag, nid^tg fann bo^ un« öoüftänbiger fein al§ ha^ iöilb ber gefammten triebe, bie fein SBefen conftituiren. ^aum ba§ er bie gröberen beim 9^amen nennen fann: i^re ßQi)l unb ©törfe, i^rc (ihhe unb x^lnt% i^r (Spiel unb 2Biberf))ie( unter einanber unb öor Wtm hk ©efe^e i^rer (£rnä{)rung bleiben i^m gan§ unbefannt. SDiefe (Srnö^rung mirb alfo ein SBerf be^ 3"f^ß^- ^^)^^ täglid^en ^rlebniffe merfen balb biefcm, balb jenem triebe eine SSeute ju, bie er gierig erfaßt, aber ha^ gange kommen unb ®el)en biefer ^== eigniffe fte^t au§er allem Vernünftigen ßi^fömmcn^ang mit ben 9^al)rung§bebürfniffen ber gefammten Xriebe: fo bo§ immer jn^eierlei eintreten toirb, ba§ S3erl;ungem unb 35erfummem ber einen unb bie Überfütterung ber anbem. 3eber 3J?oment unfrei SebenS läßt einige $olt)penarme unfrei 3Befen§ toad^fen unb einige anbre öerborren, je nad^ ber 9^al)rung, bie ber SJ^oment in fic^
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ober ntc^t m ftd) tragt. Unfere Erfahrungen, tüte gejagt, finb aKe in btefem ©inne 9^a^rung§mtttcl, aber auögeftreut mit blinber §anb, o^ne SBiffen um ben, ber hungert, unb ben, ber frf)on Überflug \)at Unb in gotge biefer jjufälligcn Ernährung ber ^^ei(e tüirb ber ganje au^gett)ad)fene ^oh)p ettüoö ebenfo 3wföIIige§ fein, tok e§ fein SSerben ift. 2)eutlid)er gefprod)en: gefetzt, ein ^Trieb befinbet fic^ in bem fünfte, njo er Sßefriebigung 6egel)rt — ober Übung feiner ^aft, ober ©ntlabung berfetben, ober Sättigung einer Scere — e§ ift ^lUeö S3i(berrebe — : fo fiet)t er jebeö SSorfommnig be§ Slageö barauf an, njie er e§ 5U feinem Qtücdt braud;en !ann; ob ber SJ^cnfd) nun läuft ober rut)t ober jümt ober lieft ober fpridjt ober fämpft ober jubelt, ber Xrieb in feinem 2)urfte betaftet gteid)fam jeben 3"f^önb, in ben ber 3J?enfdj gerät^, unb burd)fd)nitt(ic^ finbet er nic^tö für fid) baran, er mug ttjartcn unb toeiter bürften: eine 2Bei(e nod^, unb bann toirb er mott, unb nod^ ein paar ^age ober 9J?onate ber 9^id)t=S3efriebigung, bann borrt er ab, n)ie eine ^ftanje o^ne Sf^egen. SSieHeid^t Ujürbe biefe ©raufamfeit bcö Qu- fallö noc^ grcHer in bie 5Iugen faßen, njcnn aüe Xriebe eö fo grünbüd) net)men njoEten njie ber §unger: ber fic§ nid)t mit ge träumt er ©peife juf rieben giebt; aber bie meiften ^triebe, namentlid) bie fogenanntcn mora(ifd)en, tt)un gerabe bieg, — ujenn meine SSermutf)ung ertaubt ift, bag unfere Xräume eben ben SSertf) unb ©inn t)aben, biö ju einem genjiffen ®rabe jeneä jufüUigc 5luöbtciben ber „9^al)rung" n)ät)rcnb beö Xageö 5U com = penfiren. SBarum Ujar ber Xraum tjon Heftern uoller 3ärtiid)feit unb ^^räncn, ber öon 93orgcftcrn fdjerjljaft unb übcrmüt()ig, ein frül)crer abenteuerlid^ unb in einem beftänbigen büftcrcn ©ud)cn? 9Bcö{)aIb genieße id) in bicjcm unbejdjreiblidje 6d)ünl)citcn ber Tlü\\t, loeö^alb
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f(^iüebe unb fliege id) in einem anbem mit ber 2Bonnc eineö 51blerg hinauf nad^ fernen Sergfpit^en? ©iefc (Sr- bi(f)tungen, \vdd)t unferen trieben ber ^örtüdjfeit ober beö ©djergeö ober ber 5lbenteuerlic^!eit, ober unferm SSerlangen nacf) SJ^uft! unb ©ebirge Spielraum unb (Sntlabung geben — unb jeber niirb feine frfjlagenberen Söeifpiele jur §anb ^aben — , ftnb Snterj)retationen unferer S^erüenreije loö^renb be§ (Sd^lafen^, fe^r freie, fetjr luillfürlid^e 3nter>)retationcn öon SBetoegungen be§ 95Iute§ unb ber (£ingen)eibc, öom ®rucf beö 5(rme§ unb ber ^eden, t)on ben Xönen ber X{)urmgIoc!en, ber Sßetter^ ^öl^ne, ber 9^ad^tfrf)tDarmer unb anberer 2)inge ber 5lrt. ^afe biefer Xejt, ber im OTgemeinen boc^ für eine 9^ad|t tüie für bie anbre fe^r ö^nlic^ bleibt, fo t)erfd)ieben commentirt tt)irb, ha^ bie bid)tenbe SSemunft ^eute unb geftem fo oerfd)iebene Urfad^en für biefelben 9^ert)enrei§e fid^ borftellt: ba§ l\ai barin feinen ©runb, baf; ber (Souffleur biefer 3Semunft t)eute ein anberer toar, a(§ er geftem tüar, — ein anberer Xrieb njollte ftd^ befriebigen, bett)ätigen, üben, erquicfen, entlaben, — gerabe er tüax in feiner ^ot)en %lnti), unb geftem njar ein anbrer barin. — 2)a§ Xüadjc Seben ^at nid^t biefe grei^eit ber Snterpretation toie \>a^ träumenbe, e^ ift Ujeniger bid)terifd) unb gügelloS, — muß ic^ aber au§füt)ren, baß unfere triebe im SSad^en ebenfalls nid^tg 5Inbere^3 -tt)un aU bie S^^eröenrei^e interpretiren unb nad^ itjrem S3ebürfniffe bereu „Urfad)en" anfe^en? ^afe c^ jtoif^en SSad^en unb Xräumen feinen mefentlid^en Unterfc^ieb giebt? ^ag felbft bei einer S3erg(eid)ung fet)r öerfd^iebener Sutturftufen bie greif)eit ber njad^en Snterpretation in ber einen ber greif)eit ber anbem im Xräumen nidf)t§ na^giebt? ^a^ aud^ unfere moralifd^en Urtt)ei(e unb Sßertt)fcf)ä^ungen nur S3ilber unb ^t)antafien
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über einen un§ unbefannten ^j^^fiologifd^en ißorgang finb, eine 5trt angelüöfjnter (Bpxadjt, Qett^iffe S^etDenreije ju be^eic^nen? ^ag att nnfet fogenannteö Setüu^tfein ein mel)r ober njeniger p^antaftifd^er Kommentar über einen ungen^ußten, bielleic^t unnjiparen, aber gefüllten %(tfi ift? — Tlan nef)me ein !Ieine§ (Srlebni^. ©efe^t, mir bemerfen eine^ XagcS, ha^ jemanb auf bem Tlaxltc über unö iadjt, ba tt)ir Vorübergehen: jenac^bem biefer ober jener ^rieb in un§ gerabe auf feiner §ö()e ift, toirb bieö (Sreigni^ für unö bieö ober ba§ bebeuten, — unb je narf) ber 5lrt 9[Renfd^, bie tvxx finb, ift e^ ein ganj öerfd^iebeneg ©reignife. 2)er (Sine nimmt eö ^in loie einen 9?egentropf en , ber 5Inbre fd)üttelt e§ öon firf) rt)ie ein Snfeft, einer fud^t barau^ §änbel ju mad^en, einer prüft feine ^(eibung, ob fie Hnla^ §um Sad^en gebe, einer benft über baö Sä(^erlid)e an fic^ in golge baoon nad), einem t^ut e§ tüoi)(, gur §eiter!eit unb gum ©onnenfc^ein ber SBelt, o^ne §u njollen, einen @trat)t gegeben gu t)aben, — unb in jebem ^^lle \)at ein Strieb feine öefriebigung baran, fei eö ber beö 5i[rger^ ober ber Äampfluft ober beö 9^acl)ben!enö ober beö SSoljtioottenö. tiefer Xrieb ergriff baö SSorfommni§ tvk feine S3eute: toarum er gerabe? SBeil er burftig unb l^ungemb auf ber fiauer lag. — S^eutid^ S8ormittag§ um elf Ut)r fiel unmittelbar unb fenfred)t Vor mir ein 9J?ann plö^Iid; jufammen, toie Dom S3(i^ getroffen, alle Söeiber ber Um^ gebung fdjriccn laut auf; id) f eiber f teilte il)n auf feine gügc unb martete il)n ab, bi^ bic ^prac^e fid^ n)ieber einftellte, — Ujäljrenbbem regte fid^ bei mir fein 9Jhiö!el beö (^cfid)t§ unb fein ®cfül)l, toeber baö beö <Sd)redenö, nod) baö beö 9J^itleibenö, fonbern id) tl)at baS 9^äc^fte unb ^emünftigfte unb gicng !alt fort. ®efe^t, man Ijättc mir %a^^ uorljcr angefünbigt, bafe morgen um
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elf U'^r jcmanb neben mir in biefer SSeifc nicbcrftürjett tuerbe, — \d) i^ättz Quoten aÖer 5Irt öorl^er gelitten, bie ^ad^t nid^t gefd^Iafen unb njöre öießeid^t im entfd)eiben- ben 5lugenblic! bem Wanm gteid^ gen)orben, anftatt if)m 5U l^elfen. Snjnjif^en f)ätten nämlid§ alle möglid^en Xriebe 3eit gel^abt, \)a§> (Srlebnig fic^ öorgufteßen unb 5U commentiren. — 2Ba§ finb benn unfere ©rlebnifje? SSiel me^r ha^, lüaS tuir l^ineinlegcn, alö \)a^, njaS barin liegt! Ober muß eö gar feigen: an fidj liegt nichts barin? ©rieben ift ein (Srbid^ten? —
120.
3ur 35eru^igung beö ©fe^tüer^. — „Sc^ lüei^ burrf)au§ ni^t, toa^ i^ t^ue! Sd) tt)ei§ burd^auö nid)t, mag ic^ t^un foll!" — ®u ^aft 3^ed)t, aber änjeifle nid)t baran: bu iüirft getl)an! in jebem 51ugenblicfe! ©ie 2J?enfcf)^eit ^at gu allen geiten ba^ 5lctiöum unb ha§> $affit)um t)ertt)e(i)felt, e^ ift i^r ehiiger grammati* falif^er (Sd)ni^er.
121.
„ Urf ad^e unb SBirfung''! — Stuf biefem ©picget — unb unfer Sntelte!t ift ein (Stieget — ge^t etnjaö öor, ba§ 9^egetmä§igfeit geigt, ein beftimmteö 2)ing folgt jebe^mat tüieber auf ein anbere^ bcftimmteö 2)ing — baö nennen tt)ir, Ujenn tüir e§ n)at;rnet)men unb nennen ttjollen, Urfad^e unb SBirhtng, njir %f)oxm\ 5tt§ ob Ujir ba irgenb ^ttva^ begriffen tjätten unb begreifen fönntcn! 2öir l^aben ja nid)t§ gefet;en at^ bie S3itber t)on „Ur== fachen unb SSirfungen"! Unb eben biefe S3itbtid)!cit mac^t ja bie (Sinfic^t in eine mefenttidjere 3Serbinbung, als bie ber 5tufeinanberfotge ift, unmöglich!
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122.
^tc S^tdt in ber D^atur. — SBer, als im* befangener gorfc^er, ber ®efd)id)te beS 5(uge§ unb feiner gormen bei ben niebrigften ®efd)öpfen nac^ge^t unb baö gan^e fd^ritttüeife SBerben be§ 5(uge§ jeigt, mu§ ju bem großen ßrgebnig fommen: bag ba§ ©cf)en nirf)t bie 5lbfid^t ha. ber ©ntfte^ung be§ 5(uge§ ge= wefen ift, toielme^r fid^ eingeftellt \)at, aU ber S^f^^^ ben 5Ipparat jufammengebradjt \)attt. ^n einziges foI^eS 33eifpiel: unb bie „g^ede" fallen unä mie «Sdiu^pen öon ben 5tugen!
123.
SSernunft. — 9Sie bie SSernunft in bie SSelt ge- fommen ift? 2Bie billig, auf eine unöemünftige SBeifc, burd^ einen Q\x\aU. Wlan tüirb i^n errat()en muffen tt)ie ein 9iätt)fel.
124.
3Baö ift SßoIIen! — SBir Iad)en über ben, n)eld)cr aus^ feiner Kammer tritt, in ber TOnute, ba bie ©onne aus ber i!)ren tritt, unb fagt: „x6) UjiU, ha^ bie <Sonne aufgebe"; unb über ben, tt)eld^er ein 'iRah nic^t auf()alten !ann unb fagt: „id) will, bag eS roKe"; unb über ben, tt)eld^er im 9^ingfampf niebergeiüorfen tt)irb unb fagt: „()ier liege id), aber ic^ luill l)icr Ucgen!" 2lber, trof aUem ^eläd^tcr! 2J2ad)en ujir eS benn jemals anbcrS als einer öon biefen dreien, ujenn tpir baS SSort gebraudien: „ic^ will"?
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125.
SSom „S^etd^e ber grei^eit*'. — SBir fönnen ötel, biel tne{)r ^inge benfen, al§ tl)un unb erleben, — ha^ (|ei§t unfer ^enfen ift oberf(äd)Itd^ unb gufrieben mit ber Dberflöd^e, ja e§ merÜ fte nt^t. Sßöre unfer SnteHeft ftreng nac^ bem SD^aage unjerer £raft unb unferer Übung ber ^aft enttoidelt, fo tüürben tDtr ben (^runbfa| ju oberft in unferem teufen l^aben, bajg toir nur begreifen fönnen, n)a§ iüir tt)un !önnen, — n)enn e§ über^au^t ein Segreifen giebt. ^er dürftige entbehrt be§ 2Baffer§, aber feine ©ebanfenbilber füt)ren i^m unaufhörlich ha^ SBaffer öor bie ^Tugen, tote al§ ob nid^t^ leidster gu befd^affen toäre, — bie oberfläd^lid^e unb (eirf|t gufrieben^ gefteKte Slrt be§ Snteüefte^ !ann ba§ eigentlid^e notl}= leibenbe S3ebürfnt§ nid)t faffen unb fül)It fid^ babei überlegen: er ift ftolj barauf, me^r ju !önnen, fd^neüer gu laufen, im 51ugenblid faft am S^qU §u fein, — unb fo erfd^eint \)a^ Md6) ber ©ebanlen im S^ergteid) mit bem 'iReiä^t be§ X^un§, SSoKen^ unb ©rieben^ alö ein 9?eidE) ber grei^eit: mä^renb e^, mie gefagt, nur ein 9^eid^ ber Dberfläd^e unb ber ®enügfam!eit ift
126. 55ergeffen. — ^og e§ ein ^[^ergcffcn giebt, ift nod^ nid^t beÄjiefen; tt)a§ mir miffen, ift allein, bag bie SBiebererinnerung nid^t in unferer Tlaä^i ftel^t SSorläufig I)aben mir in biefe 2Mc unferer 3J?ad^t jcneg SSort „ißergeffen" gefegt: gleid^ al§ ob e§ ein SSermögen me^r im 9iegifter fei. 5Iber maS ftel)t jule^t in unferer 9J?ad^t! — SBenn jenes SSort in einer SüdEe unferer Tta^t ftel^t, foHten nic^t bie anberen SBorte in einer Surfe unfereö SSiffenS um unfere äJ^ad^t ftel)en?
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127.
^a6) Qtüedtn. — SSon aßen §anb(ungen tüerbcn tDoW ant toentgften bte nad) Qtütden öerftanben, tt)ci( fie immer al§ bie öerftänbüdifteu gegolten f)aben unb für itnjer S3ert)ugtfein baö 5(IItägIid)fte finb. ^ie großen ■ißrobleme liegen auf ber ®affe.
128.
^er ^raum unb bie i8eranttt)ort(idf)!eit. — 3n Willem 'tooUt i^r öeranttüortlid^ fein! 9^ur nidjt für eure Traume! 2öe(rf)e elcnbe (Sd)n)äd^lid6!eit, ttjeld^er 3D^angel an folgeridjtigem 9)?ut^e! ^ic^t§ ift mel)r euer ©igen al^ eure Xräume! D^id^t^ mel)r euer Sßerf! ©toff, gorm, ^auer, (S(i)aufpieler, gi^W^w^^ — ^^ biefen Ä'omöbien feib if)r aßes i()r f eiber! Unb l^ier gerabe fc^eut unb fd^ämt i^r eud^ üor eud^, unb fd)on Öbipu§, ber ujeife Öbipuö, toufete fic^ Xroft auö bem ©ebanlen ju fd)üpfen, ba^ toxi nid)tg für ba§ !önnen, tva^ njir träumen! Srf) fcl)liege barauS: iia^ bie gro§e 3)^el)r5a]^( ber 2J?enfd^en fid) abfd)eulid)er träume bettjugt fein mug. Söäre e§ anberg: irie fel)r Ujürbe man feine näd^tlid^e ^idjterei für ben §orf)mutl) beö 90^enfd)cu ausgebeutet Ijabcn! — 3Tiu6 id) l)in5ufügen, baß ber Ujeife DbipuS ^cd)t Ijatk, bag toir tt)ir!(id) nid^t für unfere Xräume — aber ebenfo tüenig für unfer 2öarf)en öerantrtjortlid^ finb, unb baß bie Sel)re öon ber grcil)eit beS SBiUenS im <Stol5 unb 9)?ac^tgefül)l be« 9[J^cnfcf)en il)rcn SSatcr unb il)re 9Jhitter l)at? 3c^ fage bicö t)icttcid)t gu oft: aber njcnigftcnö n)irb cö baburd) nod) nid)t ^um 3rrt()um.
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129.
^er angeBIirf)e Jlampf ber SD^ottöc ~ 3J?an rebet öom „^anH)f ber 9J?otit>e", aber beseic^net bamtt einen Slam^f, ber nid)t ber ^ampf ber SD^otiüe ifi S^ömlic^: in unfern Überlegenben SBerau^tfein treten öor einer '^oi ber D^ei^e nac^ bie golgen üerfd^iebener X^aten ^ertior, tDeId)e aKe lüir meinen tljun gu fönnen, unb njir üergleid^en biefe golgen. SSir meinen, ju einer %^^i entfd)ieben §u fein, tüenn tpir feftgeftellt ^aben, ba^ il^re gotgen bie übertüiegenb günftigeren fein tüerben; e^e e§ §u biefem ^Ibfdjlug unferer Smjägung fommt, quälen lüir un§ oft reb(id), ttjegen ber großen (Sc^tuierigfeit, bie golgen gu errat^en, fie in i()rer ganzen (5tär!e gu fe^en unb jtpar aKe, o^ne gef)Ier ber 5lu§* laffung ju mad^en: irobei bie 9^ed^nung überbie^ nod^ mit bem Sufatte biöibirt tüerben mujg. Sa, um \iQil ©djtüierigfte §u nennen: aEe bie gotgen, bie einzeln fo fd^ttjer feft^ufteßen finb, muffen nun mit einanbcr auf ©iner SSage gegen einanber abgemogen loerben; unb fo f)öufig fe^It un§ für biefe (Safuifti! be§ SSortf)ei(§ bie Sßage nebft ben ©etüidjten, megen ber SSerfd)ieben^eit in ber ^Qualität aßer biefer möglid^en Solgen. ©efe^t aber, aud^ bamit fämen toir in'ö D^eine, unb ber '^yx\^ \)oX\z un§ gegenfeitig abtoögbare golgen auf bie SSage gelegt: fo t)aben loir \t%i in ber Xl^at im Silbe ber golgen (Siner beftimmten §anb(ung ein 3JZotiü, gerabe biefe §anblung ju tl^un, — ja! (Sin SJiotiö! 5(ber im 3lugenbIidEe, ^^^ toir fd^tießüd^ ^anbeut, merben mir ^äufig genug öon einer anbem Gattung SD^otiöen be- ftimmt, als e§ bie l^ier befprod^ene ©attung, bie beS „93i(beg ber folgen", ift. ^a tüirft bie ©emo^n^eit unfereä Shäftefpiel», ober ein fleiner ^(nftog üon einer
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$erfon, bte lt)ir fürd)ten ober eieren ober Itcben, ober btc ^equemlid)!eit, lx)e(d)e t)or5teI)t, tva^ öor ber §Qnb liegt 5U tljun, ober bie Erregung ber ^f)antafie, burd^ ha^ näd)fte be[te flemfte (Sreignig im entfc^eibenben 5(ugen= hlid I)er6eigefü^rt, e§ toixtt ^ör)jerlic^e§, ba§ ganj unberechenbar auftritt, e§ n)irft bie Saune, e§ tt)irft ber <S})rung irgenb eine§ 5lffe!te§, ber gerabe zufällig bereit ift, 5U fpringen: furj, e§ tdixtm 9J?otit)e, bie toir jum X^eil gar nic^t, §um X^eil fe^r fc^Iedjt fennen unb bie toir nie öor^er gegen einanber in Dfied^nung fe^en fönnen. 2öa()rfd^£inlid§, bog oud^ unter it)nen ein ^am^jf ftattfinbet, ein §in= unb SSegtreiben, ein ^luf- biegen unb 9^ieberbrüden bon ©en)t^tt()eilen — unb bieg Ujäre ber eigentlid)e „^antpf ber SO^otiüe": — ettüaS für unä ööKig Unfict)tbare§ unb UnbenjugteS. 3d| ^obt bie Sorgen unb (Srfolge beredjuet unb bamit ©in fe()r n)efent(id)eg Tlotit) in bie @d^(ad^treit)e ber SJ^otiüe ein- gefteßt — aber biefe (Sd^Iadjtrei^e felber ftelle id^ ebenfoiüenig auf, olS id} fie fet)e: ber ^am^f felber ift mir verborgen, unb ber (Sieg alg ©ieg ebenfaöS; benn n)o^l erfaljre id), njag ic^ fd)(iepc^ tl^ue, — aber ineldjeS 9J?otit) bamit eigentüd) gefiegt \)at, erfahre \ä) nic^t. 2öof)I aber finb tvxx gen)0^nt, alle biefc unben)u6ten $8orgänge nid^t in 5Infd)Iag ju bringen unb unö bie SSorbereitung einer Xf)at nur fo rtjeit ju beuten, alö fie ben)u6t ift: unb fo üernjed^feln n)ir ben Slam^)f ber SJiotiöe mit ber $8ergleid)ung ber mög(idE)en folgen Derfc^iebener §anbtungen — eine ber foIgenrcid)ften unb für bie ©nttoicHung ber 3D^ora( öerljöngnigöollften SSemjcc^felungen I
Wcöfc^e« SEätxU. ftlart'Wuflfl. IV. 21
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130.
Stütdt? SStUen? — SBir \)ahtn un§ getuö^nt on jiüet fdäf^e ju glauben, an \)a^ dtdd) ber ginedfc unb beg SBilteng unb an ba§> 9^eid) ber ßufälle; in le^terem geljt e§ ftnnloS §u, e§ ge^t, fteljt unb fällt barin, o^ne ha'^ jemanb fagen fönnte, toe^^alh? tDogu? — SBir fürd)ten un§ t)or biefem mädjtigen Sieid^e ber großen fo§mifd)en ^umml^eit, benn tüir lernen e^ meiftenS fo fennen, ha^ e§ in bie anbre SBelt, in bte ber 3^ecfe unb 5l6fid^ten, l^ineinfäKt njie ein g^^Ö^^f^ein öom ®ad^e unb un§ irgenb einen fc^önen Qw^d tohU fc^tägt. tiefer (SJtaube an bie jtüei Df^eid^e ift eine uratte iRomanti! unb gäbet: tüxx fingen ßwerge, mit unferem SBiUen unb unferen ^tvedm, tüerben burd^ bie bummen ergbummen S^iefen, bie S^^fötte, belüftigt, über ben Raufen gerannt, oft tobt getreten — aber tro| OTebem motten iüir nid^t o^ne bie fd^auerlidje ^oefie biefer 9^ad}barfd)aft fein, benn jene Untljiere fommen oft, njenn un§ ha^ Seben im (Sj)innenne|c ber Qtü^dt fjVL Iangn)eilig ober p öngftlid^ gelüorben ift, unb geben eine erl^abene ^iüerfion, baburd^ ha^ i^re §anb einmal ha^ gan§e 9^et^ zerreißt — nid^t 'i)a^ fie e§ getüoEt l^ötten, biefe Unt)ernünftigenl S^id^t bag fie e§ nur mer!ten! 5lber i^re groben 5lnodjen= l^ftnbe greifen burd^ unfer 9^e^ Ijinburd^, tük alö ob eö Suft tüäre. — ^ie ©ried^en nannten bieS 9ieid) beS Unbered^enbaren unb ber erl^abenen etuigen S3omirtr;eit SD^oira unb fteUten eS al§ ben ^ori^ont um i^re ©ötter, über ben fie loeber f)inau§n)ir!en, nod^ 4^^en fönnen: mit jenem Ijeimlid^en ^ro^ gegen bie (SJötter, Ujcldjer bei meljrercn SSölfem fid^ borfinbet, in ber ©eftalt, ha^ man fie imax anhttti, aber einen legten Trumpf gegen
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fte in bcr §anb Behält, jum S3eifptel lücitn man olÄ Snbcr ober ^crfer fte ftd^ abr)ängig Dom Dj)fer ber 8terMtd}en benft, fobog bie sterblichen fcf)ümmften gaU^ bie ©Otter l^ungem unb ber^ungern taffen fönnen; ober njenn man ttJte ber ^arte meland^olifd^e (Sfanbinaüier mit ber S8orfteIlung einer einftmaügen (SJötter* Dämmerung fid) ben (55enu§ ber ftiEen ^ad)t fd)afft, jum (Entgelt für bie beftänbige gurd^t, lueld^e feine böfen ©ötter il)m machen. 5lnberg ha^ (S^riftent^um mit feinem toeber inbijd^en nod^ Jjerfifd^en nod^ gried^ifc^en nod^ ffanbi* nat)ifd)en ®runbgefüf)Ie, tr)etd)e3 ben ®eift ber Wlad)t im ©taube anbeten unb ben ©taub nod) Üiffen ^ieg: bie^ gab ju öerfte^en, ha^ jeneö aUmöd^tige „S^eid^ ber 4)umm^eit" nid^t fo bumm fei, tok e§ au§fel)e, ba§ toir t)ie(me]^r bie Gummen feien, bie nid^t mer!ten, ba^ t)inter i{)m — ber liebe ©ott ftet)e, er, ber jtuar bie bunüen frummen unb njunberbaren SBege liebe, aber julc^t bod^ aEeS „l^crrlid^ l^inauäfül^re". 2)iefe neue gabel öom lieben ©ott, ber biöt;er ate 9fäefengefd^(ed^t ober SKoira üerfannt luorben fei unb ber gmede uiü) S^ege felber fpinne, feiner nod^ al§ bie unfereä SSerftanbeiS — fo ba^ fie bemfelben unüerftänblidf), ja unüerftänbig erfc^einen müßten — , biefe g^bel toax eine fo !ü^nc Umfe^rung unb ein fo gelüagteS ^arabojum, bag bie gu fein gen^orbene alte SBelt nidf)t ju tt)iberftet)en öermod^te, fo toE unb njiberfprud^döolt bie ©ad)c aud^ riang; benn, im SSertraucn gefagt, c« njor ein SBiberfprud^ barin: h)enn unfer SSerftanb ben SSerftanb unb bie ^wtdc ©ottcS nid)t erratl^en fann, ioolicr erriet^ er biefc S3efd^affent)cit feinet SSerftanbeö? unb biefe S3efd^affen^eit öon ®otteä SSerftanbe? — 3n ber neueren 3eit ift in ber %\)at baä SJ^ißtrauen grog genjorben, ob ber giegelftcin, ber Dom S)ad^c fällt, toirflic^ öon
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bet „göttfirfien Siebe" Iieraböetüorfen tt)erbc, — unb btc SJ^enfd^en fangen tDteber an, in bie alte (Bpux ber üiiefen* unb 3^ergens9flomanti! jurucfjugeratl^en. Semen tüir alfo, njeil e§ ^o^e Qdt bogu ift: in unjerm öermeintüd^en (Sonberreid)e ber Qwcdt unb ber SSemunft regieren ebenfalls bie S^iefen! Unb unfre Qtütdt unb unjrc SSernunft finb !eine 3^^1-9^' fonbem ^Riefen! Unb unjre eignen 9'^e|e tnerben burd) un§ felber ebenfo oft unb ebenfo J)luni|) §erriffen tük öon bem giegelfteine! Unb — e§ ift nid^t alle§ gtoed, lua^ fo genannt mirb, unb nod) n^eniger aUeS SSiEe, tt)a§ SBille l^eigt! Unb, tx)enn i^r fdiliegen tPoHtet: „e§ giebt alfo nur ©in S^ieid^, ba§ ber ßi^fötte unb ber ^umm^eit? — fo ift l^inju* gufügen: ja, öieEeic^t giebt e§ nur (Sin 9fieid), öieHeidjt giebt eS lieber SBißen nod) S^^t!e, unb ioir f)aben fic un§ eingebilbet. 3ene eifemen §änbe ber 9^ott)n)enbig!eit, tx)e(d)e ben SBürfelbetfier be^ S^^f^^^ f^ütteln, fpielen i^t @(3ie( unenblid^e ßcii: ba muffen SBürfe öorfommen, bie ber 3tt)ec!mä§igfeit unb Sßemünftigfeit jebe^ ©rabeS t)oE!ommen ä^nüd^ fet)en. ^ielleid^t finb unfrc 2öillen§a!te, unfre Qwedt nid)t§ 2lnbere§ als eben foId)c Söürfe — unb tnir finb nur gu befdfrönft unb gu eitel bagu, unfre äufeerfte 33efd^rän!tf)eit §u begreifen: bie nömlidj, \>a^ \v\x f eiber mit eifernen §änben ben SBürfel* bed^er fd^ütteln, ha^ toh f eiber in unfern abfid^tlidjften §anblungen nid^tS mel)r t!^un als ba§ <SpieI ber 91otl^* loenbigfeit ju fpielen. ^ieHeid^t! — Um über bieä SS iel leidet I)inau§§u!ommen, müßte man fd^on in ber Untern)elt unb jenfeitS aEer Dberflöd^en ju ®afte ge* n)efen fein unb am Xifdfie ber ^erfe^j^one mit i^r felbct geioürfelt unb gehjettet I;aben.
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131.
^te mora(ifd)en 9J2oben. — SBic ftc^ btc moratifd^en ©efammt-UrtfieUe üerf^oben t)aben! ^iefe größten SBunber ber antifen @ittli^!ett, jum Seifpiel (gpiftet, tDugten nid)t§ l^on ber je^t üblid^en SSer^crr* liiijung be§ S)enfen§ an 5Inbere, be§ Seben^ für 5(nbcre; man njürbe fte nad) unferer moralifd^en 9J?obe gerabeju unmora(ifd) nennen muffen, benn fie ^aben ftc^ mit allen Gräften für it)r ego unb gegen bie HJ^itempfinbung mit ben 5(nberen (namentlid) mit beren Seiben unb fittlicljcn ©ebred^en) getpcljrt. SSielleid^t ha^ fie un§ antttjortcn njürben: „\)aU \i)x an cvi(i) felber einen fo tangnjeiligcn ober fiögüi^en ©egenftanb, fo ben!t boc^ ja on 5(nbcrc meljr a(^ an eud^! 3t;r tljut gut baran!"
132.
^ie auöflingenbe Sl)rift(id)feit in ber SÄorat. — „On n'est bon que par la piti^: 11 faut donc qiiMl y ait quelque pitiö dans tous nos sentiments" — fo üingt je^t bie SD^oral! Unb tüo^er fommt i^a^? — ^afj ber 3J?enfd^ ber ft)mpatl)ifd)en unintereffirten gemein* nü^igen gefeKfc^aftlic^en §anblungen je^t alö ber moraIifd)e empfunben Ujirb — \>a^ ift öielleic^t bie aUgemeinftc Sßirfung unb Umftimmung, n^elc^e baä (S()riftent(jum in ©uro))a ^erüorgebradjt ()at: obujoljl fie hjeber feine 5(bfidjt nod) feine fiel)re geujefen ift. 5lber eö tvax baS residuum djriftüdjer Stimmungen, ald ber fel)r entgegengefejjte, ftreng egoiftifd)e ©runbglanbe an baö „(Sinö ift notf)", an bie abfotute 2Bid)tig!eit beö ctüigen ^)erfönlid)en §ei(ö, mit ben Dogmen, auf ' bcnen er rut)te, allmäl;lidj jurädtrat, unb ber SJ^eben« glaube an bie „Siebe", an bie „D^ädjftentiebe", jufammen*
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fthmncnb mit ber ungeheuren ^roflä ber firc^Itd^cn 93arm^erätgfeit, baburd^ in ben SSorbergrunb gebrängt tüurbe. 3e me^r man ftd^ Don ben Dogmen loSlöfte, um fo mel^r fu^te man gleid^fam bie 9iec^tfertigung biefer fio^Iöfung in einem 6^ultu§ ber 9J?enfd^enIie6e: hierin l^inter bem d)riftlid^en Sbeale nid^t jurücfjubteiben, fonbem e§ loomöglid^ §u überbieten, loar ein gef)eimer @j3orn bei aßen franjöfifdjen greibenfem, üon SSoItaire bis auf 5Iugufte ßomtc: unb le^terer \)at mit feiner berül^mten SJ^oralformel vivre pour autmi in ber X^at ba^ S^riftent^um überd^riftlid^t. 5luf beutfd^em Söoben l^at <Sd^o|)en^auer, auf englifd^em So^^n (Stuart WliU ber Seigre bon ben f^m))at^ifd^en 5lffe!tionen unb Dom SJ^tteiben ober öom 9^u^en anberer als bem ^rinci^ be§ §anbeInS bie meifte S3erü^mt^eit gegeben: aber fic felber toaren nur ein @d^o — jene Se^ren finb mit einer getüaltigen ^riebfraft überall unb in ben gröbften unb feinften ©eftalten jugleid) aufgefd^offen, ungefäl^r öon ber Qext ber frangöfifd^en 9iet)o(ution an, unb aEc fociatiftifd^en (S^fteme ^aben fid^ loie untDiß!ürlid^ auf ben gemeinfamen S3oben biefer Se^^ren gefteEt. (SS giebt üieHeid^t je^t fein beffer geglaubtes SSorurtl^eil als bieS: ba§ man h)iffe, toaS eigentlid^ baS 3J?oraIifrf)c auSmad[}e. (SS fd^eint je^t jebermann tüo^I^utl^un, toenn er l^ört, ho!^ bie ©efeHf^aft auf bem SSege fei, ben ©ingelnen ben allgemeinen ^ebürfniffen anjup äffen, unb bog baS (^ind unb jugleid^ baS Opfer beS ©ingelnen barin liege, fid| alS ein nü^IidjeS (SJIieb unb SBerf^eug beS ©angen ju füE)Ien: nur ha^ man gegennjörtig nodE) felf)r fd^tüanft, tüorin biefeS ©anje gu fud^en fei, ob in einem beftel^enben ober §u begrünbenben (Btaat^ ober in ber Station ober in einer SSöIfer^^SSerbrüberung ober in üeincn neuen toirt^fc^aftUd^en ©emeinfamfeiten.
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hierüber gtebt e§ je^t t)tel S^ac^benfeit, 3^eifeln, 5läni))fen, t)tet 5(ufregung unb Seibcnfc^oft; aber tounberfam unb tüo^Itönenb i[t bie (£intrad)t in ber gorberung, ha^ baä ego ftc^ ju Verleugnen ^abt, big e§, in ber gorm ber 5(n))affung an ha^ (3an^t, au6) ttjieber feinen feften ^ei§ t)on S^led^ten unb ^flid^ten befomme, -— 6iS e§ etlpag ganj S^eueS unb 5lnbere§ gettjorben fei. Tlan tuill nid^tS ©eringere^ — ob man eä fid^ nun eingefte^t ober nid^t — , als eine grünblid|e Umbilbung, ja ©d^tüäd^ung unb 5tuf^ebung beS 3nbiöibuumg: man loirb nic^t mübe, atteS ha^ Söfe unb geinbfetige, ha^ SSerfd^njen- berifd^e, baS Sloftfpielige, baS SujuS^afte in ber biä« l^erigen ^orm be^ inbiöibuellen ^afein§ aufgujä^Ien unb anzunagen, man l^offt n)0^1feiler, ungefö^rlid^er, gleid)- mäßiger, ein^eitlid^er gu tDirtt)fd)aften, lüenn e§ nur no^ große ^öxptx unb bereu ©lieber giebt. 51IS gut tü'ixt) alles empfunben, toaS irgenbtoie biefem SEörper unb ©lieber bitbenben Xriebe unb feinen §ülfstrieben entfpridjt — bieS ift ber morolifd^e ©runbftrom in unferm ß^^^alter; 9J?item^finbung unb foriale (£m* pfinbung \pkkn babei in einanbcr über, (^ant fte^t nodj außertjalb biefer S8ert)egung: er le^rt auöbrücflidi, baß tüir gegen frembe fieiben unempfinblid) fein muffen, tüenn unfer SBo^Itljun moralifdjen Sßertl) ^aben foK, — maS ©d^openf)auer, fe^r ergrimmt, tuie man begreifen tpirb, bie ^antifc^c 5(bgefd§madti)eit nennt.)
133.
„9iic^t mef)r on fid) benfen." — 9J2an überlege cä fid) bodj rcdjt grünblid}: tuarum fpringt man einem, ber üor unS in'S äBaffcr fällt, nac^, obfd)on man iljm gar nid)t geneigt ift? ?lu8 3)^itleib: man benft ba nur
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nod^ Ott ben 5Inbern, — fagt btc ®ebattfenIoftg!eit SBarum empflnbet man @d)merj unb Unbetjagen mit einem, ber Sölut f^eit, iüä^renb man i^m fogar böfe unb feinblicf) gefinnt ift? 5(u§ 9J^itIeib: man benft babet^eben nid^t me^r an fic^, — fagt bie felbe @eban!enIoftg!eit ^ie 2Ba|r!)eit ift: im TOtleib — id) meine in bem, maä irrefüt)renber SBeife getüö^nlid) 93?itteib genannt ju merben pflegt, — benfen tüir §tüar nid)t me^r bemugt an un§, aber fe^r ftar! unbemugt, tnie menn njir beim 51u§gleiten eine§ %n^t^, für un§ je^t unbemugt, bie jtüedmö^igften ^egenbetregungen mai^en imb babei erfiditlid^ aüen unferen SSerftanb gebrand^en. ^er Unfall be§ 5Inbem beteibigt un§, er mürbe unä nnferer D^nma^t, tjtelleii^t nnferer geig^eit überfül^ren, tüemt mir i!)m nic^t ^bljütfe brächten. Dber er bringt fdjon an fid^ eine SSerringerung unferer (S^re öor 5tnbercn ober t)or un§ felber mit fic§. Dber e§ liegt im Unfälle unb Seiben eine§ 5Inberen ein gingergeig ber ©efa^r für un§; unb fd^on al§ 9J?erfmaIe ber menfd^tidfjen (^efä{)rbet^eit unb @ebred^Iidf)!eit über!^au|)t fönnen ftc auf un§ :|3eintid^ mirfen. ^iefe 5lrt ^ein unb Seleibi« gung meifen mir gurüd unb Vergelten fie burd^ eine §anblung be§ 9}^it(eiben§, in i^r !ann eine feine D^otl^* me^r ober aud^ S^^ad^e fein, ^ag iüir im ©runbe ftar! an un§ benfen, läfet fid^ au§ ber (Sntfd^eibung errat^en, meldete mir in aUm ben gäüen treffen, mo mir bem ^(nblide beS Seibenben, ^arbenben, Sammernben au^ bem SBege geljen fönnen: mir entfdCjüeßen ung, e§ nid^t gu tl)un, menn mir a(g bie 9}Md)tigeren, §e(fenben fjin- 5u!ommen fönnen, be§ S3eifaEg fi(i)er finb, unfern ©lücfö- ©egenfa^ empfinben moUen ober aud^ un§ burd^ ben 5tnblid^ auS ber Sangenmeile l^erauggureigen l^offen. (Sä ift irrefü^renb, baä Seib, tpeWjeä un0 bei einem fold^en
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Slnblid anget^an njtrb unb ba^ fe^r berfdjiebener %ü fein fann, SJät^Seib ju benennen, benn unter aUen Um* ftänben ift eä ein Seib, tjon bem ber bor nn§ ßeibenbe frei ift: e^ ift un§ §u eigen, tüie if)m fein fieiben ju eigen ift. Rnx biefeö eigene Seib aber ift e^, n)eld)e§ Irir Don un§ abtt)un, tüenn n)ir §anb(ungen be§ SQ^it^ leibenS berüben. >Doc^ tf)un tt)ir ettüa§ ber 5(rt nie auS Einern SiJ^otiüe; fo gettjig tüir nn§ babei bon einem Seiben befreien n)olIen, fo gett)i§ geben tt)ir bei ber gleiten §anb(ung einem eintriebe ber fiuft nad^, — ßnft entfte^t beim Stnblic! eine^ ©egenfa^e§ unfrer Sage, bei ber SSorftellung, ]t)elfcn ju !önnen, trenn tuir nur tooKten, bei bem ®eban!en an Sob unb @r!enntlicl)feit, im gatte loir Ralfen, bei ber ST^ötigfeit ber §ülfe felber, infofem ber klt gelingt unb als ettraS fdiritttueife ©elingenbeä bem 5Iu^füt)renben an fid^ (Srgögen mad)t, namcntlid) aber in ber (gmjjfinbung, ia^ unfere §anb* lung einer empörenben Ungere^tigfeit ein 3^^^ W (fc^on baä 5Iu§(affen feiner (Empörung erquidt). ^ie§ 5(IIeg, Htteg, unb nod) öiel geinereS ]E)in§ugered)net, ift „SD^itleib": -— njie plump fällt bie @prad)c mit i^rem ©inen SBorte über fo ein polt)pl;oneg SSefen l)erl — ^a^ bagegen bag TOtleiben ein artig mit bem fieiben fei, bei beffen 5lnblid eä entfielet, ober ba^ e§ ein befonberS feineS burd)bringenbeä SBerfteljen für baöfelbc l)abe, bieg S3eibe§ mbcrfprid)t ber (Srfal^rung, unb jtoer eg gerabe in biefen beiben §infid)ten bcrl)errlic^t ^at, ibem fel)lte eben auf biefem S3ereid^e beö ^oralifdjen bie auöreid)enbe @rfal)rung. ^aä ift mein 3^^^^f^^ ^^^ pH bcn unglaublid)cn fingen, njcldje ©djopcnl;auer üom '|3Jiitlcibc ju beridjten treiß: er, ber unS bamit jum ^ Glauben an feine groge 9^euig!cit bringen mödjte, baS 2Jätleiben — Qhm \>a^ uon it)m fo mangelljaft beobadjtetc,
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fo \d)kd)t 6efrf)rieBenc TOtleiben — fei btc Cluelle aUet unb id)er el^emaligen unb äufünfttgen moralifd^en §anb* lung — unb gerabe um ber gä^ig!eiten tüiHen, bie er i^m crft angebtrf|tet ^at — 2Ba§ unterfd^eibet fdjiiegs lid^ bie SJ^enfd^en ol^ue SJ^itleib öon beu mitleibigen? S8or 5lüem — um aud^ ^ier nur im ©roben gu äeirf)nen ■— fabelt fie nid^t bie reigbare ^^antafie ber gur^t, ha& feine SSermögen ber SBitterung für ®efa^r; aud§ ift i^rc (SiteÜeit nid^t fo fd^nell beleibigt, tuenn etioaS gefd^ie^t, ba§ fie t)erf)inbern fönnten (i^re SSorfid^t be^ ^tolge^ gebietet i^nen, fid) nid^t unnü§ in frembc ^inge ju mifd^en, ja fie lieben e§ öon fi^ felbft au§, ha^ jeber fid^ felber !^e(fe unb feine eigenen harten fpiele). 3wbem finb fie an ha^ (Erträgen öon ©d^merjen meiftenS ge* toö^nter a(§ bie äJiitleibigen; aud^ ttjiß eg if)nen nid^t fo unbillig bün!en, bog anbere leiben, ba fie felber gelitten l^aben. S^^^^^ ^f^ ^§"^^ ^^ B^^f^önb ber SBeid^l)eräig^ !eit |)ein(idf|, tüie ben SJätleibigen ber 3"f^onb beS ftoifd^en ®Ieid§mutf)e§; fie belegen i^n mit l^erabfe^enben SBorten unb meinen, ha^ i^re SJ^önnlid^feit unb falte Xo^ferfeit babei in ©efa^r fei, — fie öerl^eimlid^en bie X^räne öor 5lnbem unb n?ifdl)en fie ab, unttjillig über ftd^ felber. ©S ift eine anbre 5lrt t)on (Sgoiften al3 bie 2J^itleibigen; — fie aber im auögejeid^neten ©inne böfe, unb bie 9}?itleibigen gut gu nennen, ift nid^tg als eine moralifd^e 3J?obe, toeld^e il)re geit l^at: toie aud^ bie umgefel^rte 3J?obe it|re Qtit gel)abt l^at, unb eine lange 3eitl
184.
Sn toie fern man fid^ öor bem SD^itleiben ju ^üten ^at — 2)ag 9Jätleiben, fofem eS toirflic^ ficiben fd)afft — unb bieg fei ^ier unfer einziger ©cftd^tö-
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jDUuft — , tft eine <Sd)tt)äc^e tok jebc^ ©td^^öerttercn mt einen fd^öbigenben 5Iffc!t. @§ öcrme^rt ba§ fietben in ber Sßelt: mag mittelbar aui^ l^ie unb ba in S'^fge beö SD^itteibenä ein Seiben Verringert ober gef)oBen tüerben, fo barf man biefe gelegentlichen unb im ©anjen un- bebeutenben golgen nirf)t benu^en, um fein Sßefen ju rechtfertigen, n)elc^e§, tüie gefagt, fd^äbigenb ift. ©efe^t, eg ^errfd)te aud^ nur Sinen Xog: fo gienge bie 9J?enfcljl)eit an il)m fofort ju ©runbe. Sin fid) f^at eö fo njenig einen guten S^arafter tüie irgenb ein Xrieb: erft bort, too eg geforbert unb gelobt tuirb — unb bieg gefd^ie^t bort, njo man ha^ (Sc^äbigenbe in i^m nic^t begreift, ober eine Quelle ber ßuft barin entberft — , l)ängt fid^ il)m hai gute ©etpiffen an, erft bann giebt man fid^ i^m gern ^in unb fc^eut ni^t feine Slunbgebung. Unter anberen SSer^ältniffen, tüo begriffen tüirb, ba^ e§ fdljäbigenb ift, gilt e^ alä <Sd)tüöd^e: ober, tok bei ben ©ried^en, al^ ein !ran!l)after periobifd^er 5lffe!t, bem man burd^ jeit* tueilige UjiKfürlid^e ^ntlabungen feine ©efä^rlid^feit nehmen fönne. — 2öer einmal, öerfud^ötüeife, ben 5lnläffen jum TOtleibcn im praftifdljen Seben eine ßcitlang abfid)tlic^ nacEige^t unb fid) aÜeg (Slenb, beffen er in feiner Um* gebung Ijabljaft merben fann, immer öor bie (Seele fteHt, tüirb unüermeiblid^ !ran! unb meland^olifc^. SBer aber gar al§ ^Irjt in irgenb einem ©inne ber äJ^enfd^^eit bienen miß, n^irb gegen jene (Smpfinbung fe^r t)orfid)tig ji Serben muffen, — fie läl)mt il)n in allen entfdjeibenben li 5lugenblidfen unb untcrbinbct fein SBiffen unb feine ^ülf* fj reid)c feine ^nnb.
:' 135.
;! ^aS SBemitleibettoerbcn. — Unter SBilben benft ^man mit moralifdiem ©d)aubcr an'^ ©cmitlcibcttücrbcn:
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ha tft man aKer ^ugenb Bor. 9}ätIeibsgetoa:^ren ^etgt fo biet n)tc SSerac^ten: ein öerädE)t(icf)e§ SSefen njill man nid^t leiben fe^en, e§ getüä^rt bieg feinen ©enug. SDa- gegen einen geinb leiben §u fe^en, ben man als eben- bürtig^ftolj aner!ennt unb ber unter SJ^artem feinen (Stolj nid^t ^)rei§giebt, unb überl^auj)t jebe^ SSefen, mel^eS fii^ nic^t gum SJätteib^^Tnrufen, ha^ ^ei^t gur fd^mäf)Iirf)j'ten unb tiefften ^emüt^igung berfte^en mitt, — ha^ ift ein (SJenu^ ber ©enüffe, babei erl^ebt fid^ bie (Seele be§ SBilben jur S5emunberung: er tobtet gufe^t einen folc^en ^a^jferen, lüenn er e§ in ber §anb l^at, unb giebt i^m, bem Un gebrochenen, feine le^te @^re: \)äitc er gejammert, ben ^lu^brucf be§ falten ^ol^neS au^ bem ^efid^te Verloren, l^ötte er fid^ tieröc^tlid) gegeigt — nun, fp l^ätte er leben bleiben bürfen, mie ein §unb — er l^ätte ben ©tolg be§ ßufdjauenben nid^t meljr gereigt, unb an @teEe ber SSetuunberung tüäre SJätleiben getreten.
136.
^ag Q^iixd im 9J^itleiben. — SBenn man, tvk bie Snber, al§ 3^^^ ^^^ Qöngen inteIIe!tueEen X^ätigfeit bie (Srfenntnig be§ menfdjtidjen (SIenbö auffteHt unb burc^ Diele ®efd)(ecf)ter be§ ©eifteö l^inburd^ einem foldjen entfe^üd^en SSorfa^e treu bleibt: fo be!ommt enblid^, im 5luge fold)er 9J?enfd)en be§ erblichen $effimi§mu§, ha^ äJJit leiben einen neuen SBertl), alö lebenerl^altenbe ^a6)t, um ha^ ^afein bod^ auSgU' l^alten, ob e§ gleich tv^xti) erfdjeint, öor @!cl unb ©raufen toeggen)orfen gu toerben. TOtleiben toirb ba^ Gegen- mittel gegen ben ©elbftmorb, al§ eine (Smpfinbung, ttjelc^e Suft entljält unb Überlegen:^eit in lleinen ^ofen gu !often giebt: e^ giel)t öon unö ah, mad)t baS §erg üoH, ijer^
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fd)eui^t bie x^nxd)t unb bie ©rftarrung, regt ju SBortctt, klagen unb §)anblun9en an — e§ ift öer^öttniß^ mäßig ein ®Iüd, gemeffen am (SIenbe ber ©rfennt* nig, lüeld^e ha^ Snbiüibuum öon allen ©eiten in bie (Snge unb 2)unfellf)eit treibt unb il)m ben 5ttt)em nimmt. ®(ücf aber, njet^e^ eg aud^ fei, giebt fiuft, £id^t unb freie Senjegung.
187.
SBarum ha^ „Sc^" öerbojjpelnl — Unfere eigenen ^rlebniffe mit bem 5Iuge anfeilen, mit bem toir fte an^ufefien ))ftegen, n)enn eS bie ßrlebniffe anberer finb, — bieg berut)igt fel^r unb ift eine ratt)fame SJ^ebi^in. S)agegen bie ©riebniffe anberer fo anfet)en unb aufnel^men, tüie aU ob fie bie unferen tüären — bie gorberung einer ^()iIofop()ie be§ SJJitleibenä — , bieö njürbe uns ju (SJrunbe richten, unb in fef)r furjer ßeit: man mad)e bod^ nur ben Sßerfud) bamit unb pt)antafire nid)t länger I ©eniig ift augerbem jene erftc 9J?ajime ber SSernunft unb bem guten SSiKen ^ur 58emünftigfeit gemäßer, benn tvxx urtt)eilen über ben SSertt) unb ©inn eines (SreigniffeS objeftiüer, iüenn eS an STnberen t)eröortritt unb nid^t an unS: jum S3eifpie( über ben SSert^ eines (SterbefaKS, eineS (SJelbüerlufteS, einer ^er= (eumbung. 3J?itIeiben alS ^rinci^ beS §anbeInS mit ber gorberung: „leibe fo an bem Übel beS 5Inbem, toie er fetber leibet", brächte bagcgen mit fid^, ha^ ber 3cl)=^®eftrf)tös punft, mit feiner Übertreibung unb ^luSfd^loeifung, aiici) norf) ber (5Jefi^tSpun!t beS 5Inbern, beS 9Jiit(eibenben, njerben müßte: fo ha^ tvh an unfenn 3^ unb am Sd^ beS 5(nbcrn jugteid^ 5U leiben l)ätten unb unS berart frei- toiUig mit einer boppetten Unöemunft befd)n)erten, anstatt bie Saft ber eigenen fo gering tt)ic mögtid^ ^u mad^en.
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; 138.
^Q§ 3äi*tlicljern) erben. — ■ SBcnn h)tr jemanbeit lieben, e^ren, bewunbem nnb nun, I;inter§er, finben, \>a'^ er leibet, — immer mit großem (Srftaunen, tueil tüir nitf)t anberg beulen, a(g bog unfer öou i^m f)erftrömeubcg &ind aug einem überreid^eu S5ome eigenen ©lüdeS fomme — , fo öubert fid^ unfer ©efü^I ber Siebe, SSer^ e^ruug unb S5ett)unberung in ettoaS SB ef entließ em: e§ tüirb järtlidier, ba§ ^eigt: bie Äluft gtüifd^en i^m unb un§ fdieint fid^ gu überbrühen, eine 5lnnö^erung an ©leic^l^eit fd^eint ftatt^ufinben. Se^t erft gilt eg un^ al§ möglid^, i^m jurüdfgeben ju fönnen, njö^renb er frül^er über unfere S)an!6arfeit erl^aben in unferer SßorfteÖung lebte. (£g mad§t un§ biefe^ 3^^ödEgeben> Bunen eine große greube unb @rt)ebung. SBir fud^en 5U erratl^en, toa^ feinen ©d^merj Hubert, unb geben i()m bie§; toitt er tröftlid^e SBorte S3(id^e 5lufmerffamfeiten S)ienfte ©efd^enle — tt)ir geben e§; bor 5lIIem ober: toiU er unS leibenb über fein Seib, fo geben tüir unö al§ leibenb, l^aben aber bei OTebem ben ©enuß ber tt)ätigen ^anfbarfeit: al§ Ujeld^e, furj gefagt, bie gute f(ta6)t ift SBiH unb nimmt er gar nid£)t§ öon un§ an, fo ge^en tuir er!ältet unb traurig, faft gefrönft fort: e§ ift, al§ ob unfere 2)anfbarfeit jurüdfgetricfen Ujürbe, — unb in biefem (S^i^enpunfte ift ber ©ütigfte no^ fifelid^. — 5ru§ bem OTen folgt, \>ai, felbft für ben günftigften gall, im fieiben etluaS ©rniebrigenbe^ unb im SJ^itteibcn etn^aS S'rtiö^enbeS unb Überlegenheit ®ebcnbe§ liegt; loaS beibe ©mjjfinbungen auf etuig bon cinanber trennt.
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139.
^rrtöcSIic^ ^ö^er! — Sfjt fagt, blc 9}?ornt bc0 9)^itleiben§ fei eine t)öt)ere ^oxai a(^ bie be§ ©toiciömu^? Setüeift eg! aber Bemer!t, ba^ über „^öl)er" unb „nie^ briger*' in ber Tloxal nid)t njieberum nad^ moralifcf)en ©Hen abgumeffen ift: benn cg giebt feine abfolute SO^orol. S^le^mt aljo bic Sj^aagftäbe anberS ttjo^er unb ~ nun je^t eud^ öor!
140.
Soben unb X ab ein. — Säuft ein £rieg unglüdüd^ au^, fo fragt man nad) bem, ber „©c^ulb" am Kriege fei; ge{)t er fiegreid^ ju (Snbc, fo \>xä\t man feinen Url^eber. ^ie ©d)ulb tüirb überatt gefuc^t, Ujo ein SO^gerfolg ift; benn biefer bringt eine Sßerftimmung mit fid), gegen lüeld^e ha^ einzige Heilmittel unmillfürlid^ angeujenbet toirb: eine neue Erregung beS 9J?ac^tge* füf)U — unb biefe finbet fi^ in ber SSerurt^ eilung beä „@(^ulbigen". 5)iefer ©djulbige ift nid^t tttoa ber ©ünbcnbocf ber ©d)ulb anberer: er ift boS Opfer ber ©d^ujad^en, ©ebemütljigten, §erabgeftimmten, toelc^c irgenb Ujoran fid^ beujcifen ttJoUen, hai^ fie nod^ ©tärfe l^aben. Slud^ fid) felber t)erurtf)ei(en fann ein SJättel fein, nadE) einer S^iieberlage fid§ jum ®efü^I ber ©törfe ju tjerljelfen. — dagegen ift bic 18er{)errlid)ung beS Urf)eberg oftmals baä ebenfo blinbe (Srgebnig eineS anbem XriebeS, ber fein Dpfcr l^aben toill, — unb btc^s jmal ricd)t baS D))fer bem Dpfert^ier felber füg unb Icinlabcnb — : ttjenn nömlid^ ha^ ©efüljl ber Tla^t in ^! einem SSoIfe, in einer ®efellfd)aft burc^ einen großen unb bc^aubcmbcn (Srfolg überfüllt ift unb eine (£r= mübung om ©i'egc eintritt, fo giebt man Don feinem
-^ 336 —
©tolje ob; e§ ergebt fid^ baS ^efül;l ber ^iitgeSung unb fud)t ftd^ fein D6ie!t. — Ob tüir getabelt ober gelobt itjerben, toir finb gen)öl)n(id) babei bie ©elegen- l^eiteitr unb aK^uoft bie toiEfürlic^ am ©djopf gefaxten unb ]^erbetgefd)(ej)pten ©elegen^eiten für unfre 9^ä(^ften, ben in i()nen angefd^tooUenen Xrieb be§ StabelnS ober SobenS augftrömen ju laffen: toir erzeigen if)nen in betben gäKen eine SBo^tt^at, an ber ttjir !ein ^erbienft unb für bie fie feinen ^an! l^aben.
141.
©d^öner, aber toeniger tü^tt^. — 9J?a{cnfdjc 9}?oraIität: ha^ tft bie SJZoralitöt ber fteil auff^tegenben Effehe, ber f^roffen Übergänge, ber (jatl^etifd^en, ein« bringlid^en, furd^tbaren, feierlichen ©ebärben unb ^öne. & ift bie ]^albtt)ilbe ©tufe ber 9}?oraIttöt: man laffc fid^ burd^ i^ren aeft^etijd^en Sieij nid^t öerlocfen, i^r einen !^öt)eren Solang anjunjeifen.
142.
9}?item))finbung. — Um hm 5lnbem ju Derftc^cn, ha^ ^ci^t um fein ®efüf)( in unö nad^jubilben, gelten tüir ^toar f)äufig auf ben ßJrunb feineS fo unb fo beftimmten ©efü^IS jurüd^ unb fragen §um Scifpiel: toarum ift er betrübt? — um bann au§ bem felben ©runbe f eiber betrübt ^u toerben; aber biet gen)öl;nlid^er ift eg, bieg ju unterlaffen unb baS ®efü^( nad^ ben 2öir!ungen, bie e§ am 5Inbem übt unb geigt, in unS ju erzeugen, inbem mir ben ^Tu^brudE feiner Singen, feiner ©timme, feine§ langes, feiner Haltung (ober gar bereu 5lbbilb in SBort, ©emälbe, 2JJufi!) an unferem
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SeiBc nad^btlben (mtnbeften^ bt§ ju einer letfen Str^nlid^« !eit beg ^u§felf^iel§ iinb ber Snnertation). ^ann ent* fteE)t in un§ ein äl)nltd)e§ ^efül)(, in golge einer alten Slffociation öon S3en)egung unb ©mpfinbnng, toeldje barauf eingebrillt ift, xMxüätt^ unb öornjört^ ju laufen. Sn biefer ©efd)idlirf)!eit, bie ©efü^Ie be§ 5lnbem ju öerfteljen, l^aben n^ir eS fe^r n^eit gebracfit, unb faft unn)ittfürlid) finb njir in ©egenujart eineS 9J^en{d;en immer in ber Übung biefer ®efc^idlid)feit: man fe()e fid^ namentlid^ ba§ Sinienfpiel in ben tüeibü^en ^e- fid)tern an, rt)ie e§ gon§ öom unauf^örlid^en 9^a^bilben unb SBieberfpiegeln beffen, tva^ um fie ^erum ent^jfunben toirb, erbittert unb glänjt. 2lm beutlid)ften aber jeigt unä bie Tbi\\l, toeld^e SJleifter tüxx im fd^neHen unb feinen (Srrat]£)en öon (SJefü^Ien unb in ber TOtempfinbung finb: ttienn nämlidj äJ^ufif ein 9^ad)bi(b öom 9^ad)bilb öon (SJefü^Ien ift unb bod), tro^ biefer Entfernung unb Unbeftimmtf)cit, un§ nod^ oft genug berfelben t{)ei(t)aftig madjt, fo ha^ n)ir traurig ujerben, ot)ne ben geringften 5(nta§ jur Xrauer, njie toHfommene Starren, b(o§ toeil , n)ir Xöne unb 3f{^^tl)men ^ören, hjetd^e irgenbnjie an ben ©timmfiang unb bie SBenjegung öon Xrauemben, ober gar öon bereu ®ebräud)en, erinnern. 9J?an erjä^It tjon ! einem bänifdjen Äönig, ha^ er Don ber 3J?ufif eineS i^ängerg fo in !riegerifd)e öegeifterung l^ineingeiiffen itt)urbe, bag er auffprang unb fünf ^erfonen feinet t)er= Ifammelten §offtaate3 töbtete: e§ gab feinen ^eg, ifeinen geinb, uiclmel^r öon 5IIIem baö ©egent^eil, aber ;bie t)om ©efü^Ie jur Urfadje jurüdfdjliegenbe Itoft njor ftar! genug, um ben 5rugenfd)ein unb bie iSSernunft gu übertt)ä(tigcn. 5lllcin, bieg ift eben faft 1 immer bie SSirtung ber 9}hifi! (gefegt ha^ fte eben |tt)irft — ), unb man braud)t fo parabojer gallc nid^t,
I «ltt«fd)eS SUette. J%lafT.*nu«g. lY. *J2
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um bte3 etnjute^en: bcr Bi^f^öi^^ ^^^ (SJefüIjt^, in bett un§ bie SJ^ufi! bringt, ift faft iebeSmal im SBiberfpruc^ mit bem ^lugenfc^ein unfrer tüirflic^en Sage unb ber Sßemunft, loelc^e biefe n)ir!(id)e Sage unb if)re Urfad^en er!ennt. — fragen mir, tüoburd) bie 9^ad^bi(bung ber ®efü^(e anberer un§ fo geläufig getüorben ift, fo bleibt fein 3^^^f^^ ü^^^ ^^^ ^Inttüort: ber SJ^enfd^, a(§ baS furc^tfamfte aller (55efd§öpfe, Vermöge feiner feinen unb jerbredilid^en 9^atur, !^at in feiner gurd^tfam!eit bie ßel^rmeifterin jener 9}^itemj)finbung, jeneä fd)neEen SScr* ftänbniffe§ für ba^ ®efüt)( be§ ^Inbem (aurf) be§ XI)iereg) gehabt. Sn langen Sa^rtaufenben fa^ er in allem gremben unb ^Belebten eine ©efal^r: er bilbete fofort bei einem foId)en 5Inblitf ben $lu§brud ber ^üge unb ber §a(tung nad) unb mad)te feinen (Schlug über bie 5Irt ber böfen ^Tbfid^t {)inter biefen S^gen unb biefer Haltung. 2)iefe^ 5lu§beuten aller Seiüegungen unb Sinien auf 5Ibfid^ten ^at ber äJ^enf^ fogar auf bie Statur ber unbefeelten 2)inge angetoenbet — im Sßal^ne, ba§ c§ nid}t§ Um befeelteg gebe: i^ glaube, alle§, tva^ tüir 9^aturgefü^l nennen, beim 5(nblic! öon §immet, giur, gel§, SSalb, (SJetüitter, (Sternen, HJ^eer, Sanbfd^aft, JJrü^Iing, l^at ^ier feine §er!unft, — o^ne bie uralte Übung ber gurd^t, bieg 5llle§ auf einen jUjeiten ba^inter liegenben (Sinn ^in ju fet)en, ptten lüir je^t feine greube an ber Statur, mie tüir feine greube an Sl^^eufd^ unb ^l^ier l^aben mürben ot)ne jene Se^rmeifterin be^ SSerfte^en^, bie gurdjt. ^ie greube unb \>a^ angenet)me (Srftaunen, enblid^ t>a^ ©e* fü^I be§ ßöd)erlid^en, finb nömli^ bie fpäter geborenen £inber ber 9J2itempfinbung unb bie biel jüngeren ®e* fd)tüifter ber gurd|t. — 2)ie gä^igfeit be§ rafi^en SSer* fte()en§ — tt)e(d)e fomit auf ber gäljigfcit beruht, fid^ rafd^ ju öerft eilen — nimmt bei ftoljen felbftl^err«
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liefen 9J?enf^cn unb SSöÜem ab, tüell fte toeniget gitrd^t fjoben: bagegen ftnb olle ^Trten be§ SSerfte^enS unb <B\d)- S3erftellen§ unter ben öngftürfien SSöüern §u §aufe; t)ier ift and) bie rechte §eimat ber nadia^menben fünfte unb ber ^ö()eren Snteßtgen^. — SSenn i^ öon einer folc^en X^eorie ber SJ^itempfinbung au3, njie id) fte ()ter öor^ fd^Iage, an bie je^t gerabe beliebte unb ^eilig gc(|)rod^cne ^^eorie eineö m^ftifdjen ^rojeffeS beule, öermöge beffeu bog 9}?it(eib auS jtrei SSefen (SineS mod^t unb ber= geftalt bem einen ba§ unmittelbare SSerftei)en beS anbem crmög(id)t: Ujenn id^ mid^ erinnere, bag ein \o t)eller ^opf Ujie ber ©d^open^ouer'g an foW)em fd^UJärmerijc^en unb nid)t§n)ürbigen ^im^framS feine greube l^atte unb biefe greube ipieber auf ^elle unb f)atb^elle ^öpfe über- gepflanzt l^at: fo tüeiß id^ ber 95ern)unberung unb beS (Srbamteng fein (Snbe. 2Bie grog mug unfere fiuft am unbegreiflichen Unfinn fein! SSie nal)e bem SScrrücften fteljt immer nodf) ber gange 9Jienfd£), trenn er auf feine geheimen intellettuellen Söünfd^e Ijin^ört! — (SESofür cigcntli^ füllte ftdf) @d£)Opent)auer gegen ^ant fo banfbar geftimmt, fo tief öerpftid^tet? (gg üerrötf) ftd^ einmal ganj unstüeibeutig: Semanb I)atte baöon gefprod^cn, njie bem fategorifdf)en Smperatiöe ^ant'ö bie qualitas occulta genommen unb er begreifüd^ gemad^t Ujerben fönne. darüber brid)t ©rf)openl)auer in biefe Sßortc aug: „S8egrcifUrf)!eit beS fategorifd[)en Smperatit)^! ®riinböer!cl)rter (^cbanfel tgt|ptifd)e ginfternig! 2)a3 üerf)üte ber §immel, ba§ ber nid)t nodj bcgreifüd^ tDcrbcl ©ben ba^ eS ein Unbegreiflid^eS giebt, bag biefer Sammer beS SSerftanbeö unb feine begriffe bcgrenjt, bebingt, enblid^, trügtid) ift: biefe (SJctuig- t)cit ift Äant'g große« ©cfdienf." — 9}?an crtoäge, ob jemanb einen guten Sßillen jur (£r!enntni6 ber
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ntoraltfd^en ^Ingc ^at, bet t)ou Dorn'^erein burc^ ben Glauben an bie UnBegreifIid)fett biefcr ^tnge ftc^ befeligt fü^It! @iner, ber nod^ e^rlid) an ©rleud^tnngen öon Oben, an SD^agie unb ©eiftererfd^einungen unb bie metap^^fifc^e §ö§ttd^!eit ber ^ötc glaubt!)
143.
SBel^e, ttjenn biefer ^rieb crft lüüttjet! — ©efe^t, ber Xrieb ber $ln^änglt^!eit unb gürforgc für 5lnbere (bie „f^m^jatl^ifd^e 5tffe!tion") toöre boppelt fo ftar!, alg er ift, fo tüäre e§ gar ni^t auf ber @rbe ouSjul^alten. 3J2an beben!e bo(^ nur, tüa§> jeber aug 5ln^öngltd^feit unb gürforge für fid) felber an ^^orf)etten begebt, tägü^ unb ftünbltd^, unb tük un= auSfte^Iic^ er babet angufe^n ift: njte iüäre e§, trenn lüir für 5lnberc ha^ Ohidt biefer X^or^eiten unb 3iibringltd^!eiten toürben, mit benen fie fid^ bi^l^er nur felber J)eimgefud^t l^aben! SBürbe man bann nic^t blinb^ Iing§ f(üd)ten, fobalb ein „S^öc^fter" un§ na^e !äme? Unb bie f^mj)at()ifd^e 5Iffe!tion mit ebenfo böfen SBorten belegen, mit benen trir je^t ben (Sgotömug belegen?
144.
^ic OI)ren bor bem 3ammcr juljalten. — SBenn UJtr un§ burd) ben Sammer unb ba^ Seiben ber anbem @terb(id)en üerbüftern laffen unb unfern eignen §immel mit Sßolfen bebeden, tüer ^ai benn bie golgen biefer SSerbüfterung gu tragen? (Sben bod^ bie anberen ©terbtidien, unb ju aEen if)ren Saften noc^ ^^nju! Sßir !önnen iüeber l^ülfreid^ nod^ erquidfüd^ für fie fein, ttJenn lüir ba§ (Sd^o if)re§ Sammerg fein tüollen, ja
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auc^ hjcnn totr immer nur naä) t()m ^m unfcr D^r xxdjttn, — e§ fei benn, ba§ tüir bie ihinft bcr Ol^m^ier erlernten unb un§ fürber^in am Unglüdf ber SJienfi^en erbauten, anftatt baran unglüdEIid) ju iDerben. 2)ag ift aber ettüaS ju oIt)mpieri)aft für un^: obtüof)( toir, mit bem ©enug ber ^ragöbie, fc^on einen @d^ritt nad^ bicfem ibealifd^en ^ötter^^anibatentl^um get^an ^aben.
145.
„Unegoiftifd^!" — Sener ift t)of)I unb njiß öoK merben, biefer ift überfüllt unb tpiH fid| ausleeren, — beibc treibt e^, firf| ein Snbiüibuum §u fud^en, ha^ i()nen baju bient. Unb biefen SSorgang, im t)öd^ften ©innc Derftanben, nennt man beibemal mit ©inem SBorte: ßiebe, — tvk? W Siebe foUte etn^a^ Unegoiftifd^eö fein?
146.
5lud^ über ben 9^äd)ften ^inmeg. — 9Sie? ^ag SBefen beä n^a^rl^aft 3J?oraIifc^en liege barin, ha^ \D\x bie näd^ften unb unmittelbarften Solgen unferer §anblungen für ben 5Inbern in'§ 5(uge faffen unb unS bamad^ entfd)eiben? ^ieS ift nur eine enge unb flein^ 6ürgertid)e 9J?ora(, njenn c3 aud) Woxal fein mag: aber '^ö^er unb freier fd^eint eS mir gebad)t, aud^ über biefe näd)ften golgen für ben 5tnbeni 5inn)eg5ufel)en unb entferntere 3^^^^^ ^^^^^^ Umftänben aud^ burd^ bag ßeib beö 5Inberen ju förbem, — jum SBeifpiet bie (5r!enntniJ3 ju förbent, aud^ tro^ ber (Sinfic^t, büß unfere greigeifterei junädift unb unmittelbar bie Änbem in S^^^^f^^ Plummer unb ©djtimmere^ tuerfen ttrirb. dürfen u^ir unfern S^iäd^ften nic^t toenigfteuiS fo
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Be^anbeln, tote toxx unS bel^anbetn? Unb toenn totr Bei uns nid^t fo eng unb fleinbürgerlii^ an bte unmtttelBoren JJoIgen unb ßeiben benfen: toarum müßten \vix e§ bei i^m t^un? ©efe^t, tüir f)ätten ben (Sinn ber 5(ufopferung für un§: toa^ toürbe un§ Verbieten, ben 9^äcf)ften mit ouf^uopfem? — fo loie eg bi§f)er ber (Staat unb ber %nx\i tl^aten, bie ben einen Söürger ben anberen gum Op\cx brad^ten, „ber aßgemeinen Sntereffen toegen'', toie man jagte, ^ber aud^ toir f)aben allgemeine unb öieüeid^t allgemeinere Sntereffen: toarum foKten ben fommenben ©efdjlec^tern nid^t einige Snbiüibuen ber gegenmärtigen ©efdl)(ed^ter §um Opfer gebradCjt tücrbcn bürfen? fo ba^ i^r (SJram, i^re Unrul^e, i^re ^ergtoeiflung, i()re ge^Igriffe unb ^Tngftf^ritte \üx uötljig befunbcn toürben, toeil eine neue $f(ugfd)ar ben S3oben bred)en unb frud^tbar für OTe mad^en folle? — @nbüd[): \v\x t!)eilen gugteid^ bie (SJefinnung on ben 9^äd[jften mit, in ber er fidf| aU Dp^tx füljlen fann, toir überreben il^n ju ber 5lufgabe, für bie loir i^n benü^en. (Sinb toir benn ol^ne 9}ätleib? 5Iber toenn tü'xx auä) über unfer SJ^itfeib l^intoeg gegen un§ fetber ben (Sieg erringen tooUen, tft \>k^ nid^t eine l^öl^ere unb freiere §altung unb (Stimmung aU jene, bei ber man fi^ fid[}er fütjlt, toenn man herausgebracht \)at, ob eine §anblung bem S^öd^ften tool^I ober toe^e tl^ut? SSir bagegen toürben bod^ burd) ba^ Opfer — in toeldjem toir unb bie 9^0 duften einbegriffen finb — ba^ allgemeine ©efü^l ber menfd^lidE)en 9}?ad^t ftär!en unb l)öt)er lieben, gefegt aud^, baß toir nid^t 9}^el)r erreidtjten. 5lber fd^on bieS toäre eine pofttioe ^erme^rung be§ ®lüd§. — 3"le^t, toenn bie§ fogar — — bo^ Ijier !ein SSort mel^r! ©in ^M genügt, i^r ^aU mx6) tjerftanben.
843
147.
Urfa^c bc8 „mtxnx^mn^". — SSon bcr Siebe l^aben bie 3J?enfd)eu im ©anjen beg()alb fo entptiaäfd^ unb üergöttlidienb gefprod^en, tueil fie toenig baöon gel^abt ^aben unb fic^ niemals an biefer ^oft fatt cffen burften: fo hjurbe fie i^nen „©ötterfoft". TlÖQt ein S)ic]^ter einmal im S3ilbe einer Utopie bie all* gemeine 93^enfd^enliebe aB üorl^anben geigen: gctoig, er n)irb einen qualüollen unb lä^erlid^en 3"f^^"^ 5^^ Befd^reiben f)aben, beffengleid^en bie ^rbe nod^ ni^t fa^, — jebermann ni^t öon ©inem Siebenben um* fd^njörmt, betäftigt unb erfe^nt, toie eä je^t üorlommt, fonbem bon Xaufenben, \a öon Sebermann, öermöge eines unbegtüingbaren XriebeS, ben man bann ebenfo befdjimpfen unb üerflud)en tt)irb, njie eS bie ältere SD?enfd}t}eit mit ber ©elbftfud^t getrau ^at; unb bie 2)id)ter jeneS guftanbeS, njenn man i^nen jum ^idjten bie 3fluf)e Iä§t, öon 9^id)t§ träumenb al§ öon ber feiigen liebelöfen ^ßergangenl^cit , ber göttlid^en (Selbftfuc^t, ber einftmatS auf (Srben nod^ möglid^en ©infamfeit, Ungeftörtf)eit, Unbcliebtljeit, ©e^aßt^eit, S3erad}tet^eit unb n)ie immer bie gange 9^icbertrad)t unferer lieben X^ierlüelt !^ei§t, in ber ioir (eben.
148.
^luSblid in bie gerne. — 8inb nur bie §anb' lungen moralifd), tuie man njoljl bcfinirt f)at, tucldjc um bcS 5lnbercn mitten unb nur um fcinetmitten get(jan njerben, fo giebt eö !eine moratifd^cn §anb(ungen! @inb nur bie §anbtungen moralifd) — tük eine anbcre S)efinition lautet — , tpeld)e in greiljcit beS SBittenä
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getrau tüerben, fo gteBt e§ ebenfalls feine moraltfrfiett §anb(ungenl — Unb tt)a§ ift olfo ba§, toaS man fo nennt nnb \)a^ hod) jebenfaHS ejiftirt nnb erflärt fein tüin? (S§ finb bie SBirfnngen einiger tnteHeftuellen gel)(griffe. — Unb gefegt, man mad^te fi^ bon biefen Strtf)ümem frei, tt)a§ tüürbe onS ben „moralifd^en ^anblnngen"? — SSermöge biefer Srrtpmer t^eilten tpir bi^^er einigen §anb(nngen einen f)ö^eren SBert^ gu, alä fie ^aben: lüir trennten fie Don ben „egoiftifc^en" unb ben „unfreien" §anb(ungen ab. Sßenn toir fie je^t btefen toieber guorbnen, tüie njir t^un muffen, fo t)cr» ring er n toir getüig i^ren SBertl^ (i^r SBerti)gefü^I), unb ättjar unter ha^ billige SJ^aag l^inab, toeil bie „egoiftifdjen" unb „unfreien" §anb(ungen bi^l^er ju niebrig gef^ä^t n)urben, auf ©runb jener angeblichen tiefften unb inner« lidjften SSerfc^iebenl^eit. — (So tüerben gerabe fie öon je^t ab Weniger oft gett)an lüerben, toeil fie öon nun an hjeniger gefd)ä|t toerben? — Unöermeiblid^! SBenigftenS für eine gute geit, fo lange bie Sßage beä Sßert^gefü^tä unter ber 9ftea!tion frü{)erer gel)ler ftel^t! 5Iber unferc ©egenrerf)nung ift hk, ha^ tüir ben 9J?enfc^en ben guten SJ^utt) §u ben al§ egoiftifd^ berfd)rienen §anb« lungen jurütfgeben unb ben Söert!^ berfelben tüiebcr« f)erftellen, — iüir rauben biefen ha^ böfe ©etüiffen! Unb ha biefe bisher todt bie l^öufigften toaxm unb in alle Qi^'^^^f^ ^^ f^^tt ttjerben, fo nehmen tuir bem ganzen S3ilbe ber ^anblungen unb beS fiebenS feinen böfen 5lnfd^ein! ^ieä ift ein fet)r l^oIjeS (Srgebnig! Sßenn ber SJ^enfd^ fic^ ni^t mcl^r für böfe f)ält, f)öxt er auf, eg ju feini
SDritteä Sduä).
149.
i^'letnc ablDetcf)enbe ^anblungen t^un not^! 3n bcn ^Tngelegenl^eiten ber (Sitte ouc^ einmal loibet feine beffere ©infid^t l^anbeln; l^ier in ber $rayi§ nad^* geben unb fid) bie geiftige grei^eit öorbcljalten; e§ fo modjen tute alle unb bamit allen eine 5lrtig!eit unb SBoljltljat erujeifen, gut (gntfd^äbigung gleid^fam für baä §rbtt)eid^cnbe unferer SJ^einungen: — ba§> gilt bei öielen leiblid) freigefinnten SJienfd^en nid)t nur alö unbebenfli^, fonbern alä „Ijonett", „l^uman", „tolerant", „nid^t pebantifd)", unb njie bie fd)önen SSorte lauten mögen, mit benen baö intetteftueüe ©enjiffen in ©d^laf gefungen wirb: unb fo bringt biefcr fein ^nb jur d^riftlidjen Xaufe Ijer^u unb ift babei 5ltl)eift, unb jener tljut ^cg3« bienfte tüie aKe SBelt, fo fel;r er audj ben S^ölfcrljag toerbammt, unb ein dritter läuft mit einem 3[Beibd)cn in Ibie 5lird^e, njeil c^ eine fromme SSerUjanbfdjaft l^at, unb imadjt ©elübbe öor einem ^riefter, ol)ne fi^ ju fc^ämen. .,®ö ift nidjt toefentlidj, toenn Unfcreiner aud} t^ut, mnö alle immerbar tl)un unb getl)an l)abcn" — fo flingt Daö grobe SSorurt^eil! ^er grobe 3rrtljum! ^enn :§ giebt nid^tsJ SBefentlidjereS, als tucnn baS bereite ii)D^äd)tige, 5lltl)erfömmlid)e unb üernunftloS 5Inerfanntc i)urd) bie ^anblung eineö anerfannt Sßernünftigen noc^ 'inmal bcftätigt n^irb: bamit crljält eö in ben klugen
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oHer, btc bobon t)ören, bie ©cmftton bcr SSentunft fetber! 5lIIe 51[d)tun9 bor euren SJ^eimmgen! 5(6cr ! leine abiDeidjenbe §anbtnngen finb mel^r njert^I
150.
^er S^fö'^^ ^^^ (£f)en. — SSäre xd) ein ®ott, unb ein njotjttDoKenber ®ott, fo toürben mid^ bie @^en ber 3J?enfd§en mel^r al§ alle§ 5lnbere ungebulbig ntad^en. Sßeit, tüeit !ann ein (Singeiner bonrärtS fommen, in feinen fiebenjig, ja in feinen breigig Salären — e^ ift gum ©rftaunen, felbft für Götter! 5lber fielet man bann, tüie er ha^ (Srbe unb SSermäd^tnig biefeS 9fttngen§ unb (Siegend, ben Sorber feiner 9J?enfd^Iid^!eit, an ben erften beften Ort auf{)ängt, too il^n ein Sßeiblein jerjjftücft; fteljt man, tt)ie gut er gu erringen, tüie fd^(erf)t ju ben)a{)ren berfte^t, ja toie er gar md)t baran benft, ba^ er bermittelft ber geugung ein nod^ fiegreid^ereS Seben borbereiten fönne: fo ibirb man, toie gefagt, ungebulbig unb fagt fid) „e§ fann auS ber $D?enfd^l)eit auf bie ^auer nid^t§ irerben, bie (Singelnen ttjerben berfdituenbet, ber Qn\aU ber (£()en mac^t alle SSemunft eines großen langes bcr 3J?enfd}()eit unmöglid^ — l^ören Wxx auf, bie eifrigen gufd^auet unb S^larren btefe§ @d§aufpiel§ oljue Qid §u fein!" — Sn biefer (Stimmung jogen fid^ einftmalS bie ©öttcr S))ifur'g in x\)xt göttlid^e (Stille unb (Seligfeit gurüd: fie tDaren ber äJ^enfd^en unb i^rer SiebeSljönbel mübe.
151.
^ter finb neue Sbeale ju crfinben. — @ö follte ntd^t erlaubt fein, im 3"f^^^^c ^cr $8erliebt^eit einen ©ntfd^lug über fein Seben ju faffen unb einer heftigen
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©riÖc hjcgen ben ©f)aralter fetner ^efellfd^aft etit für allemal feftgufe^en: man foHte bte (Sdjlrüre ber Siebenben öffentlich) für ungültig erÜören unb iljnen bie @^e üernjeigem: — unb gujar, njeil man bie @f)e unfögüc^ tt)id)tiger nehmen foUte! fo \>ai fte in fold)en gätlen, njo fte big^er ju ©tanbe fam, für gen)ö]^nlid^ gerabe nid)t gu ©tanbe fömel (Sinb nid^t bie meiften (£(;en ber Slrt, bag man feinen 2)ritten alg Qeugen ttjünfd^t? Unb gerabe biefer S)ritte fe!£)(t faft nie — ha^ ^nb — unb ift me()r al§ ein S^^Ö^r nämlid) ber ©ünbenbotf!
152.
(Sibformel. — „SBenn id) je^t lüge, fo bin idj fein anftänbiger 9}?enfd) me(}r, unb jeber foU e^ mir in'S (SJefid^t fagen bürfen." — SDiefe Formel em^)fef)(e id) an ©teKc be§ gerid)t(ic^en (SibeS unb ber üblidjen 5Inrufung ©otteg babei: fie ift ftärfer. 5Iud) ber gromme ^at feinen (SJrunb, fid^ i^r ju n)iberfe^en: fobalb nömlid^ ber bi§l)erige (Sib nidjt mel^r f)inreid)enb nü^t, muß ber gromme auf feinen ^ated)igmu§ l^ören, njeld^er tjorfdjreibt „bu foEft ben S^amen ®otteS beineS §crrn nid)t unnü^Iid^ füfjrenl"
153.
(Sin Unjufriebener. — ^aS ift einer jener alten ^opferen: er ärgert fid) über bie Giuiüfation, ttjcil et meint, biefetbe jietc barauf, alle guten ^inge, ßljren, ©djä^e, fdjöne SBeiber — aud^ ben geigen jugängüd^ ju mad^en.
154.
Xroft ber ^3cfäl)rbeten. — ^ie QJricd)cn, in einem fieben, ttjeldjeä großen (SJcfal)ren unb Umftür^en
- 350 —
fef)r no^e ftanb, fu(f)ten tm 9^ad^ben!en unb (5r!enncn eine %xt <Std)ert)eit be§ ®efüf)l§ unb Ic^te§ refugium. SStr, in einem unöerc^Ieirfilid^ fid)reren ^uftanbe, l^aben bie (55efä{)rlid^!eit in'§ 9^a(i)ben!en nnb @r!ennen getragen unb eiijolen unb beruhigen un§ öon i^r am ßeben.
155.
(Srlüfd^ene 6fe^)fi§. — M)ne Sßagniffe finb tn ber neuen geit feltener al§ in ber alten unb mittel« alterlii^en — tüal^rfdjeintic^ be^Ijalb, ttjeil bie neue 3eit nid)t meljr ben ©lauben an SSorgeic^en Drafel ©eftirne unb SBa^rfaget ^at 2)a§ ^eigt: lüir finb baju unfähig gettjorben, an eine un§ beftimmte gulunft ju glauben, fo trie bie 5l(ten glaubten, ttjelcä^e — anberS al§ Ujir — in S3e5iel^ung auf ha^, tüa^ fommt, öiel tüeniger ©fcptifer tnaren al^ in S^ejiel^ung auf ha^, njoö ha ift.
156.
$ru§ übermütig böfe. — „^a^ mx un§ nur nidjt ju ttjol)! füllten!" — ba§ tüax bie l^eimtic^e ^erjenSangft ber ^rieci)en in ber guten Qdt ^e^f)alb prebigten fie fi^ baä Waa% Unb ipirl
157.
Kultus ber „S^laturlciute". — SBo^tn tucift e3, ha^ unfre ßultur gegen bie ^(ugerungen be§ ©c^merje^, gegen X^ränen, klagen, SSornjürfe, ©ebörben ber SButl^ ober ber 2)emütl)igung, nid^t nur gebulbig ift, ha^ fie biefelben gut tieigt unb unter bie ebleren Unöermeib« lid^feiten red^net? — tt)ät)renb ber ®eift ber antifen
— 851. —
^'^i[ofop:^te mit SSeradjtung auf fie \a^ unb iljnen bur^auö !eine ^Rotl^tDcnbigfeit jucrfaunte. Wan erinnere ftd^ boc^, tüie ^loto — ha^ ^eigt: feiner öon ben un- menfrf)lic§ften $I)iIofopl)en — üon bem ^Ijitoftet ber tragifdjen S3uf)ne rebet. (SoHte unfrer mobernen ßultur bielleidjt „bte $(jiIofopI;ie" feilten? ©oEten toir, nad^ ber ^Ibfd^ä^ung jener alten ^^iIofo)3^en, öieKeid^t fammt unb fonberg gum „^öbel" geijörcn?
158.
^(ima be§ (SdjmeidjIerS. — ^ie f)ünbif(^en ©d}mcid)Ier mug man je^t nidjt mel)r in ber ^äl)e ber gürften fudjen — biefe f)a6cn aße ben miütörifd^en ©efdjmad, unb ber ©djmeidjler ge^t tuiber biefen. Slber in ber S^ä^e ber S3anquier§ unb ^ün[t(er tüäd^ft jene S3(ume audj ie(jt nod^.
159.
^ie ^obten=(£rn)ecfer. — ©itle iOtcnfdjen fdjciljcn ein @tüd ^ergangent)cit bon bem 5lugcnbli(f an J)ö()er, bon bem an fie cä nad^5uem^)finben Vermögen (jumal Joenn bie§ fdjtüierig ift), \a fie tüoHen e§ Ujomöglid^ je^t njieber Don ben Xobten eriuedcn. SDa ber ©iteln ober immer eine Unja!)! ba ift, fo ift bie ©cfaljr ber l^iftorifc^en ©tubien, fobatb eine ganje Qexi iljncn obliegt, ia ber iljat nic^t gering: eS Ujirb ju üiel 5lraft an aUe möglidjen Xobten-ßrttjedungen toeggetüorfen. SSieUeid^t t)crftel)t man bie ganje S3en)egung ber Ü^omantif am bcften auä biefem ®cfid)t§pun!te.
352 —
160.
@itcl, begc^rlid) unb iüentg lücifc. — Sure Segierbeu ftnb größer a(§ euer ^erftaub, unb eure ©ttetfeit ift x\od) größer al§ eure ^egierben — fold^en 9J?enfd^en, tute il)r feib, t[t t)on ®runb quo red)t ötel d^riftüd^e ^ßrajiS unb ba§u ein SSenig @d§opent)auertfd^e Xl^eorie anjurattjen!
161.
(Sdjön^eit gemäß bem Q^xtaitex. — SBenn unfere ^i(bi)auer, 9}?a(er unb 3)iufi!er ben ©inn ber Qdt treffen iDoEen, fo muffen fie bie ©d^ön^eit gebunfen, riefenl^aft unb nert)ö§ bitben: fo löte bie ©ried^en im Söanne i^rer 9}?oraI beS 9J2aage§, bie ©dE)ön{)eit als StjjoKo t)om S5elöebere fa^en unb bilbeten. 2Bir follten il^n eigentlid^ l^äßlid^ nennen! 5I6er bie albernen ^(Slafficiften" l^aben un§ um alle @^r(id)feit gebrad^t!
162.
^ie Sronie ber ©egennjörtigcn. — 5(ugem blidflid^ ift eS @uro))Qer^$(rt, alle großen Sntereffen mit Sronie ju bel^anbeln, iüeil man bor ©efd^öftigfeit in i^rem ^ienfte feine ^dt Ijat, fie emft ju nel^men.
163.
®egen Ütouffeau. — SBenn e§ toal^r ift, baß unfre Sibiüfation ettoaS ©rbärmlid^e^ an fid^ i)at: fo \)Qbt \l)x bie Söa^I mit 9?ouffcau meitcrjufdjließen „bicfc crbörmlid)e ©iüilifation ift (Sd^ulb an unfrer fd^Ied^ten
— 353 —
Woxaiität", ober gegen Ü^ouffeau gurücfjufdjüegen „unferc gute 3J2oralität ift ©d^ulb an biefer (£r5ärm(td)!eit ber ©öiüfation. Unfere f^marfien unmönnUd)en gefellf^aft* fidlen S3egriffe öon ©ut unb S5öfe unb bie unget)eure Über^errfdjaft berfelben über ßeib unb (Seele ^abcn ade Selber unb aKe ©eeten enblid^ fd)n)ad^ gemad^t unb bie felbftänbigen unabhängigen unbefangnen 3J?enfcf)en, bie Pfeiler einer ftarCen ßimlifation, jerbrod^en: tüo man ber f^Ied^ten 9J?oraIität je^t nod^ begegnet, ba fie^t man bie legten krummer biefer Pfeiler." (So ftel^e benn ^arabojon gegen ^arabojonl Unmögüd^ fann f)ier bie 2öat)rl)eit auf beiben ©eiten fein: unb ift fte übert)aupt auf einer t)on beiben? SD^an prüfe.
164.
SSieUeid)t uerfrü^t — ©egentuörtig fd^eint e3 |o, ba6 unter aller^anb fatfd^en irrefü^renben 9^amen unb äumeift in groger Unfiarf)eit, öon leiten bercr, tpeldje ftd^ ni^t an bie beftel^enben (Sitten unb ©efe^e gcbunben f)alten, bie erften SSerfu^e gemad^t toerben, fid) 5U organifiren unb bamit fic^ ein 9iec§t ju fdjoffen: Ujö^renb fie bi§f)er, al^ S8erbredf)er, JJreibenfer, Unfitt(id)e, 33öfen)id^te öerfdirien, unter bem Sänne ber ^ogelfreif)eit unb be^ fd£)led^ten ©enjiffend, öerberbt unb Derberbenb, lebten. ^ieS foKte man im ©anjen unb trogen billig unb gut finben, ttjenn ed aud^ baä füinmenbe 3at)r(}unbert gu einem gefä^rlidjen madE)t unb icbcin bag ®ett)e^r um bie (Sd^ulter ^ängt: fc^on bamit eine ^cgenmac^t ba ift, bie immer baran erinnert, baß ieg feine allein *moraIifd}*mad^enbe SO^oral giebt unb ha^ liebe auöfd)(icBIid^ fid) felber bejaljenbc 6itt(id)!eit ju Diel gute ^raft tobtet unb ber 3Jicnfc^f)cit ju tt)euer ju
Jaeöfdje« Werlc filQff..9lu«fl. IV. 23
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ftel^en !ommt. '^k 5(b'iüet(^enben, h)eld)e fo ^äufig bic (£rfinberifd)en unb grud)tbaren ftnb, foKen tttc^t me^r geopfert Serben; e§ foE nx^t einmal mel)r für fd)änblt(^ gelten, öon ber SJ^oral abguiüeic^en, in ^^aten unb ©ebanfen; e§ follen §Ql)lreid^e neue SSerfuc^e be§ Sebenö unb ber ©emeinfd^aft gemacht Ujerben; e§ foU eine ungel^eure Soft öon fd^led^tent ©etüiffen an^ ber SBelt gefrfjafft tperben — biefe aßgemeinften Qkk foHten öon aEen S^ieblid^en unb SBa^r'^eitfud^enben onerlannt unb geförbert toerbenl
165.
2öeld)e ^oxal nx^t langtüetlt. — ^ie fittlic^en ^aUjjtgebote, bie ein SSol! fid^ immer tüieber lel)ren unb öorprebigen lä§t, f teilen in S3e5ie]^ung ju feinen Hauptfehlern, unb be^^alb Ujerben fie il)m nid^t lang- iueilig. ^ie ©riechen, benen bie 9J?ä§igung, ber falte SJhit^, ber geredete @inn unb überl^aupt bie ^ßerftänbig* feit attguoft ab^anben famen, l^atten ein Ol^r für bie t)ier fofratifd^en Xugenben — benn man ^att^ fie fo nötl)ig unb bod^ gerabe für fie fo rtjenig Xalentl
166.
21 m @df)eiben)ege. — ^fuil S^r looHt in ein@ljftem hinein, rao man entloeber ^ah fein mug, üoll unb ganj, ober unter bie SfJäber gerätl^l 2öo eö fid^ üon felber öerfte^t, ba^ jeber ha^ ift, too^u er oon Oben ^er gemad^t tuirb! 2öo ba§ <Sud^en nad^ „Sonneyion" ju ben natürlid^en ^flid^ten gehört! ^o feiner fic^ beleibigt füf)lt, toenn er auf einen 9J?ann mit bem SBinfc oufmerffam gemacht ioirb „er fonn 3l)nen einmal nü^en"! 2Ö0 man fid& nic^t fd^ämt, 93efud^e ju mad^en, um bie
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gürfpra^e einer ^erfon ju erbitten! 2öo man nid^t einmal afyxt, n)ie man [n^ burd^ eine geftiffentlid^e ©inorbnung in fold^e bitten ein für aßemal alö geringe Slöpfernjaare ber $Rotur Bejeid^net ^at, n)eld)e anbre öerbrauc^en unb jerbrei^en bürfen, o^ne fid) fe^ir bafür üerantmortlirfi gu füllen; gleid) a(§ ob man fagte: „an foldjer 5lrt, tvk i^ bin, tt)irb e§ nie 9}?angel geben: nef)mt mii^ ^in! 0{)ne Umftänbe!" —
167.
2)tc unbcbingten §ulbigungcn. — Söenn ic^ an ben getefenften bentfd)en ^i)i(ofop^en , an ben gef)örteften beutfd^en äJinfifer unb an ben angefet)enften beutfdjcn (Staatsmann ben!e, fo mufe ic^ mir eingeftetjen: eö mirb ben ^eutfd)en, biefem S8ot!e ber unbebingten ©efül^Ie, je^t red)t fauer gemad)t, unb jujar üon i^ren eigenen großen SOZännern. (SS giebt ba breimal ein prac|tUolte§ ©d^auf^iel §u fe^cn: jebeSmal einen <ötrom, in feinem eignen, felbftgegrabenen Strombette, unb fo mädjtig bemegt, baß eS öfter fd)einen !önnte, als moHte er ben 53erg ()inaufftrömen. Unb bennod), ioie toeit man feine 3}ere^rung aud^ treiben möge: mer möchte nic^t gern anbrer 9J?einung fein als ©^open^auer, im fangen unb Großen! ~ Unb toer !önute je^t (Siner SD^einung mit ^f^ii^arb SSagner fein, im ©anjen unb im Slleinen? fo n)al)r ed aud) fein mag, maS jemanb ; gefagt ^at, baß überall, mo er ^Inftoß nimmt unb mo !|cr Hnftoß giebt, ein Problem öergraben liegt, — l|öenug, er felber bringt eö nid^t an baö ßid^t. — Unb ienblid^, mie oiele mödjten üon ganzem ^erjen mit 53iömard ßiner 9)^cinung fein, menn er felber nur mit licl) Siner 9J?einung märe ober auc^ nur 9J?iene machte,
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cg fürber^tn ju fein! QtDOt: ol^nc ©runbfa^e, aber mit ©runbtrieben, ein betpeglii^er ®eift im ^ienftc ftarfer ©runbtriebe, unb eben beSl^alb ot)ne ©runbfä^c — ba§ follte an einem ©taat^manne nid^t§ Sluffälligeä ^aben, öielmel^r al§ ha^ 9?ed^te unb S^aturgemöße gelten; aber leiber toav e§ bi^l^er fo burdf)au§ nid^t beutfd^! ebenfo menig alg Särm um 9Jhtftf, unb fU^igüang unb SJägmut^ um ben 9Jhtfifer, ebenfo töenig alö bie neue unb aujserorbentlid^e SteKung, ujeld^e <5d^openf)auer n)äJ)Ite: nämlid^ tueber über ben fingen, nod^ auf ben Men öor ben 2)ingen — beibe^ ^ättt noci) beutfd^ feigen fönnen —-, fonbern gegen bie Ringel Unglaubüd^! Unb unangenehm! @id^ in @ine 9?ei{)e mit ben S)ingen fteHen unb boc^ al§> i^r ©egner, §u guterle^t gar alö ber ©egner feiner f eiber! — toa^ fann ber unbebingte S8ercl)rer mit einem foldien ^orbilbe anfangen! Unb toa^ überl^au^t mit brei foId)en SBorbilbern, bie unter einanber felber ntd)t grieben galten motten! ^a ift @d^openf)auer ein ©egner ber Tln\xt SSagner'ö, unb SÖßagner ein Gegner ber ^oütif SiSmarcf'g, unb ^iSmarc! ein ©egner atter SBagnerei unb ©^o^en^auerei! 9Ba^ bleibt ha ju tf)un! SSol^in fid^ mit feinem durfte nac^ ber „§ulbigung in S3aufc^ unb S5ogen" pd^ten! könnte mau fid§ oietteid)t au§ ber Wl\i\it be§ SiJhififerg einige I)unbert %altt guter äJhifi! auSlefen, bie fid^ einem an'^ 5)er5 legen unb benen man fid^ gern an'^ ^erj legt, meil fie ein ^erj ^aben, — fönnte man mit biefem fleinen ^auh bei @eite gel)en unb ben gangen S^left -- öergeffen! Unb ein eben fold^eö 5lb!ommen in §inftd^t beÄ $^ilofoj)!^n unb be^ ©taatgmonneä auSfinbig machen — anliefen, fid^ an'§ §erj legen unb namentlid^ ben ÖfJeft üergeffen! Sa, menn nur baS SSergeffen nic^t fo fd^loer märe! ^a gab eö einen fe^r ftoljen 9)^enfd^en,
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bct burd)au^ nur bort ft^ felber cttt)aä annef)mcn toollte, ®uteg unb ©d^IimmeS: atä er aber ha^ ÜBergeffen nöt^tg i)attc, fonnte er e§ ftd^ felber nid^t geben, fonbern mugtc breimal bte ©eifter befd^mören; fte fanien, fie ^örten fein SSerlangen, unb jule^t fagten fie: „nur bieS gerabe fte^t ntc^t in unferer Wad^tl" (Sollten bie ®eutfcf)en fid^ bie @rfaf)rung 9J^anfreb'g nic^t 5U 9^u^e mad^en? SBarum erft nod^ bie ®eifter befd)n)ören! @§ ift unnüg, man üergigt nic^t, menn man üergeffen ioiH. Unb toie grofe ioäre „ber D^Jeft", ben man \)kx, üon biefen brei trögen ber Qtit, öergeffen mu§te, um fürbert)in if)r SSere^rer in 23aufd§ unb 93ogen fein ju fönnen! SDa ift eä bod^ rät^li^er, bie gute (SJelegen^eit ju benu^en unb ettt)aö Sfleueö 5U öerfud^en: nämlic^ in ber 9fiebüd)feit gegen fic^ felber ju^une^men unb aug einem SSolfe beö gläubigen ^^adjfpred^enS unb ber bitterböfen blinben geinbfeligfeit ein SSoIf ber bebingten 3wf^""^^""9 ""^ ber n)o()(mollenben (5JegnerfdC)aft ju Ujerben; junäd^ft aber ju (erneu, bag unbebingtc ^ulbigungen Dor ^erfonen ctma§ Säd^erlid)eg finb, bafe t)ierin umlernen aud^ für ^^eutfdje nid^t unrüt)m(idj ift, unb bajj e^ einen tiefen, be^ergigenöUjertljen ©^rud^ giebt: „Ce qui Importe, ce ne sont point les personnes: mais les choses." J)iefer (Spruch ift toie ber, tocld^er i^n f))rad), gro§, brat), einfad) unb fc^toeigfam — ganj iüie Saniot, ber Solbat unb ber üiepubUfaner. — ?(ber barf man jegt jo uon einem granjofen ju ^eutfc^en fpred^en, noc^ paju öon einem 9^epub(ifaner? SßieIIeid)t nid^t; ja jicüeid^t barf man nid)t einmal baran erinnern, toa§ )^icbul)r feiner 3eit ben ^eutfd^en fagen burfte : niemanb )nbe i^m fo fe()r ben ©inbrucf ber tt)a^ren (^rö§c gegeben al^ Samot.
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168.
(Sin SBorbtIb. — S3a§ liebe trf) an Xfiuf^btbeö, toQ§ mad)t, ha^ td| tJ)n pl^er e^re atö ^(ato? dr ^at bie umföngüd^fte unb unbefangenfte greube an adem X^ptfd^en be§ SO^enfd^en iinb ber ©reigniffe unb finbet, ba§ ju jebem X^pu^ ein Quantum guter SSernunft ge!)ört: biefe fu^t er ju entberfen. (Sr f)at eine größere ^raftifd^e ^ered)tig!eit aU $loto; er ift fein 3SerIäfterer unb S5er!(einerer ber 3J?enfd^en, bie iljm nirfjt gefallen ober bie il)m im Seben me^e getrau ^aben. Sm ^egent^eil: er fie^t ettüag ©rogeg in alle ^inge unb ^erfonen l^inein unb ju il^nen l)in§u, inbem er nur X^^cn fte{)t; toa^ l^ätte aud§ bie gan^e 9^ad^h)elt, ber er fein 2öer! tüei^t, mit bem ju fd^affen, nja^ nii^t t^))ifd^ njöre! @o fommt in t^m, bem SJ^enfd^en^^enfer, jene (Sultur ber unbefangenften Söeltfenntniß 5U einem legten ^errlid^en ^luSblü^en, meld)e in (Sopt)o!(e§ i!)ren ^id^ter, in ^erifleä i^ren Staatsmann, in ^xppohaki i{)ren ^(rjt, in ^emofrit il^ren D^aturforfdier t)atte: jene Kultur, tvdf^t auf ben 9^amen i^rer Set)rer, ber (Sopfjiften, getauft ju njerben üerbient unb (eiber öon biefem 5(ugenblide ber Xaufe an un§ auf einmal bla§ unb unfaßbar ju tperben beginnt, — benn nun orgmö^nen Ujir, e§ muffe eine fe^^r unfittlid^e ©u(tur geföefen fein, gegen meiere ein ^(ato mit atten fofratifi^en ©d^ulen fämpfte! ^ie SBal)r()eit ift ^ier fo öer^micft unb t)er{)ä!elt, ha^ eS SBibertüiKen marf)t, fie aufgubröfeln: fo laufe ber alte 5rrtf)um (error veritate simplicior) feinen olten SBeg! —
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169.
^a« ©rted^tfc^e un§ fe^r ftcmb. — Drtcntaltfd^ ober 3)?obern,5(ftatifc^ oberSuropäif^: im SSerl^öItnig jum (SJried^ifc^en tft btefem 51tlem bie 9J?affen^aftig!ett unb ber ®enu6 an ber großen Quantität alä ber <Sl)rorf)e beö @ri)abenen ju eigen, ttjö^renb man in ^äftum, $omt)eii unb 5ItI)en unb öor ber ganzen grie^ifd)en 5(rd)iteftur fo erftaunt barüber tvxxO, mit tüxt fleinen 3J?a[fen bie (5Jrierf)en etnjaö ©r^abene^ auSjufpred^en triffen unb au^äufpredjen lieben. — ©benfaHö: lüie einf ad^ tüdxm in ©rie^entanb bie 9J?enfd^en fidEj fclber in il^rer SSorftellungl Sßie toeit übertreffen tüir fie in ber S0?enf(^enfenntni6 1 SBie lab^rintijifd^ aber aud^ nel^men fic^ unfere ©eelen unb unfre SSorfteHungen Don ben ©eelen gegen bie irrigen au^! SBoKten unb tagten lüir eine 5Ird^iteftur nad^ unferer ©eeten-^lrt (tuir finb ju feige baju!) — fo müßte baS fiab^rint^ unfer Sßorbilb feini ^ie und eigene unb un§ loirfli^ auöfpred)enbe SJJufif lögt e3 fd^on erratl^enl (3n ber ÜUhifif nömtic^ (äffen firf) bie SJ^enfc^en ge^en, toei( ftc ittjäljnen, eä fei niemanb ba, ber fie felbet unter il^rer 5[J?ufi! 5U feljen öermöge.)
170.
Slnbere ^erfjjeftiüe beS ®cfüf)lS. — 2Ba3 ift unfer (5Jefdf)h)ä^ t)on ben ®ned[)enl 2öa5 öerftel)en loir benn öon i()rer 5lunft, bcren ©ecte — bie Seibcnfc^aft für bie männli^e nadfte ©d[)ön^eit ifti (Srft öon ba üuä empfanben fie bie toeibtidEie ©djönljeit. ©o Ratten fie ülfo für fie eine üöffig anbere ^erfpeftiüe ald toir. Unb ä^nUd^ ftanb e§ mit i^rer fiiebe jum SSeibe: fie berel)rten anbcrä, ftc öerad^tetcn onbcr«.
— 360 —
171.
S)ie @rnöf)run9 bcS mobernen SJ^enfc^ert. — ©r berftel^t bteleS, ja faft aEc§ ju berbauen — e§ tft feine 5lrt S^rgeij: aber er tt)ürbe ^öl^erer Drbnung fein, metttt er bie§ gerabe nid^t berftünbe; homo pamphagus ift nid)t bie feinfte @pecie§. 9Sir (eben 5h)ifd§en einer SBergangen^eit, bie einen öerrüdtteren nnb eigenfinnigeren ©efd^mad ^otte al§ toxt, unb einer 3"toft, bie bielleic^t einen getoäl^Iteren ^aben lüirb, — toir leben ju fel^r in ber mtte.
172.
Xragöbie nnb 2)^nfif. — SJ^önner in einer friegerifdien ©mnböerfaffnng be§ ®emüt(]§, ttjie ^um SBeif))iei bie ®ried)en in ber Qdt beS 5(fd^^Iu§, finb fd^tner jn rühren, nnb njenn ha§> W\tki\>en einmal über il^re §ärte fiegt, fo ergreift eä fie inie ein Taumel nnb gleid) einer „bömonifd^en ©ehjatt", — fie fügten fi^ bann nnfrei nnb ton einem religiöfen ©d^anber erregt, ^interl^er l^aben fie i^re S3eben!en gegen biefen 3wftonb; fo lange fie in il^m finb, genießen fie ba^ ©nt^ücfen be§ ^Inßer^id^'feing nnb beS Sßnnberbaren, gemifd^t mit bem bitterften SSermntl^ beg Seiben^: e§ ift ba§ fo red§t ein ©eträn! für ^eger, etnja^ (Seltene^, (SJeföl^rlid^eä nnb S8itterfüße§, t>a^ einem nid£)t leidet jn ST^ieil njirb. — 5ln (Seelen, bie fo ba§ TOtleiben em|)finben, n)enbet fic§ bie Xragöbie, on l^arte nnb !riegerifd^e (Seelen, njeWjc man fdjtoer befiegt, fei e§ bnrd^ %ntd}t, fei e^ bnrc^ 9}?itleib, toeld^en e§ aber nü^e ift, t)on Qdt ju 3^^^ erh)eidE)t ju loerben: aber toa^ foE bie ^ragöbie benen, toeld^e ben „f^ntpatljifd^en ^ffe!tionen" offen ftel^en tüie bie (Segel ben S33inben! TO bie §Itt)ener njeid^er unb
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em^finbfamcr gelüorben lüaren, jur Qtxt ^(ato'g — ad^ tote ferne iüaren fie nod) öon ber 9lülf)rfeliö!eit unferer (SJrog^ unb Ätetnftäbter! — aber bod) flagten frf)on bie P)i(o|opI;en über bie (Sd^äblid)fcit ber ^ragöbie. ©in Seitalter öoUer ©efa^ren tüie baä eben beginnenbe, in tüeld^em bie Xopferfeit unb SD^ännlic^feit im greife fteigen, niirb öieKeidjt aHmä^üd) bie (Seelen n)ieber fo fiart ma^en, ba§ tragifc^e ^id^ter i^nen notl) tl^un: einfttoeilen aber tt)oren biefe ein tüenig überftüffig, ~ um bag mitbefte Sßort ju gebrüudjen. — ®o fommt öieöeid^t aud) für bie 9J?ufi! nod) einmal baö beffere 3eitalter (genjig n)irb eö ba§ böfere fein!) bann, njenn bie Äünftier fid) mit \i)x an ftreng perjönlid^e, in ftd^ f)arte, üom bunflen Prüfte eigener Seibenfd)aft be^errfd^te 3D^enfd)en ju rt)enben ^aben: aber tüa^ foll bie SOhtftf biefen l^eutigen aüjubelüeglidien , nnau§gen)ad)fenen, ^albperfönlidjen, neugierigen unb nad) eitlem (üftemen ©eeld^en be§ öcrfc^minbenben 3^^^ölter§!
173.
S)ic ßobrebner ber Slrbeit. — S3et ber SScr* ^crrlid^ung ber „9(rbeit'\ bei bem unermüb(id)en 9?eben öom „©egen ber 5(rbeit" fe^e id) benfetben §intergebanfen, toie bei bem ßobe ber gemeinnü^igen unperfönüd^en §anb(ungen: ben ber gurd)t Dor allem SnbiüibueHen. 3m ©runbe fül)lt man jejjt, beim 3lnbUd ber 5lrbeit — man meint immer babei jene l)arte §lrbeitfamfeit öon grül) biö @pät — bag eine fold^e 5lrbcit bie befte ^olijei ift, baj} fie jcben im QanwK l)ält unb bie (Snttuidlung ber S8ernunft, ber S3egcl)rlid)feit, beä Unabl)ängigfeitö' .gclüftcö fräftig jn l)inbcrn üerfteljt. ^enn fie öerbraud^t aujicrorbentlid^ öiel S^erüenlraft unb entjiclit biefclbe
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bcm ^adptnkn Grübeln jträumen borgen Sieben §affen, fie fteHt ein !(eine§ Qki immer tn'g 5luge unb geh)äf)rt leichte unb regetmögige S5efriebigungen. <Bo tüirb eine ®efeEfrf)aft, in tpetd^er forttüä{)renb ^art gearbeitet loirb, mef)r <Sidf)er^eit f)Qben: unb bic (Sid)ert)eit betet man je^t al§ bie oberfte ©ottl^eit an. — Unb nun! (Sntfe|en! (SJerabe ber „5(rbeiter" ift gefä^rlid^ geworben! (£§ toimmelt öon „gefät)r(irf)en Snbiöibuen"! Unb hinter i^nen bie ^efa^r ber ^efal^ren — ba§ individuum!
174.
Woxalx\(i^e Wohe einer ^anbeltrcibenben ©efellfd^aft. — hinter bem ©runbfafee ber je^igen moraIif(^en Wlobe: „moraüfd^e §anb(ungen fiab bie ^anbtungen ber S^mpat^ie für 5lnbere" fel^e \^ einen focialen Xrieb ber gurdjtfamfeit n)a(ten, ttjeld^er fid^ in biefer Sßeije inteHeltueE öermummt: biefer ^rieb luiH, als Dberfteg, 3[öid)tigfte§, ^ä^fteS, bag bem Seben alle (^e\ä^xl\djteit genommen tüerbe, meldte e§ frütjer \)atte, unb ha^ baran jeber unb mit aßen Säften Reifen foöe: beS^alb bürfen nur ^anblungen, toelc^e auf bie gemeinfame ©ic^er^eit unb baS ©id^er^^eitSgefü^t ber ®efellfd)aft abfielen, 't>a^ ^röbifat „gut" bekommen! — 933ie njenig greube muffen bod^ je^t bie äJ^enfd^en an fic^ ^aben, trenn eine fold^e X^rannei ber gurd^tfamfeit i()nen ba§ oberfte ©ittengefe^ öorfd^reibt, toenn fie e§ fid^ fo iöiberfprud^gloS anbefel^Ien laffen, über fid^, neben ftdf) n)egäufe|en, aber für jeben 9bt()ftanb, für jebeS Seiben anbertoärtS Sud^Saugen gu Ijaben! ©inb Ujir benn bei einer fold^en ungel^euren 5lbfid^t(id^feit, bem Seben aEe ©d^örfen unb Tanten abjureiben, nid^t. auf bem beften Sßegc, bic 9}?enfd^l^eit ju (Sanb ju
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machen? @anb! deiner, hjetd^cr, runber, unenblic^er ©anb! Sft ha^ euer Sbeat, t^r ^erolbe ber f^mpat^ifd^en 5(ffeftionen ? — Sngtüif^en Bleibt felbft bie Srctgc unkanttüortet, ob man bem 5(nbern mefir nu^t, tnbem man i^m unmittelbar fortnjöl^renb beifpringt unb ^ilft — tüa^ bod) nur fe()r oberftäd}Ii(^ gefd^e{)en !ann, Xüo eö nid)t gu einem t^rannifrfjen Übergreifen unb Um- bilben mirb — ober inbem man au^ fid§ fetber ttma^ formt, maö ber 5(nbre mit (SJenug fte^t, etma einen t^önen rutiigen in fid^ abgefd^Ioffenen (harten, tüe(d)er ^of)e äWauem gegen bie ©türme unb ben ©taub ber Äonbftra^en, ober ancf) eine gaftfreunblid^e Pforte ^ßt
175.
(SJrunbgebanfe einer (Sultur ber §anbel« treibenben. — SJ^an fief)t je^t me^rfac^ bie Mtur einer ©efeKfc^aft im (£ntftef)en, für meld)c baä § anbei- treib en ebenfo fet)r bie ©eele ift, alS ber perfön(i(f)e 2Bett!am|)f eö für bie altern ©riechen unb aU ^eg, «Sieg unb dlcd)t eS für bie 9?ömer maren. ^er §anbe(= trcibenbe ücrftet)t a(Ie§ ju tajiren, o^ne e^ ju mad^en, unb jiüar ju tajiren nac^ bem ©ebürfniffe ber ©onfumenten, nid^t nadf) feinem eigenen perfönüd^ften S3ebürfniffe; „mer unb mie oiete confumiren bie^?" ift feine groge ber gragen. liefen %\)pn^ ber ^ajation iüenbet er nun inftinftiu unb immermä^renb an: auf OTeö, unb fo aud) auf bie §ert)orbringungen ber 5lünftc unb SSiffenfc^aftcn , ber Genfer ®e(el)rtcn £ünft(er ©taatömänner, ber SSöIfer unb Parteien, ber ganzen 3eit= alter: er fragt bei Willem, tva^ gefd)affen n^irb, nad^ 5lngebot unb 9f?adjfrage, um für fid^ ben SBert^ einer <Bad:^Q feft5ufe^cn. ^ie^ jum ßl;ara<ter einer
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gangen Kultur gcmad^t, 6tS tn'8 UnBcgtenjtc unb gctnftc burd^gebad^t unb allem SSoHen unb können aufgefomtt: ha^ tft t^, loorauf t^r SJ^enfd^en be§ näd^ften Sa^r^unbert^ ftolj fein iuerbet: lüenn bte ^ro>)l£)eten ber §anbe(tret6enben Moffe 9ied^t f)aben, biefeS in euren 8eft^ gu geben! ^er id^ ^^Cihz n)enig ©tauben an biefe ^rop^eten. Credat Judaeus Apella — mit §oraj ju reben.
176.
^ie ^riti! über bie Sßäitx. — Sßarum Verträgt man \t%i bie 2öa]^r{)eit jd^on über bie jüngfte S8er« gangen{)eit? 9ßei( immer j^on eine neue Generation "bii ift, bie ftrf) im ®egenfa| ju biefer Vergangenheit fü^It unb bie (Srftünge be§ ®efü^(^ ber SJ^ad^t in biefer £riti! genießt. (£t)emate tüoHte umgefefjrt bie neue Generation ftd) auf bie altere grünben, unb fie begann fid^ gu füllen, inbem fie bie 3Infid§ten ber Böter nid)t nur annahm, fonbern momögIid§ ftrenger naJ)m. ^ie ^ti! über bie SSöter ioar bamalS (after^aft: jc^t beginnen bie jüngeren Sbealiften bamit.
177.
®infam!eit lernen. — Dl) ü^r armen ©djelme in ben großen ©tobten ber SBelt^olitif , i^r jungen begabten, öom ©lirgeije gemarterten 3J?änner, rtjeld^e e§ für i^re $flid)t l)alten, ju aüen Gegebenheiten — e§ begiebt fid^ immer ettoa^ — il)r SBort ju fügen! 9ßeld£)e, ioenn fie auf biefe 3Irt (Staub unb £ärm mad^en, glauben ber SBagen ber ©efd^id^te gu fein! SBel^e, toeil ftc immer l)ord^en, immer auf ben 5lugenblidE paffen, mo ftc i^r SBort l^ineinn^erfen fönnen, jebe Oi^it ^robu!- tiöitöt Verlieren! SJiögen fie aud^ \\o6) fo bege^rli^
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nad^ Qroßcn Sßcrfen fein: bic liefe (Scf)tt)eigfamfeit ber (Sd^n)angerfd^aft fommt nie ju i()nen! ^a§ (Sreignig beg ^ageä jagt fie tvk (Spreu öor fid§ ^er, tüä^renb fic meinen, ba^ (£reigni§ ju jagen — bie armen ©d^elme! — SBenn man einen §e(ben auf ber S3ü^ne abgeben njiU, barf man nid^t baran benfen, Storno ju mad^en, ja man barf nid^t einmal miffen, tok man ©t)oru§ mad)t.
178.
^ie Xäglid^s5(bgenü^ten. — 5)iefen jungen SD^ännern fei)(t e^ tueber an Sl^arafter, nod) an S3egabung, nod^ an glei§: aber man \)at i^nen nie Qdt gelaffen, fic^ felber eine 9fJid)tung ju geben, üie(met)r fie öon ^nbe^^ beinen an getüöf)nt, eine 9fäd)tung ju empfangen. ^ama(g als fie reif genug tüaren, um „in bie SBüfte gefd^idEt ju merben", t^at man ettuaS 5(nbereS — man benu^te fie, man entmenbete fie fidf) felber, man er§og fie ju bcm tö^Iidjen 5lbgenu^tn)erben, man mad^te i^nen eine $f(idjten(el)re barauö — unb je^t fönnen fie eS nid^t met)r entbef)ren unb njollen eö nid^t anberS. 9^ur barf man biefen armen ßwQt^ie^en i^re „gerien" nic^t üerfagen — mie man eS nennt, bieg äJ^uge-Sbeal eines überarbeiteten 3at)r]^unbertS: mo man einmal nad) §erjenS(uft faulenden unb btöbfinnig unb finbifd^ fein barf.
179.
@o tpenig als möglich (Staat! — Slllc poUtifc^en unb mirtt)fd)aftlid§en ^erljältniffe finb eS nid^t mert^, bafe gerabe bic begabteften (SJcifter fid^ mit i^nen befaffen bürften unb müßten: ein foldE)er ^i^erbraud^ beS ®eifteS ift im ©runbe fc^Ummer a(S ein S^ot^ftanb. (SS finb unb bleiben Gebiete ber Arbeit für bic geringeren 5!öpfe,
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unb anbere alä bie öcringen 5^öpfe foHten biefer SBerfftötte nid^t 5U ^ienften fielen: möge tteber bie 9J?Qf dritte tüicber einmal in (Stütfe ge^en! (So tüie e§ aber je^t [te{)t, tt)o nid^t nnr alle täglid^ barnm glauben hjiffen ju muffen, fpnbem aud^ jebermann alle 5lugenbIidEe bafür tptig fein tüxU unb feine eigene 5lrbeit barüber im ®tid^e lögt, ift e§ ein großer unb Iäd{)erüd§er 3ßat)nfinn. SD^an be^afilt bie „allgemeine @id^er|eit" öiel §u treuer um biefen ^rei§: unb, mag ha^ Xollfte ift, man bringt überbieg ha^ ©egent^eil bcr allgemeinen (3id^erf)eit bamit !^eröor, mie unfer üebeg Sa^r^unbert §u bemeifen unternimmt: a(g ob cg nod^ nie bemiefen märe! ^ie ©efellfd^aft biebgfid^er unb feuerfeft unb unenblid^ bequem für jeben §anbel unb SBanbel §u mad^en unb bcn (Btaat gur ^orfe^img im guten unb fc^Iimmen (Sinne um^umanbeln — bieg ftnb niebere, mäßige unb nic^t burdjaug unentbe^r= lid^e giele, tDe(rf)e man nid^t mit ben ^ö^ften SO^tteln unb SBerf^eugen erftreben foEte, bie eg überhaupt gi ebt, — ben TOtteln, bie man eben für bie {)öd§ften unb feltenften 3^ede ftd^ aufgufparen f)äüd Unfer Zeitalter, fo t)iel eg t)on Ofonomie rebet, ift ein $8erfdf)menber: eg tjcrfd^menbet bag ^oftbarfte, ben ®etft.
180.
^ie 5lriege. — ^ie großen Kriege ber ®egenumrt ftnb bie Sßirfungen beg ^iftorifd)en (Stubiumg.
181.
S^^e gieren. — ^ie ©inen regieren, aug fiuft am ^Regieren; bie Zubern, um nid)t regiert ju merben: biefen ift eg nur bag geringere üon jmei Übeln.
j
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182.
^tc grobe Sonfequenj. — - HJ^an jagt mit grogcr Sluggeirfinung: „boS ift ein ß^arafter!" — \a\ tüenn er grobe ^onfequen§ geigt, tuemt bie Sonfequeng aud^ bem ftumpfen 5(uge einleud)tet! Hber fobdb ein feinerer unb tieferer ®eift njaltet unb auf feine ^öf)ere Söeife foIgerid)tig ift, leugnen bie 3wf^f^wei^ ^cl^ SSor{)anbenfein beg (5:t)ara!terg. ^eS^oIb fpielen öerfcf)(agene (Staate* männer il^re ^omöbie genjöl^nlid^ ^inter einem 2)ecf* mantel ber groben ßonfequenj.
183.
5)ie Griten unb bie jungen. — „@g ift eüoa^ Unmoralifrfje^ an ben Parlamenten — fo ben!t ber unb jener immer nod^ — , benn man barf ba auc^ §(nfid)ten gegen bie S^egierung f)aben!" — ,,9D?an mufe immer bie 5lnfid^t öon ber (Sac^e t)aben, toetd^e ber gnäbige §err befiehlt,'' — ba§ ift ba§> elfte ®ebot in manrf)em brauen alten ^opfe, namentUd) im nörblid^en ^eutfrf)(anb. 90?an (ad)t barüber mie über eine Deraltete äJJobe: aber et)ema(§ mar eg bie 3J?oraI! SSießeid^t bag man aud| mieber einmal über \>a^ ladfjt, ma§ je^t, unter bem partamentarifc^ erlogenen jüngeren ©efdjted^t als^ moratifdf) gilt: nämlid) bie ^oliüf ber Partei über bie eigne Sßeigr)eit ju ftetten unb jebe grage be§ öffentlid^en SBo^Ie^ fo ju beantworten, mie e^ gerabe guten SBinb für bie ©egel ber Partei mad)t. „9J?an muß bie ^Infid^t Don ber ©ad)e t)aben, metdje bie Situation ber ^artci erl)cifd)t," — fo mürbe ber Slanon lauten. 3m ^ienfte einer fold)en Woral giebt e^ je^t jebe 5lrt oon Opfer, i©elbftübertüinbung unb 9}?artt)rium.
— 368 —
184.
^cr @taat aU (Sräcugntg ber 5(nard^tftcn. — Sn bcn fiönbem ber gebänbigten 9J?enfdjen giebt eg immer xiodj genug öon ben rüdftänbtgen unb ungebönbtgten: augenblidtltd^ fammeln fie fid^ in ben fociaüfti[d)en ßogem me^r als irgenbttjo anberS. Sollte e§ baju fommen, ba^ biefe einmal ®efe^e geben, fo fann man barauf red^nen, ha^ fie fi^ an eine eifeme ^ttt^ legen unb furd)tbare ^iSci^lin üben njerben: — fie fennen fid^! Unb [te merben biefe GJefe|e aushalten, im S3en)u6tfein, ha^ fie f eiber biefelben gegeben l)aben, — ba^ ©efü^l ber Waä^t, unb biefer Tlat^t, ift 5U jung unb ent^üdenb für fie, alg ba^ fie nid^t alles um feinettpitten litten.
185.
S3 etiler. — Wflan foß bie ©etiler abfcf)affen: benn man örgert fid^, il^nen ju geben, unb ärgert fid^, i^nen nid^t äu geben.
186.
®efd)äftSleutc. — (guer ©efd^öft — baS ift euer größtes 95t>rurtl)eil, eS binbet euc^ an euren Ort, an eure ©efeUfc^aft, an eure Steigungen. 3m ®efd^äft fleißig — aber im ©eifte faul, mit eurer ^ürftigfeit jufrieben unb bie ©d^ürje ber ^flid^t über biefe 3ufriebent)eit gelängt: fo lebt il)r, fo Ujoßt i^r eure ^nber!
187.
5(uS einer möglid^en 3w^ii«f*- ■— Sft ein 3uftanb unbenfbar, too ber Übeltl)äter fid^ f eiber §ur
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^njeige bringt, firf) felbcr feine ©trofc öffentlid^ biftirt, im ftoljen ©efü^te, bag er fo ba& ®efe^ e^rt, hai er fe(6er gemad^t E)at, ha^ er feine 9J?ad^t ausübt, inbem er ficf) ftraft, bie Tla^t beg öJefe^geberS? (£r fann ftc^ einmal üerge^en, aber er ergebt fid^ bur^ bie freinjißige ©träfe über fein SSerge^en, er loifd^t ba^ SSerge()en burd^ greimütl^igfeit ©röge unb diuljt nic^t nur auö: er tt)ut eine öffentliche 2Bot)It^at iiinju. — ®ie§ tt)öre ber SSerbre^er einer mögüd^en 3^^it"f^f toeldjer freilid^ aurf) eine ©efeggebung ber 3ii^""ft borauäfe^t, be^ ©runbgebanfen^: „ic^ beuge mid) nur bem ©efe^e, tDeId)e^ ic^ felber gegeben l)aU, im kleinen unb trogen." ©g muffen fo üicie ^ßerfudje noc§ gemad)t luerben! (£ö mu6 fo manche ßufunft noc^ an'3 ßid^t kommen I
188.
JRaufdj unb (Srnät)rung. — ^ie SSötfer werben
fo fe^r betrogen, n)eil fie immer einen S5etrüger fud^en:
inämlid) einen aufregenben SSein für it)re ©inne. SBenn
ifie nur ben t)aben fönnen, bann nehmen fie mol^t mit
lfd)(cd)tem S3robe fürlieb, ^er 9?aufd^ gilt i^nen me^r
|alg bie 9^al)rung — t)ier ift ber ^öber, an bem fie
jimmer anbeißen n)erben! 2Ba§ finb i^nen 93?änner, auä
i^rer '^xitt geluäljlt — unb feien ed bie fadjfunbigften
tera!tifer — , gegen glönsenbe Eroberer, ober alte prunf*
ijt)afte 3ürftenl)äufer! SJ^inbeftcn^ mu§ ber SSolfömann
iiljneu Eroberungen unb ^run! in ^uöfic^t fteHen: fo
Hnbet er öieEeidjt (SJlauben. <öie gel)orci)en immer unb
l)un noc^ mel;r al§ gel)ord)en, öoranögefe^t ba^ fie
ic§ babei beraufc^en fönnen! 9J?an barf il)ncn felbft
iüc 9^u()e unb baS 3Sergnügen nxdjt anbieten, ol)ne ben
|,3orberEranj unb feine öerrüdt mac^enbc ^uft barin.
*f| 9Kt6fci)e0 ^CT(e. fllari..Uu«0. IV. 24
— 370 —
S)tefcr pöbelhafte ©ef^madf, toeld)er ben S^iaufd^ iDid^ttöer nimmt a(§ bic (Stnöl^rung, tft aber feine§tüC9§ in ber Xiefe be§ $öbe(§ entftanben: er ift öielme^r bort{)in getragen, bortljin öerpftan^t unb bort nur no^ am meiften rürfftänbig unb üppig auffd^iegenb, n)ö^renb er t)on ben l)öd^ften Sntelligengen ^er feinen Urfprung nimmt unb 3at)rtaufenbe lang in i^nen geblüf)t §at. S)a§ SSol! ift ber (e^te tpitbe S5obcn, auf bem biefeS glängenbe Unfraut nod^ gebei^en fann. — SBie! Unb i^m gerabe foKte man bie ^olitif anvertrauen? S)amit eS ftd§ au^ i^r feinen täglichen iRaufd^ mad^e?
189.
SSon ber grogen ^oHtt!, — @o öiel aud^ ber S^ht^cn unb bie ©itelfeit, üon (Sinjelnen toie öon SSöIfern, in ber großen ^oliti! mittt)ir!en mögen: ha^ genjaltigfte SBaffer, ba^ fie öortüärtä treibt, ift baS ^ebürfni§ beS 9J?ad^tgefül^I§, tt)eld§e§ nid^t nur in ben ©eelen ber gürften unb 3J?äd)tigen, fonbem nic^t jum geringften X^eil gerabe in hm niebaen @d^id)ten be§ S5ol!e§ au^ unöerfieglid)en Cueßen üon 3^^^ ä" Seit ]^ert)orftö§t. (£§ !ommt immer njieber bie @tuube, mo bie SJiaffe il)r Seben, ii)x SSermögen, i^r ©etoiffen, il^re ^ugenb baran^ufe^en bereit ift, um jenen ii)reii ^öd^ften ®enu§ fid^ gu fd^affen unb als fiegreid^ej t^rannifd) tüiHfürlid^e ^Ration über anbre Stationen 51 1 fd^alten (ober fid^ fd^altenb ju benfen). ®a quellen bi öerfdf)tt)enberifd^en aufopfernben ^offenben üertrauenba| überöerttjegenen p^antaftifd^en ©efü^Ie fo reid)Iid^ Ijerau^j bag ber el;rg einige ober fing öorforgenbe gürft eine] Ärieg öom 3^^""^ bredjen unb ha^ gute QJen)iffen bc SSodeg feinem Unrecht unterfd^iebcn fann. ^ie groge
— 871 —
(Srobetcr l^abcn immer btc ))at5ettfd^e ©prad^c ber 'Iitgenb im SQ^unbe geführt: fic E)atten immer 9J?affen um fid^, lüeli^e ftd^ im ßi^f^önbe ber @rf)elJung befanben unb nur bie erl)obenfte (Sprad^c ^ören tooHten. SBunbcr- (id^e Xottf)eit ber morQ(ifd)en llrt(;eilel Söenn ber 9Jienfd^ im ®efüi)(e ber Tlad)t ift fo fü()It unb nennt er fid^ gut: unb gerabe bann fuf)Ien unb nennen it^n bie 3lnberen, an benen er feine 9J?ac^t auSlaffen mug, böfel — §efiob ^at in ber gäbe! öon ben 9)?enfrf)ena(tern ha^^ felbe 3^i^ö(ter, bo§ ber i)omerifc^en §eÖ)en, jtoeimat hinter einanber gemalt unb jmei au^ einem gemalt: t)on benen au3 gefe^en, metd^e unter bem e()ernen entfeglid^en jDrucf biefer abenteuemben ©eloaltmcnjd^en tftonben ober burd§ i^re SSorfa^ren baöon toußten, ierfd^ien eg böfe; aber bie S^ad^fommen biefer ritterlid^en <SJefd)Ied)ter öereljrten in i^m eine gute alte felig^atb^^ fetige Qdt ^a tüugte ficf| ber ^id^ter nic^t anberS 5U i^elfen, al3 er getl)an \)at, — er ^attc mo^I Qn^xtx beiber Gattungen um fid^I
190.
^ie et)emaügc beutfd^c ©Übung. — 8(Id bie
Deutfc^en ben anbem SSöIfern ©uropa'S anfiengen
ntereffant ju n)erben — e^ ift nidjt 5U lange l^er — ,
iefc^a^ eö Denuöge einer S3ilbung, bie fte je^t nid^t
incl}r befigen, ja bie fie mit einem blinben @ifer
ibgcfc^üttelt t)aben, mie uB ob fie eine 5lranft)eit geloefen
ci: unb bodt) mußten fie nid)tö öeffereö bagegen ein-
utau(d)en alä ben potitifc^en unb nationalen SSal^nfinn.
freiließ t)aben fie mit i^m erreicht, bag fic ben anbcrn
'3öl!ern nod) meit intereffanter getvorben finb, a(d fic
i bomalö burd) if)re 33i(bung moren: unb fo mögen fic
)i:e 3ufriebenl)eit ^abenl Su^mifc^cn ift nic^t ju leugnen,
— 872 —
ha^ jene beutfd)e Silbung bie (£uroJ)äer genarrt f)at uub baJ3 fic eittcS fold^en Sntereffeä, ja einer fotd^en 'tRa^-- ol^mung unb ttjetteifernben ^tneignung nid)! tüertl) njar. Wart fe()e ftd^ l^eute einmal nai^ ©d^iller, SSil^elm öon §umBoIbt, (Sd^Ieiennad^er, ^egel, ^d)elling um, man lefe il^re 85rieftt)ed)fel unb füf)re fic^ in ben großen Shd^ it)rer §lnt)änger ein: tt)ag ift i^nen gemeinsam, tvai an il^nen toirft auf ung, ttjie toir je^t finb, balb fo unauSfte^ti^ , balb fo rü^renb unb bemitleibenSioert^? ©inmal bie @ud^t, um jeben ^rei§ moralifd^ erregt ju erfcfieinen; fobann ha^ Sßerlangen nac^ glönjenben fnod^enlofen OTgemein^eiten, nebft ber ^Tbfid^t auf ein @d§önersfef)en*tt)oIIen in S3ejug auf OTe« ((S^araftere ßeibenfd^aften 3eiten bitten), — (eiber „fd^ön" nad^ einem {(^(ed^ten üer(d)n)ommenen ©efd^mad, ber fid^ nid^tä« beftotneniger gried^ifd^er 3l6funft rüfjmte. ©^ ift ein meid^er, gutartiger, fitbem gli^ember 3beaü§mu§, meld^er öor 5lKem ebel üerftettte (SJebärben unb ebel öerfteÜte Stimmen ^ahm toill, ein ^ing, ebenfo anmaafelidf) afö ^armIo§, befeelt öom ]^er§lidE)ften SSibertnillen gegen bie „!alte" ober „trocfene" 9Bir!(id^!eit, gegen bie 5lnatomie, gegen bie öollftänbigen Seibenfd^aften, gegen jebe te p()i(ofo)3f)if^er ©nt^altfamfeit unb @fe^)fi§, jumal aber gegen bie S^aturerfenntniß, fofeni fie fid^ nirf)t ju einer religiöfen S^mboli! gebraud^en lieg. 2)iefem treiben ber beutfd^en Silbung fa^ (5Joet()e ju, in feiner 5lrt: banebenftefjenb, milb miberftrebenb, fdjnjeigfam, fid^ auf feinem eignen befferen Söege immer mel^r beftärfenb "Dem faf) ttma§> fpäter aud^ @d^openl)auer ju — i^n toar öiel mirftid^e SBelt unb Teufelei ber SSelt miebei fid[)tbar*getDorben, unb er fprad^ baüon ebenfo grob alJ, begeiftert: benn biefe Teufelei ^at i^re <Sd^önf)eit! - Unb ttja^ öcrfü^rtc im ©runbc bie ^uSlänber, ha^ fi
— 373 —
bcm nic^t Jo jujo^cn tok ©oct^e unb (Bd^optntyaitt, ober ctnfad^ babon abfallen? @8 lüot jener matte ^lottj, jenes rätt)fe(f)afte TOId^ftrogen-Sid^t, toeld^eS um btefe S31(bung Ieud)tete: bobei jagte \x6) ber SluSlänber „baS tft uns fe^r, fet)r ferne, ba ^ört für unS ©el^en, §ören, S8erftef)en, ©eniegen, 5l6fd^ä^en auf; tro^bem fönnten e§ ©terne fein! ©oßten bie 2)eutfc^en in aller (Stifle eine ©de beg §immelg entbecft unb ftd§ bort niebergelaffen t)aben? Wlan mug fud^en, ben ^eutfc^en nä^er ju fommen." Unb man fam i^nen nä^er: njö^renb faum biel fpäter biefelben ^eutf^en ftd^ ju bemül^en an* fiengen, ben TOId^ftragem^Ianj bon ftd^ abjuftreifen; fte njugten ju gut, bag fte nid^t im ^immel genjefen njoren, — fonbem in einer 2öo(!e!
191.
Seffere 9}^enfc^cn! — SKon fagt mir, unferc
ffiunft tDenbe fic^ an bie gierigen, unerfättlid^en, un*
^ebänbtgten, Derefelten, jerquätten 3)?enfd^en ber (Segen*
rort unb jeige i^nen ein S3itb öon (5elig!eit, §öt)e unb
5ntrt)eltlid§ung neben bem 93i(be i^rer Söüft^eit; fo ba§
te einmal bergeffen unb aufatf)men !önnen, ja üieHeid^t
•en eintrieb jur gluckt unb Umfe^r mit an^ jenem
f^ergeffen jurüdbringen. 5lrme Huftier, mit einem
pld)en ^ublifum! 9J?it fold^en ^alb priefterlicf)en, ^alb
rrenärjtiic^cn §intergcban!en! Um mie öiel gtücflid^er
m SomeiUe — „unfer großer ©omeitle", mie grau
Oll (S6üign6, mit einem ?(ccent beä SBeibeS öor einem
an^en SKanne, aufruft — , um mie öiel !)öt)er feine
Ju^örerfd^aft, njeld^er er mit ben 93ilbem ritterlid^er
fugenben, ftvenger ^flid^t, gvogmüt^iger 5luf Opferung,
elben^after 33änbigung feiner f eiber mo^lt^un fonnte!
-« 374 —
9ßie anbcr^ liebten er unb fie ba§ 2)afein, nic^t au3 einem blinben tDüften „SBiUen" ^txan^, ben man öerftu^t, toeil mon il^n nid)t §u tobten öermag, fonbem aU einen Ort, auf bem @rö§e unb Humanität mitfammen möglid^ finb unb njo felbft ber ftrengfte S'^anq ber gormen, bte Untertüerfung unter eine fürftlid^e unb geifttid^e SBiUfur ireber ben (StoI§, nod^ bk 9litter(id)!eit, noc^ bie 5lnmut^, nod) ben ®eift aKer (Sin^elnen unterbrürfen fönnen, öielme^r al§ ein D^ei^ unb (Bpoxn beS ©egenfa^eä jur angeborenen @elbft^errli(^!eit unb SSomel)m^eit, jur ererbten SJ^ad^t be^ SBoüen^ unb ber Seibenfd^aft empfunben hjerben!
192.
<Sirf| öollfommene ©egner »unfeinen. — 3)?an fann e§ ben granjofen nid^t ftreitig mai^en, ba§ ftc ba§ djriftlid^fte Sßol! ber (Srbe gen)efen finb: nid^t in ^infid^t borauf, ba^ bie ®(äubig!eit ber 3)?affe bei i^nen größer getpefen fei o(§ anberttjörtä, fonbern beöl)alb, tt)ei( bei i^nen bie fd^tnierigften d|rift(id^en Sbeale fid^ in SHenfd^en üertüanbett f)aben unb nid^t nur SSorftellung, 5(nfa^, ^alb^eit geblieben finb. 2)a ftel)t $a§cal, in ber ^Bereinigung öon (SJIut^, (SJeift unb 9fiebfirf)feit ber erfte atter ß^^riften, — unb man ermäge, mag fi^ l)icr ju bereinigen l^atte! ^a fte^t g^nelon, ber öolüommene unb be^aubembe 5lu§bruc! ber fird^Iid^en (Suttur in aßen i^ren Säften: eine golbene W.tte, bie man aU §iftorifer geneigt fein fönnte, a(g etmaS Unmöglid^e^ ju bemeijen, mö^^renb fie nur etmaS unfaglid^ <Sd^mierige« unb Unmal^rfd)ein(idf)e§ gemefen ift ^a fteljt grau t)on (SJut)on unter ifjreö ©leieren, ben franjöfifd^en Duietiften: unb alleg, mag bie S3erebfamfeit unb bie Brunft be^ §tpoftelg ^aulu« t)om 3wftobc ber erl^abenften, liebenb*
— 375 —
ften, fünften, t)er5ücfteften §at5göttltd)!ctt beS ^n\itn ^u crrat^cn gefudE)t f)at, ift ha SSal^r^eit getüorben unb ^at babei jene iübijd^c 3ii^^i^9^^^^^^*' tt)eld)e ^auluö gegen ®ott i)at, abgeftreift, ^an! einer äd)ten, frauen- haften, feinen, t>orne^men, altfranjöfifd^en S^aiüetät in SBort unb ©ebärbe. 2)a ftel^t ber ©rünber ber Slrappiften- ftöfter, er, ber mit bem affetifd^en Sbeale be§ Sl)riften= ti)um§ ben testen @mft gemad)t f)at, nid^t a(§ eine ?(uSnat)me unter g^angofen, fonbem red^t als granjofe: benn biö 5U biefem ^iugenbtidE öermod^te feine büftere 6^öpfung nur unter granjofen l^eimifd^ unb fräftig ju bleiben, fte folgte i^nen in ben ©Ifag unb nad^ 5I(gerien. SSergeffen lüir bie Hugenotten nid^t: fdf)öner ift bie ^Bereinigung be§ friegerifdjen unb arbeitfamen ©inneö, ber feineren ©itte unb ber (i)riftlidf)en Strenge bi§t)er nid^t bogenjefen. Unb in ^ort ^o^at tarn jum legten 9J?a(e bo^ gro§e d^riftUd^e ©ete^rtent^um jum S3(ü^en: unb baä S3(üt)en t)erfte{)en gro^e 9J?enfd^en in granfreid^ beffer oB anbertoärtS. gerne baüon, oberfläd^tid^ ju fein, l^at ein großer ^ranjofe immer bod^ feine Dberf[äd^e, eine natürlid^e §aut für feinen Snf)a(t unb feine Xiefe, ~ n)ä()renb bie ^iefe eineS großen ^eutfd^en jumeift tuie in einer frauöförmigen Zapfet öerfd^Ioffcn gehalten h)irb, at§ ein ©tijir, baS üor fiid^t unb leid^tfertigen Rauben burd} feine t)arte unb n)unberlidje §ülle fid) ju fd)ü^en fud^t. — Unb nun enat^e man, tüarum biefeö SßoÜ ber öoUcnbetcn X^pen ber S^rift(id}!eit aud) bie öoUenbcten ®egent^))en beö undjriftlid)en grcigeiftcö erzeugen mufete! ^er franjöfifdje greigcift fampfte in fid) immer mit großen 3J?enfd[)en unb nidjt nur mit Dogmen unb er()o6enen 9D^i§geburten, tt)ic bie grcigeifter anbercr 33ölfcr.
— 876 —
193.
Esprit unb SOJoroL — 5)cr £)eutjc§c, tüeld^ct ftd^ auf baS ©el^eimnig Derftcl^t, mit ©eift, SBiffen unb ^emütf) langweilig ju fein, unb fid^ gen)öf)nt i)at, bic Sangemetle als moralifd^ ju empfinben, — J)at t)or bem franjöftfd^en esprit bie 5lngft, er möd^te ber Tloxal bie 5Iugen au^fterfien — unb bod) eine ^ngft unb Suft, n)ie bo§ Sßöglein bor ber ^(ajj^jerfd^Iange. SSon ben berül^mten ^eutfi^en ^at üieEeii^t niemanb mel^r esprit gel^abt aU §egel — aber er i)attt bafür au^ eine fo gro^e beutfd^e 5Ingft bor i^m, ha^ fie feinen eigentpm(id)en fd)Ied)ten (Stil gefd^offen ^at Neffen Sßefen ift nämUd^, ba^ ein ^em umtüidEelt unb nod)ntaIS unb tüiebenim umtüicfelt tüirb, bi§ er faum no^ f)inburd^blidt, öerfdCjämt unb neugierig — tuie „junge grau'n burd^ i!^re (Sd)teier blidfen", um mit bem alten SBeiber^affer ^ifd^^tuS 5U reben — : jener Äem ift aber ein tüil^iger, oft borlauter (Einfall über hk geiftigften ^inge, eine feine ge\t)agte SBortberbinbung, toie fo tttüa^ in bie ©efcüfd^aft bon S)en!ern gef)ört, aU S^io^^ ber 2SiffenfdC)aft, ~ aber in jenen Umtoidflungen ))räfentirt eS fid^ al§ abftrufe SBiffenfd^aft felber unb burd^auS al§ l^öd^ft moralifdfie Sangetoeile! ^a l^atten bie ^eutfd^en eine i^nen erlaubte gorm be§ esprit unb fie genoffen fie mit fotd^em auSgelaffenen ©ntjüden, ba^ ©d^opent)auer'§ guter, fel^r guter Sßerftanb babor ftiüe ftanb, — er l^at geittebenS gegen ba§ ©d^aufpiel, loeld^eS il^m bie ^eutfd[)en boten, geJ)ottert, ober ed nie ftd^ ^u erÜören bermoc^t.
— 377 —
194.
©itclfeit ber WHoiaiit\)xtx. — ^cr im ©an^cn geringe Erfolg ber SWordlei^rcr ^ai bartit feine ©rftärung, ba§ fic §u öiel auf @in SD^oI tüoUtm, ba§ ^ei§t, ba§ fie ju el^rgeijig tooren: fte ttJOÜten aÜjugem 9Sorfd)riften für 511 le geben, ^ieö aber ^ei§t im Unbeftimmten fdj^tieifen unb hieben an bie XI)ierc galten, um fie gu 3J?enfd}en ju marf)en: n)ag SBunber, bog bie XI)iere bieS (angnjeilig finben! 3J?an foßte begrenzte 5lrcife ftd) au§fud)en unb für fie bie Tloxal fu^en unb förbem, alfo jum 93eifpiel 9f?eben üor ben SBöIfen Italien, um fie gu 5)unben ju mad^en. SSor OTem aber bleibt ber große (Srfotg immer bem, n)eld)er meber 5(ßc, nod^ begrenjte ^eife, fonbem ©inen crjieticn h)ill unb gar nic^t nac^ 9ftec^t§ unb Sin!ö auSfpä^t. ^a^ öorige 3of)rf)unbert ift bem unfern eben baburd^ überlegen, ha^ cS in ifjm fo t)iele einzeln erjogene 9J?enfc^en gab, nebft eben fo öielen (Srjie^ern, meldte f)ier bie 5Iufgabe i()re§ ßeben§ gefunben Ratten — unb mit ber 5lufgabe auc^ SSürbc, t)or fid; unb aller anberen „guten ©ejellfd^aft".
195.
S)ie fogcnannte c(affifct)c (Srjie^ung. — 3" entbeden, ba§ unfer Seben ber ©rfenntnife gehjeil^t ift; bo6 n)ir eä mcg^oerfen mürben, nein! bag mir eS meg* getüorfen t)ätten, menn nid£)t biefe Söei^e ti üor un^? f eiber f^üfete; jenen ^erö fid^ oft unb mit ©rfdjüttcrung toorfpred^en :
„@d)irf|al, i(^ folge bli! Unb luottt' idj ii^t, \äi müfet' cS bo(^ unb unter Seufzen t^un!"
— 378 — •
— Unb ttUtt, bei einem 9fiü(fb(trf auf ben Sßeg bed ßebenS, ebenfalls entbeden, \)a^ ettpaä nirfjt tüieber gut 5U mad^en ift: bie SSetgeubung unferer Sugenb, alä unfrc (grjie^er jene toipegierigen, t)ei^en unb burftigen Sat)te nid^t bagu öertoaubten, unö ber (grfenntni^ ber ^inge entgegen^ufü^ren, fonbem ber fogenannten „claffifd)en S3ilbung'M 2)ie SSergeubung unferer Sugcnb, als man uns ein bürftigeS Söiffen um ®ried)en unb 9liömer unb beren ©prac^en ebenfo ungefd)idEt atS quäterifd^ beibrad^te, unb äun)iber bem oberften (So^e aEer S3iibung: ha^ man nur bem, ber junger barnad^ Ifat, eine ©peife gebe! 5(tS man unS 9J?atl)emati! unb ^l)^ft! auf eine gen)altfame SBeife auf^tüang, anftatt unS erft in hk ^erjnjeiflung ber Unlüiffenl^eit ju fül^rcn unb unfer üeineS töglid^eS Seben, unfre §antierungen unb aEeS, tnaS fid) jtüifd^en 9??orgen unb ^Tbenb im ^aufe, in ber 2ßer!ftatt, am §immel, in ber Sanbfd)aft begiebt, in Xaufenbe bon Problemen aufjulöfen, tjon ))einigenben befd^ämenben aufrei^enben ^obtemen — um unfrer SBcgierbe bann ju jeigen, ha^ toir ein mat^ematifd^eS unb med^anifd)eS SBiffen ju aEernöd^ft nötl^ig Ijaben, unb uns bann baS erfte tt)iffenfd}aftlid^e @nt§üdfen an ber abfoluten goIgeric^tig!eit biefeS SSiffenS ju lehren! ^ättt man unS au^ nur bie ©l^rfurc^t öor biefen SBiffenfd^aften geleiert, l)'dtit man unS mit bem ^Ringen unb Unterliegen unb Söieber-SSeiterMmpfen ber (Strogen, t)on bem SJ^art^rium, melc^eS hk ©efc^id^tc ber ftr engen SBiffenfd^aft ift, aud^ nur (£in Wlai bie (Seele erbittern mad^en! S8ielmel)r blieS unS ber ^aiiä^ einer getüiffen (SJeringfdjä^ung ber eigcntlidl)en Söiffen* fd^aften an, ju fünften ber ^iftorie, ber „formalen ^Silbung" unb ber „Slafftcität"! Unb mir liegen un« fo leidet betrügen! formale ^ilbung! $)ätten toir nic^t
— 379 —
ouf bic beftcn ßc^rcr unfrct ^^mnaficn jeigen !önnen, (orfienb unb fragenb: „mo tft benn \)a btc formale ©ilbung? Unb lüenn fie fel^tt, tute follen fic btefetbe lehren!" Unb Slafftcität! Semten irir etlüaS bon bem, hjorin gerabe bie 5l(ten i^re 3ugenb erlogen? kernten tüir fj^red^en tüte fie, fdjteiSen tute fie? Übten mir un§ unobläffig in ber ged^tfunft bed ®ef^rQrf)ö, in ber ^ialeftü? Sernten toir unö fd^ön unb ftolj behjegen tt)ie fie, ringen, njerfen, fauftfämpfen tvk fie? ßernten n)ir ettüaö üon ber proftifd^en 5lffett! aUer gried^ifd^en $f)iIofop:^en ? Stürben tüir in einer einzigen antifen iugenb geübt, unb in ber SBeife, tüie bie TOen fie übten? gef)(te nid^t übert)aupt boS ganje 9'^ad^ben!en über Woxal in unfrer ©rjiel^ung, um toieöiel met)r gar bie einzig möglidfie £riti! beöfelben, jene ftrengen unb mutt)igen ^erfud[)e, in biefer ober jener ^oral ju leben? (Srregte mon in un§ irgenb ein ^efüt)(, baS ben 5((ten l)ö()cr galt alö ben Steueren? S^^Q^^ "^^n un^ bie ^int^eilung beö Xageg unb be^ ßebenö unb bic S^dt über bcm ßeben in einem antifen (SJeifte? kernten toir aud) nur bie alten ©prad^en fo, toie njir bie (ebenber 33ölfer lernen, — nämlid^ jum (Sprechen unb jum 53equem= unb ®ut=©pred^en? 9^irgenb§ ein n)ir!ti(^c8 können, ein neueö SSemtögen al§ (Srgebnijs muffeliger 3a^re! ©onbern ein SBiffen barum, tt)a§ e^emal^ aj?enfd)en gefonnt unb t)crmodf)t !)aben! Unb toa^ für ein S[öiffcn! 'JZidf)t§ njirb mir Don Sa^r ^u Saljr beutlid^er, a(§ ba(^ aüeg gried^ifd^e unb antue Sßefen, fo fdjlid^t unb lücltbctannt eä t)or unS ju liegen fdjeint, fel)r fd)toer uerftänblid), ja füum jugänglid) ift, unb ha^ bie üblid)e Öeid)tigfcit, mit ber öon ben SUten gerebet mirb, ent* meber eine ficid}tfcrtigfeit ober ein alter crblid^er ^ünfel ba* (§Jcban!cnlofigfcit ift. 2)ic ö^nlid^en SSorte unb
— 380 —
begriffe täufc^en unS: aber i^tnter t^nen liegt immer eine (Sm^)finbiing öerftecft, loeld^e bem mobemcn @m<)finbcn fremb, unberftöttblid^ ober ^)etnlid^ fein müjgte. 2)a§ finb mir Gebiete, auf benen ft^ ^abcn tummeln bürften! ®enug, tüir ()aben e§ get^on, al8 toir ^aben ttjaren, unb un§ beinafje für immer babei einen SSibermiöen gegen ha^ 5l(tert()um ]^eimget)o(t, ben Sßibermitten einer fd^einbar aßju grolgen Sßertraulid^feit! ^enn \o meit get)t bie ftolje ©inbilbung unferer dafftfdjen (Srjiel^er, gteid^fam im S3efi| ber eilten ju fein, ha^ fie biefen ^ün!el nod) auf bie (Sr^ogenen überfließen (äffen, nebft bem iBerba^te, bag ein fol^er S5efi§ nid^t njo^I feiig mad^en fönne, fonbem ha^ er gut genug für red^tfd^affnc ormc nörrifdje altt Sudler- ^rad^en fei: „mögen biefe auf il^rem §orte brüten! et tt)irb mol^I i^rer hjürbig fein!" ~ mit biefem ftiEen §intergebanfen öoKenbete fid^ unfere ctaffifd^e (Sr^iel^ung. — ^ieS ift nid^t njieber gut ju mod^en — an un§! 5(ber beulen toir nid^t nur an un$!
196.
^ic j)erfönXtd^ften fragen ber SBal^r^eti — „2öaS ift baS eigentlid^, loaS id^ tl^ue? Unb toaS toiH gerabe id) bamit?" — ha^ ift bie grage ber 2ßa!^rf)eit, meldte bei unferer je^igen ^rt 95i(bung nid§t gelehrt unb folgüd^ nidl)t gefragt mirb, für fie giebt eS feine 3eit. ^1)agegen mit Äinbem üon ^offen ju reben unb nicljt üon ber Sßal^rl^eit, mit grauen, bie fpäter 3J?ütter tocthm follen, 5lrtigfeiten ju reben unb nid^t öon ber SBa^rl^eit, mit Sünglingen öon i^rer 3w^w"f* ^^^ ^^^ S3ergnügen ju reben unb nid^t öon ber Söa^r^eit — bafür ift immer 3^t unb £uft ba! — 5lber toaS finb aud^ fiebenjig Sa^re! -— bag läuft ^in unb ift balb ju
— 381 —
@nbe; eS liegt fo toenig barmt, \>a^ bte SßeHe toiffc, tote uitb tt)ol)in fte (aufe! Sa eä fönitte Sllug^eit fein, c8itic^tjuit)ifjen. — „Qn^CQthm: aber ftolj tft e^ ttid^t, and) nid^t etttmal barnad^ ju fragen; unfere S3übung mad^t bie 9J^enfc^en ntc^t ftolj." — Um fo befferl - „Söirfltd^?"
197.
^ie geinbfdiaft ber ^eutfc^en gegen bie 2(uff(ärung. — Tlan überf daläge ben Beitrag, ben bie ^eutfc^en ber erften §älfte biefc^ Sa^rl^unbertä mit il^rer geiftigen ^Trbeit ber aßgemeinen ßultnr gebrad^t ^aben, unb ne^me erftenS bie beutfd^en ^t)i(ofopI)en: fie ftnb auf bie erfte unb ältefte @tufe ber ^pefulation jurücfgegangen, benn fie fanben in 93egriffen i^r (Genüge, anftott in (Srflärungen, gleid^ ben ^enfem träumerifd^er Seitalter, — eine öortoiffenfc^aftlid^e 5(rt ber ^{)i(i)fo>)i)ie tt)urbe burd^ fie toieber (ebenbig gemad^t. 3^^^^^«^ ^i^ beutfd^en ^iftorifer unb 9ftomanttfer: i^re allgemeine 93emül)ung gieng bat)in, ältere, primitiöe (Sm^finbungen unb namentlich ha^ Sl)riftentl)um, bie SBolföfeele, SSolfe- fage, SSolföfpracl)e, bie TOttelalterlid^feit, bie orientalifc^e 5lffetit ba^- Snbertljum ju ®l)ren ju bringen, ^ritteng bie Sf^aturforfd^er: fie fämpften gegen ^ttüton'^ unb SSoltaire'^ (^eift unb fud^ten, gleich ®oetl)e unb @d)ot)cnl)auer, ben ©ebanfen einer t)ergüttlidl)ten ober t)erteufelten Statur unb it)rer burrf)gängigen etl)ifd)en unb f^mbolifd^en ©ebcutfam!eit mieber aufrecht 5U fteßen. ^er ganje grofee §ang ber ^eutfcl)en gieng gegen bie ^ufflärung unb gegen bie Sfieüolution ber ©efellfd^aft, toelc^e mit grobem 9Jä6t)crftünbni6 ald bereu gotge galt: bie ^ietät gegen aüed nodj S9eftel)enbe fud)te fid^ in S^ttät gegen alle^, \m^ bef tauben l)at, umjufejjen, nur bamit ^er^
— 382 —
nah ^etft toieber einmal boll toürbcn unb feinen 9flaum mel^r für jufünftige unb neuentbe ßick Ratten. 2)er ©ultu§ be§ ®efu^(§ tüurbe aufgertdjtet an ©teile be§ Sultug ber Vernunft, unb bie beutji^en SJ^ufüer, al§ bte Ä'ünftter beS Unrettbaren, ©d^UJörmerifc^en, SJ^ärd^enliaften, @el^n= füd^tigen, bauten an bem neuen Stempel erfolgreicher alg aUe Huftier beS SBorte^ unb ber ©ebanfen. S3ringen toir in 5(nred§nung, ba§ un§ät)Iige§ ®ute im (Siuäelnen gefagt unb erforfd^t tuorben ift unb mand^eS feitbem billiger beurtl^eilt tüirb afö jemals: fo bleibt bod^ übrig, öom ©an^en §u fagen, ba^ e§ feine geringe all- gemeine ©efa^r toar, unter bem 5lnfd^eine ber üoE- unb enbgültigften (Srfenntniß be§ SSergangnen bie (Srfenntnig überliaupt unter ha^ ®efül)l liinabjubrücfen unb — um mit ^ant 5U reben, ber fo feine eigeite Slufgabe beftimmte — „bem Glauben tüieber S3a^n ju mad^en, inbem man bem SBiffen feine ©renjen toieS". 5lt^men n?ir Ujieber freie Suft: bie @tunbe biefer @efa^r ift öorüber^ gegangen! Unb feltfam: gerabe bie QJeifter, ttjeld^e tjon ben S)eutfd^en fo berebt befditüoren tourben, finb auf bie 2)auer ben 5lbfid^ten il^rer ^efd^ujörer am fd^äblid^ften getoorben, — bie ^iftorie, ha^ Sßerftänbnig be^ UrfprungS unb ber ©ntmidtlung , bie 9Kitem|)finbung für baS Vergangne, bie neu erregte Seibenfd^aft be^ ®efül)l§ unb ber @r!enntni§, nad^bem fie aEe eine ßeit lang ^ülfreid^e ©efeöen be§ öerbunfelnben , fdljtüärmenben, jurüdbilbenben ©eifteS fc^ienen, ^aben eine§ ^age^ eine anbere Statur angenommen unb fliegen nun mit ben breiteften klügeln an il)ren alten S3efd}tüöreni ijorüber unb I)inauf, alö neue unb ftärfere (5Jenien eben jener Hufflörung, ttjiber ttjeld^e fie befdjtooren ujaren. ^iefe 5luf!lämng f)aben tt)ir jegt toeiterjufüljren — unbekümmert barum, ba§ e^ eine „große Sf^eöolution" unb
— 383 —
iDtebcrum eine „große dieattxon" gegen btefc(6e gegeben \)at, \a bag eS beibeS nod^ gtebt: e^ ftnb bod) nur SßeEenfpiele, im Sßergleirf)e mit ber tDaI}r()Qft großen g(ut^, in n)eld^er töir treiben unb treiben tt)oUen!
198.
©einem SSoIfe ben 9f^ang geben. — SSiele große innere ©rfal^rungen §aben unb auf unb über i^nen mit einem geiftigen 5Iuge ru^en — ha^ mad)t bie 90?enfd)en ber ßultur, tueldje i^rem SSoIfe hm diariQ geben. 3n granfreid) unb Italien t^at bie§ ber 5lbe(, in ^eutfc^:= (anb, mo ber 5lbel biö^er im ©anjen ju ben Firmen im (Säfte gel^örte (üieKeic^t nicf)t me^r auf lange), tt)aten e§ ^rieftet, ße^rcr unb beren 9^a^fommcn.
199.
SSir finb öorne^mcr. — Xrcue, ©roßmut^, bie ©^am beö guten 9iuf3: biefe 2)rei in (Siner ©efinnung öetbunben — t>a^ nennen n)ir abelig, oornet)m, ebel, unb bamit übertreffen rt)ir bie (SriedE)en. 2öir ttjollen e^ ja nid^t ^^rei^gebcn, auö bem ®efüt)te, baß bie aikn (5Jegenftänbe biefer Xugenben in ber Sld^tung gefunfen finb (unb mit 9ied)t), fonbern be^utfam biefem unferm föftlid)en ©rb-Xriebe neue ©egenftänbe unterfdjieben. — Um ju begreifen, baß bie (^Jefinnung ber üorne^mften ®ricd)en inmitten unfrer immer nod) ritterlidien unb feubaliftifdjen ^orne^mI)eit alä gering unb faum an- ftänbig em^)funben iocvben müßte, erinnere man fic^ jcneä Xroftjprud)^, ben Dbt)ffeug in fc^mät)(id)en fiagen im 3Jiunbe fül)rt: „Ertrag cö nur, mein (iebcS ^erj! bu boft fd)on ^unbemaßigcred ertragen!" Unb ba^u neljiue
— 384 —
man al§ S^u^aniuenbung be^ m^t^ifd^cn ^orbübeä btc ®efc§trf)te t)on jenem at^enif^cn Offijiet, ber, üor bem gangen ©eneralftabe, öon einem anbem Offizier mit bem @torfe bebro^t, biefe ©d^mad^ mit bem SBorte öon fid) abfcfiüttelte: „@d)(ag' mid) nnr! 9^nn aber pre mid) anc^!" (2)ie^ tljai X^emiftofte«, jener öielgemanbte Db^ffeuS be§ ctafftfd^en ßeitalterg, ber re^t ber SJ^ann bogu toax, in biefem fd^mä^Iid^en 5Iugenb(id jenen Xroft« unb 9^ot^==SSer§ an fein „(iebe§ ^erg" fiinnntergnfd^iden.) (£§ lag ben ©ried^en ferne, Seben unb %o\) einer SSefd^intpfnng falber fo leidet ju nehmen, tt)ie mir eg t^un, unter bem (Sinbrud Vererbter ritterlid^er 5lbenteuerlid^!eit unb 0^)fer(uft; ober Gelegenheiten aufjnfu^en, mo man beibeg auf ein e^renöoHe^ @j)iel fegen fönne, mie mir bei Quellen; ober bie (£rf)a(tung be^ guten S^amenö ((Sl^re) l^ö^er ju ad^ten als bie (Eroberung bc§ böfen 9^ameng, menn legtereä mit 9iu^m iinb 9}?ad^tgefü]^( oerträgüd^ ift; ober ben ftönbifd^en S8orurtf)eilen unb ©laubengartifeln Xreue ju l^alten, menn fie öer^inbem Knuten, ein X^rann gu merben. ^enn bieg ift ha^ uneble (SJe^eimni§ jebeg guten gried^ifd)en SIriftofraten: er pit aus tieffter ©iferfud)t jeben feiner <Stanbe§genoffen auf gleid^em guge mit fi^, ift aber jeben 5(ugenblid mic ein Xiger bereit, auf feine ^mU, bie (5Jemalt^errfd|aft, (oSjuftürjen: mag ift i^m babei £üge, Wloxh, SSerrat^, SSer!auf ber ^aterftabt! ^ie ©ered^tigfeit mürbe biefer ^2lrt SJ^enfdjen augerorbentlid^ fd^mer, fie galt beinal^c für etmag Ungtaublid^eg ; „ber (5Jered)te" — bag E(ang unter (SJriedjen mie „ber §eilige" unter (5f)riften. Söenn aber gar ©olrateS fagte: „ber Xugenb^afte ift ber Glüdlidjfte", fo traute man feinen D^ren nid^t, man glaubte tixva^ SSerrüdteg get)ört ju Ijaben. 2)enn bei bem 33itbe beg ©(udlid)ften badete jeber 9Jiann
— 385 —
öornet)mer 5IB!unft au bte Dollenbete 9f?Mftc^t§toftö!eit unb ieufetei be§ X^rannen, ber feinem Übermut^c unb feiner Suft olleg unb aüe opfert. Unter 9}tenfc^en, tüeld^e im ©e^eimen üBer ein fo(d§c§ ®Iücf toilb p^antofirten, fonnte freilid) bie SSerel^rung beö <Btaatt^ uic^t tief genug gepflanzt n^erben, — aber \d) meine: SRenfdjen, bereu 9}?ad)tgelüft nic^t met)r fo bünb UJÜt^et, U)ie ha^ jener öorneljmen ©ried^en, Ijaben and) jene ^Ibgöttcrci beg (Staat§=S3egriffe§ uid)t mcfjr nöt()ig, mit tt)eld)er bamalö jeneö (SJelüft im 3<^ii"i^ get)alteu njurbe.
<• 200.
?Irmut ertragen. — ^er grof3e SSorjug abligcr 5(bfunft ift, \)a^ fie bie 5Irnmt beffer ertragen läßt.
201.
3u!uuft beg Slbelö.— ^ie®ebärbenberüomef)men 9Be(t brüden an^, ha^ in if)ren ©(icbern fortmöljrenb 't>a^ Semugtfein bcr 3J?ad)t fein reisüolleö (Spiet fpielt. <So lögt ftd^ bcr 9J?enfd) Don abiiger (Sitte, SJJann ober SBeib, nid)t gern itjie gan^ erfd)öpft in beu ©effel faßen, er öermeibet eg, mo aüe SSelt eS fi(^ bequem mad^t, 5um öeifpiel auf ber (Sifcnbatju, ben Dlüden an5ulef)nen, er fd)eint nid^t mübe ju Ujerben, tuenn er ftunbenlang bei §ofe auf feinen güßcn ftet)t, er rid)tet fein §auö nid^t auf ba§ S3c()ag(id}e, fonbem grof3räumig unb n)ürbet)oII, n)ie gu einem 5tufent^alt größerer (and) (öngerer) SBefen ein, er beantmortet eine Ijerauöforbernbc Webe mit §altung unb gciftiger §elle, nic^t n)ie cntfe^t, germalmt, befdjämt, außer ^It^cm, nad) 5lrt bc5 ^(cbcjerS. (So toie er ben 5(nfd)cin einer beftöubig cjcgemuärtigen Ijoljcu pljljfifdjen 5haft ju maljrcn Ujeiji,,
vaetofdjc« aßctle. ma|T..«lu«g. IV. 25
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tüünf^t er aurf) burd^ Beftänbigc ^etterfett unb SSer« binblid^fett, felbft in ^3ein(id)en Sagen, ben ©inbrurf Qufrcd)t gu erljalten, ba§ feine (Seele unb fein ®eift ben ©efQf)ren unb ben ÜSerrofd^ungen gett)ac^fen ift. (Sine t)orne!)me (^nltwc fann in 5lbfidjt ber Seibenfd^often enttüeber bem S^eiter gleid)en, ber SSonne em^finbet, ein Ieibenfd)QftIid)e§ ftoIgeS Xl^ier im f^anifcf)en Xritt getien gu laffen — man fteöe fi^ ba§ 3^^^^^^^^ Submig'S be§ SSiergelinten öor fingen — , ober bem 9ficiter, ber fein $ferb tüie eine 9^aturgen)alt unter fid) l)infd)ieJ3en füf)(t, l^art an ber ®ren§e, wo ^ferb unb S^citer ben ^o\>\ Verlieren, aber im ©enuß ber SSonne, gerabe je^t nod^ ben ^op\ oben 5U behalten: in beiben gäUen at^met bie üorne^me Kultur Tla^t, unb trenn fte fel)r oft in i^ren bitten auc^ nur ben ©djein be§ $D?adjtgefüf)(§ forbert, fo tpäd^ft boc^ burd^ ben ©inbrucf, iüeldjen biefe§ @))ie( auf bie 9^id}t^SSornet)men madjt, unb burc^ ha^ @d}aufpiel biefe§ (SinbrudS ha^ tx)irfüd)e ®efuf)( ber Ü6erlcgen{)eit fortmö^renb. — S)ie§ unbeftreitbare (^iiid ber t)omel)men ßiultur, n)cld)e§ auf bem ^efüljl ber Überlegenheit fid) aufbaut, beginnt je^t auf eine nod) l^ö^ere <Stufe 5U fteigen, ha e§ nunmehr, ^an! aUen freien ©eiftern, bem abiig Geborenen unb Sr^ogenen erlaubt unb nid^t mel)r fd)intpflid^ ift, in hm Drben ber @r!enntni§ ^n treten unb bort geiftigere SBeiljen 5U Idolen, t)öl)ere 9f?itterbienfte gu lenten al§ biöl^er, unb 5U jenem Sbeal ber ficgreid)en Söeiöljeit auf^uf^auen, tneld^e^ nod) feine ßcit mit fo gutem ©eloiffen öor fid^ aufftellen burfte tüie bie Qcit, iucldjc gerabe je^t fommen mill. Qn guterle^t: ujomit foE fic^ benn fürberl)in ber 5rbel befd)äftigen, Ujenn cS öon iag 5U Xage mcl^r ben 5lnfdl)ein l)at, bajj e§ unanftänbig n)irb, ftd) mit ^olitif ^u bef offen?
I
— 387 —
202.
3iir Pflege bcr ©efunb^ett. — 9J?an Ijnt
faum onöefangeii, über bic $I)l)fio(ogie ber SSerbredjer
nQd)5ubcnfcn, imb ho6) fteljt man fcfjon t)or ber
»nabttjci^licljen (£in[id)t, \)a^ ^\vi\d)cn 58cr0red)eru unb
©eifteSfranfcn fein tüefent(id)cr Unterfdjicb be[te^t:
uorauögefe^t ba^ man glaubt, bie übliclje moraUfd^e
^enhueife fei bic ^enfttjeije ber geiftitjen (SJcfunb^
^eit. Äein ©(au6e ober tüirb je^t fo gut nocf)
geglaubt luie biefer, unb fo fd)ene man fid^ ni^t, feine
(Sonfequen§ ju jiefjen unb ben ^erbred)er tvk einen
(SJeifteöfranfen jn bc^anbcln: öor Mem nid^t mit fjodi-
mütf)iger S5arml)eräig!eit, fonbern mit ör^tlidjer ^Iug=
Ijeit, ärjttic^em guten SBiKen. (S^ tfjut il;m Suftn)cd)fcl,
anbere ®efeKfd)aft, jeitnjeitigeg SSerfd)tüinben, mel(eid)t
hinein = fein unb eine neue S3efd)äftigung not^ — gut!
j^JSiclIeid)t finbet er e$ felber in feinem $8ürtf)ei(, eine ^^^t
Ijinburd) in einem ©ettjatjrfam ju leben, um fo (Sd)u^
igegen fi^ felber unb einen (öftigen tt)rannifd)en
SjXrieb 5U finben, — gut! SD^an foH iljm bie 9!J^ügIid)feit
»Imb bie 9J?itteI beö (5Je()ei(ttDerbcnö (ber 5(u§rottung, llm^
•tilbung, ©ublimirung jeneS Xriebe^) ganj !(ar tjorlegen,
?!iudj, im fd)(immcn gaUc, bie Unn)al)rfd)ein(id)feit beö-
clben; man foH bem untjeilbaren ^erbred)er, ber fid)
etber 5um Greuel gen)orben ift, bic (Gelegenheit jum
^clbftmorb anbieten. ^ie§ alö äußcrftc^ SKittel ber
hleid)tcrung t)orbe()attcn, foK man nidjtö Uerabfäumcn,
im üor Willem bem 93erbred)er ben guten 9J?ut[) unb
ic gtei^eit beö ©cmütljc^ njicbcr 5U geben; man fotl
üeluiffenöbiffc wk eine ^adjQ ber Unrein(id)feit \\)m Don
er (Seele mifdjcu unb il;m 55^nger5cige geben, njic er
en (Sd)aben, n)c(d)cn er t)ieneid)t an bem ©inen geübt.
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burd) eine SSo^ttTjnt nm ^nbem, ja bteHctdjt cm bot (SJefammt^eit auSgleii^en unb überbieten !önne. OTe§ in änj3erfter ©djonung! Unb namentlid) in 5Inont)mität über nnter neuen D^Qmen unb mit Ijöufigerem Ort^- iuedjfel, bamit bie Unbefc]^olten^eit be§ 9htfe§ unb fein fünftigc^ ÖcOen fo menig mie möglid^ babei (SJefalfir laufe. Se^t 5mar njill immer nod^ ber, mclc^em ein (Sdjobcn jugcfügt ift, ganj aOgefel^en bai)on, mie biefcr (Sd^aben etma gut ju mad)en ift, feine Dtac^e ^aben unb menbet fid) ihrethalben an bie ®erid)te — unb bte§ Ijält einftmeilen unfere abf^eulii^en «Straforbnungen nod) aufredjt, fammt iljrer ^ämermage unb bem 5(uf' miegenmollen ber (Sc^ulb burd^ bie (Strafe: aber bürftcn U)ir nicl^t f)ierüber ^inau§ fommen fönnen? 2Bie erleid)tert märe ha§> allgemeine ©efül;l bc§ Seben§, menn man mit bem stauben an bie (5d)ulb and) öom alten Snftinft ber ^ad)c fid) logmadjte unb e§ felbft aU eine feine ^lugljeit ber 4^(üd(i^en hckadjittt, mit bem (S^riftentljum ben ©egen über feine geinbe gu fpred)en unb benen mofiljuttjun, bie unö beleibigt ^aben! ©djaffen mir ben S3egriff ber (Sünbe auS ber SSett — unb fdjiden mir i^m ben Segriff ber ©träfe balb Ijinterbrein! 9)?ögen biefe Verbannten llnljolbe irgenbmo anberS fürber()in, a\§> unter 3)?enfd}en, leben, menn fie burd^au^ leben motten unb nid)t am eigenen ©fei ju ®runbe getjen! — 3n^mifdjen ermäge man, ha^ bie ßinbufee, meldje bie ^efellfd)aft unb bie ©in^etnen burd^ bie S8erbred)er erleiben, ber (Sinbuge ganj gleidjorttg ift, meld)e fie Don ben hänfen erteibcn: bie kaufen Verbreiten (Sorge, 3)?i6mut^, probuciren nidjt, jetjren ben Ertrag anberer auf, braud^en SSärter, 5(r5te, Unter* Ijaltung unb leben Von ber Q^it unb ben Säften ber QJefunben. Stro^bem mürbe man jejt ben alS unmenfdjtidö
— 389 —
bcjctc^nen, tüelc^er bofür an ben Traufen Diad^c
ne{)men tüoKte. @f)ebem freUid^ tl^at man bieg; in
ro^en 3»Pönben ber Kultur, unb je^t nod) bei manchen
lüilben Golfern, tpirb ber ^anfe in ber %i)cit a(§
SSetbrec^er be^anbelt, a(^ bie ©efa^r ber ©emetnbe unb atS
S23o^n[i^ irgenb eineö bömonif^en SBefenS, tüelc^e^ fic§
i^m in golge einer (Sd)u(b einöerleibt l)at, — ba ()ei§t
eS: jeber ^anfe ift ein (Sc^ulbiger! Unb njir — foüten
njir nod^ nirf)t reif für bie entgcgengcfe^te ^(njdjauung
fein? foÜten n)ir nod^ nid)t fagen bürfcn: jeber
„©cfiulbige" ift ein ^ran!er? — D^ein, bie (Stunbe bafür
ift nod^ nid)t gefommen. 9^od) fel;(en ^jor Widern
bie ^tr^te, für njelc^e ha^, n)a§ njir bi^Ijcr praftif^c
SD^oral nannten, fic^ in ein ©tücf i(}rer §ei(funft unb
§eUtüiffenfd)aft umgeiuanbett f)aben niug ; nod; feljlt
I allgemein jeneö hungrige Sntereffe an biefen fingen,
I baS üieHei^t einmal bem (Sturm unb ^raug jener alten
jreligiöfen feegungcn nid)t unäljulic^ erfdjeinen iüirb;
|noc^ finb bie ^rd)en nid)t im SBefi^ ber Pfleger ber
^efunbt)eit; nod) gel^ört bie Sel)re öon bem Scibe unb üon
ber jDiät nid^t ju ben SSer^füd^tungen aller niebercn unb
I^öljeren ©c^ulen; nod) giebt c§ feine ftiüen $8creine
Ifoldjcr, n)etd)e ftd^ unter einanber l3erpfüd)tet Ijaben,
auf bie §ülfe ber (5Jerid)te unb auf ©träfe unb 3fiad)e
au it}ren Übeltt)ütern ju ücrjidjten; nod) ijat fein Genfer
ben 9J?utl} geljabt, bie ©efuubljeit einer ©cfcttfdjaft unb
ber (Sinjetnen bamadj ju bemeffen, tuie Diel ^arafitcn
fie ertragen fann, unb nod^ fanb fid^ fein ©taatcngrünbcr,
njc(d)cr bie ^ffugfdjar im ©cifte jener freigebigen unb
milbljerjigen Siebe fü()rte: „njiUft bu baö Sanb bauen,
fü baue mit bem Pfluge: ha geueu^t bcin ber 53ogel
unb ber SBoIf, ber ^inter beinern ^^ftuge get)t, —
cg gcucufet bcin alle Sreatur."
- 890 —
203.
©cgen btc fdjlec^te ^iöt. — $fui über bic 2^at)(3citen, n}e(d)e je^t bie SO?enfd^en mad)cn, in beit ®aftt)äufern fotüoljl al§ überall, tro bic trol^lbef teilte tiaffe ber (^ejellfrfiQft lebt! ©elbft toenn ^od)anfe^nlid^e ©eleljrte sufammentommen, ift e§ biefelbe (Sitte, meiere i^ren Xifcf) njie ben be§ ^onquicr^ füUt: nad) beni ©cfe^ be§ „^ielsuüiel" unb be§ „33ie(er(ei", — njorauö folgt, ha^ bie ©peifen auf ben (Sffcft unb nid^t auf bie SSirfuug f)in gubereitet lüerben, unb aufregenbe ©etränfe Ijelfen muffen, bie (Sdjtüere im 9}?agen unb (SJe^irn §u Vertreiben, ^fui, treldje Söüft^eit unb Über= empfinbfamfeit mug bie allgemeine golge fein! $fui, meldte Xräume muffen i^nen fommen! ^fui, trelc^e fünfte unb Söüdjer tDerben ber 9^ac^tifd) fold^er ^M)U jeiten fein! Unb mögen fie t^un, lpa§ fie lüoHen: in i^rem Sl^un mirb ber Pfeffer unb ber SBiberfprud^ ober bie 2öeltmübig!eit regieren! (^ie reid^e klaffe in ©nglanb l^ot iljr Sl)riftent^um uötl)ig, um i^re SSerbonungö- befdjU) erben unb i^re ^opffc^mer5en ertragen ju !önnen.) 3ulet^t, um 't>a^ Suftige an ber ^a(i)t unb nidjt nur bereu ©!elljafte§ gu fagen, finb biefe 9J^enfd)en feineSlregS ©djlemmer; unfer Sa^rljunbert unb feine ^Irt ©efd^äftigfcit ift mäd)tiger über i^re ©lieber at§ i^r 93aud): \m^ tuoUcn alfo biefe 9}?a^l5eiten? — (Sie repräfentiren! 2öa§, in aller ^eiligen 9^amen? ^en ©taub? — S^ein, ba^ (SJelb: man Ijat feinen (Btan\> mel)r! man ift „Snbiöibuum"! ^er (SJelb ift mad)t, 9^u^m, SBürbe, Vorrang, (Einfluß; ®elb mad^t jegt ha^ große ober Heine moralifdje ^onirtl)eil für einen 9}^enfdjen, je nad)bem er baöon \)at\ 92iemanb Ujill e§ unter ben (Sdjeffel, niemanb möchte c§ auf ben Xifd) ftellen;
— 891 —
folglich mug baS ®elb einen 5ReJ)räfentanten ^aben, ben man anf ben %x\6) ftellen fann: [ielje unfere
204.
^anae unb ®ott im (SJoIbc. — SBol^er biefc unmögiQe Ungebulb, tvd^c ic|t ben 9J?enfd^en jum SScrkcc^er mad)t, in 3"f^önben, tpe(d)e ben entgegen* gefegten §Qng bcffet erÜären njürben? 2)enn n)enn bicjer falfd)eö ^en)id)t gebraudjt, jener fein §an§ an* brennt, nad)bem er e§ I)ocJ) öerfic^ert ^at, ein dritter am prägen falfd)en ®etbe§ 5lntl)ei( nimmt, menn bret Sßiertel ber i)ö(;ercn ©efellfd^aft bem erlaubten S5etruge nad)^ängt unb am fd)Icd)ten ©emiffcn ber Sörje unb ber (Spehilation ju tragen \)at: tüa^ treibt fie? D^id^t bie eigentliche D^ot^, e§ geljt i(;nen nid^t fo gan^ f^tec^t, t)ießeid)t fogar effen unb trinfen fie oljue (Borge — ober eine fur^tbare Ungebulb barüber, 'ba^ 'Da^ ©elb fic^ gu langfam l^äuft, unb eine ebenfo furdjtbare Suft uiü) Siebe gu gehäuftem ®e(be brängt fie bei ^age unb bei ber ^aii)t 3n biefer Ungebulb unb biefcr Siebe aber fommt jener ganatiömuö be^ 9}?ad^tge(üfteS lieber jum SSorfc^ein, n)eld)er e^emalö burd) ben Glauben, im S3efi^ ber 2Ba^r{)eit ju fein, entjünbet ttjurbe unb ber fo fdjöne Dramen trug, ba^ man eS borauf f)in magen fonnte, mit gutem ©etuiffen unmenfd)Ud) ju fein (Suben, ^e^er unb gute SSüd^er gu i Derbrennen unb gange l)öl)ere (Kulturen, iuic bie Don i^eru unb 9J?ejifo auögurotten). SDie WiM bc« SJ^ac^t* jlgclüfteö ^aben fid^ üerönbcrt, aber berfelbe SSuIfan glü^t (inod) immer, bie Ungebulb unb bie unmäßige Siebe tüoUen i^re Opfer: unb wa^i man e^ebcm „um QJottc^ ^Pillen" tf)at, t^ut man jejjt um bcö ^Jelbe^ toiHen, hai
- 392 —
l^ctgt um beffen mitten, tt)a§ ic|t am f)öd§ften 9D^ad^t= gefü^I unb guteg ©etüiffen giebt.
205.
SSom 58ot!e Sjrael. — 3^ ^^^ ©^aufptcleu, ouf iuetc^e un§ ba§ näc^fte 3a^r^unbert einlabet, geljört bie (Sntfcf)eibung im (Sd)idfale ber euroj^äifd^eit Suben. ^ag fie il)ren SBürfel getrorfeu, i^ren 9fhxbi!on über- fd^ritten ^aben, greift man jeljt mit beiben §änben: e^ bleibt i^nen nur nod) übrig, entn)eber bie Ferren (£uro))a'g §u Serben ober (Suro^a ju Verlieren, fo njic fie einft bor langen Seiten Ägypten Verloren, iuo fie fid^ üor ein ö^nlid)e§ ®ntn)eber==Dber geftettt Ratten. 3n (Suro)3a aber fjahm fie eine ©(i)ule Don ad)t5e^n Sa^r^unberten bur(^gemact)t, mie fie ^ier !ein anbreS SSotf aufn)eifen !ann, nnb gtoar fo, t>a^ nid)t eben ber ©emeinfd)aft, aber nmfome^r ben ©injelnen bie @rfal)mngen biefer entfe^Iid)en ÜbungSä^it gu ®ute gelommen finb. Sn golgc baöon finb bie feelifd^en unb geiftigen ^ülf^quetten bei ben je^igen Suben auger^ orbentlid^; fie greifen in ber ^ot^ am fettenften Don OTen, bie ©uro^a ben}o()nen, gum S3ed)er ober gum ©etbftmorb, um einer tiefen SSerlegenl^eit ^u entgegen, — tüa§> bem geringer begabten fo naf)e liegt. Seber Snbe l^at in ber (55efc]^td)te feiner SSäter unb ©rogööter eine gunbgrube Don S3eif)3ie(en fältefter 33efonnen^eit unb 93ef)arr(idj!cit in furd)tbaren Sagen, Don feinfter Über* liftung unb 5Iu§nü^ung be§ UnglüdS unb beö S^^f^^ttS; ir)re Slapferfeit unter bem ^edmantel erbännlid^er Unternjerfung, i^r §eroi§mu§ im spernere se sperni übertrifft bie Xugenben atter ^eiligen. 2J?an l^at fie Deräd^ttid) mod^en njotten, baburd^ ba§ man fie gmei
— 393 —
Sa^rtaufenbc lang öeräd)t(id} Be^anbelte unb i{)nen ben gugang 5U oEcn ©(jrcit, gu aKem (Sl^rbaren Deritie^rte, bafür fic um fo tiefer in bie fdjnui^igeren ©etuerbe ^ineinftie§, — unb n)at)rl)aftig, fie finb unter biefer ^rojebur nirfjt reinlid^er gettjorben. 5Iber üeräd^tlic^? ©ie l^aben felber nie aufgeprt, ftd^ ^u ben l^öc^ften ^Dingen berufen gu glauben, unb ebenfo l[)aben bic Xugenben aEer Seibenben nie aufgel)ört, fie gu frf)müdCen. ^ie 5Irt, h)ie fie i^re ^äter unb iljre ^nbcr c[;ren, bie Vernunft it)rer (S^en unb @(}efitten jcic^nct fie unter allen (Suropöem au§. Qu 5(üebem üerftanben fie e§, ein ®efüt)t ber 9J?ad^t unb ber en)igen 9fiac§e fid) au§ eben ben ^ch)erben ju fdjaffen, tüeldje mon it)nen überlieg (ober benen man fie überlieg); man mug e§ gur (£ntfd)ulbigung felbft i^reS SBuc^erä fagen, ha^ fie oI)ne biefe gelegentlid^e angenehme unb nü^tid)e golterung il)rer SSeräd^ter eö fd)n)erli(^ au^geljalten l)ätten, fid^ fo lange felbft gu ad)tcn. jDenn unfere 5ld)tung t)or unä felber ift baran gebunben, ha^ wir Sieberüergcltung im ©Uten unb (Sd)limmen üben fönnen. ^abei rcigt fie i^re 9?a^e nid)t Icidjt ju toeit: bcnn fie l)aben 5llle bie greifinnigfeit, aud§ bie ber (Seele, 5U U)cldjer ber l)äufige 2ßed)fel beö Drte^, be^ ^lima'ö, ber bitten üon 9^ad)barn unb Unterbrüdern ben SJJenfdjen er^icljt, fie befi^en bie bei Söeitem grögte (Srfatjrung in allem menfd)(id)en SSerfeljre unb üben felbft in ber fieibcnfdjaft nod) bie ^orfid)t biefer ©rfaljrung. 3l)rer gciftigen ©efdjmeibigfeit unb ®en)i^tl)eit finb fie fo ficl)er, \>a^ fie nie, felbft in ber bitterften Sage nidjt, nötl^ig Ijabcn, mit ber pl)t)fifd)en Straft, alö grobe 5lrbciter, Softträger, 5ldcrbaufflaöen il;r örob 5U ertoerben. S^ren 5D^anieren mer!t man nod) an, bafj man iljuen nicmalC^ ritterlid) üorne^me ^mpfinbungen in bic (Seele unb
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fdjöne SBaffen um ben fictb gegeben Ijai: ettoaä 3ubungüd^e§ lt)ed)felt mit einer oft järtüdjen, faft ftet§ ))einlid)en Untertüürfigfeit. 5I6er je^t, ha fic unbermeiblid) t)on Saljr 5U Sal^r me^r fid^ mit bem beften W)d (Suropa'^ öerfdjtuägem, tücrben fte ba(b eine gute ©rbfdjaft öon 93Mnieren be§ ©eifte^ unb Seibe§ gemad)t I)aben: fo ha^ fie in Ijunbert Sauren fd^on öome^m genug brcinfc^auen lüerben, um a(§ §erren bei ben i^nen Untemorfenen nid)t (Sd)am gu eaegen. Unb barauf fommt e§ an! SDe^l^alb ift ein 5(uötrag if)rer (Sad)e für jegt nod) öerfrü^t! (Sie n^iffen f eiber am beften, bag an eine Eroberung (Suropa'S unb an irgenb njetd^e (55en)a(tfam!eit für fie nid)t ju benfen ift: iuof)! aber, ha'^ (Europa irgenbiDann einmal Juie eine DöUig reife grud^t i^ncn in bie §anb fallen bürfte, tt)eld)e fic^ i^r nur (eii^t entgegenftredt. SngUjifd^en t)aben fie bagu nött)ig, auf allen Gebieten ber euro^)äifc^en 5(u§5eid)nung fid) au^^ujeidjuen unb unter ben ©rften ju ftel^en: big fie e§ fo ioeit bringen, ha^, toa^ au§seid)nen fon, felber 5U beftimmen. ^ann Ujerben fie bie (Irfinber unb Sßegjeiger ber (Europäer t)ei6en unb nid^t mel^r bereu ©d^am beleibigen. Unb UJO^^in foß aud^ biefe gülle angefammelter großer (Sinbrüdc, tpeldje bie jübifdje ®efd|id^te für jebc jübifdje gamitie au^mad^t, biefe güUe öon Seibenfd)aften, ^ugenben, (Sntfd^lüffen, (Sntfagungen, kämpfen, ©icgcn aUer 5lrt, — tüo^in foll fie fid^ au^ftrömen, ioenn nid)t anlegt in groge geiftige 3J?enfdl)en unb SBerfe! 2)ann, iDenn bie Suben auf fold^e ©belfteine unb golbene ©efäf3e al§ il}r SSer! ]^in5un)eifen Ijabcn, tüie fie bie europäifd^en SSölfer für^erer unb toenigcr tiefer @rfal;rung nidf)t Ijerüor^ubringen öennögen unb i)ermo(^ten, ioenn Sfrael feine eiüige ffladjt in eine cmige Segnung (Suropa'S öerujanbelt l)aben iüirb; bann
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lüirb jener fteScnte %aQ tuiebcr einmal ba fein, an bcm ber alte Subengott ftd) feiner felbcr, feiner (gd^öpfung unb feincö au^crtuä()(ten SSoIfcS freuen barf, — unb toir $[[(e, 5(lle n)olIen im^ mit ifjm frcun!
206.
S)cr unmöglid^e (Stanb. — 9Irm, fröpd^ unb unabliängig! — ba^ ift beifammcn mögüdj; arm, frö^Iid) unb ©flaöe! — ha^ ift aud^ möglid), — unb id^ Ujügte ben 5Irbcitcm ber gabrü^SHaöerei nid^tg SScffereö ju fagen: gefegt, fie empfinben e§ nic^t ü6er!^aupt alö ©d)anbc, bergcf ta(t, lüie e§ gefd^ief)t, a(ö (Sdjraubcn einer 9J?afd)ine unb gteic^fam a(§ fiüdenOüfjer ber menfc^lid^en (Srfinbungöfunft öerbraudjt gu Ujerben! •iPfui! 5U glauben, \)a^ burd) Ijö^erc 3ö^tog ba^ Siöefentlid^e i^reö ©lenbö, id^ meine if)re unperfönlidjc 35erfned)tung, gehoben iocrben fönne! ^^fui! fid} aufrebcn ju (äffen, burd) eine (Steigerung biefer Unperfön(id}!cit, inner(}a(b beö mafd)inen()aften ©etriebeS einer neuen ©efetlfdiaft, !önne bie ©djonbe ber ©flatjerei jur ^ugcnb gcmad)t njerben! ^fui! einen ^rci^ 5U tjaben, für ben man nic^t mcl)r ^^^erfon bleibt, fonbcni (Sd)raubc mirb! 8eib i()r bie 9)?itöerfd)tüürencn in ber ic(3igcn 9?aiT[)eit ber Stationen, luefdjc Uor 5(llcm mügtid)ft öiel pvobuciren unb möglid)ft reid) fein iüoÜen? (Sure @ad)c luäre e^, i()nen bie ®cgenred)nung uor^ut) alten: mic gro^c Summen inneren 9Bertf)eö für ein foldjcö äu^crüdjcö 3icl meggemorfen tucrben! SSo ift aber euer innerer SBertl), njenn i()r nid)t me()r njigt, maö frei atfjmcn ^eigt? cüd) fclber md)t einmal notljbürftig in ber (^elualt ()abt? eurer tuie eineS abgeftanbencn ^ctränfcö all^u oft übcrbrüffig tüerbct? nad^ ber 3^'i^i^"9 ^inljordjt unb
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ben reid^ert 9fiarf)6ar anfc^telt, lüftern gemacht burd^ t>a^ fd^neKe (Stetgen unb gatten öon $DZad^t, ^elb unb 9J?emungen? löernt t()r feinen Glauben me^r an bte ^^Uofo^^ie, bte Sum^jen trögt, an bie greimütf)igfeit be§ SÖebürfni^tofen ^aht? tüenn end^ bie freitüillige ibt)llifc^e 5lrmut, 33eruf§' unb (Sf)eIo[ig!eit, tuie fie red^t too^l ben ©eiftigeren unter eud^ anfielen follte, jum ©elä^ter getüorben ift? bagegen bie pfeife ber focialiftifdjen Üiattenfänger immer im Df)re tönt, bie eudC) mit toUen Hoffnungen brünftig mad^en iooUen? tüeldje eud^ l£)ei§en, bereit gu fein unb nid^t§ Itjeiter, bereit Don §eute auf 50?orgen, fo ba^ i^r auf ^ttva^ Don 5(u6en l^er luartet unb tüartet unb in 5(C(em fonft lebt, \vk t(;r fonft gelebt l;abt, — bi§ biefe§ Sparten ^um §unger unb jum ^urft unb 5um gicber unb gum SBa^infinn n)irb, unb enblid[) ber Xag ber bestia triumphans in alter Herrlid[)!eit aufgeljt? — Wogegen foHte bod[j jeber hd fid^ ben!en: „lieber au^- lüanbern, in iüilben unb frif d)en ©egenben ber 2Be(t §err gu iüerben fudjen unb Dor 5lKem ^err über mid) felber; ben Ort fo lange ttjec^feln, al§ nod) irgenb ein 3cid}en öon (Süaüerei mir tuinft; bem 5lbenteuer unb bem Kriege nid)t an^ bem SBege gef)en unb für bie fd)(immften ßuföKc ben Xob in S3ereitfd^aft f)alten: nur nid)t länger biefc unanftänbige ^edjtfd^aft, nur nid)t länger bie§ @auer* unb giftig* unb S^erfdjtnörerifd)' iüerben!" ^ie§ UJöre bie redjte (SJefinnung: bie 5lrbeiter in Europa follten fid) al§ (Staub fürberl^in für eine 90^enfd)en'lluinöglid}!eit, nvb nid)t nur, mie meiftenS gefdjie^t, a^3 ctluaö (jart unb unjnjedmäSig (Sin* gerid)tete§ erflären; fie follten ein ßcitaltcr be$ großen $Iu§fc^n)ärmeuS im euro^^äifdjen S3ienenftode Ijerauf* füljrcu, tüic bcrgleid^en bi^l^cr nod^ nid^t erlebt lüurbe, unb, burdj biefe %l)at ber grei^ügigfeit im großen @tit
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gegen bie SJlafd^ine, ha^ Sa^itat unb bte je^t t^ncn broljenbe 2öa()I ^rotcftiven, enttücber @!(Qt)e be§ (Staate^ ober (S!lat)c einer Urnftur^-^artei irerben gu muffen. 3J?üge fic^ Europa be§ Diertcn STfjeileS feiner S5en)ol)ner erleirfjtern! 3()m unb il^nen tuirb e§ leidster um'g §er§ Ujcrben! Sn ber gerne erft, bei ben Unternef)mungen fcfjnjörmenbcr (SoIoniften^3üg^f iüirb man red^t er!ennen, tüie Diel gute 33ernunft unb öilligfeit, njie öiel gefunbe^ nJiigtrauen bic 5[J?uttcr Europa i{)rcn (Söl)ncn einverleibt ^at — biefcn ©öljncn, tvddjt e§ neben iljr, bem öer« bumpften alten Sßeibe, nid^t me^r au§l)alten fonnten unb @efal)r liefen, griesgrämig, reijbar unb genugfücljtig, n)ie fie f eiber, gu tuerben. 5rugerl)alb ©uropa'ö luerben bie ^ugenben ©uropa'ö mit biefen ^(rbeitent auf ber 2öanberfd)aft fein; unb ba^, \va^ gu gefäljrlid^em TO§= mut^ unb Derbredljerifc^em §ange innerhalb ber §eimat 5u entarten begann, njirb brausen eine milbe fdjöne 9^atürlid^!eit geminnen unb §eroi§muä Reißen. — <So fäme boc^ enblid) aud; Ujiebcr reinere fiuft in baö alte, je^t überüölferte unb in fid) brütenbe Europa! 9J?ag e§ immerl)in bann an „^IvbcitSfräften" dtva^ feljlen! 3^ielleid)t n)irb man fid) babei bcfinnen, ha^ man an öiele Sßebürfniffe fid) erft feitbem gett)ül)nt l)at, als e0 fo lcid)t lüurbe, fie ^u bcfriebigen, — man mirb einige S3ebürfniffe n)ieber Verlernen! ^ictleid)t aud) iuirb man bann S^inefen l)ercinl)olen: unb biefe mürben bie ^enf^ unb fiebcnSmcife mitbringen, n)cld)e fid^ für arOeitfame 5lmeifcu fd)idt. Sa, fie fönnten im ©an^en baju l)clfen, bem unrul)igcn unb fid) aufrcibenben (Suropa etmaö afiatifd)e 9fiul)e unb 93etrad)tfamfeit unb — maS am meiftcn mol)l notl) tl)ut — afiatifd)c ^auerljaftig^ feit in'S (SJeblüt ju geben.
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207.
Sßcrfjalten bcr 2)eutfc()cn jur SJJoroI. — ©n ^eutfdjer ift groger 2)in9e fä[)tg, ahcx e^ ift unn)al)r- fdjcinüc^, ia^ er fte tl)ut: beim er öel)ord)t, tt)0 er fann, lote bieS einem an fid^ trägen ©elfte lool^tt^ut. Sßitb er in bie 9^ot^ gebrodjt, allein gu ftef)en unb feine Xrä9r)eit ab^utüerfen, ift e§ if)m nid)t me()r möglich, aliS 3^ff^^ ^" ^^"^^ @nmme unter5ubuden (in biefer ©igenfcf)aft ift er bei SBeitem nic^t fo üiel njertt) tük ein gran^ofe ober (Sngtänbcr), — fo entbccft er feine ^'äftc: bann lüirb er gefä^rlirfj, böfe, tief, uem^egcn unb bringt ben ^d)a^ t3on fdjiofenber Energie an'§ 2id)t, ben er in fid) trägt unb an ben fonft nicnianb (unb er felber nid^t) glaubte. SSenn ein ^eutfd)er fid) in foldjem gaüe jelDft geljor^t — c^5 ift bie groge 5luönal)me — , fo gefc^ieljt eä mit ber gleichen (Sd)iüerfät[ig!ett, Un- erbittlidjfeit unb ^auer, mit ber er fonft feinem gürften, feinen amtüdjen Dbücgen^eiten gel^orc^t: fo ta^ er^ njie gcfagt, bann großen 5i)ingen geioadjfcn ift, bie ju bem „fdjiuac^cn Sljarafter", ben er bei fid) Dorau^fc^t, in gar feinem 58erljä(tni§ ftel)en. gür gen)öl)nlid) aber fürd^tet er ftd^, t)on fid^ allein ab3ul)ängen, ju improöifiren: be^^alb Derbraud^t ^eutfd)lanb fo Diel Beamte, fo üiel Xinte. — ^er Seid)tftnn ift i^m fremb, für il)n ift er gu ängftlid); aber in gang neuen Sagen, bie i^n auö ber @d)läfrigfclt ^erau§§ie^n, ift er beinal)e leid^tfinnig; er genießt bann bie (Seltenheit ber neuen Sage iDie einen iRaufd), unb er Derftel^t fi^ auf ben D^^aufd^! (So ift ber ^eutfd)e je^t in ber $olitif beinal)e leid^tfinnig: l)at er ba§ Sßorurtl^eil ber ©rünblid^teit unb be§ ©rnfted auc^ l)ier für fid^, unb benu^t er eS im S8erfel)r mit ben anberen politifdjen 9Käd^ten reid)li^, fo ift er bof^
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tn^gc^eim boHer Übennutt), einmal fd)tüärmen imb launcn« l;aft unb neuerung^jüc^tig fein gu bürfen unb mit ^ct:: foncn, Parteien, Hoffnungen n)ie mit Warten ju tüed)fc(n. — ^ie beutfcf)en (^ck^xten, tüetdjc bi^Ijer bn§ 5(nfe^en ()Qtten, bte 2)eutfd)eften unter ben ^eutfdjcn ju fein, tüaren unb finb Dietleid^t noc^ fo gut njie bie beutf(^en ©olbaten, hjegen ii)re^ tiefen, faft !inb(id)en §ange§ §um ^etjord)en in ollen äußeren fingen unb bcr 9^öt[}igung, in ber 2Biffenfd)Qft öiel aHein §u ftcf)en unb öiel ju toerantmorten; njcnn fte it)re ftolje fdjlidjtc unb gebutbige 5(rt unb \l)xt grei^eit öon po(itifd)er 9?arrl)cit fic^ ju fidjern triffen, in 3^^^^"' ^^^ ^^^ '^\n\) anber^ bläft, fo fteljt nod^ ©rogeg tion itjnen $u erluarten: fo tük fie finb (ober toaren), finb fie ber em6rt)onif^e 3"f^önb üon etn)a§ ^ö leerem. — 2)er 33ort^eil unb ber 9f(ad)tl)ci( ber ^eutfdjen, unb felbft i()rer ©cleljrten, n^ar l)töl)er, \)a^ fie bem 5(6erg(au5en unb ber Suft, ju glauben, nätjer f tauben al§ anbere 55ö(fer; i^re Safter finb, nac^ tpic tor, ber Xrun! unb bcr §ang jum ©clbftmorb (biefer ein 3cicl)en üon ©djn^crfälligfeit be§ ©cifteö, ber fdjueÜ baju gebradjt tüerbcn !ann, bie Bi^Ö^^ ^^^Öä"' tuerfen); if)re ®efal)r liegt in OTem, \m^ bie ^erftaubeö^ !räfte binbet unb bie ^(ffeftc entfeffelt (ujie jum ©eifpiel ber übermütige ©ebraudj ber 9J?ufif unb ber gciftigcn Qkträn!e): benu ber beutfdie 5(ffc!t ift gegen ben eignen 9ht^en geridjtet uub fclbftjerftörcvifd) luie ber beö Xrunfenbolbö. ^ie öegcifterung fctber ift in ®eutfd)(anb n)eniger njert^ a(§ anbenuärt^, benn fie ift unfrud)t= bar. SSenn je ein ^cutfd)er t^twa^ dJvojle« t()at, fo «gefdjat) eä in ber S^otl), im 3"ft^"^c ber Xapfcrfcit, ibcr jufammengebiffcncn 3^^^)"^» ^^^ gefpannteften 33e= fonnenl)cit unb oft bcr ^rof3mutI). — 2)er Umgang mit ihnen UJÖre toot)! an5uratt)en — benn faft jcbcr ^eutfd)c
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\)Qt ettt)a§ ju geben, ttjenii man berfte^t, tfjn ba^tn ju bringen, ta^ er e§ finbet, njteberftnbet (er ift un=
orbentUdj tu fid)). SBeun nun ein 33oI! biefer 5lrt
fid§ mit Woxai abgiebt: toelc^e Woxal Ujirb e§ fein, bie gerobe il;m genugt()ut? @id}erlid) luirb e§ guerft iuollen, ba^ fein ^eräüc^er §ang gum ®cI}orfam in i^r ibealifirt erfc^eine. „^er 3)Zenfd) mu^ tttüa§> ^aben, bem er unbebingt gel^orc^en fanu," — 'öa^ ift eine beutfd^e @m))finbung, eine beutfdje golgeric^tigfeit: man begegnet il^r auf bem (SJrunbe aller beutfd)en 90?oral(el}ren. SBie anber§ ift ber (ginbiiid, tDenn man fid) t)or bie gefammte antife Woxai fteEt! Me biefe gried)ifc^en Genfer, fo vielartig i^r ^ilb un§ entgegenfommt, fd^einen alö 3}?oraliften bem Slurnmeifter §u g(ei(^en, ber einem Süngtinge §uf)jrid)t „^omm! golge mir! ©rgieb bid^ meiner ^uiijil ©o n^irft bu e§ öieöeidjt fo ^06) bringen, \)ox atten §ellenen einen $rei§ baüongutragen." ^erfönlid^e 5(u§5eid}uung — \)a^^ ift bie antife Xugenb. @id^ untere tüerfen, folgen, öffentti(^ ober in ber SSerborgen^eit, — ha§> ift bentfd}e Xugenb. — Sauge öor ^ant unb feinem fategorifc^en Smpcratiö \)attc Sutl^er au§ ber felben ©mpfinbung gefagt: e§ muffe ein SBefen geben, bem ber 9}?enfd} unbebingt Vertrauen !önne, — e^ Ujar fein (^otteöbelüeiö, er tvoUtt, gröber unb öolf^tpmtii^er alö ^ant, ha^ man nid)t einem S3egrifft fonbern einer $erfon unbebingt gcljordje; unb fdiUeglid^ l^at aud^ Äant feinen Umtneg um bie SO^oral nur be^^alb genommen, um 5um (SJe^orfam gegen bie ^erfon ju gelangen: ha^ ift eben ber (Sultuö be§ ^eutfcben, je meniger il^m gerobe bom Sultu0 in ber 9ietigion übrig geblieben ift. ®ned)en unb 9^ömer empfanben anbcr^ unb ujürben über ein foldjeg „eS mu§ ein SSefen geben" — gefpottet l^abcn: e^ gef)örte ju i^rer füb-
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Iönbifd)en gret^eit bc§ ®efü^I§, ftrf) be§ „unbebtngten S3ertrauen§" ju eriüel)ren unb im legten SSerfcI)(u§ be§ 5)cräen§ eine fleine (Sfepfi§ gegen 5((Ieg unb SebeS, Jei e§ (Sott ober 9J?enfc^ ober S3egriff, §urücf§u5e^a(ten. (Sar ber antife $()t(ofopf)! Nil admirari — in biefem ©Q^e ftel)t er bie ^f)i(o[op^ic. Unb ein ®eutfd)er, nömüc^ ©d)opcn^auer, gef)t fo meit im ®egentl)eil, ju fagen: admirari id est philosophari. — SSie aber nun, toenn ber S)entf(^e einmal, \vk e§ öorfommt, in ben 3uftanb gerätl}, tüo er großer^inge fäi)ig ift? SBenn bie ©tunbe ber ?(ugnal)me, bie ©tunbe be§ Unget)orfam3 fommt? — Sd) glaube nid)t, ba§ <Sd)openl)auer mit SRed^t fagt, e§ fei ber einzige SSorgug ber 2)eutfd)en öor anbern 5SöI!em, ba§ e§ unter il)nen me^r 5Itf)eiften gebe at§ anbermärt^, — aber ba§ tt)ei§ id): luenn ber ^eutfd^e in ben S^f^«^"^ Qerät!), tDO er großer ^inge fällig ift, fo ergebt er fi^ allemal über bie 9J?oral! Unb tük foHte er nid)t? Se^t mug er ttwa^ S^eueö tl)un, nämlic^ befel)len — fid^ ober onbcren! ^a§ Sefel)len l)at il^n aber feine beutfd)e 9J?ora( nid)t gelel)rtl 2)a§ 83efel)len ift in il)r öergeffen!
nu<»fd)<« «Berte. ma!T.««u«ö. IV. 2Ö
1
«terteS ^üä).
208.
® etüiffenöfrage. — „Unb in summa: toaö tüoHt i^r eigcntltd} 3fieueö?" — SSir tDoIIcn mcf)t md)x bie Urfad)en ju ©ünbcnt unb bic Solgen ^u §enfem marf)en.
.209.
2)ie 9^ü^lid)feit ber ftrengftcn X^eorien. — SUian fidjt einem 9)?enfd)en öiele @(^tüäcf)cn ber 9J?oraIität nad) unb I^anb^aOt baSei ein groOcö (Sieb, t) 0 r au § gefetzt bag er fid) immer jur ftrengftcn Xt)eorie ber 9J?orat be!ennt! S)agegcn ^at man ba§ ficben ber freigeifttfd)cu 9J?oraliftcn immer unter baö TOfroffop geftellt: mit bem ^intergebanten, ba§ ein gctjitritt beö Scbenö baö fic^erfte 3Irgument gegen eine unmiflfommene (Srfenntni^ fei.
210.
^a§ „an fid^". — @f)emü(ö fragte man: mad ift baö i3äd)erlid)e? iüie a(§ ob eö aufecr un^ ^ingc gebe, mcldjcn baä fiäd)cr(id)e a(ö (Sigcnfd)aft anl^afte, unb man er(d)öpfte fi^ in Sinfäticn (ein Xljeologe meinte fogar, ha^ cö „bic S^aiüctät ber ©ünbc" fei). SclJt fragt man: tuaö ift baö Sadjcn? 2öie entftef)t ba§ fiadjcn? Tlan \)at fid) befonncn unb enblid) fcftgcfteüt, ba5 cö
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md^t^ (5Jute^, mcf)t§ (S(f)öne§, ntd^tö (Sr^abeneS, nid^t^ 53öfe§ an fid) gi^^t itJO^I aber 6ee(euäu[tänbe, in benen tüix hk SDinge außer unb in un§ mit foId)en SSorten belecjen. SSir l^aben bie ^räbifate ber S)inge ttJteber jurüdgenommen, ober tüenigftenö un§ baran erinnert, baß tüir fie if)nen geliehen ^aben: — (e^en tüir gu, ha.^ toxx bei biefer (Sinfid^t bie gä()ig!eit jum SSerfeif)en nid^t öerlieren, unb ha^ toir nicl)t gugteidt) rcid^cr unb geiziger getoorben ftnb.
211.
5In bie ^röumer ber Unfterbtic^fcit. — 2)iefem fd^önen 93en)u6tfein eurer felb[t n)ünfd^t i(;r a(|o en)ige ^auer? Sft ba§ nid^t fd[jamIo§? 2)enft i^r benn nid^t an alle anbem ^inge, bie euc^ bann in alle (gnjigfeit ju ertragen l^ötten, tvk fie eudfj bi§l)er ertragen ^aben mit einer mefjr a(§ d^rifttic^en ©ebulb? Ober meint x\)x, i^nen ein ert)ige§ SBol^Igefüfjt an eud) geben §u fönnen? (Sin ein^^iger unfterblidfjer SRenjd) auf ber @rbe UJöre ja fd;on genug, um aUeS toberc, ha^ nodf) ha tväxt, burc^ Überbruß an i^m in eine oÜgemeine sterbe- unb Sluf^öngenjut^ 5U öerfefeen! Unb il)r ©rbenbettjo-l^ner mit euren S3egriffe(d)en t)on ein paar Xaufenb 3ei^i«ütd^en UJOÜt bem elüigen aEgemcinen ^afein eftjig läftig fallen ! ®iebt e§ ettt)a§ 3"^^'^"9^^^e^*^^' — 3"^e6^- f^^cn toir milbe gegen ein Söefen öon fiebengig Saferen! — c§ l)at feine ^^^Ijantafte im 5(u§malen ber eignen „eujigen fiangenn^eile" nid)t üben fönnen, — ed f^^fte if)m an ber geit!
212.
SBorin man fic^ !ennt. — ©obalb ein %\)kx ein anbere^ ficl)t, fo migt e§ fid^ im (Seifte mit i^m; unb
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cbenfo mad}en e§ bie aj?cnfcf)cn irilbcr gettalter. daraus ergicbt fiel), bog fid) ba jeber SD^enfd^ faft nur in §infid)t auf feine 2Sel)r? unb Eingriff öf rufte fennen lernt.
213.
2)ie SJ^enfd^en beö öerfet)Iten ßebenS. — ^ic (Sinen finb auö foId)em ©toffe, \>a^ e§ ber (55efeIIfd)aft erlaubt ift, bieg ober jeneg auö i^nen ju mad)en: unter aÜen UrnftÖnben Ujerben fte fid^ gut babei befinben unb nidjt über ein öcrfc^lteg fieben §u Ragen ^aben. 5Inbere finb öon gu befonberem ©toffe — eö brandet be^ljatb nod) fein befonberS ebler, fonbem eben nur ein feltnerer ju fein — , al§ ba§ fie nidjt fid) fd)Icd)t befinben müßten, ben einzigen %aU aufgenommen, bafe fie i()rem einzigen 3^^^*^^ gemäß Uhm fönnen: — in ollcn anbcren %ä\kn ^at bie ©efedfc^aft ben (Sdjaben baüon. ^cnn alleg, \va^ bcm ©inäelncn a(§ berfe()(teg, miJ3rat()ene§ Seben crfc^eint, feine gange öürbe t)on SDcißmutf) Sä()mung ^Tfranfung Sf^eigbarfeit Sege()rlid)!eit, iüirft er auf bie ®efellfd)aft jurüd — unb fo bi(bet fi^ um fie eine fd)(ed^te bumpfe Suft unb, im günftigften gaüc, eine (SJemitternjotfe.
214.
9Bag S^iac^fidjtl — S()r leibet unb verlangt, bafe njir nad^fidjtig gegen tndj finb, iuenn i()r im Seiben ben fingen unb 9J^cnfd)cn Unrcdjt tljut! 5(ber maö liegt an unferer 9^ad)fid)t! S^r aber folltet öorfid)tiger um euer fetbft miücn fein! ^aö ift eine fdjöne 5[rt, fi^ für fein Seiben fo ju entjdjäbigcn, baJ3 man nod) bagu jcin Urt^eit fd)äbigt! 2(uf euc^ felbcr fällt eure
— 408 ~
eigne 9f?Qd^c jurücf, toentt tl^r ctttjaä t)eruttgttm^)ft; t^r trübt bamit euer $Iuge, nic^t ba^ ber 5Inbem: t^r gc« toö^ttt eud^ on baS galfd)- unb (Sd^tef=©e^en!
215. 9}?orat ber Dpfert^iere. — „<Std^ begeiftert ^m geben", „ftd^ felber gum D^jfer bringen" — ba§ (inb bte ©tidjtDorte eurer SJ^orol, unb id) glaube e§ gerne, bag i^r, tuie i^r fagt, „e§ bamit d}xi\6) meint": nur !enne id) eu^ beffer, al§ i^r eu^ !ennt, toenn eure „©l^rlii^feit" mit einer fold^en Tloml 5(rm in 2(rm ju ge^en t)ermag. Sf)r fe^t öon ber ^ö^e berfelben ^erab ouf jene anbere nüchterne äJ^oral, ineldie ©elbftbe^err* fdjung (Strenge (SJe^orfam forbert, \\)x nennt fie lüo^l gar egoi[tifc^, unb geujiß! — il^r feib et)r(i(^ gegen tnd), trenn fie eud| mifefäEt, — fie muß eud) mi^^ fallen! 2)enn inbem xijx eud) begeiftert l^ingebt unb au§ tnd) ein D|)fer madjt, geniest i^^r jenen 9laufd^ be§ ®eban!cn§, nunmehr ^in§ ju fein mit bem 2}?äd)tigen, fei e§ ein ©ott ober ein Wm\^, bem i^r eu^ njei^t: il)r fdjlüelgt in bem (5Jefüf)Ie feiner "^adjt, bte eben töieber burd^ ein 0\>\ex bezeugt ift. Sn 2Ba{)rl;eit fc^eint il^r eud) nur gu o|)fern, i^r lüanbelt eud^ Dielmeljr in ®eban!cn gu (SJöttern um unb genießt eud^ at§ folc^e. $ßon biefem ©enuffe au§ gered^net — tt)ie fd^madi unb arm bünft eud^ jene „egoiftifd)e" Tloxal be§ ©e^orfamS, ber $flid)t, ber $8ernünftig!eit: fie mißfällt eud^, tücW fjkx toirüic^ geopfert unb l^ingegeben tüerben muß, o^ne ia^ ber Opferer fid^ in einen ©ott öerUjanbelt ujä^nt, tpie il^r tüä^nt. Sturg, il^r tooUt bcn 9^aufc^ unb ba^ Übermaaß, unb jene t)on eud^ öerad^tete SÄoral l^ebt ben ginger auf gegen 9^aufc^ unb Ubermaaß — ic^ glaube eud^ n)o(;(, ha^ fie eud^ SJ^ißbel^agen mod^t!
— 409 -
216.
^ie 93öfen unb btc 3J?ufif. ~ ©oUte bic öoHc ©eügfeit ber Siebe, tDel^e im unbebinflten SBcrtrauen liegt, jemals anbent ^erfonen ju X^cil gelDorben fein, als tiefmi^trauifcljen böfen unb galligen? jDiefe nämlid^ genießen in il)r bie ungcljeurc, nie geglaubte unb glaublidje SluSna^me il)rer ©eele! ßineS XageS fommt jene grenjenlofe, traumljafte (Smpfinbung über fie, gegen bie fic^ il;r gangeS übrigcö l)eimlicljeS unb ficl)tbareS Seben ahl)cbt: \mt ein töftlidjcö ÜJätljfel unb 2Bunber, öoll golbenen ©langes unb über äße SBorte unb Silber l)inauS. ^aS unbcbingte SSertrauen mnc^t ftumm; ja fclbft ein fieiben unb eine (Sdjiüere ift in bicfem feiigen ©tummnjerben, UjcSljalb aud) folcl)e Uom ®lücf gebrückte ©eelen ber SJ^ufif ban!barer gu fein pflegen als aÜc anberen unb befferen: bcnn burd) bie SOcufif Ijinburd) fe^en unb Ijörcn fie, tüie burd) einen farbigen Sf^aud), iljre Siebe gleid)fam ferner, rül)renber unb iueniger fd)n?er geloorben; 9)^ufif ift il)nen baS einzige SO^ittel, i^rem augcrorbentlidien 3"ftönbe gu^ufdjauen unb mit einer 5lrt üon (Sntfrembung unb (Srlcidjtcrung erft feineS 5lnblidS tljeilljaft ju Ujerben. Seber Sicbenbe bcnft bei ber SD^ufif: „fie rebet t)on mir, fie rebet an meiner @tatt, fie lüeife alleS!"
217.
^er itünftler. — T)ie jDeutfd)en moUcn burc^ ben 5lünftlcr in eine 5Irt erträumter ^affion fommen; 'bie Staliüuer iuollen burc^ i^n Don il)rcn U)irflid)en Ißaffionen auSrnljen; bie gvan5ofen mollcn Uon i^m 4Jelegen^eit, iljr Urtljeil ju betueifen, unb SInläffe jum ^cbcn ^oben. ^Itfo: feien mir billig!
— 410 -
218.
^it feinen (Sd)n)äd)en aU Slünftler fd^alten. — SBcnn Wix burc^au^ ©d)iüäd)en t)aben follen unb fie al§ ©efc^e über un^ enblid) auc^ anerfennen muffen, fo ttJÜnfd^e id) jebem tüenigftenS fo öiel fünftlerif^c ^aft, ha^ er au§ feinen ©(^tüädjen bie golie feiner ^ugenben unb bur^ feine ©d)n)äd^en un§ 6egei)rUc§ naiS) feinen ^ugenben ju mad)en t)erftef)e: ba^, n)a§ in fo ausgezeichnetem SJ^aage bie großen 9}?ufi!cr öerftanben l^aSen. SSie ^äufig ift in S3eetf)ot)en'§ Tln[il ein grober, red)tf)aberifd|er, ungebulbiger Xon, bei Tlo^avt eine Sozialität bieberer ©efeüen, bei ber §er§ unb ©eift ein Sßenig fürlieb nehmen muffen, bei Üäd^arb SSagncr eine abf|)ringenbe unb §ubringenbe Unrul)e, bei ber bem ©ebulbigften bie gute Saune eben ab^anben fommen XüiU: ha aber !et)rt er gu feiner ^raft ^urüd, unb ebenfo Sene; fie 5ltte f)aben un§ mit itjren ©d)tt)äd)en einen ^eig^unger nai^ i^ren Xugenben unb eine ge^nmal empfinb(id)ere QnnQC für jeben Kröpfen tönenbcn ©eiftcv, tönenber ©cl^önl^eit, tönenber ®üte gcmacf)t.
219.
2)er betrug bei ber ^emütl^igung. — ^u ^aft beinern 9^äd}ften mit beiner Untjenninft ein tiefet Seib gugefügt unb ein unn)ieberbring(id)e§ @(üd jerftört — unb nun geujinnft bu e§ über beine ßiteücit, 5U it)m §u get)cn, bu bemütl;igft bic^ öor i^m, giebft beine Unvernunft öor i^m ber 5öerad)tung ^reiS unb meinft nad) biefer Ijarten, für bid) öugerft befdjmerlid^en (Scenc fei im ©runbe alleS toieber in Orbnung gebrod^t — beine freinjiöige (Sinbuge an (£{)re gleiche bie unfreimißige
— 411 —
@inf)u6c bc« 5lnbem an ®Iücf au§: mit btejem ®efüt)Ic gel^ft bu erhoben unb in beiner ^ngenb lüieberliergeftellt baDon. 5(ber ber 5Inbere l)at fein tiefet Seib njie borljer, cö liegt i^m gar nic^t^ ^röftlidjeö barin, bag bu unücr* nünftig bift unb cö gefagt ()oft, er erinnert ft^ fogar be§ peinlichen ^TnbUcfö, ben bu it)m gegeben t)aft, a(ö bu bid) bor i^m felbft öerodjteteft , Ujie einer neuen Söunbe, n?e(^e er bir öerbanft, — aber er bcn!t nic^t an Df^Qc^e unb begreift nid^t, mc jn^ifdjen bir unb i^m tttoa^ auögeglidjen iüerben fönnte. Sm ©runbe {)aft bu jene ©cene öor bir felber aufgefül)rt unb für bi^ fctber: bu l^attcft einen ßcngen bagu eingelaben, beinet« njegen njiebenim unb nidjt feinetn)egen , — betrüge bid) nicl^t!
220.
SBürbe unb gurc^tfamfeit. ~ ®ie (Zeremonien, bie $lmt§= unb (Staubet tradjtcn, bic ernften SD^ienen, baö feierlidje ^reinfd)auen, bie (angfame ©angart, bie geiüunbene 9?ebe unb aHeö übcrl)au|)t, ma§ SBürbe ^eijjt: baö ift bie SSerfteßung^form berer, metdje im ©runbe fiudjtfam finb, — fie iüoßen bamit fürd)ten madjcn (fid) ober bag, wa^ fie re))räfentiren). SDie ^urd^tlofen, t)aö t)ei6t urfprünglid): bie jeber-jeit unb un^meifeKjaft !gürd)terlid)en ^aben Söürbe unb (Zeremonien nid^t nöt^ig; lie bringen bie (5()rlic^feit, bag ©crabe^u in SSorten unb 5Jebärbcn in 9^uf unb nod) mc[)r in Verruf, alö ^In^eidjen )er felbftbeiüugten gürdjterlidjfeit
1221. 9)?oralität beö Opfcrö. — ^ie 9)?ora(itöt, tt)c(d)c id^ nad) ber Aufopferung bemi^t, ift bic ber Ijalbiüilben
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©tufe. ^te SSemunft \)at ha nur einen fd^tüierigen unb blutigen @ieg inneri)al6 ber (Seele, e^ finb geujaltige ^egentriebe nieber^uUJerfen; o^ne eine 5Irt ©raufamfeit, tüie bei ben D))fern, lüeldje fanibalifd^e ©öttet t^erlangen, gel)! e§ babet nic^t ab.
222.
SBo ganatiömuS ju tüünfd)en tfi — P|(egma=^ tifcf)e Staturen finb nur fo ^u begeiftem, ba§ man fic fanati[irt.
223.
'Dag gefürdjtete 5(uge. — dlidjt^ ttjirb Don ^inftlern, ^icf)tern unb (Sd^riftfteHern me^r gefürchtet aU jeneg 5luge, lüeld^eg i^ren Keinen 53etrug ficfjt, tüeld^eg nad)träglic^ tüal^mimmt, tüie oft fie an bem (S^ren^tüege gef tauben Ijaben, too e§ entn?eber jur um fc^utbigen £uft an fid^ felber ober guni ©ffeft-madjcn abfül)rte; iüeld)e§ it)nen nad)red)net, toenn fie Ujeuig für tjiel üerhufen tuoEten, luenn fie ju ergeben unb ju fd)müden fud)ten, ot)ne felber erijoben gu fein; iüeld)eg ben (^ebanfen burd) allen Strug il;rer Stunft l)inburd^ fo fiel)t, tvk er juerft öor il)ncn ftanb, öielleidjt tuic eine ent^üdeube ^idjtgeftalt, l)iclleid)t aber aud) al^ ein 2)iebftal}l an aüer SSelt, alö ein OTtagö=©ebanfe i ben fie bel)nen, !ür§en, färben, einn^ideln, iuür^en mußten, j um ettuaS au§ il;m ^u mad)en, anftatt ha^ ber ©ebanfe ctiva^ auö i^nen mad)te, — o^ biefeS 5luge, lueldjeö alle euere Unrulje, euer (S|)äl;en unb ©icren, euer S^adjmadöcii unb Überbieten (bie§ ift nur ein neibifd)e§ 9^ad}mac§en) }| eurem SBcrle anmerft, n^eldje^ eure (Sdjamrötlje fo gut ■ fennt toie eure ^unft, biefe dtötf^c ju verbergen unb öor cud^ felber umgubeuten!
413
224.
^a§ „@r^ebcnbe" am UngtüdE beS 9^ädf)ften. — ®r ift im Ungtücf, unb nun !ommen bie „5)'?itleibigen" unb malen i(;m fein Unglüd an§> — enbtid) ge()en fie befrtebigt unb erhoben fort: fie t^aOen fid) an bem ©ntfe^en beS Unglürfüc^en njte an bem eignen (Sntfeljen gemeibet unb fid) einen guten 9^ad)mittag gemacht.
225.
SRittet, um fc^nell üerad)tet ^u tüerben. — (Sin 9}?enfd), ber fd)nell unb t)iet fpric^t, finh auger^ orbcntlid; tief in unferer 5(djtung, nac^ bem fürjeften 9Ser!e^re, unb fclbft trenn er öerftönbig fpri^t, — ni^t nur in bem Waa^z, al§ er un§ (äftig fällt, fonbern ujeit tiefer. SDenn Ujir erratf)en, tDie Dielen nj?enfd|en er fd)on l&ftig gefallen ift, unb rechnen jn bem 3)?ipe^agen, ha^ ict mad^t, nod) bie äRigadjtung i)\n^vi, tucldje n)ir für |i|tt t>orauSfe^en.
226.
SSom SSerfef)re mit (Eelebritöten. — 5t: ^Iber im meidjft bu biefem gro(3en 3)?anne auö? — ö: j3d^ möd|te i^n nid)t t)er!ennen lernen! llnfre ge()Ier 't)crtragen fid^ nidjt bei einanbcr: id) bin fur5fid)tig unb mi^trauifd), unb er trägt feine falfd)en ^amantcn fo gern tnie feine äd)tcn.
227.
5lette n tröger. — 58orfi d)t Dor allen ©eiftern, bie an Letten liegen! 3^^^ S3eifpiel öor ben fingen grauen, roctd)e i^r ©cl)idfal in eine fleine, bum^>fe Umgebung gebannt l)at, unb bie barin alt tt)erben. 3^oar liegen fie
— 414 —
fd^einBar tröge itnb ]^aI6 blinb in ber (Sonne ha: ober bei jebem fremben %x\tt, hd allem Unöermut^eten fat)ren fte auf, um ju beigen; fte nehmen an Willem SRac^e, tuaS il^rer §unbe^ütte entfommen ift.
228.
Sf^adje im Sobe. — §ier ift eine gefd^riebene (Seite öoller Sob, unb i^r nennt fie flad^: aber tüenn i^r errat^et, bag ^aä^t in biefem Sobe verborgen liegt, fo n)erbet if)r_fie faft überfein finben unb an bem 9fieid)tf)um Keiner !üt)ner (Strid^e unb giguren eud) fel^r ergoßen. S^ic^t ber äJ^enfd^, fonbem feine 'tRa6)c ift fo fein reid^ unb erfinberifd^, er felber merft !aum tttva^ baöon.
229.
(Stol$. — 51^, if)r !ennt OTe ha^ ©efü^I ni^t, n)e(^e§ ber Gefolterte nad§ ber golterung l^at, tütnn er in bie QeUt jurüdgebrad^t UjirD unb fein (5Jet)eimni§ mit it)m! — er I)ä(t e§ immer nod^ mit ben 3^^"^!^ M^ S33a§ mi§t il^r bom Subel be^ menfct)Iict)en ©tolje^!
230.
„Utilitarifd^". — Se|t gelten bie @m;)finbungen in moralifd^en fingen fo freu^ unb quer, ha'^ man für biefen 3J?enfd^en eine 9Kora( burd^ i^re S^ü^Iid^feit bemeift, für jenen gerabe burd^ bie 9^ü^tid^!ett tüiberlegt
231.
i8on ber beutfd^en Xugenb. — 9ßie entartet in feinem (^cfd^madf, Ujie fftaüif^ bor SBürben, ©tönben, Xrad)ten, $om^ unb $runf mufe ein ^olf gemefcn
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fein, qIS e§ boS ©(ijUd^te otö ba§ «Sc^te d)tc, ben jd^üc^ten 9J?ann al§ ben fd^(ed)ten Tlann abfc^äjjte! 9)?an foß bem moraIifd)en ^oc^mnt^e ber ^eutjd)en immer bie^ SBörtlein „fc^Iec^t" unb nid^tg iüeiter ent- gegenhalten!
232.
5(uS einer 2)i§^ntation. — 51: grennb, (Sie ^aben fid^ Reifer gefprodjen! — ©: (So bin \d) n^ibertegt. Sfieben tüxx nid)t n)eiter baöon!
233.
5)ie „®ett)iffen§aften". — ^aht x\)x ^Td^t ge* geben, toaS für ^IRenfdien am meiften SBertI) auf ftrengfte ©eiüiffen^aftigfeit legen? 2)ie, wddjt fid) öieler erbörm- lid^er (Smpfinbungen beiuugt finb, ängftlic^ Don fic^ unb an fid) beuten unb 5lngft öor 5Inberen i)ahm, bic iljr SnnereS fo fe^r Ujie möglid) Oerbergen Ujollen, — fie fudjen fid^ felber ju im^joniren, burc^ jene Strenge ber ®en)iffen^aftig!eit unb §ärte ber ^flid)t, üermöge be^ ftrengen unb l^arten (Sinbrud^, ben anbrc öon iljuen baburdE) betommcn muffen (namentlid^ Unter= gebene).
234.
(Sc^eu bor bem 9tuf)me. — ^: ^a^ einer feinem 9iul)me auönjeidjt, bag einer feinen Sobrebner abfid^tlid^ bdeibigt, ba^ einer fid^ fd£)eut, Urtljei(e über fid) ju I)ören, auä ©c^eu t)or bem fiobe, — bad finbet man, baö gi ebt cS — glaubt ober glaubt e« nidjt! — 53: ^a« finbet fid), baö giebt fid^! 9^ur ctn)ad ®ebulb, 3un!er §od)mut^!
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235.
^an! abtueifcn. — Wlaix bca*f tool^I eine SSittc obtreifen, aber nimmermehr barf man einen ^onf ab- teeifen (ober, tr>a§ ba^felbe ift, x^n Mi nnb conüentioneU onneI}men). ^ie§ Beletbtgt tief — unb tüarum?
236.
(Strafe. — (Sin felt)ame§ S)in9, imfre ©träfe! <Sie reinigt nid^t htn S5erbred)er, fie ift fein 5(6bü§en: im ©egent^eil, fie be}rf)mu§t mel^r al§ ha^ 58erbrec^en felber.
237.
@ine ^arteinotl^. — @§ giebt eine Iäd)er(id)e, aber nid)t ungcfä()r(tc^e S3etrübniß faft in jeber Partei: an i^r leiben alle bie, wddjt bie jal^relangen treuen unb et)rentriertf)en SSerfed;ter ber ^arteimeinung njaren unb ^^lö^Iid^, eineg Xage^, mer!en, \)a^ ein öiel Tlä6)'- tigerer bie STrom^jete in bie §anb genommen l^at. SSie moKen fie eg ertragen, ftumm gemad^t ju fein! Unb fo toerben fie laut, unb mitunter in neuen Xönen.
238.
^a§ Streben nad^ 5Inmutt). — SBenn eine ftarfc 9^atur nid)t ben §ang ber ®raufam!eit f)at unb nid)t immer t)on fid^ felber occujjirt ift, fo ftrebt fie untoills fiirlid^ nad) 5lnmut^, — bie§ ift i^r ^Ib^eid^en. ^ic fd)mad)en S^ara!tere bagegen lieben bie l^erben Ur- tl^eile — fie gefeiten fid^ ju ben gelben ber SKenfdjem l)erad)tung, ju ben reügiöfen ober pl}iIofopt)ifd)cn 5Im fdjmärjem be§ ©afeinS ober 5iel)en fid^ l^inter ftrengc «Sitten unb peinlid^e „SebenSberufe" jurüdE: fo fud^en
- 417 —
fte ftd^ «inen ©fiarafter unb eine Wct @tärfe ju jcf)affen. IXnb bieg t^un fie ebenfalls untijtllfürüd^.
239.
9Btn! für SD?oroIiften. — Unfere 9!Jhtft!er ^aben eine große ©ntbedung gemacht: bie intereffante ^ägtidjieit ift aud^ in il)rer ^nft mögüd)! Unb fo iüerfen [ie fid) in bie[en eröffneten D§ean be§ ^äßlid^en, \vk trunfen, unb nodj niemals toax e^ fo leicht, SJiufif 5U mad^en. Se^t ^at man erft ben allgemeinen bunfel= farbigen §intergrunb gett)onnen, auf bem ein nod^ fo fleiner ßi^tftreifen fd^öner 9J?ufif ben ^lan§ Don ®olb unb ©maragb erhält; je^t loagt man erft ben Quf)öttt in ©türm (Sm^örung unb auger 5ltl)em ju bringen, um i^m nad^l)er burc^ einen 5Iugenblii beS ^infinfenö in din\)t ein ©efü^I ber (Selig!eit gu geben, toeld^eS ber ©djä^ung ber 3[Jhifif überl^aupt ^u ®ute fommt. 3J?an \)at ben (Sontraft entbecft: je^t erft finb bie ftärtften ^ffefte mögli(^ — unb too^lfeil: niemanb fragt mel^r nad) guter SJ^ufif. 5l6er il)r müßt eud) beeilen! (S§ ift für jebe ^unft nur eine furje (Spanne Q^xi nod), toenn fie erft 5U biefer (Sntberfung gelangt ift. — Oi) tpenn unfere Genfer D^ren l)ütten, um in bie ©eelen unfrer üD^ufifer, öermittelft il)rer 3J?uft!, ^ineinjuliören! Sßie lange muß man ioarten, el^e fold^ eine ©elegenl)eit fid) tüieberfinbet, ben innerlid)en 3J?enfd^en auf ber böfen X^at unb in ber Unfd)ulb biefer Xl)at ju ertappen! ^enn unfre SQtufifer ijahm nic^t ben leifeftcn ©erud^ baöon, \)a^ fie il)re eigene ©efd^id^te, bie (§Jefd)id)te ber 58erl)äJ3lid)ung ber (Seele, in SJhtfi! fc^en. ©jemals mußte ber gute SJiuftfer beinal)e um feiner ^nft n^iHen ein guter 9J?enfd^ werben. — Unb je^t!
9nc0f(Dc8 5öerCc. man.'SluiQ. IV. -27
— 418 -
240.
Sßon ber SJloralttät ber ©(^aubö^nc. -— SBer ba meint, @^o!efpcarc^g X^cater tptrfe moraUfd^, uitb ber 51nblirf beS SKacbetl^ jtel^e untoiberfte^^Iid^ öom SSöfen be§ (Sl^rgetjeg ab, ber irrt fid§: unb er irrt fid^ noc^ einmal, loenn er glaubt, ©^a!efpeare f eiber l^abc fo entpfunben toie er. Sßer toirflid^ öom rafenben (g^rgeij befeffen ift, fiel|t bieS fein S3i(b mit Suft; unb tt)enn ber §elb an feiner ßeibenfd^aft ju ©runbe gel^t, fo ift bieg gerabe bie fd^ärffte Sßürje in bem l^eißen (Setrön!e biefer Suft. @m^)fanb e^ ber 2)id)ter benn anberg? Sie !önigli(^ unb burd^aug nid^t fd^urlenl^aft läuft fein ©fjrgei^iger öom Slugenblid! be§ großen $8erbred^en§ an feine ^a^n! &\i t)on ba ah jiel^t er „bämonifd^'' an unb reijt ä^nlid^e Staturen jur SRad^* al^mung auf — bämonifc^ l^eigt |ier: jum Xro^ gegen SSortl^eil unb ßeben, ju ©unften eine^ ®eban!en§ unb XriebeS. ©laubt i^r benn, Xriftan unb Sfolbe gäben baburd^ eine Seljre gegen ben ©l^ebrud^, bag fie 93eibc an i^m ju ©runbe gel)en? ^ieS l^iege bie 2)td§ter auf ben ^opf ftellen: loeld^e, ipie namentlid^ @i)afefpeare, öerliebt in bie Seibenfd^aften an fid^ fmb unb nid^t am geringften in il^re tobbereiten Stimmungen — Jene, tt)o ha^ $erj nid^t fefter mel)r am fieben l^ängt als ein Xro^)fen am ®(afe. S^id^t bie (Sd^ulb unb bereu fd^Iimmer 5lu§gang liegt il^nen am ^er^en, bem (Sf)a!ef)3eare fo »enig tt)ie bem iSopl^oüeg (im Sljaj ^l^UoItet Öbit)u§): fo leidet eg gett)efen toöre, in ben genannten gäHen hk ©d^ulb jum §ebe( be8 ^ramo^S ju mad^en, fo beftimmt ift bieg gerabe öermieben. (Sbenfo tt)enig toiß ber iragöbienbid^ter mit feinen S3ilbem beg ßebeng gegen bag ßeben einnef)men! ©r ruft t)ielmel^r: „t^ ift ber di^
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oKen Sf^etge^, biefe^ aufregenbe tocrf)felnbe gefö^rli^c büftere unb oft fonneitburd^glül^te ^ajein! @g ift ein 5lbentcuer, ju leben, -— nel^mt biefe ober jene gartet barin, immer njtrb e§ biefen S^arofter be{)alten!" — <So fpric^t er aus einer unrnl^igen unb fraftöoUen geit ^erau§, bie t)on i^rer Überfülle an S5Iut unb Energie ^albtrunfen unb betäubt ift, — au§ einer böferen Qeit l^erauS, ol^ bie unfere ift: toe^^alb tüxx nöt^ig ^aben, unS bcn Qtoed eineä <S^a!efpearifd^en ^rama'S erft jurerfjt unb gerecl^t ju mad^en, bog ^ei^t eö mi^^uöerftel^en.
241.
gurd^t unb SuteUigen^. — SBenn eS tüafjx ift, Wa^ man je^t be^ S3eftimmteften be^au^)tet, ba^ bie Urfac^e be§ fditoargen §autpigmentg nid^t im fiid)te ju fud)en fei: !önnte e§ t)iel(eid)t bie le^tc SBirfung l^äufiger unb burd^ 3ai)rtaufenbe gel£)äufter 9Sut()anfäIIc fein (unb S3lutunterftrömungen ber §out)? S53äi)renb bei anberen intelligenteren (Stämmen baS ebenfo ^ufige @rfd)reto unb SBIeic^toerben enbüd^ bie ttjeige §aut:= färbe ergeben l)ätte? — ^enn ber ^rab ber gurc^tfamfeit ift ein ^rabmeffer ber Snteüigenj: unb fid) oft ber bUnben 2öut^ überlaffen baS ^^ic^en baöon, bog bie Xi)ier()eit nod) ganj na^e ift unb fid^ njieber burd^fe^en möd)te. — SSraun-grau njäre alfo nio^I bie Urfarbe beS äJienfdjen — ttwa^ Riffen* unb öären^afte^, toie biHig.
242.
Unab^ftngig!eit. — Unabl)ängig!cit (in i^rcr fc^iuäc^ften 2)oftä „©ebanfenfrei^eit" benannt) ift bie 5?orm ber (Sntfagung, n)eld^e ber ^crrfc^fuc^tigc enblid^
— 420 —
annimmt, — er, ber lange ha^ Qefud^t l^at, toa^ er Be^errfd^en fönnte, unb ntd^t§ gefunben l^at als fid^ felBer.
243.
®te 5it)et Süd^tungcn. — SSerfud^en totr ben @))iegel an \\d) ^n hdtadjttn, fo entbedten toir enblid^ nid^t§ als bie ^tnge anf i^m. SöoEen mir bie ®ingc faffen, fo !ommen n)ir gnle^t mieber anf 9^id[)t§ al§ anf ben @|3iegel. — 2)ieS ift bie allgemeinfte ©efc^ic^te ber (grfenntttig.
244.
55reube am Sßir!Iid[)en. — Unfer je^iger §ang §nr grenbe am S2Sir!(id^en — mir Ijaben i^n faft OTe — ift nnr baranS gn öerfte{)en, ha^ mir fo lange nnb 6i§ jnm Ü6erbrn| grenbe am Unmir!Iid[)en gehabt ^aben. %x fid^ ift e§ ein nid^t nnbebenüid^er ^ang, fo mie er je^t anftritt, of)ne Sßa^t nnb geintieit: — feine minbefte ©efa^r ift bie ®efd^madEIofig!eit.
245.
gein^eit be§ 9)^adf|tgefüi)U. — ^iopoleon ärgerte fid§, fc^led)t jn fpredt)en, nnb belog ftd^ t)ierüber nid^t: aber feine ^errfd^fn^t, bie feine ©elegenl^eit Der= fd^mä{)te nnb feiner mar als fein feiner ®eift, hvad)k il)n baljin, nod^ fd^Ied^ter §n j))recf)en, alS er fonnte. @o räd^tc er fid^ an feinem eignen ärger (er mar eifer- füd^tig anf aüe feine 5(ffe!te, meil fie HJ^ad^t l^atten) nnb geno^ fein anto!ratifd^eS S5eHeben. @obann, in §infid[}t ouf Dl^ren nnb Urtt)eil ber §örenben, genog er bieS S3elicben nod^ einmal: tuie alS ob fo ^n i^nen ^u
421 --
ceben, immer nod^ gut genug fei. 3a er fro()(oc!tc im ©e^eimen bei bem ©ebanfen, burd) S3Ii^ unb ^Donner ber pd^ften 5l'utorität — tüeld^e im 33unbe üon Wladjt unb ©eniaütät liegt — ba^ Urt^eil ju betäuben unb hm ©efd^mad irrezuführen; n)äl)renb beibe^ in i^m fatt unb ftol^ an ber 2Ba^rf)eit feft()ie(t, ha^ er fd^Iei^t fpred^e. — 9^a:po(eon, alö ein üottfommen §u (Snbe gebadeter unb aufgearbeiteter X^j)u§ @ine§ Slriebe^, gehört ju ber antifen 9}?enfd^^eit: beren 9J?erfmaIe — ber einfache 5Iufbau unb ha^ erfinberifrfje 5Iu^btlben unb 9Iu^bitf)ten (£ine§ 9}^otit)g ober toeniger 9J?otit)c — Ieid)t genug ju erfennen finb.
246.
Hriftoteleö unb bie (S^e. — S3ei ben Zubern ber großen ©enie'ö brid)t ber 2Bal)nfinn ^erauS, bei ben Zubern ber großen Xugenbt)aften ber @tum^3ffinn — bemerft ^riftote(e§. SSoUte er bamit bie 5(u^na^me* 3J?enfrf)en jur @t)c einlaben?
247.
§erfunft be§ frf)terf)ten XemVeramentö. — Do§ Üngeredjte unb ^Sprunghafte im ©emütl) mancher 9}ienfd)en, i()re Unorbnung unb 9!J^aaß(ofig!eit finb bie testen golgen unää^Iiger logifdjer UngenauigJeiten, Un* Örünblid) feiten unb übereilter (Bc^Iüffe, Ujeldjer fic^ i^rc ^orfaljren fd)ulbig gemadjt f)aben. ^ie 9J^enfd)en mit ^ gutem Slcntperament bagcgen ftammcn an^ übertegfamen unb grünbüc^en ®eid)tcd)tern, U)e(^e bie Vernunft Ijody- mkUi (jaben, — ob ^u (öblidjen ober böfen 3^erfen, ba-ä fommt uidjt fo fe(;r in löetradjt.
— 422 —
248.
iBcrftcUunö als ^fltd^t — 2(m mctftcn tft bic ®ütc burc^ bie lange SSerftcEimg, kodd^e ©üte ju fc^einen füllte, entoicfelt toorben: übcraH loo groge 2J?ad§t beftonb, iDurbc bic 9lot§ttjenbtg!cU gcrabe btefer 5trt öon SSerfteümtg cingefefjen — fte Pö§t ©i^erl^elt imb SScrtrauen ein unb ber^unbertfad^t bie toiröic^e @umme bet ^^^fifc^en 9J?ad^t ^e fiüge ift, toenn ni^t bie SD^utter, fo bo^ bie 5tnune ber ©Ute. ^e (£^r(id§!eit ift ebenfaEä am meiften burd^ bie 5lnforberung eineg tlnfd^einS ber ©l^rlid^feit unb iBieberfeit groggejogen toorben: in bcn erblichen 2triftofratien- 5lu§ ber bauemben Übung einer SSerfteHung entftet)t ^ule^t Statur: bie SSerfteUung ^ebt fic^ am ®nbe f eiber auf, unb Organe unb Snftinfte finb bie !aum ertoarteten fjrüd^te im ©arten ber ^eud^elei
249.
Sßer ift benn je adein! — 5)er gurd^tfamc toeig nid^t, toa§ OTeinfein ift: ^inter feinem ^tu^le fte^t immer ein geinb. — O^, toer bie ®efcf)ic^te jeneS feineu ®efü^I§, toel^eS ©infamfeit Reifet, unS erjätilen fönntel
250.
9'^ad^t unb 3)?ufii — 5)aä D^r, bag Organ ber gurd^t, ^Qt fid^ nur in ber ^aä)t unb in ber §dbnac^t buntler Sßälber unb §ö^Ien fo rei^ enttoicfeln fönnen, toie e§ fic^ enttoicfelt \)at, gemög ber Sebenötüeife be5 furd^tfamen, ta^ Reifet beg aUerlängften menfc^Iid^eu 3eitalter§, toeld^eS e§ gegeben ^at: im gellen ift hai O^r toeniger nöt^ig. ^al)er ber ß^^araher ber 9)hifit ate einer toift ber ^a^t unb ^albna^t
— 423 — 251.
©totfd^. — (£3 giebt eine ^ettcrfdt be« ©totfet«, tDemt er fid) bon bcm Zeremoniell beengt füf)It, ba^ er felber feinem Sßanbel borgefc^rieben ^at; er geniest fid^ babet ate §errfd)enben.
252.
SD^an ernjäge! — ^cr geftroft tüirb, ift md^t me^r bcr, toetd^er bte %i)at gct^an l^at. ^ ift immer ber @ünbenbod.
253.
5rugenfd)ein. — ©d^Iimm! (Sd^Iimm! SBaS man am beften, am l^artnörfigften betoeifen mug, ba^ ift ber 5lngenfd|ein. SDenn aKjuüielen festen bie 5lugen, il;n ju fe^en. 5tber eS ift fo (ongtoeilig!
254.
^ic ißornjegne^menben. — ^o8 ^Tu^jctd^nenbc, aber aud) ©efä^rlid^e in ben bid^terifd^en Staturen ift if)re erf^öpfenbe ^^antafte: bie, toeld^e baS, toa^ n)irb unb njerben fönnte, öortoegnimmt, tjoriüeg genießt, öortüeg erleibet unb im enbtid^en 5lugenblidf beS ®e* fd^e^en^ unb ber X^at bereits mübe ift. fiorb S3^ron, ber bieS Hdeä 5U gut fannte, fd^rieb in fein ^agebuct): „SBenn id^ einen (Sot)n l^abe, fo foE er etnjoS gan^ ^rofaif^eS njerben — Surift ober Seeräuber."
255.
©efpröc^ über 3J?ufif. — 51: 2öa8 fagen (Sie ju biefer 9J?ufi!? — 93: ©ie ^at mid^ übermältigt, id) f)abe gor nid^tS ju fagen. §orc^! 2)a beginnt ftc öon S^euem! —
— 424 -
31: Um fo beffer! ©el^en tott ju, ba§ tuir fte bte^mal übertoöltigen. SDarf t^ einige SBorte ju biefer SOhift! machen? Unb S^nen and) ein ^rama geigen, tüeld^eg (Sie t)iel[eid)t beim erften §ören nic^t fet)en tDoKten? — S3: Sßo^Ian! id§ l^abe gtoei D^ren unb mef)r, njenn e§ nöt^ig ift. S^hirfen (Sie bidjt an mid^ l^eran! — 51: — ®ie§ ift e§ nod^ nitf|t, n)a§ er un§ fagen toiU, er berf^rid^t bisher nur, ta^ er ettt)a§ fagen toerbe, ettoa^ Ünerl^örteg, tt)ie er mit biefen ©ebärben ju öer« fte^en giebt. ^enn (SJebärben finb e§. SSie er toinft! fid) t)od^ aufritf)tet! bie 5(rme tüirft! Unb je|t fd^eint i^m ber pd)fte ^Tugenblid ber Spannung ge!ommen: nocf) jtöei ganfaren, unb er fül^rt fein Xt)ema bor, :|)räd)tig unb gejju^t, tüie Üirrenb öon ebten (Steinen. Sft eg eine fd^öne grau? Ober ein fd^öne§ ^ferb? ®enug, er fie^t entjücft um ftrf), benn er §at Hide beg (£nt* §üden§ 5U fammeln, — je^t erft gefaßt i^m fein Xl^ema ganj, je^t Ujirb er erfitü)fam, tüagt neue unb M^ne 3üge. 2Bie er fein Xl^ema heraustreibt! 511^! ©eben . (Sie 5td^t — er berfte^t nid)t nur e§ ju fd^müden, fonbem aud) ^u fc^minten! 3a, er tüeig, tüaS garbe ber ©efunbl^eit ift, er berfteljt ftd^ barauf, fte erfd^einen ju laffen, — er ift feiner in feiner ©elbftfenntnife, atö id^ j badete. Unb je^t ift er überzeugt, bag er feine §örer j überzeugt ^at, er giebt feine Einfälle, a(§ feien eS bie tuid^tigften ^inge unter ber @onne, er ^at unüerfd^ömte gingergeige auf fein ^^ema, aB fei eS §u gut für bicfe Sßelt. — §a, tük mi^trauifd^ er ift! ^ag rt)ir nur nid[)t mübe werben! (So t)erfd)üttet er feine 9J?e(obie unter @üfeig!eiten — je^t ruft er fogar unfre gröberen Sinne •. an, um unS aufzuregen unb fo »ieber unter feine ©etoalt äu bringen. §ören ©ie, loie er ha^ S-femen^ tarifc^e ftürmifd^er unb bonnember S^^l^^t^men befc^rtjört!
— 425 -
Unb je^t, bö er merft, bag biefe unö foffen, tüürgen iinb Beina()e äerbrüden, rtjagt er e§, fein %i)tma iüteber tn'^ ©^tet ber ©leniente gu mtfd)en unb un^ §alb6etäu6te unb ^rfd^ütterte ju überreben, unfre S3etöubung unb ($rf(i)ütterung fei bie SBirfung feinet Söunber-Xl^ema'g. Unb fürber^in glauben eS i^m bie ^ii^örer: fobalb eö erflingt, entftet)t in if)nen eine Erinnerung on jene erfdjüttembe (£(ementar=SBir!ung — biefe (Srinnenmg fontmt jegt bem Xl)ema ju ®ute, eS ift nun „bämonifd)" genjorben! 2Ba§ für ein Kenner ber (Seele er ift! ^ gebietet mit ben fünften eineS SSoIförebnerä über un§. — 5(6er bie 9J^ufi! Derftummt! — iö: Unb gut, bag fie eö t^ut! ^enn ic^ fann eS nidjt meljr ertragen,
@ie ^u ^ören! 3^^""^^^^ ^^^^^^ ^^^ ^^ ^^^ ^^^ tauften laffen, a(^ (£in 9J?al in 3t)rer ^Trt bie 2ßa^rt)eit ju tt)iffen! — 51: ^ie§ ift e§, toa^ ic^ üon S^nen ^ören tvoUte. (So mie @ie finb bie S3eften je^t: i^r feib jufrieben bamit, eud^ tauften ju laffen! 3l)t fommt mit groben unb lüftemen Dl^ren, if)r bringt \)(i^ ®en)iffen ber ^unft jum §ören nid^t mit, x^x IjaU euere fcinfte 9fJebüd)feit unterttjegö Ujeggeujorfen! Unb bamit üerberbt if)r bie ^nft unb bie ^ünftler! Smmer tt)enn i^r f(atfd^t unb jubelt, \^aU \i)x ba^ @en)iffen ber Huftier in ben §änben — unb n^el^e, toenn fie merfen, ha^ i\)x jtüifdjen unfd)u(biger unb fdjulbiger 3)?ufif nid)t unterfd^eiben fönnt! 3c^ meine iüaf)rlid) nid)t „gute" unb „fd^led)te" äJ^ufif — öon biefer unb jener giebt eö in bcibcn Wirten! ?lber id) nenne eine unfd)ulbige 9J?ufif jiene, n)e(d)e ganj unb gar nur an fid^ benft, an fid) glaubt unb über fid^ bie SSelt öergcffen l)at, — baö 9Son=:fel6cr- Ertönen ber tiefften Einfam!eit, bie über fid) mit fid; rcbet unb nid^t mel)r h)eii, bag e^ §örer unb Saufd^er unb SQ^irfnngen unb
— 426 ~
iWigtJcrftänbniffc unb SJHgcrfoIge ba brausen gicBi — 3ule^t: bte Wbi\xt, toeld^e toir eben ()örten, ift gerabe tjon btefer eblett unb feltneit 5Irt, unb alle§, ttJQS id^ t»on tl^r fagte, toor erlogen, — öer^ei^en @ie meine S5o§^eit, loenn ©ie ßuft ^oben! — 33: Df), @te lieben atfo biefe SO^ufif aud^? ^ann ftnb S^nen biele <Sünben bergeben!
256.
®türf ber ©Öfen. — ^iefe ftiHen büfteren böfen SKenfd^en l^aben ttma^, ba§ i^r it)nen nid^t ftrdtig mad^en !önnt, einen feltenen unb feltfomen ©enug im dolce far niente, eine Slbenb« unb ©oimenuntergangS' ^n^t, lüie fie nur ein ^^^ !ennt, ha^ aH^u oft bur^ 5(ffe!te öerjel^rt, jerriffen, tiergiftet toorben ifi
257.
SBorte in unS gegentt)ärtig. — SBir brüden unfere ©ebanlen immer mit ben SBortcn aug, bie un§ jur §mtb ftnb. Ober um meinen ganzen SSerbad)t au§= jubrücten: toir l^aben in jebem Tlommte zhm nur ben ®eban!en, für hjeld^en un§ bk Söorte ^ur ^anb finb, bie il^n ungeföl^r auSgubrüden Vermögen.
258.
^em §unbe fd^meid^etn. — Tlan mu§ biefem §unbe nur einmal ha^ gell ftreid^en: fofort fniftert er unb fprüf)t gunfen, hjie jeber anbre 6di)meid^ler — unb ift geiftreic^ auf feine 5lrt. SBarum foEten loir i^n nxdji fo ertragen!
— 427 -
259.
^cr cfiemaüge ßobrebnct. — „@r tft ftumm über m\ä) getoorbcn, obiDO^I er bie Sßa{)r:f)eit je^t tüdg unb fie fagen fönnte. 5l6er fte tDÜrbe tüie 9?ac^e !(ingen
— unb er ad^tet bie SBa^rl^eit fo t)od^, ber 5(^timgg^ toürbige!''
260.
5tmulct ber 5lbljängtgen. — 2öer unöcrmeibli^ tJOtt einem ©ebieter abhängig ift, foK ettPO§ l^aben, too== burd) er gurc^t einflögt unb ben ©ebieter im 3^^^^ t)ä(t, jum S3eifpiel 3fied^tfcl^affent)eit ober 5lufri^tigfeit ober eine böfe B^^nge.
261.
SBarum {o ergaben! — D^, ic^ fenne bie^ ©et^ier! greiüd^ gefäEt eö ftd) felber beffer, toenn eS auf ^tuei Seinen „n)ie einsott" bal^erfd^reitet, — aber toenn e^ n)ieber auf feine öier güge gurücfgefoEen ift, gefällt e^ mir beffer: bie§ fte^t i^m fo untjergteic^Ud^ natürlicher!
262.
^er ^ämon ber 3)^ad)t.— S^ii^t bie S^ot^burft, nicf)t bie S3egierbe — nein, bie Siebe jur SJ^ac^t ift ber ^ömon ber 9J?enfd^en. 9J?an gebe if)nen aßeg, ©efunb^eit, S^a^rung, 9[öo()nung, Unterl)a(tung — fie finb unb bleiben ungtürflid^ unb grillig: benn ber ^ömon irartet unb njartet unb toill befriebigt fein. 3J?an nel)me i^nen alles unb befriebige biefcn: fo finb fie beinahe glürflid)
— fo glücflic^, als eben SIJ?enfd)en unb Dämonen fein !önnen. 5lber njarum fage id^ bieS nod^? fintier I)at eS fd^on gefagt, unb beffer olfJ x6), in ben SSerfen:
— 428 -
„9^el)men fie unö hen Selb, ®ut, (£f)r', ^nb unb SBeib. lag fal^ren baf)in — ba§ Sf^ei^ mug im§ bod^ bleiben!" 3a! Sa! SDag „^eid^"!
263.
^er 2öiberf))ruc^ (eibljaft unb befeelt. — Sm fogenannten ®ente tft ein Jjl^^fiologijd^er SBiberfprud^: e§ befi^t einmal öiele tüilbe, unorbentlii^e, untüillfürlid^e S^etüegung unb fobann tüieberum üiele i^ö^fte ^tü^d^ tptigfeit ber ^elpegung, — babei tft i^m ein Spiegel ju eigen, ber beibe S^elregungen neben einanber unb in einanber, aber aurf) oft genug tüiber einanber jeigt. Sn golge biefeS 5lnb(irf§ ift e§ oft unglüdflid^, unb lüenii e§ i()m am n)ol)lften tüirb, im 8d^affen, fo ift e§, njeil e§ Dergijst, ba^ e§ gerabe je^t mit ^öc^fter 3^^^t^ätig!eit ettoaS $^antaftifd^e§ unb Unbemünfägeg tl^ut (bog ift aUe ^nft) — tl^un mug.
264.
(Bxii) irren n? ollen. — 9^eibifd)e Tlm\d^en mit feinerer Sßitterung fud^en i^ren ^^iöaten nid^t genauer fennen ju lernen, um fid^ il)m überlegen fügten ^ii fönnen.
265.
^a§ X^eater l^at feine Qdt — Söenn bic ^^antafte eine§ S^oI!e§ nadlilögt, entftel)t ber §ang in il)m, feine (Sagen fid^ auf ber S3ü^ne t)orfü^ren gu laffen, je^t erträgt e§ bie groben ©rfa^ftüde ber ^l^antafic — aber für jene^ 3^^^alter, bem ber epifdlie DfJl^apfobc jugel^ört, tft \)a§> ^^eater unb ber al§ §elb öerfleibetc ©d^aufpieler ein §emmfdl)u^ anstatt ein glügel ber $l)antafie: ju nal), §u befümmt, ju fd^mer, ^u tüenip iraum unb SSogelflug.
— 429 -
266.
05 ne Hnmutf). — (Er ^at einen 3J?angeI an §Inmut5 unb toeig e^: o^, tüte er e§ üerfteftt, bte§ §u ma^firen! ^urd^ ftrenge Xugenb, burd^ ^üfterfeit be§ S3(id§, burd§ angenommene^ äJägtrauen gegen bie SD^enfi^en nnb ba§ ^afein, burd^ berbe ^offen, burd) SSerad^tung ber feineren £eben§art, burd^ ^at^og unb 5Infprüdf)e, burdf) c^nifd^e ^^ilofopflie — ja er ift jum (^^arafter geworben, im fteten 33eti?ugtfein feinet 9)^angel§.
267.
Söarum fo ftolg! — ©in ebler (Stjarafter untere fdf)eibet fid) üon einem gemeinen baburd), bag er eine ^^tnjal^l @ett)ot)nJ)eiten unb ®efid^t§pun!te nid^t jur ^ani ^at, wk jener: fie [inb i^m jufäEig nid^t üererbt unb nic^t anerzogen.
268.
<Bc\)l[a unb (SI)ar^Obi§ be§ 9^ebnerS. — 2öie fd^tüer Ujar eö in ^t^en, fo ju ft)red)en, \)ci^ man bie S^^örer für bie (^a6:jt gelDonn, o^ne fie burd^ bie gorm ab^ufto^en ober uon ber (Baii^^ mit il;r ab^u^iel^en! SBie fdjmer ift eö nod) in granfreid^, fo ju fd^reiben!
269.
^ie Traufen unb bie ^unft. — '®egen jebe %xt tjon Xrübfal unb (Seelen -(Stenb foK man junädEift Uerfuc^en: SSeränberung ber ^iöt unb förperlid^e berbe 5trbeit. ^ber bie 3Jienfd)en finb gemol^nt, in biefem galle nad^ 3Kitteln ber SBeraufd^ung ju greifen: jum Seifpiel nad) ber Ä'unft — ju iljrem unb ber ^mft
— 430 — ber ^nft Verlangt, i^r bte fönftler !ranf tna^t?
270.
^nfd)etnenbe Xoleranj. — ©3 finb bie^ gute tt)ol§ttt)olIenbe öerftänbtge Sßorte über unb für bte SStffenfd)aft, aber! aberl trf| fel^e ^ int er btefe eure ^olerattj gegen bte SBtffenfd)aft! Sm Sßinlel eure^ ^erjenS meint il^r tro^allebem, fie fei eud§ ntd^t nötl^ig, eg fei grogmütl^ig öon eud^, fie gelten ju (äffen, ja il^re gürfpredjer ju fein, jumal hk SBiffen- fd^aft gegen eure 9J?einungen nid^t biefe ©ro^mutl^ übel SBi|t il^r, ba§ i^r gar fein 9fierf)t ^u biefer XoIeran^'Übung l^abt? t>a^ biefe ^ulbreid^e ©ebörbc eine gröbere Sßerunglimpfung ber Sßiffenf^aft ift alö ein offener §of)n, toeld^en fid^ irgenb ein übemtüt^iger ^riefter ober Huftier gegen fie erlaubt? (£^ fel^It eud§ jene^ ftrenge ©etoiffen für ha^, wa^ tüa\)x unb ttjirflid^ ift, eS quält unb martert eud^ nid)t, bie SSiffenfd^aft im SBiberfjjrud^ mit euren ©mpfinbungen ju finben, i^r !ennt bie gierige (Se^nfud^t ber (£r!enntni§ nid^t als ein ®efe^ über eud^ lüaltenb, il^r fül^It feine ^id^t in bem ^ßerlangen, mit bem 5Iuge überaß gegennjörtig ju fein, tt)o erfannt töirb, nid^tS fid) entfd^Iü^jfen ju laffen, toa^ erfannt ift. S^r fennt ba^ nid^t, lt)aS i^r fo tolerant bef)anbe(t! Unb nur tt)eil i^r e§ nidf)t fennt, gelingt eS eud^, fo gnäbige SJ^ienen angunefimenl S^r, gerabe i^r n)ürbet erbittert unb fanatifd^ bliden, totm bie SÖSiffenfd^aft eud^ einmal in'S ©efid^t (endeten ttjollte, mit i^ren klugen I — 9ßag fümmert eS unö alfo, ha^ \f)t Xoleranj übt — gegen ein ^^antom! unb nid^t einmal gegen unS! Unb n?aä liegt an unä!
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— 431 —
271.
^te geftftimmung. — ©erabc für jene Wlm\^m, toeld^e rnn ^i^igften narf) Wlaii)t ftreben, ift e§ un- bef^reiSIic^ angene!^m, ftd) übertuältigt §u füllen! ^lö^Iid^ unb tief in ein ©efül^I tt)ie in einen ©trubel tlinabgufinfen! @id^ bie ßi^Ö^^ öu§ ber §anb reißen ju laffen unb einer S3en)egung njer tüdg tt)o{)in? gujufe^en! SSer e§ ift, tva^ eg ift, ba§ unS biefen ©ienft leiftet, — eg ift ein groger S)ienft: tt)ir finb fo glüdttid^ unb at^emloS unb füllen eine ^lu^nal^me-^tille um un§ lüie im mittelften ©runbe ber (Srbc. (Einmal gonj ol^ne Wlaä^il (Sin (S))ieI6aE öon Urfräften! ®§ ift eine §(ugfpannung in biefem Q^läd, ein 5tbtoerfen ber großen fiaft, ein 5lbn)örtgroIIen ot)ne 2J?ü^en toie in blinbcr ©d^njerfraft. ,@g ift ber Xraum be^ S3ergfteigerS, ber fein ^iü jtoar oben l^at, aber untertoegS auS tiefer 9}?übigfeit einmal einfd)Iäft unb t)om ©lud be^ ©egenfa^eS — eben t)om müt)eIofeften ^IblDörtSroHen — träumt. — Sd) befd)reibe ha^ ®tücf, toie id^ e§ mir bei unferer je^igen ge^e^ten mad)tbürftigen (SJefeUfd^aft (Suropa'g unb 5lmerifa'g benfe. $ier unb ha tt)oIIen fie einmal in bie Dl^nmad^t jurücftaumeln — biefen (5Jenu§ bieten it)nen ^ege, ^nfte, 9fieIigionen, ©enie'^. SBenn man fid^ einem alle^ öerfd^üngenben unb jerbrüdfenben ©inbrudE einmal jeittüeilig überlaffen l^at — eö ift bie mobeme geftftimmung! — bann ift man ttjieber freier, er^olter, fätter, ftrenger unb ftrebt unermübtid^ nad^ bem ©egent^eile toeiter: nad^ 3J^ad)t. —
272.
^ie ^Reinigung ber iRa\\t — d^ giebt toal^r- fd^einlid^ feine reinen, fonbem nur reingenjorbene S^iaffen,
- 432 -
unb biefe in groger (Seltenheit. ^aS ©etpötjulid^e finb bie getreusten 9flaffen, bei benen fid^ immer, neben ber ^iSl^armonie öon ^örperformen (jum S5eifpiel tüenn 5luge unb SJhinb nid^t §u einanber ftimmen), aud^ ®i§I)armomen ber ^etDO^n^eiten unb SBert^egriffe finben muffen, (ßiöingftone l^örte jemanb fagen: „®ott fc^uf njeige unb fc^trarje äJienfc^en, ber Teufel aber f^uf bie §a(braffen.") @e!reujte 9iaffen finb ftet§ sug^eid) aud^ gefreu^te ©ulturen, getreuste SJioraütäten: fie finb meiften^ böfer, graufamer, unrul^iger. ®ie 9fleinl^eit ift baö le^te Sfiefultat öon gal^Kofen ^Inpaffungen, (Sinfaugungen unb ^lu^fd^eibungen, unb ber gortfd^ritt jur S^ieintieit geigt fid^ barin, baß bie in einer SRaffe t)orI)anbene ^aft fid^ immer me^r auf einzelne auggen)äf)tte gun!tionen befd^ränft, tt)ä^renb fie uorbem ju t)iel unb oft^Siber- f^jred^enbeS §u beforgen t)atte: eine foldje S3efd£)rön!ung tt)irb fid^ immer jugleid^ aud^ tüie eine SSerarmung augnei)men unb tt)iE öorfid^tig unb gart beurt^eilt fein. @nblic| aber, menn ber ^rogeg ber Df^einigung gelungen ift, fte^t aEe jene ^aft, bie früher bei bem toH)fe ber bi^^armonifd^en (£igenfd)aften baraufgieng, bem gefammten Drganigmug gu Gebote: ttjeätialb reingettjorbene D^affen immer aud^ ftärfer unb fd^öner getüorben finb. — ^ie ©ried^en geben un§ baS äJhifter einer reingetüorbenen Sfiaffe unb (£u(tur: unb f)offent(id[) gelingt einmal auc^ eine reine euro^jöifd^e klaffe unb Kultur.
273.
^a§ Soben. — §ier ift einer, bem bu anmerfft, ha^ er bid^ loben njill: bu beißt bie Sippen gufammen, ba§ §erg tüirb gefd^nürt: Q(i^, ha^ ber Md^ öorüber* gtenge! ^ber er get)t nid^t, er !ommt! Xrin!en m
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Qlfo bie füge Unt)erfd)Qnitf)eit beä SoSrebner^, ü6ertütnbcn tütr ben ©fei unb bie tiefe Söerac^tung für ben 5leni fcineS fio6e§, gief)en lüir bie galten ber banfhoren greube übcr'g (S5efic^t! — er l)ai unö ja iüo^ltljim tüoHen! Unb je^t, nad)bem e§ gefd^e^en, tüiffen tüir, bag er ftc^ \t^x erl^aben füE)(t, er \)at einen ©ieg über unS errungen — ja! unb auc^ über [xd) felber, ber §unb! — benn eS tourbe if)m ni^t (eid^t, fid^ bieg ßob abzuringen.
274.
2J^enfd)en=SRerf)t unb *SSorred)t — SBir SJ^enfd^en finb bie einzigen ©efc^öpfe, tt)etd)e, njcnn fie mißrat^en, fid^ felber burd)ftreict)en !önnen njie einen mi6ratt)enen ©a^, — fei e§, baß ton bieg jur (5()re ber 9D?enfd)l)eit ober aug 9ilit(eiben mit tf)r ober au3 Söiber- toiHen gegen ung tf)un.
275.
S)er SßerttJanbcIte. — Se^t mirb er tugenbl^aft, nur um 5Inbem tt)el)e bamit ju tt)un. (Se^t nic^t fo öicl nad^ it)m t)in!
276.
Söie oft! 2öie unt)erl)offt! — 2öie öiele öer* ^ciratl)cte 9J?änner l^aben ben 9J?orgen erlebt, n)0 cg i^nen tagte, ba^ it)re junge (SJattin langujcilig ift unb bog ®cgcntf)cil glaubt! &ax nidjt ju rcbcn Don jenen SQSeibem, bereu gleifd) h)illig unb beren QJeift fc^wa^ ift!
277.
Sßarme unb fatte Xugenben. — ^cn Tlnii) atS alte §er5()aftigfcit unb Uncrjd)üttcrlid)fcit unb ben SDhit^ alg ^igigc t)albblinbc S3raüour — bcibeg nennt
9lte«fd)e« SBette. ftlaff.>9lu«g. IV. 2^
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man mit ©tttcm 9^amen! 9Btc üerf Rieben ftnb bo^ hk falten Xugenben öon ben toarmen! Unb ein 9^arr toore ber, tüdd^er meinte, ha^ „©utfein" loerbe nur burd^ bie SBörnte l^injugetl^an: unb fein geringerer D^arr ber, toeld^er e§ nur ber Äälte ^ufd^reiben tt)oIIte! ^ie Söa^rl^ett ift, \>ai bie 9Kenfd^^eit ben »armen xmb ben falten SJhtt^ fel^r nü^Iid^ gefunben l^at, unb überbieö nid^t ^äufig genug, um i^n nid^t in beiben garben unter bie ©belfteine ju red^ncn.
278.
5)aS berbinblid^e ®ebäd^tni§. — Sßer einen ^o^en 9^ang l^at, tl^ut gut, fid^ ein öerbinbtid^e^ ®e^ bö^tniß anjul^affen, ha^ t)ei§t fid^ öon ben ^erfonen aEeg möglid^e ®ute ju merfen vaib bal^inter einen (5trid§ §u mad)en: bamit ^ölt man fie in einer angenel^men 5lb^öngigfeit. (So fann ber 9Kenf^ auc^ mit ftc^ felber öerfal^ren: ob er ein öerbinblid^eö ©eböd^tnig l^at ober nid^t, ba^ entfd^eibet jule^t über feine eigene Haltung 3U fic^ felber, über bie S^omel^ml^eit, ®üte ober ba§ SDä^trauen bei ber S5eobad^tung feiner ^J^eigungen unb 5lbfi(^ten unb ^ulegt mieber über bie 5lrt ber 9'lcigungen unb 5lbfid^ten felber.
279.
Sßorin toir Äünftler werben. — SBer jemanben ^u feinem Slbgott mad^t, öerfud^t, fid^ öor fid^ felber 5u red^tfertigen, inbem er i{)n in'g 3beal ergebt; er mirb 5um ^nftler baran, um ein guteS ©eloiffen ju ^aben. SBenn er leibet, fo leibet er nic^t am D'iid^tmiffen, fonbem am (Sid^^belügen, als ob er nic^t raupte. — I)ie
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tratcre 9^ot^ unb Suft eiiteS folc^en SD^enfc^cn — mtb alle (etbenf(i)Qftüc^ SieSeitben gehören baju — tft mit getüö^nlic^en intern ntc^t ou^^ufc^öpfen.
280.
^inblid^. — 9ßer lebt ttne bie ^nber — alfo nid^t um fein f&xob !ämpft unb md)t glaubt, bog feinen ^anblungcn eine enbgültige SSebeutung ^ufornme — bleibt Rnblic^.
281.
2)aS Sc^ toiü alle« ^abcn. — ®§ fc^eint, bog ber SD?enfc^ überl)aii^t nur ^onbelt, um gu befigen: tüenigftenS legen bie (Sprachen biefen ©ebanfen no^e, tuelc^e oHe^ öergangene §anbeln fo betrauten, al§ ob mr bamit ztma^ befägen i„\6^ l)abe gefproc^en, gefämpft, gefiegt": 't)a§> ift, \d) bin nun im S3efi]^e meinet (Spruches, .^ampfeö, (Siegel). SSte Ijabfüc^tig nimmt fic^ hierbei ber 9J?en}d^ aud! (Selbft bie S8ergangen^eit fid^ nic^t entminben laffen, gerobe auc^ fie nod^ ^aben u^oHen!
282.
®cfa^r in ber @c^önl)eit. — ^efe gxau ift f(f)ön wvih flug: ac^, mie üiel flüger ober mürbe fie gcmorben fein, menn fie nic^t fc^ön märe!
283.
§auöfrieben unb Seelenfrieben. — Unfere gcmöl)nlic^e (Stimmung l)ängt öon ber Stimmung ah, in ber mir unfere Umgebung ju erhalten toiffcn.
— 436 —
284.
^a§ S^cue aU alt öorbrtngen. — SStelc erfc^einen gereift, tpenn man il^nen eine 9^euig!eit erjöfilt; fie empfinben bo^ Ü6ergen)i(|t, tueld^e^ bic 9^euig!eit bem gtebt, ber fie früher toelg.
285.
2Ö0 ()ört bag S^ auf? — S)ic SJ^eiftcn nehmen eine (Baiüi)^, bie fie lüiffen, unter i^re ^roteftion, »ie al§ ob ha^ SBiffen fie fd^on ju intern Sigent^um mac^e. ^ie 5lnetgnung§Iuft be§ 3d^gefü^(§ f)at feine ©renken: bie großen SJ^änner reben fo, al§ ob bie gange 3^^ l^inter il^nen ftünbe unb fie ber ^o))f biefe^ langen fieibeS feien, unb bit guten grauen red^nen fid) bie ©d^önl^eit i^rer ^nber, il^rer Ä(eiber, i^re^ ^unbe§, il^reS ^(rjteS, i^rer ©tabt gum S[^erbienfte unb toagen eö nur nid)t, gu fagen „ha^ ^lUeS bin xd)*\ Chi non ha, non ö — fagt man in Stauen.
286.
§ou8* unb <Sd)oo^t]^iere unb 23ern)ünbte§. — ®iebt c§ ettüaS (£!ell)aftere§ alö bie ©entimentalität gegen ^flangen unb Xf)iere, öon (Seiten eineS ©ejc^öpfeö, ha^ tt)ie ber U)üt^enbfte geinb öon 5lnbeginn unter i^nen gel^auft I)at unb jule^t hd feinen gef(^n?äd)ten unb öerftümmelten Oj^fem gar nod^ öuf gärt(id§e (Sefü^le Slnfprud^ erl^ebt! Sßor biefer 5lrt „Statur" gejiemt bem HJ?enfd)en bor 5lIIem ©ruft, ttjenn anberg er ein benfenber äJ^enfd^ ift.
- 437 —
287.
Stoet gtcunbc. — & toatm greunbc, aber ftc ^aben aufgel^ört, e§ gu fein, unb fie !nüpften t)on beiben ©eiten jugleid^ i^re greunbfdjaft Io§, ber (Sine, toeil er fi(^ ju fc^r öerfannt glaubte, ber 5(nbcrc, toeil er ftcf) ju fef)r erfannt glaubte, — unb S3eibe f)aben fid^ babei getöufd^t! — - benn jeber öon tf)nen fannte fid^ f eiber nid^t genug.
288.
^omöbte ber (Sblen. — 5)ic, loe^en bte eble ^erglirfie SSertrauüd)fett mrf)t gelingt, öerfudjen eS, t^re eb(e D^atur burc^ 3^^^()öi^w"9 ""^ ©trenge unb eine gen)iffe ®eringfd)ä^ung ber SSertrauIidjfeit errat^en gu laffen: toie al^ ob ha^ ftar!e @efü!)I i^reä 9Sertrauen§ ©d^arn ^ättc, fid^ ju geigen.
289.
9So man nid^tä gegen eine Xugcnb fagen bar f. — Unter ben geigüngen ift e^ öon fd)(ed^tem Xone, ettt)a3 gegen bie Xapferfeit ju fagen, unb erregt SSerad^tung; unb rücffid^t^lofe SD^enfdjen geigen firf) erbittert, »enn etnjos gegen baS SO^itleiben gefagt toirb.
290.
@inc SSergeubung. — Sei erregbaren unb plöpcf)cn 9'?aturen finb bie erften Sßorte unb §anb- (ungen meiftlf)in unbegeid)ncnb für i(;ren eigentlid)en Sljarafter (fie n)erben burd^ bie Umftänbe eingegeben unb finb gleidEjfam 9^ad)al)mungen öom Reifte ber Umftänbe); aber n)eil fie einmal gefprod)en unb gctl^an finb, fo muffen bie fpäter nac^fommenben cigentlidjen
- 438 —
(S^orafterhjortc unb ®t)arafter]^anblungcn pufig im 5Iu§9leic^en ober im SSieber-gut^ ober ^öergcffen-SJ^a^en baraufgeljen.
291.
5(nmaa§ung. — Stnmaafeung ift ein gefptelter mtb eti^eud^elter ©tol^; bem ©tolje aber ift gerabe eigene tl^ümlid^, ba^ er fein ©piel, !eine Sßerftellung unb ^eud^elet fann unb mag, — infofern ift bie tomaa^ung bie 5)euci^e(ei ber Unfät)igfeit jur ^eud^elei, ettoaS fel^r (SdjtoereS unb meift SJttgltngenbeg. ©efe^t aber, ha^ er fi(i^, lüie genjö^nlid^ gefd)iel^t, babei öerrötl^, fo ertuartet ben ^(nmaa^enben eine breifad^e Unannel^mli^feit: man gümt il^m, toeil er unS betrügen toiU, unb jümt i^m, toeil er fid§ über un§ l^at ergaben jeigen iDoöen, — unb gule^t lad^t man nod^ über il^n, tocü il^m beibe^ migratfien ift 2öic fel^r ift alfo öon bcr Slnmaagung abjurat^en!
292.
©ine 5lrt S8erfennung. — SBenn ttjir jemanbcn f^)red^en pren, fo genügt oft ber Älang eineS einzigen donjonanten (jum S3eifpie( eine^ r), um un§ einen 3^^if^^ über bie ©l^rlid^feit feiner (Sm^finbung einzuflößen: toir finb biefen 0ang nid^t getoöl^nt unb n)ürben i^n mad^en muffen, mit äBillfür, — er Hingt uu^5 „gemad)t". §ier ift ein ©ebiet ber gröbften SSerfennung: unb ba^felbe gilt t)om (Stile eine§ ©d^riftfteHerö, ber ©en}ol)nl)eiten \)at, tt)e(d^e nid^t aller Sßelt ©etool^n^eiten finb. ©eine „9^atürli^!eit" Ujirb nur öon il^m aU foId)e empfunben, unb gerabe mit bem, tüaS er felber alö „gemai^t" fü^lt, tueil er bamit einmal ber 9J?obe unb bem fogenannten „guten ^efd£)made" nad^gegcben ^at, gefaßt er öießeid^t unb erregt Zutrauen.
— 439 ~
293.
^anfbat. — ©in ®ran bcrnfborcn (Sinnet unb pctät 5U öicl: — unb man leibet boran njie an einem ßafter unb gerät!) mit feiner ganjen <SeI6ftänbig!ät unb Sfieblid^feit unter bag bö[e ©elüiffen.
294.
^eilige. — ^ie finnlid^ftcn nj^anner finb cä, njelrfje öor ben grauen flie^n unb ben Seib mortem müfjen.
295.
geinl^ett be§ ^ienen^. — Snner^alb ber großen ^nft be^ 2)ienenö gehört e§ ju ben feinften tofgaben, einem unbänbig (Sl)rgei5igen ju btcnen, ber jtoor ber ftörffte ©goift in ^Hem tft, aber burd^au^ nid^t bafur gelten njill (e§ ift bie§ gerabc ein ©tüd feinet (£t)rgeiäeg), bem aße§ nod) SBiKen unb ßaune gef^et)en muß unb bod^ immer fo, baß e§ ben 5(nfd)ein ^at, alg ob er fic^ aufoj)fere unb feiten für fid^ fdber tixoai toolle.
296.
^aiS ^uelt — Sc^ erai^te e3 at§ einen SSortljeil, fagte jemonb, ein ^uett ^aben gu fönnen, tpenn id^ burd)au8 eincä nötl)ig I)abe; benn eö giebt aUejeit braöe ^ameraben um mi^. ^a§ ^ueü ift ber legte übrig gebliebene, ööHig el)rent)oIIe 2Beg gum ©elbftmorb, leiber ein Umfc^ttjeif, unb nict)t einmal ein gang fidjerer.
297.
^erberblid^. — 9J?an öerbirbt einen Süngling am (td)erften, menn man iljn anleitet, ben ©leid^bcufeubeu l)öl)er ju achten al^ \>cn 'ülnberSbenfenben.
— 440 —
298.
^cr §eroen*Su(tu§ unb fciitc JJanattfet. — ^er ganatlfcr cineä Sbea(§, n)e(rf)e§ gleifd^ unb S3tut t)at, ift geiDüfjulicf) fo lange im SRedjtc, a(§ er ö er n eint, unb er ift furchtbar barin: er fennt ha^ SSerneintc fo gut Ujie fid) felber, au3 bem einfadjften ©runbe, big er t)on bortljcr !ommt, bort ju §aufe ift unb fic^ im ®e* J^eimen immer furchtet, bortl^in noc^ jurüd^umüffcn, — er lüiH ftc^ bie Ü^üdfc^r unmögUd) machen, burc^ bic 5Irt, toie er Verneint, ©obatb er aber bejaljt, madjt er bie ^Tugcn l)a(b ju unb fängt an ju ibeaüftrcn (f)öufig aud) nur, um bcn gu §aufe ©ebticbencn bamit n)et)e ju tl)un — ); man nennt bie§ n)o^( etmaS £ünft(crifd)eö — gut, aber e§ ift aud^ etnjaS Unreblidjeä baran. ^er Sbcalift einer ^erfon ftellt fic^ biefe ^crfon fo in bie gerne, ha^ er fic nic^t me^r fd)arf fet)cn !ann, — unb nun beutet er, tuaä er nod) fie{)t, in*§ „©c^öne" um, ba^ toiE fagen: in'S ©Qmmetrifd)e, 2Bei(^=fiinien^afte, Unbc* ftimmte. ©o er fein in ber gerne unb §ö^e fd)mebenbe3 Sbeal nunmeljr aud^ anbeten tüill, fo ^at er, jum (Sc^u^e öor bem profanum vulgus, nötl)ig, einen Xem^pcl für feine 5Inbetung ju bauen. §ier^in bringt er alle e^r- njürbigen unb gemeil)ten ©egenftänbe, bie er fonft nod^ befi^t, bamit beren Qauhtx aud) nod^ bem Sbeal ju ®ute fomme unb e§ in biefer Sf^aljrung toad^fe unb immer göttlid)er n)erbe. gule^t f)at er toirflic^ feinen ©Ott fertig gcmadjt — aber tt)el^e! e§ giebt (Sinen, ber barum Ujeiß, toie ha^ jugegangen ift, fein intcHeftueHe^ ©ctoiffen, — unb e§ giebt aud) ©inen, ber bagegen, ganj unbetuußt, |)roteftirt, nömtid^ ber 35ergöttlic^te felber, ber nunmel^r, in golge öon (S^uItuS, fiobgcfang unb Sßel^raud), unouSfte^lic^ toirb unb augenfc^einlidj
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m aBl^euIirfier SBetje ft^ alS SRirfjt^^ott unb 5IIIäU^fef)t^ SJJentd) öcrrät^. §ier bleibt nun einem folc^en ganatifer nur noc^ (Sin Qtuöttjeg: er löfet fic^ unb feinet ©leid^en gebulbig mi^fjonbeln unb interpretirt ba^ gansc (SIenb aud) noci^ in majorem dei gloriam, burd^ eine neue ©attung üon ©elbftbetrug unb ebler fiüge: er nimmt gegen fid^ ^artei unb emjjfinbet, al^ ©emifel^anbelter unb alä Snterpret, babei ttma^ njie ein SJJart^rium — fo fteigt er auf bcn ©i^fel feineS ^ünfelö. — 2)?enfd)en biefer STrt lebten jum ^eifpiel um S^apoleon: ja t)ielletd)t ift gerabe er e§, ber bie romantifd)e, bem ©cifte ber 5luff(ärung frembc ^roftration öor bem „^enie" unb bem „§eroä" unferem So^rfiunbert in bie ©eele gegeben l)at, er, öor bem ein S^ron fid^ nid^t ju fagcn fdjämte, er fei ein „SSurm gegen fol^ ein SBefen". (^ie gormetn einer folc^en ^roftration finb Don jenem oltcn anmaßlidjcn SBirr^ unb 9J2un!opfe, STiioma^ Sarl^Ie, gefunbcn njorben, ber ein langet fieben barauf öerttjcnbet l)Qt, bie SSemunft feiner (Snglönber romantifd^ ju mod^en: umfonft!)
p«
299.
5Infd^ein beS ^eroiSmu^. — ©id^ mitten unter bie geinbe tocrfen fann baä 9J2erfmaI ber geig^eit fein.
800.
(SJnäbig gegen ben (Sd)mctd)Ier. — 3)ic Icfte Jtlug^cit ber unerfättlid^ ©^rgei^igen ift, i^re SJ^eufd^en- ücrad)tung nid^t merfen ju laffen, toeld^e ber SlnbüdE ber ©djmcidE)(er i^nen einflößt: fonbern gnäbig aud) I gegen fic ^u erfdjcinen, tok ein ®ott, ber nic^t anberd old gnäbig fein fann.
^- 442 -
301.
^d^axatttVoolV. — „Sa§ it^ einmal gejagt ^abe, ba§ ti)ue td^," — biefe !5)en!tt)eife gilt aU (^arafteröoH. Sßie öiele §anblungen »erben get^an, nid^t toeil fie a(§ bic öernünftigften auSgehJöl^It toorben finb, fonbern tüeil fie, als fie unS einfielen, auf irgenb toeld^e 5lrt unfere (Sl^rfud^t unb ®itel!eit gereijt l^aben, fo bajg n)it hahä öerbleiben unb fie blinbling^ burc^fe^en! ©o mehren fie hd un§ felber ben ©lauben an unferen (S^arafter unb unfer gute§ ©elüiffen, alfo, im fangen, unfere ^raft: toäl^renb ba^ %n^toaf)Un beS möglid)ft SSemünftigen bie ©fepfi§ gegen un§ unb bermaa^en ein (^efü^I ber ©d^njöd^e in xmä unterhält.
302.
Einmal, ^loeimal unb breimal toal^rl — ^ic 50?enfd^en lügen unföglid^ oft, aber fie benfen ^interl^er nid^t baron unb glauben im ©anjen nid^t baran.
303.
ßurjttjeil be§ 9}?enf(^enfenner§. -— (Sx glaubt mid^ ju fennen unb fül)(t fid^ fein unb trid^tig, menn er fo unb fo mit mir t)er!et)rt: id^ pte mid^, il^n gu enttäufd[)en. ®enn id^ toürbe e§ ju entgelten l^aben, ti3äf)renb er mir Je|t tüol^Ilüin, ba id^ i(jm ein ©efü^I ber tüiffenben Überlegenheit öerfc^affe. — SDa ift ein 5Xnbrer: ber fürd^tet fid^, \)ai id) mir einbilbe, ii^n ju fennen, unb fiel)t fid^ babei erniebrigt. ©o beträgt er fid^ fd^auerlid^ unb unbeftimmt unb fud^t mid^ über fid) in bie Srre ju fül^ren, — um fid) über mid) lüieber ju erl)ebcn.
— 443 — 304.
^te 953elt^S5erntc^ter. — tiefem %dmqf, ettüoS md)t; fd^liepd^ ruft er empört au§: „fo möge bod§ bie gange Sßelt gu (JJrunbe ge!)en!" ^iefeä abf^euüc^e ©efü^I ift ber ©ipfel beg Sf^eibeS, ttjeld^er folgert: meil x6) tttoa^ mcf)t j)abcn !aitn, foll aÜc ^dt ntrf)t§ ^aben! foE alte äöelt nid^tö fein!
305.
Q^exff. — Unfer ®eig beim kaufen nimmt mit ber 2Bo!)Ifeil^eit ber ©egenftänbe gu — toorum? Sft eg, ha^ bie fleinen ^reiS-Unterfd^iebe eben erft \>a^ fleine 5(uge be^ ®eiäeS marfjen?
306.
©riet^ifd^eS Sbeal. — 2Sa§ betuunberten bie (Sried^en an Db^ffeuS? SSor Willem bie gät)igfeit gur fiüge unb gur liftigen unb furrfjtbaren SBieberüergeltung; ben Umftönben gemadjfen fein; trenn e§ gilt, ebler crfd^einen al^ ber ©belfte; fein !önnen, maö man miK; ^erben!)afte S3e{)arrlid)feit; fid^ alle 9J?ittel ju Gebote ftellen; ©eift l;aben — fein ®eift ift bie öemunberung ber Götter, fte läd)eln, toenn fie baran ben!en — : bieg Sitte« ift gried)if^eg 3beal! SDaä 9[J?er!n)ürbigfte baran ift, bag l)ier ber ©egenfa^ öon ©cl)einen unb ©ein gar nic^t gefül)lt unb alfo aud^ nid^t fittlid^ angerechnet toirb. Q^ob e« je fo grünblid^e ©d^aufpieler!
307
Facta! Sa Facta f icta! — (Sin ©efd^idfjtöfc^rcibcr l^at e§ nid)t mit bem, maS tüirflid^ gefdjcljn ift, jonbcni
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nur mit bot öcrmemtüd^cn (Sreigmffen ju tf^vm: beim nur bicfe l^aben gclüirft (Sbenjo nur mit ben öcrmcint* lid^en gelben, ©ein ^^ema, bie fogenannte SBeltgcfc^idite, finb $D2einungen über öermeintlidje ^anblungen unb bereu öermeintli^e ilRotiöe, loeldje mieber Einlaß ju 9}2cinungen unb §anb(ungen geben, bereu S^lealität aber fofort n)ieber berbam^ft unb nur q(§ S)ampf tüirft, — ein forttt)äl)renbeg Saugen unb (Sd^tüangeüüerben üon ^^antomen über ben tiefen S^ebeln ber unergrünblid^en SE3irf(id)!eit. 5lIIe ^iftorifer er5ät)(en öon 2)ingett, bie nie ejiftirt l^aben, auger in ber SSorfteHung.
308.
@id^ ntd)t auf ben §anbel berftel^en, ift borne{)m. — ©eine Xugenb nur jum ()öd^ften greife öerfaufen ober gar mit \\)x SBud^er treiben, al§ Se^rer, S5eamter, ^ünftler, — ma^t au§ ®enie unb S3egabung cine5lrämer=5lnge(egen^eit. Tlit feiner 3BeiS()ett foU man nun einmal nic^t flug fein tooUenl
309.
gur^t unb Siebe. — S)ie gurd)t ^at bie allgemeine ©infid^t über ben 9[)^enfd^en mel)r geförbert als bie Siebe, benn bie ^urd^t toiU errat^en, toer ber 5lnbre ift, tüaS er fann, h)a§ er toiU: \id) l^ierin gu täufd)en UJöre ©efal^r unb S^ad^tl^eit. Umge!e§rt l^at bie fiiebe einen geheimen 3nH)uI§, in bem 5lnbem fo öiel (Sd)öne§ alS mög(id) ju fef)en ober il^n fic^ fo l^o^ aU mögli^ ju t)eben: fid^ babei ju täufc^en, tt)äre für fie eine ßuft unb ein 8Sortt;eiI — unb fo t^ut fie cS.
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310.
^te ®utmüt!^igett. — ^ic ©utmüt^tgen ^aSen tl^r 2öe[en burc^ bie beftönbtge gurdE)t erlangt, ttjelc^c il^re SSoreltem t)or fremben Übergriffen gehabt l^aben, — fte milberten, befd^njic^tigten, baten ab, beugten öor, jerftreuten, fc^meid)elten, bucften ftd^, verbargen ben (Sd)merj, ben SSerbru^, glätteten fofort toieber i^re 3üge — unb jute^t Vererbten fte btefen ganzen jorten unb n)o'^lgefpte(ten 3)?ed^ant§muä auf i^rc ^nber unb (Snfel. S)ie[en gab ein günftigereS ©efd^icf feinen 5lnla^ ju jener beftönbigen gurd^t: nid)t§beftoh)enigcr fpielen fte beftönbig auf il^rem Snftrumente.
311.
$)ie fogenannte ©eele. — ^ie ©umme innerer S3etüegungen, toeld^e bem 3J?enfd)en leicht fallen unb bie er in golge bcffen gerne unb mit 5lnmutl^ tljut, nennt man feine Seele; — er gilt alä feelenloS, njenn er aj?ü^e unb ^ärte bei inneren 23en)egungen merfen lägt.
312.
^ie SScrgeglidjen. — 3n ben ?lugbrüd^en ber Seibenfcf)aft unb im ^^antaftren beg Xraumeä unb be^ 3rrfinnö entbecft ber SJ^enfd^ feine unb ber 9J?enfc^f)eit ^-ßorgefd}tcf)te njieber: bie Xi)ier!)eit mit it)ren n?ilbcn ©rimaffcn; fein ®ebäd)tni6 greift einmal toeit geitug rüdlDÖrtö, tt)äf)renb fein ciöilifirter 3wf^Q"^ P^ öuö bem SScrgeffen biefcr llrcrfa()rungen, alfo auÄ bem $Rad)taffcn jencä ©ebäd)tniffeg cntn»idelt 9Ber o(^ ein SSergcfjüdjcr l)üd)fter (5Jattung aUem liefen immerbar fe^r fern geblieben ift, üerfte^t bie SDicnf^en nic^t,
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— aber c§ tft ein SSort^eü für OTc, toeim eS 5^er mtb ha fold^e ©ingelne giebt, toeld^e „fte nid^t öerfte^en", unb bie gleirfifam au§ gött(id)em ©amen gezeugt unb l)on ber SSemunft geboren finb.
313.
^er nid^t mel^r eriüünfd^te greunb. — ©en greunb, beffen Hoffnungen man nid^t befriebigcn fann, ioünfd^t man fid^ lieber jum geinbe.
314.
5(u§ ber ©efeUfd^aft ber 2)enfer. — Smnitten be§ DjeanS be^ Sßerbeng toad^en tt)ir auf einem 3nfel= d^en, baö nid^t größer al§ ein S^ad^en ift, auf, mir Abenteurer unb Sßanberöögel, unb feigen un§ l^ier eine Keine SBeile um: fo eilig unb fo neugierig njie möglich, benn mie fd^neß !ann un§ ein 3Binb üertoe^en ober eine SBeEe über ha^ Snfeld^en l^intoegf^üten, fo ha^ nid^tö me^r üon un§ ha ift! 5lber l^ier, auf biefem Keinen Sflaume, finben lüir anbre SSanberüögel unb ^ören öon frül^eren — unb fo (eben mir eine !öft(id^e SWinute ber (Sr!enntni§ unb be§ ©rrattienS, unter frö^Iid^em glügel« fdf)Iagen unb ©ejmitfd^er mit einanber, unb abenteuern im ©eifte I)inau§ auf ben D^can, nidjt meniger ftol^ a(g er felber.
315.
(Sid^ entäußern. — (^ttva^ öon feinem (Sigem t:^ume fat)ren (äffen, fein ^ed)t aufgeben — mad^t greube, menn eg großen 9?eid^t^um anzeigt, ^a^in ge()ört bie ©rogmutt).
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316.
^B^tüa^t (Seftcn. — 2)te heften, toeld^e füllen, bog fie fc^tüad^ Bietben lüerben, mad^en Sagb auf eingelne inteHtgente 5ln^änger unb iDoöen burd^ Qualität erfegen, tüaS t^nen an Quantität abgel^t. §ienn liegt feine geringe ©efa^r für bie SnteKigenten.
317.
^aä Urt^eil beg StbenbS. — SBer über fein XaQt^^ unb ßeben^toerf nad^benft, toenn er am @nbc unb mübe ift^ fommt geti)öf)nlid^ ju einer meland^otifd^en Setrarf)tung: ha^ liegt aber nid^t am Xage unb am ßeben, fonbem an ber 9}?übig!eit. — äJätten im ©c^affen nehmen njir ung gen)öl)nlid^ !eine Qdt ju Urtl)eilen über ha^ Seben unb ha^ ^afein, unb mitten im ©eniegen aud^ nid^t: fommt eg aber einmal bod^ baju, fo geben toir bem nic^t me^r Siedet, ttjelc^er auf ben fiebenten ^ag unb bie 9fiu^e lüartete, um alleä, maS ba ift, fe^r fd^ön ju finben, -— er f)atk hm befferen 5lugenblicf öerpagt.
318.
SSorfid^t öor ben (Stjftematüern! — @g gtcbt eine ©c^aufpielerei ber (S^ftemotifer: inbem fie ein ©t)ftem ausfüllen n)oIIen unb ben ^orijont barum nmb mad^en, muffen fie üerfud^en, i^re fd^tuäd^eren (Sigenfd^aftcn im (Stile i^rer ftärfercn auftreten ju laffen, — fie njolleu üoüftänbige unb einartig ftar!e Staturen barftellen.
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319.
©aftfreunbfd^aft. — ^er (ginn in ben (Sekäud^en ber ®aftfreuubfrf)aft ift: ha^ geinbüd^e im gremben ju löl^men. Sßo man im gremben nic^t md)x gunäcfift ben geinb entpfinbet, nimmt bic ©aftfreunbfd^aft a6; fie blu^t fo lange i^rc böfe SSoraugfe^ung btü^t
320.
SSom SB et t er. — ©in fel^r ungen)öf)nli(^e§ unb unBered^enBareS SBetter mad^t bie iO^enfc^en auc^ gegen einonber migtrauifc^; fie tuerben baBei neuerungöfüd)ttg, benn fie mü[fen ton if)ren ^ettjol^n^eiten aBge!)en. ^e^- t)aIB lieBen bie 2)ef<30ten alle Sänberftrid^c, h)0 baS SBetter moralifd^ ift.
321.
©efal^r in ber Unfd^ulb. — ^ie unfd^ulbigen 3J?en}d^en njerben in aüen ©lüden bie 0))fer, tücil il)re Unlpiffen^eit fie ^inbert, gnjifrfien Tlaa^ unb ÜBcrmaaS 5U unterfd^eiben unb Bei Qdkn tjorfid^tig gegen ftd^ felBer ju jein. @o gehjö^nen fid^ unfd)ulbige, ta^ l^eigt unnjiffenbe junge grauen an ben f)äuftgen ©enug ber %t)robifien unb entbehren i^n fpäter jel)r, toenn i(;re 9J?änner fran! ober früt)äeitig todt tDerben; gerabe hk l^armlofe unb gläubige 5luffaffung, als oB biefe häufige 5lrt, mit i^nen ju t)erfel)ren, ha^ diaijt unb bie 9^egel fei, Bringt fie ju einem 93ebürfni6, n)cld)eS fie fpätet ben Ijcftigften 5lnfed^tungen unb (Sd)Ummerem auSfe^t 5lBer ganj allgemein unb l)od^ genommen: loer einen 3J?enfd)en unb ein ^ing lieBt, ol)ne i^n unb eö ^u fennen, toirb bie öeute öon ©ttoaS, bag er nic^t lieBen toürbe,
— 449 —
toemt er eS feigen !önnte. Überall, too ©rfa^renl^ett, SSorftd^t unb abgctuogene (Sd)ritte not^ tf)un, lüirb gerabe ber Unfc^ulbige am grünb(td)ften öerborben tüerben, bentt er mu§ mit blinben Slugen bie §efe unb ba§ unterfte ©ift jeber ^a(i)z au§trin!en. Tlan ertuäge bie ^raft§ aßer gürften, ^rd^en, @eften, ^arteten, ^örperfc^aften: toirb mrf)t immer ber Unf^utbige alg ber fügefte Äöber 5U ben ganj gefäf)rli(^en unb üerrud)ten gäHen öeüoenbet? — fo toie Db^ffeuS ben unfd^ulbigen 9^eo|)toIemo§ öemjenbet, um bem alten !ran!en (Sinftebler unb Unl^olb öon Semno§ ben S5ogen unb bie Pfeile abjuliften. — ^a§ Sl)riftentt)um, mit feiner SSerad^tung ber Sßelt, \)ai au§ ber Untüiffen^eit eine Xugenb gemad^t, bie (^ri[tlid^e Unfd^ulb, bieUeid^t tüeil ba§ t)äufigfte SRefuttot biefer Unfd^utb eben, tuie angebeutet, bie @(^ulb, ba§ (Sd^ulb* gefügt unb bie SSergtüeiflung ift; fomit eine Xugenb, tüeld^e auf bem Umtüeg ber ^ölle jum ^immel füf)rt: benn nun erft fönnen fid^ bie büfteren ^opt)Iäen beS d^riftlid^en §eil§ auft^un, nun erft tdixlt bie Sßerl^eigung einer nad^gebomen jtüeiten Unfd^ulb — fie ift eine ber fd^önften ©rfinbungen beö ®l)riftentl)umg!
322.
SBomöglid^ ol^ne ^Irjt leben. — (Sä tuill mir fd£)einen, al§ ob ein ^an!er leic^tftnniger fei, tuenn er einen ^rjt l^at, alö Ujenn er f eiber feine ©efunb^eit beforgt. Sm erften gaKe genügt eä it)m, ftreng in S3c§ug auf aKeä 3Sorgefd£)riebene ju fein; im anbem galle f äffen toir baS, toorauf jene Sßorfd)riften abfielen, unferc (Sefunb^eit, mit met)r (5Jen)iffen in'ä 5luge unb bemerfen t)iel met)r, gebieten unb verbieten unä öiel met)r, aU auf Sßeranlaffung bcä Hrjted gefd^el)en tt)ürbe. ~ 5lUe
Wle^fdje« gfletfe. «Iaff.««u8fl. IV. 29
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Siegeln l^aBen biefe SBirfung: öom Qtü^d^ l^ütter ber Spiegel abgu^te^en unb leic^tfinniger ^u madien. — Unb töte tüurbe ber Seid^tftnn ber SD^enfd^l^eit in'§ Uttbänbige unb 3^^^örerifd^e gefttegen fein, tüenn fie jemals t)ofi== lommen efirlid^ ber ©ottl^eit al§ tf)rem ^Irjte aüeö überlafjen l^ötte, nad^ bem Sßorte „tüte (Sott tpiH"! —
323.
S5erbun!e(ung beS §immeU. — ^ennt if)r bie 'Siaä)^ ber fd^üd^temen 3J?enfd)en, toel^e ftd^ in ber ^efeUfc^aft benehmen, al§ f)ätten fie i^re ©liebma^en geftol^ien? ^ie ffiad^e ber bemütl^igen d^riftenmägigen ©eelen, ttjeld^e ftd^ auf @rben üBeraÖ nur burd^fd^Ieid^en? ^te ^a^t berer, bie immer fogteic^ urtl^eilen unb immer fog(eid) Unred^t befommen? i)ie ^a6^t ber ^run!enbo(be aller Gattungen, benen ber 3)^orgen ba§ Un^eimlid^fte am ^age ift? 2)e§gleidf)en ber ^an!enboIbe aller Gattungen, ber ^önfetnben unb ©ebrücEten, treidle nid^t mel)r ben Wntlj l^aben, gefunb ju ttjerben? ^ic 3a^I biefer Keinen 9f?ad^füd§tigen unb gar bie i^rer üeinen 9fiad^e=3lfte ift unget)euer; bie gange fiuft fd^tt)irr4 forttöä^renb Don ben abgefc^offenen Pfeilen unb ^feild^en i^rer iöoS^eit, fo bog bie (Sonne unb ber §imme( be§ SebenS baburdE) t)erbun!elt tuerben — nid|t nur i^nen, fonbern nod^ metir un§, ben 5Inberen, Übrigen: tüa^ fd^Iimmer ift, al§ bag fie un§ aUgu oft §aut unb ^erg rt^en. Seugnen njir nid^t mitunter (Sonne unb ^immel, bloß ttjeit tt)ir fie fo lange nid)t gefeiten §aben? — 5tIfo: @infam!eit! Slud^ barum (Sinfamfeit!
j
— 451 —
324.
^f^c^ologtc bcr @cf)auft)teler. — (5^ ift ber Segtüdenbe 2[öaf)tt ber großen ©^aufpieler, bag eö ben l^iftorifd^en ^erfonen, toelc^e fie barf teilen, tüirflid) fo ju Tlnt^e gen)e|en fei tote t{)nen bei tt)rer S)arfteIIung, — aber fie irren fid^ ftarf barin: i^re nad^al^menbe unb crrat{)enbe ^aft, bic fie gerne für ein t)ellfei)erijc^e^ SSermögen ausgeben möd^ten, bringt nur gerabe tief genug vn, um ©ebärben, Xöne unb S5Iide unb über^ ^au(3t baS Stuß^rlid^e ju erflären; ba§ fieißt ber ©chatten bon ber @eele eines großen gelben, ©taatämanneg, Negers, (£t)rgei§igen, ©iferfüdjtigen, SSerjtoeifelnben tpirb Don ilinen er!)afcf|t, fie bringen bis na^e an bie @eele, aber nirf|t bis in ben ®eift il^rer Objefte. ®aS iDäre freilid^ eine fd^öne (Sntberfung, baß eS nur beS ^ellfet)erifd§en @d)aufj)ieIerS bebürfe, ftatt aller 2)en!er, Äenner, gad^männer, um in'S Sßefen irgenb eineS 3uftanbeS l^inabguleud^ten! SSergeffen toir bod^ nie, fobalb berartige 5lnmaoßungen laut »erben, baß ber ©d^aufjjieler eben ein ibealer 5Iffe ift unb fo fe^r 5lffe, baß er an ha^ „SBefen" unb baS „Sßefentüd^e" gat nidjt ju glauben öermag: alleS hjirb i^m ^pki Xon, ©ebärbe, S^ü^ne, (Souliffe unb ^ublifum.
325. ^bfeitS leben unb glauben. — ®aS SDWttel, um ber ^ropt)et unb SSunbermann feiner 3^i^ h^ loerben, gilt ^eute nod) loie öor 5IIterS: man lebe abfeitS, mit toenig ^enntniffen, einigen ®eban!en unb fet)r öicl ^ünfel — cnblid^ fteHt fid^ ber ©laube bei unS ein baß bic 5Kenfrf)t)eit ol^ne unS nid^t fortfommen fönne,
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toeti tütr namltd) ganj erft(f)tHd^ o^ne fte fort* !ommett. ©obalb btefer ©laube ba ift, flnbet man aud^ ©lauben. 3^^^fe^ ^^^ 3^^^^ P^^ ^^"f ^^^ ^^^ braud^en mag (er hjurbe 2öe§Ie^ öon feinem geiftlic^en 2et)rer SSöl^Ier gegeben): „^rebtge ben ©lauben, big bu il^n t)aft, unb bann tüirft bu i^^n ^jrebigen, toeil bu il|n ^a\i\" —
326.
©eine Umftänbe !ennen. — Unfre ^äfte !önnen toir abfd^ägen, aber nid^t unfre Äraft. 2)ic Umftänbe Verbergen unb §eigen un§ biefelbe nid^t nur — nein! fte öergrögem unb öerf (einem fie. Wan foH ftd§ für eine variable ®röge l^olten, beren Seiftungg« fäf)igieit unter Umftänben ber S3egünftigung öieHeid^t ber allcrl)öd^ften gIeid^!ommen fann: man foÖ alfo über öie Umftönbe nad^ben!en unb feinen gleiß in beren S3eobad^tung fd^euen.
327.
(Sine gäbet. — ^er ^on Suan ber @rfenntni§: er ift nod^ öon feinem ^l^ilofo^^en unb 2)id§ter entbedft tüorben. 3()nt fel^It hk Siebe ju ben S)ingen, toeld^e er erfennt, aber er f)at ©eift, ^^el unb ®enu§ an Sagb unb Sntriguen ber ©rfenntnig — big an bie l^öd^ften unb femften ©teme ber (Srfenntniß l^inauf! — big if)m gule^t nid^tg mel^r §u erjagen übrig bleibt alg ba^ abfolut 2öef)et]^uenbe ber (£rfenntni§, gleid^ bem Printer, ber am (Snbe ^Ibfintl^ unb ©d^eibettiaffcr trinft. ©0 gelüftet eg il^n am ^nbe nad^ ber §öllc — eg ift bie le^te ©rfenntnig, bie il^n öerfül^rt. Sßießeid^t \)a^ aud^ fie i^n enttäufd^t, toie alleg ©rfannte! Unb bann müßte er in aKe (Snjigfeit fte^en bleiben, an
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bie ©nttäufd^ung feftgenagelt unb felber jum fteinemen ®aft getüorben, mit einem SSerlangen nad^ einer 5I5enb* ma^ilgeit ber (5rfenntni§, bie i^m nie mefjr ju Slf)ei( h)irb! — benn bie gan^e SBelt ber ^inge \)at biejem hungrigen feinen S3iffen mel^r p reid)en.
328.
SBorauf ibealiftifd)e Xl^eorien rotten laffcn. — Wan trifft bie ibealiftifd)en X^eorien am fid^erften bei ben unbcbenüid^en ^ra!ti!ern; benn fie braud^en beren Sid)tgtan5 für i^ren dbx\. @ie greifen bamad^ mit il^ren Snftinften unb l^aben gar fein ©efül^I öon ^eud)elei babei: jo iDenig ein (Snglänber mit feiner ^^riftlic^feit unb <Sonntag§f)etligung fid^ als ^eud^Ier fü^lt. llmgefel)rt: ben befdjauüd^en Staturen, nield^e fid^ gegen aüeö ^t)antafiren in Snd^i ju f)a(ten f)oben unb aud£) ben SRuf ber ©d^märmerei fd^euen, genügen allein bie {)arten realiftifdf)en Xl^eorien: nad^ i^nen greifen fte mit ber gleid^en inftinftiüen 9^öt!^igung, unb of)ne i^re (S^rlid[}feit babei ju öerlieren.
329.
^ie ^ßerleumber ber ^eiterfeit. — Xief öom fieben öermunbete 9J?enfd^en l^aben aße ^eiterfeit öcr- bädCjtigt, als ob fie immer finbli^ unb finbifd^ jei unb eine Unöemunft t)erratf)e, bei beren 5Inb(idf man nur Erbarmen unb $Rüf)rung empfinben fönne, mie njenn ein bem Xobe nal^cS ^nb auf feinem S3ette nod) feine ©pietfad)en liebfoft. ©old^e 3J?enfd^en fet}en unter aUen S^ofen verborgene unb t}er()cl)(te ©räber; fiuftbarfeitcn, Getümmel, fröl)Iid^e äJ^ufif erfd^eint i^nen n)ic bie
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tntfd^lo[fenc (Selbfttöufd^ung be§ ©d^itjerfranfen, ber nod^ einmal eine 9}änute ben Sftanfd^ be§ SeBenä fd^lürfen toiö. 5lber biejeg Urtl^eil über bie §eiter!eit ift nid^tö ^Tnbereg a(§ beten (Strat)tenbrecf)ung auf bem büfteren ©runbe ber (Srmübung unb ^anf^eit: e§ ift f eiber etlcaä 9M^renbe^, llnt>emünftige§, jum 3)^itleiben 2)rängenbeS, ja fogot ettoaS i^inblid^eg unb ^nbifd)eä, aber aug jener jtoeiten Äinb^eit §er, toeld^e bem 5llter folgt unb bem Xobc üoranläufi
330.
9^od^ nid^t genug! — @§ ift nod^ nid^t genug, eine (Bad)t ju betüeifen, man muß bie äJJenfd^en ju il^r aud^ nod^ berfü^ren ober ju if)r erf)eBen. ^e§f)alb fott ber SBiffenbe lernen, feine SBei^^eit ju fagen: unb oft (o, bag^fte tt)ie Sl^orl^eit flingt!
331.
$Red)t unb ©renje. — S)er 5IffetiSmug ift für \
(Sold^e bie redete ^en!meife, toeld^e il^re ftnnlidEjen triebe ^
ausrotten muffen, toeit biefelben loütf)enbe 9ftaubtf)iere i
finb. 5l6er aud^ nur für (Solche! j
332.
2)er aufgeblafene ©til. — (Sin 5tünftler, ber fein l^odjgefd^tooHneg ®efüt)t nidfjt im SBerfe entlaben unb fid^ fo erleid)tem, fonbern öielmel^r gerabe ba^ ®efüf)( ber ©dEjtoeHung mittl^eilen loiE, ift fc^lüütftig, unb fein ©tu ift ber aufgeblafene @ti(.
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333.
„2J?enf^n^!ctt". - SBir galten bie Xt)lere nic^t für inoraIifd)e SBefen. 5lber meint i^r benn, ba§ bie Srf)iere unS für moralifd^e SBejen Ratten? — ©in ^fjier, tüclc^e^ reben fonnte, fagte: „9J^enf^(id^!eit ift ein $ßorurt:^ei(, an bem tt)em9ftenS toir S^^iere nid^t leiben."
334.
^er Sßo^Itl^ötigc. — ^er Sßop^ätige Befriebigt ein S3ebürfni5 feinet ^emütt)§, njenn er tr)of)Itf)ut. 3e ftörfer biejeä S5ebürfnig ift, um fo tüeniger benft er fid^ in ben 5lnbern l^inein, ber if)m bient, fein SSebürfnig ju ftiKen, er lüirb ungart unb beleibigt unter Umftönben. (®ieS fagt man ber jübifd)en 2ßo^It^ötig!eit unb S5arm* fjerjigfeit nac^: toeld^c be!anntlid^ ettoaä ^ifeiger ift a(g bie anbrer SßöÜer.)
335.
®amit Siebe als Siebe gefpürt toerbe. — 2Bir t)aben nöt^ig, gegen unS reblic^ ju fein unb unS fe^r gut ju fennen, um gegen 5lnbre jene mcnfrf)en= freunblid^e SßerfteUung üben ju fönnen, tueld^e Siebe unb ®üte genannt tüirb.
336.
SBeffen finb njir fät;ig? — (Siner tüar burd^ feinen ungerat^enen unb boät)aften ©ol^n ben ganzen Xag fo gequält Sorben, bag er it)n 5lbcnb§ erf^lug unb aufat^menb jur übrigen gamitie fagtc: „(So! nun fönncn n)ir ru^ig fd)Iafen!" — 2öaö njiffen tüix, tüoju ung Umftänbe treiben fönntcnl
— 456 —
337.
„Sf^atürüd^". — Sn feinen gef)Iern toemgften^ natürüd) §u fein — ift öieEeic^t bag le^te 2oh eine^ funftltd^en unb überaE fonft fd)aufpieleriftf)en unb I)aIBäd^ten ^nftlerg. ©n foId)e§ SBefen tuirb be§{)alb gerabe feine geinter hd l^erauSlaffen.
338.
(£rfa^*@en)iffen. — ^et eine 3J?enfd^ ift für ben anbem fein ©etüiffen: unb W^ ift namentlid^ tüic^tig, tüenn ber anbre fonft !eine§ {|at.
339.
SSerrtjanblung ber ^fUd^ten. — SBenn bic ^id)t aufhört, fd^tüer ^u fallen, tcenn fte fid^ nad^ langer Übung jur luftöoHen ^^eigung unb §unt S3ebürfni^ umtüanbelt, bann toerben bie ^tä^tt 5lnberer, auf ttjeld^e ft(^ unfere ^flid^ten, je^t unfere Steigungen begie^n, ettüaS 5Inbere§: nämlid) 5In(äffe ju angenehmen (£nt|)finbungen für un§. ^er 5Inbre tüirb bermöge feiner 3leci)te öon ba an lieben^tuürbig (an\iatt e{)rtt)ürbig unb furd^tbar luie öorbem). SBir fud^en unfere Suft, Ujenn iüir je^t ben S3ereid^ feiner äJ^ad^t aner!ennen unb unterl^alten. ^I§ bie Duietiften feine Saft me^r an il^rem (£I)riftentf)ume l^atten unb in ®ott nur i!^re Suft fanben, nal^men fie it)ren 9Sat)Ifprud^ „alle§ jur @f)rc ®otte§!" an: toa^ fte aud^ immer in biefem Sinne traten, eS tuar !ein Djjfer me^r; e§ ^ieg fo öiel al§ „alleö gu unferm SSergnügen!" Qu Verlangen, ba^ bie ^ffit^t immer ettt)a§ (äftig falle, — tüie e^ 5lant t^ut — ^eigt bertangen, ha^ fte niemals ©eirol^nl^eit unb <Bitk n)erbe:
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in biefem SSerlangen ftedEt ein üeincr S^^eft üon affetijci^cr ©raufamfeit
340.
®er STugenfd^ein ift gegen ben ^tftortfct. — @§ ift eine gnt betutefenc ^ad)e, bag bic 9J?enfd)en au§ bem SJ^utterleibe l^eröorge^en: tro^bem laffen ertuadifene ^nbet, bie neben i^rer Tlnttex fte^en, bic §^potf)c{e als fel^r ungereimt erfrfjeinen; fie l^at ben 5lugenfd^ein gegen fic^.
341.
^ßort^eil im SSerfennen. — Semanb fagte, er f^ahc in ber ^nb^eit eine fold^e SSerad^tung gegen bie gefaUfüd^tigen ©riÖen beS lucland^olifd^en XenHjeromentg gehabt, bog e§ i^m big gur 9Jätte feineS SebenS Verborgen geblieben fei, njeld^eS Temperament er ^abt: namlid^ eben baS metand)otifd§e. (5r erflärte bieg für bie bcfte aller mögtid^en Unmiffen^eiten.
342.
^xiiji ju öertüerf)fe(n! — 3a! @r h^tta^tet bic (Badjt öon allen ©eiten, unb i^r meint, ba§ fei ein rerf)ter 9}?ann ber (Srlenntnife. 5lber er toiH nur ben ^reiä Ijerabfe^en — er ttjill fie !aufen!
343.
5lngeblid^ moralifc^. — 3l)r njoHt nie mit euc^ unjufrieben merben, nie an tixd) leiben — unb nennt bieg euren moralifd^en §ang! 9^un gut, ein 5Inbrer mag eg eure 5eigl)eit nennen. 2lber (Sing ift geUji^: i^r tüerbet niemalg bic 9^eife um bic Sßelt (bie i^r felber fcib!) machen unb in euc^ fclbcr ein 3"!^^ ""^ eine
— 458 —
<Bd)oUt auf ber ©d^oHe bleiben! (SJIaubt i^x benn, bafe iDtr 5Inber§gefinnten ber reinen D^arr^eit I)alber un§ ber D^eife burd^ bie eigenen Oben, (Sümjjfe unb (Si^gebirge ausfegen unb (Srf)mer§en unb Überbrug an un8 frei= lüillig ertoäl^Ien, tote bie (Säulen^ eiligen?
344.
J^etnl^ett im get)Igreifen. — 2öenn §omer, trtc man fagt, bi§tt)ei(en gejd)Iafen i)at, 'fo trar er !(üger al§ aEe bie Huftier be§ fd)taf(ofen (£§rgeije§. SD^an mu§ bie S3ett)unberer ju 5It!^em fommen loffen, baburd) ha^ man fte öon 3^^^ 5^ 8^^ ^^ SEabler öertuanbelt; benn niemanb f)ält eine ununterbrochen gläuäcnbe unb tvadjc (SJiite au§; unb ftatt too^Ijuttiun, tüirb ein 9J?eifter berart jum gutfitmeifter, ben man ^agt, toä^renb er t)or un§ l) ergebt.
345.
Unfer ®Iücf ift fein 5trgument für unb tüiber. — SSiele SD^enfd^en finb nur eines geringen ®Iüd§ fätjig: e§ ift ebenfo tt)enig ein (SintDanb gegen i()re 2[Bei§{)eit, ha^ biefe i^nen nid)t mel^r @(ücf geben fönne, al§ e§ ein ©inujanb gegen hk §ei(!unft ift, ba§ manrfje SJienfd^en nid^t gu !urieren unb anberc immer fränflid) finb. 9J?öge jeber mit gutem ®türf gerabe bie SebenSauffaffung finben, bei ber er fein ]^öd)fte§ Tlaa^ bon ©lud öem)ir!Iid)en !ann: babci !ann fein Seben immer nodf) erbörmtid^ unb toenig neibenStuert!^ fein.
346.
SBeiberfcinbe. — „^aS SBeib ift unfer ^einb" — Ujer fo als 9D^ann ju 9Kännem fprid^t, au0 bcm rebet
— 459 —
bcr ungebönbigte Xmh, ber nid)t nur fid| felber, jonberit auc^ feine Tlittd t)Qgt.
347.
Sine ©d^ulc be§ Sf^ebnerS. — SBenn man ein Sai)r lang fdjtüeigt, fo üerlemt man baS (Sd)tt)ä5en unb lernt bog Stieben. 2)ie $5tf)agoreer toaren bie beften Staatsmänner i^rer 3^^^-
348.
(SJefü^I ber 9J?ad)t. — 9J?an unter(cf)eibc tt)of)I: h)er baö ©efül^I ber 3J?ad§t erft genjinnen tt)ill, greift nac^ allen TOtteln unb öerfd^mäf)t !eine 9^al^rung beöfelben. 2Ber eS aber ^at, ber ift fef)r n)äf)(erifd^ unb tjome^m in feinem (5Jefd)madf gett)orben; feiten, bag i|m ettDaä nod^ genugt^ut.
349.
^\6)t gar fo toiditig. — 93ei einem ©terbefaÜCr bem man jufie^t, fteigt ein (SJebanfe regelmögig auf, ben man fofort, au3 einem falfc^en ©efül^t ber 5ln* ftänbig!eit, in fic^ unterbrücft: ia^ ber 5l!t beö Sterbend nirf)t fo bebeutenb fei, mie bie allgemeine (S^rfurd^t behauptet, unb bag ber ©terbenbc im fieben toa^rfc^einlid^ loid)tigere ^inge öerloren l^abe, alä er ^ier ju öerlieren im begriffe ftel)t. ^aä @nbe ift f)kx getoiß nid^t baä ^kl
350.
SSic man am beften öerfprid)t. — SBenn ein i8erfpred^en gemad)t n^irb, fo ift c3 nic^t ha^ SBort, h)etd)eö öcrfprirf)t, fonbern baS Unauägefprod^ne f)intcr bem 2öorte. Sa bie Sßorte madjen ein SSerfprec^en unfräftiger, inbem fie eine ^aft entlabcn unb öer«
— 460 —
hxandjtn, tüeld^e ein X^eil jener ^oft ift, bie bcrfprid)t Sogt eud^ alfo bie §(mb reid)en unb legt babei ben ginget auf ben Wnnb — fo mad^t t()r bie fic^erften ©elöbniffc.
351.
©enjöfinüd^ mißöerftanben. — Sm ®efpröcf)c bemerft man ben ©inen bemüf)t, eine gaUe ju legen, in toeld^e ber 5(nbere fällt, nid)t au§ f&o^^dt, toie man benfen foEte, fonbem an§ SSergnügen an ber eignen ^fiffigfeit: bann toieber 5lnbere, ftjeld^e ben Sßi^ borbereiten, bamit ber 5Inbere i^n mad^c, unb toeld^e bie ©d^Ieife fnilpfen, bamit jener ben ^oten barau^ jiefie: nid^t au§ SBo^ItooEen, lüie man benfen foEte, fonbem au§ So^^eit unb SSerac^tung ber groben SnteHefte.
352.
Zentrum. — Seneä ©efü^I: „ic^ bin ber mttd*' puntt ber SSelt!" tritt fe^r ftar! auf, n)enn man plö^Iid^ öon ber @d)anbe überfallen tt)irb; man ftel^t bann ha toie hctänU inmitten einer S3ranbung unb fü^It fid^ geblenbet »ie üon (Sinem großen STugc, ha^ bon allen ©eiten auf un§ unb burd^ un§ blicft
353.
SRebefretf)eit — „2)ie 2Bat)rf)eit mug gefagt loerben, unb toenn bie SBelt in (Stüde ge^en foHte!" — fo ruft, mit großem SJ^unbe, ber große gid^te! — Sa! Sa! 5lber man müßte fie aud^ l^aben! — STber er meint, jeber foHc feine SD^einung fagen, unb toenn alleS brunter unb brüber ginge. 2)arüber ließe fid^ mit i^m noc^ redeten.
461
354.
Wvit^ jum Seiben. — <Bo tüte totr je^t finb, lönnen tüir eine giemlic^e SJ^enge öon Unluft ertragen, unb unfer äJJagen ift auf biefe fdjtüere ^oft eingerichtet. SSietteirf)t fönben toir of)ne fte bie 9}?a()l5eit be§ SebenS fabe: unb ol^ne ben guten Söillen junt (Sd^merjc loürben toir aöju öielc greuben fal^ren laffen muffen!
355.
SSerel^rcr. — SBer fo öeret)rt, ba^ er ben S^lid^t*
S8eret)renben freujigt, geprt ju ben §en!em feiner
gartet — man f)ütet fid^, il^m bie §anb ju geben, felbft toerat man aud^ t)on ber Partei ift.
356.
SBirfung beS ©lücfeä. — ^ie erfte SBirhtng beg (§Jmc!e§ ift ba§ ®efü{)t ber Tlai^t: biefe toitt firf) öufeern, fei cS gegen un§ felber ober gegen anbere 3J2enfd^en ober gegen SSorfteHungen ober gegen eingebilbete SSefen. 2)ie getDö!)nItd)ften 5Irten, fid^ ju äugem, finb: 95e[d^en!en, Sßerfpotten, ^emid^ten — atte brei mit einem gemeinfamcn ^runbtriebc
357.
SKoralifdEje <Sted)f(iegen. — Scne 9)?oraIiftcn, benen bie Siebe jur ©rfenntnig obget)t unb toeld^e nur ben ®enu6 beä 2[öe^ett)un^ !enncn, t)aben ben ®eift unb bie ßangetoeile öon Äleinftäbtern ; i^r ebenfo graufameS alö iämmerlid)e3 SScrgnügen ift, bem 9^adf)bar auf bie ginger ju fc^cn unb unuermerft eine S^abcl fo ju
— 462 —
ftedfen, ba^ er ftd^ baran ftid^t. Sn t^nen tft ble Unart üeiner Nabelt rücfftönbtg, tüeld^e nic^t munter fein !önnen oljne tttva^ 3agb unb SD^igl^anblunö öon ßebenbtgem unb Xobtem.
358.
Qirünbe unb il)re ®runbIoftg!eit. — SDu ^aft eine 5l6neigung gegen tt)n unb bringft au^ retd^lid^e ©rünbe für btefe 5lbneigung t)or — id) glaube aber nur beiner 5lbneigung, unb nid)t beinen ©rünben! (S§ ift eine ©d^öntl^uerei bor bir felber, ba^ tüaä inftinftiü gefd)ie{)t, bir unb mir toie einen SSemunftfd^Iug öorjufü^ren.
359.
@th)a§ gut l^eifeen. — SJ^an l^eigt bie @f)e gut, crftenS ttjeil man fie nod^ nid^t !ennt, jtoeiten§ n^eil man ftd^ an fie gen)ö^nt l^at, brittenS toeil man fie gefd^Ioffen ^at, — ha^ ()ei6t faft in aEen göllen. Unb bod^ ift bamit nid^tg für bie ©üte ber @t)e überf)aupt beiriefen.
360.
Steine Utilitarier. — „^ie SJ^ad^t, ber öiel S3öfe3 ongetf)an unb angebad^t ttjirb, ift me^r toertl^ als hit Dt)nmad^t, ber nur ©uteS loiberföl^rt,'' — fo entpfanben bie (SJried^en. ®ag ^eigt: ha^ ©efü^I ber 3J?ad^t n?urbe t)on il^nen l^öl^er gefdjä^t als irgenb ein D^^en ober guter SfJuf.
361.
^öglid^ fd^einen. — ^ie SD^ägigleit fielet fid^ f eiber alS fd^ön; fie ift unfd^ulbig baran, bag fie im STuge beS Unmäßigen rau^ unb nüd^tem, folglid^ aU l^äfelid^ erfd^eint.
— 463 -
362.
i8erfd^iebcn im §affe. — 3J?and)e l^affen crft, toenn fte ftd^ fcf)tüad) unb mübe füllen: fonft finb fte billig unb überfe^enb. 5(nbre l^affen erft, tüenn fte bie aj^öglid^feit bcr 9fiac§e fe^^en: fonft pten fte ft(^ t)or allem ^eimlid^cn unb lauten 3oni unb benfen, toenn eS 5lnläffe baju giebt, baran öorbet.
363.
3Jienf(i)en beS Sufall«. — 2)a§ SBefenttic^e an jebex Srfinbung t^ut ber SufaU, aber ben meiften 9J?enfdf)en begegnet biefer SufaH ntd^t.
364.
2öaf)I ber Umgebung. — 9Kan pte fid), in einet Umgebung ju leben, öor ber man toeber ttjürbig fd^meigen, nod) fein §öt)ereg mitgut^eilen öermag, fo bag unfere klagen unb S5ebürfniffe unb bie ganje (5Jef(^id)te unferer 9^ot§ftänbe jur äJättl^eilung übrig bleiben. 2)abet toirb man mit ficf) unjufrieben unb unäufrieben mit biejer Umgebung, ja nimmt ben SSerbrug, fid^ immer alg 5llagenben ju em|)finben, nod^ ju bem 9^otf)ftanbc l^inju, ber unS flagen mad^t. ©onbcm bort fott man leben, tt)o man fid^ fd^ämt, öon fid^ ju rcben, unb cä nid)t nöt{)ig l^at. — Slber ttjer benft an folc^e ^inge, an eine 2öa!)I in fold^en 2)ingen! äJ^an rebet öon feinem „^erl)ängni6", fteÜt fid^ mit breitem Sf^üdEen f)in unb fcufjt: „ic^ ungtürffeligcr 5lttaä!"
464
365.
(Sttelfeit. — S)ie ©ttelfeit ift bte gurd^t, original ju erfd^einen, alfo ein 9J?ange( an @to(j, a6er nid^t notl^ttjenbtg ein Tlan^d an Driginaütöt.
366.
S8erbred^er*5^ummer. — SJ^an leibet al§ ent« bedfter S8erbrec^er nid^t am ^erBredE)en, fonbern an ber ©d^anbe ot)er am Sßerbrug über eine gemachte ^ummf)eit ober an ber ©ntbe^mng be§ geltjo^nten (Elementes ; unb cS bebarf einer geinlieit, hk feiten ift, l^ierin jn untere fd^eiben. Seber, ber öiel in ©eföngniffen unb 3ud^tt)äufern berfe^rt l^at, ift erftaunt, toie feiten bafelbft ein un^njei^ beutiger „®enjiffen§bi§" anzutreffen ift: um fo me^r aber \>a^ ^eimtüel^ nad^ bem alten böfen geliebten SSerbred^en.
867.
Smmer glüdEItd^ fd^ einen. — 51I§ bie $§iIofopI)ic <Sad§e beg öffentlidfien $E3etteiferg loar, im ®riecl)enlanb be§ britten Sa^^r^unbertS, gab e§ nid^t wenige ^^iIofopt)en, loeld^e glüdEIi^ burrf) ben §intergeban!en lourben, hai 5lnbere, bie nad^ anbem ^rinci^ien lebten unb fid§ hahd quälten, on il^rem ©lücfe fcger l^aben müßten: fie glaubten, mit t^rem ©lüdEe jene am beften ju toiberlegen, unb bagu genügte eg il^nen, immer glüdEIidf) ju fd^einen: aber babei mußten fie auf bie ^auer glüdflid^ to erben! ^ie^ hjar jum öeifpiel ba^ £oo§ ber ©Ijnifer.
368.
®runb btcler Sßerfennung. — S)ic SKoralität ber §une^menben 9'iert)enfraft ift freubig unb unruhig;
— 465 —^
bie SD^orafität ber aBne"^Tnenben 9^ert)en!raft, am ^fbenbc ober bei Tanten unb alten Seuten, ift leibenb, berut)tgenb, abtüartenb, lüei)müt]^tg, ja md)t feiten büfter. Se nodjbem man öon biefer ober jener l^at, öcrfte^t man bie unS fel^Ienbe nic^t, unb bem 5lnbem legt man fte oft ots Unftttlid^!eit unb <Sd^n)ö(^e au§.
369.
(Sitf) über feine (Srbärmlid^!cit ju lieben. — ®ag finb mir ftolge (SJefeHen, bie, um ha^ (5Jefü!)I i^rer Sßürbe unb SBi^tigfeit I)erjufteIIen, immer erft anberc braud^en, bie fie anl^errf^en unb öergetüaltigen !önnen: foId)e nämlirfi, beren D^nmad^t unb geigf)eit e^ erlaubt, ba§ einer bor i^nen ungeftraft erl)abene unb jomigc ©ebörben mad^en fann! — fo \)a^ fie bie @rbärmlid^!eit it)rer Umgebung nötf)ig l^aben, um fid) auf einen 5lugenblid über bie eigene (£rbärmli(^!eit gu {)eben! — ^a§u ^ot manrfier einen §unb, ein 5Inbrer einen greunb, ein 2)ritter eine grau, ein Sßierter eine ^artei unb ein fe^r ©eltner ein ganjeS 3^^^^^^ nöt!)ig.
370.
Snmiefern ber Genfer feinen geinb liebt. — 9^ie tixoa^ 5urüd£f)alten ober bir öeridjto eigen, toad gegen beinen Gebauten gebac^t njerben fann! ©elobc eg bir! @g gehört jur erften 9?ebli^!eit beö ^enfcng. ^u mugt jeben Xag aud) beinen gelbjug gegen bid^ felber fül)ren. (Sin @ieg unb eine eroberte ©djangc finb nidjt mel^r bcine 5Ingelegen^eit, fonbem bie ber SBaI)r^eit, — aber aud^ beinc 9fäd)erlage ift nid^t me^r beine 51ngelegen^eit!
^ - 466 -
371.
^a§ S3öfe bet ©tärle. — ^ie ©etüattt^ättgfett Qfö golge ber £etbenfd)aft, §um S3etfptel be§ gonte^, ift ^)t)5fio(ogtfd^ als ein SSerfuc^ §u öerfte^en, einem brol^enben @rfttdung§anfoII öorjubeugen. 3ö^i^ofe ^anb^ (ungen beg Übennutf)§, ber ftd^ an anbem ^erfonen ausläßt, finb 5l6Ieitungen etneS ^jlöyid^en S3Iutanbrange§ burc^ eine ftar!e SJht§!e(*5lftion getoefen: unb öieEeid^t get)ört ha^ ganje ,3öfe ber (Störfe" unter biefen (55efid)t§' ^unft. (^a§ ^öje ber (Stär!e t^ut bem 5Inbem tüe{)e, ol)ne baran ju benfen, — e§ mug fid^ anblaffen; ba§ S3öfe ber (Sd^toöd^e lüill ti)el^et!)un iinb bie g^^^^^ ^^^ SeibenS {el)en.)
372.
3«r (Sl^re ber Kenner. — ©obalb einer, o^ne Kenner §u fein, bod) ben Urt^eiler fj)ielt, foH man fofort ^jroteftiren: ob eS nun SJ^önnlein ober SSeiblein fei. @d)tüärmerei unb ©ntjüden für ein ^ing ober einen 2JJenfd^en finb !eine 5lrgumente: SSibertoiüe unb ^a^ gegen fie aud^ nid)t.
373.
SScrröt]^erifd)er Xabel. — „@r fcnnt bie 9J?enfd^en nid^t" — bag fieigt im SJiunbe be§ ©inen: „er fennt bie ©emeinl^eit nid^t", im SJiunbe be§ 5Inbem: „er !ennt bie Ungetoö^nlic^leit nid)t unb bie ®emeinl)eit äu gut".
374.
SSert^ be§ 0^)ferg. — 3e mel^r man ben <Biaaten unb Surften ba^ fdt^i aberfennt, bie (Sinjelncn ju opfern
— 467 -
(tote 6ct ber 9^ed^t§J)fIege, ber .§ecre§foIge u. f. to.), um fo ^ö^er toirb ber SSertf) ber ©elbfi^Dpfermtg fteigen.
375.
3ubeutHd^reben. — Wlan lann au§ t)erfci)iebenen Orünben ju beutlic^ artthtltrt fpred^en: einmal au^ SD'^i^traucn gegen fic§, in einer neuen ungeübten @prad)e, fobann aber oud^ au§ SJägtrauen gegen bie 5lnbem, toegcn i^rer 2)umml§eit ober ßangfamfeit beg SSerftönb- niffeS. Unb fo au(^ im (SJeiftigften: unfere SJätt^eilung ift mitunter gu beutlid^, gu peinlid§, toeil bie, toeld^en toir ung mtttl)ei(en, unS fonft nid^t öerftef)en. golgli^ ift ber üollfommne unb Ieid)te ©ti( nur öor einer öoU* lommnen gu^örerfdiaft erlaubt
376. SSiel frf)Iafcn. — SßaS t^un, um fit^ anzuregen, toenn man mübe unb feiner felbft fatt ift? 2)er (Sine em^)fie^lt bie ©|)ielbanf, ber ^Tnbre ha^ Sf)riftentl^um, ber !5)ritte bie @Ie!tricität. ^a§ SBefte aber, mein lieber 93^eIand)oIifer, ift unb bleibt: öiel fd^Iafen, eigent(id§ unb uneigentitrf)! <Bo toirb man aud) feinen 3D^orgen toieber t)aben! S)aS ÄunftftüdC ber Seben§toei8l)eit ift, ben ©c^Iaf jeber 5lrt jur redeten 3^* einjufd^ieben toiffen.
377.
SBorauf pl)ant.aftifd^e 3bealc rotten laffen. — !Dort too unfere 3J?ängeI liegen, ergebt fid^ unfere ©rf)toärmerei. ^en fd^toärmcrifd^en ©a^ „Hebet eure geinbe!" t)aben Suben erfinben muffen, bie beften §affer, bie eä gegeben !)at, unb bie fd^önfte ^erl)crrtid)ung ber 5leufd}l)eit ift üon ©okrjcn gebidjtet toorben, bie in i()rex' Sugenb toüft unb abf^euUd^ gelebt ^aben.
— 468 —
378.
^txnt §anb unb reine Sßanb. — Wlan fott lueber ^ott ttod^ ben Xeufel an bie SBanb malen. SD^an öerbirbt bamtt feine SBanb unb feine S^ad^barfd^aft.
379.
SBotirfd^einlic^ unb untüal^rfc^einltc^. — ©ine grau liebte ^eimlid) einen SD^ann, i^oh xl^n ]^od§ über fid^ unb fagte ftd^ im ©e^eimften l^unbert 3J?alc: „tDenn mid^ ein foIdE)er SJ^ann liebte, fo tt)äre bie§ n)ie eine (SJnabe, öor ber id^ im (Staube liegen mü^te!" — Unb bem 3J?anne gieng e§ ganj ebenfo, unb gerabe in S^e^ug auf biefe grau, unb er fagte fid^ im ©el^eimften au(^ gerabe biefen ©ebanfen. 5II§ enblid^ einmal beiben bie S^H^ fi^ 9^^öft \)aü^ unb fie alle§ ba^ SSer* fd^töiegene unb SSerfd^toiegenfte beS §er§en§ einanber tagten, entftanb fd^lie^lid^ ein ©äUfd^lo eigen unb einige S3eftnnung. 2)arauf ^ob bie grau an, mit erfölteter stimme: „aber eg ift ja ganj flar! toir finb ^tibc nid)t ha^, loaS tt)ir geliebt I)aben! SBenn bu ba^ bift, toa^ bu fagft unb nid^t me^r, fo f)aht id^ mid^ umfonft emiebrigt unb bid^ geliebt; ber 2)ämon öerfül^rte mi(^, fo ujie bid^." — S)iefe fe^r loal^rfd^einlid^e ©efd^id^te fomint nie öor — toeSl^alb?
380.
erprobter ^at^. — SSon allen Sj:roftmitteln tljut ^roftbebürftigen nid^tg fo tr)ol)l al§ bie S3el^auptung, für il)ren gaE gebe e§ leinen Xroft. ^arin liegt eine fold^e 3Iu§5eid§nung, ba^ fie lüieber ben ^opf erl)eben.
— 469 - 381.
©eine „Sin^el^ett" fennen. — SSir üergeffen ju leicht, ba^ lüir im 5luge frember 3)^enjd)en, bie un^ jum erften Tlak fet)en, cttva^ ganj 5Inbere§ finb a(S ba§, tüofür tok un§ felber J)a(ten: meiften^ nid^tä me^r a(g eine in bie fingen fpringenbe @in§eli)eit, tüeld^e ben ©inbrud beftimmt. 60 !ann ber fanftmütl)igfte unb bittigfte Wlm\6), tuenn er nur einen großen (Sd)nurrbart f)at, gleid)fam im ©d^atten be^felben fi^en, unb ruf)ig fi^en — bie getpö^nüd^en klugen fe^en in i^m ben ßubel^ör ^n einem grofeen ©tfinurrbart, toiK fagen: einen militärifd^en, (eid)t aufbraufenben, unter Umftönben gett)altfamen ®f)araiter — unb benehmen \id) barnad^ öor it)m.
382.
©örtner unb ©arten. — 5Iu§ feud^ten trüben ^agen, ©infamfeit, lieblofen SBorten on un§ n)ad)fcn ©d^Iüffe ouf tüie ^ilge: fie finb eineS 9J?orgenä ba, tüir njiffen nid^t tr)ot)er, nnb fe!)en fid^ grau unb griesgrämig nad^ un§ um. Söe^e bem Genfer, ber nidf)t ber ©ärtner, fonbem nur ber Soben feiner ©eUJöd^fe ift!
383.
«
^ie 5!omöbie beS SJ^itleibenä. — 2öir mögen nodE) fo fel)r an einem UnglüdEIidCjen 5Intl)ei( nehmen: in feiner ©egentuart fpieten njir immer etma^ Äomöbic, tüir fagen öieleä nid)t, tva^ tpir beuten unb toie ipir t& benfen, mit jener 93cl)utfamfeit beS 5rr5teS am S3ctte öon ©d)tüer!ran!en.
~ 470 —
384.
SBunberlid^e ^eilige. — @S giebt ^letnmüt^tge, iueld^e öon tt)rent beften SBer!c unb SBirfen md)t§ galten unb eS frf)Iec§t jur 9JJitt]^ eilung ober jum SSortrage bringen: aber au§ einer 5lrt Sf^ad^e l^dten fie auc^ nid^tS öon ber ©^ntpatl^ie anberer ober glauben gar nid^t an «S^mpatl^ie; fie fd^ämen ^{(i), öon fid^ felber l^ingeriffen ju erfd^einen unb fü{)Ien ein tro^igeS 2Bol^Ibef)agen barin, läd^erlid^ gu Serben. — ^ie^ finb ß^^f^änbe auS ber ©eele meland^otifd^er ^nftler.
385.
2)ie (gitlen. — Sßir finb loic (Sd^aulöben, in benen ioir felber unfere angeblid^en (Sigenfd^aften, njeld^e anberc un§ jufpred^en, forttüä{)renb anorbnen, öerbedEen ober in'^ Sid)t fteUcn, — um un^ §u betrügen.
386.
S)ie ^at^etifd^en unb bie S^aiöen. — (S§ fann eine fel^r uneble ^etüof)n^eit fein, feine ©etegenl^eit öorbei ju laffen, loo man fid^ Jjatl^etifdf) feigen fann: um jenes ©enuffeS toillen, fic^ ben ^i^f^^i^c^ ^^^^i h^ benfen, ber fid^ an bie S5ruft fd^Iägt unb fid^ jelber jämmerlid^ unb flein fü{)lt. d§ !ann folglid^ aud^ ein 3eid^en be§ ©belfinnS fein, mit ^jatl^etifd^en Sagen <Bpott 5U treiben unb in i^nen fid^ untt)ürbig ju benehmen, ^er alte friegerifd^e 2tbe( granfreid^'S l^atte biefe 3(rt SSomel^ml^eit unb geinf)eit
387.
$robe einer Überlegung öor ber (Sf)c — ®efe^t, fie liebte mid^, loie läftig iüürbc fie mir auf bie
— 471 —
2)auer toerben! Unb geje^t, fte liebte mic^ nid^t, tote läftig loürbe fte erft ba mir auf bie ^auer lüerben! — (£g l^anbelt fid) nur um gmei öerfcf)iebene Wirten beö Saftigen: — t)eirat!^en ttjir alfo!
388.
2)te 6cf)ur!eret mit gutem ©etoiffen. ~ Sm Keinen §anbe( überöort^eilt ju tt)erben — ba§ ift in mond^en ©egenben, §um ^eifpiel in X^rol, fo unangene{)m, loeil man baS böfe ©efid^t unb bie grobe S5egierbe barin, nebft bem frfjled^ten ©elDiffen unb ber plum|)en geinb=s feligfeit, toeldje im betrügerifd^en SSer!äufer gegen ung entftel^t, no^ obenbrein in ben fd)(ed)ten Äauf befommt. 3n SSenebig bagegen ift ber ^reUenbe öon §erjen über ba^ gelungene (Sd^elmenftücf öergnügt unb gar nii^t feinbfelig gegen ben ©eprellten geftimmt, ja geneigt, i!^m eine 5Irtig!eit gu erlüeifen unb namentlich mit it)m ju (ad)en, faUö er baju fiuft l^aben foEte. — £ur5, man muß jur ©djurlerei auc§ ben ®eift unb ba§ gute ®en)iffen f)aben: baS öerföt)nt ben ^etrognen beinat)e mit bem betrüge.
389.
(Sttuaä ju fd^tüer. — (Sei)r braöe Seute, bie aber ettraö gu fd)n)er finb, um l^öflii^ unb liebenötrürbig ju fein, fuc^en eine 5(rttg!eit fofort mit einer ernftl)aften ^ienfticiftung ober mit einem Beitrag aug il)rer 5b:aft ju beanttDorten. @§ ift rül)rcnb angufefien, ttjie fie it)re ®olbftücfe tc3E)üd)tem heranbringen, tt)enn ein 5Inbrer il)ncn jeine öergolbctcn Pfennige geboten l)at
390.
®eift öerbergen. — Sßenn tü'xx jemanbcn babei erta^)pen, ba^ er feinen ©cift Dor unö uerbirgt. fo nennen
— 472 —
mir i^n böfe: unb jioar um fo me!)r, loenn totr arg* itjöl^nen, ha^ 5Irtig!ett unb 3}ienfd)enfreunb(td^!ett i!)n bagu getrieben t)aben.
391.
S)er böfe 5tugenblirf. — Öebf)oftc Staturen lügen nur einen 5Iugenb(idE: nad^l^er l^aben fie fid^ felbcr 1 belogen unb finb überzeugt unb red^tfd^affen.
392.
iöebingung ber ^öflid^feit. — ^ie §öftid)fett j tft eine fef)r gute ©ad^e unb toirüid^ eine ber öier ■ §au^)ttugenben (trenn and) bie le^te): aber bamit tütr uns einanber ni(f)t mit it)r läftig werben, mu^ ber, mit bem id) gerabe ju tl^un ^aht, um einen ®rab toeniger ober mel^r pftid^ fein, al§ id^ e§ bin, — fonft fommen loir nid^t t)on ber (Stelle, unb bie ©albe jalbt nid^t nur, j fonbem flebt unS fefi *
393.
®efäf)rlid^e ^ugenben. — „@r öergigt nid^tS, ober er öergiebt aEe§." — 2)ann tüirb er boppelt gesagt, benn er befd^ämt boppelt, mit feinem ©ebäd^tni^ unb mit feiner ©ro^mutl^.
394.
OI)ne (Sitelfeit. — ßeibenfd^afttid^e äJ^enfc^en beuten toenig an \)a^, toa^ bie Hnbem beulen, il^r ^iif^onb er()ebt fie über bie (Siteüeit
395.
SDie Sontemjjlation. — S5ei bem einen 2)enfer folgt ber bem S)en!er eigene befd^aulid^e 3^f^^ immer
— 473 —
auf bcn Suftanb ber gurd)t, bei einem anbcm immer auf ben SiJfiönb ber öegierbe. ^em erften fd)eint bemnad^ hk S3efc^au(id^feit mit bem ©efüt)! ber ©id^erl^ett öerbunben, bem anbem mit bem ©efül^I ber (Sättigung — bag ^ei§t: jener ift babei mut^ig, biefer überbrüffig unb neutral geftimmt
396.
5(uf ber Sagb. — Sener ift auf ber Sagb, ange* ne{)me SBa^rl^eiten ju l^afd^en, biefer — unangenehme. 5[ber aud^ ber ©rftere f)at met)r SSergnügen an ber 3agb alg an ber Seute.
397.
©rjiel^ung. — ^ie ©rjiel^ung ift eine gortfe^ung ber 3eugung unb oft eine ^Trt nad)träg(id^er 93efd)önigung bcrfelben.
398.
SBoran ber §i^igere gu erfennen ift. — S3on jtuei ^erfonen, bie mit einanber !änl()fen ober fid^ lieben ober fid^ betounbem, übernimmt bie, toeld^e bic t)i^igere ift, immer bie unbequemere ©teKung. ^aSfelbc gilt aud^ bon jtoei SSölfeni.
399.
©icf| öertf)eibigen. — 9J?and^c 9J2enfd^en ^aben ba^ befte S^Jed^t, fo unb fo ju ^anbeln; aber n)cnn ftc fid) barob t)ertt)eibigen, glaubt man'3 nid^t me^r — unb irrt fid^.
— 474 —
400.
5n?oraHfrf)e SSergärtelunfl. — (£g giebt jart moralifd^e Staturen, tDe(d)e bei iebem ^olge SSefd^ämung unb bei jebem SJä^erfoIge ©etoiffenSbiffe f)aben.
401.
^efäl^rlid^fteS SBerlernen. — 9J?an fangt bamit an, 5U öerlemen 5Inbre gu lieben, unb f)ört bamit auf, an ftcfi nid^tg SiebenStüertlje^ mef)r gu finben.
402.
5[ud^ eine ^oIeran§. — „@ine SJänute ju lange auf gtül^enben ^ol^Ien gelegen Ijahm unb ein Sßenig babei anzubrennen — ha^ f^abet nod^ nirf)t§,. bei 9}?enfd§en unb ^aftanienl ^iefe fleine ^tterleit unb §ärte lö^t erft red)t fd^merfen, loie fü§ unb ntilbe ber £em ift." — 3a! ©o urt^eilt i^r ©eniegenbenl S^r fublimen SJ^enfc^enfreffer!
403.
Sßerfcf)iebener (Stolj. — ^ie grauen finb e§, toeld^e bei ber SSorfteHung erbleichen, il^r beliebter möd^te i^rer nic^t tüertl^ fein; bie SJ^änner finb e§, tDe(d)e bei ber SSorfteEung erblei(^en, fie möd^ten i^rer beliebten nicf)t tüertl^ fein. (S§ ift l^ier öon gangen grauen, ganjen 3J?ännem W Sf^ebe. @oId)e SJ^änner, al§ bie SJ^enfd^en ber 3iiöe^fidf)tlid^!eit unb beö 3}?ad)tgefü^t§ für gett)öf)nlid), l^aben im g^f^^nbe ber ^affion i^re SSerfrf)ämtf)eit, i^ren 3^^^f^^ on fid^; fold^e gi^auen aber füllten fid^ fonft immer al§ bie (Sd^tDad^en, gur
~ 475 —
Eingebung bereiten, aber in ber ^o^en SluS nannte ber ^affton ^ahtn fie i()ren @toI§ unb i^r 9J^ad^tgefü^I — atö toel^eg fragt: tüer ift meiner njürbig?
404.
SBem man feiten geredet tüirb. — a)?ancf)er fann fid^ nici^t für ettt)ag ©ute§ unb ^roge§ ertüörmen, o!^ne fd^tt)ere§ Unrecf|t nad^ irgenb einer ®eite I)in ju t^un: bie^ ift feine 5Irt SJ^oralität.
405.
Sujug. — ^er §ang jum ßnjuS ge^t in bie Xiefe eines SJ^enf^en: er öerröt^, \)a^ ba§ Überflüfftge unb Unmäßige ia^ SSaffer ift, in bem feine (Seele am liebften- fd^tüimmt
406.
Unfterblid^ mad^en. — 9ßer feinen ©egner töhttn tüxU, mag em)ägen, ob er it)n nid^t gerabe baburd^ ba, fic^ öeretüigt.
407.
SBiber unfern Stiarafter. — (5Jef)t bie 2öaf)r]^eit, bie tüir ju fagen ^ahm, toibcr unfern Sf)ara!ter — njie cä oft üorfommt — , fo benel)men toir unä babei, alö ob loir frf)(edjt lögen, unb erregen TOgtrauen.
408.
SHTo öiel 2J?iIbe notl) tf)ut. — 23?and^e Staturen ^aben nur bie SBa()I, enttocber öffentUdje Übelttjäter ober geheime Seibträger ju fein.
— 476 ~
409.
5lranf^ett. — Unter £ran!l}ett tft ju öerfte^en: eine unäettige 5lnnä^emng be§ 5ltter§, ber §ä6lid)feit nnb ber })efftmifü}c^en Urtlieile — lüelc^e 2)tngc gu etnanber gehören.
410.
SDte 5tngftlid)en. — ©erabe bie ungefd)tdften öngftltd^en Sßefen toerben lei^t ju ^obtfd^Iägem: fte öerftel^en bie fleine gtretfentfpred^enbe SSertl^eibigung ober ffiadjt nid^t, t^r §a§ loeig auä Tlan^d an ©eift nnb ©eifte^gegentoart feinen anbem ^n^njeg aU hk Sßemid)tnng.
411.
Dfjne §a§. — ^n toiEft öon beiner Seibenfi^aft 5lbfd^ieb nel^men? X^ne e§, aber ot)ne ^ag gegen fie! ©onft l^aft bu eine jujeite Seibenfd^aft. — 2)ie @eelc be§ ßl^riften, bie fic^ öon ber (Sünbe freigemad^t f)at, toirb gelüöl^nlitf) l^inter^er bnrd^ ben ^ag gegen bie ©ünbe minirt. (Sie^ bie (Sefid^ter ber großen ß^riften an! @S finb bie ©efid^ter öon großen paffem.
412.
(SJeiftreic^ nnb Befd^ränft. — ©r öerfte^t nid^tS gn fd^ä^en, außer fi(|; nnb toenn er anbere fdfjä^en toiE, fo muß er fie immer erft in fid) öer* loanbeln. 2)arin aber ift er getftreid^.
413. 3
^ie })rtbaten unb öffentlid^en Slnflöger. — <Bkf) bir jeben genau an, ber anüagt unb inquirirt, —
"ili i
er entpllt baBet feinen ©!^ara!ter: nnb ^wat nit^t fetten einen fc^lecf)teren ß()arafter, al§ ha^ Opfer {)at, hinter beffen Sßerbrec^en er ^er ift. ^er 51nflagenbe meint in aöer Unfd^ulb, ber ©egner eineS greüet^ unb eineS gret)ter§ muffe fd)on an fid^ öon gutem ß^ara!ter fein ober qI§ gut gelten, — unb fo lögt er fid^ ge!)en, ba§ ^eigt: er lägt ftd^ ^erauä.
414.
^ie freinjiUig 93(inbcn. — (S^ giebt eine 5Irt fdltoärmerifd^er, bi§ §um Sugerften gef)enber §ins gebung an eine ^erfon ober ^artei, bie öerröt^, bag toir im ©el^eimen unS i^r überlegen füljlen unb barüber mit un§ groüen. SBir blenben unS gleirf)fam freitoißig jur ©träfe bafür, bag unfer 5(uge ju öiel gefeiten f^at
415.
Remedium amoris. — 3mmer nod) {)ilft gegen bie Siebe in ben meiften gäUen jeneg alte $Rabi!aImitte(: bie Gegenliebe.
416.
2Ö0 ift ber fd)Iimmfte geinb? — 2Ser feine <Sad)e gut füt)ren fann unb fi^ beffen hmu^t ift, ift gegen feinen SBiberfad^er meift üerfö^nlic^ geftimmt. 5lber ju glauben, ha'^ man bie gute ©a(i|e für fid^ l^abc, unb ju n)iffen, ha^ man nid^t gefd^icft ift, ftc ju öertl) eibigen, — ha^ mad)t einen ingrimmigen unb unücrföt)nlid^en §a§ auf ben Gegner ber eignen <Ba(i)e. — SD^öge jeber bamad^ bered^nen, too feine fd^Iimmften geinbe ju fud^en finb!
— 478
417.
©rettje aller S)emut^. — Qu ber ^emut^, toeld^e f priest: credo quia absurdum est, intb tl^rc SScrnunft gum Opfer anbietet, brad^te eg tool^I fd)on mand^er: aber fetner, fo btel td^ loeig, bt§ ju jener 2)emut]^, bie bod) nur einen ©d^ritt baöon entfernt ift unb ttjeld^c fprid^t: credo quia absurdus sum.
418.
2öa!^rfj3iclerei. — SJ^and^er ift toal^rl^aftig — nld^t hjeil er e§ Derabfd^eut, ©mpfinbungen ju l^eud^eln, fonbem tüeil e^ \^m fd^Icd^t gelingen ttJÜrbc, feiner §eud^clei (Stauben ju öerfdfiaffen. Äurj, er traut feinem Talent al§ <Sc^aufj)ieIer nid^t unb 5iet)t bie fRebItd^!eit t)or, bie „SSal^rfpielerei".
419.
Tlnt^ in ber Partei. — ^ie armen @d^afe fagen 5U if)rem 3^9fii^i^^- ff 9^5^ ^^ immer öoran, fo toirb e§ un§ nie an SJ^utl^ f eitlen, bir ju folgen." S)er arme 3ugfül^rcr aber ben!t bei fid^: „folgt mir nur immer nad^, fo toirb e§ mir nie an 3)hit^ fehlen, eud§ gu fül^ren."
420.
SSerfd^lagenl^eit beg O^jferttiierg. — ©§ ift eine traurige S8erfd)Iagen^eit, njenn man fid^ über jemanben töufd^en toxU, bem man fid^ geopfert l^at, unb i^m Gelegenheit bietet, too er ung fo erfd^einen mug, toie toir loünfd^en, ho^ er toöre.
— 479 —
421.
^urd^ 5Inbre l^inburd^. — (£§ gieBt 9}?enfd^en, bte gar nid)t anberS gefe^en tüerben tooHen, al^ hüx6) 5Inbre t)mburd)fc^immemb. Unb baran ift üiel Sllugl^cit.
422.
Slnbcrn greube machen. — SBarum ge'^t gteubemad^en über alle greuben? — Sßeil man bamit feinen fünf5ig eignen Xrieben auf (Sin Tlal eine greube maä)t (£S mögen ba§ einzeln fe^r üeine greuben fein: aber t^ut man fie aKe in (Sine ^anb, fo l^at man bie §anb öoller als jemals fonft — unb ha^ §erj aud^!
fünftes mäf.
9ltet}f(^ee SBevfe. fllaff.'9lu«g. IV. 81
423.
Snt großen ©d^tDeigen. — ^kv ift bag 9J?eer, f)ter fönnen toir bcr ©tabt öergeffen. 3^^^ lärmen eben jc^t nod^ il)re (SJIocfen ba§ 5tbe 3}?aria — eä ift jener büftere unb t^örid^te, aber füge fiärm am ^eu^tüege öon %aQ unb SRac^t — , aber nur nod^ einen 51ugenbliä! 3e^t fd)tt)eigt aUe^! 1!)ag 3Jieer liegt blei^ unb glänjenb ba, e^ tann nid)t reben. ^er §immel fpielt fein en^ige^ ftumme^ ^benbfpiel mit rotf)en, gelben, grünen garben, er fann nidjt reben. ^ie !(einen ^Ii|)pen unb gelfen* bänber, njel^e in'g 3)?ecr hineinlaufen, rt)ie um ben Ort ju finben, n)o e^ am einfamften ift, fie fönnen aUe nid^t reben. ^iefe ungefjeure ©tumm^eit, bic unS ^jlöjlid^ überfällt, ift fc^ön unb graufen()aft, baS §erj fd^tüittt babei. — Df) ber ^leignerei biefer ftummen ©c^ön^eit! Söie gut Jönnte fie reben, unb toxt böfe aud^, n)enn fic tüottte! 3^re gebunbene S^H^ w^i^ ^t)r leibenbcö ®Iücf im ?lntli6 ift eine Xüde, um über bein SDätgefü^l ju fpotten! — @ei c^ brum! 3c^ fd^ämc mid^ beffen nid^t, ber ©pott folc^er Wä^tt ju fein. 5lber id^ bemitleibe bid^, Statur, ttjeil bu fd^h)eigen mugt, auc^ n)enn e§ nur beine Sogi)eit ift, bie bir bie 3""ÖC binbet: ja, id) bemitleibe bid^ um beiner 93o^f)eit ttjißen! — $(d^, eö tt)irb nocf) ftiUer, unb nod^ einmal fc^tpiUt mir baä ^erj: cd erfd^ridCt üor einer neuen SBa^r^eit cd fann aud^
— 484 —
nid^t rcbcn, cd fpottct feI6er mit, tocnn ber aJhinb ttwa^ in biefe @d)önl^eit l^nau^ruft, eS genießt feI6er feine fü§c SBoSl^eit be§ ©rfjtüeigeng. ^o^ ©pret^en, ja ha§> ^enfen ipirb mir k)erf)a§t: ^öre i^ benn nid^t hinter jebem SBorte ben 3trtf)um, bie ©inBitbung, ben SBal^n^ geift lad^en? 3J^ug id^ nid^t meinet TOtleibenS flotten? 2J?cine§ ©^jotteg fpotten? — O^ 9J?eer! D^ 5(6enb! S^r fcib fd^Iimme Se^rmeifter! S^^r le^rt ben 9J?enfd)en aufl^ören, äJienf^ ju jein! (SoE er fid^ eud^ Eingeben? ©oH er tüerben, toie t^r e^ je^t feib, blei^, glängenb, ftumm, unge{)ener, über ftd^ felber ru^enb? Über fic^ felbcr er(}aben?
424.
gür toen bie Sßa^r^eit ba ift. — 93iS je^t finb bie Srrtljumer bie troftreid^en Tläfi)tt gen?efen: nun ertuartet man öon ben evfannten SBa^r(}eiten biefelbe Sßirfung unb Joartet ein toenig lange fd^on. 9Bie, ttjenn bie 2Sa^r()eiten gerabe bie§ — gu tröften — nid^t ju (eiften öermödCjten? — Söäre bieö benn ein (£inn)anb gegen bie äöa^rl^eiten? 9ßa§ ^aben biefe mit ben 3"f^ä"^^ teibenber öerfümmerter franfer 9J?enfd^en gemeinfam, boß fie gerabe il)nen nü^lid^ fein müßten? (Sä ift bod^ fein Setoeiö gegen bie ^Ba^r^eit einer ^flanje, ttjenn feftgefteEt njirb, ha^ fie jur ©enefung franfer 3Kenfd^en nid)tg beitragt. 5l6er ef)emafö toax man biä 5U bcm ©rabe Dom 9JJenfd^en aU bem ß^^ecfe ber Statur überzeugt, ha^ man o^ne SSeitereg annahm, eS fönne aud^ bur^ bie ©rfenntniß nichts aufgebecft njerben, toai' nidjt bem 3Kenfc^en t)eilfam unb nü^lic^ fei, \a, ti fönne, e§ bürfe gar feine anberen ^inge geben. — SSieIIeic[)t folgt auä allebem ber ©ajj, baß bie Söa^r^eit uU ©anjeg unb 3"fömmen^ängenbeä nur
— 485 —
für btc jugleic^ mä^ttgen unb ^armlofen, fteub= unb friebenüoÖen (Seelen (tote e§ btc be§ 5(riftote(e§ toax) ha ift, ebenfo tüie biefe tüo^i aü6) nur im ©tanbe fein werben, fic ju fud^en: benn bie anberen fud^en Heilmittel für fid), mögen fie noc^ fo ftolj über i^ren Sntelleft unb beffen grei^eit benfen, — fie fud^en nic^t bi^ 2[öaf)r^eit. 2)a]^er fommt e§, bog biefe 5(nberen fo toenig ö^te greube an ber SSiffenfd)aft :^a6en unb il^r ^äik, ^rocfenl^eit unb llnmenfd^Ud)feit jum SSortourf machen: e^ ift bie§ bag Urt^eit ber kaufen über bie Spiele ber (SJefunben. — 3lud^ bie grie(^ifd)en (SJötter üerftanben nid)t ju tröften; alg enblirf) aud^ bie gried)if(^en 9J?enfc^en attefammt fran! iDurben, toax bieS ein ©runb jum Untergang foId)er ©ötter.
425.
9Sir (iJötter in ber Verbannung! — ^urd^ Srrt^ümer über iljre ^erfunft, i^re ©injigfeit, i^re ©eftimmung, unb burd^ §Inforberungen, bie auf ©runb biefer 3rrt[)ümer gefteöt mürben, f^ai fic^ bie 9JJenfd)()eit t)0(^ geI)oben unb fid^ immer mieber „felber übertroffen": aber burd) bie felben 3rrt()ümer ift unfäglid^ Diel Seiben, gegcnfeitige SSerfolgung, SSerbäd)tigung, Verfennung, unb nod) mel^r (£(enb be^ (£in§elnen in fid) unb an fid) in bie SBelt gefommen. ^ie 9Jienfd)en finb leibe übe (Sefdjöpfe gemorben, in go^ge i^rer SD^oralen: mag fie bamit eingefauft l^aben, baä ift, 5((Ieö in 5(IIcm, ein QJefii()l, als ob fie im ®runbe ^u gut unb ju bebeutcnb für bie (Srbe mären unb nur oorüberget)enb fid; auf iljr aufhielten. „Der Icibenbe §od)müt^ige" ift einftmeilcu immer noc^ ber ^öd^ftc %\)\>m^ bc« 9)?enfd^en.
— 486 —
426.
garbcnblinb^ett ber jDenfer. — SBic onberS fat)cn btc (S^rted^en in tl^rc 9'latur, tuemt i^nen, it)te timn ftrf) etngefte^en mug, ba§ ^luge für 58(au unb ®rün kinb toax, unb fie ftott be§ erfteren ein tiefere^ 33rQun, ftatt bc^ jnjeiten ein (^etb fof)cn (n)enn fie alfo mit gleidjcm 3Sorte §um 53eifpiel bie garbe be§ bunflen §aare^, bie ber Kornblume unb bie beg füblänbifc^en 50ieere§ be^ei^neten, unb tüieberum mit gleidjem SSorte bie garbe ber grünften ^en)äc^fe unb ber menfdjlid^cn §out, be§ ^onigg unb ber gelben §ar§e: fo \)a^ i^re größten Wlakt be^eugtermaa^en il)re SBelt nur mit ©d^tparj SBeig D^otf) unb (3db toiebergegeben f)aben), — tnie anberg unb Ujie öiel nöl^er an ben SJ^enfd^en gerüdt mujgte i^nen bie Statur erfc^einen, lueil in it)rem ä^uge bie garben be§ 9}?enfd^en and) in ber 9^atur ubertt)ogen, unb biefe gtei^fam in bem garbenät^er ber 502enfd^l^eit fd)tDamm! (S3lau unb ®rün entmenf^lid^en bie ^iatur me^r, al§ alle§ 5lnbere.) ^Tuf biejem 3)^ange( ift bie fpielenbe ßeid)tig!eit, tt)el(^e bie (SJried^en au§§eid)net, D^aturöorgänge al§ ©ötter unb Halbgötter, ba§ l^eigt a(§ menfd^artige (^Jeftalten ju feigen, groß- gert)ad}fen. — ^ie§ fei aber nur ha^ ®(eid)ni§ für eine n)eitere ^ermut^ung. Seber Genfer malt feine SBclt unb jebe^ ®ing mit njeniger garben, oI§ e§ giebt, unb ift gegen einzelne garben blinb. ^ie§ ift nid)t nur ein 3)^ange(. @r fie{)t öenuöge biefer 5lnnä^crung unb SSereinfac^ung §annonien ber garben in bie S)ingc hinein, meldte einen großen fficx^ t)aben unb eine ^ereid^erung ber Dbtur auömad^en fönnen. SSieüeic^t ift bieS fogar ber SSeg gemefen, auf bem bie 9}?enfc^^cit ben ®enu§ im ^Inblicf be« ^afein« erft gelernt
— 487 —
l)at: baburd) ha^ t^r btefeS ^ofcin junöc^ft in (Sinem ober jtüei garbentönen unb baburd; ^armontftrt öor- geführt tüurbe: fie übte ftd) gleid^fam auf biefe tueuigen Xöne ein, beöor fie §u mef)reren übergel)en fennte. Unb nod) je^t arbeitet fid) ntand)er (Singetne au§ einer t^eiltpeifen garbenblinbt)eit in ein rei(^ere§ (Selben unb Unterfd^eiben ^inauö: njobei er aber nid)t nur neue (SJenüffe finbet, fonbern immer aud^ einige ber früheren aufgeben unb Verlieren mujj.
427.
SDie S^erfc^önerung ber 2öiffenfd)aft. — Sßic bie dloMo'Matknhm^i entftanb, au§ bem ^efül)I „bie D^atur ift l^äglid), lüilb, (angnjeilig — auf! iuir Ujoflen fie t)erfd)önem!" (embellir la nature), — fo entfielt au^ bem @efü()I „bie SBiffenfc^aft ift t)ägtid^, troden, troftlo^, fditüierig, (angtt)ierig — auf! tagt un§ fie öerfd^önem!" immer tüieber etrtjaS, ba§ fid^ bie ^t)ilofop^ie nennt, ©ie mU, mag aUc 5lünfte unb ^id^tungeu moKen, — t)or OTem unter!) alten: fie miU bieg aber, gemäg i^rem ererbten ©totge, in einer ert)abeneren unb t)öf)eren 'äxt, Dor einer 5(u§ma!^( öon ©eiftern. gür biefe eine ©artenfunft ju fd)affen, bereu ^au^trei^ mic bei jener „gemeineren" bie Xäufd^ung ber Slugen ift (burd) Xempel, gernblide, ©rotten, Srrpfobe, SSofferföHe, um im ®Ieid)niffe ju reben), bie SBiffenfc^aft in einem ^tuöjuge unb mit allerlei tounberbaren unb ptö^tid^en S3eleud)tungen t)or5ufül)ren unb foöiel Unbeftimmt^eit, Untoemunft unb Träumerei in fie ein^umifd^en, bog man in i^r „tuie in ber milben 9'iatur" unb bod^ o^nc 9Jiü()fal unb ßangemeile manbeln fönnc, — baä ift fein geringer (£f)rgcij: toer il^n ^at, tröumt fogar babon.
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Quf biefe 2(rt bic Dfleltgton cntBe^rlid^ ju machen, loelc^e Bei ben früheren ÜKenfd^en bte pd^fte ©attung Don Unter^altunggfunft abgegeben ^at — jDteS gel^t nun feinen ©ang unb erreid^t eineS XageS feine l^o^e gtut^: je^t fd^on beginnen bie ^egenftimmen gegen bie ^f)iIofopf)ie laut ju lüerben, Ujeld^e rufen „"^Mk^x jur SSiffenfdjaft! 3ur SJ^atur unb 9^atürlid)!eit ber 2ßiffen^ fd^aftl" — njomit öietteid^t ein g^itatter anhebt, ba§ bie mödijtigfte (Sd^önl^eit gerabe in ben „milben, ^äglid^en" X^eilen ber SBiffenfd^aft entbedtt, xo\t man, feit Sfiouffeau, erft ben @inn für bie (Srfjön^eit be§ §od^gebirge§ unb ber 2Büfte entbecft i^at
428.
Stoet Wirten aWoraliften. — @in ©efefe ber S^lotur jum erften SKale feigen unb gan^ feigen, olfo e§ nad^* tneifen (jum Seifpiel \>ol^ ber gattfraft, ber Sid^t= unb <Sd^aIIrefIejion) ift etnjaS 5lnbereö unb bie ^a6)t anberer ©eifter, a(§ ein fotd^eg ®efe| erftören. ^o untere fd^eiben fid^ aud^ jene 9}?oraüften, \otl6)t bie menfd^lid^en ©efe^e unb ©etDOi^nl^eiten fe^en unb aufzeigen — bie feino^rigen, feinnafigen, f einäugigen 9Kora(if ten — , burd^aug Don benen, ioeld^e ba§ S3eobad^tete erUären. ^ie le^teren muffen öor OTem erfinberifdf) fein unb eine burc^ @d)arffinn unb SSiffen entgü gelte ^t)antafic ^aben.
429.
®ie neue Seibenfd^aft. — 2Barum fürd^ten unb Raffen toir eine mögüd^e S^üdtfe^r jur Barbarei? SBeil fic bic 2J?enfd§en unglücftid^er mad^en mürbe, al§ [tc e§ finb? 5(d^ nein! ^ie Sarbaren aller Reiten l^atten mel^r (SJIud: töufd^en xovc un§ nid^t! — ©onbem unfer
— 489 —
Zxith jur erfenntnig tft ju ftar!, al§ baß iüit nod^ ba§ ©lüdE ot)ne (£r!enntnt6 ober baS ®(üd eme§ ftarfen feften SSaljneö ju fdiö^en t)ermöd)ten; eö madjt ^ein, uns fotd^e gi^ftänbe aud^ nur öorjufteHen! ^ie Unruhe beS ©ntbecfenö unb feat!)en§ ift unS fo rei§= bott unb unentbe{)rltc^ gett)orben, tük bie unglüdtlid^e ßiebe bem Stcbenben tüirb: toet^e er um feinen $rei§ gegen ben 3"f^onb ber ®(etd^gü(ttg!eit f)erge6en tDÜrbe; — ja ötettcid)t [inb UJtr auc^ unglüält^ fiiebenbef ^te ^rfenntnig ^at ftd) in un§ jur Seibenfd^aft Der* njanbelt, bie öor feinem Dpfer erfd^ricft unb im ©runbe nidjtS fürdjtet, alS if)r eigneiJ @rlöfd)en; n)ir glauben au[rid)tig, baß bie gcfammte SJ^enfdj'^eit unter bem orange unb :Oeiben biefer Seibenfdjaft fi^ erhabener unb getröf teter glauben müßte at§ biSljer, tt)o fie ben Sy^eib auf ha^ gröbere S5e^agcn, ba^ im befolge ber Barbarei fommt, nod^ nid)t übermunben i)at 93ietteid^t feI6[t, baß bie 9J?enfd)t)eit an biejer Seibenfc^aft ber (Srfenntniß ju (SJrunbe geljt! — oud) biefer ©ebanfe üermag nid^tö über unS! ^at fid^ benn ba« et)riftentf)um je öor einem ä^nlidjen ©ebanfen gejdjeut? ©inb bie Siebe unb ber %oh nid^t ©efd^trifter? So, itjir f)affen bie S3arbarei ~ mir mollen 5tIIe lieber ben Untergang ber 9J?enfd)f)eit a(S ben 9^ücfgang ber ©rfenutniß! Unb julefet: menn bie 9}?enfd)^eit nidjt an einer Reiben* fd^aft ju ®runbe geljt, fo mirb fie an einer (Bd)tüäd)c ju dirunbe gel)en: mag miK man lieber? ^ieS ift bie §au^tfrage. Söoden mir für fie ein ©nbe im geuer unb 2id)t ober im ©anbe? —
430.
?lud) ^elbenf)aft. ~ ^ingc öom übelftcn ©erud^e t^un, öon benen man faum ju rcben magt, bk
— 490 ~
aber nü|ltc^ unb nöttjtg ftnb, — tft and) ^elbentjaft. 'Die ©rierfien ^aben fi^ ntd^t gefd^ämt, unter btc großen wirbelten be^ ^eroüeg au(^ bic STuSmiftung eineg (Stallet ju fe^en.
431.
^te 9}?etnungen ber ®egncr. — Um ju meffen, tote fein ober toie fc^toad^finnig Don Statur aucf| bie gefdieuteften ^öjjfe ftnb, gebe man barauf ^rf)t, toie fte bk 9}?einungen i^rer (SJegner auffaffen unb miebcr« geben: hahd öerrät^ ftd) ba§ natürlid^e Tlaa^ jebe^ SntettefteS. — Der öoEfommne SBeife eri^ebt, o^ne eS ^u ttJoUen, feinen Gegner in'g Sbeal unb mad^t beffen SBiber{<)rud) frei t)on aßen gledfen unb ßiif Eiligkeiten: crft toenn baburd§ au§ feinem (SJegner ein ©ott mit leud^tenben SBaffen geworben ift, !ämpft er gegen \^n.
432.
gorfd^er unb SSerfudE)er. — @§ gtebt feine atleintüiffenbmad^enbe 9Jiet^obe ber SBiffenfd^aft! SBir muffen tjerfudtj^tDeife mit ben Dingen öerfa^ren, balb böfe balb gut gegen fte fein unb ©ered^tigfeit, ßeiben- fd^aft unb Äölte nad^ einanber für fte ^aben. Diefer rebet mit bm Dingen a(§ ^oligift, jener al§ S5eid^tt)ater, ein Dritter al§ Sßanberer unb 9f?eugieriger. S3a(b mit S^m^jat^ie haih mit SSergemattigung mirb man if)nen ctnjaS abbringen; einen fü^rt (Sf)rfurd^t öor i^ren (SfJefieimniffen öortoört^ unb ^ur ©infid^t, einen mieberum Snbi§!retion unb ©d^elmerei in ber (SrÜärung öon ©cl^eimniffen. SBir gorfd^er ftnb toie aße Eroberer (Sntbedfer @d§iffaf)rer $lbenteurer öon einer öerloegenen 9}ZoraIität unb muffen e^ un8 gefaßen (äffen, im ©anjcn für böfe ju gelten.
— 491 —
433.
Wit neuen ^ugen feigen. — (SJeje^t bafe unter ©cf)önf)eit in ber Ä'unft immer bie 9^ad)6ilbung beö ^iüdüdjtn 5U öer[tef)en ift — unb fo t)alte id^ e§ für bie Söal^r^eit — , je narf)bem eine Qät, ein SSo(!, ein großes in fid} felber gefe^geOerifdieS Snbiöibuum fi(^ ben ©lücflid^en öorfteHt: tt)a§> giebt bann ber fogenonnte 9leali§mu§ ber je^igen Äünftler über ba^ (SJfücf unferer Qdt §u t)erftef)en? (£§ ift un§n)eifel^aft feine 5lrt öon (Sc^ön^eit, meli^e tüir je^t am (eicf)teften ju erfaffen unb ju genießen tüiffen. golglic^ muß man tüdf)l glauben, ba§ je^ige un§ eigene ©lud liege im 9f?ea(iftifcf)en, in mög(td)ft fd^arfen ©innen unb treuer 5(uffaffung be§ 2Bir!(id)en, nidjt alfo in ber 3^ealität, fonbem im Sßiffen um bie S^ealität? (So feljr ^ot bie SBirfung ber 2ßiffenfd)aft fd)on Xiefe unb Sreite geiDonnen, baß bie ^ünftler beS Sat)rl^unbert§, oI)ne eö gu lüoHen, bereits; ju S8ert)errlid)ern ber Ujiffenfc^aftlici^en „©eligfeiten" an fid) genjorben finb!
434.
gürfprac^e einlegen. — gür bie großen Sanb^ fd^aftömaler finb bie anfprud)§Iofen ©cgenben ba, bie merftoürbigen unb feltenen ©egenben aber für bie fleincn. D^ämtic^: bie großen ^inge ber 9^atur unb 9J?enfd)t)eit muffen für aüe bie 5tleinen, SJ^ittelmäßigen unb ^l^r^ gei5igcn unter it)ren SSerel^rem gürfpra^e einfegen, — aber ber ®roßc legt gürfpratJ^e für bie fdjüd^ten ^inge ein.
— 492 -
435.
ffl\d)i unbcrmcrJt ju ©runbe ge^en. — S^c^t @in Tlai, fonbern forüüä^renb htöddt e§ an unferer Xü(^tig!eit unb ©röge; btc Heine SSegetation, tuetd^e jhJtfd^en OTem {)inemn)öd^|'t unb ft^ überall anju* flanimem t)erftel)t, biefe ruintrt ha^, tüaS gro§ an un§ ift, — bte alltäglt^e, ftünblici^e ü6erfef)ene ©rbännlid^leit unfrer Umgebung, bte taufenb Sßürjeld^en biefer ober jener fleinen unb !(etnmüt:^tgen (Smpfinbung, tueld^e au§ unferer S^ad^barfc^aft, au§ unfenn 5lmte, unfrer ©e= feKigfeit, unfrer Xage^eint^eilung ^erau§n)äd)ft. ßaffen n)ir bieg !(eine Unfraut unbemerft, fo ge:^n tt)ir an il^m unbemerft §u (SJmnbcI — Unb tooUt i^r burd^auS ju ©runbe gel^n, fo t^ut e§ lieber auf (Sin 3JiaI unb ))tö^Iid^: bann bleiben öießeid^t öon eud^ erl)abene Xtümmer übrig! Unb nid)t, tnic jegt ju befürd)ten fte^t, nj^aulujurfg^ügel! Unb ©rag unb Unfraut auf il^nen, bie fleinen ©iegreid^en, befc^eiben Ujie t)orbem unb ffU erbärmüd^ felbft jum iriumpt)iren !
436.
ß^afuiftif^. — & gicbt eine bitterböfe 5l(ternatiöe, ber ni^t jebermanng Xa^)ferfeit unb (Sl)arafter gen)arf)fen ift: atö ^affagier eineg (Sd^iffeg ju entbecfen, ha^ (kapxtan unb ©teuermann gefö^rlid^e gcl^ler mad^en unb bag man i^nen in nautifd)em SBiffen überlegen fei, — unb nun fid) ju fragen: ^e! n)enn bu gegen fic eine SJ^euterei erregteft unb fte ^eibe gefangen nef)men liegeft? SBer^jfüd^tet bid^ beine Überlegenl^eit nidCjt baju? Unb finb fic nid)t ttjieberum im S^ied^te, bid^ ein5ufperren, treil bu ben ©e^orfam untergräbft? — ^ie§ ift ein
— 493 —
©Icid^nig für ^ö^ere unb böfcre fiagen: tDobct julc^t immer nod^ bie grage bleibt, tpaS unS unfere Überlegen^ ^cit, unferen (5JIaubeu an un§ felber in foIrf)en gäKen gclpöl^rleiftct. ^er Erfolg? 5lber ha mug man eben fd^on ba3 S)ing t^un, njelc^eö alle ®efa^ren in fid^ trägt — unb nic^t nur ©efal^ren für unä, fonbem für bog ©c^iff.
437.
SSorrcd)tc. — 2öer fid^ felber toirflid) beft^t, ba^ tieigt, tpcr fid^ enbgültig erobert ^at, betrad^tet eS pirberf)in als fein eigene^ SSorred^t, fid^ ju f trafen, fid^ ju begnabigen, fid^ ju bemitleiben: er brandet bieg niemanbem jujugeftef^en, er fann e§ aber audE) einem 5(nbem mit grei()eit in bie §anb geben, einem ^reunbe jum S3cifpicl, — aber er ioeife, ba§ er bamit ein Siecht t)erlei()t unb baß man nur auä bem SSefi^e ber SJiac^t ^eraüö ^ed)k öerlei^en fann.
438.
SÜZenfc^ unb ^inge. — Söarum fie^t ber 2J?enfc^ bie S)inge nid)t? @r ftel^t felber im Sßege: er öerbedt bie 5)inge.
439.
SJ^erfmale bcd (SJIüdfö. — ^aö (SJemeinfame afler ®lücf§empfinbungen ift jmeiertei: güUe beä ©efü^fe unb Übermutt) barin, fo bafe man tüie ein gifrf) fein Clement um fid) fü^tt unb iu i()m fpringt. ®ute Sänften merben öerfte^en, mad c^riftlic^e ^(uögelaffenl^eit ift.
— 494 —
440.
^x^t cntfagcnl — 5luf bte SBdt öerjt^tcn oi)nc fie ju !cnnen, gleid^ einer ^onnt, — baS giebt eine unfrud^tbare, üieKcid^t fd^ttjermüt^tge @tnjcnn!eit. ^teg ^at mrf|t§ gemein mit ber @infam!cit bcr vita contemplativa be§ ■Denfer^: loenn er jie tüö^It, toiU er feine^njegö entfagen; t)ielme{)r tüäre eS it)m ©ntfagung, @d^tpermutf), Untergang feiner felbft, in ber vita practica an^^arren ju muffen: anf biefe öerjid^tet er, tt)ei( er fie fennt, meil er fid^ fennt. <So fpringt er in fein SBaffer, fo getoinnt er feine §äter!eit.
441.
Sßorum ha^ S^läc^fte unö immer ferner mxb. — 3e mci)r h)ir an 5lIIe§, toa§ tr>ar nnb fein ipirb, bcnfen, um fo bleidier mirb un§ ha^, toa^ gerabe je^t ift. SBenn n)ir mit ^eftorbenen (eben unb in i^rem Sterben mitfterben, toa^ finb ung bann noc^ bie „9^äd)ften''? 2öir toerben einfamer — unb jttjar meil bie gange glutf) ber 9}?enfd^f)eit um un§ raufest, ^ie ®(ut^ in un§, bie allem 9J?enfd^Iid^en gilt, nimmt immer gu — unb barum bliden toir auf ba§, tva^ un^ umgiebt, loie ai^ ob e§ gleid^gültiger unb f(^attent)after geworben njöre. — 5lber unfer f alter S3licf beteibigtl
442.
2)ic S^iegei. — „^ic Spiegel ift mir immer intcr* eff anter aB bie ?luönat)me" — toer fo empfinbet, ber ift in ber ©rfenntnife toeit öorau^ unb ge()ört ju ben (Jingetoeif)ten.
— 495 —
443.
Sut (grjic^ung. — - OTmätjItci^ tft mir ba8 ßtc^t über ben aUgemeinften SJ^ongel unfcrer 5(rt ötlbung unb (Sr^tel^ung aufgegangen: niemanb lernt, niemanb ftrebt bamad^, niemanb (el^rt — bie (£infam!eit ertragen.
444.
SBcrn)unberung über SSiberftanb. — SBeil ettoa^ für un^ burd^fid^äg geh)orben ift, meinen njir, e^ !önnc un§ nunmel^r feinen SBiberftanb leiften, — unb finb bonn erftaunt, bog lüir ^inburd^fel^en unb bod^ nid^t ^inburd^!önnen! (Sg ift bieg biefelbe ^^or^eit unb bagfelbe (Srftaunen, in tüetc^c^ bie güege öor jebem (SJIa^fenfter gerät^.
445.
Sßorin fid^ bie ©betften t)erred)nen. — Wlan giebt jemanbem enblid^ fein S^efteS, fein ^teinob — nun ^at bie ßiebe nid^tö mel^r ju geben: aber ber, njeld^er eö annimmt, i)at baran gemig nid^t fein SBefteö, unb folglich fef)lt i^m jene öolle unb le^te (£rfennt(ic|!eit, auf Ujeld^e ber ®ebenbe red^net.
446.
9flangorbnung. — ©g giebt crften^ oberfläd^lic^e 5)enfer, gmeitenö tiefe Genfer — fold^e, ttjelc^e in bie Xiefe einer <Sa^e gel)en — , britteniJ grünbüd^e Genfer, bie einer (Badjt auf ben ®runb gelten — tva^ fe^r öiel mel)r tuert^ ift alS nur in il^re Xiefe t)inabfteigen! — , enblic^ foldje, n^eld^e ben Äopf in ben SKoraft ftecfen: toai bod^ tt)ebcr ein 3^ic^en Don ^iefc noc^ öon ©rünb^ lid)feit fein foUtel @g finb bie lieben Untergrünbücf)en.
— 496 —
447.
3J? elfter unb <Sd^üIcr. — S^x Humanität einc^ 90^eifter§ gehört, {eine ©d^üler öor fic^ ju tüamen.
448.
^ic SßirfUd^feit e^rcn. — SBie fann man biefer jubelnben SSoIfSmenge ol^ne ^^ränen unb of)ne 3^* ftimntung jufel^enl 2Btr badeten üorl^er gering öon bem ©egenftanb tl^re^ 3ubel§ unb toürben nod^ immer fo ben!en, menn n)ir il^n nid^t erlebt Ratten I SBoju fönnen ung alfo bie ©riebniffe fortreißen! 2Ba§ finb unfere 9J?einungen! 3J?an mug, um fid^ nic^t ju Verlieren, um feine SS er nun ft nid^t ju verlieren, öor ben ^(ebniffen flüd^ten! @o f(o^ ^tato bor ber SBirfli^Mt unb toollte bie ^inge nur in ben blaffen ©ebanfenbilbem anjd^auen; er loar üoKer (Smpfinbung unb loußte, n)ie Ieid)t bie SBeKen ber ©mpfinbung über feiner SSemunft jufammen* f dringen. — ©o ^'düe fid^ bemnad^ ber SBeife ju fagen: „id^ miH bie SBirfUd^Ceit e^ren, aber i^r ben 9iücfen babei gun^enben, ioeii idf| fie fenne unb fürd^te"? — er mü^te eg mad^en toie afri!anifd[)e SSöf!erf(^aften öor i^ren gürften: tueld^e i^nen nur rücfujärtö na^en unb i^re SSere^rung jugleid^ mit i^rer ^ngft ju geigen tüiffen?
449.
SBo finb bie ©ebürftigen beö (Reifte«? — W^l SBie eö midf) anttJtbert, einem ^Tnbem bie eigenen ®ebanfen aufjubrängen! 2Bie id^ mid^ jeber (Stirn* , mung unb l)eim(id^en Umfe^r in mir freue, bei ber bie (^eban!en 51 nb er er gegen bie eigenen ju Siedete fommen! 5lb unb ju giebt e^ aber ein nod^ t)öi)ere^
i
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geft, bann »enn eä einmal erlaubt ift, fein geiftigeS §ou§ unb §abe toeg^ufd^enfen, bcm S3eid)tt)atet gleid^, ber im SSinfel fi^t, begierig, ha^ ein S5ebürftiger fomme unb öon ber S^otf) feiner Gebauten crjä^le, bamit er i^m njieber einmal ^anb unb §erj üoK unb bie beunrul)tgte @eele letd)t mad)e! 9^i^t nur, ba^ er feinen 9iul)m baüon l)aben tüitt: er möcfjte aud^ ber ®an!bar!eit auS bem SBege laufen, benn fie ift jubringlid) unb ol)ne (Sd^eu öor ©infamfeit unb ©tiÜ* fd^tu eigen. 5Iber namenlos unb leidet üerfpottet leben, ju niebrig, um S^eib ober geinbfd^aft 5U ern)edfen, mit einem ^o|)f o^ne gieber, einer §anböott SSiffen unb einem ©eutel öoE (5rfal)rungen au^gerüftet, gleid^fam ein 5lrmenarjt beg ©eifteö fein unb bem unb jenem, beffen ^opf burd^ 3J?einungen öerftört ift, |elfen, ol^nc ba§ er red^t merft, toer i^m gcl)olfen f)at! 9^d^t öor il)m S^led^t ^aben unb einen <Sieg feiern tt)oßen, fonbern fo ju il)m fprerf)en, ba§ er ba§ 9fied^te nad^ einem fleinen unDermerften gingerjeig ober SBiberfprud^ fid^ f eiber fagt unb ftolj barüber fortgel)t! 3Bie eine geringe §erberge fein, bie niemanben jurüdfftögt, ber bebürftig ift, bie ober ^interl)er öergeffen ober öerlad^t n)irb! 9^td^tg öorau« l)abcn, tueber bie beffere 9fial)rung, nodl) bie reinere Suft, norf) ben freubigercn ©eift — fonbern abgeben, jurücf geben, mittl)eilen, ärmer »erben! 9^iebrig fein fönnen, um öielen jugänglid^ unb für 9^iemanben bemüt^igenb ju fein! SSiel Unred^t auf fic^ liegen ^aben unb burd^ bie SBurmgängc aller Slrt 3rrtl)ümer gefrodljen fein, um ju öielen öerborgencu ©eelen auf il)ren gel)eimen SBegen gelangen ju fönnen! Smmcr in einer ^Irt fiiebe unb immer in einer ^rt @elbft== fudCjt unb (SelbftgemeJ3enä! 3m Sefi^ einer §errfd)aft unb äugleid^ öerborgen unb cntfagenb fein! S3eftänbiö
9itc6rd)c8 SGöctCe. marf..9lu«g. IV. 32
— 498 —
in ber @onne unb TOIbc ber 5Inmut:^ ttegen unb bod^ bie 5lufftiege jum ©r^abnen in ber 9^äf)e tütffen! — 2)aS löäre ein Seben! S)a§ toäte ein (SJrunb, lange ju leben!
450.
S)ie ßpcfung ber (£r!enntni§. — 5lnf leiben* fd^aftlirfie ©eifter tühlt ber 33Iirf bnrd^ bo§ Xf)or ber SBiffenfd^aft toie ber gauber aEer göuber; unb t)ermut^= lid^ lüerben fie babet ju ^f)antaften unb im günftigen gaUe ju 2)ic^tern: fo ()eftig ift i^re S3egierbe na^ bem ©lürf ber @r!ennenben. (SJe^t e§ eud^ nid§t burd) aEe @inne — biefer Xon ber fügen ßodung, mit bem bie SBiffenfd^aft il^re frol^e Sotfcijaft öerfünbet f^at, in E)unbert SBorten unb im l^unberterften unb fc^önften: „2a^ ben 2öal)n fd)toinben! ^ann ift aud) ha^ ,2Be^e mir!' öerfd^njnnben; unb mit bem ,3]3et}e mir!' ift aud^ ba^ Söe^e baljin.'' {maxi 5lureL)
451.
Sßem ein Hofnarr itöt^ig ift. — ^ie fe^r @(f|önen, bie fe!^r (SJuten, bie fe^r 3J?äd^tigen erfal^ren faft nie über irgenb (^ttoa^ bie öoEe unb gemeine SBa^r- l^eit — benn in il^rer ©egennjart lügt man unnjiEfiirlid^ ein toenig, toeil man i^re SBirfungen empfinbet unb biefen Sßirfungen gemäjs ba^, mag man an SBa^r^eit mittlfjeilen !önnte, in ber gorm einer ^Inpaffung bor* bringt (alfo garben unb ©rabe be§ X^atfäd)lic^en fälfd^t, (Sinjeliieiten toeglögt ober ^ingut^ut unb ba^, mag fid^ gar nicfit anpaffen laffen iüiE, ^inter feinen Sippen Surüdbe^ält). SKoEen 9)?enf^en ber 'äxt tro^ ^lEebem unb burd^aug bie 2öa]^rt)eit f)ören, fo muffen fie fid^
— 499 —
t^ren Hofnarren E)a(ten — ein SBefen mit bem SSorrerf)te bc^ SSerrüdten, fid^ nid^t angaffen ju fönnen.
452.
Ungebulb. — (S§ giebt einen ®rab üon Ungebulb bei SJ^enfd^en ber %^üt unb be§ ©ebanfenS, n)eld^er fie, bei einem TOgerfoIge, fofort in \)a^ entgegengefe^te $Reic^ übertreten, fi^ bort pafftoniren unb in Untemef)mungen cinlaffen ^el§t, — bi§ and) Don ^ier n^ieber ein 3^9^^ be^ (£rfolgeg fie üertreibt: fo irren fie, abenteuernb unb t)eftig, burd) bie ^raji§ üieler 9^eid^e unb Staturen unb fönnen ^ute^t, burd^ bie 5IEfenntni§ öon 9}?enfcf)en unb 2)ingen, tüeld^e i^re ungef)euere SBanberung unb Übung in it)nen ^urüdlägt, unb bei einiger äRitberung i^re§ ^riebeö — ju mächtigen ^ra!tifem tDerben. @o toirb ein gel^Ier beö ß^arafter^ gur ©c^ule be^ ®enie'^.
453.
ÜJioraüfd^eS Snterregnum. — 2Ber ttjäre je^t |c^on im ©tanbe, bog §u befd^reiben, toa^ einmal bie moralifd^en ©efül^Ie unb Urtf)eile ablöfen tüirb! — fo fidler man aud^ einjufetien öermag, ba§ biefe in allen gunbamenten irrtpmli^ angelegt finb unb x\)x ©ebäube ber Oieparatnr unfäf)ig ift: il)re SSerbinblid^feit mug Don ^og p ^age immer abnel^men, fofem nur bie SSerbinb^ lid)!eit ber SSemunft mdjt abnimmt! S)ie ©efe^e bed fiebeng unb §anbelnö neu aufbauen — ju biefer lÄufgabe finb unfere 9Biffenfrf)aften ber ^t)^fioIogie, 5Kebi§in, ®efellfc^aft§== unb @infamfeitölef)re i^rer felbft noc^ nid£)t fidler genug: unb nur auö i^nen fann man bie ©runbfteine für neue Sbealc (n)enn and) nirf)t bie
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neuen 3bealc fclbcr) entnef)men. <So (eben toit benn ein öorläufigeS SDafcin ober ein nad^läufigeS ^afein, je nad^ ©efd^matf unb Begabung, unb tl^un am beften, in biefem Snterregnum, fo fel^r a(§ nur möglid^, unfre eigenen reges ju fein unb ficine SSerfud^gftaaten ju grünben. 9Bir finb (£j<)erimente: tooEen »ir e§ aud^ feini
454.
3toifd^enrcbe. — ©in S3ud^ tüie biefeö i^t nid^t 5um ^urdjlefen unb SSorlefen, fonbem jum ^luffd^tagen, namentlid) im ©^ja^ierengetien unb auf D^ieifen; man mufe ben £opf l^inein= unb immer lieber ^inau^ftecfen können unb nid^tö ©etoo^nteS um ftd^ finben.
455.
2)ie erfte 0Jatur. — @o toie man un^ jefet erjie^t, be!ommcn toir juerft eine jn^eitc Statur: unb lüir l^aben fic, toenn bie Söelt un^ reif, münbig, braud^bar nennt, ©inige SBentge finb ©d^Iangen genug, um biefe §aut eineg Xageö abjuftogen: bann, toenn unter ifirer §üllc i^re erfte Statur reif getDorben ift Sei ben Steiften üertrodEnet ber ^eim baöon.
456.
Sine toerbenbe Xugenb. — @oId^e S3e^au|)tungen unb SSer^eigungen, mie bie ber antuen ^()iIofopl^en Don ber (Sinl^eit ber ^ugenb unb ber ©lürffeligfeit, ober tüic bie beg S^riftent^^um^ „Xradf)tet am erften nad^ bem SfJei^e ®otte§, fo toirb eud^ fold^eg 3lIIeö zufallen!" — finb nie mit ooHer D^ieblidifeit unb bod^ immer ol^nc fd^Ied^teö ®etoiffen gemad^t korben: man f teilte fold^e
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©ö^c, beten SBal^tfictt man fe^t toünjd^tc, !ccf al8 btc SBa^r^eit gegen ben 5Iugenfd)etn auf, unb em^fanb babei ni^t einen reltgtöfen ober moralifrf)en ©enjiffenS* Bi§ — benn man toar in honorem majorem ber Xugenb ober ^otteg über bie Sßirf(id§!eit f)inau§gegangen unb of)ne aße eigennü^igen 5l6fidE)ten! 5luf biefer (Stufe ber 2ßa^r!)aftigfeit fte^en nod^ öiele braue 3J?enf(i|en: hjenn fte ft^ felbftloS füllen, fd^eint e^ il^nen erlaubt, e§ mit ber 9Baf)rt)eit leidster ju nehmen. Wan htaä^tt boc^, ha^ tpeber unter ben fofratif^en nod^ unter ben d§riftli(^en ^ugenben bie 9fleblid^!eit öorfommt: bicfc ift eine ber jüngften Xugenben, no(^ toenig gereift, nod^ oft öermed^felt unb öerfannt, il^rer f eiber no(^ faum betrugt, — etttjaS SBerbenbeS, \>a^ mir förbem ober E)emmen föraten, je nod^bem unfer (Sinn ^ki)t
457.
Sc^te (Sd^mcigfam!eit. — (Sinjelncn ge^t t& fo mie (Sd)a^gräbem: fie entbecfen jufäHig bie Der* borgen gel^altenen ^inge einer fremben ©eele unb l^abcn baran ein SBiffen, meld|e§ oft fd^mer ju tragen ift! Wan fann unter Umftönben Sebenbe unb ^obte bis ju einem ©rabe gut fennen unb innerüd^ auäfinbig mad^en, bag eg einem peinlid) mirb, bon i^nen gegen 5Inbcrc ju reben: man fürdf)tet mit jebem Söorte inbiöfret ju fein. — 3d^ fönnte mir ein plö^lid^ed ©tummmerben be§ meifeften ^iftoriferS benfen.
458.
©aögrogcßooS. — ^a8 ift ctwa^ fe^r (Seltene«, ober ein 3)ing jum ©ntäüden: ber SWcnfd^ nämlic^ mit
502
fcf)ön geftaltetem SnteEeÜe, tt)elc^er ben (Eljaxalkv, bic Steigungen unb aud^ bie ©riebniffe ^ai, bie ju einem [old^en Sntettefte gel^ören.»
459.
^te ®ro§müt^ig!ett be§ ^en!erS. — D'louffeau unb (Srf)o^en{)auer — beibe tüaren ftolj genug, ti)rem ^afein ben Sßal^lfprud^ Qufgu[c^reiben: vitam impendere vero. Unb beibe lüieberum — tpaö mögen fie in i^rem (Stolpe gelitten l^aben, bog eS if)nen nid^t gelingen lüollte verum impendere vitae! — verum, tüie e§ jeber bon i()nen berftanb — , ha^ xi)x ßeben neben tl)rer ©rfenntnig neben^erlief tüie ein Iaunijd)er f&a% ber jur 9J^elobie nid^t ftimmen toill! — 5Iber e^ ftünbe Jd^limm um bie @r!enntni^, n^enn fie jebem SDenfer nur in bem Wlaa^t gugemeffen tpürbe, al§ fte if)m gerabe auf ben Seib pa^tl Unb e^ ftünbe fi^timm um bie 2)en!er, menn it)re @itel!eit fo grog ttiöre, halß fte bie§ aöein ertrügen! (SJerabe barin glänzt bie fdjönfte Xugenb be§ großen ^en!er§: bie @rogmütt)ig!eit, ha^ er al§ @r!ennenber fid^ felber unb fein fieben unt)er§agt, oftmals befd)ämt, oftmals mit erhabenem spotte unb Iä(i)elnb — jum D^fer bringt.
460.
(Seine geföt)rlid^en ©tunben auSnü^en. — SJJon (ernt einen 3J?enfd)en unb einen ^^^f^öub ganj anberS !ennen, menn ®efat)r um ^ah unb ®ut, @l)rc Seben unb ^ob, für un§ unb unfere Siebften, in jeber it)rer S5ett)egungen liegt: iüie §um 93eifpie( XiberiuS tiefer über baS Snnre be§ ÄaiferS 5luguftu§ unb feineg
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D^egtmente^ nadigebod^t unb mef)r bation getrübt ^a6en muß, a(§ bem rtjeifeften §iftori!er e§ aud^ nur möglich tüäre. 9^un (eben tt)ir OTe üergleitfiungglpeife in einer Diel ju großen (Sic§er()eit, al§ bag n)ir gute SD^enfcf)ens fenner tDerben fönnten: ber @ine erEennt qu^ Sieb= {)aberei, ber Slnbere au§ Sangertoeite, ber ©ritte au§ ®eh)o!)n()eit; niemals ^d^i e§: „erfenne, ober gel^ ju ©runbe!" <Bo lange fic^ un§ bie 2öa^rf)eiten nic^t mit 9}?efjem in'§ Sleifi^ f(i)neiben, Ijaben n)ir in un§ einen gef)eimen SSorbel)aIt ber ©eringfdiä^ung gegen fte: fte fd^einen un§ immer nod) ben „gefieberten Xröumen" ju äf)n(id^, n)ie als ob tpir fie ()aben unb aud) nid)t ^aben fönnten — aU ob ettnaä an i^nen in unferm S3elieben ftünbe, als ob toir aud^ bon biefen unfern SSa^r()eiten ern)ad)en fönnten!
461.
Hie Rhodus, hie salta. — Unfere 9J?uft!, bic fid) in 5llle§ öert^anbeln fann unb üerrtjanbeln muß, n)eil fie toie ber ©ämon be§ 3J?eere§ an fici) feinen (5f)ara!ter l^at: biefe SQhifif ift ef)emalg bem d^rift* Iid)en (Selef)rten nadjgegangen unb f)at beffen Sbeal in klänge ju überfe^en öermod)t; rtjarum follte fie nid)t enblid) audj jenen f)elleren freubigeren unb allgemeinen Sllang finben, ber bem ibealen 2)enfer cntfpridf)t? — eine SJiufif, bie erft in ben n^eiten fd^ftiebenben SSöIbungen feiner @eele \\d) f)eimifd£) auf unb nieber ju tüiegen t)ermödt)te? Unfere äJhtfif njar bi§I)er fo groß, fo gut: bei if)r tvax fein ©ing un^ mögtid^! (So jeige fie benn, ha^ eS mög(id) ift, biefe ©rei: ßrl)abenf)eit, tiefet unb ttjarmeS Sic^t unb bie SBonnc ber pd)ften golgericf)tigfeit auf (Sin 3J?aI ju empfinbenl
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462.
Sangfame ^utcn. — ^ie (f)romfd^cn Ätmif^clten ber ©eele cntftel^en tüte bie be§ ßet6e§, fel^r feiten nur burd^ einmalige grobe SSerge^ungen gegen bie SSemunft t)on ßeib unb ©eele, fonbern getüöl^nlid^ burd^ jafillofe unbemerfte üeine 9^ad)Iäfftg!eiten. — 2öer jum S3eifpiel Xag für ^ag um einen nod^ fo unbebeutenben ®rab ju ]di)toaiS) atf)met unb ju menig ßuft in bie ßunge nimmt, fo ba^ fie alg ©anje§ nirf^t t)inreid^enb angeftrengt unb geübt lüirb, trägt enblid) ein d§ronifd)e§ ßungenleiben bobon: in einem fotd^en gaKe !ann bie Teilung auf feinem anberen Sßege erfolgen, a(§ ba^ toieberum ga^IIofe !(eine Übungen be§ ©egentl^eilä vorgenommen unb unöermerJt anbere ©elool^niieiten ge^jflegt toerben, §um S5eift)iel toenn man fid^ jur Siegel mad^t, aEe Sßiertel- ftunben beg ^age§ (£in ^al ftarf unb tief aufguatl^men (toomöglid^ platt am S5oben liegenb; eine W)x, toeld^e bie SSiertelftunben fd^lägt, mu§ babei jur fiebenSgeföl^rtin gett)äl)lt toerben). ßangfam unb fleinlid^ finb alle biefe ^ren; aud^ hier feine (Seele f)eilen njiH, foll über bie Sßerönberung ber fleinften ®en)ol)nl)eiten nad^benfen. SJiand^er fagt jel^nmal be§ ^age§ ein böfe§ falteS Söort an feine Umgebung unb benft fic^ menig babei, namentlid^ nid^t, ha^ nad^ einigen So^ren er ein ®efe^ ber ©etüo'^nl^eit über fid§ gefd^affen Ijat, meld^eS il)n nunmel)r nöt^igt, jel^nmal jebeS XageS feine Umgebung ju öerftimmen. 5lber er !ann fid§ aud^ baran gemöl^nen, i^r jel^nmol lool)ljut]^un!
463.
Slm ftebenten Xage. — „Sl^r pxtx^t jcneS atö mein ©d^affen? 3d^ l^abe nur tjon mir liintoeggetl^aivj
— oor) —
toag mir löftig tüor! aj^ctnc @cclc tft über ber ©itelfeü bcr ©d^affenben ergaben. — S^t ^jreift bieg aB meine Oiefignation? 3d^ l^abe nur öon mir l^intuegget^an, mag mir läftig mar! 9}?eine ©celc ift über ber ©itelfeit ber 9?efigttirten erf)aben."
464.
(S^am be§ (Sd)enfenben. — (58 ift fo un- gro^mütl^ig, immer ben ©ebenben unb ©c^enfenben ju marfien unb babei fein ®eficf)t gu geigen! 5tber geben unb f^enfen unb feinen 9Zamen unb feine ®unft t)er^ ^ef)(en! Ober feinen S^amen f)aben, toie bie 9^atur, in ber un§ eben bic^^ me^r al8 aEe§ erquidt, f)ier enbtid^ einmal nid^t mel^r einem (Sd)enfenben unb ©ebenben, nid|t mel)r einem „gnöbigen ©efid^te" ju begegnen! — freilief), if)r öerfd^erjt eud^ aud^ biefe ©rquidEung, benn il^r ^aU einen ®ott in biefe Statur geftedtt — unb nun ift mieber aKeg unfrei unb bellommen! 2öic? iJliemalg mit fid^ aKein fein bürfen? 9^ie mef)r unbetrad^t un= bel^ütet, ungegöngelt, unbefd^en!t? SBenn immer ein 3lnbrcr um un§ ift, fo ift ia^ S3efte öon 9J?ut^ unb ®üte in ber Sßelt unmöglid^ gemalt. SD^öd^te man nirf)t gegen biefe 3i^^^"9^^<^^^^t ^^^ 5>^mmet^, gegen biefen unt)ermeiblid)en übematürlid^en ^adjhax ganj beS Xcufelä mcrben! — 5Iber e§ ift nid)t nöt^ig, e§ tüor \a nur ein Xraum! SBadjen tovc auf!
465.
S3ei einer S3egcgnung. — ^: SBol^in blidfft bu? 2)u ftel)ft fo lange fc^on ftiU l)ier. — ©: 3mmcr baä ^te unb baS S^cue! ^ic ^ülf^bebürftigleit einer ©ac^c
— 506 —
retgt mtd^ fo ttjett unb fo tief in ftc l^inein, \)ai td) enblid^ i^x babei auf ben ®runb !ommc unb etnfc^e, ba% fie nid^t gar fo btel lüertt) ift. %m (Snbe aller fold^er (Srfal^rungen fte()t eine 5lrt Slrauer unb (Starrheit, ^ieg erlebe id§ alle ^age im kleinen ju breien 9}?alen.
466.
iBerluft im S^iul^me. — SBel^er SSor^ug, a(§ ein Unbefannter ju ben ^en(d)en reben ^u bürfen! „^ie §älfte unferer Xugenb" nef)men un§ bie Götter, njenn fie un§ \)a§> incognito ne()men unb un§ berü()mt matfjen.
467.
3tDeima( ©ebulb! — „®amit ma(f)ft bu bieten 9J?enf(f)en ©d^mer^." — Sd^ ioeig eg; unb toeig auc§ bieg, ha^ x6) boj))3eIt bafür (eiben mu§, einmal burd^ TOtleib an i^rem Seib^ unb bann burd^ bie '^aä)t, bie fie an mir nef)men werben. 5(ber tro^bcm ift e§ nid^t njeniger nött)ig, fo ju tf)un, loie id^ t^ue.
468.
^a§ 9^eid^ ber @d^önf)eit ift größer. — 2öie tük in ber Statur t)erumget)en, liftig unb fro^, um bie allem eigene ©d^ön^eit gu entbeden unb gleid^fam auf ber X^at §u ertappen, n)ie loir balb bei (Sonnenfd^ein, hai\) bei getoitter^aftem §immel, balb in ber bleid^ften Dämmerung einen SSerfud^ mad^en, jene^ (Bind Mfte mit geljen, 9J?eerbud^ten, Ölbäumen unb ^inien fo ju fe^en, n^ie e^ ^u feiner SSoK!omment)eit unb 9J?eiftets fd^aft fommt: fo follten toir aud^ unter ben 9J^enfd^(
i
— 507 - •
umf)ergei)en , qI§ xtjxt ©ntberfer unb SluSfpö^er, ®utc§ unb S3öfe§ tt)nen ertueifenb, bamit bie if)nen eigene ®d^önl)eit fid) offenbare, toelc^e bei tiefem fonnen^aft, Bei Senem gert)itter:^aft unb bei einem 2)ritten erft in ber f)Ql6en ^a^t unb bei S^iegenl^immel ftd^ entfaltet. Sft e§ benn Verboten, ben böfen SD^enfc^en al§ eine lüilbe ßanbfd^aft §u geniejgen, bie i^re eigenen !ü^nen Sinien unb Sid£)ttt)ir!ungen ^at, njenn berfelbe SD^enfd), fo lange er fid) gut unb geje^Iid^ ftellt, unferm 5(uge tvu eine ^ergeid^nung unb (Saricatur erfcf)eint unb aB ein gleden in ber 9^atur un§ ^ein mad^t? — Sa, e^ ift Verboten: bi^^er njar e^ nur erlaubt, im 3J?oraIifd^*(5Juten nad^ (Sc^ön^eit ju fud^en, — ®runb genug, ha^ man fo njenig gefunben unb fic^ fo öiel nad§ imaginären ©d^ön^eiten ol^ne ^nod^en ^at umti^un muffen! — @o gett)i§ eg ^unbert Wirten öon ®IüdE bei ben S5öfen giebt, üon benen bie Xugenb^aften nid^t§ a^nen, fo giebt e§ an i^nen aud) t)unbert 5lrten üon @d)önf)eit: unb biele finb nod^ nidfjt entbedt.
469.
2)ie Unmenfd)Iid)feit beiJ Söcifen. — ©et bem fd^tueren, aßeg äermalmenben (SJange be§ Söeifen, me(d)er, nadf) bem bubb()iftifd)en Siebe, „einfam manbelt tDie ba§ Sf^Ijinojero^", — bebarf eö öon 3eit ju Qtxt ber 3eid)en einer t)erfö^nlid)en unb gemilberten 2J?enJ(^lid)!eit: unb jmar nid)t nur jener fd)nelleren ©d)ritte, jener artigen unb gejelligen Sßenbungcn bc^ ©eifteö, nid^t nur beö SSi^eö unb einer getoiffen (Selbftöerfpottung, fonbem felbft ber SÖöiberfprüd^e, ber gelegcntlid^en 9ftüdfälle in bie ]^crrfd)enbc Ungereimtheit, ^amit er nid)t ber Söa(5e gleidje, tucldje mie ba^ $ßcrl)ängni6 bal^erroüt, mug ber SBeife, ber lehren ioiH, feine geiler
-. 508 —
ju fctttcr ©efd^önigung gcbroud^ctt, unb tnbcm er jagt „bcrad^tct mt(|!" — Utttt er um bie ©unft, bcr gürfpred^er einer anrnaaglid^en 2öaf)rl^ett ju fein. (5r n)ill eud^ in'g ®ebirge führen, er toirb euer SeBen öieEeid)! in ®efa!^r bringen: bafür übertönt er e§ eud^ tüiHig, öor^er unb nad^{)er, an einem foId)en gü^rer SRad^e ju nel^men — eS ift ber ^ei§, um ben er fid^ felber ben ©enug mad^t, öoranjugel^en. — ©ebenft il^r beffen, tüo§ eud§ burd^ ben ©inn gieng, aU er eud^ einmal burd^ eine finftere $ö()Ie auf fd^lü|)frigen SBegen geleitete? 2öie euer §erj, !li)^)fenb unb mißmutl^ig, fid^ fagte: „bicfer güt)rer ha fönnte beffereS tf)un al8 ^ier l^erum- jufried^en! @r gel^ört ju einer neugierigen 5lrt bon SD^üfeiggängem: — ift eS nid^t fd^on ju öiel (£^re für il^n, bag toir il)m über]f)au|)t einen Söertl^ jujuerfenncn fd^einen, inbem totr il^m folgen?"
470.
5lm ©aftmal^Ic biet er. — 2öie glüdlid^ ift mon, menn mon fo genarrt mirb, tuie bie SSögel, au§ ber ^onb @ine§, ber ben S5öge(n augftreut, ol^ne fie genauer anjufel^n unb auf il^re SBürbigf eit ju ^jrüfen! gu leben al§ ein SSogel, ber !ommt unb fortfliegt unb feinen 9^amen im @^nabel trägt I (So am ©aftmal^Ie öieler mid^ ju fättigen ift meine greube.
471.
©ine anbere S^äd^ftcnliebc. — ^aS oufgeregte (örmenbe ungleid^e nerüöfe SSefen mad^t ben ©egenfa^ jur großen Seibenfd^af t: biefe, toie eine ftiße büftere (Slut^ im 3nnem too{)nenb unb bort aUeS ^eifee
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itti^ ^^^^^ {ammcütb, lägt ben 3J?enfc^en nad^ 5lugett ^tn fa(t unb gtetdic^üttig blirfen unb brürft ben S^Ö^n eine gcn^iffe Smpaffibilität auf. Solche 3J?enf(^en finb gelegentltd^ n)o()I ber 9^äd}ftenliebe fä{)ig — aber fic ift anberer 5Irt alg bie ber ©cfeHtgen unb ©efall^ jüd)tigen: eö ift eine milbe betrac^tfame gelaffene greunbtid^fcit; fie blicEen gleid^fam auä ben genftern i^rer Surg f|inau§, bie if)re geftung unb eben baburd^ i^r ©efängnig ift, — ber ^M in'S grembe, greie, in bag 5lnbre t^ut i^nen fo tüo^ll
472.
<Si^ nid^t red^tfertigen. — 51: 5Iber tt)arum ttjiöft bu bid^ nic^t red^tfertigen? — 33: 3d) !önnte eö, hierin unb in {)unbert fingen, aber id^ öerac^tc bag SSergnügen, ba§ in ber S^ted^tfertigung liegt: benn biefe ^inge finb für mid) nid^t grog genug, unb lieber toiU id^ gleden an mir tragen, al§ jenen Äleinlid^en gu it)rer ^ämifd^en greube gu üerl^elfen, ba^ fie fagen !önnten: „er nimmt biefe 2)inge bod^ fe^r n)id)äg!" ^ie^ ift eben nid£)t njo^r! ißielleid^t müßte mir aud^ me^r an mir felber gelegen fein, um eine ^flid^t ju Ijaben, fet)Iert)afte SßorfteHungen über midf) ju berichtigen, — \6) bin ju glcicl^gültig unb träge gegen mid^ unb fo aud^ gegen bag, toa^ burc^ mid^ genjirft rtiirb.
473.
2Ö0 man fein §auS bauen foll. — Sßenn bu in ber ©infamfeit bid) groß unb frud^tbar fül)(ft, fo mirb bidt) bie ©efeüigfcit öerf (einem unb öcröbcn: unb umgefeljrt. äJ^ad^töoHc SDttIbc, ujie bie cineä SSaterö: —
— 510 —
tt)o biefe (Stimmung btd§ ergreift, ba grüube betn §au§, (et eS nun im ®ett)üt)l ober in ber (Stiße. Ubi pater Sinn, ibi patria.
474.
^ie einzigen Sßege. — „^iale!ti! ift ber einzige 2öeg, um §u bem göttlid^en SBefen unb l^inter ben (Sd)Ieier ber (£rf(i)einung ju gelangen," — bie§ behauptet ^lato ebenfo feierüd^ unb leibenfd^aftlirf), aU e§ (Sä)o))en= ^auer öon bem ©egenfa^e ber ^Dialefti! be^au<)tet, — unb beibe fiaben Unred^t. ^enn e§ giebt ia§> gar ntd^t, ju bem {)in fte einen Sßeg un§ §eigen tüoHen. — Unb Ujaren nid^t alle großen Seibenfdjaften ber SO^eufd^- ^eit bi^l^er fold^e Seibenfc^aften für ein 9^id)tö? Unb alle i{)re geierlidjfeiten — geierüd^feiten um ein 9^i(^tö?
475.
@d)to er tt) erben. — S^r fennt if)n nitf)t: er !ann t)iel ®en)id)te an fid^ gongen, er nimmt fie bod^ alle mit in hk §öf)e. Unb i{)r f^Ue§t, nad) eurem Reinen glügetfdfjlage, er tüoKe unten bleiben, tt)eil er biefe (SJeipic^te an fid^ l^önge!
476.
Hm (grntefefte be§ ®eifte§. — SDaS puft fid^ öon STag p Xage unb quillt auf, Erfahrungen, (Srlebniffe, (SJebanfen über fie unb Xröume über biefe ®eban!en — ein unermeßlid^er entgüd^enber 9?eid)t^uml «Sein 3lnblirf mad^t fd^tuinbeln; id^ begreife nid^t me^r, mie man bie ©eiftig-Slrmen feiig greifen fonn! — Slber id^ beneibe fie mitunter, bann, menn id^ mübe bin: benn bie SSeripaltung eine^ fold^en 9ieic^tljum§
— 511 —
ift eine \d)\vext (Ba^t, unb i{)re ©c^tüere erbrücft nid^t
feiten alle§ ®Iüd — Sa, tDenn eö genügte, i^n nur
angublidenl Sßenn man nur ber ©eij^alä feiner (£r!enntniffe toäre!
477.
i8on ber <BUp\x^ ertöft. — 51: 5Inbre fommen miglaunig unb fc^h)a(^, jernagt, tt)urmftic^ig, ja ()alb jerfreffen au§ einer allgemeinen moralifdjen (Sfepfi^ ^erau§ — id^ über mutf)iger unb gefünber alö je, mit lüieberertoorbncn Snftinften. SBo fd)arfer SBinb tDet)t bie @ee l^oc^ ge{)t unb feine Heine ®efat)r ju befte()en ift, ha njirb mir mol^L 3^"^ 2ßurm bin id) nic^t getüorben, ob id§ gteid) oftmals mie ein SBurm \)aht arbeiten unb graben muffen. — 33: S)u \)a]i eben aufgel)ört, ©fe^tüer ju fein! ^enn bu toerneinft! — 51: Unb bamit ^aht id) ipieber Sa*fagen gelernt
478.
©el^en mir vorüber! — @d^ont if)nl Sagt if)n in feiner (SinfamfeitI SBotlt i^x if)n ganj jerbredien? @r i)at einen (Sprung befommen, mie ein ®(ag, in ba^ fid^ ^(ö^Ud^ ttma^ ju §ei6e§ ergo§, — unb er mar ein fo foftbareg ©lag!
479.
Siebe unb SBal^r^aftigfeit. — 2öir finb auS Siebe arge SSerbrec^er an ber Söa^rtjeit unb gemot)nte §e^ter unb (Ste()ler, meld)e mei)r ma^r fein (äffen, a(g unä mal)r fd^eint, — beö()a(b mu§ ber Genfer immer mieber üon Qtxi ju 3^^^ bie ^erfonen, mcldje er liebt (cd merben nid^t gerabe bie fein, meldje i^n lieben — ),
— 512 —
in bie glud^t jagen, bamit fie t^ren <Stac§el unb t^rc S3o§§dt geigen nnb anfrören, i^n gu öerfü()ren. ^emnad^ toirb bie ®üte be^ 2)enferi8 i^ren ab* unb gunefimenben SJJonb l^aben.
480.
Unbermeiblid^. — (Sriebt, maö i^r »oüt: »er eu^ nid§t mol^ItoiH, fielet in eurem @rlebni§ einen 5lnla§, euc^ 5U öerHeinem! (£rfat)rt bie tiefften Umtuäljungen be§ ®emüt^§ unb ber ©rfenntnig unb gelangt enblid^ toie ein (Senefenber mit f^merjlid^em Säbeln f)inau§ in grei{)eit unb lid^te @tiKe — eg toirb bod^ einer fagen: „ber ha l^ält feine ^anfl^eit für ein 5Irgument, feine Dl^nmad^t für ben S5en)ei§ ber D^nmad)t aßer; er ift eitel genug, um Iran! ju ttjerben, bamit er ba§ Übergetoid^t beg Seibenben fül^Ie." — Unb gefegt ha^ jemanb feine eignen geffeln fjjrengt unb fid^ babei tief öertounbet: fo toirb ein 5(nbrer mit (Bpoü barauf ^ingeigen. „SBie groJ5 ift ho(i) feine Ungefd^idEIid^feit!" tüirb er fagen; „fo mu§ eg einem $D?enf(f)en ergel^en, ber an feine geffeln getüö^nt ift unb 9^arr genug ift, fie ju jerreijgcn!"
481.
gtoei ^eutfdie. — SSergleic^t man ^ant unb <Sc^open()auer mit ^(ato ©pinoga ^a^cal 9iouffeau ©oetl^e in 5lbfe()ung auf il^re (Seele unb nid)t auf il^ren (SJeift: fo finb bie erftgenannten Genfer im D^ad^t^eil: i^re ©ebanfen mad)en nid^t eine leibenfd^aftlid^e (Seelen- ©efd^id^te au§, e§ giebt ha feinen 9louian, feine ^fen, Stataftrojj^en unb Xobe^ftunben ju erratf)en, i^r teufen ift nict)t 5ugleid§ eine unmillfürlid^e Siograp^ie einer (Seele, fonbern, im gaUe Äant'ö, bie ©efc^id^te eineS Äopfe^,
— 513 —
im galle @rf)o^en^auet'§ bie S3efd}tei5ung unb (Spiegelung cineg Sljarafter^ („be^ unt)eränbetli(^en") unb bie greube am „(Spiegel" felBer, \>a^ fieißt an einem bor- jügtic^en Sntellefte. Äont erfd)eint, menn er burd^ feine ©ebanfen ^inburd^fcf)immert, aU tvadn unb et)renmert!^ im 6eften @inne, aber a(§ unbebeutenb: eg fet)lt i^m an ^Breite nn'o' Waä)t; er f)at nid)t §u öiel erlebt, unb feine %xt 5U arbeiten nimmt i^m bie Qdt, ettoag ju erleben, — x6) benfe, tük billig , nid^t an grobe „(Sreigniffe" Don ^(ufeen, fonbern an bie (Sd)idfale unb Qi^^^i^Ö^i^' benen ha^ einfamfte unb ftiUfte ßeben öerföUt, n)e(d)e^ SJhige f)ai unb in ber Seibenfc^oft be§ ^en!en§ Verbrennt. (Sc^openf)auer l^at einen ^orfprung bor ii)m: er beft^t n)enigften§ eine getüiffe {)eftige ^öglid^fett ber Statur, in §a6, S3egierbe, (Sitelfeit, 90?iBtrauen; er ift ettoaS toilber angelegt unb ^att« Qtit unb SO^uge für biefe Söilb(;eit. 5(ber i^m fel^tte bie „@ntn)icflung", tüte fte in feinem (§Jebanfenum!reife fehlte: er ^att^ feine „(SJefd^i^tc".
482.
deinen Umgang fudjcn. — (Suchen ttJtr benn ju biet, toenn tbir ben Umgang bon 9J?ännem furfien, mcl^c milb, n)o!)(fd|medEenb unb na()r^aft gen^orben finb toic Äaftanien, bie man jur rerf)ten Q^xt in'g geuer gelegt unb auö bem geuer genommen l^at? SBeld^c njenigeS bom Seben ermarten unb biefeä lieber old gefd^enft unb nid)t alg berbient annehmen, bjie aB ob bie Q3ögel unb bie SBienen e§ if)nen gebracht ptten? 2öeld)e ju ftolj finb, um fic^ je beIol)nt füf)(en ju fönncn? Unb ju ernft in if)rer ßeibenfd^aft ber (Srfenntnig unb ber ^Keb(irf)fcit, a(^ baß fie nod^ 3^^ ""^ ^cfäüigfeit für ben $Rul)m {jätten? — @oId^e SD^änner würben toir
Wettfdje« «ßevfe. «lQn.=«u«fl. IV. 'M
— 514 —
^f)i(ofoj)^en nennen; nnb fie f eiber tDerben immer noc^ einen 6efrf)eibenern 9^amen finben.
483.
Überbrujs am SJ^enfd^en. — 51: ©rfenne! So! 5l6er immer a(^ SJ^enfä^! 2Sie? Smmer öor ber gleid^en Äomöbie ft^en, in ber g(eicf)en ^omöbie f|)ie(en? 9^emal§ ans anbem als auS biefen togen in bie ^inge fe^en fönnen? Unb toeld^e nn§äl)lbaren 5lrten öon Sßefen mag eS geben, beren Organe beffer jnr ©rfenntnig taugen! SßaS mirb am (Snbe aller il)rer (Sr!enntni§ bie 3Kenfd^l)eit erfannt ^aben? — il)re Organe! Unb ha^ ^eijst öielleid^t: bie Unmöglid)!eit ber ©rfenntnig! Sammer nnb @!el! — 33: 5)aS ift ein böfer 5lnfaß — bie S[5ernunft faßt bi^ an! 5lber morgen n^irft bn njieber mitten im (Srfennen fein unb bamit aud^ mitten in ber Unvernunft, toxU fagen in ber ßuft am 3}?enfd)= li^en. ®el^en h)ir on'S Wcttl —
484.
^er eigene 2Beg. — SBenn toir ben entfd^eibenben ^d^rttt tl^un unb ben SBeg antreten, tneld^en man ben „eigenen SBeg" nennt: fo ent^üßt fid§ unS plö^lic^ ein ®el^eimni§: n)er oud^ OTeS mit nnS frennb unb öertraut toax — 5llle ^aben fid) biSl^er eine Überlegenheit über uns eingebilbet unb finb beleibigt. ^ie 33eften öon i^nen finb nad^fid^tig unb toarten gebnlbig, ha^ njir ben „redeten SSeg" — fie miffen it)n ja! — fdEjon ujieber finben ttjerben. ^tc Slnbern fpotten unb t^un, als fei man öorüberge^enb närrifd) gen)orben, ober be^eidinen ^ämifc^ einen ^erfü^rcr. ^ie lööfercn erflären unS für eitle
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'üflauen unb fud^cit unfere Woü'ot ^u fd^liiorjen, unb ber ©d^Iimmfte fte^t in imS feinen fdjlimmftcn geinb, einen, ben nad^ 9?ad^e für dne lange ^Tbl^ängigfeit bürftet, -- nnb für^tet fid) bor nn«. — SSa§ atfo t^un? 3(i tat^e: feine (Sonüerainetöt bomit anfangen, ba^ man für ein 3a:^r öorau^ allen nn^ S3e!annten für (Sünben jeber ^Irt Wmneftie jufidjert.
485.
gerne ^erfpeftiten. — ?I: ^6er tvaxnm biefe (Sinfamfeit? — 33: Sd) jürne nicmanbent. 5Iber attein fd^eine ic^ meine grennbe bentüd^er unb fd^öner ju fef)en al§ ^ufammen mit if)nen; unb al« ic^ bie 9}^uft! am meiften liebte unb em<)fanb, kUe i^ ferne öon i^r. (£g f Geeint, ic^ braud^e bie fernen ^erfpeftiöen, um gut t)on ben fingen ju beuten.
486.
®olb unb junger. — ^ier unb ba giebt e« einen 9)kufc§en, ber aöe^, toa^ er 6erü{)rt, in ®olb uertt)anbelt. (Sine^ guten böfen Xage^ tüirb er entbeden, \)a^ er felber babei öer^ungern mu§. @r ^at alled glanjenb, ^errlid^, ibealifc^^ unnahbar um fid^, unb nun fe^nt er ftd^ nadE) Dingen, meldte in ®olb ju öermanbeln i^m burdC)aug unmöglid^ ift — unb tt)ic fe^nt er ftd^! 2öie ein ^er^ungember nad^ @peifel — Sißona^ toirb er greifen?
487.
@c^am. — Da fte^t ba« fc^öne SHog unb fc^arrt ben ©oben, e« fd^naubt, e* uerlangt nad) einem ^Kitte unb liebt ben, ber ed fonft reitet, — aber o^ @d^am! biefer !ann fic^ tieute nid^t ^inauffd^mingen, er ift
— 516 —
ntübe. — ^ie§ ift bte (Scf)am be§ ermübeten ^en!er§, t)or feiner eichenen ^^ifofop^ie.
488.
©egen bie 33erf djtüenbuitg ber Siebe. — @riütl)en wit nic^t, tpenn tüix un§ auf einer heftigen 5l6netgung ertap))en? 516er tüir foßten e^ aud) bei heftigen Zuneigungen t^un, ber Ungered^tigfeit n)egen, bie auc^ in i^nen liegt I Sa nod^ me^r: eS giebt SKenfd^en, bie fid^ toie eingeengt unb gefd^nürten §erjen§ füllen, tt)enn jemanb i^nen feine 3iti^^ip^9 ^^^ \^ h^ ^^^^ fommen iä^t, ba§ er bamit anbern etnja^ bon ßi^it^Öi^^Ö entjietit. 3Senn tuir e§ ber (Stimme anpren, t)a^ totr auggemäl^It, borgejogen tt)erben! ^d^, ic^ bin nid)t ban!6ar für biefe^ ^lu^iüä^Ien, id^ mer!e, ha^ xdi) eö bem nad^trage, ber mid^ fo au§§eid^nen tt)ill: er foll mid§ nid^t auf Unfoften ber Hnbern lieben! SöiH id^ bod^ fd^on jufe^en, mit mir mid^ f eiber ju ertragen! Unb oft l^abe id^ nod^ ba^ §erj boH unb ®runb §u Uebecmut^ — einem @old^en, ber fold^e^ f)at, foH man nid^t^ bringen, toa^ anberc nöt^ig, bitter nöt^ig ^aben!
489.
JJteunbc in ber 9^otl). — SO^itunter merfen n^ir, bajS einer unfrer greunbe me^r ju einem 5(nbem al^ 5U un^ gef)ört, ha^ fein gartfinn fid^ bei biefer (BnU fi^eibung quält, unb feine ©elbftfud^t biefer ©ntfd^eibung nid)t getüad^fen ift: ha muffen toir e§ i^m erleidf)tern unb i^n bon unS fortbeleibigen. — ^ie§ ift ebenfalls 'oa nöt!^ig, tüo tpir in eine 5Irt ju benfen übergetjen, njeld^e i^m berberblid^ fein mürbe: unfere Siebe ju i^m
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mug ung treiben, burci^ ein Unred^t, ba« toir auf un« nehmen, i^m ein guteS ®en)iffen ^u fetner So^jagung t)on un§ ja fc^offen.
490.
^iefe üeinen SBa^rl^eiten! — „3l)r fennt bieS 5(lleg, aber il^r l^abt e^ nie erlebt — \6) ne()me euer äeugnig ntd§t an. ®iefe ,!(einen Sßa^r^eiten*! — fie bünfen eud^ !(ein, tüeil il^r fie nid^t mit eurem S3Iute ht^a^li i^abtl" — 5lber finb fie benn gro§, beSt)a(b tt)eil man ju öiel bafür bejo'^tt '^o.il Unb S3(ut ift immer ein Suöiel! — „(SJIaubt i^r? 2Ba^ i()r geizig mit S3(ute feib!"
491.
5rurf) beö^alb (Sinfam!eit! — 51: @o tniHft bu tüteber in beine SBüfte jurücf? — S9: %^ bin nidjt fc^neU, i^ mug auf mic^ märten — e« mirb f^jät, ^\^ jebeömal \io.^ SBaffer auS bem 93runnen meinet @e(bft QiXd^ Öid)t fommt, unb oft mug ic^ länger ^urft leiben, a(§ id^ (SJebutb t)abe. ^eöf)alb get)e ic^ in bie @infam^ feit — um nirfjt au^ ben (Sifternen für Sebermann ^u trinfen. Unter SSielen (ebe id^ toie Stiele unb benfe nic^t mie id£); nac^ einiger 3eit ift eS mir bonn immer, als^ motte man mid^ au^ mir verbannen unb mir bic ©eele rauben — unb id^ merbe böfe auf Sebennann unb fürchte Sebermann. ^ie Söüfte i\)\\\. mir bann notl), um njieber gut ju tperbcn.
492.
Unter ben ©übminben. — 31: 3d^ öerftet)e mid) nid)t me^r! Heftern nod^ mor e« in mir fo ftürmifd) unb babei fo marm, fo fonnig — unb (jeÜ biä jum
— 518 —
^ilugcrftett. Unb t)eutc! OTe§ tft nun ru^tg, ioett, fd^mer^ mütljii;, bunfet, tvk bie Sagune Don SSenebig: ~ id) ^rill nid)t^ unb Qtf)me tief auf babet, unb bod^ bin ic^ bei mir in§get)eim unlüiUig über bieS 9^ic^t§ = SßoIIen. ^0 plätf^ern bie SBeHen l^in unb t)er, im @ee meiner SO?e(and)otie. — 33: ^u befd)rei6ft ha eine Keine ongeneljme Ä\an!E)eit. ^er nQd)[te 9^orboftnjinb tt)irb fie t)on bir nef)menl — 51: Söarum bod^!
493.
SCuf bem eigenen S3aumc — ?l: 3^ l^abe bei ben ©ebanfen feinet ^enferg fo t)iel ^Sergnügen tüie bei ben eignen: ha^ fagt freilid^ nid^tö über i^ren SBertl^, aber x6) mügte ein S'^arr fein, um bie für mic^ fdimad^afteften grüd^te äurüdguf egen , hjeil fie äufäUig auf meinem S3aume load^fen! — Unb id§ hjar einmal biefer 9^arr. — 35: 5lnbern ge^t e^ umge!el)vt: unb aud^ bie§ fagt nicbt^ über ben SBertlj i^rer (SJebanfen, namentüd; nod) md)tö gegen i^ren . S33ert^.
494.
SefeteS 5(rgument beS Xa^jferen. — „3u biefem (^ebüfd)c finb (Schlangen." — ®ut, id) iüerbe in ha^ (^ebüfdj ge^n unb fie tobten. — „^Ibex melleid)t tüirft bu babei baö Oj}fer, unb fie njerben nid)t einmal ha^ beine!" — SSa^ liegt an mir!
495.
Unfere Se{)rer. — Sn ber Sugenb nimmt man feine ßei)rer unb Söegmeifer auS ber ^egenttjart unb
519 —
auö bell 5lretfen, auf n)eM)e toxx gerobc fto§en: tmt ^aben bie gebanfentofc 3"^^^^^ ^^6 ^^^ ©egentoart Sef)rer ^aben muffe, bie für unö me^r als für jeben ^Inberen taugen, unb bag lütr fte finben muffen, o^nc Diel 5U fud^en. gür biefe ^nberet muj man fpäter partes ßöfegelb ^a^Un: man mufe feine ßef)rer an fic^ abbüßen, ^ann gef)t man mol^I nad) ben rechten SBegn^eifem futf)en in ber ganzen S3ett ^erum, bie SSormelt eingered^net, — aber e§ ift t)ieEeid)t ju fpät. Unb fc^Iimmften gaß« entbeden n)ir, bag fie (ebten, a(g n)ir jung tparen, — unb bag tüir unö bamalS t)ergriffcn t)aben.
496.
^a§ böfe ^rincip. — ^ato ^at eg prad^töoll befd)rieben, tpie ber pI)i(ofopf)ifd)e Genfer inmitten jcber befte^enben ®efeUfd)aft ab ber STuSbunb aller 9?ucf)Iofigfeit gelten mufj: benn at§ Äritüer aEer ©itten ift er ber ©egenfa^ beö fittlid^en SJ^enfc^en, unb menn er eö nid)t fo njeit bringt, ber ®efe|geber neuer bitten 5U njerben, fo bleibt er in ber Erinnerung ber 5D^enfc^en jurüd a(§ „ha^ böfe $rincip". 2öir bürfen ^ierau« crrattjen, n)ie bie jiemiid^ freifinnige unb neuerungSfüc^tigc @tabt 5ltl)en bem D^infe ^(ato'd bei feinen fiebjeiten mitgefpiett ijat: tva^ Söunberg, ba§ er — ber, Ujie er fetber fagt, ben „ politif d)en Xrieb" im Seibe ^atte — breimat einen SSerf ud) in ©icilien gcmnd)t ^at, mo ftd^ bamalS gerabe ein gefammtgried)ifd)er SD^ittetmeers^taat öor^ubereiten fc^ien? 3n i^m unb mit feiner §ü(fe gebadjte ^^(ato für alle ^ried^en baä ju tfjun, tuaS aJhdjammeb fpäter für feine 5lraber tljat: bie grogeu unb fleinen ^räud)e unb nament(id) bie tägliche SebenStDeife t)on 3ebevmaun feftjufejjeu. SJ^öglid; tuareu feine Gebauten,
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fo getütg Me be^ 9[)hif)ammcb möglidi tparen: ftnb boc^ t)te( unglaubltd^ere, bie be^ (5^1}rt[tent^um§, aU möglid) beriefen Sorben! @tn paar ^^[äUe tDeniger unb ein paar onbere ^i^föHe mef)r — unb bie SBelt tjötte bie ^(atonifiruttg be§ eurojjöif^en <Süben§ erlebt; unb gefegt, biefer ^i^f^^nb bouerte je^t nod) fort, fo njürbe mut!)== maapd) in ^lato ha^ „gute ^rinci^" t)on un§ üerefirt toerben. 5lber ber ©rfolg fehlte if)m: unb fo Blieb i^m ber 9^uf eines ^^antaften unb Utopiften — bie !)ärteren Spornen finb mit bem alten 5lt^en gu ©runbe gegangen.
497.
^a§ reinmodjenbe 3lugc.— SSon „©entuS" njöre om el^eften bei fold^en 9J?enfd^en ju reben, tt)o ber ©eift, tüie bei pato, ©pinoja unb ^oet^e, an ben (Sf)ara!ter unb baS ^em|)erament nur tofe ange!nüpft erfd^eint, olg ein beflügelte« SBefen, ha^ fid) öon jenen leidjt trennen unb ftd^ bann ujeit über fte erl)eben !ann. dagegen l^aben gerabe folc^e am lebljafteften üon iljrem „®eniu§" gefjjrod^en, n)eldje t)on i^rem Temperament nie Io§!amen unb i()m ben geiftigften, größten, allgemeinften, ja unter Umftänben !o§mifd^en 5lu§brud 5U geben irugten (iDie jum Seif<)iel @d^openl)auer). ^iefe ^enie'S !onnten nid^t über fid) l)inau§fliegen, aber ftc glaubten fid) öor^ufinben , n)icber§ufiuben, h)ol)in fic aud^ nur flogen, — ha^ ift i^re „©röge", unb !ann ®rö§e fein! — ^ie 5lnberen, lt)eld)en ber 9Zamc eigentlicher jubmmt, l^aben ha^ reine, reinmad^enbe §luge, baS ni(^t au« iljrem Temperament unb Sljara!er gen)ad^fen fd^eint, fonbern frei Don i^nen unb meift in einem milben Sßiberfprud^ gegen fie auf bie SSelt lote auf einen (SJott blidft unb biefen (55ott liebt, ^ud^ i^ncn
521 ^
Ift aber bicfcS ^lugc nic^t mit ©tnem TlaU gefrf)enft: e§ giebt eine Übung unb SSorfrf)u(e beö (Sel)enä, unb n»er re^tcg Q^iM f)at, finbet jur rechten Qdt aud^ einen Seigrer beä reinen ©e^cu^.
498.
S^id^t forbern! — 3^r fennt i^n nid^t! 3a, er untertoirft fid) leicht unb frei ben 3J?enfc^en unb ben fingen unb ift gütig gegen SSeibe; feine einzige S3itte ift, in ffiuf)t gelaffen ju toerben, — aber nur fo lange 3)?enfd^en unb ^inge nid^t Untemjerfung forbern. SllleS gorbem mac^t i^n ftol^ f^cu unb !riegerifd^.
499.
^er S3öfe. — „^ir ber ©infame ift böfe!" rief ^iberot: unb fogleid^ füf)Ite fid^ Ülouffeau töbt(id§ ttex- le^t. golglic^ geftanb er fid^ gu, bag SDibcrot 9fiec^t l^aht. 3n ber -Xf)at \)at jeber böfe §ang inmitten ber ©efeüfd^aft unb öJefelligfeit fo öiel B^^^^Ö P^ ^^^' t\)un, fo t)iel Sart)en t)or5unei)men, fo oft ftd) felbft in bo§ ^rofrufte3'S3ett ber Xugenb ju legen, bag man recfjt tüo()t öon einem 3}?ävttjiert^um be§ SBöfen reben fönnte. 3n ber ©infamfeit fäUt bieg OTeg bal)in. 9Ser böfe ift, ift c8 am meiften in ber (Sinfamfeit: aurf) am beften — unb folglich für ba^ ^Tugc beffen, ber überall nur ein ©djaufpicl fietjt, and) am fd)önftcn.
500.
SSiber ben «Stiid;. — @in Genfer fann fid^ 3al)re long gn)ingen, njibcr ben ©tric^ ju beuten: id^ meine,
— 522 —
ittc^t bcn ®ebatt!en ju folgen, bic fid^ i^m öon Snnett f)tx anbieten, fonbem benen, ^u toeld^en ein "ämt, eine öorgefd^riebene 3^teintl^et(ung, eine njtttfürlid^e 5(rt öon gleiß i^n ju berjjftid^ten fd)einen. (£nblid) aber tüirb er franf: benn biefe anfd^einenb ntoralifd^e Übertüinbung öerbirbt feine 9^ert3en!raft ebenfo grünbtid), ttjie e§ nur eine jur Oiegel gematfite ^uSfiiimeifung t^un fönnte.
501.
©terbltci^c ©eelen! — Sn ^Betreff ber ©rfenntnig tft DicIIetd)t bie nü^lid^fte (Srrungenfd)aft: \)a% ber ©laube an bie unfterblid^e ©eele aufgegeben ift. Sefet barf bie 3J?enfd^t)eit toarten, je^t ^at fie nidjt met)r nötl^ig, ficf) ju überftürjen unb ^albgeprüfte ©ebanfen I^inunter^utDürgen, tt)ic fie ef)ebem mußte, ^enn bantalä l^ieng ha^ §ei( ber armen „ett)tgen @ee(e" t)on i^ren ©r!cnntniffen n)ä()renb be^ !ur§en Seben^ ab, fie mußte fid^ öon §eut äu SJ^orgen entfd^eiben — bie „ßrfenntniß" t)atte eine entfe^(id)e Sßid^tigfeit! 2öir t)a6en hm guten 9J?ut^ äum Srren, SSerfu^en, SSor(äufig=ne(}men tpieber erobert — eg ift aEe^ nid^t fo ttjid^tig! — unb gerabe be^l^alb föunen Subioibuen unb ^efdjled^ter je^t -tof gaben t)on einer (SJroßartigfeit in'^ 5luge faffen, iuetdje früheren 3eiten aB 2öat)nfinn unb @piel mit §immel unb göKe erfd)ienen fein n)ürben. 3Bir bürfen mit un^ felber ejj)erimentiren! Sa bie SJ^enfc^^eit barf e^ mit fid)! ^ie größten Opfer finb ber (Srfenntniß nod^ nid^t gebrad)t njorben — ja e§ toöre früher ^otte^Iäfterung unb ^retögeben beS etoigen §ei(g gen^efen, fold^e ®c* banfen au(^ nur ju at)nen, ttjie fie unfemt ^l^un jegt t)oranIaufen.
— 52.3 —
502.
©in SSort für bret öerfd^tebcnc gwftänbc. ~ 3n ber fieibenfrfjaft brtcf)t Bei tiefem boS tüilbe fd^eu^tirfic unau§[te^Iid^e X^ier ()ert)or; Sener erl^ebt ftd^ burc^ ftc in eine §ö^e unb ©röge unb $rad)t ber (SJebärbe, gegen bie fein fonftige^ @ein bürftig erfd^eint. (Sin dritter, burd^ unb burc^ öerebelt, ^at aud^ ben ebelften @turm unb ^rang, er ift in biefem 3iiftonbe bie iüilb* fd^öne Statur unb nur um einen ®rab tiefer al§ bie große ruliig-fd^öne Statur, tpeld^e er für getoö^nlic^ barfteHt: aber öon ben SJ^enfd^en tt)irb er in ber Seiben* fdE)aft mef)r begriffen unb gerabe biefer 9J?omente ipegen ntel^r öerel^rt — er ift i^nen ha einen ©d^ritt nö^er unb öermanbter. @ie empfinben (SntgüdEen unb ©ntfe^en bei einem foldjen 5(nb(id! unb nennen ii)n gerabe ha: göttüd^.
503.
^reunbfd^aft. — Sener (Sintüanb gegen baS p^i(üfo))^ifd}e Seben, bag mon mit it)m feinen greuiibcn unnü^Iid^ n)erbe, toäre nie einem 9J?obemen ge!ommen: er ift antif. ^aö 5lltert^um f)at bie greunbfd^aft tief unb ftar! aufgelebt, auggeba^t unb faft mit fid) in'§ ^rab gelegt. ^ie§ ift fein Sßorfprung Dor unS: bagegen l)aben n)ir bie ibeatifirte ®efc^tedE)t^3liebe aufjuujeifen. ?l(Ie großen Xüd^tigfeiten ber antifen 3!T?cnfc^en fjattcn barin if)ren §a(t, ha^ 9J?ann neben 90?ann ftanb, unb baß nid^t ein SBeib ben 5(nfprud^ ergeben burfte, bag 9^äd^fte ^öd^fte, ja (Sinnige feiner fiiebe ju fein, — njie bie ^affion ju empfinben leiert SSielleic^t n)ad^fen unfere Säume nic^t fo l)od^, tuegen be^ ®pl)eu'd unb ber Sßeinreben baran.
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504.
^erjöf)nenl — ©oute e« benn bte 5litfgabe ber ^45t)ilofo^)I)ie fein, jtütfd^en bem, \üa^ ba^ ^inb geternt imb ber 9J?ann erfannt l^ot, ju öerfö^nen? (Sofite bte $^t(ofopl}te gerabe bie 5tufgabe ber Süngltnge fein, tüeil biefe in ber DJJitte §tüif(^en ^inb unb 3J?ann ftet)en unb ha^ mittlere S5ebürfm§ ^aben? gaft njill e^ jo fc^einen, trenn man ertragt, in treld^en ßeibenSaltem bie ^f)\io- \op^m je^t i^re Sonce^jtion ju mad^en pflegen: bann, trenn e^ gum Glauben gu fpöt unb §inn SSiffen noc^ ju frü^ ift
505.
^ie $ra!tifrf)en. — SSir Genfer ^abcu bcu SBol)Igef^mac! aÖer ^inge erft feftgufteEen unb nötl}igenfall§ i^n ju belretiren. ^ie praftifc^en Seutc nef)men il^n enblid) t)on un§ an, \\)ve 5ri)f)än gigfeit tjon nn§ ift ungtaublid^ gro§ unb ha^ lädjerlidjfte ©d^aufpiel ber SBelt, fo njenig fie um biefelbe n)iffen unb fo ftol^ fte über un§ Unpvoftifd^e l^innjegsureben lieben: ja fie h)ürben i^r pra!tif(^e§ Seben geringfd^ä|en, ftienn trir e^ geringfdjö^en trollten: — ujo^u un§ l^ier unb ba ein ffeine^ 9?ad}egelüft reiben fönnte.
506.
^ie nöt^ige ^luötrodnung aüeö @uten. — 2öie! äJ^an muffe ein 2öer! gerabe fo auffaffcn njie bie S^\t, bie e§ §ert)orbrad^te? 5lber man l^at me^r greube, me^r (Srftaunen unb aud^ met)r ju lernen baran, n)enn man e§ gerabe nid^t fo auffaßt! ^ahi il^r nid^t gemerh, bag jebe^ neue gute SSer!, fo lange e» in
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ber fcu^ten ßuft feiner 3^* ^^^9^ feinen mtttbeften 2öert() 6eft§t, — gerabe toeil eg fo fcl^r nod^ ben (5^eru^ be§ 2I?arfte§ unb ber ©egnerfd^aft unb ber neueften äJ^einungen unb oHe^ SSergängtidien 5tt)ifd)en §eut unb 9J?orgen an fid) trögt? ©pöter trorfnet e§ aug, feine „3eitlid^!eit" ftirbt ah — unb bann erft 6e!ommt e^ feinen tiefen ©lanj unb Söol^tgeru^, ja, ttjenn e^ barnac^ ift, fein ftiffeS 5luge ber (Smigfcit
507.
®egen bie ^t;raiutei beö Sßa^ren. — (Scibft tüenn tuix fo toü luären, aüe unfere 2)?einungen für mol^r 3U Ratten, fo mürben tüir bod^ nid^t njoÖen, baß fte attein ejiftirten — : id§ UJÜfete n\d)t, toavurn bie ?It(ein= ^errfrf)oft unb 5(((ma^t ber 2öa^r()eit ju loünfd^en ioöre; mir genügte fcf)on, ba§ fie eine grofee äJ^ac^t ^abe. 5l6er fte mug fäntj)fen fönnen unb eine ^egnerfd^aft ^aben, unb man mu§ fic^ öon il^r im llntoaf)ren ab unb ju ert)oIen fönnen — fonft rairb fie unä (angttjeilig, froft= unb gefdjniacflo^ n^erben unb unÄ eben ba§u auc^ machen.
508.
^lid)t patt)etifc^ nehmen. — ®a^, loa« loir t^un, um unö ^u nü^en, foK und feinen moralifd^en Sobfprud) eintragen, n)eber oon ?tnbern, nod^ üon und felber; ebenfo tt)enig bad, mad »ir t!)un, um und an und 5U freuen. 3n folc^en gäHen bad ^atl)etifd^*nef)mcn abn)eifen unb fi^ felber alled ^at()etifc^en entl)alten ift ber gute ion bei allen pt)eren 3Kenfc^en: unb loer fid^ an i^n geujö^nt ^at, bem ift bie Si^iöetät toiebergefc^enh.
— 520 —
509.
^a§ britte ^(uge. — 3Bie! bu bebarfft noc^ bc« ^^eaterg! liöift bu noc^ fo jung? SBerbc !(ug unb fud^e bie ^ragöbtc unb ^omöbte bort, tüo fic beffer gcfptelt ttjtrb! 2Ö0 e^ tntereffantcr unb intereffirtcr jugel^t! Sa e§ ift nid^t ganj le^t, babet eben nur gufd^auer ju bleiben, — aber lerne eS! Unb faft in aöen ßagen, bie bir fd^tüer unb :peinlid^ fallen, l^aft bu bann ein ^förtd^en jur greube unb eine 3uftud^t, jelbft tiod^, tnenn beine eignen Seibenfd)aften über bid^ Verfallen. 9}?ad)e bein X^eater-^uge auf, \)a^ grofee britte 5(uge, n)e(d)e§ burd^ bie ^tpei anbeten in bie Sßelt fd)aut!
510.
(Seinen Xugenben entlaufen. — SSa§ liegt an einem !5)enfer, toenn er nid^t gelegentlid^ feinen eignen Xugenben ju entlaufen tpeijsl @r foll ja „nid^t nur ein momüfc^e^ Söefen" fein!
511.
^te i8erfud^erin. — ^te @f)rlid^!eit ift bie gro^e ^erfud^erin aller ^anatifer. 2Ba^ ft(^ ßutl^ern in ©eftalt be^ ieufetö ober eines fd^önen 3BeibeS ju naiven fd)ien unb n)a§ er auf jene ungefd^lad^te 3Ranier öon fid^ abtoel^rte, tnar ttjol^l bie (£^r(id|feit unb öieEeidjt, in fettneren gäÜen, fogar bie 3ßa^rf|cit.
512.
®egen bie 6ad)en mut^ig. — Sßer feiner 9'iatur nad^ gegen ^erfonen rüdfid^tSt)olI ober ängftlid^ ift, aber feinen Wnii^ gegen bie ©ac^en ^at, fd^eut fid^ oor
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neuen unb nö^eren 55efanntfc^aften uub 6efc{)ranft feine alten: bamit fein incognito unb feine TOcfftrfjt^fofigfeit in bet 2öa()rt)cit 5ufanimemt)ad)jen.
513.
©d^ranfe unb (Sci^önl^ett. — @uc{)ft bu 9D?enf^en mit fd^öner ßultur? 5(6er bann mußt bu bir, tote »enn bu td)öne ©egenben fuc^ft, aud^ befd^rdn!te §(ugs fid^ten unb 5lnfid^ten gefallen laffen. — ©etDtß Qtebt e^ aud§ panoramatifd^e 9}?enfd^en, gctüife finb fie, njte bie ^anoromatifd^en ©egenben, te^rreid^ unb erftaunlidf): aber nid^t fd^ön.
614.
%n bie (Stär!eren. — S^r ftär!eren unb t)od^= mütf)igen ©eifter, nur um (Sin^ feib gebeten: legt un§ toberen feine neue fioft auf, fonbem nel)mt ettoa^ t)on unferer ßaft auf eud^, ba i^r ja bie ©törferen feib! $l6er i^r mad^t eS fo gerne umgefe^rt: benn i^r ttJOÜt fliegen, unb be^^alb foöen njir aud^ nod^ eure Saft ju unfrer tragen: ba^ ^eigt totr follen Wecken!
515.
Suna()me ber @rf)ön]^eit. — Söarum nimmt bie @d)önl)eit mit ber ©iöilifation ju? 953eil bei bem ciüilifirten 9J2enfcf)en bie brei (5JcIegenl)eiten gur ^ößlid^feit feiten unb immer feltener fommen: erftend bie 5lffe!te in i^ren tt)ilbeften 5ludbrüd^en, ^totittn^ bie leiblid^en 5lnftrengungen beö äugerften ©rabed, brittcnd bie ^ötiju gung, burd^ ben 5lnblidf gurc^t einzuflößen, tt)eld§e auf nieberen unb gefiiljrbeten (Sulturftufen fo groß unb ^öufig ift, baß fie felbft ©ebärben unb Zeremoniell feftfe(jt unb bie §ftßlid^!eit jur ^flid^t mad)t.
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516.
Petiten ^ömon ntrf)t in bic 9'^äd^ften fol^ren laffen! — 53(eiben lüir immerhin für unfere ^tit babci, ha^ SBoi^ItooIIett unb SBo^It^un ben guten SKenfd^en au§mad^e; nur lagt un§ l^tngufügen: „t)orau^gefe|t, ha^ er 5uerft gegen Jtd^ felber tt)ot)(tt)oIIenb unb tdol}U itjumh gefinnt fei!'' 2)enn o^ne ^iefe§ — menn er t)or fid^ fliegt, fid^ ^aßt, fid) @d^aben ^ufügt — ift er gemi^ fein guter 3)?enf^. SDann rettet er ftd^ nur in bie 5(nberen, öor ftd^ felber: mögen biefe Ruberen jufei^en, bog fte nic^t fd^Iimm babei fal^ren, fo n)ot)l er i^nen onfc^einenb and) tviUl — ^6er gerabe bie§: bog ego fliegen unb l^affen unb im 5tnberen, für hti\ 5lnberen leben — l^at man bi^^er, ebenfo gebanfenloö at^ guöerfic^tlid), „unegoiftifd^" unb fotglid^ „^nV geheißen.
517.
Svix Siebe öerfü^ren. — äöer fic^ felber ^agt, ben f)aben n)ir ju fürd^ten, benn toir werben bie D^fer feinet ©rollg unb feiner ^od^e fein. (Selben toir alfo 5U, tt)ie njir il^n jur Siebe ^u fid^ felber Derfü^ren!
518.
9f?efignation. — Sßa^ ift Ergebung? ©§ ift bie beqüemfte Sage eineö ^an!en, ber fid^ lange unter aj^artem f)erumgen)orfen ^at, um fte ju finben, ber boburdf) mübe lüarb — unb fie nun aud) fanb!
519.
S3etrogen tucrben. — Gobalb \f)x t)anbe(n moUt, müßt it)r bie %^ixx jum 3^^^M öerf^üefeen, — ]cic\k
— 529 —
ein ipanbelnbinc. — Unb bu fürd)teft bid^ ntc^t, auf biefe SSeife ber iöetrogenc ju toerben? — anttoortetc ein S3efc^autid^er.
520.
2)ie ciüige Xobteufeier. — (5^ fönnte jcmanb übet bie ®efd)tc^te tueg eine fortgefegte (55ra6rebc ju Ijören glauben: man begrub unb begräbt immer fein Siebfte^, (5Jeban!en unb Hoffnungen, unb eri)iett unb erhält ©tolj bafür, gloria mundi, baS l^ei^t ben ^omp ber ßeid^enrebe. 2)amit foll alle§ gut gemacfjt loerbcn! Unb ber Seic^enrebner ift immer nod^ ber größte öffentliche Sßo^ltl)äter!
521.
5lu3nar;me^(SiteIfeit. — Sener f)at @inc §o§e (Sigenfc^aft, ju feinem Xrofte: über ben 9ieft feinet Sßefenä — eg ift faft alleg 9fieft! — gleitet fein S3licf terädjtlid) ^in. ^ber er erl)olt fic§ üon ft^ felber, tt)enn er toie ju feinem ^eiligt^um gel)t; fc^on ber Sßeg ba^in bünft i^m loie ein 5luffteigen auf breiten fanften ©tufen: — unb i^r ©raufamen nennt i§n beö^alb eitel!
522.
!IDie SBeiä^eit ol)ne Dl)ren. — ^ägticf) ju ^ören, \m^ über un8 gefprod^en njirb, ober gar ju crgrübeln, hjaä über unä gebadet loirb, — bag öernid^tet ben ftär!ften 9J?ann. ^arum laffen un« ja bie Hnbem leben, um täglid) über ung D^e^t ju bel^altenl @ie tuürben unä ja ni^t auö^alten, n^enn loir gegen ftc 9?ed)t l)ätten ober gar l)aben toollten! Äurj, bringen tuir ber allgemeinen S3erträglic^!eit bag Opfer, ^ordften
9lleöfd)e« SOöevtc. Rlaff -«ulfl. IV. 'M
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mir ttt(f)t f)tn, hjcnn ü6er un§ getebet, getobt, getabelt, gett)ünfd)t, gcl^offt iptrb, benfen tptr aud§ md)t einmal baran!
523.
§interftagen. — S8ei OTem, tpa§ ein 3Jienfc^ fidjtbor n)erben lägt, !ann man fragen: n)a§ |oII e§ verbergen? Sßoöon fott e§ ben S3Ii(i ablenfen? Söeld^eö ^orurt^eil foH e^ erregen? Unb bann nod^: bi^ toie meit ge^t bie gein^eit biefer Si^erfteUnng ? Unb morin Vergreift er fic§ babei?
524.
(£iferfu(^t ber ©infamen. — 3^^W^" gefeUigen unb einfamen DZaturen ift biefer Unterfd^ieb (öorauSgefe^t bog beibe @eift l^aben!): bie erftem toerben aufrieben ober beinal^e aufrieben mit einer <Baä)t, rt)eld)e fie aud^ fei, öon bem 5lugenb(ide an, ba fie eine mittf)eilbare glüctlid^e Sßenbung über biefelbe in i^rem Reifte gefunben fjaben, — ha^ öerföl^nt fie mit bem Teufel felber! ^ie ©infamen aber i^aben il)r ftiüeö ©ntgürfen, i^re ftiHe Cual an einer (Ba6)t, fie f)affen bie geiftreid^e glönjenbe 5Iu§fteIIung i^rer innerften Probleme, tt)ie fie hk adju getüä^Ite Xrad^t an i^rer beliebten l^affen: fie fe{)en bann me(and)o(ifd^ auf fie ^in, tok ate ob ber ^erbad^t i^nen aufftiege, ba^ fie 5lnbent gefallen ttJoHe! ^ieS ift bie ©iferfud^t aller einfamen Genfer unb leibenf(^aftlid)en Xräumer auf ben esprir.
525.
2öir!ung be^ ßobe^. — ^ie ©inen tuerben burd^ großes Sob fc^am^aft, bie 5lnbem fred).
531
526.
'üflid^t (öijmbol fei» ttjollen. ~ 3(^ Seflage Die gürften: el ift i^nen nic^t erlaubt, ftd^ äeittüeilig im S3erfef)re ju annuÄiren, unb fo lernen fie bie SD'^enfd^en nur aus einer unbequemen Sage unb SSerfteKung fennen; ber fortträ^renbe 3^^"9' ^^^^^ ä^ bebeuten, mad^t fie jule^t tf)atfäd)lic^ ju feierlid^en Sauden. — Unb fo ge^t eS aEen, ttjelc^e i^re $f(id)t barin fe^en, (Symbole 5u fein.
527.
^ie IBerftedften. — §abt if)r jene 9J?enfc5en noc^ nidjt gefuuben, loeldje aud^ if)r entjücfteS §erj feft^alten unb preffen, unb njelc^e lieber fhtmm loerben, aU ha^ fie bie (Sd)am beS SJ^aageS Verlören? — Unb jene Unbequemen unb oft fo (Gutartigen fanbet i^r auc^ nod^ nid)t, tpelc^e nid^t erfannt ttjerben tDoHen, unb bie it)re gugtapfen im @anbe immer tt)ieber üeriuifdjen, ja bie SSetrüger finb, Dor ^Tnberen unb üor fid), um t)er=^ borgen ^u bleiben?
528.
[ ©eünere (Snt^attfamfeit. ~ (5d ift oft fein geringe^ 3^^^" ^on Humanität, einen Zubern nid)t beurtt)eilen ju rvoUtn unb fid^ ju rpeigern, über it)n ju bcnfen.
529.
SBoburc^ 50?enfd)en unb SSöIfer ©tan^ bc^ fommen. — 2öie Uiele äc^te inbiüibuelle ^anblungen tDerben be0()a(b unterlaffen, weil man, beöor man fie tt)ut, einfielt ober orgtoö^nt, bag fie migöerftanben
— 532 —
toerbeu! — olfo gerabe jene ^anblungen, tücl^e überhaupt SöertI) ^aben, im ®uten unb (S^limmen. 3e f)öt)er alfo eine 3^^^ ^'^^ ^o^^ ^i^ Snbimbiten adjkt, unb je me^r man il^nen ha^ 9^ed§t unb Übergctüic^t gugeftel)!, unt fü me^r §anblitngen jener ^Ixt tuerben ficf) an'§ Sid^t umgen — unb fo breitet fid) gute^t ein (Stimmer t)on (Sljrlid^feit, öon ^Idjt^eit im ©uten unb (Schlimmen über ganzen Qcitm unb SBöIfem au§, ha^ fte, tt)ie jum iöeifpiel bie (5Jriec^en, nad^ i^rem Untergange nod^ Sa^r= taufenbe (ang gleie^ mannen @tenien fortleudjten.
530.
Umfd}h)eife be§ Genfer«. — 93ei ÜJ^andjen ift ber ©nng if)reg gefammten ^enfenö ftreng unb un= erbittlidj fü^n, ja, mitunter graufam gegen \\^, aber im (Sinjelnen finb fie mitbe unb beugfam; fie breiten ftd^ geljunml um eine ^a^c, mit tnol^tmollenbem S^Ö^n, aber enb(id) geljen fie i^ren ftrengen Sßcg tüeiter. ß'o finb (Ströme mit öielcn ^ümmungen unb a6gefd)tebnen (Sinfiebeleien; e§ giebt ©teilen in itjrem Saufe, tuo ber (Strom mit fid^ fetber Sßerfteden^ fpielt unb fic^ eine furje Sbtjtte mad)t, mit Snfeln, ^Bäumen, ©rotten unb ilBafferfälien: unb bann jietit er lieber toeiter, an gclfen uorüber unb fid) burd) \)a^ ^örtefte ©eftein ätringenb.
531.
^ie 5lunft anberS empfinben. — 53on ber ^cit an, wo man einficb(erifd} = gefenig, öer5ef)renb unb Der- äef)rt, mit tiefen frud}tbaren ®eban!en, unb nur nod^ mit i()nen, kht, tvxü man Don ber ^unft enttt)eber über* ^aupt ntd)t^ me^r ober man ioiH ettoaö gonj 5(nbered
— 533 —
alä früt)er — baö Ijcigt man önbert feinen (5Je(c{)macf. ©enn fruf)er tpollte man burd^ bie %l)üx ber ^nft gerabe in ba§ Clement auf einen ^Tugenblic! ^ineintaudjen, in lüeldjem man nun bauernb lebt; bamalg träumte man fid) bamit in ba^ ©ntjüden eine^ S3efi6eS, unb nun bc\ii^t man. Sa, Dorübergeljenb hjegtoerfen, luaS man je^t f)at, unb fid^ arm, alä ^inb, S3ettler unb S^arr träumen — fann unS nunmefjr gelegentlirf) entjücfen.
532.
„^ie ßiebe mad^t gleid^." — ^ie Siebe toiü bem Stnbern, bem fie fic^ n)eif)t, jebeä ®efüf)l Don grembfein erfparen, fie ift folgfid) üoUer SSerfteßung unb §(nä^n(id)ung, fie betrügt forttt)ä^renb unb fd^aufpielcrt eine ©Iei(^f)eit, bie e^ in 2Ba!C)r!C)eit nidjt giebt. Unb bieö gefd^ieE)t fo inftinftiü, ba^ liebenbe grauen biefe SSerfteüung unb beftänbige jartefte Betrügerei ableugnen unb !ü^n be^au^ten, bie ßiebe mad)e g(ei^ {\)a^ tieigt fie tt)ue ein SBunber!). — !J)iefer S3organg ift einfarf), h)enn bie eine ^erjon fid§ lieben lägt unb eö nid)t nötl)ig finbet, fic^ ju Derftcllen, üielme^r bieö ber anbern, liebcnben überlädt: aber nid)t^ ^^ertüideltereS unb Unbuvd)bnngbarere§ öon @d)aujpie(erei giebt e«, als hjenn beibe in ber t)olIen fieiben[d^aft für einanber fiiib, unb folglid^ jcbcr fid) aufgiebt uiib ftdj bem knbern glcid)ftellen unb iljm allein gleid)mad;en \mü: unb feiner jule^t mel;r toeig, maä er nad^a^men, UJOju er fid) berf teilen, alö tva^ er fid; geben foll. ^ie f^önc Xüllljeit biefeö (S^aufpiclä ift ju gut für biefe SBclt unb ä" fein für menfdjlic^e klugen.
— 534 ~
533.
2ötr ^nfäuöer! — 2Bag errätt) unb fieljt ein @d^aufpieler 5IÜc§, toenn er einen anbern fpielen fte^t! @r tüä^ c§, tüenn ein 9}hi§!el an einer ©ebärbe ben ^ienft Derf agt, er fonbert jene !(einen gemachten ^inge ab, tüelc^e einzeln unb faltblutig öor bem (Spiegel eingeübt [inb unb nidjt in'S ©ange ^ineinnjad^Jen njoHen, er fül^It e§, ttjenn ber (Sj)ieler öon feiner eignen (Srftnbung auf ber (Scene überrafd^t tuirb unb lüenn er fie in ber Übenafdjung öerbirbt. — SSie anberS tDieber fiel}t ein SD^alcr auf einen t)or i^m ftd^ belüegenben 9}?enfd^en! (£r fielet namentlid^ fofort öiele^ l)in§u, um ba§ ©egenlüörtige ju üeröoEftänbigen unb §ur ganjen 2öir!ung 5U bringen; er ^jrobiert im ©eifte meljrere Seleud^tungen beSfelben (SJegenftanbe^, er biöibirt ha^ @anje ber 2öir!ung burd^ einen ©egenfag, ben er {jingufteKt. — Rotten tuir bod^ erft baS 5luge biefe§ ©c^aufpielerS unb biefeg Wlakx^ für ba§ fReid^ ber menfcfjlic^en ©ceten!
534.
^ie f( einen ^ofen. — ©oK eine ^eränbcrung mögüd^ft in bie Stiefe geljen, fo gebe man ba^ Wlxtid in ben flcinften ^ofen, aber unabläffig auf njeiteß^it^ ftreden binl 2Bag ift ©rogeg auf (£in 9JM gu fdjaffen? @o ujollen njir un§ pten, ben S^f^^^^^ ^^^ 3J?oraI, an ben tüir gelt)öf)nt finb, mit einer neuen SSertf)fd^ä^ung ber ^inge §alö über Ä'opf unb unter (SJeiüaltjamfeitcu ju t)ertaufd)en, — nein, toir XüoUm in i^m nod^ lange, lange fortleben — big inir, fe^r fpät üermut^li^, innc merben, bag bie neue $Bertf)fd^ä^ung in unö §ur überiüiegenbcn öJenjalt gen)orben ift unb \>a\i bie !(cinen
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ÜDofen berfelbcn, an bic tüir un5 t)on jc^t ab gcnjö^nen muffen, eine neue Statur in unS gelegt ^abcn.
— 9J?an fangt ja an, aud^ bieg ein§ufe{)en, baß ber le^te $8erfud^ einer großen SSeranberung ber Sßertt)* fd^ö^nngen, unb gtüar in S5e§ug auf bte |)o(itifd)en ^inge
— bie „groge Sf^eüolution" — , nid)t me^r tpar alS eine ^atf)etifd^e unb blutige du acff alberet, n^el^c burd^ |)Iö^Ii4e 5lrifen bem gläubigen (Europa bie Hoffnung auf plö^lid)e ^enefung bei§ubringen wn^k — unb ba.mit atte politifc^en Tanten big auf biefen 3Iugenblicf ungebulbig unb gefätjrlicl} gemad^t ^at.
535.
2)ie 9ßal)rljeit l)at bie Waä^i nöt^ig. — 5ln fid^ ift bie 3öaf)rl^eit burd^aug feine Wa6)t — ftjae aud^ immer beg (SJegentl^eilS ber fd^öntl)uerifd[)e tofflärer 5U fagen gen)ol)nt fein mag! — @ie mu{5 öielme^r bie 9J?ad^t auf i^rc (Seite jielien ober fidl) auf bie (Seite ber ^adjt fd)lagen, fonft njirb fie immer tüieber ju ©runbc gcljen! ^Dieg ift nun genug unb übergenug beriefen!
536.
^ie "©aumenfdliraube. — @g empört cnblid^, immer unb immer tt)ieber gu fefjen, tt)ie graufam jeber feine paax ^riöat-^ugcnben ben ^Inberen, bie fie jufällig nidjt l^aben, aufredljuct, wie er fie bamit jnjicft unb plagt. Unb fo moffen tt)ir eg aud^ mit bem „(Sinn für ^icblidjfeit" menfdjlid^ treiben, fo gen)i§ man an i^m eine ^aumenfd)raube befi^t, um allen biefen gro6= artigen (Selbftlingen, bie aud) je^t nodE) iljren Glauben ber ganzen ^elt oufbrängen UJoÖen, biä auf* Jiölut tpel^c ju t^ün: — tt)ir l^aben fie an unS f eiber erprobt!
586
537.
aWciftcrfd^afi — 1)tc SJ^etfterfc^aft tft botttt erretrf)t, toenn man ftd^ in ber ^(uöfü^nmg trcber öergreift, nod^ äögett.
538.
SJioralifd^er Srrftnn be^ ©enie'g. — S3et einer gcloiffen (Gattung groger ©eifter gtebt e^ ein peinlic^eg, ivcm %i)txl fürd)terlid§e§ @c^aufpie( ju Beobachten: tf)re frud^tbarften 5lugenblide, i^re glüge auftoörtS unb in bie gerne jc^einen i!)rer gefammten (Sonftitution nid^t gcmög ^u fein unb irgenbtrie über beren ^aft l^inauö- jugel^en, fo ha^ jebeSmal ein ge{)Ier nnb auf bie 2)auer bie gei)Ier:^aftig!eit ber 3J?afc^ine jurüdtbleibt, alä toeId)e ftd§ aber loieberum, bei fo \)0^ geiftigen Staturen, njie ben I)ier gemeinten, in aEerlei moraüfd)en unb intelle!tuellen @5m))tomen t)iel regelmäßiger alö in töxp^t* lid^en S^otl^guftänben ju erfennen giebt. <öo fönnte ba§ unbegreifli^ 5lngft(id)e, (gitle, ©e^äffige, S^ieibifi^e, ©ingefd^nürte unb (Sinfd^nürenbe, h)e(d|e§ plö|(icf| auö iE)nen ^ert)orf<)ringt, jeneS gange 5lll5uperfön(id)e unb Unfreie in Staturen, toie benen 9?ouffeau'§ unb (Sci)oj)eni^auer'g, red^t too'^l bie gotge eine§ ;periobi[c^en §er§Ieiben§ fein: bie§ aber bie golge eineS S^eröenletbenS,
unb biefeg enblid^ bie golge . @o lange ber ©eniuö
in un^ tüo^nt, finb toir be^erjt, ja toie toß, unb achten nid^t beg SebenS, ber ©efunbl^eit unb ber @]^re; toir burd)f(iegen ben Xag freier aU ein Slbler unb finb fidlerer im SDun!e( alg bie (£u(e. 5(ber auf einmal öerlögt er un§, unb ebenfo plö^lid^ fällt tiefe gurd)tfam!eit auf unS: toxi oerfte^en unS f eiber nid^t metjr, toir leiben an allem Erlebten, an aüem Sf^idjterlebten, toir finb toie
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unter narften %d\cn, bot einem 6turmc, unb juglei^ tote erbörmlid^e ^bSfeelen, bie ftd^ bor einem ©erajdjel unb einem ©(Ratten fürd^ten. — ^ei SSiertet alleS S3öfen, bag in bcr Söelt get^an roxxb, gefd^ietit au^ gurd^tfamf eit : unb biefe ift bor Willem ein pt)t)fioIoQtf^er SSorgang !
539.
Sßtfet i§r aud), toaä i^r toollt? — ^at eud§ nie bie 5lngft geplagt, i^r möd^tct gar nidjt baju taugen, ba§ tt)aä tüa^r ift, ju erfennen? ^ie 5Ingft, ha^ euer ©tun ju ftumj)f unb felbft euer gcingefül)! be§ ©ef)en§ noc§ biel gu grob fei? Söenn iljr einmal merltct, toa^ für ein Söille hinter eurem ©e^en loaltete? 3""^ 93eifpiel tük i(jr geftem me^r feljen tooötet al§ ein Slnberer, ^eute eS anberS feigen njollt afö ber 5(nbere, ober toie i^r bon bom^erein eud^ fel)nt, eine Übereinftimmung ober ba§ ©egent^eil bon bem ju finben, loaS man biSi^er ju finben bermeintel D^ ber fd^ämenStoert^en ©elüfte! 2Bie ii)r oft nad^ bem @tarftoir!enben , oft nad) bem S!3erut)igenben au§fpät)t — hjeil i^r gerabe mübe feib! Smmer boller geheimer SSor^erbeftimmungen , loie bie Sa!)rt)eit befcf)affen fein muffe, ba^ it)r, gerabe xf)x fie annehmen lönntet! Ober meint it)r, f)eute, ha \l)x gefroren unb troden mie ein l^eller 93iorgen im SBinter feib unb eud^ nid^tö am ^ergen liegt, i^r l^ättet bcffere klugen? ®et)ört nic^t SBörme unb ©c^toärmerei ba^u, einem ©ebanfenbinge ©erec^tigfeit ju fc^affen? — unb bad eben ^eigt <SeI)en! §11^ ob ii;r übcrijaupt mit ®eban!cnbingen anberä berfe^ren Jönntet a(3 mit 3Renfd)en! (£ö ift in biefem SSerfcIjre bie gleidjc 3J?oraütät, bie gteidje ®^rcnl}aftigfeit, ber glcid)e §intcrgcban!e, bie gleiche ©c^Iaff^eit, bie gleiche gurc^tfamfcit —
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euer ömt^e^ (te6c§ unb l^affenStüürbigeS 3d)! @urc för})erttd§en ©rmottungen tüerben ben fingen matte garBctt geben, eure gieber iDerben Ungeheuer ou§ t^nen mod^en! Seud^tet euer äJ^orgen md)t anber§ auf bie 2)tnge al§ euer 5l6eub? gürd)tet i^r ntc^t in ber §ö^le jeber (£r!enntni§ euer . eignet ©efjjenft tüieber ju finben, al^ ba^ ©efjjtnnft, in ioeld^eg bie SBa'^r^eit fid} t)or eud^ t)er!(eibet I)at? Sft eS nid^t eine fd^auerlid^e ^omöbte, in h)elrf)er i^r fo unbebad^tfant mitf))ielen iüoUt? —
540.
Semen. — 9J?id^eIangelo \a^ in D^affael ba§ ^tubium, in fid) bie ^atur: bort bag Semen, l^ier bie SB e g ab ung. Snbeffen ift bie§ eine ^ebanterie, mit aller (S^rfurd^t bor bem großen gebauten gejagt. SBa§ ift benn Begabung anbere^, alg ein 9^ame für ein ältere^ <Stüd SernenS, (£rfaf)ren§, (Sinüben^, 5(neignen^, ©int)crleiben§, fei e§ auf ber (Stufe unferer SSäter ober nod) fvü{)er! Unb njieberum: ber, n^eld^er lernt, begabt fidj felber — nur ift e§ nid^t fo leicht, gu lernen, unb nid^t nur bie <Baä)z be§ guten S^öiUen^; man mug lernen fönnen. S3ei einem ^ünftler fteHt fid^ bem oft bev D^eib entgegen, ober jener @toIä, n)eld)er beim ®efül;( be§ grembartigen fofort feine ©tad^eln ]^ert)or!et)rt unb fid^ nntt)illfürlid^ in einen $ßert!^eibigung§äuftanb , \taü in ben be§ Sernenben, öerfe^t. 5In Selbem fel^lte e^ 9flaffael, gleid§ ^oetl^e, unb be^^alb Ujaren fie groge Sern er unb nid^t nur bie 5Iu§beuter jener ©rggängc, meldte fid) an^ bem (5Jefd)iebe unb ber (55cfd}id)te i^rer SSorfaljren ausgelaugt t)atten. ^iaffael öerfd)n)inbet öor unö als Semenber, mitten in ber 5tneignung beffen, toa^ fein großer S^ebenbui^Ier aU feine „9^atur" be5eidt)nete:
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er trug täglirf) ein <BiM batjon l^tnttjeg, biefer ebelftc ^kh'j aber e^e er ben gangen TOd^elangeto in fid^ hinübergetragen ^atte, ftarb er — unb bie lefete Dleil^e feiner SSerfe, al§ ber 5(nfang eineS neuen ©tubten« piam^, ift n)eniger üoUfommen unb fc^ted^t^in gut, eben n)eil ber große Semer Dom Xobe in feinem fd^tüierigftcn ^enfum geftört njorben ift unb ha^ rerfjtfertigenbe le^te 3iet, nad^ n)cld)em er augfd)aute, mit fid) genommen ^at-
541.
SBie man uerfteinern foü. — Sangfam, tangfam l^art hjerben tük ein ©belftein — unb jute^t ftitt unb 5ur greube ber (5njig!eit liegen bleiben.
542.
!Der ^l)i(ofo)3() unb ba§ 5(lter. — Wan t^ut nic^t fing, ben 5l6enb über ben ^ag urt()eilen ju laffen: benn allgu oft njirb ha bie (Srmübung gur 9füd)terin über Shaft, (Srfotg unb guten Sßiden. Unb ebcnfo follte bie pd^fte SSorfid)t in 5(bfe^ung auf ba^ Filter unb feine 33eurtt)eilung beö SebenS geboten fein, gumal baS Alfter, iDie ber 5Ibenb, fid^ in eine neue unb reijenbe SJ^oralität äu t^erfleiben liebt unb burdj ^tbcnbrötlje, Dämmerung, frieblid)e ober fcl;nfüd^tige Stille ben ^ag ju befd^ämcn tueig. ^ie ^ietät, Ujeldje njir bcm alten 9}?anne ent* gegenbringen, jumal Ujenn eä ein alter Genfer unb 2öeifer ift, mad)t un§ leidjt blinb gegen bie Filterung feine« (ijeifteg, unb eS tf)ut immer notl), bie 9)^ er f male fo(d)cr ^Xtterung unb örmübung an^ if)rem S3crftedf, baS Ijeißt: ba« pt)l)fioIogifd)e P)änomcn l)inter bem moratifdjen gür-- unb ^orurtbeile ^erüorjiijie^en,
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um ntd^t bie Starren ber ^ietöt unb bie ^c^öbigci bcr ©rfenntniß ju lüerben. Dltd^t fetten nömlic^ tritt ber alte Wlann in ben SBa^n einer großen moralifd^en ©meuerung unb SBiebergeburt unb giebt tjon biefer ©in^jfinbung au§ Urt^eile über ha^ Sßer! unb ben ®ang feinet 2thcn^ ah, toie al§ ob er jegt er[t 5eII[td)tig getüorben fei: unb bod^ fielet Ijinter btefem 2BoI)Igefü^Ie unb biefem juöerftditlid^en Urt^eiten qI§ (Sinbläfcrin nid^t bie SSeiS^eit, fonbem bie 9)?übig!eit. 5r(§ beren geföl^rlid^fteS ^lennjcid^en mag tt)o^t ber ©enie glaube be^eid^net ttJerben, lüetc^er erft um biefe fiebenögrenge große unb l^albgroße SJ^änner be§ ®eifte§ ju überfallen pflegt: ber ©laube an eine 5lu§na^meftellung unb an 5lugna]^mered)te. ^er öon i^m ^eimgefud)te Genfer l^dlt cö nunmel^r für erlaubt, fidj e§ leid)ter 5U mad^en unb als (^enie mel^r §u befretiren als gu be= tüeifen: n)al)rfd^einlid^ ift aber eben ber Xrieb, trelcEjeit bie äl^übigfeit beS ©eifteS nad^ ©rleid^terung empfinbet, bie ftörffte CueHe jeneS ©laubenS, er ge^t i^m ber 3cit nad^ §ubor, loie anberS eS aud^ erf dl) einen möge, ©obann: um biefe Qdt njiE man gemäß ber ©enußfudjt oller 9}?üben unb eilten bie DfJefultate feineS ^enfenS genießen, anftatt fte lüieber ^u prüfen unb auSguföen, unb l^at ba^u nöt^ig, fte fid) munbgered)t unb genießbar ju madjen unb il)re XrodEenl)eit, ^ölte unb SSürglofigfeit ju befeitigen; unb fo gefd^iel^t e§, ha^ ber alte Genfer fid^ fc^einbar über ha^ SBer! feineS SebenS erljebt, in SSal^rljeit aber baSfelbe burd^ eingemifd^te ©d^märmercicii, ^üßigfeiten, 2Bür§en, bidjterifdje Diebel unb mt)ftif^c 2id)ter üerbirbt. ©0 ergieng e§ gulefet ^lato, fo ergieng e§ jule^t jenem großen red^tfdjaffcnen gron- gofen, bem bie 5)eutfd^en unb bie (Snglänber biefeö 3al)r:^unbcrtS, olS einem Umfd^linger unb laubiger ber
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ftrengen 9ßiffenfd)Qftcit, ^inen an bic (Seite 511 [teilen i^ermögen, ^ugufte Somte. @in britte^ 9Ker!maI ber (Srmübung: jener ©tjrgei^, treidlet in ber Söruft be§ grofjcn ^cuferg ftürmte, qI§ er jung tüax, unb ber bamal0 in 9^id)t§ fein Genügen fanb, ift nun auc§ alt getuorben, er greift, luie einer, ber feine Q^xt meljr gu terlieren I)at, nac^ ben gröberen unb bereiteren SJätteln ber iBcfricbigung, ha^ ^eigt nad) benen ber tt)ätigen, ()crrfd)cnben, getrattfamen, erobemben D^aturen: öon jefet ab \mU er Snftitutionen grünben, bie feinen 9^amen tragen, unb nid^t me^r ®ebQn!en=S9auten; toa^ finb i^ni je^t nod^ bie ät^er(;aften ©iege unb (Sf)ren im SfJeid^e ber S3etüeife unb Sßiberlegungen! tüag ift i^m eine S8er- enjigung in Suchern, ein jitternbeS grol^Ioden in ber Seele eine^ ßefer^! ®ie Snftitution bagegen ift ein Xempet — \)a^ njeig er n)o^(, unb ein Xempet öon Stein unb ^auer erl^ält feinen @ott fieserer am fieben a(§ bie Dpfergaben garter unb feltener Seelen. SSielleidjt finbet er um biefe 3cit aud) ^um erften Tlal jene ßiebe, tuelc^e met)r einem ®otte gilt ai^ einem SJ^enfc^en, unb fein gangeö Sßefen milbert unb üerfü^t fic^ unter ben Straf)(en einer fotc^en Sonne gleich einer grud^t im §erbfte. 3a, er ipirb göttlid^er unb f^öner, ber große ^nte — unb trol^bcm ift e§ bag TOer unb bie TOibigfeit, tuelc^e if)m erlauben, berartig auszureifen, ftillc 5U lucrben unb in ber (eucf)tenben §lbgötterei einer grau auöjuruljen. 3^un ift eö öorbei mit feinem früheren tro^igcn, bem eignen (Setbft überlegenen SSertangen nac| ächten Schillern, nämlid) äd^ten gortbenfem, baS l)ei{5t äd;ten (SJegnem: jencö Sßertangen fam auS ber nngcfd)tuäd)tcn 5lrnft, au§ bem betuußten Stolpe, jeber^eit uodj fctbcr ber QJegner unb Xobfeinb feiner eigenen ficijre merbcn ju fönnen — jcfet toill er entfc^Ioffene
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Parteigänger, unbebenftid^e ^ameraben, §ülf§truj)j3en, §erolbe, ein ^)om)3^afte§ (befolge. Se^t ^ä(t er üBerl^an^t bie fnrdjtbore Sfotation nid^t me^r auS, in ber jeber t)ortüärt§' unb öorau^fliegenbe ®eift Uht; er umfteEt ftd^ nunmehr mit ©egenftänben ber SSere^rung, ber ®emein= frfjQft, ber Sf^ül^rnng nnb Siebe, er tüiU e§ enblid^ and) einmal )o gnt l^aben ipie alle OJeligiöfen unb in ber ©emeinbe feiern, mag er l^od^fc^öjt, \a er toirb ba§n eine S^leligion erfinben, um nur bie ©emeinbe §u ^aben. @o lebt ber tneife 5llte unb gerät^ babei nnöermerft in eine fold^e flägltd)e 9^ä^e gu Jjriefterl^aften, bic^terifd^en ^lu^fd^toeifungen, ha^ man ftd§ faum babei feiner tüeifen unb ftrengen Sugenb, feiner bamaligen ftraffen 3)^oralität beS 5l!o})fe3, feiner tua^r^aft männlid£)en ©cf)eu t)or (£in=« fäUen unb ©d^toärmereien erinnern barf. 3Senn er fid^ frül)er mit anberen, älteren ^enfern öerglidl), fo gefdja^ e§, um feine ©djtüäd^e ernft mit i^rer ^raft ju meffen nnb gegen fid§ felber !älter unb freier ju njerben: je^t tl)ut er e§ nur, um fid^ bei ber SSergleidfjung am eigenen Söa^ne gn beraufdljen. grüner had^U er mit 3iiö6i^fid)t an bie fommenben Genfer, ja mit Sßonne fal) er fid) einftmalg in il)rem öoHeren Sid^te untergel)en: je^t quält e§ il)n, nic^t ber Öegte fein gu !önnen, er finnt über äJ^ittel nad), mit feiner (Srbfd^aft, bie er ben 9J?enfd)en fc^enft, au^ eine 35efdjrän!ung beö fouüerainen ^en!en3 i^nen aufgucrlegen, er fürd^tet unb öerunglintpft ben (Stolj unb ben greil)eitgburft ber inbiöibueüen ©eiftcr — : nad) il)m fotl feiner me^r feinen Snteüeft DöHig frei tüalten laffen, er felber Ujill al^ t>a^ S3oßn)er! für immer ftel^en bleiben, an tuelc^eg bie Sranbung be§ ®en!eng überljaupt fd^lagen bürfe, — ba^ ftnb feine gel;eimen, öieÖeidijt nidl)t einmal immer gel^eimen Söünfdje! ^ie ^artc Xf)atfad^e Ijinter fold^en ^Bünfd^en ift aber, bo§
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er fetScr bot feiner ßef)re §a(t gemad^t ^at unb in t^r feinen ^renjftein, fein „ii^ ()ier{)er unb nid^t iDeiter" aufgerichtet f)at. Snbem er fic^ felber fanonifirt, ()at er avL^ ha^ 3^"9^"6 ^^^ ^obe^ über fid^ auggefteEt: öon je^t ob barf fein ®eift fid) nid^t lüeiter enttoideln, bie 3eit für i^u ift um, ber geiger faßt. SSenn ein großer Genfer au§ ficf) eine binbenbe 3nftitution für bie jufünftige 90^enfd)^eit madjen tüxü, barf man fic^erlid^ annehmen, bag er über im ©ipfel feiner ^raft gegangen unb fe^r mübe, feljr na^e feinem (Sonnenuntergänge ift.
543. ^i(i)t bie ßeibenfd^aft jum 5Trgument ber 2ßaf)r^eit mad^enl — O^ i^r gutartigen unb fogar eblen Sd^tüörmer, id^ !enne eud^l S^r UJoUt ^t^t behalten, t)or un§, aber aud^ t)or eud^, unb öor Gittern t)or eudj! — unb ein reijbareö unb feineS böfeö ©ehjiffen ftad)elt unb treibt eud) fo oft gerabe gegen eure jSd^toärmerei! SBie geiftreid) njerbet it)r bann, in ber Überliftung unb 33etäubung biefe^ ©etoiffen^l 2öie ^a^t i^r bie (g^rUdjen (Sinfadjen 9^ein(id^en, toie neibet x\)x iljuen i^re unfdjulbigen klugen 1 Sene^ beffere SSiffen, beffen SSertreter fie finb unb beffen Stimme i^r in cud^ f eiber ju laut Prt, loie e^ an eurem Glauben Stoeifelt, — - tok fu^t i^r e§ ju öerbäd^tigen , alö fc^Ied^te ®eiüo^nf)eit, als 5lran!t)eit ber Qdt, aU 93emad)Iöffigung unb ^Inftedung eurer eigenen geiftigen «SJefunb^eit! S3ig jum ^ag gegen bie ^tif, bie SBiffen* fc^aft, bie S[^emunft treibt i^r eS! S^r müßt bie (^kfd^id^te fä(fd)en, bamit fie für eud^ jeuge, i^r müßt ^ugenben leugnen, bamit fie bie eurer §lbgötter unb Sbealc nidjt in ©djatten ftellen! garbige 93i(ber, njo ^?munftgrünbe notl) träten! ®lutl) unb Tlaä)t ber
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?ru§brücfel ©ifberne S^ebell ^Tmbrofif^e ^ä^tcl 3f)r öerf te^t eud^ barauf, ^u Beleuchten unb gu öerbunMn, unb mit Sid^t gu üerbunMn! Unb tDirftic^, tüenn eure Seibenfc^aft tn'ö Xoben geröt^, fo fommt ein klugen* bitc!, ha i^r eud^ fagt: je^t t)a6e id^ mir ba§ gute ^eiDiffen erobert, je^t bin id§ ^o^lfiergig, mut^ig, }elb[tt)erleugnenb, gro|artig, je^t bin id^ e^rlid)! 93Sie bürftct il^r nad^ biefen 5Iugenb(icEen, tüo eure Öeiben* fdjQft eud) t)or eud) f eiber t)oIIe§, unbebingteö S^ied^t unb gteidfjfam bie Unicf)ulb giebt, "wo i\)x in Äompf S^iauf^ 3J?uti^ Hoffnung außer euc^ unb über aEe 3tüeifel I)intt)eg feib, tüo il^r befretirt: „njer nid)t außer ftd^ ift tDie njir, ber !ann gar nic^t toiffen, toaS unb tüo bie SBa^rt)eit ift"! 2Bie bürftet il^r barnai^, 3J2enfd^en eureö ©(aubcnä in biefem guftanbe — e^ ift ber ber Safterl^aftigfeit be§ Sntelleltg — ju finben unb an il^rem S3ranbe eure glamme ju entgünben! D^ über euer 9Q?artt)rium! Über euren @ieg ber Ijeilig gefprod^nen ßüge! Wlü^t \i)x m6^ fo t)iel Seibe^ f eiber ant^un? — mü^t iljr?
544.
SBie man {e^t ^I)iIofüVt)ie treibt. — 3d^ mer!e tool^I: un[rep^iIofo^)^irenben Sunglinge grauen unb ^ünftler Verlangen je|t gerabe ha& ©egent^eil beffen öon ber "•^^Ijilof op^ie, njaS bie ®riedl)en öon il^r empfiengen I 9ßer ba^ fortta)ä^renbe 3audl)§en ni^t l^ört, njeld^e^ burd) jebe Siebe unb ©egenrebe eine^ ^)Iatoni}cI)en ^ialogS gef)t, bo§ Sauc^jen über bie neue (Srfinbung beS Vernünftigen ^en!en§, rt)aö Verfielt ber öon ^lato, toa^ öon ber alten ^l)iIofopI)ie? i)amal^ füllten fid^ bie (Seelen mit Xrun!en^eit, njenn baS ftrenge unb nü^teme ©<)iel beä Söegriff^, ber SSeraEgemeinerung SBiberlegung @ngfül)rung
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getrieben tüurbe, — mit jener ^nmfcu^cit, lueld^e üieUeid^t and) bie alten großen ftrengen unb nüchternen Sontrapunftifcr ber 9J?ufif gefannt ^aben. ®ama(§ ^atte man in ®ried)en(anb ben anberen, älteren unb e^ebem allmächtigen ®cfcf)macE noc§ auf ber QnuQV. unb gegen il)n l)o5 \xd) ba§ 9^eue fo gauberliaft ab, ba§ man tjon ber ^ialeftif, ber „göttlidjen ^unft", njie im SiebeS^ mol)nfinn fang unb ftammelte. Sene^ 5llte aber ipar ha^ jDenfen im 93annc ber (Sittlidjfeit, für ha^ e§ lauter feftgefteUte Urt^eile, feftgeftellte X^atfad^en, feine anbern ©rünbe alö bie ber ^tutorität gab: fo baß teufen ein 9^ad§reben ipar unb aÜer ®enu§ ber D^iebe unb bcS ®efpräcl)§ in ber 55 oi'^"^ liegen mußte. (Überall, tpo ber ©e^alt alö enjig unb allgültig gebadet n)irb, giebt eö nur ©inen großen 3öuber: ben ber n)ecl)felnben gorm, baä l)eißt ber 9J?obe. ^er ©ried^e genoß and) an ben ^ic^tern, üon ben Qtxkn §omer'g l^er, unb fpäter an ben ^laftifem, nid^t bie Originalität, fonbern beren Sßiberfpiel.) (gofrateö toar e«, ber ben entgegengefe^ten 3anber, hm ber Urfac^e unb SBirfung, beg ®runbe^ unb ber golge entbecfte: unb iüir mobernen 9)?enfdtjen ftnb fo feljr an bie $J?ot^burft ber Sogif getüöl)nt unb ju il)r erlogen, baß fie un§ als ber normale (SJcfd^madC auf ber 3""9^ ^i^Ö^ ""^ öl§ fold)er ben Süfternen unb ^ün!cll)aften jutoiber fein muß. 2öa§ fic^ gegen i^n abljcbt, entjüdft biefe: il)r feinerer ß^rgeij möchte gar ju gerne fid^ glauben mad^en, baß il)re (Seelen ?luö= nat)men feien, nid^t biale!tifdl)e unb Vernünftige Sßefen, fonbern — nun jum 33eifpiel „intuitioe SBefen", begabt mit bem „inneren @inn" ober mit ber „inteÜeftualen ?lnfrf)auung". SSor OTem aber motten fie „!ünftlerifd^e SRaturcn" fein, mit einem Benins im ^opfe unb einem ^ämon im fieibe unb folglich auc^ mit (Sonbcrrccl)tcn
9UeUfct)e« SDBevte. Klaff .«u«ö IV. Ö5
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für btefe unb jene SBelt, namentlid^ mit bem ©ötter- SSorred^t, unbegreiflid^ ju fein. — ^a§ treibt nun aud) $^iIofopt)ie! Sd^ fürd^te, fte merfen eine§ ^age§, bog fie fic^ Vergriffen {)aben, — ba§, tüaö ftc toollen, ift S^eligton!
545.
5lber totr glauben eud^ nid^t! — S^r möchtet m^ gerne al§ 9J?enfrf)en!enner geben, aber lüir tperben eu(^ nid)t burd^fd)(üpfen laffen! ©ollen lt)ir e§ nid)t merfen, ia^ \^x eud^ erfahrner, tiefer, erregter, öollftänbiger barfteUt, al§ il^r feib? @o gut irir an jenem 3J?aler e8 füllen, toie fc^on in ber gü^rung feinet ^infet§ eine tomaa^ung liegt; fo gut ttjir e§ jenem SJhififer ant)ören, ha^ er burd^ bie 5Irt, töie er fein X^ema einfuhrt, c8 alg ]^ö{)er ausgeben möd)te, al§ e§ ift. §abt i^r ®efd§id^te in eud) erlebt, (£rf (Fütterungen, ©rbbeben, tüeite lange Xraurig!eiten, bli^artige S3egtürfungen? (Seib il^r närrifd^ geftjefen mit großen unb üeinen Starren? ^abt i^r ben SBa^n unb ha^ Sße^e ber guten 9}?enfd^en lüirüid^ getragen? Unb ha^ SSel^e unb bie 3lrt ©lücf ber fd^Iec^teften l^inju? ^ann rebet mir öon Tloxoi, fonft nid^t!
546. i
©flaöe unb Sbealift — ^er (gpütetif^e 9J?enfd) tt)äre toa^irlidi nid^t nadf) bem @eJd)madEe berer, lüe{d)e je^t nad^ bem Sbeal ftreben. 2)ie ftäte Spannung feinet SöefenS, ber nad^ Snnen getuenbete unermüblid^e Slicf, ha^ S5erfd^loffene SSorfic^tige Unmittl)eil(ame feinet ^Tuge^, faüg eö fic^ einmal ber 5lugenmelt gufe^rt; unb gar ba§ ©d^lüeigen ober Slurgreben: alle§ 9J?erfmaIe ber ftrengften Xapferfeit — ma^ tüäxc ha^ für unfere
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Sbediften, bic bor STttem na^ bcr ©jpanfion tüftem ftnb! 3" OTebem ift er md)t fanatifd^, er (iQgt bic ©djauftettung unb bk dlnfjmx^xQMt unferer Sbealiften: fein §od^mutf), fo groß er ift, toill bod) nicf)t bie 5lnbem ftören, er gefte^t eine getoiffe milbe 5(nnä^erung 5U unb möd^te niemanbem bie gute Saune üerberben — ja er fann (äd)e(n! & ift fet)r öiel antife Humanität in biefem Sbeale! ^a§ (Sd^önfte aber ift, ba^ ii)m bie 5Ingft öor ©ott üöllig abgel^t, ha^ er ftreng on bie SSemunft glaubt, ba^ er fein S^ugrebner ift (Stiftet njar ein ©flaöe: fein ibealer 9J?enfcf) ift o^ne @tanb unb in allen (Stäuben mögitd^, öor Willem aber tt)irb er in ber tiefen niebrigen S^affe ju fud)en fein, ald ber ©tille (Sic^'(Se(6ft^®enügenbe inner()alb einer allgemeinen SSer!ned)tung , ber fic^ nad^ klugen l^in für fic^ felber n)et)rt unb forttüö^renb int gi^f^^^^ ^^ ^öd^ften ^apferfeit kht 3Son bem (Sl^riften unterfd^cibet er fi^ öor Gittern hierin, ha^ ber ß^rift in Hoffnung lebt, in ber SSertröftung auf „unau^fpred^bare §errlid)feiten", bag er fic^ befc^enfen lägt unb baS 33efte bon ber göttlichen Siebe unb (Snabe, unb nid^t bon fid^ erttjartet unb annimmt: mö^renb ©giftet nic^t ()offt unb fein S3efteg fid) nid^t fd^enfen lägt — er befi^t ed, er tjält eS tapfer in feiner §anb, er mad^t e^ ber ganzen SBelt ftreitig, wenn biefe c^ it)m rauben mill. ^aö ß^riftentf)um toax für eine anbere Gattung antifer ©flaben geniad)t, für bie toiden^^ unb bemunftfd)ioad)en, alfo für bie groge 3Kaffe bcr @!(abcn.
547.
®ic X^ranncn be« ©eiftcÄ. — ^er ®üng ber Sföiffenfd)aft ttjirb jcftt nid^t mc()r burd^ bie auföüige
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XljQtfac^e. bog ber 9}?enfd^ ungefähr fieben^ig Saläre alt trirb, gefreujt, tüte e§ aUguIange ber gaU tüar. (S^emalg iooHte einer tüöl^renb btefeö 3^^^^""^^ ön'^ @nbe ber Srfenntnig Fommen, unb na6) biefem allgemeinen (Sciüfte fd^ä^te man bie 3}ietl)oben ber (Srfenntnife ab. 3)ie Keinen einzelnen fragen nnb SSerfud^e galten afö Deräd^tlid^, man mottte ben fürgeften SSeg, man glaubte, tüei( alleö in ber Sßelt auf ben 9J?enfd^en l)in eingerid^tet fc^ien, ho!^ aui^ bie (£rfennbar!eit ber 2)inge auf ein menfd^lid^eg 3^^^^öa§ eingerichtet fei. ^Ile^ mit ©inem ©daläge, mit (Sinem Sßorte ju (Öfen — \)a^ tüQx ber gel^eime Söunfd^: unter bem S3ilbe beS gorbifd^en ^oten^ ober unter bem beö @ie^ beö ©olumbu^ - 'i>aä)tt man ftd^ bie 5Iufgabe; man jnjeifeltc mdf)t, ha^ e§ möglid^ fei, aud^ in ber (Jrfenntnife nac^ 5lrt be^ Sllejanber ober beö Solumbu^ §um 3^^^^ i^ fommen unb aUe gragen mit (Siner 5lntmort gu erlebigen. „Sin 9?ät^fcl ift ju löfen": fo trat ha^ Sebenöjiel tjor ba^ ?Cuge be^ ^^ilofopl^en ; ^unöd^ft mar ba^ $Rät()fe( gu finben unb ha^ ^oblem ber SSelt in bie einfadE)fte . Üiöt^felform jufammenjubrängen. ^er grenjenlofe St)rgeij ' unb 3ube(, ber „©nträt^feler ber SBelt" ju fein, ' mad^te bie Xröume be^ ^enferg au§: nidjt^ fi^ien i^m ; ber ÜJäi^e mertf), menn e^ nid^t baö 3J?itte( mar, alle§ j für il^n gu ^nbe ju bringen! <So mar $()i(ofop^ie ] eine 5lrt l^öd^ften 9ttngen§ um bie *5:^rannenf)errfd^aft ^ beö ®eifte§ — ba^ eine fotd^e irgenb einem ©e^r^ 1 ©lüdEIid^en feinen ©rfinbfamen Äü^nen ©emaltigen ] oorbe^alten unb aufgefpart fei — einem ©innigen! — baran | ätoeifeltc ^ner, unb ÜKel^rerc ^aben gemannt, jule^t nod^ ©d^openl^auer, biefer ©innige ju fein. — 2)arau§ ergiebt ftd§, ha^ im trogen unb ©anjen bie .Söiffenfd^aft bi^^er burd^ bie moralifc^e öefc^ränftl^cttl
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it)rct Sünger jurücfgeSlieSen ift unb baß fie mit einer E)örjercn unb grogmüt^igeren ©runbempfinbnng fürberl)in getrieben iüerben muß. „Söag liegt an mir!" — ftcljt über ber X^ür beS fünftigen ^en!cr§.
548.
^er (Sieg über bie Äraft. — (Srtüögt man, toai bi§t)er We^ a\^ „übermenf^Iic^er ©eift", al§ „(SJenie" öere^rt morben ift, fo fommt mon gu bem traurigen ©d^Iuffe, ha^ im fangen bie 3nteEe!tua(itöt ber SD^^eufd^^eit bod) tttüa^ fe^r 9^iebrige§ unb ^rmfeligeg gemefen fein muß: fo rt)enig ®eift gehörte 6i§^cr bagu, um ftd^ gleid^ er^eblirf) über fie l^inauS gu füllten! 5(d^, um ben tüol)(fei(en 9tu^m beg „©enie'g"! SBie frfineE ift fein Xt)ron errid|tet, feine 5In6etung ^um S3raud^ gettjorben! 3mmer norf) liegt man t)or ber ^raft ouf ben ^ien — nad) alter (Sf(aöen=®en)o^n^eit — unb bod^ ift, lüenn ber ®rab t)on SSerel)rung§njürbigfeit feftgeftellt njerben foll, nur ber ©rab ber SSernunft in ber Äraft entfdjeibenb: man muß meffen, iniuieujeit gerabe bie ^raft burd) etmaö §ö^ereg übernjunben ttjorbcn ift unb alö i^r SSerfjeug unb SD^ittel nunme!)r in ^ienften fk^t! 5lber für ein foldjeö SJieffen giebt eö nod) gar ju menig klugen, ja jumeift njirb nod) ba^ 50?effen be§ ®enie'§ für einen greüel get)alten. Unb fo get)t uielleid^t ba§ ©djönfte immer nod) im ^unM öor ftd^ unb öerfinft, faum geboren, in enjige S^ad^t — nämlic^ bag <Sd)oufpie( jener Slraft, meld)e ein ®enie nid)t auf Sßerfe, fonbern auf fid) aU Sßerf, oermenbet, ba« ^cißt auf feine eigene ^änbigung, auf 9?einigung feiner ^t)antafie, auf Drbnuug unb $(uötüat)l im ^uftrümcn uon 5Iufgaben unb Einfällen. 9^oc^ immer ift ber große
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502enfc§ gerabe in bcm ©rösten, hjaS Sßcrc^rung er^etfc^t, unfid^tbor tote ein ^u fcmeS (Sefttrn: fein ©ieg über bie ^raft bleibt ot)ne klugen unb folgli^ an^ o{)ne Sieb unb länger. 9^od^ immer ift bie D^angorbnung ber ^röge für aKe Vergangene 9J?enfc^^eit noc§ nid^t feftgefe^t.
549.
„@elbftflu^t", — 3ene SJJenf^en ber inteöet^ tueKen ^(im^)fe, tueld^e gegen fid) f eiber ungebulbig unb berfinftert finb, toie S^^ron ober 5l(freb be SJhtffet, unb in OTem, toa§ fte tl^un, burd^gel^enben $f erben gleid^en, ja bie au§ itirem eigenen ^d)affen nur eine !ur5e, bie 'äh^m faft fprengenbe Suft unb ©lut^ unb bann eine um fo tointerlii^ere Dbe unb SSergrämtl^eit baöontragen, tuie foHen fie e§ in fid) aushalten! ©ie ; bürften nad^ einem 5(uf gelten in einem „^lufeer^^fic^"; ift man mit einem foldien durfte ein (5{)rift, fo jielt man nad^ bem 5(ufget)en in ®ott, nad) bem „©ang^einS- mit4^m^tt)erben"; ift man (S^afefpeare, fo genügt einem erft ba§ 5tufge§en in Silbern be§ Ieibenfd)aft{id)ften SebenS; ift man S^ron, fo bürftet man nadt) Xfjaten, toeil biefe nod^ mel^r unS öon un§ abjietjen aU ©ebanfen ©efü^Ie unb SBerfe. Unb fo toäre t)ielleidf)t bod^ ber Xl^atenbrang im ©runbe <SeI6ftfIu^t? — toürbe ^a^cal . uns fragen. Unb in ber Xl)at! Sei ben f)öd)ften ©jem* : plaren be§ Xl^atenbrangeS mö^te ber (5a^ fid^ bemcifen ; laffen: man ertoäge bod^, mit bem SBiffen unb ben ' (£rfa()rungen eineS SrrenarjteS, toie billig, — \)a^ öier öon ben i^atenburftigften aller Reiten (£pi(epti!er gemefen ftnb •[ (nämlid^ 5llejanber, ßäfar, aJhi^ammeb unb S^apoleon): fo loie aud^ 93^ron biefem Seiben untertoorfen mar.
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550.
©rfenntntg unb (Sc^öttf)ctt. — Sßcnit btc 9J?enfc^en, fo tuie fie immer nod^ t^nn, tl^re ^ereE)rung unb i^r ©lüdf^gefüt)! für bte Söerfe ber (^nbilbung unb ber Sßcrftettung gleic^fam auffparen, fo barf e§ ntc^t SBunber nef)men, rtjenn fie fid§ beim ©egenfag ber (Sinbilbung unb SßerfteHung tait unb unluftig finben. ^a§ ©ntjüden, lüelc^eS fd^on beim fteinften fidleren enbgültigen (Scf)ritt unb gortfd)ritt ber (ginfirfjt entfteE)t unb tüdd)e^ auö ber je^igen Wct ber SBtffenfd)aft fo reidjlid^ unb frf)on fiir fo öiele ^erauSftrömt, — biefeS (Sntjürfen tt)irb einftmeilen öon allen benen nid^t geglaubt, n)eld)e fid^ baran geujö^nt l^aben, immer nur beim SSerlaffen ber 2Bir!Iid[)feit, beim Sprung in bie Xiefcn be§ ©d&ein§ cntgüdEt ju toerben. S)iefe meinen, bie SSirftid^fcit fei ^öglidC): aber baran benfen fie nidjt, baß bie ©rfenntnig auc^ ber ]^ä6ücf)ften 2öir!Iid)feit fc^ön ift, ebenfo bag, mer oft unb üiel erfennt, jule^t fc^r ferne baüon ift, ba^ große (SJanje ber 2öirf(id)fcit, bereu (Sntbecfung \\)m immer ®Iürf gab, bäßlic^ ^u finben. ®icbt eö benn ettoaö „an fic^ ©d^öneS"? ^a§ ©lüdf ber (Srfcnnenben mef)rt bie (Sdf)öni)eit ber SBcIt unb madC)t aüeö, tuag ha ift, fonniger; bie (Srfenntniß legt it)re (Sd)ön()eit nid[)t nur um bie 2)inge, fonbem, auf bie ^auer, in bie 2)inge; — möge bie juÜinftige 2)^enfc^^eit für biefen <Sa^ i^r 3cii9ni6 abgeben! SnjUjifc^en geben!en njir einer alten @rfaf)rung: jmei fo grunbt)crfd)icbene SQ^cnfc^en tt)k ^(ato unb ^IriftotcIcS Eamen in bem überein, Ujaö baS t)ödjfte©IüdE auömad)c, nic^t nur für fie ober für 5[J?enfd)en, fonbern an fid), felbft für Götter ber leisten (Sc(igfcitcn; fie fanDen c^ im ^rfcnnen, in ber Xljütigfeit eine^ ttjo^lgeübtcn
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flnbenben unb erfinbenben SScrftanbeS (nt^t ettoa in ber „Sntuiäon", tüie bte beutfd)en §alb' unb (SJan^^ tl^eotogen, ntd^t in ber SSifion, tüie bie 5D^[tifer, unb ebenfalls nid^t im (Sd^affen, rtjie aUe ^raftifer). äfinltrf) urt^eilten 2)e§carte§ unb ^pmo^a: n)ie muffen fte ^ße bie ©rfenntnig genoffen ^aben! Unb n)elc£)e ^efaf)r für i!^re 9fleblid^!eit, baburc^ §n Sobrebnem ber ^inge ju njerbenl
551.
SBon jufünftigen ^Xugenben. — 9Bie fommt eS, bag, je begreifttd^er bie SBelt gen)orben ift, um fo melir bie geier(id)!eit jeber ^Trt abgenommen i)at? Sft eg, ha^ bie gurrfjt fo fe^r ha§> (S^runbelement jener ©l^rfurd^t n)or, tüeld^e un§ bei aüem Unbe!annten @ef)eimni§t)oßen überfiel unb un§ öor bem Unbegreifüd^en nieberfinfen unb um ©nabe bitten (et)rte? Unb foÜte bie SBelt baburd^, ta^ tüh ttjeniger furc^tfom gettjorben ftnb, nid^t and) an Sieij für un^ öerloren ^aben? ©ollte mit unferer gurd^tfamfeit nid^t aud£) unfere eigne SBürbc unb geierlid^feit, unfere eigene ^urd^tbarfeit geringer gelDorben fein? SSielleid^t bajg ttjir bie SBelt unb un§ f eiber geringer odE)ten, feit tnir mutf)iger über fie unb un§ ben!en? SSieüeid^t ha^ eg eine 3i^^w"f^ 9^^^^' ^^ biefer 9Jhit^ be§ ^enCcnS fo angeujad^fen fein tnirb, ha^ er als ber öu^erfte ^od^mut^ fi^ über beu $D?enfd^en unb fingen fü^It, — n)0 ber SE3eife alö ber om meiften SJ^ut^ige fid^ felber unb ha^ S)afein am meiften unter ftd^ ftet)t? — ^iefe Gattung beS 9)^ut^e^, Ujeld^e nid)t ferne einer auSfd^hJeifenben ©rogmut^ ift, fet)lte biSljer bor 9J2enfrfjf)eit. — D^ UJoUten bo^ bie ^id^ter tüieber tuerben, tnaS fie einftmalö geUjefen fein foHen: — <Sef)er, bie un§ etivci^ üon bem 9J?öglic^eii
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erjagten! Sc^t, bo i^nen ha^ SBtrRi^c unb bo^ SSct* gongcne immer me^r qu8 ben §änben genommen tvirb unb njerben mu^ — benn bie 3^^* ^^^ f)armIofen 5?a(fc^müngerei ift gu (Snbe! SBoEten fie un§ öon ben ^ufünfttgcn Xugenben ttwa^ t)oran§em:|)finben laffen! Ober öon Xugenben, bie nie auf (Srben fein njerben, obfi^on fie irgenbmo in ber Söelt fein fönnten, — öon purpurgIüB)enben Sternbilbem unb ganzen SDWIrfiftra^en beg (Schönen! SSo feib i^r, i^r Slftronomen be^ Sbealö?
552.
^ic ibealifd^c (Selbftfud)t. — ®iebt eS einen tt)etf)et)oIIeren 3^'l^öJ^^ ö^^ ^c" ^^^ ©d^hjangerfd^aft? 5IIIeö, toa^ man tl^ut, in bem ftitten ©lauben tt)un, eö muffe irgenbmie bem Söerbenben in un§ ju ©utc fommen! @§ muffe feinen ge^eimnißöotten SSertt), on ben mir mit ©ntjücfen benCen, erp{)en! 2)a ge^t man öielem au§ bem SBege, ot;ne ^art fi(^ jtuingen ju muffen! ^a unterbrücft man ein l^eftigeS SBort, man giebt öerfö^nlid^ bie §anb: aug bem TOIbcften unb Seften foll ha^ ^nb ^ert)ortt)ad}fen. (£g fdjaubert un§ öor unfrer ©d)ärfe unb $Iö^Iid)feit: toie lüenn fie bem geliebteften Unbefannten einen tropfen Unheil in ben SBec^er feinet Sebeng göffe! 5tfleg ift öerfrf)(eiert, aljnung^boll, man rtjeig üon ^\d)t^, \vk e« äugct)t, man toaxtet ah unb fuiljt bereit ju fein. 2)abei lüoltet ein reineö unb reinigenbe§ ^efül)( tiefer UnUcrantlüortüdjfcit in un^, faft tuie eö ein 3"ffi}öuer öor bem gc|d)(üffcncn S3orl}ange ()at — eS niädjft, eö tritt an ben Xag: mir t)aben nid)t§ in ber §anb, ju beftimmen, tucbcr feinen SScrtt), noc^ feine ©tunbe. ^injig auf jeben mittelbaren fcgnenben unb mcT)rcnben ©inffujj finb mir angemiefen.
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,,©§ tft ettDQS (SJrögcre^, ba§ ^ter toöc^ft, atö lütt ftiib" -— ift unfere geijeimfte Hoffnung: t^m legen ton aße§ ^ured^t, ha^ e^ gebeil^Iid^ gut SSelt fomme: ntd^t nur alle§ SM^Iid^e, fonbem aud^ bk §erältd^fetten unb ^önjc unferer (Seele. — Sn biefer SBei^e foll man leben! ^onn man leben! Unb fei ha^ Ermattete ein @eban!e, eine %i)at — toir ^aben §u aUcm n)efentlid)en SSoHbringen fein anbetet SSerl^ältnig al§ ba§ ber <Sc^toangerfd^aft unb follten ha^ anmaagtic^e Sieben öon „SBoKen" unb ,,@d^affen" in ten 3Binb blafen! ^ie§ i'it bie red)te ibealifc^e (Selbftfud)t: immer 5U forgen nx\b ju njadjen unb bie @eele ftiE ju Italien, Sag unfere grud^tbarleit fd)ön ju @nbe gel^e! @o, in biefer mittelbaren Slrt, forgen unb n)ac^en mir für ben S'^u^en aller; unb bie Stimmung, in ber mir leben, biefe ftolje unb milbe ©timmung, ift ein Öl, meld}e§ fic^ meit um un§ l^er aud^ auf bie unruhigen ©eelen aus- breitet. — 5Iber tounberlid) finb bie (Sdjmangeren! (Seien toir alfo aud^ tüunberlid^ unb üerargen mir e§ ben 5lnberen nid)t, menn fte e§ fein muffen! Unb felbft lüo bieg in'g (Sdblimme unb ®efä!)rlic^e ftd) öerlöuft: bleiben mir in ber @^rfurd)t öor bem SBerbenbcn nid)t hinter ber n)eltlid)en ®ered^tig!eit §urüd, meld)e bem äflid^ter unb bem §cn!er nid^t erlaubt, eine (Sd)mangere 5U berühren!
553.
5(uf UmiDcgen. — SBol^in miK biefe ganjc ^^f)i(ofopf)ie mit allen ifjren Ummegen? Xl;ut fie me!)r, als einen ftätcn unb ftar!en Xrieb gleid)fam in 5Sernunft 5U überfe^en, einen Xrieb nadj milber (Sonne, geller unb bemegter ßuft, füblid^en fangen, 9}?eereS^5rt^em, flüd^tiger gteifd^s (£ier«= unb grüd^tena^rung, Ijcigem Söaffer
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^um (5Jctränfe, tagelongen fttHen SSanberungen, iDenigem ©pred^en, feltenem unb borfid^tigem Sefen, etnfatnetn SSo^nen.reinlid^en, fd}(ic^ten unb faft folbatifd^en (5Jett)ot)n* Reiten, furj m^ aUen S)ingen, t>k gcrobe mir am beften fdjmecfen, gcrabe mir am jutröglid^ften finb? ©nc $f)i(ofopf)ic, tüeld^e im ©runbe ber 3nfttn!t für eine perf online 3)iät ift? ©in Snftinft, tueld^er nad^ meiner fiuft, meiner §öl)e, meiner SSitterung, meiner S(rt ©efunb^eit burd) ben Umnjeg meinet SlopfeS fud^t? (£^ giebt öicie anbere unb gen)i§ aud^ öiele pt)ere (£r^abenf)eiten ber $f)iIojopf)ie, unb nid^t nur fotd^e, ttjeld^e büfterer unb anfprudijööoller finb al§ bie meinen, — t)ielleid)t finb aud^ fie inSgefammt nid^t^ 3Inbere§ ate inteÖeftuelle Umtoege berartig |)erfönlid^er triebe? — 3n5lDifd)en fe]E)e id^ mit einem neuen 5tuge auf ha^ f)eimlic^e unb einfame (Sd^tPörmen eineä ©c^mettcr(ing§, i)od) an ben gelfenufem be§ ©ee'ö, lüo Diele gute ^flanjcn tuadjfen: er fliegt uml)er, unbefümmert barum, bag er nur ba§ fieben @ine^ ^age^ nod^ lebt, unb bag bie ^^^06)1 ju fa(t für feine geflügelte ®ebred)(id^!eit fein njirb. So iDÜrbe fid^ moljl auc^ für il)n eine ^^ilofop^ie finben (äffen: ob e^ fd)on nid)t bie meine fein mag.
554.
58orfd)ritt. — SBenn man ben gortfd^ritt rü^mt, fo rü^mt man bamit nur bie ©emegung unb bie, tüeld^c un§ nid)t auf ber ©teHc ftetjen bleiben laffen, — unb bamit ift geiui^ unter Umftanben üiel getrau, infonber^eit mcnn man unter Ög^ptem lebt. 3m benjeglic^en Europa aber, mo fid) bie S3elüegung, tt)ie man fagt, „t)on felber ücrftc()t'\ — cid), njenn iuir nur and) cttua^ baöon Derftünben! — lobe td^ mir ben SBorfd^rttt
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unb btc Sßorf^reitenben, ba§ ^et^t bie, tüelc^c fid) felBer immer iüieber jurücflaffen unb btc gor uid^t boran benfen, ob t^ncn jemanb fonft nacf)!ommt. „Sßo id^ §alt mad^e, \>a finbe id^ mid^ allein: tpoju foHte td^ §alt machen! ^ie SBüfte id^ nod^ grog!" — jo empfinbct ein fold^er SSorfd^reitenber.
555.
^te geringftcn genügen fd^on. — 9}?an foll ben ©reigniffen auS bem Sßege ge^en, toenn man ineig, ba§ bie geringften fid^ fd^on ftarf genug auf un§ einjeid^nen — unb biefen entgel^t man bo^ nid^t. — 2)er 2)enfer mu§ einen ungefähren ^anon aller bcr ^inge in ftd^ l^aben, toeld^e er übert)au|)t nod^ erleben lüill.
556.
^ie guten Sßier. — 9fteblid^ gegen unS unb toa^ fonft un§ greunb ift; tapfer gegen ben geinb; gro§müt^tg gegen ben 95efiegten; l^öfUd^ — immer: fo tüollen un§ bie t)ier ©arbinaltugenben.
557.
5luf einen ^einb lo§.— SBie gut üingen fd^(ed£)te iD^ufif unb fd^Ied^te (SJrünbe, toenn man auf einen geinb lo^ marfd)iert!
558.
5l6er aud^ nid^t feine Xugenben verbergen! — 3rf) liebe bie 9J?enfd^en, totldjt burdjfid^tigeg SBaffer finb unb bie, mit ^opt ju reben, aud^ bie „Unreinlid)* ifeiten auf bem ®runbe it)re§ <Strome§ feigen laffen."
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©elbft für fie giebt cS aber noc^ eine (Siteifcit, freiließ tion feltener unb fublimirter 5Irt: einige öon i^nen njoUcn, 'Oa^ man eben nur bie Unreinlid) feiten fe^e unb bie ®ur(i)fid^tig!eit be§ 2öaffer§, bie bie» möglirf) mad)t, für nid^t^ ad^te. Slein Geringerer a(§ ©otama 33ubbl)a \)at bie (Sitelfeit biefer SBenigen erbarf)t, in ber gormel: „laffet eure ©ünben fef)en üor ben Seuten unb uerberget eure Xugenbenl" ^ie§ ^eigt ober ber Sßelt fein guteg ©d^auf^iel geben — e§ ift eine ©ünbe rtjiber ben ®efd)macf.
559.
„'^\d)t^ 5U fcl)rl" — SSie oft tüirb bem ©tnjetncn angerat^en, ftc^ ein 3^^^ h^ \^^^^> ^ö^ er nid^t erreichen fann unb baS über feine ^röfte gc^t, um fo njenigftenä ha^ äu erreid)en, toa^ feine ^äfte bei ber allerg öd)ften 5lnfpannung (eiften fönnen! Sft bieg aber njtrflid^ fo tüünfd)engmert^? S3efommen ni(f)t not{)n)enbig bie beften SD^enfcf)en, bie nad^ biefer Se^rc leben, unb i^re beften §anblungen etnjaö Übertriebene^ unb SSer- jerrteö, eben n)cil ju öiel (Spannung in il^nen ift? Unb Verbreitet fic^ nid^t ein grauer (Sd^immer Uon (Srfolglofigfeit baburc^ über bie SÖßelt, bog man immer !äm)3fenbe 5ltl^leten, ungeheure Gebärben unb nirgenbS einen befransten unb ftegeggemutf)en (Sieger fiel)t?
560.
200« un« frei ftel)t. — 9J?on fann wie ein Gärtner mit feinen trieben fdjolten unb, mo« hjenige toiffen, bie Äcime bc§ B^ni«, beS TOtleibeng, bc« S^odjgrübeln^, ber (Sitelfeit fo frud)tbor unb nufcbringenb jie^n ipic ein fc^öncä Obft an ©polieren; man fonn e« tl)un mit
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bem guten unb bem fd^Ied^ten ©efc^mad ctncS ©örtitcrg utib gtetd^fam in franjöfifd^er ober engüfi^er ober l^oHänbifc^er ober d^tnefifd^er 3J?anter; man fann and) bie Statur toalten laffen unb nur ^ter unb ha für ein tücnig (Sd^mucf unb 9fleinigung forgen; man !ann enblic^ anä) ol^ne aEeä äöiffen unb 9^ad)benfen bie ^flangen in i^ren natürlid^en S3egünftigungen unb §inbemiffen aufnjad^fen unb unter fi(^ it)ren ^ampf au^fämpfen laffen — ja man !ann an einer fotd)en Söitbnig feine greube ^a6en unb gerabe biefe greube ()a6en ttJoHen, ttjenn man aud^ feine 9^ot^ bamit l^at ^ieg 5lIIeg fielet un§ frei: aber mie öiele toiffen benn baöon, ha^ un^ bieö frei fte^t? ©tauben nid^t bie äJ^eiften an fid^ tüie an öoüenbete au^getoadifene STöotfad^en? §aben nid^t grojge ^t)iIofop^en nod^ i^v ©iegel auf bie§ ^orurtl^eil gebrücft, mit ber ße^re t)on ber Unöcränberlid^!eit beS 6^t)ara!terg?
561.
@cin ©tücf aud^ leuchten laffen. — 2Bie bie Wlaitt, toeld^e ben tiefen leui^tenben SEon be§ n)irflid)en §immel§ auf feine Sißeife erreid^en fönnen, genötf)igt ftnb, aße färben, bie fie gu iljrer ßanbfd^aft braudt)cn, um ein paar Xöne niebriger §u nel)men, aU bie Statur fie jeigt: tüie fie, burdf) biefen ^unftgriff, mieber eine 5t^nlid^feit im ©tanje unb eine Harmonie ber Xöne erreid^en, toeldje ber in ber Statur entfprirf)t: fo muffen fid^ aud) ^id^ter unb ^t)itofop^en ju Reifen ttjiffen, benen ber leud^tenbe ©lanj beg ©tüdfg unerreid^bar ift; inbem fie aöe ^inge um einige (SJrabe bunflcr färben, al& fie finb, tüxxU it)r Sid^t, auf n^el^eö fie fid^ üerfte^en, beinahe fonnen{)aft unb bem Sid)te
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beö Dollen ®lüdg ä^nltd^. — S)er ^effimift, bcr bie fd^tüärjeften unb büfterften garben aüen fingen gtebt, t)er6raurf)t nur glammen unb öli^e, ^immltfd)e (SJlorien unb aUeg, mag grelle Seud^tfraft ^at unb bie 5lugen unfid^er mad^t; bei i^m ift bie §elle nur baju ba, ba§ (Sntfe^en ju bermel)ren unb me^r ©cljredElidje^ in ben ^Dingen a^nen ju laffen, al^ fie l^aben.
562.
^ie ©e^^aften unb bie freien. — (£r[t in ber Untertüelt geigt man un§ etnjaö bon bem büfteren §intergrunbe aller jener 5I6enteurer^(Seligfeit, iDeld^e um Ob^ffeug unb feinet ©leieren toie ein etüigeS 9J?eereg= leud^ten liegt, -— öon jenem §intergrunbe, ben man bann nid^t me^r bergigt: bie 9J?utter beö Dbt)ffeu§ ftarb an^ ®ram unb SSerlangen nad) il)rcm Äinbe! ^en ©inen treibt e§ öon Ort ju Ort, unb bem 5lnbem, bem ©efe- l^aften unb 3öttlicf)en, brid^t ba§ ^erg barüber: fo ift e§ immer! ^er ^mmer brid^t benen ha^ ^erj, tt)elc^e eö erleben, ha^ gerabe il)r ©eliebtefter il)re 9J2einung, t^ren ©lauben öerlöfet, — eö gehört bieg in bie Xragöbie, n)eld^e bie freien ©eifter mad^en, — um bie fie mitunter au dl) ujiffen! ^ann muffen fie audl) tüol)l einmal, mt Db^ffeug, ju ben Xobten fteigen, um if)ren (SJram ju ^eben unb iljre ßörtlid^feit ju bcfd^n^id^tigen.
563.
^er 2ßal)n ber fittlid)en SBettorbnung. — @g giebt gar leine „emige ©crec^tigfeit", ttjelc^e forberte, bafe jebe ©c^ulb gebüßt unb bt^aljlt iücrbe, — c^ njar ein fd^recflid)er, jum flcinften Xl)eile nüjlic^er
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SBo^n, baji e§ eine fold^e gebe — : ebenfo tüie e§ ein 3Sa^n ift, bog otte§ eine (Sd^ulb ift, tt)a§ alö foldje gefüllt tüirb. S^ii^t bie ^inge, fonbem bie SJ^einungen über ^tnge, bie eS gor nid^t gieSt, ^ahtn ben SU^enfd^en fo üerftört!
564.
®Ieic^ neben ber ©rfa^rung! — 5lutf) groge (SJeifter {)aben nur if)re fünf ginger breite ©rfotirung ~ gleicf) baneben l^ört i^r 9^ad^benfen auf: unb e§ beginnt il^r unenblirf)cr leerer dlawm unb il^re ^umm^eit.
565.
SBürbe unb Untoiffen^^eit im Söunbe. — 9Bo ton terfte^^en, ha Ujerben n)ir artig, glüctlid^, erfinberifd), unb überaü, tüo trir nur genug gelernt unb un^ togen unb D^ren gemad^t ^aben, geigt unfere ©eele niel}v ®efd)meibig!eit unb ^Inmutl). ^ber tt)ir begreifen fo loenig unb finb armfelig unterrichtet, unb fo fommt eö feiten bo§u, ha^ tvii eine ©ac^e umarmen unb un§ babei f eiber liebeuöttjertl^ mad^en: üielme^r gelten ujir fteif unb unentpfinblic^ burc^ bie (BtaU, bie D^atur, bie ©efdjidjte unb bilben un§ ttwa^ auf biefe |)altung unb Äälte ein, als ob fie eine Sßirfung ber Überlegenl)eit fei. Sa, unfere Untt)iffenl)eit unb unfer geringer ®urft nad^ SSiffen öerfte^en fid^ trefflid^ barauf, ali^ SBürbe, alä (SI)ara!ter ein^erjuftoljieren.
566.
SBoIjIfeil leben. — ^ie ttjol^lfeilfte unb ]^arm= lofefte 2(rt gu leben ift bie beS SDenferS: benn, um
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gletcf) baö SQSic^tigfte ju fagen, n bebarf gerabe bcr 5)mge am metften, tüeld^e hk tobem genngfdjä^en unb übrigloffen. — ©obann: er freut fid^ leidet unb fennt feine foftfpieligen 3iJ9önge jum SSergnügen; feine 5lrbeit ift ni^t \)axt, fonbern gteid)fam füb(änbifd); fein %aQ unb feine ^ad)t ttjerben nid)t burc^ ®en)iffen0= Biffe öerborben; er betoegt fic^, i'^i, trinft unb fc^läft nad) bem 93^aa§e, ha^ fein ©eift immer rul^iger, fräftiger unb geller ujerbe; er freut fic^ feinet fieibeS unb i)at feinen ^runb, i{)n ju fürcfjten; er bebarf ber ^efeHigfeit md)t, e§ fei benn öon 3^^* ä" 3^^^» ^^ t)interl)er feine (Sinfamfeit um )o äört(id)er ju umarmen; er i)at an ben ^Tobten ©rfag für Sebenbe, unb felbft für greunbe einen (ärfa^: nämlid) an ben S3eften, bie je gelebt ^aben. — 'üJlan erlüäge, ob nid)t bie umgcfef)rten (belüfte unb ®emo{)n()eiten eö finb, meldte ha^ .^cben ber 9J?enfd}en foftfpielig, unb folgtid^ mü^fam, unb oft unouöfte^tid) machen. — 3n einem anbem ©inne frcilid^ ift ba^ Seben beö ^enferS ha^ foftfpieügfte — cd ift nidjtä ju gut für i^n; unb gerabe be^ 93eftcn ju entbehren, märe t)ier eine unerträgliche (Sntbe^rung.
567.
3m gelbe. — „SBir muffen btc ^inge luftiger nef)men, al3 fie eö üerbienen; jumal mir fte lange 3^^^ ernfter genommen l)aben, a(ö fie eö öerbienen" — jo fpred)en braöe <Sofbaten bcr ©rfenntnife.
568.
^i^ter unb ^ogcL — ^cr SSogcl ^l)öntf jcigtc bem 3)ic^tcr eine glü^cnbc unb t)erfof)lcnbc &io(Ie. ,,(£rfci&rid nic^t! fagte er, e§ ift bein ?Berf! (5^ l)at nicftt
m^H^diit mnU. »laff.'^lufa IV. 36
562
bcn ®cift ber Qdt unb nod§ Weniger ben ®ctft berer, Ut gegen bie S^it ftnb; fotglid^ muß esJ öerbrannt toerben. W)n bieg ift ein guteg 3^^^^"- ®^ Ö^^^^ mand^e ^rten öon SOf^orgenröttjen."
569.
§Inbie(£infamen. — Söenn \mx bie @l)re anberer ^erfonen ni^t in unferen ©elbftgefpräd)en ebenfo fd^onen roie in ber Öffentlid^feit, fo ftnb toir unonftänbige 50?enfd^en.
570.
SSerlufte. — (£^ giebt 93erlufte, njeld^e ber @eele eine ©r^aben^eit mittl^eiten, bei ber fie ftc^ be§ Sammemd, enthalt unb fid^ tpie unter l^ol^en fd^ttjargen S^preffen fd^toeigenb ergel^t.
571.
geIb:^5lpot^cfe ber (SeeU. — Sßeld^e« ift bo^ ftärffte ^eitmittel? — 2)er (5ieg. 1
572.
^ag Seben foll un§ berul^igen. — SSenn man, tüie ber Genfer, für geujö^nlid^ in bem großen (Strome beg ®eban!eng unb ®efül)Ig lebt, unb felbft unfere Xräume in ber '^a6)t biefem Strome folgen: fo begehrt; man öom 2tbttt S3eru^igung unb Stille, — toä^renb^ anbre gerabe t)om Seben auSrul^en n^ollen, ioenn fie fidj ber 9J?ebitation übergeben.
563 —
573.
©id) Ijäuten. — ^ie (Seetange, toddjc ft(^ ntc^t t)äuten fann, gef)! gu ©runbe. (Sbenfo bie (SJeiftcr, lueld^e man öer!)inbert, if)rc SD^eimmgen gu hjecf)jeln; fic tjören auf, ®eift gu fein.
574.
^Jitc^t gu bergeffen! — Se f)öi)ex n)ir un^ ergeben, um fo f lein er erf (feinen Mx bcnen, njeld^e nid^t fliegen fönncn.
575.
SSir ßuft'^@d^tffat)rer be« ®ctfte§I — OTc biefe !ül)nen SSöget, bie in'ö Söeite, Sßeitefte hinausfliegen — genjig! irgenbnjo ioerben fie nid)t mef)r meiter fönnen unb fid^ auf einen ^a\i ober eine färgtid^e Stlippe nieber^oien — unb nod^ ba§u fo banfbar für biefe erbärmüd^e Unterfunft! 5Iber tuer bürfte barauö fdjliefeen, hQ^ eö öor i^nen feine ungeheure freie S3a^n me^r gebe, ba§ fie fo hjeit geflogen finb, alö man fliegen fönnc! OTe unfere großen Öel)rmeifter unb Vorläufer finb enblidE) fielen geblieben, unb eö ift nic^t bie ebelfte unb anmutl)igfte ©ebärbe, mit ber bie 9J?übigfeit fte^en bleibt: aurf) mir unb bir tüirb e§ fo ergel;en! Sföag gel^t baö aber mid) unb bid) an! 5lnbre S5ögel lücrben Ujeiter fliegen! ^iefe unfere (5infid)t unb ^Häubi gleit fliegt mit il)nen um bie 'iSttk l)inauö unb hinauf, fie fteigt gerabetüegS über unferm Raupte unb über feiner Dl)nmad^t in bie §öl)e unb fielet Don bort an^ in bie gerne, fieljt bie ©d)aarcn Diel mächtigerer ^ögel, als mx finb, DorauS, bie bal)in ftreben trcrbcn,
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tüoljm Xüix ftrebten, unb ft)o alles nodf) SD?eer, Mm, SUieer tft! — Unb tro^tn tüolten tütr benn? Söollen tüir benn über bag 9Keer? SßoWn reigt un^ biefe§ mäd^tige (SJelüfte, ba§> un§ ntel)r gilt aU irgenb eine Suft? Sßarum hoä) gerabe in biefer 9fäd^tung, bortl^tn, H)o bisher alle Sonnen ber 9]?enfd)f)ett untergegangen ftnb? Sßirb mon öteUetrf)! un§ etnftma(§ nad)fagen, bag auc^ n)ir, na(^ SBeften fteuernb, ein 3nbien ju erreid)en l^offten, — bag aber nnfer 2oo§> mar, an ber Unenblid^ feit 5« fd^eitem? Ober, meine S5rübcr? Ober? —
9Uc^beric^te.
®er ?GBanberer unb fein ©(f)atten.
3)ie 9Iu§arbeitung ber 2l|)i)origmeTtfammIung „2)et SSanberer utib fem (Scf)atten" gefc^at) im f^rü^iotir unb (Sommer 1879, be- [onber^ mä^renb etne^ längeren, im legten S)rittel be3 ^i^ni begon- nenen ^lufenf^alte^ gu ©t. SlKori^, baber oud) urlprüngtid) ber ^itel „(St. äJJori^er ©ebanlengöngc" tauten follte. Qm Einfang (Se|3tember 1879 fanbte 9f2ie^fd)e feine rebibirten S^Zieberfdiriftcn bon bort an^ xiad) SSenebig an ^errn ^eter ®aft, ber toaijienh biefe^ 5!Jlonatg bie ^erfiellung beg 5)rucfmanuflripte§ beforgte. 2)iefeg h)urbe, nad)bem ber SSerfaffer e§ nodimolö burdigefe^en, corrigirt unb berme^rt t)atte, bon Qnt>t Dftober biä Snbe ?2obember bei 9lid^arb Ofd)a^ in 6t)emni| gebrucft, unb um bie 3at)reött)enbc erfc^ien „2)er Sßanberer unb fein (Schatten, ß^emni^ 1880. SSer- lag bon Srnft (3d)mei^uer.'' 2)ie aHücffeitc besi Titelblattes trug ben urfpriinglid) für bie ^orberfeite beftimmten (Sa^ „Bnjeiter unb le^ter S^iac^trag ju ber früher erfc^icnenen ©ebanlenfammlung „gj?enfd)Iid)eä, 2niäumenfd)lid)eS. Sin Sucf) für freie ©eifter."
SfJad^bem 6. Sß. gri^fc^ in fieipjig ben SSerlag ber (Schriften 9iie^fd^eS 1886 jurüdernjorben l^atte, mürben bie nod^ bor'^anbencn Sjemplarc „3)eS SBanbererg unb fein <Bä)ai\cn" mit ben „3Jer- mifd)ten SOfieinungen unb ^pxMjen" ju einem jiueitcn ^-öanb bon „5[Renfc^Iicl^e^, 9inaumenf(i)Hd)eÄ" äufammengeftcllt. 9?ietjfd)e fdjrteb in 6ilS*9J?aria eine SSorrebe baju, bie fid) in bcm britten ©anb bot ben „^ermifd^ten SKeinungen unb ®prüd)en" finbet. 3Bit waten nämlid) burd) ben ^lon ber borliegenben IHuSgabe genötl)igt, btcfc beiben 3tpt)ori^mcn)ammIungen in gioei bcrfdjiebcnc iöänbc njieberum ju trennen, bod^ mu^ auöbrücflid) erjüät)nt merben, bo§ biefc Srcu' nung fid) nid)t nur äu^erlic^ redjtfertigt, fonbetn ba^ fid) oud^ inner-
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Iid)e (^rünbe bafür finben. 9?ie^f(i)e tjai felbft bamal^ §u ^^Seter @aft gejagt, bo^ bie ^ereiniguttg „eitt irenig getüaltfam" n?ätc, betm in bet ^at, eö flingt ein gang anberer ^lang au§ bent „SSanberei unb fein (Blatten" a\§> aug hen anbeten 5tp^orignten|ammIungen t)on „9}Zenfd^Iid&e§, Hnäumenf(i)Ii(i)eg". 3"ä^if<i)ß" ^Qtte S^Zie^jc^e feine S3afeln; ^rof effur, bie i'^n auf bie 2)auer leibenb gentad)t l^atte, aufgegeben, unb fo fü:^Ien hjir au§ bent „Sßanberer unb fein ©diotten" ha^i 5Iufatmen beg gefreiten :^erau§. ^\ä)i, ha^ i^m bie SSafeler ^rofeffur eth)a§ llnangenet)nte§ gewefen tt)äre: aber täglid) feine .Gräfte einem 3lmt su mibnten, ba§ ein Slnberer ebenfogut auffüllen fann unb bafür feine eigenfte 2tufgabe gu öernad)Iäffigen, biefe (Sorge ge'^rte an S^Jie^fcEjeg (2eele-unb führte mit ben ;3öl)ten fene llnbeftänbigleit feinet Söefinben^ unb eine ungemein fd^mergl^afte Übermübung feiner Singen :^erbei, bie i^n enblid) gum Stuf geben ber ^rofeffur gmang. 9^un fonnte er alle feine guten «Stunben feiner eigenften siufgabe hjibmen unb biefe^ gibt ber 3t))t)oriömenfammIung „2)er SBanberer unb fein ©chatten" einen frot)Iodenben Unterton. 9Iu(f) lünben ficf) bereite feine ^aupt^jrobteme an, bie in ber „aJiorgen^ röt:^e" i^ren weiteren Slu^brud finben, foba§ mir ben „Söanberer unb fein (Bd)aiten" aU ben ^uftalt ju Si^ie^fc^eg eigenjler ^t)iIofo:pf)ie betrad^ten bürfen.
®ic erften flüct)tigen ^2(ufäeid)nungen gur „^3Jiorgcnröt^e" flammen üon 9f?iba am ©orbafee au^ bem f^ebruar 1880. Sliit i^nen geigt fid^ beutlid) bie entfd)eibenbe, fc^on oben eitvai^nte SBenbung, bie 92ie^fc^e auf ben eigenften äöeg feiner ^;|3t)iIofo^I)ie füt)rt, tvddjc et bon t>a an in bollfter ^rei{)eit gum Slu^brud bringt. 5lber erft in ^enebig fam eö gu fet)r augfüt)rliö)en 9'?ieberfd)riften, bie iebodi nur gum XtjcM gur 3Rorgenrött)e bernjenbet mürben, ^^m Sommer unb |)erbft barauf fügte er in SOiarienbab, in 9?aumburg unb in ©trefa am Sago SWaggiore nod) diele 9lufgei(^nungen bingu, um in bem ^3Binteraufent:^alt in GJenua üom 9. 3?üt)cmber'l880 bi§ gum 25. SIpril 1881 au§ bem ingmifdien beträc^tti^ angen>ad)fencn 4'>önbfd)riften
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materiol haä S3uc^ ä")aJ"tttenäu[teneti. 'am 12. gebruar jonbte 9'?ie^frf)e ba§> mam\li\pt an §errn $eter ©oft jur 5Ibjd^rift, vorauf e§ nod) einmal gu it)tn gurüdfatn unb einen 9^Q(i)traß eii)ielt; unb enblid) am 13. SÖMrg fd)i(Ite er bie boHenbete (Sci)Tift an feinen ba^» maligen beileget 6. Sä^mei^nex in <3d)Io^ ß^emni^. ^m 9J?ai lag 9f?ie^jd)e mit |)enn ©oft gufammen in 3f?ecoaro ben (3d)Iu| ber (^orrecturen, unb ©nbe ^uni njuxbe bie „TloxQeniöttie" ber öffent- Iitf)!eit übergeben.
Urfiprünglicl) foHte aud) bie[e§ neue S3ud) mot)! „bie ^flug» jd)ar" f)ei^en, ipie bieg [djon für „ÜUtenfdilidieg, 5in3umenf(i)Iid^£S" geplant aber aufgegeben morben ttiar. ^n ber nad)foIgenben 5luf- geid^nung (ober ift e§ ßitat?) mirb ber ©runbton beg ganaen S9ud)eg fe^r gut gufammengefa^t: „^ie ^flugfrfiar fc^neibet in t)a^ ^arte unb bog h)eid)e (Srbreid), fie gel)t über ^o^e^ unb Siefeg I)inmeg unb bringt eg fid) nai): 2)ieg S5ud) ift für ben ®uten unb 33öfen, für ben 9^iebrigen unb ben 3D'iäd)tigen. 2)er SSöfe, ber eg lieft, tpirb bejfer ttjcrben, ber ©ute fd)lcd)ter, ber ©eringe mäd)tiger, ber 2)Md)tige geringer." ®a aber .§err ®aft auf bog Titelblatt beg abgefc^riebenen !:)J?anuffri|)teg ben SSerg aug bem 3?igbeba gefegt :^atte: „(5g giebt ]o biele gjiorgcnrct^en, bie nod^ nid)t geleuchtet t}ahen" unb 3lie^\6)e biefer SSerg befonberg gut gefiel, fo mät)Ite er hcn Sitel „Qcine 9Jiorgen- rötfjp", um fpäter \)a§ Söort „eine" nod) gu flreidjcn, t>a eg i{)m gu Vrötentiög erfd)icn. (5g ift merlmürbig, ba^ ber S3ud)titel „^flugfdiar" üfterg er)d)eint, aber immer luieber aufgegeben luorben ift.
2)ie je^ige Sßorrebe, über bereu erftem ßntniurf bie äßorte: „mi Qmmoraliften" ftel)cn, fügte 9«e^fd)e erft 1886 bem S3ud) i)tn5u, alg ber Sßerlag feiner Schriften üon (5. @d)mci^ner in ben ^^efi|ij üon (5. 2B. i^x\^\d) in Seipjig überging unb biefe Sd)riften in einer 9Irt S^Jeu-^luggobc crjd)ienen.
Söeimar, ^luguft 1921 ^ie ^eraiiögcbcr beö
B 3312 .A2 N letzsche, Nietzsches
1921 V.4 SnC Friedrich Wi Ihelml werke 47085312
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