* * - art Dry , pa FAR AED. Du u vn * 1 4 1 * Pr Lake m x, a DO LAS — FOR THE PEOPLE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY S S S S = aus dem Gebiete der Uatur- und Heilkunde, * { ’ gefammelt und mitgetheilt von * rer Dr. Mobert Froriep, des rothen Adlerordens vierter Claſſe Ritter, Königl. Preuß. Geh. Mevicinalrathe a. D. und praktiſchem Arzte in Weimar, Mitgliede und Correſponventen der Königl. Akademie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Academie nationale de Médecine * Paris, der Hufelanviſchen medfeintiſch⸗chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde iu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Läkare-Sällskap zu Stockholm, der Societas physico - medica zu Moſkwa, der K. K. Geſellſchaft der Arzte in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu⸗Orleans und des Deutſchen Vereins für Hellwiſſenſchaft zu Berlin; Ehrenmitgliede des Vereins Großherzogl. el Mepicinalbeamten Br die sg der Staatsarzneikunde, des Apothekervereins im nördlichen Deutſchland und des natuxwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes. SCHLES:! VATERLENDISCHE Dritter ter Band, Weimar, Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs. 1849. A | a N e 7 „ a, u 2 ARD TEL Ne i 1 | * A > LK N Du‘ l ä renne e N 18. 90438 3dJ..- 0 2 17114 ee Ei 1 N ao We ee a ia b> N 6 { 1 5 Abr mee 7 a ee 5 FE Ata gh e e ae ine eh n rer „ „Seren 40 1 N. 0 10 y N (IT e 4 a 10 1 N do 1% en 0 en‘ In 4 10 9 * 7 Arten Ne "N ) a! 1 1 ii * fort - ri h 1 1 WM ha WTA 1 9 } r ee geen ivm ir seid 1 En In 1 e Weine. Rt ER Mir, u Bi nach * n 9 N ae ie Min Be Ir 5 zu K 100 A N ) * . * 1 Schluß wort. Indem ich mit dieſem Bande die lange Reihe der „Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde“ ſchließe, welche im Jahre 1821 von meinem Vater gegründet, ſeit 1830 von mir mit ihm gemeinſchaftlich bis zu ſeinem Tode und danach in Gemeinſchaft mit Herrn Prof. Dr. Schleiden redigirt worden ſind, ſpreche ich die Hoffnung aus, daß ſich der Fortſetzung dieſer Zeitſchrift, welche ich von jetzt an unter dem Titel „Tagsberichte über die Fortſchritte der Natur- und Heilkunde“ nach einem etwas erweiterten Plane erſcheinen laſſe, dieſelbe Theilnahme zuwende wie den Notizen, und daß ſomit die Schöpfung meines Vaters in weiterem Umfange fortlebe. Der Grundgedanke derſelben iſt auch in der neuen Zeitſchrift fortgeführt, daß nämlich durch die zur Hälfte der Naturkunde gewidmeten Blätter dem wiſſenſchaftlichen Sinne der Arzte auch in Lagen, wo ihnen Zeitſchriften der naturhiſtoriſchen Specialfächer nicht zugänglich ſind, Nahrung geboten werde. Durch Vollſtändigkeit der Berichte, wodurch die neue Zeitſchrift auf den Standpunkt eines Repertoriums der ganzen natur- und heilkundigen Lite— ratur erhoben wird, hoffe ich dieſer Aufgabe noch vollkommener zu entſprechen und bitte um die Unter— ſtützung des wiſſenſchaftlichen Publicums namentlich u durch ungeſäumte Zuſendung alles deſſen,, was nicht in den Buchhandel kömmt. A Weimar, 31. Derember 1849, 1 1580 * 1 ER MISCHEN N. Froriep. N l. ee ae Ac nie INA re see aaa HE in m NG) r | mdi tim een u ae da, m wphar nl Ben: main au Far ee la NT eee en von) tm Gr eee 1 ba ice pie. ger N in. ee id dr e e til, hurt en WIe ann rin aa nne ü ent een n in aan li ale 150 Ma ue Jahr Wie e er uote tnt, Macke BO . . 6 A ga! ee e une Karina Enid damn nur „ a f . „ no ei re ng lied ace mug e 1 EI een anf ai sur aan! ne Ga Al nd mit ee EN vo aten Aan et Ai be ft e e e eee L ii au l en ung nd. eee ene, Mund nd Te Füge ia gm ent; un, Mehr ug, a ee Ran TI EST , fag ©; 7 meln Nam lten, nid denen e, rn bud! rind ri ah 4 Ag 911 de 6 eh ne Kol urn war tig i dee + sign . nlp 9. alle 17 ‘ tler * g 10 we 74 = — 5 ai, 8 a Ni ir deus en chere en. fein ache ar „ au x | Lage, me N 0 . 4 m 1 2. ir Niger. ( af Notizen Ill ft. N?221 N° ı des II Bandes . Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 221. (Nr. 1. des XI. Bandes.) October 1849. Naturkunde. Schmidt, C., über die Körperverhältniſſe des Menſchen. — Marſhall Hall, über die Wirkungen gewiſſer phyſicaliſcher und chemiſcher Agentien auf das Nervenſyſtem. Zweite Abtheilung. — Miſcellen. Bernard, der succus pancrealicus das zur Verdauung der Fette allein thätige Agens. Bildung der Knochenzellen. Wiſſe, die erratiſchen Blöcke der Anden Quitos. Perris, Lixus angustatus. Pike, Thiere, welche bei dem Gehen beide Beine einer Seite heben. — Heilkunde. Frorlep, zur Vorbeugung der Nothwendigkeit des Kalſerſchnittes und der Perforation. — Todd, über die Waſſerſucht nach Scharlachfteber. — Miſcellen. Machen, neuer Apparat zur Unterdrückung von Mutterblutflüſſen nach der Entbindung. Robert, Be- merkung über den Gebrauch des Chloroforms. — Bibliographie. Naturkunde. I. über die Körperverhältniffe des Menſchen. Von C. Schmidt, Maler. (Hierzu die Fig. 3 der mit dieſer Nummer ausgegebenen Tafel.) Einſender dieſes las in No. 9 des VIII. Bandes der Notizen mit um jo größerem Intereſſe einen Aufſatz über die Verhältniſſe des menſchlichen Körpers, als derſelbe die bekannteſten älteren und neueren Werke, welche auf dieſem Gebiete der Forſchung Gewiſſenhaftes und Ge— diegenes zu leiſten bemüht waren, vergleicht und dadurch einen umfaſſenderen Überblick über das gewährt, was in der Behandlung dieſes Stoffes bis jetzt erſtrebt worden. Dieſes Reſultat wird freilich in dem Aufſatze ſelbſt als ein ungenügen— des bezeichnet, das der Vermuthung, „daß vielleicht der menſch— liche Körper in feinen Formenverhältniſſen viel beſtimmter ſei als irgend eine Schöpfung der Natur“, freien Spielraum laſſe. Zur Unterſtützung der Richtigkeit dieſer Vermuthung glaube ich keinen unintereſſanten Beitrag liefern zu können. Nach jahrelangem Forſchen zu der Überzeugung gelangt, daß auf dem bisher betretenen Wege die Verhältniſſe des menſchlichen Körpers zu beſtimmen, ein befriedigendes Re— ſultat nicht zu erreichen ſei, konnte ich mich gleichwohl des Gedankens nicht erwehren, daß in dem menſchlichen Körper Verhältniſſe vorhanden fein müſſen, welche an ſich ſelbſt unveränderlich, die harmoniſche Grundlage alles Formenwech— ſels bilden, ſo gut wie bei der bewegteſten Tonproduction ein Hauptaccord dem muſtcaliſchen Ganzen zu Grunde liegt. Dieſe Grundlage nun glaube ich in Beziehung auf den menſchlichen Körper, in Linien (Achſen) gefunden zu haben, welche die Stütz- und Mittelpunkte der Bewegung verbinden und als an ſich unveränderlich nachgewieſen werden können. Die nähere Unterſuchung führte mich auf Entdeckungen, welche die gehegten Erwartungen weit übertrafen; denn ſie No. 2201. — 1101. — 221. ließ mich in der Conſtruction des menſchlichen Körpers ein Hauptverhältniß erkennen, nach welchem die an ſich unver: änderlichen Linien (Achſen) in demſelben dermaßen organiſch zuſammenhängen, daß, wenn irgend eine ſolche Linie gege— ben iſt, ohne viele Umſtände alle übrigen Verhältniſſe des ganzen Körpers in zuſammenhängenden Proportionallinien aufgefunden werden können und zwar mit beinahe gänzlicher Beſeitigung des dem künſtleriſchen Gefühle widerſtrebenden Zahlen- und Bruchweſens. Nichts deſto weniger laſſen ſich jedoch die auf dieſem Wege gefundenen Linienverhältniſſe auch vermittelſt Zahlen und zwar einfacher als dies bisher geſchehen, ausdrücken. Die meinem Achſenſyſteme entſprechenden Maße ſtim— men übrigens mit den bis jetzt gebräuchlichen Maßen da überein, wo die Wahl der Punkte, deren Entfernungen ge— meſſen wurden, auch bei der bisherigen Behandlungsweiſe mehr Sicherheit beim Meſſen ſelbſt zuließ, wie z. B. bei der Handlänge, Fußlänge, Kopfhöhe, ſenkrechten Höhe vom Schei— tel bis zur Naſenbaſis (welche letztere Höhe der ſenkrechten Achſe des Kopfes, von Schädel bis zum Drehungspunkte des Körpers gleichkommt). Ohne jedoch vorerſt weiter auf die Sache einzugehen, weil zur vollen Verſtändigung Zeich— nungen durchaus unentbehrlich ſind, ſoll dem Geſagten nur ſo viel beigefügt werden als nöthig iſt, um einigermaßen einen Begriff von dieſer neuen Anſchauungsweiſe zu geben. Es wird wohl von Niemand beſtritten werden, daß z. B. die Ertremitäten in einem beſtimmten Verhältniſſe zum Stamme (Rumpfe) ſtehen; denn zum Dienſte desſelben wach- ſen ſie aus ihm heraus, auch bemerkt ſogar ein ungeübtes Auge mit Mißfallen, wenn ein Menſch zu lange oder zu kurze Arme oder Beine hat. Ich fragte mich daher, ob wohl dieſe Verhältniſſe der Ertremitäten nicht ſchon in denen des Stammes enthalten fein könnten; und dieſe Vermuthung be- 7 1 3 221. XI. 1. 4 ftätigte ſich auch nach langem Suchen und Unterſuchen (wo— bei mir indeſſen die bisherige Anſchauungsweiſe der Sache nicht wenig hinderlich war) wirklich auf überraſchende Weiſe. Die Punkte, welche die Grundlage dieſer Verhält— niſſe bilden, nehme ich beim Rumpfe da an, wo die Extre— mitäten und der Kopf mit jenem zuſammenhängen, wie: der Drehungspunkt des Kopfes, die beiden Drehungspunkte (Mit— telpunkte) der Schultergelenke, die beiden Drehungspunkte (Mittelpunkte) der Hüftgelenke. Werden nun dieſe fünf Punkte durch gerade Linien verbunden, ſo entſteht eine geo— metriſche Figur, welche alle Hauptachſen der Extremitäten und des Kopfes — die Achſe des Oberarms, die Achſe des Vor— derarms, der Hand, des Oberſchenkels, Unterſchenkels und des Fußes — in ſich trägt, und zwar in ganzen Größen. Um indeſſen einen Beweis zu geben, daß das Normal— maß, um welches die in dem Eingangs erwähnten Aufſatze gegebenen Zahlenverhältniffe ſchwanken, ſich einfacher und übereinſtimmender ausdrücken laſſe als es bei der bisherigen Behandlungsweiſe irgend möglich war, ſo ſollen diejenigen Größenverhältniſſe jenes Aufſatzes, welche ſich dem von mir aufgefundenen Verhältnißſyſtem unmittelbar anſchließen, ge— genſeitig mittelſt Zahlen verglichen, in folgendem dargeſtellt werden. Zuſammenſtellung derjenigen Proportionalgrößen in den Tabellen des erwähnten Aufſatzes, welche auch in dem von mir aufgeſtellten Syſteme ent— halten ſind. ie Durchſchnittszah⸗ Saplenergebniß. len die Tabellen Syſtem. des 1 155 Auf⸗ Totalhöh e. 83 mal 12 = 996 (1000) ) Vom Scheitel bis zur Baſis der Naſe 8 96 (gleich der ſenkrechten Achſe des Kopfes, vom Scheitel bis zum Drehungspunkte) Theile des Körpers. „ = Vom Scheitel bis zum Kinn (Kopf) 11 „ẽ 12 = 132 Von dem Schambeine bis zur Mitte der Knieſcheie . . 19 „ 12 = 228 (gleich der Achſe des Oberſchenkels) Von der Kuieſcheibe bis zur Erde 24 „ 12 = 288 Vom Schambeine bis zur Erde. 43 „ 12 = 516 Fußbreite über die Zehen. 4½ „„ 12 = 54 Länge des Fußes. mr eee 14 Zange, der end 9 „% 12 108 Es iſt nicht ſchwer einzuſehen, daß, wenn hier die mitt— lere Zahlenreihe, der Factor 12, ausgelaſſen wird, die erſte Reihe dieſelben Verhältniſſe ausdrückt, wie die dritte; dieſe aber entſpricht durchgängig den in oben erwähntem Aufſatze betreffenden Durchſchnittszahlen. C. Schmidt. „) Die Differenz von ½% zwiſchen 996 und 1000 iſt fo gering, daß ſie wohl nicht in Betracht kommen kann, da überdies jeder Menſch bei der ger ſtreckt aufrechten Ste e gehe iſt als bei bequemer Stellung und Morgens beben als Abends. Die Gewiſſenhaftigkeit iſt auch ſelbſt in Quetelets Ta⸗ ellen nicht ſo weit n daß ein ſolcher Unterſchied beobachtet worden wäre, denn wenn daſelbſt die auf einander folgenden Theile der Totalhöhe uſammengeſtellt werden, ſo kommt die von ihm angenommene Einheit, die Zahl 1000 nur ein einziges Mal (bei der zweiten Reihe) heraus, im übrigen finden ſich Differenzen von 3 bis 44,000. II. über die Wirkungen gewiſſer phyſicaliſcher und chemiſcher Agentien auf das Nervenſyſtem. Von Marſhall Hall. (Hierzu Big. 4—12 der mit vieſer Nummer ausgegebenen Tafel.) Zweite Abtheilung. Über die elektrogeniſche Beſchaffenheit des Rücken⸗ marks und der Incidenznerven des letzteren. Der Verf. giebt in dieſem Aufſatze die Fortſetzung der bereits in Nr. 18 des IX. Bandes der Notizen mitgetheilten Beobachtungen; wir entnehmen dieſelben dem October- bis Januarhefte des Edinburgh new philosophical Journal von 1849. In der erſten Abtheilung weiſ't der Verf. die elektro⸗ geniſche Beſchaffenheit des Nervenſyſtems in ſeiner einfachſten Form, wie es die Musfelnersen zeigen, nach; er zeigte, wel⸗ chen Einfluß Feuchtigkeit oder Trockniß auf das Gelingen der Verſuche übe u. ſ. w.; ſeine früheren Beobachtungen leiten ſomit die jetzt folgenden Unterſuchungen, welche das Rückenmark ſelbſt zum Gegenſtand haben, ein. Der Verf. hat bisher jede Speculation vermieden, er wird dieſelbe auch hier vom Verſuche ſtreng ſcheiden. Wenn ein Muskelnerv vom Rückenmark aus den Vol— taiſchen Einfluß empfängt, fo findet im Augenblicke der vollſtändigen Schließung eine einmalige Mus kelcontraction Statt, deren Intenſität nach dem Grade der Elektricität und der Reizbarkeit des Thieres verſchieden iſt. Die Erſcheinung wiederholt ſich, wenn man den Strom unterbricht und von neuem ſchließt; geht das Schließen und Unterbrechen raſch vor ſich, jo treten wiederholte Contractionen auf. Unter— bricht man den Strom, nachdem er eine Zeit lang fortdauerte, ſo ſtellt ſich ein Starrkrampf ein, — der Verf. erklärt ihn durch eine langſame und unterbrochene Entladung des Nerven in den Muskeln. Die Richtung und Art dieſer Entladung in den Muskel und namentlich, ob ſich in letzterem ein Vol⸗ taiſcher Strom ausbildet, waren zunächſt die Hauptfragen, die ſich der Verf. geſtellt hatte; derſelbe gelangte zu folgen— den Reſultaten: 1) Der elektrogeniſche Zuſtand der Nerven iſt Folge einer Entladung; man kann dieſelben Erſcheinungen durch Induction beliebig auch in anderen Muskeln erregen. 2) Der elektrogeniſche Zuſtand kann durch augenblic- liche ſchwache Ströme hervorgerufen werden. 3) Der elektrogeniſche Zuſtand wird, wie auch Mat- teucci und andere bewieſen haben, durch einen momentan und gar umgekehrt einwirkenden Strom leichter als durch einen directen hervorgerufen. 4) Wenn ein Nerv einen Theil der Voltaiſchen Kette bildet, fo können neue ſecundäre Kreisſtröme entiteben, welche, indem ſie eine Veränderung in der Beſchaffenbeit des erſten Kreiſes hervorrufen, Muskelcontractionen zur Folge aben. N 5) Wenn der Voltaiſche Strom nicht vollſtändig iſt, oder, falls er es war, unterbrochen ward, und verſchiedene Theile der Dräthe oder des thieriſchen Gewebes, welche vor— her zur Kette gehörten, durch einen Leiter verbunden werden, 5 221. XI 1. 6 ſo treten Erſcheinungen auf, die zum Theil noch nicht er— klärt werden können. 5 6) Iſt es, insbeſondere für Arzte, ſehr wichtig, die Weiſe und den Grad, in welchem die Nerven- und Muskel— kraft durch wiederholte Voltaiſche Ströme vermindert wird, zu kennen. I. Über den elektrogeniſchen Zuſtand des Rückenmarks. Die erſten Verſuche des Verf., einen elektrogeniſchen Zuſtand im Rückenmarke, das noch im Wirbelcanale lag, zu veranlaſſen, mißlangen; das letzteren umgebende Gewebe verhinderte die Induction und ſomit eine elektrogeniſche Be— ſchaffenheit des Rückenmarks. Die Entfernung des Knochen— gehäuſes, wie einiger feſter Membranen, machten die nach⸗ herigen Verſuche etwas zeitraubend und ſchwierig. Erſter Verſuch. — Der Voltaiſche Strom ging, wie Fig. 4 angiebt, in der Richtung des Pfeils von den Endpunkten des Rückens zu den Brachial- und Lumbarnerven, dieſe Nerven ſelbſt lagen außerhalb des Stromes. Das Rückenmark ward bei dieſem Verſuche dem galvaniſchen Strome nur theilweiſe ausgeſetzt. Es war, der Verf. mochte einen directen oder umgekehrten Strom einwirken laſſen, nicht möglich, einen elektrogeniſchen Zuſtand hervorzurufen. Zweiter Verſuch. — Der Kopf des Froſches ward entfernt, der unterſte Theil der Wirbelſäule, techniſch das Schwanzbein (coceyx) genannt, ward ſorgfältig getrennt und jeder Muskel wie alles feuchte Gewebe eben ſo ſorgfältig getrennt; wenn dies geſchehen, wurden die Enden der Vol— taiſchen Kette mit dem oberen und unteren Ende des Mark— canals in Verbindung gebracht, während die Wirbelſäule ſelbſt auf einem Wachsſtücke, welches ſie iſolirte, lag. (Fig. 5.) Bei einem directen Strome ſtellte ſich kein elektrogeniſcher Zuſtand des Rückenmarks ein, wohl aber, wenn die Dräthe in umgekehrter Weiſe wirkten. Die Erſcheinungen, krank— hafte Muskelcontractionen der Hinterbeine mit leichten Be— wegungen der Vorderbeine, waren dieſelben als wenn wie früher die Lendennerven in gleicher Weiſe erregt wurden. Da es dem Verf. trotz aller Vorſicht in dieſer Weiſe nicht gelungen war, durch einen directen Strom eine Induction aufs Mark zu bewirken, ſo verſuchte er es auf anderem Wege. Dritter und vierter Verſuch. — Er legte das Rückenmark, indem er das Knochengehäuſe desſelben vom hinteren Theile ablöſ'te, bloß und nahm in gleicher Weiſe auch vom vorderen Theile einige Wirbelkörper hinweg. Die Entfernung der letzteren hatte ungleich weniger Schwierigkeit wie das Ablöſen der ſehr feſten Knochenhuͤlle des hinteren Theils; beides gelang jedoch vollkommen. Nachdem das Mark frei gelegt war, ward es mit größter Sorgfalt auf den Zinktheil des aus Silber und Zink be— ſtehenden Voltaiſchen Bogens gelegt, während der Silber— theil auf das unterſte Ende des Ruckgrats gelegt ward; der galvaniſche Strom folgte der auf Fig. 6 bezeichneten Rich— tung. Nach 4 Minuten ward das Rückenmark von der Zinkplatte genommen, es traten deutlich krampfhafte Con⸗ tractionen der Lendenmuskeln ein, ganz ſo als ob die Lenden— nerven elektrogeniſch wären. Ein Durchſchneiden des Rücken⸗ marks an deſſen unterſtem Ende hob augenblicklich alle Er— ſcheinungen auf. Aus dieſen wie aus einigen Verſuchen der früheren Arbeit folgert der Verf.: 1) Daß eine im Zuſammenhang erhaltene feuchte Be— ſchaffenheit (eontiguity of humidity) die elektrogeniſche In— duction der Nervengewebe verhindert. 2) Daß ein umgekehrter galoaniſcher Strom leichter wie ein directer einen elektrogeniſchen Zuſtand hervorruft. In einem Falle wurden die Lendennerven durch ein theilweiſes Trockenwerden des ſie umgebenden Gewebes in einen elektrogeniſchen Zuſtand verſetzt, der, nachdem die Ge— webe befeuchtet wurden, wieder verſchwand. Bei allen Ver— ſuchen, wo der Strom in einem Lendennerven auf, im ande— ren abwärts ſtieg, nahm der erſtere jeder Zeit einen elektro— geniſchen Zuſtand an. Fünfter Verſuch. Der Verf. entfernte den Kopf und die Wirbelkörper eines Froſches und darauf die ſeitlichen und hinteren Theile des Markcanals, jo daß das Mark voll— ſtändig frei lag; darauf brachte er den oberen Theil des Marks auf ein Platinſtück, das mit dem Silberende der galvaniſchen Kette verbunden war, indem er den anderen Drath unter den unterſten Theil fo anbrachte, daß der di— recte Strom in ſeiner Richtung verlief. Wenn die Kette nach 20 Minuten unterbrochen ward, traten Zuckungen ein. Nachdem ſich ſelbige verloren hatten, gelang es durch er— neuertes Schließen und Unterbrechen der Kette nicht, mit dem Strome einen elektrogeniſchen Zuſtand hervorzurufen; ſobald man aber den Strom umkehrte, ſtellten ſich von neuem Zuckungen ein. Dieſe Erſcheinungen zeigten ſich um ſo deutlicher, ſowohl vor als nach dem Unterbrechen des Stromes, wenn beide Dräthe verbunden wurden; im letzten Falle waren ſie ſchwächer, hörten auch nach einigen Wieder— holungen bald auf. Sechster Verſuch. — Das Rückenmark ward ſorg— fältig geſondert und über einen Voltaiſchen Bogen ſo gelegt, daß das obere Ende mit dem Zink, das untere Ende mit dem Silber in Berührung kam und der directe Strom durch letzteres ging. Wenn die Kette nach 4 Minuten unterbrochen ward, ſtellte ſich der deutlichſte Tetanus ein; er verſchwand wieder, ſowie die Kette nun geſchloſſen ward. Der Verſuch ward nach 5 Minuten wiederholt; dann ward die Anord— nung des Voltaiſchen Bogens umgekehrt, der Tetanus dauerte noch einige Minuten fort und hörte darauf ganz allmälig auf. Ward jetzt die Kette unterbrochen, ſo erneuerte ſich der Krampf, er war jedoch nicht ſo heftig, verſchwand auch, wenn die Kette von neuem geſchloſſen ward, nicht augenblicklich, ſondern erſt allmälig. Einige Minuten nach ſeinem vollſtändigen Verſchwinden ward die Kette unter⸗ brochen, die Zuckungen ſtellten ſich ein und verſchwanden jetzt bei Schließen der Kette augenblicklich. Kehrte man jetzt den Strom nochmals um, ſo erfolgte nach einiger Zeit beim Unterbrechen desſelben ein heftiger Tetanus, der, wenn man das Rückenmark am unteren Ende durchſchnitt, augen⸗ blicklich aufhörte. 1 17 4 221 XI. 1. 8 Siebenter Verſuch. — Nachdem der Kopf entfernt und das Rückenmark frei gelegt war, ward ſelbiges auf den Zinktheil des Zink- und Silberbogens gelegt, während die Gewebe der Schenkel auf dem Silber ruheten. Wie man nach 4 Minuten das Rückenmark vom Zink entfernte, trat Tetanus ein; das Rückenmark ward von neuem 5 Minuten lang aufs Zink gelegt und dann im unteren Theile durch— ſchnitten; der Krampf war augenblicklich verſchwunden. Achter Verſuch. — Ward der Froſch ſo, wie es Fig. 5 zeigt, präparirt und der galvaniſche Strom umge— kehrt oder aufwärts durchs Mark geleitet, darauf a und c mit einander verbunden, ſo zeigten ſich Zuckungen in den entſprechenden Extremitäten a und e; wurden dagegen b und d verbunden, jo traten auch in b und d Bewegungen ein; beim Unterbrechen der Kette zuckten die unteren Ex— tremitäten e und d. Ward der Strom umgekehrt und dann unterbrochen, ſo zeigte ſich kein Tetanus. Ward die Kette von neuem geſchloſſen und die Dräthe verbunden, ſo zuckten alle Beine heftig; ward die Kette wieder unterbrochen und verbunden, ſo waren allerdings Bewegungen, obſchon ſehr ſchwache, bemerkbar. Neunter Verſuch. — Bei einer Wiederholung des in Fig. 5 abgebildeten Verſuchs mit einem umgekehrten Strome traten, wenn e und f verbunden wurden, Bewe— gungen ſämmtlicher Beine ein; wurde e oder f mit a ver— bunden, ſo fand in a eine Bewegung Statt; verband man e oder k mit b, jo bewegte ſich b; verband man e oder f mit c, fo zuckte e; brachte man e oder k mit d in Contact, fo bewegte ſich d; verband man a mit e, b mit d, a mit b und e mit d, ſo war keine Bewegung bemerkbar. (Schluß folgt.) Miſe ellen. 1. Der succus panereaticus iſt nach Bernard das zur Verdauung der Fette allein thätige Agens. Ber nard miſchte genannten Saft bei 38 bis 40° Temperatur mit Ol, Butter und verſchiedenen anderen Fetten und fand, daß dieſelben augenblicklich gebunden wurden und das Ganze eine weißliche, dem Chylus ähnliche Farbung erhielt. Bei einer genauen Unterſuchung zeigte ſich, daß die Fette durch den Magendrüſenſaft nicht allein emulſtonsartig vertheilt, ſondern auch chemiſch verändert werden, es tritt durch ihn gewiſſermaßen eine Gährung ein, welche die Fettſäuren abſcheidet. Dieſelben Verſuche vom Verf. mit Galle, Speichel, Serum, Blut u. ſ. w. angeſtellt, beweiſen, daß keine einzige der genannten Flüſſigkeiten wie der Pankreasſaft verändernd auf das Fett einwirfe. Nach Bernard wird durch den letzteren allein die Aufnahme der Fette in die Chylusgefäße ermöglicht; bei Hunden, wo beide Pankreascanäle unterbunden wurden, ging das Fett unverändert durch den Magen, der Chylus blieb in dieſem Falle durchſichtig und farblos, während er doch im normalen Zu— ſtande undurchſichtig milchfarben iſt. Der Verf. zeigt ferner, daß die Gallerte mit der Verdauung der fetten Stoffe nichts zu ſchaf— fen hat. Bei Hafen, wo der Pankreascanal einfach iſt und etwa 35 Centimeter unter dem Chyluscanal (canal choledoque) mündet, gelang es dem Verf., Chylus aus der Gegend zwiſchen beiden ge⸗ nannten Offnungen zu ſammeln; derſelbe war durchſichtig, klar, farblos, überhaupt durch den Pankreasſaft wenig verändert, wäh⸗ rend der übrige Chylus, auf welchen der letztere kräftiger einwir⸗ ken konnte, undurchſichtig und milchfarben war, überhaupt alle Eigenſchaften des normalen Chylus beſaß. Der Verf. bemerkt zum Schluß, wie bei krankhafter Affection des pancreas die Ber: dauung der Fette unmöglich würde und wie dieſe Erſcheinung als werthvolle Diagnoſe vom Arzte aufzufaſſen ſei. (Bibliotheque de Geneve, Avril 1849.) 2. Die Bildung der Knochenzellen läßt fih nach ei⸗ nem americaniſchen Beobachter im Stirnbein eines menſchlichen Embryo trefflich verfolgen. Der Verf. fand einen Zuſtand, wo nach Entſtehen des primitiven Knochengewebes in ſelbigem noch Knorpelzellen von ihren Höfen umgeben, gebettet waren. Die wei⸗ tere Ablagerung der Knochenſalze fand ſtrahlig, vom areolus der Primitivknochenzelle ausgehend, Statt; zu gleicher Zeit bildete auch die Knorpelzelle ſtrahlige Ausläufer zwiſchen die entſtehenden Knochenlamellen, ſelbige waren anfangs durchſichtig und mit Knor⸗ pelmaſſe erfüllt, die allmälig durch undurchſichtige Knochenſalze ver⸗ drängt ward. Das Entſtehen dieſer Canälchen ſchien mit der Fort⸗ bildung der Primitivknochenzellen gleichen Schritt zu gehen; der Verf. fand Zellen, wo nur von der einen bereits verknöcherten Seite ſolche Canäle entſtanden waren, während die andere noch knorpel⸗ artige Seite keine Spur von ihnen entdecken ließ. Während der Ausbildung der Knochenzelle bleibt der Kern dieſer Zelle unver: ändert, ſelbſt in der ſchon fertigen Knochenzelle kann man mit Hülfe von Jodtinctur denſelben nachweiſen, bald nach ihrer Vollendung verſchwindet er indes. Die neu entitandene Knochenzelle (das Pur⸗ kinjeſche Körperchen) iſt gerade ſo groß wie die zurückgebliebene noch nicht verknöcherte Knorpelzelle. Eine Knorpelzelle des erwähn- ten Stirnbeins maß ½ess Zoll, deren Zellkern /ʃ2s Zoll; das Knochenkörperchen desſelben Stirnbeins maß ½ess Zoll, fein Zell⸗ kern „ae Zoll. (Proceedings of the Academy of Natural Scien- ces of Philadelphia, vol. 10, p. 116.) 3. Die erratiſchen Blöcke der Anden Quitos, welche la Condamine für vulcaniſche Auswürflinge hielt, da ſie aus demſelben Geſtein wie die benachbarten Feuerberge beſtehen, können nach Wiſſe's neueren Beobachtungen nicht aus den Kratern her⸗ vorgeſchleudert ſein. Wiſſe beſuchte den Pichinca, er ſtudirte das benachbarte ſogenannte Steinfeld von Ina-Quito und überzeugte ſich, daß die auf letzterem zerſtreuten Trachytblöcke nicht vom Pi⸗ chinca ſtammen. Schon die Lagerung der Steine ſpricht gegen Condamine's Theorie; wären ſelbige aus dem Krater hervor⸗ geſchleudert, ſo müßten ſie ohne Ordnung überall umherliegen, ſie müßten vermöge der Kraft ihres Falles weit in das zum Theil lockere Erdreich eingedrungen ſein u. ſ. w.; dagegen liegen ſie in der Wirklichkeit ſtrichweiſe und man gelangt, wenn man ihren Ver⸗ lauf verfolgt, jederzeit an eine Böſchung, der die Steinfragmente ihren Urſprung verdanken. (Comptes rendus, 5. Mars 1849.) 4. Der Lixus angustatus lebt nach Ed. Perris nur auf Malvaceen. Wenn das Inſect ſeine Eier legen will, bohrt es mit feinem Schnabel (bec) ein tiefes Loch in den Stengel der Pflanze und legt in ſelbiges ein einziges Ei. Die demſelben ent⸗ ſchlüpfende Larve höhlt ſich im Stengel eine geräumige Wohnung aus, in der ſie hin und her ſpaziert. In der Regel leben mehrere Larven an einem Stengel, doch niemals betritt die eine das Ge⸗ biet der andern. Die beiden Enden der Höhlung find mit detri- tus erfüllt; ehe die Larve in den Puppenzuſtand übergeht, zernagt ſie einen Theil der Rinde bis zur epidermis, aus dieſer Offnung tritt dann ſpäter das vollſtändige Inſect hervor. (Annales de la Société entomolog. de France. 2. trimestre 1848.) 5. Nicht die Giraffe allein hebt nach W. A. Pike beim Gehen beide Beine einer Seite, dies thun auch viele andere Thiere, z. B. das Kameel, der Löwe, Tiger, Leo⸗ pard und Wolf, überhaupt alle zum Katzen- und Hundegeſchlechte gehörenden Thiere. Selbſt das Pferd und der Eſel gehen, wenn⸗ gleich ſehr ſelten, in der beſchriebenen Weiſe. (The annals and magazine of natural history, No. 19. 1849.) Heilkunde. (J.) Zur Vorbeugung der Nothwendigkeit des Kaiſer⸗ ſchnitts und der Perforation. Von Dr. R. Froriep. Bei einem in dem Maße verengten Becken, daß ein ausgetragenes Kind nicht lebend geboren werden kann, ſind je nach den verſchiedenen Bedingungen Perforation oder Kaiſerſchnitt oder namentlich bei wiederholter Schwangerſchaft in Fällen, wo durch früher nothwendig gewordenen Kaiſer— ſchnitt, reſp. Perforation, die abnorme Enge des Beckens bereits bekannt iſt, in manchen Fällen auch noch die künſt— liche Frühgeburt indicirt. In den Fällen, wo letztere an— wendbar ift, alſo wo das Becken doch mindeſtens noch 23/, Zoll Durchmeſſer hat, iſt nach den nunmehr nach und nach auch in Deutſchland immer zahlreicher gewordenen glücklichen Erfahrungen die künſtliche Frühgeburt ein genügendes Aus— kunftsmittel und der Arzt würde nicht genöthigt ſein, noch nach anderen Auswegen zu ſuchen. Dagegen ſind die Fälle von Beckenenge, bei der auch die künſtliche Frühgeburt nicht mehr anwendbar iſt, oder alſo bei welcher ſelbſt ein achtmonat— liches Kind nicht lebend durchgehen kann, erfahrungs mäßig gar nicht ſelten; bei dieſen bleibt bei lebendem Kinde nur der Kaiſerſchnitt, bei todtem Kinde nur die Perforation, reſp. Zerſtückelung übrig. Es iſt kein Zweifel, daß dieſe Alternative eine auch für die Mutter ſehr üble iſt, und es wird kein Geburtshelfer, der einer ſolchen Mutter glücklich durch dieſe Klippen hindurchgeholfen hat, unterlaſſen, der— ſelben auf das dringendſte einzuſchärfen, daß ſie ſich der Gelegenheit zu einer neuen Schwangerſchaft nicht wieder ausſetzen dürfe. Aber das ſchwächere Geſchlecht iſt eben auch in dieſem Punkte ſehr ſchwach und die Fälle, wo nach dem Kaiſerſchnitt oder nach der Perforation neue Schwanger— ſchaften folgten, ſind nicht ſelten. — Für ſolche Fälle, z. B. wo Beckengeſchwülſte den Beckenausgang verſperren, hat man in England den künſtlichen abortus (ebenfalls unter dem Namen künſtlicher Frühgeburt) empfohlen (Dr. Aſhwell); es iſt eine Reihe derartiger Fälle mit günſtigem Ausgange für die Mutter bekannt gemacht worden, ohne daß jedoch deutſche Geburtshelfer ſich bei dieſer neuen Frage, ob dem Leben des Kindes oder der Mutter der Vorzug zu geben ſei, ſchon jo früh auf die Seite der Mutter zu ſtellen ge— wagt hätten, — ſie ſcheuten ſich davor, in irgend einem Falle der künſtlichen Erregung eines abortus das Wort zu reden, indem ſie immer den Kaiſerſchnitt als den noch üb— rigen Weg feſthielten, auf dem ſchon manch Mal Mutter und Kind gut durchgekommen ſeien, obwohl niemand be— ſtreitet, daß ungleich häufiger beide auf dieſem Wege der Kunſt zu Grunde gehen. Ich will indes auf eine Discuj- ſion über dieſen Punkt nicht eingehen, ſondern lieber dar— auf aufmerkſam machen, daß das von Dr. Tyler Smith empfohlene Verfahren zur Hebung der Unfruchtbarkeit (ſiehe No. 22 des vorigen Bandes der Notizen) mit den entſpre— chenden Abänderungen viel ſicherer angewendet werden kann, um die Fruchtbarkeit aufzuheben. Iſt dies richtig, ſo wird es künftig weit zweckmäßiger ſein, nach glücklich vollzogenem Kaiſerſchnitt oder nach glücklicher Perforation bei einer Becken— enge unter 23/, Zoll (wo alſo auch die künſtliche Frühgeburt im achten Monate nicht für künftige Schwangerſchaften in Ausficht genommen werden kann), der fo eben glücklich einer Lebensgefahr entronnenen Mutter nicht mit den doch meiſt erfolgloſen Abmahnungen vor der Gelegenheit zu neuen Schwan— gerſchaften zu kommen, ſondern ihr lieber geradezu die Möglichkeit derſelben zu nehmen. Die Aufgabe wäre, zu verhindern, daß je- mals wieder bei dieſer Perſon ovulum und semen virile zuſam— menkommen. Wird dies verhindert, ſo wird kein ovulum befruchtet, alſo ſicherlich nie wieder Schwangerſchaft eintreten. Dieſe Aufgabe iſt zu löſen, wenn der Eingang aus der Höhle des uterus in jede tuba fallopiana organiſch verſchloſ— ſen wird. Der Plan dazu iſt einfach, nachdem Dr. Tyler Smith die Möglichkeit der Einführung einer Sonde durch ſeine Uterusleitungsröbre in die tuba nachgewieſen hat. Das Verfahren würde darin beſtehen, daß man, nachdem der uterus nach der vorausgegangenen künſtlichen Entbindung vollſtändig zu ſeinem normalen Verhalten zurückgekehrt iſt, den Mutterſpiegel applicirt und die Leitungsröhre durch den Muttermund bis zur Uterusmündung der tuba fallopiana einführt und durch dieſelbe nun eine mit ſalpeterſaurem Sil— ber armirte Sonde vorſchiebt und die Tubenmündung ringsum durch intenſide Atzung in einen Schorf umwandelt, dasſelbe ſogleich auch an der anderen Tubenmündung ausführt und nun die Inſtrumente entfernt und die Abſtoßung der beiden Schorfe abwartet. Dieſe Abſtoßung wird (nach der Analogie von Atzungen an der Blaſenmündung) etwa 7 Tage erfordern und es iſt die größte Wahrſcheinlichkeit, daß (da keine! Erere— tionsflüſſigkeiten den Weg an dieſer Stelle offen erhalten) die Verwachſung bereits erfolgt ſei, nachdem der Schorf voll— ſtändig abgegangen iſt. Daß die Verwachſung aber wirklich erfolgt ſei, davon kann man ſich 8 Tage ſpäter mit Sicher- heit überzeugen, indem man die Fiſchbeinſonde von Dr. Ty— ler Smith einführt und ſich überzeugt, ob dieſelbe nach der tuba fallopiana hin von der Uterushöhle aus durch— zuführen iſt; ſollte dies auf einer Seite noch gelingen, ſo müßte natürlich fofort das Atzen wiederholt werden. — Ge— fährlich iſt dieſe Atzung ſicherlich nicht, denn es werden viel eingreifendere Verletzungen und namentlich Applicationen des Atzmittels zu anderen Heilzwecken am uterus durch das specu- lum hindurch bekanntlich faſt ohne Gefühl der Patienten, je— denfalls ohne irgend merkliche Reaction vorgenommen. Andere ſ. g. moraliſche Gründe gegen dieſe Operation zu erheben, würde meines Erachtens von übermäßig beſchränkten Begrif— fen und von geringer Achtung vor der Aufgabe des Arztes, Menſchenleben zu erhalten, Zeugniß geben; ſolche Einwürfe aber dennoch zu widerlegen, führt don dem medieiniſchen Boden ab und ich gehe deswegen darauf nicht ein. Mögen auf— geklärte Praktiker den Vorſchlag prüfen. 11 221. XI. 1. 12 (II.) Über die Waſſerſucht nach Scharlachfieber, Von Dr. R. B. Todd. (Hierzu Fig. 1 und 2 ver mit dieſer Nummer ausgegebenen Tafel.) In einer kliniſchen Vorleſung über Waſſerſucht in Lond. Med. Gaz., Febr. 1849, S. 311 ſpricht der Verf. auch über die genannte Form. „Es iſt dies eine merkwürdige Form von Waſſerſucht, von welcher bis jetzt, ſo viel mir bekannt iſt, keine genügende Erklärung gegeben worden iſt. Es iſt dies eine allgemeine Waſſerſucht, welche nicht bloß das ganze ſubeutane Zellgewebe, ſondern ſehr häufig die ſeröſen Säcke des pericardium, das peritoneum und die pleura, oft auch die Hirnventrikel und ſelbſt in einzelnen Fällen das Areolargewebe der Lungen betrifft. Die Bedingungen dieſer Waſſerſucht ſind: 1) ein be— ſonderer Zuſtand der Haut; 2) ein eigenthümlicher Zuſtand der Nieren und 3) auch ein eigenthümlicher Zuſtand des Blutes, und in der That glaube ich nicht, daß man einen Fall vollſtändig entwickelt findet, ohne daß alle dieſe drei Bedingungen zuſammentreffen; fehlt eine dieſer Bedingungen, ſo mag dieſe Form der Waſſerſucht bevorſtehen oder einzu— treten drohen, aber eine vollſtändige Entwicklung folgt nicht. So mag der beſondere Zuſtand des Blutes und der eigen— thümliche Zuſtand der Nieren da ſein, wenn der Zuſtand der Haut normal iſt, ſo bleibt die Waſſerſucht leicht oder kommt gar nicht zum Ausbruch; eben ſo wenn die entſpre— chenden Veränderungen von Blut und Haut vorhanden, die Nierenthätigkeiten aber normal find, oder desgleichen, wenn Haut und Niere jenen veränderten Zuſtand zeigen, das Blut aber, was dann freilich kaum zu glauben iſt, nicht den der Waſſerſucht günſtigen Zuſtand erlangt hat, in dieſem Falle treten andere Symptome ein, z. B. Kopfaffectionen, aber keine Waſſerſucht. Wir haben ein gutes Beiſpiel der gewöhnlichen Schar— lachwaſſerſucht bei einem Sjährigen Knaben Thomas Dunn vor uns; er ſcheint nur eine milde Form von Scharlach gehabt zu haben und die Geſchwulſt ſcheint bald nach Be— ginn des Abſchuppungsſtadiums eingetreten zu ſein. Als er in das Spital kam, litt er an allgemeiner Waſſerſucht, ſelbſt der Peritonealhöhle. Seine Haut war überall aufgeſchwol— len, beſonders am penis, serotum, Extremitäten, im Geſicht und ſie hatte überall jene eigenthümliche weiße, halbdurch— ſichtige, wachsartige Beſchaffenheit, welche fo charakteriſtiſch für dieſe Fälle iſt. Mir ſcheint es ſogar ſehr wahrſcheinlich, daß entweder eine Subarachnoidealausſchwitzung oder noch wahrſcheinlicher eine Ergießung in die Hirnhöhlen Statt fand; denn in den erſten Tagen ſeines Aufenthalts in dem Spitale befand er ſich in einem ſehr benommenen und leth— argiſchen Zuſtande; und es iſt nicht zu bezweifeln, daß der veränderte Zuſtand ſeines Blutes viel zu dieſem lethar— giſchen Zuſtande beigetragen hat. Sein Urin war ſpärlich, trüb und ſehr reich an Eiweiß, wie ſich aus der chemiſchen Unterſuchung ergab. Nun wollen wir unterſuchen, in welcher Weiſe dieſer Fall die drei Bedingungen darbot, deren Zuſammenwirken nach meiner Meinung zur Erzeugung der Waſſerſucht erfor— derlich iſt. 1) Die Haut war trocken, rauh und harſch und ſchien ſich in einem gereizten Zuſtande zu befinden; doch war dieſe Reizung nicht lebhaft und ich glaube, es wäre beſ— ſer geweſen, wenn man dieſelbe noch mehr geſteigert hätte, weil es den Kranken in den Stand geſetzt haben würde, noch vollkommener durch die Hautausſcheidung das Krank⸗ heitsgift auszuſtoßen; denn es iſt bekannt, daß die Waſſer— ſucht gerade in den mildeſten Formen des Scharlachfiebers vorkömmt, wo wenig oder kein Aus ſchlag vorhanden war, während da, wo der Ausſchlag und die Abſchuppung ſtark war, keine Spur davon zu finden geweſen iſt. 2) Die Niere war in ähnlichem Zuſtande wie die Haut; bei beiden giebt es einen Deſquamationsproceß. Unter⸗ ſuchen wir die Nieren in ſolchen Fällen (wir haben nament— lich durch Dr. Geo. Johnſon eine ſehr genaue Kenntniß von dem anatomiſchen Zuſtande der Niere bei dieſer Krank— heitsform), jo finden wir ſie mit epithelium angefüllt und das ganze Organ vergrößert und in einem Zuſtande von Hyperämie, in fo weit die große Anfüllung der tubuli uri- niferi dies geſtattet. Es iſt aber auch nicht allein eine be— trächtliche Quantität Blut darin durch die Attraction in Folge des Reizzuſtandes, ſondern das Blut iſt auch unregelmäßig vertheilt. Die hauptſächlichſte anatomiſche Veränderung in der Niere rührt von der Entwicklung einer ungehörigen Quantität epithelium in den Harngängchen ber. Figur 1 zeigt nach Bowman die Vertheilung der Circulation in der Niere und ihr Verhältniß zu den Harn⸗ gängchen im normalen Zuſtande. Figur 2 giebt eine ähnliche Anſicht, welche zeigt, wie die Circulation durch Ausdehnung des Harngängchens afficirt iſt. Letzteres iſt in der Nähe des Malpighiſchen Körperchens geöffnet. Die Buchſtaben haben bei beiden Figuren gleiche Be— deutung: a. Arterie, ev. Wurzel der vena emulgens, af. arteriae afferentes, welche zu den Malpighiſchen Körperchen gehen, m. Malpighiſche Capſel, mt. Malpighiſcher Büſchel, ef. venae efferentes von dem Malpighiſchen Büſchel zu p. dem Pfortadergeflecht gehend, ee. dergleichen Venen von anderen Malpighiſchen Körperchen kommend, t. tubulus uri- niferus oder Harngängchen. Die Anſammlung von epithelium veranlaßt eine unna⸗ türliche Ausdehnung der tubuli und die feinen Gefäßchen, welche auf ihrer Wand ſich veräſteln und das Pfortader— geflecht der Nieren bilden, werden dadurch zuſammengedrückt. Dadurch wird das Blut auf die Malpighiſchen Körperchen zurückgedrängt, ſo daß das Gefäßſyſtem ungleichmäßig mit Blut verſehen wird, die Malpighiſchen Körperchen ſind ſehr voll von Blut, aber das Pfortadergeflecht iſt fait leer. Da- her rührt es, daß nur eine kleine Quantität Urin ſecernirt wird, und daß dieſer Urin noch überdies eine beträchtliche Menge Blut und Serum enthält; und dieſe unvollkommene Ausſcheidung von Waſſer iſt wiederum eine neue Urſache für Anſammlung von epithelium in den tubuli uriniferi, da weniger Flüſſigkeit vorhanden iſt, um dasſelbe wegzuſpülen. Die beiden Skizzen Fig. 1 u. 2 ſollen deutlich machen, wie der unregelmäßige Zuſtand der Blutvertheilung in den 13 221. XI 1. 14 Nieren zu Stande kommt. Die erſte Figur zeigt die An— ordnung des Gefäßſyſtems mit Bezug zu den tubuli in ges ſundem Zuſtande, die zweite Figur die Erweiterung der letz— tern durch Anſammlung des epithelium in ihrer Höhle. Die arteriae afferentes ſind erweitert wegen des vermehrten Blut— andranges zu den Nieren und die vena efferens des Mal— pighiſchen Körperchens iſt ſtark erweitert, weil das Blut nicht frei durch das Pfortadergeflecht der Niere abfließen kann, welches ſelbſt als wenig Blut enthaltend dargeſtellt iſt. Der Malpighiſche Büſchel, welcher zwiſchen der arteria afferens und vena efferens liegt, iſt beträchtlich erweitere und 2 oder 3 feiner Gefäßchen find als zerriſſen dargeſtellt und laſſen das Blut in den tubulus uriniferus austreten. Die Congeſtion der Malpighiſchen Körperchen, wenn ſie einen gewiſſen Grad erreicht, veranlaßt Ergießung von liquor sanguinis in die tubuli; erreicht ſie aber einen noch höheren Grad, ſo führt ſie zur Zerreißung der Malpighi— ſchen Gefäße und zum Austritt ſämmtlicher Beſtandtheile des Blutes; im erſteren Falle iſt der Urin eiweißhaltig, im letzteren enthält der eiweißhaltige Urin auch noch Blutkör— perchen und fibrinöſe Abdrücke der Röhren ſelbſt, von dem an den Wänden derſelben abgelagerten und coagulirten Faſer— ſtoff. Dabei iſt der Urin ſo eigenthümlich wolkig und rauchig. 3) Das Blut. In welchen Zuſtande iſt dieſes? Be— trachtet man irgend einen ſolchen Patienten, ſo ſieht man ſogleich, daß die rothen Beſtandtheile mangeln und das Blut zu wäſſerig iſt. Mir iſt keine gute Analyſe des Blutes bei der Scharlachwaſſerſucht bekannt, aber ich möchte behaupten, daß ein Mangel an Eiweiß und eine Verminderung der ſpe— cifiſchen Schwere des Serums Statt finden müſſe. Ich habe dies in dem vor uns liegenden Falle nicht verſucht, weil ich den ohnehin blutarmen Kranken nicht noch um mehr Blut bringen mochte, aber ich zweifle nicht, daß durch ſpätere Unterſuchung meine Annahme vollſtändig beſtätigt werde. Dies nun iſt aber gerade ein Zuſtand, der für das Durch— dringen des liquor sanguinis durch die Wände der Capil— largefäße unter übrigens paſſenden Umſtänden ſehr günſtig ſein muß. Dieſe Thatſachen führen nun, wie mir ſcheint, zur Bes gründung einer Theorie dieſer Waſſerſucht. Man verſteht daraus leicht, daß es möglich iſt, daß an einem Tage ein Kind ſich wohl befindet und wie es ſcheint, in beſter Re— convaleſeenz iſt, und einige Tage danach plötzlich von alle gemeinem Odem befallen wird, mit mehr oder weniger be— trächtlicher Ergießung in die ſeröſen Höhlen, in Begleitung von ſpärlichem trübem und albuminöſem Urin. Berückſichtigt man die aufgeführten drei Bedingungen, ſo wird ſich eine befriedigende Erklärung folgender drei Punkte ergeben. 1) Von einer bisweilen nicht leicht zu ermittelnden Urſache, aber in manchen Fällen unzweifelhaft von Erkältung, wird die erforderliche Ausſcheidung des Scharlachfiebergiftes durch die Haut eben ſo wie die regelmäßige Waſſerausſchei— dung durch dieſes Organ unterdrückt; das auf dieſer Seite zurückgehaltene Gift ſucht ſich einen andern Ausweg durch die Nieren. Dadurch erfolgt Reizung dieſes Organs und alſo Hemmung der Waſſerausſcheidung auf dieſem Wege. So wird alſo die Ausſcheidung des Waſſers auf ihren bei den normalen Abflußwegen, Haut und Niere, verhindert. 2) Die directe Folge davon iſt ein wäſſeriger Zuſtand des Blutes. Es iſt berechnet, daß wir täglich 3 Pinten Waſſer durch Nieren und Haut los werden und ſicherlich iſt dies keine zu hohe Schätzung. Dieſe Waſſermenge nun muß weggehen, und wenn dies nicht auf den gewöhnlichen Ab— zugswegen geſchieht, ſo wird es durch die Wände der Blut— gefäße durchgehen. Aber — warum finden wir nun dieſe Ausſchwitzung nicht in dem allgemeinen Zellgewebe, warum mehr in dem Hautzellgewebe als ſonſt irgend wo? Es fin— det ſeinen Weg in das Zellgewebe der Haut, weil ſich die letztere in einem Reizzuſtande befindet, alſo vorzugsweiſe das Ziel eines Blutandranges iſt, — das zur Haut dringende Blut aber muß, um zu derſelben zu gelangen, durch das fubeutane Zellgewebe durchgehen. Es iſt aber irrig, zu glauben, daß ſich die Ergießung lediglich auf die Nachbar— ſchaft der Haut beſchränke; — wir finden es im Zellgewebe der Lungen und in den ſeröſen Höhlen, — in dem erſteren wegen des ohnehin reichlichen Blutſtromes in den Lungen; — in den letzteren wegen der großen Zartheit der ſeröſen Häute, welche dem ſeröſen Beſtandtheile des Blutes nur we— nig Widerſtand leiſtet. 3) Alles dieſes wird noch begünſtigt durch den ärm— lichen Zuſtand des Blutes. Wenn das Scharlachgift nicht ausgeſtoßen iſt, ſo ſtört es die eigenthümlichen Ernährungs— veränderungen des Blutes und dies drückt ſich durch die ge— ringe Quantität der rothen Beſtandtheile aus. Ich denke, das Scharlachgift wirkt hier auf dieſelbe Weiſe ſtörend wie das des Rheumatismus und in der That auch andere ſelbſt unorganiſche Gifte, z. B. das Blei. Dieſer ärmliche Zu— ſtand des Blutes ſtört nun unzweifelhaft auch die eigenthüm— liche Kraft und Energie der Capillareireulation. Die attra= ctive Kraft derſelben kann nun, wenn das Blut an den feſten Beſtandtheilen nicht ſo reich iſt wie im normalen Zuſtande, nicht die normale Energie ausüben. Überdies iſt wahrſchein— lich auch noch eine weitere chemiſche Veränderung des Blu— tes vorhanden. Magendie und Poiſeuille haben gefun— den, daß eine Beimiſchung von Alkalien zu dem Blut eine große Verlangſamung der Circulation durch die Capillar- gefäße und dadurch hydropiſche Ausſchwitzung bewirken. Was die genauere Zuſammenſetzung des Blutes beim Schar⸗ lach ſei, iſt erſt noch nachzuweiſen, — bis jetzt können wir nur vermuthen, daß ſolch ein abnormer Zuſtand beſtehe, d. h. daß außer zu großem Waſſergehalte und zu wenig färben— dem Stoffe noch irgend ein chemiſches Organ vorhanden ſei, welches feine vitalen Proceſſe verändere. Viele von Ihnen erinnern ſich ohne Zweifel aus dem vorigen kliniſchen Curſus eines Falles, welcher bewies, daß bei reichlicher Deſquamation auch ſogar, wenn Eiweiß im Urine erſcheint, doch keine Waſſerſucht eintritt. In dieſem Falle, welcher ſehr heftig war und wobei der Ausſchlag und die Halsentzündung ſehr bedeutend geweſen waren, beobach⸗ teten wir den Urin Tag für Tag. Während der Höhe des Fiebers war kein Eiweiß im Urin; aber als das Fieber 15 221. XI. I. 16 nachließ, trat das Eiweiß auf; die Haut wurde dann ges reizt und die Abſchuppung wurde fo ſtark, daß die epider- mis der Hand wie ein Handſchuh von den Fingern ging. Aber zu keiner Zeit trat auch nur eine Spur von Waſſer— ſucht auf; ſowie die Abſchuppung beendet war, verſchwand auch das Eiweiß aus dem Urine. Dies iſt meine Theorie über die Waſſerſucht nach Schar— lach. Ob ſie ſich vor einer noch vollſtändigeren Würdigung der Thatſachen halten wird, kann ich nicht vorausſagen, vor der Hand biete ich ſie dar, als ein gutes Mittel, die ver— ſchiedenen Erſcheinungen in Zuſammenhang zu bringen, welche die Waſſerſucht begleiten und auch zweifelsohne veranlafjen. Behandlung. Da man es bei dieſer Krankheit mit einem mehr oder minder gereizten Zuſtande der Haut und der Nieren zu thun hat, ſo beſteht die erſte Indication in Linderung dieſer Reizung. Dafür giebt es kein wirkſameres Mittel als das warme Bad; ja in der That muß ich es als das einzige werthvolle Mittel für dieſen Zuſtand der Waſ— ſerſucht erklären. Es muß dasſelbe oft angewendet werden, doch darf man dabei nicht vergeſſen, daß beide, Krankheit und Mittel, eine ſchwächende Wirkung haben. Man muß daher ſorgen, daß es nicht öfter angewendet werde als es die Kräfte des Kranken zulaſſen. Die meiſten Patienten er— tragen es ein Mal täglich mehrere Tage hinter einander; bisweilen kann es zwei Mal täglich angewendet werden; oft aber kann man es nicht täglich wagen. In Fällen, wo der Ausbruch der Waſſerſucht droht, kann man fie durch den täglichen Gebrauch des warmen Bades, während die De— ſquamation vor ſich geht oder vorhanden ſein ſollte, ver— hindern. — Das nächſte wichtigſte Mittel ſind Purganzen, welche durch ihre Wirkung auf die Darmſchleimhaut einen neuen Abfluß für Ausſcheidung des Waſſers öffnen, wobei dann auch irgend giftige Stoffe aufgelöſ't oder ſuspendirt mit abgehen können. Jalappe, Calomel, Scammonium und das Pulvis Jalapae compositus, eben ſo wie ſalzige Abführmittel paſſen für dieſen Zweck. Mit dieſen kann man auch eins der milderen diuretica geben, welche nicht eine direct rei— zende Wirkung auf die Nieren ausüben, z. B. Lig. Am- monii acetici oder Tartarus depuratus. Das letzte Mittel in kleinen Doſen iſt außerordentlich werthooll. Wenn nach mehrtägiger ſolcher Behandlung die Nieren noch nicht ge— hörig thätig ſind und der Urin ſehr trüb bleibt, ſo entzieht man etwas Blut aus der Lendengegend durch Schröpfköpfe oder Blutegel, um die örtliche Congeſtion zu mindern. Ich rathe nicht, dies frühe während des ſtärkeren Reizzuſtandes der Nieren zu thun, weil alsdann die Blutentziehung weit weniger wirkſam zur Verminderung der Congeſtion iſt als in einer ſpäteren Zeit. Man nehme nur wenig auf ein Mal weg und wiederhole lieber die Blutentziehung in klei— nen Quantitäten. Sehr ſelten können dieſe Patienten viel Blut miſſen. Dieſe Behandlung darf man aber nicht als eine lanti⸗ phlogiſtiſche, ſondern nur als eine beruhigende und aus: ſcheidende betrachten, wodurch die Haut und Nierenreizung beſchwichtigt und Waſſer durch Darm, Niere und Haut ausgeführt wird. Denn während man dieſe Behandlung anwendet, muß man fortwährend den Kranken durch näb- rende Speiſen unterſtützen und ſelbſt bisweilen reizen; und häufig findet man es höchſt vortheilhaft, etwas Wein zu geben. Wenn es der Kraftzuſtand fordert, ſo ſcheue man ſich nicht vor ſtimulirenden Mitteln aus Furcht, es möchte aufs neue Reizung der Nieren eintreten. Der beſte Leiter für die Beurtheilung, wie lange man kräftige und reizende Nahrung geben dürfe, iſt die Leichtigkeit der Verdauung derſelben. Veranlaſſen ſie Flatulenz, gaſtriſche Beſchwerden, Schmerz oder irgend ein anderes auf den Magen bezügliches Symptom, ſo muß man aufhören oder die Portionen mindern. Bisweilen treten im Verlaufe dieſer Krankheit Kopf— ſymptome ein, dieſe rühren entweder von Ergießung in die Ventrikel oder von einer giftigen Wirkung auf das Gehirn durch zurückgehaltenen Harnſtoff her. Reichliche Reizmittel im Nacken oder Kopf ſind hier das beſte, und in der Regel iſt jede Blutentziehung unzulaſſig. Sinapismen und unmittel⸗ bar darauf Blaſenpflaſter find die werthvollſten Mittel bei dieſen Kopfaffectionen. Waſſerſucht nach dem Scharlach iſt durchaus keine Krank— heit, welche leicht einen tödtlichen Ausgang nimmt, beſon— ders wenn das vorausgehende Fieber mild und mit gehöri— ger Berückſichtigung der Kräfte des Kranken behandelt wor- den iſt. — Auch kann ich nicht eine beſondere Hinneigung ſolcher Patienten zu nachfolgender Nierenkrankheit annehmen. (1) Ein neuer Apparat zur Unterdrückung von Mutterblutflüſſen nach der Entbindung iſt Fig. 15 auf beiliegender Tafel abgebildet, er iſt von Dr. Machen in the Lan- cet, June 1849, p. 677 in Vorſchlag gebracht. Eine große Rinds⸗ blaſe wird mit irgend einem Klyſtirapparat in Verbindung gebracht. Die leere und erweichte Blaſe wird in den nicht contrahirten ute- rus eingeführt, nun mit dem Klyſtirapparate (am beiten einem ſ. g. Clysopompe) in Verbindung geſetzt und durch dieſen mit kal⸗ tem Waſſer gefüllt, ſo daß der Apparat gleichzeitig durch Druck und Kälte wirkt. — Will man noch eine Complication daran an⸗ bringen, wie es bei der Abbildung geſchehen iſt, ſo kann man die Verbindung mit der Blaſe vermittelſt einer Doppelröhre herſtellen, deren kürzere mit einem Hahne verſehene Röhre zum jeweiligen Ab⸗ laſſen des Waſſers beſtimmt iſt. (2) Für den Gebrauch des Chloroforms macht Dr. Robert in der Acad. de Med. 11. Sept. darauf aufmerkſam, daß aus einer Reihe von Beobachtungen über Operirte, welche durch Chloroform des Gefühls beraubt waren, hervorgehe, daß man ſchlimme Folgen zu befürchten habe, wenn durch das Chloroformi⸗ ſiren die Patienten ſehr aufgeregt werden; — er räth daher bei Patienten, wo dieſe Aufregung zunachſt eintrete, das Chloroformi⸗ ſiren nicht fortzuſetzen, ſondern von der Anäſtheſirung in dieſen Fällen ganz und entſchieden abzuſtehen. Bibliographiſche Neuigkeiten. S. Parkes, An Elementary treatise on chemistry upon the basis of the che- mical catechism with illustrations, notes and experiments. New Edit. 129. (pp. 422.) London 1849. 4 sh. 6 d Walter Johnson, An Essay on the diseases of young Women. Post ®. (pp. 64.) London 1849. 5 sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. (Hierzu 1 Tafel Abbildungen in 40.) g, CO, ler PA Th Universal-Lexikon der praktischen E UND CHIRURGIE von Andral, Begin, Blandin, Bouillaud, Bouvier, Cruveilhier, Cullerier, Devergie, Duges, Dupuytren, Foville, Guibourt, Jolly, Lallemand. Londe, Magendie, Ratier, Rayer, Roche und Sanson. f Frei bearbeitet, sowie mit den allgemeinen und besondern Grundsätzen und prakt. Erfahrungen aus dem Gebiete der Homöopathie bereichert. von einem Vereine deutscher Aerzte, 14 Bände. Lex. 8. Velinp. Preis a Band 3 Thlr. 10 Ngr. Nachdem die letzten Bogen obigen Werkes die Preſſe verlaſſen haben, und es nun vollſtändig dem Publikum übergeben wird, glaubt die Re— daktion alle Zuſagen, welche ſie beim Beginn deſſelben gab, gewiſſenhaft erfüllt zu haben; ſie hat ein Werk vom fränkiſchen auf deutſchen Boden verpflanzt, deſſen ſowohl wiſſenſchaftliche Gediegenheit wie rein praktiſche Tendenz von den competenteſten Richtern einſtimmig anerkannt worden, und daß zugleich in der deutſchen Bearbeitung durch die bis auf die neueſte Zeit fortgeführten Fortſchritte und Erfahrungen der medieiniſchen und chirurgiſchen Praxis der beſten Aerzte des In- und Auslandes, wie z. B. eines Ammon, Behrens, Bernſtein, Carus, Chelius Clarus, Dieffenbach, Eiſenmann, v. Gräfe, Günther, Jörg, v. Kiwiſch, Kreyßig, Puchelt, Schmalz, Schönlein, Vogel u. ſ. w., ferner eiues Abernethy, Bateman, Bell» Bérard, Brodie, Caza- nave, A. und Br. Cooper, Elliotson, Guérin, Larray, Lisfrane, Lugol, u ilkunde, Beimar. October 1849. ſyſtem. (Schluß.) — Göppert, d, Nervenſyſtem der wirbellosen Alge. — Heilkunde. Reid, LE 2 ee Miſcelle. Soule, Extraction ſches berührte; der Strom izunerven, er ging demnach der Kette war keine Bewe— eben ſo präparirter Froſch zath des Silberendes einer it, der andere Drath da— bracht ward; der Strom ıerven. Sobald die Kette iche Bewegungen; bei der weder Bewegung noch Der Kopf des Froſches Nerven verbundene Haut hoben und über den vom zlattenpaaren ausgehenden Zinkplatten maßen einen :ath des Kupferendes war hung gebracht, der Strom entgegengeſetzten Richtung. ich ſchwache Bewegungen nterbrechen des Stromes Wenn man die Dräthe er verband, wurden die heftiger, es zeigten ſich remitäten. Bei einem eben jo zu— n einer kleinen Batterie die Ineidenznerven ge— if Minuten unterbrochen onen ein; beim Schließen eeringerer Stärke. Ward Ir ORTEN war beim Schließen der Schließen der Kette und 2 15 nachließ, trat das Eiweiß reizt und die Abſchuppung mis der Hand wie ein Ha Aber zu keiner Zeit trat al ſucht auf; ſowie die Abſchu auch das Eiweiß aus dem Dies iſt meine Theorie lach. Ob ſie ſich vor einer der Thatſachen halten wird, der Hand biete ich ſie dar, ſchiedenen Erſcheinungen in £ die Waſſerſucht begleiten un Behandlung. Da einem mehr oder minder g der Nieren zu thun hat, | Linderung dieſer Reizung. Mittel als das warme Bad; das einzige werthvolle Mitt ſerſucht erklären. Es muß doch darf man dabei nicht und Mittel, eine ſchwächen daher ſorgen, daß es nich die Kräfte des Kranken zulg tragen es ein Mal täglich bisweilen kann es zwei Mal aber kann man es nicht tig Ausbruch der Waſſerſucht d täglichen Gebrauch des wa ſquamation vor ſich geht o' hindern. — Das nächſte u welche durch ihre Wirkung neuen Abfluß für Ausſcheidt dann auch irgend giftige Sto abgehen können. Jalappe, Pulvis Jalapae compositus, « paſſen für dieſen Zweck. der milderen diuretica gebe zende Wirkung auf die Nie monii acetici oder Tartarus in kleinen Doſen iſt außeror mehrtägiger ſolcher Behandli hörig thätig ſind und der U man etwas Blut aus der L oder Blutegel, um die örtlit rathe nicht, dies frühe währ der Nieren zu thun, weil ı weniger wirkſam zur Vermir in einer ſpäteren Zeit. M Mal weg und wiederhole lie nen Quantitäten. Sehr ſelt Blut miſſen. S. Parkes, An Elementary treatise mical catechism with illustrations, (pp. 422.) London 1849, 4 sh. 6 Markus, Mayor, Murray, Orsila, Pinel, Portal, Richerand, Robertson, Taylor, Thompson, Tyrrell, Velpeau, Ward, William, Wright etc. ete, ergänzt iſt. Der Plan, nach welchem dies Wörterbuch der praktiſchen Medicin und Chirurgie ausgearbeitet worden, iſt von dem aller übrigen Werke die— ſer Art inſofern verſchieden, als darin alle jene vagen und unſicheren Hy— potheſen, womit noch ſo viele Theile der Medicin überladen ſind, völlig unberückſichtigt blieben; denn nur für den Praktiker ſchreibeu, ihn im Geiſte an das Krankenbett verſetzen, ihm die nöthigen Mittel an die Hand geben, dem Leidenden wieder zur Geſundheit zu verhelfen — dieſer Tendenz allein zu Folge iſt Alles, was das Werk vergrößern könnte, ſorgfältig ver— mieden, ſo daß es gelungen, ein wahres Originalwerk herzuſtellen, d. h. ein Werk, das weniger ein theoretiſches, als vielmehr ein die ausübende Arzneikunde am Krankenbette lehrendes, mithin ein kliniſches Wörterbuch genannt zu werden verdient. Ein Wort- und Sachregiſter iſt ungeachtet der alphabetiſchen Ordnung des Werkes, dem Schluſſe jeden Bandes als durchaus noth— wendig beigefügt. Der Ueberſicht wegen folgt nachſtehend jeder erſte und letzte Artikel der einzelnen Bände: I. Abbinden — Antroversio uteri. II. Anus — Blepharoplegia. III. Ble. pharoptosis — Cinae. IV. Cinamomum — Eetropium. V. Eezema — Fistula. VI. Fistula Corneae — Herbstzeitlose. VII. Hermaphroditus — Infantieidium. VIII. Infarctus — Magnetstein. IX. Magnetismus animalis — Oleum. X. Oleum Abietis — Pestilenzwurzel. XI. Pestis — Rasseln. XII. Ratanhia — Spinae vertebrarum. XIII. Spinalirritation—Tyrotoxicon. XIV. Uebelhörigkeit—Zwitter. Um dieſem Werke, das bereits eine bedeutende Theilnahme beim me— diciniſchen Publikum gefunden, noch größeren Eingang zu verſchaffen, gilt vor der Hand der Subſeriptionspreis noch fort, und iſt jede gute Buchhandlung des In- und Auslandes in den Stand geſetzt, Be— ſtellungen unter möglichſt erleichternden Bezugs-Bedin gungen auszuführen. a Die Verlagsbuchhandlung von Friedrich Voigt in Leipzig. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Neihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. Naturkunde. Marſhall Hall, über die Wirkungen gewiſſer phyſtcaliſcher und chemiſcher Agentien auf das Nervenſaſtem (Schluß.) — Goöppert, über die foſſile Flora der Grauwacke oder des Übergangsgebirges, beſonders in Schleſien. — (Rr. 2. des XI. Bandes.) Miſcellen. Blanchard, Nervenſyſtem der wirbellojen Thiere als Claſſificationstypus nachgewieſen. Quekett, Nackenband einer Giraffe. Harting, Dr. Perty's bewegliche Alge. — Heilkunde. Neid, ein ſ. g, foetus in foetu bei einer Hündin. — White Cooper, über Vortreibung der Augen bei Anämie (Chlorofis). — Mifcelle. Soulé, Extraction einer ſehr langen Haarnadel aus der Harnröhre eines Mannes. — Bibliographie. Natur kunde. II. Über die Wirkungen gewiſſer phyſiealiſcher und chemiſcher Agentien auf das Nervenſyſtem. Von Marſhall Hall. f (Schluß.) (Hierzu Fig. 4—12 der mit No. 1 dieſes Bos. ausgegebenen Tafel.) I. Über den elektrogeniſchen Zuſtand der Incidenz— nerven. Die Frage, ob die Incidenznerven in gleicher Weile wie das Rückenmark und die Muskelnerven einen elektro— geniſchen Zuſtand annehmen, iſt für die Phyſtologie von großer Wichtigkeit; die Löſung dieſer Frage hatte indes wegen der Feinheit der Ineidenznerven einige Schwierigkeit. Endlich fand der Verf., daß, wenn man einen Theil der Hautbedeckung der Rückengegend des Froſches durch einen Einſchnitt ablöſ'te und vorſichtig in die Höhe hob, von den Zwiſchenräumen der Wirbel einige Nervenpaare zur Haut— bedeckung abgingen, welche nur als Ineidenznerven wirken konnten. Leider waren ſelbſt die größten dieſer Nerven ſo zart, daß ſie, ſobald ſie freigelegt wurden, an der Luft gleich austrockneten. Es wurden mit ihnen folgende Ver— ſuche angeſtellt. Zehnter Verſuch. — Der Kopf eines Froſches ward entfernt, die Hautbedeckung etwa ½ Zoll vom Rückgrat durch zwei parallele Längsſchnitte getheilt, die Zwiſchen— portion der Haut ward losgelöſ't und gehoben, man ſah die Hautnerven vom Rückenmark ausgehend überall paarweiſe zur Haut verlaufen. Nachdem der Hautlappen gehoben war, ward er mit der Pineette gezerrt, es traten, obſchon das Gehirn entfernt war, deutliche Reflexwirkungen ein; die fraglichen Nerven mußten demnach exeitomotoriſche Ineidenz— nerven ſein. 3 Der Hautlappen ward jetzt gehoben und auf den Zink— theil des Voltaiſchen Bogens gelegt, während der Silber— No. 2202. — 1102. — 222. theil die ſeitlichen Theile des Froſches berührte; der Strom verlief in der Richtung der Ineidenznerven, er ging demnach durch ſelbige; beim Unterbrechen der Kette war keine Bewe— gung bemerkbar. Elfter Verſuch. — Ein eben ſo präparirter Froſch ward ſo gelegt, daß der Platindrath des Silberendes einer galvaniſchen Kette unter der Haut, der andere Drath da— gegen unter dem Unterleibe angebracht ward; der Strom ging auch hier durch die Ineidenzunerven. Sobald die Kette geſchloſſen ward, zeigten ſich ſchwache Bewegungen; bei der Unterbrechung des Stromes war weder Bewegung noch Krampf bemerkbar. Zwölfter Verſuch. — Der Kopf des Froſches ward entfernt, die noch mit ihren Nerven verbundene Haut durch Längs- und Querſchnitte gehoben und über den vom Zinkende einer Batterie von 50 Plattenpaaren ausgehenden Drath gelegt (die Kupfer- und Zinkplatten maßen einen Quadratzoll in der Fläche); der Drath des Kupferendes war mit den Rückenmuskeln in Verbindung gebracht, der Strom verlief in einer den Ineidenznerven entgegengeſetzten Richtung. Beim Schließen der Kette ſtellten ſich ſchwache Bewegungen der Rückenmuskeln ein, beim Unterbrechen des Stromes war nichts derartiges bemerkbar. Wenn man die Dräthe der geſchloſſenen Kette mit einander verband, wurden die Bewegungen der Rückenmuskeln heftiger, es zeigten ſich Reflerbewegungen in allen vier Ertremitäten. Dreizehnter Verſuch. — Bei einem eben ſo zu⸗ gerichteten Froſche ward der Strom einer kleinen Batterie in entgegengeſetzter Richtung durch die Ineidenznerven ge— leitet. Als der Strom nach fünf Minuten unterbrochen ward, traten heftige Muskelcontractionen ein; beim Schließen der Kette zeigten ſich ſelbige von geringerer Stärke. Ward jetzt die Leitung unterbrochen, ſo war beim Schließen der Kette kein Einfluß bemerkbar; beim Schließen der Kette und 2 October 1849. 19 222. einer Verbindung der Dräthe trat dagegen in den Muskeln des Rumpfes heftige Bewegung und in den unteren Extremi— täten Reflerbewegung ein. Es möchte hier, bemerkt der Verf., fraglich ſcheinen, ob nach den mitgetheilten Verſuchen in den Ineidenznerven wirklich ein elektrogeniſcher Zuſtand vorhanden ſei; der Verf. glaubt, daß ſich die verſchiedene Stärke der Wirkung zwi— ſchen dem Schließen der Kette für ſich und dem Verbinden der Dräthe einer geſchloſſenen Kette kaum anders als aus einem ſolchen Zuſtande erklären laſſe; es ſcheint ihm dagegen dieſen Nerven eigenthümlich zu fein, daß fie nur ſchwache Zuckungen veranlaſſen. Gewöhnliche Reflexrbewegungen wer— den beim Froſche, wenn deſſen Haut, vom Rücken gehoben, noch mit den Nerven verbunden iſt, durch einen Reiz auf die erſteren, leicht hervorgerufen; dagegen bemerkt man keine Muskelbewegung, wie ſie bei der geköpften Schildkröte bei einem Zwicken an den Extremitäten Statt findet. Vierzehnter Verſuch. — Ein wie vorhin zuge— richteter Froſch ward ſo gelegt, daß der galvaniſche Strom längs ſeinen Incidenznerven in der entgegengeſetzten oder Ineidenzrichtung (incident direction) verlief; ſchon beim Schließen der Kette fanden zu Anfang heftige Bewegungen, mit Reflerwirkungen verbunden, Statt, vermehrten ſich je— doch, wenn man noch obendrein die Dräthe des geſchloſſenen Voltaiſchen Apparates verband. Die Erſcheinungen ver— ſchwanden in ſehr kurzer Zeit. Es ſchien dem Verf. ſehr wünſchenswerth, recht viele unzweideutige Beweiſe für den elektrogeniſchen Zuſtand der von ihm entdeckten Ineidenznerden zu erhalten; er dehnte ſeine Verſuche deshalb noch weiter aus. Funfzehnter Verſuch. — Der Kopf eines Froſches ward entfernt, die Lendennerven wurden bloß gelegt, man ließ den Strom eines Voltaiſchen Silber- und Zinkbogens vier Minuten lang durch letztere Nerven gehen; beim Unter— brechen des Stromes bewegten ſich die vorderen Ertremitäten. Die Kette ward geſchloſſen und von neuem unterbrochen, die vorderen Ertremitäten bewegten ſich abermals. Derſelbe Verſuch ward mehrmals mit gleichem Erfolg wiederholt; eine augenblickliche Ruhe (intermission) des Stromes hatte bei deſſen Unterbrechung auf die Vorderbeine keinen Einfluß; ein fortgeſetzter Voltaiſcher Strom hatte dagegen beim Unter— brechen der Kette Zuckungen derſelben zur Folge. Dieſe Erſcheinung läßt ſich nur durch den elektrogeniſchen Zuſtand der Incidenznerven erklären. Sechzehnter Verſuch. — Derſelbe Verſuch ward wiederholt; als man zuerſt, wie vorhin, einen directen Strom anwandte, fand in den vorderen Ertremitäten Reflerbe— wegung Statt. Ließ man den Strom vier Minuten lang einwirken und unterbrach ihn alsdann, ſo wiederholten ſich dieſe Bewegungen; dasſelbe geſchah zum dritten Male. Ward dagegen der Strom ausgeſchloſſen, um augenblicklich wieder unterbrochen zu werden, ſo war in den vorderen Ertremitäten keine Bewegung bemerkbar; ſchloß man jetzt die Kette nur für einige Minuten, und entfernte alsdann den Voltaiſchen Bogen, ſo ſtellten ſich auch die genannten Bewegungen als Wirkungen des elektrogeniſchen Zuſtandes der Nerven ein. 20 Siebenzehnter Verſuch. — Derſelbe Verſuch ward mit umgekehrter Stromrichtung wiederholt. Wenn die Kette geſchloſſen ward, zeigten ſich in den vorderen Extremitäten Reflexbewegungen; ward fie nach vier Minuten unterbrochen, ſo blieb alles ruhig. Der Verf. bemerkt hier, wie der um⸗ gekehrte Strom beſſer als der directe die Erſcheinungen des elektrogeniſchen Zuſtandes hervorruft, daß aber, auf gemiſchte Nerven angewandt, der umgekehrte Strom für die Incidenz⸗ nerven gerade als directer wirkt. Achtzehnter Verſuch. — Ein Froſch ward wie vorhin zugerichtet; doch ward die Verbindung zwiſchen den Oberſchenkelknochen aufgehoben, die Füße wurden von einander getrennt, auf Silberplatten gelegt, durch welche ein Strom dreier Voltaiſcher Elemente jo einwirkte, daß ein directer Strom längs den Nerven der linken Ertremität, ein umge- kehrter aber längs dem rechten Beine verlief. Sobald die Kette geſchloſſen ward, bewegten ſich die vorderen Grtremiz täten; ward ſie nach vier Minuten unterbrochen, ſo bewegten ſie ſich gleichfalls; dieſelbe Erſcheinung wiederholte ſich bei Erneuerung des Verſuchs noch mehrere Male. Der Beweis, daß der elektrogeniſche Zuſtand in einer incidirenden oder rückwärts gehenden Richtung auf das Nerven⸗ ſpſtem einwirkt, iſt ſoweit, wie der Verf. glaubt, vollſtändig geführt und damit zugleich ein neues Licht über die Inci— denznerven ſelbſt verbreitet worden. II. Über primäre und ſecundäre (superadded) Voltai⸗ ſche Ströme. Bisher hat der Verf. ſomit die Haupterſcheinungen eines primären längs den Lendennerden, dem Rückenmark und den Ineidenzrückennerven verlaufenden Stromes beſchrie— ben; dieſe Erſcheinungen beſtehen bekanntlich in Muskel- eontractionen, welche ſich, wenn die Kette geſchloſſen wird, einſtellen und, wenn ſie geſchloſſen bleibt, augenblicklich auf— hören; dagegen hat kein Schriftſteller bis jetzt die merk— würdigen Erſcheinungen ſecundärer, zum primären Strom hinzugekommener, Ströme beobachtet. Geſetzt, die frei gelegten und iſolirten Lendennerden wür⸗ den von einem Voltaiſchen, durch eine Batterie oder den Zink- und Silberbogen erzeugten, Strom umſchloſſen und nunmehr Verbindungen ſo hergeſtellt, daß neue oder ſecun— däre Ströme durchs Zink und Silber entſtänden, ſo werden in den Theilen, wo zwiſchen beiden Metallen eine Verbin— dung hergeſtellt ward, und welche bisher nicht bewegt wur⸗ den, Muskelbewegungen eintreten. Daß dieſe neuen Be— wegungen neuen Strömen angehören, wird durch ihren geſchloſſenen Zuſtand, wenn die Gewebe, welche von den erſten Strömen umkreiſ't wurden, durchſchnitten werden und ſo der urſprüngliche Strom unterbrochen wird, bewieſen. Der folgende Verſuch kann dieſe Thatſache erläutern. Neunzehnter Verſuch. — Wenn der Froſch, wie auf Fig. 8 abgebildet iſt, zubereitet wird, jo zeigen ſich, wenn der Voltaiſche Bogen mit dem Nerven und Muskel in Berührung kommt, in der unteren Extremität e, nicht aber in b, Muskelbewegungen. Wird jetzt das Platin⸗ ſtückchen in genauen Contact mit dem Beine b und c ge⸗ 222. 21 bracht und vermittelft eines Platindrathes verbunden, ſo ſtellen ſich in beiden Beinen, in b ſowohl als e, Bewegungen ein. Daß die Bewegungen in b von einem neuen, durch das Rückenmark und beide Beine b und e, vom Zink zum Silber gehenden Strom herrühren, wird durch ihr Fortbe— ſtehen nach Beſeitigung des urſprünglichen Stromes, wenn der Nero bei e durchſchnitten wird, bewieſen. Es iſt nicht ein Mal nothwendig, daß ein vollſtändiger Voltaiſcher Bogen auf dem Nerven und den Muskeln liegt, in Fig. 9 genügt ſchon ein Zinkſtück, das mit dem Nerven in Berührung gebracht wird, indem die Zinkplatte durch einen Platindrath mit der Platinplatte b oder e verbunden iſt; vorzugsweiſe erſcheinen hier in b und e Bewegungen. Die Stromrichtung iſt durch die Pfeile angedeutet. Bis— weilen zeigen ſich, wenn das Zink mit dem Beine b durch den Platindrath in Berührung kommt, auch in » Bewe— gungen; wird e mit dem Zink in Berührung geſetzt, ſo bewegt ſich auch b; beide Bewegungen beruhen ſicherlich auf Reflex. Sobald die Zinkplatte und eine kleine Platinplatte bei a über die Rückenmarksſäule gelegt und mit einander in Contact gebracht werden, bewegen ſich beide Beine; wenn b und e vereinigt werden, zeigt ſich zu Anfang keine Be— wegung. Der Verf. kommt jetzt im Verſuch 20 zu einer neuen Reihe von Beobachtungen. Wenn man zwiſchen den Pla— tinſtückchen bei a und bei b eine Verbindung herſtellte, jo wurden in b keine Bewegungen beobachtet; wurden jedoch die Platinplatten bei a und b durch einen Platindrath mit dem Zinktheil verbunden, ſo ſtellten ſich bei einem Contact zwiſchen a und b allerdings Bewegungen ein. Der Nero d hatte einen elektrogeniſchen Zuſtand angenommen, er ward, indem man a und b verband, entladen und wirkte jo auf die Muskeln. Einundzwanzigſter Verſuch. — Die Platinplat— ten, mit der Batterie verbunden, wurden bei d und e, wie es Fig. 10 zeigt, quer über die Lendennerven gelegt, der directe Strom ging durch den zwiſchen beiden Platten lie— genden Theil des Nerven. Beim Schließen des Kreiſes ſtellten ſich im rechten Hinterfuße b Muskelbewegungen ein; wenn man a und b verband, bewegte ſich b nur wenig, e gar nicht; brachte man a und e in Berührung, jo be— wegte ſich weder b noch e; verband man dagegen b und e, ſo wurden in beiden Extremitäten energiſche Bewegungen hervorgerufen. Bei einer Verbindung von d und k, von e und f und d und e zeigten ſich in b keine Bewegungen. Man verband darauf d und a, in beiden Extremitäten trat Bewegung ein, der Strom ging durch den indueirten Nerven und das Rückenmark. Beim Verbinden von a und h traten in b Bewegungen und in » Reflerbewegungen ein. Ward jetzt der Voltaiſche Strom unterbrochen, oder der ganze Voltaiſche Apparat entfernt, ſo wurde noch eine Reihe von Erſcheinungen beobachtet: wenn man z. B. d und e und e und c vereinigte, jo traten in den Beinen b und e Bewegungen ein; wenn man d und b, e und b verband, bewegte ſich b; im erſteren Falle war die Bewegung ſtärker X 2. 22 wie im letzteren, der rechte Lendenners war noch im elektro— geniſchen Zuſtande und ward erſt, indem er die Muskel— bewegungen hervorrief, entladen. Zweiundzwanzigſter Verſuch. — Wenn der Ver: ſuch wie auf Fig. 11 angeſtellt und e und a, e und b, c und d verbunden werden, ſo treten Bewegungen ein; wenn dagegen a und b, b und d, d und a verbunden werden, ſo erfolgen keine Bewegungen. Es zeigt ſich hier, daß nur ſolche Verbindungen, welche neue den Zink- und Silber— bogen einſchließende Ströme erzeugen, Bewegungen veranlaſſen. Dreiundzwanzigſter Verſuch. — Derſelbe iſt auf Fig. 12 abgebildet. Der von der Batterie ausgehende Strom verläuft in den Beinen a und e direct, in den Bei— nen b und d umgekehrt. Nachdem der Strom 10 Mi— nuten ununterbrochen gewirkt, zuckten bei ſeiner Unterbrechung ſämmtliche Beine. Nach einer längeren Zeit, während welcher der Strom verändert und nicht unterbrochen war, hörte bei feiner Unterbrechung der Krampf in a und e am erſten auf, dauerte jedoch in b und d noch länger fort; ward die Kette jetzt geſchloſſen, ſo zeigte ſich in a und e nur eine einzige Zuckung, während b und d durchaus erſchlafften. Der Unterſchied zwiſchen dem directen und umgekehrten Strome war hier recht deutlich. Ward jetzt ein galvanoſkopiſcher Froſch vor und nach dem Unterbrechen des Stromes quer über e und d gelegt, fo zeigten ſich im Beine Bewegungen, der Nero ward im erſten Falle von einem directen, im zweiten wahrſcheinlich von einem umgekehrten Strome affieirt. Die Pfeile auf Fig. 12 deuten die letztere Richtung der Ströme an. Der Verf. beobachtete in allen Fällen, ſowohl beim Schließen als Unterbrechen des die Lendennerven umfaſſenden Stromes, ſobald man beim Schließen der Kette die Dräthe des Voltaiſchen Apparates verband, eine ungleich kräftigere Wirkung; dies zeigte ſich namentlich da, wo die Erſchei— nungen ſchwach zu werden begannen. Der Verſuch deutet vielleicht nicht allein auf eine Ver: minderung des urſprünglichen Voltaiſchen Stromes, ſondern auch auf ein Dazwiſchentreten eines umgekehrten Stromes; der Grad der Wirkung iſt wahrſcheinlich von der Differenz beider Ströme abhängig. Zu dieſer geſellt ſich noch die Wirkung der Entladung des elektrogeniſchen Zuſtandes. Die elektrogeniſche Beſchaffenheit zeigt ſich, wenn man den Voltaiſchen Strom unterbricht und darauf die Dräthe verbindet, im iſolirten Zuſtande. Die Wirkung iſt in der Regel nur ſchwach, läßt ſich auch nur ein bis zwei Mal wiederholen; bei jeder folgenden Verbindung der Dräthe wird der Erfolg, die Entladung der noch zurückgebliebenen Electrieität, immer ſchwächer. Zuerſt find die Bewegungen ſowohl raſcher als kräftiger, zuletzt dagegen langſamer, aber anhaltender. Zum Schluſſe bemerkt der Verf. noch, wie er abſichtlich alle theoretiſchen Anſichten vermieden und ſich nur auf eine genaue Beſchreibung der Verſuche ſelbſt beſchränkt habe. Diejenige Beſchaffenheit, welche ein Voltaiſcher Strom dem Nervenſyſteme mittheilt, nennt er elektrogeniſchen Zuſtand; man kann den letzteren nach ihm gewiſſermaßen als eine 2 * 23 222. XI. 2. 24 Polariſation, feine Entladung aber als eine Depolariſation betrachten. III. über die foſſile Flora der Grauwacke oder des Übergangsgebirges, beſonders in Schleſien. Von Prof. Göppert in Breslau. Ein kurzer Auszug dieſes Aufſatzes wird ſich paſſend den Mittheilungen aus den neuſten Arbeiten des Verfaſſers über die Steinkohlenflora (vergleiche No. 19 des X. Ban— des) anſchließen. Der Verfaſſer beginnt mit einer Schil— derung der Grauwacke in Schleften; ſie bildet nach ihm im Leobſchützer Kreiſe und in den öſterreichiſchen Fürſten— thümern Jägerndorf und Troppau beträchtliche mit Damm— erde bedeckte Hügel; wo ſie dagegen anderswo als Grau— wackenſchiefer auftritt, bildet ſie ſchroffe nicht bedeckte Felſen. Wo das Geſtein nicht zu Tage tritt, findet man in den ſehr häufigen Steinbrüchen Gelegenheit, ſeine Beſchaffenheit wie feine Foffilien zu ſtudiren. Die Grauwacke Schleſtens iſt entweder in Bänken geſchichtet oder als Grauwackenſchie— fer vorhanden; die Bänke ſind zoll- bis fußdick, in dem Steinbruche an der Mora zwiſchen Grätz und Troppau, wel— cher vortreffliche Bauſteine liefert, erreichen ſie eine Dicke von 10 Fuß. Durch Kohle ſchwarz gefärbte kugelige Maſ— ſen vermitteln oft den Übergang in den ſchwarzen oder Grauwacke-Kohlenſchiefer; die dünnen Schichten der letzteren laſſen ſich leicht ablöſen, ſie enthalten nur ſehr ſelten Glim— mer. Verſuche, auf Kohlen zu graben, fielen ungünſtig aus, dagegen fand man bei dieſen Nachgrabungen Überreſte von Schalthieren, unter welchen der Verf. den Litulites convol- vans Schloth. erkannte. Die Pflanzenüberreſte finden ſich in dieſem Gebiete faſt niemals in der dichten in Bänke geſchichteten Grauwacke; ſie kommen vielmehr in den thonreichen, gewöhnlich die Gränze zwiſchen den Bänken bildenden leicht ſpaltbaren Schichten vor; ſie ſind überall nur ſparſam vorhanden; die Steinbrüche nördlich von Leobſchütz liefern noch die reichſte Ausbeute. Der eigentliche Grauwackenſchiefer ſelbſt iſt ſehr arm an Pflanzen, nur ganz vereinzelt finden ſich Calamiten. Der Steinbruch bei Heinzendorf, im Gebiete des Urthon— ſchiefers liegend, iſt pflanzenleer. Beſonders intereffant ift das Vorkommen von Pflanzen der alten Kohlenformation im Gebiete der Grauwacke. Zu dieſen gehört die Stigmaria ficoides, die ſowohl um Leobſchütz wie zu Grätz, Troppau, Mocker, Laſitz und Dirſchel, aber nirgends ſo häufig und ſchön als zu Landshut vorkommt; ſie iſt hier überall in wei— chen Letten gebettet. Auch die Sagenaria aculeata Prest und Calamites cannaeformis find als beiden Formationen eigen zu betrachten. Calamites transitionis und C. distans ſind für die Grauwacke Schleſtens charakteriſtiſch und in ihr ſehr verbreitet, erſtere iſt durch die über die Glieder hinaus— gehenden nicht alternirenden Längsſtreifen, letztere durch die von einander entfernt ſtehenden Längsſtreifen kenntlich. In den weichen Lettenſchichten kommen mit letzteren linienför— mige Blätter mit parallelen Nerven vor, die Eremplare der—⸗ ſelben waren ſehr unvollſtändig, der Verf, nannte fie Noeg- gerathia pusilla. Im Steinbruche der Spitalmühle, häufiger in Landshut, erſcheint ein Calamit, den der Verf. ſeiner Narben wegen Calamites stigmarioides nannte. Ein ande: rer ſehr langgliedriger Calamit, deſſen Glieder der Verf. an Stücken von 1½ Fuß Länge nicht auffinden konnte, wie Hymenophyllites Gersdorfi und Sagenaria polymorpha Göp- pert, wie Pachyphloeus tetragonus jind nur ſparſam ver- breitet. Neu find 4 Arten der Gattung Knorria, ferner An- eistrophyllum minutum, Cyclopteris obovata und C. fron- dosa. Wenn ſich die ſchwarzen kugeligen Abſonderungen in der Grauwacke verflachen oder platt gedrückt erſcheinen, äh⸗ neln ſie nußartigen Früchten; bei ihrem gänzlichen Mangel an aller Organiſation ſind ſie demnach für Abſonderungen zu halten. Eine Zuſammenſtellung ſämmtlicher bisher in der Grau— wacke überhaupt gefundener Pflanzen macht den Beſchluß der Arbeit; aus ſelbiger erſehen wir das Vorkommen von 6 Algen, nämlich 4 Chondrites und 2 Sphaerococcites- Arten; ferner das Vorkommen von 11 Equiſetaceen, näm— lich 10 Calamites und einer Equisetites- Art. Die Aſtero— phylliten find durch 4 Arten vertreten, nämlich 3 Astero- phyllites und eine Bornia; von Farnkräutern kennt man 9 Arten, die Gattung Hymenophyllites mit 1, Neuropteri- des mit 4, Noeggerathia mit 2, Cyatheites mit 1, Peco- pteris ebenfalls mit 1 Art. Von den Stigmarien der Grau- wacke kennt man 4 Arten, Stigmaria und Didymophylium, jede mit einer, Ancistrophyllum mit 3 Arten. Von den Sigillarien find 2 Arten der Sigillaria gefunden worden, von den Lycopodiaceen kennt man endlich 20 Arten, näm— lich 1 Lycopodites, 9 Knorriae, 4 Sagenariae, 3 Aspidiariae, 1 Pachyphloeus, 1 Megaphytum und 1 Rothenburgia-Xrt. Die Rothenburgia, im Rothenberge bei Saalfeld entdeckt und von Cotta beſchrieben, gehört, wie der Verf. vermu— thet, zur Gattung Megaphytum. Dieſe wenigen, etwa 60 Pflanzenarten, die größten⸗ theils nur der Grauwacke eigenthümlich ſind, beweiſen zur Genüge, daß letztere nicht, wie man noch vielfach annimmt, pflanzenleer iſt. Der Verf. fand nicht allein im ſchleſiſchen, ſondern auch im rheiniſchen Übergangsgebirge Pflanzenüber⸗ reſte, unter letzteren eine ganz neue Alge, Haliserites De- chenianus, welche von Hrn. o. Dechen zuerſt gefunden und deshalb nach ihm benannt ward. Miſeellen. 6. Das Nervenſyſtem der wirbelloſen Thiere als Claſſificationstypus iſt von Hrn. Em. Blanchard nach⸗ gewieſen. Derſelbe hat beſonders das Viſceralnervenſyſtem der Molluffen und Gliederthiere unterſucht und gefunden, daß die Mo⸗ difteationen dieſes organiſchen Syſtems auf bewundernswürdige Weiſe die Claſſen, Ordnungen, Familien ꝛc. bezeichnen und das ſicherſte Mittel zur Nachweiſung der Verwandtſchaft dieſer Thiere ſeien. Die primären Eintheilungen ſollen nach dem Nervenſyſteme des ani- malen Lebens, die Unterabtheilungen nach dem Viſceralnerven⸗ ſyſteme genommen werden. Bemerkenswerthe Einzelheiten find z. B. folgende: bei allen Anneliden liegen die Viſceralganglien über, bei 35 222. XI. 2. 26 allen Molluſken unter dem Nahrungscanale; bei den Acephalen werden ſie ganz rudimentär. (Comptes rendus, 18. Dec. 1849.) 7. Das Nackenband (ligamentum nuchae) einer in Eng⸗ land geſtorbenen Giraffe hatte nach John Quekett am Thiere ſelbſt eine Länge von 6 Fuß und 2 Zoll, abgelöft zog es ſich bis auf 4 Fuß zuſammen. Das Gewicht dieſer Sehne betrug faſt 9 Pfund. Das Band beſtand aus elaſtiſchem Gewebe, deſſen Faſern hier indes quer geſtreift erſchienen; die ſtärkſten Faſern hatten einen Durchmeſſer von ½00 Zoll, die dünnſten meſſen nur ½000 Zoll. Die Querſtreifen befanden ſich in gleichen Entfernungen von einander; Quekett glaubt, daß dieſes eigenthümliche Gewebe eine Mittelſtufe zwiſchen der gewöhnlichen elaſtiſchen und der Mus— kelfaſer bildet. (The Zoologist, No. 79. 1849.) 8. Dr. Berty’s neue bewegliche Alge (Blepharophora Nympheae) it nach Prof. Hartings gründlichen Unterfuchungen gar keine Pflanze, ſondern ein auf den Blättern der Waſſertulpe lebender zur Gattung Plumatella gehörender Polyp. (Bibliotheque de Geneve, Ayril 1849.) Heilkunde. (III.) Ein ſ. g. foetus in foetu bei einer Hündin, beobachtet von Dr. John Reid. ) (Hierzu gehört Fig. 13 und 14 der mit No. 1 dieſes Bos, ausgegebenen Tafel.) Im Winter 1835 — 36 fiel mir bei Experimenten mit Creoſot an Hunden im Edinb. Polizeiamte der dicke Leib einer Hündin auf und ich öffnete dieſelbe, unmittelbar nach ihrem Tode durch Vergiftung, in der Hoffnung den uterus trächtig zu finden. Dies war nicht der Fall, der uterus war normal, und die Ovarien erſchienen dick und glatt auf ihrer Oberfläche, wäh— rend zwei Fötus und Maſſen von Haar zwiſchen und auf der Oberfläche der Baucheingeweide lagen. Die Abbildung Fig. 13, welche ſehr beträchtlich verkleinert iſt (A bezeichnet den uterus, B die beiden Fötus, C Haarklumpen, D Knochen) giebt eine genaue Anſicht der herausgenommenen Theile. Der eine von den beiden Fötus lag tiefer und ſchräg vor den Dünndärmen, die linke Seite war gegen das Rück— grat des Mutterthieres gerichtet, der Bauch abwärts gegen das Becken, der Kopf lag unmittelbar unter der großen Curvatur des Magens; zwei Darmſchlingen waren feſt an den Rücken angeklebt, zwei andere an den Rücken und ein Stück des mit Fett ſehr überladenen Netzes hing am Kopfe an. Die Länge betrug 72/5 Zoll; in der Lendengegend war der Fötuskörper durch zwei feſt anhängende Darmſchlingen beträchtlich zuſammengezogen. Der Körper war mit Haaren hauptſächlich ſchwarzer Farbe dicht bedeckt. Der Kopf des zweiten oder oberen Fötus ragte unter dem pylorus des Magens nach vorn, während ſich der Körper abwärts zwi— ſchen die Dünndärme erſtreckte; ſpäter zeigte ſich, daß er ziem⸗ lich dieſelben Dimenfionen hatte wie der andere. Mehrere abgelöſ'te ſchwarze Maſſen, faſt ganz aus Haaren beſtehend, hingen an verſchiedenen Stellen der Därme, an der Leber— oberfläche, an der Unterfläche des Zwerchfells, dem Netz und Magen. Eben ſo fanden ſich vier Knöchelchen auf der vor— deren Fläche der Leber. Eine dieſer Haarmaſſen, 1½ Zoll lang und ½ breit, lag in der rechten Seite einer Darm— ſchlinge zwiſchen dem hinteren Theile des unteren Fötus und dem Kopfe des oberen und war am oberen Theile durch *) Physiological, anatomical and pathologieal Researches by John Reid. as an. of Anatomy in the University of St. Andrews. Edinb. 1848. gr. 85 einen Fortſatz des großen Netzes bedeckt. Nachdem die Ar- terien mit einer feinen Injeetionsmaſſe gefüllt waren, ſchritt ich zu einer ſorgfältigeren Zergliederung der Theile, in der Vorausſetzung, daß es ein Fall von Ertrauterinalſchwan— gerſchaft ſei; erſt als ich mich überzeugte, daß die Fötus, die Haarmaſſen und die abgelöſ'ten Knöchelchen ſämmtlich an der äußeren Seite des peritoneum, alſo außerhalb der Peri- tonealhöhle oder, mit anderen Worten, zwiſchen der äußeren Fläche des Bauchfells und der Oberfläche der Eingeweide ſich befanden, auf welchen ſie gelagert waren, ſah ich ein, daß ich es mit einem monstrum per inelusionem zu thun hatte. Es wird nicht beſtritten werden, daß, wenn es ſich um eine Ertrauterinalſchwangerſchaft gehandelt hätte, die Fötus, Haare und Knochen auf der inneren Fläche des peritoneum, alſo innerhalb des Peritonealſackes ſich befunden haben müßten, während bei allen Einſchließungsmonſtroſitäten der einge— ſchloſſene Fötaltheil immer außerhalb der Bauchfellhöhle ſich befinden muß. Ich ſehe indes ein, daß ich dem Leſer den entſchiedenſten Beweis ſchuldig bin, um auch ihn zu über— zeugen, daß wir es nicht mit einer gewöhnlichen Ertrauteri- nalſchwangerſchaft zu thun haben. Meine Unterſuchungen wurden mit äußerſter Sorgfalt angeſtellt und überzeugten nicht bloß mich, ſondern ſämmtliche Anatomen, welche das Präparat geſehen haben, vollſtändig, daß alle Fötaltheile außerhalb des peritoneum lagen. Prof. Goodſir unter⸗ ſuchte noch in den letzten Tagen mit mir einige, bis dahin unberührte, Haarmaſſen an der unteren Fläche des Zwerch— felles und behielt auch nicht den mindeſten Zweifel darüber, daß ſie zwiſchen der Muskeloberfläche und dem überziehenden peritoneum lagen; die ſeröſe Haut ſelbſt war von normalem Anſehen und nicht im mindeſten verändert. Als ich durch den Peritonealüberzug einer der Darmſchlin— gen an dem Rücken des unteren Fötus durchſchnitt und ihn von der unterliegenden Muskelſchicht ablöſ'te, fand ich, daß er deutlich über die Fötusoberfläche verfolgt werden konnte und mit einer dünnen ſeröſen Haut zuſammenhing, welche den Fötus umhüllte. Dieſe beiden Häute waren eine kurze Strecke weit locker unter einander verbunden, während ſie über der Mitte des Fötuskörpers nur ſchwer von einander getrennt werden konnten. Der Überzug der Peritonealhaut über die obere Fläche des Fötus wurde auf eine andere Weiſe bewieſen. Es wurde ein Schnitt durch die Häute über dem Fötuskopfe 27 222. XI. 2. 28 gemacht, und als nun dieſelben aufgehoben wurden, zeigte ſich, daß ſie, dem Darm ſich nähernd, ſich in zwei Schichten ſpalteten, deren eine ſich in den Peritonealüberzug der Ein— geweide fortſetzte, während die andere den Fötus dicht um— kleidete und mit der Muskelſchicht des Darmes durch Zell— gewebe in Verbindung ſtand. Die den Fötus umhüllende Schicht war einfach und bot die Charaktere einer ſeröſen Haut. Der obere Fötus war in die Falten der Dünndirme eingewickelt und ebenfalls mit zwei Schichten der ſeröſen Haut eingehüllt, deren eine ins peritoneum ſich fortſetzte, die andere einen Sack um den Fötus bildete. Die Theile der Därme, welche mit den beiden Fötus in unmittelbarer Berührung ſtanden, waren nicht mit peritoneum überzogen. Zahlreiche Blutgefäße, die in dem Subperitonealzellgewebe des Darmes verliefen, waren auch in der äußeren Fläche des den Fötus umhüllenden Sackes vertheilt, ebenſo wie un— ter der Peritonealfläche. Die oben erwähnte 1½ Zoll lange ſchwarze Maſſe, an der Oberfläche einer Darmſchlinge, lag zwiſchen der Muskelhaut und ſeröſen Haut des Darmes und die letztere war in die Höhe gehoben und in der Mitte über der Maſſe ſehr dünn; die Maſſe ſelbſt beſtand aus Haaren, Knochen und Blutgefäßen, welche ſich dazwiſchen veräjtelten, Die Haarmaſſen an anderen Stellen des Darmes, des Netzes und Magens lagen alle ebenfalls außerhalb des peritoneum, mit Ausnahme ſehr weniger Haare und eines kleinen Theiles einer der Ertremitäten, welche durch die Haut hervorragte. Eine beträchtliche Quantität dicht verfilzten Haares lag nicht allein hinter der Gallenblaſe, ſondern ſelbſt unter der fibröſen Capſel der Leber, in unmittelbarer Berührung mit dem Le— berparenchym. Als ich durch das peritoneum, welches eine Haarmaſſe auf einem der Leberlappen bedeckte, durchſchnitt, fand ich ſie in einen Eindruck in der Leberſubſtanz 3 — 4 Linien tief eingelagert. Einige derſelben waren mit Paren— chym untermiſcht und einige ragten ſogar aus dieſem wie aus der cutis hervor. Vier abgeſonderte Knöchelchen lagen in der fibröſen Lebercapſel und zwar ein langer Knochen mit einer knorpeligen Epiphyſe, eine Rippe und zwei an— dere Fragmente, wovon eines von dunkeler Farbe. Als das peritoneum am hinteren Leberrande, wo es von der unteren Fläche des Zwerchfells auf die Leber übergeht, durch— ſchnitten wurde, fand ſich eine harte verfilzte Haarmaſſe zum Theil unter der fibröſen Haut der Leber, zum Theil mit der unteren Fläche des Zwerchfellmuskels zuſammen— hängend. Auch fanden ſich hier vier wohlgeformte Klauen, eine davon in geringer Entfernung von der Haarmaſſe und mit der fibröſen Lebercapſel im Zuſammenhange. Eine ſehr ſtarke Arterie, ein Aſt der gastroepiploica dextra ging nach unten und drang in eine dunkele Maſſe zwiſchen den Blättern des großen Netzes und vor dem Kopfe des oberen Fötus. Dieſe Maſſe beſtand aus Haar, einer fleiſchähnlichen Subſtanz und Klauen. Nachdem die Arterie mehrere Aſtchen abgegeben hatte, die ſich zwiſchen dieſen Theilen veräſtelten, ſetzte ſie ihren Lauf zwiſchen den Blättern des Netzes fort. — Als ich die Darmſchlingen an der hin— teren Seite des unteren Fötus aus einander legte, fand ich die mit dem Fötus in Berührung ſtehenden Darmſtücke vom peritoneum nicht überzogen. Eine dieſer Schlingen war in genauer Berührung mit den Rippen des Fötus, welche an dieſer Stelle weder mit Haaren noch mit Muskeln bedeckt waren. Das Haar war in Bündeln längs des äußeren Randes dieſer Darmſchlingen zuſammengeſchichtet und eine Anzahl injieirter Blutgefäße ſah man ganz deutlich (mit bloßen Augen) von der Muskelhaut des Darmes durch die Intercoſtalräume in den Fötus eindringen. (Fig. 14 A pe- ritoneum, B Rippen des Fötus, C Darm des einſchließenden Thieres.) Die einzigen Theile an dieſem Fötus, welche mit Haut bedeckt waren, waren der Kopf und der hintere Theil des Nackens, ſowie die vorderen Theile der Füße. Der übrige Theil der Oberfläche war mit einer großen Quanti⸗ tät Haare bedeckt, / — „ Zoll lang und feſt unter einander verfilzt. Der Nacken und die Beine waren mit Muskeln gut bedeckt, aber die Muskeln des vorderen Theiles des Halſes und des ganzen Rumpfes fehlten ganz und gar. Schlüſſel⸗ beine und Rippen waren gut geformt und verknöchert, auch wie der übrige Theil der Knochen mit Perioſt bedeckt; aber es ſetzten ſich keine Muskelfaſern an dieſelben und ſie waren von dem Haare dicht umhüllt. Die langen Knochen der Ertremitäten waren in ihrem Centrum verknöchert und gegen die Enden hin knorpelig, auch die Tarſal- und Carpalknochen waren knorpelig. Die Schädelknochen waren gut geformt, während das Rückgrat unvollkommen verknöchert und in ſeinen Quer- und Dornfortſätzen noch knorpelig war. Die Platten der Schädelknochen waren weder unter ſich noch mit denen der entgegengeſetzten Seite verwachſen. Die Augen fehlten, orbita, Naſen- und Mundhöhle waren voll Haar; Zunge und Zungenbein waren vorhanden, die Kiefer gut geformt, enthielten aber keine Zähne. Die Bruſthöhle ent- hielt Haare und Fett, welche eine fleiſchähnliche Maſſe um⸗ gaben; dieſe beſtand aus einem Herzen und rudimentären Lungen; oesophagus fehlte; von der trachea fanden ſich nur einige unvollſtändige Knorpelringe hinter dem Herzen. Die Bauchhöhle war mit Haar und Fett gefüllt und don den Verdauungs- und Harnwerkzeugen war nur ein Rudiment von Magen zugegen; deutlich war die aorta mit ihren Hauptäſten und ihrer doppelten Theilung nach unten, von wo auf jeder Seite eine Arterie entſprang und nach außen durch die Haarmaſſen hindurch zu einem ſehr gefäßreichen und etwas ſchwammigen Theile des Darmes hindurchdrang. Die dura mater war vorhanden und ſowohl im Kopf als in der Rückgratshöhle mit einer grauen trüben Flüſſigkeit gefüllt; die Brachial-, Lumbar- und Sacralgeflechte mit ihren Aſten waren von normaler Größe, jo der n. vagus einer Seite und die nervi sympathiei zu beiden Seiten des Rückgrats. Zahlreiche in- jieirte Blutgefäße wurden von den Aſten, die auf dem den Fötus umgebenden Sacke vertheilt waren, an verſchiedenen Stellen durch die Haare hindurch bis zur Oberfläche der Knochen und Weichtheile (aber nicht in ihr Inneres) verfolgt. Beide Fötus waren in allen Theilen ziemlich gleich. Nach dieſen Details iſt nicht zu bezweifeln, daß wir es hier mit der ſeltenen Monſtroſität des foetus in foetu zu thun haben, wofür der ſchlagende Beweis der iſt, daß die Fötus außerhalb des peritoneum lagen. 222 29 (IV.) über Vortreibung der Augen bei Anämie. Von W. White Cooper. Die Veröffentlichung von Thatſachen, die ſich auf dunkele Gegenſtände beziehen, iſt nicht allein nützlich zur Mehrung der Maſſe unſerer Kenntniſſe, ſondern auch als ein Mittel, andere Thatſachen ans Licht zu bringen, welche uns helfen, die Wahrheit zu ermitteln. Veranlaßt durch eine werthvolle Mittheilung im Northern Journal of Medicine, worin Dr. Begbie über Anämie und ihre Folgen ſich ausläßt, möchte ich einige Bemerkungen über den Gegen— ſtand mittheilen, indem ich Gelegenheit gehabt habe, fünf Fälle der in Rede ſtehenden Krankheit zu beobachten, bei deren zweien man es für nöthig gehalten hatte, den Pa— tienten einer Mercurialcur zu unterwerfen, weil man glaubte, er leide an Hydrophthalmos. Die Aufmerkſamkeit iſt, ſoviel ich weiß, zuerſt durch Sir Henry Marſh auf den Gegenſtand gelenkt worden; ſeit— dem haben Dr. Graves, Dr. Stokes, Dr. Macdonnell und zuletzt Dr. Begbie die Sache weiter erläutert; immer aber iſt dabei der Zuſtand des Augapfels nur als ein ſe— cundäres Symptom behandelt worden, als welches es auch in der That angeſehen werden muß. Da er indes von den Kranken ſelbſt und von Arzten bisweilen auch als eine eigene Krankheit angeſehen und behandelt wird, ſo möchte ich die Symptome, das Ausſehen und die Eigenthümlich— keiten dieſer Fälle ſpecieller beſprechen. Erſter Fall. — Eine Dame (von 24 Jahren), bis zum 21. Jahre von guter Geſundheit, obwohl von zartem Bau, fing nach vielen Gemüthsaffecten an zu leiden. Sie klagte über Herzklopfen und brauchte öfters Blutegel in den Prä— cordien, was ihr vorübergehend Erleichterung brachte. Nach— dem dies ½ Jahr gedauert hatte, bemerkte ſie eine Anſchwel— lung der Schilddrüſe, und nach abermals 6 Monaten fiel ihren Bekannten eine Veränderung in dem Ausſehen ihrer Augen auf, wovon ſie ſelbſt keine Ahnung hatte. Zu dieſer Zeit litt ſie ſehr an Kopfſchmerz, Ohrenklingen und Niedergeſchlagen— heit, — Verſtopfung, Unterdrückung der Menſtruation und an Anfällen von heftigeren Kopfſchmerzen, Rothwerden des Geſichtes und hyſteriſchen Zuſtänden. — So kam ſie im Febr. 1845 in meine Behandlung. Die Augäpfel ragten ſtark vor, konnten aber, wenn die Augenlieder geſchloſſen waren, durch einen leichten Druck in die Augenhöhle zurück— gedrängt werden. Eine krankhafte Structurveränderung konnte nicht entdeckt werden, weder Härte noch Empfindlichkeit ge— gen Druck, oder Störung des Sehvermögens; Schmerz, muscae oder Funken waren nicht zugegen. Das Ausſehen dieſer jungen Dame war ihlorotiich, und ihr Geſicht drückte Mattigkeit und Traurigkeit aus. Puls 110, klein, aber hart und ſchwirrend. Die Schilddrüſe beſonders der rechten Seite war vergrößert; das Stethoſkop ergab einen mit dem Herzſchlag ſynchroniſchen Ton in den Präcordien, und an den Halsvenen war das der Anämie eigenthümliche Geräuſch zu vernehmen. Ich betrachtete den Fall als einen von allgemeiner Störung der Geſundheit ohne organiſche Krankheit. Sie erhielt eine Brauſemiſchung mit „XI. 2. 30 Eiſencarbonat (ſiehe unten) zwei Mal täglich, Aloepillen mit Myrrha; jeden Morgen ein warmes Salzbad mit Frot— tirungen, dabei verordnete ich Aufenthalt in friſcher Luft und kalte Bähungen der Augen. Da die Dame auf dem Lande lebte, ſo hörte ich erſt nach drei Monaten wieder etwas von ihr. Sie war ſtärker geworden, ihre Augen waren weniger vorragend, die Menſtruation war wieder eingetreten, der Puls 80, feſt; die eigenthümlichen Gefäß— geräuſche hatten ſich ſehr vermindert und die Palpitationen hatten abgenommen. Nun verordnete ich drei Mal täglich den liquor oxysulphatis ferri, Marienbader Waſſer und ab und zu Aloepillen. Dieſe Behandlung mit gelegentlichen Abänderungen wurde nach 18 Monaten fortgeſetzt und als ich Patientin zum letzten Male ſah, war das Vorragen der Augen verſchwunden, die Schilddrüſe verkleinert, Herz- und Gefäßton normal und das Allgemeinbefinden gut. (Die übrigen vier Fälle bei Perſonen beider Geſchlechter ziemlich von demſelben Alter gleichen fo ſehr dem erſten Falle, daß es nicht nöthig iſt, ſte hier ebenfalls mitzutheilen, wir gehen zu den Bemerkungen des Verfaſſers über.) Auf einen Punkt namentlich möchte ich die Aufmerk— ſamkeit lenken, daß nämlich dieſe Fälle als einfache Vor— treibung der Augen und nicht als waſſerſüchtige Ausdehnung derſelben zu betrachten iſt. Um dies noch deutlicher zu machen, führe ich die charakteriſtiſchen Merkmale des Hydro⸗ phthalmos hier auf: Schmerz im Auge, der ſich allmälig ſtei— gert, Beſchränkung des Sehvermögens, in der Regel in Amauroſe endend, trübe Pupille, bläuliche Färbung der sclerotica und Steinhärte des Augapfels. Berückſichtigen wir die feſte unnachgiebige Structur der sclerotica, jo iſt es kaum zu begreifen, wie eine ſo beträchtliche Vermehrung des flüſſigen Inhaltes des Augapfels eintreten kann, daß dadurch eine ſichtbare Lageveränderung und Vergrößerung hervorgebracht werden kann, ohne daß Schmerz oder muscae oder Funken— ſehen oder doch irgend eine Beeinträchtigung des Geſichtes vorkommen könnte. Wenn wir ferner beruͤckſichtigen, wie ge: nau die refractirenden media im Auge gegen einander ab— gepaßt ſind und wie bei höherem Alter ſchon eine ſehr ge⸗ ringe Veränderung in dem flüſſigen Inhalt des Augapfels zu einer merklichen Veränderung in dem Geſichtsfocus Ver anlaſſung giebt, ſo iſt es ſchwer zu begreifen, wie eine be— trächtliche Vermehrung der Flüſſigkeiten nicht eine bedeutende Störung der Geſichtskraft zur Folge haben ſollte. Und doch war in den Fällen, welche mir und den anderen Beobachtern vorgekommen find, niemals die mindeſte Störung im Sehen und nur einige Mal ein unbequemes Gefühl im Auge vorhanden. Die Folgerung, welche daraus zu ziehen iſt, ſcheint zu ſein, daß bei der Mehrzahl der Fälle von Vorragen der Augen bei Anämie mit Herzklopfen und Anſchwellung der Schilddrüſe die Auftreibung des Augapfels nur ſcheinbar iſt und lediglich auf einer Vortreibung desſelben beruht. In einzelnen Fällen mag Waſſerſucht hinzukommen, aber dieſe find nur Ausnahmen, und charakteriſtren ſich durch Schmerz, Aus dehnung, Mißfarbigkeit der sclerotica und Härte des Augapfels. Herr Dalrymple giebt von dem Vortreiben der Augäpfel folgende Erklärung: es hängt von zwei Ur: 31 222. fachen ab, 1) von einem Mangel des eigenthümlichen tonus der Muskeln, durch welche die Augäpfel in ihren Augenhöhlen in natürlicher Lage zurückgehalten werden, und 2) von einer venöſen Congeſtion in den Geweben, welche das Kiſſen hinter dem Augapfel bilden. Solche Congeſtionen ſind bekanntlich bei Schwächezuſtänden des Circulationsſyſtems ſehr gewöhn— lich; aber in den Fällen, die Herr Dalrymple und ich geſehen habe, ſchien die Congeſtion ganz auf den welchen Inhalt der orbita beſchränkt und durchaus nicht auf den Augapfel ausgedehnt. Daß einige der Muskeln im er— ſchlafften, andere im krankhaft gereizten Zuſtande ſein mögen, zeigte ſich in einem der Fälle aus Hrn. Dalrymples Praxis, wo die vorgetriebenen Augen faſt vom oberen Augenliede entblößt waren, durch einen anhaltenden und heftigen Krampf des levator palpebrae superioris, wodurch ein großer Theil der sclerotica oberhalb der Hornhaut ſichtbar geworden war. Diefer Krampf des levator palpebrae iſt bei vendjen und hyſteriſchen Frauenzimmern nicht ſelten und mit anderen unregelmäßigen Muskelactionen verbunden, wie bei der chorea. Es entſteht dadurch der Ausdruck des wildeſten Schreckens und iſt ſehr auffallend. Die Behandlung dieſer Fälle iſt mit Rückſicht auf den allgemeinen Zuſtand zu leiten, welcher unzweifelhaft die er— regende Urſache der Symptome iſt. In zweien meiner Fälle war viel Schaden durch eine Mercurialcur zugefügt worden, welche eingeleitet war, weil man geglaubt hatte, es ſei Erſudation im Augapfel vorhanden. Kommt ein Fall mit Vortreibung des Augapfels vor, jo iſt zu empfehlen, zunächſt den Zuſtand des Herzens, der Circulation und die Beſchaffen— heit der Schilddrüſe zu ermitteln. Sind Zeichen von Anämie *) da, wie das Geräuſch in den Halsvenen, Herzklopfen, und daneben noch Anſchwellung der Schilddrüſe, ſo iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß die Beſchaffenheit der Augäpfel nur eine ſecundäre ſei, und dieſe Anſicht wird dann noch bekräftigt, wenn der Kranke nicht über Schmerz und Unannehmlichkeit in den Augen oder Undeutlichkeit des Sehens klagt. Die wirkſamſten Heilmittel ſind dann Eiſen, Aloe, Myrrhe mit Sedativomitteln; Waſchungen des Körpers mit kaltem Salz— waſſer und Frottiren danach, ferner bei Zeichen von Hyſterie Einreibungen längs des Rückgrates mit einem reizenden Liniment. Es iſt räthlich von Zeit zu Zeit die Form der Mittel zu wechſeln, und drei Eiſenpräparate ſcheinen mir bei dieſem anämiſchen Zuſtande von beſonderer Wirkſamkeit; ſie nützten wenn alles andere fehlſchlug und veranlaßten nicht leicht eine Reizung oder fieberhafte Aufregung: Folgendes iſt das kräf— „) Unter Anämie ſcheint in dieſem Aufſatze immer Chloroſe zu Ber zu fein, denn nirgends ift von vorausgegangenen Blutverluſten die Rede. Ein einziger Fall, der mir vor etwa 25 Jabeeu vorgetommen und erſt durch vielen Aufſaätz deutlich geworden ift, ſtimmt damit vollkommen überein; dennoch erlaubte ich mir nicht das eine Wort ohne weiteres durch das andere zu erſetzen. R. F. XII 2. 32 tigfte: 1 Drachme natrum carbonicum dep., 1 Drachme tinct. Columbo, 1½ Unze Waſſer und 1 Drachme ferrum muriaticum oxydatum M. D. 8. zwei Mal täglich zu nehmen. Durch Zerſetzung ſchlägt ſich lerrum oxydatum und carbonicum nie: der und natr. mur. bleibt in Auflöſung, während Kohlen⸗ ſäure entweicht; es verurſacht eine angenehme Wärme im Magen und im ganzen Körper. Die tincet. Columbo kann auch weggelaſſen werden, ſie iſt namentlich indicirt, wo der Appetit verloren gegangen iſt. Dieſe Medicin iſt übrigens auch bei Neuralgien zu empfehlen. Die nächſte Medicin iſt der liquor oxysulphatis ferri nach einer Formel im Pharmaceutical Journal, May 1842. Es iſt ferrum sulphuricum erystallisatum mit freier Salpeter ſäure, 3 bis 12 Tropfen zwei Mal oder drei Mal täglich in Waſſer oder in einem Quaſſtaaufguß. Das dritte Präparat iſt die tinctura ferri acetici der Dubliner Pharmacopde, eine milde und elegante Arzneiform. Man beginnt mit 15 Tropfen, nicht, wie gewöhnlich em⸗ pfohlen wird, mit Doſen von halben Drachmen; man ſteigt dann allmälig. Tritt Verſtopfung ein, ſo nimmt man die Aloe: und Eifenpillen der Edinburger Bharmacopde zu Hülfe. Als allgemeine Regel iſt es zu empfehlen, die Eiſen— mittel bald nach dem Eſſen zu nehmen, weil während des Verdauungsſtadiums die Aſſimilationskraft des Organismus überhaupt geſteigert iſt und das Eiſen mit dem Chymus gemiſcht ohne dieſelbe Erregung übergeht als es der Fall iſt, wenn es dem leeren Magen dargeboten wird. Giebt man Eiſen nach dem Frühſtück, ſo iſt Cacao (oder Kaffee) mehr dazu zu empfehlen als Thee. Das einzige örtliche Mittel, welches nöthig iſt, iſt zwei bis drei Mal kalt Waſſer; Patienten find oft unzu= frieden, wenn nichts örtlich angewendet werden ſoll, und die Einwirkung des kalten Waſſers ſcheint geeignet, die ge— ſchwächten Theile zu ſtärken. WIe (3) Die Ertraction einer ſehr langen Haarnadel aus der Harnröhre eines Mannes, welche mit dem ſtum⸗ pfen Ende eingeführt worden war und ſich mit einer der ſehr langen Nadelſpitzen in die Weichtheile eingebohrt hatte, iſt Hrn. Soule nach der Methode von Dieffenbach ſehr gut gelungen. Zange, welche, um beide Branchen der Nadel zu faſſen, durch die Harnröhrenmündung eingeführt wurde, faßte immer nur eine Branche, weil eben die andere in den Weichtheilen verborgen war. Da drückte der Operateur die Nadel nach vorn durch die Weichtheile durch, ſo daß beide Nadelſpitzen in ihrer ganzen Länge neben einander durch die Haut des penis hindurch zum Vorſchein kamen; nun wurde die eine Nadel dicht an der Haut durchgeſchnit⸗ ten und das ſtumpfe Ende mit der andern Nadel mittels einer bo⸗ genförmigen Bewegung ausgezogen; es blieben zwei kleine kaum bemerkbare Stichwunden zurück, die ſchon am zweiten Tage voll⸗ kommen geheilt waren. (Gaz. Med., 15. Sept. 1849.) a: Die Bibliographiſche Neuigkeiten. I. S. Ralph, Icones carpologicae or figures and descriptions of fruits and seeds. Part. I. Leguminosae containing 40 plates and about 200 figures. 1% boards. London 1849. 16 sh. x W. C. Hugman, a practical treatise on Morbus coxarius or Hipjoint disease; with cases and illustrations. 8%. (pp. 80.) London 1849. 5 sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med Rth. Dr. L . Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 223. 5 (Nr. 3. des XI. Bandes.) October 1849. Naturkunde. milie der Salvadoraceen. — im geſunden Zuſtande. — Heilkunde. Miſcelle. Betäubendes Mittel aus einem Miſcellen. Göppert, über die alte Steinkohlenformation. — Dufour, Perris, Larve der Donacia sagittaria. Knie, Unterricht blinder Taubſtummer. — Hanfaufguſſe beſtehend, bei den Chineſen. — Bibliographie. über die Anatomie des Osmylus maculatus. — Planchon, über die Fa⸗ de Boulbene und Follin, Schmarotzerpilze auf gewiſſen Inſecten Ferguſon, Exeiſion des Schenkelkopfes bei Hüftkrankheit. — Naturkunde. IV. über die alte Steinkohlenformation. Von Prof. Göppert in Breslau. In einem Aufſatze über die foſſile Flora der alten Steinkohlenformation ſpricht der Verf. ſeine Anſichten über das Entſtehen der Steinkohlenlager aus; wir erlauben uns dieſelben in aller Kürze wiederzugeben. Nach der Ablagerung der ſogenannten Transitionsge— ſteine (der cambriſchen, ſtluriſchen und devoniſchen For— mation) bildete die Erde ein ungeheures Meer, aus dem viele vereinzelte, mit einer tropiſchen Vegetation bedeckte, Inſeln hervorblickten. Jene Inſeln hatten, wie unſere jetzigen Länder, ihre Berge und Thaler, ihre Flüſſe und Seen, überall war ein tropiſches Klima verbreitet. Die foſſilen Pflanzen beider Hemiſphären, im hohen Norden wie im tiefen Süden, find alle, wenn auch nicht den Arten, To doch den Gattungen nach, dieſelben; Stigmaria, Sigillaria, Sphenopteris und Pecopteris fehlen nirgends. Coniferen bildeten ungeheure Wälder, mit ihnen baum— artige, 70 bis 75 Fuß hohe und zwei bis drei Fuß dicke Lyeopodigceen, wunderbar geformte Sigillarien und Cala— miten, unter deren Schutz zahllofe, oft baumartige, Farn entſproſſen, ſich die wunderbare Stigmaria ficoides entfaltete und ihre, oft 30 Fuß langen, ſich zellig verzweigenden, Aſte mit dornartigen Blättern ausbreitete. Die letztere war bes ſonders geeignet, die Reſte von Vegetabilien unter ſich auf— zunehmen. Dieſe Inſelflora bekleidete bald das höher, bald das tiefer gelegene Land; nach dem Abſterben einer ſolchen üppigen Vegetation erhob ſich, wie noch jetzt unter den Tropen, auf ihren Überreſten ſchnell eine andere; in feuchten Gegenden bildeten ſich torfartige Lager, in den Thälern und in den Ebenen, am Fuße der Gebirge, wie auf dieſen ſelbſt, häuften ſich nach und nach ungeheure Maſſen vegetabiliſchen No. 2203. — 1103. — 223. Stoffes; die Localität der Orte ſelbſt begünſtigte mehr oder minder das Gedeihen der Pflanzen. Mit Ausnahme einiger luftathmender Inſeeten bewohnte kein Thier dieſe düſteren, einförmigen Wälder, deren ge— ſammte Vegetation in den Schichten der großen Steinkohlen— formation begraben liegt. Hebungen und Senkungen ver— anlaßten großartige Überſchwemmungen; beim Fehlen von Gerölle und detritus wurden genannte Waldungen in zu— ſammenhängende Kohlenlager verwandelt, bei Gegenwart von Sand und Thon wurden die Pflanzen in Schieferthon und Sandſtein eingeſchloſſen. Die großen Kohlenlager ent— halten, wie der Verf. zuerſt nachwies, dieſelben Pflanzen wie der ihnen zu Hangendem und Liegendem dienende Schie— ferthon und Sandſtein. 8 Bei dieſer die ganze Vegetation verheerenden Überſchwem— mung wurden ſelbſt die längſten und ſtärkſten Stämme, wenn ſie innerlich nicht aus concentriſchen Holzſchichten be— ſtanden, entwurzelt und umgeworfen, nur wenige erhielten ſich in ihrer aufrechten, naturgemäßen Lage; alle gingen unter Begünſtigung der hohen klimatiſchen Temperatur, die der Verf. im Mittel zu 20 — 250 annimmt, in eine Art langſamer Zerſetzung über. Der Zuſammenhang des Paren⸗ chyms und der Gefäße des Innern löſ'te ſich, die feſtere Rinde widerſtand dagegen länger der Vermoderung, welche durch endlichen Abſchluß der Atmoſphäre gänzlich gehemmt ward, Die gleichzeitig mit den Calamiten, Lyeopodiaceen, Sigillarien und Stigmarien begrabenen Coniferen konnten, vermöge ihres holzigen Baues, der Zerſetzung länger wider— ſtehen, fie konnten ſich deshalb mit jenen nicht zu einer gleichförmigen Maſſe vereinen. Ihr Holz, in Trümmer und Stückchen gelöſ't, lagerte ſich zwiſchen die gleichförmige Kohlenmaſſe, um die ſogenannte mineraliſche Holzkohle oder Faſerkohle zu bilden: in letzterer findet ſich immer dieſelbe 3 35 223, X 8, 36 Structur, welche das Holz unſerer jetzigen Araucarien cha— rakteriſirt. Die kürzere oder längere Dauer jener Zerſetzungs— periode, die, wie der Verf. aus feinen Verſuchen über die Fäulniß großer Monocotyledonenſtämme ſchließt, bei einer Temperatur von 25 bis 300 ſehr wohl in einem Sommer beendigt ſein konnte, die tiefere oder ſeichtere Waſſerſchicht, welche die Pflanzen bedeckte und den Einfluß der Atmo— ſphäre verminderte oder erhöhete, die ruhigere oder bewegtere Oberfläche der Gewäſſer, ſind ſämmtlich Momente, welche die verſchiedenen Abweichungen ſowohl der äußeren Geſtalt als der inneren Beſchaffenheit der verſchiedenen Kohlenlager der Erde erklären. Längere Dauer der Zerſetzungsperiode und freier Luftzutritt zerſtörte die äußerlich ſichtbare Structur der Sigillarien, Lepidodendreen und Stigmarien wie der Araucarien, wogegen unter günſtigeren Verhältniſſen, z. B. in Oberſchleſien trefflich erhaltene Sigillarien und Lepido— dendreen und neben ihnen fußlange Araucarienſtämme vor— kommen. Die, wie es ſcheint, ſehr bewegten Gewäſſer führten viel Sand und Thonmaſſen mit ſich und bildeten fo die Schieferſchnüre und den Brandſchiefer, welcher fo häufig die Steinkohle verunreinigt, ja einzeln ſogar ganze unbau— würdige Lager, ſogenannte Kohlenſchmitze, bildet. Die weite Ausdehnung, das gleiche Aushalten der Flötze, die regelmäßige, gleichartige Ablagerung der ſoge— nannten Faſerkohle zwiſchen die andere Kohle, wie die Be— ſchaffenheit der in den Kohlenflötzen vergrabenen Vegetation ſprechen für einen möglichſt ruhigen, langſam erfolgten Ab— ſatz der in ein gemeinſames Kohlenlager vereinigten Vege— tabilien. Um ſo mächtige Kohlenlager, wie wir ſie einzeln finden, zu bilden, konnten die Pflanzen einer Vegetations- zeit nicht ausreichen. Der Verf. betrachtet dieſe übermächtigen Lager gewiſſermaßen als Torfmoore der Vorwelt; die Stig- maria mit ihren ſich weit ausbreitenden, 30 bis 50 Fuß langen Aſten und rechtwinklich abſtehenden ſtachelförmigen, aber krautartigen Blättern, desgleichen die Calamiten ſchienen ihm nicht allein für feuchte Orte beſtimmte Pflanzen, ſon— dern auch zur Torfbildung beſonders geeignet zu fein. In der unveränderten Pflanzenfaſer findet ſich ein über⸗ wiegendes Verhältniß des Sauerſtoffs und Waſſerſtoffs zum Kohlenſtoff, in der Braun- und Steinkohle verhält es ſich umgekehrt. Der Kohlenſtoff nimmt in der verweſenden Pflan— zenfaſer bejtändig zu, während der Sauerſtoff und Waſſerſtoff bei Luftzutritt als Kohlenſäure und Kohlenwaſſerſtoffver— bindungen entweichen. Bedeckung der Pflanzen verhindert das Entweichen der letzteren Gasarten; ihre Entwickelung in den Gruben beweiſ't die fortdauernden Veränderungen der Kohle, die, wenn fie endlich ihres Waſſerſtoffs ganz beraubt würde, zu Anthracit werden könnte. Dieſe Ausſcheidungen, durch welche die Pflanzen allmälig zu Kohle werden, fanden unter der Einwirkung von Feuchtigkeit Statt; dagegen zeigt die Beſchaffenheit der von Eruptionsgeſteinen durchbrochenen Kohlenlager, deren rothgebrannter Schieferthon und Sand— ſtein, wie die mehr oder weniger verkoakte Kohle ſelbſt, die Wirkung des trockenen Weges auf die bereits gebildete Kohle. Die Einwirkung des Druckes vollendete die bereits be⸗ gonnene Kohlenbildung; Trümmer zerſtörter, älterer Gebirge, vulcaniſche Regen, Springfluthen mit Schlammablagerungen und vulcaniſche Schlammergießungen verſchütteten die in der Bildung begriffenen Kohlenflötze; auf ihnen bildete ſich eine neue Vegetation, die von Zeit zu Zeit in gleicher Weiſe begraben ward. Die Kohlenlager mußten, als ſie verſchüttet wurden, zum Theil eine gewiſſe Feſtigkeit erlangt haben; die Pflanzenabdrücke in dem auf ihnen lagernden Thonſchiefer und Sandſtein, die der Verf. in Oberſchleſien ſo vielfach entdeckte, ſprechen für dieſe Anſicht. Die Ver⸗ breitung der foſſilen Pflanzen, ihre gruppenweiſe Vertheilung, das iſolirte Vorkommen einzelner Arten und vor allem die oft wunderbare Erhaltung der foſſilen Pflanzen, die zu⸗ weilen wie friſchgetrocknete, nur ſchwach gebräunte Blätter erſcheinen, machen es ſehr wahrſcheinlich, daß ſelbige auf ihrem urſprünglichen Standorte, oder wenigſtens nicht fern von ihm, begraben wurden. Die verſchiedene phyſicaliſche Beſchaffenheit und die Vegetation der einzeln über einander liegenden Flötze be— weiſen, daß letztere, obſchon ſie zu einer Formation gehören, dennoch zu verſchiedenen Zeiten entſtanden ſind. Ohne für die Bildung der Kohlenflötze nur eine Zeitbeſtimmung ver- ſuchen zu wollen, ſchließt der Verf. mit der Bemerkung, daß die ſchnelle Regeneration der Flora tropiſcher Gegenden, wie die eben ſo ſchnelle Zerſetzung derſelben einen weit geringeren Zeitraum zur Bildung der Steinkohlenflötze er- forderlich machen als man bisher anzunehmen geneigt war. V. über die Anatomie des Osmylus maculatus. Von Leon Dufour. Der Osmylus oder Hemerobius maculatus nach Fabri⸗ cius iſt ein ſehr ſeltenes, zu den Neuropteren gehörendes Inſect, über deſſen innere Organiſation, Metamorphoſe und Lebensweiſe kaum etwas bekannt iſt. Dasſelbe beſitzt, nach des Verf. Unterſuchungen, die er in Nr. 3 der Com- ptes rendus vom 17. Juli 1848 mittheilt, ein Nersen- ſyſtem, das ſowohl die Sinnesorgane als die inneren Ap— parate und die Bewegungsorgane beherrſcht; das zweilappige Gehirn hat zwei große optiſche Maſſen und ſteht durch eine Kette von neun Ganglien mit dem Rückenmarkſtrange in Verbindung; drei dieſer Ganglien gehören dem thorax, ſechs dem Hinterleibe an; aus ihnen entſpringen regelmäßig und ſymmetriſch angeordnete Nerven; die Achſe, welche fie ver⸗ einigt, beſteht aus zwei Fäden. Der Osmylus fliegt nur ſelten, langſam und geräuſch⸗ los; die Natur hat ihm die ſchlauchförmigen Tracheen, welche die ſchnell und häufig fliegenden Infecten beſitzen, verſagt; fein Luftgefäßſyſtem, fein einziges wahres Cireulationsorgan, beſteht aus ſehr feinen röhrenförmigen faſt ausſchließlich der Ernährung dienenden Tracheen. 37 223. XI. 3. 38 Der Verdauungsapparat erinnert an den der weniger organiſirten Thiere; er beſteht 1) aus einem Munde, der mit hornartigen ſchneidenden Mandibeln verſehen, desgleichen mit zweilappigen, von Seidenhaaren beſetzten und mit fünf— gliedrigen Palpen verſehenen Kinnladen verſorgt, ferner mit einer abgerundeten, mit zwei dreigliedrigen Palpen verſehenen Unterlippe bewaffnet und dadurch ſowohl zum Ergreifen als Zerreißen und Zermalmen ſeiner Beute tauglich iſt; 2) aus zwei durch ein einfaches Seeretionsgefäß gebildeten Speichel— drüſen, die mit einem eiförmigen Reſervoir und kurzem Ausführungsgange verſehen find; 3) aus einem geraden Nahrungscanale (canal alimentaire), deſſen Kürze wie deſſen Inhalt das Inſect als einen Fleiſchfreſſer bezeichnen; einer im thorax kropfartig angeſchwollenen Speiſeröhre (oesophage), einem länglichen ſeitlich gelegenen Panſen, einem Kropf (gesier) der kaum die Größe eines Stecknadelkopfes erreicht, mit acht Reihen Schwielen beſetzt und mit einem ſinnreich con— ftruirten pylorus verſehen, der als Reibapparat dient; einem länglich-kegelförmigen, häutig musculöſen Chylus bereitenden Magen, den eine längliche, der Ileocöcalkappe der höhe— ren Thiere gleichende valvula von dem unteren, in ein kurzes rectum endigenden, die Fäces ausführenden Gedärme trennt; 4) aus einer Leber, welche durch acht ſehr lange, wirtel— förmig um das Ende des Chylusmagens angeordnete Gallen— capillargefäße gebildet wird. Das männliche Inſect iſt weder ſeiner Größe noch ſeiner Form und Farbe nach vom weiblichen verſchieden; das Weib— chen hat dagegen an den Vorderfüßen eine Kralle, die dem Männchen fehlt, und ſicher dazu dient, um ſich während der Begattung feſt zu krallen; außerdem unterſcheiden ſich die Ge— ſchlechter durch das Ende ihres Hinterleibs. Die Hoden des männlichen Osmylus liegen in einem gemeinſchaftlichen häutigen, gelben Sade, der dem serotum der Hymenopteren entſpricht. Jeder Hoden beſteht aus etwa 20 länglichen Samencapſeln. Der ductus deferens iſt, ſo— weit er im scrotum liegt, farblos, nimmt aber, ſobald er dieſe äußere Umhüllung verliert, eine chocoladenbraune Farbe an und gelangt, von einer Art Netz bekleidet, zur entſpre— chenden Samenblaſe, in deren unteren Theil er mündet. Es ſind zwei Paar Samenblaſen vorhanden, die größere, haupt— ſächlichere iſt mehr oder weniger angeſchwollen, ſie endigt nach vorn in einen von einer Schlinge gehaltenen Schlauch, nach hinten aber in einen Blindſack; die andere acceſſoriſche Blaſe iſt nur rudimentär, fadenförmig und wie ein Biſchof— ſtab gebogen. Der Ejaculationscanal iſt äußerſt kurz, die Ruthe iſt fleiſchig ohne alle hornartige Bedeckung. Wie ſich beim Männchen einer ſchon früher vom Verf. beſchriebe— nen Neuroptere, der Panorpe, am Ende des Kopfes ein eigenthümliches ſehr entwickeltes Organ, deſſen Bedeutung noch nicht genügend ermittelt iſt, und das dem Weibchen durchaus fehlt, vorfindet, jo zeigt das Männchen des Osmylus am Ende der Bauchhöhle unterhalb ſämmtlicher Eingeweide, rechts und links vom rectum ein paariges mit dem Ge: ſchlechtsapparat nicht in directer Verbindung ſtehendes Organ. Dasſelbe beſteht aus einem länglichen glatten, am freien Ende ſtumpfen Körper, der aus einem inneren ſchwarzen tegumentartigen Sacke und einer äußeren, ſleiſchigen, weichen, eontractilen, weißlichen Umhüllung beſteht. Die phyſiolo— giſche Bedeutung dieſer Organe beider Inſeeten blieb dem Verf., der ſie nicht lange und oft genug in ihrer Lebens— weiſe belauſchen konnte, unbekannt; er vermuthet, daß ſie vermittels einer Seeretion zur Umhüllung oder Befeſtigung der vom Weibchen gelegten Eier dienen könnten. Das Weibchen des Osmylus legt nicht fo viele Eier wie die meiſten anderen Inſecten; die Eierſtöcke haben jeder nur 10 vielfächrige längliche Scheiden, in denen ſich die Eier entwickeln; der ſehr kurze Eileiter erweitert fich während ſeines Verlaufs, um entweder die talgabſondernden Drüſen, oder die Begattungstaſche aufzunehmen. Die Eier der In— ſecten werden bekanntlich ſelbſt bei noch jungfräulichen Weibchen entwickelt, aber durch die Begattung erregt, erſt vollſtändig ausgebildet; fie ſteigen dabei aus den Eierſchläuchen herab und werden durch den, in der Begattungstaſche auf— bewahrten, männlichen Samen befruchtet und durch eine aus den Talgdrüſen abgeſonderte Flüſſigkeit vor äußeren Ein— flüffen geſchützt. Die letzteren beſtehen beim Osmylus jede aus einer kleinen rundlichen Blaſe, dem Seeretionsorgan, und aus einem vas ellerens, das 10 Mal fo fein wie ein Haar iſt, ſich elaſtiſch aufrollt und am hinteren Theile des Eileiters befeſtigt iſt. Die Begattungstaſche iſt von läng— licher Geſtalt und für die Aufnahme des penis während der Begattung beſtimmt. Die befruchteten Eier des Osmylus find länglich-eylindriſch, perlgrau und am vorderen Ende mit einem kleinen, runden, weißen Knopfe verſehen. VI. über die Familie der Salvadoraceen. Von F. E. Planchon. Der Verf. ſpricht im Eingange dieſer in Nr. 15 der Comptes rendus vom 9. October 1848 im Auszug mitge— theilten Abhandlung gegen die Aufſtellung von Pflanzen: familien, die nur eine Gattung zählen, indem er eine ſolche für einen Mißgriff hielt. Die Methode natürlicher Claſſi— fication hat nach ihm zwar heterogene Elemente zu trennen, aber auch andererſeits die zerſtreuten Glieder in eine Gruppe zu vereinigen; dies Princip leitete ihn bei feiner Bearbeitung verſchiedener Pflanzenfamilien und veranlaßte ihn auch jetzt, einer Gruppe von Pflanzen die Benennung der Salvadora— ceen zu geben, weil Lindley ein einziges in ihr enthaltenes Genus Salvadora benannte. Die Salvadora-Arten, welche als Typus dieſer Gruppe galten, ſind Stauden, deren Habitus, (zum wenigſten nach den Serbariumeremplaren) wie deren gegenſtändige, unge— theilte Blätter an die Dleaceen erinnern. Zwei ſeitlich vom Durchſchnittspunkte jedes Blattes gelegene Stipeln werden, ihrer Kleinheit wegen, bei flüchtiger Betrachtung meiſtens überſehen. Die unſcheinbaren Blüthen bilden ährenförmig— riſpenartige Trauben; jede Blüthe zeigt einen faſt kugeligen Kelch mit vier kleinen Zähnen, eine hinfällige, ſehr tief viergetheilte Blumenkrone, deren Abſchnitte mit den Kelch⸗ zähnen alterniren und deren Knoſpenlage, gleich der des 3 * 39 223. XI 8. 40 Kelches, dachziegelartig iſt. Vier kurze Staubfäden, mit zweifächrigen, nach innen aufſpringenden Antheren alter— niren mit den Abſchnitten der Blumenkrone, mit deren Baſis ſie verwachſen ſind. Ein hypogener vierlappiger Dis— cus, ein zweifächriger freier Fruchtknoten von einer zwei— lappigen feſtſitzenden Narbe gekrönt, zwei neben einander gelegene anatrope, nach aufwärts gerichtete Samenknoſpen, die am Grunde der Scheidewand jedes Fruchtfaches befeſtigt ſind, eine ein- bis zweifächrige, ein- bis vierſamige Beere, deren Samen ein einfaches breiartiges Integument und einen dicotyledoͤniſchen fleiſchigen eiweißloſen Embryo beſitzen, find die übrigen dieſen Pflanzen eigenthümlichen Charaktere.. Die erſte dieſer Familie angehörende Pflanze iſt die Monetia !’Herit (Azyma Lamk.); fie ward früher entweder mit Pflanzen von zweifelhafter Verwandtſchaft oder mit den Slieineen vereinigt, neuerlich aber von Gardner und Wight zum Typus einer beſonderen Familie, der Monetien, erhoben. Der Verf. begreift nicht, wie man die Verwandtſchaft dieſer Pflanze mit Lindleys Salvadora überſehen konnte, da zwi— ſchen beiden kaum ein weſentlicher Unterſchied vorhanden iſt. Blumes Actegiton auf Java einheimiſch, von End— licher zu den Celaſtrineen gezählt, iſt ſicher der Monetia nahe verwandt, vielleicht gar mit einer auf den Philippinen wachſenden Monetia-Art (M. laxa Planchon) identiſch. Forskaͤl hatte unter dem Namen Tomex einen Baum Arabiens beſchrieben, den die Eingebornen Dober nennen und deſſen breiige Früchte von ihnen genoſſen werden. Endlicher erhob dieſe Pflanze zur Gattung Dobera; in ihren Charakteren wenig bekannt, kam ſie bald in Vergeſſen— heit und tauchte ſpäter, von Hochſtetter Schizocalyx ge— nannt, wieder hervor; unter dieſem Namen ward ſie, ihrer durchaus verſchiedenen Charaktere ungeachtet, den Meliaceen zugeſellt. Rorburgh war mit einer anderen Art (der Dobera Roxburghii Planchon, Blackburnia oppositifolia Roæb.), welche er mit dem, dem Zanthoxylon nahe verwandten Genus Blackburnia vereinigte, ebenfalls nicht beſonders glücklich, da ſchon ein Blick genügt die innige Verwandtſchaft der Dobera mit den übrigen Gliedern der Salvadora -Gruppe darzuthun. Aus den ſo eben gemachten Beobachtungen erhellt nun— mehr, daß fünf Gattungen der Autoren (Salvadorea, Mo- netia, Actegiton, Dobera und Schizocalyx) auf drei Gat— tungen reducirt und in eine einzige natürliche Gruppe vereinigt werden müſſen. Die Art der Vegetation, der Habitus, die Blätter, Stipeln, die Inflorefcenz, die Blüthen, Früchte und Samen aller dieſer Pflanzen zeigen nur ſolche Ver— ſchiedenheiten in Form und Zahl, welche die Trennung in Gattungen und Arten zulaſſen. Die Polygamie der Blüthen iſt wahrſcheinlich allen Arten dieſer Gruppe gemein, jedoch bei Salvadora und Dobera ſchwierig nachzuweiſen. Die geo- graphiſche Verbreitung ſpricht überdies zu Gunſten der glei⸗ chen Organiſation dieſer Pflanzen. Die Monetia-Arten ver⸗ breiten ſich über das öſtliche Africa, über die indiſche Halb: inſel und die Inſel Ceylon bis zum malaliſchen Archipel; die Salvadora- Arten gehen von der Küſte von Benguela durchs nördliche Africa, nach Paläſtina, Perſien, Ober- und Unter⸗Indien und Ceylon; die Dobera-Arten endlich ſind in Abyſſinien Arabien und der indiſchen Halbinſel zu Hauſe; der Verbreitungsbezirk der ganzen Familie beſchränkt ſich ſomit auf die tropiſchen und ſubtropiſchen Gegenden der alten Welt. Was nun die Stellung der Salvadoraceen im Syiteme betrifft, ſo hält der Verf. ihre Verwandtſchaft mit den Plantagineen zu wenig gerechtfertigt, um fie nach Lindleys Vorbilde für Salvadora dieſen anzureihen, er würde ſie eher, wie Gardner und Wight für Monetia, neben die Jasmi— neen und Oleaceen, denen ſie im Wachsthum, Habitus und mehreren anderen Charakteren nahe ſtehen, placiren, zumal wenn ſich eine noch zweifelhafte, von Griffith bezeichnete Verwandtſchaft zwiſchen den Oleaceen und dem Genus Bones beſtätigen ſollte, da alle dem Verf. bekannten Arten der letzteren Gattung den Salvadoraceen nahe verwandt ſind. Miſeelle n. 9. Die Larve der Donacia sagittaria, die am Grunde der Blätter von Sparganium ramosum unter Waſſer lebt, zerſtört nach Ed. Perris das Gewebe der Pflanze nicht, ſie nährt ſich nur vom Safte derſelben. Die Larve hat keine Kiemen, Per⸗ ris glaubt deshalb an eine gewiſſermaßen endoſmotiſche Reſpira⸗ tion durch das Häutchen, welches die stigmata verſchließt. Che ſich die Larve verwandelt, verfügt ſie ſich an die Wurzel der Pflanze und umgiebt ſich dort mit einer elliptiſchen Hülle, die nicht nur aus Fäden, ſondern aus einer erhärteten gummiartigen Maſſe be⸗ ſteht und die Dicke eines Papierblättchens beſitzt; in dieſer Hülle liegt fie vor Waſſer geſchützt. (Annales de la Société Eutomol. de France. 1848. Tom. VI. p. 33.) 10. Paraſitiſche Pilze find als Krankheitserſchei⸗ nungen auf verſchiedenen Inſecten bekannt genug; auf dem Lixus und einigen erofifchen Coleopteren kommen indes nach de Boul⸗ bene und Follin auch im geſunden Zuſtande derartige Schmarotzer vor. Selbige erſcheinen als gelber Anflug auf den Flügeldecken, entfernt man ſie, fo reprodueiren ſie ſich raſch von neuem. Das gelbe Pulver beſteht aus Fäden und Sporen, es hat alle Charaktere eines Pilzes. Mit dem Tode des Thieres erſtirbt auch der Pilz; der letztere unterſcheidet ſich ſomit in ſeinem phy⸗ ſtologiſchen Verhalten ſehr von den übrigen paraſitiſchen Pilzen. (Aunales de la Soc. Entomolog. de France. 1848. Tome VI. p. 301.) HSeilfunde. (V.) Unterricht blinder Taubſtummer. Aus einem Berichte des Oberlehrers Knie iſt in der Überſicht der Arbeiten der ſchleſiſchen vaterländiſchen Geſell— ſchaft für 1848 folgende Angabe über die gelungene Löſung dieſes höchſt ſchwierigen practiſchen Problems aufgenommen, welche wir hier mittheilen, weil ſie mehr in das Verſtänd⸗ niß der Schwierigkeiten des Unterrichts der Taubſtummen 41 323%. 42 und wie es ſcheint, auch der Cretinen einleiten möchte als manche theoretiſche Auseinanderſetzung. Es heißt daſelbſt: Herr Hirzel, Direktor des Aſyls für Blinde zu Lau⸗ ſanne, hörte von einem jungen Menſchen, Jakob Eduard Meyſtre, der 1826 den 25. November in der Gemeinde Thierrens geboren, durch die Menſchenblattern im 11. Mo⸗ nate ſeines Lebens ſein Gehör und dadurch auch die Sprache verloren hatte, und der, ſieben Jahre alt, durch einen un- glücklichen Schrotſchuß von einem ſeiner Verwandten und Geſpielen auch ſeiner Sehkraft beraubt wurde. Hirzel beſuchte den, in der Nähe von Lauſanne bei ſeiner Mutter wohnenden Meyſtre, und überzeugte ſich, durch die Deut⸗ lichkeit ſeiner Gebärdenſprache, von der geiſtigen Befähigung des Jünglings. Das Comité der Blindenanſtalt nahm den⸗ ſelben, da die Gemeinde ihre chriſtliche Beihülfe verweigerte, großmüthig auf, 1845 den 10. Juni. Meyſtre war 18 ¼ Jahre alt. Der zu Boſton in der Blindenanſtalt für Neu- England gelungene Verſuch des ſcharffinnigen Dr. Julius Hove, ein blindes, zugleich taubſtummes Mädchen, Laura Bridgemann, mit Hülfe erhöhter Schrift zum Verſtänd⸗ niß der Sprache zu bringen, ermuthigte Herrn Hirzel zu dem nämlichen Verſuche bei Eduard Meyſtre. H. gab dem M. zuerſt eine Feile, und ließ ihn den Namen, den er mit erhöhten Buchſtaben zuſammengeſetzt hatte, betaſten, auch dieſe Buchſtaben aus einander nehmen und wieder zus ſammenſetzen. Hierbei machte er ihm bemerklich, daß es auf die Folge der Buchſtaben ankomme. In der vierten Stunde ſetzte er ihm das Wort: Säge, und zeigte ihm eine ſolche, wobei M. freudeſtrahlend begriff, das Wort ſei ein Zeichen für die Sache (bei der Bridgemann geſchahen die erſten Verſuche mit Apfeln, Birnen, Löffeln, Meſſern und Gabeln, auch zuerſt nur mit den Anfangsbuchſtaben, einzeln und auf die Gegenſtände befejtiget). Meyſtre faßte bald die Ordnung im Setzkaſten und übte die Zuſammen— ſtellung von Wörtern. Die reißenden Fortſchritte, die Meyſtre, welcher täglich nur eine oder zwei Lehrſtunden erhielt und außerdem auch Unterricht im Drechſeln hatte, während weniger Wochen machte, bewogen ſeinen Lehrer zum Verſuche, ihm auch die Lautſprache beizubringen. Er legte Meyſtres eine Hand auf feine Bruſt, die andere an feinen Hals, während er ſelbſt den Laut a aus ſprach. Er ließ den Taubſtummen das Aushauchen der Luft fühlen und veranlaßte ihn zur Nachahmung; ſie gelang mit den Lauten a und o. Bei den anderen ermüdete der Zögling, der den Zweck nicht begriff, und nur durch das Verſprechen von Cigarren, die er gerne rauchte, zur Fortſetzung der Übung bewogen werden konnte. Hirzel fand nun das Sprachge⸗ ſetz, daß die Vocale zwei Reihen bilden, deren Grundlaute a und o ſind. Wird bei der Ausſprache a die Zunge ge⸗ hoben, jo entſteht à (ai), mehr gehoben, e, noch mehr, i; dasſelbe geſchieht in der Reihe, die mit o anfängt, dann zum u (ou), zum 6 (eu) und zum u (u) übergehend. Jetzt kam es darauf an, eine fühlbare Verſinnlichung dieſes Ge⸗ ſetzes zu finden (wie es die Stellung der Lippen für den ſehenden Taubſtummen iſt). Hirzel nahm vier kleine Säulen für die a-Reihe, jede mit dem Buchſtaben bezeichnet, und von der Dicke der nöthigen Mundöffnung, um ſie dem Zöglinge zwiſchen die Zähne zu ſchieben. Für die o-Reibe wählte er paſſend vier Ringe, deren Durchmeſſer der Lippen⸗ öffnung entſprach. Der Verſuch gelang. Mepſtre freute ſich, beim Taſten des erhöhten a und o die Form der Säule und des Ringes wiederzufinden, konnte aber die anderen Vocale lange nicht ohne Hülfsmittel bei freier Mundſtellung ausſprechen. Doch deutete ihm der Lehrer an, daß er für e zuerſt die Mundſtellung des a, dann Nr. 3 bilden müſſe; eben ſo für u, daß er o in der Stellung 4 zu bilden habe. Dieſe Übungen erforderten mühevolle Ausdauer. Als aber Meyſtre das Wort Ami, welches der Vorname eines Mitzöglings war, ausſprechen gelernt hatte, und Ami jedes Mal zu ihm kam, wenn er es laut ausſprach, begriff Meyjtre bald, daß man durch die Sprache in die Ferne ver⸗ kehren könne, und war nun unermüdlich, alle Namen der Mitzöglinge laut auszuſprechen, eben ſo alle Wörter, die er erhöht gedruckt las. Die Conſonanten hatten weit weniger Mühe, als die Vocale gemacht. Es war dies das Ergebniß von dreimo⸗ natlichem Unterricht. Hirzel beſchloß, ſeinen Schüler ietzt zu Redensarten, und bei ſeinem gereiften Geiſte ſchnell zu abſtracten Sätzen, mit Übergehung der grammatiſchen Klei⸗ nigkeiten, zu führen, um ſo ſeinem Verſtande neue Nah⸗ rung zu bieten. Er vermied anfangs die Verbindung des Subjects mit einem Beſchaffenbeitsworte, welches auch auf das Prädicat bezogen werden kann; zum Beiſpiel: die Ku⸗ gel iſt rund, wählte dagegen: „Freund hören, Zähne beißen, der Maurer macht die Mauer, der Bäcker bäckt das Brot,“ um ſo die Wortkenntniß zu begründen. Nun ging er zu den Redetheilen über, den Verhältniß⸗, den Fürwörtern, den Adverbien und zuletzt zu den Bindewörtern. Die Wahl der Beiſpiele bewies fich hierbei als ſehr wichtig. Um mit dem Subjecte durch das Hülfsverbum iſt ein Beſchaffenheitswort zu verbinden, was neue, aber bald beſiegte Schwierigkeiten machte, wählte Herr Hirzel den Satz: „Eduard iſt blind,“ und ſchrieb anfangs iſtblind als ein Wort. Bald trat an dieſe Stelle: „Ich bin blind, ich bin taubſtumm“ u. ſ. w. Nach achtzehn Monaten fing er ſelbſt an, Sitze zu conſtruiren, und zeigte hier bei der Wortbildung neuen Scharfſinn. So ſagte er Ecriver (ſchreiben), plumier (federn), und von mensonge bildete er mensonger. Die moraliſchen Fehler, die er ſelbſt hatte, boten neue Gelegenheit zur Entwickelung ſeiner Begriffe, wie ſeiner Sittlichkeit, und jede Strafe wirkte tief und nach haltend beſſernd. Bei einem Beſuche eines Kirchhofes zeigte es ſich, daß er (wahrſcheinlich durch ſeine Mutter) die Vorſtellungen vom Tode, Auferſtehen und in den Himmel gehen, gehört habe. Das Denken erſcheint ihm als größter Vorzug des Men⸗ ſchen, das Träumen als der Anfang desſelben. Bei den Abendgebeten und Sändefalten ſeiner Kame⸗ raden lachte er anfangs; als ſie ihm aber durch Zeichen⸗ ſprache ſagten, ſie ſprächen mit einem Weſen, das hoch über ihnen wäre, fragte er, ob ſie ſehr laut ſchreien mußten, um 43 223. XI. 3. 4 vernommen zu werden? Beſondere Ehrfurcht hegte er ſtets gegen die Sonne. Bei der Frage: Wer das Getraide wachſen laſſe? nannte er ſie, und als er erfuhr, Gott ſei das Weſen, das auch die Sonne und alles in der Welt gemacht habe, zeigte er die größte Ehrfurcht gegen dieſes Weſen, und betete hier— auf jeden Abend mit ſeinen Kameraden in den einfach rüh— renden Worten: „Ich denke an Gott!“ Ihm die Wahrheiten des Evangeliums und die Beſtimmungen unſeres Daſeins kennen zu lehren, iſt ſeitdem das Ziel, welches Meyſtres denkender Lehrer mit ſeinem ſo merkwürdig begabten Schü— ler erſtrebt, um ſo den Triumph ſeines didaktiſch-pädagogi— ſchen Verſuches zu vollenden. Die noch ſchwerere Aufgabe, ein von Geburt aus blindes und taubſtummes und von ſeinen Eltern bis zur Thierheit vernachläſſigtes Mädchen zum Bewußtſein ihrer Menſchheit zu wecken, iſt der Preis, nach welchem der edle Hirzel jetzt ringt. Möge ihm der Ehrenkranz des Gelingens, wie bei Eduard Meyſtre, zu Theil werden. (VI.) Greifion des Schenkelkopfs bei Hüftkrankheit. Von Prof. Wm. Ferguſon. In einer in dem Kings College am 29. März 1849 gehaltenen längeren Vorleſung ſpricht der Verf. zuerſt aus— fuhrlich über die ſogenannte Hüftkrankheit oder das frei⸗ willige Hinken in Folge von Caries des Gelenks. Wir gehen nur auf den Theil fpeciell ein, in welchem die oben genannte Operation gemacht worden iſt, welche in den chi— rurgiſchen Handbüchern als Heilmittel bei dieſer Krankheits— form allerdings nicht aufgeführt iſt. Zuerſt werden zwei Fälle mitgetheilt. „Erſter Fall. — Eliſabeth V., 10 Jahr alt, war immer geſund bis zu ihrer jetzigen Krankheit, welche vor 2¼ Jahr begonnen hat, wo fie von einem anderen Mäd⸗ chen niedergeworfen worden war. Beim Falle ſtieß ſie mit dem linken Knie auf und ging ſogleich lahm; deswegen wurde ſie zu Bette gebracht, mit Blaſenpflaſtern behandelt und bald wiederhergeſtellt. Zwei Monate ſpäter trat ohne irgend eine Urſache friſche Reizung in dem Gelenk auf; ſie litt ſehr heftige Schmerzen und hatte beträchtliche Geſchwulſt an der Hinterbacke. Nach kurzer Zeit ſchien das kranke Bein kürzer als das andere; ſie hinkte mit einwärts gekehrtem Fuße und berührte den Boden nur mit der Fußzehe. Sie wurde nun zwei Monate ins St. Thomasſpital aufgenommen. Rund um das Gelenk brachen Absceſſe auf und Patientin litt ſehr an Schmerz und Geſchwulſt vom Knie herab den hinteren Theil des Schenkels entlang. Zwölf Monate nach Beginn der Krankheit bemerkten ihre Eltern eines Morgens, daß ihr Schenkel ganz gegen die Bauchfläche gebeugt war, und daß ſie nicht im Stande war, denſelben im mindeſten zu bewegen. Es brachen nun neue Absceſſe rund um das Gelenk herum auf und durch Eiterung und fortdauernden Schmerz litt ihre Geſundheit dermaßen, daß ſie im äußerſten Grade ſchwach und abgemagert war. In dieſem Zuſtande wurde fie vor ſieben Monaten in eine Kaltwaſſerheilanſtalt gebracht, wo ſie allmälig ihre Kräfte wieder erlangte und auf Krücken zu gehen im Stande war. Hier blieb ſie ſechs Monate. Ihre Eltern brachten ſie nun, in der Hoffnung auf eine bleibende Herſtellung, ins Kings-College-Hoſpital, wo ſie am 4. Januar 1849 aufgenommen wurde. Die linke Hinterbacke iſt ungewöhnlich ſtark hervorragend, glatt und geſpannt und über dem hinteren Theile des Hüftknochens findet ſich eine harte kugelige Geſchwulſt, offenbar der nach hinten und oben dislocirte Schenkelkopf. Rund herum finden ſich verſchiedene Fiſtelgeſchwüre, welche in den verſchiedenſten Windungen verlaufen und mit dem cariöjen Schenkelkopfe communiciren. Einige dieſer Geſchwüre liegen in der Hüft-, andere in der Sacralgegend, eins läuft in der ganzen Länge des Schenkels herab und entleert einen ſehr übel beſchaffenen Eiter. Liegt die kleine Kranke ganz ruhig, ſo fühlt ſie ſich ziemlich wohl, aber bei jeder Bewegung oder bei dem leichte⸗ ſten Druck leidet ſie großen Schmerz. Sie liegt auf der geſunden Seite des Körpers und legt das kranke Knie über den anderen Schenkel. Sie ſieht ſchwach und blaß aus, ihr Appetit iſt gut und ſie ſchläft gut. 2. Januar. Herr Ferguſon erweiterte eine Fiſtel⸗ öffnung über dem Schenkelkopfe und entfernte ein lockeres Stück des nekrotiſchen Knochens; es fand ſich, daß der Schenkelkopf in cariöfem Zuſtande ſich befand. Nach ge⸗ nauerer Unterſuchung gewann Herr Ferguſon die Über⸗ zeugung, daß der Schenkelkopf der eigentlich leidende Theil ſei und beſchloß denſelben zu entfernen. 13. Januar machte er die Ereifton, indem er einen vier Zoll langen perpendiculären Einſchnitt über dem oberen Ende des Knochens durch Haut und Fettzellgewebe machte; an dieſen ſchloß ſich ein Querſchnitt an und die Weichtheile, welche ſehr verdickt und verändert waren, wurden nun von dem Knochen zurückgelegt; nun wurde das Bein nach innen gedreht, um das obere Ende des Schenkelbeins möglichſt ſtark hervorziehen zu können; die Säge wurde nun unter dem trochanter major angelegt und der Gelenkkopf mit dieſem Fortſatze abgenommen. Der Schenkelkopf war ſehr verkleinert und cariös. Die Gelenkpfanne fand ſich in guter Be⸗ ſchaffenheit, d. h., ſie war kaum zu finden, denn ſie war mit neuer Knochenmaſſe ausgefüllt. Die Wundränder wurden mit Nähten zuſammengebracht und die Kranke wurde darauf in ihr Bett gelegt. Es war keine Gefäßunterbindung nö⸗ thig geworden. Am Abend aber klagte Pat. über Schmerz, beſonders im Kniee. Sie hatte in Folge des Gebrauchs des Chloroforms bei der Operation gebrochen. 14. Blutiges Ausſickern aus der Wunde in der Nacht, der Schmerz iſt nicht ſehr beträchtlich. Waſſerumſchläge. 16. Sie hat gut geſchlafen und fühlt keinen Schmerz. Die Wunde eitert und ſieht gut aus, der Appetit iſt gut, ſie erhält Fleiſchbrühe und Wein. 18. Die Wunde ſieht ſehr gut aus und granulirt som Grunde aus; der Eiter iſt gut, es werden nun Heftpflaſter angelegt. Von nun an ging es ganz gut; die Wunde ſchloß ſich, die Fiſtelgänge füllten ſich aus und das obere Knochen⸗ ende, welches in der Wunde bloß lag, bedeckte ſich mit Gra⸗ nulationen. 45 223. XI. 3. 46 20. Stand das Kind auf und ging mit Krücken im Saale herum; das Bein iſt weit gerader und das Allge— meinbefinden iſt hergeſtellt. 27. Pat. iſt im Stande die Zehen auf den Boden zu bringen und ihren Körper einigermaßen darauf zu ſtützen. Die Wunde hatte ſich noch nicht feſt vernarbt, aber das Glied hatte weit mehr Beweglichkeit erlangt und konnte be— trächtlich gebeugt und geſtreckt werden. a Sie re nun 15 einige Zeit im Spitale erhalten und am 22. März in beſtem Befinden auf das Land ge— ickt. 97 5 Es bedarf kaum einiger Bemerkungen über dieſen Fall: Ein unglückliches Kind in dem elendeſten Schmerzenszuſtande, ohne Ausſicht, durch irgend eine der gewöhnlichen chirurgi— ſchen Operationen Erleichterung zu erlangen, wird plötzlich durch ein einfaches, ganz den Vorſchriften der neueren Chi⸗ rurgie entſprechendes Verfahren von ihren Leiden befreit und in der kurzen Zeit von ſechs Wochen ſo weit herge⸗ ſtellt, daß ſie im Bett aufſitzen und mit Krücken herumgehen, ja ſich auf das kranke Bein ſtützen kann, wozu ſie ſeit Jahren nicht im Stande geweſen war. Dagegen bedenke man, was für ein Zuſtand ihr ohne dieſe Hülfe noch be⸗ vorgeſtanden hätte, im günſtigſten Falle eine ſpontane Hei⸗ lung nach vieljährigen unausgeſetzten Leiden, oder wahrſchein— licher in Folge der fortdauernden Reizung ein frühes Grab. Ich will nun nur noch anführen, was mich zu dem befolgten Heilverfahren geführt hat. Ich lege den Gyps⸗ abguß von der Hüfte eines Knaben vor, welcher vor einigen Jahren ſich unter meiner Behandlung in dieſem Spitale bes fand. Es war Hüftkrankheit in ihrer ſchlimmſten Form und der Knabe dem Tode nahe. An der Hüfte fand ſich eine Offnung, durch welche ich den Gelenkkopf auf das deutlichſte erkennen konnte. Der Knochen lag bloß und war von cariöſer Beſchaffenheit. Nirgends ſonſt eine Spur von Krankheit. Ich hielt nun dieſen Fall für eine vor— treffliche Gelegenheit für diejenige Behandlung der caries, welche ich als die bezeichnendſte Verbeſſerung der modernen Chirurgie betrachte, wonach nämlich ein cariöſer Knochen entfernt werden muß, wann und wo dies ohne Gefahr ge— ſchehen kann, vorausgeſetzt, daß man annehmen müſſe, die Natur werde ohne dieſe Hülfe die Herſtellung nicht zu Stande bringen können. Ich dachte, ſowie die Urſache der fort— dauernden Reizung entfernt wird, ſo wird auch das Zurück— bleibende raſch heilen und ich beſchloß, dem Knaben dieſe Ausſicht auf Heilung zu verſchaffen. Dieſer Entſchluß war aber kein momentaner Eindruck, ſondern das Reſultat reif— licher Erwägung und mehrfacher Berathung mit meinen Collegen. Ich hatte überdies eine Präcedenz und will des— halb den erſten Fall der Art, welcher vorgekommen iſt, hier mittheilen; er findet ſich in des trefflichen Samuel Coopers Ne Wörterbuche in dem Artikel „Knochen“, wo es eißt: John W., ein Zwilling von zartem Bau, lebte in Weſt⸗ minſter. Zwiſchen dem vierten und fünften Jahre litt er an ſcrophulöſer Entzündung des Hüftgelenkes, und machte die Stadien der Verlängerung, Dislocation und nachfolgenden Verkürzung durch, worauf der Schenkelkopf endlich hoch oben auf dem Rücken des Hüftbeins ruhte. Etwa drei Jahre nach dem Beginne der Krankheit, im achten Lebensjahre, ſah ich ihn. Er war ſehr abgemagert, es hatten ſich fiſtulöſe Geſchwüre gebildet, durch welche mit der Sonde leicht erkannt werden konnte, daß der Schenkel— kopf ſich in cariöſem Zuſtande befand; es hatten mehrere Erfoliationen vom Hüftbein, Sitzbein und Schambein Statt gefunden. Im Verlaufe der Krankheit war das Knie nach innen gewendet und auf den unteren inneren Theil des an- deren Schenkels feſt angedrückt; jeder Verſuch, das Bein aus dieſer Lage zu bringen, war vom heftigſten Schmerze begleitet. Alle weiteren Erperimente wurden deshalb auf⸗ gegeben und das Bein ungeſtört gelaffen. Der Kranke hatte nun drei Jahre auf der geſunden Seite mit ſehr gekrümmtem Körper, und ohne ſich bewegen zu können, feſt gelegen. Ein profufer und ſehr ſchwächender Abfluß drang fortwährend durch viele Offnungen hervor, welche zu dem cariöſen Schen— kelkopfe führten. Übrigens war die Geſundheit des Knaben ziemlich gut. Es war klar, daß, wenn man das Knie nicht aus ſeiner feſten Lage am anderen Schenkel wegbringen konnte, der unglückliche Knabe ſein ganzes Leben in dieſer Lage bleiben mußte; jenes war aber nur auszuführen, wenn der obere Theil des Schenkels entfernt wurde, welcher wegen ſeiner geringen Beweglichkeit zu dem Glauben Veranlaſſung gab, es habe eine feſte Vereinigung zwiſchen ſeiner unteren Fläche und dem Hüftbeine Statt gefunden, womit er ſo lange in Berührung geblieben und deſſen Form durch die dünnen Weich— theile hindurch leicht zu erkennen war. In Betracht alfo, daß alle Theile, welche ein geſundes Gelenk zuſammenſetzen, vollkommen zerſtört waren und eine Gefahr bei Verwundung der ſelben nicht obwalten konnte, und daß die Kräfte des Knaben bei der ſtarken Eiterung keine Ausſicht auf jemalige Herſtellung gewährten, fo beſchloß ich nach reiflicher Erwä— gung, eine Operation zur Beſeitigung des oberen Theiles des femur, jo weit er ſich in cariöſem Zuſtande befinde, vorzuſchlagen. Nach der Unterſuchung mit der Sonde ſchien ſich die caries etwas weiter nach unten als der große trochanter zu erſtrecken. Geſchah dies, ſo wurde der untere an den anderen Schenkel feſt angedrückte Knochen frei, geſtattete das Bein auswärts zu ziehen und den Kranken überhaupt in eine, ſeinem Zuſtande günſtige Lage zu verſetzen, in welcher ſich ein Erſatzgelenk bilden könnte, auf welchem dann das Gehen mit oder ſelbſt ohne Krücken möglich werden konnte. Ich ſchlug vor, die den Knochen bedeckenden Weichtheile vom Schenkelkopfe an zu ſpalten und dieſelben nach beiden Seiten von dem Knochenkörper abzulöſen. Hiernach ſollte der Knochen möglichft tief durchſägt und mit einem Hebel von dem Hüftbeine emporgehoben werden. Ich hoffte, die Wunde werde ſich über dem abgekürzten Knochen, der nun in gerade Richtung gebracht werden ſollte, ſchließen, während der Knochen ſich wieder tief nach hinten legen werde. Die Wunde ſollte gleich einer einfachen Wunde mit Heftpflaſter und ruhiger Lagerung behandelt werden. Mein College, der verſtorbene Mr. Morel, ſtimmte mir bei und Mr. William Smith, der mit der Mutter des Knaben ſehr wohl bekannt 9 47 223. XI. 3. war, benachrichtigte Sir Gserard Home von der vorge— ſchlagenen Operation. Darnach wurde der Knabe nach St. Georges Hoſpital (zu Sir E. Home) gebracht und nach einer Gonfultation der dortigen Arzte mit einem von allen unterſchriebenen Zeugniſſe der Mutter zurückgeſchickt, worin ausgeführt war, daß die Operation nicht allein nutzlos, ſondern auch unausführbar ſei und leicht mit dem Tode endigen könnte. Ich war nicht bei der Conſultation und erfuhr erſt davon als mir die Mutter jenen Proteſt zeigte. Ich bekümmerte mich nun nicht weiter um den Fall. Nach einigen Monaten kam Mr. Benj. Travers in das Haus des Hrn. Wm. Smith, in welchem der Knabe mit feiner Mutter wohnte. Er wurde aufgefordert, den Knaben zu ſehen und erkannte, als ihm von der Mutter mein Vorſchlag aus einander geſetzt wurde, ſogleich das Princip und den Plan meiner Operation. Er ſchrieb mir vollkommen meiner An— ſicht beipflichtend und bot mir auf die freundſchaftlichſte Weiſe ſeine Aſſiſtenz an, trotz des bedenklichen Proteſtes, der dagegen erlaſſen worden war. Erfreut über die Über— einſtimmung eines ſo ausgezeichneten Mannes und in meiner Anſicht über die Ausführbarkeit der Operation nicht ſchwan— kend, nahm ich ſein Anerbieten an; der Knabe wurde nach Weſtminſter gebracht und im April 1821 die Operation unternommen. Der Knabe lag auf einem Tiſche, und ich trennte nun die Weichtheile über dem Knochen, 1 Zoll ober— halb des Schenkelkopfes beginnend, bis 2 Zoll unter dem trochanter gerade über der Mitte des Knochens. Die Be— deckungen wurden nun nach beiden Seiten zurück präparirt, jo daß der Knochen bis etwas unterhalb des trochanter minor ganz bloß lag. Nun wurde ein Spatel unterge— ſchoben und darüber der Kochen durchſägt, was leicht gethan war. Hierauf ſteckte ich einen kleinen Spatel in die Säg— rinne und brauchte denſelben als Hebel, um den Knochen in die Höhe zu heben, welcher ſo mit geringer Nachhülfe des Meſſers vom Rücken des Hüftbeins abgehoben wurde. Es war keine Spur der Gelenkpfanne übrig, noch auch irgend— wo caries zu entdecken. Der Schenkel ward nun leicht in eine gerade Linie gebracht und das Knie aus ſeiner Lage an dem anderen Schenkel befreit. Die Wunde wurde mit Heftpflaſtern vollkommen geſchloſſen, ſo daß nichts von dem Knochen entblößt liegen blieb. Das Bein wurde in ge— rader Lage mit Schienen und der achtzehnköpfigen Binde befeſtigt. Der Knabe ertrug die Operation gut und verlor nicht mehr als zwei Unzen Blut. Schenkelkopf, Hals und Trochanteren waren deutlich, denn die caries war nur ober— flächlich und reichte nur bis zum kleinen trochanter. Es ging ſehr gut, in wenigen Wochen waren alle Fiſtelgänge geheilt und die Wunde geſchloſſen. Der kleine Patient kam nun raſch wieder zu Kräften und Fleiſch. Nach zwei Monaten unterſuchte ich die Theile, um feſt zu ſtellen, ob der Knochen mit den umgebenden Theilen irgend Verbindungen eingegangen ſei und als ich den Verſuch machte das Glied in verſchiedenen Richtungen zu bewegen, ſo entdeckte ich, daß der Knabe ſelbſt ſeinen Fuß zu heben vermochte, was allmälig beſſer ging und bis zu beträchtlicher Bewegung durch die Muskelthätigkett ſich ſteigerte. Nun verſuchte ich, ob er einen Druck gegen den Fuß ohne Nachtheil ertragen konnte, was vier Monate nach der Operation der Fall war. Er erhielt nun Krücken und konnte in ſehr kurzer Zeit beträcht— lichen Druck auf ſeinen Fuß aushalten; nach Ablauf eines Jahres konnte er eine hohe Treppe ohne Krücken ſteigen. Schließlich wurde feſt geſtellt, daß ſich ein neues Gelenk ge— bildet habe, indem der Knabe mehrere engliſche Meilen ohne Stock oder Krücke gehen konnte. Er erlangte eine große Freiheit der Bewegung, außer, daß er nicht im Stande war, den Schenkel nach auswärts zu rotiren oder nach außen abzuziehen. Fünf Jahre ſpäter wurde er phthiſiſch und ſtarb im Weſtminſter-Spitale an Lungenſchwindſucht. Das Glied wurde mit der Hälfte des Beckens aus der Leiche genommen und befindet ſich in der Sammlung des College of Surgeons; aber die Theile ſind bis jetzt noch nicht unterſucht worden. Der Knochen des femur ſcheint die Möglichkeit, ſich weiter zu verlüngern, verloren zu haben, wenigſtens ergaben öftere Meſſungen während des Lebens, daß das Bein nicht an Länge zugenommen habe. Vielleicht iſt der Umſtand, daß Knochen nach Amputation ihres Gelenkkopfes ſich nicht weiter verlängern, nicht allgemein bekannt.“ Zur Unterſtützung meiner Anſicht kann ich nun noch Mr. Coulſon, der ſich beſonders mit Hüftkrankheiten be— ſchäftigt hat, und den verſtorbenen Mr. Anthong White anführen, der ſich für die Operation ausſprach und dabei zugegen geweſen fein würde, wenn ihn nicht Krankheit ab— gehalten hätte. Die Operation wurde gemacht und beſtätigte vollkommen alles was ich vorausgeſagt hatte. Der Fall wurde ſpäter in der Royal Medico-chirurgical Society vor⸗ getragen und in deren Transactions 1845 aufgenommen. Zwei Jahre nach der Operation hatte ich Gelegenheit den Operirten einer großen Anzahl von Collegen hier im Ope⸗ rationsſaale zu zeigen; er konnte auf der lahmen Seite ſtehen und ſein Bein im Hüftgelenke jo leicht bewegen als wäre er nie krank geweſen. Er bediente ſich noch der Krücken, ſah übrigens aber vollkommen geſund aus. (The Lancet, April 1849.) Miſeceelle. (4) Ein betäubendes Mittel aus einem Hanfauf⸗ guß beſtehend, war ſchon den Chineſen im 3. Jahrhundert be⸗ kannt, ſie benutzten es, wie wir das Chloroform und den Ather gebrauchen, bei Operationen; der Kranke ſoll ohne Empfindung die ſchmerzhafteſte Operation ertragen. (Comptes rendus, 12. Fevr, 1849.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Sir Rich. Philipps, A Million of facts of correct Data and Elementary Con- stants in the entire circle of the sciences and on all Subjects of Specula- 22 nn ae New Edit. 12°. (pp. 1160, with portrait.) London . 42 sh. J. Fun, the Anatomy of the external forms of Man, intended for the use of artists (Painters and Sculptors). Edited with additions by Rob. Änor, M. D. So. with an Atlas 0 25 plates #. (pp. 336.) London 1849, colou- red 42 sh. plain 24 sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. (Hierbei der Proſpect von Frorieps Tagsberichte über die Fortſchritte der Natur- und Heilkunde.) 48 1 1 Deuck und Verlag > Ausgegeben zu des F € a 6 8 b E 1 1 ch t a nn über die Fortſchritte der Natur- und Heilkunde, erſtattet von R. Froriep zu Weimar. Probe des Papiers, Formats und Drucks. Proſpect. Die Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde von L. Fr. v. Froriep haben während einer Reihe von 28 Jahren in 100 Bänden viel zur Verbreitung von Kenntniſſen und wiſſenſchaftlichem Sinn geleiſtet und dadurch der Abſicht des Gründers vollkommen entſprochen. Einige ſchon öfters zur Sprache gekommene Wünſche des wiſſenſchaftlichen Leſerkreiſes konnten, ſo lang die einmal gemachte Einrichtung der Notizen beibehalten wurde, nicht berückſichtigt werden. Um nun auch dieſen Wünſchen, deren Bedeutung für Erweiterung des Nutzens der Zeitſchrift nicht zu verkennen iſt, zu genügen, hat ſich der Herausgeber entſchloſſen, dem von ſeinem Vater gegründeten und von ihm ſelbſt ſeit nunmehr 20 Jahren mitredigirten Blatte von Anfang des Jahres 1850 an eine veränderte Einrichtung zu geben, welche den geäußerten Wünſchen ent— ſprechen wird, ohne den allgemeinen wiſſenſchaftlichen Nutzen des Blattes, der in der Verbindung der Natur- und Heilkunde begründet iſt, aufzu— geben. Man verlangte von den Notizen: 1) Vollſtändigkeit der Berichte über alles Neue; 2) die Bequemlichkeit, das Mitgetheilte in die Privat-Collectaneen über einzelne Fächer einreihen zu können; 3) Gruppirung der Mittheilungen zu Jahresberichten über die einzelnen Fächer; 4) überſichtliche Regiſter über das in ſo viele Bände ſich zer— ſtreuende Material. Das Verlangen unter 1. iſt leicht zu befriedigen und es ſind alle Vor— kehrungen getroffen, daß von nun alles, was auf dem Gebiete der Natur— und Heilkunde im In- und Auslande erſcheint, ſofort mitgetheilt wer— den kann. Weit ſchwieriger ſcheint die Befriedigung des zweiten und dritten Punktes. Dieſe Aufgabe wird indeß durch die neue äußere Einrichtung des Blattes vollſtändig gelöſ't und dadurch ganz von ſelbſt auch noch der vierte Punkt zur Erledigung gebracht. Die vierfache Aufgabe nämlich denkt der Herausgeber dadurch zu löſen, daß künftig immer ½ Bogen, oder eine Nummer, nur einer und derſelben Doctrin gewidmet wird. Gleichzeitig erſcheint nun jedesmal eine Nummer aus einem der Fächer der Naturkunde und eine Nummer aus einem der Fächer der Heilkunde; diejenigen Nummern aber, welche einer und derſelben Doctrin angehören, werden durch fortlaufende Nummerirung und Paginirung zu ſelbſtſtändigen (neben den anderen fortlaufenden) Reihen vereinigt und findet ſich nur in Japan mit der Mogera. Die Familie Sorex iſt an Species eben ſo reich als die anderen arm, und deswegen haben ihre Gattungen eine ) Bulletin de la Soc. géologique de la France 2e S. VI. No. 2204. — 1104. — 224. id Heilkunde, gründete Zeitſchrift, N. Froriep zu Weimar. ) November 1849. .— Milne Edwards und Haime, Unterſuchungen rehen nach Verletzung der kleinen Hirnſchenkel. Laue, tyre, Verbindung von Magenleiden mit diabetes mel en. I. — Miſcellen. Maher, Widerlegung der An⸗ ſtand der Heilkunde unter den Stämmen am Niger. — e. raphiſche Verbreitung. Die Talposorex iſt nördlichen America eigen und ſcheint mit pecies ſogar auf die atlantiſchen Staaten änkt. Das Genus Sorex umfaßt 14 Arten, re Abtheilungen gruppiren. Die der Blarina itzmaus (drei Species) bewohnt Nordame— heinlich gehören die zwei oder drei Arten heiles von Südamerica, welche ähnlich aus— in dieſe Gruppe; die erſteren reichen ziem— en Norden. Die acht bis zehn Arten von urch eine in den indiſchen Gebirgen, vier m eine auch in den Schweizer Alpen, zwei Sibirien hinein) und wenigſtens drei, viel— ‚rdamerica repräſentirt. Die Hydrogale (eine x (zwei Arten) gehören auch den Vereins— america. Ahnliche Abtheilungen bilden ſich ‚te Galemys. zorex, Blarina, gehören auch nach Nord— ten). Die Crossopus, entſprechend den Hy- ten) gehören eine dem nördlichen America, von eine bis ins weſtliche Sibirien reicht), n Indiens und die letzten endlich Japan. hören dem alten Continente; von den ſechs Italien, Griechenland und der Krim, eine d und Berberei), eine dem indiſchen Ge— idere einzelnen Sundainſeln und dem be— hen Küſtenlande, von wo ſte ſich, wie die die Wanderratte, nach Japan und nach mehreren Südſeeinſeln, ſowie nach der anderen Seite nach den Maſcareniſchen Inſeln verbreitet haben; eine davon ſcheint heutzutage Ober-Agypten zu bewohnen. Unter den Musaraneus bewohnt die Abtheilung Cryptotis (eine Art) die vereinigten Staaten, die Myosorex (zwei oder drei Arten) find aus Djt- 4 47 war, benachrichtigte Sir Everard Home ſchlagenen Operation. Darnach wurde der Georges Hoſpital u Sir E. Home) geb einer Conſultation der dortigen Arzte mit e unterſchriebenen Zeugniſſe der Mutter zurüch ausgeführt war, daß die Operation nicht ſondern auch unausführbar ſei und leicht endigen könnte. Ich war nicht bei der C erfuhr erſt davon als mir die Mutter jene Ich bekümmerte mich nun nicht weiter um einigen Monaten kam Mr. Benj. Traver des Hrn. Wm. Smith, in welchem der K Mutter wohnte. Er wurde aufgefordert, den und erkannte, als ihm von der Mutter mei einander geſetzt wurde, ſogleich das Princih meiner Operation. Er ſchrieb mir vollkom ſicht beipflichtend und bot mir auf die Weiſe feine Aſſiſtenz an, trotz des bedenk der dagegen erlaffen worden war. Erfreut einſtimmung eines ſo ausgezeichneten Mannes Anſicht über die Ausführbarkeit der Operatic kend, nahm ich ſein Anerbieten an; der Ki Weſtminſter gebracht und im April 1821 unternommen. Der Knabe lag auf einem trennte nun die Weichtheile über dem Knoche halb des Schenkelkopfes beginnend, bis 2 trochanter gerade über der Mitte des Kino deckungen wurden nun nach beiden Seiten ſo daß der Knochen bis etwas unterhalb minor ganz bloß lag. Nun wurde ein * ſchoben und darüber der Kochen durchſägt, w war. Hierauf ſteckte ich einen kleinen Spa rinne und brauchte denſelben als Hebel, um die Höhe zu heben, welcher ſo mit geringe Meſſers vom Rücken des Hüftbeins abgehol war keine Spur der Gelenkpfanne übrig, nı wo caries zu entdecken. Der Schenkel war eine gerade Linie gebracht und das Knie an dem anderen Schenkel befreit. Die Wi Heftpflaſtern vollkommen geſchloſſen, ſo daß Knochen entblößt liegen blieb. Das Bein rader Lage mit Schienen und der achtzehn befeſtigt. Der Knabe ertrug die Operation nicht mehr als zwei Unzen Blut. Schenkel Trochanteren waren deutlich, denn die caries flächlich und reichte nur bis zum kleinen ging ſehr gut, in wenigen Wochen waren geheilt und die Wunde geſchloſſen. Der kam nun raſch wieder zu Kräften und Flei— Monaten unterſuchte ich die Theile, um feſt z Bibliographiſche Neuigkeiten.“ Sir Rich. Philipps, A Million of facts of correct Data and Elementary Con- J. Far, the Anatomy of the external forms of Man, intended for Ihe use of stants in the entire circle of the sciences and on all Subjects of Specula- artists (Painters and Sculptors). Edited with additions by Rob. Änor, tion and Practice. New Edit. 12°. (pp. 1160, with portrait.) London M. D. So. with an Atlas of 28 plates 4°. (pp. 336.) London 1849, colou- 1849. 12 sh. red 42 sh. plain 24 sh. Druck und Verlag des Landes = Inpuftrie- Gomptoirs zu Weimar. (Hierbei der Proſpeet von Frorieps Tagsberichte über die Fortſchritte der Natur- und Heilkunde.) Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 224. (Nr. 4. des XI. Bandes.) November 1849. Naturkunde. Pomel, über die geographifche Vertheilung der Inſecten⸗freſſenden Fleiſchfreſſer. — Milne Edwards und Haime, Unterſuchungen über das polyparium; Monographie der Eupſammiden. — Miſcellen. Bernard, über das Drehen nach Verletzung der kleinen Hirnſchenkel. Laue, Temperatur des arteſiſchen Brünnens zu Wildegg im Canton Aargau. — Heilkunde. Mac Intyre, Verbindung von Magenleiden mit diabetes mel- litus. — N nahme, daß die Spinalirritation eine beſondere Krankheit fei. Bibliographie. Marſhall Hall, über den Hals als medieiniſche Region und über parorysmale Lähmungen. I. — NW 2 Mac Williams, über den Zuſtand der Heilkunde unter den Stämmen am Niger. — Mifcellen. Maher, Widerlegung der An⸗ * Naturkunde. VII. Über die geographiſche Vertheilung der In— feeten = frefjenden Fleiſchfreſſer. Von Hrn. A. Pomel*). Das Genus Lalpa iſt bis jetzt nur in der alten Welt bekannt und bietet daſelbſt drei Species, wovon eine in dem europäiſchen Sibirien, eine im mittäglichen Europa (Italien, Griechenland und Südfrankreich), die dritte in Indien vorkömmt, eine vierte Species, der Typus unſeres subgenus Mogera iſt bis jetzt nur auf den japaniſchen Inſeln beob— achtet. Die Astromyeter oder Condylura, drei an der Zahl, bewohnen ſämmtlich Nordamerica bis gegen den Pol hin. Die Maulwürfe der zweiten Gruppe, welche man bisweilen taupe-musette nennt, gehören ebenfalls ausſchließlich Nord— america und bilden zwei Gattungen: die Scalops (drei Arten, wovon eine ſüdlichere in Mexico) und die Scapanus (zwei Arten, etwas nördlicher). Die Amblysoma oder Chrysochloris ſind auf das öſt— liche Africa beſchrankt und bieten 6 oder 7 Species, wovon einige, von den übrigen abgegrenzt, auf ſehr geringe Aus— breitung beſchränkt find. Der Solenodon, eine Art von Rüſſelmaus, iſt bis jetzt nur auf den Antillen beobachtet worden, wo er mit den Capromys lebt, aber nicht wie dieſe auf den benachbarten Continent übergeht; zwei Arten Mygale oder Desmans gehören dem ſüdlichen Europa, aber eine beſchränkt ſich auf die franzöſiſchen Pyrenäen (Um— gebung von Tarbes), die andere auf die Ufer der Wolga, an der ſie nicht ſehr hoch hinanſteigt. Das Genus Urotricha findet ſich nur in Japan mit der Mogera. Die Familie Sorex iſt an Species eben ſo reich als die anderen arm, und deswegen haben ihre Gattungen eine *) Bulletin de la Soc. geologique_de la France 2e S. VI. No. 2204. — 1104. — 224. ſehr weite geographiſche Verbreitung. Die Talposorex ift indes noch dem nördlichen America eigen und ſcheint mit ihrer einzigen Species ſogar auf die atlantiſchen Staaten der Union beſchränkt. Das Genus Sorex umfaßt 14 Arten, die ſich in mehrere Abtheilungen gruppiren. Die der Blarina oder Maulwurfſpitzmaus (drei Species) bewohnt Nordame— rica und wahrſcheinlich gehören die zwei oder drei Arten des nördlichen Theiles von Südamerica, welche ähnlich aus— ſehen, ebenfalls in dieſe Gruppe; die erſteren reichen ziem— lich weit gegen den Norden. Die acht bis zehn Arten von Corsira werden durch eine in den indiſchen Gebirgen, vier in Europa (wovon eine auch in den Schweizer Alpen, zwei andere bis nach Sibirien hinein) und wenigſtens drei, viel— leicht fünf, in Nordamerica repräſentirt. Die Hydrogale (eine Art) und Otisorex (zwei Arten) gehören auch den Vereins— ftaaten von Nordamerica. Ahnliche Abtheilungen bilden ſich bei dem Geſchlechte Galemys. Die Brachysorex, Blarina, gehören auch nach Nord— america (zwei Arten). Die Crossopus, entſprechend den Hy- drogale (fünf Arten) gehören eine dem nördlichen America, zwei Europa (wovon eine bis ins weſtliche Sibirien reicht), eine den Gebirgen Indiens und die letzten endlich Japan. Die Pachyura gehören dem alten Continente; von den ſechs Arten gehört eine Italien, Griechenland und der Krim, eine Africa (Kafferland und Berberei), eine dem indiſchen Ge— birge und drei andere einzelnen Sundainſeln und dem be— nachbarten aſiatiſchen Küſtenlande, von wo ſie ſich, wie die Spitzmaus und die Wanderratte, nach Japan und nach mehreren Südſeeinſeln, ſowie nach der anderen Seite nach den Maſcareniſchen Inſeln verbreitet haben; eine davon ſcheint heutzutage Ober-Agypten zu bewohnen. Unter den Musaraneus bewohnt die Abtheilung Cryptotis (eine Art) die vereinigten Staaten, die Myosorex (zwei oder drei Arten) find aus Oſt— 4 51 und Mittelafrica, eine aus Abyſſinien, die anderen vom Cap. Die Arten der Crocidura ſcheinen alle dem alten Continente anzugehören, indes wäre es möglich, daß man eine ameri— caniſche Art aus dieſer Abtheilung mit den Otisorex zu— ſammengebracht hätte; dieſelben ſind indes beſonders in Africa zahlreich, beſonders im öſtlichen Theile (neun Arten), eine iſt Madagascar eigenthümlich, eine andere Fernando— Po. Die anderen ſind zum Theil auf beſtimmte Gegenden vereinzelt, zum Theil finden ſie ſich zuſammen vor. In Europa find wenigſtens zwei Arten weniger nördlich als die Corsira und Crossopus und ſcheinen auch das gemäßigte Sibirien zu bewohnen; zwei andere endlich find auf Japan beſchränlt. Die infectivoren Arboricole, Sorex glis, welche den zweiten Typus der Inſectivoren bilden, ſind bis jetzt nur im Sundaarchipel und nur auf Java, Borneo, Sumatra (fünf Arten) und eine ſechste auf der malatifchen Halbinſel Pegu gefunden worden; die Springer, Macroscelides ſind Africa eigen. Sieben Arten finden ſich in den öſtlichen Ländern einzeln abgegrenzt, eine achte in der Berberei. Die beiden Geſchlechter, welche die vorhergehenden mit dem Igel verbinden, gehören ebenfalls den malaiiſchen Inſeln Java, Sumatra und Borneo, es find dies Hylomys (eine Art), Gymnura (eine Art). Aber die wahren Igel ſpielen bei dieſem Typus dieſelbe Rolle wie die Spitzmäuſe bei dem Typus der Spalacogalienes Pomel's. Die Igel haben in Europa einen Repräſentanten, welcher alle Gegenden be— wohnt, außer den nördlichſten Partien. Die Gegend zwi— ſchen dem Aralſee und dem kaſpiſchen Meere, welche wäh— rend eines Theiles der Diluviumsperiode einen Canal zwi— ſchen Europa und Aſien gebildet zu haben ſcheint, nährt zwei andere Arten. In Indien hat man vier andere, durch die Art ihrer Färbung etwas verſchiedene, entdeckt. In Africa lebt eine Art in dem öſtlichen Theile und drei Arten im Nilthal, welche die größte Ahnlichkeit mit denen in den Aralſteppen hat, was an ein ähnliches Vorkommen in der Vertheilung der Jerboas und einiger anderer Nager erinnert; eine eigenthümliche Untergattung Atelerix zählt drei Arten, eine in Indien, eine in der Berberei, und die dritte von Abyſſinien bis zum Senegal. Die Echinops (eine Art), Eri- culus (zwei Arten), Centetes (drei Arten), Echinodes (eine Art) bewohnen ausſchließlich Madagascar und es iſt wahr— ſcheinlich, daß die Centetes von Ile de France erſt neuer— dings von Madagascar her eingeführt worden ſind, wo man ſie in Menge findet. Zählt man nach den von jeder Gattung bewohnten Regionen die Arten, welche ſich bis auf 110 bis jetzt be— kannte, belaufen, ſo erhält man folgende Reſultate: 1) keine einzige Art bewohnt Polyneſten und Auſtralien. 2) Die großen Antillen beſitzen allein und einzig Sole- nodon. 3) Südamerica enthält in feinen nördlichen Partien nur drei Arten, die zu der Gattung Sorex und einem bloß dem neuen Continente eigenthümlichen Genus gehören. 4) Nordamerica ernährt 24 Species der Spalacogalienes, während der zweite Typus, die Galachinienes, ihm ganz fremd ſind. Dieſe 24 Species, von denen eine einzige im Süden 224. XI. 4. 52 über die Grenze der Vereinsſtaaten hinausgeht und in Merico lebt, gehören alle den Familien Talpa und Sorex; in der erſten kommen dort vor die Astromyeter, Scalops und Sca- panus (acht Arten), in der zweiten Familie die Abtheilungen Blarina, Hydrogale und Otisorex vom Genus Sorex (ſechs Arten); Brachysorex in der Familie der Galemys (zwei Arten), Cryptotis in der der Musaraneus (eine Art). Überdies unter den noch anderen Regionen gewöhnlichen Typen fünf Arten von Corsira, einer Abtheilung des erſten Genus; eine von Crossopus, Abtheilung des zweiten Genus und eine von Crocidura, Abtheilung des dritten. Kurz 17 Arten gehören Gattungen und Untergattungen an, die ausſchließlich dieſer Region eigen ſind, und ſieben Arten noch drei Untergat⸗ tungen, welche ſich im neuen Continente wiederfinden; wir werden auch ſehen, daß ſie, freilich erſt nächſt Africa, die Region iſt, wo ſich die größte Anzahl Arten findet, faſt 4. 5) Europa, wo 15 Arten leben, hat nur das einzige Genus Mygale für ſich eigenthümlich; und ſelbſt von jenen 15 Arten ſind nur neun, welche nicht über die geographiſche Grenze Europa's hinausgehen, wie ſie wahrſcheinlich vor den foſſilen Elephanten durch Meere beſtimmt war. Die ans deren ſechs bewohnen auch jenſeits des Ural Strecken, die man bis jetzt noch nicht beſtimmen kann; es iſt ſogar eine dieſer gemeinſchaftlichen Arten faſt einzig in den Gegenden zu Hauſe, deren Trockenlegung oder Erhebung ſeit jener Pe— riode die zwei großen Regionen von Europa und Aſien mit einander in Verbindung gebracht hat. Man kann noch einige Arten beſtimmen, welche noch ausſchließlicher das ſüdlichere Europa bewohnen: das iſt eine Talpa, zwei My- gales, eine Pachyura, ein Erinaceus. Die übrigen, welche ſich ziemlich weit im Norden finden, find eine Talpa, vier Corsira, zwei Crossopus, zwei Crocidura, ein Erinaceus. Die Inſeln Corfica und Sardinien haben keine Inſectivoren; Irland hat keine Maulwürfe. 6) Aſien iſt ziemlich reich an Inſectivoren-Arten, ſie beſchränken ſich aber auf vier Wohndiſtricte. Sibirien iſt, fo zu ſagen, nur eine zoologiſche Provinz; son Europa, was die Fauna der Inſectivoren betrifft. In der That von ſieben Arten ſind eine Talpa, zwei Sorex, ein Crossopus und eine Crocidura europäiſche Arten; ein Erinaceus iſt aus dem kaſpiſchen Becken, es bleibt nun nur ein zweiter Igel, viel- leicht wenig unterſchieden vom erſten und im Süden der Aralſteppen wohnend. Das ſüdliche Aſien, obwohl ziemlich arm (vieleicht weil noch fo große Regionen ganz undurch⸗ forſcht find), umſchließt eine unabhängigere Sauna von In⸗ ſectivoren. Es entbehrt indes der eigenthümlichen Genera; dagegen gehören faſt alle Arten ihm ausſchließlich an; es ſind dies: eine Talpa, eine Corsira, ein Crossopus, drei bis vier Pachyura, wovon eine der Gegend allein angehörig, vielleicht eine Crocidura in Perſien, ein Sorex glis, fünf Eri- naceus, wovon ein Atelerix, was dreizehn bekannte Species ausmacht. Die öſtliche Inſelregion, Japan, iſt ſehr merk— würdig, dort kennt man fünf Arten, wovon nur zwei der Region eigenthümlich, eine der Talpa ſehr nahe ſtehende Mogera, die andere ſehr verſchieden von allen bekannten, Urotrichus; außerdem ein Crossopus und zwei Crocidura. Die 53 Auſtralinſelgruppe, welche durch die Verbindung, welche ſie zwiſchen dem aſiatiſchen Continente und dem davon ganz verſchie— denen Auſtralien herſtellt, intereſſant iſt, iſt noch merkwürdiger als Japan; man kennt dort 10 Arten, davon drei vom Unter— genus Pachyura, fünf Sorex glis, ein Hylomys, eine Gymnura. Zwei Pachyura finden ſich auf dem indiſchen Continente wieder und es ſind dies dieſelben, welche durch Schiffe nach mehreren ſehr entfernten Inſeln verſchleppt worden ſind; aber die acht übrigen Arten ſind ſpecielle, und wenn man beſtreitet, daß ein Sorex glis in neuerer Zeit auf dem Conti— nente gefunden worden ſei, ſo können die drei Genera als demſelben ausſchließlich eigen betrachtet werden, und was noch merkwürdiger dabei iſt, bloß auf den drei großen In— ſeln Borneo, Java und Sumatra. Man muß noch be— merken, daß dieſe drei Genera noch merkwürdiger ſind durch die Verbindung, welche fie zwiſchen der Soriciern und Eri— naciern herſtellen. 7) Africa allein umſchließt mehr als zwei Dritttheile aller Arten der Ordnung, wenn man auch Madagascar dazu rechnet. Aber die Berberei, welche eine Region für ſich darzuſtellen ſcheint, hat den Zoologen erſt drei Arten der Gattungen Pachyura, Macroscelides und Erinaceus ge— liefert, welche indes bis auf die erſte ihr eigenthümlich ſind. Eine andere noch zu unbekannte Region iſt Centralafrica. Das Nilthal, welches nur ein Anhang davon zu ſein ſcheint, wenigſtens in der uns beſchäftigenden Beziehung, ernährt eine Pachyura, welche mit der in Indien und den Sundainſeln einheimiſchen identiſch zu fein ſcheint, ein Myosorex, eine Crocidura, und vier Erinaceus, wovon ein Atelerix. Am weſtlichen Ende dieſer großen Region findet ſich eine Croci- dura und derſelbe Atelerix am Senegal, und eine Crocidura auf der Inſel Fernando-Po. Aber in der öſtlichen Region kennt man ſieben Amblysoma, eine Pachyura (die Art der Berberei), zwei Myosorex, fünf Crocidura, ſieben Macro- scelides und einen Erinaceus, im Ganzen zweiundzwanzig. Die Inſel Madagascar enthält eine Crocidura eigen, und alle Centetes, d. h., einen Echinops, zwei Ericulus, drei Centetes, und einen Echinodes (E. semispinosus). Das continentale Africa beſitzt daher eigen zwei Gattungen Amblysoma und Macroscelides und das Untergenus Myosorex. Übrigens be— ſitzt es weder Talpa, noch Mygale, noch Corsira, noch Cros- sopus, welche Europa charakteriſiren. Die große Inſel im Oſten hat die Familie der Centetes eigen, aber von allen anderen nur einen Musaraneus aus dem Untergenus Crocidura. VIII. Unterſuchungen über das polyparium; Mo- nographie der Eupſammiden. Von Milne Edwards und Jules Haime. Wenn man ſich bei der Claſſification der Polypen von der allgemeinen Körperform leiten läßt, ſo wird man eines— theils oft verſucht werden, Thiere unter eine Gruppe zu vereinigen, welche einander durchaus fern ſtehen, anderntheils Arten zu trennen, welche die wichtigſten Organe gemein 54 haben. Schon bei dem Studium der Turbinoliden fanden die Verf. obige Anſicht gerechtfertigt, die natürliche Gruppe der Eupſammiden gab ihnen von neuem hinreichende Beiſpiele. Bereits vor langer Zeit hat Pallas auf die Analogie der Structur zwiſchen der Madrepora ramea L., einem Baum— polypen des Mittelmeeres, und einem foſſilen, einfachen, kreiſelförmigen Polypen der Umgegend von Paris aufmerk— ſam gemacht; Lamark, der nur die allgemeine Körperform ins Auge faßte, trennte beide von einander: er ſtellte erſteren unter ſeine Gattung Caryophyllia, während er letzteren zur Turbinolia clavus machte. Vergleicht man nun die Madre- pora.ramea der alten Schriftſteller mit den wahren Caryo— phyllien, fo ſieht man bald den großen Unterſchied; Blain— ville trennte fie deshalb mit einigen anderen baumartigen Madreporen von den Caryophyllien und erhob fie zur Gat— tung Dendrophyllia, aber auch er vernachläſſigte ihre Strue— tur. Word ſah dagegen ſchon die Ahnlichkeit zwiſchen den Organen der Dendrophyllien und gewiſſen einfachen Polypen, feinem Genus Balanophyllia. Die Verf. unterſuchten die Ste— phanophyllien nach Michelin, die Endopachys-Arten nach Lonsdale und die Tubaſtreen nach Leſſon; fie fanden bei ihnen dieſelben Terturverhältniſſe wie bei den Dendrophyl— lien und Balanophyllien, ja trafen ſogar dieſelben Organi— ſationscharaktere bei mehreren einfachen, bis jetzt wegen ihrer Kreiſelgeſtalt zu den Turbinoliden gezählten Polypen. In— dem ſie nun eine ſich auf anatomiſche Grundlagen baſirende Claſſification der Polypen durchzuführen ſuchten, mußten ſie alle dieſe Polypen von den Turbinoliden und Carpophyllien trennen und zu einer eigenen Gruppe erheben. Die kleine ſo entſtandene Familie ſcheint ihnen durchaus natürlich zu ſein, ſie reiht ſich bis auf einen Punkt einerſeits an die Turbinoliden, andererſeits an die Erplanarien und Madre— poren; Lamarks Caryophyllia calicularis kann gewiſſer⸗ maßen den Übergang von ihrem Typus zum Typus der Aſteriden abgeben; die Grenze zwiſchen dieſer Gruppe und den anderen natürlichen Abtheilungen derſelben Ordnung ſind ſowohl durch die Structur des Sclerenchyms als durch die Gruppirung der Scheidewände deutlich beſtimmt. Die neue Gruppe läßt ſich in folgender Weile charakte⸗ riſtren. Ein poröſes polyparium ohne peritheca und exo- theca, niemals von einer vollſtändigen epitheca umgeben; die Zwiſchenſcheidewandfächer in ihrer ganzen Höhe offen, oder nur hie und da durch wenige unvollitändige Bal⸗ ken durchſetzt; die Wand (muraille) ſiebförmig von kleinen Löchern durchbrochen, an der Außenfläche mit zahlreichen ſehr dicht gedrängten Granulationen beſetzt, die ihr ein chagrin⸗ artiges oder wurmſtichiges Anſehen gewähren. Die Scheide⸗ wände ſind groß, ihr Rand iſt mehr oder weniger vor⸗ ſpringend; die Scheidewände des letzten Cyelus beſtehen aus unvolftändigen, am Rande getheilten Platten, welche ſich denen des unmittelbar höheren Cyelus zuwenden. Eine mehr oder weniger ſchwammige Columelle iſt jeder Zeit vor⸗ handen, wogegen die Paliſſaden jeder Zeit fehlen. Die Gruppe zählt ungefähr 50 Arten, von denen etwa nur die Hälfte beſchrieben find; die Geſaummtgruppe zerfällt in zwei generiſch verſchiedene Gruppen. 4 * 55 a. Einfache Polypen; b. mit kreiſel- oder keilfbrmigem polyparium ; c. mit freier Baſis; d. ohne Anhängſel . dd. mit flügelförmigen Anhängſeln ce. die Baſis mit einer breiten Fläche feſtſitzend oder geſtielt; e. der vierte Scheidewandeylus ſchön und vollſtändig entwickelt f. mit deutlichen Rippen, ff. mit undeutlichen Rippen: die Außere Oberfläche der Wand mit ia geſtellten Körnchen überſäet ee. der vierte Scheidewandeyelus uns vollſtändig und rudimentär; g. mit dünnen kaum etwas körnigen Scheidewänden .. gg. mit dicken grobkörnigen Scheide⸗ IDRNDeNnW n . bb. mit ſcheibenförmigem polyparium und horizontaler Wand (muraille) . aa. zuſammengeſetzte Polypen. h. Alle Scheidewände des vierten Cyelus ſchön entwickelt; i. ſich durch Knoſpenbildung vermehrend ii. ſich durch Theilung vermehrend .. hh. die Scheidewände der fünften Ord— nung rudimentär DIR: . Caenopsammia. Die geographiſche Verbreitung der Eupſammiden kommt mit der Vertheilung der Turbinoliden faſt überein; erſtere ſcheinen jedoch jüngeren Urſprungs zu ſein, da man noch niemals eine ihrer Arten unter der Kreideformation gefunden. Zwei Arten wurden in der weißen Kreide und nur eine Art in Nummulitenkalk aufgefunden; die Tertiärperiode iſt reich— lich mit ihnen verſehen, wir kennen 11 Arten derſelben in den Eocenſchichten, 9 in den Mioeenſchichten und 2 in Pliocenſchichten; die Jetztzeit ſcheint an ſpeeifiſchen Formen dieſer Gruppe noch reicher zu ſein, wobei auch die Zahl der Individuen in den jetzigen Meeren der vergangenen Zeit nicht nachſteht. Von den 10 bekannten Gattungen gehören 7 der Gegenwart an, von vieren derſelben hat man bis jetzt keine fojjtlen Arten gefunden; es ſcheint außerdem als Eupsammia; Endopachys; Balanophyllia; Heteropsammia; Leptopsammia; Endopsammia; Stephanophyllia; Dendrophyllia; Lobopsammia; 224. XI. 4. 56 ob ſich die foſſilen Arten nur auf eine beſtimmte geologiſche Periode beſchränkt haben, indem mit Ausnahme der Balano- phyllia italica in den Pliocenſchichten von Aſti, die noch jetzt im mittelländiſchen Meere zu Haufe ift, keine Eupſammide als in zwei verſchiedenen Perioden vorkommend, bekannt iſt. In unſeren jetzigen Meeren gehen die Eupſammiden nicht weiter nach Norden wie die Turbinoliden; im großen Ocean find fie vorzüglich zu Haufe; fie finden ſich auch im Mittelmeere und im ſüdlichen Theile des Meerbuſens von Gascogne; die Mehrzahl der bekannten Arten iſt übrigens im chineſiſchen Meere und an den Inſeln des indiſchen Meeres einheimiſch; die neue Welt hat nur wenige Meprä- ſentanten dieſer Gruppe aufzuweiſen. (Comptes rendus Nr. 22, 27. Novembre 1848.) Mifcellen. 11. Über das Drehen nach Verletzung der kleinen Hirnſchenkel hat Hr. A. Bernard in der Soc. Phil. de Paris im Jan. 1849 neue Unterſuchungen mitgetheilt. Hr. Magendie hat bekanntlich zuerſt beobachtet, daß bei Verletzung des rechten Schenkels des kleinen Gehirns das Thier ſogleich drehende Bewe— gungen mit dem ganzen Körper nach rechts mache et vice versa; afargue und Longet u. m. a. behaupteten, das Drehen gehe nach der entgegengeſetzten Seite. Hr. Bernard hat nun durch eine Reihe von Verſuchen bewieſen, daß man nach Belieben die Thiere nach rechts oder nach links drehen laſſen könne. Immer nämlich, wenn man den pedunculus cerebelli in dem Theile, wel⸗ cher hinter dem Urſprunge des fünften Nervenpaares liegt, verletzt, dreht das Thier nach der Seite der Verletzung; durchſchneidet man aber den kleinen Hirnſchenkel in dem vorderen Theile, ſo geht die Drehung in entgegengeſetzter Richtung. Dieſe Erfahrungen ſchei⸗ nen zu beweiſen, daß in der Gegend des Urſprungs des fünften Nerven eine Art von functioneller Kreuzung beſtehe, deren anato⸗ miſche Bedingungen noch nicht nachgewieſen ſind. 12. Die Temperatur des arteſiſchen Brunnens zu Wildegg im Canton Aargau, deſſen Tiefe 1216 Fuß unter der Oberfläche beträgt, vermehrt ſich nach Laue's Unterſuchungen bei 65,50 Fuß um 1 Grad Celſius. In Neuſalzwerk ſteigt ſie bei 92,7 Fuß um einen Grad. Ju Pregny bei Genf . 91,84 „ „ [7 7 Zu Grenelle . 2 920, ß „ Ir Zu Mondorf 91,10 2 RE 5 Nur die Nachbarſchaft der heißen Quellen von Baden 50% und Schinznach (36°) kann die höhere Temperatur Wildeggs erklären. (Actes de la Société helvetique de Sciences naturelles; seance du 26. Juillet 1848.) Heilku (VII.) Verbindung von Magenleiden mit diabetes mellitus. Von Dr. Wm. Macintyre ). In der Roy. Med. and Chir. Society zu London hat der Verf. eine Abhandlung vorgetragen, worin er nach ei— ”) The Lancet, April 1849. un de. nigen einleitenden Bemerkungen zuerſt darauf aufmerkſam macht, daß die anatomiſchen Unterſuchungen über diabetes mellitus bis jetzt noch gar kein Licht gegeben haben. Daß feine Nierenkrankheit, ſondern eine Aſſtmilationsſtörung zu Grunde liege, nimmt er als zugegeben an. Sodann theilt er ſeine eigenen Beobachtungen mit, in denen er im Magen die Spuren vorausgegangener krankhafter Proceſſe auffand. Der erſte Fall betraf einen Mann, bei welchem die Krank- 57 224. XI. 4. 58 heit erſt 1 Jahr, bevor der Verf. conſultirt wurde, erkannt worden war. Die Symptome waren ſehr charakteriſtiſch und der Tod erfolgte unter einem Zuſtande hartnäckiger Conſtipation. Bei der Section fand ſich unter anderem die linke Lunge im oberen Lappen vereitert und wie nach paren— chymatiſcher dyskraſiſcher Entzündung mürbe, nicht durch Tuberkelhöhlen zerſtört. Der Magen war ſehr erweitert und feine Wände waren verdünnt, die pars cardiaca war ſchwärz— lich gefärbt und ihre innere Haut erweicht; die Blutgefäße dieſes Eingeweides waren ungewöhnlich weit und ſtrotzend. Die Nieren waren ſehr ausgedehnt und hatten das doppelte Gewicht. Die rechte ließ ſich mit Wachs leicht injieiren, die linke zeigte unter dem Mikroſkope die normale Structur. Der zweite Fall betraf ebenfalls einen Mann, er war ſchon feit mehreren Monaten abgemagert, bevor er den Autor con= ſultirte; er ſtarb an allgemeiner Aphthenbildung im Munde und Schlunde, begleitet von Symptomen ausgedehnter Rei— zung des Magens, Schmerz im epigastrium, großem Verlan— gen nach kaltem Getränk und unaufhörlichem Erbrechen. Die eigentliche Natur des Leidens wurde erſt 2 Tage vor dem Tode entdeckt, als man bemerkte, daß der Urin ſehr reich— lich, dünn, von 10380 ſpee. Gew. und ſtarkem Zuckergehalte war. Bei der Section ergab ſich, daß das Organ, welches die hauptſächlichſten Veränderungen erlitten hatte, der ſehr ausgedehnte Magen war, welcher, als er in die Höhe ge— hoben wurde, hinten an der großen Curvatur zerriß und eine dunkelgefärbte Flüſſigkeit in die Bauchhöhle ausfließen ließ. Die Magenwand in der Umgebung dieſes Riſſes war ſehr weich und in ſeiner ganzen Milzabtheilung äußerſt dünn, ja an mehreren Stellen vollkommen durchſichtig. Der Gegenſtand der dritten Beobachtung war ein kleines Mäd— chen von 5 Jahren, welches ſeit einigen Wochen als an einem remittirenden Fieber leidend, auf dem Lande behandelt worden war. Als es nach der Stadt gebracht wurde, fand ſich der Urin ſehr reichlich, von großer Dichtheit, 1040 bis 10450 ſpee. Gew. und ſehr reich an Zucker. Die all— gemeinen Symptome entſprachen dem Zuſtande von diabe- tes und das Kind wurde ſehr raſch ſchwächer und ſtarb an Erſchöpfung. Bei der Section fiel eine ungewöhnliche Trocken— heit aller Gewebe auf. Die Nieren erſchienen vollkommen geſund. In den Lungen waren keine Tuberkeln zu bemer— ken, aber im unteren Theile des Pleuraſackes fand ſich eine Quantität kaffeeähnlicher Flüſſigkeit im Betrage von mehre— ren Unzen. Als dieſe Flüſſigkeit entfernt war, ergab ſich, daß die Bruſthöhle mit dem Magen durch eine große un— regelmäßige Offnung in dieſem Organe und mehrere klei— nere Durchbohrungen des Zwerchfells in Verbindung ſtand. Die Offnungen in beiden correſpondirten genau aber ohne eine Verwachſung zwiſchen den an einander liegenden Flächen. Die an die Perforation angränzenden Gewebe waren ſchwarz, fetzig, dünn und die ganze Abtheilung des Magens gegen die Milz hin nahm an dieſer Verdünnung mehr oder weni— ger Theil. Die Flüſſigkeit, welche aus der Bruſthöhle herz ausgenommen war, zeigte ſich geruchlos und beſtand größ— tentheils aus Blutepithelium und Gewebsfetzen. — Nach kurzen Bemerkungen über die Behandlung geht der Verf. auf die Sectionsergebniſſe beſonders bezüglich des Magens über, namentlich deſſen beträchtliche Verdünnung in allen und deſſen Zerreißung in zwei Fällen, welche ſich alle auf denſelben Krankheitszuſtand zurückführen laſſen. Die wich- tigſte Frage iſt zunächſt, ob man dieſelben als urſprünglich pathologiſche Veränderungen oder nur als Cadaververände— rungen zu nehmen hat. Was die wirkliche Perforation in dem letzten Falle betrifft, ſo betrachtet ſie der Verf. als Leichenſymptome (auch die Durchbohrung des Zwerchfells 21). Er iſt geneigt, ſie zu den Veränderungen zu rechnen, welche ſeit Hunters Ausſpruch als eine Einwirkung der löſenden Kraft des Magenſaftes betrachtet, aber immer zunächſt von einem beſtimmten Zuſtande des Magens abgeleitet werden. Der Verf. iſt der Anſicht, man dürfe nicht den Magenſaft an und für ſich, ſondern die veränderten secreta im Ma— gen als das corrofive Agens betrachten, welches erſt nach dem Tode ſeine ganze Kraft entwickeln könne, wo die Ge— webe bereits geſchwächt ſind und von der Lebenskraft nicht weiter vertheidigt werden. Beim diabetes giebt der in den primae viae befindliche Zucker eine ergiebige Quelle für die Producte von der Eräftigften Wirkſamkeit. Als die, mit denen wir am meiſten bekannt ſind, nennt der Verf. Milch⸗ ſäure und Oralſäure, beide feindlich für den Organismus, beſonders die letzte. Der chemiſche Beweis fehlt indes noch für dieſe Anſichten, für welche ſich ſonſt ſchon die beſten Autoritäten ausgeſprochen haben. (VIII) Über den Hals als medieiniſche Region und über parorysmale Lähmungen. Von Dr. Marſhall Hall). I. Betrachte ich die Nerven-, Gefäß- und Muskelſtructur des Halſes, ſo muß ich mich wundern, daß fie in ihrer phy— ſtologiſchen Thätigkeit ſich nie ſtören; nicht weniger aber wundert es mich, daß bei den pathologiſchen Zuſtänden ſolche Störungen fo, conſtant vorkommen und doch bis jetzt der Beachtung der Arzte entgangen ſind. Eine athletiſche Perſon kann ein enormes Gewicht auf dem Kopfe tragen ohne Einfluß auf Nerven und Gefäße des Halſes, deſſen Muskeln ſo ſehr in Anſpruch genommen find; aber man laſſe pathologiſche Thätigkeit nach Aufregung oder excitomotoriſcher Reizung vorkommen, ſo werden ſogleich die heftigſten Folgen eintreten. Außer den Nerven, Gefäßen und Muskeln des Halſes iſt in dieſer Beziehung nur noch der larynx ins Auge zu faſ— ſen, deſſen krankhafte Thätigkeiten als Wirkung oder als Ur— ſache betrachtet, vom größten Intereſſe ſind. In ähnlicher Beziehung ſteht auch pharynx und oeso- phagus zu einer Claſſe von krankhaften Erſcheinungen, die in denſelben ihren Sitz haben. Als entferntere Organe, die mit den pathologiſchen Thätigkeiten der Beſtandtheile des Halſes in innigem Zu— *) The Lancet, Febr. 1849. 174. 59 224. XI. 4, 60 ſammenhange ſtehen, muß ich hauptſächlich medulla oblon- gata und Gehirn einerſeits und die Lungen andererſeits be— zeichnen, beſonders mit Beziehungen zu comatöſen, ſpasmo⸗ diſchen und aſphyktiſchen Affectionen. Wenn der Wundarzt ſich mit der Anatomie des Hal— ſes beichäftigt, ſo richtet ſich ſeine Aufmerkſamkeit haupt: ſächlich auf die Arterien. Für den Arzt dagegen ſind die Venen die Hauptgegenſtände des Intereſſes, da die Hemmung des Blutlaufs in denſelben zu den ſchmerzhafteſten und ſchreck— lichſten Krankheiten führt. Larynx und trachea dagegen ſind von gleicher Wichtigkeit für beide. Der Arzt hat nur auf die verſchiedenen Bewegungen des Augapfels, der Geſichtszüge, der Zunge, des Unterkie⸗ fers, des Halſes, larynx, pharynx ꝛc. zu achten, um zu dem Schluſſe zu kommen, daß bei den verſchiedenen krampfhaften Krankheiten kein Muskel davon frei ſei, für ſich oder in Gemeinſchaft mit anderen Gegenſtand eines Krampfes zu werden. (Dahin gehören auch die ſ. g. „innerlichen Krämpfe“ bei Kindern.) Iſt dieſes Princip zugegeben, ſo braucht man nur zu beachten, was der Effect jeder ſolcher krampfhaften Thätigkeit ſei, um Urſache und Natur der verſchiedenen Symptome und ihre Wirkungen zu begreifen, welche dieſe Krankheiten cha— rakteriſiren. Man muß nur nicht vergeſſen, daß hier die phyſiologiſche und pathologiſche Wirkung zu unterſcheiden bleibt. Wir wollen in dieſer Beziehung zunächſt die Wirkung krankhafter und unregelmäßiger Thätigkeit des m. platys- mamyoides und des cleidomastoideus und omohyoideus auf die unterliegende äußere und innere Jugularvene betrachten. — Und ſollen wir dabei Arterien und Nerven des Halſes als unbetheiligt bei dieſen abnormen Muskelactionen aus den Augen laſſen? Doch ich kann keine Idee geben von dem Intereſſe, welches mit einer ſorgfältigen Beobachtung der Beſchaffenheit dieſer Venen und von da aus der Capillargefäße und der Arterien verbunden iſt, d. h. alſo mit der ganzen rückwärts liegenden Circulation, bei krankhafter Thätigkeit der Hals- muskeln. Die äußere Droſſelader und die Frontalvenen; die Farbe der Wangen, des Auges und der inneren Augenliedfläche; die Temporalarterie zeigen die Erſcheinungen der Hemmung der Venencirculation am auffallendſten; — dieſe Punkte ſollten daher immer mit derſelben Aufmerkſamkeit unterſucht werden, wie wir ſie beim Pulſe gewohnt ſind. Der Hals ſollte bloß gelegt, das Augenlied umgewendet, die Temporal— arterie ſorgfältig gefühlt werden; — eine ſorgſame Mutter konnte mir den Eintritt epileptiſcher Anfälle bei ihrer Toch— ter vorherſagen, indem fie die Fülle ihrer Halsvenen beobach— tete. Eine andere Dame beobachtete, daß dieſe Venen bis— weilen zum Umfange eines Fingers anſchwollen; ein Arzt machte mich ſelbſt auf den Congeſtiozuſtand der conjunctiva feines unteren Augenliedes bei ſeinem Krankheitszuſtande auf— merkſam; bei manchen Patienten findet man eine ſtrang— ähnliche Anſpannung der Temporalarterie. Alle dieſe Erſcheinungen bilden Glieder derſelben Kette. Das erſte Glied iſt Compreſſion des Venenſtammes durch unregelmäßige Zuſammenziehung der Muskelpartie, welche unmittelbar darüber liegt, — das letzte Glied iſt der Ein⸗ tritt eines Parorysmus. Es kann als Grundſatz feſtgeſtellt werden, daß es kei⸗ nen Muskel, keine Muskelgruppe am Halſe giebt, welche nicht krampfhaft contrahirt werden kann, und daß keine Vene am Halſe iſt, welche nicht unter dem Einfluſſe ſolcher Muskelcontraction comprimirt, alſo für den Blutlauf unter⸗ brochen werden könnte. Wir wollen nun die weitere Ein⸗ wirkung einer ſolchen Compreſſion auf die Gewebe oder Or- gane des Kopfes und Halſes betrachten. Wir kommen da⸗ durch zu einer neuen und ſehr intereſſanten Frage in der Pathologie des Nervenſyſtems. Ein Umſtand iſt dabei ſorg⸗ fältig zu beachten, die Wirkung einer Unterbrechung des Rückfluſſes des Blutes durch die äußere Droſſelader iſt wegen ihrer oberflächlichen Verbindungen weit leichter zu beobach⸗ ten als eine ähnliche Unterbrechung in der innern vena ju- gularis oder in der v. vertebralis, welche häufig nur aus den Symptomen geſchloſſen werden kann. Ich gehe nun weiter mit Bezug auf gewiſſe charakteri⸗ ſtiſche Nervenaffectionen, welche, wie mir ſcheint, bis jetzt überſehen worden find, obwohl fie von großer Wichtig⸗ keit ſind. Wir haben alle viel von dem Blutandrange nach dem Kopfe gehört, welcher in der That ſelten eriſtirt; wir hören aber kaum jemals etwas von gehemmtem ud: fluß aus dem Kopfe oder Bluthemmung in dem Ko⸗ pfe, ein Zuſtand, der täglich vorkömmt. In der That iſt wohl gewohnlich der letztere Zuſtand für den erſteren ges nommen worden. Es giebt kein Princip in der Phyſtologie, welches einen Andrang des Blutes nach dem Kopfe erklären könnte. Poiſ— ſeuille hat unwiderlegbar bewieſen, daß die Kraft des Her⸗ zens in allen Blutgefäßen von gleicher Größe und gleicher Entfernung von dem Herzen — gleich iſt. Nichts kann auf dieſe Kraft einwirken, als Stellung, Anſtrengung der Mus⸗ keln oder Hypertrophie des Herzens ſelbſt, wodurch die Geſchwindigkeit und Kraft der Circulation beſtimmt wird; alsdann aber iſt dieſe Vermehrung der Geſchwindigkeit der Circulation allgemein und wie die urſprüngliche Kraft in allen Gefäßen von gleicher Größe und gleicher Entfernung vom Herzen gleich. Sehr verſchieden davon iſt der Lauf des in einer Vene gehemmten Blutſtromes; eine einzelne Vene kann comprimirt werden, ſofort iſt der Blutlauf in dieſem Canal und der Rückfluß aus dem Organe, woher die Vene kömmt, gehemmt; die Capillärgefäße oder, wie ich ſie nennen möchte, die me- thämatoſen Canale ſind ſtrotzend und die Arterien werden ſtraff und hart. Dieſer Zuſtand iſt zu begreifen und er iſt ganz gewöhnlich, aber er iſt ein neu entdecktes Prin⸗ cip in der Pathologie. a Wir brauchen nur auf den Zuſtand des platysmamyoides und auf die äußere Droſſelader zu achten, um zu bemerken, daß die Contraction dieſes Muskels haufig krampfiger Natur und die Erweiterung der Vene oder der zu ihr führenden Venen eine conſtante Wirkung davon iſt. 61 224. XI. 4. 6² Es muß aber wiederholt werden, dieſe Muskelaction muß abnorm, krampfhaft ſein, denn wie ich ſchon geſagt habe, normale Muskelthätigkeit bringt dieſe Wirkung nicht hervor. Beim Tragen einer Laſt können alle Halsmuskeln in heftigſter Thätigkeit ſein und es wird keine Wirkung auf die Venen Statt finden; ſowie aber die Muskelthätigkeit krampfhaft und heftig ohne Gegengewicht iſt, ſo zeigen ſich ganz andere Folgen. Die unterliegende Vene wird compri— mirt und alle Folgen einer ſolchen Compreſſion treten ein, z. B. Ausdehnung der Venenäſte und der Blutleiter, welche zwiſchen ihnen und den entſprechenden Arterien liegen; letz— tere ſind feſt und ſtraff. Hier muß ſodann noch ein anderes pathologiſches Prin— cip hinzugefügt werden. Man beobachte ein Mal die Augen, die Geſichtszüge, die Zunge, den Hals, die Hände ꝛc. bei krampf— haften Krankheiten; man wird ſehen, daß kein einziger Muskel, keine Muskelgruppe vorhanden iſt, welche nicht auf abnorme heftige, nämlich ſpasmodiſche Weiſe in Thätigkeit ſich befände. Es iſt alſo auch keine Vene innerhalb des Bereichs ſolcher Thätigkeit, welche nicht comprimirt wäre. Ferner es wird jedes Organ, welches ſein Blut nach einer ſolchen Vene ab— giebt, Sitz einer Congeſtion, oder wenn ich mich ſo aus— drücken darf, in einem apoplektiſchen Zuſtande ſein. Am Halſe befinden ſich nun 4 Venen von Wichtigkeit in dieſer Beziehung, es ſind dies: 1) die äußere Droſſelader, y. jugularis externa; 2) die innere Droſſelader, v. jugularis interna; 3) die Vertebralvene; 4) die v. subclavia. Die äußere Droſſelader wird durch den platysmamyoi- des, die innere durch den cleidomastoideus und omohyoideus, die Vertebral- und Subclaviarvene durch krampfhafte Thä— tigkeit der scaleni, des subelavius, pectoralis major etc. com— primirt. Um den Einfluß abnormer Muskelcontraction auf den Blutlauf in Venen zu beweiſen, brauche ich nur daran zu erinnern, daß der Puls an der Handwurzel ja ſogar durch heftige willkürliche Contraction des pectoralis minor u. a. plötzlich gehemmt werden kann. Die Compreſſion jeder dieſer Venen hat ihre beſondere Wirkung: bei der äußeren Droſſelader folgt Erröthen oder Auftreibung der oberflächlichen Venen des Halſes, Geſichtes, der Stirn, Schläfen ꝛc., die Temporalarterien ſtrotzen. Die innere Droſſelader kann comprimirt werden ohne auffallende äußere Zeichen, da ihre Wurzeln zu tief ſitzen; aber es leidet das Gehirn und es kommen die verſchiedenen Formen der Gerebralepilepfie vor, das iſt momentane Be— wußtloſigkeit, Geſichtsſtörung, Ohrenklingen. Wird die Vertebraldene zuſammengedrückt, fo zeigen ſich Symptome von Affection der medulla oblongata oder Spinalepilepſie, z. B. laryngismus, strabismus, odaxismus (Zähneknirſchen), ſchiefer Hals ꝛc. Endlich wenn die v. subelavia comprimirt iſt, fo wird die Hand des Patienten livid und kalt; einen ſolchen Fall habe ich ganz neuerdings mit Dr. Hoddings beobachtet, wo die livide Farbe und Kälte von Zeit zu Zeit mit nor— ir maler Farbe und Wärme wechfelte, je nachdem die Wirkung der v. subelavia (wie ich annahm) verſchieden war. Eine Wirkung dieſer Art betrifft ohne Zweifel die mamma und die Bruſtwarze beim Saugen und dem das— ſelbe begleitenden Druck der Lippen des Kindes. Andere Drüſen mögen in gleicher Weiſe durch ähnliche Mittel gereizt oder gehemmt werden, 3: B. die Speicheldrüſen. Der Gegenſtand (Venenhemmung) iſt nun phyſiologiſch und pathologiſch (beſonders letzteres) weiter zu erforſchen; er iſt immer auf Emotion, auf Reize der Refleraction und auf das Spinalſyſtem zurückzuführen. Noch ein Mal öffnet ſich ein neues Feld der Unterſuchung. Ich habe nun noch ein viertes pathologiſches Prineip in Bezug auf dieſen Gegenſtand zu entwickeln. Die Wir— kung der Muskeln, auf welche ich hingewieſen habe, iſt je— des Mal eine ſpasmodiſche oder consulftsifche, die Wirkung auf die Venen und weiterhin auf das Gehirn oder auf die medulla oblongata iſt parorxysmenartig oder parorys— mal. Dies führt mich zu der beſtimmten Erwähnung, daß nicht bloß coma bei Apoplerie, ſondern auch Hemiplegie und partielle Lähmung und Manie, eben jo wie die Epilepſie ſelbſt, parorysmal ſein kann, abhängig von Intrasafeulärcongeftion und ganz unabhängig von extravaſeulären oder anderen vhy⸗ ſicaliſchen Veränderungen. Sie können daher allmälig ver⸗ ſchwinden und ſtellen weit weniger ſchwere Formen dieſer Krankheiten dar als andere. Gemüthsbewegung und Urſache von Reflex— action können Contraction der Halsmuskeln „trachelis- mus“ herbeiführen. Dieſer kann die Halsvenen comprimi— ren und einen Zuſtand herbeiführen, der „phlebismus“ genannt werden kann. Dies führt zu Congeſtion der zwi— ſchenliegenden Blutcanäle und zu apoplektiſchem Zuſtande; und dies wieder primärer oder ſecundärer Weiſe zu comatö— fen, paralytiſchen, maniacaliſchen, epileptiſchen Affeetionen, welche ſämmtlich eine charakteriſtiſche Eigenſchaft haben, — die parorysmale oder bisweilen verſchwindende Form. — Ich glaube, daß dieſe Anſchauungsweiſe des Gegenſtandes eben ſo original als wichtig und weitgreifend iſt. Die tägliche Praxis beweiſ't, daß dieſe parorysmalen Nervenkrankheits⸗ formen, die man früher nicht als parorysmale betrachtet hat, außerordentlich häufig ſind. In der That, ich glaube ein neuer Lichtſtrahl fällt ſo auf Apoplerie, auf Lähmung und auf Manie in ihren verſchiedenen Formen. Nun komme ich aber zu der wichtigen Frage? Was find die ereitirenden Urſachen des trachelismus und feine Erſcheinungen? Ich antworte: 1) Gemüthsbewegung, 2) die Excitation der Reflerthätigkeit, — neue Gegenſtände der Unterſuchung in der Heilkunde. Ich ſehe wohl ein, daß im allgemeinen der Sinn in Bezug auf Mediein noch nicht ſo rationell iſt; — dann ſchreibe ich eben nicht für die jetzige Zeit, — aber die Zeit wird kommen und ich werde helfen, daß die Zeit komme, wo die Mediein eine Wiſſenſchaft bildet, gegründet auf Phy— fiologie und geſtützt auf Theorie und Empirie, welche beide doch jedenfalls Verbündete fein müſſen. Es iſt aber merf- würdig, daß wir im 19. Jahrhundert ernſtlich ermahnt wer— 63 224. den zu hören und zu ſehen, aber nicht zu ſchließen und zu denken; zu beobachten und doch nicht zu erperimentiren noch zu theoretiſiren. Übrigens leitet ja Theorie und ſelbſt Hy— potheſe zur Beobachtung, weil ſie uns lehrt, wie und was wir beobachten ſollen. Die Hypotheſe eines weiter als der Uranus entfernten Planeten führte zur Entdeckung des Neptun. Was wurde ſonſt von Reflexthätigkeiten geahnt? und wer, außer den vorurtheilsvollen, beobachtet ſie jetzt nicht?! Ich ſchließe dieſe Skizze mit zwei Schlußbemerkungen: Es giebt keine Form von Apoplexie oder Manie, welche nicht parorysmal und von trachelismus abhängig fein könnte. Dies gilt auch von der Paralyſe. Ein Patient verlor zu einer Zeit plötzlich und vollſtändig die Kraft der Articulation, zu einer anderen das Vermögen zu ſchreiben, um jedes Mal nach einer kurzen Zeit zu geneſen. Ein anderer Patient verlor das Vermögen zu articuliren, ein zweiter den Arm zu be— wegen, ein dritter den Gebrauch der Arme und Beine, je— doch nur für einige Zeit. — In den meiſten dieſer Fälle, jedoch nicht in allen, iſt die Lähmung parorysmal, aber mehr oder minder mit Krampf verbunden, d. h. alſo ſie find nicht cerebrale, ſondern ſpinale Lähmungen. Der Unter: ſchied der parorysmalen und der permanenten Fälle dieſer Krankheitsklaſſe iſt ſehr groß, wie man hiernach ſieht; die erſteren ſind beſonders mehr heilbar. Ich muß nun noch eine Bemerkung über die Halsvenen machen; dieſe find mit Klappen an ihrer Verbindung mit der Subclaviarvene verſehen, jo daß der Einfluß der Venen— circulation in dem Arme davon abgeſchnitten iſt. Ohne dieſe Vorrichtung würde jede beträchtliche Anſtrengung der vorderen Extremität, jedes Schwingen eines Schmiedeham— mers mit einem Schock gegen das Gehirn oder die medulla oblongata verbunden fein. — Die art. und vena subela- via iſt durch eine feſte Faſcie vor der gewöhnlichen Einwir— kung des muse. subelavius geſchützt und nur bei abnorm heftigen und krampfhaften Contractionen des harten Baus ches dieſes Muskels findet ein Druck auf die unterliegende Vene Statt. Das Princip der Behandlung umfaßt die Vorbeu— gung und die wirkliche Abhülfe und beſteht in Vermei— dung und Beſeitigung der Urſachen 1) der Gemüthsbewe— gung, 2) der Reflerthätigkeit. Miſeceellen. (5) Gegen die Annahme einer Spinalirritation als einer beſondern Krankheit hat Dr. Mayer zu Alzei eine ziemlich umfangreiche Arbeit publicirt. Derſelbe zeigt, wie anfangs XI. 4. 64 ganz allgemein das Symptom einer Empfindlichkeit der Wirbelſäule mit jenem Namen bezeichnet wurde; man hielt es für eine Neur⸗ algie und als die Nervenphyſiologie weitere Fortſchritte machte, fo unterſuchte man, ob es eine centrale oder peripheriſche Neuralgie ſei. Die Anhänger Bells entſchieden ſich für den centriſchen Ur⸗ ſprung der Spinalneuralgie und nun bekam der Name eine allge⸗ meinere Bedeutung, indem man jetzt ſchon ſo weit war, zu ſagen, es gebe Spinalirritation ohne Empfindlichkeit der Wirbelſaule und ſomit war die Möglichkeit zu dem Abwege gegeben, auf den in der That manche Arzte gerathen ſind, daß ſie faſt alle chroniſchen Krankheitsformen für eine Spinalirritation erklärten. Die Ver⸗ theidiger der Spinalirritation als eines centriſchen Leidens erklär⸗ ten fie nun entweder mit Stilling für eine Stofung und Ma⸗ ceration oder mit Marſhall und Hirſch für rein dynamiſch, von jeder Congeſtion ganz verſchieden; letztere Anſicht eben führt dazu, alles, wo auffallende materielle Veränderungen nicht da find, ſofort für Spinalirritation zu erklären. Das ſchlimmſte nun iſt, daß mit demſelben Namen von Verſchiedenen ganz Verſchiedenes bezeich⸗ net wird. Nimmt man ein rein dynamiſches Leiden an, ſo iſt da⸗ mit nichts geſagt, dasſelbe muß materielle Urſachen haben, denn eine Wirkung ohne Urſache iſt nicht denkbar. Alle anderen Anſich⸗ ten über Spinalirritation ſind aber nicht von der Art, daß man eine beſondere Krankheit anzunehmen nöthig hätte. Als Name für eine Rückenmarkskrankheit iſt der Begriff zu weit und zu eng, denn beides kömmt unabhängig von einander vor; nimmt man Entzün⸗ dung, Rheuma, neuralgia dorso-intercostalis, oder neuralgia me- dullae spinalis, Entzündung oder Congeſtion als Weſen an, ſo iſt der Name Spinalirritation ganz unnütz, denn die erſtere Bezeich⸗ nung iſt für ſich genügend und viel beſſer. Dies, kurz angedeutet, ſind die Gründe, wodurch der Verf. zu dem Schluſſe kommt, daß künftig die Benennung Spinalirritation ganz aus der mediciniſchen Literatur verſchwinden möge. Der Nutzen der Lehre von der Spi⸗ nalirritation iſt nur ein indirecter, dieſe ſ. g. Lehre hat die Auf⸗ merkſamkeit der Arzte auf das Rückenmark gelenkt. Der Verf. hat eine ſorgfältige Arbeit unternommen, um das Symptom wieder als Symptom zur Geltung zu bringen. (Über die Unzuläffigfeit der Spinalirritation als beſonderen Krankheit nebſt Beiträgen zur Se⸗ miotik und Therapie des Rückenſchmerzes von Dr. A. layer. Mainz 1849. 8°. 351 ©.) (6) Über den Zuſtand der Heilkunde unter den Stämmen am Niger heißt es in Dr. M' Williams Expe- dition to the River Niger: Obwohl die mediciniſche Praxis dert in der tiefſten Erniedrigung ſich befindet und voll des ärgſten Aber⸗ glaubens iſt, ſo ſind die Lehrer derſelben, die Mallams, doch ſehr angeſehen, namentlich in den Gegenden von Nufi und Ka⸗ kanda. Die Mallams geben vor, ſie lehrten den Islam und übten die Heilkunſt aus. Beſchwörungen in der Form von Sprüchen und Zetteln aus dem Koran ſind die Zuflucht bei allen ſchwierigen Fäl⸗ len. Wo ein localer Schmerz iſt, da machen ſie Scarificationen, auch verrichten ſie die Beſchneidung, was in einem frühen Alter geſchieht. Das Inſtrument iſt ein Raſirmeſſer. Die Mallams er⸗ halten je nach den Umſtänden Bezahlung von den Patienten. Zu Egga ſollen bisweilen ein Schaf, eine Ziege und einige tauſend couries die Bezahlung für eine Operation bilden. Selten ſieht man in Europa die Leute fo ruhig ſich einer medicinifchen Behand⸗ lung unterwerfen als dies die Africaner thun. Der Verf. zum Beiſpiel ſchlug einem Manne vor, ſich einen grauen Staar operiren zu laſſen; da ſetzt er ſich nieder, laßt die Linſe niederdrücken und geht dann ſo ruhig nach ſeinem Boote zurück, als wenn nichts ge— ſchehen wäre. Bibliographiſche Neuigkeiten. Report of the Eighteenth Meeting of the British Association for the Advan- cement of Science held ad Swansea in 1848. 8°. 4 plates (pp. 326.) Lon- don 1849. 9 sh. Flora Sidostiensis ; or a Catalogue of Plants indigenous to Sidmouth by W. H. Cullen. 120. (pp. 78.) London 1849, 2 sh. Considerations relative to the Sewage of London and Suggestions for Im- proving the Sanatory Condition of the Metropolitan districts, together with some remarks on the production of periodie disease arising from bad Drai- nage and the want of suflicient Water by Jos. Gibbs. 8. (pp. 160.) London 1849. 6 sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs in Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medicinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No- 225. November 1849. Faſerſtoff. — Bibliographie. Naturkunde. IX. über die Verwandtſchaft der Polygaleen. 5 Von F. A. W. Miquel. Zu den wohlbegrenzten Pflanzenfamilien, die in Bezug auf ihre Verwandtſchaft mit anderen Familien ſehr verſchieden beurtheilt wurden, gehört die Familie der Polygaleen; na— mentlich war es die verſchiedene organographiſche Deutung ihrer Blüthentheile, die ihr bald einen höheren, bald einen niedrigeren Standpunkt im Syſteme verſchaffte. Der Verf. giebt einen Überblick dieſer verſchiedenen Anſichten und geht davon zu ſeinen eigenen Unterſuchungen über; die dritte Lieferung der Tijdschrift voor de wis- en natuurkundige Wetenschappen von 1848 enthält ſeine Arbeit. Linnse, dem jede wiſſenſchaftliche Organographie fremd war, der aber eine lebendige Auffaſſung der Naturerſchei— nungen mit einer vernunftgemäßen Combination vereinigte, erfaßte dennoch nicht ſelten auch in Bezug auf Organo— graphie und Taxonomie das Richtige; ſo auch bei den Poly— galeen. Er ſetzte das Genus Polygala mit vielen der gegen— wärtigen Gaefalpinieen und Mimoſeen in die Ordnung ſeiner Lomentaceen, ohne jedoch dieſe Anordnung für unantaſtbar zu halten. Eine andere, ſpäter mit den Polygaleen vereinigte Gattung Securidaca Jacg. ſtellte er mit Dalbergia und Nis- solia ans Ende der Papilionaceen. Die Polygaleen ſind demnach nach Linnée zwiſchen die beiden auf einander folgenden Ordnungen der Lomentaceae und Papilionaceae, die ſpäter zur großen Gruppe der Leguminosae vereinigt wurden, vertheilt; er mußte ſie demnach den letzteren nahe verwandt halten. Auch Tournefort betrachtete mit Linnsée die alae als aus dem Kelch entſtanden; er ſtellte die Gattung Poly- gala neben Euphrasia und Melampyrum. A. L. de Juſſieu verwirft die Verwandtſchaft zwi— ſchen Polygala und Securidaca, er zählt die erſteren unter No. 2205. — 1105. — 225. die Monopetalen und ſtellt ſie neben Pedicularis; die alae gehören nach ihm dem Kelche an. Die Gattung Securidaca ſtellt er neben Brownaea Jacg., Zygia Br., Arouna Aubl., alfo mit den Caeſalpinieen und Mimoſeen in eine Gruppe. Später trennte Juſſieu die Gattung Polygala von den Monopetalen und erhob ſie mit einigen Verwandten zur Familie der Polygaleen, ließ jedoch Securidaca, deren Stand bei den Polygaleen ſchon Adanſon nachgewieſen hatte, bei den Papiliongceen. Robert Brown vertheidigt Adanſons Anſicht: die Blumenkrone von Polygala beſteht auch nach ihm aus drei Blumenblättern, die nur durch die angewachſenen Staubfäden vereinigt find; er macht bei Securidaca noch auf zwei acceſ— ſoriſche Blumenblätter aufmerkſam, deren Anweſenheit und Stellung die Natur der Irregularität bei Polygala erklären. Der weſentliche Charakter der Polygaleen beſteht nach ihm in der hypogyniſchen Inſertion der unregelmäßigen Blumen— krone, welche oft nur drei durch die zuſammen hängenden Staubfadenträger verbundene Blumenblätter hat; die An⸗ theren find einfach und öffnen fi) an der Spitze. Securi- daca gehört nach ihm nicht den Leguminoſen, ſondern den Polygaleen an. Decandolle charakteriſirt die Polygaleen ähnlich wie R. Brown; die Stellung, Zahl und Anordnung ihrer Staubgefäße reiht ſie nach ihm an die Fumariaceen und noch mehr an die Tremandreen; der Blüthenhabitus an die Le— guminoſen und Fumariaceen. Nach Kunth haben die Polygaleen flores resupinati, er hält die ſogenannte carina oder das vorderſte Blumenblatt für das oberſte. Bartling ſchließt ſich der von R. Brown ge gebenen Bluͤthendeutung an; die Verwandtſchaft der Poly⸗ galeen ſcheint ihm noch zweifelhaft, er hält ſie den Reſeda⸗ ceen näher als den Droſeraceen und Leguminoſen verwandt. 5 67 Endlicher zeigt, wie die Polygaleen ſowohl durch den unregelmäßigen Bau ihrer Blüthe, als durch ihre Frucht ſo geſondert daſtehen, daß ſie mit keiner anderen Pflanzen— familie nahe verwandt find. Von den Tremandreen, denen ſte im Bau ihres Fruchtknotens nahe ſtehen, unterſcheiden ſie ſich durch die unregelmäßigen Blüthen und die mit den Blu— menblättern verwachſenen Staubfäden; durch ihre unregel— mäßige Blüthe, durch die Inſertion ihrer Staubfäden und den Bau ihrer Narbe den Violarieen verwandt, trennen fie ſich wieder von ihnen durch ihren Fruchtknoten und ihre Antheren. Einige Ahnlichkeit mit den Fumariaceen wie mit den Leguminoſen iſt gleichfalls nicht zu verkennen; die deut— lichſte Verwandtſchaft zeigt ſich indes durch Sulamea mit den Sapindaceen. Die Verſchiedenheit dieſer Anſichten erregte ſchon vor mehreren Jahren im Verf. den Wunſch, die Blumen der verſchiedenen Polygaleen in ihrem jugendlichen Zuftande zu unterſuchen; er glaubte ſich durch dieſen Unterſuchung über— zeugt zu haben, daß die alae, die ſichtbar mehr nach innen als die drei äußeren Kelchblätter ſtehen, der Blumenkrone angehören; dagegen die beiden ſeitlichen sepala meiſtentheils fehlen, bei Muraltia und Carpolobia aber, wo letztere zum Vorſchein kommen, mit Unrecht als alae bezeichnet wurden, indem die beiden neben ihnen vorkommenden ſeitlichen Blu— menblätter die wirklichen alae ſind. Durch dieſe Anſicht wird, wie der Verf. glaubt, der regelmäßige Grundtypus der Polygaleen nachgewieſen und ſomit ihre Verwandtſchaft zu den Leguminoſen deutlicher. Das Abweichende ſeiner Anſicht von allen anderen ließ ihn mit deren Veröffentlichung zögern; derweilen erſchienen die ſchönen Unterſuchungen von Vogel und Bentham über die unregelmäßigen, nicht ſchmetterlingsförmigen Blüthen der Caeſalpinieen; der Verf. nahm jetzt ſeine frühere Unterſuchung von neuem auf und glaubt durch deren Wiederholung ſeine frühere Anſicht be— ſtätigen zu können. Der Blüthenbau der Polygaleen läßt ſich nach ihm am beſten mit dem der Leguminoſen, denen ein praefloratio carinalis eigen iſt, vergleichen. Der Verf. warf nunmehr ſein Augenwerk auf die in einzelnen Punkten abweichende, in anderen ſehr gewichtigen dagegen mit den Polygaleen übereinſtimmende Gattung Securidaca, welche ſchon Juſſieu als Zwiſchenglied der Polygaleen und Caeſalpinieen betrachtet hatte. Um dieſelbe Zeit kam ihnen eine der Securi- daca Jaeg. nah verwandte Polygalee, die er als Rodschie- dia beſchrieb, unter die Hände. Der Verf. ſtellte fie anfangs unter die Caeſalpinieen; er beſchrieb ihre Blumen als reſu— pinat; nahm aber beides bald darauf zurück und wundert ſich jetzt, daß niemand ſeinen Irrthum gewahr ward und vor ihm aufdeckte. Die Polygaleen mit einem aus zwei Fruchtblättern be— ſtehenden Fruchtknoten ſind folgendermaßen gebaut. Die überall einfachen Blätter ſind meiſtens deutlich durch eine Articulation mit dem Stengel verbunden und dadurch von den Familien, mit denen man die Polygaleen verglich, ver: ſchieden. Die Blüthentraube zeichnet ſich dadurch aus, daß ihre Blüthenſtielchen, wo ſie der Achſel der Knoten ent— ſpringen, zwei kleine, ſich mit der letzteren kreuzende Brac— 225. 5, 68 teolen beſitzen. Drei kleine sepala bilden in den meiſten Fällen den Kelch, dieſe drei gehören einem Wirtel an, ſie find frei oder am Grunde etwas verwachſen; wenn fie ab- fallen bleibt zuweilen ein becherförmiger Rand zurück. Das eine Kelchblatt iſt der Achſe des Blüthenſtandes zugerichtet, die beiden anderen ſtehen ſeitlich. Die alae treten in der Blüthenknoſpe und namentlich in deren jüngſten Zuſtänden mehr nach innen auf; der Verf. fand, daß ſie bei allen von ihm unterſuchten Arten dem Blumenblätterwirtel ange⸗ hörten; ſpäter treten fie, wenn fie nicht ſammt den übrigen Blumenblättern abfallen, durch eine Verdickung des torus, der den Fruchtknoten trägt, nach außen, und werden ſo vom Centrum etwas gegen die Peripherie gerückt. Ihre Größe, Geſtalt, ihre nagelförmig verſchmälerte Baſis, ihre Farbe und Vertheilung der Gefäße ſpricht gleichfalls für die Blumenblattnatur. Zwiſchen den alis und dem vorderſten kahnförmigen Blumenblatte (der carina der Schriftiteller) und mit ihm einen Kreis darſtellend, zeigen ſich die beiden ſeitlichen Blumenblätter, die mit dem vorderſten und der Staub— fadenröhre verwachſen ſind und zuweilen an ihrer Baſis ein ſeitliches Anhängſel haben, welches der Verf. nicht als ſelbſtändiges Blumenblatt betrachtet; ſolche Anhängſel zeigen ſich auch bei Comesperma und Securidaca. Die aus acht erwachſenen Filamenten beſtehende Staub— fadenröhre iſt nach vorn offen; ſie trägt acht Antheren, die im reifen Zuſtande einfächrig ſind und an der Spitze mit einem Loche aufſpringen. Der Fruchtknoten iſt zweifächrig, fachſpaltig (loculicida) die beiden Carpellen, aus denen er entſtand, ſind ſo geſtellt, daß deren eines dem hinterſten Kelchblatte, das andere den beiden vorderen Kelchblättern gegenüber liegt. Nach dieſer Betrachtungsweiſe iſt man, wie der Verf. glaubt, berechtigt, die Blüthe der Polygaleen mit der Blume der zweicarpelligen Caeſalpinieen zu vergleichen. Die ein— zige Verſchiedenheit wird in der gerade umgekehrten Lage der Theile zu einander beruhen, indem die carina der Polp— galeenblüthe ſich von der Achſe des Blüthenſtandes abwendet, während ſie bei den Caeſalpinieen an der Seite der Blüthen— ſtandachſe liegt. Fügt man nun die beiden der Polygalee fehlenden ſeitlichen Kelchblätter hinzu, ſo iſt im Blüthen— grundriſſe beider Familien kein Unterſchied vorhanden. Charakteriſtiſch für die meiſten Polygaleen bleibt dem⸗ nach der aus drei Kelchblättern beſtehende Kelch und die Stellung ihrer Blüthe zur Achſe des Blüthenſtandes; ohne eine Erklärung dieſer Verhältniſſe geben zu wollen, erinnert der Verf. an die beiden am Blüthenſtiele vorhandenen Brac⸗ teolen, die, mit den Kelchblättern auf einer Höhe gedacht, die fehlenden Kelchblätter erſetzen könnten. Eine Monſtroſität von Polygala cordata Thunberg im Garten von Amſter⸗ dam ſchien dieſer Vermuthung günſtig zu ſein; hier war eines der ſonſt fehlenden sepala an ſeiner rechten Stelle vorhanden, während das ihm entſprechende der anderen Seite fehlte. Bei der Gattung Muraltia, deren Blüthen achſelſtändig ſind und nur auf kurzen Blumenſtielen ſitzen, find neben den Bracteen auch die beiden Bracteolen vorhanden; der Kelch iſt aber dennoch fünfzählig. Hier hat man ganz 69 225. XI. 5. 70 mit Unrecht die beiden ſeitlichen Kelchblätter für alae ge— halten, die wirklich den alis entſprechenden Blätter aber als ſeitliche Blumenblätter betrachtet. Dieſe beiden alae der Autoren ſind nach dem Verf. den Blüthen, welche die carina der Caeſalpinieen bilden, vergleichbar, ſie ſind vollkommen frei, ſcheinen aber durch eine Verwachſung im unteren Theile mit der Staubfadenröhre verbunden zu ſein. Das vorderſte Blumenblatt trägt zwei Seitenlappen, die man für die ſeit— lichen Blumenblätter halten könnte, während das in der Mitte getheilte das wahre Blumenblatt vorſtellen müßte; die Stellung des Fruchtknotens unterſtützt dieſe Anſicht. Obſchon die Leguminoſen meiſtentheils einen verwachſen⸗ blättrigen Kelch mit perigyniſcher Inſertion der Blumen— blätter beſitzen, findet man doch unter den Caeſalpinieen, z. B. bei Cassia, freie oder nur am Grunde verwachſene sepala; eine Abweichung von der normalen Fünfzahl gehört auch hier nicht zu den Seltenheiten: ſo haben Aloexylon und Peltogyne einen dreiblättrigen Kelch; bei der letzteren Gattung ſteht ſogar das eine dieſer Kelchblätter der Achſe des Blüthenſtandes gegenüber; faſt dasſelbe gilt von den Gattungen Humboldtia Vahl, Anthonota, Epeura und Parivoa. Der Unterſchied zwiſchen hypogyniſcher und perigyniſcher In— ſertion der Blumenblätter iſt hier von keiner ſo großen Be— deutung, wird auch häufig durch einen discus perigynus, der hier mit den freibleibenden Kelchblättern nicht verwächſt, beſeitigt. Auf der anderen Seite bieten auch die Caeſal— pinieen z. B. Martiusia und Zollernia Fälle dar, wo ſowohl Blu- menblätter als Staubfäden vollſtändig hypogyniſch ſind; Cyno- metra hat fünf ſammt den Staubfäden auf einem hypogyniſchen, fleiſchigen, ſubperigyniſchen Diſcus befeſtigte Blumenblätter. Es würde indes zu gewagt ſein, fährt der Verf. fort, auch mit dem wahren Bau der Blüthe ſtreiten, wenn man aus den wenigen Fällen, wo bei Leguminoſen neben einer Reduction der Kelchblätter auch der Stand der Blüthe zur Achſe des Blüthenſtandes dem der Polpgaleen entſpricht, für die letzteren eine gleiche Blüthenſtellung wie bei den Le— guminoſen vorausſetzen wollte. Die Polygaleen mit fünf Kelchblättern widerlegen eine ſolche Anſicht zur Genüge; man muß vielmehr, wenn man die Blüthen beider Familien ver— gleichen will, mit Kunth den Polygaleen llores resupinati zuſchreiben. Die Stellung des Kelches zur Blüthenſtandachſe, wie ſie in letzterer Familie vorkommt, iſt bekanntlich das gewöhnlichere, während die Richtung zweier Kelchblätter nach hinten, wie fie den Papilionaceen und Lobeliaceen eigen iſt, nur aus nahmsweiſe vorkommt; ihre Urſachen ſind noch nicht erklärt. Die Betrachtung der Blumenkrone gewährt in ihren Zah— len und Stellungsverhältniſſen der vorgetragenen Anſicht eine gute Stüge; daß die alae wirklich etwas nach außen ge— ruckte Blumenblätter ſind und da, wo ſeitlich noch überzählige rudimentäre Blumenblätter auftreten, wie es bei Comesperma und Securidaca der Fall iſt, dieſe nur Anhängſel der ſeit— lichen Blumenblätter ſind, wird durch eine Unterſuchung der jüngſten Zuſtände hinreichend bewieſen und überdies noch durch das Vorkommen ähnlicher Anhängſel an den Flügeln und den Fahnen einiger Schmetterlingsblüthen unterſtützt. Die normale Blumenkrone der Polygaleen beſteht dem— nach aus fünf mit den Kelchblättern abwechſelnden Blumen- blättern. Die beiden in der Knoſpe mehr nach außen ge— legenen Blumenblätter (die alae) alterniren mit dem hin— terſten und einem der beiden ſeitlichen, häufig fehlenden, Kelchblätter; ſie entſprechen demnach den beiden Blättern des Schiffchens der Caeſalpinieen; ihre Perſiſtenz nach dem Verblühen kann hier, wo die Stellungsverhältniſſe dieſe Deus tung nöthig machen, kein genügender Gegengrund ſein; ob das Fehlen der beiden ſeitlichen Kelchblätter auf letztere Er— ſcheinung Einfluß übt, will der Verf. nicht entſcheiden; bemerkt jedoch, daß bei Muraltia, wo die gedachten Kelchblätter vor⸗ handen ſind, die alae abfallen. Zwei andere Blumenblätter alterniren mit einem der beiden vorderſten und einem der beiden ſeitlichen, gewöhnlich fehlenden, Kelchblätter; ſie ſind entweder frei oder im unteren Theile mit dem vorderen Kelchblatte und der Staubfadenröhre ver: wachſen; ſie ſind ſchon dadurch, zum Theil aber auch durch ihre Geſtalt, mit den alis der Leguminoſen zu vergleichen. Zwiſchen dieſen beiden und dem vorderen Blumenblatte fin— det man, wie bereits erwähnt, bei einigen Arten an jeder Seite noch ein rudimentäres Blumenblatt, welches der Verf. nicht als ſelbſtändig, ſondern nur als Anhängſel betrachtet. Das vorderſte oder innerſte Blumenblatt (die carina der Schriftſteller) alternirt mit den beiden vorderſten Kelch— blättern; es iſt gewöhnlich concan, mit der Staubfadenröhre mehr oder weniger verwachſen und entſpricht dem vexillum der Schmetterlingsblüthen. Wie die kammförmigen An⸗ hängſel dieſer vorderſten Blumenblätter zu deuten ſind, iſt dem Verf. noch nicht klar; bisweilen iſt es dreitheilig, d. h., nach hinten mit zwei Anhängſeln, die vielleicht den ſchon erwähnten ſogenannten rudimentären Blumenblättern gleich zu achten ſind, verſehen. Der Staubfadenapparat (androeceum) beſteht meiſtens aus acht Staubfäden, die mit ſeinen Filamenten zu einer an der Vorderſeite geſpaltenen Röhre verwachſen find; er iſt weder dadurch noch durch ſein Verwachſen mit den drei innerſten Blumenblättern von den Leguminoſen verſchieden; die Antheren ſind dagegen einfächrig, ſpringen auch an der Spitze mit einem Loche auf; die jugendliche Anthere beſitzt indes eine Scheidewand, auch kommt dieſelbe Dehijcenz bei Cassia vor. Der Stempelapparat (gynaeceum) beſteht bei den mei= ſten Polygaleen aus zwei Carpellblättern und unterſcheidet ſich zwar dadurch von den Leguminoſen; da aber bei einigen derſelben entweder normal oder abnorm auch zwei oder drei Fruchtblätter vorkommen, ſcheint dem Verf. dieſer Unterſchied nicht jo gewichtig zu fein. Alfonsea hat, wie es der Theorie nach ſein müßte, fünf Carpellen, Caesalpinia digyna dagegen nach Walpers Unterſuchungen meiſtens zwei, ſich voll⸗ kommen gegenüberſtehende Fruchtblätter, jo daß von den normalen fünf Carpellen rechts das eine und links zwei als abortirt anzunehmen ſind. Derſelbe Fall iſt für Gleditschia triacanthos nicht ſelten; auch bei der Erbſen- und Bohnen- blüthe wie bei Anthyllis, Cassia, Medicago, Cereis und Mimosa hat man bisweilen zwei Piſtille gefunden. Der 5 — 71 Verf. ſah eine Lupinus-Blüthe mit zwei Piſtillen. Bei Hae- matoxylon Campechianum und Mezoneuron glabrum ſieht man an der einen Seite des Piſtills ein häutiges Anhängſel, das Turpin für das Rudiment eines zweiten Piſtills hält. Andererſeits giebt es auch Polygaleen, wo ſich normal oder abnorm nur eine Carpelle entwickelt. Nimmt man nun den zweifächrigen Fruchtknoten der Polygaleen als aus zwei ſich gegenüber ſtehenden, mit ihrer Vorderſeite verwachſenen, ein- oder zweiſamigen, Frucht— blättern entſtanden an, ſo erſcheint ſowohl der Bau als die Art des Aufſpringens den Leguminoſen übereinſtimmend. Das Aufſpringen erfolgt im Mittelnerven der Fruchtblätter (dehis- centia loculicida); die Samen find an der Verwachſungs— naht befeſtigt; wo zwei in einem Fache vorkommen, ſtehen ſie über einander. Die anatrope Samenknoſpe unterſcheidet ſich nur ſo viel als der aufrechte Stand der Carpelle noth— wendig mit ſich bringt, von der Samenknoſpe der Legumi— noſen. Der Same beſitzt in beiden Familien nicht ſelten eine caruncula. Die ächten Polygaleen haben indes einen Samen mit Albumen, während die Leguminoſen eiweißloſe Samen beſitzen; aber auch dieſe wichtige Verſchiedenheit ver— liert an Werth, da einige Leguminoſen nur ein ſehr dünnes Sameneiweiß behalten und andererſeits einige zwar von den Polygaleen abweichende, ihnen jedoch ſehr nah verwandte Genera, kein Albumen haben. Der umgekrümmte Embryo iſt von dem geraden Embryo der meiſten Caeſalpinieen nicht zu unterſcheiden. Eine andere nicht unwichtige Verſchiedenheit zeigt ſich in der Stellung der beiden Carpellen zu den Kelchblättern. Bei den Leguminoſen ſteht das vordere Fruchtblatt dem vor— derſten Blumenblatte gegenüber; bei Affonsea entſprechen alle fünf Fruchtblätter den Kelchabſchnitten. Bei den Polygaleen alternirt dagegen das vorderſte Fruchtblatt mit den beiden vorderſten sepalis, während das hintere dem hinteren Kelch— blatte gegenüberſteht. Das letztere entſpricht ſomit dem ein— zigen Piſtill der Leguminoſen; bei den Polygaleen mit ein— fächrigen Fruchtknoten alternirt gerade dies Carpell und entwickelt ſich das andere, was bei den Papilionaceen der Regel nach nicht zur Entwickelung kommt. Die Stellung der Fruchtblätter, deren eines einem Kelchblatte, das andere einem Blumenblatte gegenüber ſteht, hat etwas Eigenthüm— liches. In der Familie der Conneraceen ſind Cnestis und Connarus in allen Punkten mit einander übereinſtimmend und, wie R. Brown angiebt, nur durch die Stellung ihrer Fruchtblätter von einander verſchieden; bei Cnestis opponiren ſie den sepalis, bei Connarus alterniren ſie mit ihnen. Aus dieſen vergleichenden Unterſuchungen glaubt der Verf. die nahe Verwandtſchaft der Polygaleen mit den Legu— minoſen und namentlich mit der Abtheilung der Caeſalpinieen ableiten zu können. Außer den erwähnten Verſchiedenheiten im Blüthenbau hat auch der Habitus beider Familien einige Verſchiedenheiten: ſo ſind die Blätter der Polygaleen jeder Zeit einfach, ihre Blätter ſind aber, wie der Verf. glaubt, überhaupt nur wenig entwickelt, ja zuweilen faſt rudimentär geblieben. Bei den ſtrauchartigen Polygaleen bleibt die ge— gliederte Einfügung der Blätter auf einem mehr oder min— 225. XI . 72 der deutlichen Blattkiſſen eine merkwürdige Erſcheinung, welche an folia composita unifoliata erinnern könnte. Die geographiſche Verbreitung der Polygaleen entſpricht im allgemeinen der Verbreitung der Leguminoſen. Den americaniſchen Polygaleen mit einem Piſtille fehlt, wie der Verf. in einer Nachſchrift bemerkt, das für die wahren Polygaleen Charakteriſtiſche, der zweifächrige Frucht⸗ knoten und der eiweißhaltende Samen, nur die Stellung der Blüthentheile zur Achſe und die Stellung des Frucht⸗ blattes zum Kelche bezeichnen fie als Polygaleen, während ſie in allem übrigen den Gaefalpinieen angehören und fo die nahe Verwandtſchaft beider Familien noch mehr beurkunden. Ihre Samen find überdies mit einer caruncula verſehen, das pericarpium derſelben iſt flügelartig entwickelt, der ge- gliederte Blattſtiel an ſeiner Baſis mit Drüſen beſetzt, die als rudimentäre Nebenblättchen zu betrachten ſind und nach Bentham bei einigen Securidaca-Arten zu wirklichen dorn⸗ förmigen Stipeln werden. Bei Securidaca fallen ſowohl der Kelch als auch die beiden ſogenannten alae ab. R Der Verf. beſchließt feine Arbeit mit folgender kurzen Überſicht der Gattungen: J. Polygaleae verae, Ovarium biloculare, Semina albuminosa. a. Calyx triphyllus, Squama petaloidea nana inter petala lateralia et anticum accessoria. 1 Salomonia Lour. — 2 Badiera Dec. — 3 Come- sperma Labill. — 4 Catacoma Benth. b. Calyx triphyllus. Squama inter petala utrinque nulla accessoria. 1 Mundia Ath. — 2 Monnia R. et P. — 3 Brede- meyera Willd. c. Calyx 5phyllus, Petala 5. 1 Carpolobia Don. emend. ex Benth. — 2 Muraltıa Neek. d. Calyx 3phyllu, Petala 5 cum squamis accessoriis, Ovarium (pseudo) uniloculare, ovula in placentis 2 op- positis parietalibus 2 — 6. 1 Xanthophyllum Rozb. genus hujus sect. corolla depauperata abnorme: Sou- lamea L. II. Polygaleae spuriae, inter hunc ordinem et Caesalpinieae intermediae, Ovarium uniloculare, Semina exalbuminosa — Alae deciduae. a. Calyx pentaphyllus, raro triphyllus, ovula duo colla- teralia. 1 Krameria Löffl. b. Calyx triphyllus. 1 Securidaca Jacg. X. Über das Gleichgewicht im Stoffwechſel des menſchlichen Körpers. Von Barral. In einer der Pariſer Akademie vorgelegten Denkſchrift ſucht der Verf. die Quantität und Elementarzuſammenſetzung 73 225. XI. 5. 74 der täglich genoſſenen, ſowohl feſten als flüſſigen Nahrungs— mittel, desgleichen die Quantität und Elementarzuſammen— ſetzung der täglich ſowohl flüſſig als feſt ausgeſchiedenen Stoffe durch directe Analyſe zu ermitteln, um dadurch das Verhältniß des Aufgenommenen zum Abgeſonderten erſehen zu können. Da ſeine Arbeit der chemiſchen Analyſen viele umfaßt, überhaupt ſehr reich an Zahlen iſt, ſo begnügt ſich der Verf. in No. 15 der Comptes rendus vom 9. October 1848 ein kurzes Reſums für feine Arbeit mitzutheilen: 1) fand der Verf., daß die Menge des täglich durch die Reſpiration verbrannten Kohlenſtoffs, wie es ſchon An— dral und Gavarret angaben, der Kohlenſtoffmenge ent— ſpricht, die auf anderem Wege dem Körper zugeführt wird; er fügte zu den Schwankungsurſachen noch eine neue, von genannten Autoren nicht erwähnte, hinzu. Die Menge des im Winter verbrannten Koblenſtoffs beträgt nach ihnen um ½ mehr als im Sommer. 2) In den genoſſenen Nahrungsſtoffen iſt mehr Stick— ſtoff enthalten als in den Exerementen abgeſchieden wird; ein Theil dieſer Gasart muß demnach durch die Ausdünſtung abgeſchieden werden. Die Menge des auf dieſe Weiſe aus dem Körper entfernten Stickſtoffs beträgt / oder ½ der ganzen Stickſtoffmenge, entſpricht jedoch nur dem hundertſten Theile der erzeugten Kohlenſäure. Bei guter und hinrei— chender Nahrung iſt das Verhältniß des Kohlenſtoffs zum Stickſtoff wie 100 zu 8. 3) Waſſerſtoff und Sauerſtoff ſind nicht genau in dem Verhältniſſe, um Waſſer zu bilden, anweſend; die Nahrungs— mittel enthalten immer einen Überſchuß an Waſſerſtoff, von dem man annehmen darf, daß er zum Theil durch den Sauerſtoff bei der Reſpiration verbrannt wird. Der ſo ver— brannte Waſſerſtoff entſpricht im Mittel einem Dritttheile des in Kohlenſäure verwandelten Kohlenſtoffs. Dieſer bei der Reſpiration zerſetzt werdende Waſſerſtoff iſt übrigens nur ein Theil des durch die Nahrungsmittel empfangenen Waſſerſtoffs; die Entleerungen ſind nämlich reicher an die— ſem Stoffe als die Nahrungsmittel und zwar etwa im Ver— hältniſſe von 8 zu 5. 4) Die bei der Reſpiration zur Bildung der Kohlen— ſäure und des Waſſers aus dem Kohlenſtoff und Waſſerſtoff der Speiſen nöthige Sauerſtoffmenge ſteht zur genoſſenen Nahrung im Verhältniß von 1 zu 3. 5) Das ſowohl natürlich als durch die Proceffe der Reſpiration und Verdauung gebildete Waſſer beträgt im Mittel 7/100 der genoſſenen Nahrung ſammt dem ſich mit ihm verbindenden atmoſphäriſchen Sauerſtoffe. Das durch Ausdünſtung abgeſchiedene Waſſer beträgt im allgemeinen etwas mehr als das auf anderem Wege ab— geſchiedene; bei einem Greiſe betrug das Ausdünſtungswaſ— fer dagegen nur / des im Harne und mit den Exeremen— ten entlaſſenen Waſſers. Verf. fand bei drei Verſuchen in den Nahrungsmitteln mehr Chlor als in den entleerten Stoffen; bei zwei ande— ren Verſuchen war dagegen in letzteren mehr Chlor wie in den genoſſenen Nahrungsmitteln enthalten. Eine beſtimmte Menge von Chlornatrium, die ſich manch Mal bis auf ½ des mit der Nahrung aufgenommenen Kochſalzes ſteigern kann, wird nicht mit den Ererementen abgeſchieden. Es ſcheint dem Verf., als wenn ſelbige unmittelbar nach dem Bade durch die Haut ausgeſondert wird. 7) Das Verhältniß der vom menſchlichen Körper auf— genommenen und abgeſchiedenen Stoffe läßt ſich demnach in folgender Weiſe ausdrücken. Aufgenommen = 100 — abgeſchieden Sefte und Sauer⸗ Durch Ausdün⸗ Kohlen- Entlee⸗ Verluſt. flüfige Nah⸗ ſtoff. ſtung abgeſchie⸗ fäure tungen. rungsmittel. denes Waſſer. 74,4 25,6 34,8 30,2 34,5 0,5 Das Ausdünſtungsquantum fteht zur Menge der ander: weitigen Entleerungen im allgemeinen im Verhältniß von 2 zu 1. Bei einem Greiſe zeigte ſich jedoch die Ausnahme, daß die Entleerungen viel mehr als die Ausdünſtungen be— trugen. 8) Zieht man von der Totalſumme der täglich erzeug— ten Wärme die durch Verdunſtung des Tranſpirationswaſ— ſers entzogene Wärme, desgleichen die von der Luft bei der Reſpiration mit fortgeführte und endlich die durch die Nah— rungsmittel und die Entleerungen entzogene Wärme ab, fo findet man, daß die durch Ausſtrahlung verlorene Wärme im Sommer jeden Tag im Mittel 30000 oder für die Stunde 1250, im Winter dagegen 42000 für den Tag oder 1750 für die Stunde beträgt. Es läßt ſich demnach zwiſchen der entwickelten und aufgenommenen Wärme fol— gende Gleichung aufſtellen: (Durch die Durch die Durch die 2 Mit den Ent⸗Durch Aus⸗ Entwif- \ Hautausvün- Luft bei der Nahrungs- 5 leerungen |ftrablung u. felte Iſtung verlo⸗ Reſpiration mittel entzo-] entführte Contact ver- Wärme. ſrene Wärme.] entzogene gene Wärme. Wärme. lorene Warme. Wärme. 100 — 24,1 + 7,3 + 2,2 +18 + 64,6 Miſcellen. 13. Über das epithelium der Kiemenapparate bei den Anneliden und Cruſtaceen hat Hr. Williams Unter⸗ ſuchungen angeſtellt, wodurch er zu folgenden Schlüſſen gekommen iſt: 1) das Wimperepithelium eriſirt nicht immer auf den Refpi- rationsorganen der wirbelloſen Thiere und bis jetzt kann man die anatomiſchen Bedingungen, welche das Wimperepithelium auf den Kiemenapparaten begleiten oder anzeigen, nicht angeben; 2) bei den Wirbelloſen find die Epitheliumzellen abgeplattet, anſtatt prisma⸗ tiſch wie bei den Wirbelthieren; 3) da die innere Oberfläche der Lungen der luftathmenden Wirbelthiere mit einer Schicht mehr oder minder dichten Schleims überzogen iſt, fo bietet auch unter allen weſentlichen Bedingungen das luftathmende Lungenthier keine Ausnahme gegen die Geſetze, welche bei der Waſſerreſpiration gel— ten; 4) die Eriſtenz einer Wimperbewegung, wie ſie in den Lun⸗ gen der Batrachier, Chelonier und Saurier, die Luft athmen, be⸗ wieſen iſt, ſpricht für die Wichtigkeit des Bewegungsepitheliums, welches ein Element der Structur der Reſpirationsorgane aller Wirbelthiere iſt. (L’Institut, 29. Nov. 1848.) 14. Die Aufter iſt nach Quatrefages neuften Unter⸗ ſuchungen nicht, wie man bisher glaubte, hermaphroditiſch, ſondern getrennten Geſchlechts; Blanchards Beobachtun⸗ gen beſtätigten bereits dieſes Factum, letzterer unterſuchte eine Menge Arten wie Individuen dieſes Thieres; zu einer gewiſſen Jahreszeit fand er die Eier und Spermatozoen jederzeit auf ver— ſchiedenen Individuen. (The American Journal of Science and arts. Vol. VII No. 21.) 75 225. XI. 5. 76 Heilkunde. (IX.) Fibroid der äußeren weiblichen Geſchlechts— theile. Von Dr. L. Neugebauer. Es iſt in der neueſten Zeit unter dem Namen Ele— phantiaſis der äußeren weiblichen Geſchlechts— theile eine eigene Form von krankhafter Wucherung dieſer Organe aufgeſtellt worden, welche ſich dadurch charakteriſirt, daß fie vorzüglich in der Gegend der vorderen Schamcom— miſſur ihren Sitz hat, ſich langſam entwickelt, aber eine mehr oder minder bedeutende Größe erreicht, daß ſie in ih— rem äußeren Anſehen eine große Ahnlichkeit mit der durch die Elephantiasis Graecorum geſetzten Hautwucherung dar— bietet, dabei aber ihrem Weſen nach gutartiger Natur iſt und ohne Gefahr erſtirpirt werden kann. Die Zahl der hier einſchlagenden Beobachtungen iſt vorläufig noch ſehr gering, indem bis jetzt erſt drei Fälle dieſer Art in der Li— teratur als unzweifelhaft feſtgeſtellt worden find; es find dies der Fall, den Dr. Tallrich in Perpignan behandelte (ſ. Delpech: Chirurgie clinique de Montpellier, Tom. II. Montpell. 1828. 4.); ogl. F. L. Meißner: Über die Krankheiten der Schamlefzen, in der Gemeinſamen deutſchen Zeitſchrift für Geburtskunde, herausg. von Buſch, Men— de, Ritgen. Bd. V, Weimar 1830. 8. S. (181-208) 207208, der Fall, den W. Birrel in England (j. The Edinburgh medical and surgical Journal, 1825, April; ogl. Meißner a. a. O. S. 208) beobachtete, und als dritter derjenige, den C. L. Heer hier in Breslau geſehen und in feiner Inauguraldiſſertation: De Elephantiasi Graecorum et Arabum. Vratisl. 1842, p. 25, c. 2, tab. I. 40 maj., p. 20— 23, tab. I, beſchrieben und abgebildet hat. Wenn ſonſt in der chirurgiſchen Caſuiſtik von Geſchwülſten und krank— haften Vergrößerungen der äußern weiblichen Geſchlechtstheile die Rede iſt, ſo erweiſen ſich dieſelben bei näherer Nachfor— ſchung meiſt nur als Degenerationen anderweitiger Art oder ſelbſt nur als einfache Hypertrophien, und nur der von Pauli in Landau in v. Siebolds Journal, Bd. XVII, St. 2 (vgl. Neue Zeitſchrift für Geburtskunde von Buſch u. ſ. w., Bd. IX, Berlin 1840, 8. S. 463) bekannt ges machte Fall von Entartung der äußern Geſchlechtstheile einer Frau dürfte noch als vierter hierher zu rechnen ſein, zumal er zu viel übereinſtimmendes mit dem in Rede ſtehenden Zuſtande darbietet, als daß man nicht verſucht ſein ſollte, zu ſchließen, Pauli habe es nicht mit bloßer lipomatöſer, wie er dies ſelbſt glaubt, ſondern mit der in Rede ſtehenden Entartung der Nymphen zu thun gehabt. Wie dem aber ſei, immer bleibt die Zahl der vorläufig bekannten Beob— achtungen über dieſe merkwürdige Krankheit eine zu ge— ringe, als daß ſich jetzt ſchon daraus beſtimmte Folgerungen über die eigentliche Natur derſelben, namentlich aber auch darüber, ob ihr auch in der That der Name Elephantiaſis gebühre, ableiten ließen. Wenn es aber deshalb wunſchens— werth erſcheinen muß, daß ſich die Zahl der vorhandenen Erfahrungen und Unterſuchungen darüber möglichſt mehren möchte, jo iſt der folgende, gegenwärtig in der hieſigen ge= burtshülflichen Klinik beobachtete Fall um ſo wichtiger als er geeignet ſcheint, die oben angeregte Frage einigermaßen ihrer Löſung entgegenzuführen. Roſina L., geborne S., eine Frau aus dem Arbeiter— ſtande, 47 Jahre alt, von mittelmäßigem Wuchſe, nicht un⸗ kräftig gebaut, dunkelbrünett, ſeit ihrem 19tem Lebensjahre regelmäßig menſtruirt, hat von ihrem 22ſten Jahre an ſechs Mal, das letzte Mal im 3Iten Jahre leicht und glücklich geboren. Sie will ſich bis zur letzten Niederkunft ſtets eines befriedigenden Wohlſeins erfreut, namentlich aber nie an irgend einer Krankheit der Geſchlechtsſphäre gelitten haben. Bei der gedachten Niederkunft ſelbſt wurde ſie von der ſie pflegenden Hebamme auf ein paar kleine Auswüchſe an der äußeren Scham aufmerkſam gemacht. Sie ließ dieſelben je— doch, da fie weder ſchmerzten, noch ihr ſonſt eine Unbequem= lichkeit verurſachten, gänzlich unberückſichtigt. Nach und nach vergrößerte ſich aber dieſe Geſchwulſt und erreichte endlich unter gleichzeitiger Abnahme des ſchon früher ſchwachen Ge— hörs, ſowie auch des Geſichts, einen ſo bedeutenden Umfang, daß Pat. nicht nur durch ihre Schwere und die damit zufam- menhängende ſchmerzhafte Zerrung der Theile in hohem Grade beläſtigt, ſondern ſelbſt am Gehen behindert wurde. So vertraute ſie ſich am 15. Auguſt dieſes Jahres der geburts⸗ hülflichen Klinik hieſelbſt an. Die Erſcheinungen, die ſich nunmehr darboten, waren fol— gende: der Körper etwas mager, die Haut natürlich gefärbt, die Verdauung normal, das Nervenleben desgleichen, mit Ausnahme des bedeutend geſchwächten Gehörſinnes, die cor- nea beider Augen mit pannus vasculosus behaftet, dagegen die Function des opticus ſelbſt, wie man ſich überzeugen konnte, nicht getrübt. Das Übel in der Schooßgegend ſtellte ſich in Geſtalt einer aus zwei Abtheilungen, einer größeren vorderen, wiederum zweigelappten, und einer kleineren hin⸗ teren, beſtehenden, frei zwiſchen den Schenkeln herabhängen— den Eolbenförmigen Geſchwulſt von der Größe faſt zweier Mannsfäuſte dar, welche bei einer Länge von etwa 5 Zoll in ihrem dickſten Theile einen Querumfang von 12 Zoll hatte und mittelſt eines über 1 Zoll dicken Stieles an dem arcus pubis und dem vorderen und rechten Rande des Scheiden⸗ einganges befeſtigt war. Der Stiel der Geſchwulſt, der ges gen 2 Zoll lang und an ſeiner von dem Scheideneingange abgewandten Seite mit natürlicher cutis, an der ihr zuge⸗ wandten aber mit einem dünnen roſafarbenen Häutchen überzogen war, zeigte durchgehends eine gleichförmige Ober— fläche, die nur an der rojafarbigen Stelle von einer eitern- den Längsfurche unterbrochen wurde. Die Oberfläche des eigentlichen Körpers der Geſchwulſt aber, welcher durchweg mit einem dünnen, aber feſten Oberhäutchen bekleidet war, war ſehr unregelmäßig geſtaltet und beſtand mit Ausnahme 77 225. XI. 5. 78 der Oberflächen, welche die einzelnen größeren Abtheilungen der Geſchwulſt einander zukehrten und welche ebenfalls platt waren, aus einer großen Menge von pflaſterförmig an ein— ander gereihten halbkugeligen, kugeligen und anderweitig ge— formten, hanfkorn- bis bohnen- und nußgroßen Erhaben— heiten, die eine ſchmutzigbraune etwas ins Violette ſpielende Färbung zeigten, an einzelnen Stellen jedoch, wo ſie als jüngerer Nachwuchs häufchenweiſe kleiner erſchienen, auch hellroſa gefärbt waren. Die Geſchwulſt an und für ſich bei ruhigem Verhalten keine Schmerzen verurſachend, ſchmerzte, wenn ſie gedrückt wurde und fühlte ſich feſt und elaſtiſch und gleichſam fettig an, war dabei aber doch an ihrer Ober— fläche, abgeſehen von der gedachten eiternden Stelle am Stiele durchgehends, ſelbſt in den Zwiſchenräumen zwiſchen den Lappen und Globoſitäten, trocken. Trotzdem verbreitete ſie einen höchſt unangenehmen penetranten Geruch um ſich, der einigermaßen mit dem Geruche von verdorbenem Schweizer— käſe verglichen werden konnte. Die genauere Unterſuchung machte es wahrſcheinlich, daß die Geſchwulſt vorzüglich aus dem degenerirten Kitzler beſtand, und daß zugleich die Vor— haut desſelben und die ganze rechte kleine Schamlefze in ihre Bildung aufgegangen war. Die Beſchaffenheit der üb— rigen äußeren, ſowie der inneren Geſchlechtstheile bot dabei nichts abnormes dar, nur war die rechte große Schamlefze in Folge des Druckes, den die überhaupt mehr der rechten Seite angehörende Geſchwulſt auf ſie von vorn her ausübte, etwas nach hinten und außen gedrängt. Die Ab- und Aus— ſonderungen des Harnes verhielten ſich normal, eben ſo wurde das Menſtruationsgeſchäft von der Kranken als un— geſtört angegeben. Bei dieſem Krankheitsbefunde konnte die Diagnoſe eben ſo wenig auf kungus wie auf condylomatöſe Wucherung ge— ſtellt werden, mit welchen Zuſtänden die vorliegende Krank— heit, oberflächlich betrachtet, einige Ahnlichkeit zu haben ſchien. Denn wenn das faſt blumenkohlartige Ausſehen und die elaſtiſche Beſchaffenheit der Geſchwulſt für erſteren ſprachen, ſo mußte jeder in dieſer Beziehung geſchöpfte Verdacht fal— len, wenn man erwog, daß ſie einer ſo langen Zeit zu ih— rer Entwickelung bedurft hatte, daß ſie an und für ſich nicht ſchmerzte, daß ſie durchweg mit einer, wenn auch epithelartig verdünnten Oberhaut bekleidet und nirgends, außer an der gedachten Stelle am Stiele in Verſchwärung begriffen war, noch auch blutete, und daß ſich endlich die Kranke im all— gemeinen ziemlich wohl fühlte, während doch ein mehrere Jahre beſtandener kungus bereits den größten Krafteverfall hätte herbeiführen müſſen. Wenn hingegen ihre Ortlichkeit und ihr eigenthümlicher übler Geruch die Annahme eines ſyphilitiſchen Secundärleidens begünſtigten, fo ſtritt gegen dieſelbe die gänzliche Abweſenheit aller Erſcheinungen, welche ſonſt auf Vorhandenſein oder Vorhandengeweſenſein ſyphi— litiſcher Affection hätten ſchließen laſſen, ſowie auch die Verſicherung der in dieſer Beziehung durchaus offenherzigen Kranken, daß ſie nie etwas dieſer Art erlitten habe. Dagegen ſtand nichts im Wege, den Zuſtand als iden— tiſch mit dem von den oben eitirten Schriftſtellern als Ele— phantiaſis der äußeren Geſchlechtstheile behan— delten aufzufaſſen, wobei jedoch ein großer Zweifel darüber ſich erhob, ob man dieſen Zuftand überhaupt der Elephan— tiaſts beizuzählen berechtigt, oder ob er nicht vielmehr für eine Gewebsentartung eigenthümlicher, von der Elephantiaſis abweichender Art zu erklären ſei, da der bei ihm Statt fin⸗ dende gänzliche Mangel der für die mehr entwickelten Le— proſen charakteriſtiſchen geſchuppten, riſſigen, ſchrundigen oder borkenartigen, immer aber rauhen Beſchaffenheit der Haut an der affieirten Stelle, der wenigſtens in dieſem Falle am Tage lag, durchaus gegen elephantiaſiſche Entartung ſpricht. Es wurde nun die Ausrottung der Geſchwulſt und zwar mittelſt des Schnittes beſchloſſen; um jedoch für den Fall etwanigen Vorhandenſeins einer allgemeinen Dyskraſie, die dem Übel möglicher Weiſe dennoch zu Grunde liegen konnte, ſicher zu gehen, ſo wurde der Operation ſelbſt eine mehrwöchentliche Jodkalicur vorausgeſchickt, während deren Dauer zugleich durch wiederholtes Einblaſen eines aus gr. j rothem Queckſilberpräcipitat mit 2 Unzen Zucker bereiteten Pulvers in die Augen der pannus in Angriff genommen wurde. Am 29. September endlich, bis wohin ſich das Augen— übel um ein bedeutendes gebeſſert, das Übel an den Ge— ſchlechtstheilen jedoch in nichts verändert hatte, wurde zur Operation geſchritten. Ihre Ausführung, in ihrem Haupt— theile von dem Director der Anſtalt, Hrn. Medieinalrath Betſchler ſelbſt beſorgt, geſchah ohne alle Schwierigkeit. Es wurden um den Stiel der Geſchwulſt zwei, mittelſt einer ſtarken Nadel durch ihn hindurchgeführte Ligaturen angelegt und feſt zuſammengezogen, um dadurch der nach dem Schnitte zu befürchtenden Blutung im voraus vorzubeugen, darauf aber vor der unterbundenen Stelle um den Stiel herum ein Schnitt durch die oberflächlichen Schichten desſelben geführt, und nachdem ſo der mittlere Theil desſelben, welcher ſich in Geſtalt einer ſehr feſten knorpelartigen Maſſe darſtellte, zu Tage getreten war, dieſer vorſichtig durchſchnitten. Nach der ſo bewirkten Abtragung der Geſchwulſt zog ſich der knor— pelige Centralſtrang des Stieles, der aus den entarteten ca— vernöſen Körpern des Kitzlers zu beſtehen ſchien, wider Er— warten, trotz der feſt zuſammengezogenen Ligaturen, tief unter den Schooßbogen zurück, ſo daß jene theilweiſe abfie— len und die Wunde eine tief trichterförmige Geſtalt gewann. Die aus der Wunde erfolgende Blutung war ziemlich hef— tig, ſtand jedoch, nachdem mehrere ſpritzende Arterien durch Unterbindung, die ſich in dieſem Falle wegen der trichter förmigen Geſtalt, die die Wunde angenommen hatte, etwas ſchwierig ausführen ließ, zum Schweigen gebracht worden waren. Schließlich wurde behufs der Einleitung der Hei— lung per secundam intentionem ein einfacher Scharpiever— band angelegt. 24 Stunden nach der Operation trat eine heftige paren- chymatöſe Blutung aus der Wunde ein; fie wurde indeſſen durch ſchleunige Application des Liquor Ferri muriatici oxy- dati ſchnell und gründlich beſeitigt. Seitdem iſt die Hei— lung der Wunde im beſten Gange und der Zuſtand der Operirten ein ſolcher, wie er unter ſolchen Umſtänden nur gewünſcht werden kann. 79 225. XI. 5. 50 Die Section der abgenommenen Geſchwulſt, deren Ge— wicht ziemlich 12 Unzen betrug, erwies dieſelbe als Fibroid. Die Maſſe desſelben wurde, abgeſehen von dem fie äußerlich begleitenden, ſchwer ablösbaren, ſchmutzigbraunen Oberhäut— chen, von einem weißen, ziemlich feſten faͤſerigen Gewebe ge— bildet, welches von mehreren größeren und kleineren Gefäß— zweigen in verſchiedenen Richtungen durchkreuzt wurde. Die Faſern verbreiteten ſich von der Baſts der Geſchwulſt aus, wo fie als Fortſetzung des knorpeligen Centralſtranges des Stieles auftraten, ſtrahlenförmig in die einzelnen Lappen, vorzüglich aber in den hinteren hinein, in welchem letzteren ſie überhaupt am deutlichſten zu Geſicht traten. Nach der Peripherie hin war die Faſerung weniger deutlich zu er— kennen und es ging hier das Faſergewebe in eine mehr gleichartige Maſſe über, welche zugleich etwas weicher erſchien als die centrale. Der überwiegend ſtrahlig-faſerige Bau des hinteren Lappens der Geſchwulſt, welcher, wie bemerkt worden, mehr dem linken Theile derſelben angehörte, ſchien dafür zu ſpre— chen, daß derſelbe vorzüglich aus der elitoris hervorgegangen ſein mochte, während hingegen der größere vordere und mehr rechte Lappen mehr der Vorhaut und der rechten kleinen Schamlefze zu entſprechen ſchien. Immer aber war in dem eentra— len ſtrahlenförmigen Faſergewebe der Geſchwulſt überhaupt ein deutlicher Fingerzeig dafür gegeben, daß man ſich die Bildung derſelben mehr durch eine Degeneration der inneren Gewebsſchichten der dabei intereſſirten Organe als etwa des Hautüberzuges derſelben zu erklären hatte. Dies aber eben iſt es, was meiner Anſicht nach gegen die Heranziehung des Namens Elephantiaſis für dieſen Zuſtand ſtreitet, da ja dieſe bekanntlich in einer Degeneration gerade der Haut und insbeſondere des Coriumtheils derſelben beſteht. Ich glaube demgemäß, daß man dieſen Namen für die in Rede ſtehende Degeneration gänzlich fallen laſſen muß, und daß man beſſer thut, ſie einfach als Fibroid der äußeren weiblichen Geſchlechtstheile, in unferem Falle aber der Klitorisvorhaut und rechten Nym— phe zu bezeichnen. (Aus d. Jahresber. der ſchleſ. Ge— ſellſch. f. vaterl. Cultur 1848, S. 167.) Miſeellen. (7) Sonden und Katheter aus Gutta Percha. Dr. Phillips zu Paris hat dieſe Anwendung des neuen Stoffes in der Chirurgie der Harnwerkzeuge eingeführt und damit Inſtrumente erlangt, welche denen aus Kautſchuk weit vorzuziehen ſind. Sie haben dieſelbe Biegſamkeit, eine vollkommnere Politur und den Vortheil, daß ſie ſich nie abblättern; man kann ihnen auf der Stelle die verſchiedenſten Biegungen geben, indem man ſie nur ei— nige Secunden einer Lichtflamme nähert und in dem fo erweichten Zuſtande in die neue Form bringt, die fie nun beim Erkalten be: halten; ebenſo kann man auch ihre Spitze in erwärmtem Zuſtande mit den leicht befeuchteten Fingern leicht zu jeder beliebigen Form ne: ten. So iſt es auch leicht, einer feinen Bougie die Weſtalt einer Spirale zu geben. Wenn es darauf ankommt, über einer feinen Bougie eine Katheterröhre durch eine beträchtlich verengerte Stelle durchzuſchieben, was bei gewöhnlichen Bougies ſo große Schwierigkeit macht, ſo iſt dies mit Gutta Percha-Bougies ſehr leicht; man erweicht die eingeführte Bougie mit dem Lichte am äußeren Ende, erweicht ebenfo das Ende einer anderen Bougie von gleicher Dicke, klebt eine an die andere und hat ſo auf der Stelle eine Leitungsſonde von entſprechender Länge, um die erforderliche Katheterröhre mit Sicherheit darüber einzu⸗ ſchieben, ſie durch die Verengerung bis zur Harnblaſe einzubringen, dann die Leitungsbougie zurückzuziehen, den Urin abzulaſſen, die Bougie wieder einzuführen, die Katheterröhre zurückzuziehen und dann wieder die Bougie entſprechend abzufürzen und in der Lage zu firiren. — Der Preis dieſer Sonden iſt ſehr mäßig. (Gaz. Med., 15. Sept. 1849.) (8) Die Urſache des Klumpfußes theilt Hr. Lons⸗ dale in einer längeren Abhandlung über dieſe Krankheitsform in the London Med. Gaz. August 1849 folgendermaßen ein: durch die Lage in dem uterus, durch unregelmäßige Muskelcontraction in Folge nervöfer Affectionen, Krampf einer Muskelgruppe ohne Lähmung der Antagoniſtengruppe. Lähmung eines oder mehrerer Muskeln ohne Krampf, ſondern bloß mit einfacher Con⸗ traction der Antagoniſten. Lähmung der Muskeln des Beines im all⸗ gemeinen mit oder ohne Ausweichung des Fußes. Entzündung des Gelenkes, Wunden der Muskeln, Verbrennungen, Absceſſe ꝛc. (9) Milch durch die Nieren abgeſondert. Daß der Harn ein milchiges Ausſehen hat, iſt oft beobachtet worden; Hr. Reveil hat aber jetzt in einem Falle Urin gefunden, der alle Be- ſtandtheile der Milch enthielt. Der unterſuchte Urin wurde in Ge: genwart des Hrn. R. von einem 22 Monate alten Kinde, welches noch geſäugt wurde, gelaſſen. Der gelaſſene Urin war milchweiß mit gelblicher Nüance, bildete beim Stehen eine dicke fette Rahm⸗ ſchicht auf der Oberfläche, auf dem Boden des Gefäßes einen wei— ßen Satz aus Schleim, Käſeſtoff und etwas Butter. Der Urin wird durchſichtig durch Ather, coagulirt durch Hitze; durch ſorg⸗ fältige chemiſche Analyſe wurden die Hauptelemente der Milch, Butterkügelchen, Käſeſtoff, Eiweiß und Zucker einzeln nachgewieſen. (Repert. de Pharm., Feyr. 1849.) (10) Das nach dem Gebrauch aus den Blutegeln aus- gedrückte Blut enthält keinen Faſerſtoff, welcher in den Blut⸗ egeln zurückbleibt. Es ſcheint, daß eine vollſtändige Zerſetzung und Trennung der Beſtandtheile des Blutes innerhalb des Thieres Statt findet. So iſt auch die Thatſache zu erklären, daß Blutegel, welche geſogen haben und ausgedrückt worden find, nicht ohne wei⸗ teres gebraucht werden können. Sie bedürfen einer Erholung von 2 Monaten, indem ſie erſt den Faſerſtoff verdauen müſſen, den man nach dieſer Mittheilung des Hrn. Reveil nicht mit herausdrücken kann. (Repertoire de Pharmacie, Janvier 1849.) Angeborner (intrau- terine) Klumpfuß. Nichtangeborner Klumpfuß. Bibliographiſche Neuigkeiten. The Genera of the Plants of the United States; illustrated by figures and analyses from Nature by Jsaac Sprague; superintended and with Deserip- tions etc. by Asa Gray, M. D. Vol. 2. roy. 8%. (pp. 230. 85 plates.) Newyork 1849. 31 sh. 6 d. S. Thomson, New Guide to health; or botanic family Physician, a complete System of Practice upon a plan entirely New; with a description of the vegetables made use of, directions for preparing and administering them to cure disease. Also several cases nf disease attended by the author with the mode of treatment. New Edit. 12%. (pp. 260.) London 1849. 3 sh. Druck und Verlag des Lanpes - Inpuftrie= Somptoirs zu Weimar. Allgemeiner Literarifcd) - artiftifcher Monatsbericht für Deutſchland. Ne Dieſer Monatsbericht wird den beim Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften: October. 1849. Notizen aus dem Ge— biete der Natur- und Heilkunde, und den chirurgiſchen Kupfertafeln als Intelligenz⸗ Blatt beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht dieſes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte wird von jetzt an 1½ 9/5, berechnet. Erſchienene Neuigkeiten. | J. | Durch alle Buchhandlungen iſt zu beziehen: | | | | | Münchmeyer, Dr., die Cardialgie nach den neueſten Quellen und eigenen Beobachtungen pathologiſch und 1843. gr. S. broſch. 18 Ggr. therapeutiſch dargeſtellt. | 2 Ab⸗ Richter, gerichtsärztliche Obductionstabellen. theilungen. 1841. 8%. 8 Gar. Tabula anatomica Leonardi da Vinci summi | quondam pictoris e bibliotheca augustissimi magnae | Britanniae Hannoveraeque Regis deprompta; Venerem obversam e legibus naturae hominibus solam con- venire, ostendens. fol. 1830. carton. 16 Ger. Winter, Dr., Abhandlung über die Magener- weichung; eine gekrönte und von dem Verf. aus dem Latein. übersetzte Preisschrift. gr. 8. 1835, brosch. 16 Ger. Verlag der Herold & Wahlſtab'ſchen Buchhandlung in Lüneburg. II. Im Verlage von Huber & Comp. in St. Gallen und Bern iſt erſchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: Das Bad Pfäfers in ſe iner neue ſten Geſta lt. Für Arzte, Curgäſte und Reiſende bearbeitet vom Badarzt Dr. Rüſch. Mit zwei neuen Abbildungen. Preis geh. 1 Thlr. III. Im Verlage der Unterzeichneten iſt erſchienen: MITTHEILUNGEN über die in der chirurgischen Klinik zu Braunschweig vom Früh- Jahre 1844 bis zum Frühjahre 1848 vorgekommenen - Krankheiten und Operationen von C. W. F. Uhde. gr. 8. -Fein Velinpap. geh. Preis: 20 Ger. Von der Capaeität der Lungen und von den Athmungs-Functionen, mit Hinblick auf die Begründung einer genauen und leichten Methode, Krankheiten der Lungen durch das Spirometer zu entdecken. Von John Hutchinſon. Aus dem Engliſchen überſetzt und mit Anmerkungen verſehen von Dr. Samoſch. Mit zahlreichen in den Text eingedruckten Holzſchnitten. gr. 8. Fein Velinpap. geh. Preis: 20 Gar. Bra unſchweig, im Auguſt 1849. Friedr. Vieweg und Sohn. a er ET 8 IV. Im Kommissionsverlag von S. Höhr in Zürich ist er- schienen: Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Heft II. (No. 14—26) geh. Thlr. 1. 7½ Ngr. 9 35 Erſchienene Neuigkeiten. 36 W. 2 + Für Mediciner! Im Verlag von Ebner & Seubert in Stuttgart ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen : Handbuch der Pathologie u. Therapie. Von Prof. Dr. Wunderlich. In 3 Bänden. 1— Ste Liefg. a fl. 1. 48 kr. oder Thlr. 1. 3 Sgr. (Zu Ostern 1850 wird das Werk, eirca 12 Lieferungen umfassend, beendigt sein.) Chirurgisch - anatomisches Vademe- cum von Dr. W. Roser. Mit Holzschnitten. Cartonirt. fl. 2. 48 kr. oder Thlr. 1. 22 Sgr. Beide Werke haben sich durch Gediegenheit und praktische Brauchbarkeit bereits in dem Grade Geltung verschafft, dass wir jede Anpreisung für überflüssig halten und bei Beginn des Winter- Semesters die Herren Studirenden blos auf diese Er- scheinungen aufmerksam machen. VI. In C. A. Koch's Verlagshandlung (Th. Kunike) in Greifswald ist soeben erschienen: Archiv scandinavischer Beiträge für Naturgeschichte. Herausgegeben vonHorn- schuch. II. Band in 3 Heften mit 4 Fig.-Taf. Preis 2 Thlr. 15 Ngr. Schultze, de arteriarum notione, structura, consti- tutione chemica et vita. Accedunt 3 tab. lith. Preis 18 Ngr. VII. Bei F. Schneider 8 Comp. in Berlin ſind erſchienen: Karſten, Herm. Die Vegetationsorgane der Palmen. Ein Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Phoſio— logie. gr. 4. (163 Seiten mit 9 Steintafeln) 2 Re: Koch, Prof. D. Karl. Beiträge zur Flora des Orients. (Abdruck aus der Linnaea.) Heft 1. 2. 3. broch. 8°. a Heft 20 Hr. VIII. In meinem Verlage erschien soeben und ist in allen Buchhandlungen zu haben: Bergson, Dr. J., Das krampfhafte Asthma der Erwachsenen. Eine von der Königl. Societät der Wissenschaften zu Göllingen mit dem Haupt- preise der physikalischen Klasse gekrönte Preis- schrift. gr. 8. geh. Preis 1 Thlr. Adolph Büchting in Nordhausen. IX. Im Verlag unseres Geographischen Instituts sind folgende von H. Kiepert entworfene Karten erschienen: Fürstenthun Moldau, 3 Serbien. 1 A Walachei, Fol, SW. _ Diese in sehr gefälliger Manier ausgeführten Karten zeichnen sich bei einem Maasstabe, welcher hinreicht, um ein für jeden Gebrauch, namentlich auch für den Militär brauchbares Blatt zu geben, durch grössere Correctheit ans, als selbst in allen öster- reichischen Karten derselben Lander zu finden ist Das Landes - Industrie - Comptoir in Weimar. Folio, 5% REN. Im Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs in Wei mar iſt erfchienen: Darſtellung des Land- und Seekriegs, für Dilettanten bearbeitet von J. C. Mathieu. 30 Bogen mit 99 Abbildungen. gr. 8. 1849. in engl. Einband N. In dem Zeitpunkte, wo in Deutſchland allgemeine Wehrpflichtig⸗ keit eingeführt wird, muß jedem Gebildeten eine klare, kurze und durch viele einzelne Beiſpiele unterhaltende Belehrung über alle Theile der Kriegskunſt ſehr willkommen ſein. In anſprechender Form be⸗ kömmt der Leſer einen vollſtändigen Überblick über die Organiſation der Heere, die verſchiedenen Waffengattungen, Taktik, Strategie und Verpflegung der Truppen, ferner über die geſammte Befeſtigungs⸗ kunſt und alle Arten des Feſtungskrieges; endlich giebt eine beſondere Abtheilung genaue Belehrung über die Einrichtung der verſchiedenen Arten der Schiffe, deren Gebrauch im Seegefecht und überhaupt alle Einzelnheiten des Seekrieges. Die evangeliſchen Kirchenordnungen des ſechszehnten Jahrhunderts. Urkunden und Regeſten zur Geſchichte des Rechts und der Verfaſſung der evangeliſchen Kirche in Deutſchland. Herausgegeben von Dr. Jemilius Ludwig Vichter, ordentlichem Profeſſor der Rechte in Berlin Vom Anfang der Reformation bis zu Ende des ſechs⸗ zehnten Jahrhunderts. Zwei Bände. 114 Bogen. gr. 4. 1845 und 1846. 9 . Dieſes Werk vereinigt zum erſten Male alle diejenigen Docu⸗ mente, auf welchen auch in unſerer Zeit jede weitere Entwickelung der kirchlichen und kirchen rechtlichen Verhältniſſe in dem deutſchen Vaterlande ihr Fundament nehmen muß. Der Name des Herrn Verfaſſers verbürgt den inneren Werth der Sammlung, die Aufgabe der Verlagshandlung aber, einen ganz correcten Abdruck zu liefern, iſt als vollſtändig gelöſ't anerkannt worden. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Weihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. XI. Über unmittelbare Wärmeerzeugung durch Magnetismus. Von R. W. Grove”). Hr. Grove hat der Royal Society zu London am 17. Mai eine merkwürdige Abhandlung mitgetheilt über die Wärme, welche ſich beim Magnetiſchwerden und Nichtmag— netiſchwerden im weichen Eiſen entwickelt. Nachdem er die Experimente erwähnt hat, durch welche Marriat, Beatſon, Wertheim und de la Rive feit einigen Jahren dahin gelangt ſind, zu beweiſen, daß das weiche Eiſen einen muſicaliſchen Ton giebt, wenn es magnetiſch gemacht wird, beſpricht Hr. Grove auch die ſchon 1845 veröffent— lichte Erfahrung, wonach eine Röhre, welche Flüſſigkeit mit pulverförmigem magnetiſchem Oryd in Suspenfion enthält, das Licht durchließ, wenn durch die Spirale, in deren Achſe ſich die Röhre befand, ein elektriſcher Strom geleitet wurde. Alle dieſe Thatſachen beweiſen, daß, wenn das Eiſen magnetiſch gemacht wird, eine Moleculärveränderung in ſei— ner Maſſe vorgeht und wenn dies der Fall iſt, ſo muß eine Art Moleculärfrietion, folglich auch eine Entwicklung von Wärme Statt haben. Die experimentelle Nachweiſung dieſer Folgerung war nicht ohne Schwierigkeit; dieſe Schwierigkeit beſtand hauptſächlich darin, daß die in dem Elektromagneten durch den Strom, wel— cher die Drathſpirale in ſeiner Umgebung durchläuft, hervor— gebrachte Wärme die durch den Magnetismus ſelbſt entwickelte Wärme maskiren mußte. Es iſt nun Hrn. Grove nach mehreren Verſuchen gelungen, dieſe Quelle von Irrthum auszuſchließen, ſei es dadurch, daß er die Pole des Clektro— *) Biblioth. univ, de Geneve, Juillet 1849, p. 210. No. 2209. — 1106. — 226. magneten mit einer Art von Waſſergürtel umgab, ſei es dadurch, daß er die Armatur des weichen Eiſens mit einer Hülle von Flanell bedeckte. Auf dieſe Weiſe und mit noch mehreren anderen Vorſichtsmaßregeln gelang es Hrn. Grove, in einer Armatur von weichem Eiſen durch raſches Magne— tiſtren und Entmagnetiſiren eine Erhebung der Temperatur um mehrere Grade über die Temperatur des Elektromagne— ten zu bewerkſtelligen, was unmöglich als ein Effect der Wärmeleitung oder Strahlung erklärt werden kann. Die Abhandlung enthält auch eine Reihe von Erperimenten mit einem Thermometer, der in eine mit Queckſilber gefüllte Aushöhlung in dem weichen Eiſen geſtellt worden war. Hr. Grove hat ſpäter auch einen ſehr beſtimmten Wärmeeffect in einer Armatur erlangt, welche der Wirkung eines rotirenden permanenten Stahlmagneten ausgeſetzt wor— den war, er hat dabei zur Wärmemeſſung einen ſehr em— pfindlichen thermoelektriſchen Apparat angewendet, den Hr. Gaſſiot ihm zur Dispofition geſtellt hatte. Indem er die Armaturen aus weichem Eiſen durch nicht magnetiſche Metalle erſetzte, hat er nicht die leiſeſte Spur einer Wärmeerzeugung erlangt, ein Beweis, daß bei dieſen Wirkungen die magnetelectrifchen Inductionsſtröme keine Rolle ſpielten. Das Reſultat der Arbeit iſt nach Hrn. Grove, daß ein Eiſenſtab, wenn er magnetiſch gemacht wird, eine höhere Temperatur erlangt. Dasſelbe hat Hr. Grove ſeitdem auch vom Kobalt und Nickel nachgewieſen, jedoch in minderem Grade als beim weichen Eiſen und proportional ihrer magnetiſchen Kraft. 83 226. XI. 6. 84 XII. Über die Weiſe, in welcher Mollusken die Felſen anbohren und ihre eigenen Schalen abſchleifen. Von Albany Hancock. Die Art und Weiſe, wie ſich gewiſſe Molluſken in Fel— ſen einbohren, iſt vielfach zu enträthſeln verſucht worden, auch ſowohl in wiſſenſchaftlicher als praktiſcher Beziehung ein der Unterſuchung würdiger Gegenſtand. Iſt es doch der berüchtigte Schiffsbohrer (Teredo navalis), faſt das kleinſte Thier dieſer Gruppe, der den Waſſerbauten in un— glaublich kurzer Zeit ſo vielen Schaden zufuͤgt. Unter den vielen verſuchten Theorien ſind namentlich drei, die einige Wahrſcheinlichkeit für ſich haben: nach der erſten ſoll das Thier vermittelſt ſeiner Schale gleich einem Bohrer oder einer Feile auf das Geſtein der Felſen wirken; nach der zweiten Theorie ſoll das Thier ſelbſt eine auflöſende Flüſ— ſigkeit ausſondern und durch dieſelbe namentlich Kalkgeſteine aushöhlen; nach einer dritten, von Garner aufgeſtellten, ſoll durch Wimperbewegung ein beſtändiger Waſſerſtrom ge— gen die Stelle des Geſteins, wo ſich die Schnecke einboh— ren will, unterhalten, die Kraft des Waſſerſtroms aber durch die Gewalt, mit der das Waſſer von dem Thiere aus— geſpritzt wird, vielleicht auch durch feine gleich einer Feile wirkenden Schalen, unterſtützt werden. Der Verf. zeigte ſchon vor längerer Zeit, wie das Thier ſelbſt das Bohr— inſtrument und zu dieſem Zwecke an den betreffenden Thei— len mit beſonderen Schleifwerkzeugen verſehen iſt; ehe er jetzt ſeine Behauptung durchführt und durch Thatſachen be— kräftigt, beſpricht er vorher die drei erwähnten Anſichten. Wir entnehmen ſeinen Aufſatz der No. 10 der Annals and magazine of natural history von 1848. Nur die Teredo-Arten wirken gleich einem Bohrer, ſie ſollen demnach eine drehende Bewegung ausführen. Unter— ſucht man das von einem ſolchen Thiere gebohrte Loch, ſo zeigt ſich dasſelbe eylindriſch, kreisrund, häufig etwas gebo— gen, am unteren Ende jedoch immer rund. Das Thier, wel— ches nach W. Thomſon bei Teredo norwegica zuweilen 2½ Fuß lang wird, füllt den Canal von einem Ende zum andern, er ſoll nach E. Home dem röhrenförmigen Ende der Kalkſchale anſitzen. Schon dieſer Anheftungspunkt ſpricht gegen eine rotirende Bewegung in conſtanter Richtung, die durch gewundene Bohrlöcher, die oftmals von einer Seite zur andern gehen und ſich nach allen Richtungen wenden, noch unwahrſcheinlicher wird. Nicht ſelten ſieht man Bohr— löcher, die, plötzlich die gerade Richtung verlaſſend, mit ihr einen rechten Winkel bilden, dann aber eben ſo plötzlich nochmals einen rechten Winkel beſchreiben und mit der al— ten Richtung parallel verlaufen. In einem ſolchen Bohr— loche muß die Rotation des Thieres nothwendig beſchränkt werden, ſeine Schalen konnten demnach nicht wie ein Cen— trumbohrer wirken. Einige Bohrmuſcheln beſitzen am Vordertheile ihrer Schalen Dornvorſprünge und erhabene Streifen; aber auch dieſe, die obendrein ſehr vielen Arten fehlen, können nicht als Feilwerkzeuge dienen, da alle Bohrlöcher der zweiſcha— ligen Muſcheln viel zu regelmäßig, rund und glatt ſind als ſie durch ſo grobe Werkzeuge werden konnten. Die Dornen und Erhabenheiten der Schale ſind überdies durchaus un⸗ verſehrt, fie find nirgends abgeſchliffen oder verſchrammt, was doch, da einige Bohrmuſcheln nicht allein weiche Kalk⸗ geſteine, ſondern auch kieſelhaltige Steine, die härter als ihre eigene Schale ſind, angreifen, nicht ſein könnte. Der Verf. beſitzt Eremplare von Pholas dactylus, deren Schalen an der Rückenſeite, wo ſie mit dem Geſteine zuſammenkamen, fait glatt gerieben find, während die Stacheln ihres Vor: derthales unverſehrt blieben; dieſelbe Erſcheinung zeigt P. erispata und candida. Die Stacheln können endlich, da ihr Vordertheil häufig mit einer epidermis bekleidet iſt, nicht wohl als Reibwerkzeuge dienen. Nach Montagu gilt dies auch für kleinere Exemplare von Teredo navalis; auch der Verf. fand denjenigen Theil, den man als das Bohrinſtru⸗ ment anſteht, manch Mal mit einer feinen gelblichen Ober⸗ haut, die ſich mit einem Meſſer abſchaben ließ, bekleidet. Die Pholas- Arten beſitzen dieſelbe epidermis, fie überzieht bei ſchönen Exemplaren noch die Dornvorſprünge, iſt aber ſo zart, daß ſchon eine Waſchbürſte ſie entfernt und vielleicht deshalb häufig überſehen worden. Auch Pholas candida, die nach Osler mit ihren Schalen bohren ſoll, widerlegt dieſe Behauptung durch ſich ſelbſt; an der Küſte von Nort= humberland iſt dieſe Muſchel ſowohl in alten als jungen Eremplaren immer mit einem feinen ſchwarzen Sediment, das häufig die ganze Muſchel, ſelbſt ihre Dornen überzieht, bedeckt; nur am Rücken der Schale iſt dieſer ſchwarze Über⸗ zug an den vorſpringenden Stellen häufig abgeſcheuert, fehlt dagegen dem vorderen bedornten Theile niemals, dieſer Theil kann demnach nicht zum Bohren gedient haben. Die Pholas- Arten beginnen ſchon, ſobald fie das Mutterthier verlaſſen haben, ihr Bohrgeſchäft; eine P. crispata von ½5 Zoll Länge, die erſt an jeder Schale zwei bis drei eben angelegte Dornen zeigte, hatte ſchon regelmäßige Aushöhlungen ge— macht; letztere find anfangs nur ¼16 Zoll im Durchmeſſer; erweitern ſich aber mit dem Wachsthume der Muſchel; die Erweiterung des Bohrloches beſchränkt ſich nicht auf den hinteren Theil allein, der Anfang desſelben gewinnt in glei— cher Weiſe an Umfang, er mißt bei alten Eremplaren oft⸗ mals ½ Zoll im Durchmeſſer. Wäre die Schale allein das Bohrinſtrument, ſo könnte dies nicht ſein, der hinter ihr gelegene ausgebohrte Canal, der den röhrenförmigen Theil des Thieres einnimmt, würde ſich nicht erweitern und die Schale, nachdem ſie gewachſen iſt, im Bohrloche nicht mehr rückwärts können. Nun aber ſind es gerade die weis chen fleiſchigen Wandungen des röhrenförmigen Theiles, welche den Bohrcanal erweitern und ſomit bedürfen die Bohr⸗ muſcheln weder der Schalen noch ihrer Dornen, um ſich in feſte Gegenſtände einzubohren. Waͤhrend man nun, jedoch wie der Verf. gezeigt hat, mit Unrecht für Teredo und Pholas die Schale als Bohr- inſtrument betrachtete, glaubte man, daß Saxicava und die ihr verwandten Muſcheln mit zarter Schale ſich durch eine ſaure Flüſſigkeit Eingang ins Geſtein verſchafften. Selbſt Olsner bleibt bei dieſer Anſicht, obſchon er trotz aller Mühe und Sorgfalt auch nicht eine Spur irgend einer 85 226. Xl. 6 86 Säure entdecken konnte; der Verf. forſchte gleichfalls nach ihr, ohne ſie finden zu können. Da er ſich, wie ſpäter mitgetheilt werden ſoll, unzweifelhaft überzeugt hatte, daß die Schnecken mit den vordern weichen Theilen bohren, ſo vermuthete er in der Hautbedeckung dieſes Theiles Bläschen mit ſolcher Flüſſigkeit erfüllt; er legte deshalb den vorderen Theil eines lebenden Thieres auf Lackmuspapier und quetſchte ihn gelinde zwiſchen zwei Glasplatten, ohne daß, obſchon der Verſuch vielfach wiederholt ward, jemals eine ſaure Flüſſigkeit zum Vorſcheine kam. Außerdem wurden Thiere verſchiedener Arten und verſchiedenen Alters aus ihren Lö— chern genommen, an ihrem Vordertheile ein Stückchen Lack— muspapier befeſtigt und ſie darauf in friſches Seewaſſer ge— ſetzt. 3 oder 4 derſelben ſaßen tagelang gerade mit ihrem Vordertheile auf dem Papiere, ohne daß eine ſaure Reaction bemerkbar wurde. Überdies bohrt Saxicava nicht allein in Kalkgeſteinen; Clavagella, die ſicher nicht durch ihre Schalen einwirkt, dringt ſogar in Kieſelconglomerate. Nimmt man nun aber mit einigen Forſchern eine gleiche Beſchaffenheit des löſenden Agens bei allen Bohrmuſcheln an, ſo muß man auch für dieſes Agens, das ſowohl Kalk, Muſcheln, muſchelhaltigen Sandſtein, Kieſeleonglomerate und Holz auf— löſ't, eine ganz beſondere Beſchaffenheit annehmen. Eine ſolche Flüſſigkeit müßte indes die eigene Schale des Thieres angreifen, da lebende Exemplare der Saxicava rugosa nicht ſelten von andern derſelben Gattung durchbohrt werden. Osler will zwar eine feſte gelbe Subſtanz beobachtet ha— ben, die, wenn die Schale durchbohrt iſt, dem weitern Ein— dringen des ungebetenen Gaſtes ein Ziel ſetzt. Der Verf. konnte indes, obſchon er ganz ähnliche Fälle häufig beobachtete, dieſe Subſtanz nirgends entdecken; nach ihm hat die zweite Muſchel, ſobald ſie die Schale durchbohrt hat, das Terrain für ihren Byſſus, mit dem ſie ſich feſtſetzt, verloren und kann ſchon deshalb nicht weiter bohren. Nach Os ler ſoll auch die cuticula, auf welche dasſelbe Agens einwirkt, un— verſehrt geblieben ſein; der Verf. glaubt, daß dies nur zu— fällig ein Mal Statt gefunden, indem er ſelbſt die epider- mis jederzeit zerſtört fand. Wo ein Paar Bohrlöcher, wie es häufig geſchieht, zu— ſammenſtoßen, ſind die Kanten dieſer Durchgänge immer ſcharf, was wohl für eine Friction, keineswegs aber für ein Auflöſungsmittel ſpricht, auch da, wo keine Muſchel die an— dere durchbohrt, find die Kanten des Bohrloches jederzeit ſcharf, niemals abgerundet. Im Bohrloche der Saxicava findet man nicht ſelten ein feines Pulver, das ſich in Säuren unter Brauſen löſ't; ein ähnliches Pulver bedeckt die Schale von Gastrochaena; ja ſogar der Vordertheil des Thieres ſelbſt muß bei Saxicava mit dem mechaniſch abgeriebenen Kalkgeſtein bedeckt ſein, da dieſer Theil mit ein wenig Säure behandelt, ein Aufbrau— ſen veranlaßt; wäre eine freie Säure vorhanden, ſo könnte hier kein kohlenſaurer Kalk anweſend ſein. Eine Säure würde ohnehin ohne Waſſer wenig wirken können, zumal bei denjenigen Muſcheln, die, wie es bei Saxicava der Fall iſt, keine Heftſcheibe beſitzen; hier müßte ſich das Waſſer noth— wendig mit der ausgeſchiedenen Säure miſchen und ſelbige verdünnen. Das poröſe Talkerde haltige Kalkgeſtein der Küſte von Northumberland und Durham iſt überdies ſo mit Waſſer geſättigt, daß eine Säure dort kaum örtlich wirken könnte; noch weniger würde dies möglich ſein, wo die Bohr— muſchel einen Korallenſtock durchdringt, deſſen Zellen mit Waſſer oder thieriſcher Materie erfüllt ſind. Nun bohren überdies einige Muſcheln bald in Stein und bald in Holz: Pholas dactylus, parva und candida, die nach Turton an der Küſte von Devonſhire in loſem Kalkſteine niften, find nach Montagu auch im Holze zu finden; Pholas striata durchbohrt die härteſten Eichen und entſpricht ſomit den Teredo- Arten. Da auch der Körper der letzteren mit äußerſt feinem abgeriebenem Geſtein bedeckt iſt, ſo läßt ſich wohl annehmen, daß alle Bohrmuſcheln auf dieſelbe Weiſe und zwar durch mechaniſche Mittel bohren. In einem Holzſtück, das von dem Schiffsbohrer (Te- redo navalis) durchlöchert war, fand der Verf. jedes Thier mit einem feinen Mehle bedeckt, das von der Farbe des Holzes ſich auch ganz wie zerkleinertes Holz verhielt. Eve— rard Home, der dasſelbe beobachtet hat, glaubt, daß die Schnecke aus dem Holze keine Nahrung zieht: der unver— änderte Zuſtand des Holzes ſcheint dies zu beſtätigen. Die von Garner aufgeſtellte Theorie endlich, nach welcher ein durch Wimperbewegung hervorgebrachter Waſſer— ſtrom Stein und Holz aushöhlen ſoll, ſcheint dem Verf. völlig unhaltbar zu ſein, da man zunächſt bedenken muß, mit welcher Schnelligkeit die Löcher entſtehen. Nach Thom p— ſon ward der Boden eines flachen Schiffes in 4 bis 5 Monaten von der Teredo völlig zerſtört, eine Diele in 40 Tagen durchbohrt. Saxicava und die ihr verwandten Arten, ebenſo Pholas bohrt Löcher, die mit dem Wachsthume des Thieres immer größer und daher trichterförmig werden; es ſcheint demnach, als ob mit beendigtem Wachsthume der Schale auch das Vermögen dieſer Thiere tiefer zu bohren, aufhört, indem von nun an ihre Löcher eine gleiche Weite erhalten müßten, was nicht der Fall zu ſein ſcheint. Ein Strom, wie ihn die gewöhnlichen Wimpern hervorrufen, iſt viel zu ſchwach; würde er aber, wie Garner vermuthet, durch einen aus dem langen röhrenförmigen Körpertheile hervortretenden Strom an Schnelligkeit und Kraft gewinnen, ſo müßten durch einen ſtarken Strom die zarten Wimpern nothwendig verletzt werden. Nun hat der Fuß der Pholas- Arten allerdings Wim: pern, dieſelben fehlen aber ſowohl dem Wulſte des röhren— förmigen Theiles als wie dem Mantel; gerade dieſe ſind aber die Bohrwerkzeuge. Der Fuß der meiſten, vielleicht aller Acephalen iſt überhaupt mit Wimpern bekleidet, ihr Vorkommen bei Pholas kann deshalb nicht befremden; ſie dienen wahrſcheinlich dazu, die Oberfläche rein zu halten. Der Mantel von Saxicava rugosa iſt durchaus geſchloſſen, dort kann demnach kein Strom Statt finden, erſt weiter nach hinten liegt eine kleine dem Fuße und Byſſus ange— hörige Offnung, aus dieſer könnte aber nur, wenn das Thier nicht mit dem Byſſus feſtſitzt, ein Strom hervortreten. Ga- strochaena und Clavagella haben eben fo wenig am Vor- dertheile eine Offnung. Dem Vordertheile der Saxicava feh⸗ 6 87 226. XI. 6. len überhaupt die Gilien, die wie bei andern Acephalen nur am Fuße vorhanden ſind. Ein Waſſerſtrom durch Wimper— bewegung veranlaßt, kann demnach nimmermehr die Urſache der Bohrlöcher ſein. Einige Gaſteropoden — Patella, Hipponyx u. ſ. w. — machen ähnliche Vertiefungen in Felſen und harte Sub— ſtanzen; Patella vulgata dringt manch Mal einen halben bis einen Zoll tief in weiches Geſtein; Gray ſchreibt dieſe Er— ſcheinung einem Auflöſungsmittel zu, nun beſchränkt ſie ſich indes nicht auf Kalk, ſondern niſtet vielmehr auch in feſtem Sandſteine; nach der Härte des Geſteins richtet ſich die Tiefe ihrer Löcher. Garner glaubt auch hierin eine Wir— kung der Wimpern zu ſehen; da nun die Branchialwimpern aber bei Patella auf einem vorſpringenden Streifen zwiſchen Mantel und Fuß angebracht ſind, ſo muß auch gerade an dieſer Stelle der Strom am ſtärkſten ſein. Wäre es nun wirklich ein Waſſerſtrom, der die Aushöhlung bewirkt, jo müßte eine Vertiefung der Stelle entſprechen, wo dieſer Strom am ſtärkſten iſt. Der Mantel der Patella iſt übri— gens nicht mit Wimpern beſetzt, wohl aber die untere Fläche des Fußes und doch bohrt ſie meiſtens ein rundes dem Man— tel entſprechendes Loch, die Cilien ſind überdies ſo zart, daß ſie nur bei den ſtärkſten Vergrößerungen ſichtbar werden; der Fuß der Doris, Limapontia, Purpura und Littorina be— ſitzt dagegen ungleich größere und kräftigere Wimpern. Vergleicht man dieſe mikroſkopiſchen Ströme mit den um viele tauſend Mal ſtärkeren Strömungen der Fluth und Ebbe, ſo wird man leicht einſehen, wie das Geſtein ungleich ſchneller dom Anſchlagen der Wellen als vom ſchwachen Kreisſtrome der Bohrmuſchel ausgewaſchen werden müßte, daß Patella demnach eher auf einer Geſteinserhöhung als in einer Vertiefung liegen müßte. Derſelbe Beweis würde auch für Pholas und Teredo gelten. Bei einem Schiffe, das 10 Knoten in der Stunde macht, wird das Waſſer gewiß nicht minder auf deſſen Planken einwirken als die kaum wahr— nehmbaren Ströme, welche die Bohrmuſchel veranlaßt und doch dringt letztere ſchon während einer Reiſe von Europa nach Indien mehrere Zoll tief in das Holz. Die Muſcheln ſowie das Geſtein, in welches ſich die Patella eingebohrt hat, zeigen immer beſtimmt angeordnete, meiſtens ſehr feine Schrammen, die ſicher nicht durch einen Waſſerſtrom, wohl aber durch mechaniſche Mittel entſtanden ſind. Der Verf. hat ſchon zu Anfang erwähnt, daß er den Vordertheil der Thiere für das Bohrinſtrument hält; bei Teredo und Pholas beſteht dieſer Theil aus dem Fuße und den Rändern des Mantels, welche die Vorderſpalte der Schale vollſtändig ausfüllen, bei Saxicava und Gastrochaena beſteht dieſer Theil ganz aus den mit einander vereinigten Rändern des Mantels. Der Fuß und Mantel tritt bei Teredo aus den Schalen hervor, der erſtere iſt kreisrund, an ſeiner Spitze concav, er wirkt wahrſcheinlich in derſelben Weiſe wie bei Pholas. Everard Home nennt ihn den Rüſſel, er fol nach ihm ſich wurmförmig bewegen und mit einer euticula be— kleidet fein, die der cornea des Auges ähnlich iſt. Dieſer Rüſſel beſitzt keine Offnung; Home glaubt, daß er ſich ans Holz lege und wie die Spitze eines Bohrers wirke, während das Thier mit der Schale fortbohre. Der Verf. ſah keine lebende Teredo, die Exemplare, die in Spiritus bewahrt ihm zu Gebote ſtanden, ſtimmen mit Homes Angaben überein; das Fußende entſpricht in Form und Größe vollkommen dem Ende des Bohrlochs. Bei Pholas crispata iſt der Fuß ganz wie bei Teredo gebaut, er ragt aus den Schalen hervor, iſt groß, an ſeinem Ende conver; dieſes Ende, das jederzeit feſt am Grunde des Bohrloches haftet, entſpricht der Geſtalt dieſes Grundes voll: kommen. Die freien Ränder des Mantels umgeben den Fuß, ſie füllen mit ihm genau den Grund des Bohrloches aus. Bei Pholas candida und parva iſt der Vordertheil eben fo gebaut, Dagegen iſt die Schale von Pholas papyra- cea und striata bei ausgewachſenen Thieren nach vorn ge— ſchloſſen; nun hat aber Sowerby gezeigt, daß Pholas la- minata das Junge des einen, P. minuta das des andern iſt, beide entſprechen den übrigen Pholas-Arten; der Verf. glaubt demnach, daß Pholas papyracea und striata nur im jugend⸗ lichen Alter Löcher bohren, wie überhaupt die Bohrlöcher ſämmtlicher Bivalven in einer Zeit gemacht find, wo das Thier noch wächſ't. Sobald das Bohrgeſchäft vollendet iſt, füllt ſich bei den beiden letztern Muſcheln nicht nur die vor⸗ dere Spalte, ſondern mit ihr nimmt wahrſcheinlich auch der Fuß an Größe ab. Auch bei Saxicava rugosa entipricht der Grund des Bohrloches genau der Form des Theiles, welcher die Bohrung ausführt. Genannte Saxicava iſt gleich Gastrophaena Pholadia vom Mantel dicht umhüllt; beide haben nur an der Röhre eine Offnung, außerdem am Vorderende eine kleine Spalte ſo lang wie ein Dritttheil der Schale, aus welcher der Byſ— ſus und ein kleiner ſchlanker Fuß hervorragt; der Mantel iſt nach vorn ſehr verdickt, er bildet eine kiſſenartige ellipti— ſche Anſchwellung, die ſich etwas nach hinten wendet und von den Thieren beliebig aus der Schale hervorgeſtreckt werden kann. Der Grund des Bohrloches entipricht, wie ſchon be= merkt, der Geſtalt dieſes Polſters. Letzteres haftet indes nicht am Bohrloche, wird aber durch den Byſſus, mit dem das Thier feſtſitzt, gegen den Boden des Loches gedrückt; das letztere zeigt auch häufig eine erhabene Stelle, welche genau dem Anheftungspunkte des Byſſus entſpricht. Wahrſchein⸗ lich ſind alle übrigen nur in Kalk bohrenden Muſcheln eben jo geſtaltet. Petricola beſitzt nah Somwerby einen nach vorn verdickten Mantel, der eine kleine Offnung für den Fuß beſitzt; ganz dasſelbe jagt Owen von Clavagella, in- dem er bemerkt, daß dieſer Theil des Mantels zur Vergrö— ßerung des Bohrloches dient. Auch der Mautel son Litho- domus ſcheint nach vorn geſchloſſen zu ſein. Die Löcher, in welchen die Patella lebt, entſprachen, wie ſchon bemerkt, der Geſtalt dieſes Thieres. Die Bohrlöcher der Acephalen bilden niemals an ihrer Eintrittsſtelle mit der Oberfläche des Geſteins oder Holzes einen rechten Winkel, find vielmehr immer etwas nach einer Seite gewendet. Die Löcher der Teredo- Arten behalten nur zu Anfang dieſe Richtung, gehen dann aber nach der Willkür des Thieres in ſehr verſchiedener Richtung weiter; die Löcher der Saxicava und Pholas bewahren im allgemeinen N 89 226. ihre urſprüngliche Richtung, wenden ſich indes bisweilen etwas ſeitwärts. Dieſe ſchiefe Richtung des Bohrloches ſpricht nicht zu Gunſten einer rotatoriſchen Bewegung, er— klärt ſich vielmehr aus der ſeitlichen Lage des Thieres in ſeiner Schale, wodurch auch die ſchneidende Oberfläche mehr nach einer Seite wirken muß. (Schluß folgt.) Miſeellen. 15. Ernährung der Seidenraupe mit Scorzoner⸗ blättern. Hr. Repos zu Avignon ſucht ſeit Jahren nach einem Surrogat der Maulbeerblätter, welche erſt nach etwa 10 Jahren vollkommen brauchbar ſind und jedenfalls ein warmes Klima ver⸗ langen. Durch Analyſe der Maulbeerblätter zeigte ſich, daß die— ſelben viel Zucker und ein eigenthümliches Gummi enthielten, von welchem letztem die Quantität feſtgeſtellt wurde. Davon aus⸗ gehend, hat er dieſes Gummi als zur Production der Seide un— erläßlich in den Blättern einjähriger und in allen Klimaten aus— dauernder Pflanzen aufgeſucht und hat es in der Scorzonere ge⸗ funden. Dieſes Blatt, obwohl dem Maulbeerblatte in ſeiner chemi⸗ ſchen Zuſammenſetzung ſehr nahe ſtehend, entbehrt jedoch einiger XI. 6. 90 Elemente. Hr. Repos hat dies nun dadurch zu erſetzen geſucht, daß er die Scorzonerenblätter in folgende Flüſſigkeit eintauchte: Waſſer 100, Zucker 30, Gummi 5, Salmiak 2 und Ertract der Maulbeerſtängel 4 Theile. Dieſe Flüſſigkeit giebt den Blättern den Geſchmack von Maulbeerblättern, welcher den Seidenrau⸗ pen behagt. Ihre Seide iſt von derſelben Qualität. Man ſäet die Scorzonere Ende Februars und kann Mitte Mai ſchon die Blatter ſchneiden und ſo fort von 8 Tagen zu 8 Tagen. Man nimmt daher den Boden nur 2½ Monate im Jahr ohne Erkrag in Anſpruch und überdies iſt die Scorzonere 2jährig und ihre Wurzeln ſind brauchbar. Alles berechnet, koſtet mit Scorzonere die Erziehung von 4 Unzen 230 Francs, im ſüdlichen Franken (mit Maulbeer⸗ blättern) dieſelbe Erziehung von 4 Unzen 300 Fres. Es iſt alſo mit der Scorzonere noch 70 Fres. Vortheil, ungefähr 24%. (Bi- bliotheque universelle de Geneve, Mars 1849.) 16. Protogine ift als der Quarz des Montblanc von Hrn. A. Deleſſe in den Annales de Chimie et Ph. Jan. 1849 beſchrie— ben und einer genaueren Unterſuchung unterworfen worden. Schon im Jahre 1806 wurde der Granit des Montblanc durch Hrn. Ju— rine von den übrigen Quarzfelſen unterſchieden, eine genauere Unterſuchung iſt aber erſt jetzt unternommen, wonach der Protogine aus Quarz (unvollkommen kryſtalliſirt, grau- violett), Orthoſe, Oligoklaſe, Glimmer und feinen Talkblättchen beſteht. Der Verf. unterſcheidet zwei Sorten Protogine, den granitartigen und den ſchieferartigen. Heilk (J.) Über den Hals als medieiniſche Region und über paroxrysmale Lähmungen. Von Dr. Marſhall Hall). II. Die Endigung — itis als Bezeichnung für Entzündung iſt ganz gebräuchlich geworden, — die Endigung — ismus kann auf eine andere nicht inflammatoriſche Claſſe ange— wendet werden: in dieſem Sinne haben wir strabismus, laryngismus, pharyngismus, cheirismus, podismus etc. Der Ausdruck trachelismus kann für die parorysmalen Affectionen des Halſes gebraucht werden, wobei die Muskeln unregelmäßig wirken — und phlebismus können wir ge— brauchen, wenn die unter den betreffenden Muskeln liegenden Venen comprimirt ſind und ihr Blutlauf gehemmt wird, wobei die Compreſſion der inneren Droſſelader (bei parorys— maler Apoplerie, Lähmung oder Manie) als sphagiasmus und die Compreſſton der Rückenmarks- und Vertebralvenen als rhachiasmus aufgeführt werden kann, welcher mit epilepti— ſchen und anderen convulſtviſchen Leiden von Affection des Gehirns oder Rückenmarks vorkommt. Trachelismus und phlebismus bilden eines der wichtigſten Vorkommniſſe in der Pathologie, beſonders des Nerven— ſyſtems. Veranlaßt durch Gemüthsbewegung oder Erre— gung von Refleraction bewirken ſie ihrerſeits Congeſtion nach dem Gehirn oder Rückenmark und parorysmale Hirn- oder Rückenmarkskrankheiten. Es giebt keine Ordnung, keinen Grad, in welchem die Halsmuskeln nicht wirken, in welchem die Halsvenen *) The Lancet, March 1849. 285. (Die erſte Abtheilung in No. 4 viejes Bandes.) 1 8 5 * N unde. nicht comprimirt ſein könnten; es giebt auch keine Form von Cerebral- oder Spinalleiden, vom augenblicklich vorüber— gehenden Schwindel oder Delirium bis zum coma oder Ma⸗ nie, von der leichteſten ſpasmodiſchen oder paralytiſchen Af— fection bis zur Epilepſie oder Hemiplegie, welche nicht als Folge dieſer Compreſſion auftreten könnten. Haben wir aber die Grenzen klar vor Augen, ſo ſind wir auch für jede zwiſchenliegende Beobachtung vorbereitet. Eine merkwürdige Beſtätigung dieſer Anſichten bieten die Erſcheinungen bei der Strangulation. In dem Momente, wo der Strang um den Hals feſtgezogen wird, tritt apoplektiſche Fühlloſigkeit ein, darauf folgt Epi— lepfie; die Zunge wird vorgetrieben, bisweilen zerbiffen, in anderen Fällen erfolgt Erection und Gjaeulation; Aſphyrie aber endet dieſe Zufälle. Es iſt klar, daß wir nach dem Vorausgeſchickten auch mit dem Edinburger Collegen nicht übereinſtimmen können, daß Strangulation ohne Luration der Halswirbel immer einfach durch Apoplerie tödte. Bei leichteren Graden von Strangulation und bei den leichteſten Wirkungen derſelben iſt doch immer Gefühlloſigkeit zugegen. Ein Mal wollte ein junger Menſch am Abend vor einer Hinrichtung ſich don der möglichen Empfindung beim Erhängen überzeugen und machte eine Schlinge an einem horizontalen Balken loſe an und legte ſeinen Hals nur darauf; ſogleich erfolgte Fühlloſigkeit, Bewußtloſigkeit, und der arme Burſche wurde am anderen Morgen als un: vorſätzlicher Selbſtmörder gefunden. Der Coroner von Mi- dleſer hat oft Gelegenheit, wirkliche Selbſtmörder in Stel- lungen zu finden, wo der leiſeſte Schmerz oder die geringſte Unentſchloſſenheit hingereicht haben würde, der Strangulation noch zu entgehen, wäre noch etwas Bewußtſein zurückgeblieben. 91 226. XI. 6. Man erinnert ſich des einfältigen Geſchicks eines ame— ricaniſchen Tauchers, der ſich an der Waterloo-Brücke ſchein— bar am Hals anhängen wollte; der Strick rutſchte und legte ſich wirklich feſt um den Hals; es wurde kein Verſuch, ihn zu retten, gemacht, und er ſelbſt hatte ſogleich das Bewußt— ſein verloren. Man kennt das Manöver der Thugs (indischen Räuber); das Schnupftuch iſt feſt umgelegt und im Momente ſchwindet Bewußtſein und jede Kraft des Geiſtes oder Körpers iſt im Momente verſchwunden. Monro der Altere hing einen Hund an eine Schnur mit Ausſchluß der trachea, es erfolgte Empfindungsloſigkeit aber keine Aſphyrie. Ein anderes Beiſpiel iſt es, wenn ein Pferd gegen das Halsband zieht und die megrines (hemicrania) bekommt; in einem ſolchen Falle ſah Dr. H. Smith, wie die äußere Jugularvene, welche früher geöffnet worden war, wieder aufplatzte und blutete. Ein beſtimmteres Erperiment von Sir Aſtley Cooper iſt folgendes: „Bei einem Kaninchen wurden beide Jugularen am Halſe unterbunden. Das Thier blieb geſund, obwohl kurze Zeit ſeine Reſpiration um die Hälfte langſamer wurde. nach feiner vollkommenen Erholung wurde es getödtet; es fanden ſich nicht nur zwei anaſtomoſirende Venen, die das Blut vom Kopfe zum Herzen führten, ſondern es waren auch die Vertebralvenen wegſam geblieben. — Bei einem zwei— ten Kaninchen wurden eben ſo die Jugularen unterbunden, die Reſpiration wurde langſam, ſonſt blieb das Thier mun— ter; aber am fünften Tage ſchien es betäubt, ſeine Ohren liefen, am ſiebenten Tage erfolgten Convulſionen; es über— purzelte ſich, die willkürliche Bewegung wie die Empfindung war verloren. An dieſem Tage ſtarb das Thier, und bei der Section fand ſich Blut im linken Hirnventrikel extra— vaſirt. Daraus folgt, daß Apoplerie bisweilen Folge von Verſtopfung des Rückfluſſes des Blutes durch die Jugular— vene iſt. Dies habe ich auch bei einem Knaben durch Drüſen— anſchwellung am Halſe erfolgen ſehen.“ Hierzu gehört noch eine Bemerkung Abererombies; nachdem er von der Wirkung der Strangulation geſprochen hat, und von den zahlreichen Beiſpielen, wo Leute plötzlich in einem Zuſtande von Apoplerie niederſtürzen, aber unter paſſender Behandlung ſehr raſch ſich erholen, ohne irgend eine Spur dieſer ſchrecklichen Krankheit zurück zu behalten, fügt er hinzu: „Der apoplektiſche Anfall muß wohl in ſolchen Fällen von einer Urſache abhängen, welche bloß auf das Circulationsſyſtem des Gehirns wirkt und hier eine Störung ganz plötzlich hervorruft, die aber eben fa raſch wieder verſchwindet. Was dieſe Störung eigentlich fein möge, iſt ſehr ſchwer zu beſtimmen.“ Aber: crombies philoſophiſcher Geiſt fühlte mit aller Entſchie— denheit, daß hier ein Prineip fehlte, welches eben durch dieſe Bemerkungen aufgeſtellt werden ſoll. Ich wiederhole nun, daß die Erſcheinung des Erröthens Jedermann bekannt iſt; als Folge von Gemüthsbewegungen habe ich darauf hingewieſen, daß Contraction des platysma über der äußeren Jugularvene das zweite und der verhinderte Blutrückfluß das dritte Glied in der Kette von Urſache und Wirkung iſt. — Nimmt man einen ähnlichen Zuſtand bei der inneren Droſſelader an, ſo haben wir hier auch ein Erröthen des Gehirns, d. h. einen Congeſtionszuſtand mit Schwinden der Gedanken, stupor, und ſelbſt Apoplexie; oder wird die Vertebralvene jo afficirt, jo wird ein Erröthen der medulla oblongata mit verſchiedenen krampfhaften Affectionen, wie strabismus, laryngismus oder ſelbſt Epilepſie, erfolgen. Ich habe in der That einen Zuſtand von wiederkehrendem venöſem Erröthen der Hand eines an Consvulſtonen leidenden Kindes geſehen. Wenn nun dieſe Venen gemeinſchaftlich affieirt werden, ſo müſſen auch complicirte Reſultate folgen, und es kann alſo venöſe Lividität des Geſichts und der Hände auch leicht mit apoplektiſchen und epileptiſchen Zuſtänden verbunden werden. Das Charakteriſtiſche für die Entſtehungsweiſe durch jenes „Erröthen“ iſt nun der parorysmale Charakter der Zufälle. Ein leichter Grad von trachelismus führt zu dem Ge— fühl von Strangulation oder Zuſammenziehung oder Fülle und Druck um den Hals; dieſe Zuſtände muß man von den Kranken beſchreiben laſſen, ohne ſpeciell danach zu fragen. Es ſchließen ſich daran Apoplerie, Lähmung, Manie oder Epilepſie in allen ihren Abſtufungen, das reichſte Feld der Beobachtung für den Arzt. Die Haupturſache it Gemüths⸗ bewegung, und man könnte Bände ſchreiben über die ſchrecklichen Folgen der Gemüthsbewegungen und Leiden⸗ ſchaften, wie fie trachelismus und phlebismus herbeiführen, und deren weitere Folgen. Zunächſt wären dann die Wir- kungen von Serualexceſſen zu unterſuchen und zuletzt die Wirkungen der Erregung von reflectirter oder directer Spi⸗ nalaction. Alle dieſe Wirkungen müſſen von denen der Entzündung und organiſchen Veränderung unterſchieden werden, und eine genaue Diagnoſe iſt in der That keine leichte Aufgabe. In meinem vorigen Aufſatze (I. ogl. No. 4 dieſes Bds.) habe ich hervorgehoben, daß kein einziger Muskel exiſtirt, der nicht krampfhaft zuſammengezogen werden und dadurch Hemmung des Blutrückfluſſes bewirken könnte. — Eine weitere Folge iſt, daß kein Organ eriſtirt, welches ſein Blut zu einer ſolchen Vene abgiebt und nicht der Sitz von Congeſtion, oder ſo zu ſagen, von einem apoplektiſchen Zuſtande ſein könnte. — Als noch weitere Folge kann ich nun hinzufügen, daß es keine parorysmale Affection des Nervenſyſtems, beſonders des Hirn⸗ oder Spinaltheils, gebe, ſie mag noch jo ſchwer oder ſcheinbar leicht ſein, welche nicht als eine Urſache dieſer Reihe von Urſache und Wirkungen nachgewieſen werden könnte. — Dieſe Angabe iſt auf jede Art von Krankheit des Nervenſyſtems in der Hirn- und Rückenmarksſphäre angewandt worden, daher kommt: stupor, Unbeſinnlichkeit, Cerebralepilepſte, Schwindel, Kopfſchmerz, delirium, Flam⸗ menſehen, muscae, Trübſichtigkeit, Amauroſe jeden Grades, Ohrenklingen bis zur Taubheit; Neuralgie und andere krank— hafte Empfindungen, paralytiſche Affectionen; Epilepſtie und jede Art von krampfhaft⸗condulſtoiſchen Leiden. Inſoweit trachelismus parorysmal iſt, jo ſchwindet die abhängige Affection auch wieder vollkommen, aber dafür * 9 226. XI. 6. 94 giebt es feine Grenzen. Mit der Zeit wird das Verſchwin— den der Affection unvollkommen, die Venencongeſtion wird allmälig mehr oder minder permanent, meiſtens in Form leichter Paralyſen. Was iſt nun dabei ſpeciell der Zuſtand der zwiſchen liegenden Blutcanäle, der feinſten Arterienäſtchen und Venenwurzeln? Geben ſie nach und dehnen ſie ſich aus, wie wir bisweilen kleine Ekchymoſen im Geſichte ſehen? Findet Gewebsverletzung, Ergießung oder Erweichung des Cerebral- und Spinalgewebes Statt? Mit einem Worte hat man es ſeit undenklichen Zeiten zugegeben, daß geiſtige Aufregung und Leidenſchaft, ſowie geſtörte Zuſtände des Magens, der Leber, des Darms ıc. apoplektiſche Anfälle herbei führen. Ich glaube nun, zum erſten Male dafür den rationellen Grund anzugeben, indem ich die Claſſe der parorys malen Krankheiten des Nervenſyſtems aufgeſtellt habe. Ich lenke die Aufmerk— ſamkeit der Arzte und Kranken auf dieſes „heilbare“ Stadium der ſchrecklichen Krankheiten, bevor fie aus dem parorxys— malen Zuftande in den einer permanenten Gewebsverletzung übergehen. Dies iſt lebendige Pathologie, jene aber in den Büchern, wo nur von den Producten der Krankheit die Rede iſt, kann nur eine todte genannt werden. Hier ſind die Punkte der Diagnoſe und Therapie, welche Arzt und Patienten intereſſiren. — Entzündung und ihre Urſachen, venöſe Congeſtion und ihre Urſachen, Zuſtände des Inhaltes des Gefäß ſyſtems, Anämie, Plethora, Wirkung von Alkohol; Tuberkeldiatheſe, Diabetes, Albuminurie ſyphilitiſche Aus— ſchläge ꝛc. Sitz der Krankheit in den Häuten oder in der Subſtanz der Centralnervenorgane, acuter oder chroniſcher Charakter ꝛc. ꝛc., dieſe Erinnerungen zeigen, wie ausgebreitet hier die Aufgabe der Diagnoſis iſt. — Alſo bei den parorys— malen Krankheiten giebt es zwei Stadien, das der Functions, das der materiellen Störung; beide freilich ſind coineident und in beſtimmtem Maßverhältniſſe zu einander; bei den ſchwerſten Formen erfolgen Zerreißungen gleich mit der Functionsſtörung. Es iſt eine intereſſante Aufgabe, die Wichtigkeit der Entzündung und des hier beſprochenen Congeſtiozuſtandes vergleichungsweiſe feſtzuſtellen. Ich glaube, der letztere iſt der bei weitem häufigſte veranlaſſende Factor von Krankheit der Subſtanz der Nervencentra; ſeine Folgen ſind häufig für die der Entzündung genommen worden, welche allerdings die häufigſte, wenn auch nicht die einzige Urſache der Ver— änderung der Häute (beſonders arachnitis) iſt. Dies bleibt eine Aufgabe für ſpätere Ermittelung. Die ſpeeifiſche Folge von gehemmter Veneneirculation in äußeren Theilen iſt eine doppelte; 1) varicöſe Ausdeh— nung; 2) ſeröſe Ergießung. Ich möchte, bis dies etwa durch Beobachtung widerlegt wird, annehmen, daß ähnliche Vor— kommniſſe in den Nervencentren Statt finden, die zu Rei— zung oder Structurveränderung führen. Zerreißung oder Structurerweichung können folgen, wenn die entſprechenden Heilmittel verſäumt werden. Ich will nun kurz auf die Behandlung eingehen. Die Urſachen, — alle Gemüthsbewegungen, Leiden— ſchaften müſſen ſorgfältig vermieden werden; alle Veranlaſſung zu gaftrifcher und Inteſtinal-Reizung iſt zu beſeitigen. Ich halte regelmäßiges Spazierengehen und beſonders eine Fuß⸗ tour für das bedeutendſte Präventivmittel; die beſten Wir— kungen habe ich von einem leichten Mercurialmittel in Ver— bindung mit Ipecacuanha und Squilla und einem eröffnenden Mittel geſehen, ſo genommen, daß der Mund leicht affleirt wird und alle Secretionen und Excretionen erregt werden, während man der Mereurialcacherie durch Bewegung in freier Luft zuvor kömmt. Der Kopf muß mittels Waſchungen, aus 3 Theilen Waſſer und 1 Theil Alkohol, kühl gehalten werden, während man für warme trockene Füße ſorgt. Sinapismen legt man in den Nacken, bis an die Oh⸗ ren herunter; dabei ſind trockene oder blutige Schröpfköpfe nützlich. Dies iſt indes eigentlich die Behandlung der andauern— den Congeſtion. Das Wichtigſte bleibt immer die Vermei— dung der Veranlaſſungen des trachelismus und feiner näch⸗ ſten Wirkung. Es iſt indes klar, daß, wenn wir das Ge— hirn und den Verſtand, wie den Gebrauch der Gliedmaßen ſicher ſtellen wollen, wir die Venen entleeren müſſen. In einem dritten Aufſatze will ich noch eine Parallele zwiſchen Entzündung und Congeſtion der Nervencentra ziehen. (XI.) Zur Diagnoſtik der Klappenaffectionen des Herzens. Von Dr. G. Rapp ). Die Reſultate einer intereſſanten Habilitationsarbeit ſtellt der Verf. ſelbſt wie folgt zuſammen. 1) Der Impuls des Herzens iſt der einzige Anhalts— punkt, um zu beſtimmen, ob ein Geräuſch ein ſyſtoliſches oder diaſtoliſches iſt. 2) Auf welche Weiſe die Herztöne auch entſtehen mö— gen, ſo iſt dieſes für die Diagnoſe der Klappenleiden von wenig oder gar keinem Belange, wohl aber geben 3) die Pſeudogeräuſche der einzelnen Klappenleiden Auf- ſchluß über die wahrſcheinlichen Entſtehungsmomente der Herztöne und über die Qualität und Localität der Klappen⸗ affection. 4) Nach dieſen Pſeudogeräuſchen der einzelnen Klappen- leiden iſt die Theorie Skodas über die Entſtehung der Herztöne unwahrſcheinlich. 5) Die Anſicht von Dr. C. Canſtatt, daß bei Ste: noſis der v. mitralis ein ſyſtoliſches Blaſen Statt finde, be: ruht wahrſcheinlich auf einer Verwechſelung des rechten mit dem linken Ventrikel. Um dieſen Irrthum zu vermeiden, iſt es nothwendig, 6) die Form- und Lageveränderungen des Herzens, wie ſte den verſchiedenen Klappenleiden zukommen, ſich gehörig zu vergegenwärtigen. es feiner Habilitationsſchrift in Henle und Pfeufers Zeitſchrift wirkſamſte Mittel. 95 226. XI. 6. 96 7) Die Lage des Herzens bei Geſunden darf daher bei der Unterſuchung von klappenkranken Herzen nicht zur Richt— ſchnur genommen werden. 8) Bei der Inſufficienz der y. mitralis beſteht Regurgi— tation- und Syſtoleblaſen und conſtituirt dieſes Klappen— leiden für ſich allein öfter die Urſache des Todes, jedoch viel ſeltener als Stenoſis. 9) Die relative Inſufficienz der v. kricuspidalis ſpricht ſich ebenfalls durch ein ſyſtoliſches Blaſen aus. 10) Die Inſufficienz der mitralis läßt ſich nach den ſtethoſkopiſchen Zeichen nicht mit der Inſuffieienz der y. kri- euspidalis verwechſeln. 11) Intenſives Syſtoleblaſen am linken ostium ve- nosum iſt auch ſchwach an der gorta zu vernehmen, mit gleichzeitigem Verſchwinden des erſten Aortatones. 12) Diaſtoleblaſen des arteriellen Oſtiums bedingt ein Verſchwinden des zweiten Ventrikeltones und iſt an der Spitze des Ventrikels zu hören. Daraus folgt, 13) daß der zweite Ventrikelton, der fortgeleitete zweite Aortaton und 14) daß der erſte Aortaton der fortgeleitete erſte Ven— trikelton iſt. 15) Durch ein Syſtoleblaſen des linken Ventrikels ver— ſchwindet nie der erſte Ton desſelben. 16) Dieſer erſte Ventrikelton hat daher ein anderes Entſtehungsmoment als die Function der Mitralklappe. 17) Die excentriſche Hypertrophie des Herzens iſt bei weitem die häufigſte. 18) Die einfache und concentrifche Hypertrophie eriſtirt wahrſcheinlich gar nicht. 19) Inſuffieienz der Aortaklappen bedingt keine excen- triſche Hypertrophie des rechten Ventrikels. 20) Da bei Stenoſe der Aortaklappen der Choe ſchwach iſt, fo möchte die Erklärung von Prof. v. Kiwiſch über die Entſtehung des Herzſtoßes nicht allein hinreichen. 21) Pſeudogeräuſche für ſich allein berechtigen nicht zur Annahme eines Klappenleidens, wenn nicht zugleich die ſecundären Formveränderungen des Herzens und die conſe— eutiven Störungen im Kreislaufe da find. 5 22) Die Klappenleiden des rechten Ventrikels laſſen ſich diagnoſtieiren, ſowohl wenn fie für ſich allein, als in Verbindung mit linkſeitiger Klappenaffection vorkommen. xt) Miſcellen. (11) Sublimat gegen Verhärtung des uterus em⸗ pfiehlt in Guy's Hosp. Rep. 2d S. VI. I. Dr. Oldham als das Er meint, die Verhärtungen, welche nach ab- ortus, nach häufiger Überreizung durch Erregung der Ovarien und nach Unterleibsſtörungen eintreten. Jod hilft in der Regel nichts, dagegen ſah Dr. O. von der in England officinellen Sublimat⸗ ſolution (Liquor Hydrargyri Bichloridi) die beſten Erfolge; dieſe Solution beſteht aus 10 Gran Sublimat und 10 Gran Salmiak in 20 Unzen deſtillirten Waſſers aufgelöſ't. Alſo 1 Unze Flüſſig⸗ keit enthält ½ Gran Sublimat (der Salmiak verhütet nur die Zer⸗ ſetzung). Dr. Oldham läßt ſchwache Frauen 1—2 Drachmen zwei Mal täglich nehmen (1 Drachme enthält / Gran Sublimat) in Verbindung mit toniſchen Mitteln, namentlich Eiſen. Es macht die Solution höchſt ſelten Speichelſluß. Die Wirkung iſt langſam, doch bisweilen auch ſchon in 6—8 Wochen genügend. Bei Ex⸗ creſcenzen am Muttermunde iſt das Atzen mit Höllenſtein jedem anderen Mittel vorzuziehen. Sonſt find Atzmittel bei der Kranf- heit nachtheilig und es iſt ein Hauptempfehlungsmittel des neuen Verfahrens, daß dabei jene örtlichen Behandlungsweiſen ganz weg⸗ fallen. Als locale Stärkungsmittel werden außerdem noch kalte Hüftbäder und Salz- und Alaunbäder empfohlen, ferner Tannin⸗ Suppofitorien, Abkochungen von Eiſenrinde und Einſpritzungen von Zinkſulphat; dabei ein guter Bauchgürtel mit einer Dammpelotte zur Unterſtützung. Zur inneren Stärkung wird NMagisterium Bis- muthi mit 1 bis 2 Gran Mohnertract, milde Diät und Landluft empfohlen. (12) Das kohlenſaure Natron gegen die Cholera em⸗ pfiehit ein Dr. Maxwell in einem Briefe an Liebig in Gießen als ein raſches und wirkſames Mittel, welches er in Hyderabad in dem eigentlichen Vaterlande der Cholera erprobt haben will. Der Kranke erhält ſogleich 1 Theelöffel voll von dem Mittel in Hafer⸗ ſchleim und wenn es ausgebrochen werden ſollte, dasſelbe mit etwas Opiumtinctur und einer reichlichen Doſis Ricinusol, um das Mit⸗ tel raſch in die Dünndärme weiter zu führen, wo Dr. M. den Si des Giftes annimmt. Sowie etwas von dem Ole in den Stuhl⸗ entleerungen erſcheint, iſt nach Dr. M. die Geneſung bereits be⸗ gonnen und der Patient wird bald darauf Urin laſſen, wo man ihn dann außer aller Gefahr betrachten kann. Wenn nöthig, ſoll die Mediein Morgens und Abends in etwas kleiner Doſis wieder⸗ holt werden. Bei großer Verbreitung der Krankheit giebt er fol⸗ gende Boli: kohlenſaures Natron 20 Gr., Opium 3 Gr. (0, Gummi Gutti 5—10 Gr., Grotonöl 2—3 Gr. (!), Seife 20 Gr.; der Bolus wird mit einem Schluck kohlenſauren Natron hinabgeſchwemmt (19. Auf dieſe Weiſe kann mau Boli und kohlenſaures Natron hinrei⸗ chend für Hunderte mit Leichtigkeit in der Taſche bei ſich führen. (Aus der Darmſtädter Zeitung 12. Oct.) (13) Zur Verhütung der Wanzen, welche unter Um⸗ ſtänden ein für den Arzt, namentlich den Militär- und Schiffsarzt gar nicht unwichtiger Gegenſtand find, wird in den Annals and Magazine of Nat. Hist., Jan. 1849 als das beſte Mittel — die Tränfung des Holzwerkes, in welchem ſich die Thiere aufhalten konnten, mit einer Auflöſung von Zinkchlorid empfohlen, welche in England un⸗ ter dem Namen von Sir William Bürnetts disinfecting fluid patentirt iſt. Die Auflöſung wird mit einer Feder in alle Fugen und Spalten der Bettſtellen eingeſtrichen und macht das Holz für die Wanzen „unwirthbar“, wahrſcheinlich giftig. (14) Stramonium⸗Cigarren, welche bekanntlich als Mittel gegen Aſthma empfohlen werden, werden nach Dr. Day's treatise on domestical Management and diseases of advanced life auf die Weiſe gemacht, daß man Belladonnablätter 6 Gr., Hy⸗ oscyamusblätter 3 Gr., Stramonium 3 Gr., Phellandrium aquati- cum 1 Gr., reinigt, miſcht und klopft, ſodann / Gr. waſſeriges Opiumextract mit Ag. Laurocerasi d. 8. miſcht und zum Anfeuch⸗ ten der Tabaksblätter benutzt und darauf wie beim Fabriciren ges wöhnlicher Cigarren verfährt. Bibliographiſche Neuigkeiten. Memoirs of the geological Survey of the United Kin dom; figures and de- seriptions illustrative of british organic Remains Decade 2. Lond. 1849. So. 2 Sh. 6 d. 40. 4 Sh. 6 d. E. Lawes, The acts for promoting the public health 1848 and 1849 with Notes and an analytical Index; and the nuisances removal and diseases preven- tion Acts 1848 and 1849. 2d Edit. 12°. (pp. 390.) London 1849. 8 Sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 227. Mr. 7. des XI. Bandes.) November 1849. Naturkunde. Hancock, über die Weiſe, in welcher Molluſten die Felſen anbohren und ihre eigenen Schalen abſchleifen. (Schluß.) — Duchartre über Pflanzenembryonen mit mehreren Samenlappen. — Bliſſon, Beſchrelbung der Larve und Nümphe von Nebria brevicollis. — Miſcellen. Leidy, Augen des Balanus rugosus. Newport, doppelter Reſpixationsapparat bei Pteronareys regalis. Owen, os humero-capsulare des Ornithorhynehus a- radoxus. Brandt, der Dodo gehört zu den Grallae. Nelkenertrag Amboynas. — Heilkunde. Marſhall Hall, über den Hals als meviciniiche Region und über verſteckte Krankheitsanfälle. III. — Stratton, zufällige Vergiftun mit Zinfchloriv und ein Gegengift dafür. — Miſcellen. Bouiffon, 9 über die Lithotritie durch das perinaeum. Landouzy, aͤtiologiſche Beziehung der 8 8 zur Brightiſchen Krankheit. Wanner, Behandlung des Ty— phus nur mit Eis. — Bibliographie XII. über die Weiſe, in welcher Molluffen die Felſen anbohren und ihre eigenen Schalen abſchleifen. Von Albany Hancock. (Schluß.) Der Verf. kommt jetzt zur Hauptſache, zum Bohrinſtru— mente, dem Vordertheile des Thieres ſelbſt. Schon oben zeigte er, wie die Teredo-Arten das Holz zu Pulver reiben und wie Patella die glatte Oberfläche anderer Muſcheln zer— kratzt; eine ſolche Wirkung kann kein Auflöſungsmittel, kein mikroſkopiſcher Waſſerſtrom hervorbringen; ihre Urſache muß eine mechaniſche fein. Der Verf. unterſuchte den Fuß einer Teredo norvegica, die in Spiritus aufbewahrt worden: die Oberfläche war zähe und lederartig und überall mit klei— nen unregelmäßigen Pünktchen beſäet; ward ein Theil dieſer Oberfläche unter das Compreſſorium des Mikroſkopes ge— bracht, ſo bemerkte man eine Menge kleiner glänzender Punkte, die bei vermehrtem Druck ſich als verhältnißmäßig große kryſtalliniſche Körper von verſchiedener Geſtalt und Größe zu erkennen gaben; ſie waren in großer Anzahl vorhanden, meiſtentheils fünfſeitig, ſtimmten aber alle darin überein, daß ſie in der Nähe ihres Mittelpunktes einen oder mehrere hervorragende Punkte beſaßen; dieſe Spitzen erſchienen von oben geſehen als leuchtende Punkte. Die beſchriebenen Kör— perchen brachen das Licht ſehr intenſiv, fie waren durchaus regelmäßig über die ganze convere Fläche des Fußes ver— theilt, hie und da auch maſſenartig angehäuft; ganz ähnliche Körperchen waren in den Theilen des Mantels, die den Fuß umgaben, zu finden. Der Fuß und der ihn umgebende Manteltheil von Pho- las zeigt dieſelbe Erſcheinung. Die convere Oberfläche des Fußes von Pholas crispata erſcheint unterm Compreſſorium des Mikroſkops von kleinen dunklen Flecken, aus deren Mitte No. 2207. — 1107. — 227. ein glänzender Punkt fein Licht entfendet, überſäet. Bei ſtärkerer Vergrößerung erſcheint die ganze Oberfläche mit kryſtalliniſchen Körpern, die zum Theil dunkel, zum Theil durchſichtig find und den bei Teredo beſchriebenen gleichen, bedeckt; ſie bilden meiſtens kleine glänzende Häufchen. Dieſe Körper ſind bei einigen Arten farblos, wo ſie indes, wie es häufig vorkommt, dunkel rothbraun erſcheinen, haben ſie zu— mal, wenn das ſie umgebende Gewebe etwas verdickt iſt, ein drüſenartiges Anſehen. Die dunkeln Flecke von drüſenarti— gem Anſehen, die Owen im Mantel der Clavagella be⸗ ſchreibt, werden demnach wahrſcheinlich ähnliche kryſtalliniſche Körperchen ſein. Bei Saxicava rugosa finden ſich am Vordertheile des Thieres dieſelben ſchon beſchriebenen kryſtalliniſchen Körper; fle ſind hier meiſtens größer und feſter, auch häufig grup— penweiſe angeordnet. In eine dünne epidermis eingebettet, ſind ſie ſelbſt farblos, rein wie Glas und ſtark lichtbrechend; dieſe dünne epidermis bedeckt den verdickten Theil des Man— tels und hängt beim lebenden Thiere feſt mit ihm zuſam— men, läßt ſich aber, wenn dasſelbe längere Zeit in Spiri— tus gelegen, leicht abheben. Der verdickte Theil des Man⸗ tels der Gastrochaena enthält ähnliche Kryſtallkörperchen; aus Mangel an genügenden Eremplaren konnte der Verf. ſie nicht ſo genau wie bei den anderen Gattungen unter— ſuchen. Fuß und Mantel von Patella vulgata beſitzen eben⸗ falls ähnliche glänzende Körper, die jedoch kleiner wie die bisher beſchriebenen find. Bei einer americaniſchen Pa- tella, welche die Schale einer anderen durchbohrt hatte, fand der Verf. ſie ſehr entwickelt. Am Rande des Mantels la— gen bei einem getrockneten Exemplare große unregelmäßig gruppirte Kryſtallkörper; ganz ähnliche kamen eben ſo un⸗ regelmäßig vertheilt am Fuße des Thieres vor. Die Körper waren fünf- bis ſechsſeitig, dick und in der Mitte mit einem 7 1 99 227. Ih 7, 100 vorragenden Punkte verſehen; durch ſtarken Druck zwiſchen Glasplatten erhielten ſie von der Mitte ausgehende ftrahlen- förmige Riſſe. Die beſprochenen kryſtalliniſchen Körperchen ſind, wie der Verf. glaubt, modificirte Epithelialſchüppchen, die ſich indes von den gewöhnlichen Epitheliumzellen durch ihre Fe— ſtigkeit, ihre lichtbrechende Kraft und ihr kryſtalliniſches An— ſehen ſehr unterſcheiden. Um dieſen Unterſchied recht deut— lich zu ſehen, braucht man nach dem Verf. nur ein Stück— chen von der Oberfläche des untern Theils der Spritzröhre einer Pholas unters Compreſſorium zu bringen. Beide Ar— ten der Epithelialſchuppen ſcheinen indes abgeworfen zu wer— den; das Bohrmehl von Saxicava enthält immer eine große Menge derſelben kryſtalliniſchen Körper, die den Mantel des Thieres beſetzen; das Pulver, welches die Schale von Ga- strochaena bedeckte, hinterließ ebenfalls, nachdem es mit Säure behandelt worden, die genannten Körperchen; das— ſelbe gilt vom Bohrmehle der Teredo-Arten. Durch das Abwerfen und die Neubildung der Kryſtallkörperchen iſt, ſel— bige mögen nun Epithelialſchüppchen fein oder nicht, jeden— falls für eine bleibende Schärfe des Bohrinſtrumentes geſorgt. Druck ſprengt die Körperchen in ſcharfe eckige Bruchſtücke, Eſſigſäure greift fie nicht an, die Kryſtallkörper von Saxi- cava bleiben ſogar, wenn ſie Tage lang in concentrirter Salpeter— ſäure gelegen, unverändert, nur das ſie umgebende Gewebe wird allmälig zerſtört; die Körper von Pholas und Teredo ſchei— nen der Salpeterſäure keinen ſo hartnäckigen Widerſtand zu leiſten, auch ſie können, ohne angegriffen zu werden, ſtun— denlang in der genannten Säure liegen, werden auch nie— mals ganz von ihr zerſtört, vielmehr nur kleiner und dünner, dagegen um ſo glänzender und ſcharfkantiger; die Körper: chen ſcheinen darnach aus Kieſelerde oder einer Verbindung dieſer Säure mit thieriſchen Stoffen zu beſtehen. Da nun die Dornen auf der Zunge der Gaſteropoden, wie man neuerlich entdeckt hat, aus Kieſelſäure beſtehen, ſo iſt bei der kryſtalliniſchen Beſchaffenheit, der Härte und dem Glanze der Körper, wenngleich die chemiſchen Reactionen das Daſein der Kieſelſäure nicht beſtimmt entſcheiden, ihre Gegenwart wenigſtens ſehr wahrſcheinlich gemacht. Sind aber die Kör— perchen wirklich Kieſelkryſtalle, ſo iſt durch ſie die Weiſe, in welcher die Bohrmuſcheln Stein und Holz angreifen, leicht erklärt. Fuß und Mantel der Teredo, Pholas und Patella, desgleichen der verdickte Theil des Mantels von Saxicava, Gastrochaena und der ihr verwandten Weichthiere wirken ſomit als eine kräftige Reibſcheibe, deren Oberfläche ſich am beſten mit dem ſogenannten Glaspapiere vergleichen läßt und bleibt nur noch zu beweiſen, wie dieſe Reibmaſchine durch Muskelthätigkeit gehörig bewegt werde. An dieſen Muskeln fehlt es nun durchaus nicht, der haftende Theil des Fußes ſowohl als der Mantel ſind bei Teredo und Pholas und ebenſo bei Patella mit Muskeln durchwebt; der verdickte Theil des Mantels der Saxicava iſt gleichfalls mit nach allen Richtungen verlaufenden Muskelfaſern durchſetzt. Bei Clavagella liegen außer den Muskeln, die das Zurüd- ziehen der Röhren bewirken, faſt alle übrigen als dicke con— vere Maſſe im Vordertheile des Mantels und bilden hier größtentheils quer verlaufende das Gewebe durchſetzende Bün⸗ del. Dieſer kräftig entwickelte Muskelapparat iſt aber ſicher nicht zwecklos dorthin gelegt, dient vielmehr, wie der Verf. glaubt, zur Bewegung des Bohrinſtrumentes. Indem ſich der fleiſchige Fuß von Pholas oder Teredo am Geſteine, Holze oder Schalthiere feſt ſetzt, bohrt er ver⸗ mittelſt feiner über den Fuß und einen Theil des Mantels verbreiteten Kieſelkryſtalle mit Leichtigkeit in dieſe Materialien; von Patella gilt dasſelbe, Gastrochaena und Saxicava ſetzen ſich dagegen mit ihrem Byſſus feſt, ſie bohren mit dem ver⸗ dickten Theile des Mantels. Keine aller dieſer Arten bedarf zu dieſem Geſchäfte einer rotirenden Bewegung; bei Pholas und Teredo, wo jeder Theil des Reibapparates mit dem Grunde des Bohrloches in inniger Bewegung ſteht, genügt eine Contraction, um die Reibe in Thätigkeit zu ſetzen. Für Patella gilt dasſelbe, auch ſie kann, da ihr Bohrloch wie das Thier ſelbſt elliptiſch iſt, nicht durch rotirende Bewegung bohren. Bei Saxicava und Gastrochaena, wo das Bohrloch weiter wie die Bohrſcheibe iſt, muß man dagegen annehmen, daß ſich das Thier bald auf die eine bald auf die andere Seite feſt heftet und ſo bald mehr nach der einen bald mehr nach der andern Seite arbeitet. Alle dieſe Thiere ſchleifen durch wurmförmige Contractionen, wie es Ederard Home am Fuße der Teredo beobachtete. So wäre denn, fährt der Verfaſſer fort, dieſe wun⸗ derbare Naturerſcheinung auf einfache Urſachen zurüdge- führt. Man darf wohl annehmen, daß ſämmtliche Bohr— molluſken in derſelben Weiſe ihre Aufgabe löſen und weder durch ihre Schalen noch durch ein Löſungsmittel, eben ſo wenig durch Wimperſtröme thätig ſind und kann daraus ſchließen, daß nur ſolche, die mit einem breiten Heftfuße oder mit einer nach vorn gerichteten Mantelverdickung ver⸗ ſehen ſind, bohren können. Venerupis perforans müßte, ob— ſchon es noch zweifelhaft iſt, ob ſie wirklich bohrt, hierher gehören; an der Küſte von Northumberland, wo weiche Schalen ſowie Geſteine aller Art in Menge vorkommen, bohrt ſie niemals, niſtet ſich dagegen in verlaſſene Bohrlöcher von Pholas und Saxicava; Kellia suborbicularis macht es nicht anders; ſie und noch viele andere ſind demnach vielleicht ganz ohne Grund als Bohrmuſcheln verſchrieen worden. Wollte man wiederum fragen, warum bei gleichem Reibinſtrumente Saxicava nur Kalkgeſtein, Teredo nur Holz angreift, ſo läßt ſich dieſe Frage am beſten durch den In— ſtinet des Thieres ſelbſt erklären, indem eine jede Species, wie es im Thierreiche ganz allgemein iſt, immer ſolche Orte aufſucht, die für ihr Fortbeſtehen am tauglichſten ſind. Fur Saxicava geſellt ſich zu dieſem Inſtinete noch eine mechani⸗ ſche Urſache; ihr kleines Haftorgan iſt nicht wohl geeignet, das Thier auf mürbem Geſteine oder jo brocklichen Schalen, wie fte an den Küſten von Northumberland vorkommen, feſt zu halten, fie wie Patella vertrauen ſich vielleicht ſchon deshalb keinem fo unſicheren Boden an. Clavagella, die außer ihrem Byſſus noch mit der einen Schale ſelbſt an Geſteinen haftet, bohrt dagegen in ungleich weichere Subſtanzen. Der Verf. geht jetzt zu einem anderen mit Auer Gegenſtande nahe verwandten Punkte, der Wirkung des Man- 101 tels zum Abreiben der eigenen Schale einiger Gaſteropoden über. Bei Buceinum undatum, an der engliſchen Küſte ſehr häufig, findet man an der columella meiſtens eine Vertie— fung, welche ſich über die ganze Länge der Mündung (mouth) verbreitet und die beim lebenden Thiere genau dem Saume des Mantels entſpricht. Fusus antiquus und Purpura lapıl- lus ſchleifen in ähnlicher Weiſe ihre Columellen ab. Schon Gray machte auf dieſe Erſcheinung, die er als Abſorption bezeichnete, aufmerkſam; der Verf. glaubt dieſe Benennung nicht richtig gewählt, da keine Gefäßverbindung zwiſchen dem Mantel und der columella Statt findet; auch widerlegt er die von Gray gemachte Bemerkung, nach welcher die Mol— luſken, obſchon ſie Geſtein und ihre eigene Schale angreifen, dennoch Schmarotzermuſcheln, die ſich an ihre Schale ſetzen und deren Entwickelung verhindern, nicht entfernen. Auf einem kleinen Exemplare von Buceinum undatum ſaß eine Serpula, die ganz durchſchnitten war; an der Columelle eines Fusus antiquus hafteten zwei Eremplare von Balanus com- munis, beide waren gleichfalls und zwar, wie der Verf. ver— muthet, dom Fusus mit Hülfe des Mantels durchſchnitten. Sobald der Mantel von Buccinum undatum auf die erhaben geſtreifte Oberfläche der Schale einwirkt, verſchwin— den alsbald die Erhebungen, die Fläche wird geebnet ſein und jetzt erſt erſcheinen die Vertiefungen; würde hier eine Säure, die ohnehin ſchon wegen der Verdünnung durch das See— waſſer nicht eingreifen könnte, wirken, ſo würde die Säure ſich in den Rinnen der geſtreiften Oberfläche ſammeln und dieſe Vertiefungen weiter aushöhlen müſſen, niemals aber in der beſchriebenen Weiſe wirken können. Obſchon nun der Mantel des Buceinum als Schuß: mittel gegen ungebetene, das Wachsthum der Muſchel be— ſchwerende Gäſte dient und deren Kalkſchalen leicht zu ver— nichten weiß, kann er doch gegen das Sandgehäuſe der Terebella lumbricalis, das zum größten Theil aus Kieſel— ſtückchen beſteht, nichts ausrichten. Wäre hier eine Säure wirkſam, jo ſollte man glauben, ſie müßte die epidermis und nach ihr das Hautgebilde, welches die Kieſelſtückchen zuſammenhält, auflöſen und ſo die feindlichen Gehäuſe zer— ſtören; wohl aber iſt der Mantel von Buceinum undatum mit ähnlichen Kryſtallkörperchen, wie ſie am Fuße und Mantel der Bohrmuſcheln vorkommen, bedeckt, es ſcheint demnach, als wenn hier ein ähnliches Schleifwerkzeug die Columelle dünner ſchleife und die Spitzen der Schalenoberfläche der— gleichen verſchiedene Hinderniſſe wegfeilen. Auch hier ſcheint nur ſo lange als das Thier noch wächſ't, ſeine Columelle, um dem an Größe zunehmenden Thiere Raum zu gewähren, dünner geſchliffen zu werden, ganz ſo wie die Bohrmuſcheln nur während der Wachsthumsperiode von ihrem Bohrinſtru— mente Gebrauch machen. Zum Schluſſe gedenkt der Verf. noch der fleiſchfreſſen— den Gaſteropoden; an der Küſte von Durham hatte er mit Richard Howſe, der dort die Purpura entdeckte, Gelegen— heit, das Thier zu ſehen, wie es den gewöhnlichen Mytilus, dem es vorzugsweiſe nachzuſtellen ſcheint, anbohrte. Die Löcher hatten meiſtens ¼16 Zoll im Durchmeſſer, fie waren gerade jo groß, daß der Rüſſel durch das Bohrloch ging. 227. XI. 7. 102 Die ſehr lange bandförmige Zunge der Purpura iſt der Quere nach mit Reihen von Kieſelſpitzen beſetzt; ſie iſt viel ſchmäler als das Bohrloch, ihre vorderen Spitzen find ent weder abgenutzt oder nicht gehörig entwickelt. Das Bohr— loch iſt meiſtens kreisrund, bisweilen etwas oval, es geht häufig durch die epidermis, die bei Mytilus hornartig und feſt iſt; in dieſem Falle iſt die epidermis nicht zerriſſen, ſondern gleich der Kalkſchale rund durchbohrt. Dieſe Thatſachen führen den Verf. zu dem Schluſſe, daß auch hier eine mechaniſche Kraft thätig ſei, und daß die Zunge der Purpura ähnlich wie der Fuß und Mantel der Bohrmuſcheln wirke. XIII. über Pflanzenembryonen mit mehreren Samenlappen. Von P. Duchartre. So ſcharf, wie ſich die Pflanzen mit einem Samenlap— pen von denen mit zwei Samenlappen trennen und für ſich beſtehende große Gruppen bilden, ſo wenig unterſcheiden ſich die Pflanzen mit mehreren Samenlappen von den eigent— lichen Dicotyledonen; ſie ſtehen zerſtreut zwiſchen den letztern, laſſen ſich auch, da nicht ſelten in einer Gattung mit zwei Samenlappen eine Art mit mehreren Cotyledonen vorkommt, nicht in eine Gruppe vereinigen. Dieſe Betrachtungen ver— anlaßten den Verf., einige Pflanzen, denen ein polycotyle= doniſcher Embryo zugeſchrieben wird, zu unterſuchen, um zu ſehen, ob bei ihnen wirklich mehrere Cotyledonen oder nur zwei in mehrere Lappen getheilte Samenlappen vorkommen. Das Reſultat ſeiner Unterſuchung findet ſich in No. 770 des Institut von 1848 mitgetheilt. Der Verf. überzeugte ſich zunächſt, daß die Samenlap⸗ pen der dicotyledoniſchen Pflanzen überhaupt mehr oder we— niger eine Tendenz, ſich zu theilen, beſitzen, ja ſich hin und wieder ſo tief theilen, daß man jedes Läppchen eines Sa— menlappens für einen beſonderen Cotyledon halten könnte. Bei Dianthus chinensis ſah er alle Stufen einer ſolchen Theilung vor einem Paar gekerbter bis zu einem Paar voll- ſtändig in zwei faſt unzuſammenhängende Hälften getheilter Samenlappen. Eine ähnliche Theilung der Samenlappen giebt dem Embryo von Macleya ſcheinbar bald 3 bald 4 Cotyledonen. In einigen ſeltenen Fällen ſah der Verf. wirk— lich 3 Cotyledonen entſtehen. Zu denjenigen Embryonen übergehend, deren Samen— lappen normal zweitheilig ſind, beſchreibt der Verf. zuerſt die Entwickelung des Keimes der Amsinkia. Die beiden Cotyledonen ſind bei ihrem erſten Erſcheinen ungetheilt, bil— den aber bald zwei gleich große Lappen; verfolgt man ihre Entwickelung weiter, ſo kann man ſich immer entſchiedener von dieſer Theilung überzeugen. Ganz dasſelbe gilt für den Embryo von Schizopetalon Walkers Sims, der nach Ro- bert Browns und Barneouds Angaben 4 Samenlappen beſitzen ſoll. Bei dieſem Embryo ſah der Verf. ganz die⸗ ſelben Entwickelungsſtufen wie bei Amsinkia; die Theilung jedes Samenlappens iſt hier noch tiefer. Die Keimachſe mo 103 zeigt überdies nur zwei Gefäßbündel, die den beiden Samen— lappen entſprechen; jeder derſelben theilt ſich erſt ſpäter, um jeden Lappen zu verſorgen. Von den Keimlingen der Canarium- und Agathophyl- lum-Arten mit zwei Samenlappen, die ſich jeder wieder in 3 oder mehrere Läppchen theilen, geht der Verf. zu denjeni— gen der Coniferen, die nach Gärtner, Salisbury, L. C. Richard und M. A. Richard viele Cotyledonen beſitzen ſollen, über. Schon Adanſon und Juſſieu ſchreiben ih— nen nur zwei in mehrere lange und ſchmale Läppchen ge— theilte Cotyledonen zu. Der Verf. unterſuchte den Samen von 17 Arten und verfolgte an ihnen die Entwickelungen des Keimes, er glaubt die ältere jetzt beinahe verlaſſene Anſicht künftig unterſtützen zu müſſen. Die angeblich vielzähligen Cotyledonen der Pinus-Arten wie des Geſchlechts mit ana— logem Bau des Embryo ſtehen nicht auf einem Wirtel, d. h. bil— den keinen regelmäßigen Kreis um einen Punkt, ſondern immer zwei einander gegenüber ſtehende Gruppen, deren Stellung ganz die zweier gewöhnlichen Samenlappen iſt; beide Grup— pen ſind durch einen deutlichen Zwiſchenraum von einander geſchieden, während die einzelnen Lappen, welche der Verf. nicht für beſondere Cotyledonen, ſondern nur für Theilun— gen zweier Cotyledonen hält, dicht neben einander liegen. Der Raum zwiſchen beiden Gruppen beſitzt in der Mitte oft % vom Durchmeſſer des ganzen Keimlings. Häufig und zwar insbeſondere, wo dieſe Lappen zahlreich ſind, iſt der Embryo nach der Längsrichtung der beiden eigentlichen Sa— menlappen zuſammengedrückt. Von oben auf das Embryo geſehen, bilden die Läppchen beider Cotyledonen häufig zwei parallele Reihen, die durch eine ſehr deutliche Rinne von einander getrennt find. Dieſe Zwiſchenfurche (kente inter- cotyledonaire) verlängert ſich nach beiden Seiten des Embryo, ihre Tiefe läßt fie bei einigen Arten (Pinus Pinaster Solan.; Pinus excelsa Wall. u. ſ. w.) leicht erkennen. Die beiden gegen einander überliegenden ſeitlichen Furchen ziehen ſich bisweilen an der Achſe des Keimes noch weiter hinab: auf fie ſtützte ſich Juſſieu's Anſicht vom dicotyledoniſchen Em— bryo der Coniferen. Um in zweifelhaften Fällen die An— ordnung der cotyledonifchen Lappen in zwei Gruppen zu erkennen, empfiehlt der Verf. einen ſcharfen Querſchnitt durch den untern Theil der Samenlappen zu machen, der Baſtlar— theil zeigt alsdann ihre Anordnung in der beſchriebenen Weiſe und zwar mit hinreichender Deutlichkeit. Auch Le— ſtiboudois hat (fiche No. 160 der Notizen) erſt neuerlich aus den anatomiſchen Urſachen der Blattſtellung das Daſein zweier Samenlappen bei allen Coniferen nachgewieſen. Für die Ceratophyllum-Arten, die angeblich 4 Samen— menlappen von ungleicher Größe beſttzen ſollen, hat bereits Schleiden zweigliedrige Wirtel nachgewieſen; der zuerſt auftretende Wirtel trägt die beiden Samenlappen, der an— dere die beiden erſten Blätter der jungen Pflanze; des Verf. Unterſuchungen können dieſe Thatſache nur beſtätigen, er unterſuchte in ähnlicher Weiſe die meiſten angeblich polyeo— tyledoniſchen Keimlinge, konnte aber nirgends eine Rechtfer— tigung dieſer Benennung finden; Persoonig Arten ſtanden ihm leider nicht zu Gebote. 227. XI. 7. 104 XIV. Beſchreibung der Larve und Nymphe von Nebria brevicollis. Von Hrn. J. F. J. Bliſſon ). Die Larven dieſes Laufkäfers ſind lang, beſtehen aus ſehr beſtimmten Ringen, ſind mit einer glänzenden Haut bedeckt, am Kopfe, thorax und bis zur Mitte des Rückens braun, an den Seiten und Gliedmaßen ſtrohgelb. Die Beine find dünn und lang, der Unterleib endet mit einer Anal— röhre und zwei langen hellen Anhängen. Sie verwandeln ſich frühzeitig zu Ende des Winters, gewöhnlich gegen den 20. Febr. Die Vorſichtsmaßregeln, um nicht bei der Umwand⸗ lung geſtört zu werden, beſchreibt Hr. Bliſſon folgender⸗ maßen. „Dieſe Larven bewohnen Felder und Gärten, deren Erde ſandig iſt. Sie ſind ſehr gelenkig. Zu ihrer Verwandlung ſuchen ſie feſt getretene Stellen, z. B. Gartenwege, und etabliren ſich an ihrem Rande oder am Rande von Fußpfaden, da, wo der Boden feſt, aber friſch und leicht iſt. Die Feſtig⸗ keit des Bodens kann ſie vor mehreren Gefahren bewahren, erſtlich ſie vor den Verfolgungen der unterirdiſchen fleiſch⸗ freſſenden Larven ſicher ſtellen, aber auch vor der Gefahr in ihrer nicht ſehr tiefen Wohnung zerquetſcht zu werden, wie dies nach ſtarkem Regen oder bei dem Druck irgend eines Körpers auf den Boden geſchehen könnte, wenn ſie ſich in einem friſch gelockerten Boden niederließen, der durch die ge— ringſte Laſt zuſammengedrückt werden kann. Man bemerkt fie nie bei Tage; immer in der Nacht begin- nen ſie zu graben und ihre Arbeit iſt immer ſchon ziemlich weit vorgeſchritten, wenn der Tag anbricht, ſo daß ſie alsdann nicht mehr nöthig haben, an die Oberfläche herauszugehen. Um an die Stelle zu gelangen, wo ſie ſich verwandeln wol— len, machen ſie ein bisweilen ſenkrechtes, meiſtens etwas ſchräges Loch. Dieſes Loch don ungefähr 5 Millimeter Weite variirt in der Tiefe von 0,028 bis 0,056 Millime- ter. Um den Boden auszuhöhlen, nehmen ſie mit ihren Mandibeln ein oder mehrere Sandkörner und tragen ſie nach dem Eingange ihres Loches und bilden dort durch Herum⸗ legen derſelben einen kleinen Maulwurfshügel. Sind ſie hinreichend tief gekommen, ſo erweitern ſie den Grund des Ganges, um daſelbſt eine kleine Höhle zu bilden. Mit den Sandkörnern, die ſie aus dem Boden wegnehmen, um ihr Gemach zu vergrößern, verſtopfen ſie den verticalen Gang, indem ſie die Sandkörner zuerſt auf die Spitze ihres Hügels tragen und hierauf von unten her arbeitend, andere Körner fo anfügen, daß fie in der Regel das Loch vollſtändig ver— ſchließen, beſonders unmittelbar über ihrer Zelle; ſie wiſſen dieſe Körner ſo feſt zu legen, daß ſie, obwohl ohne jedes Cement, doch ein feſtes Gewölbe bilden. Wenn der Gang nicht in feiner ganzen Länge gefüllt ift, jo kommt dies wahr— ſcheinlich daher, daß die Larve eine zu große Quantitat Sand hinausgetragen und ihre Wohnung beendet hat, ſo daß ſie nun nicht mehr disponibles Material zur Ausfüllung der leeren Stellen oberhalb der Haupthöhle übrig har. Wenn *) Annales de la Soc. Entomologique de France. 1818. Tome VI. 105 ihr Gemach groß genug ift, jo beendigen fte dasſelbe von innen. Zu der ganzen Arbeit brauchen ſie gewöhnlich 30 bis 36 Stunden. Iſt alles geendet, ſo bleiben ſie gewöhn— lich 3 — 4 Tage in Ruhe und machen von Zeit zu Zeit eine Tour in ihrem Aufenthaltsorte, als wenn ſie von dem Zuſtande von Unthätigkeit ermüdet wären, zu welchem ſie jetzt genöthigt ſind: ſo erwarten ſie ihre Metamorphoſe. Iſt dieſer Moment gekommen, ſo verfallen ſie in eine Art lethargiſchen Schlafes, wobei ſie bisweilen auf dem Rücken oder der Seite liegen bleiben; ihr Körper ſchwillt, von Zeit zu Zeit krümmen ſie ſich convulſiviſch, und nach— dem fie ſo 4 — 5 Tage (ein Mal bei kalter Witterung 10 Tage) gelegen haben, gehen ſie in den Zuſtand der Nymphe über. Dieſer Zuſtand dauert wieder 18 — 20 Tage und hierauf erreichen ſie ihre vollkommene Entwickelung. Hr. Bliſſon hat mit Leichtigkeit mehrere dieſer Lar— ven in Trinkgläſern mit weiter Offnung und engem Boden aufgezogen, welche zu 2/3 mit einer leichten etwas feuchten Erde gefüllt waren. Miſeellen. 17. Beim Balanus rugosus, den man, wie alle Cirrho— poden bisher für augenlos hielt, hat Dr. Leidy Augen ent⸗ deckt; er fand an jeder Seite der Schale unter der dunkelrothen Haut, welche den Rand der letzteren umgiebt, ein Auge, dasſelbe 227. XI. 7. 106 iſt klein, rund und ſchwarz gefärbt, es iſt von einer Membran um— geben und beſteht aus einem Glaskörper, von dem die beiden vor— deren Dritttheile mit ſchwarzem Pigment bedeckt ſind. Das Auge erhaͤlt einen Nervenſtrang, der ſich bis zu dem unter der Speiſe⸗ röhre gelegenen ganglion zurück verfolgen läßt. (The American Journal of Science and arts, July 1848.) 18. Ein doppelter Reſpirationsapparat ward von Newport bei Pteronarcys regalis entdeckt; das geflü- gelte Inſect hat ſowohl Branchien, um im Waſſer leben zu können, als stigmata zur directen Reſpiration in der Luft. Der Verf. beſchreibt die Branchien und die Blutcirculation in denſelben und macht auf das abweichende ſowohl im Bau wie in der Lebensweiſe dieſer Thiere von den übrigen Inſecten aufmerkſam. (Annals and magazine of natural history, August 1848.) 19. Ein kleiner Knochen (das os humero - capsulare), der bei einigen Vögeln mit dem os coracoideum und dem humerus articulirt, ward von Owen auch beim Ornithorhynchus paradoxus aufgefunden, es iſt ein neuer Beweis für die Ahnlichkeit dieſes merkwürdigen Vierfüßers mit den Vögeln. (L’Institut, Mars 7. 1849.) 20. Der Dodo, der noch vor 200 Jahren auf Mauritius lebte, gehört nach Brandt zur Abtheilung der Grallae; eine genaue Unterſuchung ſeines Schädels führte ihn auf einige kleine Knochen, welche nur dieſer an Arten ſo reichen Abtheilung eigen 1815 (The Edinburgh new philosophical Journal, April to July .) 21. Der Nelkenertrag Amboynas beläuft ſich in einem mittleren Jahre auf 250,000 bis 300,000 Pfund (85); in den Jah- ren 1819 und 1820 war die Ausbeute ungleich größer; dafür betrug fie aber im Jahre 1821 nur 100,000 Pfund (tb). (The Journal of the Archipelago and Eastern Asia, Vol. III. No. 1.) Heilkunde. (XII.) über den Hals als medieiniſche Region und über verſteckte Krankheitsanfälle. Von Dr. Marſhall Hall ). III. Ich muß geſtehen, daß ich durch folgende Mittheilung und Beſtätigung meiner Anſichten ſehr überraſcht worden bin; es wird mir unterm 23. März dieſes Jahres geſchrieben: M. H. Einige Symptome eines Falles in dem University- College-Hospital haben mich als Erklärung des zweiten und dritten Gliedes in der Kette von Urſache und Wirkung oder von Symptomen der Epilepſie ſo intereſſirt, daß ich ſie Ihnen mitzutheilen mir erlaube. — Ein 19 jähriges Mäd— chen wurde wegen Aphonie aufgenomwen und mit Gal— vanismus am larynx mittels der elektromagnetiſchen Ma— ſchine behandelt. — Beim Gebrauche der Maſchine verſuchte ich auch die Wirkung auf die Halsmuskeln und bemerkte, daß wenn das Rad langſam gedreht wurde und die ober— flächlichen Muskeln ſich alternirend zuſammenzogen und er— ſchlafften, die Farbe des Geſichts ſich zu einer blühenden Röthe ſteigerte und kein unangenehmes Gefühl eintrat; wurde aber das Rad raſch gedreht, mit einem ſchwächeren Strome, *) The Lancet. April 1849. P. 394. ſo daß die Muskeln fortdauernd in Spannung erhalten wurden, ſo wurde das Geſicht dunkelroth, Lippen und Mundwinkel livid, die Augen injieirt, die Gedanken be— gannen ſich zu verwirren, es folgte Kopfſchmerz, Trübung des Geſichts, mit Flammenſehen wechſelnd. Dieſer Erfolg dauerte nach dem Aufhören der Einwirkung noch einige Minuten und hörte dann auf. — Die Behandlung hat auf die Aphonie noch keine Einwirkung gehabt, aber jene Be— obachtung ſchien mir in Bezug auf Ihre Theorie der con— vulſtviſchen Krankheiten von Intereſſe. Ich bin ꝛc. ac. J. Ruſſel Reynolds. Dieſe Beobachtung giebt den Plan zu einer Reihe von Erperimenten an Thieren an die Hand, welche Herr Rey— nolds wohl übernehmen wird. Nicht weniger intereſſant ſcheint mir folgendes Detail: Am 26. Febr. wurde ich zu einem 40 Jahr alten Fleiſcher gerufen. Einige Monate zuvor hat er an Geiſtesabweſen— heit und Schmerz in der rechten Schläfe, beſonders beim erſten Erwachen, gelitten, und am 25. Januar war er in ſeinem Laden apoplektiſch nieder gefallen. Bei dieſem An— falle wurden 24 Unzen Blut mit weſentlicher Erleichterung ſowohl der apoplektiſchen Symptome und des Schmerzes entzogen. Nachdem er ſich erholt, ging er raſch zu kräf— 107 tiger Diät über und die Zufälle wiederholten ſich; fein Ge: ſicht wurde roth aufgetrieben, die Pupillen wurden erweitert und der Schmerz und coma kehrten wieder. Am 26. Februar nun fand ich die Augen injieirt, die Pupillen träg, Schmerz in der Schläfe und langſames Ant: worten, Puls 50, keine Hemiplegie. Es wurde Venäſection in aufrechter Stellung bis zu beginnender Ohnmacht, mit einer leicht eröffnenden Mercurialmedicin angewendet. Am 27. Es waren 30 Unzen Blut entzogen worden, bevor der leichteſte Grad von Ohnmacht eintrat. Alle Sym— ptome waren gemildert, aber nicht beſeitigt, Puls 60. Schröpfköpfe in den Nacken, die Mediein fortgeſetzt, Spi— rituswaſchungen am Kopf, Sinapismen in den Nacken, Fo— mentationen der Füße. 28. Febr. Noch Schmerz in der rechten Schläfe, in— jieirte Conjunctiva, die Sprache langſamer als geſtern, ob— wohl der Puls 66. 1. März. Gegen Abend wurde es ſchlimmer, der Athem beſchwerlich, und gegen 10 Uhr erfolgte der Tod. Bei der Section fand ich die äußeren Jugularen aufgetrieben und ſtrangähnlich, die Kopfvenen ſtrotzend, die Hemiſphären platt gedrückt, im rechten vorderen Hirnlappen Erweichung und leichte Mißfarbigkeit, und eine Höhle, die mit dem rechten Ventrikel in Verbindung ſtand, welcher eben ſo wie der linke mit serum gefüllt war. Das übrige Gehirn war geſund. Bei der Section war der Bruder des Verſtorbenen, auch ein Fleiſcher, zugegen und ſagte, dieſes Ausſehen der Hirn— venen ſei ganz gleich dem beim Kalbe, wenn es mit der Art geſchlagen und nicht auch ſogleich geſtochen wird. Bei einer anderen eben ſo wohl unterrichteten Perſon erkundigte ich mich darüber weiter und ermittelte: Wenn ein Kalb mit der Art geſchlagen und ſofort geſtochen wird, ſo iſt das Gehirn blaß, wenn es aber nicht ſogleich geſtochen wird, jo werden die Venen des Gehirns, Rückenmarks und Halſes vermindert und ſtrotzen von Blut. Der dazu nöthige Zeitraum beträgt fünf Minuten. Die Augen ſind dann injieirt und roth; die Zunge und die innere Fläche der Mundhöhle werden livid; die Zunge iſt bisweilen vorgetrieben und zer— biſſen; der Athem wird laut und ſchnarchend; es zeigt ſich Strabismus und Gonsulfion der Geſichtsmuskeln und der Gliedmaßen. Blaſe und rectum werden bisweilen entleert, kurz, es find alle Symptome von Epilepfte zugegen. Dieſe Thatſache bietet den reichſten Stoff zum Nach— denken. Ich gehe indes weiter und bemerke nur, daß hier durch Reizung der Nerven der Hirnhäute oder durch die der medulla oblongata — trachelismus und alle ſeine Folgen herbei geführt ſind. Was würde die genaue Vertheilung einer durch die äußere, die innere Droſſelader, die y. vertebralis und die Brachial⸗ oder Arillarvene eingetriebenen Einſpritzung im einzelnen und ganz beſtimmt durch die ſorgfältigſte Zerglie— derung nachgewieſen, ſein? Was würde erfolgen, wenn man die beiden Droſſeladern und die beiden vv. vertebrales bei beſonderen Erperimenten an Thieren unterbände? Was für Schlüſſe ließen ſich aus ſolchen Unterſuchungen ziehen? Daß 227. XI. 7. 108 die genauere Pathologie des phlebismus oder der gehemmten Circulation in den Halsvenen noch feſt zu ſtellen ſei, iſt unzweifelhaft. Die Wirkungen des trachelismus bei einem epileptiſchen oder apoplektiſchen Falle von irgend welchem Grade bei Strangulation oder Compreſſion der Venen, ſind zu complicirt, um zu ſicheren und präciſen Schlüſſen zu führen. Anatomie, Phyſiologie und Pathologie des Halſes bieten jetzt aufs neue die wichtigſte Aufgabe für die Unterſuchung. Der erſte Schritt iſt aber ſchon gethan, wenn wir nur ihren Werth anerkennen. Zwei Gegenſtände beſchäftigen uns zunächſt noch hier: Die beiden Haupturſachen der Circulationsſtörungen in dem Encephalon und Enrhachidion (wenn ich dieſen Ausdruck gebrauchen darf) ſind Entzündung und Congeſtion. Alles führt zu dem Schluſſe, daß Entzündung in einer Unterbrechung des Fluſſes des Blutes in den Gefäßen zwi— ſchen den feinſten Arterien und feinſten Venen beſtehe. Con⸗ geſtion beſteht in einer Unterbrechung des Fluſſes des Blutes längs der Venen. Die erſtere beruht wahrſcheinlich in einer veränderten phyſtcaliſchen Beſchaffenheit der inneren Fläche der Blutgefäße, die letztere in Compreſſion der Venenſtämme. Es kann einen Punkt geben, wo ſich dieſe beiden Wirkungen vereinigen, im letzteren Falle, wenn Congeſtion wirklich in Entzündung übergeht. Die Urſachen der Entzündung wirken entweder unmit⸗ telbar auf die Blutgefäße oder erſt mittelbar durch das Ganglienſyſtem. Die Urſachen der Congeſtion, beſonders Gemüthsbewegung und Erregung der Refleraction, wirken durch das medium des Spinalſyſtems. Dies betraf die Theorie dieſer Affectionen; jetzt komme ich noch zu einer wichtigen Bemerkung über die Praxis bei denſelben. Es kommt bisweilen vor, daß gleich zu Anfang oder auch mitten im Verlaufe einer ſcheinbaren Beſſerung bei Krankheiten des Nervenſyſtems plötzlich eine rückgängige Ver— änderung eintritt, für welche ſich keine Urſache angeben läßt. — Ich habe Grund zu vermuthen, daß in ſolchen Fällen in der Nacht oder am Tage irgend eine parorysmale Af— fection unbemerkt Statt gefunden hat. Wird dies durch ſorgfältige Beobachtung feſt geſtellt, ſo wird der Schleier von manchem geheimnißvollen Zufalle weggezogen und wahr⸗ ſcheinlich der Tadel beſeitigt, den die Unwiſſenden ſo leicht⸗ fertig auf den Arzt werfen, welcher ja wahrlich in ſolchen ſchweren und gefährlichen Fällen für jedes unerwartete Er— eigniß verantwortlich gemacht wird, während er in der That nicht mehr Gewalt darüber hat als der Aſtronom über den Lauf der Sterne. Eine vorübergehende Gemüthsbewegung veranlaßt trache- lismus, dieſer phlebismus, und dieſer wieder, nebſt dem Zu⸗ ſtande der Nervencentren nach beendigtem Anfalle, iſt die Urſache, — vielleicht die verſteckte Urſache — des Anfangs, Rückfalls oder der Steigerung der Krankheit des Patienten. Iſt dieſe Vermuthung richtig, wie ſorgfällig müſſen nicht unſere Nachforſchungen bei ſolchen Gelegenheiten ſein? Oft iſt der einzige Nachweis über einen unbemerkt vorgekom⸗ menen epileptiſchen Anfall eine Bißwunde in der Zunge, oder 109 einige Gonfufton in den Gedanken, und doch wie manches iſt dadurch erklärt! In dem nächſten Aufſatze komme ich auf eine Herz— affection, wobei zuerſt die medulla oblongata, dann das Herz ergriffen wird und ein Ohnmachtsanfall eintritt. (XIII.) Zufällige Vergiftung mit Zinkchlorid und ein Gegengift dafür. Von Dr. Thomas Stratton ). Giebt man Zinkchlorid innerlich, ſo giebt man ½ bis 2 Gran pro dosi 2 — 3 Mal täglich, in Auflöſungen von 2 Gran auf eine Unze Waſſer, bisweilen etwas ſtärker. Folgende Fälle von zufälligem Verſchlucken größerer Mengen ſind vor Kurzem in Montreal (in Canada) vorgekommen. Erſter Fall. 4 Nov. 1847. — In einem Hauſe, wo ich gewohnt hatte, ſtand eine Quartflaſche, welche eine ſchwache Solution von Zinkchlorid enthielt “*) und mit einer Etikette verſehen war, worauf „Gift“ geſchrieben war. Ein 17 jähriges Dienſtmädchen glaubte, es ſei Branntwein in der Flaſche, ſetzte an und trank etwa ein Weinglas voll. Sie bemerkte ſogleich ihren Irrthum, bekam Schmerz und Übel— keit und bekam von einem anderen Mädchen Milch, erbrach darauf reichlich und fühlte ſich noch drei Wochen lang unwohl und hatte keinen Appetit. Da fie aus Scham die Sache verheimlichte, ſo erfuhr kein Arzt davon, und auch ich ſelbſt bekam erſt einen Monat ſpäter Kenntniß davon; ich ver— muthe, daß ſie im Ganzen etwa 12 Gran Zinkchlorid ver— ſchluckt hatte. Zweiter Fall. 4. Mai 1848. James C., 54 Jahr alt, ein ſtarker geſunder Mann, nahm eines Morgens als er erhitzt war, eine Quartflaſche, die eine ſtarke Zinkchlorid— löſung enthielt und auch mit der Etikette „Gift“ verſehen war, glaubte, ſie enthalte Branntwein, ſetzte ſie an die Lippen und trank, wie er annahm, ungefähr ein Weinglas voll, — 2 Unzen 5 Drachmen; nehme ich an, daß er 2 Unzen verſchluckte, ſo hat er 400 Gran Zinkchlorid genommen; aber hat er auch nur 1 Unze hinunter geſchluckt, ſo beträgt dies 200 Gran, was aber auch, nach der Mündung der Flaſche zu urtheilen, die geringſte Quantität war, die er wohl verfchluekt haben mag. — Er fühlte fogleich brennen— den Schmerz im Hals, Brennen und Kneipen im Magen, große Übelkeit und ein Gefühl von Kälte; 2 Minuten dar— auf verließ er das Haus und erbrach reichlich auf der Straße, etwa 50 Pards weit, legte er ſich vor das Haus eines Freundes nieder und hatte Erbrechen und Würgen. Ich wurde gerufen und kam etwa 20 Minuten, nachdem er das Gift genommen hatte, zu ihm. Er klagte über heftiges Brennen und Kneipen im Magen, Übelkeit und Erbrechen; die Beine waren gegen den Bauch in die Höhe gezogen, da— *) The Edinb. Med. and Surg, Journal, Oct. 1848. „) Man erinnert ſich, daß Dr. Stratton mit ver ſogenannten Burnettſchen Desinfectionsflüſſigkeit, welche aus einer Zinkchloridauflöͤſung beſteht, Verſuche gemacht hat, welche ſehr günſtig ausgefallen ſind. R. F. 227, XI. 7. 110 bei kalter Schweiß, Aufregung und Angſt, Puls 45, klein und ſchwach. Ich machte ſogleich eine ſtarke Hausſeifeauf— löſung und gab ihm davon. Er erbrach ſich alle 2—3 Minuten, und in der Zwiſchenzeit trank er von der Seifen⸗ brühe bis zu 2—3 Pinten. Er bekam auch warmes Waſ— ſer; das Erbrochene war geruchlos. Er fühlte ſich bald beſſer, der Bauchſchmerz ließ nach, und war nur bei Druck auf den Bauch fühlbar, Puls 50, weniger Kälte. Ich ſandte ihn in einem Cabriolet nach Saufe, in welchem er auf dem ganzen Wege Erbrechen hatte. Ich verordnete 12 Blutegel in die Magengrube und ſtündlich 1 Unze Olivenöl. 5 Uhr Nachmittags. Nach dem Olivenöle hat er meh⸗ rere Male gebrochen, er hat nicht beſonderen Durſt, Zunge feucht; Puls 60, von natürlicher Fülle, weich, ſchwach. Blutegel waren nicht zu haben. Ein Senfteig in die Ma— gengrube. Alle 2 Stunden ½ Unze Olivenöl. 1½ Unze Rieinusöl. 5. Mai. Er ſchlief ein wenig; der Magen war beſſer, doch klagte Patient noch über etwas Hitze und Schmerz beim Drucke. Er legte zum zweiten Male einen Senfteig, welcher große Erleichterung gab. Er vomirte einige Male, unmittel— bar nachdem er das Olivenöl genommen hatte. Zunge trocken, Durſt, einen übelriechenden Stuhlgang, Puls 72, weich; das Rieinusöl zu wiederholen; das Olivenöl alle 4 Stunden; ein Blaſenpflaſter auf die Magengrube; Lein- ſamenthee und Waſſer zum Getränk. Keine Speiſe. Nach⸗ mittags brach er 1 Stücken hautähnlicher Maſſe von etwa Zoll aus. Ich bekam fie nicht zu ſehen; der Be— ſchreibung nach waren es Fetzen der Schleimhaut. 6. Mai. Das Blaſenpflaſter hatte gut gezogen; inner— lich hatte er keinen Schmerz; die Zunge wurde an der Spitze roth, an den Rändern braun, Puls 80, klein, weich, ſchwach; Durſt, zwei übelriechende Stühle; kein Erbrechen. Das Olivenöl bleibt weg, Morgens 1 Unze Rieinusöl. Nur kalt Waſſer zum Getränk. 7. Mai. Patient ſteht auf. 8. Mai. Drei übelriechende Stühle, kein Erbrechen noch Schmerz beim Druck; es ſtellt ſich etwas Appetit ein, Puls 60. Zunge feucht, weiß, Schwäche. 10. Mai. Appetit ſehr gut, keine Unbequemlichkeit im Magen. 15. Mai. Hergeſtellt. Die Auflöſung des Zinkchlorids war zwar nicht von mir angefertigt, ſondern nur für mich geliefert, ſo daß ich über die Stärke derſelben nicht ganz ſicher ſein kann. Doch zweifle ich nicht, daß die obige Angabe über ihre Stärke richtig war. Die erſte Patientin nahm etwas von einer verdünnten Auflöſung und es iſt bemerkenswerth, daß fie drei Wochen lang an Appetitloſigkeir litt, während der zweite Patient, der eine viel ſtärkere Doſts nahm, ſeinen gewöhnlichen Appetit ſchon in 6 Tagen wieder bekam, wahr— ſcheinlich, weil er das geeignete Gegengift erhielt, während in dem erſten Falle gar kein Mittel angewandt wurde. Da das Zinkchlorid eine bedeutende geruchtilgende Kraft hat, ſo iſt es auch bemerkenswerth, daß die im zweiten Falle aus— gebrochene Maſſen keinen Geruch hatten, was wahrſcheinlich 111 von dem Zinkchlorid herrührte. Ich unterſuchte übrigens mit Sorgfalt, ob die Stuhlabgänge Geruch hatten, und da dies der Fall war, ſo war dies wohl ein Beweis, daß kein Zinkchlorid weiter herab als bis zum Magen gekommen war. Gegengifte. Vor einiger Zeit als ich meine Hände mit Seife wuſch, nachdem dieſelben mit Zinkchlorid-Auf— löſung in Berührung gekommen waren, bemerkte ich, daß Zerſetzung Statt finde, und ich dachte gleich, daß bei irgend einem Zufalle, wo jemand Zinkchloridlöſung verſchluckt haben ſollte, entweder Seife oder Pottaſche oder kohlenſaures Na— tron das geeignete Gegengift ſein würde. Ich nahm eine klare Auflöſung von natron carbonicum und ſetzte ſie einer klaren Zinkchloridauflöſung zu: es bildete ſich Natronchlorid oder gewöhnliches Küchenſalz in Auflöſung und ein Nieder— ſchlag von kohlenſaurem Zink. Zu einer klarern Löſung von kohlenſaurem Kali ſetzte ich eine klare Löſung des Zinkchlorids. Es bildete ſich Kali muriaticum in Auflöſung und ein Niederſchlag von kohlen— ſaurem Zink. Einer Seifenauflöſung ſetzte ich eine klare Zinkchlorid— löſung zu. Das Fett oder Ol der Seife wurde frei und ſam— melte ſich in runden oder ovalen Tröpfchen; dabei entſtand Kali muriaticum in Auflöſung und kohlenſaures Zink wurde abermals niedergeſchlagen. Was nun das Mittel als Gegengift betrifft, ſo iſt erſtlich ein günſtiger Umſtand, daß, ſowie eine übermäßige Doſis des Zinkchlorids in den Magen kommt, eine der erſten Folgen immer das Erbrechen iſt; aber es werden vielleicht Fälle vorkommen, z. B. bei Magenüberladung ꝛc., wo kein Erbrechen erfolgt, bevor der Arzt kommt; in einem ſolchen Falle wird für 1 Drachme Zinkchlorid die geeignete Doſis des Gegengiftes immer 1 Drachme kohlenſaures Natron oder 1½ Drachme kohlenſaures Kali (gereinigte Pottaſche), oder 6 Drachmen Sodaſeife, oder 9 Drachmen Kaliſeife ſein. Faſt immer wird ſich zeigen, daß das Erbrechen eine oder zwei Minuten nach dem Verſchlucken des Zinkchlorids eintritt, ſo daß weit weniger von dem Gegengifte genügt. Es iſt außerordentlich bequem, an der Seife ein Gegengift zu beſitzen, da dieſelbe in jedem Hauſe ohne Vorzug zu haben iſt. Selbſt wenn kohlenſaures Natron oder Pottaſche zur Hand iſt, wird die Seife den Vorzug verdienen, da ihre öligen Theile gleich eine beruhigende Wirkung auf die Schleim— haut uͤben oder aber als emeticum wirken. Zinkchlorid, innerlich gegeben in medieiniſchen Doſen, iſt nützlich bei der Chorea, Epilepſie, Neuralgie ꝛc. In der chirurgiſchen Praxis braucht man dasſelbe als Atzmittel, oder, in ſchwacher Auflöſung äußerlich angewendet, als ein alterirendes, reizendes und geruchtilgendes Mittel, wobei es vor Mercurialien, Blei oder Arſenik den Vorzug beſitzt, 227. XI. 7. 112 nicht durch Aufſaugung zu allgemeinen Krankheiten Veran⸗ lafjung zu geben. Eine beſondere Löſung des Zinkchlorids (Sir William Burnetts disinfecting fluid) iſt reichlich in Gebrauch, um Bau- holz, Segeltuch und Tauwerk vor Verderbniß zu bewahren, um desinficirend und geruchtilgend zu wirken und dieſe So— lution iſt, wenn man ſie in vorgeſchriebener Weiſe anwen— det, vollkommen unſchädlich. Ich habe die 7 oder 8 neuſten Werke über materia medica und Torikologie nachgeſehen und nirgends ein Gegen- gift gegen Zinkchlorid gefunden, ſo daß ich glaube, der erſte zu ſein, der ein Gegengift für dieſes bekannt gemacht und angewendet hat. Miſcellen. (15) Über die Lithotritie durch das perinaeum hat Prof. Bouiſſon aus Montpellier in No. 40 und 41 der Gaz. Med. de Paris eine intereſſante Abhandlung gegeben, aus welcher wir folgende Reſultate mittheilen: 1) die Lithotritie kann mit Vortheil durch zufällige Communicationswege zwiſchen Blaſe und perinaeum gemacht werden; 2) dieſe Wege können ſowohl durch eine Urinfiſtel als durch die Fünjtliche Eröffnung der Harnröhre (die ſ. g. bouton- niere) als durch Seitenſteinſchnitt entſtanden ſein; 3) wenn bei einem Steinkranken eine Haruröhrenverengerung und eine Perinäalfiſtel vor⸗ handen iſt, jo muß dieſe letzte zur Einführung lithotriptiſcher In⸗ ſtrumente angewendet werden; erſt nach der Zerſtörung des Steines darf die Verengung und die Fiſtel in Behandlung genommen wer⸗ den; 4) wenn eine beträchtliche Sarnröhrenverengerung bei einem Steinkranken ohne Perinäalurinfiſtel eriftirt, jo muß die Urethro⸗ tomie hinter dem bulbus urethrae gemacht werden, um für die li⸗ thotriptiſchen Inſtrumente einen Weg zu eröffnen, worauf die Be⸗ handlung wie bei dem vorher gehenden Falle beendet wird; 5) end⸗ lich können in einzelnen Fällen der Steinſchnitt und die Lithotritie mit Vortheil verbunden werden. Statt für große Steine große Offnungen zu machen, wählt man diejenige Methode des Blaſenſtein⸗ ſchnittes, welche am meiſten von den Weichtheilen ſchont, führt dann die Zermalmungsinſtrumente ein, zerkleinert den Stein und extrahirt die Stücke. (16) Eine ätiologiſche Beziehung der Amauroje zur Brightſchen Krankheit glaubt Hr. Landouzy aufge⸗ funden zu haben. Er hat darüber der Académie des Sciences zu Paris am 8. October eine Abhandlung eingereicht, in welcher der Verf. zu folgenden Schlüſſen kommt: 1) die Amauroſe iſt ein faſt beſtändiges Symptom der nephritis albuminosa; 2) ſie fündigt die Krankheit als Anfangszeichen vor dem Eintritt der anderen Zufälle an; 3) ſie verſchwindet und kehrt wieder ganz zu gleicher Zeit mit dem eiweißartigen Niederſchlag im Urin; 4) dies führt darauf, daß man die nephritis albuminosa als das Reſultat einer Störung in der Function des Ganglienſyſtems betrachten müſſe. (Gaz. Med. de Paris, 13. Oct. 1849.) (17) Behandlung des Typhus nur mit Eis. Dr. Wanner hat der Acad. d. Sc. zu Paris die Mittheilung gemacht, daß er den Typhus gleich zu Anfang immer entweder in 28 Stun⸗ den oder 48 Stunden oder hoͤchſtens 6 Tagen mit Sicherheit radi⸗ cal heile, indem er nur jede Minute ohne Unterbrechung innerlich Eis gebe. Er behauptet, ſeit er dieſe Methode anwende, nur einen Kranken verloren zu haben. — (Wie viel er behandelt habe, iſt aber gar nicht angegeben.) Bibliographiſche Neuigkeiten. H. Miller, Footprints of the Creator; or the Asterosepir of Stromness. 8°. with numerous woodeut illusir. (pp. 338.) London 1849. 7 sh. 6 d. C. Hogg, on the management of infancy with remarks on the influence of diet and regimen. post 8°. (pp. 140.) London 1849. 4 Sh. 6 d Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs in Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Weihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. 0 (Nr. 8. des XI. Bandes.) November 1849. Naturkunde. de la Beche, geologiſche Skizzen. — Miſeellen. Coupvent des Bois, über die Strömungen in der Straße von Gibraltar. de Boulbene und Follin, pulveriger Überzug des Lixus und einiger anderer ausländiſcher Coleopteren. — Heilkunde. Fraſer, einige Fragen über medieiniſche Schicklichkeit. — Miſcelle. Bartlett, über den diagnoſtiſchen Unterſchied des Typhus und des typhöſen Fiebers. — Bibliographie. Naturkunde. XV. Geologifche Skizzen. Von de la Beche. Das Edinburgh new philosophical journal vom April bis Juli 1849 giebt einen Auszug der intereſſanten Adreſſe des Verf. an die geologifche Geſellſchaft, den auch wir der Mittheilung werth halten. J. Die Flora des ſiluriſchen Syſtems. Nach den Unterſuchungen, welche Sharpe in der Umgegend Oportos wie in einigen anderen Gegenden Por— tugals unternommen, iſt der Granit in W. S. W. und O. N. O. von Oporto mit Gneiß, Glimmerſchiefer und Chlo— ritſchiefer bedeckt. Auf der Oſtſeite dieſes Gebirges verläuft nach Sharpe ein aus Thonſchiefer beſtehender Felsrücken, der, nach ſeinen organiſchen Überreſten zu ſchließen, zum unteren ſiluriſchen Syſteme gehören muß. Im Grunde die— ſer Kette finden ſich einige Anthracitlager, welche 8 Meilen von Oporto bei San Pedro da Cora bergmänniſch betrieben werden. Der Durchſchnitt des Geſteins liegt frei zu Tage, die auf dem Chloritſchiefer ruhenden tieferen Lager tauchen deut— lich unter das mit ſtluriſchen Foſſilien erfüllte Geſtein. Die oberſten Schichten beſtehen aus einer dicken Anhäufung glim— merhaltigen gelben Sandſteins; unter ihr liegt ein ſchwar— zer Kohlenſchiefer, zwiſchen welchem ein erhärteter eiſenhal— tiger Thon, der in Thoneiſenſtein übergeht, bandartig auf— tritt; unter dieſem liegt wiederum ein dunkelgrauer oder ſchwarzer Thonſchiefer mit dünnen braun oder gelb gefärb— ten Chloritſchichten. Die unteren dunkelgrauen Schiefer- ſchichten find vornämlich reich an organiſchen Überreſten; in ihnen finden ſich die Gattungen Calginene, Ogygia, Isote- lus, Illaenus, Chirurus, Beyrichia, Orthis, Orthoceras, Belle- rophon, Graphtolithus und andere. No. 2208. —1108. — 228 a. Unter dieſen Schichten liegt die Kohlenformation, ihr Geſtein beſteht in abſteigender Ordnung aus rothem Sand— ſtein, groben mit ſchwarzen kohlenhaltigen Schichten ab— wechſelnden Conglomeraten einer 6 Fuß mächtigen Kohle, grobem glimmerhaltigem mit ſchwarzen kohlenhaltigen Schich— ten abwechſelndem Conglomerate, einem dünnen Kohlenlager, einem groben kohlenbaltigen Conglomerate, 4 Kohlenſchichten von 2 bis 5 Fuß Mächtigkeit, die durch 3 bis 4 Fuß dicke ſchwarze Schichten getrennt ſind und auf einer ſchwarzen Schicht, aus den Truͤmmern des Chloritſchiefers, auf dem ſie ruht, beſtehend, liegen. Das Kohlengeſtein hat an dem nördlichen Ufer des Douro zu Jeremunde 12 Meilen von Oporto eine Mächtigkeit von etwa 1000 bis 1500 Fuß; nördlich oon San Pedro da Cora nimmt es plötzlich ab und verſchwindet ½ Meile weiter vollſtändig. Nach einer detaillirten Beſchreibung der in Portugal unterſuchten ſiluriſchen Gebirge geht Sharpe zu den von Dr. Rebella de Carvalha beſchriebenen Geſteinslagern, welche das Gebirge, das bei Amarante die Serra de Ma⸗ rao bildet, und deren Schulz in Oſten von Gallicien, Link in der Provinz Tras os Montes und le Play im ſpani— ſchen Eſtremadura gedenkt, über; alle dieſe Schichten gehö— ren nach Sharpe zum ſiluriſchen Syſteme. Das Verhalten der kohlenhaltigen Schichten zu Val— longo, welche unter Schichten mit organiſchen Überreſten der älteren ſiluriſchen Periode tauchen, wird um ſo wichtiger als es über die Weiſe, in welcher die Kohlenanhäufung zu Stande kam, einigen Aufſchluß giebt; man erſieht daraus, warum dieſe Periode zur Anhäufung vieler Pflanzen, die entweder an Ort und Stelle gewachſen, oder erſt durch Flu⸗ then angeſchwemmt waren, wenig geeignet war, wogegen man im ſiluriſchen Syſteme der Schlammanhäufungen viele und in ihnen Pflanzenüberrefte in Menge findet. 8 115 228. XI. 8. 116 Das Vorkommen der Anthracitlager unter den von Sharpe angegebenen Verhältniſſen würde ſchon an ſich ſelbſt wichtig ſein, da es zeigt, wie ſich die faſt reine Pflan— zenſubſtanz in Mitten der Kohlenformation zwiſchen Schlamm und Sand, der wahrſcheinlich vegetabiliſche Stoffe enthält, anſammeln konnte. Die in dieſen Schichten aufgefundenen Pflanzenreſte geben der Sache noch eine größere Bedeut— ſamkeit. Die von Sharpe entdeckten Pflanzen wurden von Bunbury unterſucht; die Farnkräuter waren zwar ſehr ſchlecht erhalten, dennoch ließ ſich eine große Ahnlichkeit mit Pecopteris eyathea, mit Pecopteris muricata und Neu- ropteris tenuifolia nicht verkennen; Sharpe ſchließt daraus auf eine der Kohlenflora ſehr ähnliche Vegetation zu einer viel früheren geologiſchen Periode. Eine genaue Kenntniß der Vegetation zur ſiluriſchen Periode würde für die Geo— logie ſehr wünſchenswerth ſein. Der Verf. glaubt, daß zu dieſer Zeit, wo die Meere mit Trilobiten und Molluſken erfüllt waren, auch das Land keine öde Wüſte, kein nack— tes Felſenchaos, nur beſtimmt durch feinen detritus die Ufer zu erhöhen, geweſen; eine Meeresvegetation mußte überdies zur Erhaltung des thieriſchen Lebens im Meere nothwendig vorhanden ſein; ſo gut wie das Meer konnte demnach ſchon damals das Land ſeine Pflanzen beſitzen. Der Verf. erwartet von den neueren Forſchungen über die Schichten der ſiluriſchen Periode auch beſſere Aufſchlüſſe über die Flora dieſer Periode. II. Die Pflanzen der Anthracitformation von Savoyen. Im Jahre 1828 fand Elie de Beaumont nahe bei Petit Coeur im Tarenteſiſchen die an Pflanzenreſten reichen Anthracitlager, die mit Schichten, in denen Belemniten vorka— men, abwechſelten; die Pflanzen glichen vollkommen den Kohlenpflanzen der (palaeozoie) Thierperiode, während das ganze Geſtein zur Liasformation gehörte. Die Pflanzen wurden von A. Brongniart beſtimmt; ſpäter fand Elie de Beaumont noch an anderen Orten Pflanzenreſte, die nach Brongniart ebenfalls der Kohlenperiode entſprachen. Elie de Beaumont ſchloß daraus, daß ſowohl die pflan— zenreichen als die mit Ammoniten und Belemniten erfüllten Schichten mit einander dem Lias und zwar der oolithiſchen Reihe desſelben angehörten. Dieſe Anſicht fand bei einigen Geologen, die für jede geologiſche Periode eine durchaus andere Faung und Flora annahmen, Bedenken, bis durch Bun bury's Unterſuchungen Beaumonts Anſicht beſtätigt wurde. Der letztere unterſuchte 1848 die im Tarenteſiſchen gefundenen Pflanzen; er fand unter den im Muſeum zu Turin vorhandenen Pflanzen 14 verſchiedene Formen, wor— unter 9 Farnkräuter, 2 Calamiten und 3 Aſterophyllien oder Annularien. Die Pflanzenrefte waren meiſtens ſchlecht erhalten, dazu zerdrückt und durch die Übertragung auf Talk— tafeln noch mehr verletzt; es ließen ſich deshalb mit Sicher- heit nur 2 Farn, Odontopteris Brardii und Pecopteris cya- thea beſtimmen; beide find der Kohlenflora eigen; ebenſo ſchienen noch 3 oder gar 4 andere Farn, die nicht mit Sicherheit zu beſtimmen waren, den Farn der Kohlenflora ähnlich zu ſein. Ein Farnkraut ſchien nur eine Varietät von Odontopteris Brardii, gewiſſermaßen eine Übergangsform zu O0. obtusa zu fein. Der Calamites approximatus und die Annularia longifolia, wie die beiden andern Annularien oder Asterophyllites- Arten ſchienen ebenfalls den in der Kohlen- flora gefundenen Farn identiſch zu ſein. Ein Calamites und 2 Farnkräuter, von denen das eine neu zu ſein ſchien, ließen, ſich nicht beſtimmen. Ahnliche Pflanzen fanden ſich auch am Col de Balme und in den Bergen über Servoz und Martigny; hier fehl⸗ ten jedoch die Belemniten führenden Zwiſchenſchichten. Im Muſeum von Genf ſah Bunbury Pflanzen aus der Um⸗ gegend von Chamonix; fie beſtanden aus 8 Farnarten, einem unbeſtimmbaren Calamites und einem Asterophyllites. In der Ecole des mines zu Paris bewahrt man ein herr⸗ liches Eremplar von Lepidodendron ornatissimum, das am Col de Chardonet bei Briangon gefunden worden. Bun⸗ burp gelangte in Übereinſtimmung mit Brongniart zu der Überzeugung, daß die Flora der Anthracit- wie der Koh⸗ lenformation dieſelbe geweſen. Schon früher fteltg man die Anſicht auf, daß die Pflanzen, welche man äbwechſelnd mit den Belemniten in den Anthracitlagern findet, den Pflanzen der Kohlenflötze identiſch ſeien; ſo daß dieſelben eine eben ſo große Ver⸗ breitung dem Raume wie der Zeit nach beſeſſen haben. Bunbury iſt nicht ganz damit einverſtanden; letzterer zeigt nämlich, daß in einigen Gegenden Europas noch zwis ſchen der Kohlen- und der volithijchen Formation Pflanzen⸗ anhäufungen vorkommen; er macht auf die jo ganz abmwei- chenden Pflanzen im gres bigarré des Elſaß, im Gegenſatz zu der ſo allgemeinen Verbreitung gewiſſer Farnarten über große Länderflächen während der Kohlenperiode aufmerkſam; er erinnert ferner an die fo ganz verſchiedene foſſile Flora nahe gelegener Orte, wie z. B. nach Scipion Gras's Beob- achtung im Jurageſtein des Iſeredepartements ganz andere Pflanzenabdrücke wie im Anthracit der Alpen vorkommen. Bunbury glaubt, daß hie und da vereinzelt tropiſche For⸗ men in gemäßigten Ländern auftreten, ſomit ihren eigent⸗ lichen Verbreitungsbezirk überſchreiten können; als Beiſpiele dienen ihm Trichomanes radicans für Irland und Lycopo- podium cernuum für die Azoren. Bunbury ſchließt ſich endlich der Brongniarts Anſicht an, nach welcher die fraglichen Pflanzen aus Gegenden, wo die Pflanzen der Kohlenformation zu wachſen fortfuhren, herangeſchwemmt waren, wie noch gegenwärtig tropiſche Samen an Europas Küſten getrieben werden und hie und da am Ufer zur Ent⸗ wickelung kommen. III. Die foſſilen Landpflanzen und die auf ſie fürs geologiſche Klima zu gründenden Folge— rungen. Die Pflanzenüberreſte, insbeſondere die Reſte der Land⸗ pflanzen ſcheinen für die directe Beſtimmung der früheren Klimate nur wenig tauglich zu ſein; nur da, wo Pflanzen dicht am Ufer wuchſen und mit den Überreſten von See⸗ mmm 117 thieren an Ort und Stelle begraben wurden, ſowie Locali— täten, wo Landpflanzen am Orte ihres Wachsthums ver— blieben, können einigen Aufſchluß gewähren. Derartige ſichere Beiſpiele beſttzen wir, wie es ſcheint, im Norden von England für zwei verſchiedene Perioden; dort wechſeln Koh⸗ lenlager mit Lehmſchichten und Kalkgeſteinen, welche Über— reſte von Seethieren der Kohlenperiode enthalten; dort finden ſich ferner zur oolithifchen Reihe gehörende Kohlenlager mit Pflanzen in natürlicher Stellung. Beide Fälle deuten auf ein langſames Sinken des flachen Landes unter den Meeres— ſpiegel, jo daß Seethiere die Landpflanzen umſchwärmten und mit ihnen im detritus begraben werden konnten. Man braucht nur die verſchiedene Höhe der jetzigen Berge unter einander zu vergleichen und an die Leichtigkeit, mit welcher Pflanzenüberreſte durch Waſſerfluthen entführt werden konnten, zu denken, um einzuſehen, wie wenig ſich von den Pflanzen auf das frühere Klima der Erde ſchließen läßt. Noch jetzt treiben die Flüſſe nicht ſelten baumartige Farn von Jamaica ins benachbarte Meer, wo fie an den Flußmündungen in den Mangroveſümpfen liegen bleiben; von den angeſchwollenen Strömen werden hie und da auch Pflanzen niedriger Gegenden mit fortgeriſſen; ſie grünen und wachſen zur trocknen Jahreszeit ſowohl in dieſen Sümpfen als am Geſtade des Meeres. An großen Flüſſen werden die abgefallenen Blätter überhängender Bäume aus weiter Entfernung faſt bis zur See geſchwemmt; ebenſo konnten Pflanzen und Pflanzen— theile vom Strome fortgeriffen, im Schlamme der Fluß— mündungen, alſo an Orten, wo ſie nicht wuchſen, begraben werden. Der Miſſiſippi, der Paraguayſtrom und der Nil, die nordaſiatiſchen von Suͤden nach Norden ſtrömenden Fluſſe liefern hinreichende Beweiſe, im Schlamme ihrer Mündungen ſind Pflanzen begraben, die an entfernten Orten unter ganz andern klimatiſchen Verhältniſſen grünten. Der jetzige Lauf der Ströme und das jetzige Verhältniß des Landes zum Meere kann aber für frühere Perioden keinen Aufſchluß geben. Jeder europäiſche Herbſt füllt die Flüſſe mit abfalen- dem Laube, das theilweiſe bei niedrigem Waſſerſtande am hohen Ufer verbleibt, theils vom Strome den ſumpfigen Mün— dungen, theils der See zugeführt wird; im zweiten Falle vermiſcht ſich das Laub mit den Reſten der Sumpfthiere; im letzten nimmt es Seewaſſer auf und ſinkt, vielleicht durch deſſen Schwere in den Grund des Meeres, wo es mit den Überreſten der Seethiere durch ſpätere Ablagerungen bedeckt wird. Wo es jedoch durch Winde und Fluth zurückgehal— ten an den Flußmündungen verbleibt, wird es nach der Ortlichkeit zwiſchen Seethieren und Pflanzenüberreſten be— graben. Die Ausdehnung der Pflanzenanhäufungen durch Fluth und Winde iſt an den großen Flüſſen ſehr bedeutend, die Meeresſtrömungen wie die Paſſatwinde befördern ihren wei— teren Transport; kleine aus ſolchen Pflanzenanhäufungen beſte— hende ſchwimmende Inſeln werden nicht ſelten hinweggetrieben, wobei es ganz vom Wetter abhängig iſt, wie lange dieſe Pflanzenreſte zuſammenhalten, wie weit ſie alſo gelangen, ehe ein heftiger Wind ſie von einander reißt und ſie in 228. XI. 8. 118 den Meeresgrund ſinken. Der am Ufer des atlantiſchen Meeres längs den vereinigten Staaten verlaufende Gegen— ſtrom treibt die von den Flüſſen ins Meer transportirten Pflanzen ſüdwärts, während der Golfſtrom auf Cuba und den Bahamas gewachſene Pflanzen nach Neufoundland führt; nimmt man den Golfſtrom und ſeinen Gegenſtrom für die americaniſche Küſte als conftant an, jo erhalten wir zwei große Lagerſtätten, wo in der einen nördlich gelegenen Pflanzen des Südens, in der andern ſüdlich gelegenen Pflan— zen des Nordens begraben ſind. Solcher Transportwege kann es nun viele geben und gegeben haben; ſie ſind des— halb, wo man keine ſichern Beweiſe für das Wachſen der ge— fundenen Pflanzen am Orte ihres Begräbniſſes beſitzt, ſehr zu berückſichtigen. Auch kann es ſehr wohl Orte geben, wo ſich nur wenig detritus niederſchlägt, während durch alljähr— lich wiederkehrende Strömungen Pflanzenüberreſte in Maſſe angeſchwemmt werden; ſolche Localitäten hat man bisher als die Gräber von Pflanzen, die in der Nähe gewachſen, betrachtet. — Nach obigen Auseinanderſetzungen ſcheint es dem Verf. zuvörderſt nothwendig, ſich mehr mit der Ver— theilung der foſſilen Pflanzen über die verſchiedenen geologi— ſchen Perioden zu beſchäftigen, nicht aber jetzt ſchon mit Sicherheit über die Floren der verſchiedenen Perioden ent— ſcheiden zu wollen; man ſollte nach ihm den Gegenſtand vorläufig mehr local behandeln und auf die phyſicaliſchen Verhältniſſe, unter denen die Pflanzenreſte verſchüttet wur— den, mehr Rückſicht nehmen. IV. Das gleichzeitige Vorkommen gewiſſer Sau— rier und Molluſken zu gleichen geologiſchen Zeiten. Prof. H. Rogers entdeckte in den der Kreideforma— tion Europas entſprechenden Grünſandſchichten der vereinig— ten Staaten die Überreſte von Sauriern, unter denen Prof. Owen Stücke eines Mosasaurus und einiger Krokodilarten erkannte, die bisher in keiner unter der ſog. Eocenſchicht der Tertiärformation gelegenen Schicht gefunden waren. Aus die— ſen Knochenreſten ergab ſich, daß die Füße des Mosasaurus entſprechend denen der noch lebenden Lacerta, nicht aber wie bei den Meereidechſen zum Schwimmen eingerichtet waren. Auch in den Kalkſchichten Englands fanden ſich zwei Arten der wahren Landeidechſe. Noch ein zweiter, wahrſcheinlich dem Mosausaurus ber= wandter Saurier ward von Owen Macrosaurus genannt, während eine dritte, ebenfalls von Rogers an demſelben Fundorte entdeckte Gattung als Hyposaurus bezeichnet ward. Dieſer letzte im Waſſer wie auf dem Lande lebende Sau— rier iſt der erſte Repräſentant des jetzigen Krokodils oder Alligators, der in den Eocentertiärſchichten gefunden worden. Die Anhäufungen, in denen dieſe Saurierreſte begra— ben liegen, ſcheinen mit der Kreidereihe des weſtlichen Euro⸗ pas ein gleiches Alter zu beſitzen; es ſcheint, als wenn in ihnen ganz ähnliche Meermolluſken vorkommen. Owens Mittheilungen über dieſelben ſind ſchon als ein Beitrag der frühern Fauna der Erde von Wichtigkeit; fie werden aber um ſo intereſſanter; als ſich aus ihnen das gleichzeitige 8 * 2 9 119 Daſein gewiſſer Saurier und Molluffen zu gleichen geologi- ſchen Zeiten ergiebt. Wir ſehen unſer jetziges Krokodil oder unſeren Alligator (der wahrſcheinlich auch vormals in Flüſſen und Sümpfen lebte) ins Meer getrieben und von Molluſken umgeben, deren Überreſte die Kalkfelſen, an denen fin lebten, bewahren. Auch der allgemeine Charakter der übrigen von Rogers aufgefundenen Saurier ſcheint weniger für ein beſtändiges Leben in der See als für einen Aufenthalt in Flüſſen und Sümpfen und für einen gelegentlichen Beſuch des Landes eingerichtet. Wenn man die Beſchaffenheit des Geſteins, das dieſe Überreſte einſchließt und den Zuſtand der Er— haltung der Knochen berückſichtigt, fo erſteht man, daß die Thiere nicht da, wo ſie gefunden werden, gelebt haben, ſondern, daß ihre Knochen dort hingetrieben ſind. Der Verf. glaubt, daß ſie nicht als Gerippe, ſondern noch an fleiſchigen Theilen bekleidet, ihrer jetzigen Lagerſtätte zuge— ſchwemmt wurden. Nicht überall würden ſich dieſem Waſſer— transporte ſo große Schwierigkeiten entgegenſetzen, wie an den Strömen, deren Mündungen von Mangroveſümpfen, in denen zahlreiche Krokodile leben, umgeben ſind; wo reißende Bergſtröme, wie auf Jamaica und Hayti, dem Meere zu— eilen, kann der Transport des größten Sauriers wenig Hinderniſſe finden. Bei der Überſchwemmung des auf den blauen Bergen Jamaicas entſpringenden Pellahfluſſes, an deſſen Mündung und in deſſen Mangroveſümpfen die Kai— mans ſehr häufig ſind, war der Waſſerſtrom ſo mächtig, daß viele dieſer Thiere in die See getrieben wurden und dort wahrſcheinlich auf die eine oder andere Weiſe umka⸗ men. Nun ſind aber in tropiſchen Gegenden derartige Über— ſchwemmungen nichts ſeltenes; es läßt ſich demnach ſehr wohl annehmen, daß manches Fluß- und Uferthier auch hier ins Meer geführt ward und dort umkam. V. Über die Verbreitung des phosphorſauren Kalks im Mineralreiche. Die Bedeutſamkeit des phosphorſauren Kalks für den Ackerbau hat in neueſter Zeit ein größeres Forſchen nach dieſer, bereits lange als Beſtandtheil organiſcher Reſte wie einiger Geſteine bekannten, Subſtanz veranlaßt. Hr. Paine auf Farnham fand, daß gewiſſe Geſteinſchichten ſo reich an phosphorſaurem Kalke find, daß ſie dem Landmanne ſehr wichtig werden können; Hr. Auſten fand im Grünſande der Umgegend von Guildford den phosphorſauren Kalk in zahlreichen Klümpchen (modules); er glaubt, daß die Phos— phorſäure thieriſchen Urſprungs ſei. Wenn die erwähnten Klümpchen abgerieben werden, fo zeigen ſie eine concentriſche Anordnung, ſie gleichen Körpern, welche, wie der Achat, durch Infiltration in Höhlen entſtanden find. Auſten zeigte, daß, wo die Höhlungen zweiſchaliger Muſcheln oder Ammoniten mit einer phosphorſauren Kalk enthaltenden Maſſe angefüllt ſind, dieſe Formen anfänglich in Sand ein— geſchloſſen waren, darauf die Subſtanz der Schale zerſtört ward, und endlich das Erdphosphat die Höhle erfüllte. Aber nicht überall bewahrt dieſe Maſſe die Form der frühern Thierhülle; ſehr häufig wird ſie zerbröckelt und mit Sand 228. XI. 8. 120 und Schlamm vermiſcht. Auſten glaubt, daß die Ver⸗ hältniſſe, in welche die an phosphorſaurem Kalk reichen Schichten geriethen, ob fie mit dicken Niederſchlägen über⸗ deckt wurden, ob ſie unter das Niveau des Meeres kamen und dort, je nach der Tiefe, ſtärker erhitzt wurden, ſowohl auf ihre allgemeine Verbreitung als auf ihre chemiſchen Ver⸗ änderungen bedeutenden Einfluß übten. Nesbit fand Phosphorſäure in den unteren Gliedern der Kreidereihe; Paine fand im fruchtbaren Mergel bei Farnham ſtellenweiſe 28 Proc. Phosphorſäure; im Durd)- ſchnitt enthält dieſer Mergel indes nur 2 Proc.; in einem dunkelrothen Sandſteine, im unteren Grünſande von Hind Hill, ſollen ſogar Maſſen mit 69 Proc. Phosphorſäure vorkommen. Auch Wiggins hat bei der Suffolkklippe, unter Geſteinen verſchiedenen geologiſchen Alters, Thierüber— reſte und deren Fäces, und in Folge deſſen eine für Pflanzen ſehr nahrhafte Erde gefunden. Nun haben die neueren Beobachtungen gezeigt, daß die Menge des phosphorſaurem Kalks, der in den Geſteinen vorkommt, weit größer ausfällt, wenn man größere Mengen des Minerals unterſucht; es ſcheint demnach, daß unſere Verbindung, gleich dem kohlenſauren Kalk, in kohlenſäure— haltigem Waſſer etwas löslich iſt. Auſten fand, daß phosphorſaurer Kalk im Zuſtande friſcher Koprolithen, zwi— ſchen detritus verbreitet, beim Zuſammenkommen mit kohlen— ſäurehaltigem Waſſer ausgezogen und weiter verbreitet wird. Wenn nun die Löſung des Kalkphosphats beim Durchſickern durch Geſteine auf Kali- oder Natronftlicate trifft, To werden die letzteren durch die freie Kohlenſäure zerlegt und der gelöſ'te phosphorſaure Kalk fällt nieder; auf dieſelbe Weiſe können vielleicht die mit phosphorſaurem Kalk erfüllten Muſcheln, deren Schale in kohlen ſauren Kalk verwandelt ward, entſtanden ſein? Wie ſich nun der kohlenſaure Kalk, aus eigener Macht⸗ vollkommenheit, vom Schlamm, in dem er verbreitet war, ſondert und in Klumpen ausſcheidet, ſo kann ſich vielleicht unter günſtigen Verhältniſſen der phosphorſaure Kalk in ähn⸗ licher Weiſe ausſcheiden, die an letzterer Verbindung reichen Klumpen würden ſomit Koprolithen vorſtellen; die zur Lös⸗ lichmachung günſtigen Bedingungen ſind leicht auf zu finden. Die Cruſtaceen in London clay und einige andere Foſſilien ſind endlich mit phosphorſaurem Kalke überzogen, woraus der Verf. auf eine Beziehung der letzteren zur thieriſchen Materie ſchließt. Miſcellen. 22. Über die Strömungen in der Straße von Gi⸗ braltar find in dem Athenaeum No. 1138 Mittheilungen eines Hrn. Coupvent des Bois enthalten, wonach nicht nur der ober⸗ flächliche Strom aus dem Ocean in das Mittelmeer und ein tiefer Gegenſtrom von da nach dem atlantiſchen Ocean beſtätigt, ſondern auch nachgewieſen wird, daß zwiſchen dieſen beiden Strömungen ſich eine Waſſerſchicht findet, die in vollkommener Ruhe iſt. 23. Ein pulveriger Überzug des Lixus und eini⸗ ger anderer exotiſcher Coleopteren beſteht nach den Horn. 121 v. Boulbene und Follin im Zuſtande der Geſundheit der Thiere aus Sporulen und Fäden, kurz derſelbe enthält alle Elemente eines wahren Pilzes. Während des Lebens reproducirt ſich der Überzug, wenn er weggenommen wird, nach dem Tode reproducirt er ſich 228. XI. 8. 1232 nicht mehr. Es ift dies der erſte Fall, wo dieſe Production als eine normale nachgewieſen iſt, bei andern Inſecten hat man fie zwar auch beobachtet, aber immer nur bei Krankheit des Thieres, die mit dem Tode endet. (Bibl. univ. de Geneve, No. 42.) Heilkunde. (XIV.) Einige Fragen über medieiniſche Schicklichkeit. Von W. Fraſer ). Die folgenden Fragen und Antworten find allmälig bei verſchiedenen Gelegenheiten entſtanden und mögen zu weiterer Discuſſion führen. (Wir theilen fie, mit Ausnahme einiger nur auf engliſche Verhältniſſe bezüglicher Punkte, mit, da es überall wünſchenswerth iſt, daß die Collegen nur collegialiſch verfahren, aber natürlich auch klar ſeien, was fo genannt werden müſſe.) Erſte Frage. Wenn der Pat. wünſcht, daß Sie einen anderen Arzt zur Conſultation ziehen, von deſſen Quali— fication für den betreffenden Fall Sie eine ungünſtige Mei— nung haben, iſt es geeignet oder ehrenhaft, dies abzulehnen, oder die Anſicht des Patienten umzuſtimmen? Antwort. Verlangt der Patient auf ganz beſtimmte Weiſe eine beſtimmte Perſon, ſo muß man nachgeben, vor— ausgeſetzt, es ruhe nicht ein profeſſtoneller Makel auf feinen Charakter, der wichtig genug wäre, einen entgegengeſetzten Entſchluß zu begründen. Jüngeres Alter, mindere Erfah— rung und dergleichen ſind kein Grund. Zweite Frage. Werden Sie zu einem Patienten gerufen und finden, daß derſelbe ſich ſchon in der Behand— lung eines andern Arztes befindet, welcher aus irgend einem Grunde ſeine Beſuche ausgeſetzt hat, obwohl dieſelben noch von ſeinem Patienten gewünſcht wurden: iſt es paſſend, die Behandlung zu übernehmen, oder werden Sie vorher mit dem früheren Arzte ſich verſtändigen? Antwort. Man veranlaßt den Patienten, daß er ſeinem früheren Arzte wiſſen laſſe, er wünſche noch ferner von ihm behandelt zu werden; lehnt dies der letzere ab, ſo hindert nichts, daß der neue Arzt den Fall übernehme. Dritte Frage. Wenn ein Arzt von einem anderen zur Conſultation gerufen wird und beide verſchiedener Anſicht über die Natur des Falles ſind (jedoch nicht ſo, daß da— durch gemeinſchaftliche Behandlung unmöglich wird), iſt es zu rechtfertigen, wenn einer von dem anderen zu dem Patienten oder deſſen Verwandten ꝛc. ungünſtig ſpricht? Antwort. Nein! Vierte Frage. Wenn ein Arzt von einem Patienten um Rath gefragt wird, von dem er weiß oder vermuthet, daß er zu derſelben Zeit ſchon in Behandlung eines anderen Arztes ſich befindet, was gehört ſich für ihn zu thun? Antwort. Er hat zu thun, was er in Bezug auf ſich ſelbſt wünſchen müßte, und Schritte der Art nicht zu *) Aus Lond. Med. Gaz. 3. Aug. 1849. begünſtigen, ſondern vielmehr durch ſeine Antwort das Ver— trauen auf den andern Arzt zu beſtärken. Fünfte Frage. Wenn ein Arzt einen nahen Ver— wandten an einem entfernten Orte gefährlich krank hat, und die Familienglieder ihm von der Krankheit und von der eingeſchlagenen Behandlung Bericht geben, mit dem Wunſche ſeine Meinung und ſeinen Rath zu erhalten, ſoll er dann an ſeine Verwandten oder an den behandelnden Arzt ſchreiben? Antwort. Ohne alle Frage an den letzteren. Sechste Frage. Wenn, während Sie einen Fall in Behandlung haben, ein anderer Arzt, ohne Ihr Wiſſen und ohne Zuſtimmung des Patienten, zu Rathe gezogen iſt, und zwar nicht von denen, welche Sie zuerſt herbei gerufen haben, was iſt am paſſendſten für Sie zu thun? 0 Antwort. Ich denke, jede Zuſammenkunft zu ver weigern, bis das Verlangen des Patienten und deſſen, der Sie zuerſt gerufen hat, außer Zweifel iſt. Siebente Frage. Wenn ein Arzt während des Verlaufes eines Falles zur Conſultation mit dem ordent— lichen Arzte des Patienten zugerufen iſt und ohne den aus— drücklichen Wunſch des Patienten oder ſeiner Verwandten ſeine Beſuche fortſetzt, auch nachdem die Gefahr vorüber iſt, und während der erſte Arzt ſeinen ferneren Beiſtand unnöthig und ungeeignet findet, wie hat der letztere am paſſendſten zu verfahren? Antwort. Der einfachſte und wirkſamſte Weg wäre, zu veranlaſſen, daß er ſein Honorar erhält; erklärt er deſſen— ungeachtet ſeine Beſuche auch ferner für nöthig, ſo giebt es keinen anderen Ausweg als mit demſelben zu einem Bruche zu kommen. Achte Frage. Wenn ein Arzt zur Aushülfe bei einem dringenden Falle gerufen worden iſt, während der regelmäßig behandelnde Arzt abweſend war, was iſt dann von beiden zu beobachten? Antwort Der wegen Dringlichkeit zugerufene Arzt thut, was nothwendig iſt und nichts weiter, wiederholt auch ſeine Viſite nicht; ſcheint es ihm nothwendig, Tv ſchreibt er für den regelmäßigen Arzt eine Note über das, was er gethan hat, und läßt dieſe entweder bei dem Kranken liegen, oder ſendet ſie dem Collegen zu. Der regelmäßige Arzt aber hat nicht zu verſäumen, ſeinem Collegen mündlich oder ſchriftlich für ſeinen Beiſtand zu danken; außerdem hat er, wenn ſeine Bemühung von Bedeutung war und die Umſtände des Patienten es erlauben, dafür zu ſorgen, daß der letztere ihm ein entſprechendes Honorar ſende. Neunte Frage. Iſt ein Arzt gerufen, konnte aber nicht auf der Stelle ſeinen Beſuch machen und findet, daß 123 228. nach einem anderen Arzt geſchickt worden iſt, der bereits verordnet hat, — was hat er zu thun? Antwort. Er hat ganz einfach ſich zu empfehlen, wenn die betreffenden ihm fremd ſind; — ſind es aber nähere Freunde, oder iſt der Fall der eines früheren Patienten und es wird ihm beſtimmt der Wunſch ausgeſprochen, daß er die Behandlung fortſetzen möge, ſo hat er zu veranlaſſen, daß der Patient ſich freundlich mit dem anderen Arzte ab— finde und ſodann nochmals zu ihm ſchicke, damit er ſeine Beſuche erneuere. Zehnte Frage. Wenn ein Patient, der an einer Krantheit leidet, die ohne Anwendung der geeigneten Mittel mit dem Tode enden muß, ruhig und entſchieden erklärt, daß er nicht wünſche, daß ſein Leben verlängert werde, — was bleibt Ihre Aufgabe? Antwort. Zunächſt zu verſuchen, ihn zu einer hoff— nungsvolleren und geſunderen Gemüthsverfaſſung zu bringen, und ſodann, dies mag gelingen oder nicht, ihm zu erklären, daß, ſo lange Sie die Behandlung zu beſorgen haben, Sie die geeigneten Mittel zu ſeiner Herſtellung anwenden müſſen und wollen. Zugleich müſſen die Angehörigen mit der er— forderlichen Berückſichtigung der Verhältniſſe von dem Stande der Dinge in Kenntniß geſetzt werden. Elfte Frage. Wenn ein Patient in dem Gefühle, daß ſein Ende gekommen ſei, ruhig und beſtimmt erklärt, daß er in Frieden zu ſterben wünſche und keine Heilmitttel mehr anwenden wolle, was bleibt Ihnen zu thun? Antwort. Einfach, nachzugeben, mit Zuſtimmung der Verwandten, wenn Sie glauben, daß des Patienten Vorgefühl gegründet ſei. Dies iſt gar nichts ſeltenes, beſonders bei ſehr geſcheidten und charakterſtarken Perſonen. O'Connells letzte Krankheit kann hier als Beiſpiel angeführt werden. Der ehrwürdige Geiſtliche W. Simeon von Cambridge als er im Gefühle der Nutzloſigkeit ſich entſchloſſen hatte, keine Mittel mehr zu nehmen, die eine Verlängerung ſeines Lebens zum Zwecke hatten, ſagte zu ſeiner Wärterin: „Sie müſſen mir zugeſtehen, daß ich willig und gern mich jeder Anordnung des Dr. Haviland unterworfen habe. Ich habe nicht eine einzige Einwendung gemacht. Dies ge— ſchah nach dem Willen des Herrn, welcher mein Leben ſo lange verlängern wollte; aber jetzt fühle ich, daß der Spruch erlaſſen iſt, von dieſem Moment an bin ich ein ſterbender Mann, nun will ich geduldig meine Erlöſung abwarten.“ Und von dieſem Moment an, nahm er keine Mediein mehr. Ziemlich eben jo benahm fi) Dr. Johnſon auf feinem Sterbebette, bei dem dies um ſo auffallender war, da er ſein ganzes Leben hindurch von Todesfurcht gequält wor— den war. Zwölfte Frage. Wenn ein jüngeres Familienglied ſich an Sie wendet und ſagt, dies geſchehe, weil es kein Vertrauen in den Hausarzt mehr habe, was haben Sie da zu thun? Antwort. Iſt dasſelbe ſchon von reiferem Alter und ſein Leiden der Art, daß Pat. ohne Nachtheil das Haus ver— laſſen kann, und daß man die übrige Familie nicht davon benachrichtigen muß, ſo hat der Arzt zu verordnen, was XI. 8. 124 nöthig iſt. Iſt Patient aber noch zu jung, oder die Krant⸗ heit der Art, daß er zu Hauſe bleiben, und daß die Familie davon unterrichtet werden muß, ſo lehnt er die Behandlung ab bis die Eltern oder der Erzieher dazu ſeine Zuſtimmung gegeben haben. Zuvor indes iſt der Verſuch zu machen, den Patienten mit dem Hausarzte zu verſöhnen, indem Vor⸗ urtheile und Mißverſtändniſſe bejeitigt werden, wiewohl bei einfachem Mangel an Vertrauen, in der Regel alle Argu⸗ mente ohne Einwirkung bleiben. Dreizehnte Frage. Iſt ein Arzt durch die Ehre gebunden, Dinge den Nachforſchungen des Richters zu ent⸗ ziehen, welche nur durch den nothwendigen ärztlichen Ver⸗ kehr zu ſeiner Kenntniß gekommen ſind, wenn ein ſolches Zeugniß ſeinem Patienten nachtheilig ſein würde? Antwort. Durch Geſetz und Burgerpflicht iſt er da⸗ zu genöthigt und wird ſich als rechtlicher Mann dem nicht entziehen. Indeſſen ſollte er, um aus eigener Discretion den Patienten vor weiteren Colliſionen und Nachtheilen möglichſt ſicher zu ſtellen, ſich jedes Nachforſchens über die Grenze der dringend nöthigen ärztlichen Belehrung hinaus enthalten. Der katholiſche Prieſter iſt in dieſer Beziehung günjtiger geſtellt als der Arzt. Vierzehnte Frage. Werden Sie in einem dring— lichen Entbindungsfalle, für welchen ein anderer Geburts⸗ helfer bereits engagirt war, gerufen, und dieſer kommt ſpater, wenn der Fall gerade die vollſte Aufmerkſamkeit oder ſelbſt Manual- und Kunſthülfe erfordert, was gehört ſich in dieſem Falle? Antwort. Es iſt ſofort die Behandlung in die Hände des eigentlich beſtimmten Geburtshelfers zu übergeben, wenigſtens ſo bald als es ohne Nachtheil geſchehen kann, nachdem ihm der Stand der Sache aus einander geſetzt iſt; die Zuſtimmung der Patientin zu dieſer Übergabe wird da⸗ bei ohne weiteres angenommen. Wünſcht der andere Arzt oder die Patientin, wie es bei Gefahr wahrſcheinlich iſt, den ferneren Beiſtand des zufällig hinzugerufenen Arztes, ſo bleibt derſelbe. Funfzehnte Frage. Gehören die Recepte eines Arztes dem Patienten, oder dem verſchreibenden Arzte? Antwort. Ohne allen Zweifel dem Patienten; ſollte ein Arzt irgend verſuchen, ſeine Recepte an ſich zu nehmen oder zu zerſtören, ſo ſetzt er ſich dem Verdacht irgend eines unlauteren Motives aus, entweder um ſeine mala praxis zu verbergen, oder um den Patienten bei ſpäterem Unwohlſein der Mittel zu ſeiner Erleichterung zu berauben. Iſt zu be— fürchten, daß der Patient durch Verwechſelung älterer Re— cepte ſich ſchade, jo kann der Arzt fie ſortiren und ihm die⸗ jenigen bezeichnen, welche bei Seite gelegt werden müſſen, um Verwechſelung zu verhuten. Aber unter keiner Be⸗ dingung darf der Arzt ein einziges Recept, welches ein Mal in die Hande und den Gebrauch eines Patienten uͤberge⸗ gangen war, ſelbſt wenn die Behandlung unentgeltlich war, beſeitigen. Er ſetzt ſich dadurch dem bitterfien Tadel aus und beraubt ſich ſelbſt der Vertheidigung gegen gehäͤſſigen Verdacht. Sechzehnte Frage. In dem Falle einer Verletzung, Kr 125 für welche irgend jemand zur Verantwortung gezogen werden kann, fragt es ſich, ob der Verletzte, oder der die Verant— wortlichkeit tragende das Recht habe, den behandelnden Arzt anzuſtellen? Antwort. Der Verletzte oder ſeine Angehörigen ohne alle Frage, es mögen dieſelben im erſten Augenblicke von dieſem Rechte Gebrauch gemacht haben oder nicht; da keine andere Rückſicht dem eigenen Intereſſe für Leben und Ge— ſundheit gleich kommen kann; indes hat der andere doch das Recht, ſich von der ſorgfältigen Behandlung ꝛc. ꝛc. zu über— zeugen, es muß ihm daher das Recht zuſtehen, wenn ihm irgend Zweifel beigehen, noch einen zweiten Arzt dem Arzt des Verletzten beizugeſellen, und es iſt die Pflicht beider Arzte, alsdann gemeinſchaftlich für die Herſtellung des Patienten zu ſorgen. Der letztere Arzt wird immer von dem die Verantwortlichkeit der Verletzung tragenden zu honoriren ſein. Der von dem Verletzten ſelbſt gerufene Arzt iſt auch nur von dieſem zu honoriren; doch bleibt dem Verletzten der Recurs auf die für die Verletzung ver— antwortliche Perſon. Siebzehnte Frage. In welcher Ausdehnung hat der Arzt ein Recht, bei der Wahl der Apotheke, wo ſeine Recepte gemacht werden ſollen, einzuwirken? Antwort. Unter gewöhnlichen Umſtänden hat er kein Recht, ſeinen Patienten in Betreff der Apotheke etwas vor— zuſchreiben, aber er hat darauf zu ſehen, daß nur gute Mediein verabreicht werde; kennt er die Apotheke nicht, oder findet er, daß ſeine Anordnungen nicht ganz befolgt ſind, ſo läßt er ſich das Arzneiglas geben, verſucht, ohne Miß— trauen zu äußern, oder, noch beſſer, er wendet ſich bei irgend einem Verdacht an den Apotheker, welcher, wenn er anſtändig behandelt wird, jede Auskunft nicht verweigern und ſelbſt eine Unterſuchung ſeiner Materialien anbieten wird. Wird der Arzt nach der zu benutzenden Apotheke gefragt, was ſehr oft vorkommt, ſo nennt er alle im Bereich befindlichen gute Apotheken; hat er aber die Erfahrung, daß in einer Apotheke die Droguen nicht gut find und die Dispenſirung nicht ſorgfältig iſt, ſo hat er ſeine Patienten davor zu be— hüten, dieſen ungünſtigen Zufälligkeiten ausgeſetzt zu ſein. Achtzehnte Frage. Wenn in irgend einem Falle wegen organifcher Structurveränderungen oder anderer Gründe der Arzt mit Grund vermuthet, daß keine Behandlung etwas helfen werde, was iſt von dem zugerufenen Arzte in ſolchem Falle zu thun? Antwort. In dieſem Falle wird ein ehrenhafter Arzt ſeine Prognoſe vorſichtig bewahren und allenfalls erſt nach einer weiteren Conſultation ausſprechen, und zwar die Eigen— thümlichkeit des Kranken und ſeiner Angehörigen berückſichtigen, aber doch lieber die Behandlung aufgeben als zu dem Leiden des Patienten noch neue Übel dadurch hinzufügen, daß er unpaſſende Seilverfuche anſtellt, anſtatt ſich auf eine ent— ſprechende Palliatiobehandlung zu beſchränken. Dr. Holland ſagt, wo er über die Behandlung der Krankheiten der Greiſe ſpricht: „Die erſte praktiſche Folgerung, welche ein vor— ſichtiger Arzt aus ſeiner Kenntniß hier ziehen wird, iſt eine negative, — nicht oder nur mit Vorſicht einzugreifen, 228. XI. 8. 126 wo in einem Organe oder einer Function Veränderungen eingetreten ſind, welche nicht rückgängig gemacht werden können. Wollte man hier medieiniſche Behandlung doch auf: drängen, ſo würde man gegen den guten Glauben und die Nützlichkeit der Heilkunſt verſtoßen. Dieſer Punkt muß ſorg— fältig im Gedächtniß bewahrt werden, da der Patient und ſeine Angehörigen ſelten geneigt ſind, dies anzuerkennen. Es iſt oft eine außerordentlich delicate Frage des Gewiſſens und der Anſicht, wie weit in ſolchen Fällen der praktiſche Arzt gehen müſſe, immer zugegeben, daß etwas für das Gefühl des Patienten, ferner etwas bezüglich der Unſicherheit unſeres Urtheils, zu thun iſt. Dieſe Frage der ärztlichen Moral kann, wie ſo manche andere, nicht lediglich als ein allge⸗ meiner Grundſatz behandelt werden. Der gerade Charakter und die Discretion des Praktikers muß hier in der unend— lichen Verſchiedenheit der Fälle leiten.“ Neunzehnte Frage. Kommt es zur Kenntniß eines Arztes, daß ein Fall unter der Behandlung eines anderen Arztes offenbar falſch beurtheilt wird und bald mit dem Tode endigen muß, wenn nicht die geeignete Behand— lung eintritt, — darf er ſich hier einmiſchen, und eventuell in welcher Weiſe und bis zu welcher Ausdehnung? Antwort. In einem ſo delicaten und höchſt unan— genehmen Falle muß der Arzt mit äußerſter Vorſicht und gutem Glauben handeln. Als allgemeine Regel muß er ſich immer gegen die nur zu gewöhnliche, kritiſtrende Klat— ſcherei erklären, der die Arzte durch alle Claſſen unterwor— fen werden; indem er namentlich bedenkt, wie ſchwer ſelbſt der unterrichtetſte Arzt nach einem Berichte aus zweiter Hand ein Urtheil ſich bilden kann. Es giebt aber Umſtände, unter denen auch der Arzt nicht umgehen kann, auf die Inſtnuationen zu hören, die ihm gemacht werden. Dr. Percival ſagt: wenn graſſe Unwiſſenheit den Leichtgläubigen imponirt, wenn Nachläſſigkeit ein wichtiges Leben gefährdet, oder Übereilung noch dringendere Gefahren bringt, wird ein ärztlicher Freund oder Verwandter bei ſolchen Mittheilungen mit Recht ſeine Einmiſchung als eine Pflicht betrachten. Doch muß er vor— ſichtig ſein, daß er auch nur auf begründeten Bericht hin handle, daß ſeine Motive rein und ehrenwerth ſeien, und daß ſein Urtheil ſich auf Erfahrung und praktiſche Kenntniß ſtütze, nicht auf theoretiſche Meinungsverſchiedenheit. Die beſonderen Umſtände werden das, was zu thun iſt, be⸗ ſtimmen. Im allgemeinen aber wird eine perſönliche und vertrauliche Verſtändigung mit dem Collegen der erſte Schritt fein müffen, ſpäter aber wird, wenn es nöthig iſt, die Verhandlung dem Patienten oder ſeiner Familie mitgetheilt werden muſſen. (Über dieſe Frage werden die Meinungen ſehr verſchieden ſein, denn es iſt immerhin eine üble Colli— fon, daß entweder der Arzt fi zum Cenſor ſeines Collegen auf Hörenſagen hin aufwirft, oder aber mit ſeinem Wiſſen einen Nebenmenſchen zu Grunde richten läßt.) Zwanzigſte Frage. Iſt es in der Ordnung, und eventuell unter welchen Verhältniſſen, daß ein Arzt einen Patienten oder Bekannten beſucht, der ſich zur Behandlung in ein Spital begeben hat und von den Spitalärzten bes handelt wird? 127 Antwort. Er hat ihn nicht als Arzt zu befuchen, iſt aber durch ſeine Eigenſchaft als Arzt keineswegs ver— hindert, Freunde zu ſehen oder Patienten zu beſuchen, die vielleicht ſolche Beſuche zur Bedingung ihres Entſchluſſes, in ein Spital zu gehen, gemacht haben. Aus Rückſtcht ſollte er aber doch immer den Haushülfsarzt mitnehmen und ſich ſorgfältig enthalten, irgend eine Kritik über die Behandlung anzudeuten. Der Spitalarzt kann dagegen nichts einwenden, M ii 228. XI. 8. 128 und wenn er ſich auch nicht auf eine Conſultation einlaſſen will, ſo ſollte er doch eine Beſprechung, namentlich in Fällen von Gefahr, ſchon aus Rückſicht auf das Gefühl des Ba: tienten nicht vermeiden. (Einige andere Fragen des Verf. führen ſo ſehr auf das Gebiet allgemeiner Moralerörterungen, daß wir hier abbrechen.) fine sen linke: (18) Über den diagnoſtiſchen Unterſchied des Typhus und des typhöſen Fiebers giebt Prof. Bartlett zu Phila⸗ delphig in einem ſtarken Bande: the history, diagnosis and treatment of he Fevers in the United States folgende tabellariſche Zu— ſammenſtellung: Typhöſes Fieber. 1) Art des Anfalles: gewöhnlich nur allmälig, ſchleichend und heimtückiſcher als beim Typhus. 2) Hitze der Haut. 3) Gichtiſches Verhalten: Delirium und andere Hirnſym— ptome treten nach der erſten Woche gewöhnlicher ein und neh— men allmälig mehr zu als beim Typhus. 4) Zuſtand des Darmes: Diarrhöe mit dünnflüſſigen Aus— leerungen find ſehr gewöhnlich; dabei ein gurgelndes Geräuſch bei Druck auf die Cöcalgegend. Meteoriſtiſche Spannung und Feſtigkeit des Bauches. Kneipen ſehr gewöhnlich. 9) Abmagerung: gewöhnlich und ſtärker als beim Typhus. 6) Naſenbluten: gewöhnlicher als beim Typhus. 7) Darmblutungen: ſehr gewöhnlich. 8) Hautausſchläge: eine ſpärliche hellroſenrothe Eruption; leicht über die umgebende Haut erhaben; leicht bei Druck ver— ſchwindend, meiſtens auf die Haut der Bruſt und des Bauches beſchränkt. 9) Schorfe (ſoll wohl heißen brandiges Aufliegen 2): gewöhn— licher als beim Typhus. 10) Anatomiſche Veränderungen: die Peyerſchen Drüſen ſind immer verändert, gewöhnlich exulcerirt. Die Meſenterial— drüſen ſind geröthet, angeſchwollen und erweicht. Die Milz iſt aufgetrieben und mehr erweicht als bei Typhus; Ulcera— tion des pharynx und oesophagus iſt gewöhnlicher als beim Typhus. Der Dickdarm endlich iſt mehr von Gas aufgetrie— ben als beim Typhus. 11) Urſachen: nicht auf geographiſche Localitäten beſchränkt. Herrſcht beſtändig und in weiter Ausdehnung unter den ein— zeln wohnenden, reinlich ſich haltenden, gut genährten und durch gute Wohnungen geſchützten Landbewohnern. Biswei— len und nur in mäßigem Grade contagiös. Häufiger ſporadiſch als der Typhus. Allgemeiner auf die früheren und mittleren Lebensperioden beſchränkt als der Typhus. 12) Dauer: mittlere Dauer etwas größer als beim Typhus, häufiger bis zum 40ſten und 50ſten Tage ſich hinausziehend. 13) Wirkung der Mittel: die Kranken vertragen ausleerende Mittel weit beſſer als beim Typhus. Typhus. 1) Am häufigſten plötzlich, entſchieden und beſtimmter ausgeſpro⸗ chen als bei typhöſem Fieber. 2) Meiſtens mehr brennend und ſtechend in den früheren Stadien als beim typhöſen Fieber. Ein rußiger Anflug des Gefichtes iſt ebenfalls gewöhnlicher als dort. 3) Cerebralſymptome, beſonders Benommenheit und stupor find beim Eintritt der Krankheit ſtärker ausgeſprochen als beim typhöfen Fieber. 4) Spontane Diarrhöe iſt ſelten. Die Darmausleerungen find nicht flüſſig. Kein Gurgeln bei Druck auf die Cöcalgegend; meteoriſtiſche Spannung ſehr ſelten, ebenſo das Kneipen. 9) f 6) 7) Sehr ſelten; — kommen fie überhaupt vor? 8) In vielen, beſonders ſchweren Fällen iſt eine reichlichere Pete⸗ chialeruption vorhanden, welche bei Druck nicht verſchwindet; in anderen Fällen keine Eruption. 9) 10) Die Peyerſchen und Mefenterialdrüfen find geſund. Das Blut iſt gewöhnlich dunkel und gruminös. Dunkles Blut treibt die Gefäße und sinus des Gehirns mehr gewöhnlich auf als im typhöſen Fieber. 11) Geographiſch beſchränkt auf beſtimmte Ortlichkeiten; meiſtens auf überfüllte, ſchmutzige und ſchlecht ventilirte Wohnungen und unter ſolchen Umſtänden außerordentlich contagios. Kommt weit häufiger nach den 35ten Lebensjahre vor als das typhsſe Fieber. 12) Endigt in den erſten 10 Tagen entweder mit dem Tode oder mit Übergang in die Reconvaleſcenz (wenigſtens viel häufiger als das typhoſe Fieber). 8 5 13) Verlangen mehr active Reize als die typhöſen Fieber. Bibliographiſche Neuigkeiten. R. H. Webb and W. H. Colemans Flora Hertfordiensis; or a Catalogue of Plants found in the County of Hertford; with Stations of the rarer Spe- cies. 120. (pp. 436.) Hertford 1849. 12 sh. 9 The Physiology of Digestion, considered with relation to the Principles of Dietetics. By Andrew Combe, M. D. 9th edition, edited and adapted to the Present State of Physiological and Chemical Science, by James (ore, M. D. Royal 120. (pp. 218.) London 1849. sd. 2 sh. 6 d. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. N Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. (Kr. 9. des XI. Bandes.) Thomas, Früchte von Cactus ent — Heilkunde. Newham, Amputatlon eines Armes am Schultergelenke wegen Krankheit des anatomiſchen Halſes des humerus und des Ellbogengelenkes. Heilung. — Griffith, über die faeces, die Urſache ihres Geruches ꝛc. — Miſcellen. Millon, ungemein empfintliches Reagens für Eiweißſtoff. Chloroform im Blute läßt ſich leicht entdecken. — Bibliographie. Naturkunde. XVI. über die Anatomie und Entwickelungsgeſchichte der Trapa nalans. Von F. Marius Baré no ud. Das Genus Trapa beſitzt in Europa nur einen einzigen Repräſentanten, der gleich den uͤbrigen auf den Seen In— diens und Chinas einheimiſchen Arten jährig iſt. Der Verf. wählte die europäiſche Trapa natans zum Gegenſtande ſeiner Unterſuchung; im Frühling und einem Theil des Sommers 1845 zog er dieſelbe zu Paris vor ſeinen Augen; bis zum Juli beſchäftigten ihn die Vegetationsorgane dieſer Pflanze, deren Blüthen ſich wegen des ungünſtigen Som— mers verſpätet hatten; er ging nach Toulon, wo ihm der Director des dortigen botaniſchen Gartens drei Teiche, mit kräftigen Trapa- Pflanzen gefüllt, zur Verfügung ſtellte. Im Monat Auguſt begann die Blüthenentwickelung, ein mildes Klima begünſtigte dort ihre Entfaltung und ließ ſie reife Früchte tragen. Der Verf. verfolgte hier während zweier Monate die Entwickelung der Blüthe und Frucht bis zum Abfallen und gänzlichen Abſterben der Pflanze. Seine Beobachtungen ſind im Aprilhefte der Annales des sciences von 1848 wiedergegeben. Sul. Die Keimung. — Der Embryo von Trapa natans be— ſteht: 1) aus einem großen, herzförmigen, ſehr dicken, mit Stärkemehl erfüllten und von einigen ſehr zarten Ring— gefäßen, die namentlich bei der Maceration ſichtbar werden, durchzogenen Samenlappen, welcher beinahe den ganzen Raum der Nuß erfüllt; 2) aus einem anderen ſehr klei— nen einem äußerſt kurzen Stengel auf ſitzenden Cotyle— don, der einem gleichfalls nur ſehr kurzen Blattſtiel No. 2209. — 1109. — 229. Von den Vegetationsorganen. (petiole), welcher der Baſis des großen Cotyledons ent: ſpringt, gegenüber liegt. Unter dieſem rudimentären Sa: menlappen liegt die normal aus zwei Knoſpen beſtehende plumula verborgen, die eine dieſer Knoſpen liegt im Mittel— punkte, die andere, kleinere, in der Achſel des großen Samen lappens. Die Nüſſe, welche den ganzen Winter über bei einer Temperatur von + 7 bis 89 im Waſſer gelegen, keim— ten erſt zu Ende Aprils. Das Gewebe ihrer Spitze veränderte ſich, es zerfiel in eine Menge feiner Lappen, welche den Durchgang der radicula bei der Keimung erleichterten. Das Würzelchen erſchien als weißliche Spitze, die ſich immer, die Nuß mochte liegen wie ſie wollte, in verticaler Richtung verlängerte; dieſes Aufwärtswachſen der radicula ward ſchon von mehreren Beobachtern wahrgenommen. Der radicula, die ſich mehr und mehr im Waſſer erhebt, folgt bald der Stengel, der kleine Cotyledon und ein Theil des Blattſtiels vom großen Cotyledon. Der letzte bleibt jeder Zeit von der Nuß umſchloſſen und bildet dort gewiſſermaßen für eine Zeit lang eine Vorrathskammer zur Ernährung der jungen Pflanze. Nach einigen Tagen gewinnt das untergetauchte Pflänzchen durch den Einfluß des Lichts eine dunkelgrüne Färbung; dasſelbe beſteht noch aus einfachen Zellen, die Gefäße ſind erſt durch einen Streifen angedeutet. Die beiden aus kleinen eiförmigen, veilchenfarbenen Blätt— chen beſtehenden Knoſpen der plumula vergrößern ſich als⸗ bald; mit ihnen erhebt ſich der kleine Cotgledon, der, ſtatt wie bei den meiſten Pflanzen, abzuſterben, hier an Größe zunimmt, ſich an den Rändern ausbreitet und etwas nach der Seite krümmt, ſo daß die Knoſpen ſeitlich aus ihnen hervor ſteigen; jede der letzteren entwickelt ein Stengelchen, das eine aus linienförmigen, paarweiſe einander gegenüber— ſtehenden, einfachen Blättern beſtehende Krone trägt. In derſelben Achſel des kleinen Cotyledons entwickelt ſich darauf 9 131 noch eine dritte Knoſpe, die ihrerſeits gleichfalls zu einem Zweige wird. Erſt um dieſe Zeit entwickeln ſich an der Unterſeite der jetzt horizontal gerichteten radicula bis zu dem kleinen Cotyledon und den drei entſtandenen, ſich aufwärts richten— den Zweigen hinab zahlreiche Wurzelfafern von roſenrother oder weißlicher Farbe. Dieſe ſtets einfachen Faſern wach— ſen ſchnell abwärts; derjenige Theil derſelben, welcher ſich frei im Waſſer befand, färbte ſich grün, während das den Grund des Gefäßes erreichende Ende ſeine weiße Farbe be— wahrte. Dieſelbe Farbenveränderung der Wurzeln zeigte ſich bei allen Pflanzen, die der Verf. in mehreren Gefäßen von verſchiedener Höhe keimen ließ. Die drei Axillarzweige erhoben ſich alsbald zu wirklichen Stämmen, die, einfach bleibend, faſt ganz untergetaucht an ihrer Spitze eine Roſette neu entſtandener, anders geformter, auf der Oberfläche des Waſſers ſchwimmender Blätter trugen. Von nun an verändert ſich der Stamm nicht weiter, er wächſt in die Länge und Breite und erneuert bis zur Blüthe— zeit häufig die abwechſelnden, ſehr hinfälligen Blätter ſeiner ſchwimmenden Blattkrone. Häufig geſellt ſich zu den drei erwähnten Stämmen noch ein vierter, der aus der Achſel des noch lange fortdauernden Blattſtiels des großen Cotyledons hervorgeht, auch wohl ein fünfter, welcher der Baſis des kleinen Cotyledons entſproßt. So entſtehen fünf einfache Stämme aus einem Embryo; ſelbige trennen ſich ſpäter und ſchwimmen frei im Waſſer umher. Die Wurzelorgane. — Die aus der Baſis der Zweige hervorgehenden, abwärts ſteigenden Primitiowurzelfaſern find jeder Zeit einfach und von geringem Durchmeſſer; ſie be— ſitzen ein feſtes Gewebe ohne hohle Räume. In der Mitte der Wurzelfaſer liegt ein aus Ring und Netzgefäßen be— ſtehendes Gefäßbündel, in dem bisweilen auch abrollbare Spiralgefüße vorkommen. Außer dieſen entwickeln ſich ſpäter an der Baſis der erſten gegenſtändigen oder der ſpäter ent— wickelten alternirenden Blätter noch andere Wurzelfaſern, die, während die Blätter ſelbſt äußerſt hinfällig ſind und am Stamme nur eine große Narbe des abgefallenen Blatt— ſtiels hinterlaſſen, ſehr lange fortleben. Eine ſolche Wurzel erſcheint an der Seite des Blattes; ſie bildet bloß eine Menge kleiner, runder, nicht verzweigter Wurzelfaſern, die nach allen Seiten der Hauptwurzel entſproſſen und ihr, wenn ſie im Waſſer ſchwimmt, das Anſehen eines gefiederten Blattes geben. Die Bildung dieſer eigentlichen Wurzelfaſern erfolgt von der Spitze der Hauptwurzel aus. Genannte Wurzelfaſern entziehen dem Waſſer, da der Pflanze ein ernährender Boden fehlt, die Nahrungsſtoffe und führen ſie dem ſchwimmenden Stamme zu. Alle Autoren haben, bemerkt der Verf., dieſe Wurzeln mit Unrecht, wie bei Myriophylleen, für veränderte Blätter gehalten und als folia submersa capillacea vel pinnatilida beſchrieben. — Auch dieſe Wurzeln beſtehen aus einem feſteren Gewebe, denen alle Lücken fehlen; ſowohl die Hauptwurzel als ſämmtliche von ihr abgehende Faſern beſitzen ein centrales Gefäßbündel, mit Ringgefäßen und deren Übergängen zu Netz- und Spi⸗ ralgefäßen; ſie entſprechen demnach im Bau den zu Anfang 229. XI. 9. 132 aus dem Embryo entſtandenen Wurzeln vollkommen. Die Gefäße der Wurzelfaſern ſtehen mit den Gefäßen der Haupt: wurzel und dieſe wiederum mit den Gefäßen des Stammes, welche die Markröhre bilden, im Zuſammenhange. Der Stamm. — Der Querſchnitt eines erſt wenig entwickelten, noch völlig untergetauchten Stammes zeigt ein ſehr feſtes Zellgewebe; der Marfcanal iſt von dem übrigen Gewebe wenig verſchieden, jedoch bereits von 10 bis 12 ſymmetriſch angeordneten Gefäßbündeln umgeben. Zu keiner Lebensperiode der Pflanze bemerkt man wirkliche Markſtrahlen: zur Zeit der Keimung findet man ſowohl im Stiele des großen als in dem des kleinen Cotyledons und eben fo in der radicula nur ein einfaches Zellgewebe. Die Gefäße entwickeln ſich hier erſt ſpäter, obſchon der große Cotyledon, wie bereits erwähnt, lange vorher ein zartes Gefäß bündel beſitzt. Wenn die erſten gegenſtändigen Blätter entſtanden ſind, noch vor dem Auftreten der abwechſelnden Blätter, beobachtet man in den zwiſchen dem Mark und der Peripherie des Stammes gelegenen Geweben Veränderungen; die Zellen, welche zu Anfang einander ohne Unterbrechung berührten, weichen jetzt aus einander und bilden hie und da mehrere offene unregelmäßige Räume, aus denen die ſpäteren Lücken entſtehen. Während des Verlaufs der Vegetation werden an verſchiedenen Punkten Zellen reſorbirt und ſo noch ferner⸗ hin Lücken gebildet, deren Ränder die Überreſte der zerſtörten Zellen nachweiſen. Die ſchnelle Vermehrung dieſer Lücken, deren Form und Größe innerhalb gewiſſer Grenzen wechſelt, ſteht mit dem allgemeinen Wachsthume des Stengels in Übereinſtimmung. Dieſe Lücken ſind in dem Theile des Stengels, der Rinde und Holz repräſentirt, ſchon in Menge vorhanden, wenn das Gewebe des Marks noch feſt iſt; letz— teres vergrößert ſich und bildet dann erſt Lücken, welche mit Luft erfüllte Säcke bilden. Führt man den Schnitt unter Waſſer, ſo ſteigen aus ihnen zahlreiche Luftblaſen hervor; für die Lücken im Blattſtiele und Blatte gilt ganz dasſelbe. Die Geſtalt und das Entſtehen dieſer Lücken hat mit den langen freien Räumen der Nymphäaceen, die von Dutro— chet genau unterſucht wurden, nichts gemein; dagegen läßt ſich eine große Übereinſtimmung dieſer Lücken bei Trapa mit denen bei Hippuris, Myriophyllum, Potamogeton und Callitriche erkennen. Im ausgewachſenen Stamme bilden die zahlreichen Gefäßbündel einen geſchloſſenen das Mark umgebenden Ring, in welchem ſich keine Lücken befinden. Man findet meiſtens nur Ringgefäße von großer Weite, nur ſelten läßt ſich die Verdickungsſchicht auf längeren Strecken abrollen. Die Gefäße ſind ſehr zerbrechlich, ſie zerfallen in große Ringe von beſtimmter Größe. Wirklich völlig abrollbare Spiralgefäße fand der Verf. niemals, wie ſelbige überhaupt, nach der Beobachtung verſchiedener Phy— ſtologen, den Waſſerpflanzen mangeln ſollen. Nur im Umkreiſe des Markes und nirgends anderswo treten Gefäße auf; die Anordnung des übrigen Zellgewebes iſt überhaupt der Art, daß man ſehr wohl in ihm alle Theile eines dicotyledoniſchen Stammes wiederfinden kann. Das Blatt und der Blattſtiel. — Es giebt hier zweier: lei Blätter zu unterſuchen. 1) Die einfachen, linienförmigen 133 und gegenſtändigen Primitioblätter, 2) die abwechſelnden, ſchwimmenden, rautenförmigen, gezähnten Blätter. Der Verf. beſpricht zunächſt die erſteren, die ſchon frühzeitig abfallen und deshalb ſo häufig überſehen wurden. Wie alle unter— getauchten Blätter ſind auch ſie nur von einer äußerſt dün— nen, etwas körnigen Oberhaut (euticule) bekleidet, eine ächte Epidermis mit Spaltöffnungen fehlt ihnen durchaus. Dieſe Blätter vertrocknen an der Luft ſehr bald, ſte ſchwärzen ſich dabei; ihr innerer Bau iſt beſonders intereſſant; ſie beſitzen nämlich, ganz im Widerſpruch mit den untergetauchten Blät— tern von Myriophyllum und Potamogeton, die nur aus Parenchym beſtehen, in ihrer Mitte 2 bis 3 entwickelte Ge— fäßbündel, die an der Blattſpitze ſpindelförmig endigen und ringförmige Gefäße enthalten. Die Zellen dieſer Blätter find vieleckig, unregelmäßig und mit grünem Stoff erfüllt; auch zwiſchen ihnen finden ſich Lücken. Nur die Oberhaut der Oberſeite der ſchwimmenden Blätter beſitzt Spaltöffnungen, die überdies nicht zahlreich ſind, an der Unterſeite drr Blätter aber ganz fehlen; die Epidermis dieſer Unterſeite, aus kleinen unregelmäßigen Zel— len beſtehend, iſt mit langen gegliederten Haaren überſäet. Das Blattparenchym beſteht an der Oberſeite aus zwei Rei— hen eylindriſcher, ſehr eng neben einander liegender Zellen, die mit grünem Stoff erfüllt find; das übrige von Lücken durchbrochene Gewebe beſteht aus runden Zellen, die eben— falls mit grünem Stoffe erfüllt ſind; zahlreiche Ringgefäße durchſetzen das Blatt. — Der Blattſtiel der ſchwimmenden Blätter iſt anfangs kurz, an der einen Seite rundlich und an der anderen rinnenartig; erſt durch ein allmäliges Auf— treten der mit Luft erfüllten Lücken verſchwindet nach und nach die anfänglich vorhandene Rinne, und der Blattſtiel erhält das runde aufgeblaſene Anſehen, das ihn ſpäter cha— rakteriſirt. Die Lücken entſtehen hier ganz ſo, wie im Stamm und Blatte; zu Anfang iſt auch im Blattſtiele ein dichtes Gewebe vorhanden, zur Zeit der Reife beſteht dasſelbe da— gegen aus einem weiten Netze von Lücken, die meiſtens nur durch eine Zellenreihe von einander getrennt ſind; die Ring— gefaße nehmen, regelmäßig geordnet, die Mitte des Blatt— ſtiels ein, deſſen Oberhaut, wie die Unterſeite der ſchwim— menden Blätter, mit gegliederten Haaren beſetzt iſt. $. Il. Über die Reproduectionsorgane. Entwicklungsgeſchichte der Blüthenknoſpe. — Unterſucht man die Blüthenanlage von Trapa bei ihrem erſten Ent— ſtehen in der Achſel des Blattſtiels der ſchwimmenden Blät— ter, ſo findet man an der Baſis eines durchſichtigen Deck— blattes ein kleines Becherchen, deſſen wellenförmiger Rand vier abgerundete, volltommen ſymmetriſche Zähnchen zeigt. Dieſe Zahnchen, deren Trennung von einander der Verf. nie— mals deutlich ſah, ſind die Rudimente des Kelches, die nach ihm wirklich an der Baſis verwachſen entſtehen. Auch bei anderen Pflanzen, deren Blüthenentwickelung von ihm ver— folgt ward, als Lonicera, Lamium, Antirrhinum, Scutellaria, Knautia, Callitriche, Hippuris, Myriophyllum, Orchis und Ophrys fand er den Kelch nur aus einem Blatte beſtehend (calices monophylles). Die Theorie einer ſpäteren Der: 2297 Nl g 134 wachſung der anfangs getrennt auftretenden Theile des Kelchs ſcheint dem Verf. demnach hier nicht anwendbar. Das kleine Becherchen zeigte in ſeinem Innern nur leichte zellige Erhebungen, aus dieſen entſtanden alsbald vier kleine mit den Kelchzähnen alternirende Wärzchen, die werdenden Blumenblätter. Aus dem von dieſem zweiten Blattwirtel umſchriebenen Innern erhoben ſich bald darauf vier neue den Kelchzähnen gegenſtändige Wärzchen, die ſich als Staubfäden entwickelten; ſie wachſen und geſtalten ſich ſchnell, während der Blumenblattwirtel lange in ſeiner Entwickelung hinter ihnen zurück bleibt. Erſt ungleich ſpäter, und zwar faſt plötzlich, vergrößern ſich auch die Blumenblätter und wachſen über die ſchon meiſt vollſtändig entwickelten Staubfäden hinaus. Ein ähn— liches Abwechſeln des Entwicklungsvermögens zeigt ſich, be— merkt hier der Verf., bei ſehr vielen phanerogamen Blüthen. Bald nach dem Auftreten des Staubfadenwirtels be— merkt man im Mittelpunkte der Blüthe zwei ſehr nahe bei einander liegende Wärzchen, die an der Baſis zuſammen— hängen und nur auf 2/3 ihrer Länge getrennt find. Es find die beiden ſich erhebenden Carpelle des Fruchtknotens, welche im unteren Theile immer verſchmolzen erſcheinen. Alsdann ſieht man nach einander die Samenknoſpen, den discus, wel— cher die Baſis des Fruchtknotens umgiebt, den stylus und das stigma auftreten. Die Entwickelung der durchaus regel— mäßigen Blüthe von Trapa natans erfolgt demnach durchaus normal; von außen nach innen. Die Blumenkrone. — Die Blumenblätter entſtehen, wie bereits erwähnt, als vier kleine getrennte Wärzchen; ſelbige breiten ſich aus und werden zu kleinen runden Blatt- ſcheiben, die nur aus Parenchym beſtehen und zu dieſer Zeit deutlich auf dem gemeinſamen Blüthenboden eingefügt ſind. Bald darauf verlängert ſich ihre Baſis und verſchmilzt mit dem inneren Rande der ſchon gebildeten Kelchröhre, wodurch ihr eigentlicher Inſertionspunkt verwiſcht wird, ſo daß die Blumenblätter ein wenig ſpäter wirklich auf dem Kelche zu ſtehen ſcheinen. Die entwickelten Blumenblätter ſind von zahlreichen engen Ringgefäßen durchzogen; Spiral— gefäße konnte der Verf. niemals beobachten. Die Staubfäden und der Pollen. — So lange das Rudiment der Anthere eine kleine vollkommen runde Maſſe bildet, beſteht ſie nur aus gleichförmigem Zellgewebe; wenig ſpäter wird ſie durch eine deutliche Vertiefung, aus der ſich die Mittelnath entwickelt, gewiſſermaßen in zwei Hälften getheilt. Um dieſe Zeit zeigt ein dünner Querſchnitt vier ſymmetriſch an den vier Ecken gelegene Punkte, wo das ge— meinſchaftliche Zellgewebe durch Gruppen elliptiſcher, ſehr durchſichtiger, Zellen erſetzt iſt. Die letztgenannten Zellen, die Mutterzellen des Pollens, ſind nicht zahlreich, vermehren ſich dagegen mit großer Schnelligkeit. Die Anthere iſt jetzt vierfächrig, ihr Mittelband (Connectiv) iſt ſehr entwickelt. Faßt man die Entwickelung der Mutterzellen genauer ins Auge, ſo zeigt ſich, daß ſie aus einem zarten durch⸗ ſichtigen Häutchen beſtehen; in ihrem Inneren erblickt man eine anfangs einfache und compacte Maſſe, die ſich alsbald in drei Theile zertheilt. Die Theilung zeigt ſich zuerſt durch 9 * 135 drei gegen einander laufende Linien; Die Trennung wird immer deutlicher; jeder Theil bildet bald ein feines Bläs— chen, das ſeinem Nachbarbläschen dicht anliegt. Etwas ſpäter entſteht in jedem dieſer Bläschen ein zartes Bläschen, das zum eigentlichen Pollenkorn wird. Die Mutterzellen zer— reißen darauf, werden reſorbirt und verſchwinden vollſtändig. Die Pollenkörner liegen jetzt frei in den Längsfächern der Antheren, ſie werden, jemehr ihr Inhalt körnige Stoffe abſcheidet, immer dunkler, ihre Oberfläche iſt glatt, ihre Farbe gelblich. Im trockenen Zuſtande haben ſie, der reifen Anthere entnommen, eine elliptiſche Geſtalt; ihr Durchmeſſer entſpricht 2/100 Millimeter. Unter Waſſer werden ſie alsbald dreieckig, und das Innenhäutchen treibt die Torille ſchlauch— artig hervor. Auf den langen Narbenpapillen zerplatzt das Pollenkorn und ſeine Schläuche dringen ins leitende Gewebe. Der Verf. konnte ſie wegen der Dicke, Undurchſichtigkeit und Länge des Staubweges und der völligen Undurchſichtig— keit des Fruchtknotens nicht bis zur Samenknoſpe verfolgen. Auch die Gefäße des Mittelbandes der Anthere ſind Ringgefäße, denen der Blumenblätter analog. — Die innere Wandung der Anthere iſt mit einer Schicht großer eiför— miger Querfaſerzellen bekleidet. Die Faſern dieſer Zellen ſind häufig durch Zwiſchenſtreifen netzartig verbunden, laſſen ſich dagegen auch manch Mal zu einer Spirale abrollen. Der discus und der Fruchtknoten. — Die beiden Car— pelle, die zur Zeit ihres Entſtehens an der Baſis vereinigt, an ihrer Spitze jedoch getrennt ſind, ſtreben ſich immer mehr vollſtändig zu vereinigen; an der Spitze des ſo ent— ſtandenen Fruchtknotens bildet ſich alsbald ein verengerter Hals, der ſich verlängert und zum Staubwege wird. Der untere Theil der Carpelle verſchmilzt anfangs durch ein neu entſtandenes Zellgewebe, das ſich zwiſchen Fruchtknoten und Kelch entwickelt, bis zu einer gewiſſen Höhe mit der Kelch— röhre. Der Fruchtknoten von Trapa natans iſt nur halb unterſtändig; zu einer gewiſſen Zeit entwickelt ſich um ſeine Baſis ein zelliger Wulſt, der aus der Maſſe des Blüthen— bodens hervorgeht und bei dem Wachsthume der Blüthe einerſeits mit dem Kelch, andererſeits mit der Wandung des Fruchtknotens verſchmilzt. Das neue Organ iſt der discus, welcher zur Zeit der Samenreife bei Trapa eine ſolche Ausdehnung erreicht, daß es faſt den noch freien, nicht mit dem Kelche verwachſenen Theil des Fruchtknotens vollſtändig bedeckt und mit ihm feſt verbunden iſt. Die erſten ſich im Kelch entwickelnden Gefäße ſind Ring— gefäße; darauf entſtehen, ſowohl in der Kelchröhre als in den freien Kelchſpitzen an beiden Enden zugeſpitzte Holzzellen, die kurz und den Baſtzellen der Holzpflanzen ähnlich find; Spiralgefäße ſah der Verf. auch hier niemals. Von dem Grade der Entwickelung dieſer Holzzellen hängt auch die Conſiſtenz der mit dem Fruchtknoten verbundenen Kelchröhre ab. Die Nuß beſitzt bekanntlich eine große Härte, die Hör— ner oder Stacheln derſelben ſind nichts anderes als die faſt vollſtändig verholzten Kelchzähne; die nach abwärts gerich— teten Zähnchen dieſer Hörner entſtehen durch Holzbündel, die ſich von der gemeinſamen Holzmaſſe trennen und eine andere Richtung annehmen. 229. XI. 9. 136 Die Samenknoſpen. — Die beiden Carpelle, welche den Fruchtknoten bilden, beſtehen jedes aus einer dicken, im Entſtehen ſo um ſich ſelbſt gefalteten Platte von Zell⸗ gewebe, daß jede eine kleine Höhle, ein Fach, bildet; beide Carpelle bilden, indem ſie ſich mit einander verbinden, an der Vereinigungsſtelle eine Art Scheidewand, deren doppelte Mem⸗ bran man im jugendlichen Zuſtande vorſichtig trennen kann. Wenn man den Fruchtknoten, noch ehe beide Carpelle vollſtändig verwachſen find, durchſchneidet, jo findet man in jedem Fache, am oberen Theile der Scheidewand, eine ſich entwickelnde Samenknoſpe. Anfangs iſt nur ein ſehr durchſichtiger Knoſpenkern vorhanden, bald darauf entſtehen an ſeiner Baſis zwei zellige Wülſte, die Rudimente beider Integumente. Die junge Samenknoſpe iſt noch horizontal mit der freien Spitze der Wandung des Fruchtknotens zu⸗ gerichtet, die Durchſichtigkeit der letzteren geſtattet, ſie ohne Hülfe des Meſſers beobachten zu können. Bald darauf ver— längert ſich die Samenknoſpe, indem ſich ihr Knoſpenträger entwickelt; das Knoſpenkorn und das innere Integument, welche bisher vorſprangen, werden vom äußeren Integumente bedeckt, deſſen klaffende Mündung ſich zum Groftom ent— wickelt; gleichzeitig verwächſt der funiculus ſeitlich mit der Samenknoſpe, bildet die raphe und beſtimmt die veränderte Richtung der Samenknoſpe. Der Knoſpenmund iſt jetzt ge— gen den Samenträger und gegen die Spitze des Fruchtfaches gerichtet; die chalaza liegt ihm gegenüber, die Samenknoſpe iſt jetzt vollſtändig anatrop geworden. In der raphe ſieht man zahlreiche Ringgefäße, die an der chalaza mit einem zierlichen Geflechte verſchwinden; an der anderen Seite aber mit ähnlichen Gefäßen des Samenträgers in directer Ver— bindung ſtehen. Die beiden Samenknoſpen nehmen bis zur Zeit der Beſtäubung faſt die ganze Höhlung ihrer Frucht— fächer ein; ihr Anheftungspunkt liegt unterhalb der Spitze der Scheidewand. Schon wenige Tage nach der Befruchtung erſcheint die eine befruchtete Samenknoſpe ungleich größer als die andere, ſie wächſt von nun an mit ungemeiner Schnelligkeit, ihre Integumente ſtrotzen von Säften, die ſich bald über die ganze Samenknoſpe ausbreiten, dieſer wird es im kleinen Fruchtfache zu enge, ſie drückt gegen die Scheide— wand, deren ſchwaches Gewebe in der Mitte zerreißt; in der reifen Frucht entdeckt man kaum noch Spuren ihres vor⸗ maligen Daſeins. Die nicht befruchtete Samenknoſpe wird bei dieſem Vorgange in eine Ecke der Spitze des Fruchtkno— tens geſchoben, ſie vertrocknet dort, verſchwindet aber niemals vollſtändig, ein Überreſt von ihr iſt noch in der reifen Nuß nachweisbar. Eine einzige Samenknoſpe erfüllt jetzt den ganzen Fruchtknoten und entwickelt in ſeinem Innern den mächtigen Embryo. Die Befruchtung erfolgt bei ſolchen Blumen, die aus dem Waſſer hervortauchen; die ihr fol— genden Vorgänge ſcheinen indes eben unterhalb des Waſſer— ſpiegels vor ſich zu gehen. Der Verf. hält es bei der vollkommen gleichen Beſchaf— fenheit der beiden Samenknoſpen kurz vor der Befruchtung nicht für unmöglich, daß ausnahmsweiſe beide befruchtet werden und einen vollſtändigen Embryo entwickeln können, ein Fall, den er indes niemals beobachtete. 137 Der Embryo und die reife Frucht. — Nachdem ſich auf der Narbe Pollenſchläuche entwickelt haben und ſo viel Zeit verſtrichen war, daß die letzteren die Samenknoſpe er— reicht haben konnten, hatte die letztere, wenn der Verf. das Gewebe des Fruchtknotens um ſie entfernte, die Geſtalt einer Weinflaſche mit engem Halſe angenommen. Im Innern der— ſelben ſah man den Umkreis eines Embryoſacks durchſchei— nen, deſſen zartes Gewebe ſich ſpäter mit der Wandung des Knoſpenkerns vollſtändig zu verſchmelzen ſchien. Wenn der Verf. den Theil des nucleus, auf den der Pollenſchlauch eingewirkt hatte, vorſichtig entfernte, ſo zeigte ſich eine kleine Gruppe runder Zellen, durch deren Mitte ein langer, durch— ſichtiger, äußerſt zarter Schlauch herabſtieg, der mit zarten Körnern erfüllt war und mit einer vollkommen runden Zel— lenmaſſe endigte. Alle dieſe Theile ſind, bemerkt der Verf., ſo zart, daß es einer mehrmaligen, ſorgfältigen, äußerſt vorſichtigen Wiederholung bedurfte, um ſie beobachten zu können. Der abwärts ſteigende Schlauch iſt der Embryo— träger (cordon suspenseur), die kugelige Zellenmaſſe der junge Embryo, letzterer vergrößert ſich ſchnell, an ſeinem freien Ende zeigt ſich bald ein leichter Eindruck und zu beiden Seiten desſelben ein rundliches kurzes Wärzchen; letztere ſind die Anfänge der beiden Cotyledone, welche um dieſe Zeit noch vollkommen gleich ſind. Dieſe Übereinſtimmung dauert indes nicht lange, ſchon wenige Tage ſpäter verlängert ſich das eine dieſer Wärzchen, ſucht den weiteren unteren Theil des Embryoſacks zu erreichen und breitet ſich in ihm nach allen Seiten aus. Dieſe Entwickelung geht ſo ſchnell von Statten, daß der genannte Samenlappen bald den ganzen Raum er— füllt, während bei dem anderen, durch ihn beſchränkten und gewiſſermaßen auf den Hals der Samenknoſpe angewieſenen Cotyledon ein wirkliches Stocken ſeiner Entwickelung einge— treten zu ſein ſcheint. Das Vegetationsvermögen dieſes Co— tyledons, der beſtändig, mit ſeinem Nachbar verglichen, ein Zwerg bleibt, ſcheint ſich ſeiner Achſel, in der die erſten Rudimente der Centralknoſpe der plumula entſtehen, zuzu— wenden; die zweite in der Achſel des großen Cotyledons be— findliche Knoſpe zeigt ſich erſt ſpäter, wenige Tage vor der vollſtändigen Reife des Embryos. Der letztere, deſſen größten Theil der ungeheure Samenlappen ausmacht, erfüllt bekanntlich im Zuſtande der Reife den ganzen Fruchtknoten. Auch hier zeigt ſich demnach, wie bei der Entwickelung der beiden Samenknoſpen, ein ungleicher Grad der Ernährung, ein Reichthum ernährender Stoffe auf der einen und eine Ar— muth an ſelbigen auf der anderen Seite; eine unregelmäßige Entwickelung des einen Organes auf Koſten des anderen. Adr. de Juſſieu hat bei verſchiedenen Hiraea-Arten eben— falls eine ungleiche Entwickelung des Cotyledons beobachtet, die, wie bei Trapa, in einem Stocken der Entwickelung des einen derſelben ſeine Urſache findet. Das mehlige Gewebe des großen Samenlappens wächſt in derſelben Weiſe wie ein ächtes Periſperm, deſſen Dienſte es auch hier vertritt; es beſteht aus regelmäßigen, vieleckigen Zellen, die ſich dom Umkreiſe nach dem Mittelpunkte zu vermehren ſcheinen. In dieſen Zellen entwickelt ſich Stärke— mehl, deſſen Körner im jüngſten Zuſtande einfache Schläuche 229. XI. 9. 138 (utricules) ohne Spur eines Kerns und concentriſcher Linien bilden, dieſe treten etwas ſpäter auf. Das entwickelte Stärke— mehlkorn hat einen centralen Kern und zahlreiche Schichten; ſowohl die Größe der Körner als die Zahl ihrer Schichten iſt ſehr verſchieden, Jod färbt ſie ſchön blau. Wegen des großen Reichthums an Stärkemehl, baut man in China ver: ſchiedene Trapa-Arten als Nahrungspflanzen. Zum Schluſſe blickt der Verf. noch auf die wichtigſten Entwickelungsphaſen im Leben der Waſſernuß, das ſich von Mai bis October entfaltet, zurück; es ſind nach ihm folgende: Erſte Periode: Keimung. Zweite Periode: Entfaltung der Plumulaknoſpen, Bil— dung der Stengel, der erſten gegenſtändigen Blätter und der einfachen abwärts ſteigenden Wurzelfaſern. Dritte Periode: Bildung und Entwickelung der ſchwim— menden Adventivwurzeln zur Seite der Blattbaſis. Bildung und Wachsthum der Terminalroſetten rhombi— ſcher ſchwimmender Blätter. Vierte Periode: Erſtes Auftreten der Blüthen in der Achſel der ſchwimmenden Blätter, verzweigte oder gefiederte Beſchaffenheit der Adventiowurzeln. Der Blattſtiel der großen Samenlappen beginnt ſammt der Primitivpflanze, welche die Stämme bis dahin verbindet, abzuſterben. Fünfte Periode: Zeit der Blüthe; jeder Stamm trennt ſich von der Achſel des kleinen Cotyledons und beginnt für ſich allein zu beſtehen. Sechste Periode: Entwicklung und Reifen der Frucht. Die iſolirten Stämme ſchwimmen auf dem Waſſer, ſie näh— ren ſich durch ihre gefiederten Adoentivwurzeln. Siebente Periode: Die reifen Früchte fallen ab, es erfolgt ein ſchnelles Abſterben der ganzen Pflanze. Miſeellen. 24. Pia cababeſen find ein neuer Ginfuhrartifel in London, worüber Sir W. J. Hooker im Lond. Journ. of Bot. 1849. 122 ſagt: Jedermann kann in London bemerken, wie ſehr ſeit einigen Jahren die Reinlichkeit der Trottoirs zugenommen hat. Dies kommt von den Beſen her, die man braucht. Fragt man, woraus ſie beſtehen, ſo erhält man gewöhnlich zur Antwort: aus Fiſchbein. Sie beſtehen aber aus einer vegetabiliſchen Subſtanz, aus den dicken Faſern einer in Braſilien ſehr häufigen Palme (Attelea funifera Martius), welche man in Packeten von mehreren Fuß Länge, die Tonne für 14 Pfd. St. unter dem braſiliſchen Namen Piacaba einführt. Die zu dieſem Zwecke gebräuchliche Par— tie des Baumes iſt die Baſis der Petiolen, ganz beſetzt mit brau- nen Faſern, welche Mart ius ſehr gut abbildet. Die Frucht, unter dem Namen coquilla-nuts, wird zu Stockknöpfen und ähn- lichem verarbeitet. 25. Früchte von Cactus grandiflorus find bekanntlich ſehr ſchwer zu erziehen; Hr. Thomas ji Ratibor erwähnt in einem Berichte an die ſchleſiſche vaterl. Geſellſch. für 1848, daß dies daher rühre, daß die Pflanzen immer hinter Glas gehalten wer— den, alſo der freien Luft entbehren. Von 4 jährlich reich blühenden Stöcken ſetzte er einen ins Freie, fo oft die Temperatur über 14“ be- trug. Die 3 anderen ſetzten wie gewöhnlich keine Frucht an, ob— wohl ſie reichlich blühten; der vierte Stock dagegen brachte eine Frucht, die Y Jahr zur Reife brauchte und gelblichweiß, birn— förmig, glatt, mit vielen ſchwarzen Samen ſich zeigte. 139 229. XI. 9. 140 Heilkunde. (XV.) Amputation eines Armes am Schultergelenk, wegen Krankſein des anatomiſchen Halſes des hu- merus und des Elnbogengelenkes. Heilung. Von T. Newham. John Long lands, 17 Jahre alt, ward am 22. Mai 1849 in das Hoſpital zu Chicheſter aufgenommen und der Behandlung des Dr. Duke übergeben. Er hatte zwei Jahre vorher einen Schlag auf die linke Schulter er— halten, der ihm nur geringe Schmerzen verurſachte und wovon er bald wieder geneſen war. Als er vor 5 Wochen des Abends von der Arbeit zurückgekehrt war, klagte er uͤber heftige klopfende Schmer— zen in der Schulter, die ſich in der Nacht ſo verſtärkten, daß man am folgenden Morgen nach dem Arzte ſchickte. Dieſer bemerkte eine Röthung und Empfindlichkeit der gan— zen Schulter und verordnete Blutegel, Abführungsmittel u. ſ. w.; allein die Symptome dauerten mit ſehr geringer Linderung vierzehn Tage lang fort und alsdann bildete ſich Eiter über dem Acromialfortſatze und ward ausgeleert. Schnell nach einander wurden noch 4 bis 5 Eiterheerde am Oberarme geöffnet und zwar gleich vor der Aufnahme des Patienten ins Hoſpital einer an der Inſertion des m. del- toideus und einer über dem condylus externus humeri. Das Ausſehen des Patienten war ungemein ſcrophu— lös und ſeine körperliche Ausbildung war ſeinem Alter nicht angemeſſen. Der aus den beiden letzten Offnungen Statt findende außerordentlich ſtarke Eiterausfluß, welcher ſich täglich auf faſt eine Pinte belief, während der Eiter von gutartiger Beſchaffenheit ſchien, hatte die Kräfte gewaltig erſchöpft. Die Bewegung des Armes veranlaßte ſowohl im Schulter = als im Elnbogengelenke außerordentlich ſtarke Schmerzen. Beim Einführen der Sonde in die obere Offnung an der Inſertion des m. deltoideus ſchien dieſelbe an der vorderen Fläche des Oberarmbeinkopfes hinzugleiten und die cavitas glenoidea zu berühren. Nach dem Gefühle in der Hand des Chirurgen zu urtheilen, war der Knochenkopf cariös. Indes ſchien die cavitas glenoidea nicht von Knorpel ent— blößt. Die Oberfläche des humerus war bis 2— 3 Zoll unter dem Kopfe, ſowie unter der langen Sehne des m. biceps entblößt. Der Elnbogen war beim Beugen und Strecken, beſon— ders aber beim Drehen und bei Percuſſion des Kopfes ſchmerzhaft. Die über dem condylus externus befindliche ffnung ließ ſich nicht bis auf den Grund ſondiren. Wegen dieſer Symptome und des ſchwächenden Eiter— ausfluſſes beſchloſſen br. Duke und Hr. Elliott mit der Operation nicht zu zögern. Zuerſt kam das Ausſchneiden des Kopfes des humerus in Vorſchlag; doch ward dieſe Operation verworfen, da das Elnbogengelenk ebenfalls erkrankt ſchien und man der Conſtitu— tion des Patienten auch nicht die Kraft zutraute, den Verluſt des Knochenkopfes in einer ſolchen Weiſe zu erſetzen, daß der Arm wieder brauchbar geworden wäre. Dr. Duke be ſchloß alſo die ganze Extremität am Schultergelenk zu am— putiren, was auch am 1. Juni geſchah— Operation. Nachdem Chloroform eingeathmet wor: den war und ſchnell gewirkt hatte, comprimirte man die a. subelavia über dem Schlüſſelbeine und machte dann einen Einſchnitt mit dem Scalpell, der von einem Punkte über dem rabenſchnabelförmigen Fortſatz der scapula vorn, ab— und hinterwärts bis faſt an die Inſertion des m. deltoi- deus, dann auf- und hinterwärts bis an die spina scapu- lae reichte und demnach den m. deltoideus nach deſſen gan⸗ zer Ausdehnung einſchloß, ſo daß er ganz in die Höhe ge— ſchlagen und das Capſelligament bloß gelegt werden konnte. Dieſes wurde zerſchnitten und das Meſſer durch das Gelenk geführt. Zur Bildung des untern und innern Lappens ward alsdann ein langes Knorpelmeſſer gebraucht und die Arillargefäße und Nerven natürlich zuletzt durchſchnitten. Die vom erſten Einſchneiden bis zur vollſtändigen Ablöſung des Armes verſtreichende Zeit betrug 68 Secunden. Die arteria axillaris war bald unterbunden; außerdem geſchah dies mit 8 andern kleinen Arterien. Es gingen im Gan— zen 8 Unzen Blut verloren und durch dieſen Blutverluſt ſo— wie die Wirkung des Chloroforms ward der Patient ſehr matt und faſt pulslos, ſo daß ihm zur Stärkung ziemlich viel Wein gereicht werden mußte. Die Lappen wurden alsdann an einander gelegt und lediglich durch einen Heftpflaſterſtreifen zuſammengehalten. Als der Patient ins Bett gebracht worden, war der Puls 98, ſchwach und klein. Die Wunde wurde 5 Stun— den nach der Operation verbunden. Es zeigte ſich nicht die geringſte Neigung zu Hämorrhagie. Die Schulter ward mit kaltem Waſſer behandelt. Um 9 Uhr Abends war ſtarkes Wundfieber eingetre— ten. Puls 120, aber ſchwächer. Haut heiß und trocken; große Unruhe. Tinet. Opü gr. 20; Mist. Camph. 31 hac vespere. Am 2. Juni. Die Nacht war gut vorübergegangen. Die Hautthätigkeit war günſtig und die Tranſpiration ſtark. Seit der Operation war Stuhlgang erfolgt. Puls 110. Zunge ein wenig belegt; Schulter ganz ſchmerzlos. Dr. Duke verordnete: M. Salinae 31; Pot. Nitrat. gr. 10. 4tis horis. Die kalten Umſchläge wurden fortgeſetzt. Limonade als Getränk. Abends Beſſerung. Puls 100, weich und ſchnell; Haut feucht und kühl. Der Kranke iſt ſehr heiter. Den 3. Juni. Wie geſtern. Puls 100. Zunge be— legt. Die Wunde ward heute verbunden, da ſie übelrie— chend wurde. Eine bedeutende Menge Eiter lief, wie es ſchien, aus der cavitas glenoidea. Die Näthe (Ligaturen?) 141 Am hinteren Theile der Wunde war wurden abgenommen. Appetit die Vereinigung per primam intentionem bewirkt. und Schlaf gut. Mit der Arznei fortgefahren. Den 5. Juni. Die Schulter wurde heute wieder ver— bunden. Es ſickert ſehr wenig Eiter durch. Puls 98. Zunge rein; Stuhlgang. Fiſch zum Mittagseſſen. Den 6. Juni. Wie geſtern. Die Schulter wird täg— lich verbunden. Über den obern Lappen wird eine Com— preſſe und Binde gelegt. Wir können hier erwähnen, daß ſich heute die letzte Ligatur von den Arterien ablöſ'te. Die an die a. axillaris gelegte war ziemlich ſtark und ging am dritten Tage ab. Übrigens zeigte ſich nicht die geringſte Neigung zu einer Nachblutung. Puls 98 und ſehr geſchwind. Zunge rein. Stuhlgang. Haut thätig. Ein Schöpſencotelett und ½ Pinte Porterbier. Das Medieiniren wird ausgeſetzt. Den 5. Juli. Seit dem letzten Berichte hat ſich nichts außerordentliches ereignet. Der Burſche verließ am ſieben— ten Tage nach der Operation das Bett und ſpatzierte am zwölften in dem Hoſpitalgarten herum. Die Wunde iſt nun ganz geheilt mit Ausnahme zweier Stellen am vorderen Rande, die etwa 1 Zoll von einander entfernt find und unter der jungen Haut mit einander communieiren. Der Appetit iſt gut; der Patient iſt wieder zu Fleiſch und Kräften gekom— men und ſieht viel beſſer aus als vor der Operation. In der folgenden Woche ſoll er als geheilt entlaſſen werden. Man verordnet ihm: Sol. Argent. Nitrat. gr. iij ad 3j in die kleine Fiſtel an der Schulter einzuſpritzen. Zuſtand des Armes. Die Krankheit hatte, wie es ſchien, in der epiphysis begonnen, da der Knochen an dieſer Stelle cariös war und die caries erſtreckte ſich theil— weiſe bis zum Kopfe des Knochens, deſſen Knorpel jedoch unverſehrt geblieben war. Unter dem m. biceps hatte ein Absceß beſtanden, der ſich bis zum mittlern Drittel des Armes erſtreckte und an dieſem Punkte war der Knochen an ſeinem periosteum völlig entblößt und weiß. An der äußern Seite des Capſelligaments waren bedeutende Knochen— portionen abgelagert, welche dem Kopfe und Halſe des hu- merus als eine Art von Stütze dienten. Das ſämmtliche Zellgewebe war bis, zum Handgelenke hinab infiltrirt und verhärtet. Beim Offnen des Elnbogengelenkes entwichen etwa 2 Unzen Eiter. Außer der Ulceration des Knorpels auf den Köpfen des radius und der ulna, ſowie an der ent— ſprechenden Gelenkfläche des humerus, ſchien keine pathologi— ſche Veränderung vorhanden zu ſein. Dieſe Stellen waren theilweiſe von Knorpel entblößt. Bemerkungen. Der Fall bot zwei Eigenthümlich— keiten dar: 1) Das ſchnelle Fortſchreiten der Krankheit nach deren erſtem Beginnen. Was die vor zwei Jahren Statt gefun— dene Beſchädigung betrifft, ſo kann ich nicht glauben, daß ſie bei der Krankheit irgend eine Rolle geſpielt habe. 2) Der ſehr kurze Zeitraum, welcher zwiſchen der Ope— ration und dem Abgange der Ligaturen verſtrich. In einem dem Mittelpunkte der Circulation ſo benachbarten Theile ſollte man erwarten, daß der Blutklumpen in den Arterien 229. XI. 9. 142 viel langſamer feſt würde, während die benachbarten Theile wegen der ſtarken Verſorgung mit Blut ſchneller heilen müßten. Dr. Duke theilt mir mit, es ſei ihm noch nie ein Fall vorgekommen, in dem ſich die Ligaturen ſo ſchnell ab— gelöſ't hätten und auch ich kann mich keines ähnlichen er⸗ innern. Der einzige Erklärungsgrund, der mir beifällt, iſt, daß die Thätigkeit des Herzens während der erſten 48 Stun— den nach der Operation ſo höchſt ſchwach war, wodurch natürlich die Bildung des coagulum ſehr begünſtigt werden mußte. (London medical Gazette, Aug. 1849.) (XVI) über die faeces, die Urſache ihres Ge— ruches ze. Von J. W. Griffith, D. M. Mir iſt nicht bekannt, daß in Betreff des Geruches der faeces ſchon irgend eine genügende Erklärung geliefert wor— den wäre. Bei Unterſuchung dieſer Frage iſt der erſte ſich dar— bietende Punkt, ob der Geruch von der Zerſetzung der un— verdauten Überreſte der im Darmcanale befindlichen verſchie— denen Nahrungsſtoffe herrührt oder nicht. Dies iſt unſtrei— tig nicht der Fall. Der ſaure Magenſaft übt bekanntlich eine ſtarke Wirkung auf die Nahrungsſtoffe aus, welche die in dergleichen Stoffen unter gewöhnlichen Umſtänden Statt findenden Veränderungen verhindert. Dieſe Wirkung hört jedoch wenigſtens beinahe ganz auf, nachdem der chymus ſeine ſaure Eigenſchaft verloren und ſich mit der Galle ver— miſcht hat. Allein, wenn man Nahrungsſtoffe entweder mit den Secretionen des Magens oder der Eingeweide miſcht, oder für ſich den der Fäulniß günſtigen Umſtänden ausſetzt, entwickelt ſich kein ſolcher Geruch. Unter dieſen Umſtänden iſt der Geruch faulig, aber von dem der faeces durchaus verſchieden. Liebig führt an, er habe eine Methode aus— findig gemacht, durch welche ſich ein ähnlicher Geruch er— zeugen laſſe; allein die Umſtände, unter welchen derſelbe erlangt wird, kommen im menſchlichen Körper wahrſcheinlich nie vor. Dieſer Geruch iſt nicht immer in derſelben Stärke vor— handen und auch nicht immer derſelben Art. Faeces von normaler Beſchaffenheit beſitzen denſelben in verhältnißmäßig geringem Grade. Wenn aber die Därme eine ungewöhn— liche Menge Flüſſigkeiten enthalten, welche die faulige Zer— ſetzung ſehr begünſtigen, ſo entwickelt er ſich in bedeutender Intenſität. Durch Iarirende Arzneimittel werden bekanntlich die kaeces um vieles übelriechender, zumal wenn die Därme vorher längere Zeit über unthätig geweſen ſind. Werden dagegen ſolche Arzneimittel fortgeſetzt angewendet, ſo wird der üble Geruch vermindert, weil die faeces ſchneller durch die Därme gehen. Daher könnte man glauben, die Fäul- niß ſei der Grund des Geruches, weil, ſobald die dieſelbe am meiſten begünſtigenden Bedingungen vorhanden ſind, der eigenthümliche Geruch am intenſivſten iſt. Auch wird dieſe 143 Anſicht durch den Umſtand unterſtützt, daß der Geruch um fo deutlicher und kräftiger iſt, je näher die faeces, welche man unterſucht, der Afteröffnung liegen. Ferner wird der praftifche Arzt ſich erinnern, daß dieſer Geruch in Fällen, wo ſich keine Galle in die Därme ergießt, wie z. B. meh— rentheils bei icterus, nicht an den faeces bemerkt wird. Des— halb ſcheint die Anweſenheit der Galle zur Erzeugung des Geruches durchaus erforderlich. Die auffallende Ahnlichkeit, welche der Geruch fauliger Galle mit dem der faeces, be— ſonders wenn die der Entwickelung desſelben in den letztern günſtigſten Umſtände eingewirkt haben, darbietet, war es aber gerade, was meine Aufmerkſamkeit auf dieſen Punkt lenkte. Da der fragliche Geruch fehlt, wenn keine Galle in den faeces iſt, jo wird dadurch meine Anſicht beſtätigt. Auf dieſe Art iſt es alſo höchſt wahrſcheinlich, daß dieſer Geruch aus der Fäulniß der Galle oder eines Theiles der— ſelben während des Durchgangs durch den Darmcanal ent— ſpringt. Die nächſte Frage iſt: welcher Theil der Galle wird zerſetzt? Die elektronegativen oder ächt gallichten Beſtand— theile, der Färbeſtoff oder der Schleim aus der Gallenblaſe? Der Geruch kann nur von den erſtern herrühren; denn bei der Zerſetzung des Gallenſchleims und Färbeſtoffs entwickelt ſich ein Geruch, der dem des faulen Fleiſches ſehr ähnlich, aber von dem der faeces ganz verſchieden iſt. Von den Producten der Zerſetzung der Galle in den faeces habe ich noch keins ermitteln können; denn die Che: mie der Fluͤſſigkeit im normalen Zuſtande iſt bis jetzt noch ſo wenig feſtgeſtellt, daß ſich nicht wohl beſtimmen läßt, welche Proceſſe mit derſelben vorgehen können und dieſer Gegenſtand gehört überhaupt zu den ſehr ſchwierigen. Daß aber gewiſſe Producte der Galle in den faeces vorhanden ſind, wurde ſchon vor Jahren von Berzelius dargethan. Ich kann mich hier nicht enthalten, zu bemerken, daß in den meiſten Fällen, in welchen das Ausbrechen von Galle oder grüner Flüſſigkeit Statt findet, kein Zweifel darüber ſein kann, daß die bloße Anweſenheit der Galle oder ihres Färbeſtoffs kein Zeichen des Vorhandenſeins einer Störung in der Le— ber iſt, wie man doch gemeinhin glaubt. Wer nur im geringſten darauf geachtet hat, muß wahrgenommen haben, daß ſich ſelten ein Patient mehrmals erbricht, ohne daß man anſcheinend Galle in der ausgebrochenen Flüſſigkeit findet. Die Urſache dieſer Erſcheinung iſt rein mechaniſch; man findet letztere bei der Seekrankheit, beim Erbrechen, das durch Gifte, Gehirnleiden ꝛc. veranlaßt wird. In den mei— ſten Fällen, welche man meiner Anſicht nach mit Unrecht biliöſe nennt, liegt die Urſache der Reizung in der Störung der Functionen des Magens. Dieſe iſt mehrentheils mit Anorexie verbunden; daher entſteht eine Anhäufung von 229. XI. 9. 144 Galle in der Gallenblaſe und die krampfhafte Thätigkeit der Abdominalmuskeln drückt die Galle heraus. Auchsb halte ich die gewöhnliche Anſicht, daß dem auffallend üblen Geruche der faeces ein krankhafter Zuſtand der Galle zu Grunde liege, für durchaus irrig. Man findet ihn in allen Fällen, wo die faeces mehr Flüſſigkeit enthalten als gewöhnlich, wodurch der Ausfluß der Galle ſehr begünſtigt wird, zumal wenn die faeces irgend lange in den Därmen verweilt ha— ben. An den faeces in den obern Theilen des Darmcanals oder an dem Inhalte der Gallenblaſe läßt ſich jedoch bei Sectionen durchaus kein ähnlicher übler Geruch wahrnehmen. Dieſe Bemerkungen wurden ſchon vor mehreren Jahren niedergeſchrieben; allein ich ließ mich von der Bekannt: machung derſelben abhalten, da ich bei der Vergleichung der Anſichten der Phyſiologen über denſelben Gegenſtand angegeben fand, daß Hr. Valentin in ſeinem Lehrbuche den Geruch der faeces derſelben Urſache, wie ich, zugeſchrieben habe. Da ich jedoch (am angeführten Orte?) durchaus nichts über die erwähnte Anſicht habe finden können, ſo hielt ich es für der Mühe werth, die meinige noch nachträglich zu veröffent⸗ lichen. (London med. Gaz., Aug. 1849.) Mi fee pp (19) Als ein ungemein empfindliches Reagens für Eiweißſtoff empfiehlt Hr. M. E. Millon eine Auflöſung von Queckſilber in einem gleichen Gewichtstheile Salveterfäure. Eiweißſtoff und deſſen Verbindungen werden dadurch ſehr kräftig roth gefärbt. Man entdeckt dadurch eine höchſt winzige Portion albumen in Waſſer. Stärke und Gummi erlangen dadurch eine deutliche Roſafarbe. Urin wird, nachdem das Reagens eingetragen iſt, roſaroth, wenn man ihn erwärmt. Das albumen des Blutes, der Pflanzen, der Fibrine, Caſeine ꝛc. ꝛc. wird ebenſo afficirt. Man löſ't das Queckſilber in kalter Salpeterſäure (1,4) auf, die man, nachdem die Reaction aufgehört hat, ein wenig erwärmt und die Auflöfung wird dann mit 2 Maßtheilen deſtillirten Waſſers verdünnt und, nachdem ſie einige Stunden geruht, von dem aus Kryſtallen von ſalpeterſaurem und baſiſch ſalpeterſaurem (uitrite ?) Queckſilber beſtehenden Bodenſatz abgegoſſen. Am beſten wirkt dies Reagens bei Temperaturen von 140—150° F. und darüber bis zum Siedepunkte. Man hat mittelſt desſelben Eiweißſtoff in der Cho⸗ leraflüſſigkeit gefunden, wenn Salpeterſäure und Hitze den Dienſt verſagten. (London med. Gazette, Aug. 1849.) (20) Chloroform im Blute läßt ſich leicht ent⸗ decken, indem man bei Rothglühhitze das Chloroform in Chlo⸗ rine und Salzſäure zerſetzt. Man bringe das Blut in ein Sand⸗ bad und laſſe die ſich entwickelnden Dämpfe durch eine bei ihrer Mitte rothglühende und an ihrem Ende mit einem aus Potaſſium⸗ Jodid und Stärkemehl bereiteten Kleiſter ausgeſtrichene Röhre ge: hen, deren oberes Ende mit einem Papiere bedeckt iſt, welches mit derſelben Miſchung befeuchtet iſt. Wenn Chloroform im Blute enthalten iſt, ſo wird das Papier blau gefärbt werden. Auf dieſe Weiſe läßt ſich ein Verhältnißtheil von %% entdecken. (Journal de Chimie médicale, Mars 1849.) Bibliographiſche Neuigkeiten. T. S. Ralph, Elementary Botany for the use of beginners. 120. 20 plates (pp. 80.) London 1849. 3 sh. 6 d On the N of Coal Mines. By William Brunton. 8. (pp. 24.) London 1849. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar, 5 Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 230. (Rr. 10. des XI. Bandes.) November 1849. Naturkunde. Davy, die Kohlenſäure als Auflöſungsmittel beim Vegetationsproceſſe. — Soubeiran und Mialhe, über das Chloroform. — Mifcellen. van Beneden, über die Entwickelung der Nicothoen. Williams, Gefäßſyſtem der Reſpirationsorgane der Anneliden. — Heilkunde. Jackſon, Fälle von Waſſerſcheu, in deren einem Chloroform mit günſtigem Erfolge zur Anwendung kam — Biſhop, Wunpftarrframpf mit ſtarken Gaben ſchwefel⸗ ſauren Chinins behandelt. — Bulteel, naevus bei einem kleinen Kinde, durch äußerlichen Gebrauch einer Jodinſolution geheilt. — Burnett, Wirkung geiſtiger Behandlung hyſteriſcher Anfälle. — Mifcellen, Stokes, Aſtigmatismus des Auges. Nekrolog. — Bibliographle. Naturkunde. XVII. Die Kohlenſäure als Auflöſungsmittel beim Vegetationsproceſſe. Von John Davy, M. D., Gen. Inſpector der Kriegshoſpitäler zu Barbadoes. Die Bedeutſamkeit der, Kohlenſäure für die Vegetation als Hauptquelle des in den Pflanzen vorkommenden Kohlen— ſtoffs iſt zwar allſeitig erkannt, die Art ihres Zerfal— lens unter dem Einfluſſe des Lichtes ſorgfältjg ſtudirt, ihr für die Phyſiologie der Pflanzen jo wichtiges Löſungsver— mögen dagegen noch wenig beachtet worden; der Verf. hält es deshalb für paſſend, ſeine dieſen Gegenſtand betreffenden Verſuche im April- und Julihefte des Edinburgh new phi- losophical Journal von 1848 mitzutheilen. Bei der Unterſuchung der Pflanzenaſchen findet man außer den in Waſſer löslichen Salzen meiſtens noch andere nicht in Waſſer lösliche Verbindungen, z. B. kohlenſauren und phosphorſauren Kalk und Kieſelſäure; die letztere kommt ſogar in einigen, namentlich tropiſchen Grasarten in er— ſtaunenswerther Menge vor. Daß dieſe unorganiſchen Stoffe dem Boden entzogen wurden, leidet keine Frage, dagegen iſt die Art, wie dies geſchieht und das Löſungsmittel, durch welches es geſchieht, eine ſehr wichtige Frage. Um nun zu ſehen, ob die Kohlenſäure dieſem Zwecke diene, behandelte der Verf. friſch gefällte noch feuchte Niederſchläge von phos— phorſaurem Kalk, von Kieſelſäure und Alaunerde in feſt ver— korkten ſtarken Glasflaſchen mit einem Waſſer, das möglichſt ſtark mit Kohlenſäure geſättigt war. Das Gas mußte, da beim Löſen des den Kork haltenden Drathes der letztere knallend davon flog, ſtark comprimirt fein; wie ſtark dieſer Druck war, ward indes nicht ermittelt. Das Waſſer ward nach dem Offnen der Flaſche ſo ſchnell als möglich filtrirt und zwar auf mehrere Filter gegeben; durch das Entweichen No. 2210. —1110. — 230. des ſtark comprimirten Gaſes entſtand in den meiſten Fällen weder Trübung noch Niederſchlag; das comprimirte Gas ſcheint demnach genannte Stoffe nicht zu löſen. Die fil— trirte Flüſſigkeit ward darauf jedes Mal ſorgfältig unters ſucht und die Menge der aufgenommenen Stoffe genau be— ſtimmt. Die Reſultate dieſer Unterſuchungen find kürzlich folgende. 5 Ein mit Kohlenſäure geſchwängertes Waſſer, das einige Tage über phosphorſaurem Kalk geſtanden hatte, war nach dem raſchen Filtriren klar; die Menge desſelben ward in zwei Theile getheilt, die eine Hälfte ward mit Ammoniak verſetzt, die andere der Luft ausgeſetzt. Der durch das Am⸗ moniak aus 6 Cubikzoll Waſſer erhaltene ſchwach geglühte Niederſchlag betrug 0,64 Gran, er verhielt ſich ganz wie phosphorſaurer Kalk. Die der Luft ausgeſetzte mehr als 8,5 Cubikzoll betragende Waſſermenge hatte nach 2 Stun— den an ihrer Oberfläche ein zartes Häutchen gebildet; nach 14 Stunden hatte ſich dies Häutchen verſtärkt und überdies an den Seitenwänden des Gaſes ein deutlicher Niederſchlag erzeugt. Das Häutchen hatte unterm Mikroſkop ein fein⸗ körniges Anſehen, einige Theile zeigten gebrochene Ecken, andere baumartige Anordnungen. Nach 38ſtündigem Stehen an der Luft ward das Häutchen ſammt dem Niederſchlage auf einem Filter geſammelt und getrocknet, es wog 0,7 Gran. Das filtrirte Waſſer enthielt noch Phosphorſäure und phos— phorſauren Kalk, ein Ammoniakzuſatz trübte es noch, der getrocknete Niederſchlag wog 0,3 Gran, es ſcheint demnach als wenn 20,000 Gewichtstheile eines mit Kohlenſäure ge— ſättigten Waſſers einen Theil phosphorſauren Kalk auf— nehmen. Die Leichtigkeit, mit der das Kalkſalz vom kohlen— ſäurehaltigen Waſſer gelöſ't wird, zeigt ſich am beſten, wenn man kleine Portionen friſch gefällten und gewaſchenen phos— phorſauren Kalks in ſelbiges einträgt und ſchüttelt; ſchon 10 117 nach wenigen Minuten ift das Waſſer klar wie zuvor und giebt, mit Ammoniak verſetzt, einen weißen Niederſchlag. Der Verf. gedenkt noch eines andern Verſuchs. Wenn man eine Auflöſung von phosphorfaurem Kalk in deſtillirtem Eſſig mit gepülvertem kohlenſaurem Kalk verſetzt, ſo erfolgt augenblicklich ein ſtarkes Aufbrauſen und phosphorſaurer Kalk wird abgeſchieden; nimmt man indes ftatt der fein vertheilten Kreide kleine Kalkſpathkryſtalle, jo entweicht nur langſam etwas Kohlenſäure, die Löſung ſättigt ſich mit letz— terer, es entſteht eſſigſaurer Kalk, kein phosphorſaurer Kalk wird abgeſchieden; treibt man darauf die Kohlenſäure durch Erwärmen aus, ſo fällt der letztere nieder. Gepülverter nicht ganz reiner Gyps, wie er als Düng— mittel benutzt wird, ward 12 Tage lang mit ſtark kohlen— ſäurehaltigem Waſſer in Berührung gelaſſen, das Reſultat war ein negatives. Das filtrirte Waſſer gab weder mit Ammoniak einen Niederſchlag von ſchwefelſaurem Kalk, noch der Luft ausgeſetzt, Spuren eines Häutchens. Die Kohlen— ſäure ſcheint demnach die Löslichkeit des Waſſers in Gyps nicht zu vermehren. Verſuche, die der Verf. mit verdünn— keinen beſſeren Erfolg; der ſchwefelſaure Kalk ward durch dieſe Säuren nicht gelöſ't. Eine wohl ausgewaſchene durch Zuſatz von Ammoniak aus einer Alaunlöſung gefällte Thonerde, die demnach noch etwas Schwefelſäure enthielt, blieb 7 Tage lang mit kohlenſäurehaltigem Waſſer in Berührung. Das Reſultat war auch hier ein negatives; Ammoniak bewirkte im filtrir— ten Waſſer auch nicht die leiſeſte Trübung, eben ſo wenig entſtand an der Luft ein Häutchen; in dem geringen Rück— ftande des verdampften Waſſers ließ ſich keine Spur von Thonerde aufweiſen. Eine gallertartige Kieſelſäure durch Säurezuſatz aus Kieſelflüſſigkeit geſchieden, blieb 8 Tage in dem mit Kohlen— ſäure geſchwängerten Waſſer. Die filtrirte Flüſſigkeit gab weder mit Ammoniak einen deutlichen Niederſchlag, noch der Luft ausgeſetzt ein Häutchen; doch ließ ſich im Rückſtand beider zur Trockne verdampften Portionen eine geringe Menge Kieſelſäure nachweiſen. Sie hängte ſich in zierlichen weißen Ringen an das Platinſchälchen, ward in Salpeterſäure nicht gelöſ't und beſtand unterm Mikroſkop aus kleinen, dünnen durchſichtigen Platten von unregelmäßiger Geſtalt. Aus 6 Cubikzoll Waſſer mochten 0,01 Gran Kieſelſäure abgeſchie— den ſein. Ein anderer Verſuch, zu dem eine aus geſtan— denem Mineralwaſſer abgeſchiedene, pulverförmige und ge— trocknete Kieſelſäure benutzt ward, die 19 Tage mit kohlen— ſäurehaltigem Waſſer in Berührung blieb, gab ein ganz ähnliches Reſultat. Zuſatz von Ammoniak bewirkte hier eine leichte Trübung, desgleichen bildete ſich, der Luft ausgeſetzt, an den Wänden des Gefäßes ein leichter Niederſchlag, der von Salpeterſäure nicht gelöſ't ward. Der weiße beim Ver: dampfen erhaltene Rückſtand war beträchtlicher, er verhielt ſich als Kieſelſäure. 6 Cubikzoll Waſſer gaben 0,06 Gran. Ein dritter Verſuch mit einem weißen zum größten Theil aus Infuſorienpanzern beſtehenden Pulver, das 15 Tage lang in einem kohlenſäurehaltigen Waſſer blieb, gab beim 230. XI. 10. 148 Verdunſten ebenfalls einen geringen Rückſtand von Kieiel- ſäure. Außer den mitgetheilten Verſuchen ſtellte der Verf. noch verſchiedene andere über den Einfluß des mit Kohlen⸗ ſäure geſchwängerten Waſſers mit und ohne Druck an, die ihm durchaus ähnliche Reſultate ergaben. Die folgenden möchten für die Pflanzenphyſiologie nicht ganz uninter⸗ eſſant ſein. Ein kalkhaltiger fein gepülverter Mergel ward 14 Tage lang mit ſolchem Waſſer behandelt; die filtrirte und zur Trockne verdampfte Flüſſigkeit gab einen Rückſtand, der etwas kohlenſaure Talkerde, eine Spur Kieſelſäure und etwas kohlenſaures Kali enthielt. Die Aſche des Zuckerrohrs ward 14 Tage lang mit kohlenſäurehaltigem Waſſer behandelt; das letztere hatte eine beträchtliche Menge kohlenſauren Kalk und kohlenſaures Kali, etwas kohlenſaure Talkerde, auch Kieſelſäure und eine Spur kohlenſauren Kalk aufgenommen: — Reſultate, die mit der Zuſammenſetzung der Aſche ſelbſt im Einklange ſtehen. Etwas Erde aus dem Untergrunde der Inſel Trinidad ward 18 Tage lang auf gleiche Weiſe behandelt; das Waſ— ſer hatte etwas kohlenſauren Kalk, desgleichen eine Spur Kieſelerde und kohlenſaures Natron aufgenommen. Eine Miſchung von 2 Gran doppelt kohlen ſauren Kalis und 4 Gran einer kreideartigen Maſſe, die auf Barbadoes ausgedehnte Lager bildet und größtentheils aus Infuſorien— panzern beſteht, ward 11 Tage lang mit einem Waſſer behandelt, das comprimirte Kohlenſäure enthielt. Das fil- trirte Waſſer enthielt außer den Alkalien eine Spur kohlen— ſauren Kalk und Talkerde, phosphorſauren Kalk und Kiefel- ſäure. Die Menge der letzteren war in dieſem Falle, der großen vorhandenen Menge des Alkali ungeachtet, nicht grö- ßer als ohne die Gegenwart des letzteren. Eine Miſchung von 4 Gran phosphorſauren und 4 Gran kohlenſauren Kalks und einer gleichen Menge der er— wähnten kreideartigen Subſtanzen blieb als feines Pulver 15 Tage mit kohlenſäurehaltigem Waſſer in Berührung; das letztere hatte nach dieſer Zeit etwas kohlenſauren Kalk, ein wenig phosphorſauren Kalk und kohlenſaure Talkerde und eine Spur von Kieſelſäure aufgenommen. Die Kieſelerde gab ſich ſowohl in dem durch Zuſatz von Ammoniak erhal⸗ tenen Niederſchlage als in dem von letzterem abfiltrirten Waſſer bei deſſen Verdampfen zu erkennen. Es ſcheint demnach, als ob die Kohlenſäure zu gleicher Zeit verſchiedene Verbindungen, z. B. kohlenſauren und phosphorſauren Kalk, kohlenſaure Talkerde und Kieſelſäure in einem höheren Grade in Waſſer löslich macht als ſie es ſonſt ſind. Die Anwendung dieſer Reſultate auf die Phyſiologie des Pflanzenwachsthums harmonirt mit den bisher bekann— ten Thatſachen; wir wiſſen z. B., daß die Kohlenſäure, von der die Pflanzen unter Einwirkung des Lichtes ihren Kohlenſtoff entnehmen, wieder durch eine Zerſetzung der kohlenſtoffhaltigen Beſtandtheile der Luft zurückgegeben wird; nimmt man nun an, daß dieſe Kohlenſäure durch den Bo- den geht und das medium wird, in dem ſich Stoffe, welche in reinem Waſſer unlöslich ſind, löſen, ſo wird es klar, 149 warum die Vegetation unter dem Einfluſſe des Lichtes und der Wärme u. ſ. w., theils wegen der Kohlenſäurezerſetzung, theils wegen der Verdampfung die größten Fortſchritte macht. Ein ſorgfältiges Studium der Weiſe, wie Stoffe in reinem Waſſer und in mit Kohlenſäure geſchwängertem Waſſer gelöſ't und wieder abgeſchieden werden, kann, wie der Verf. glaubt, vielleicht über die Beſtandtheile der Pflanzen in Be— zug auf ihre Elemente Aufſchluß geben. Der ſchwefelſaure Kalk z. B. iſt in kohlenſäurehaltigem Waſſer nicht löslicher als in reinem Waſſer; man darf ſich deshalb nicht wundern, ihn nur ſelten und immer nur in kleinen Mengen in den Pflanzen anzutreffen. Die in Waſſer unlösliche Alaunerde ſcheint auch durch Kohlenſäure nicht löslich gemacht zu werden, für ſie gilt das eben geſagte deshalb in einem noch höheren Grade, ja es iſt ſogar fraglich, ob dieſer ſo wichtige Boden— beſtandtheil überhaupt von der Pflanze aufgenommen werde. Der phosphorſaure in kohlenſäurehaltigem Waſſer gelöf'te Kalk ſcheint ſich der Luft ausgeſetzt in einem reichlicheren Maße wie der kohlenſaure Kalk oder die kohlenſaure Talk— erde abzuſcheiden. Sollte nicht, fragt der Verf., in dieſer Eigenthümlichkeit das Vorwalten des einen dieſer Beſtand— theile, z. B. das Vorwalten des phosphorſauren Kalks in den Samen der Cerealien ſeine Urſache finden? Sollte nicht das Verhalten der Kieſelſäure, welche ſich bei dem Freiwer— den der Kohlenſäure nicht deutlich abſcheidet, ſondern erſt beim Verdampfen des Waſſers abſetzt, erklären, warum ſich die Kieſelſäure bei den Cerealien und Gräſern erſt dann in Menge ablagert, wenn fie zu reifen beginnen und durch den Verluſt ihres Waſſers feſt und trocken werden? Einige der mitgetheilten Reſultate ſind auch auf die Beſchaffenheit des Bodens und der Formation, auf der ſich der letztere findet, wie auf die Zuſammenſetzung der Mine— ralwaſſer anwendbar. Die löſende Kraft des jederzeit Kohlen— ſäure haltenden Regenwaſſers iſt hinreichend bekannt; wenn ſich nun beim Verdunſten dieſer Kohlenſäure neue Nieder— ſchläge bilden, ſo läßt ſich in dieſen außer dem kohlenſau— ren Kalk noch phosphorſaurer Kalk und kohlenſaure Talk— erde erwarten, und wirklich fand der Verf. fie in den we— nigen Fallen, wo er nach ihnen ſuchte, jederzeit. Ebenſo läßt ſich, da Kieſelſäure von einem mit Kohlenſäure ge— ſchwängerten Waſſer aufgenommen wird, in Mineralwäſſern, welche Kohlenſäure reichlich enthalten, wenn fie durch Ge— ſteinſchichten gehen, in denen fein vertheilte Kieſelſäure vor— kommt, auch die letztere erwarten; was der Verſuch ebenfalls beſtätigte. In ſehr vielen Fällen ſcheint die Menge der ge— löſ'ten Kieſelſäure weit mehr von der Temperatur der Quellen und ihrem Kohlenſäuregehalte als von der Quantität der in ihr vorhandenem Kohlenſäure abhängig zu fein. Obſchon der Verf. im Eingange bemerkt, daß man bisher das Verhalten der Kohlenſäure als Löſungsmittel der Bodenbeſtandtheile für das Wachsthum der Pflanzen noch we— nig beachtet habe, räumt er am Schluſſe gern ein, daß manche ſeiner Unterſuchungen vielleicht ſchon vor ihm von andern angeſtellt ſein können, gedenkt auch einer Stelle aus John— ſtons Agriculturchemie, nach welcher ein kohlenſäurehaltiges Waſſer phosphorſauren Kalk auflöſen fo. 230. XI. 10 150 XVIII. über das Chloroform. Von den HHrn. Soubeiran und Mialhe. Unter dem Namen Chloroform kommen im Handel zweierlei Flüſſigkeiten vor, die ſehr verſchiedenen Urſprungs ſind, aber für dasſelbe gelten und deshalb ohne Unter— ſchied ſtatt des Athers angewandt werden. Dennoch be— ſitzen ſie merklich verſchiedene Eigenſchaften. Die eine, welche man durch die Einwirkung von Kalkhypochlorid auf Alkohol erhält, beſitzt alle diejenigen Eigenſchaften, welche einer der Verf. vorliegender Arbeit dem Chloroform zuge— ſchrieben hat und iſt das normale Chloroform; die andere erhält man durch das Einwirken von Kalkhypochlorid auf brenzlichen Holzäther (pyroxylie spirit) und iſt von jener fo verſchieden, daß ſich die Verf. bewogen ſahen, den Grund der Verſchiedenheit näher zu unterſuchen. Das aus brenzlichem Holzäther gewonnene Chloroform, welches die Verf. methyliſches Chloroform nennen, kommt dem normalen Chloroform zwar hinſichtlich der phyſicaliſchen Eigenſchaften nahe, hat aber einen ganz andern, nämlich nicht angenehmen, ſondern empyreumatiſchen und ekelhaften Geruch. Seine ſpecifiſche Schwere iſt geringer als die des normalen Chloroforms; die des letzteren iſt 1,496 und die des erſteren 1,413 ). Der Siedepunkt des methyliſchen Chloroforms ſcheint ebenfalls niedriger, und endlich iſt das Einathmen desſelben keineswegs leicht und angenehm, ſon— dern es veranlaßt vielmehr ein allgemeines Unbehagen, Ge— fühl von Schwere im Kopfe, Ekel und zuweilen Erbrechen. Dieſe Verſchiedenheit in den Eigenſchaften der beiden Flüſſigkeiten veranlaßten die Verf. zu der Anſicht, daß die chemiſche Zuſaumenſetzung derſelben nicht die gleiche ſei, oder daß die Eigenſchaften der einen durch das Vorhanden— ſein einer fremden Subſtanz maſkirt würden. Bei der erſten Annahme ließe ſich denken, daß das Chloroform, welches nicht demſelben chemiſchen Typus wie der Alkohol angehört und durch die kräftige Reaction des Kalkchlorids gebildet wird, je nachdem es aus Alkohol (von der ethyliſchen Reihe), oder aus brenzlichem Holzäther (von der methyliſchen Reihe) erlangt wird, ein verſchiedener Körper ſein könne. Oder der Unterſchied dürfte von der größern oder geringern Concentrirung der in beiden Chloroformen vorhandenen Methyle herrühren. Die Verf. nahmen daher Analyſen vor, deren Ergebniſſe weiter unten mitgetheilt ſind. Bei der zweiten Annahme wird die Identität der aus Alkohol und brenzlichem Holzäther erlangten Chloroforme vorausgeſetzt und die Verſchiedenheit beider der Anweſenheit eines fremdartigen Stoffes zugeſchrieben. Dieſe Hypotheſe hat das meifte für ſich. Die Verf. fanden in der That, als fie ſich bemühten, das methyliſche Chloroform über Kalk— chlorid vollſtändiger zu rectificiren, daß das in der Retorte *) Die Verf. bemerken beiläufig, daß Liebig die ſpecifiſche Schwere des Chloroforms zu niedrig, nämlich zu 1,480 angegeben habe. Sie fanden die⸗ felbe bei 50% F. ſtets zu 1,496. Der Unterſchied rührt offenbar von der An⸗ weſenheit eines fremdartigen Stoffes ber, deſſen Abſcheidung von dem Chloro⸗ form Liebig nicht gelang, wie ſich weiter unten zeigen wird. 10 * 151 zurückbleibende Salz eine Quantität eines beſondern Oles enthielt, welches ſich durch Waſchen mit Waſſer leicht ab— ſcheiden ließ. Durch wiederholtes Rectificiren erlangte man aus 500 Grammen einiger im Handel vorkommenden Chloro- formſorten 30 Grammen dieſes Ols. Dieſe neue Subſtanz war flüſſig und von ölartiger Conſiſtenz. Anfangs gelblich, ward ſie durch einfache Recti— fication farblos. Sie hatte einen ſehr eigenthümlichen em— pyreumatiſchen Geruch, welcher als die Urſache des ſpecifi⸗ ſchen Geruches des methyliſchen Chloroforms erkannt wurde. Sie war leichter als Waſſer; als man ſie in einer Retorte, welche ein Thermometer enthielt, der Deſtillation unterwarf, begann dieſe bei 185% F.; allein dieſe Temperatur blieb keineswegs feſt, ſondern ſtieg bis 2440 F. Alsdann ward der Proceß unterbrochen, weil das Thermometer wegen der geringen Quantität des noch vorhandenen Ols, nicht mehr in dasſelbe eintauchte. Das Steigen der Temperatur während der Deſtillation deutet offenbar auf eine Miſchung von verſchiedenen zuſam— mengeſetzten Körpern hin. Das zuſammengeſetzte Ol brannte leicht mit heftiger viel Ruß bildender Flamme. Die An— weſenheit von Chlorine unter den Producten der Verbrennung zeigte, daß dieſer Körper zu den Beſtandtheilen des Oles gehört. Das zur Erlangung dieſes DIS mehrmals reetificirte Chloroform behielt nicht das mindeſte von feinem charakte- riſtiſchen pyrogeniſchen Geruche bei. Man forſchte dann nach irgend einem chemiſchen Reagens, welches, ohne auf das Chloroform einzuwirken, das Ol, welches es enthält, abzuſcheiden und zu zerſtören vermöge. Nach mehreren Ver— ſuchen glaubte man dasſelbe in der ſchwefeligen Säure ge— funden zu haben. Das unreine Chloroform nahm durch dasſelbe eine bräunlichrothe Farbe an, die, je nachdem das Chloroform viel Ol enthielt, intenſis war. Sobald das Chloroform nicht mehr gefärbt wurde, beſaß es auch keinen empyreumatiſchen Geruch mehr. Die Verfaſſer geben an, daß fie im Stande geweſen ſeien, das ſo gereinigte Chloroform mit hinreichender Zu— verläſſigkeit zu analyſiren und deſſen Eigenſchaften mit denen des normalen Chloroforms zu vergleichen. Die Analyſen und ſpecifi— ſchen Schweren, ſowohl in der tropfbarflüſſigen als Dampf— geſtalt, waren durchaus dieſelben und es ergab ſich, daß es nur eine Art von Chloroform giebt, indem das aus brenz— lichem Holzäther bereitete, ſobald das erwähnte Ol gänzlich von demſelben abgeſchieden iſt, von dem aus Alkohol berei— teten durchaus nicht abweicht. Es muß ührigens zugegeben werden, daß die gänzliche Abſcheidung des Oles nicht gelang, indem immer noch eine winzige Quantität zurückblieb, die auf die ſpecifiſche Schwere und chemiſche Analyſe keinen Einfluß äußerte, wohl aber durch den Geruch erkennbar wurde, wel— cher ſich nach der Verdunſtung eines beträchtlichen Verhält- nißtheils des Chloroforms offenbarte. Vorzüglich bemerkbar ward derſelbe bei dem zur Beſtimmung der ſpecifiſchen Schwere der Dämpfe angewandten Proceſſe, nach welchem die Retorte den eigenthümlichen Geruch dieſes chlorinirten methyliſchen Oles erkennen ließ. Die letzten Spuren dieſes Oles zu entfernen, iſt beinahe unmöglich; es widerſteht der Einwirkung der 230. X 1. 10. 152 concentrirten Schwefelfäure, ſelbſt wenn das Chloroform der⸗ ſelben lange unterworfen iſt. Es giebt alſo nur eine Art von Chloroform und die Urſache der anſcheinenden Verſchiedenheit liegt in der An⸗ weſenheit des eigenthümlichen Ols, welches durch die Re— action des Kalkchlorids auf den brenzlichen Holzäther er⸗ zeugt wird. Nachdem dieſe Thatſache feſt geſtellt war, ſuchten die Verf. zu erforſchen, ob während der Bereitung des Chloroforms aus Alkohol ſich eine analoge Subſtanz bilde. Der Verſuch rechtfertigte dieſe Vermuthung. Das rohe Chloroform ward erſt mit Waſſer und dann mit kohlenſau⸗ rem Natron gewaſchen. Man hielt es mit Kalkchlorid lange in Berührung, damit dieſes ſich mit dem Waſſer verbinde, filtrirte dann und nahm dann die Deſtillation im Marien⸗ bade mittelſt einer Glasretorte vor. In der Retorte blieb eine aromatiſche Flüſſigkeit zurück, deren Geruch jedoch von dem des Chloroforms ſehr verſchieden war. Der Verhältniß⸗ theil, den ſie bildete, war ſehr gering, denn aus 20 Kilo— grammen Chloroform erhielt man nur 40 Gramm. Dieſes Ol unterſcheidet ſich weſentlich von demjenigen, welches aus dem Chloroform erlangt wird, das aus brenz— lichem Holzäther bereitet worden iſt. Es iſt ſpecifiſch ſchwe— rer als Waſſer und hat einen eigenthümlichen ſcharfen und durchdringenden Geruch, der jedoch mit dem des andern Ols nicht die geringſte Ahnlichkeit hat; allein es iſt wie dieſes, eine Miſchung verſchiedener zuſammengeſetzter Subſtanzen; denn das Thermometer, welches zu Anfang des Auf: kochens 134 F. zeigte, ſtieg bis auf 2420 und würde einen noch höhern Stand erreicht haben, wenn man den Verſuch mit einer größern Quantität hätte anſtellen können. Beide Ole ſind chlorinirt, was ſich bei der Unterſuchung der Pro— ducte ihrer Verbrennung ergiebt. Aus vorſtehenden Angaben geht hervor, daß da das aus brenzlichem Holzäther gewonnene Chloroform ſich von dem pyrogeniſchen Geruche nicht völlig befreien läßt, dasſelbe zum Einathmen nicht angewandt werden ſollte. Selbſt bei dem aus Alkohol gewonnenen Chloroform äußert die geringe Quantität des darin enthaltenen chlorinirten Oles bei der Anwendung einen ſtarken Einfluß und ihm hat man das beim Einathmen des Chloroforms vorkommende allgemeine Unbehagen, Recken und Brechen zuzuſchreiben. Daraus folgt, daß es unumgänglich nöthig ſei, das Chloroform durch Deſtilliren zu rectificiren, um die darin enthaltene fremdartige Subſtanz abzuſcheiden und überdies muß die Deſtillation früh genug unterbrochen werden. Schließlich bemerken die Verf., daß das Chloroform gleich der Blauſäure, wenn es auf Filtrirpapier gegoſſen wird, ſo raſch verdunſtet, daß durch die dadurch veranlaßte Kälte der Reſt desſelben zu weißen ſeidenartigen Flocken ge— friert, welche einige Secunden lang beſtehen. Aus obigen Thatſachen leiten die Verfaſſer folgende Schlüſſe ab. 8 1) Das aus dem brenzlichen Holzäther bereitete Chloro— form iſt weſentlich dasſelbe, wie das normale. 2) Die Reinigung des methyliſchen Chloroforms bat 155 zu viel Schwierigkeit, als daß man dasſelbe mit Vortheil an die Stelle des normalen treten laſſen könnte. 3) Während der Bereitung des Chloroforms bildet ſich jederzeit eine gewiſſe Quantität eines pyrogeniſchen chlorinir— ten weſentlichen Ols, welches auf den menſchlichen Organis— mus ungemein ſchädlich wirkt. 4) Es iſt unumgänglich nöthig, das Chloroform von dieſem chlorinirten weſentlichen Ole durch eine nicht zu lange fortgeſetzte Deſtillation zu befreien. Journ. de Pharm. et de Chimie, Juillet 1849.) Miſeellen. 26. Über die Entwickelung der Nicothoen (Cruſtaceen) hat van Beneden in der Acad. d. Scienc. zu Brüſſel 4. Nov. 1848 ſeine Beobachtungen bekannt gemacht, welche er an den kleinen paraſitiſchen Cruſtaceen anſtellte, die in den Kiemen der Hummer le⸗ ben; er hat das Männchen derſelben erkannt, welches frei in den Seeſtrichen lebt, wo ſich die Hummer aufhalten; es iſt von ganz anderer Form als das Weibchen, ſehr klein und von äußerſt lebhaf— ter Beweglichkeit. Er hat ſich beſonders mit der Embryonärent⸗ wickelung beſchäftigt und mit der Art der Furchung des Dotters, worüber die Naturforſcher ſich gewiſſermaßen in zwei Parteien ge⸗ theilt haben. Nach Reichert erſcheint beim Beginn der Fur⸗ chung unmittelbar nach der Befruchtung ein einziger durchfichtiger Kern in der Mitte des Dotters und verſchwindet bald wieder, 230. XI. 10. 154 worauf ſich der Dotter erſt in zwei, dann vier bis acht ꝛc. gleiche Hälften theilt und in jeder der Theilungen einen weißen Kern zeigt; nach Reichert haben dieſe Kerne keine beſondere Haut, ſondern jedes Segment iſt mit einer ſolchen verſehen. Nach Hrn. Kölliker hat der Kern eine eigenthümliche Hülle, exiſtirt ſchon vor der Theilung und beſtimmt die Dotterkügelchen, ſich um ihn herum anzulegen; er bringt durch endogene Entwickelung andere Kerne hervor, die ihrer Seits wieder Dotterfügelchen anziehen und ſich wieder furchen und theilen. Hr. van Beneden ſucht darzu⸗ thun, daß der Kern nicht die Urſache der Furchung des Dotters ſei, ſondern bloß ihr Reſultat und daß er auch keine eigene Haut beſitze; er iſt daher gegen Hrn. Köllikers Anſicht. — Indem Hr. van Beneden zur Entwickelungsgeſchichte der Nicothoen übergeht, zeigt er, daß ſie ganz beſondere Entwickelungsverhältniſſe haben, — daß ſie im frühſten Alter nur ein Auge beſitzen, im erwachſenen Zuſtande aber zwei und daß die ſeitlichen Anhänge (Gliedmaßen und Kiefer) während der beiden Lebensperioden von verſchiedener Art ſind. 27. Das Gefäßſyſtem der Reſpirationsorgane der Anneliden bietet nach Hrn. Williams drei verſchiedene Ty— pen; der erſte iſt dasjenige, bei welchem die vom Kopf und Kör⸗ per kommenden Gefäße ſich zu veräſtelten Kiemenfäden verlängern; beim zweiten find die Gefäße getheilt in ein Syſtem paralleler Capillargefäße, welche warzenartige Kiemenhervorragungen haben (Nereiden); der dritte beſteht aus reſpiratoriſchen Röhren und Säcken, welche mit einem Syſteme netzförmiger Capillären verſehen find (Anneliden). — Unter den Cruſtaceen unterſcheidet er nur zwei Gruppen; diejenige, deren Reſpirationsorgane innerlich ſind und diejenige, bei denen dieſelben äußerlich liegen. (L'Institut, 29. Nov. 1848.) Heilkunde. (XVII.) Fälle von Waſſerſcheu, in deren einem Chlo⸗ roform mit günſtigem Erfolge zur Anwendung kam. Dr. Jackſon, Prof. der medieiniſchen Inſtitute an der Univerſität von Bennfyloanien, berichtet über folgende Fälle. 1) Dasid Lithgow, 30 Jahre alt, von ſanguiniſchem Temperamente, mit hellgefärbten Augen und blondem Haar, ſtarkem Körperbau und gut entwickeltem thorax, ſowie Er- tremitäten, wurde nach heftiger Anſtrengung am 17. März 1834 von einem unangenehmen Gefühl im Nacken und in den Schultern, nebſt Schmerz und Abſtumpfung des Gefühls in den Armen, befallen. Einen oder zwei Monate vorher hatte ihn ein Hund gebiſſen, jedoch ſo unbedeutend, daß er den Vorfall faſt vergeſſen batte. Eine Narbe war nicht zu ſehen. Am folgenden Tage, den 18. März, wurde er fie— beriſch, konnte aber kein Waſſer trinken. Man ließ ihm zur Ader und gab ihm Calomel und Opium ein. Als er am folgenden Tage, den 19., ſeine Arznei zu nehmen ver— ſuchte, gelang ihm dies, wegen Krampfs in der Kehle, nicht. Später vermehrte jeder Verſuch, fluͤſſige oder feſte Körper zu ſchlucken, die Krämpfe, und ſelbſt das Einathmen kalter Luft erzeugte eine heftige consulftsifche Thätigkeit der Re— ſpirationsmuskeln. Die Pupillen waren zuſammengezogen, das Geſicht geröthet und von Schweiß triefend; Zunge feucht und ein wenig belegt; Puls 68, weich; Stuhlgang normal. Sechs Moren wurden im Nacken abgebrannt und Morphium in ſtarken Gaben gereicht. Ungeachtet dieſer Maßregeln, verſchlimmerte ſich das Symptom, und die Krämpfe traten nun ohne irgend eine äußere erregende Urſache ein. Sein Gemüth war reizbar und ungeduldig. Er war überzeugt, daß er ein in Waſſer getunktes Stück Brod ſchlingen könne und machte viele vergebliche Verſuche, dasſelbe an den Mund zu bringen; die Anſtrengung veranlaßte heftige Condulſtonen des ganzen Körpers, durch die er mehrere Fuß rückwärts geſchleudert wurde. Er wälzte ſich im Zimmer umher und ſank zuletzt mit heftigen erſtickenden Krämpfen auf ein niedri— ges Bette. Während eines Parorysmus dieſer Art, welcher mehrere Minuten anhielt, hauchte er das Leben aus. Als die Leiche 22 Stunden nach dem Tode unterſucht wurde, fand man nur wenig krankhafte Veränderungen. Ein etwa 1½ Zoll breiter Gürtel von tief purpurrother Farbe umgab den pharynx und endigte unten mit einer ſcharf abſetzenden Linie bei der Höhe des unteren Randes der cartilago cricoidea. Oben war die Grenze des Gürtels unregelmäßig und ſich in den übrigen Theil des pharynx verlierend. Der untere Theil der epiglottis zeigte ſich ſchar— lachroth, die Schleimmembran des larynx tiefroth, der Stamm des par vagum geſund. Das verlängerte Mark war weiß, feſt und trockener als im normalen Zuſtande; die aſchgraue Portion blaß. In 155 feiner Subftanz zeigten ſich große Blutklumpen und als man es von hinten nach vorn der Länge nach aufſchnitt, ſah man zahlreiche mit Blut gefüllte Querſpalten. Das Rückenmark wurde nicht unterſucht. Die übrigen Theile waren geſund. 2) Cornelius Weeks. Bei dieſem Patienten waren die Krämpfe während der erſten 48 Stunden nach deſſen Aufnahme ins Hoſpital ſehr heftig; allein durch die Wir— kungen des Chloroforms wurden ſie gemäßigt. Bei dieſem Patienten trat jedoch bald collapsus ein und der Tod erfolgte unter den Symptomen eines typhöſen (malignant) Fiebers. 3) Mad. Burrows, 30 Jahre alt, mit ſchwarzem Haar und dunkeln Augen, von nervöſem Temperamente, aber feſt und entſchloſſen. Sie war ſeit ſieben Jahren verheirathet und hatte vier Kinder gehabt. Im Juli desſelben Jahres erhielt ſie, als ſie einem ihrer Kinder, gegen den Anfall eines Hundes, zu Hülfe kam, einen Biß in die Hand, welcher zwei kleine Zahnwunden veranlaßte, die zuheilten, ſo daß man die Sache weiter nicht achtete. Im October wurden die kleinen Narben roth, geſchwollen und ſchmerzhaft. Der Schmerz erſtreckte ſich im Arm hinauf bis zur Schulter; in wenigen Tagen ſchwoll der ganze Arm, wurde ſchmerzhaft und an der inneren Seite desſelben, etwa zwei Zoll unter der Achſelhöhle, bildete ſich eine kleine Geſchwulſt. Am 27. October überfiel ſie, als ſie ein Glas kaltes Waſſer zu trinken verſuchte, ein Schauder, der jedoch vorüberging, ſo daß ſie nicht weiter daran dachte. Alsdann fuhr, ſie, um ihre Altern zu beſuchen, uͤber den Fluß. Bei der Über— fahrt empfand ſie eine ſonderbare Unruhe und Furcht, die ihr ganz unerklärlich war. Da ſie ſich am Abende unwohl fühlte, ſo wollte ſie ein Fußbad nehmen; allein als ſie die Temperatur des Waſſers mit der Hand unterſuchen wollte, ward fie von einem heftigen Schauder befallen. Als fie bald darauf kaltes Waſſer zu trinken verſuchte, traten heftige Krämpfe in der Kehle und Erſtickungsfälle ein. Die Krämpfe erneuerten ſich von Zeit zu Zeit und waren von einem Ge— räuſche begleitet, welcher mit dem Bellen eines Hundes einige Ahnlichkeit hatte. Fieber war nicht vorhanden. Puls 70, Haut kühl. Sie klagte über Schmerzen in dem Halſe und Heiſerkeit. Am 29. October befand ſich die Patientin anſcheinend beſſer, munter, ruhig, gefaßt und ſelbſt heiter. Die Krämpfe waren ſeit dem letzten Abende nicht wieder eingetreten, ob— gleich ſie mehrmals Waſſer getrunken hatte, was jedoch mit einiger Schwierigkeit verbunden geweſen war. Die Ober— fläche des rechten Armes unter dem m. deltoideus war ganz gefühllos geworden, obgleich längs des Strichs der Nerven in der Tiefe Schmerz vorhanden war und die Muskeln ein ſchwa— ches ſpasmodiſches Zucken erkennen ließen. Es wurden Senf— pflaſter auf das epigastrium, Schröpfköpfe in dem Nacken, Aſafötidaklyſtiere und jede Stunde 1½ Drachme Chloroform in einer Emulſion angewandt. Am 30. kehrten die Krämpfe bei jedem Verſuche zu ſchlingen zurück. Wenn die Luft von hinten an die Patien— tin zog, traten heftige Krämpfe des Rumpfes ein, wobei ſie ſich im Bette umherwarf, mit den Zähnen knirſchte und in die Kiffen und Betttücher biß und dieſelben zerriß. Wäh- 230. XI. 10. 156 rend eines ſolchen Parorysmus brachte man Chloroform in einem Schwamme an den Mund und die Naſe. Dasſelbe that volle Wirkung, und es trat Unempfindlichkeit ein; die Muskeln erſchlafften gänzlich und das Athmen ward leicht und natürlich. Die entzündete Narbe wurde nun aus⸗ geſchnitten und cauteriſirt. Nach der Operation trat wieder ein Parorysmus ein, der jedoch durch Chloroform gehoben ward. Das Chloroform ward jedes Mal angewandt, wenn die Krämpfe zurückzukehren drohten. Ihr Geſicht und Gehör, welche gewöhnlich ziemlich ſtumpf waren, zeigten ſich während des ganzen Anfalles un- gewöhnlich ſcharf. Sie bemerkte, ſie könne ihre Gefühle nicht wohl beſchreiben; ſie habe Furcht vor irgend etwas Unbeſtimmtem; während der Anfälle gehe von der Narbe ein Gefühl aus, welches im Arme hinauflaufe, ſich dann in der Bruſt hinabziehe und in den Magen einzuſchlagen ſchien. Während der Geneſung ſchlug es den umgekehrten Weg ein. Die Wunde eiterte ſtark. Man verordnete von Zeit zu Zeit abführende Mitel. Es beſſerte ſich allmälig mit der Patien⸗ tin und im Januar war ſie völlig wieder hergeſtellt. 4) Über dieſen Fall berichtet Dr. Parkman zu Bo: ſton in den vereinigten Staaten. Hr. W. H. B., 18 Jahre alt, brünett, von geſunder Leibesbeſchaffenheit, ward am 29. Juli 1848 von einem Hunde in das Fauſtgelenk gebiſſen. Am 4. Nod. wurde der Arm ſchmerzhaft. Am 6. war der Patient nicht im Stande, ohne daß heftige Krämpfe und Erſtickungszufälle eintraten, Waſſer zu ſchlucken. Es traten ſchnell ſämmtliche Symptome der Waſſerſcheu ein. Die Haut war kühl; Puls 120 und klein; Zunge belegt; Magen Übelkeit veranlaſſend, Geiſt hell. Die Wunde der Narbe war etwas aufgelaufen, röthlich, aber nicht wund. Die Haut um dieſelbe nicht entzündet. Der Schmerz im Arme erſtreckte ſich bis zur Schulter. Der Anblick des Waſſers, ja die bloße Erwähnung dieſer Flüſſigkeit war dem Patienten furchtbar. Das Ge— räuſch einer im benachbarten Zimmer ausgegoſſenen Fluüſ— ſigkeit verurſachte dieſelbe Wirkung; eben ſo Luftzug. Man verordnete Chloroform, wodurch jedoch der Verlauf der Krankheit nur wenig aufgehalten ward. Der Patient ſtarb am 8. Nov. mit allen Symptomen der Hirncongeſtion. Leichenöffnung acht Stunden nach dem Tode. Das Gehirn und Rückenmark waren ſtark injieirt, übrigens aber geſund. Die Luftröhre und Bronchen entzündet, die epiglottis ſehr weit. Bemerkungen. In dieſen Fällen zeigte ſich die Waſ— ſerſcheu, welche ein nervöſes Symptom iſt, in Verbindung mit rabies. Sie kann aber auch für ſich als hyſteriſches Symptom vorkommen. Bei Lithgow ktrat der Tod, wie Dr. Jackſon vermuthet, dadurch ein, daß Luft in die Adern eingedrungen war; bei Weeks durch Adynamie und Atarie, die von der Vergiftung durch das Wuthgift herrührten. Den Fall der Mad. Burrows betrachtet der Verf. mit Recht für einen ſolchen von rabies ohne hyſteriſche oder tetaniſche Complication. Das Chloroform wirkte günſtig, indem es die Krämpfe hob; allein daß es kein zuverläfftges Heilmittel iſt, ergiebt ſich aus dem letzten Falle. Die Bes 157 feitigung der Narbe trug unſtreitig zu der Geneſung der Mad. Burrows bei. Das auffallendſte Symptom in dieſem, wie bei den übrigen angeführten Fällen, war die geſteigerte und krankhaft veränderte Thätigkeit des verlänger— ten Markes, wie fie ſich in den Functionen der Reſpirations— und Schlingorgane zeigte. Dr. Jackſon bemerkt, die Krämpfe würden oft durch die Anweſenheit zahlreicher Beſucher oder Krankenwärter hervorgerufen. Der Patient Lithgow meinte, wenn er ganz allein ſei, träten keine Krämpfe ein. Wir können hinzufügen, daß, ſo intereſſant obige Fälle und Beobachtungen auch ſeien, ſie doch auf die Pathologie der Krankheit wenig Licht werfen. Aus den Leichenöffnungen hat ſich rückfichtlich der beſchriebenen Verkettung furchtbarer Symptome kein beſonderes pathognomoniſches Zeichen er— geben. (American Journ. of med. Sciences, April 1849. Lond. med. Gaz. Aug. 1849.) (XVIII.) Wundſtarrkrampf, mit ſtarken Gaben ſchwefelſauren Chinins behandelt. Von Dr. E. Biſhop zu Ithaca im Staate Neuyorf. Da ich ums Jahr 1843 mit den Doctoren Beals und Bulkly Zeuge eines Falles von Wundſtarrkrampf ge— weſen war, in welchem ftarfe Doſen Chinin äußerſt be— ruhigend wirkten, ohne daß zugleich eine ſo bedeutende Hin— fälligkeit eintrat, wie bei Anwendung von Tabak und ähnlichen Mitteln, ſo beſchloß ich, vorkommenden Falles ſtets Chinin zu verordnen. Ich kann demnach aus dem Jahre 1845 eine Krankengeſchichte mittheilen, wo ich in einer kleinen Stadt am Ohio im Staate Indiana den letanus trau- maticus auf dieſe Weiſe beſeitigt habe. Den 10. Aug. 1845. Ich wurde zu dem Schmidt Joſeph P., einem Manne von 32 Jahren, gerufen, der ſich am 22. Juli einen verroſteten Nagel in den Fuß getreten und dabei den nervus plantae internus collateralis der großen Zehe verletzt hatte. Die Wunde hatte ein ſehr ungünſtiges Anſehen angenommen. Am 10. Abends fand ich den Patienten mit völlig ausgebildetem tetanus, näm⸗ lich opisthotonus, mit alle 3 — 4 Minuten eintretenden Paroxysmen, beängſtigenden Schmerzen, ſehr reichlichem Schweiß und Schwierigkeit beim Schlingen. Puls 84. Der Patient kann die Kiefer ½ Zoll von einander entfernen. Athemholen beſchleunigt. Ich machte einen Einſchnitt in die Wunde und behandelte ſie mit dem Brenneiſen. Dann verordnete ich: R. Calomel, Ext. Col. comp. aa. gr. v.; Ol. Croton 35J. Ft. Pil. ij st. sumend. R. Sulph. Quin. gr. xy; Sulph. Morph. ¾ gr. Syr. simp. q. s.; etwa zwei Stunden nach den Pillen zu nehmen. Nach der ganzen Länge des Rückgrats folgendes Liniment einzureiben: Sulph. acid. 1 Unze; Ol. Oliv. 2 Unzen. Am folgenden Morgen hatte ein reichlicher Stuhlgang Statt gefunden. Die Seeretionen waren von ſehr übler Beſchaffenheit. Das Chinin und Morphin hatten binnen 230. XI. 10. 158 wenigen Stunden bewirkt, daß die Krämpfe nur noch von 5 zu 5 Minuten eintraten. Puls 75; Schmerz bedeutend vermindert, doch das Leiden in der Magengrube ſehr an— greifend, was, wie dies öfters der Fall iſt, vielleicht durch das Chinin verſchlimmert worden war. Der Kranke ver— ſpürt einige Eßluſt und erhält den Tag über ſtarke Fleiſch— brühe mit etwas Cognac. Ohne daß ich mich auf Einzel— heiten einlaſſe, will ich nur bemerken, daß die Arzneien gleich von Anfang an eine entſchiedene Wirkung auf den Verlauf der Krankheit äußerten. Dieſelbe Behandlung ward 5 Tage lang mit gelegentlichen Veränderungen in Bezug auf die Zeit und Gaben, je nachdem die Umſtände es er— heiſchten, fortgeſetzt. Die Reizung längs des Rückgrats ward unterhalten. Am ſechsten Tage ſteigerten ſich ſämmtliche Symptome in Folge des 10ſtündigen Weglaſſens des Chinins und Morphins. Dieſe Mittel wurden nun wieder in denſelben ſtarken Gaben, wie zuerſt, und mit eben ſo günſtigem Er— folge gereicht. Die Wunde heilte gut und ſchnell, und am 11. Tage nach meinem erſten Beſuche fand ich den Patienten in jeder Beziehung um vieles beſſer. Er konnte den Kiefer ganz öffnen; ſein Geſicht hatte den Ausdruck der Heiter— keit; Puls natürlich; nicht mehr als vier Parorysmen binnen 24 Stunden und dieſe ſehr gelind. Chinin und Morphin, reſp. 4 Gran und Y, Gran alle 6 Stunden. Reichliche Anwendung des Liniments, gelegentlich ein Abführmittel; Porterbier, Portwein, Rindfleiſchbrühe und Pfeilwurz— Zwanzigſter Tag. Der Patient iſt, bis auf bedeutende Schwäche, ganz wohl und die Krämpfe ſind nicht wiedergekehrt. Die einzige Beſonderheit bei Behandlung dieſes Falles iſt der Gebrauch des Chinins als beruhigendes Mittel und die Reizung der Haut über dem Rückgrate, welche bei jeder Affection der Bewegungsnerven angezeigt zu fein ſcheint. (New- York Journ. of Medicine. London Med. Gazette, Aug. 1849.) (NIX) Naevus bei einem kleinen Kinde, durch äußerlichen Gebrauch einer Jodinſolution geheilt. Von J. O. Bulteel, M. Dr. zu Plymouth. Da ich ſchon längere Zeit eine Jodinſolution als äußer⸗ liches Mittel gebrauchte, ſo fiel mir bei, daß ſie ſich gegen naevus wirkſam zeigen dürfte und verſuchte dieſelbe daher bei einem Säugling. Während der erſten drei Monate wandte ich die Tr. Jodin. comp. der jetzigen Pharmacopde an, bei deren Gebrauche das krankhafte Gewächs allmälig kleiner ward; da mir jedoch die Wirkung zu langſam erfolgte, ſo nahm ich Jodini Jj. Sp. Vin. rect. ss, und nun fand ich, daß der naevus ſchneller an Größe abnahm. Das Mittel ward täglich ein Mal reichlich angewandt, ohne daß die geringſte conſtitutionelle Störung erfolgte, und alle 2 bis 3 Tage ſchälte ſich die Geſchwulſt, jo daß ſie ſtufenweiſe ver— ſchwand, bis nichts mehr von derſelben zu ſehen wac, als zwei kleine Stellen von der Größe eines Stecknadelkopfes. Das 159 Mittel bringt das Zunehmen des naevus alsbald zum Still— ſtand, und man braucht das ſelbe nur täglich regelmäßig anzuwenden, um die Krankheit nach und nach völlig zu beſeitigen. Sollte obige Behandlung auch unter den Händen an— derer Arzte von Erfolg ſein, ſo wird dieſelbe als eine große Verbeſſerung der bisherigen Verfahren mittels des Abbindens, Atzens oder Schneidens betrachtet werden müſſen. Bemerkung. Dr. Bulteels Beobachtung verdient die Aufmerkſamkeit der Leſer, da bei naevus mit breiter Baſis das Meſſer und die Atzmittel in vielen Beziehungen nicht zu empfehlen ſind. Wir müſſen übrigens bemerken, daß eine ſtarke Jodinſolution ſchon vor einigen Jahren zur Beſeitigung von Warzen und Hühneraugen gebraucht und empfohlen worden iſt. Sie hat indes oft den Dienſt ver— ſagt, wahrſcheinlich weil die Auflöſung nicht ſtark genug war. (Lond. med. Gazette, Aug. 1849.) „ — — Fer (XX) Wirkung geiftiger Behandlung hyſteriſcher N Anfälle. a Eine junge Dame, welche eine ihr Gemüth ſehr angreifende Tauſchung erfahren, wurde meiner Behandlung übergeben. Sie wäar 23 Jahr alt und hatte die Anlage zu ihrer Krankheit von deen beiderſeitigen Familien ihrer Altern ererbt. Dieſelbe offen— barte ſich durch gemüthliche Aufregung, Unruhe und Zu— 8 ſammenſchrecken, ſowie durch häufige hyſteriſche Anfälle. Sie 9 war im älterlichen Hauſe mit der größten Sorgfalt behandelt > worden; allein da ſie verſucht hatte, ſich aus dem Fenſter zu ſtürzen, ſo hielt man für zweckmäßig, ſie von dort zu . Ei entfernen. Übrigens war fie heiter und geſcheidt, auch für Beifall ſehr empfänglich. Bei ihrer Ankunft gab ſie an, die Anfälle kämen ſo häufig, daß ſie die Kirche nicht be— ſüuchen dürfe; da ſie aber in der That nicht heftig waren, N ſo bemerkten wir ihr, es ſei nun ein Mal der Hausordnung 3 gemäß, daß die Patienten in die Kirche gingen, wenn ſie . aber dort einen Anfall bekäme, ſo müßten wir den Kirchen— 5 diener rufen, um ſie herauszubringen, was großes Aufſehen machen würde. Nach dem erſten Gottesdienſte, dem fie * beigewohnt, meinte ſie, ſie hätte doch beinahe einen Anfall bekommen, aber merkwürdigerweiſe kam ein ſolcher während * der Kirche nie vor. Dies ermuthigte uns, und wir gaben =? uns der Hoffnung hin, die Fälle würden, wenn auch zu anderen Zeiten eine ähnliche geiſtige Diſciplin zur An— 230. XI. 10. 160 ſie beim Mittagseſſen plötzlich Meſſer und Gabel auf den Teller fallen und fiel ſelbſt zu Boden. Wir befahlen dem Diener, der Dame keinen Beiſtand zu leiſten. Ein Herr, welcher mit am Tiſche ſaß und der eben keine gründlichen mediciniſchen Kenntniſſe hatte, äußerte, man ſolle der Dame Bitterſalz geben. Seine Meinung war, man ſolle ihr Riechſalz unter die Naſe halten. Dies war vollkommen genug, ſie lachte laut auf, ſetzte ſich wieder an den Tiſch und that als ob nichts geſchehen ſei, und mit Vergnügen kann ich hinzufügen, daß während der paar Monate, daß ſie noch bei uns blieb, die Anfälle im Hauſe, ſo gut wie in der Kirche, ganz wegblieben. Ihre Reizbarkeit und ihr ſonderbares Benehmen verſchwanden und fie blieb wobl. Dies iſt nun achtzehn Jahre her und die gefürchtete Krank⸗ heit iſt nie wiedergekehrt, obgleich die Dame noch vielen Kum⸗ mer erlebte und ſich oft ſehr nervenſchwach fühlte. Wären dieſe Anfälle durch fehlerhafte Behandlung vernachläſſigt oder begünſtigt worden, jo würde dieſe Perſon, da jo viele zum Wahnſinn prädisponirende Umſtände vorhanden waren, aller Wahrſcheinlichkeit nach ins Irrenhaus gekommen jein. (Dr. Burnett On Insanity. London med. Journal, Aug. 1849.) Miſcellen. (21) Aſtigmatismus des Auges wird von Hrn. Stokes ein Augenfehler genannt, der unabhängig von Kurz⸗ und Weitſichtig⸗ keit darin beſteht, daß die Augen die Lichtſtrahlen mit verſchiedener Kraft in verſchiedenen Ebenen brechen, ſo daß das Auge als opti⸗ ſches Inſtrument betrachtet, nach ſeinen Achſen nicht ſymmetriſch iſt. Dieſer Fehler iſt vor etwa 20 Jahren von Hrn. Airy in einer Abhandlung in den Transact. of the phil. Soc. of Cambridge bekannt gemacht worden. Man ermittelt dieſen Augenfehler, in⸗ dem man eine Karte mit einem Nadelſtiche verſieht, ſie gegen den hellen Himmel hält und vom Auge bis zur Armlänge allmälig entfernen läßt. Bei gut gebautem Auge bleibt das Loch in allen Entfernungen rund, aber bei einem aſtigmatiſchen Auge wird es länglich und bildet ſich bei einer beſtimmten Entfernung in eine gerade Linie um, welche bei größerer Entfernung perpendiculär wird. Hr. Airy hat dieſen Fehler in ſeinem eigenen Falle mit einer ſphäriſch cylindriſchen Linſe verbeſſert, bei welcher die cylin⸗ driſche Krümmung vermittelſt der Entfernung der Karte von dem Auge, wenn die beiden Forallinien gebildet ſind, berechnet wurde. Hr. Stokes hat ein Inſtrument angegeben, um die Natur der Linſe zu beſtimmen, welche alsdann nötbig iſt; er hat dasſelbe bei der British Association zu Birmingham beſchrieben im Sept. d. J. (L’Institut. 826.) Nekrolog. — Im Auguſt ſtarb zu London Sir Charles Scudamo re, der durch feine Unterſuchungen über Gicht und Rheumatismus ſich verdient gemacht hat und wenige Wochen dar⸗ 7 wendung käme, zuletzt ganz wegbleiben. Eines Tages ließ auf der geistreiche Chirurg C. Aſton Key. * 12 1 29 5 Bibliographiſche Neuigkeiten. * j — r * * 1. — nn 5 8 “> 2 The Use of the Blowpipe in the Qualitative and 5 7 Examination of Minerals, Ores, rnace Products, and other Metallie Combinations. By Professor Plutiner. Edited, with emendations, by Dr. Sheridan Mus- a with a Preface by Baron Liebig. So. (pp. 432, illustrated with iagrams.) London 1849. 10 sh. 6 d. 2 _ % A Dictionary of Practical Medieine; comprising General n Na- ture and Treatment of Diseases, Morbid Structures, etc. By James (op- land. Part. 14, 8. London 1849. 4 sh. € d. * Stammering, and other Impediments of Speech; the Means to effect a Com- = es By Alexander Beil. 2d edition. 12%. (Pp. 96.) London . 5 sh. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Compteirs zu Weimar, r 7 0 3 = Notizen f aus dem N Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. Naturkunde. waſſer enthaltenen kohlenſauren Kalk. — Von einem Augenzeugen. — Miſcellen. über die Trilobiten Böhmens. — maticus auf dem Schädelknochen. — Furcht vor dem Lebendigbegraben. — Bibliographie. (r. 11. des XI. Bandes.) December 1849. v. Fiſcher⸗Ooſter und C. Brunner, über die Temperatur des Thuner Sees bei verſchiedenen Tiefen. — Davy, über den im See⸗ Holmes Goote, über Homologien und Analogien des Skelets. — Wie die Chineſen den grünen Thee färben. Morton, neu entdeckte Art des Flußpferdes. Boutigny, über die Kunſtſtücke der Feuerfreſſer. Barrande, Becquerel, über die Wirkung des Magnetismus auf alle Körper. — Heilkunde. Chaſſaig nac, varix aneurys- Miſcellen. Velpeau, Gefriermiſchung aus Eis und Salz anſtatt des Chloroforms oder Schwefeläthers. Über die Naturkunde. XIX. Über die Temperatur des Thuner Sees bei verſchiedenen Tiefen. Die Herren von Fiſcher-Ooſter und C. Brunner Sohn haben in den letzten Jahren der Erforſchung der Tem— peratur dieſes Sees mit großer Beharrlichkeit obgelegen. Ihre thermometriſchen Sondirungen begannen im Juli 1847 und wurden bis zum Februar 1849 etwa von 6 zu 6 Wo— chen fortgeſetzt; doch mußten die erſten 4 Serien der Beob— achtungen als fehlerhaft verworfen werden. Nachſtehende Tabelle enthält das Reſultat der während eines Jahres angeſtellten Beobachtungen. Die Temperatur iſt nach dem hundertgrädigen Thermometer notirt. Tiefe in Schwei⸗ | 1848 1849 zer Fu⸗ An. 28. 15 3 28 25. 8. Wc at Mai. Juli Aug Seht Oet | Nov. | Febr Ober⸗ fläche. 5,700 15,089, 15,37% 17,09 18,69 11,90 7,95 4,90% 10° | 5,20 | 10,75 | 14,96 15,75 16,56 11,76 7,96 4,99 20 5,1 9,56 | 14,01 |14,04 | 15,04 | 11,64 | 7,99 | 5,09 30 5,09 | 8,87 | 11,80 13,07 14,31 | 11,66 | 7,90 4,99 40 5,08 | 8,10 | 11,16 12,47 | 13,44 | 11,75 7,88 |4,90 60 4,92 | 7,10 | 9,81 |11,43 12,09 | 11,69 | 7,86 4,84 80 4,91 | 6,77 | 7,94 10,40 10,50 11,22 | 7,88 4,88 120 | 4,64 | 5,47 5,71 6,50 | 6,35 6,45 6,68 |4,84 160 | 4,69 | 5,26 | 5,23 | 5,46 | 5,41 | 5,59 5,58 5,00 250 | 4,68 4,89 5,03 | 5,10 | 5,21 5,01 5,17 4,88 350 | 4,80 | 4,96 4,92 5,04 | 5,03 | 4,90 | 4,87 4,81 450 | 4,82 | 4,86 | 4,90 | 4,96 | 4,89 | 4,93 | 4,82 4,84 550 | 4,83 | 4,87 | 4,90 | 4,88 | 4,91 No. 2211. — 1111. — 231. Um dieſe Reſultate überfichtlicher zu machen, hat Sr. Brunner ſie graphiſch dargeſtellt, indem er die Tiefen als f Abſeiſſen und die entſprechenden Temperaturen als Ordina⸗ ten behandelte. Die durch Verbindung der ſo feſt geſtellten Punkte erhaltene Curve ſtellt die Abnahme der Temperatur bei zunehmender Tiefe dar. In den Wintermonaten nähert ſich dieſe Curse der Horizontallinie, d. h. die Temperatur iſt zu dieſer Jahreszeit ziemlich überall dieſelbe. Im Mo⸗ nat März beginnt die Temperatur in den obern Waſſer⸗ ſchichten zu ſteigen und Anfang Septembers erreicht ſie ihr Maximum. Alsdann fangen die oberen Schichten an ſich zu verkühlen, während die Sommerwärme fortfährt, in das i Innere der Waſſermaſſen einzudringen. Auf dieſe Weiſe 2 wird die Form der Curve verändert, ſo daß ſie im Frühjahr 1 und Sommer nach der Achſe der Abſeiſſen zu conver iſt und 8 im Herbſt concao wird, worauf fie in den Wintermonaten * ſich zur Horizontalen verflacht. 22 Hr. Brunner hat eine zweite Tabelle entworfen, in — welcher die Monate des ganzen Jahres die Abſeiſſen und Pi: die entſprechenden Temperaturen die Ordinaten bilden. Auf 3 dieſe Weiſe erhält man die Curven, welche die Verän⸗ : derungen der Temperatur in den verjchiedenen Tiefen das 1 ganze Jahr über darſtellen. Aus dieſer Tabelle ergiebt ſich: 1) bis zu welcher Tiefe der Einfluß der Jahres⸗ 5 zeiten ſich bemerkbar macht, und innerhalb welcher Gren⸗ zen die Temperatur jeder Waſſerſchicht ſich verändern kann. 2) Wir ſehen daraus den Zeitpunkt des Marimums und Minimums der Temperatur für jede Schicht oder den Gang der Jahreszeiten in den verſchiedenen Tiefen des Waſſers. 75 11 163 28 Die Hauptreſultate dieſer graphiſchen Tabelle laſſen ſich folgendermaßen zuſammenfaſſen. - | Maximum ber Zeit des Minimum der Zeit des Tiefe. Temperatur, | VDiaximum. Temperatur. Minimum. 10° 16,56° September 4,99 Februar 20 15,04 September 5,09 Februar 30 14,31 September 4,99 Februar 40 13,44 September 4,90 Februar 60 12,09 September | 4,84 Februar 80 11,22 October 4,88 Februar 120 6,8 November 4, [Marz 160 5,58 November 4,69 März 250 5,17 November 4,68 März 350 504 Auguſt 4,80 März 450 Die Temperatur ſchwankt das ganze Jahr über zwiſchen 4,82 und 4,950. 550 Die Temperatur ſchwankt das ganze Jahr über zwiſchen 4, 830 und 4,91“. Wirft man einen Blick auf dieſe Tabelle, ſo erſtaunt man über die Langſamkeit, mit welcher der Einfluß der Sonnenwärme in die Tiefe des Waſſers eindringt. Die Schicht der gleichförmigen Temperatur beginnt bei einer Tiefe von etwa 500’, wo die Temperatur ſich nur um etwa 1 Grad verändert. (Bibliotheque univ. de Geneve, Sept. 1849.) b XX. Über den im Seewaſſer enthaltenen kohlen⸗ 1 ſauren Kalk. m Von John Davy, M. D. vr Verſchiedene Umſtände, z. B., das Auswaſchen von Kreideuferwänden durch die See, ſowie die Zuſammenkittung * des Uferſandes durch Kreide, aus welcher die Kohlenſäure entweicht, ſprechen ſchon an ſich dafür, daß das See— 8 waſſer Kreide enthalte. Doch blieb zu ermitteln, ob dieſer Beſtandtheil nur auf das in der Nähe der kreidigen Küſten befindliche Seewaſſer beſchränkt oder auch in der hohen See | anzutreffen ſei. Auf einer Reife im November 1848 von Barbadors nach England ſuchte ich dieſen Punkt feſt zu ſtellen, nachdem 1 ich mich vorerſt durch Anwendung von Reagentien davon überzeugt hatte, daß das Waſſer der Carlislebucht auf Barbadoes ſtarke Spuren von Kreide erkennen läßt. So wurde z. B. durch Eintragen von überſchüſſigem ſalzſaurem Ammonium (d. h. mehr als nöthig war, um die Abſchei— 55 dung des in ſo bedeutender Menge im Seewaſſer enthaltenen Talks zu verhindern) ein deutlicher Niederſchlag bewirkt; oend durch Kochen des Waſſers und die dadurch bewirkte 0 Austreibung der Kohlenſäure, ſowie durch Abrauchung bis zur Trockniß und Auflöſung der löslichen Salze ein ent: ſprechendes Reſultat erzielt wurde Auf der Reiſe über das atlantiſche Weltmeer ward als Reagens Ammonium oder ſalzſaures Ammonium angewandt und jedes Mal etwa 1 Pinte Waſſer von der Oberfläche genommen. Der erſte Verſuch ward am 15. Nos. unter . XE 11 164 200 30° n. Br. und 639 20“ w. L., bei mehr als 100 Miles Entfernung von irgend einem Lande, angeſtellt. Das Reſultat fiel negativ aus. Vier andere Verſuche, von denen der letzte am 27. Nov. vor der Stadt Funchal, nur etwa 1½ Meile von der Küſte, aber über tiefer See gemacht ward, fielen eben ſo aus, indem das Waſſer durch das Reagens nicht im geringſten getrübt ward. Das letzte Ex⸗ periment ward am 3. Dec. im Canale, etwa 15 Miles von Portland Head vorgenommen, und dies Mal ergab ſich durch leichte Trübung des Waſſers die Anweſenheit von Spuren von Kreide. Das Seewaſſer der Carlislebucht, deren Ufer, gleich der benachbarten Küſte, kreidig iſt, enthielt bei der Ab⸗ rauchung des Waſſers bis zur Trockniß und Auflöſung der ſaliniſchen Subſtanzen etwa ¼0%%0 h kohlenſauren Kalks. Eine Probe Waſſer, welche etwa 1 Mile von der dulcani⸗ ſchen Inſel Fayal geſchöpft ward, enthielt einen Rückſtand von ſchwefelſaurem Kalk, mit nur einer Spur kohlenſauren Kalks, indem, als man eine Säure darauf einwirken ließ, nur ſehr wenige winzige Luftbläschen aufſtiegen. Der Rück⸗ ſtand der 15 Miles von Portland Head erlangten Probe be- trug ¼ö10000 und beſtand theils aus kohlenſaurem, theils aus ſchwefelſaurem Kalke. Dieſe Reſultate berechtigen wohl zu dem Schluſſe, daß nur in der Nähe der Küſten das Seewaſſer merklich viel kohlenſauren Kalk enthalte, wenngleich in manchen Locali— täten, z. B. über dem vulcaniſchen Boden des caraibiſchen Meeres, ſich 50 und 100 Meilen von nicht kreidigen Küſten Sandſtein durch Niederſchlagung von Kreide aus dem See— waſſer bildet. Dieſe im Seewaſſer aufgelöſ'te Kreide ſcheint alſo theils in geologiſcher, theils in zoologiſcher Beziehung keine unwichtige Rolle zu ſpielen, indem die Seethiere, deren harte Theile Kreide enthalten, dieſe aus dem Seewaſſer be— ziehen dürften. loch in einer anderen Rückſicht verdient dieſer Gegen⸗ ſtand Beachtung. Die mit Seewaſſer geſpeiſ'ten Dampfkeſſel incruſtiren bekanntlich ſtark. Ich unterſuchte dieſen Keſſel⸗ ſtein auf dem Dampfboote Conway, welches den atlantiſchen Ocean, ſowie das caraibiſche Meer und den mericaniſchen Meerbuſen befahren hatte, und fand, daß derſelbe meiſt aus ſchwefelſaurem Kalk mit wenig kohlenſaurem Kalke beſtand, was ebenfalls dafür ſpricht, daß der Kreidegehalt des See⸗ waſſers auf dem hohen Meere nur ſehr gering iſt. Übrigens enthält es daſelbſt auch viel weniger Gyps als in der Nähe der Küſten. Man würde daher die Bildung des Keſſelſteins gewiß in hohem Grade vermeiden, wenn man das zum Betriebe benutzte Seewaſſer möglichſt fern von den Küſten bezöge, zumal da die Erfahrung lehrt, daß ſich weit weniger Keſſelſtein bildet, wenn man nicht geſtattet, daß das Waſſer im Keſſel zu ſtark einkocht. (Edinburgh new Philosophical Journal, July — Oet. 1849.) 31 dieſem Aufſatze bemerkt Hr. Walter White im Philos. Magazine, Oct. 1849, daß zwar das oberflächliche Seewaſſer auf dem hohen Meere nur höchſt winzige Quan⸗ titäten Kreide enthalten möge, daß dagegen das Waſſer in 165 der Nähe des Grundes dort eben ſo viel davon enthalten dürfte, als in der Nähe der Küſten, da ſich z. B. aus Darwins Werke über die Korallenriffe ergebe, daß ſich die Korallen in gewaltigen Tiefen bilden, obwohl weit und breit umher kein Land zu finden iſt. Auch wurden von Sir James Roß in dem ſüdlichen Polarmeere lebende Ko— rallenthiere aus Tiefen von 270 und 300 Faden mit dem Schleppnetze heraufgezogen, und ſelbſt aus der Tiefe von tau— ſend Faden förderte man Muſcheln im Schlamme mit herauf. XXI. Über die Homologien und Analogien des Skelets. Von Hrn. Holmes Coote ). Unter einem architypiſchen Endoſkelet verſteht man ein vollſtändiges Modell, in welchem ſämmtliche Ver— tebralſegmente mit deren verſchiedenen Fortſätzen, Offnungen und Anhängſeln an einander gereiht ſind. Wiewohl natür— lich kein ächt typiſches Wirbelthier exiſtirt, ſo iſt doch ein ſolches Bild oder Modell darum nicht weniger wichtig, weil es uns in den Stand ſetzt, ſowohl in den Skeleten der verſchiedenen Thiere, als in den verſchiedenen Segmenten desſelben Thieres diejenigen Knochenfortſätze zu erkennen, welche wirklich homolog ſind. Den Ausdruck „homolog“ definirt Prof. Owen fol— gendermaßen: „Dasſelbe Organ an verſchiedenen Thieren, unter jeder Abänderung der Form und Function.“ Dagegen bedienen wir uns des Ausdruckes „analog,“ um bei dem einen Thiere den Theil oder das Organ zu bezeichnen, welchem dieſelben Functionen obliegen, wie einem anderen Theile oder Organe bei einem anderen Thiere. Beide Ausdrücke haben eine ſehr verſchiedene Bedeutung, wie ſich aus nachſtehenden Beiſpielen ergiebt. Die Flügel eines Vogels und die Vorderbeine des Löwen ſind ſtreng homologe Theile; allein deren Functionen ſind nicht analog. Sie ſind homolog, weil ſie aus weſent— lich ähnlichen Structuren zuſammengeſetzt ſind, nämlich: humerus, radius, ulna, carpus, metacarpus und phalanges, umgeben von Muskeln zum Beugen, Strecken, zur Bewir— kung der Supination, Pronation u. ſ. w. Dagegen ſind ſie nicht analog, weil die Flügel dazu dienen, den Vogel in die Luft zu heben und in derſelben fortzubewegen, wäh— rend die Vorderbeine des Löwen, ihrer Structur gemäß, hauptſächlich die Beſtimmung haben, die Beute zu erfaſſen, zu halten und zu zerreißen. Der Hai erhält ſich in den leichteren Waſſerſchichten mittels der langſamen, aber kräf— tigen Bewegungen feines musculöſen Schwanzes; Adler und Habicht thun dasſelbe in den leichtern Luftſchichten mit— tels ihrer Flügel. Dieſe beiden Theile, Schwanz und Flügel, führen analoge Functionen aus, d. h. beide ſind Organe der Fortbewegung; allein fie find keineswegs homolog, ins dem die Bruſtfloſſe des Hais und nicht der Schwanz in die— fer Beziehung dem Flügel des Vogels entſpricht (S. 10— 11.) Aus The Homologies of the Human Skeleton, by Holmes Coote. 8°, pp. 100. London. Highley 1849. 231. XI. 11. 166 XXII. Wie die Chineſen den grünen Thee färben. Von einem Augenzeugen. Der Diſtrict Wheychou iſt hinſichtlich der grünen Thee— ſorten der berühmteſte, und obgleich die Chineſen in Abrede ſtellen, daß bei der Bereitung dieſer Sorten irgend ein Farbe— ſtoff in Anwendung komme, ſo verhält ſich die Sache doch anders. „Der Inſpector der Theebereiter beſorgte den Färbe— proceß eigenhändig. Zuerſt nahm er eine Quantität In— digo, welche er in einen Porcellannapf warf, der den in den Apotheken üblichen Mörſern ähnelte, und darin fein pulveriſirte. Dann brannte er eine Quantität Gyps in dem Holzkohlenfeuer, über welchem der Thee geröſtet wird, und nachdem der Gyps gehörig milde geworden, ward er eben— falls im Mörſer pulveriſirt. Hierauf wurden 4 Theile Gyps mit 3 Theilen Indigo zuſammengerieben, welche ein hell— blaues Pulver bildeten, mit dem der Thee während der letz— ten Periode des Röſtproceſſes behandelt wurde. Die Thee— bereiter richten ſich in Betreff des Zeitmeſſens nicht nach der Uhr, ſondern nach dem Joß-Stock (einer Stange Weihrauch), welcher eine beſtimmte Zeit lang brennt und die Uhr vollkommen erſetzt. Etwa 5 Minuten, ehe der Thee aus den Pfannen genommen ward, nahm der Inſpector einen kleinen Poreel— lanlöffel, nahm damit etwas Färbepulver aus dem Mörſer und ſtreute es über den Thee in den Pfannen, während die Arbeiter denſelben ſchnell mit den Händen herumbewegten, damit die Farbe gleichmäßig vertheilt würde. Die Hände derſelben wurden bei dieſem Geſchäfte ganz blau. Ich ſuchte die Quantität des angewandten Färbeſtoffes genau zu ermitteln und fand, daß auf 14½ Thee etwas mehr als 1 Unze Färbepulver verbraucht wurde, jo daß auf 100 gi grünen Thee etwa ½ @ Gyps und Indigo ges rechnet werden kann. Übrigens bezweifle ich keineswegs, daß oft ſtatt des Indigos Berliner Blau zur Anwendung kommt. Binnen 5 Minuten ward der beabſichtige Erfolg der Färbung des Thees in den Pfannen erreicht. Bevor der Thee aus den letztern genommen ward, legte der Inſpeetor aus jeder eine Hand voll auf einen Teller und unterſuchte dieſe Proben am Fenſter, um zu ſehen, ob die Färbung gleichförmig ausgefallen ſei. Wenn dies der Fall war, ſo befahl er die betreffenden Pfannen zu leeren. Zuweilen war die Färbung der verſchiedenen Proben nicht ganz gleichförmig und dann wurde der Thee in manchen Pfannen nachgefärbt. (R. F. Athenaeum, No. 1136, p. 790.) Miſcellen. 28. Eine neu entdeckte Art Flußpferd, welche im weſtlichen Africa lebt, ward zuerſt von Dr. Morton im Februar⸗ hefte der Verhandlungen der Philadelphiſchen Akademie für Natur⸗ wiſſenſchaften unter dem Namen Hippopotamus minor beſchrieben, auch fpäter in Sillimans Journal (Bd. 47, S. 406) durch Holz⸗ ſchnitte erläutert. Da jedoch dieſer Name ſchon früher von Cu⸗ vier für eine foſſile Species in Anſpruch genommen worden iſt, ſo hat man ſtatt deſſen den Namen Hippopotamus (Tetraprotodon) 110 r 1 167 231. Liberiensis gewählt. Das Thier iſt langſam und ſchwerfällig; fein Gewicht 400 bis 700 tb. Es bewohnt den St. Pauls Fluß, wel: cher in dem Gebirge von Guinea entſpringt, das Land Dey und Liberig durchſtrömt und nördlich vom Cap Meſurado in den atlan— tiſchen Ocean mündet. Dr. Morton hat es nach zwei Schädeln, den einzigen, welche bis jetzt geliefert worden ſind und die ſich in ſeinem Beſitz befinden, beſchrieben. (Am. Journ, of Sc. and Arts, Vol. VIII, No. 22, p. 152.) 29. In Betreff der Kunſtſtücke der Feuerfreſſer ꝛc. hat Hr. P. H. Boutigny unlängſt nachgewieſen, daß geſchmol— enen Metallen die abſtoßende Kraft glühender Oberflächen in ho— 95 0 Grade eigen iſt. Er ſagt darüber: Ich ſpaltete mit der Hand einen 5 Centimeter ſtarken Strahl geſchmolzenen Metalles, welcher aus dem Zapfenloche hervorſchoß und tauchte die andere Hand alsbald in einen Tiegel voll glühenden geſchmolzenen Metal— les. Beide Hände blieben unverſehrt. Was fur Mittel, wird man nun fragen, wurden zur Verhinderung der desorganiſirenden Wir⸗ kung des Metalles angewandt? Ich antworte: Keine. Wenn nur die Haut feucht iſt, ſo kann jedermann die Hand ohne Gefahr in völlig geſchmolzenes Metall tauchen, wenn er ſchnell, doch nicht zu ſchnell verfährt. Reibt man dieſelbe aber mit Seife ab, ſo daß die Oberfläche glatt und glänzend iſt und taucht man ſie unmittel— bar vor dem Verſuche in eine mit ſchwefeliger Säure geſättigte kalte Auflöſung von baſiſchem Ammonium (subammoniac), jo wird fie völlig unverwundbar. Boutigny hat den Verſuch mit ge— ſchmolzenem Blei, Bronze und Eiſen angeſtellt. (Athenaeum, No. 1138, p. 842.) I. 1 168 30. Über die Trilobiten Böhmens hat Hr. Bar rande aus Prag ſehr merkwürdige Entdeckungen gemacht, indem er über das ſiluriſche Syſtem in Böhmen ein Werk ausarbei⸗ tete. Dieſelben find in einem Briefe an Sir Roderik Mur⸗ chiſon (Athenaeum 1132) mitgetheilt. Er hat zum erſten Mal die Entwickelung eines Trilobiten (ſeines Sao hirsuta) von dem Embryozuſtande bis zu dem ausgewachſenen Alter verfolgt und 20 auf einander folgende Stadien feſt geſtellt, in denen ſich ſehr merk⸗ würdige Veränderungen ausſprechen vom einfachen ſcheibenförmigen Körper bis zum vollſtändig ausgebildeten Trilobiten mit 17 freien Bruſtſegmenten und 2 Caudalgelenken. Dieſe Entdeckung iſt für Zoologen, nicht minder aber auch für Geologen von Wichtigkeit, da ſie die Zahl der ſ. g. Species vermindert, da es feſt ſtehen ſoll, daß in dem neueren Werke von Hawle und Corda über die Tri⸗ lobiten Böhmens nicht weniger als 19 Genera und 18 Species bloß aus einem Theile der Entwickelungsſtufen von Sao hirsuta (Barr. gemacht worden ſeien. 31. Über die Wirkung des Magnetismus auf alle Körper hat Hr. Becquerel nach den Comptes rendus de Acad. des Sc. 21. Mai 1849 eine Abhandlung mitgetheilt, aus welcher hervorgeht, daß alle Körper der Wirkung des Magnetismus unter⸗ worfen ſind, aber in verſchiedenem Grade, und daß die Abſtoßung, welche ſich bei beiden Polen des Magnets gegen gewiſſe Subſtan⸗ zen zeigt, davon herrührt, daß dieſe Subſtanzen in ein ſtärker magne⸗ tiſches medium eingeſenkt ſind als ſie ſelbſt, ein medium, welches durch ſeine Reaction zu den beobachteten Wirkungen Veranlaſſung giebt. Heilkunde. (XXI.) Varix aneurysmalicus auf dem Schädelknochen. Von E. Chaſſaignac, Chirurgen am Hoſpital Saint-Antoine zu Paris. Meine erſte Bemerkung über die varicöſe Erweite— rung der art. temporalis bezieht ſich auf die den Arterien am eranium eigene Hinneigung zur gemeinſchaftlichen Theil— nahme an allen Leiden, von denen eine derſelben betroffen wird, namentlich an den aneurysmatiſchen Leiden. Eine Schläfenarterie wird z. B. aneurysmatiſch, und bald darauf zeigt ſich dieſelbe krankhafte Veränderung auch an der a. oceipitalis, frontalis, auricularis. Worin liegt der Grund dieſes höchſt merkwürdigen Umſtandes? Etwa in der Viel— fältigkeit und dem Umfange der Anaſtomoſen? auf welche Vermuthung man ſofort gerathen dürfte. Allein dieſer Grund würde nicht ausreichen; denn meines Wiſſens ſind die Anaſtomoſen an den Wandungen des cranıum nicht viel— fältiger oder directer, als z. B. an der Hand, und dennoch zieht das Erſcheinen eines aneurysma an einer der Arterien der Hand keineswegs die aneurysmatiſche Entwickelung oder varicöſe Erweiterung aller anderen Arterien derſelben Körper— gegend nach ſich. Wir haben es alſo hier mit einer noch nicht erklärten Erſcheinung zu thun. Es beſteht rückſichtlich der Arterien am Schädelknochen das ganz eigenthümliche Ver— hältniß, daß ſie dicht an einer Knochenoberfläche liegen, was bei keinem andern gleich ausgedehnten Gefäßnetze der Fall iſt; allein in wiefern hängt dieſer Umſtand mit Der eigen: thümlichen Thatſache, auf die wir jo eben aufmerkſam ge— macht, zuſammen? Jene merkwürdige Varietät der Pulsadergeſchwülſte, welche wir an der art. temporalis wahrnehmen, hat in jo fern Ahnlichkeit mit dem jog. falſchen aneurysma, als der Entſtehungsgrund oft traumatiſcher Natur iſt; mit den erectilen Geſchwülſten dagegen in Anſehung der Geſtalt. Man hat ſie auch zuweilen mit dem Namen klopfende Ge— ſchwulſt der Kopfhaut bezeichnet. Pelletan berichtet in ſeiner Clinique chirurgicale über zwei Fälle dieſer Art. Der eine Patient war ein Mädchen von 18 Jahren, bei dem man die Compreſſion in Anwen⸗ dung brachte, die jedoch nicht fortgeſetzt werden konnte. Dann ward die Schläfenarterie unterbunden; allein die Kranke ftarb und bei der Section fand man, daß die Ge—⸗ ſchwulſt aus gewundenen und erweiterten Arterien beſtand. Der folgende Fall ward von Dr. Maclachlan, einem der Chirurgen am königl. Krankenhauſe zu Glasgow beob— achtet und von ihm in der erſten Nummer des mediciniſchen Journals jener Stadt mitgetheilt. Erſte Beobachtung. — Der Kranke, ein verab— ſchiedeter Soldat don 30 Jahren, wandte ſich an den Dr. Maclachlan wegen einer an der linken Seite des eranium unter den Hautbedeckungen liegenden Geſchwulſt, welche fol⸗ gende Charaktere darbot: weiche, etwas elaſtiſche pulſirende Geſchwülſte von varicöſem Anſehen zeigten ſich längs der Schläfenarterien, der hintern art. auricularis und der Hinter⸗ hauptarterien ſowie deren Hauptäſten, von denen jeder am 169 Ende gewunden war. Durch Druck ließen ſich dieſe Ge— ſchwülſte theilweiſe zum Verſchwinden bringen; allein wenn man ſie ſich ſelbſt überließ, nahmen ſie ihr früheres Volumen wieder an. Sie pulſirten nach ihrer ganzen Ausdehnung und zwar mit dem Herzen iſochroniſch. Wenn man die carotis communis zuſammendrückte, ſo hörten die Ge— ſchwülſte durchaus zu klopfen auf und wenn man den Lauf des Blutes in der art. temporalis oder auricularis posterior hemmte, ſo wurde das Klopfen in dem entſprechenden Theile dieſer Geſchwülſte unterbrochen. Der Druck auf dieſelben verurſachte keinen Schmerz; allein der Patient klagte ge— waltig über die Qualen, welche ihm ſeit 2 Monaten das Klopfen derſelben verurſache. Oft hatte er mehrere Nächte hinter einander nicht ſchlafen können und das Leben war ihm unerträglich geworden. Die Integumente hatten ihre natürliche Farbe behalten und boten nur an den hervorra— gendſten Stellen eine leichte bläulichrothe Färbung dar. Dieſe ſich baumartig verzweigende Geſchwulſt begann vor dem Ohre, unmittelbar über der apophysis zygomatica und indem ſie ſchnell an Umfang zunahm, erreichte ſie den— jenigen einer halben Citrone, da, wo ſie ſich nach der Quere über dem Ohre hinzog. Vorwärts nach der Stirn ging ein Ausläufer, der mit: telſt ſeines gewundenen Endes mit der art. supraorbitalis, einem Aſte der carotis interna, communieirte; aufwärts er— ſtreckte ſich ein beträchtlicher Fortſatz nach dem Scheitel und hinter dem Körper der Geſchwulſt ſelbſt befand ſich eine Communication mit den ausgedehnten Theilen der art. au- rieularis posterior und oceipitalis, was auf der linken Seite des Hinterhauptes der Schopfhaut ein varicöſes Anſehen gab. Der umfangreichſte Theil der Geſchwulſt befand ſich unmittelbar über dem Ohre. Dort war das Klopfen ſehr heftig und die Haut ſehr dünn und vorſpringend, ſo daß ſie jeden Augenblick zu berſten drohte. Zehn Jahre vorher war die art. temporalis verletzt worden und es hatte ſich an derſelben ein kleines aneurysma gebildet. Man ſuchte dasſelbe dadurch zu beſeitigen, daß man das Gefäß durchſchnitt; allein da dies nicht half, ſo unterband man das Gefäß. Die kleine Geſchwulſt verſchwand eine Zeit lang; kam jedoch wieder und verurſachte 5 Jahre lang keine bedeutende Beſchwerde. Druck war bereits an— gewendet worden; allein der Patient wollte ſich demſelben nicht wieder unterziehen, ſondern verlangte, daß man die carotis unterbinde. Indes machte Dr. Maclachlan den Vorſchlag, die Gefäße, welche der Geſchwulſt Blut zuführten, einzeln, und wenn dies fehlſchlüge, die urſprüngliche carotis zu unterbinden. Demzufolge legte er, unter Beihülfe des Prof. To wers und des Dr. Anderſon, die art. temporalis an der Stelle bloß, wo dieſelbe aus der parotis heraustritt und er fand das Gefäß dicker als einen Gänſefederkiel, während deſſen Wan— dungen dünner und durchſcheinender waren als die einer Vene und ſehr heftig klopften. Die Arterie ward unter— bunden und der größern Sicherheit wegen mit einer Com— preſſe und Binde bedeckt. Das Klopfen hörte in dem vor— dern und mittlern Theile der Geſchwulſt auf, welcher ſchlaff 231. XI. 11. 170 und teigig wurde; allein da den Dr. Maclachlan der Zu— ſtand des Gefäßes nicht befriedigte, ſo entſchloß er ſich zur Unterbindung der carotis, was am folgenden Tage, den 10. Juli, im Beiſein der Profeſſoren Burns und Towers, ſowie der Doctoren King und Anderſon geſchah. Wir werden die verſchiedenen Tempos der Operation nicht be— ſchreiben, ſondern wollen nur bemerken, daß gleich nach de⸗ ren Beendigung die ſämmtlichen Geſchwülſte ſchlaff wurden und zu pulſtren aufhörten, obwohl ſich deren Umfang nur wenig verminderte. Am folgenden Tage zeigten ſich Symptome von Pleu— reſie und trotz zweier Aderläſſe, einem Abführungsmittel, einem Blaſenpflaſter und der Anwendung von Fingerhut— tinctur, ſtarb er am 14. um 5 Uhr Abends. Leichen öffnung, 50 Stunden nach dem Tode. Da das Wetter warm war, ſo hatte die Fäulniß bereits bedeutende Fortſchritte gemacht. Vor dem mediastinum fand ſich ein wenig Eiter und in der rechten Pleurahöhle etwa 1 Pinte graulicher ſchleimigeitriger Flüſſigkeit, in der linken aber etwas blutiges Ertravaſat. Die Wunde hatte ſich per primam intentionem geſchloſſen, aber in Folge der Fäulniß theilweiſe wieder geöffnet. Die carotis ſchien längs des Halſes durchaus geſund; kleine Blutcoagula hat— ten ſich über und unter der Ligatur gebildet und durch fri— ſche Ablagerungen von plaſtiſcher Lymphe war die Arterie faltig geworden; die innern tunicae derſelben waren durch— brochen, die äußern aber ganz; unterhalb der Ligatur bot die tunica interna eine rothe Färbung dar, welche ſich auch in der aorta thoracica zeigte. Die Krümmung der aorta zwiſchen dem Herzen und dem Urſprunge der linken carotis war geſund. Die art. temporalis und übrigen Aſte der eas rotis am Kopfe waren zu erweiterten Röhren mit außer— ordentlich duͤnnen und durchſcheinenden Wandungen entartet. Sie waren verlängert und ihre vielfachen Windungen und rücklaufenden Portionen bildeten eben die eigenthümlichen Geſchwülſte, von denen oben mehr die Rede geweſen iſt. Bei der nächſten Beobachtung, welche wir aus dem Medico - chirurgical Review entlehnen, ſehen wir dieſes Lei— den der Arterien in einer Form, die man als Hypertrophie der äußern Arterien des eranjum bezeichnen möchte. In der That iſt keine krebsartige Entartung wahrzunehmen; wenn ein Arterienſack vorhanden iſt, ſo ſcheint derſelbe nur der Ausgangspunkt, gleichſam die Gelegenheitsurſache und ficher- lich das am wenigſten gefährliche Element des Leidens zu ſein. Auch mit einer erectilen Geſchwulſt haben wir es nicht zu thun: denn nirgends zeigt ſich erectiles Gewebe, welches ſich überhaupt nur ſehr ſelten in Folge einer traumatiſchen Verletzung entwickelt. Es iſt alſo wie bei varix der Venen nur Hypertrophie der Arterienröhren vorhanden, während zugleich die Länge derſelben, da ſie gewunden und baum— artig verzweigt ſind, bedeutend vermehrt iſt. Zuweilen be— halten die Wandungen ihre gewöhnliche Stärke, ja dieſe vermindert ſich wohl gar. Zweite Beobachtung. — J. Nowlan, 22 Jahre alt, wurde wegen einer pulſtrenden Geſchwulſt am linken Seitenwandbeine bei der Höhe der art. temporalis posterior 171 231. ins Panton-Square Dispensary aufgenommen. Dieſe Geſchwulſt ließ ſich durch Druck entleeren; allein von der entgegengeſetzten Schläfe ſtrich ein ſtarker Aſt quer über den Scheitel zu ihr herüber, durch welchen das Wiedereintreten der Circulation zu Wege gebracht wurde. Das cranium ſchien unter der Geſchwulſt durch Reſorption bedeutend geſchwächt zu ſein und die Integumente waren blau und ſchienen ulceriren zu wollen. Die art. temporalis war, jedoch ohne Erfolg, unterbunden worden. Am Tage nach demjenigen, an welchem der Patient aufgenommen worden war, wurde die a. carotis commu- nis von Hrn. Wardrop unterbunden. Es hielt ſehr ſchwer, die Nadel um die Arterie herumzuführen und es trat eine reichliche Blutung ein. Das Pulſiren hörte auf; allein die Geſchwulſt fiel nicht zuſammen und am folgenden Tage war wieder ein Schwirren darin wahrzunehmen. Am fünften Tage zeigte ſich ſtarkes Fieber und es wurde dem Kranken bis zur Ohnmacht zur Ader gelaffen. Am ſiebenten Tage trat eine ſehr reichliche Blutung, theils aus Venen theils aus Arterien ein, und man ließ dem Kranken aber— mals zur Ader, bis er ohnmächtig wurde. Am neunten Tage wurde wieder ein ſtarker Aderlaß vorgenommen. Je⸗ den Tag nach der Operation hatte eine venöſe Blutung Statt gefunden; die Wunde zeigte keine Neigung zum Zu— heilen und die Geſchwulſt klopfte deutlich. Am elften Tage trat Schmerz im Augapfel und der Augenhöhle nebſt Taub— heit, Betäubung und Delirium ein. Dieſe Symptome tra— ten immer ſtärker hervor. Am zwölften Tage coma, Ver— engerung der Pupillen. Am dreizehnten Tage Beſſerung; allein der Augapfel ſtark hervortretend, was die S rn. Lawrence und Wardrop einem ſtarken Drucke auf das Gehirn in Folge eines aneurysmatiſchen Zuſtandes der dura mater, welche durch das eranium mit der äußern Geſchwulſt communicirten, zuſchrieben. Das Hervorquellen des Augapfels ward immer ſtärker; die sclerotica wurde fungös; die Feuchtigkeiten des Auges liefen aus. Die Ligatur fiel am 25. Oct. ab und die Wunde vernarbte ſchnell. Am 26. Oct. wurde der Fall von Hrn. Duncan der medieiniſchen Geſellſchaft von Weſtminſter vorgetragen. Nach— dem er die Umſtände desſelben aus einander geſetzt, befragte er die Mitglieder der Geſellſchaft rückſichtlich der zweckmäßig— ſten Behandlung, indem das Leiden um nicht viel beſſer war als vor der Operation. Hr. Mayo ſchlug das Ausſchnei— den der Geſchwulſt vor. Dr. J. Johnſon empfahl, fie durch einen Kreisſchnitt zu iſoliren und die dieſelbe Direct verſor— genden, ſowie die mit jenen anaſtomoſirenden Gefäße zu unterbinden. Bis zum 4. Januar war dann von dieſem Falle nicht weiter die Rede. Damals wurde der Patient in das Hoſpital von Middleſer gebracht. Er war mit Lum— barabsceſſen behaftet und befand ſich überhaupt in einem ſehr traurigen Zuſtande. Der Tod erfolgte am 21. desſel⸗ ben Monats. Die Geſchwulſt war bis zuletzt ſehr groß und klopfte heftig. Leichenöffnung. Man fand die art. temporalis posterior in zwei Aſte geſpalten, von denen ſich der eine XI. 11. 172 wie gewöhnlich unter der Haut hinzog, der andere die Apo⸗ neuroſe des m. oceipito-frontalis durchſetzte, dann bedeutend ſtärker wurde, ſich verwirrte und zuſammenwand, kurz nach dem Ausſpritzen einer varicöſen Vene fo ſehr glich als dies bei einem Gefäße möglich iſt, welches kein Kläppchen be⸗ ſitzt. Bei Unterſuchung des Halſes fand ſich die urſprüng⸗ liche carotis obliterirt und genau bis an deren Gabel in eine zellige Schnur verwandelt, während die Jugularsene von der Stelle, wo die Unterbindung Statt gefunden, bis zur Theilungsſtelle der Carotiden in demſelben entarte- ten Zuſtande, von da aber bis zur Baſis des Gehirns mit Blutgerinnſel gefüllt war. An der Baſis des cranium ſo⸗ wie um die Commiſſur der Sehnersen her fand ſich viel Eiter, nämlich zwiſchen der pia mater und der arachnoidea, von wo er ſich zwiſchen dieſen Membranen nach der ganzen Länge des Rückenmarkſtranges erſtreckte. Das cranium war unter der Geſchwulſt ein wenig ausgehöhlt, allein das pericranium unverſehrt und die innere Fläche des Knochens durchaus gleich und glatt. M. Ch. Rev. I. VIII, p. 497. Die beiden einzigen Vorſchläge, welche uns in einem ſolchen Falle anwendbar ſcheinen, find die der Hrn. Mayo und Johnſon, die Ausſchneidung oder Iſolirung der Ge— ſchwulſt durch einen Kreisſchnitt. Die zweite iſt gewiß we⸗ niger gefährlich als die erſte und ſcheint mir den Vorzug zu verdienen. Wenn das Übel zu ausgedehnt wäre, als daß man es vollkommen cerniren könnte, jo ließen ſich die in die Geſchwulſt eintretenden und die aus derſelben heroorfommenven ° Aſte unterbinden, was um ſo thunlicher wäre, da deren Caliber gewöhnlich ſtärker geworden iſt. Übrigens iſt dieſes Verfahren im Brinciye dasſelbe, wie dasjenige, welches man tagtäglich bei Verletzungen der Ar: terien anwendet und welches darin beſteht, daß man durch Unterbinden über und unter der Geſchwulſt allen Blutzufluß in die verletzte Arterie verhindert. Zu den oben erwähnten Fällen läßt ſich noch der bin⸗ zufügen, deſſen Hr. o. Nofer im Bulletin de la Société de Gand, 1836, S. 192, anführt, und bei welchem ſämmt⸗ liche äußere Arterien des cranium in gewaltige varices ver— wandelt waren. Wir wollen nun aus dieſen verſchiedenen Beobachtungen therapeutiſche Folgerungen abzuleiten ſuchen. In allen der Offentlichkeit übergebenen Fällen dieſer Krankheit hat man die Zuſammendrückung, wegen der durch dieſelbe veranlaßten Schmerzen, aufgeben müſſen. Man hat das Unterbinden der Schläfenarterie verſucht, allein, wenngleich dadurch eine vorübergehende Beſſerung bewirkt worden iſt, ſo ſcheint doch eine Heilung dadurch nie erlangt worden zu ſein. Dies hätte ſich auch vorher- ſehen laſſen; denn obgleich der Körper der Geſchwulſt durch die Verbindungen eines einzigen Arterienſtammes (a. tempo- ralis) gebildet wurde, jo waren doch die Anaſtomoſen Des- ſelben mit der a. temporalis der entgegengeſetzten Seite, ſo— wie mit der a. oceipitalis und ſelbſt a. supraorbitalis mehr als hinreichend, um dem Blute das Einfließen in die Ge— ſchwulſt noch fortwährend möglich zu machen. Wenn dieſer 173 Schluß ſich in Betreff des Unterbindens der die Geſchwulſt unmittelbar ſpeiſenden Arterie rechtfertigt, ſo muß er in Be— treff des Unterbindens des Hauptſtammes, welcher die Ge— ſchwulſt nur indireet mit Blut verſorgt, um ſo mehr für wahr gelten. Durch das Unterbinden der carotis hofft man die erweiterten Schläfenäſte derſelben zu obliteriren. Und warum? Weil eine ähnliche Operation an der a. femoralis ein Poplitäalaneurysma zu heilen vermag? Die Analogie paßt nicht. Zwiſchen dem Ligaturfaden und dem Aneurysma— ſacke geht im letzteren Falle kein einziger irgend wichtiger Aſt von der Arterie aus. Ein Paar Gelenkarterien können unmittelbar über dem Sacke entſpringen; allein fie find klein und anaſtomoſiren weiter unten in einer Weiſe, wie ſie der Obliteration des Sackes ſelbſt nicht hinderlich iſt. Die neue Circulation findet hauptſächlich, durch die Aſte der femoralis profunda und nicht durch die Aſte der unter— bundenen Arterie Statt. Bei der carotis iſt gerade das Gegentheil der Fall. Zuvörderſt theilt ſich dieſelbe in die a. interna und externa und ehe ſich die letztere zuletzt zur a. maxillaris interna und temporalis geſtaltet, entſpringen aus ihr acht Aſte, die ſämmt— lich mehr oder weniger ſtarke und zahlreiche Anaſtomoſen mit einander darbieten. Liegt es nun bei dieſer anatomiſchen Beſchaffenheit nicht auf der Hand, daß man vernünftigerweiſe nicht hoffen kann, einen krankhaft erweiterten endſtändigen Aſt der Arterie zu obliteriren? Wenn man die carotis communis unterbindet, ſo hat dies ganz einfach nur die Folge, daß das Gefäß all— mälig bis an die Stelle aufwärts obliterirt, wo es ſich in die carotis interna und externa ſpaltet, aber auch keine Linie weiter; denn weiter aufwärts würde die Circulation vermöge der Anaſtomoſe der thyreoidea superior der kranken Seite mit der thyreoidea inferior der nämlichen, ſowie mit der thyreoidea superior der entgegengeſetzten Seite, jo gut, wie die Communicationen mit den Zweigen der carotis interna, ſich wieder herſtellen. Wenn man annehmen wollte, man könne die a. temporalis durch Unterbinden der urſprünglichen carotis obliteriren, ſo müßte man beinah eben ſo wohl für möglich halten, die Arterie der großen Zehe durch die Unter— bindung der a. cruralis bei der Leiſtenbeuge zu obliteriren. Ich will nun verſuchen, durch eine Beobachtung, welche die merkwürdigſte ſein dürfte, die man bis jetzt in dieſer Art kennt, darzuthun: 1) daß das Unterbinden der ent— fernten Arterienſtämme nichts nützt; 2) daß die gänzliche Ausrottung dieſer Geſchwülſte, oder wenigſtens die Iſolirung derſelben mittels Einſchneidens rings um dieſelben mit Er— folg vorgenommen werden kann. Dritte Beobachtung. Aneurysma per anasto- mosin; Uuterbindung beider urſprünglichen a. carotides. Wit: getheilt von Hrn. R. D. Muſſey, Prof. der Anatomie am Collegium zu Darmouth. J. Pattee, ein 20 jähriger Ackerknecht, conſultirte mich im September 1827 wegen einer klopfenden, dunkelrothen Geſchwulſt auf dem Scheitel des Kopfes, deren Baſis etwa 5 Zoll im Durchmeſſer hatte und die 1½ bis 2 Zoll weit hervorragte. Die Krankheit hatte ſeit der Kindheit Pattees beſtanden, aber während 231. XI. 11. 174 der letzten drei Jahre bedeutend an Umfang gewonnen. Die Geſchwulſt zeigte an ihrem Gipfel ein ſchmerzloſes Geſchwür von 1 Zoll Durchmeſſer, welches ſich vor 2 Jahren ge⸗ bildet und allmälig vergrößert hatte und aus welchem im letzten Frühjahre und Sommer Blut, ein Mal ſogar bis 2 Pfd. zugleich ausgefloſſen war. Die linke Schläfenar⸗ terie und Vene hatten, ſo viel ſich dies durch die Haut⸗ bedeckungen hindurch beurtheilen ließ, vor dem Ohre ein Caliber von etwa 5/8 Zoll erlangt. Dieſe Gefäßſchnur trat in ihrem gewundenen Laufe in der Schläfengegend, ja bis an die Baſis der Geſchwulſt, fo ſtark hervor, daß man deren pulſirende Bewegung in einer Entfernung von 15 Fuß ſehen konnte. Eine von der Geſchwulſt nach der Stirn herabſteigende Vene war ſo erweitert, daß ſie einen Durch— meſſer von ½ Zoll darbot; und nach dem Raſiren des Kopfes bemerkte man über 20 nach der Geſchwulſt ſtrei⸗ chende Arterien, die ſelbſt unter der Hautbedeckung die Dicke eines Gänſefederkiels zu haben ſchienen. Alle dieſe Gefäße boten ſehr kräftige Pulſationen dar. Am 20. September unterband ich die linke carotis communis. Die Geſchwulſt war nach dieſer Operation etwas weniger ſtraff und livid; allein das Klopfen der zahlreichen Arterien auf der rechten Seite der Baſis der Geſchwulſt zeigte deutlich, daß das Blut ihr noch ſehr reichlich zuſtrömte. Zwölf Tage nach dieſer erſten Operation unterband ich auch die rechte carotis communis. Gleich darauf ward das Geſicht des Patienten ſehr blaß; allein unerwarteter Weiſe zeigte ſich in den Functionen des Gehirns keine merkliche Störung. Es trat weder Übelkeit noch Ohnmacht ein. Der Kranke ſtand ohne Beihülfe von dem Bette, auf welchem er operirt worden war, auf, und konnte nicht nur auf den Füßen ftehen, ſondern ſich auch mit der Halsbinde, Weſte und dem Rocke wieder bekleiden. Dann ſtieg er zwei Stock herunter und in einen Wagen, ohne daß ihm unterwegs ſchwach oder übel geworden wäre. Nach dieſer Operation ward die Geſchwulſt mit Compreſſen belegt, die mit einer Alaunſo— lution benetzt waren und mittelſt einer Binde feſt gehalten wurden, die einen gelinden Druck ausübte. Sie wurde all— mälig kleiner, allein nach etwa 1 Monat ſchien fie ſtationär zu bleiben, ja 5 bis 6 Tage ſpäter an Umfang ein wenig zuzunehmen. Die Farbe ward etwas dunkler und man konnte son Zeit zu Zeit in der linken Schlüfenarterie ein mit dem Pulſiren der übrigen Arterien iſochroniſches leichtes Schwirren wahrnehmen. Ich entſchloß mich nun zur Erftirpation der Geſchwulſt. Ich nahm dieſe Operation am 22. Nov., etwa 6 Wochen nach dem Anlegen der zweiten Ligatur, vor. Ich eernirte die Geſchwulſt mittels Einſchneidens durch die Haut und löſ'te jene dann fo ſchnell als möglich vom pericranium ab. Zur Ausführung des Kreisſchnitts brauchte ich, weil ich den Blutverluſt nach Möglichkeit zu vermeiden ſuchte, über eine Stunde. Ich durchſchnitt nicht mehr als 1½ Zoll der Hautbedeckungen auf ein Mal, und ſobald dies geſchehen war, ließ ich die Ränder des Einſchnitts ſtark zuſammen— drücken und unterband die durchſchnittenen Arterien ſorg— fältig. So mußte ich in dem ganzen Umkreiſe zuſammen 175 über 40 Arterien unterbinden. Deſſenungeachtet verlor der Patient während der Operation etwa 2 Pfd. Blut, und die da— durch veranlaßte Schwäche dauerte mehrere Stunden. Das in einer bedeutenden Ausdehnung bloß gelegte pericranium bedeckte ſich mit Fleiſchwärzchen und nach 2 Monaten war die gewaltige Wunde ziemlich vernarbt. Allein es gehörten noch mehrere Monate dazu, um dieſer Narbe die gehörige Feſtigkeit zu verſchaffen. Im folgenden April konnte der nunmehr völlig geneſene Patient ſeine Arbeit wieder auf— nehmen, und er hat derſelben ſeitdem fortwährend obliegen können. (The American Journal of the med. Sciences, Febr. 1830.) Ich beeile mich anzuerkennen, daß dieſe Art der chi— rurgiſchen Praxis, wo man einen Patienten gleich, nach— dem man ihm die carotis unterbunden, im Wagen nach Hauſe ſchickt, ans Abentheuerliche ſtreift; allein übrigens war das Verfahren gewiß ſehr zu empfehlen, und ich halte das Umſchneiden, ſowie darauf folgende Ablöſen der Geſchwulſt, wenn dieſelbe nicht zu groß iſt, ausgemacht für die em— pfehlenswertheſte Operationsmethode. Wenn bei gewiſſen ähnlichen Leiden, die ihren Sitz am Schädelgewölbe, aber nicht in der orbita haben, das Unterbinden der carotis einen guten Erfolg bewirkt hat, ſo iſt dies, wie ich gleich nachweiſen werde, eben ſo ſehr einem zufälligen günſtigen Umſtande als dem Unterbinden eines ſtarken Arterienſtammes zuzuſchreiben. So rührte gewiß in folgendem Falle der günſtige Ausgang eben ſo wohl von dem Berſten der Geſchwulſt und den danach eintretenden Modificationen als von dem Unterbinden der urſprünglichen carotis her. Vierte Beobachtung. Naevus maternus am Kopfe, durch Unterbinden der carotis geheilt. Ein Mann, der ſeit ſeiner Geburt an mehreren Körpertheilen mit naevus behaftet war, ſtieß ſich heftig an den Kopf, wobei ein in der rechten Schläfengegend befindlicher naevus gequetſcht ward. Binnen zwei Stunden lief derſelbe gewaltig auf und man legte an die art. carotis, 1½ Zoll über dem Schlüſſelbeine, zwei Li— gaturen, welche ½ Zoll von einander abſtanden. Während der Operation platzte die Geſchwulſt von ſelbſt und es liefen aus derſelben etwa 8 Pfd. Blut. Am folgenden Tage war ſie vollſtändig zuſammengefallen. Dann ſchnitt man in einen Theil der Hautbedeckungen ein, unterband 12 kleine Arterien ſorgfältig und legte einen einfachen Verband auf die Wunde. Am 16. Tage löſ'ten ſich die Ligaturen von der carotis ab, und binnen kurzer Zeit waren die beiden Wunden vollſtändig ver— narbt. (Wardrop in den Transact. med. chir. T. IX, p. 2.) 231. XI. 11. 176 Obige Beobachtungen ſcheinen auf folgende rationelle Schlußfolgerungen zu leiten. Wenn ich eine, am Schädelgewölbe befindliche erectile Geſchwulſt oder varicöſe Entartung einer Arterie von einem gewiſſen Umfang (ich ſage von einem gewiſſen Umfange, weil dieſer dazu gehört, daß die Behandlung überhaupt chirurgiſche Schwierigkeiten darbiete) zu behandeln hätte, ſo würde ich zuvörderſt einige Tage Eisumſchläge, die ſo anhaltend anzuwenden wären als die Gefahr der Gangrän es geſtattet, eine möglich ſtarke Volumverminderung der Ge⸗ ſchwulſt zu erreichen ſuchen, und dann die bedeutendſten der ſich nach derſelben begebenden Arterienäſte unterbinden; hier⸗ auf aber alsbald die Erſtirpation der Geſchwulſt vornehmen. (Gazette des Höpitaux, 23. Oct. 1849.) Miſcellen. (22) Statt des Chloroforms oder Schwefeläthers wird jetzt ein neues Mittel in Vorſchlag gebracht. Über die Er⸗ zeugung der Gefühlloſigkeit mittelſt einer Gefrier miſchung aus Eis und Salz, werden nämlich auf Veranlaſſung der durch Ather und Chloroform öfters herbeigeführten Todesfälle, wie Hr. Velpeau am 16. Oct. der Pariſer mediciniſchen Akademie be⸗ richtet, gegenwärtig Verſuche angeſtellt. Durch Auflegung dieſer Gefriermiſchung wird ein Glied ſchnell völlig unempfindlich und alle Lebensthätigkeit ſcheint darin aufgehoben. Dieſe erneuert ſich aber binnen 2— 3 Minuten wieder. In ein jo behandeltes Glied kann man mit Nadeln, ja ſelbſt mit einem Federmeſſer unter die Haut ſtechen, ohne daß die betroffene Perſon etwas empfindet. Ich ſtellte, ſagt Hr. Velpeau, dieſen Verſuch mit einer Patientin an, die ich operiren wollte; allein die Gefühlloſigkeit erſtreckte ſich nicht tief unter die Haut. Als das Meſſer tiefer eindrang, wurde Schmerz verſpürt. Die Erfahrung muß darüber entſcheiden, in wiefern dieſes Verfahren nützlich werden kann. (Gaz. méd. de Pa- ris, No. 42, 20. Oct.) Wir werden darüber nächſtens ausführliche⸗ res bringen; jedenfalls it der Vorſchlag nur mit Kritik aufzu⸗ nehmen. D. Red. (23) Über das Lebendigbegraben oder vielmehr die ganz ungegründete Furcht vor der Gefahr oder Möglichteit im Schein⸗ tod begraben zu werden, findet ſich in dem neuſten Hefte des Quar- terly Review (Lond. Sept. 1849) ein leſenswerther Artikel, wel⸗ cher namentlich nachweiſ't, wie alle jene Erzählungen, wonach ein Lebendigbegraben vorgekommen ſein ſollte, nichts ſind als lächer⸗ liche Ammenmährchen, die nur beweiſen, wie auch jog. wiſſenſchaft⸗ liche Schriftſteller ohne alle Kritik das dummſte Zeug annehmen, wenn ſie nach irgend einer Seite hin ſich dem Aberglauben hin⸗ geben. — Es kann nicht genug wiederholt werden, daß keine ein⸗ zige jener Erzählungen vor einer geſunden Kritik aushalten kann, und daß jeder Arzt, der von der Gefahr des Lebendigbegrabenwerdens gläubig ſpricht, ſich ſelbſt ein trauriges Zeugniß ausſtellt. R. F. Bibliographiſche Neuigkeiten. de Blainville, Durotan, Osteographie, ou Description iconographique com- paree du squelette et du systeme dentaire des cing classes d’animaux ver- tebres recents et fossiles, pour servir de base ä a zoologie et à la geolo- gie. Accompagnee de planches lithographiees sous la direction de l’auteur, ar J. C. Herner. Mammiferes. Ongulogrades. Des anoplotheriums. Texte. In 4% Avec un Atlas in Folio de 9 ee 23. fascicule. Paris, A. Bertrand. 38 fr. 50 ct. Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medi- ein. Herausgegeben von Virchow u. B. Reinhurdt. III. Bd. I. Hft. gr. 8°. Für 3 Hefte 3 Thlr. G. Reimer in Berlin. 1850. F. Lorinser, über die Behandlung und Heilung der Contracturen im Knie- — 18 elenke. gr. 8°. Geh. 2 Thir. Gerolds Verlagsbuchhandlung in ien 5 Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Anzeige. Sic L. Gmelin’s Geh. Hofrath und Professor in Heidelberg, Handbuch Handbuch der r Chemie Organischen Chemie. Vierte umgearbeitete u. verm. Auflage. Vierte umgearbeitete u. verm. Auflage. Vierter Band, 22-29. Lieferung. Erster Band, in s Lieferungen. Preis 7 fl. 36 kr. oder 4 Thlr. 8 Ngr. und Fünfter Band 30.Liefg. 12 Bogen. u. Zweiter Band 1.Lig. 12 Bogen. Subscr.-Pr. fl. 1. 21 kr. oder 24 Ngr. 1 fl. 36 kr. od. 27 Ngr. Mit Erscheinen jeden Bandes hört der Subser.-Preis für denselben auf. Indem wir hiermit anzeigen, dass der fünfte Band dieses Werkes sich unter der Presse befindet, freuen wir uns zugleich die Versicherung beifügen zu können, dass dieser, sowie der sechste Band, nach nun- mehr beendigter Vorbereitung in ununterbrochener rascher Folge ge- liefert werden soll. — Dass in demselben den Freunden der Chemie ein Hülfsmittel des Studiums sowohl, als der Anwendung dieser einfluss- reichen Wissenschaft dargeboten wird, welches Vollständigkeit, Gründ- lichkeit, Zuverlässigkeit und Klarheit bei bündigstem Ausdruck in sol- chem Grade vereinigt, wie ihm darin nicht leicht ein ähnliches in der Literatur an die Seite gesetzt werden wird, möge aus den Beurtheilungen competenter Männer des Fachs entnommen werden, deren wir einige hier folgen lassen: Aus einem Briefe des Herrn Professor Dr. Justus Liebig in Giessen: „Jeder, der sich mit Chemie beschäftigt, muss gegen den Herrn Verfasser mit dem grössten Dank erfüllt sein für die unschätzbare Bereicherung, welche der Chemie in dem Handbuche geworden ist. Das Buch macht im Sinne des Worts eine ganze Bibliothek entbehrlich, da es in der gedrängtesten Kürze und Vollständigkeit alle in der Journal-Literatur zerstreuten Thatsachen, welche den Körper der Wissenschaft ausmachen, systematisch ge- ordnet enthält. Der Fleiss, die Gewissenhaftigkeit, Sorgfalt und Geduld des Verfassers erregt die grösste Bewunderung. Ich glaube nicht, dass eine andere Nation ein Werk aufzuweisen hat, was dem Gmelin’schen an die Seite gestellt werden kann, oder einen Mann, der einen so grossen Umfang von Kenntnissen in sich vereinigt und den Muth und die Kraft zu einer so kolossalen Arbeit in sich trägt. Das grösste Verdienst hat sich Gmelin unstreitig dadurch erworben, dass er bei wi- dersprechenden Angaben durch eigene Versuche überall berichti- gend, verbessernd und erläuternd mit eingreift. Ich glaube, dass das Buch kei- ner Anpreisung bedarf, der Name des Verfassers ist Bürgschaft genug. Jeder, 5 205 nur flüchtig damit bekannt macht, wird es nicht wieder aus den Han- en geben. Jeilkunde, Hrift, * p zu Weimar. ecember 1849. erfüßigen Kriechthieres unter der Kohlen⸗ ſche Anwendung des Schönbeinſchen Kleb⸗ „Einreibungen der alkoholiſchen Bella- limaten zu Ende des Sommers m Frühling unverändert. Viele ganzes Jahr und vielleicht noch ng kommen. Mark iſt an der Baſis aller jedes jährigen Triebes und am 3 zu finden, überhaupt da, wo der Verf. vergleicht es deshalb ieren. Nach innen entſpricht es ing des Zweiges aufhört, nach ttichuppen entſtandenen Narben; dem Raume, den dieſe Narben Millimeter. Das unregelmäßige einen Zuſtand der Zerſetzung tzutritt an der Schnittfläche ſehr ärbt ſich gelb, braun oder roth. h dies beſonders deutlich; durch⸗ an der Stelle der Blattſchuppen, ttene Markgewebe augenblicklich; Zweig etwa 3 Millimeter unter o bleibt das Mark vollkommen haft kann man ſelbſt bei Bäu⸗ 3 Mark vorhanden ſcheint, das— unterſcheiden. Das abgeſtorbene er Luft ausgeſetzt zuſammen, es 9 dadurch ſowohl vom centralen Das abgeſtorbene Mark iſt immer rmigen Marke gebildete Scheide > getrennt. Bei einigen Pflan⸗ ze, Weinſtocke, bei Clematis und i jedem Blatte ſolche Scheide⸗ Lagnoliaceen kommen auf jeden ſolcher Scheidewände. 12 über 40 Arterien unterbinden. Patient während der Operation durch veranlaßte Schwäche da in einer bedeutenden Ausdehnu bedeckte ſich mit Fleiſchwärzchen die gewaltige Wunde ziemlich! noch mehrere Monate dazu, ur Feſtigkeit zu verſchaffen. Im nunmehr völlig geneſene Patie nehmen, und er hat derſelben können. (The American Jou Febr. 1830.) Ich beeile mich anzuerken rurgiſchen Praxis, wo man e dem man ihm die carotis un Hauſe ſchickt, ans Abentheuerlich das Verfahren gewiß ſehr zu e Umſchneiden, ſowie darauf folg wenn dieſelbe nicht zu groß i pfehlenswertheſte Operationsmet Wenn bei gewiſſen ähnli am Schädelgewölbe, aber nich Unterbinden der carotis einen g iſt dies, wie ich gleich nachweiß zufälligen günſtigen Umſtande ſtarken Arterienſtammes zuzuſc in folgendem Falle der günſtige dem Berſten der Geſchwulſt 1 Modificationen als von dem Ur carotis her. Vierte Beobachtung. durch Unterbinden der carotis g ſeiner Geburt an mehreren Körpe war, ſtieß ſich heftig an den Kr Schläfengegend befindlicher naey zwei Stunden lief derſelbe gewi die art. carotis, 1 Zoll über gaturen, welche ½ Zoll von ei der Operation platzte die Geſchw aus derſelben etwa 8 Pfd. Bli ſie vollſtändig zuſammengefallen. Theil der Hautbedeckungen ein, ſorgfältig und legte einen einfacher 16. Tage löſ'ten ſich die Ligatu binnen kurzer Zeit waren die be narbt. (Wardrop in den Trans de Blainville, Ducrotay , Osteographie, paree du squelette et du systeme dents tebres recents et fossiles, pour servir gie. Accompagnee de planches lithogr ar J. C. Herner. Mammiferes. ( Texte. In 4%. Avec un Atlas in Folio A. Bertrand. 38 fr. 50 ct. Aus der Allgemeinen Zeitung: Wir glauben, dass es an der Zeit sein dürfte, in der Allgemeinen Zeitung auf ein Werk aufmerksam zu machen, welches schon in seiner frühern Auflage Epoche in der chemischen Literatur gemacht hat, wir meinen das vom Geheimen Hofrath Gmelin in Heidelberg herausgegebene Handbuch der Chemie. Unter diesem bescheidenen Titel sind im Verlag von K. Winter in Heidel- berg bis jetzt die vier ersten Bände der vierten Auflage eines Werkes, ent- haltend die anorganische und den ersten Band der organischen Chemie, erschie- nen, welches im Wesentlichen Alles enthält, was bis auf die neuesten Zeiten in dieser Wissenschaft geleistet worden ist. Man wird es kaum begreiflich finden, wie in einem verhältnissmässig so kleinen Raum so viel enthalten ist. Es ist dieses nur möglich geworden durch die streng systematische Anordnung und die grosse Präcision der Sprache; denn bei der vollkommensten Deutlichkeit ist kein überflüssiges Wort in dem Werke zu finden. Die Anordnung ist von der Art, dass jeder, der sich nur kurze Zeit mit dem Werke bekannt gemacht hat, auch ohne das Register sogleich finden kann was er sucht. Bei widersprechenden Angaben, wie überhaupt bei obwaltenden Zwei- ſeln, hat der Verfasser eine gediegene Kritik in Anwendung gebracht, und sehr oft durch eigene Versuche berichtigend oder erläuternd eingegriffen. Die Ge- schichte der Chemie im Einzelnen findet man selbst in keinem der Geschichte dieser Wissenschaft ausschliessend gewidmeten Werke so vollständig, wie in diesem; man sieht, dass Gmelin, wie Ritter, der berühmte Verfasser der Erd- kunde“, alles vorhandene Material mit einer bewunderungswürdigen Sorgfalt gleichmässig verarbeitet hat. Wer sich die Mühe gibt, die Originalabhandlungen mit den im Handbuche gegebenen Auszügen zu vergleichen, wird oft genug über die Geduld staunen, mit welcher Gmelin die benützten Abhandlungen durch- drungen hat; er wird finden, dass nicht nur nie eine nur einigermassen erheb- liche Thatsache übersehen worden ist, sondern dass recht oft vieles von Gmelin, bei aller Kürze, deutlicher gesagt ist, als in der Originalabhandlung selbst. Der treffliche Professor Fuchs in München hatte schon von der dritten Äuflage dieses Werkes, welche unter dem Titel: „Handbuch der theoretischen Chemie“ im Jahre 1829 vollendet wurde, gesagt, „dass das Werk als ein Meisterwerk und als ein sprechendes Monument deutschen Fleisses und deutscher Gründlich- keit allgemein anerkannt werde.“ Konnte man dieses schon von der dritten Auflage mit voller Wahrheit sagen, wie soll man Worte finden, um diese vierte Auflage nach Verdienst zu würdigen, welche nahe auf das doppelte Volumen anwachsen wird, indem sie mehrere Zweige der Chemie, die in der dritten Auflage wenig berücksichtigt wurden, namentlich den analytischen und tech- nischen, mit Ausführlichkeit behandelt, überhaupt (z. B. durch sorg- fällige Angabe der Prüfung der Körper auf Verunreinigungen und Verfälschungen, durch Abbildungen von Apparaten u. s. f.) eine weit mehr praktische Rich- tung genommen hat, und die Literatur mit einer Vollständigkeit gibt, wie man sie wohl kaum in irgend einem Werke antreflen wird. In der That, eine ganze grosse Bibliothek ist in diesem Werke nicht bloss dem Namen der Bücher, sondern deren wesentlicher Substanz nach enthalten! Wir bringen dem Verfasser nicht bloss im Namen Deutschlands, sondern im Namen aller Nationen, bei welchen Wissenschaften gepflegt werden, unsern wärmsten Dank dar, und wünschen ihm nur zur Vollendung seiner rie- senhaften Arbeit die so nothwendige Kraft und Gesundheit. Auch der Verleger darf sich wegen der würdigen Ausstattung des Werkes und des verhältnissmässig 9 nen Preises der vollen Anerkennung des chemischen Publicums ver- sichert halten. Aus einer Recension des Dr. Ure in London. (Pharm. Journal Vol. IH. Nr. 2 und Vol, IV. No. 11.) Kein System des chemischen Wissens hat sich in Deutschland je einer so ausgebreiteten, dauernden und wohlverdienten Anerkennung zu erfreuen gehabt, als dasjenige von Gmelin, wovon wir nun den ersten Band der vierten Auf- lage vor uns haben. Ausgezeichnet nicht minder durch die Wichtigkeit und Ge- nauigkeit seiner eigenen Untersuchungen in jedem Gebiete der Chemie, insbe- sondere der Thierchemie, — dem schwierigsten von allen — als durch seine Verständlichkeit, Klarheit und Aufrichtigkeit als Systematiker, besitzt der Ver- fasser zur Bearbeitung des grossen Werks, oder Handbuchs, wie er es be- scheiden nennt, die vorzüglichsten Eigenschaften. Gleich reichhaltig und zuverlässig in Aufzählung der Thatsachen und zweckmässig in deren Auswahl, wie das grosse Lehrbuch von Berzelius, ist doch das Handbuch von Gmelin weit methodischer in deren Dar- stellung, und unvergleichlich genauer in Hinsicht auf die be- nützten Quellen. In diesen beiden Beziehungen hat die vorliegende Arbeit in der That ihres Gleichen nicht in den Annalen der chemischen Wissenschaft. Die 903 Seiten, welche den ersten Band bilden, enthalten, vermöge des gedrängten Styls und der Einrichtung des Drucks, eben so viele wohlgeordnete Thatsachen, als ein anderes neueres Werk über den gleichen Gegenstand von 3000 Seiten.. Our indefatigable author proceeds with unflagging power and spirit in his gigantic enterprise, embodying in one work of moderate size all the important facts and doctrines of Chemistry, while he assigns to each its due place and proportion, with minute references to their origin and progressive development. The /ucidus ordo has never, we believe, been exemplified in such a masterly manner. Many years of laborious compilation and meditation must have been devoted to the production of this wonderful book, and profound judgment exer- cised in selecting the true and the valuable results from the uncertain, false, and frivolous. The copiousness of the information upon each subject is no less surprising than its precision. One could hardly have imagined a priori that so much positive knowledge could have been comprehended in so few pages as we find here‘, and all this without incurring the Horatian censure, Brevis esse la- boro, obscurus fio, for never did a more perspicuous pen delineate the compli- cated phenomena of molecular science. Professor Gmelin deserves peculiar praise for the simple, straightforward structure ol his sentences—a great virtue, which he possesses in common with the best philosophical writers of England and France. Aus einer Recension des Herrn Dr. Joh. Nep. Fuchs, Oberbergrath, Akademiker und Professor in München. (In Buchner’s Repertorium für Pharmacie, 33. Bd. 1. Heft.) Schon die in der dritten Auflage von L. Gmelin’s unvergleichlichem Hand- buche der Chemie enthaltenen eigenthümlichen, werthvollen Forschungen und Ansichten des Verfassers, die klare Beleuchtung schwieriger und verwickelter Materien, die kritischen Bemerkungen und das gründliche Urtheil über divergente Theorien, die sonst nirgends so vollständig zu findende Literatur und treue An- gabe der Quellen, aus denen geschöpft worden, erhöhten ganz besonders den Werth dieses Buches, was auch allgemein als ein Meisterwerk und als ein sprechendes Monument deutschen Fleisses und deutscher Gründlichkeit anerkannt wurde. . Kein Wunder daher, dass nach Verlauf mehrerer Jahre, während welcher die Wissenschaft einen so grossen Zuwachs erhalten und Manches darin sich neu gestaltet hatte, vielseitig der Wunsch laut wurde: dass doch Gmelin wieder eine neue Ausgabe seines Handbuchs veranstalten möchte. Diesem Wunsche hat er nun entsprochen und es erscheint diese (vierte) Auflage in Lieferungen von 8 Bogen zu dem mässigen Preise von 54 kr. oder 16 Ngr. Was man sich von dieser Auflage zu versprechen hat, ist aus der Vorrede zu ersehen. Dieselbe wird demnach nicht nur das für die gegenwärtige Zeit werden, was die frühere für die damalige war, sondern sie wird diese in mehr- facher Hinsicht noch weit übertreffen. Man wird gewiss von der Reich- haltigkeit derselben überrascht werden und nichts darin vernissen, was nur im- mer von einiger Wichtigkeit für den Chemiker bis jetzt an den Tag gekommen ist; und zugleich wird man den Fleiss, die Gründlichkeit und den ordnenden Geist des Verfassers bewundern müssen. Möge derselbe bei dieser riesenhaften Arbeit, wofür ihm jeder Chemiker und Freund der Chemie höchst dankbar sein wird, nicht ermüden | — Dann werden wir bald im Besitze eines Werkes sein, auf welches Deutschland mit Recht stolz sein darf, Heilkunde, te Zeitſchrift, 'roriep zu Weimar. December 1849. eines vierfüßigen Kriechthieres unter der Kohlen⸗ meticiniſche Anwendung des Schönbeinſchen Kleb⸗ Breſſe, Einreibungen der alkoholiſchen Bella- eren Klimaten zu Ende des Sommers tung im Frühling unverändert. Viele gar ein ganzes Jahr und vielleicht noch ntfaltung kommen. bene Mark iſt an der Baſts aller Spitze jedes jährigen Triebes und am Zweiges zu finden, überhaupt da, wo ſtand; der Verf. vergleicht es deshalb dei Thieren. Nach innen entſpricht es Holzring des Zweiges aufhört, nach e Blattſchuppen entſtandenen Narben; tſpricht dem Raume, den dieſe Narben orn 2 Millimeter. Das unregelmäßige durch einen Zuſtand der Zerſetzung irch Luftzutritt an der Schnittfläche ſehr webe färbt ſich gelb, braun oder roth. zeigt ſich dies beſonders deutlich; durch— Zweig an der Stelle der Blattſchuppen, rchſchnittene Markgewebe augenblicklich; enſelben Zweig etwa 3 Millimeter unter elle, ſo bleibt das Mark vollkommen Eigenſchaft kann man ſelbſt bei Bäu⸗ torbenes Mark vorhanden ſcheint, das— Marke unterſcheiden. Das abgeſtorbene rdem der Luft ausgeſetzt zuſammen, es ennt ſich dadurch ſowohl vom centralen irke. Das abgeſtorbene Mark iſt immer ringförmigen Marke gebildete Scheide— Marke getrennt. Bei einigen Pflan⸗ genbaume, Weinſtocke, bei Clematis und ſich bei jedem Blatte ſolche Scheide— der Magnoliaceen kommen auf jeden e zwei ſolcher Scheidewände. 12 175 über 40 Arterien unterbinden. Patient während der Operation durch veranlaßte Schwäche da in einer bedeutenden Ausdehnu bedeckte ſich mit Fleiſchwärzchen die gewaltige Wunde ziemlich! noch mehrere Monate dazu, ur Feſtigkeit zu verſchaffen. Im nunmehr völlig geneſene Patie nehmen, und er hat derſelben können. (The American Jou Febr. 1830.) Ich beeile mich anzuerken rurgiſchen Praris, wo man e dem man ihm die carotis ur Haufe ſchickt, ans Abentheuerlic das Verfahren gewiß ſehr zu e Umſchneiden, ſowie darauf folg wenn dieſelbe nicht zu groß i pfehlenswertheſte Operationsmet Wenn bei gewiſſen ähnli am Schädelgewölbe, aber nich Unterbinden der carotis einen g iſt dies, wie ich gleich nachweiſ zufälligen günſtigen Umſtande ſtarken Arterienſtammes zuzuſe in folgendem Falle der günſtige dem Berſten der Geſchwulſt 1 Modificationen als von dem Un carotis her. Vierte Beobachtung. durch Unterbinden der carotis g jeiner Geburt an mehreren Körp: war, ſtieß ſich heftig an den Kl Schläfengegend befindlicher naey zwei Stunden lief derſelbe gew die art. carotis, 1½ Zoll über gaturen, welche ½ Zoll von el der Operation platzte die Geſchm aus derſelben etwa 8 Pfd. Bl ſie vollſtändig zuſammengefallen. Theil der Hautbedeckungen ein, ſorgfältig und legte einen einfacher 16. Tage löſ'ten ſich die Ligatı binnen kurzer Zeit waren die be narbt. (Wardrop in den Trans de Blainville, Ducrotay, Osteographie , paree du squelette et du systeme dent: tebres recents et fossiles, pour servir gie. Accompagnee de planches lithogt par J. C. Werner. Mammiferes. Texte. In 4% Avec un Atlas in Folio A. Bertrand. 38 fr. 50 ct. schon an Aus einer Recension des Herrn Hofrath, Professor Dr. Vogel in München, in den gelehrten Anzeigen der bayerschen Akad der Wissenschaften 1843. No. 129. Wir machen nur eine vorläufige Anzeige von dem Erscheinen der vierten Auflage dieses wichtigen Werkes und behalten uns vor, auf diesen ersten Band so wie auf die folgenden Bände zurückzukommen, sobald der ganze Theil der ae Chemie vollendet sein wird. So viel können wir aber jetzt euten, dass wir über die vom Verlasser hinzugefügten Verbesserungen und Erläuterungen so überrascht wurden, dass wir alle Ursache haben, diese vierte Auflage als eine ungemein [reudige Erscheinung zu begrüssen. Nicht allein die neuen Thatsachen, sondern auch die Literatur, sei es in den Original-Abhandlungen oder in den Uebersetzungen, sind auf das Genaueste und Gewissenhalteste nachgewiesen und wir dürfen uns Glück wünschen, dass es der deutschen Gründlichkeit vorbehalten war, ein Werk zu liefern, welches in den angeführten Beziehungen seines Gleichen nicht hat. Auf gleich günstige Weise haben sich Mitscherlich und Rammels- berg in Berlin, Fromherz in Freiburg, Wackenroder in Jena, Wöhler in Göttingen, Winkelblech in Cassel und Duflos in Breslau ausgesprochen. Gestützt auf diese einstimmige Anerkennung so vieler ausgezeich- neter Männer empfehlen wir nun aufs neue die erschienenen drei Bände der anorganischen Chemie (deren jeder 4 Rthl. oder 7 fl. kostet) so wie den ersten Band der organischen Chemie, Preis 4 Rthl. 8 Ner. oder 7 fl. 36 kr., der Aufmerksamkeit des wissenschaftlichen Pu- blikums und bemerken für die Käufer des ganzen Werkes, dass von der 30sten Lieferung an der Subscriptionspreis von 54 kr. oder 16 Ner. für 8 Bogen noch bis zur Beendigung des fünften Bandes fortbesteht. Heidelberg. Sept. 1849. Universitäts-Buchhandlung von Karl Winter. Bei dem Verleger dieses Handbuchs ist ferner erschienen: L. Gmelin, Lehrbuch der Chemie. Zum Gebrauche bei Vor- lesungen, an Universitäten, in Militärschulen, polytechnischen Anstalten, Realschulen u. s. w., so wie zum Selbstunterrichte. Erste Abtheilung: unorganishe Chemie. gr. S. 25 Bogen. Mit Abbildungen. fl. 2. 36 kr. oder Thlr. 1. 15 Ngr. (Eine zweite Abtheilung, die organische Chemie enthaltend, wird nachfolgen.) Durch die Universitätsbuchhandlung von K. Winter in Heidelberg ist zu beziehen: Fr. Tiedemann, Supplementa ad Tabulas Arteriarum Corporis humani. 15 Tafeln col. Imp.-Form. mit Text. Thlr. 15. oder 25 fl. baar. Drei Tafeln stellen die Arterien der Lungen, des Rückenmarks und der weiblichen Brust dar; zwei Tafeln die erweiterten Seitengelässe nach vorgenom- mener Unterbindung der Schlüsselbeinpulsader, der äusseren Hüft- und der ober- flächlichen Schenkelbein-Schlagader ; die übrigen Tafeln neue seltene Abwei- chungen der Pulsadern, welche in der Chirurgie zu beachten sind, — De. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medicinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. (Nr. 12. des XI. 1. Bandes.) Guillard, über das Mark der Hol e — Heilkunde. Naturkunde. formation. Adams, ruſſiſches Guano. — äthers. — Merat und Gibert, donnatinetur gegen tetanus. Nekrolog. — . Miieellen. Lea, Eis als anäſthetiſches Mittel. — über die Anwendung des Assacou gegen Elephantiasis. — December 1849. vierfüßigen Krlechthlered unter der E Jung, die mericiniſche Anwendung des Schönbeinſchen Kleb⸗ Miſcellen. Breſſe, Einreibungen der alkoholiſchen Bella⸗ foſſtle Tußſpuren eines Naturkunde. XXIII. über das Mark der Holzpflanzen. Von Achille Guillard. Des Verf. Arbeit, die wir dem Novemberhefte der Annales des sciences von 1847 entnehmen, zerfällt in drei Abtheilungen. Die erſte Abtheilung handelt vom Marke im allgemei— nen. Der Verf. zeigt, daß ſelbiges bei Holzpflanzen keines— weges homogen iſt, vielmehr aus anatomiſch und phyſtolo— giſch ſehr verſchiedenen Theilen beſteht. Das Mark aus der Achſenſpitze eines jungen Ahorn— zweiges zeigt ſich auf dem Längsſchnitte als ſtumpfer Kegel mit breiter Baſis. Die Spitze dieſes Kegels beſteht aus weichem, homogenem, äußerſt zartem körnererfülltem Zellgewebe, deſſen dunkelgrüne Farbe nach oben mehr und mehr ab— nimmt; dieſen Theil nennt der Verf. das eigentliche Mark (moölle propre). Unter demſelben liegt eine farb— loſe trockene Schicht, deren deutliches Zellgewebe ſchlaff, un— regelmäßig, gleichſam zerſetzt erſcheint: der Verf. nennt es das ſchwindende oder abgeſtorbene Mark (moelle marcescente ou morte). Unter dem letzteren liegt das cen— trale Mark des Zweiges, weiß und trocken, aus großen ſchon mit der Loupe ſichtbaren in regelmäßigen Längsreihen angeordneten Zellen beſtehend. Das centrale Mark, das Mark der Autoren, berührt den Holzring nicht unmittelbar, wird vielmehr noch durch einen Ring von kleineren unregel— mäßigen Zellen, die Säfte führen und bei verſchiedenen Pflanzen verſchieden gefärbt ſind, umgeben. Dieſer nur aus Parenchym beſtehende, das centrale Mark umgebende Cylin— der ward vom Verf. das ringförmige Mark (moelle annulaire) genannt. Das eigentliche Mark der Knoſpe bleibt, wie es ſcheint, von dem Zeitpunkte an, wo die Knoſpe vollſtändig No. 2212. — 1112. — 232. entwickelt iſt, in unſeren Klimaten zu Ende des Sommers bis zur neuen Entfaltung im Frühling unverändert. Viele Knoſpen verharren ſogar ein ganzes Jahr und vielleicht noch länger, bis ſie zur Entfaltung kommen. Das abgeſtorbene Mark iſt an der Baſis aller Knoſpen unter der Spitze jedes jährigen Triebes und am Grunde jedes neuen Zweiges zu finden, überhaupt da, wo eine neue Knoſpe entſtand; der Verf. vergleicht es deshalb mit der Nachgeburt bei Thieren. Nach innen entſpricht es der Fläche, wo der Holzring des Zweiges aufhört, nach außen den durch die Blattſchuppen entſtandenen Narben; ſeine Ausdehnung entſpricht dem Raume, den dieſe Narben beſchreiben, beim Ahorn 2 Millimeter. Das unregelmäßige Gewebe zeichnet ſich durch einen Zuſtand der Zerſetzung aus; dieſelbe wird durch Luftzutritt an der Schnittfläche ſehr beſchleunigt; das Gewebe färbt ſich gelb, braun oder roth. Bei der Roßkaſtanie zeigt ſich dies beſonders deutlich; durch⸗ ſchneidet man einen Zweig an der Stelle der Blattſchuppen, fo vröthet ſich das durchſchnittene Markgewebe augenblicklich; durchſchneidet man denſelben Zweig etwa 3 Millimeter unter oder über dieſer Stelle, jo bleibt das nk vollkommen weiß. Durch dieſe Eigenſchaft kann man ſt bei Bäu⸗ men, wo kein abgeſtorbenes Mark vorhanden ſcheint, das— ſelbe vom centralen Marke unterſcheiden. Das abgeſtorbene Mark zieht ſich außerdem der Luft ausgeſetzt zuſammen, es verkürzt ſich und trennt ſich dadurch ſowohl vom centralen als ringförmigen Marke. Das abgeſtorbene Mark iſt immer durch eine aus dem ringförmigen Marke gebildete Scheide⸗ wand vom centralen Marke getrennt. Bei einigen Pflan- zen, z. B. beim Feigenbaume, Weinſtocke, bei Clematis und Broussonetia bilden ſich bei jedem Blatte ſolche Scheide⸗ wände. Im Marke der Magnoliaceen kommen auf jeden Millimeter der Länge zwei ſolcher Scheidewände. 12 179 Der volle Cylinder des centralen Markes endigt nach oben mit einer converxen, nach unten mit einer con— caven Oberfläche; die Scheidewände aus ringförmigem Marke ſind gleichfalls wie die Cylinder des abgeſtorbenen Marks nach oben conver. Der Verf. ſchließt hieraus auf eine Ent: wickelung des Markes überhaupt von unten nach oben. Das centrale Mark beſteht nicht immer, wie man im all— gemeinen annimmt, aus großen ſchwammigen Zellen, iſt vielmehr nach der Pflanzenart ſowohl in der Anordnung als nach der Größe und Beſchaffenheit ſeiner Zellen ſehr verſchieden; der Durchmeſſer der Zellen iſt bei einigen Pflan— zen überall in dieſem Marke derſelbe, bei andern nimmt er an Umfang nach der Mitte zu, in den meiſten Fällen iſt er in der Mitte gleichförmig, vermindert ſich dagegen in der Nähe des ringförmigen Markes. Der zweite Fall iſt bei den krautartigen Pflanzen, ebenſo in jungen Zweigen der häufigere, ſelbſt wenn ältere Zweige desſelben Baumes den dritten Fall reprüfentiren. Es ſcheint demnach, als ob ſich das Mark vom Mittelpunkte aus entwickele und ſeine Zellen nach derſelben Ordnung wachſen. Das centrale Mark wird im allgemeinen bald ſchwammig, bleibt dagegen bei der Platane ein Jahr lang grün und ſaftig; bei der Buche bleibt es mehrere Jahre ſaftig. Das centrale Mark des Apfelbaumes hat bis zum zweiten und dritten Jahre ein unregelmäßiges Gewebe, das ſich erſt dann in Längs— reihen anordnet. Bei vielen Pflanzen, namentlich bei der Linde kommen im Marke Zellen vor, die mit gallertartiger farblofer Flüſſigkeit erfüllt und der Zahl nach verſchieden ſind; an der Spitze der Knoſpe ſieht man gewöhnlich eine bis zwei derſelben don größerem Durchmeſſer, die ihren In— halt der Spitze zuzuführen ſcheinen. Das ringförmige Mark unterſcheidet ſich vom cen— tralen Marke ſo ſehr, daß man es ſchwerlich mit ihm ver— wechſeln kann; dasſelbe iſt mit dem Holzringe innig ver⸗ bunden und läßt ſich nicht wie das centrale Mark vom Holze trennen. Aus dieſem Theile des Markes entſpringen die ſogenannten Markſtrahlen, am deutlichſten wird dies bei Pflanzen mit beſchränkten Holzportionen und weiteren Mark— ſtrahlen. Bei Clematis Vitalba ſieht man vom ringförmi— gen Marke ſtrahlenförmige Verlängerungen bis zur Rinde gehen und jo den Holzring in keilförmige Portionen zer— legen. Dieſe Art Markſubſtanz hat eine fleiſchige feſte Be— ſchaffenheit, während das centrale Mark ſaftlos und locker iſt, das Holz dagegen aus Holzzellen und Gefäßen beſteht. Eine holzige Markröhre (etui medullaire) giebt es nach dem Verf. nicht, wohl aber eine vom ring- und ſtrahlenförmi— gen Marke gebildete Markröhre, die für die Entwickelung des Zweiges ſehr wichtig iſt, da in ihrem Inneren bei jedem Baume Gefäßgruppen liegen, die zu den Blättern verlaufen. Führt man dünne Querſchnitte durch die Spitzen ir— gend eines Zweiges (vom Haſelnußbaum z. B.), ehe ſich die Knoſpe entwickelt und zwar oberhalb der letzten abge⸗ fallenen Blätter, ſo findet man nur abgeſtorbenes und ring⸗ förmiges Mark, die Spitze des Holzkörpers und der Rinde, aber keine Gefäße. Etwas tiefer, da, wo eine Narbe die 232. X 1 12, 180 Stelle des abgefallenen Blattes bezeichnet, ſieht man ge- wöhnlich drei Gefäßbündel, welche das Blatt mit dem Zweige verbindet, austreten; das Hauptgefäßbündel entſpricht genau dem Mittelnerven, die beiden anderen dem Seitenner⸗ ven des Blattes. Geht man weiter mit dem Querſchnitte nach abwärts, fo findet man die drei Gefäßbündel zuerſt in der Rinde, dann im Baſte, darauf im Cambium und zuletzt von etwas ringförmigem Marke umgeben innerhalb des Holzringes. Wo erſt ein Blatt vorhanden iſt, ſind nur die drei beſchriebenen Gefäßbündel vorhanden; wo zwei Blät⸗ ter vorkommen, finden ſich ſechs; wo drei Blätter gebildet find, neun Gefäßbündel u. ſ. w. Je mehr Blätter hinzu⸗ kommen, um ſo mehr drängen ſich die Gefäßbündel an einander und gewinnen, indem fie ſich ercentriſch verlän- . gern, auf dem Querſchnitte ein keilförmiges Anſehen; das ſie umgebende mit ihnen nach außen wachſende ringförmige Mark bildet die Hauptmarkſtrahlen. Durchſchneidet man eine Knoſpe in der Mitte ihres eigentlichen Markes, ſo bemerkt man, daß jedes Blatt, deſſen Entwickelung bevorſteht, durch drei helle Kreiſe, in deren Mitte ein dunkler Punkt befindlich, angedeutet iſt; dieſe drei Kreiſe bilden die Anlage der Gefäßbündel der Blätter, fie beſtehen bei Mespilus Japonica aus einer grünlichen, dem ring— förmigen Marke angehörenden Parenchymmaſſe; an einer Seite bilden ſich um dasſelbe mehrere ſtrahlenförmig geſtellte Gefäß⸗ reihen, die durch ein zartes kaum ſichtbares Parenchym ge— ſchieden ſind; dieſe Gefäße ſind von einem durchſichtigen Halbkreiſe, welcher Säfte führt (einem Cambium) und dieſer von Baſtfaſern, die gleichfalls einen Halbkreis bilden, umgeben, letztere umſchließt endlich ein durchſichtiger nach innen ſtrahlenartig geſtreifter, nach außen punctirter Hof. Sowohl die Zahl der Gefäßreihen als die Zahl der Gefäße in ihnen ſind nach den Pflanzenfamilien, Gattungen und Arten verſchieden. Prunus spinosa hat nur ſieben Gefäß⸗ reihen und in jeder derſelben etwa ſieben Gefäße. Fraxinus hat wenigſtens dreißig Reihen mit zehn Gefäßen; Eucalyptus hat dreißig Reihen, in jeder Reihe ſechs Gefäße. Bei einigen Pflanzen ſteigt die Zahl der Reihen auf 500 und mehr, andere haben dagegen nur zwei oder drei Reihen (Amaran⸗ thaceen und Basella), vielleicht ſogar aus einer einzigen Reihe (Cucurbitaceen, Nyctagineen, Nymphäaceen). Auch die Ge- ſtalt der Gruppen im Querſchnitt iſt verſchieden: bald iſt ſie halbmondförmig, bald nierenförmig, bald hufeiſen- oder plattenförmig u. ſ. w. Dieſe wichtigen zuſammengeſetzten Organe, denen das Blatt feine Entſtehung verdankt, find bis jetzt nur als Ge⸗ fäßbündelarten betrachtet und als ſolche verſchiedentlich be= nannt worden; die bisherigen Benennungen ſind aber, da fie den wichtigſten Theil derſelben, die parenchgmatiſchen Säfte führenden Gewebe des Markes und Cambiums außer Acht ließen, unpaſſend. Der Verf. ſchlägt vor ſie Blatt⸗ cohorten zu nennen und glaubt mit dieſem Namen, der ſowohl eine Vereinigung vieler Einzelweſen verſchiedener Art nach beſtimmter Ordnung zu einem Ganzen, als auch den Zuſammenhang dieſes Ganzen mit dem Blatte bezeichnet, eine paſſendere Benennung gefunden zu haben. 181 Wie die römiſchen Cohorten in Halbeohorten und mani- puli getheilt, jo theilen ſich auch die Blatteohorten. Bei Corylus zerfällt die Haupteohorte in 2, bei Alnus, Pavia, Quercus pedunculata in 3, bei Platanus in 4 Unterabthei— lungen. Man kann nicht ſelten dieſe Theilung verfolgen, ſie ſcheint zum Theil durch die Lage der Cohorte über einer anderen eines tiefer gelegenen Blattes bedingt zu werden. (Phillyrea, Calycantheen, Acerineen.) Im allgemeinen ſchei— nen ſich die Cohorten normal in 2 Hälften zu theilen. Man bemerkt dieſe Theilung ſchon im friſchen Zuſtande, beſſer noch zeigt ſie ſich, wenn der Querſchnitt trocken zu werden beginnt. Wenn die Knoſpe im Herbſt alle Blätter entwickelt hat, die fie während der Vegetationsperiode des kommenden Jahres enthalten will, bilden ſich auch die Cohorten ſämmt— licher Blätter ſymmetriſch um das eigentliche Mark der Knoſpe; wenn im kommenden Frühlinge die Knoſpe zum Zweige wird, verlängern ſich mit ihr ſämmtliche Cohorten, fie verlaſſen nach ihrem Alter das Innere der Knoſpe und gehen durch Rinde und Epidermis (wenn ſchon eine ſolche vorhanden) zum Blatte, das durch ſie gebildet wird und ſeinerſeits für ihre weitere Ausbildung ſorgt. Der Austritt der Blatteohorten erfolgt bald langſam und nach beſtimmter Ordnung, (Pyrus Malus), bald plötzlich (bei Ribes rubrum und Tilia). Die 3 einem Blatte angehörenden Cohorten treten nicht gleichzeitig, die Haupteohorte tritt bei vielen Pflanzen vor den beiden ſeitlichen Cohorten, bei anderen dagegen ſpäter als dieſe hervor, auch die beiden Seitenco— horten treten nicht überall zu gleicher Zeit auf. In der Re— gel iſt die Hauptcohorte, welche den Mittelnerven bildet, ſtärker als die beiden anderen; bei Staphylea, Rubus, Liquidambar ſind ſie von gleicher Stärke; auch ihrer Form nach können ſie von einander abweichen, fo iſt die Mittelcohorte bei Chrysophyllum Cainito und Rhamnus Americanus im Quer— ſchnitt bandförmig, während die Seitencohorte muſchelförmig getrennt ſind. Um die Cohorten und ihren Verlauf genau zu ſehen, macht der Verf., vom Grunde eines Internodiums anfangend, bis zum Urſprunge der Blätter Querſchnitte durch die Zweig— ſpitze, auf dieſe Weiſe zeigt ſich ſowohl das erſte Auftreten der Cohorten, ihr ſchnelleres oder langſameres Vordringen, ihr Eintritt ins Blatt u. ſ. w. Ein Gegengewebe mit einem anderen Internodium, das entrindet ward, beſtätigte den Ver⸗ lauf der Länge nach. Die 3 Cohorten eines Blattes umfaſſen gewöhnlich ½ bis ¼ des Holzringes, dies gilt für alle Pflanzen, wo die Blattſtellung ¼ einer Spiralwindung beſchreibt; wenn die Spirale wahre Blätter enthält, ſo rücken die Cohorten näher an einander, bei Crataegus nehmen fie ½¼ des Holzringes ein, bei Pittosporum nur ¼ desſelben. Wo die Spirale aus weniger als 5 Blättern beſteht, weichen auch die Blatt— cohorten weiter von einander: bei Cornus bilden die 3 einem Blatte gehörigen Cohorten faſt einen Halbkreis, bei Ulmus, Hermannia, Erythroxylon und Cassipourea gerade die Hälfte des Kreiſes, bei Antidesma, Asarum, Aristolochia mehr als dieſe Hälfte, bei Tilia 3/5, des Kreiſes, bei Alnus und Fagus 232. XI. 12. 182 2/3, bei Schizoloena ¾ und bei Sarcoloena gar 5/, des Kreiſes. Der zweite jetzt beginnende Theil der Arbeit behan— delt die Vertheilung der Cohorten zum Blatte; der Verf. hat bisher den häufigſten Fall, das Vorhandenſein dreier Cohorten für jedes Blatt, hervorgehoben, hier zeigt er wie ihre Zahl nicht bei allen Pflanzen gleich, wie fte aber für jede Gattung und Art durchaus conſtant iſt. Drei Blatt— cohorten find nach ihm den dicotyledoniſchen Pflanzen mit entſchieden abwechſelnder Blattſtellung und zwar vorzugsweiſe den Gattungen mit wandſtändigem Samenträger (Ablamel- laires) und den hypogyniſchen Polypetalen mit mehrfächri— gen Fruchtknoten (Collamellaires) eigen. Dagegen findet man bei den Ampelideen, bei Sambucus nigra und racemosa und anderen Pflanzen 5 Cohorten, der Feigenbaum zeigt 7, der Tulpenbaum 8, bei Aralia kommen 16 bis 20 und bei einigen Polygyneen bis 25 Cohorten vor. Eine große Anzahl Pflanzen beſitzt wiederum nur eine einzige Blatteohorte; dahin gehören alle Pflanzen mit ver— wachſener, aber nicht mit dem Kelch verbundener Blüthenkrone und mit mehrfächrigen Fruchtknoten, mithin die große Ab— theilung der hypogyniſchen Monopetalen. (Endlichers 34. bis 39. Claſſe.) Eine große Anzahl Pflanzen mit ſich kreuzenden (gegen— ſtändigen und wirtelſtändigen) Blättern. Einige Apetalen mit einfächrigen Fruchtknoten, einige Pflanzen mit kleinen haufen: weiſe geſtellten Blättern, z. B. die Coniferen, Bruniaceen, Lineen, Diosma, Muraltia, Iberis, u. ſ. w. Dieſe Pflanzen ſcheinen dem Verf. durch ein gemeinſames, ſich auf die Ver— vielfältigung der Blätter beziehendes Band vereinigt zu fein, fie beſitzen die Eigenthümlichteit in einer Vegetationsperiode mehrere Grade der Vegetation, mehrere Generationen be— blätterter Zweige zu entwickeln, eine Fähigkeit, die beim Baume nur ſelten vorkommt. Bei Tamarix und Thuja trifft man z. B. Arillarzweige, die aus Arillarzweigen hervorgegangen ſind und doch entſchieden einer Vegetationsperiode angehören bis zum vierten Grade. Endlich beſitzen noch die Pflanzen mit freiem centralem Samenträger, (Endlichers Claſſen 27, 30, 37, 38, und 48) keine drei Blattcohorten, ſon— dern meiſtens aus einer, aus mehreren getrennten Bündeln beſtehenden Cohorte, ſeltener aus einer Menge von Cohorten, welche ein mit einer Scheide verſehenes Blatt bilden (Plum- bagineae und Polygoneae). Bei einigen Primulaceen find beide Charaktere vereinigt, indem zahlreiche Cohorten im cen— tralen Marke zerſtreut ſind. Die einfache Cohorte entſpringt häufig aus 3 und mehreren im Markkörper getrennten Bündeln (manipules). Bei den Labiaten ſind 2 ſolche Bündel, bei Cotyledon und den Amaranthaceen 3, beim Borretſch 7 u. ſ. w. vorhanden, alle vereinigen ſich aber an ihrer Austrittsſtelle zu einer einzigen Cohorte. Dieſe jo verſchiedene Anordnung der Cohorten im in— neren Theile des Pflanzenſtengels giebt dem ringförmigen Marke und dem dasſelbe umgebenden Gefäßgewebe verſchie— dene, übrigens für jede Pflanze conſtante und charakteriſtiſche Formen. Paliſot de Beauvois hat einige derſelben 125 183 beſchrieben, ihre wahren Urſachen aber nicht enträthſelt; er machte ſie von der Stellung der Blätter allein abhängig. In einer großen Anzahl Pflanzen mit 2/, Blattſtellung und 3 Cohorten (Rubus, Rosa, Cerasus, Populus, Juglans, Quercus, Castanea u. ſ. w.) beſchreibt der innere Holzkörper auf dem Querſchnitt ein Fünfeck, von dem abwechſelnd 3 Ecken weiter vorſpringen und, jenachdem man näher oder ferner vom Aus— trittsorte der Cohorten ſchneidet, ſich mehr oder weniger ab— ſtumpfen. Beim Haſelnußbaume, der Eiche und der Ka⸗ ſtanie iſt dieſes Fünfeck ganz unregelmäßig, ſeine Geſtalt entſpricht einem Sterne mit 5 ausgeſchweiften Strahlen. Beim Orangenbaum, der zwar ebenfalls 2/8 Blattſtellung, aber nur eine Cohorte beſitzt, hat der innere Körper eine dreieckige Geſtalt, die ſogar bei jungen Zweigen auch der Rinde eigenthümlich iſt. Beim Apricoſenbaume, wo die 2/, Blattſtellung in die ¼8 Stellung übergeht, erſcheint ein undeutliches Achteck. Laurus Cinnamomum und Eucalyptus zeigen ein Rechteck. Die Weißbuche mit zweizeilig geſtellten Blättern hat gleichfalls, da ihre Cohorten gerade verlaufen, einen viereckigen Körper; das ringförmige Mark nimmt unterhalb jeder Blattachfel die Form eines römiſchen Kreuzes an. Alnus mit ¼ Blattſtellung hat einen dreieckigen Innenkörper. Bei gegenſtändigen, aus 3 Blattceohorten entſpringenden Blättern, wird der Innenkörper heraedriſch; iſt dagegen nur eine Cohorte vorhanden, ſo entſteht eine viereckige Geſtalt, die nach der Form und Ausdehnung der Cohorte verſchieden iſt. Die Höhe, in welcher der Schnitt durch das Internodium geführt wird, hat begreiflicherweiſe auf die Geſtalt des Innen— organes großen Einfluß, etwas unterhalb der Mitte findet man die eckige Form immer am deutlichſten ausgeprägt. Eine genaue Bekanntſchaft mit der Zahl, Geſtalt, An— ordnung, Verlauf und Bau der Blatteohorten könnte, wie der Verf. glaubt, zur Baſis einer anatomiſchen Claſſtfication der Pflanzen, einer Aufgabe, deren Möglichkeit ſchon Des— fontaines im vorigen Jahrhunderte vorſchwebte, werden; jedenfalls find die erwähnten Verhältniſſe bei phyſtologiſchen Monographien der Gattungen und Arten nicht außer Acht zu laſſen. Schon zwei Beiſpiele werden die Bedeutſamkeit dieſer Gefäßbuüͤndelanordnungen für die natürliche Verwandt— ſchaft der Pflanzen nachweiſen. Das Ergenus Lacepedea H. B. H. ward unter die Hippocrateaceen gebracht; ein Quer— ſchnitt des Zweiges zeigt indes ein regelmäßiges Sechseck, das von dem mehr oder weniger länglichen Vierecke bei letztge— nannter Familie weit entfernt iſt. Tuhasne vereinigte, nur durch äußere Merkmale geführt, das Ergenus mit der Gattung Turpinia, zur Familie der Staphyleaceen gehörig, zu denen es auch, ſowohl durch den inneren Bau ſeines Holzes als dem Charakter ſeiner Blüthentheile nach, wirklich gehört. Bei Aesculus und Pavia find bekanntlich die von den Fructificationstheilen entnommenen Charaktere ſo unbeſtimmt und wenig conſtant, daß über die Trennung oder Verein— barung beider Gattungen noch ſehr verſchiedene Anſichten herrſchen. Aesculus hat jedoch 5 Blatteohorten und einen eiförmigen oder zehneckigen Innenkörper, Pavia dagegen nur 3 Cohorten und einen ſechseckigen Körper. So erhält man 232. XI. 12. 184 Aesculus Hippocastanum I., Ae. rubicunda Lam dagegen unter— ſcheiden ſich Pa vis oioensis Michi, P. macrostachya Lois., P. rubra Lam., P. lucida Spach., P. fla va Dec. u. ſ. w.; ſchon der kleinſte Zweig ohne Blüthen und Frucht genügt zu jeder Jahres⸗ zeit, um beide Gattungen zu unterſcheiden, ja ſchon ein Blatt- ſtiel kann zwiſchen Aesculus und Pavia entſcheiden. Die Blatteohorten, in dem Innenkörper der erſten Holz— bildung jeder Zeit, ſelbſt dann noch, wenn dieſer Körper von einer zweiten Holzſchicht bedeckt wird, erkennbar; die neue Schicht formt ſich ganz nach der Schicht, die ſie be— deckt, dasſelbe gilt von den folgenden Schichten, bis ſich zuletzt durch die vermehrte Entfernung vom erſten Holzringe die Anordnung der Cohorten verwiſcht. Die Nebenblätter beſitzen keinen eigenen Cohorten; ſo— gar bei den Rubiaceen, wo die Stipeln faſt die Größe des Blattes erreichen, bildet der Stamm für ſie keine beſondere Blatteohorten. Die Blattſchuppen der Knoſpe haben nur unvollkommene und abortirte Cohorten, von denen im In— nenkörper kaum eine Spur erkennbar iſt. Die Blattcohorten gehören ausſchließlich den Blättern an, fie bilden niemals andere Organe. Die Blattcohorten entſtehen ſowohl in der Primitiv- als in der Terminalknoſpe, mit der Entwickelung der Knoſpen gleichen Schritt haltend, nach einander; aus ihnen entwickeln ſich immer nur Blätter. Das beſtändige Vorkommen wie die innige Verbindung der Spiral- und anderer Gefäße mit dem Blatte läßt den Verf. eine beſondere Bedeutſamkeit derſelben für das Blatt vermuthen, er nimmt darnach zweierlei, ſowohl der Lage als den Functionen nach, verſchiedene Gefäße an; die eine Art, welcher namentlich die Spiralgefäße angehören, ſind nur den Blattcohorten eigen und immer mit dem ringför— migen Marke in Berührung; fte bilden ſich im eigentlichen tarke der Knoſpe, vergrößern und erheben ſich mit dem aus der Knoſpe entſtehenden Zweige und gehen in alle aus letzterem hervorgehenden Organe, verlängern ſich dagegen niemals unterhalb ihrer Urſprungsfläche. Die anderen ge— hören zum eigentlichen Faſergewebe; ſie ſind im jährigen Zweige meiſtens nur in geringer Zahl zerſtreut, kommen dagegen in den ſich alle Jahr neu bildenden Holzſchichten reich⸗ lich vor und zwar von oben nach unten, ſie laufen ſomit am ganzen Stamme herab. Die dritte Abtheilung, zu der wir jetzt übergehen, han— delt vom inneren Bau der Blatteohorten; ſelbige entſpringen dem eigentlichen Marke der Knoſpe und endigen im Blatte. Eine vollſtändig entwickelte Blatteohorte beſteht 1) aus einer Maſſe ringförmigen Marks, 2) einer Gruppe von Spiral⸗ und anderen Gefäßen, die in einer Scheide von Parenchym entwickelt wurden und ſowohl an Zahl, Geſtalt, Größe und Anordnung nach den Pflanzen verſchieden ſind, 3) einer Rinde von Cambium, 4) aus Baſtfaſern, welche letztere umgeben und 5) aus einem äußeren, parenchymatiſchen, durch- ſichtigen, mehr oder weniger ſaftloſen Gewebe, aus uns vollſtändigen oder in Reſorption begriffenen geſtrickten Zellen beſtehend. Dieſe äußerſte Schicht, welche dem Faſergewebe ſehr ähnlich iſt, unterſcheidet ſich don ihm durch die unregel— 185 mäßige Stellung der Zellen; ehe die Baſtzellen auftreten, bildet das Baſtgewebe mit dieſer Schicht ein Ganzes, erſt durch die Bildung des Baſtes tritt eine Sonderung ein, das Baſtgewebe theilt ſich in eben fo viel Lappen als die Blatt— cohorten Unterabtheilungen beſitzen. Autoren, welche dieſe äuße— ren Zellen in einer ſpäteren Periode beobachteten, verwechfel— ten ſie mit den ſogenannten eigenen Gefäßen; der Verf. ſah niemals einen Saft in ihnen, auch kommen dieſelben in allen Pflanzen, ſowohl denen, wo man den fog. eigenen Saft gefunden hat als auch in ſolchen, die gefärbten Säfte führen, vor; ſie ſind in ganz jungen Knoſpen, wo der erſtere noch nicht gebildet iſt, am deutlichſten, dagegen in ausge— bildeten Zweigen, wo er reichlich vorkommt, bereits obliterirt. Dieſe Außenſchicht, welche der Verf. als zur Cohorte ge— hörig betrachtet, iſt, wie er ſelbſt einräumt, vielleicht nur eine Art des abgeſtorbenen Marks; aus dieſem Grunde zieht er es vor, ihm keinen beſonderen Namen zu geben; er um— giebt jeder Zeit die Blatteohorte, tritt ſogar bisweilen aus der Rinde hervor und bildet unmittelbar unter der Epidermis herablaufende Vorſprünge die häufig Urſache des Abblätterns der Oberhaut ſind. Dieſer Außenring oder Canal, wie ihn der Verf. nennt, iſt jeder Zeit frei von Farbſtoffen, die in verſchie— denen Nüancen die inneren Theile erfüllen; das innere Mark iſt zuweilen weiß, roth, gelb, das ringförmige Mark iſt grün, das Holz weiß, grau oder grünlich, die Rindenſchicht iſt durch Chlorophyll oder andere Farbſtoffe erfüllt, der Außenring dagegen hat im friſchen Zuſtande immer das Ausſehen des in einem opaken Gefäße bewahrten Waſſers. Die wirklichen Behälter der eigenen Säfte ſind meiſtens ſowohl im centralen Mark als in den äußeren Schichten der Rinde zerſtreut; kommen jedoch auch bisweilen in den Blatteohorten vor. Obſchon ſich aus der Anordnung der Blatteohorten recht wohl die Vertheilung der Hauptmarkſtrahlen ableiten läßt, geſteht der Verf. doch gern, daß dieſe Urſache zur Erklärung der ſtrahlenförmigen Anordnung des Holzes ſelbſt noch nicht ausreicht. Der Holzring geht beim jährigen Zweige noch etwas über das letzte Blatt hinaus, ſeine Bil— dung ſcheint demnach aus der Spitze und zwar aus dem Innenkörper zu beginnen. Die Entwickelung der Pflanzen ſcheint überhaupt einem Geſetze allſeitiger Erpanſion zu folgen; ſchon das centrale Mark einiger Pflanzen liefert hierfür Beiſpiele; auch die ununterbrochene, ſolange die Pflanze lebt, fortdauernde Ausdehnung der Markſtrahlen, deren regelmäßiger Verlauf derſelbe bleibt, ſpricht ihm für dieſe Annahme. Der regelmäßige Verlauf der Markſtrahlen wi— derlegt überdies die Anſicht einer Bildung neuen Holzes durch einen von den Blättern verarbeiteten abwärts ſtrömenden Saft; wäre ein ſolcher Saftſtrom die Urſache des alljährlich zunehmenden Holzes, woraus ſollte man ſeine ſo durchaus regelmäßige, niemals bedeutend geſtörte Anordnung erklären? Löſ't man die Rinde vom Holze irgend eines Baumes, ſo findet man den Holzkörper in jedem Alter nach außen gefurcht, dieſe Furchen entſtehen durch die Markſtrahlen; eine, vom Marke ausgehende centrifugale Kraft ſcheint dem— 232. XI. 12. 186 nach die Vegetation zu beherrſchen. Die Markſtrahlen bilden indes keine ſenkrecht verlaufenden Platten, find vielmehr der Höhe nach vielfach unterbrochen. Zur Entſtehung des Markes übergehend bemerkt der Verf., daß die Knoſpe weder auf der Spitze einer Faſer angebracht iſt, eben ſo wenig aus einer Holzſchicht entſteht, auch nicht durch Markſtrahlen mit der Markröhre verbunden wird, ſondern durch ihr eigentliches Mark mit dem ring⸗ förmigen Marke communieirt. Die Knoſpe iſt nach ihm, ſchon ehe ſie ſich verlängert, mit einem Markeanale und einer Holzſchicht verſehen. Schon in der Knoſpe bilden ſich neue Knoſpen für eine künftige Vegetationsperiode; wenn man im Auguſt die Blattſchuppen rudimentärer Blätter und Stipeln von der Knoſpe eines Lindenzweiges entfernt, bleibt der Stamm (torse) der Knoſpe mit den vorſpringenden Nar— ben der ihm geraubten Organe zurück, in der Achſel dieſer rudimentären Blätter iſt ſchon die Knoſpe des künftigen Jahres als glänzendes Scheibchen vorhanden, dasselbe ſteht mit dem centralen Marke des Knoſpenſtamms in unmittel— barer Verbindung und ſcheint wie jenes nicht vollſtändig organiſirt zu ſein; der Verf. glaubt demnach, das Entſtehen der Knoſpen dem Cambium, welches das Mark durchdringt und über dasſelbe hinausgeht, zuſchreiben zu müſſen. Die Spitze des Knoſpenſtammes trägt ein ſchleimiges Kügelchen, das Ende ſeines Marks; das Kügelchen wird zur Terminal— knoſpe des aus der Knoſpe entſtehenden Zweiges, es unter— ſcheidet ſich von den übrigen Knoſpenanlagen nur durch ſeine Stellung. Der Verf. hält das ſchleimige Kügelchen der Terminal- wie Arillarknoſpen für den erſten Anfang des Markes, für den Übergang des verarbeiteten Saftes im wahrnehmbaren Markzellgewebe und bemerkt, wie dieſer Saft 1) in der Knoſpe durch eine aufſteigende, noch nicht erklärte Bewegung thätig ſei und 2) ſelbſt nach dem Abſterben der Blätter in feiner Thätigkeit verharre. Der Verf. vergleicht das Kügelchen mit dem Embryokügelchen, aus beiden ent— wickelt ſich ein Stamm mit Blättern, Blüthen und Früchten. Reſumé. Für das Mark der Bäume und Sträucher, ja vielleicht aller dicotyledoniſchen Pflanzen, laſſen ſich demnach 6 Haupt- zuſtände annehmen, nämlich: 1) Beginnendes Mark (moelle naissante), ein Schleim aus coagulirenden Cambiumatomen beſtehend; es ift die Ue— quelle der Knoſpe und alles deſſen, was aus ihr hervorgeht. 2) Sich bildendes Mark (moölle expectante), das Mark der noch von den Schuppen umhüllten Knoſpen, das bis zur Periode des kommenden Frühlings ſich nicht zu verändern ſcheint, aber mit der erwachenden Vegetation ſich entwickelt, vergrößert, verändert und theilweiſe in die vier folgenden Markarten abgeht. 3) Ringförmiges Mark, welches den Holzring nach innen umgiebt, ein körnererfülltes Gewebe bildet, die Knoſpe trägt und ernährt, durch die Blatteohorten mit den Blättern in Verbindung ſteht und ſich über alle Zweige der Pflanzen ausbreitet. 187 4) Das ſtrahlenförmige Mark, das aus dem vorigen ent: ſpringt und die Anordnung der Holzzellen und Gefäße bedingt. 5) Das abgeſtorbene Mark, das als Nachgeburt an der Baſis aller Knoſpen, aller Zweige, ſelbſt aller Blätter zu— rückbleibt. 6) Das centrale Mark; ein ſaftloſes langgeſtrecktes Ge— webe, welches den Mittelpunkt eines jeden Zweiges einnimmt und überall vom ringförmigen Marke umſchloſſen iſt. Das beginnende Mark beſteht gewiſſermaßen aus dem Cambium, das ſich bildende Mark iſt noch vom Safte des Cambiums durchdrungen, das ringförmige und ſtrahlenförmige Mark ſcheinen die Säfte des Cambiums weiter zu führen; das centrale Mark endlich ſcheint eine paſſive Rolle zu ſpielen und für das Leben der Pflanze nutzlos geworden zu ſein. Heilk (XXII.) Eis als anäſthetiſches Mittel. In der vorigen Nummer der Notizen haben wir nach einer Mittheilung Velpeau's in der Akademie einen vor— läufigen bereits warnenden Bericht über das oben angeführte neu empfohlene Erſatzmittel des Chloroforms gegeben; etwas ausführlicheres bringt jetzt die Gazette des hopitaux vom 27. Oct. Sowie eine bedeutende Entdeckung ſich geltend gemacht hat, gleich ſuchen Enthuſiaſten die Folgerungen aus derſel— ben über alle Grenzen hinaus auszubreiten. So ſollen jetzt Kälte und Eis Univerſalmittel ſein. Wir haben über zwei Verſuche zu berichten, die in dieſen Tagen in den Pariſer Spitälern gemacht worden ſind. Der erſte Verſuch betraf das Eis als örtliches anae- stheticum. Der Erfolg war nicht ermuthigend, er iſt ſchon in dem erwähnten Berichte Velpeau's ausgedrückt. — Wenn das Eis oder eine Gefriermiſchung aus Eis und Salz einige Minuten auf die Haut applicirt wird, ſo wird die Haut allerdings gefühllos, aber die darunter liegenden Schich— ten behalten ihre Empfindlichkeit; ſetzt man die Einwirkung der Kälte 15, 20 — 30 Minuten fort, jo erfriert die Haut ehe noch die darunter liegenden Schichten unempfindlich geworden ſind. Dies hat ſich gezeigt bei einem Kranken, bei welchem die Gefriermiſchung als Schorf bildendes Mittel (escharoticum) angewendet wurde. Der Brandſchorf wurde mit Leichtigkeit zu Stande gebracht, es wurde darauf in ihn eingeſchnitten und man konnte ſich überzeugen, daß unter— halb die Theile noch einige Empfindlichkeit hatten und ohne allen Zweifel würde man, wenn man noch tiefer eingedrun— gen wäre, die Senſibilität ganz normal gefunden haben. Vergleicht man dieſe kliniſche Erfahrung mit den einfachſten Elementarſätzen der Phyſik und berückſichtigt man die Lei— tungsfähigkeit und Vitalität der Gewebe, ſo wird man ohne weiteres zu dem Schluſſe kommen, daß es weiterer Erperi— 232. XI. 12. 188 Miſcellen. 32. Foſſile Fußſpuren eines vierfüßigen Reptils unter der Kohlen formation. In dem American Journ. of Science and Arts VIII. 2d Ser. No. 22 befindet ſich eine brief⸗ liche Mittheilung des Hrn. Iſaac Lea aus Philadelphia. Bei einem Beſuche des ſüdlichen Kohlenfeldes von Pennſylvanien fand er 6 deutliche doppelte Eindrücke in ‚regelmäßiger Progreſſion in dem alten rothen Sandſtein; fie waren von vielen Regen⸗ tropfen über die ganze Oberfläche des Felſens begleitet. Die tiefſt lie⸗ genden bis jetzt beſchriebenen Fußſpuren find die des Cheirotherium in der Kohlenformation bei Greensbury und in derſelben Formation in Nova Scotia. Deswegen ſchlägt Hr. Lea für das Reptil, von dem feine Fußſpuren find, den Namen Sauropus primaevus vor. 33. Als ruſſiſches Guano hat Dr. Adams auf feinem Landgute in der Nähe von St. Petersburg, auf Priutino, wovon eine anziehende und für den Beſitzer ſehr ehrenvolle Beſchreibung im Journ. de St. Petersb. 928 ſich befindet, den Taubenmiſt ein⸗ geführt, der früher überall verloren ging, jetzt aber auf Betrieb des Dr. Adams von den Bauern geſammelt ward und für eine große Anzahl armer Leute ein Handelsartikel geworden iſt. unde. mente über den Werth des Eiſes als anäſthetiſches Mittel nicht bedarf. Vielleicht gelingt es, wenn man Waſſer von einigen Graden über 0 recht lange anwendet, die Gewebe unempfindlich zu machen, ohne daß ſie durch Erfrieren bran— dig werden; aber es würde dies ſo viel Zeit erfordern, daß dadurch wiederum die Methode beinahe unmöglich wird. Behandlung der Geſchwüre mit Eis. Der Sprung von der Anäſtheſie bis zur Behandlung von Ge⸗ ſchwüren iſt etwas groß; will man aber die launigen Wan⸗ derungen der Panaceen begleiten, fo darf man nicht zu ſehr an der Logik feſt halten. Die Verſuche, welche wir darüber mit angeſehen haben, find indes nicht oder kaum günſtiger als die anaſthetiſchen Proben. Der erſte Kranke war ein Menſch von 52 Jahren im Hötel-Dieu in der Abtheilung des Hrn. Deſormeaur; er war allerdings für den Verſuch nicht ſehr günstig. Es war ein Kutſcher und er hatte am linken Beine ſeit 10 Jah⸗ ren ein Geſchwür, welches in den erſten 4 Jahren mehrmals zuheilte und wieder aufbrach, aber ſeit 6 Jahren immer offen blieb. Freilich hatte auch der Kranke jedes Mal eiligſt das Spital wieder verlaſſen, ſo oft es nur in ſo weit beſſer ging, daß er wieder ohne Schmerzen gehen konnte. Im letzten Sommer breitete ſich das Geſchwür weiter aus als noch je und am 26. Juli ließ er ſich ins Spital aufneh⸗ men. Von da bis zum 10. October, alſo 2½ Monat wurde er mit Heftpflaſtereinwickelungen, Styrarſalbe, Jod⸗ cauterifationen, conkentrirter Salpeterſäure, dem Glüheiſen ꝛc. behandelt, alles umſonſt, das Geſchwür hat ſich nicht allein nicht geſchloſſen, ſondern nicht ein Mal weſentlich gebeſſert. Nun legte man eine Blaſe mit Waſſer und Eisſtückchen auf; ſeit mehr als 14 Tagen, daß dieſe Behandlung an— gewendet wurde, ſind nun die Geſchwürränder nur etwas geröthet worden; dies iſt aber auch die einzige Anderung, 189 die zu erzielen war und die gleich in den erſten Tagen ein— trat, ſeitdem aber auch unverändert blieb. Bei dem zweiten Kranken, welchen wir auf der Ab— theilung des Hrn. Nelaton im Höpital St. Louis beob- achtet haben, wurde kaltes Waſſer über dem Gefrierpunkte angewendet. Der Erfolg war bis jetzt ebenfalls — 0. Hiernach wollen wir über die Sache noch nicht ab— urtheilen; der Erfinder der Methode Hr. Arnott behaup— tet, eine Menge ſehr merkwürdiger Erfolge erlangt zu ha— ben; indeſſen, wenn man berückſichtigt, wie ſchwer im Win— ter alle Geſchwüre heilen, ſo iſt es ſchwer einzuſehen, warum eine künſtliche Kälte günſtiger wirken ſollte als die natür— liche Kälte, man müßte fie denn bei Hrn. Arnotts Me— thode nur als einen örtlichen Modificator betrachten, — aber alsdann muß man fragen, warum ſoll dieſer Modifi— cator mehr werth fein als alle anderen, die man ſchon in Anwendung gezogen hat. (Gazette des höpitaux, No. 126.) (XXIII.) Die medieiniſche Anwendung des Schön— beiniſchen Klebäthers. Darüber hielt im Jahre 1847 Herr Prof. Jung einen Vortrag in der naturforſchenden Geſellſchaft zu Baſel. Der Liquor sulphurico-aethereus constringens, aethe- reus constringens, Klebäther, welcher gegenwärtig in der Materialhandlung der Hrn. Geigy und Bernoulli käuf— lich bezogen werden kann, erſcheint als eine rötblich gefärbte, ſehr flüchtige Flüſſigkeit von dem eigenthümlichen, durch— dringenden Geruche des Schwefeläthers. Er verdampft ſchnell bei gewöhnlicher Temperatur, doch nicht Jo ſchnell wie Ather. Wenn der Liquor ſeinen Athergehalt hat verdunſten laſſen, ſo bleibt von ihm bald eine weißröthliche, kreidige, perl— mutterartige, bald eine glatte, glänzende, firnißartige Sub— ſtanz zurück. Weißröthlich, kreidig, perlmutterartig erſcheint die Subſtanz, wenn man den Liquor unter Einwirkung der Wärme, z. B. in einer Glasröhre, raſch hat verdunſten laſſen. Glatt, glänzend, firnißartig zeigt ſie ſich ſehr bald, wenn der Liquor auf eine glatte, trockene Fläche aufgeſtrichen worden iſt. Bringt man den Liquor auf eine trockne un— behaarte Stelle der Haut, ſo verliert er ſeinen Schwefeläther— gehalt in 40 — 50 Secunden, und es bleibt zuletzt eine glatte, glänzende, durchſichtige Decke zurück, die etwa nach 24— 36 Stunden in der Mitte gewöhnlich zuerſt bricht, ſich aber am leichteſten von ihren Rändern aus in einzelnen zarten Blättchen ablöſ't. Die Bildung dieſes firnißartigen Blättchens iſt mit folgenden Erſcheinungen verbunden: die angrenzende nicht berührte Haut bildet rund um den feſtwerdenden Liquor feine Falten; die Hautſtelle ſelbſt, auf die der Liquor aufgeſtrichen worden iſt, vertieft ſich, während der Rand der unberührten Haut ſich wulſtet und die eben erwähnten Falten bildet, welche ſich bis hinein unter die vom Liquor gebildete Decke erſtrecken. Hat man wiederholt ein Paar Schichten des Liquors über einander aufgetragen, ſo wird die unten lie— 232. XI. 12 190 gende Haut im verſtärkten Maße zuſammengedrückt, zuſam— mengezogen. Außer einem ſehr deutlichen Gefühle der Kälte em— pfindet man bei dieſer Anwendung des Liquors das Gefühl des Spannens und Schnürens, und zwar um ſo ſtärker, je öfter der Liquor auf die gleiche Stelle hinter einander auf— getragen worden iſt. Am deutlichſten für das Auge und das Gefühl werden dieſe Erſcheinungen, wenn man den Liquor um einen Finger herum aufträgt. Die Haut wird dann nach und nach ganz blaß, das Blut wird aus den Capillar— gefäßen derſelben zurückgedrängt und der Finger verliert in kurzer Zeit beträchtlich von ſeinem Umfange. Iſt die Stelle, welche man beſtreicht, mit Waſſer, Serum, Jauche, Eiter befeuchtet, ohne tropfnaß zu ſein, ſo wird der Liquor den— noch feſt, wenn auch etwas langſamer. Nur bildet er dann nicht ein glattes, glänzendes, durchſichtiges Häutchen, ſon— dern eine etwas trüb und rauh ausſehende Decke, die aber immer noch den Rand der benachbarten Haut zu Falten zu— ſammenzieht, nur aber in minderem Grade. Mit Waſſer oder Serum miſcht ſich der Liquor durch— aus nicht. Es bildet ſich unmittelbar nach der Mengung mit Waſſer eine gallertartige Maſſe, welche unter Einwir— kung der Hitze zuerſt den Schwefeläthergehalt vollſtändig fahren läßt und bei fortgeſetzter Kochung feſte Klumpen, faſt wie Wallrath anzufühlen, zurücklüßt. Aus dem bisher geſagten ergiebt ſich, daß der Schön— beiniſche Liquor, auf eine trockene oder eine feuchte Haut— ſtelle gebracht, daſelbſt eine waſſerdichte, beim Feſtwerden innig zuſammenhängende, die Weichtheile zuſammenpreſſende, zuſammenſchnürende Decke bildet, welche eben ſo wenig die von den bedeckten Theilen ausgeſonderten Flüſſigkeiten durch— läßt, als ſie den Durchgang der von außen herkommenden geſtattet, und da zugleich dieſer Liquor wegen ſeines Schwe— feläthergehaltes belebend und aufregend wirken muß, fo dürfte aus dieſen verſchiedenen Gründen derſelbe als ein ſchätz— bares äußeres Arzneimittel ſeine Anwendung finden. Die Krankheiten, gegen welche ich denſelben empfehlen kann, ſind folgende: 1) Froſtbeulen, Froſtgeſchwülſte, aufgeſprungene Haut. Dzondi hatte die Beſtreichung der leidenden Stellen mit einer Leimlöſung vorgeſchlagen und das Mittel wurde ſpäter vielfältig mit Erfolg angewendet. Hierdurch wurde ich nun zuerſt auf den Gedanken gebracht, den Schönbeiniſchen Liquor gegen das Froſtübel zu benutzen. Der Erfolg hat oft meine Erwartungen übertroffen. Schon nach 1—2 Stunden kann man Froſtgeſchwülſte der Finger nach Anwendung des Li— quors ſchwinden ſehen. Dabei iſt indeſſen folgendes zu beobachten: der Liquor muß wiederholt und in beträchtlichem Umfange aufgetragen werden. Ein Finger z. B., an deſſen erſter Phalanr ſich eine Froſtgeſchwulſt vorfindet, muß gänz— lich überſtrichen und dann ganz ruhig gehalten werden. Sind ferner offene Stellen zugegen, ſo müſſen dieſelben vor der Anwendung des Liquors getrocknet oder auch mit Höllen— ſtein beſtrichen werden. 2) Beginnender Decubitus. Vorſichtsmaßregeln zu beobachten. Hierbei find die gleichen Iſt der Decubitus nur 191 einigermaßen groß und find die Kranken unruhig, ſo muß die Stelle mehrmals des Tages mit dem Liquor reichlich be— ſtrichen werden, damit ſich die Decke vollſtändig erhalte. 3) Verbrennungen. In allen Graden desſelben, natür— lich mit Ausnahme völliger Zerſtörung, habe ich den Liquor mit entſchiedenem Erfolge angewendet. Eben ſo Herr Prof. Dr. Mieſcher in Bern, der mir die glückliche Heilung einer bedeutenden Brandwunde durch ſiedendes Waſſer mitgetheilt hat. Bei der Behandlung dieſes Übels iſt es ganz vorzüg— lich nothwendig, die Wundſtelle ſo trocken als möglich zu machen. Auch iſt es nöthig die ſchnellſte Verdünſtung des Liquors zu bewerkſtelligen, was durch Blaſen oder ſonſt durch Bewegung der Luft über der Wundfläche am beſten bewirkt wird. Um der Entzündung im Umfange der Ver— brennung zu begegnen, iſt es, wie Mieſcher gethan hat, recht dienlich, die ganze Stelle mit kaltem Waſſer oder auch mit Bleiwaſſer mittels Compreſſen zu überdecken. 4) Atoniſche Fußgeſchwüre. Rund um den Theil her— um, an dem ſich das Übel zeigt, muß ein breiter Ring gezogen werden. Meiſt gelingt es binnen 8 Tagen und wenn ſonſt noch die Cur unterſtützt wird, Geſchwüre der Art zur Heilung zu bringen. 5) Endlich iſt der Liquor ſehr zu empfehlen gegen neckende, kleine, offene Stellen, um ſie vor nachtheiligen Einflüffen zu bewahren, ſie zu decken. So bilden ſich manch Mal wunde Stellen an der Naſe bei Tabaksſchnupfern, die oft genug lange dauern und immer wieder von neuem ge— reizt ſich allgemach vergrößern. Hier habe ich ſchon mehr— mals ganz glücklich mittels des Liquors geholfen. (Bericht über die Verhandl. d. naturf. Geſellſch. in Baſel. VIII.) (XXIV.) über die Anwendung des Assacou gegen Elephantiasis. Von den HHrn. Merat und Gibert. Unter den in Braſilien angewandten Mitteln befindet ſich eines, welches erſt vor kurzem bekannt geworden iſt. Es ſtammt von einem dort einheimiſchen Baume, dem As- sacou (Hura Brasiliensis, Mart.), der zur natürlichen Ord— nung der Euphorbiaceae gehört. Sein Saft oder ein Ab— ſud ſeiner Rinde beſitzt in großen Gaben giftige Eigenſchaf— ten, während er in geringeren Doſen brechenerregend und ſchweißtreibend wirkt. Martius betrachtet dieſes Mittel in ſeinem Systema materiae medicae vegetabilis Brasiliensis als anthelmintiſch. Die Wirkſamkeit desſelben zeigte ſich in höchſt auf— fallender Weiſe bei einem Manne zu Santa Maria de Belem. Derſelbe litt an der lepra tuberculosa (Elephantiasis) und war vor drei Jahren aus dem Innern geflohen, um der 232. XI. 12. 192 dort gegen Ausſätzige in Anwendung gebrachten Einſperrung zu entgehen. Derſelbe wurde durch Assacou völlig hergeſtellt. Der Fall ward von einer ärztlichen Commiſſion unterſucht, und dieſe ſtellte an vier anderen Patienten Verſuche an, welche ſehr erfolgreich ausfielen, obwohl nicht überſehen werden darf, daß dergleichen Curen durch die Zeit beitätigt werden müſſen, da dieſe Krankheit beſonders leicht wieder ausbricht und dann oft tödtlich wird. Das Assacou wird in mit dem Extract bereiteten Pillen gereicht und die Doſis beträgt einige Tropfen, während ein Abſud von der Rinde zu Bädern benutzt wird. Das Decoct bereitet man mit ½ Unze Rinde auf ein Pfund Waſſer, unter Zuſetzung von 12 Tropfen vom Safte des Baumes. Die Rinde des Baumes enthält die kräftigſten Beſtandtheile. Wenn man das Decoct an die Haut bringt, erzeugt es eine eryſipelatöſe Entzündung und einen Puſtelausſchlag. Die Ein⸗ gebornen wenden den Saft als Gift an, und gegen dieſes iſt kein Gegenmittel bekannt. Die Hrn. Merat und Gibert ſchließen den Bericht, welchen fie dem franzöſiſchen Miniſter des Unterrichts von Para in Braſtlien zugefertigt haben, folgendermaßen: 1) Das Assacou iſt ein kräftiges Gift, deſſen Anwendung große Vorſicht erheiſcht. 2) Die Berichte der braſtliſchen Arzte in Betreff ſeiner Wirkſamkeit bedürfen der Beſtätigung, da ſie ſelbſt zugeben, daß ſie noch nicht hinlänglich, durch die Erfahrung gewährleiſtet ſind. 3) Beſtätigen ſich die Erfolge, ſo verdient das Mittel in Europa eingeführt zu werden. (Journal de Pharm. et de Chimie. London med. Journal, Aug. 1849.) Miet ae (24) Einreibungen der alkoholiſchen Belladonna⸗ tinctur gegen tetanus lobt Hr. Breſſe noch zwei Beobach⸗ tungen als weit wirkſamer als die endermatiſche Anwendung der Belladonna. Die alkoholiſche Tinetur beſteht aus 5 Theilen Er⸗ tract auf 11 Theile Alkohol von 34° und die Doſis der jedesmali⸗ gen Einreibung 40—50 Grammen Tinctur ( ungefähr 1½ Unze). Die raſchere Einwirkung dieſer Frictionen in Vergleich zu der en⸗ dermatifchen Anwendung leitet der Verf. davon ab, daß 1) bei der endermatifchen Anwendung die Reſorptionskraft der kleinen Appli⸗ cationsſtelle durch die Entzuͤndung aufgehoben ſei, und 2) daß die Tinctur auf ſehr große Hautflachen angewendet werden könne, alſo auch eine raſchere Aufſaugung erwarten laſſe. Der Erfolg bei einem ausgebildeten tetanus traumaticus, jedoch ohne fremden Kör⸗ per in der Wunde, an der großen Zehe, deſſen Nagel ſich ablöſ'te, war außerordentlich raſch. Es wurden alle ſchmerzhaften und krampfig contrahirten Stellen beſtrichen und nach 5 Minuten ließen Schmerz und Krampf nach, nach 2 Stunden traten ſie wieder ein, fo ging es mehrmals, aber am zweiten Tage waren nur noch unbe⸗ deutende Contractionen zu bemerken, die den Frietionen vollends wichen. (Gazette med. de Paris, 17. Novbr. 1849.) Nekrolog. — Der durch mehrere intereſſante chirurgiſche Arbeiten ausgezeichnete Dr. Morton, Schwiegerſohn Samuel Coopers, hat ſich zu London im 36ſten Jahre vergiftet. Bibliographiſche Neuigkeiten. Jahresbericht über die Fortschritte der reinen, pharmaceutischen und techni- schen Chemie, Physik, Mineralogie und Geologie. Herausgegeben von J. Liebig und H. Kopp. Für 1847 und 1848. 2. Hft. gr. 8. 1 Thlr. Ricker in Giessen 1849. E. H. Suckow, die gerichtlich-medicinische Beurtheilung des Leichenbefunds. gr. 80. Geh. 1½ Thlr. Mauke in Jena 1849. C. O. Th. Wachsmuth, die Bluterkrankheit. gr. 88. Geh. Y, Thlr. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs in Weimar. Allgemeiner literariſch-artiſtiſcher Monatsbericht für Deutſchland. N® 10. November. 1849. Dieſer Monatsbericht wird den beim Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge— biete der Natur- und Heilkunde, und den chirurgiſchen Kupfertafeln als f 5 Intelligenz ⸗ Blatt beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht dieſes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte wird von jetzt an 1½ 995. berechnet. Erſchienene Neuigkeiten. I. Bei Kaulfuß Witwe, Prandel und Comp. in Wien, am Kohlmarkt Nr. 1149 — 50, find neu erſchienen: Beſchreibung ſämmtlicher Kinderheilanſtalten in Europa. Von Franz S. Hügel, Doctor der Mediein, Director des unentgeltlichen Kinder-Kranken-Inſtituts im k. k. Polizeibezirke Wieden in Wien, der mediciniſchen Facultät, und mehrerer wiſſenſchaftlicher Vereine Mitglied ꝛc. ꝛc. broſch. 8. 4 fl. C. M. Der Aderlaß in der Lungenentzündung. Kritiſch und phyſiologiſch erörtert von Dr. Iof. Dietl, k. k. Polizeibezirks- und Primararzt des Bezirks-Krankenhauſes Wieden in Wien. broſch. 8. 1 fl. 20 kr. C. M. Die Galle im geſunden und krankhaften Zuſtande, mit beſonderer Berückſichtigung der Gallenſteine. tach F. Bouiſſon, frei bearbeitet und mit Zuſätzen vermehrt von E. A. Platner. braſch. 8. 2 fl. C. M. Die orientaliſche Cholera. Von Dr. Regenhart, Dr. der Mediein und Chirurgie ꝛc. in Gratz. broſch. 8. 40 kr. C. M. 10 39 II. deueſtes Lehrbuch der Chemie. | | Im Verlage der Unterzeichneten ift erſchienen und in allen Bud)- handlungen zu erhalten: Lehrbuch der Chemie für Univerſitäten, Gymnaſien, Real- und Gewerbe-Schulen, ſowie für den Selbſtunterricht von M. V. Negnault, Mitglied der Akademie der Wiſſenſchaften. Überſetzt von Dr. Boedeker. Lief. 1—10. 8. geh. Jede Lief. 12 Sgr. Lief. 1—5. I. Abtheilung. Metalloide. Mit 280 in den Text eingedruckten Holzſchnitten der parifer Originalausgabe 2 . Lief. 6— 10. II. Abtheilung. Metalle. Mit 159 in den eingedruckten Holzſchnitten 2 Ng. Text Nach dem Urtheil namhafter Männer von Fach wird dies Werk nicht bloß dem fchon weiter vorgerückten Studirenden, der durch Selbit- ſtudium tiefer in die Wiſſenſchaft eindringen will, ſondern überhaupt jedem Chemiker, namentlich jedem Lehrer der Chemie, und auch dem Gewerbtreibenden ſchon durch die vortrefflichen Abbildungen einer großen Anzahl von Apparaten, durch die klare Darſtellung der phy⸗ ſikaliſchen und kryſtallograph. Verhältniſſe ꝛc. von Intereſſe und Nutzen ſein. Es iſt das neueſte chemiſche Werk und hat daher jedenfalls den Vorzug, jetzt das vollſtändigſte und dem zeitigen Standpunkte der Wiſſenſchaft entſprechendſte zu fein, wie auch der Name des berühm- ten Verfaſſers Bürgſchaft für den Werth des Werkes überhaupt bietet. Dunker und Humblot in Berlin. III. Im Verlage der Unterzeichneten iſt erſchienen: J. H. BENNET,. med. Dr. PRAKTISCHE ABHANDLUNG R über ; ENTZUNDUNG, SCHWÄRUNG UND VER- HARTUNG | des Gebärmutterhalses nebst Bemerkungen über die Bedeutung der Leukorrhöe und des Gebärmuttervorfalls als Symptome von Uterinleiden. Aus dem Englischeu übersetzt von G. E. A. Matthiae. Dr. med. Ler. 8. geh. Preis: 1 Thlr. oder 1 fl. 48 Kr. rh. J. J. Hermann. Handbuch für Hebammen. Vom Verfaſſer aus dem Franzöſiſchen ins Deutſche überſetzt. Mit 1 Steindruck. gr. 8. geh. Preis: 1 Thlr. oder 1 fl. 48 Kr. rh. Winterthur. Steiner'ſche Buchhandlung. Erſchienene Neuigkeiten. 10 IV. Soeben ist vollständig erschienen und durch alle Buch- handlungen zu beziehen : Longet (F. A.), Anatomie und Physiologie des Nervensystems des Menschen und der Wirbel- thiere mit pathologischen Beobachtungen und mit Versuchen an höhern Thieren Eine von dem Französischen Institut gekrönte Preissehrift. Uebersetztund mit den Ergebnissen deutscher, englischer und französischer Forschungen aus den letzten Jahren bis. auf die Gegenwart er- gänzt und vervollständigt von Dr. J. A. Hein. Mit lithographirten Tafeln. Zwei Bände. Gr. 8. S Thlr. Diese Uebersetzung von Longet's „Anatomie et physiologie du systeme nerreux‘“* erhält dem Buche seinen Werth als ausgestattet. Quelle für die Beobachtungen und Ansichten eines der ausge- zeichnetsten lebenden Experimentatoren, und durch eingeschal- tete Zusätze ist es mit allen irgend wichtigen Leistungen der letzten Jahre auf das sorgfältigste verrollstäandigt. Leipzig. im November 1849. Drockhaus & Avenarius. 1 Die Herren Collegen ſetze ich davon in Kenntniß, daß ich meine Irren-Heil⸗- und Pflege- Anſtalt um eine beſondere Abtheilung zur Heilung blöd- und ſchwachſinniger Kinder erweitert habe. Es iſt ſchon eine Anzahl dieſer Kinder aufgenommen und der Curſus am 1. October eröffnet worden. Dr. Erlenmeyer in Bendorf bei Coblenz. VI. Im Verlag des Landes-Industrie-Comptoirs Weimar ist erschienen: Roberti Froriepi Atlas anatamicus, tabulis XXX. Fasciculus I. partes capitis et colli in sex tabulis conlinens. in Dieser Anatomische Atlas in schönstem Stahlstich in gr. Imper. 4°, erscheint in 5 gehefteten Lieferungen von je 6 Tafeln, auf welchen die Figurenerklärung gleich beigedruckt ist. Die Ein- richtung ist so gemacht, dass die einzelnen Tafeln, welche die Theile in '/; Durchmesser naturgetreu darstellen, unmittelbar auf dem Secirtisch, bei den Operationsübungen oder beim Operiren am Lebenden, sowie bei gerichtlichen Obductionen, dem Studiren- den, dem Chirurgen und dem Gerichtsarzt vorgelegt werden können. Praktischer Nutzen, Bequemlichkeit des Gebrauchs und Schönheit der Ausführung zeichnen diesen compendiösen Atlas vortheilhaft aus. Die folgenden Lieferungen werden in Zwischen- räumen von zwei Monaten erscheinen. Der Preis jeder Lieferung ist 1 . 18 . Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medicinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. 233. Naturkunde. Reinwardt, über den Charakter und die Verbreitung der Gewächſe auf Magelhaensland. — Miſeellen. Lynch, Tragkraft des Waſſers des todten Meeres. Ball, Theebau in Indien. Blutungen aus Arterien und Venen. — Miſcellen. { Hämorrhagien und aneurysma. Nekrolog. — Bibliographie. Naturkunde. XXIV. Über den Charakter und die Verbreitung der Gewächſe auf Magelhaensland. Von C. G. C. Reinwardt. Der Verf. hatte vor einigen Jahren in Paris Gelegenheit, aus dritter Hand ein Päckchen getrockneter Pflanzen zu erhalten, über deren Sammler, wie die Zeit, in der ſie geſammelt wur— den, er nichts erfahren konnte; eine Unterſuchung dieſer nicht beſtimmten Pflanzen zeigte bald, daß ſie nirgends anders als auf dem Feuerlande und zwar an der Magelhaensſtraße in der Gegend des Port Famine geſammelt ſein konnten. Mit Hülfe der Werke von Feuillee, Commerſon, Forſter, Ruiz und Pavon, Gaudichaud, d' Urdille und J. D. Hooker gelang es ihm, die zum Theil ſchlecht conſer— virten Pflanzen zu beſtimmen und fie zu einer Betrachtung über die Vegetation der ſüdlichſten Spitze des Feſtlandes von America zu benutzen. Wir entnehmen ſeine Mit— theilung dem zweiten Hefte des zweiten Theiles der Tijd- schrift voor de wis- en natuurkundige wetenschappen von 1848. Unter Magelhaensland verſteht der Verf. das Land zu beiden Seiten der Magelhaensſtraße, insbeſondere den ſüd— lichen Theil desſelben, das Feuerland und die ſüdlich bis zum Cap Horn gelegenen zahlreichen Inſeln, alſo das Land zwiſchen dem 52ſten bis zum 56ſten Grade ſüdl. Br., das als der ſüdlichſte Überreſt der americaniſchen Gebirge beim Cap Horn in die Tiefe des atlaͤntiſchen Oceans taucht. Auch die Falklands und die ſuͤdlich von ihnen gelegenen St. George Inſeln könnte man wegen gleicher Boden- und Luft— beſchaffenheit mit hierher rechnen. Der bezeichnete Landſtrich iſt ſowohl ſeiner Vegetation und ſeiner übrigen Erzeugniſſe wegen als wegen ſeiner Lage, No. 2213. —1113. — 233. ſeines Klimas, ſeiner Bodenbeſchaffenheit u. ſ. w. bemer— kenswerth. Die Formationsverhältniſſe des Landes ſind namentlich durch Darwin, der längere Zeit in der Magelhaensſtraße verweilte und dort genaue Unterſuchungen anſtellte, bekannt geworden. Obſchon genannte Straße das Feſtland Süd— americas von den noch ſüdlicher gelegenen Theilen trennt, bleibt doch die Bodenbeſchaffenheit des beiderſeitigen Ufers dieſelbe; auch die öſtliche Seite des Feuerlandes entſpricht in dieſer Beziehung dem ihm gegenüber liegenden nördlichen Theile Patagoniens vollkommen. Patagonien umfaßt von Norden nach Süden 13 Breitegrade, nach Weſten ward es von den Cordilleren begrenzt; dieſes ungeheure Land hat überall dieſelbe Formation, überall denſelben Boden, es herrſcht auf ihm eine Einförmigkeit, eine Übereinſtimmung in allen Verhältniſſen, die auf der ganzen Erde nicht ihres Gleichen findet. Die Art des Bodens macht das Land zu einer öden, unfruchtbaren und unbewohnten Wüſte. Obſchon der Höhe nach berſchieden, iſt der Boden Patagoniens doch meiſtens flach und wagerecht; die oberſte Schicht beſteht aus einem loſen Grunde, einer dicken Lage von rund abgeſchliffenem, der Größe nach verſchiedenem Gerölle, aus Grand und Sand von verjchiedener Feinheit. Porphyr, Feldſpath, Quarz, Thonſchiefer, Gyps und andere Minerale bilden die Beſtandtheile dieſes bisweilen durch Kalk zuſammengefügten Gerölles. Faſt überall iſt das Land von fruchtbarer Erde entblößt; eben ſo ſelten trifft man auch Waſſer und doch hat das ganze Land, wie ſeine Geröllſteine nur zu deutlich nachweiſen, einſtmals unter Waſſer geſtan— den; auch zeigen die tieferen Niederungen des Landes noch entſchiedene Spuren von Waſſerſtrömen, die aber ſeit Men⸗ ſchengedenken trocken liegen. Ungeheure Mengen von See⸗ thieruͤberreſten, die ſelbſt auf den höchſten mehrere Hundert 13 195 233. ja Tauſend Fuß hohen Punkten dieſes Landes den Obergrund erfüllen, beweiſen ferner, daß einſtmals die See das weniger gehobene Land überfluthete; dieſe Überreſte gehören ſämmt— lich Thierarten an, die noch jetzt in den Thälern des at— lantiſchen Meeres, das die Küſten des Landes beſpült, leben. Der Boden iſt demnach geologiſch neueren Urſprungs und muß erſt durch die Zeit an Fruchtbarkeit gewinnen. Das Land hat ſich gehoben und zwar nicht ſtätig, ſondern mit Unterbrechungen, wie die verſchiedenen Schichten des— ſelben von ungleicher Mächtigkeit, aber gleicher Beſchaf— fenheit, die treppenartig über einander gethürmt ſind, be— weiſen. Darwin zählte 7 ſolcher Stufen mit meiſtens ebener Fläche und ſchroffem Abſturz; die höchſten Schich— ten meſſen 500 bis 800, ja ſogar 1000 Fuß. Die un— gleiche Breite der oberſten Schichten erklärt Darwin durch die Brandung der See, welche das über ihr Niveau geho— bene Land wegſpülte. Dieſer loſe, aus Lös und grobem Geſtein beſtehende Obergrund ruht, ſo viel unſere jetzigen Beobachtungen er— geben, auf einem mit Thonſchichten abwechſelnden Sand— lager, das reich an Muſcheln und anderen Seethierübereſten iſt, die theils noch lebenden, theils ausgeſtorbenen Arten angehören. Dieſe Schichten gehören zur weichen Tertiärfor— mation und ſind hier durch ihre ungeheure beiſpielloſe Aus— dehnung eben ſo merkwürdig wie der ſie bedeckende Obergrund. Da nun Südamerica ſich von Norden nach Süden allmälig verſchmälert und gewiſſermaßen einen Kegel bildet, der etwa in Patagonien ſeine Baſis, ſeine größte Breite hat und dort durch den beſprochenen flachen Tertiärgrund gebildet wird, ſo kommt man, je ſüdlicher man geht, auch der in Weſten dieſer Ebene gelegenen Andenkette immer näher, bis zuletzt am Feuerlande die Bodenbeſchaffenheit Patagoniens ganz aufhört. Hier iſt der Boden mit erratiſchen Blöcken bedeckt, die längs der Oſtküſte ſehr verbreitet ſind; ſie er— ſtrecken ſich ſammt der Tertiärformation weit ins Land hin— ein, ſind aber am Fuße der Anden von einer ausgedehnten Thonſchieferformation, welche den Fuß des Gebirges um— giebt, begrenzt. Letztere Formation deutet überall auf plu— toniſche Veränderungen, Gänge und Lager von Grünſtein, Porphyr, Syenit, Granit, Glimmerſchiefer, Amphibol u. ſ. w. durchſetzen dieſelbe. An vielen Orten ſieht man den Über— gang des Thonſchiefers in ſogenanntes metamorphoſirtes Geſtein in Gneiß, Glimmerſchiefer u. ſ. w.; im ſüdlichſten Theile des Landes iſt faſt nur Trappgeſtein zu finden. Vul— cane ſind, obſchon der Name Feuerland auf ſie zu deuten ſcheint, nicht vorhanden, wohl aber zeugt die wenngleich nur einzeln vorkommende Lava für deren vormaliges Vor— handenſein. Im ſüdlichen Theile des Feuerlandes erreichen die Berge eine beträchtliche Höhe; der Sarmiento bei Port Famine iſt 7000 Fuß hoch. Noch mehr als die Bodenbeſchaffenheit iſt die Sehe: fenheit der Luft und das Klima des Landes auf die Vege— tation von ungeheurem Einfluß. Die Wärme der Atmo— ſphäre nimmt bekanntlich auf der ſüdlichen Halbkugel mit der Entfernung vom Aquator ſchneller als auf der nördlichen ab; dieſe Temperaturabnahme erſtreckt ſich nicht allein auf XI. 13. 196 die nur wenig über dem Meere gelegenen Ebenen, ſcheint ſich vielmehr auch auf die Höhentemperatur auszudehnen. Die Grenze des ewigen Schnees ſteigt bei Port Famine (im 53 v 50 der Breite) auf 3000 bis 4000 Fuß herab, während ſie in Norwegen erſt im 670 bis 700 eine ſolche Tiefe erreicht. Die Kürze des Sommers, der hier nur etwa 60 Tage dauert und deſſen Wärme niemals die Sommertem⸗ peratur der gemäßigten außer den Wendekreiſen gelegenen Länder der nördlichen Halbkugel erreicht, iſt mit an dieſer niedrigen Schneelinie Schuld. Der Sommer iſt weder fo heiß, noch der Winter wegen der Nähe der See ſo kalt, wie in den genannten Ländern. Da nun im Sommer auf den Bergen viel weniger Schnee und Eis vergeht, ſo ſind auch hier die Gletſcher viel häufiger; ſie ſinken an vielen Stellen in die See hinab, ſchleifen auch, da ſie fortwährend in Bewegung ſind, beſtändig am Gebirge und führen ab— geriſſene Steinblöcke in die See oder mit ins Land hinein; daraus erklärt ſich die Formation der erratiſchen Blöcke dieſer Gegenden wie das häufige Vorkommen von Treibeis zum Theil mit Steinen und grünenden Pflanzen beladen. Indem das Land ringsum vom Meere umgeben und durchſchnitten, beſtändig ſtürmiſchen und kalten Seewinden preisgegeben iſt, kann auch die Luft nur bewölkt und mit Waſſerdünſten geſchwängert fein; höchſt ſelten, ja faſt nie mals beſcheint eine helle Sonne dies Land ewigen Nebels, unaufhörlich wird es von Stürmen, Regen, Schnee und Hagel gepeitſcht. Auf den Falklandsinſeln kommt der Wei— zen nur ſelten zur Reife, zu Chiloe, das wie Spanien unter 420 liegt, verſuchte man vergeblich feinere Früchte, als Wein, Pfirſich, Orangen u. ſ. w. zu ziehen; Capt. King, der im Sommer 65 Tage auf den Falklandsinſeln weilte, giebt die Mitteltemperatur ihres Sommers auf 45 F. an, in der Mitte des Feuerlandes erreicht die Sommerwärme eben- falls nur 500 F. Die erwähnte Beſchaffenheit des Bodens wie der At⸗ moſphäre kann, wie leicht einzuſehen, für das Gedeihen le— bender Weſen nicht zuträglich ſein. — Während die See von den verſchiedenſten Arten großer wie kleiner Thiere wimmelt und auch das Pflanzenreich, wenngleich nur durch ſchwimmende Büſche einer einzigen Alge (Fucus giganteus) vertreten iſt, zeigt das Land eine große Armuth an Thieren und Pflanzen, es beſchränkt ſich nur auf wenige und zwar ihnen eigenthümliche Arten. Die Zahl der Individuen wie Arten der Landthiere iſt gleich gering, nur wenige ſind von Pata— gonien auf die jenſeits gelegenen ſüdlichen Inſeln des Feuer⸗ landes übergegangen. Zu dieſen gehört das Guanaco leine wilde Lamaart) und ein Hirſch, von den Fleiſchfreſſern trifft man bis zum 530 das Puma, den americaniſchen Löwen (Felis concolor) und einen Fuchs, der ſich meiſt von kleinen Thieren, Mäuſen u. dgl. nährt. Die vorkommenden Vögel find meiſtens See- und Strandoögel, die von Fiſchen und Molluſken leben. Reptilien ſcheint man bis jetzt noch nicht gefunden zu haben. Die Bewohner dieſes Landes verdienen kaum Menſchen genannt zu werden, nirgends trifft man auf dem ganzen Erdenrunde Menſchenracen von größerer Wildheit; ſelbſt 197 wilde Thiere ſollen leichter zu zähmen fein als die Feuer— länder. Ihr Ausſehen iſt abſchreckend, Darwin vergleicht ſie mit den Teufeln im Freiſchütz, ſie ſind nach ihm von rieſiger Größe, ihr Geſicht iſt kupferroth mit einem ſchwarz und rothen Querſtreifen bemalt; ſie kleiden ſich meiſtens in Guanaco- oder Robbenfelle. Nur Inſtinct regiert ſie; ſie wohnen in Hütten aus Holzſtangen mit Robbenfell be— deckt oder in Erdhöhlen und nähren ſich von Schalthieren, Baumrinde und einem Schwamme (Cyttaria Darwini Berkel). Der Hunger macht ſie zu Canibalen, ſie leben nicht geſellig, haben kein Oberhaupt, keinen feſten Wohnort und keine Art von Kunſtfertigkeit, ihre einzigen Geräthe ſind Bogen, Pfeil und ein hölzernes Floß. Ihre Sprache iſt nur ein Gegurgel von Tönen. In dieſer Weiſe kannte man ſie vor 250 Jah— ren und ſo kennt man ſie noch; man hat daraus gefolgert, daß fie für jede Bildung unzugangbar wären; hat man aber, fragt hier der Verf., auch verſucht, ſie zu bilden? Süd— americaner und Spanier beſuchten das Feuerland, um dort Gold und Silber zu finden, man täuſchte ſich; dann kamen für kurze Zeit Krieger dort hin, Menſchen, die weder Edel— muth noch Bildung beſaßen, nur für ihren Unterhalt ſorg— ten, die Eingeborenen verjagten, ſich aber keinesweges mit ihrem Unterrichte befaßten. Nach dieſer allgemeinen Skizze dieſes Landes ſollte man glauben, daß auch das Pflanzenreich hier ſchlecht beſtellt ſein müſſe; dem iſt jedoch nicht alſo, wohl aber iſt die Vegeta— tion ganz eigenthümlicher Art; ſie giebt dem Lande einen ganz beſonderen Charakter. Das eigenthümliche Klima, die gleiche Bodenbeſchaffenheit und die geringe Veränderlichkeit der Temperatur in den verſchiedenen Jahreszeiten bedingt auch eine nur geringe Artenzahl des Pflanzenreichs, deren Individuenzahl dagegen um ſo größer iſt. Man findet hier meiſtens nur geſellig wachſende Pflanzen derſelben Art, welche der Landſchaft eine eigenthümliche Einförmigkeit auf— drücken. Es ſind meiſtens baum- und ſtrauchartige Ge— wächſe, die wegen der Kälte und des magern Bodens nur eine geringe Höhe erreichen und meiſtens dicht und wild in einander verwachſene Krüppel von gleicher Höhe bilden. Von fern gleicht das Land einer mit Torfmoos oder mit Haidekraut bedeckten Ebene; ſowie man aber näher kommt, erſtaunt man über das Gewirre kaum 3 Fuß hoher Holzpflan— zen, die ſo dicht in einander verſchlungen ſind, als wollten ſie ſich gegenſeitig vor der Kälte und den Stürmen ſchützen. Das Ganze bildet eine ebene dunkelgrüne Decke, über welche die Stürme ungehindert wegſtreichen. Die Pflanzen ſtehen jo dicht, daß zwiſchen ihnen kaum ein anderes Gewächs auf— kommen kann; nichts unterbricht daher die Einförmigkeit der Gegend, deren gleiche Höhen- und Bodenbeſchaffenheit einer ſolchen Vegetation die Hand bieten. Zu dieſen allgemein auf dem Feuerlande verbreiteten, den Grund dicht überziehenden Gewächſen gehören vorzugs— weiſe drei Buchenarten (Fagus antarclica, F. betuloides und F. obliqua). Dieſe drei Buchenarten wachſen neben, doch niemals durch einander. Man unterſcheidet die Büſche von Fagus antarctica und obliqua ſchon von fern dadurch, daß fie ihre Blätter verlieren, während F. betuloides beſtändig 233. XI. 13. 198 grün bleibt. Fagus antaretica iſt am allgemeinſten und weiteſten verbreitet, ſie geht bis 1000 Fuß unter der Schnee— linie an den Gebirgen hinauf und wird dort durch einen Saum von Alpenpflanzen aufgehalten. Fagus antaretica, ob— ſchon auf den Höhen ſchwach und klein, erreicht an tiefer gelegenen Orten eine größere Höhe, ſie liefert ſchwere dicke Stämme, die als Bauholz benutzt werden. Das Genus Fa- gus, das in der gemäßigten Zone von Europa und Nordamerica nur eine einzige Species von ungeheurer Verbreitung beſitzt, hat, ſo viel jetzt bekannt, in den über den Wendekreis hin— aus gelegenen Ländern der ſüdlichen Halbkugel mindeſtens 15 Arten aufzuweiſen. 4 dieſer Arten wachſen auf Neuſeeland, eine auf Vandiemensland; die übrigen find ſämmtlich über Südamerica von Chili bis zum Cap Horn in ungeheurer Individuenzahl verbreitet. Die erwähnten Buchenbüſche wachſen meiſtens auf ei— nem Thonſchiefergrunde; ſie bilden unter ſich einen eigenen, dicken, lockeren, beſtändig feuchten moosbedeckten Boden; ſie wachſen ſo dicht durch einander, daß es kaum möglich iſt, ſie zu durchdringen. Ein anderer, doch nicht ſo allgemein verbreiteter Baum ift die Wintera aromatica Murr. s. Drimys Winteri Forst., deren aromatiſche Rinde mit Pfeffer gemiſcht von den Schif— fern als Gewürz benutzt wird. Die genannten Bäume ſind auf dem ſüdlichen Theile von Magelhaensland faſt die ein— zigen; auf den Falklandsinſeln giebt es keine Bäume mehr. Auf den Inſeln des Feuerlandes und in der Nähe der Ma— gelhaensſtraße trifft man dagegen Buſch- und Strauchgewächſe, die eben ſo dicht wie die erwähnten Buchen durch einander wachſend, das Land mit einer grünen Decke bekleiden. Dahin gehören vorzugsweiſe zwei Haidearten (Pernettiamucronata und empetrifolia), die ähnlich wie unſere Vaceiniumarten den Bo⸗ den überziehen; zu ihnen geſellen fi) 3 Berberis-Arten (B. ilieifolia, B. buxifolia und B. empetrifolia). Minder häufig verbreitet iſt Desfontainia spinosa R. et P., ein zierliches Strauchgewächs, das eine große geographiſche Verbreitung beſitzt und vom Aquator nach Süden bis zum Staaten⸗ land hinabgeht. Über die Stellung dieſes Pflanzengeſchlechts war man lange uneinig, bald ſollte es zu den Solaneen, bald zu den Ericeen, Gentianeen und Theophraſteen gehören, bis man ſich zuletzt dahin vereinigte, es zur eigenen Familie zu erheben. Ein nicht minder merkwürdiger dieſer Gegend angehö— render Strauch iſt das Embothrium coceineum Forst., eine Proteacee, die allein auf Magelhaensland zu Hauſe iſt und dort dieſe Familie repräſentirt, während ſo viele derſelben Familie angehörige Pflanzen ſich bis in den hohen Süden des Feſtlandes von Africa und Auſtralien ausbreiten. Zu den Strauchgewächſen gehören ferner Myrtus Num- mularia Poir., die von allen Reiſenden auf dem Feuerlande und den Falklandsinſeln geſammelt wird, Colletia discolor, eine Rhamnee, die bisher nur um Port Famine gefunden ward und dort mit Maytenus magellanicus, einer Celaſtrinee, zuſammen wächſ't. Sie ward hier von Commerſon zuerſt entdeckt; Fuſillée hatte fie indes ſchon früher in Chili gefunden. Cassia stipulacea und 2 Adesmia- Arten, ferner 185 199 233. 1 Lathyrus und 2 Vicia-Arten find die wenigen Legu— minofen, die wahrſcheinlich aus den gemäßigten Theis len von Chili und Peru herſtammen; wie denn ber haupt dieſe große Familie mit der Entfernung vom Aqua— tor ſowohl an Arten- als Individuenzahl abnimmt. Eine Rosa multiflora und semperflorens, die der Verf. zwiſchen den erwähnten Pflanzen fand, ſcheint ihm ebenfalls dorthin verſchleppt zu ſein. Aber nicht allein die beſprochenen holzartigen Pflanzen, ſondern auch verſchiedene krautartige Gewächſe, die ſich durch dieſelbe ungeheure Verbreitung und dasſelbe dichte Zuſam— menwachſen auszeichnen, bedecken den Boden. Wo ein nie— driger Moorboden vorkommt, erſcheint die Astelia pumila (Melianthium pumilum Forst.) ein binſenartiges Gewächs, eine der allergemeinſten Pflanzen des Feuerlandes und der Falklandsinſeln, die ſich entweder allein oder mit Donatia fascieularis untermengt großer Strecken bemeiſtert. Astelia bildet eine eigene den Juncaceen ſehr nahe ſtehende Familie, die jetzt 5 Arten zählt, von denen 2 auf den Sandwich— inſeln und 2 auf Neuſeeland wachſen. Auf dem genannten Moorgrunde finden ſich noch Binſen, mehrere nur dieſer Gegend eigene Carices, 2 Sisyrinchium- Arten (S. filiforme Gaud. und S. laxum L.), welche hier die fehlende Iris un— ſerer Moore erſetzen und 3 nur dem Magelhaenslande eigene Caltha-Arten. Ein eigenthümliches Gras- oder Waideland ſcheint hier nicht vorzukommen, auch ſind die Arten der Gramineen nicht zahlreich. Eine derſelben zeichnet ſich aber durch ihren eigen— thümlichen Wuchs wie ihre Verbreitung ganz beſonders aus und giebt dem Lande, das ſie bedeckt, einen eigenthümlichen Charakter, das Tuſſakgras (Dactylis caespitosa Forst.), das hier die Stelle des Bambusrohrs der Tropen vertritt. Dieſes Gras wächſ't in dichten Bündeln, iſt baumartig, ſeine alten Stämme, ſo kann man füglich ſeine Helme nennen, entblät— tern ſich nach unten zu, ſie entſpringen zu Hunderten einem dicht verflochtenen Rhizom und tragen nach oben eine große weit ausgebreitete Blattkrone von 6 bis 7 Fuß langen Blät— tern, in deren Dickicht häufig große Seevögel niſten. Dies in der Ferne jugendlichen Palmen gleichende Gewächs ge— deiht in der Nähe des Strandes auf dem fruchtbaren Guano— boden beſonders üppig. Das Tuſſakgras iſt ein ausgezeich— netes Futtergewächs und ſoll, zu Heu gemacht, für Kräuter freſſer ſehr gedeihlich ſein. Bemerkenswerth iſt endlich noch eine Flechte (Stieta endochroma Delise), die gleich einer bunten Decke den un— fruchtbaren Boden, Steine und Berge, ja ſogar dicht ge— ſchloſſene, ebene und niedrige Büſche überzieht und durch ihre grüne und goldgelbe Färbung der Gegend, die ſie be— kleidet, einen ganz beſondern Ton verleiht. Die Flechte ge— hört zu den größten und ſchönſten, ſie liefert einen ſchön gelben Farbſtoff und trägt faſt zu jeder Zeit auf der Ober— fläche ihres Laubes Früchte. Die Zahl der übrigen bis jetzt bekannten zur Flora austro-magellanica gehörenden Pflanzen iſt zwar noch groß, dieſelben ſind jedoch nicht ſo allgemein wie die erwähnten verbreitet. Viele zur Flora des Landes gehörige Genera XI. 13. 200 und Arten ſind bis jetzt noch nirgends anderswo gefunden worden; Myzodendron Banks et Sol. iſt ſogar ein ganz neues Geſchlecht, 4 Arten dieſes wahren Schmarotzers wachſen unſerm Viscum gleich auf den Buchenbüſchen. Auch Huanaca, Bolax und Azorella, hier einheimiſch, ſind 3 ganz neue Gattungen der Doldengewächſe, ſie ſind die einzigen Umbelliferen dieſes Landes. Maytenus, Colletia, Arjoona, Philesia, Rostcovia, Tetroncium, Gaimardia, Oreobolus und noch 11 andere neue Gattungen gehören zur Familie der Compoſiteen. Die Zahl der dem Lande eigenthümlichen Arten bekannter Genera iſt noch ungleich größer; die meiſten hier verbreiteten Genera kommen auch im gemäßigten Norden vor, obſchon ihre hier heimiſchen Arten ſich meiſtens nur auf Magelhaensland be- ſchränken. So zählt man längs der Magelhaensſtraße, im Feuer- und Staatenlande 21 nur dieſer Gegend angehörige Senecio-Arten, nur eine Species (Senecio vulgaris) hat weitere Verbreitung; der Verf. glaubt, daß ſie eingeführt iſt. Dasſelbe gilt von den Gattungen Ranunculus, Ane- mene, Viola, Geranium, Stellaria, Oxalis, Gnaphalium, Gen- tiana, Saxifraga, Plantago, Carex, Aira, Festuca u. ſ. w. Alle dieſe ſind hier durch eigene Arten repräſentirt. Trotz dieſes Reichthums von eigenthümlichen Pflanzen iſt die Flora von Magelhaensland dennoch eine gemiſchte, indem ſie auch Pflanzen der Nachbarländer, namentlich in Chili, Patagonien, Peru und auf den Anden einheimiſche Gewächſe enthält; zu dieſen gehören die Gattungen Fuchsia, Loasea, Alstroemia, Calceolaria, Sarmienta, Asarca, Lapg- geria, Chimocarpus, Brugmansia candida u. j. w. Auch einige europäiſche Genera, ja ſogar Arten ſind hier zu Hauſe; dahin gehören zunächſt diejenigen, welche durch ihre allgemeine Verbreitung über den ganzen Erdball bekannt find: als Alsine media, Sonchus oleraceus, Sagina, Poa pratensis, Sisymbrium Sophia, Anagallis arvensis, Apium gra- veolens u. ſ. w.; zu ihnen geſellen ſich noch einige Waſſer— pflanzen, die an keinen beſtimmten Wärmegrad gebunden find, als Hippuris, Myriophyllum, Scirpus palustris, Callitri- che u. |. w. Es iſt ſchwer zu entſcheiden, bemerkt der Verfaſſer, ob der Same dieſer Pflanzen zufällig oder ab— ſichtlich durch Menſchen verbreitet, ob er durch Thiere oder ſonſtwie verſchleppt worden; vielleicht iſt es eben ſo möglich, daß dieſe Pflanzen von Alters her hier einheimiſch waren. Die Primula farinosa, die in den Bergthälern des nördlichen Europa wächſ't und die Lychnis apetala, die im hohen Nor- den Europas, in Lappland zu Hauſe iſt, finden ſich beide auf Magelhaensland wieder, ohne daß irgend ein Übergang, eine Verbindungslinie zwiſchen dieſen ſo fernen Punkten der Erde nachzuweiſen wäre. Der Verf. glaubt, daß man ihr Vorkommen vom Feuerlande nicht wohl durch eine Übertra— gung erklären könne. Die Zahl der bis jetzt auf Magelhaensland bekannten Pflanzen beträgt nach einer Zählung des Verf. 316 Arten, worunter 78 monocotyledoniſche Gewächſe; ein ähnliches Verhältniß (½ der Geſammtzahl), wie es in Deutſchland Statt findet. Das große Übergewicht der dicotyledoniſchen Pflanzen würde bei dem rauhen Klima des Landes noch mehr auffallen, wenn nicht die Nähe von Chili und Peru, 201 wie die Nachbarſchaft der Anden fo viel zur Vermehrung der Flora beitruͤgen. Die erwähnten Pflanzenarten gehören zu 58 Familien, wovon 19 nur durch eine Species repräſentirt ſind. Die Familie der Compoſtteen iſt die reichhaltigſte, ſie hat 58 Arten aufzuweiſen, ihr folgt die Familie der Gra— mineen mit 37 Arten. Das Fehlen aller den Tropen an— gehörigen Familien wie ſolcher Pflanzen, die üppigen Boden und Pflege verlangen, iſt mehr als erklärlich. Man hat auf Magelhaensland keine Euphorbiaceen, Papaveraceen, Apo— eyneen, Aſclepiadeen, Cinchongceen, Rutaceen, ja ſogar keine Coniferen gefunden. Die Zahl der kryptogamiſchen Gewächſe läßt ſich nicht beſtimmen, man hat bis jetzt 15 Farn und 2 Lycopodiaceen gefunden. Die Laub- und Lebermooſe wie die Algen ſind ungleich zahlreicher; fie find von F. D. Hooker in deſſen Flora antarctica beſchrieben und zum Theil abgebildet worden. Miſeellen. 34. Die Tragkraft des Waſſers des todten Meeres. Gegen Abend verſuchten wir, ob ein Pferd und ein Affe in dem See ſchwimmen könnten, ohne umgedreht zu werden; das Reſultat war, daß die Thiere, obwohl ſie etwas auf eine Seite ſanken, doch das Gleichgewicht nicht verloren. Bei anderen Verſuchen kann ebenfalls das Pferd nicht durch die größere Dichtheit des Waſſers auf den Rücken gedreht worden ſein; das Thier mag allenfalls ſchwächer und gerade zu der Zeit mehr erſchöpft geweſen ſein. Ein musculöſer Mann ſchwamm ziemlich bruſthoch ohne die mindeſte Anſtrengung. Ein Pferd, welches in die Bai geführt wurde, konnte ſich ſchwer auf den Füßen erhalten. Zwei friſche Hühnereier ſchwammen mit ½ über der Waſſerfläche, während ſie im Waſſer des Mittelmeeres untergeſunken ſein würden. — Das Waſſer der freien See hatte eine ungemeine Tragkraft, mit Schwierigkeit nur hielt ich meine Füße unten, und wenn ich mich auf den Rücken legte, die Kniee anzog und mit den Händen umfaßte, ſo rollte ich ſogleich herum. Das Waſſer des atlantiſchen Meeres verhielt ſich rückſichtlich der Dichtheit zu dem todten Meere wie 1,02 zu 1,13. 233. XI. 13. 202 Das letzte enthielt ½, das des atlantiſchen Meeres ½ und das deſtillirte Waſſer % feines Gewichts an m Unfere Govte gin⸗ gen mit derſelben Ladung im todten Meere 1 Zoll weniger tief als auf dem Jordan. (Lynch, Expedition to the dead Sea and the Jordan.) 35. Über die Theecultur in Indien, welche der Royle bekanntlich begründet hat, befindet ſich in dem Bot. 16805 von London, Mai 1848, ein Bericht, aus dem wir über den jetzi⸗ gen Standpunkt berichten, daß die Culturverſuche im nördlichen Indien in dem Garten von Saharunpur fortgeſetzt werden. Hr. S. Ball, der Verf., hat 2 Sorten, ſchwarzen und grünen Thee geſehen, welche zu Kamaon in dem nördlichen Theile Indiens ge⸗ baut und präparirt waren. Dieſe Theeſorten ließen in Betreff des Parfüms und Geſchmacks etwas zu wünſchen, jedoch waren ſie vor⸗ trefflich und hatten (beſonders der Hyſon) großen Abſatz nach In— dien und England. Dieſer Thee war von den mittäglichen Sorten genommen, welche ſelbſt in China weit ſchlechter find als die norv- lichen. Auf Empfehlung des Lord Hardinge iſt zu neuen Wer: ſuchen die Summe von 10,000 Pf. St. von der indiſchen Com: pagnie gegeben worden. Aus der Beſchreibung des Hrn. Ball geht hervor, daß die Chineſen den grünen Thee durch die beſondere Art des Trocknens erzielen (vergl. No. 11 S. 166 dieſes Bds. d. Not.), wodurch ſie die hauptſächlichſten Eigenſchaften der Pflanze mehr conſerviren; der grüne Thee iſt mehr adſtringirend, hatt einen eigenthümlichen bittern Mandelgeſchmack und giebt einen blaſſeren und mehr gelben Aufguß. Dagegen verdankt der ſchwarze Thee ſeine milden Qualitäten einer Art von Gährung, welcher man die Blätter unterwirft. Auch Hr. Ball verſicherk, daß alle Thee— ſorten von einer und derſelben Pflanze herkommen. 36. Eine große Maſſe von atmoſphäriſchem Eis. Auf einem Pachthofe Balvullich in Schottland fiel am 6. Auguſt d. J. nach einem der lauteſten Donnerfchläge, welche jemals dort gehört worden ſind, eine große unregelmäßig geſtaltete Maſſe von 20 Fuß Umfang nahe bei dem Pachthauſe nieder. Sie war von ſchönem kryſtalliniſchem Ausſehen, faſt ganz durchſichtig, mit Aus⸗ nahme einer kleinen Partie, welche aus zuſammenhängenden Ha⸗ gelkörnern beſtand. Die Maſſe beſtand hauptſächlich aus kleinen dia— mantförmigen Vierecken von 1—3 Zoll Größe, alle feſt zuſammen⸗ gefroren. Ein Glück war es, daß fie nicht auf das Haus gefallen war, welches ſie unzweifelhaft eingeſchlagen hätte, wobei dann wahrſcheinlich einige der Bewohner umgekommen wären. (The Edinb. New Phil. Journ. 94. 1849.) Heilkunde. (XXV.) Ergotine gegen durch Verwundungen ver⸗ anlaßte Blutungen aus Arterien und Venen. Von Hrn. J. Bonjean zu Chambery. Es iſt in jetziger Zeit ſtarke Nachfrage nach Ergotine für die Feldhoſpitäler, da ſie ſich nicht nur als blutſtillendes Mittel höchſt wirkſam zeigt, ſondern die damit behandelten Wunden auch ſehr ſchnell vernarben, indem ſie der Entzün— dung und Eiterung im hohen Grade vorbeugt. Ich will zuvörderſt die Hauptumſtände anzeigen, unter denen die Ergotine mit Nutzen angewendet werden kann, dann ihre Anwendungsart beſchreiben und zuletzt noch einige practiſche Bemerkungen über deren innerlichen Gebrauch mittheilen. 1) Umſtände, unter welchen die Ergotine mit Nutzen angewandt werden kann. Die Ergotine iſt nicht nur in dem Augenblicke, wo die Verwundung geſchehen iſt, anwendbar, ſondern die Wunden können auch in ſpäteren Stadien mit großem Nutzen damit behandelt werden. Bei einer großen Operation, z. B. der Amputation eines Schenkels, wird der Chirurg ſich in der Regel an das Unterbinden der Arterien halten: allein die Fälle, wo dies nicht angeht, ſind gar nicht ſelten, und in dieſen iſt die Ergotine von unſchätzbarem Werthe, indem ſie alle Vortheile der Ligatur ohne deren Nachtheile gewährt. Hier einige Beiſpiele. ee 1) Wenn es, um eine gefährliche Blutung zu ſtillen, nöthig wird, die Lefzen einer mit großer Mühe bis zu einem 203 gewiſſen Grade von Vernarbung gebrachten Wunde in ihrer Lage zu ſtören. 2) Wenn eine große Prädispoſition zu sphacelus vor= handen iſt und man in Folge des Unterbindens das Ent— ſtehen von Gangrän mit Beſtimmtheit vorher ſehen kann. 3) Wenn die Gefäße, aus denen die Blutung Statt findet, in entzündeten und erweichten Geweben liegen. 4) Wenn das Blut in einem reichlichen Strome aus kleinen Arterien fließt, deren Mündungen und Caliber ſich nicht ermitteln laſſen. 5) Wenn die Blutung von dem Abfallen eines Schorfs, entweder in Folge don Gangrän oder von Schußwunden ꝛc. herrührt. In dieſen ſchwierigen Fällen iſt die Anwendung der Ergotine um fo vortheilhafter, da man mit der Compreſ⸗ ſion oft nicht ausreicht, die überdies ſtets ſehr ſchmerzhaft, ermüdend und dem Fortgang der Vernarbung hinderlich iſt, wenn fie auch nicht immer ſtellenweiſe Gangrän erz zeugt. Das Unterbinden führt übrigens ſtets den Nachtheil herbei, daß die Arterie für immer obliterirt und dadurch das Organ, welches ſie verſorgt, des gehörigen Blutzufluſſes bes raubt. Die Ergotine dagegen verjegt die verletzte Arterie in einen ſolchen Zuſtand, daß die Vernarbung der Wunde erfolgen kann, ohne daß das Gefäß ſich ſchließt. Dieſe wichtige Thatſache habe ich durch Verſuche an lebenden Thieren (Hunden und Pferden) dargethan und die Beobachtungen geſchickter Arzte haben dieſelbe beſtätigt. (Vgl. Comptes rendus de l’Ac. de Sc. 7. Juill. 1845, 16. Mars, 27. Ayr. 22. Juin, 6. et 19. Juill. 1846, 22. Mars, 17. Ayr. et 25. Oct. 1847.) Hr. Flourens hat dieſe meine Be— obachtung, daß ſich die Blutung aus den Arterien durch Ergotine ſtillen läßt, ohne daß ſie obliteriren, als höchſt wichtig erkannt, und eine Commiſſion der konigl. medicl⸗ niſch⸗chirurgiſchen Akademie zu Turin, welche die Sache un⸗ terſucht hat, ſchließt ihren Bericht folgendermaßen: „Die Ergotine iſt ein blutſtillendes Mittel, welches die Blutungen ſelbſt aus ſtarken Arterien hemmt, ohne dieſe zu obliteriren.“ Unter den Beobachtungen, welche dieſen Ausſpruch beſtätigen, will ich hier nur zwei hervorheben. Die erſte bezieht ſich auf ein junges Madchen, welches auf dem Rücken des Fußes und am Unterſchenkel mit Gangrän behaftet war. Nach dem Abfallen des Schorfes traten ſtarke Blutungen ein, die ſich weder durch Compreſſton, noch durch Unterbinden ſtillen ließen. „Mit 10gradiger Ergotineauflöſung befeuchtete Scharpie— meißel, jagt Hr. Pétrequin, thaten hier ſehr gute Dienſte. Sie erheiſchten nur eine mäßige Compreſſion und waren der Vernarbung ungemein förderlich.“ Die zweite Beobad)- tung betrifft einen Brigadier bei den africaniſchen Spahis, Namens Combette, welchem durch einen Schuß ein großer Theil des linken Unter- und Oberkiefers, ſowie des Marillar⸗ knochens weggeriſſen worden war. Die arterielle und ves nöſe Blutung ließ ſich auf keine Weiſe ſtillen. „Das kalte Waſſer, jagt Dr. Bonnet, ward als unzureichend befunden. Die Compreſſion erhitzte den Kopf und vermehrte dadurch den Andrang des Blutes. Das Unterbinden war unthuns lich geworden. In dieſer Verlegenheit fiel mir die Ergotine 233. XI. 13. 204 des Hrn. Bonjean bei. Ich ließ alſo 10 Gramm in 100 Theilen Waſſer auflöfen und ſpritzte die Solution in die bei ihrer Mitte Eluffende Wunde ein, die ich dann mit einer, mit derſelben Auflöſung befeuchteten Compreſſe bedeckte, welche einen Tag lang allſtündlich erneuert ward. Der Er⸗ folg war höchſt befriedigend. Die Blutung ſtand alsbald, und erneuerte ſich nicht wieder; die Vernarbung machte ſchnelle Fortſchriite und war nach 14 Tagen vollſtändig. Dieſes günſtige Reſultat hätte ſich nicht erreichen laſſen, wenn man zur Stillung der Hämorrhagie die Wundlefzen in ihrer Lage hätte ſtören müſſen.“ Ein anderer, erſt neuerlich vorgekommener Fall trug ſich zu Chambery ſelbſt zu. Hr. Feige, Unterlieutenant in der Brigade von Savoyen, erhielt im letztverfloſſenen Mai bei Somma⸗ Campagna einen Schuß in die linke Hand, welcher bald darauf die Amputation des Vorarmes nöthig machte. Über 6 Monate waren verſtrichen und aller Arten von Behandlung ungeachtet, wollte die Wunde nicht ver⸗ narben. Übrigens hatte der Kranke gewaltige Schmerzen auszuſtehen. Als er nach Savohen zurückgekehrt war, wandte man dort die Ergotine an, indem man die Wunde und den Stumpf mit Compreſſen belegte, die mit einer Auflöſung jener Subſtanz befeuchtet waren. Man erneuerte den Ver⸗ band anfangs alle zwei Tage, dann, als die Heilung Fort⸗ ſchritte machte, alle 3 — 4 Tage. Nachdem dieſe Behand⸗ lung einen Monat lang fortgeſetzt worden, war die Ver⸗ narbung soljtändig und alle Entzündung gewichen, jo daß dieſer brave Offizier wieder in Dienſt treten konnte und auch ſeitdem wenig Schmerzen an dem verletzten Gliede verſpürt hat. Ubrigens iſt auch die Ergotine kein ganz untrügliches Mittel; allein überall, wo eine rationelle Indication des ſelben vorliegt, ſollte man es, bei ſo ſchönen Erfolgen, ſchnell probiren, während ſich ſo viele Chirurgen an ihren alten Schlendrian halten und gegen jedes neue Verfahren ſchon im Voraus eingenommen ſind. 2) Über die Art und Weiſe, wie die Ergotine bei Verwundungen anzuwenden iſt. Man löſ't die Ergotine gewöhnlich in dem fünf- bis ſechsfachen Gewichte an Waſſer auf, während man bei ge— fährlichen Blutungen nur das drei- bis vierfache Gewicht an Waſſer nimmt. Dieſe Auflöſung dient zum Tränken der Scharpie, welche man auf die vorher abgetrocknete Wunde legt, woſelbſt man ſie mittels der Finger leicht andruckt, bis das Blut eine Zeit lang aufgehört hat zu fließen. Dieſe Zeit richtet ſich nach der Beſchaffenheit der Wunde. Wenn das Übel bedenklich iſt, wenn die Hä⸗ morrhagie von der Verletzung irgend eines bedeutenden Ge— fäßes herrührt, ſo wird die bereits auf die Wunde gelegte Scharpie von Zeit zu Zeit mit der concentrirten Auf— löjung befeuchtet, um die Ergotine zu erſetzen, welche gleich nach der Auflegung des Scharpiemeißels oder Pfropfs durch die Blutung weggeführt worden iſt; ſo daß die Wundlefzen mit der ihre Vernarbung befördernden Flüfjigkeit wieder in unmittelbare Berührung kommen. Der auf die Scharpie ausgeübte Druck muß ſtark genug ſein, um das Ausfließen 205 des Blutes durchaus zu verhindern; jedoch nicht ſo ſtark, daß die Circulation in dem kranken Gefäße verhindert wird. Wenn der Scharpiepfropf, nachdem er eine Zeit lang nicht benetzt worden, anfängt trocken zu werden, und man, ohne die Rückkehr der Blutung zu veranlaſſen, den Druck all mälig hat vermindern, ja zuletzt, wenn auch nur auf einen Augenblick, ganz hat beſeitigen können, ſo läßt ſich an— nehmen, daß das verſtopfende coagulum ſich gebildet habe. Dann unterhält man den Druck mit der einen Hand, und indem man alle mögliche Vorſicht anwendet, um die Wunde durchaus nicht zu erſchüttern, bedeckt man die erſte Scharpie mit einem anderen Bauſch derſelben Art, der eben— falls mit Ergotine getränkt iſt, und befeſtigt alles mit einem leinenen Heftpflaſterſtreifen, welchen man, je nach den Umſtän— den, nach 2, 3 oder 4 Tagen wieder abnehmen kann. Alsdann wird die Wunde wie gewöhnlich verbunden. Die Gefäße vernarben auf dieſe Weiſe ohne Obliteration oder Verände— rung ihres Calibers (2) und es tritt faſt keine Entzündung und Eiterung ein. 3) Innerlicher Gebrauch der Ergotine. Krank heiten, für die ſie paßt. Bedingungen des Er— folgs. Verſchiedene Recepte. Anwendungsart. In therapeutiſcher Beziehung hat man die Ergotine in verſchiedenen Abſichten verſchrieben, welche man in fünf Hauptorduungen eintheilen kann; man verordnet ſie nämlich: 1) Als ſpeeifiſches Erregungsmittel der Contractionen des uterus. 2) Als Reizmittel des Muskelſyſtems im allgemeinen. 3) Zur Stillung der Hämorrhagien und gewiſſer Ausflüſſe. 4) Als zertheilendes Mittel bei Congeſtion im uterus. 5) Als Reizmittel des Nervenſyſtems. Da das Mutterkorn, wie ich nachgewieſen, zwei ſehr verſchiedene wirkſame Beſtandtheile enthält, don denen das eine, ein energiſches und gefährliches Gift, in einem fixen Ole beſteht, welches ſich allein in Schwefeläther auflöſen läßt und welches in gehörigen Gaben bei Thieren ganz die nämlichen Vergiftungsſymptome hervorruft, wie das Mutter— korn ſelbſt, ſo ſieht man, daß dieſer Beſtandtheil lediglich als Mittel der 5. Ordnung wirken kann, indem es ſpeciell auf das Gehirn und Rückenmark einwirkt. Die den erſten vier Ordnungen angehörigen Eigenſchaften rühren lediglich von der Ergotine her, und die Reinheit der letztern iſt eine weſentliche Bedingung des Erfolgs. Viele Pharmaceuten be— gnügen ſich damit, einen bloßen Mutterfornertract ſtatt der Ergotine zu liefern; allein dieſer wirkt nicht nur ſehr unvollkommen blutſtillend, ſondern verurſacht auch Schwin— del, Erbrechen, vorübergehende Schwächung der Sehkraft und andere ähnliche Nervenleiden, was eben daher rührt, daß dieſes Ertract mehr oder weniger von dem Gifte des Mutterkorns enthält. Die reine Ergotine dagegen iſt dieſes Giftes gänzlich beraubt und kann ohne alle Gefahr in be— trächtlichen Doſen genommen werden. Die reine Ergotine hat als feſtes Extract eine dunkel— braune Farbe, die jedoch, wenn man von der Maſſe dünne Schichten abſchneidet, bei durchfallendem Lichte blutroth er— 233. XI. 13. 206 ſcheint. Sie riecht angenehm, wie gebratenes Fleiſch und ſchmeckt etwas ſcharf und bitter, wie verdorbenes Getraide. In kaltem Waſſer löſ't ſie ſich gänzlich auf, und die klare, durchſichtige, ſchönrothe Auflöſung darf, mit Ather behandelt, weder Ol noch Wachs abgeben. Die Arzte müſſen ſich daher durchaus davon überzeugen, daß ſie reine Ergotine und kein bloßes Mutterkornertract erhalten. Ich hafte für die Reinheit derjenigen, welche unter dem Namen der ergotine de Bonjean in mit der Etiquette meiner Offiein verſehenen Büchschen in den Handel kommt. Die Ergotine kann bekanntlich als Trank, als Pille und als Syrup, in der Doſis von 25—50 Centigrammen (5—10 Gran) täglich, ja in manchen Fällen in noch ſtär— keren Gaben verordnet werden. Ich will hier an folgende drei Recepte erinnern. 1) Trank. Ergotine 1 Grm. 30 Centigr. (24 Gran). Deſtillirtes Waſſer 96 nr (3 Unzen). Orangenblüthenſyruf 32 „ — „ (1 Unze). 2) Pillen. Ergotine 4 —α — 7 (72 Gran). Gepülverte Lakrige s .. © valkanıd Sue: Daraus werden 36 Pillen bereitet, die man nöthigenfalls verſilbern kann. 3) Syrup. Ergotine 8 Grm. 80 Centigr. (160 Gran). Orangenblüthenwaſſer 64 „„ — „ (2 Unzen). Einfacher Syrup SO (1 Pfund). Man löſ't die Ergotine in dem Orangenblüthenwaſſer auf und ſetzt die Solution dem kochenden Syrup zu. Dieſer Syrup enthalt auf die Unze 50 Centigramm (10 Gran) Ergotine, ſchmeckt angenehm und hält ſich lange. Man wendet ihn vorzugsweiſe an, wenn die Ergotine lange fortgebraucht werden ſoll. Der Trank verdirbt leicht, und man bereitet ihn nur zum ſofortigen Gebrauche. Allein da er ſchneller wirkt als der Syrup und die Pillen, ſo verdient er in dringenden Fällen den Vorzug. Zur Stillung einer gewöhnlichen Blu— tung reicht der Ergotinetrank hin; allein heftige Hämorrha— gien, wie ſie nach Niederkunften, namentlich frühzeitigen, vor— kommen, verlangen einen mit 4—8 Gramm (1—2 Quent) Ergotine bereiteten Trank, der mit kurzen Zwiſchenzeiten eßlöffelweiſe gereicht wird, bis die Blutung zum Stehen gebracht iſt. Bei ſehr drohender Lebensgefahr hat man auch Einſpritzungen mit folgender Solution vorzunehmen, oder Scharpiepfröpfe mit der letzteren zu benetzen und ein— zuführen. Nimm: Ergotine . . . 4 Gramm (72 Gran). Brunnenwaſſer 125—256 „ (4-8 Unzen). In allen Fällen muß der Gebrauch der Ergotine fort— geſetzt werden, bis alle krankhaften Symptome verſchwunden find; ja, um Rückfällen vorzubeugen, iſt es ſogar rath— ſam, noch einige Zeit länger damit fortzufahren. Wenn ſich auch durch die Ergotine verſchiedene Krank— heiten behandeln laſſen, jo wirkt ſte doch gegen Blutungen ganz vorzüglich ſchnell und ſicher. Metrorrhagien aller Art, Naſenbluten, Blutſpucken, Blutbrechen, Blutharnen, Blut— entleerungen aus dem After ze. laſſen ſich durch dieſes Mittel in unglaublich kurzer Zeit hemmen. Hartnäckiger Samen— 207 fluß, ſowie chronische und acute Bronchenentzündung gehö— ren, nach den in den Hoſpitälern zu Turin und Chambéry geſammelten Erfahrungen, ebenfalls zu den Leiden, gegen welche ſich die Ergotine ſehr wirkſam zeigt— Dem Dr. Arnal zu Paris zufolge leiſtet die Ergotine auch gegen hartnäckige Krankheiten des uterus ſehr gute Dienſte. In vielen Fällen dieſer Art, ſagt Dr. A. 5), ift dieſes Mittel das einzige wirkſame, das wir kennen. Unter manchen Umſtänden verband Dr. Arnal dieſe Ergotine mit anderen Arzneiſtoffen, woran ich hier zum Vortheil der ärztlichen Praxis erinnern zu müſſen glaube. So wandte er z. B. bei Congeſtion (der Gebärmutter ?), begleitet von aphthöſem und diphtheriſchem Ausſchlage auf der Schleimhaut der Mutterſcheide, ein leichtes Atzen, entweder mit Salz— ſäure oder mit concentrirten Auflöſungen von falpeterfaurem Silber, ferner Einſpritzungen von Boraxauflöſungen ꝛc. an. In Fällen von flechtenartiger Ulceration, ſowie bei Com— plicationen mit chroniſchem eczema an den Schamlefzen, hat er folgende Pillen mit Nutzen verordnet. Nimm: Ergotine 10-30 Centigr. (2—6 Gran). Schwefeliodur. 5—20 „ (14 „). Dülken ER ENs: zu einer oder zwei Pillen, die einen oder mehrere Monate hinter einander, je nachdem die Fortdauer des Leidens es er— heiſcht, täglich genommen werden. Wenn die Congeſtion im uterus, von welcher Art ſie auch ſei, mehr oder weniger heftige Schmerzen in den Len— den, dem Becken, den Weichen, Schenkeln ꝛc. veranlaßt, jo fügt Dr. Arnal jeder Ergotinepille 2 — 5 Centigramm (½j—1 Gran) Hyoscyamusextract hinzu. Die cicuta thut, nach folgendem Recepte, dieſelben Dienſte. Nimm: Ergotine .. 10-30 Centigr. (2—6 Gran). Extr. cieutaee . 5—20 „ d—4 „ ). Zu einer oder mehreren Pillen, täglich zu nehmen. Sind die Geſchlechtsorgane überreizt, ſo wendet man ſtatt des Schierlings Kampfer an. Bei chlorotiſchen, lymphatiſchen, durch Blutverluſte er— ſchöpften Frauen verbindet Dr. Arnal die Ergotine mit Eiſeniodur in folgenden Verhältniſſen. Nimm: Grgotine .. 10-30 Centigr. (2—6 Gran). Eiſeniodutr . 5—20 „ (1—4 „). *) S. Traitement de quelques affections de la Matrice à Laide de l’Ergo- tine, 1843. S. auch Dictionnaire de Medecine, T. 28, p. 289. 233. XI. 13. 208 Zu einer oder mehreren Pillen, halb des Morgens und halb des Abends zu nehmen. Das Eiſeniodur wird von manchen Patientinnen nicht lange oder nur in ſehr geringen Doſen vertragen. In dieſen Fällen vermindert man die Gaben oder ſetzt den Gebrauch der Pillen von Zeit zu Zeit aus. (Gazette médicale de Paris, Nr. 43, 27. Oct.) Mifcellen. (25) Von der Durchſchneid ung der Arterien zwi⸗ ſchen zwei Ligaturen als allgemeines Heilverfahren gegen Hämorrhagien und aneurysma hat Hr. Sedil⸗ Lot der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften in deren Sitzung vom 29. Octbr. eine Arbeit vorgelegt, welche die Vorzüge des Celſus⸗ ſchen Verfahrens darzulegen ſucht. — Die Hauptreſultate dieſer Arbeit laſſen ſich in folgende Sätze zuſammenfaſſen: — 1) Die Celſusſche Methode, obgleich ſie für die älteſte gelten muß, grun⸗ det ſich offenbar auf die ſicherſten Erfahrungen und iſt noch etzt die empfehlenswertheſte von allen. — 2) Dieſelbe iſt zwar nie ganz außer Gebrauch gekommen; allein es gab eine Zeit, wo ſie die einzige übliche war und ſie iſt nur von ſolchen Chirurgen ver⸗ drängt worden, die für ein neueres Verfahren blind eingenommen waren. — 3) Celſus hat bereits die Hauptvorzüge ſeiner Me⸗ thode klar dargelegt, welche in der Zurückziehung, leichtern Obli⸗ teration und vollſtändigern Verwachſung der Gefäße mit den be⸗ nachbarten Geweben beſtehen. — Später hat man gegen dieſelbe mancherlei eingewendet; allein ich glaube nachgewieſen zu haben, daß dieſe Einwürfe unhaltbar ſeien. — 5) Unſere Verſuche haber dargethan, daß die Zurückziehbarkeit der quer durchſchnittenen Arterien ungemein ſtark iſt und daß die Folgen dieſer Eigenſchaft find: die Verdickung der Wandungen, die Verminderung des innern Calibers und das Zurückweichen des Gefäßes in feine Scheide; das Anz ſchließen der Ligaturſtelle an die geſunden Gewebe; geringere Ge⸗ fahr der Hämorrhagien in Folge unvollkommner Adhärenzen und ſchwärender Stellen. — 6) Wir haben nachgewieſen, daß, wenn man die Ligaturen mit gewöhnlichen gewichſ'ten Faden in gehöri⸗ ger Weiſe ausführt, primäre Hämorrhagien nicht vorkommen kön⸗ nen. — 7) Wir haben gezeigt, daß ſecundäre Blutungen ſeltener eintreten und ſich weit leichter beſeitigen laſſen. — 8) Alle bei dieſen Unterſuchungen dargelegten theoretiſchen Anſichten find durch die Thatſachen vollſtändig beſtätigt worden und ſo iſt die Theorie durch die Erfahrung durchaus feſt geſtellt. (Gaz. med. de Paris, No. 44, 3. Nov.) Nekrolog. — Dr. John Reid, ein ausgezeichneter Phy⸗ fiolog, Prof. an der University of St. Andrew's in Schottland, iſt geſtorben; er hat noch im vorigen Jahre einen ſtarken Band ſehr intereſſanter „Physiological anatomical and pathological Re- searches“ herausgegeben. Bibliographiſche Neuigkeiten. Dr. Ch. Robin, Du microscope et des injeetions dans leurs applications ä anatomie et ä la pathologie, suivi d'une classification des sciences fon- damentales , de celles de la biologie et de l’anatomie en 4 pl. et 123 figures intercalees dans le texte. In 80. liere. 7 fr. articulier. Avec aris, J. B. Bail- M.Langenbed, kliniſche Beiträge aus dem Gebiete der Chirurgie und Orb thalmologie. gr. 8%. 1½ Thlr. Dietrich in Göttingen 1849. Flügel, Relation über den Geſundheltsdienſt dei der eidgensſſiſchen Armee während dem Sonderbundfeldzuge im Oct. und Nov. 1847 ic, gr. 8 In Comm. Geb. % Thlr. Berlin 1849. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L . Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medicinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 234. (Nr. 14. des XI. Bandes.) December 1849. Heilkunde. Betz, Unterſuchung des Plattfußfkeletes. — Betz, Exercirknochen im rechten musc. soleus. — 2 \ 88 je An en Arterien an der Oberfläche des cranium. Auf einander folgende Unterbindungen der art. carotis externa, communis und interna. Simorrhagie. Störungen in den Functionen des Gehirnes. Tod. Leichenöffnung. — de Confevron, ein neuer Fall von Tödtung durch Chloroform. — Miſcellen. Paſquier, Chloroform in der Militärpraxis. Latts, Sicherſtellung vor der Gefahr des Verbrennens. — Bibliographie. Naturkunde. XXV. über die Entſtehung der Adventivknoſpen. Von Auguſte Trécul. Mit der Entwickelungsgeſchichte von Nuphar luteum be— ſchäftigt, beobachtete der Verf. zuerſt das Entſtehen der Ad— ventiowurzeln; er ſah wie dieſelben, nicht wie Mirbel an— nimmt, vom Gefäßſyſteme des Stammes ifolirt entſtehen und erſt ſpäter ihre Gefäßbündel mit denen des Stammes vereinigen, vielmehr immer den Knoſpen und Blättern gleich als kleine zellige mit dem Gefäßſyſtem verbundene Wärz— chen hervortreten; ihre erſten Gefäße ſind mit denen des Stammes verbunden, ſie richten ſich gegen die Spitze der anfangs nur aus Zellen beſtehenden Wurzelanlagen. Der Verf. konnte demnach die Gefäßbündel der Knoſpen und Blätter nicht wie Dupetit-Thouars und Gaudichaud mit Wurzeln vergleichen, die durch den Stamm nach abwärts ziehen. Außer Nuphar überzeugte er ſich noch bei 20 Pflanzen aus verſchiedenen Hauptgruppen von der Richtigkeit ſeiner er— ſten Unterſuchung. Das Studium der Adventiswurzeln führte den Verf. zu den Adventioknoſpen hinüber, deren Entwicke— lungsgeſchichte ihm für die Entſcheidung der ſtreitigen Frage am geeignetſten ſchien. Wir entnehmen ſeine Arbeit dem Novemberhefte der Annales des sciences von 1847. Die Adventioknoſpen entwickeln ſich ſowohl aus Blät— tern als am Stamme, ebenſo auch aus den Wurzeln; die Adventioknoſpen der Wurzeln ſchienen dem Verf. für die Unterſuchung beſonders geeignet zu fein. Der Verf. ſtellt ſich 3 Fragen: 1) Entſteht zuerſt der Stammtheil oder der Wurzeltheil der Adventivknoſpe? N 2) Entſtehen die erſten Gefäße in den Blättern und ſteigen ſie in den Steckling (bouture) hinab? 3) Wie ſind die erſten Gefäße beſchaffen? No. 1224. — 1114. — 234. Der Verf. wählte für ſeine Verſuche Pflanzen, die leicht Adventioknoſpen treiben und überdies weit verhreitet ſind und bofft deshalb auf eine baldige Beſtätigung ſeiner Beobachtungen durch andere Forſcher. Eine der intereſſanteſten Pflanzen ſcheint ihm für dies ſen Zweck Paulownia imperialis, wo jedes Stückchen der zer⸗ hackten Wurzel ein neues Individuum erzeugen ſoll, zu ſein; er pflanzte Stückchen von der Wurzel dieſer Pflanze in einen Topf mit Moorerde und ſetzte ihn bei angemeſſener Feuch⸗ tigkeit der Temperatur eines Warmhauſes aus. Nach zwölf Tagen bemerkte der Verf. an der Rindenoberfläche ſeiner Stecklinge kleine Erhebungen, bei ſorgfältiger Unterſuchung überzeugte er ſich, daß dieſe Erhebungen vorzugsweiſe die Baſis abortirter Wurzelhaare, die beim Zerſchneiden des Pflanzentheils verletzt wurden, umgaben und durch über⸗ mäßige Entwickelung des inneren Rindenzellgewebes an die⸗ ſem Punkte entſtanden waren; der obere Theil der Rinde mußte dadurch gehoben werden. Dieſe neue Zellbildung unter der äußeren Rinde ſcheint dem Verf. durch ein Gro⸗ ßerwerden der vorhandenen Zellen und eine Vermehrung der⸗ ſelben durch Theilung veranlaßt zu ſein; dies zeigte ſich da, wo ſich durch raſche Entwickelung die innere Rinden⸗ partie von der äußeren abgelöſ't hatte, am freien Saume der erſteren am deutlichſten; die frei liegende Seite dieſer Zellen dehnte ſich aus, verlängerte ſich in horizontaler Rich⸗ tung und theilte ſich darauf, die neu entſtandenen Zellen vermehrten ſich auf dieſelbe Weiſe, bis die entſtandene Lücke ausgefüllt war. g Sobald dieſe Zellenmaſſe eine beſtimmte Entwickelung erreicht hat, bilden ſich in ihrem Inneren kleine cylindriſche Körper aus äußerſt zartem transparentem Gewebe beſtehend, deren Baſis ſich im Cambium (eouche generatrice) verliert, deren entgegengeſetztes Ende jedoch frei zu ſein ſcheint. Dieſe 14 * 211 kleinen anfangs mit abgerundeter Spitze endigenden Körper haben ‚ganz das Anſehen der werdenden Adventiowurzeln; dieſe Ahnlichkeit vermehrt ſich noch, ſowie die Gefäßbündel, welche das Körperchen umgeben, hervortreten, indem auch ſie nur netzförmige Gefäße enthalten. Während nun in der Rindenſchicht dieſe Zellbildung vor ſich geht, treten an den entſprechenden Punkten des Cam— bium (eouche gen6ratrice), insbeſondere unterhalb der Er— hebungen ſehr zarte Gefäße aus kleinen, länglichen, netzför— mig verdickten Zellen beſtehend, auf. Einige dieſer kleinen Gefäße verlaufen zum Holzkörper der Knoſpe, während an— dere an der Baſis des kleinen eylindriſchen Zellenkörpers umbiegen, in ſelbigen hineintreten und ihn der Länge nach durchlaufen. Zu dieſer Zeit iſt noch keine Spur von Blät— tern vorhanden, die Spitze des jungen Organes iſt vollſtän— dig abgerundet; bald entſteht indes an dieſer Spitze eine kleine Vertiefung, die, indem ſich die Ränder immer mehr erheben, allmälig tiefer wird. Dieſe hervortretenden Ränder find die erſten Blattanfänge. Noch find die Gefäße weit von den Blattrudimenten entfernt; mit der Entwickelung der letzteren entwickeln ſich auch die Gefäße und bald ſieht man das junge Blatt von Gefäßen durchzogen. Zwiſchen den erwähnten zuerſt entſtandenen Blättern erhebt ſich darauf die Spitze der Knoſpe, bildet neue Erhebungen, die wiederum zu Blättern werden; ſind dieſe bis zu einer beſtimmten Ent— wickelungsſtufe gekommen, ſo treten wieder neue hervor, mes ns Vor dem Erſcheinen der Blätter war in der jungen Knoſpe kein Mark vorhanden, die Gefäße waren ohne be— ſtimmte Ordnung zu einem einzigen Bündel von verſchiede— nem Umfange vereinigt, das von der Baſis bis zur Spitze der jungen Knoſpe verlief. Nach dem Auftreten der Blätter theilten ſich die Gefäße, um in die betreffenden Organe ein— zugehen, in verſchiedene Bündel; dieſe traten aus einander und der mit Zellgewebe erfüllte ſie jetzt trennende Raum ward zum Marke; erſt zu dieſer Zeit entſtanden Spiral— gefäße, während bis dahin nur netzförmig verdickte Gefäß— zellen vorhanden waren. Betrachtet man eine junge Knoſpe der Paulownia nach dem Auftreten der erſten Blätter, ſo bemerkt man eine recht eigentliche Terminalknoſpe mit einer Rinde und einem vom Gefäßringe umſchloſſenen Marke, der Gefäßring verengert ſich nach unten zum markloſen Primitivgefäßbündel, welches der Verf., da dieſer Theil der Knoſpe im Baue einer Wurzel entſpricht, Wurzelgefäßbündel nennen möchte. Da nun der untere Theil der Knoſpe mit ſeinem einfachen aus netzför— migen Zellen beſtehenden Gefäßbündel zuerſt entſteht und erſt ſpäter aus dem oberen Ende der Knoſpe die erſten Blätter und deren Gefäße hervorgehen, ſo darf man nicht mehr an— nehmen, daß die Gefäße als wurzelartige Verlängerungen der Blätter zwiſchen Holz und Rinde hinabwachſen. Sämmt— liche Pflanzen, welche der Verf. in dieſer Beziehung unter— ſuchen konnte, gewährten ihm ganz dasſelbe Reſultat. An den Wurzelſtöcken von Tecoma radicans treten die Knoſpen an allen Theilen des Stecklinges, vorzugsweiſe aber in der Nähe abortirter oder mechaniſch zerſtörter Wurzeln her— 234. XI. 14. 212 vor; Häufig erſcheinen fie auf der Baſis der nicht zur Ent: wickelung gekommenen Wurzel. Nach der Art ihres Auf: tretens war die anfängliche Entwickelung etwas verſchieden; bei denjenigen Knoſpen, die an unbeſtimmten Stellen oder in der Nähe der Wurzeln hervortreten, entſtand zuerſt ein⸗ ähnliche Zellenanhäufung wie bei Paulownia, die wie ein kleines ſchlauchartiges Knäul am Cambium mit dem Gefäßſyſteme des Stecklings zuſammenhing. Unterhalb dieſes Körperrudiments waren auch hier ſchon zu dieſer Zeit in der Cambiumſchicht netzförmig verdickte Gefäße vorhanden; dagegen ſah man erſt, wenn an der Spitze der jungen Knoſpe die erſten Blätter erſcheinen, netzförmige Gefäßzellen ſich der Knoſpenſpitze zu⸗ wenden. Dieſe Gefäße verlängern ſich mit dem Wachsthume der Knoſpe, indem ſich an ihrer Spitze fortgeſetzt Zellen netzſörmig verdicken und fo das Gefäßbündel verlängern, das endlich ins Blatt ſelbſt eintritt. Dieſe Gefäße theilen die Zellenmaſſe der jungen Knoſpe in zwei concentriſche Theile, in einen centralen Theil, das Mark, und einen peri— pheriſchen, das Cambium und die Rinde. Die bis dahin von der Rinde des Stecklings überdeckten Knoſpen treten bis jetzt hervor und entfalten ihre Blätter nach außen. Wenn eine Knoſpe da auftritt, wo eine Wurzelfaſer abortirt iſt, ſo zeigt ſich das Gewebe der Rindenſchicht meiſtens bis zum Holzkörper der Wurzel, ja bis in deſſen Inneres zerſtört; in dieſem Falle füllt ſich, wenn eine ſolche Wurzel als Sted- ling benutzt wird, die entſtandene Höhle mit neuem Zell— gewebe, das ſich zu einer beſonders kräftigen Knoſpe entwickelt, deren Baſis im Innern des Holzkörpers und nicht wie bei der normalen Entwickelung, an ſeiner Oberfläche ent⸗ ſpringt; griff die Zerſtörung nicht bis zum Holzringe der Wurzel um ſich, ſo entwickelt ſich die neue Knoſpe aus der Baſis der untergegangenen Wurzelfaſer. In einem Falle wie dem letzteren ſah der Verf. die vom Holzringe der Wurzel zur Knoſpe abgehenden Gefäße ſowohl von unten als don oben kommen. Längsſchnitte ſowie ſchief geführte Schnitte zeigten ihm, daß ſie von allen Seiten der Knoſpe zueilten, während bei normalen Adven— tivknoſpen die Gefäße, nur von unten kommend, in die Knoſpe treten. Der Verf. ſchließt hieraus, daß die Gefäß— bündel der Adventivwurzel, die einen ſolchen Urſprung ha— ben, hier erhalten wurden und ſich fortbildeten, um in die Knoſpe, welche ſtatt der untergegangenen Wurzelfaſer er: ſchienen war, einzutreten. Die Wurzeln von Ailanthus glandulosa können, als Steck⸗ linge behandelt, an drei verſchiedenen Punkten Knoſpen ent⸗ wickeln, 1) aus dem inneren Theile der Rinde in der oben beſchriebenen Weiſe, 2) aus dem äußeren Theile der Rinde und 3) auf der Querſchnittfläche des Stecklings rund um den Holzring; dieſer letzte Fall kommt auch bei Maclura auranliaca vor. Im erſten Falle iſt die Bildung ganz wie bei Paulow- nia; es bilden ſich im Contact mit dem Cambium An— häufungen undurchſichtigen Zellgewebes, aus deren Innerem durchſichtige, reihenartig angeordnete Zellen durchſcheinen, welche in der Richtung des Cambiums, mit dem ſie zuſam⸗ menhängen, verlaufen. Dieſe transparenten Zellen verlieren 213 ſich in das ſie umgebende opake Rindengewebe; aus beiden entſteht eine cylindriſche Maſſe, die ſich entweder an ihrer Spitze oder an ihrer Baſis oder nach rechts oder links ver— größert. Währenddem entwickeln ſich am Cambium und zwar an der Seite des vorjährigen Holzringes nur kleine netzförmig verdickte Gefäßzellen, von denen einige eine be— ſtimmte Strecke mit der Holzſchicht verlaufen, während an— dere von der verticalen Richtung abweichen, einen mehr oder weniger horizontalen Verlauf annehmen, in den durchſchei— nenden Theil der jungen Knoſpe eintreten und ſich in ihm ausbreiten. Eine ſolche Knoſpenanlage hat noch keine Blät— ter, ſie gleicht einer anatropen Samenknoſpe, deren Raphe von einem Gefäßbündel durchſetzt wird. Erſt, nachdem die Gefäße die ganze Knoſpe umgeben, entſtehen an den dem Knoſpengrund entſprechenden Theilen kleine Erhebungen, die zu Blättern werden; dieſe umgeben die Knoſpenſpitze, die ſich zwiſchen erhebt, um nun Blätter zu bilden. Um die Zeit, wo dieſe erſten Blätter erſcheinen, ſieht man zur Seite des Primitivgefäßbündels nahe der Stelle, welche dem hilum einer anatropen Samenknoſpe entſprechen würde, eine kleine Gruppe Gefäßzellen entſtehen; dieſe bilden ein neues Gefäßbündel, das ſich den benachbarten Blättern zuwendet. Um dieſelbe Zeit treten auch hier wie bei Pau- lownia und Tecoma die erſten Spiralgefäße auf, ihr Erſchei— nen iſt kein plötzliches, es bilden ſich vielmehr ganz allmä— lige Übergänge von poröſen Gefäßzellen zu netzförmig ver— dickten und von dieſen zu Spiralgefäßen. Wenn ſich an der Baſis der Knoſpe, wo ſie dem Cambium des Stecklings entſproßt, noch poröſe Gefäße finden, ſo nimmt die Länge ihrer Poren mit der Entfernung der Gefäße von dieſer Baſis zu, ſie gewinnen allmälig das Anſehen der Maſchen netzförmiger Gefäße, auch dieſe Maſchen verlängern ſich mit dem weiteren Verlaufe, ſo daß hier eine Trennung in ſo— genannte falſche und ächte Spiralgefäße, welche den Mark— cylinder der jungen Knoſpe umgeben ſollen, nicht mög— lich iſt. Durch fortgeſetzte Bildung neuer und Vergrößerung der bereits entſtandenen Blätter gewinnt die Knoſpe nach und nach an Größe, ſie durchbricht das Rindengewebe und entwickelt ſich frei nach außen; in den Achſeln der Blätter entſtehen jetzt andere Knoſpen, die ebenfalls wie die Mutter— knoſpe aus einer kleinen gelblich gefärbten Zellenmaſſe ohne Spur von Blättern beſtehen und demnach ſchon bisweilen in ihrem Inneren zarte abrollbare Spiralgefäße zeigen. Die Rinde der Wurzel von Ailanthus glandulosa be— ſteht aus einem äußeren transparenten von regelmäßig rei— henartig angeordneten Zellen gebildeten und einem inneren, gleichfalls zelligen, jedoch opaken Theile, den ein Ring von Baſtfaſern umſchließt; wo dieſe Theile der Rinde zu— ſammentreffen, entwickeln ſich hie und da harte Knoten, welche den Coneretionen der Birne ähnlich ſind und aus dickwandigen poröſen Gefäßen beſtehen. In dem Theile nun, der zwiſchen beiden Rindenſchichten liegt, bilden ſich gleich— falls Knoſpenanfänge; es zeigen ſich kleine zellige Wärzchen, welche die äußere transparente Schicht empor heben; die er— ſten Zellen dieſer Neubildung ſind in horizontalen Reihen 234. XI. 14. 214 angeordnet und, wie der Verf. glaubt, durch die äußerſten Zellen der darunter liegenden opaken Schicht gebildet wor⸗ den. Das ſich vergrößernde Wärzchen durchbricht alsbald die Rinde, gewinnt ein linſenförmiges Anſehen, bildet dar— auf eine kleine hervorragende Knolle, die mit der vorhin beſprochenen Knoſpe nicht zu verwechſeln iſt. Schon bei ihrer Rindendurchbrechung deuten transparente Stellen ihres Innern den Ort an, wo die erſten Gefäße auch hier zeiti— ger als die erſten Blätter der Knoſpe entſtehen; die Gefäße ſtehen ſpäterhin mit dem Cambium im Zuſammenhange. Wo dieſer Zuſammenhang bewerkſtelligt ward, kann der Verf., der hier eine Lücke ſeiner Arbeit bedauert, nicht angeben. In einem Falle ſchienen ihm die dem Cambium nahe gele⸗ genen Gefäße jünger als die der Knoſpenſpitze zu ſein. Die dritte Art der Adoentivknoſpenbildung bei Ailanthus entſprach fo ſehr der Knoſpenbildung bei Maclura, daß der Verf. ſich mit ihr nicht beſonders beſchäftigen, ſondern ſo— gleich zu letzterer Pflanze übergehen will. Bei beiden Pflan⸗ zen entſtehen die Adventioknoſpen nicht wie in den vorher erwähnten Fällen ſeitlich, ſondern am freien abgeſchnittenen Ende der Stecklinge auf der Fläche ihrer Querſchnitte aus der Cambiumſchicht zwiſchen Rinde und Holz. Die erſte hier wahrnehmbare Veränderung beſteht aus einer Bildung hori— zontaler, etwas gebogener Zellenreihen, die von einer dünnen, durchſichtigen Zellenſchicht bedeckt werden. Etwas unterhalb dieſer Bildungen bemerkt man ſchon um dieſe Zeit ein bis zwei kleine netzförmig verdickte Gefäße, die in der Mitte des Cambiums hervortreten. Die anfangs kaum bemerkbaren negförmigen Zeichnungen dieſer Gefäßzellen werden allmälig immer deutlicher. Außer dieſer horizontalen Wachsthumserſcheinung an der Spitze des Cambiums zeigt ſich noch ein ſehr deutliches Wachſen nach oben und ein minder deutliches Wachſen nach abwärts. Das erſtere offen bart ſich zuerſt in dem neu entſtandenen horizontalen Zellgewebe durch eine ſcheinbar ungeregelte Ver— mehrung dieſer Zellen; ſo entſteht eine ähnliche Zellenanhäu— fung, wie ſie in den bereits abgehandelten Fällen der Bildung von Knoſpen vorausging; aus dieſem Gewebe erheben ſich als— bald kleine den Steckling krönende Knollen. Während ſich dieſe Knöllchen entwickeln, verlängern und vermehren ſich auch die Gefäße, ihr Ende erreicht die Knollen. Ob die Vermehrung der Gefäßzellen auch hier auf einer Ausbildung bereits vorhandener Zellen zu Gefäßen beruhte, war dem Verf. nicht möglich zu entſcheiden. Nach⸗ dem die Gefäße in die Knollen gelangt ſind, ſcheint ſich deren Wachsthum auf beſtimmte Punkte zu coneentriren, es entſtehen Knoſpen und zwar mehrere aus einer Knolle. Bis zur Bildung von Blättern waren die Gefäße in Bündel ver— einigt, mit dem Auftreten der letzteren theilten ſie ſich und wichen aus einander, um ein ſich bildendes centrales Mark zu umſchließen. So entſtehen um den Holzkörper der Maclura aurantiaca auf der nach oben gerichteten Schnittfläche der Stecklinge eine Menge Knoſpen, von denen Gefäßbündel in die ſich nach und nach entwickelnden Blätter dieſer Knoſpen, keines— wegs aber nach abwärts in den Steckling verlaufen; die Ge— 14 * 215 fäße der Knoſpen ſchienen dem Verf. gleichſam auf die Ge— fäßbündel des Stecklings gepfropft, manch Mal ſchienen ſie indes auch mit den mehr nach innen gelegenen Gefäßbündeln, die ſcheinbar einen abwärts gehenden Verlauf beſitzen, in Ver— bindung zu ſtehen. Noch früher jedoch als dieſe ſogenann— ten abwärts ſteigenden Gefäße die Baſts des Stecklings er— reichen, bilden ſich nahe dem unteren abgeſchnittenen Theile desſelben, ganz in den eben beſchriebenen Weiſe, analoge Knollen, in deren Innerem ſich wie in den Blattknoſpen ein Primitivgefäßbündel entwickelt und, ganz wie oben beſchrieben, ausbreitet; aus den hier rund um den Holzring entſtandenen Knollen werden indes keine Blattknoſpen ſondern Neben— wurzeln. Wie am oberen Theil des Stecklings ſich aus einem Knöllchen oftmals mehrere Knoſpen bildeten, treten auch hier aus einer Zellenmaſſe häufig mehrere Wurzeln hervor, die auch hier von einem einzigen Gefäßbündel ihre Gefäße erhalten; in den meiſten Fällen bildet indes jede Knolle nur eine Wurzel. Die Spitze der jugendlichen Wur— zeln beſitzt eine Wurzelmütze; unter derſelben umgiebt ein Rindengewebe einen Cylinder lang geſtreckter Zellen; in letzte— rem ſteigt das Gefäßbündel nach abwärts. Nur bei Maclura fand der Verf. die ſoeben beſchriebene Weiſe, Nebenwurzeln zu bilden; bei allen anderen von ihm beobachteten Stecklingen treten die letzteren ſeitlich, niemals wie hier auf der Quer— fihnittfläche des Stecklings hervor. Die Entwickelung dieſer Adventivwurzeln ſcheint nicht der Knoſpenentwicklung untergeordnet, vielmehr von ihr durch— aus unabhängig zu ſein; die Nebenwurzeln treten bisweilen früher, bisweilen gleichzeitig, häufig aber, wie es bei Maclura aurantiaca Regel iſt, erſt nach den Knoſpen auf; wenn letztere bereits 6—8 Centimeter lang find, iſt von den Wur— zeln noch nichts zu entdecken. Schon Dupetit-Thouars ſtellte 1802 während ſei— ner Reife nach den öſtlichen Inſeln Africas mit einer Dra- caena-Art Verſuche an, deren Reſultat, wie der Verf. be— merkt, mit feinen Beobachtungen übereinſtimmt; Thouars fand, daß Stecklinge dieſer Pflanze ſowohl nach unten als nach oben Knoſpen trieben, die oberirdiſchen Knoſpen ent— wickelten ſich zu beblätterten Zweigen, während die unter— irdiſchen Wurzeln bildeten. Die Gefäßbündel der letzteren hatten dieſelbe Neigung, aufwärts zu ſteigen, wie ſich die Ge— fäßbündel der Blätter nach abwärts begeben. Nur an der Spitze der Blätter und in der Spitze der Wurzelfaſer, aber nirgends anders im Stamme ließen ſich die Anfänge der Gefäße entdecken. Einer ſchleimigen, zwiſchen Holz und Rinde befindlichen Flüſſigkeit (dem Cambium, deſſen Gewebe Thouars überſehen) entſproßten beide, Knoſpen und Wur— zeln; beide wurden von ihnen ernährt; während die Faſern der Knoſpen, Feuchtigkeit und Nahrung ſuchend, dem Boden zueilen, wachſen die Faſern der Wurzeln, beides bringend, nach oben, und ſo entſtehen durch eine gleichzeitige Entwicke— lung der Gefäße von oben nach unten und von unten nach oben concentriſche Holzſchichten, welche das ältere Holz bedecken. Thouars glaubte ferner, daß alle Gefäße eines Stammes nach oben in einem Blatte, nach unten in einer Wurzel— faſer endigten. 234. XI. 14. 216 Was die Verlängerung der in den jüngeren Wurzeln befindlichen Gefäße anbetrifft, fo bemerkt der Verf., daß er nirgend eine ſolche Verlängerung nach aufwärts wahrneh⸗ men konnte; eben ſo wenig glaubt er an ein Wachsthum der Gefäße aus den Knoſpen nach unten; ein ſolches iſt nach ihm nur ſcheinbar, die Stammverdickung der Dicoty- ledonen erfolgt nach ihm durch eine Vermehrung der Ele— mente des Cambiums, die in horizontalen Reihen angeord— net ſind. Man könnte hier einwenden, daß bereits durch Maceration der abſteigende Verlauf der Faſern nachgewieſen ſei; der Verf. will auch eine von oben nach unten Statt findende Verdickung nicht in Abrede ſtellen, erklärt dieſelbe aber aus der Richtung der in den jungen Zellen des Rin— dengewebes cireulirenden Nahrungsſäfte. Der Verf. berichtigt darauf Thouars's Anſicht über das Cambium; ſeit 1842 mit Unterſuchungen über dieſe Bildungsſchicht beſchäftigt, fand er niemals eine freie ſchlei— mige Flüſſigkeit, ſondern überall ein parallel mit den Holz— zellen des Stammes ſtrahlenförmig verlaufendes, lang ge— ſtrecktes, den Holzkörper umgebendes Zellgewebe. Durchl dieſes Bildungsgewebe erfolgt nach ihm die Ver⸗ dickung des Stammes, indem es nach der einen Seite neue Rinde, nach der anderen neue Holzſchichten bildet. Im Cambium der Knoſpen von Maclura aurantiaca, die außerordentlich ſchnell wachſen, ſah der Verf. häufig Zellen von ungleich größerem Durchmeſſer nach rechts und links von engeren Zellen umgeben; dieſe weiteren Zellen theilen ſich, wie er glaubt, in mehrere und bilden ſo das Gefäßbündel weiter. Da nun die Blätter zur weiteren Entwickelung und Erhaltung des Baumes durchaus nothwendig ſind, ſowohl die Abſorption erleichtern als die Säfte verarbeiten u. ſ. w., fo muß auch der Nahrungsſaft von den Knoſpen durch das Rindengewebe nach abwärts geführt werden und, wenn ihm kein Hinderniß in den Weg tritt, bis zu den Wurzeln ge— langen; eine Verdickung des Stammes kann aber nur da, wohin dieſer Saft gelangt, alſo nur vom Cambium aus, erfolgen, und ſo erklärt ſich ebenfalls aus der Continuität des Cambiums die Continuität zwiſchen den Wurzeln und Ad— ventioknoſpen, wenn dieſe ein größeres Alter erreicht haben, ohne daß wir Gefäße anzunehmen brauchen, welche, von den Blättern entſandt, dem Boden Nahrung entzögen. Durch Vermittlung des Cambiums allein erfolgt die Verdickung faſt gleichzeitig, in der oberſten Spitze wie in dem unterſten Wurzeltheile eines Baumes. Bei einer ſolchen von oben nach unten fortſchreitenden Verdickung erklärt ſich leicht der Verlauf der Gefäßbündel, die man durch Maceration iſolirte und eben jo ihre ſchein— bare Unterbrechung an Stellen des Stammes oder der Wur— zel wo Aſte abgehen. Was nun die Continuität der Gefäßbündel ſelbſt be— trifft, ſo bemerkt der Verf., wie Dupetit-Thouars ſelbſt an Dracaena einen Gegenbeweis ſeiner Behauptung ge— geben. Der Verf. erinnert an den Epheu, wo dicht unter⸗ halb der Terminalknoſpe oftmals junge Nebenwurzeln auftre— ten, deren Gefäße zuverläſſig nicht den über ihnen liegen— 217 den, noch rudimentären Blättern entfprungen find. Die Blät- ter entſenden überhaupt keine Gefäße, fie empfangen vielmehr ſelbige, d. h. die Gefäße entwickeln ſich, von der Baſis der Knoſpe ausgehend, mit dem Wachsthume derſelben nach oben. Der Verf. hatte ſich beim Beginne ſeiner Arbeit drei Fragen geſtellt, die er am Schluſſe derſelben folgendermaßen beantwortet: 1) Die Adventivknoſpe entwickelt zuerſt ihren Baſtlar— theil, der Stengeltheil zeigt ſich erſt ſpäter. 2) Die erſten Gefäße entwickeln ſich in dieſem Baſtlar— theile, häufig ſchon vor dem Entſtehen der Blätter. 3) Es treten zuerſt nur netzförmig verdickte Gefäße, die ſich in punctirte (geflügelte) Gefäße umwandeln, auf, niemals entſtehen gleich zu Anfang Spiralgefäße. Miſeellen. 37. Über den Einfluß geſalzener Nahrungsmit⸗ tel auf den Verhältnißtheil des in der Ausdünſtung und dem Harne enthaltenen Stickſtoffs hat Hr. Bar- ral an Schafen Verſuche angeſtellt. Zuvörderſt erhielt ein an geſalzenes Futter gewöhntes Schaf 5 Tage lang täglich 12 Gramm Salz und dann 10 Tage lang keines. Während der letzten 4 Tage dieſes Zeitraumes wurden, ſowie während der erſten 5 Tage, wo Salz gefüttert worden, die Futterſtoffe, ſowie alle Ausleerungen gewogen. Alsdann erhielt das Thier wieder 7 Tage lang Salz und nunmehr ſtellte Hr. B. einen dritten viertägigen Verſuch an, 234. XI. 14. 218 während deſſen das Thier täglich 8 Grammen Natriumchlorur (Kochſalz ?) erhielt. Aus der Analyſe des Urines während dieſer drei Perioden ergab ſich das merkwürdige Reſultat, daß durch das Natriumchlorur der Harn viel ſtickſtoffhaltiger wurde. Bei den beiden Verſuchen, wo das Futter geſalzen ward, fand ſich ein dem Überſchuß an Stickſtoff beinahe genau entſprechender Überſchuß an Harnſtoff. Ferner wurde durch dieſe Fütterung der Gehalt an Harnſäure, ſowie überhaupt die Harnſeeretion, theils durch das Waſſer, in welchem ſich bei gehöriger Verlängerung des Verſuchs faſt die ſämmtliche eingeführte Quantität Salz aufgelöſ't findet, theils durch die zugleich mit ausgeſchiedenen organiſchen Stoffe, bedeutend vermehrt. (Gazette med. de Paris, No. 42, 20. Oct.) 38. Über die Anatomie der kalkführenden Bläs— chen der Molluſken hat Hr. Pouchet unlängſt der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften eine Mittheilung gemacht. Er be— ſchreibt dieſes Organ nach Nerita peloronta Linn. Es wird ficht- bar, ſobald man das Weichthier aus ſeiner Schale herausgenom— men. Wenn man die Kiemenhöhle öffnet, ſo bemerkt man, daß die eine Fläche desſelben an dem rectum adhärirt, während die andere in der Höhle frei liegt. Das Bläschen iſt birnförmig, weiß und von vorn nach hinten gerichtet. Es iſt eine Art Beutel, deſſen Grund der hintern Region des Thieres zugewendet iſt und deſſen verdünntes Ende, welches den Ereretionscanal bildet, nach vorn gerichtet iſt, ſich hinter dem rectum krümmt und bei deſſen Höhe ausgeht. In dieſem Bläschen hat der Verf. Kalkkörner gefunden, die häufig durch Schleim an einander geklebt ſind. Es ſcheint ihm bei der Erzeugung der Schale eine wichtige Rolle zu ſpielen und er hat dasſelbe bei etwa 12 Arten von Nerita unterſucht. Er iſt überzeugt, daß es bei keiner Art dieſer Gattung fehlte; nur zeigt es ſich bei manchen Exemplaren undeutlich, zuſammengeſchrumpft und wie leer. Vielleicht iſt die Secretion des Kalkes periodiſch wie bei gewiſſen Cruſtaceen. (Comptes rendus etc., 18. Juin 1849.) Heilkunde. (XXVI.) Unterſuchung des Plattfußſkeletes. Mitgetheilt von Friedrich Betz in Tübingen. Den verſchiedenen Graden, welchen der Plattfuß unter— worfen iſt, müſſen auch verſchiedene Abweichungen in der Mechanik des Fußgerüſtes zu Grunde liegen. Jede Form von Plattfuß hat demnach auch ihre Beſonderheiten, und nur durch die Zuſammenſtellung dieſer verſchiedenen Störungen in der Conſtruction des Plattfußes kann dem Entwickelungs— gange dieſer Krankheit erfolgreich nachgeſpürt werden. Nach— ſtehende Abhandlung ſoll nun als kleiner Beitrag zur patho— logiſchen Anatomie dieſes Übels dienen. Ich werde zuerft die ſpecielle Unterſuchung der Knochen des Fußgerüſtes vor— nehmen und dann zum Totaleindrucke, welchen der Fuß dar— bietet, übergehen. Der astragalus iſt nach vorn und unten gerückt und hat ſich mit ſeinem nach unten gerichteten Kopfe zwiſchen den processus lateralis des calcaneus und das os naviculare hin— ein gedrängt. Die obere Gelenkfläche für die Knochen des Unterſchenkels iſt in der Art verändert, daß die beiden er— habenen Wülſte, welche zwiſchen ſich eine Vertiefung haben, in gleicher Höhe ſtehen, während im geſunden Zuſtande der innere Wulft um 1“ — 1½““ höher ſteht. An der Stelle des Halſes, auf ſeiner Dorſalſeite, erhebt ſich ein ſtarker halb— mondförmiger Vorſprung, der vor ſich das os naviculare hat. Der Kopf erſcheint gerade nach unten geknickt, ſo daß er beinahe einen rechten Winkel bildet mit ſeinem Körper. Er nimmt nur einen kleinen Theil der fovea navicularis oss. navicularis ein, während die ſonſt in der ſchiffförmigen Grube liegende Gelenkfläche des Kopfes nach unten ſieht. Das ta- bereulum tali, ſowie der für den flexor longus hallucis be- ſtimmte suleus ift ſtark ausgeprägt. — Calc aneus. Der Rücken des calcaneus iſt ſtark nach innen gerichtet, vom Kör— per unter einem nach vorn offenen ſpitzen Winkel abgewen— det. Der etwas ausgeſchweifte Rücken iſt abgeflacht. Der tuber calcanei ſieht nach außen und der äußere Rand des— ſelben erſcheint gleichſam erhaben. Unten und außen am tuber findet ſich im normalen Felſenbeine ein kleiner Höcker, tuberculum calcanei. Dieſer iſt beim Plattfuße ſtark ausge— prägt und nach oben gewendet. An der äußern Seite des calcaneus zieht ſich bei dem Plattfuße ein rauher, ſtark vor— ſpringender Riff hin gegen den processus anterior. Der si- 219 nus tarsi ift abgeflacht und in demſelben ſteht der äußere ſeitliche Höcker des talus (tubere. lateral. extern. tali). Die obere Fläche des calcaneus iſt vom talus beinahe unbedeckt, der processus anterior vorgeſchoben und verlängert. — An der unteren Fläche des calcaneus zieht ſich beim normalen Bein ein etwas abgerundeter Wulſt hin, der vorn mit einem Höcker endet. Der Wulſt iſt beim Plattfuß hinten ſtark aus— geſchweift und der Höcker vorragender. Die innere Fläche iſt beim Plattfuß mehr ausgeſchweift und zwar von vorn und außen nach hinten und oben, beſonders iſt der äußere Theil ausgeſchweift. Der processus lateralis ſpringt ſtark vor, die nach vorn und oben ſtehende Gelenkfläche für die untere Fläche des Kopfes und Halſes des Sprungbeines iſt gerade nach vorne gerichtet. — Die vordere für das os cuboideum beſtimmte Gelenkfläche iſt mit einem erhabenen Rande umgeben. — Das os naviculare iſt hinunter gedrückt, das tuberculum gerade nach abwärts und etwas nach hinten gerichtet. Das os naviculare ſteht tiefer als die drei keilförmigen Knochen und berührt beinahe die Ebene des Bodens nur 2—3“ noch von ihr entfernt, während es im Nor— malzuſtande ungefähr 1 Zoll von derſelben entfernt iſt. Der äußere Theil des os naviculare, welcher an das os cuboi- deum grenzt, erſcheint zuſammengepreßt, ebenſo die Dorfal- fläche. Zwiſchen os naviculare und Hals des talus und vor— dern Fortſatz des calcaneus und os cuboideum iſt eine 1““ breite und 1“ lange Kluft, wo die Knochen alſo einander nicht berühren. Das os cuboideum hat, ſtatt einer von innen nach außen abſchüſſigen, eine mehr horizontale Lage. Der Theil des os cuboideum, welcher vor der linea obliqua liegt gegen die Baſis der zwei letzten Metatarſusknochen hin, iſt nach oben gerichtet, jo daß die Rückenfläche ſanft ausge höhlt erſcheint; es findet ſich in der Mitte der Dorſalfläche eine dutenartige Vertiefung. An der Plantarſeite bildet die linea obliqua keine iſolirten Wülſte, ſondern geht in eine Ebene mit dem hinter ihm gelegenen Theil des Knochens über. — Das os cuneiforme primum und secun- dum find nach unten gedrückt, jo daß die Wölbung, welche die drei keilförmigen Knochen auf dem Rücken bilden, abge— flacht erſcheint. — Das os cuneiforme tertium ſteht im Niveau des secundum, ſcheint jedoch etwas nach oben geſchoben. Das os metatarsi hallueis ſteht unter eis nem ſtumpfen Winkel von dem innern Rande der Fußwur⸗ zelknochen ab. Die diaphysis des os metatarsi secundi iſt ſtark nach unten concav, weniger ſtark das os metatarsi tertii. Das tuberculum oss. metatarsi quinti ragt bedeutend vor und iſt nach oben gehoben. Die capi- ta oss. metatarsi ſtehen alle ſtark aus einander. Der Totaleindruck, welchen das Fußſkelet macht, bietet eine Einknickung zwiſchen der vordern Fußwurzelreihe und den hintern drei Knochen dar, beſonders ausgeprägt er— ſcheint die Einknickung zwiſchen den drei keilförmigen Knochen und dem Schiffbein. Ferner zeigt ſich ein erhabener von bin: ten nach vorn ſanft converer Rücken, welcher von den drei keilförmigen Knochen und den Baſen der drei entſprechenden Metatarſusknochen gebildet wird. Die Höhe dieſer Wölbung entſpricht den Verbindungsſtellen dieſer ſechs Knochen. Dieſe 234. XI. 14. 220 Einknickung entſtand durch das Hinuntergedrücktwerden des Kopfes des talus zwiſchen das os naviculare und proc. late- ralis calcanei. Dadurch wurde das tuberculum ossis navicu- laris 1 Zoll vom proc. lateralis des calcaneus entfernt, wäh⸗ rend im Normalzuſtande die Entfernung kaum ½ Zoll be⸗ trägt. Dadurch, daß das os naviculare von dem Kopfe des talus gedrückt wurde, ſenkten ſich nach hinten die mit dem os naviculare feſt verbundenen drei keilförmigen Knochen, jo daß ſie hinten tiefer ſtehen als vorne, während ſie hinten höher ſtehen ſollen, um dem Fußrücken die von hinten und oben nach vorn und unten gehende Wölbung zu geben. Dieſe verkehrte Lagerichtung betrifft beſonders das zweite und dritte Keilbein. Die Urſache der ganzen Reihenfolge von Form- und Lageveränderungen der Fußwurzelknochen hätten wir ſomit in der fehlerhaften Stellung der ſpontanen Subluxation des Kopfes des talus zu ſuchen. Die Knochen, welche das Ge— wölbe des innern Fußrandes bilden, wurden durch das Ge⸗ wicht des Körpers gegen die Ebene des Bodens gedrückt. Der calcaneus mußte nach außen weichen und ſich gleichſam um ſeine Achſe drehen. Was jedoch der Grund dieſer Verrückung des Kopfes des astragalus war, ob eine Erſchlaffung in einer früheren Periode des den Kopf des talus tragenden ligamen- tum plantare s. cartilagineum in Folge eines ſeröſen Erſuda⸗ tionsproceſſes im Gelenke u. ſ. w., müßten anderweitige Unter⸗ ſuchungen darthun. Wie geſagt, die Gelenkfläche des caput tali ruhte beim Plattfuß größtentheils auf dieſem Bande, ſtatt in der Gelenkfläche des os naviculare. — Die Bänder des tarsus find durchgehends kräftig, beſonders iſt es das guberna- culum tali, das ſich an dem erhabenen Riffe am Anfange des talus anſetzt, ſowie das ligamentum plantare. (XXVII.) Erereirknochen im rechten musc. soleus. Beobachtet von Friedrich Betz in Tübingen. Obwohl die Exercirknochen keine jo ſeltenen Erſcheinungen ſind, z. B. im m. deltoideus, biceps u. ſ. w., ſo glaube ich doch, daß die Beobachtung eines ſolchen im m. soleus keine unintereſſante Notiz ſein wird. — Ich fand denſelben in der Leiche eines lange im Dienſte geweſenen Landjägers. Der Exertir⸗ knochen lag an dem inneren Rande des oben genannten Muskels, ungefähr an der Stelle, wo das untere Drittel des Unter⸗ ſchenkels in das mittlere übergeht. Er war 4 Linien lang und 1 Linie dick und lag etwas ſchief in der Musculatur und ganz oberflächlich. An beiden Enden etwas zugeſpitzt, fab er einem Haferkorne nicht unähnlich. Seine etwas unebene Oberfläche war von einer“ fettloſen Zellſtoffſchicht umgeben. Die äußere Schicht war ziemlich hart, die innere jedoch be⸗ ſtand aus einem dünneren und dickeren Kalkbrei, in dem härtere Kalkbröckelchen enthalten waren. Löſ'te man ein ſol⸗ ches Kalkbröckelchen durch Salzſäure auf, ſo blieb eine fein⸗ körnige organiſche Subſtanz zurück; von Knochenpörchen oder Fetttröͤpfchen fand ſich keine Spur vor. Dieſer Fall iſt noch deshalb erwäbnenswerth, weil Rokitanſky die Exer⸗ cirknochen unter die wahren Knochenneubildungen aufnimmt, 221 234. während nach der eben angeführten mikroſkopiſchen Unter— ſuchung der von mir beobachtete mehr zu den Verirdungen zu zählen iſt. Dieſer Erereirknochen wurde wohl durch den auf der linken Seite getragenen Säbel verurſacht, welcher beim Gehen beſtändig mit ſeiner Spitze an die oben angege— bene Stelle anſchlug. (XXVIII.) Varicöſe Anſchwellung der Arterien an der Oberfläche des eranjum. Auf einander folgende Unter- bindungen der art. carotis externa, communis und interna. Hämorrhagie. Störung in den Func⸗ tionen des Gehirns. Tod. Leichenöffnung. Hr. Maifonneupe legte am 17. Oct. der Société de Chirurgie zu Paris ein Präparat vor, welches eine vari— cöſe Arteriengeſchwulſt darſtellte, die den gewöhnlichen eree— tilen Charakter nicht haͤtte. Sie entwickelte ſich bei einer Frau von einigen und dreißig Jahren und guter Conſti⸗ tution und wurde von ihr erſt vor etwa 2 Monaten be— merkt. Sie befand ſich an der linken Seite des Kopfes in der Schläfengegend und vergrößerte ſich, heftige Schmerzen veranlaſſend, ſehr ſchnell, ſo daß man fürchtete, die rechte Seite des Kopfes werde gleichfalls ergriffen werden. Hr. Maiſonneuve, welcher die Kranke in das Co— chinhofpital aufgenommen hatte, unterſuchte, was für eine Operation er vorzunehmen habe und entſchied ſich für die Unterbindung einer Arterie. Da ihm jedoch bekannt war, daß dieſe Operation an der carotis communis gegen der— gleichen Geſchwülſte nichts geholfen hatte, ſo war er un— ſchlüſſig, welche Arterie oder Arterien er am zweckmäßigſten zu unterbinden habe. Hr. P. Bérard hatte vorgeſchlagen, erſt die gemeinſame und dann die innere carotis zu untere binden; allein dieſe Meinung war noch nicht durch die Er— fahrung für richtig erkannt worden. Eben ſo war die Un— terbindung der carotis externa, ſo viel Hrn. Maiſonneubve bekannt, bisher nur gegen Leiden traumatiſcher Natur an— gewandt worden. Für dieſe von Hrn. Velpeau in Vor: ſchlag gebrachte einfache Operation entſchied ſich der Chirurg und führte ſie ſchnell, 5 —6 Linien von dem Urſprunge dieſer Arterie, aus. Die thyreoidea superior wurde, der größeren Sicherheit halber, gleichzeitig mit der carotis ex- terna unterbunden. Gleich darauf hörte die Geſchwulſt auf zu klopfen und verkleinerte ſich. Der Zuſtand der Kranken war befriedigend. Sechzehn Tage lang ging alles gut. Dann fiel der Ligaturfaden ab und die Eiterung ward ſtär— ker. Noch vier Tage verſtrichen leidlich; allein am Sten trat eine, allerdings nicht bedeutende, Blutung aus der Wunde ein. Um dieſe zu ſtillen, begnügte man ſich mit der Com— preſſton, mit der man zwei Tage lang ausreichte. Allein da die Nachblutung ſich noch zwei Mal erneuerte, ſo durch— ſchnitt Hr. Maiſonneuve die Narbe und legte die carotis primitiva bloß, deren Unterbindung jedoch nur nach Über— windung bedeutender Schwierigkeiten bewirkt werden konnte. Da trotzdem die Blutungen nicht aufhörten, ſo wurde auch die innere carotis bloß gelegt; allein da man es nicht thun— XI. 14. 222 lich fand, dieſelbe vollſtändig zu iſoliren, ſo mußte man ſich mit der mittelbaren Unterbindung derſelben begnügen. Man hatte dabei zwar vermieden, den pneumogaſtriſchen Ner— ven in die Schlinge des Fadens mit einzuſchließen, allein der ſympathiſche Nerv ward aus Verſehen mit einbegriffen. Gleich darauf wurde das Geſicht der Kranken auf der linken Seite hemiplegiſch. Dieſe Lähmung machte ſchnelle Fortſchritte, war am folgenden Tage vollſtändig, verbreitete ſich über die ganze eine Seite des Körpers und führte am dritten Tage den Tod herbei. Die Leichenöffnung ward 23 Stunden nach dem Tode vorgenommen und ließ folgende krankhafte Veränderung erkennen. Der ganze rechte Lappen des großen Hirns war ſpha— celös. Die bei der Höhe der carotis externa angelegte Li— gatur hatte jede Spur der gabelförmigen Spaltung der Ar— terie vernichtet. In der Ligatur der carotis interna befand ſich ein Aſt des großen ſymphatiſchen Nerven und die Liga— tur des Stammes der carotis hatte denſelben Nerven ein— geſchnürt. Was die Geſchwulſt betrifft, ſo beſtand dieſelbe aus einem Gewirre erweiterter kleiner Arterien, die eine Art von Arterienvarir mit dicht an einander liegenden Gefäßanſchwel— lungen bildeten. Es iſt dies, ſagt Hr. Maiſonneuve, ein merkwürdiges Beiſpiel von Arterioſtaſie der Schläfen— arterien und ihm iſt kein Fall bekannt, in welchem die von ihm angewandten Operationen bereits in Ausführung gebracht worden wären. Der tödtliche Ausgang beweiſ't wiederum die Gefahr der Unterbindung der urſprünglichen carotis. Unter hundert und einigen Fällen, wo dieſe Unterbindung Statt fand, trat in zwanzig und einigen der Tod durch Hemiplegie und Erweichung des Gehirns, Hrn. Maiſon— neuves Meinung zu Folge, durch Gangrän, ein. Dieſe Fälle hat der Verf. aus den Werken vieler Chirurgen zu— ſammengetragen. (Gazette des Höpitaux, 27. Oct. 1849.) (XXIX.) Ein neuer Fall von Tödtung durch Chloroform. Bericht an die Pariſer medic. Akad. von Dr. A. de Confevron. Mad. Lebrune, 30 Jahre alt, Mutter mehrerer Kin— der, in voller Lebenskraft und von ſehr reizbarem nervöſem Temperamente, war im vorigen Jahre behufs geringfügiger chirurgiſcher Operationen mit dem beſten Erfolge von mir ätheriſirt worden. Am 23. Auguſt dieſes Jahres ſollte ihr von ihrem Zahnarzte ein Backenzahn ausgezogen werden, und beſonderer Umſtände wegen ließ ſich vorherſehen, daß die Operation ziemlich ſchmerzhaft fein würde. Mad. Le— brune verlangte deshalb wiederum ätheriſirt zu werden und ließ mich demgemäß zugleich mit dem Zahnarzte zu ſich be- ſcheiden. Obgleich ich nun, namentlich da ſelbſt geſchickte Arzte bei der Anwendung des Athers ꝛc. Unglücksfälle ver— anlaßt haben, durchaus abgeneigt bin, dergleichen Dämpfe bei unbedeutenden Operationen einathmen zu laſſen, ſo glaubte ich doch in dieſem Falle eine Ausnahme machen 223 zu dürfen, da dieſe Dame das Atheriſiren früher fo gut vertragen hatte. Übrigens nahm ich mir vor, das Mittel in möglichſt gelindem Grade anzuwenden. Ich legte auf das Schnupftuch der Patientin eine Baumwollenkugel von der Größe einer Haſelnuß, welche mit weniger als 1 Gramm Chloroform befeuchtet war. Mad. Lebrune hielt es ſich ſelbſt unter die Naſe und zwar nicht unmittelbar an dieſelbe, ſo daß ſich die Luft mit den Chloroformdämpfen gehörig vermiſchen konnte. Nach 8—10 Secunden zeigte ſich die Wirkung, indem die Augen— lieder blinzelten. Ich bedeutete nun den Zahnarzt, daß er die Operation vornehmen könne; allein die Patientin, welche ſich nicht hinreichend betäubt fühlte, ſtieß die Hand des Operateurs zurück, deutete uns durch Zeichen an, daß ſie noch nicht empfindungslos ſei, hielt das Schnupftuch wieder unter die Naſe und athmete 4—5 Mal tief ein. In dieſem Augenblicke zog ich ſelbſt das Schnupftuch weg, welches ſie feſt an die Naſe preßte. Während ich es auf ein in der tähe ſtehendes Möbel legte, ließ ich fie einen Augenblick aus den Augen, aber als ich meine Blicke wieder auf fie heftete, war ihr Geſicht ſchon blaß, ihre Lippen entfärbt, die Züge entſtellt, die Augen verdreht, die Pupillen gräß— lich erweitert, die Kiefer ſo feſt geſchloſſen, daß der Zahn— arzt ſie nicht von einander bringen konnte und der Kopf zurückgeſunken. Der Puls war verſchwunden; alle Extremi— täten völlig ſchlaff und nur an den mit langen Unterbre— chungen Statt findenden Athemzügen bemerkte man, daß noch Leben im Körper war. Unverzüglich ward nun alles angewandt, was ſich in einem ſolchen Falle thun läßt, und über zwei Stunden lang ohne allen Erfolg fortgeſetzt. Die Naſenhöhlen wurden mit Ammonium gereizt, die Arme und der thorax bewegt, wieder— holt Luft in die Lungen eingeblaſen und das künſtliche Athmen längere Zeit unterhalten. Man rieb den thorax und dann den ganzen Körper mit Ammonium ein; man cauteriſirte die Präcordialgegend mit glühenden Kohlen und wandte mittels einer ſtarken Voltaiſchen Säule, die ſich ſchnell aus der Nachbarſchaft herbeiſchaffen ließ, das Gal— vanifiren an. Allein das Leben ließ ſich nicht wieder zu— rückrufen. Seit dem Februar 1847 ätheriſtre ich täglich, ſowohl in den Hoſpitälern als in meiner Privatpraxis, allein nie habe ich ſchwächere Doſen oder mehr Vorſicht angewandt als in dieſem Falle. Das Chloroform war an der freien Luft, ohne Apparat, eingeathmet worden, ſo daß ſich die atmoſphäriſche Luft in großer Menge mit den Dämpfen hatte vermiſchen müſſen; überhaupt war das Mittel in der milde— ſten gefahrloſeſten Form zur Anwendung gekommen. Auch 234. XI. 14. 224 litt die Dame an keiner, dasſelbe contraindicirenden or⸗ ganiſchen Krankheit. Übrigens hatte Mad. L., was mir jedoch damals nicht bekannt war, an demſelben Tage eine heftige Gemüthsbewegung erlitten; allein damit war die Sache noch keineswegs genügend aufgeklärt. Die Leichenöffnung fand, mit Erlaubniß der Verwandten, 38 Stunden nach dem Tode und im Beiſein der Hrn. Montrol und Faure Statt. Die Gehirnmembranen, und beſonders die Venen an der Baſis des cranium, ſtrotzten von ſchwarzem flüſſigem Blute. Die sinus der dura mater waren damit gefüllt. Die Subſtanz des Gehirns zeigte ſich beim Einſchneiden in das— ſelbe getüpfelt, und aus den dabei verletzten Capillargefäßen trat ſchwarzes Blut aus. Die Hirnſubſtanz war unver: ſehrt und von normaler Conſiſtenz. An der Baſis des cra- nium befand ſich Seroſität in ziemlich bedeutender Menge, welche den Wirbelſäulencanal ausfüllte. In allen Venen an der Baſis des eranium, ſelbſt in denen von ſehr mäßiger Stärke, fanden wir eine bedeutende Menge Luftblaſen, welche die Flüſſigkeit unterbrachen und leicht von einer Stelle zur andern rückten. Das Herz war ſchlaff, und beim Ein— ſtechen in das linke Herzohr entwich ſchwarzes flüſſiges Blut mit Luftblaſen. In den Herzhöhlen befand ſich kein coa- gulum. Die großen Venen des Rumpfes enthielten gleich— falls eine große Menge ſchwarzen flüſſigen Blutes. Die ihrem ganzen Umfange nach vollkommen kniſternden Lungen waren ſchiefergrau gefärbt, und auch im Innern zeigten ſie dieſelbe Farbe. Das abdomen war durch Gaſe ausgedehnt. Der Darmcanal ward nicht geöffnet. (Gazette médicale de Paris, Nr. 42, 20. Oct.) Auch aus Berlin wird ein ganz ähnlicher Fall ge— meldet. (Deutſche Klinik 2.) Miſecellen. (26) Chloroform in der Militärpraris. In einem Berichte über die Thätigkeit der Militärärzte bei der franzöſiſchen Expedition nach Rom findet ſich, Gaz. Med. 3. Novbr., die Bemer⸗ kung, daß Hr. Paſquier von dem Gebrauche des Chloroforms noch während der Aufregung der Schlacht, während des ſ. g. Ba⸗ taillenraufches, faſt immer eine übermäßige Aufregung, oft gefähr⸗ liche Erſcheinungen erfolgen ſah, wonach auch die weiteren Folgen bedenklich waren, ſo daß leicht Delirien und heftiges Wundfieber folgte. (27) Zur Sicherſtellung vor der Gefahr des Ver⸗ brennens wird jetzt von einem Hrn. Latts zu Dundee eine Art unverbrennlichen Zeuchs zu Kleidern für Damen und Kinder verfertigt, welche bekanntlich bei der in England üblichen Kamin⸗ heizung Brandſchäden ſehr ausgeſetzt ſind. Es beſteht aus einem gedruckten Kattun, der mit einer Auflöſung von phosyhorſaurem Talk behandelt iſt. Beim Anbrennen erliſcht die Flamme von ſelbſt wieder und weder durch Funken noch glühende Kohlen kann es in Brand gerathen. (The Athenaeum, 6. Oct. 1849.) H. B. Geinitz, das Quadersandsteingebirge oder Kreidegebirge in Deutsch- land. Hälfte. gr. 80. Geh. ¼ Thlr. Graz und Gerlach in Freiburg Repertorium der Physik. Bd. VIII Enthält: Galvanismus, von W. Beelz. Akustik, von A. Seebeck. gr. 8. Geh. 3 Thlr. Veit & Comp. in Berlin 1849. di Bibliographiſche Neuigkeiten. J. J. Bychner, Abhandlung über das Thierarznei-Institut der Hochschule zu Bern. gr. 4% 1847. In Comm. Geh. 16 Ngr. Bern 1849. 2 Th. Troxler, über das Wesen des Scheintod’s und den durch Ather und Chloroform erzeugten Zustand. gr. So. 1848. In Comm. Geh. %, Tir. Bern 1849. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. *. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Neihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 235. (Nr. 15. des XI. Bandes.) December 1849. Naturkunde. Durand und Manoury, das Wachſen der dieotyledoniſchen Stämme in die Dicke. — Bonſean, Glairine und Zolodine der Mineral- waſſer. — Mifcellen. vation der Milch. Marchal, Vermehrung der Fibrine im Blute durch Wärme. Schrötter, allotropiſche Beſchaffenheit des Phosphors. — Heilkunde. Barthelemy und Buſſy, über feſte Milch. Delignae, Conſer⸗ Conolly, die phyſiſcheu Urſachen des Wahnſinns. — Lomax, Bruch des Schädelknochens mit Blutung aus den Ohren. — Berland, envermijce Anwendung des Morphineſalzes bei epidemiſcher Ruhr. — Miſcellen. Rizzi, Erweichung des vorderen Hirnlappens mit Verluſt der Sprache. Nealli, Extraction eines fremden Körpers aus dem rectum durch Gaſtrotomie. Tahlor, Ausſchneidung eines Stückes des vas deferens ftatt der exstirpatio testis. — Bibliographie. — Zur Nachricht. XXVI. Commiſſtonsbericht über eine Abhandlung der HHrn. Durand und Manoury in Caen, betreffend das Wachſen der dicotyledoniſchen Stämme in die Dicke. Mitglieder der Commiſſion Ad. de Juſſieu, Ach. Richard, Berichterſtatter Charles Gaudich aud. Grew und Malpighi warfen faſt zu gleicher Zeit den erſten Lichtſtrahl Auf dieſe der Pflanzenphyſiologie fo wichtige Frage; ihnen folgte ein halbes Jahrhundert ſpäter Agricola, ohne jedoch allgemein verſtanden zu werden. Das Wachſen in die Dicke erfolgte nach den beiden erſten Beobachtern durch eine organiſationsfähige Fluͤſſigkeit, die zwiſchen Holz und Rinde ſtrömte und von Grew Cambium - genannt ward; nach letzterem bildete dieſes Cambium direct Holz und Rinde; nach Malpighi bildete es nur den Baſt, deſſen jährige Schichten ſich allmälig in Splint umwandeln ſollten. Agricola gelangte, von einem anderen Geſichts— punkte ausgehend, faſt zu denſelben Reſultaten ſeiner Vor— gänger; nach ihm enthalten alle Theile einer lebenden Pflanze die zur Bildung des Stammes wie der Wurzeln nöthigen flüſſigen Elemente, nach ihm haben die Zweige des Baumes eben ſo gut ihre Wurzeln wie die Baſis ſeines Stammes. Duhamel und feine Zeitgenoffen ſchloſſen ſich theils Grew, theils Malpighi an, die Botaniker der neuern Zeit haben größtentheils die Grewſche Cambiumtheorie angenommen; einige Phyſiologen verſtehen aber gegenwär— tig unter Cambium nicht mehr eine von der Spitze des Baumes bis zu ſeiner Baſis herabſteigende bildungsfähige Flüſſigkeit, ſondern einen Nahrungsſaft, der in einem Bil— dungszellgewebe zwiſchen Holz und Rinde cireulirt und nach der Art der Pflanze ein ihr eigenthümliches Holz und eine ihr eigenthümliche Rinde bildet. Noch andere verſtehen unter No. 2215. — 1115. — 235. Natur kunde. Cambium das Bilbungsgewebe ſelbſt, das ſich nach innen in Holz, nach auf in Rinde umwandelt. Wieder andere haben neuerlich alle Cambiumtheorien und ſelbſt den Namen Cambium verworfen, und obſchon ſie annehmen, daß die Pflanzengewebe, ehe fie feſt werden, verſchiedene Grade flüſ— ſiger Beſchaffenheit und Verarbeitung durchlaufen, glauben ſie dennoch an keine Ahnlichkeit zwiſchen den urſprünglichen parenchymatiſchen Geweben und dem Gefäß- und Holz— gewebe. Die Verf. der zu beſprechenden Abhandlung, Durand und Manoury, ſchließen ſich dieſer letzteren Anſicht an, ihre zahlreichen und ſchönen Verſuche wurden vorzugsweiſe mit Runkelrüben angeſtellt. Der wurzelförmige Stamm der Runkelrübe erhebt ſich bekanntlich 10 bis 15 Centimeter über das Erdreich, dieſer überirdiſche Theil war es, mit dem ſich die Verf. beſchäf— tigten; ferner bilden die Runkelrüben 6 bis 10 beſtimmte Zonen oder auf einander folgende Parenchymſchichten, die ſich vom Mittelpunkte aus nach dem Umkereiſe entwickeln und durch Faſergewebe getrennt ſind. Letztere Gewebe wur— den früher von einem Mitgliede der Commiſſion als Wur— zelgefäße, die von der Spitze des Stammes bis zu den Wur- zeln verlaufen, beſchrieben. Die Runkelrübe eignet ſich durch dieſen eigenthümlichen Bau und insbeſondere durch die Trennung der auf einander folgenden Holzgewebe durch dicke Parenchymſchichten ganz beſonders zur Demonſtration der neueren phyſiologiſchen Anſicht, durch ſie wird überdies, wie der Berichterſtatter glaubt, die völlige Unabhängigkeit der organiſirenden Elemente der verſchiedenen Gewebarten, ſowie das allmälige Abwärts⸗ 9 ſteigen der ſogenannten Wurzel- oder Holzgefuͤße bewieſen. Die Commiſſion kommt nunmehr zu den Hauptsver— ſuchen der Verf. ſelbſt. Die Verf. entnahmen am 4. Aus 15 — — 227 guft 1846 einer Runkelrübe 8 Centimeter unterhalb ihres oberen Endes in ihrem ganzen Umkreiſe 4 Schichten, ſo daß das übrigbleibende nur einem Cylinder, den die Ter— minalknoſpe krönte, glich. Dieſer 8 Centimeter lange Cy— linder hatte nur 48 Millimeter Umfang und beſtand nur aus einer einzigen das Mark umgebenden Schicht. Die Wundflächen vernarbten an der Luft ſehr bald, es entſtand eine dicke Borke; die Terminalknoſpe entwickelte ſich, entfal— tete nun Blätter, auch der Cylinder wuchs. Am 1. Oct. betrug ſeine Länge 15 Centimeter, ſein Umfang hatte vor— zugsweiſe an der Spitze zugenommen, er maß dort 14 Cen— timeter. Die Rübe ward jetzt der Länge nach durch ihre Mitte geſpalten; die Schicht, welche man dem Cylinder ge— laſſen, hatte ſich ihrem Durchmeſſer nach bedeutend entwickelt, aber nur ihr Zellgewebe vermehrt. Nach außen waren 5 neue Schichten entwickelt, die Holzfaſern dieſer neuen Schich— ten ſtiegen bis zur Baſis des Cylinders herab und ſchienen dort den horizontalen Raum, der ſie von dem Rande des unteren unverſehrt gebliebenen Theiles der Rübe trennte, durchbrechen zu wollen. Dieſer untere Theil hatte bedeutend, aber einzig und allein in ſeiner innerſten Schicht, die mit der am Cylinder er— haltenen correſpondirte, zugenommen; die äußeren Schichten waren in ihrem Primitivzuſtande verblieben. Die Verf. unterſuchten die an der Spitze des Cylin— ders neu entſtandenen Schichten und fanden, daß die Holz— fafern direct von den Blättern, die ſich nach einander ent— wickelt hatten, ausgingen, und daß die Faſern der äußerſten Schicht den innerſten jüngſten Blättern angehörten, dieſe Faſern waren immer die ſchwächſten und kürzeſten. Ein anderer Verſuch ward in folgender Weiſe ange— ſtellt. Einer Runkelrübe ward am 21. Juli 1846 vom oberen Theile mehr als die Hälfte weggenommen, je— doch die Terminalknoſpe unverſehrt gelaſſen. Die entgegen— geſetzte Seite und die Ränder der vernarbten Fläche nahmen beträchtlich zu, es bildeten ſich neue Schichten, während die verſtümmelte Baſis die Zahl ihrer 6 Schichten, welche ſie ſchon vor der Operation beſaß, nicht vermehrte. An demſelben Tage entfernten die Verf. von einer an— dern Rübe eine peripheriſche 3 Centimeter lange Schicht, fchon wenige Tage darauf war die 12 Centimeter im Um— fang meſſende Wundfläche vollſtändig vernarbt und mit einer Art Oberhaut bedeckt; im October maß der Umfang der vernarbten Wundfläche 18 Centimeter und 5 Millimeter, es waren nach außen zu neue Schichten entſtanden; man ſah auf einem Längsſchnitte im ganzen oberen Theile die Holz— * faſern deutlich herabſteigen, eben jo im mittleren vormals entrindeten Theile, von dem ſie ſich ihres unregelmäßigen Verlaufs ungeachtet längs der Oberfläche bis zum unteren Theile verfolgen ließen; hier waren die Faſern der Mitte und nach ihnen die Faſern der älteſten Schicht die ſtärkſten und längſten. Verſchiedene andere Verſuche hatten gleichen Erfolg, beſonders wichtig erſchienen der Commiſſion indes die bei— den folgenden Thatſachen. An demſelben Tage, den 21. Juli 1846, machten die Verf. nahe der Spitze einer Runkelrübe einen Kreiseinſchnitt, 235. XI. 15. 228 der durch 2 der concentriſchen Schichten drang; von dieſem Einſchnitte aus ſchälten ſie nach unten zu in einer Lunge von 9 Centimeter die Rinde und ſogar an einigen Stellen einen Theil der äußeren Parenchymſchicht ab. Die ſo nach unten entrindete Rübe hielt 10 Centimeter im Umfang; in derſelben Gegend gemeſſen, hatte ſie am 1. Oct. einen Um⸗ fang von 35 Centimeter, die Länge dieſes Theils war von 9 Centimeter auf 16 Centimeter geſtiegen. Die Zahl der Schichten hatten ſich, wie eine nähere Unterſuchung ergab, in dieſem Theile nicht vermehrt, es war nicht ein Mal eine neue Rinde entſtanden, die Überreſte der angeſchnittenen Schichten waren unverändert geblieben. Der über dem Kreis⸗ einſchnitte gelegene Theil der Wurzel hatte dagegen neue Schichten gebildet. Die Verf. folgern aus dieſen und aus mehreren ähnlichen Verſuchen die Präexiſtenz der Holzfaſern als zur Bildung der Rinde nothwendig. Die Commiſſion fieht in letzterem Verſuche den Beweis für das Wachſen in die Länge und Dicke durch Gefäßfaſern, die im Mittelpunkte präeriſtiren und ſich verlängern, während ſich das Zellgewebe gleichzeitig entwickelt. Nachdem einer Rübe die Terminalknoſpen genommen worden, ward in die Markachſe derſelben mit einem ſtarken Stechbohrer ein tiefes Loch gebohrt. Um dieſes Loch hat⸗ ten ſich ſchon bald darauf eine Menge junger Knoſpen ge— bildet; das Loch ſelbſt war durch dieſe Vegetation viel wei: ter geworden, wie ſich überhaupt der Rübenkörper ſehr ent⸗ wickelt hatte. Beim Durchſchneiden zeigte es ſich, daß die von den am Rande gelegenen Knoſpen ausgehenden Faſern den gewöhnlichen Weg verfolgt hatten, auch ſie waren unter— halb der Rinde nach abwärts gegangen; die nach der Mitte zu, d. h. am inneren Rande des Loches gelegenen Knoſpen zeigten dagegen eine ganz neue fi das Wachsthum des Holzgewebes ſehr wichtige Erſcheinung. Nur am oberen Theile der Höhlung hatte ſich nämlich eine Rinde gebildet, unter welcher man deutlich die von der Knoſpe des innern Randes abgehenden Holzfaſern verfolgen konnte; wo dieſe Rinde aufhörte, änderte ſich auch die Richtung der Faſern, fie gingen abwärts ſteigend durch alle concentriſchen Schich— ten der Rübe hindurch, um früher oder ſpäter den äußern Umkreis zu gewinnen und ſich dort unter die Faſern der am äußern Rande gelegenen Knoſpen zu miſchen. In einem zweiten Verſuche derſelben Art, wo das centrale Loch noch größer gemacht wurde und ſich die Wundfläche ganz mit einer Art Rinde bekleidet hatte, ſtiegen die Faſern der am innern Rande dieſes Loches gelegenen Knoſpen bis ans Ende der Aushöhlung unter der neuen Rinde hinab, wandten ſich aber von da ab gegen die Peripherie. Verſuche mit verſchiedenen andern Pflanzen, insbeſon- dere mit Pereskia und Citrus-Stämmen, die ringförmig ent- rindet wurden, unterſtützten die bereits mitgetheilten Reſul⸗ tate. Die Verf. begnügten ſich indes nicht mit Beobachtun⸗ gen über das Wachsthum der Dicotyledonen, ſie wandten ſich vielmehr auch zu den Monocotyledonen und ſuchten na= mentlich den Verlauf der Holzfaſern bei Dracaena und Cor- dyline zu erfahren; auch hier gelangten fie zu ähnlichen Re⸗ ſultaten wie bei dem Stamme der Dicotyledonen. 229 So weit man jetzt die Art des Wachsthums der Mo— nocotyledonen kennt, iſt ſie verſchiedener Natur; bei einigen, z. B. den Palmen, erfolgt ſie durch Faſern, die von den Blättern aus, alſo vom Centrum durch die Dicke des ganz zen Stammes bis zur Peripherie verlaufen, ſich hier haarförmig verzweigen und ſich bisweilen, wenn ſie nicht wohl geordnet die Wurzeln erreichen, unter die Faſern der Rindenſchicht miſchen. Bei andern Monocotyledonen, fo bei Dracaena und Cordyline, wenden ſich die Faſern ſogleich nach der Peripherie des Holzkörpers und ſteigen hier bis zu den Wurzeln hinab; dieſe Pflanzen verdicken ſich in der— ſelben Weiſe wie die Dicotyledonen. Es iſt außerdem be— kannt, daß man durch Wegnahme der Rinde in verſchiede— ner Weiſe den Verlauf der Faſern bei den zwei letzt ge— nannten und noch verſchiedenen andern Pflanzen beliebig verändern, ja ſelbige ſo rund um den Stamm fuͤhren kann, daß ſie fortlaufende Spirale bilden. Um auch dieſen Punkt aufzuklären, zogen ſich die Verf. Stecklinge von Cordyline australis. Die eingepflanzten Zweige hatten ſchon nach wenigen Tagen an ihrer Spitze 2 bis 3 Knoſpen entwickelt; nachdem eine jede 10 bis 12 Blätter entfaltet hatte, wurden die Knoſpen ſelbſt abgeſtürzt, man fand an ihrer Baſis ſeitlich eine ziemlich ſtarke Wurzel (souche), die 6 Centimeter lang war und eine Menge Faſerwurzeln ent— wickelte. Eine genaue Unterſuchung dieſer Wurzeln zeigte, daß die von der Baſis der Knoſpen ausgehenden Holzfaſern bis in den Wurzelſtock und in die Wurzeln verliefen. Die Verf. hielten die Hauptwurzeln ihrer Stecklinge anfangs für abſteigende Knoſpen, mit denen ſie, wie der Berichterſtatter bemerkt, allerdings viel Ahnlichkeit haben; ſie wurden ihre Täuſchung aber bald gewahr, indem das, was ſie anfangs für ſchuppenartige Blätter hielten, ſich alsbald als Reſte einer dicken Oberhaut, die ihnen überall anhing, erwies; eine Erſcheinung, wie ſie bei den Wurzeln faſt aller Monocotyledonen, insbeſondere bei den Palmen ähnlich vor— kommt. Die jugendlichen Knoſpen der Verf. ſind demnach ſecundär entſtandene Wurzeln. Der Verf. Arbeit iſt von 13 ſchön gezeichneten Tafeln, auf denen 30 der von ihnen beobachteten Details in natür— licher Größe wiedergegeben ſind, begleitet. Die Akademie erſteht aus der ganzen vortrefflichen Ar— beit, daß die Verf. genau die neue Richtung der Pflanzen— anatomie inne hielten, daß ſie überhaupt zuvor nach den Thatſachen forſchten, ehe fie deren Urſachen aufſuchten; die Verf. enthielten ſich deshalb aller Betrachtungen über den Saft des Cambium, das bildende Zellgewebe u. ſ. w.; ſie glaubten, daß man, um die phyſtologiſchen zum Theil noch ſo dunklen Urſachen zu enträthſeln, erſt die mehr in die Augen fallenden Wirkungen derſelben genau ſtudiren müſſe. Wenn man die Weiſe der Entwickelungen, die Richtung der Kräfte, welche ſie hervorruft, und die directen Beziehungen zwiſchen verſchiedenen Arten von Organismen erſt genau kennt, wird man auch viel directer und viel ſchneller die phyſtologiſchen Urſachen erfahren können. 8 5 Die Akademie ernennt beide Verf. zu ihren auswärtigen Mitgliedern. (Comptes rendus, 14. Aout 1848.) 235. X 1845, 230 XXVII. Glairine und Zoiodine der Mineralwaffer, Von Hrn. Bon jean. Bordeu, welcher die Glairine zuerſt beobachtet zu haben ſcheint, verglich die gallertartige Subſtanz in den Mineralwaſſern mit dem Eiweiß und betrachtete dieſelbe bald als einen fettigen, bald als einen bituminöſen Stoff. Boyer fand, daß ſie bei der Deſtillation empyreumatiſche Producte lieferte. Vauquelin erklärte dieſelbe für eine dem Ei— weißſtoff und Gallertſtoff ähnliche animaliſche Subſtanz. Manche Schriftſteller haben dieſer Subſtanz, je nach dem Waſſer, in welchem ſie dieſelbe antrafen, verſchiedene Namen gegeben; als Baregine, Plombierine, u. ſ. w. Allein Angla da, welcher deren Identität und deren Vor— kommen in allen Thermalwaſſern erkannte, nannte dieſelbe, um an deren Ahnlichkeit mit dem Eiweiß zu erinnern, Glairine. Bei der ſpeciellen Unterſuchung dieſes Körpers hat Hr. Bonjean Gelegenheit gehabt, eine Varietät derſelben zu beobachten, welche er Glairidine nennt, ſowie ein ſtick— ſtoffhaltiges Product von violetter Farbe zu entdecken, welches er Zoiodine nennt. *) Hrn. Dubys, eines gelehrten Genfer Botanikers, der auf Hrn. Bonjeans Erſuchen die Glairine mikroſkopiſch unterſucht hat, Beobachtungen zufolge, wäre dieſe Subſtanz kein chemiſches Product, ſondern ein organiſches Weſen, eine außerordentlich zart gebaute, wellenförmig zuſammen gebogene Pflanze, welche mit manchen thieriſchen Abgängen Ahnlichkeit hat und ihre Entſtehung wird der unmittelbaren Berührung der Luft mit dem Mineralwaſſer zugeſchrieben. Aus den Unterſuchungen des Hrn. Bonjean ergiebt ſich, daß die Glairine 1) ſehr wenig Stickſtoff, 2) kein Jod enthält; 3) ſich in geringer Quantität in Waſſer, Alkohol, Terpenthinöl und in etwas größerer Menge in concentrirten Säuren auflöſ't, aus welchen ſie durch Alkalien in Geſtalt bläulicher Flocken niedergeſchlagen wird; in allen Fällen ver— mehrt Wärme die auflofende Kraft der menstrua. 4) In Ather iſt fie durchaus unauflöslich. 5) Aus dem Waſſer genommen, färbt ſie ſich ſchnell grau; allein man braucht ſie nur mit Salpeter- oder Salzſäure oder mit Brom oder flüſſigem Chlor in Berührung zu bringen, um ihr ihre natürliche Weiße wiederzugeben. Durch Schwefelſäure wird fie aber keineswegs entfärbt, ſondern vielmehr weinhefenartig gefärbt. 6) Concentrirte Alkalien machen fie, unter Ein— wirkung von Wärme, grün. 7) Im Waſſer hat ſie wenig Geruch; allein außerhalb desſelben erhält ſie einen ſehr widerlichen Geruch. 8) Durch Trocknen im Ofen wird ſte geruchlos und nimmt ein hornartiges Anſehen an, indem ſie 0 ihres Gewichts einbüßt. 9) Salzſäure erhält, indem ſtie die Glairine bleicht, eine gelbe Farbe, indem ſich ein Eiſenſalz (parsel de fer, Eiſenperoryd 2) bildet, woraus ſich ergiebt, daß mit der Glairine Eiſen chemiſch verbunden ift. Durch Jod wird ſie ziegelroth. Die Glairidine unterſcheidet ſich von der Glairine da— durch, daß fie von Natur grau und nicht weiß iſt und ſelbſt *) Es ſcheint als ob Negnier einen ähnlichen Stoff ſchon früher, und zwar in dem Mineralwaſſer von Vichy, entdeckt habe. 15 ** 231 in Berührung mit Luft geruchlos bleibt; daß ſie an der Luft austrocknet und durch Säuren und Chlor nicht gebleicht wird; daß ſie weder in der Kälte, noch in der Wärme durch die Alkalien grün wird; daß ſie durch das Austrocknen nicht hornartig, ſondern zerreiblich wird und Spuren von Jod enthält. Dieſe Subſtanz erzeugt ſich, wenn ſich anderes Waſſer mit Schwefelwaſſer vermiſcht. Wenn man die Glairine aus dem Waſſer, in welchem ſie ſich gebildet hat, herausnimmt und auf einem Filter abtropfen läßt, ſo iſt das zuerſt durchlaufende Waſſer ein wenig milchig und nach 3— 4 Tagen ſchlagen ſich aus demſelben violette, ſtark in Regenbogenfarben ſchillernde (érisées, irisces ?) Flittern nieder. Dieſer neue Körper iſt die Zoiodine, eine geruch- und geſchmackloſe, an der Luft un— verändert bleibende, in Waſſer unauflösliche Subſtanz, welche durch Säuren geröthet und durch Alkalien gebräunt wird. Beim Caleiniren giebt ſie einen Geruch wie verbranntes Horn von ſich. Es mag hier daran erinnert werden, daß man bei der chemiſchen Zerlegung mehrerer Erdarten (Mergel, Dolomit Kreide ꝛc.) ein der Glairine ähnliches organiſches Product findet, woraus ſich zu ergeben ſcheint, daß dieſe Subſtanz auch im Mineralreiche vorkomme. (Journal de Chimie me- dicale. Gazette des Höpitaux, 25. Oct. 1849.) Mifcellen 39. über Vermehrung der Fibrine im Blute durch Wärme hat der gelehrte Profeſſor Marchal zu Calvi uns längſt an die Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften berichtet. Er ließ Blut in zwei Porcellanſchalen coaguliren, von denen die eine mit Waſſer zu 55 bis 60 Grad, die andere mit einer Gefriermiſchung umgeben war. Bei ſieben Verſuchen fand er in dem warm ge— 235. XI. 15. 232 ronnenen Blute mehr Fibrine als in dem kalt geronnenen. Um der Verdunſtung des Waſſers vorzubeugen, wurde bei den zwei letzten Verſuchen die Coagulation in einem verſchloſſenen Gefäße bewirkt, ohne daß das Reſultat verſchieden ausgefallen wäre. Als man bei 70 Grad coagulirte, verminderte ſich die Fibrine und bei 75 Grad verſchwand ſie ganz. Der Verf. zieht aus dieſen That⸗ ſachen Folgerungen in Betreff der Entzündungskrankheiten. (Com- ptes rendus ete,, 20. Aoüt 1849.) 40. Über Milch, insbeſondere Eſelg milch im feſten Zuſtande, las Hr. Chevallier in der Sitzung der Pariſer medieiniſchen Akademie am 30. Oct. eine Mittheilung der Hrn. Barthelemy und Buſſy vor. Durch Abrauchung im luftleeren Raume bei angemeſſener Temperatur und unter Anwendung eines beſondern Rührapparats iſt es gelungen, aus jeder Art von Milch eine halb durchſichtige feſte Paſte herzuſtellen, aus der ſich durch Auflöfung in Waſſer wieder Milch bereiten läßt. Übrigens hat die von der Akademie zur Prüfung der Erfindung niedergeſetzte Com⸗ miſſion kein günſtiges Urtheil über dieſelbe gefällt. Die ihr vor⸗ gelegten Proben von feſter Eſelsmilch können, ihrem Urtheile zu⸗ folge, die urſprüngliche Eſelsmilch keineswegs erſetzen. Auch hält ſich dieſe feſte Milch durchaus nicht lange, ſondern fie wird bald übelriechend und ſchimmelig. (Gaz. med. de Paris, No. 44, 3. Nov.) 41. Beſſer waren die Erfolge mit dem Verfahren zur Conſervation der Milch von Hrn. Delignac, welches darin beſteht, daß man die Milch mit etwas Zucker verſetzt und bei einer Temperatur unter dem Siedepunkte fortwährend umrührend, auf ½ abdampft und dieſe verdickte Flüſſigkeit in einer Blechbüchſe her⸗ metiſch einſchließt und ſodann nach dem Appertſchen Verfahren be⸗ handelt. Die fo aufbewahrte Milch iſt von den Bexichterſtattern der Pariſer Akademie vollkommen gut befunden worden. (L’Institut, 7. Nov. 1849.) 42. Allotropiſche Beſchaffenheit des Phosphors iſt die Bezeichnung für den Zuſtand, der nach Prof. Schrötter in Wien eintritt, wenn Phosphor dem Lichte oder der Hitze aus geſetzt wird, er wird alsdann roth, ohne eine chemiſche Verände⸗ rung zu erleiden, während doch eine ſehr weſentliche phyſicaliſche Veränderung erfolgt. Der gewöhnliche gelbe Phosphor iſt ſehr entzündbar, der allotropiſche rothe Phosphor wird durch Friction uicht entzündet und eben ſo wenig durch die anderen Agentien, welche ſonſt energiſch auf die gewöhnliche Varietät wirken. (Annuaire de chimie p. Millon et Reiset.) Heilkunde. (XXX) über die phyſiſchen Urſachen des Wahnſinns. Von John Conolly, N. D. Die beſtimmte Ermittelung ſolcher Urſachen hat große Schwierigkeiten. Bei Lebzeiten eines Wahnſinnigen ſtellt man in vielen Fällen Vermuthungen auf, z. B. daß das Gehirn erweicht ſei oder Gewächſe im Gehirn exiſtiren, und bei der Section ſieht man ſich enttäuſcht. Die Symptome, welche wirklich ſpecifiſche Krankheiten des Gehirns anzeigen, ſind keineswegs gehörig feſt geſtellt und erheiſchen noch viele und gründliche Unterſuchungen. In manchen Fällen von heftiger geiſtiger Störung habe ich mich durch tägliche, ja zuweilen ſtündliche Beobachtungen davon überzeugt, daß keine primäre Störung irgend einer körperlichen Function Statt fand, und daß durchaus keine Krankheitsſymptome eriſtirten, als die Geiſtesſtörung, welche ſich als Aufregung, Herabſtimmung oder Hallucinationen charakteriſirt, die manchmal alle ab— wechſelnd auftreten. Eben ſo habe ich mich davon über— zeugt, daß die Geiſteskranken zuweilen geneſen, ohne daß irgend eine Kriſis oder allmälige Beſſerung eintritt, indem gleich nach heftigen Anfällen, die eher das Schlimmſte be— fürchten laſſen, der Patient plötzlich hergeſtellt iſt, während ſich keine deutliche Urſache, kein Eindruck auf den Geiſt, keine phyſiſche Veränderung oder arzneiliche Wirkung als der Grund der Geneſung erkennen läßt. Es giebt auch chro= niſche Urſachen des Wahnſinns, beſonders bei jungen Per— ſonen, wo plötzlich die heftigſten Symptome der Raſerei auf 2—3 Tage völlig aufhören und dann wieder auftreten. In ſolchen Fällen hält es ſchwer rückſichtlich der Beſchaffen— heit des Gehirns während des Anfalles oder der Veränderung, 233 die es bei der Geneſung erleidet, irgend eine haltbare Ver— muthung aufzuſtellen. Höchſtwahrſcheinlich finden in vielen Fällen unermittel— bare Veränderungen im Blute Statt, eine andere Miſchung der Beſtandtheile desſelben oder neue Beimiſchungen von Gaſen, Salzen, Metallen ꝛc., welche die Nerventhätigkeit auf irgend eine Weiſe reizen, herabſtimmen oder ſonſt ſtören. Der in manchen Fällen wahrnehmbare, höchſt eigenthümliche Geruch der Hautausdünſtung, der ſich durch keine Reinlich— keit beſeitigen läßt, ſowie auch die von Dr. Sutherland zc. beobachtete und beſchriebene beſondere Veränderung des Harnes der Irren, deuten darauf hin, daß wenigſtens manche Fälle von Wahnſinn ins Gebiet der Humoralpathologie ge— hören. Indes können wir noch nicht wagen, irgend einer dieſer Erſcheinungen ihre beſtimmte Beziehung zu der Geiſtes— krankheit anzuweiſen oder überhaupt aus ihnen irgend bün— dige Folgerungen abzuleiten, ſolange nicht auch hinſichtlich der anderen Ereretionen, der ausgeathmeten Luft 20. genaue Beobachtungen vorliegen. Die nach dem Tode an dem Gehirn wahrzunehmenden Erſcheinungen ſind unſtreitig entfernte Reſultate primärer krankhafter Thätigkeit und überdies zu gleichartig, als daß man daraus Anhaltepunkte ableiten könnte, um gewiſſe geiſtige Störungen von gewiſſen organiſchen Veränderungen abhängig zu machen. In den letzten 10 Jahren ſind zu Hanwell mehrere Hundert Leichenöffnungen vorgenommen worden, die jeder Zeit ſorgfältig und zuweilen im Beiſein ausgezeichneter Ana— tomen Statt fanden. Man hat die Reſultate aufgezeichnet, und dennoch läßt ſich nach Vergleichung dieſer umfangs— reichen Notizen kaum mehr als folgendes ſagen. 1) Bei tödtlich ablaufender friſcher acuter mania, ſowohl bei jungen als alten Perſonen, iſt die Oberfläche des Ge— hirns, die graue Subſtanz, ſtark mit Blut injieirt; und das Gehirn, ſo wie deſſen Membranen zeigen ſich im allge— meinen um vieles gefäßreicher als gewöhnlich; allein dieſe Erſcheinungen ſind nicht auf acute Fälle beſchränkt, ſondern kommen auch zuweilen bei chroniſchen vor, ohne daß Sym— ptome vorhergegangen wären als deren Folge wir ſie be— trachten könnten. 2) Bei friſcher acuter Manie find dieſe Erſcheinungen, wenn die Patienten ſchwächlich waren, gemeiniglich weniger deutlich vorhanden. 3) In ſehr vielen chroniſchen Fällen findet man, wie die Er— ſcheinungen bei Lebzeiten auch geweſen ſein mögen, das eranium entweder dunner oder dicker als gewöhnlich; die dura mater ſtark an dem eranium adhärirend, den Sack der arachnoidea voll ſeröſer Flüſſigkeit, unter der arachnoidea eine mehr oder weni— ger trübe Ergießung, die vorderen Gehirnlappen verſchrumpft, die graue Subſtanz blaß, in die weiße wenige oder gar keine blutigen Flecken eingeſprengt. In anderen Fällen iſt das Gehirn ſtellenweiſe verhärtet oder erweicht, der plexus choroi- deus injicirt oder blaß und mit adhärirenden Bläschen beſetzt; die glandula pinealis oder die glandulae Pacchionianae in ihrer Größe und Structur verändert; auf den Membranen ſtellen— 235. XI. 15. 234 weis Blutergießung und andere partielle pathologiſche Ver— änderungen, die in jedem Falle beſonderes darbieten. Bei einem Patienten, der, nachdem er lange wahn— ſinnig geweſen, wenige Tage vor ſeinem Tode ganz vernünf— tig ward, zeigte ſich die graue Portion des Gehirns unge⸗ mein blaß und blutleer und die Markſubſtanz gebleicht. Die allgemeine Geſtalt des Kopfes iſt in der Regel fehlerhaft; die vordere Portion ſchmal, der Scheitel hoch, das Hinterhaupt breit; zuweilen der Scheitel ganz platt oder der Hinterkopf ſenkrecht abfallend. Der Kopf iſt auch öfters ſeitlich zuſammengedrückt, ſo daß er oben eine Firſte mit abſchuͤſſigen Seiten bildet. Die beiden Seiten des Kopfes bieten in vielen Fällen nicht die gewöhnliche Symmetrie dar. Bei einer unlängſt feeirten 38 jährigen Patientin, welche epileptiſch und blödſinnig geweſen war, war der linke Ge— hirnlappen weit größer und um 3/4 Zoll länger als der rechte. Wenn bei Irren allgemeine Lähmung Statt findet, be— merkt man am Kopfe in der Regel keine Mißgeſtaltung. Obgleich dieſe Erſcheinungen in faſt allen Fällen von Wahnſinn im allgemeinen auf bedeutende Beſchädigung des Gehirns hindeuten, ſo verbreiten ſie doch über beſondere Formen von Störung der Geiſteskräfte wenig Licht. Die Wiederkehr der Paroxysmen und die zuweilen eintretende plötzliche Geneſung erklärt ſich daraus nicht. Daß alle dieſe Erſcheinungen zuweilen auch fehlen, ja daß dies, wenn auch nur ſelten, ſelbſt bei eingewurzelter Krankheit der Fall iſt, bleibt auch noch unerklärt, und ebenſo iſt die gelegentliche Rückkehr der Vernunft kurz vor dem Tode eine völlig räth— felhafte Erſcheinung. Aus einer mehr oder weniger ſtarken und anhaltenden Hyperhämie, oder deren plötzlichem Auf— hören und Wiedereintreten laſſen ſich alle dieſe Störungen in der Nerventhätigkeit kaum herleiten. Der Phyſiolog be— darf eines tieferen Blickes als ihm ein ſolcher gegenwärtig in die geheimnißvolle Werkſtätte der Nerventhätigkeit geſtattet iſt. Er muß noch unterſuchen, ob das rechte Maß der Em— pfindungen Neigungen und intellectuellen Kräfte an ermittel— bare Zuſtände des Gehirns oder der Nerven in deren inner— ſter Structur oder in der dieſem Theile unſeres Organismus inwohnenden Kraft, welche den Functionen des thieriſchen Lebens unumgänglich nöthig zu ſein ſcheint, gebunden iſt; ſo wie warum oder in welcher Form dieſes rechte Maß ſo überſchritten oder vermindert wird, daß ſich die ſämmtlichen Beziehungen des Menſchen zu den äußeren Potenzen ändern und ſowohl die Gefühle als die Gedanken krankhaft geſtört werden; ſo daß Unwirkliches als wirklich erſcheint und ein traumartiger Zuſtand fort beſteht, deſſen Betrachtung an ſich zu einem umfaſſenden Studium wird. Es giebt gewiſſe Fälle, in denen dieſes Maß und dieſe Beziehungen offenbar durch phyſiſche Potenzen modiſieirt werden. Narcotiſche Subſtanzen, Alkohol, Chloroform und gewiſſe Gaſe können als allbekannte Beiſpiele dienen, und das Hatſchiſch erzeugt jede mögliche Abart von vorüberge— hendem Wahnſinn. Wenn die Wirkſamkeit mancher dieſer Agentien auch deren Vermiſchung mit dem Blute zuzuſchrei⸗ ben iſt, ſo verhält ſich doch bei anderen die Sache anders; und ſelbſt, wo jenes der Fall, iſt damit deren ſpätere Ein: 235 wirkung auf die Nervenfaſer oder deren Thätigkeit noch kei— neswegs erklärt. Sei nun das Gehirn durch Reizmittel aufgeregt oder durch narcotiſche Mittel in ſeiner Thätigkeit gehemmt, oder durch Körperſchwäche und geiſtige Eindrücke deprimirt, ſo können wir dieſe Wirkungen doch gegenwärtig kaum auf etwas anderes als Hyperhämie oder Anhämie, Aufregung oder Deprimirung des Gehirns zurückführen. Daß jeder dieſer Umſtände häufig eine Veranlaſſungsurſache des Wahnſinns iſt, ſteht vielleicht ſo feſt als irgend eine pathologiſche Thatſachez allein es giebt offenbar Fälle, in denen keine von dieſen beiden Bedingungen vorliegt, ſondern irgend ein unbekannter Zuſtand der Nervenſtructur exiſtiren muß. Auf dieſe, wenn auch ſehr beſchränkten, Anſichten muß gegenwärtig unſere ärztliche Behandlung gegründet werden. In künftigen Zeiten dürfte der mit der Pſychologie vertraute Arzt nach Höherem ſtreben und von einer breiteren Grundlage ausgehen, die gegenwärtig mit Hülfe des Mikroſkops der Chemie und anderer Nebenwiſſenſchaften, in Verbindung mit ſteter Beobachtung der Erſcheinungen am lebenden Men— ſchen, gelegt wird. Viele noch nicht erledigte wichtige Fragen rückſichtlich des Nervenſyſtems, ja die Zweifel, die jetzt ſo— gar gegen die Gültigkeit der ſchönen Bellſchen Theorie in Betreff der Empfindung und Bewegung erhoben werden, legen uns die Pflicht großer Vorſicht in Betreff der Reſul— tate bloßer Erperimente auf und müſſen uns auffordern, der Structur und den Functionen des Nervenſyſtems im ge— ſunden und kranken Zuftande die angeſtrengteſte Aufmerk— ſamkeit zu widmen. Männer, die jetzt im mittleren Lebensalter ſtehen, fin— den, daß ſich ſeit ihren Studentenjahren die ganze Stellung der Phyſiologie geändert hat, und die wichtigſten Verän— derungen in dieſer Stellung ſind ganz neu. Sie können nicht anders als daraus die Lehre ziehen, im Aufſtellen von Theorien höchft vorſichtig zu fein und ſich meiſt auf Beob— achtung von Thatſachen zu beſchränken. Der unſere Sinne umgebende Schleier läßt ſich nur allmälig lüften und es iſt weder weiſe noch nützlich, nach poſitiven Folgerungen zu haſchen, gleichſam als ob unſer Blick ſchon ganz frei wäre, was er nur durch die Arbeiten vieler Forſcher in auf einander folgenden Zeitaltern mehr und mehr werden kann. (Aus einem dem Royal College of Physicians zu London gehaltenen Vortrage. The Lancet, Oct. 20, 1849.) (XXXI.) Bruch des Schädelknochens mit Blutung aus den Ohren. Geneſung. Zwei Jahre darauf tödtlich ablaufende arachnitis. Von W. J. Lomax. Am 20. Juli 1847 ward Henry C., ein 14 jähriger Knabe, in das Spital der Grafſchaft Lincoln wegen eines Bruches des Schädelknochens aufgenommen. Er war an demſelben Tage von einer, an einem im Bau begriffenen Hauſe aufgerichteten, Leiter 16— 18 Fuß tief herab geſtürzt und ſogleich ins Hoſpital geſchafft worden. Er bewegte ſich 235. XI. 15. 236 heftig und ſchrie gellend. Aus dem rechten Ohre floß Blut; das Geſicht war blaß; Erbrechen; Puls unregelmäßig und kaum zu fühlen. Der Kopf wurde kahl raſirt und der Patient auf den Rücken gelegt. Den 21. Juli. Fünf bis ſechs Unzen Blut waren aus dem Gehörgange gefloſſen; allein die Blutung hatte nun aufgehört und der Puls war etwas deutlicher zu fühlen. Übrigens wie am vorigen Tage. 0 Den 22. Der Kranke iſt unruhiger, der Kopf heiß. Als er heute harnte, hatte er ſein Bewußtſein einigermaßen. Den 12. Auguſt. Seit dem letzten Berichte hat ſich das Befinden des Patienten allmälig gebeſſert. Wegen des Schmerzes in dem beim Fallen geguetſchten Rücken wurde ihm Linimentum ammoniacale mitgegeben, als man ihn übrigens geheilt entließ. Am 20. Auguſt 1849 ward ich um 1 Uhr Morgens eilig zu demſelben Henry C. gerufen, welcher ſich erbrochen hatte und dann in einen völlig bewußtloſen Zuſtand gerathen war, in welchem ich ihn fand. Er warf ſich heftig umher und redete laut im delirium. Der Puls war etwas beſchleunigt, aber nicht voll, auch das Geſicht nicht geröthet. Er ſchien nicht im Stande zu ſein, die Zunge vorzuſtrecken. Pupillen ziemlich erweitert, aber gegen das Licht empfindlich, das nicht gut vertragen zu werden ſchien; Körperoberfläche warm; Kopf ziemlich heiß. Da ich wenig über ihn und nichts von ihm erfahren konnte, ſo gab ich ihm ein Pulver, welches ich bei mir führte, nämlich 2 Gran Calomel und 6 Gran zuſammengeſetzten Ipecacuanhapulders, ſowie am folgenden Morgen, da Verſtopfung vorhanden war, eine aus mixt. Senn. comp., 3 Unzen, und decoct. aloes comp., 3 Unzen, zuſammengeſetzte Mixtur, von welcher der vierte Theil alle vier Stunden genommen werden ſollte, bis reichlicher Stuhl— gang erfolgt ſein würde. Der Kopf ſollte mit leinenen Tuͤ⸗ chern, die mit Weineſſig und Waſſer befeuchtet worden, kühl gehalten werden; allein der Kranke war ſo unruhig, daß ſie nicht liegen blieben. Abends war noch kein Stuhlgang erfolgt. Sechs Blutegel hinter die Ohren. Calomel 4 Gran, gepülverte Jalappe 8 Gran, in Pulverform alsbald zu neh⸗ men und die Hälfte der Doits nach 6 Stunden zu wiederholen. Den 27. Die Blutegel hatten, wegen des unruhigen Verhaltens des Patienten, nicht angelegt werden können. Es war noch kein Stuhlgang erfolgt. Calomel 4 Gran mit Zucker 8 Gran. Die abführende Mixtur ward fort gebraucht. Alle vier Stunden ein abführendes Klyſtier. Um 9 Uhr Abends keine Beſſerung; Geſicht geröthet; Haut heiß; Zähne ſchmutzig belegt; Zunge ſchmutzigbraun; nur eine Darmausleerung. Man verſuchte am Arme zur Ader zu laſſen, erhielt aber nur eine geringe Quantität Blut. Weinſteinſaures Kali und Spießglanz 4 Gran; ſchwefelſaure Magneſia 1 Unze, Waſſer 2 Unzen. M. D. S. Alle 2 Stun⸗ den einen Eßlöffel voll zu nehmen. Den 28. Schlaf, aber vorher delirium. Ein Blaſen⸗ pflaſter in den Nacken. Wiederholung der Spießglasmixtur. Den 29. Wie geſtern. Das Blaſenpflaſter hat ge⸗ zogen; reichlicher Stuhlgang. Die Mixtur alle vier Stunden zu wiederholen. 237 Den 30. Der Tod erfolgte heute Nachmittag, ohne daß der Patient ſeit dem Anfalle in der Nacht vom 25. auf den 26. ſein Bewußtſein wiedererlangt hatte. Da ich die Erlaubniß zur Leichenöffnung erhalten hatte, ſo unterſuchte ich am folgenden Morgen den Kopf. Aus den Naſenhöhlen triefte ein blutiges serum. Der Körper war abgemagert als ob der Verſtorbene längere Zeit ſchmale Koſt erhalten hätte, was auch der Fall geweſen war. Ich erfuhr auch, daß er öfters an Kopfweh gelitten habe. Aus der Kopfhaut ſchwitzte nur ſehr wenig Blut. Das cranium bot die naturliche Geſtalt dar. Beim Durchſchneiden der dura mater, welche feſter als gewöhnlich an dem Gehirn zu hängen ſchien, fand ſich eine Ergießung von 4—6 Unzen klaren Blutwaſſers. Die übrigen Membranen waren verdickt und ließen ſich nur ſchwer von den Windungen des Gehirns ablöſen, an deſſen Baſis, über dem pons Varolü, fie un— durchſichtig und gelb waren. Dieſe Beſchaffenheit derſelben erſtreckte ſich aufwärts bis zwiſchen den vorderen und mitt— leren Lappen und ſchien mir von Eiterergießung herzurühren, welche zwiſchen die pia mater und arachnoidea Statt ge— funden. An der oberen Fläche der vorderen Lappen, in der Nähe des Stirnknochens, fehlten mehrere Portionen des Gehirns als ob fie durch Uleeration zerſtört worden ſeien, und an einer der ſeitlichen Portionen des großen Hirns waren die Membranen feſt mit dem Umkreis einer dieſer Ulcerationshöhlen verwachſen, welche eine röthliche oder tief— gelbe Farbe und eine gefäßreiche Oberfläche beſaß. Die Ulcera— tionen erſtreckten ſich nicht tiefer als / Zoll in die Sub— ſtanz des Gehirns, mit Ausnahme der zuletzt erwähnten, welche ſich ausnahm, wie ein aus dem Gehirn ausge— ſtochenes Loch. Mit Ausnahme der vermehrten Basenlarität der pia mater zeigte ſich am Gehirne keine krankhafte Er— ſcheinung. Auf dem Scheitel, in der Nähe der sutura co- ronalis des Stirnknochens, bemerkte ich einen zuſammen— geheilten Knochenbruch, der ſich beinahe horizontal etwa 3 Zoll weit nach der Quere erſtreckte. Ich unterſuchte die basis eranii nicht genau, da mir damals nicht gegen— wärtig war, daß der Patient früher in dieſer Gegend ebenfalls einen Knochenbruch erlitten hatte; daher ich es für ſehr möglich halte, daß ich die Spuren dieſer Verletzung überſehen habe. Dies bedaure ich um ſo mehr, da mir der Chirurg, welcher den Burſchen im Hoſpitale behandelt hatte, mittheilte, es ſei ihm früher noch nie ein Knochen— bruch an der Baſis des Gehirns) vorgekommen, nach welchem Geneſung erfolgt ſei. Übrigens wird man ſchon das Mit— getheilte nicht unintereſſant finden, und ich möchte nur noch die Frage aufſtellen, ob es nicht wahrſcheinlich ſei, daß der Zufall in der Nacht vom 25. auf den 26. Auguſt von Eiterinfiltrirung an der Baſis des Gehirns hergerührt habe? und ob nicht, wenn ich mit der Geſchichte des früheren Leidens bekannt geweſen wäre, der Tod durch entſchiedenere antiphlogiſtiſche Mittel zu Anfang der letzten Krankheit hätte abgewendet werden können? (The Lancet, 27. Oct. 1849.) *) Daß der Knochenbruch die Schädel baſis betroffen habe, wird hier aus der Blutung aus dem Gehörgange mit ſolcher Beſtimmtheit gefolgert, was indes leicht eine falſche Annahme ſein koͤnnte. R. F. 235. XI. 15. 238 (XXXII.) Endermiſche Anwendung des Morphine⸗ ſalzes bei epidemiſcher Ruhr. Von Dr. Berland zu Oye. In keinem Falle habe ich Blutentziehungen anwenden zu dürfen geglaubt, da die nervöſen Symptome, die Kolik und der tenesmus weit hervorſtechender waren als die ent— zündlichen Symptome, welche faſt ganz fehlten, weshalb ich Opiummittel, ſowie erweichende und adſtringirende Mittel verordnete. In die Laudanummirtur ließ ich auch baſiſch ſalpeterſaures Wismuth, in der Doſis von 75 Centigram— men auf 1 Gramm (laudanum 212), thun. Wenn ich dieſes Mittel, wie Hr. Monneret, in der Doſis von 30 bis 40 Grammen täglich verordnet hätte, fo hätte ich vielleicht wenig damit ausgerichtet. Ferner machte ich den Verſuch mit einer Verbindung von eſſigſaurem Blei mit Opiumer— tract. Ich wendete Viertelklyſtiere mit Laudanum und Stärke— mehl, denen ich ebenfalls Wismuth zuſetzte, zuweilen auch wiederholt ganze Klyſtiere zur Reinigung des Darmes an. In allen Fällen ließ ich die Kranken faſten, ſo daß ſie nur Reißwaſſer zum Getränk erhielten. Dieſe Mittel waren diejenigen, deren ich mich in der Regel bediente. In einem Falle nahm ich meine Zuflucht zur Ipecacuanha, welche übrigens nicht im geringſten zu nützen ſchien. Gleich an— fangs genommene Bäder ſchienen denjenigen unter meinen Patienten, welchen dieſes Mittel verordnet wurde, ſehr gut zu bekommen. Indes muß dabei, wegen der Gefahr der Erkältung, höchſt vorſichtig verfahren werden. Die obige Be— handlung hatte ich bei einem Hrn. Ant. bereits ſeit 14 Tagen in Anwendung gebracht, ohne irgend eine Beſſerung zu er— langen, der Kranke war muthlos und unruhig als ich dar— auf verfiel, die Morphine mittels der endermiſchen Methode zu verſuchen. Ich entſchloß mich zu dieſem Mittel allerdings nur ungern, da ich befürchtete, es könnte Gangrän oder ſchwer zu heilende Wunden veranlaſſen. Allein die Behandlung ſchlug fo gut an, daß ich die Morphine jeden Tag, Mor⸗ gens und Abends, in ſtärkeren Doſen zur Anwendung brachte. Jedes Mal nach dem Verbinden befand ſich der Patient 3—4 Stunden lang vollkommen beruhigt. Damit die Abſorption gehörig erfolge, muß man alle von Hrn. Trouſſeau empfohlenen Vorſichtsmaßregeln ge— nau beobachten. Man nimmt an einer Stelle das Ober— häutchen weg und bringt das beruhigende Pulver mit der dermis in Berührung. Beim nächſten Verbinden beſeitigt man das Oberhäutchen an einer anderen Stelle und verfährt eben ſo. Iſt die Oberfläche roth und blutig, ſo findet die Abſorption nicht mehr Statt und man muß ein neues Bla— fenpflafter auflegen. Damit keine Unterbrechung Statt finde, thut man wohl, das neue Blaſenpflaſter jedes Mal den Tag vorher aufzulegen, wenn man ſich nicht des gepülverten Ammoniums zum Blaſenziehen bedient. Man darf ſich nicht ſcheuen, die Doſis der Morphine ſo ſtark anzuwenden, daß Narcotismus eintritt; denn nur unter dieſer Bedingung ſchlägt das Mittel an. Das Erbrechen, welches Hr. Trouſ—⸗ ſeau bei einem Drittel ſeiner Patienten beobachtete, iſt von mir nicht wahrgenommen worden, was einestheils von Ver⸗ 239 ſchiedenheit in der Krankheitsform, anderntheils wohl auch daher rührt, daß ich faſt nur Männer zu behandeln hatte. Die mittels der endermiſchen Methode angewandte Mor— phine hat ſich als das einzige wahrhaft wirkſame Mittel bewährt. Von dem Tage an, wo es zuerſt zur Anwendung kam, ging eine ſichtliche Veränderung zum Beſſern vor ſich. Die Stühle wurden weniger häufig, die Kolik und der tenesmus nehmen ab. Wenn mir auch einer der drei Pa— tienten, die ich damit behandelte, ſtarb, ſo liegt der Grund davon doch nur darin, daß der Gebrauch der Morphine aus— geſetzt wurde. Dieſer Fall beweiſ't die Wirkſamkeit des Mittels auf die deutlichſte Weiſe. Bei Rückfällen der Dysenterie verſuchte ich zwei Mal bei Frauen Klyſtiere, welche 10 Centigramm ſalpeterſaures Silber enthielten, welches Mittel indes nicht anſchlug. Die endermiſche Anwendung der Morphineſalze würde wahrſcheinlich bei der Cholera gute Dienſte leiſten. Dieſe Behandlung würde mehreren Indicationen entſprechen; es würden dadurch erſtlich die Kolik und Stühle vermindert werden, da nach jedem Verbande der Puls voller und ſtär— ker, das Geſicht geröthet, die Wärme vermehrt, kurz ein wirkliches Abſorptionsfieber erzeugt wird, ſo daß das Mittel revellirend wirken würde. Ich, meinestheils, würde, wenn ich je Cholerakranke zu behandeln hätte, nicht einen Augen— blick anſtehen, dieſe Curmethode zu verſuchen. (Gazette med. de Paris, No. 44, 3. Nov.) Mifcellen (28) Erweichung des vorderen Sirnlappens mit Verluſt der Sprache. Hr. Rizzi theilt einen Fall in der 235. XI. 15. 240 Gazetta medica di Milano mit, welcher einen neuen Beweis für den Satz, daß dieſer Hirntheil das Organ des Sprechvermögens ſei, abgiebt. Ein Mann von 32 Jahren verliert unter Schwindel plötzlich das Vermögen, ein Wort zu ſprechen, oder den rechten Arm oder Fuß zu bewegen. Das Bewußtſein und das Vermögen, durch Zeichen ſeine Wünſche auszudrücken, war nicht geſtört. Nach 8 Tagen, nachdem durch die Behandlung die übrigen Zufälle ziem⸗ lich vollſtändig gehoben waren, ſtarb er plötzlich. Bei der Section fand ſich außer Congeſtion in den Hirnhäuten die vordere Spitze der linken Hemiſphäre innerhalb der Corticalſubſtanz ganz erweicht, rahmähnlich. (29) Ertraction eines fremden Körpers aus dem rectum durch die Gaſtrotomie. Dieſer höchſt ungewöhn⸗ liche Fall iſt nach der Gaz. med. de Paris, No. 46 in der Corre- spondenza scientifica di Roma, Mai 1849 mitgetheilt. Ein Bauer will zur Erſparniß an Nahrungsmitteln den Nahrungscanal von unten verſtopfen und führt ein dickes unregelmäßiges Stück Holz ein, welches aber in die Höhe gleitet, ſo daß es nicht mehr aus⸗ gezogen werden kann. Nach 9 Tagen der fürchterlichſten Schmer⸗ zen wird er in das Spital zu Orvieto gebracht, wo Dr. Realli, weil er mit dem Finger das Stück Holz nicht erreichen kann, ohne einen Verſuch mit längeren Extractionsinſtrumenten zu machen, ohne weiteres die Gaſtrotomie ausführt, den Maſtdarm über dem fremden Körper aufſchneidet, wieder zunäht, und nachdem die Bauch⸗ nath auch noch angelegt worden iſt, den Kranken antiphlogiſtiſch behandelt und glücklich herſtellt. (30) Ausſchneidung eines Stückes des vas defe- rens ſtatt der exstirpatio testis wird von Hrn. Ch. Taylor in the Lancet, Oct. 1849 vorgeſchlagen behufs der Caſtrirung der Hunde und Pferde. Er geht dabei von der Analogie des ſ. g. Schweineſchneidens aus, welches in einer einfachen Durchſchneidung der Fallopiſchen Röhre beſteht und fo ohne Zerſtörung des Serual⸗ typus und ohne eine bedenkliche Operation doch den Erfolg hat, die Serualfunction nicht allein, ſondern auch die Sexualgelüſte vollſtändig zu heben. Beim Hunde iſt nun mit dem vollſtändigſten Erfolg der Aufhebung aller Sexualgelüſte ein Stück von ¼ Zoll des vas deferens ausgeſchnitten worden. Beim Pferde verſpricht dieſe Operation ſehr günſtige Reſultate. Bibliographiſche Neuigkeiten. H. B. Geinitz, das Quadersandsteingebirge oder Kreidegebirge in Deutsch- 1 I. Halfte. gr. 8°. Geh. ¾ Thlr. Craz und Gerlach in Freiburg Regnaults Lehrbuch der Chemie. Aus d. Franz. von Bödeker. 8. u. 9. Lieferung. 8%. Geh. 12 Nar. Duncker und Humblot in Berlin 1849. Giſtel und Bromme, Handbuch der Naturgeſchichte. 6. Lieferung. (Schluß.) gr. 8. Geh. %, Thlr. (compl. 4½ Thlr.) Hoffmann in Stuttgart 1849 R. Froriepi Atlas anatomiens partium corporis humani per strata disposita- rum imagines in tabulis XXX exhibens. Fasc. I. qu. Fol. Geh. 1 Thir. 18 Ner. Landes-Industrie-Comptoir. Weimar 1849. C. G. Mitscherlich, Lehrbuch der Arzneimittellehre. 2. Bd. 2. Aufl. gr. ®. Geh. 32½ Thlr. Bethge in Berlin 1849. 2 Deutſche Klinik. Zeitung für Beobachtungen aus deutſchen Kliniken und Kranfenhäufern. Herausgeg. von A. G ſchen. Jahrg. I. 17. Nov.— Dec. No. 1. Imp. 40. Für 7 Nen. 1 Thlr. G. Reimer in Berlin 1849. Dieſer Nummer ſind Probenummern der Zeitſchrift beigelegt, welche als die Fortſetzung der mit dieſem XI. Bande abgeſchloſſenen Notizen für Natur- und Heilkunde vom nächſten Monat au erſcheinen wird. Die neue Zeitſchrift unter dem Titel Tagsberichte über die Fortſchritte der Natur⸗ und Heilkunde wird, entſprechend dem bereits mit No. 3 dieſes Bandes ausgege⸗ benen Proſpect, zwar der bisherigen Aufgabe der Notizen treu bleiben, aber eine Vollſtändigkeit erſtreben, wodurch die Tagsberichte zu einem vollſtändigen Repertorium aller in Form von ein⸗ zelnen Werken, Journalaufſätzen, Societatsverhandlungen und arademiſchen Streitſchriften publieir⸗ ten neuen Leiſtungen auf dem Gebiete der Natur- und Heilkunde werden. Wie ſich die Tagsberichte durch die Anordnung der einzelnen Blätter zu Colleetaneen über die einzelnen Fächer geſtalten, iſt in dem Proſpecte angegeben und durch beifolgende Probenummern noch deutlicher gemacht. Um ſchleunige Zuſendung aller nicht in den Buchhandel kommenden Publicationen auf dem Gebiete der Natur: und Heilkunde bittet — U. Froriep. * Druck unt Verlag des Landes⸗Induſtrie⸗Comptoirs zu Weimar. Druck und Verlag 2 Ausgegeben zu des e € . I 8 b E 1 1 ch 1 E n. DA über die Fortſchritte der Natur- und Heilkunde, erſtattet von R. Froriep zu Weimar. Probe des Papiers, Formats und Drucks. Proſpect. Die Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde von L. Fr. v. Froriep haben während einer Reihe von 28 Jahren in 100 Bänden viel zur Verbreitung von Kenntniſſen und wiſſenſchaftlichem Sinn geleiſtet und dadurch der Abſicht des Gründers vollkommen entſprochen. Einige ſchon öfters zur Sprache gekommene Wünſche des wiſſenſchaftlichen Leſerkreiſes konnten, ſo lang die einmal gemachte Einrichtung der Notizen beibehalten wurde, nicht berückſichtigt werden. Um nun auch dieſen Wünſchen, deren Bedeutung für Erweiterung des Nutzens der Zeitſchrift nicht zu verkennen iſt, zu genügen, hat ſich der Herausgeber entſchloſſen, dem von ſeinem Vater gegründeten und von ihm ſelbſt ſeit nunmehr 20 Jahren mitredigirten Blatte von Anfang des Jahres 1850 an eine veränderte Einrichtung zu geben, welche den geäußerten Wünſchen ent— ſprechen wird, ohne den allgemeinen wiſſenſchaftlichen Nutzen des Blattes, der in der Verbindung der Natur- und Heilkunde begründet iſt, aufzu— geben. Man verlangte von den Notizen: 1) Vollſtändigkeit der Berichte über alles Neue; 2) die Bequemlichkeit, das Mitgetheilte in die Privat-Collectaneen über einzelne Fächer einreihen zu können; 3) Gruppirung der Mittheilungen zu Jahresberichten über die einzelnen Fächer; 4) überſichtliche Regiſter über das in ſo viele Bände ſich zer— ſtreuende Material. Das Verlangen unter 1. iſt leicht zu befriedigen und es ſind alle Vor— kehrungen getroffen, daß von nun alles, was auf dem Gebiete der Natur— und Heilkunde im In- und Auslande erſcheint, ſofort mitgetheilt wer— den kann. Weit ſchwieriger ſcheint die Befriedigung des zweiten und dritten Punktes. Dieſe Aufgabe wird indeß durch die neue äußere Einrichtung des Blattes vollſtändig gelöſ't und dadurch ganz von ſelbſt auch noch der vierte Punkt zur Erledigung gebracht. Die vierfache Aufgabe nämlich denkt der Herausgeber dadurch zu löſen, daß künftig immer ½ Bogen, oder eine Nummer, nur einer und derſelben Doctrin gewidmet wird. Gleichzeitig erſcheint nun jedesmal eine Nummer aus einem der Fächer der Naturkunde und eine Nummer aus einem der Fächer der Heilkunde; diejenigen Nummern aber, welche einer und derſelben Doctrin angehören, werden durch fortlaufende Nummerirung und Paginirung zu ſelbſtſtändigen (neben den anderen fortlaufenden) Reihen vereinigt und broſch. 8. 40 kr. C. M. itſchland. 1849. riften: Notizen aus dem Ge- der enggedruckten Zeile einer Spalte ( A ern naueun. Wien, Europa. zirke Wieden in Wien, x. ündung. Wien. igung der Gallenſteine. Platner. l. 5 11 . 239 ſchiedenheit in der Krankheitsform, andernth daher rührt, daß ich faſt nur Männer zu b Die mittels der endermiſchen Methode an phine hat ſich als das einzige wahrhaft n bewährt. Von dem Tage an, wo es zuerſt zu kam, ging eine ſichtliche Veränderung zum B Die Stühle wurden weniger häufig, die 4 tenesmus nehmen ab. Wenn mir auch einer tienten, die ich damit behandelte, ſtarb, ſo lie davon doch nur darin, daß der Gebrauch der? geſetzt wurde. Dieſer Fall beweiſ't die Wirkſam! auf die deutlichſte Weiſe. Bei Rückfällen der Dysenterie verſuchte bei Frauen Klyſtiere, welche 10 Centigramm Silber enthielten, welches Mittel indes nicht Die endermiſche Anwendung der Morph wahrſcheinlich bei der Cholera gute Dienfte Behandlung würde mehreren Indicationen eı würden dadurch erſtlich die Kolik und Stil werden, da nach jedem Verbande der Puls ve ker, das Geſicht geröthet, die Wärme verme wirkliches Abſorptionsfieber erzeugt wird, ſo d revellirend wirken würde. Ich, meinestheils, ich je Cholerakranke zu behandeln hätte, nicht blick anſtehen, dieſe Curmethode zu verſuch med. de Paris, No. 44, 3. Nov.) Miſeellen. (28) Erweichung des vorderen Hirn Verluſt der Sprache. Hr. Rizzi theilt ein Biblio- H. B. Geinitz, das Quadersandsteingebirge oder Kreidegel land. I. Hälfte. gr. 8%. Geh. / Thlr. Craz und Ger 1849. Regnaults Lehrbuch der Chemie. Aus d. Franz. von B Lieferung. 8%. Geh. 12 Naar. Duncker und Humblot in Giſtel und Bromme, Handbuch ver Naturgeſchichte. 6. Lie gr. 8. Geh. ½ Thlr. (compl. 4½ Thlr.) Hoffmann in 1 Diefer Nummer find Probenumn mit dieſem XI. Bande abgeſchloſſenen erſcheinen wird. Die neue Zeitſchrift der Natur⸗ und Heilkunde wird benen Proſpect, zwar der bisherigen erſtreben, wodurch die Tagsberichte zu zelnen Werken, Journalauſſätzen, So ſobald 50 Nummern aus derſelben Doctrin erſchienen ſind, mittels Titel und alphabetiſchem und ſyſtematiſchem Regiſter zu einem Bande abgeſchloſſen. Man ſieht leicht ein, daß hierdurch die ganze Maſſe des mitgetheilten Stoffes ſich von ſelbſt den Fächern nach in Collectaneen-Hefte theilt, die ſich, je nach der Fülle des Stoffes, früher oder fpäter zu Jahres⸗ berichten abſchließen, in deren Regiſtern ſchon an und für ſich das Nachſchlagen leicht iſt, wobei aber dennoch die Überſicht durch die jedem fünften Bande beizugebenden General-Negiſter noch mehr erleichtert werden ſoll. Die Summe alles für den Arzt und Naturforſcher im Allgemeinen wiſſenswerthen Materials wird vorläufig nach folgenden Rubriken zu be⸗ ſonderen Collectaneen zuſammengeſtellt werden: 1) Phyſik und Chemie; 2) Phyſikaliſche und medicinifche Geographie; 3) Botanik; 4) Mineralogie und Geologie; 5) Zoologie und Paläontologie; 6) Anatomie und Phyſiologie; 7) Hygiene und Pharmakologie; 8) Mediciniſche Klinik (davon noch beſonders 9, 10 und 11); 9) Nervenkrankheiten; 10) Geiſteskrankheiten; 11) Frauen- und Kinderkrankheiten; 12) Geburtshülfe; 13) Chirurgiſche Klinik (davon noch beſonders 14 und 15); 14) Augen- und Ohrenkrankheiten; 15) Orthopädie; 16) Thierheilkunde; 17) Gerichtliche Mediein; 18) Staatsarzneikunde und medieiniſche Statiſtik. Jeder Abonnent erhält ſomit nicht bloß ein das Neueſte in kürzeſter Zeit lieferndes Notizenblatt, ſondern vollſtändige Collectaneen über alle einzelnen, alſo auch über die ihn beſonders intereſſirenden Fächer, und da ſich dieſe durch das ſyſtematiſche Bandregiſter von ſelbſt für be— ſtimmte Zeiträume abgränzen, zugleich Jahresberichte, und endlich durch die von fünf zu fünf Bänden bei jeder Doctrin neu aufzuſtellenden Geſammtregiſter auch noch ſummariſche Überſichten über größere Zeiträume. Zunächſt tritt das, wie hiernach zu hoffen, allen Anforderungen genügende neue wiſſenſchaftliche Journal in der Form von Tagesberichten auf, ſo daß auch der Titel: Tagsberichte über die Fortſchritte der Natur- und Heilkunde gewählt wird, unter welchem, fo wie ein Bogen 80 gedruckt iſt, die Ver- ſendung, wie bisher bei den Notizen, Statt finden wird. Weimar, im October 1849. Robert Froriep. ten neuen Leiſtungen auf dem Gebiete ver vearur= nuo opentunde weroen. ie JICH DIE Tagsvberichte durch die Anordnung der einzelnen Blätter zu Collectaneen über die einzelnen Facher geſtalten, iſt in dem Proſpecte angegeben und durch beifolgende Probenummern noch deutlicher gemacht. Um ſchleunige Zuſendung aller nicht in den Buchhandel kommenden Publicationen auf dem Gebiete der Natur- und Heilkunde bittet A. Froriep. ie Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Unter dem Titel: Tagsberichte über die Fortſchritte der Natur- und Heilkunde läßt — von Anfang des Jahres 1850 an — der letzte Herausgeber der ſeit 28 Jahren bei uns erſchienenen und ſeit 20 Jahren von ihm mit— redigirten Notizen eine, dem Plane nach ſehr erweiterte, wiſſenſchaftliche Zeitſchrift in freien Lieferungen erſcheinen. Durch Herbeiſchaffung der voll— ſtändigen Literatur, durch ausgebreitete literariſche Verbindungen und durch entſprechende Hülfe bei der Redaction iſt dafür geſorgt, daß die neue Zeitſchrift, welche durch ihre Einrichtung die Aufgabe eines Journals mit derjenigen — ſyſtematiſcher Collectaneenhefte, wiſſenſchaftlicher Jahresberichte und ſummariſcher Überſichten zugleich löſen wird, eben ſo durch Voll— ſtändigkeit wie durch Schnelligkeit der Mittheilungen ſich auszeichne. So wie ein Bogen, zwei Nummern enthaltend, in Format, Druck und Papier dieſem Proſpect entſprechend gedruckt iſt, wird er verſendet. Fünfzig Nummern machen einen Band aus, wobei eine Octavtafel Ab— bildungen für eine Nummer, eine Quarttafel für zwei Nummern (und wenn ſie ausgemalt iſt, doppelt) gerechnet wird. Der Band koſtet 2 Thlr. oder 3½ Fl. rh. n. Weimar, im October 1849. Landes-Induſtrie-Comptoir. broſch. 8. 40 kr. C. M. itſchland. 1849. wiften: Notizen aus dem Ge— der enggedruckten Zeile einer Spalte — Wien, Europa. zirke Wieden in Wien, dc. ündung. Wien. igung der Gallenſteine. Platner. d. 11 239 ſchiedenheit in der Krankheitsform, andernth daher rührt, daß ich faſt nur Männer zu b Die mittels der endermiſchen Methode an phine hat ſich als das einzige wahrhaft n bewährt. Von dem Tage an, wo es zuerſt zi kam, ging eine ſichtliche Veränderung zum B Die Stühle wurden weniger häufig, die J tenesmus nehmen ab. Wenn mir auch einer tienten, die ich damit behandelte, ſtarb, ſo lie davon doch nur darin, daß der Gebrauch der? geſetzt wurde. Dieſer Fall beweiſ't die Wirkſam auf die deutlichſte Weiſe. Bei Rückfällen der Dysenterie verſuchte bei Frauen Klyſtiere, welche 10 Centigramm Silber enthielten, welches Mittel indes nicht Die endermiſche Anwendung der Morph wahrſcheinlich bei der Cholera gute Dienſte Behandlung würde mehreren Indicationen e würden dadurch erſtlich die Kolik und Stu werden, da nach jedem Verbande der Puls vı ker, das Geſicht geröthet, die Wärme verme wirkliches Abſorptionsfieber erzeugt wird, jo d revellirend wirken würde. Ich, meinestheils, ich je Cholerakranke zu behandeln hätte, nicht blick anſtehen, dieſe Curmethode zu verſuch med. de Paris, No, 44, 3. Nov.) Miſeellen. (28) Erweichung des vorderen Hirn Verluſt der Sprache. Hr. Rizzi theilt ein Biblio H. B. Geinitz, das Quadersandsteingebirge oder Kreidege 129 1. Hälfte. gr. 8. Geh. ¾ Thlr. Craz und Ge: Regnaults Lehrbuch der Chemie. Aus d. Franz. von 2 Lieferung. 8%. Geh. 12 Ngar. Duncker und Humblot in Giſtel und Bromme, Handbuch der Naturgeſchichte. 6. Lie gr. 80. Geh. ½ Thlr. (compl. 4½ Thlr.) Hoffmann in Dieſer Nummer find Probenumn mit dieſem XI. Bande abgeſchloſſenen erſcheinen wird. Die neue Zeitſchriſt der Natur⸗ und Heilkunde wird benen Proſpect, zwar der bisherigen erſtreben, wodurch die Tagsberichte zu zelnen Werken, Journalaufſätzen, So ten neuen Leiſtungen auf dem Gebiete ver Natur- und oHentcunde werden. Wie TECH DIE Tagsverichte durch die Anordnung der einzelnen Blätter zu Collectaneen über die einzelnen Fächer geſtalten, ift in dem Proſpeecte angegeben und durch beifolgende Probenummern noch deutlicher gemacht. Um ſchleunige Zuſendung aller nicht in den Buchhandel kommenden Publicationen auf dem Gebiete der Natur: und Heilkunde bittet 2 U. Froriep. Druck und Verlag des Landes⸗Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. broſch. 8. 40 kr. C. M. itſchland. 1849. yriften: Notizen aus dem Ge- der enggedruckten Zeile einer Spalte ( AAA ((( Wien, Europa. zzirke Wieden in Wien, x. ündung. Wien. igung der Gallenſteine. Platner. d. 11 239 ſchiedenheit in der Krankheitsform, daher rührt, daß ich faſt nur Mänı Die mittels der endermiſchen Me phine hat ſich als das einzige wah bewährt. Von dem Tage an, wo es kam, ging eine ſichtliche Veränderung Die Stühle wurden weniger häufig tenesmus nehmen ab. Wenn mir au tienten, die ich damit behandelte, ſtar davon doch nur darin, daß der Gebrai geſetzt wurde. Dieſer Fall beweiſ't die“ auf die deutlichſte Weiſe. Bei Rückfällen der Dysenterie v bei Frauen Klyſtiere, welche 10 Cent Silber enthielten, welches Mittel inde Die endermiſche Anwendung der wahrſcheinlich bei der Cholera gute Behandlung würde mehreren Indicat würden dadurch erſtlich die Kolik uf werden, da nach jedem Verbande der | ker, das Geſicht geröthet, die Wärmf wirkliches Abſorptionsfieber erzeugt wir revellirend wirken würde. Ich, meines ich je Cholerakranke zu behandeln hätt blick anſtehen, dieſe Curmethode zu med. de Paris, No. 44, 3. Nov.) Mifcelle (28) Erweichung des vorderen Verluſt der Sprache. Hr. Nizzi t Bil H. B. Geinitz, das Quadersandsteingebirge oder land. I. Hälfte. gr. 8%. Geh. 5, Thlr. Craz 1849. Regnaults Lehrbuch der Chemie. Aus d. Fran Lieferung. 8%. Geh. 12 Ngr. Duncker und Hr Giſtel und Bromme, Handbuch ver Naturgefchi gr. 8%, Geh. / Thlr. (compl. 4½ Thlr.) Hof Dieſer Nummer ſind Prob mit dieſem XI. Bande abgeſchlo erſcheinen wird. Die neue Zeit der Natur⸗ und Heilkunde benen Proſpect, zwar der bish erſtreben, wodurch die Tagsberie zelnen Werken, Journalaufſätze ten neuen Leiſtungen auf dem € durch die Anordnung der einzel in dem Proſpecte angegeben u Um ſchleunige Zuſendung Gebiete der Natur: und Heilku „ 7 tene laasberuchte WIR, ALL Er g . Zoologie u.Palacontolog ie BI. N®2. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie⸗Comptoirs zu Weiniar. Drud und Verlag 2 Fünfzig Nummern a Ta 5 beri ch te We über die Fortſchritte der Natur- und Heilkunde, erſtattet von R. Froriep zu Weimar. No 1. und 1 Tafel NO 2. Probenummer. Inhalt: Reid, über die Entwickelung der Eier der Mollusca nudibranchiata. — de Qua⸗ trefages, zur Embryogenie des Schiffsbohrers. — Miſcellen. Plieninger, Regen or⸗ ganiſcher Körper. v. Martens, Omnismus erbfeindlicher Thiere. Pelikane in Frankreich. — Bibliographie. Über die Entwickelung der Eier der Mollusca nudibranchiata. Von J. Reid). Hierzu Figur 1— 25 der Tafel No. 2. Die Thiere, deren Eier Gegenſtand der folgenden Beobachtungen waren, gehörten den Geſchlechtern Doris, Goniodoris, Polycera, Dendronotus und Doto an. Sie wurden von dem Verf. in der Nähe von Edinburgh ſelbſt geſammelt und zu Beobachtung der Paarung ꝛc. in Gefäßen aufbewahrt, die täglich mit friſchem Seewaſſer verſehen wurden. Bei verſchiedenen Paaren wurde der coitus und in kurzer Zeit darauf (von 15 bis 25 Stun— den) das Leichen beobachtet, welches bis zu 14 Tagen lang in Zwiſchen— räumen ſich wiederholte. Indes iſt dazu ein ſo kurz vorausgegangener coitus nicht nothwendig, wenigſtens leichte eine Eolis, die in einem Glaſe allein aufbewahrt war, am zehnten und zweiunddreißigſten Tage ihrer Iſo— lirung. — Der Leich iſt bandähnlich und farblos, bei Goniodoris, Den- dronotus und Eolis hat er die Form einer runden Schnur. Er beſteht aus zwei Lamellen von einer ſtructurloſen Subſtanz, zwiſchen denen zahlreiche Eier liegen; das Band iſt feſt und elaſtiſch, zur Zeit des Auskriechens wird es weich. Unterſucht man die Eier bald nach Austreibung des Leichs unter dem Mikroſkop, fo findet man eine dünne durchſtchtige Hülle (1. a) mit einem runden, glatten, undurchſichtigen Körper in der Mitte (1. b). Dieſe Hülle (chorion) beſteht aus zwei Schichten, der dunkle Körper innerhalb hauptſächlich aus kleinen Zellen mit zwiſchen liegender ſtructurloſer Sub— ſtanz von einer äußern durchſichtigen Haut (Dotterhaut) umſchloſſen (2. zeigt dieſelbe unvollſtändig gefüllt). Als Ei iſt nur der undurchſichtige Körper zu bezeichnen, welcher von der Hülle umgeben iſt. Die Cier von Doris bilamellata variiren von Yaso bis ½¼80 Zoll Durchmeſſer, ebenfo die von Eolis, während die von Doris tubereulata größer, die von Doto coronata kleiner ſind. Die Kernzellen der Dottermaſſe ſind rund oder oval (3.), ½ 000 bis ¼8000 Zoll groß und ohne Kern im Innern, auch unter dem Preßſchieber zeigte ſich keine beſtimmte Structur davon. Mitten in der Dottermaſſe gelang es mir nicht, die von Kölliker und Bagge in den Aſcariseiern beſchriebene durchſichtige Zelle zu entdecken, *) Physiological, pathological and anatomical researches by Dr. John Reid. 8%. Edin- burgh 1849. 2 Zoologie u. Paldontologie. Bd I. No. 1. Dr. Regenhart, broſch. 8. 40 kr. C. M. u Dr. der Mediein und Chirurgie ꝛc. in Gratz. her eutſchland. 1849. Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge— Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte CCC ER ER ET ER ANETT n. in Wien, Europa. lizeibezirke Wieden in Wien, ed dc. a. ſtzündung. et - m in Wien. ichtigung der Gallenſteine. A. Platner. e T a. 11 239 fchiedenbeit in der Krankheitsform, daher rührt, daß ich faft nur Mänı Die mittels der endermiſchen Me phine hat ſich als das einzige wal bewährt. Von dem Tage an, wo es kam, ging eine ſichtliche Veränderung Die Stühle wurden weniger häufig tenesmus nehmen ab. Wenn mir aı tienten, die ich damit behandelte, ſtar davon doch nur darin, daß der Gebra gelegt wurde. Dieſer Fall beweiſ't die! auf die deutlichſte Weiſe. Bei Rückfällen der Dysenterie e bei Frauen Klyſtiere, welche 10 Cen Silber enthielten, welches Mittel ind Die endermiſche Anwendung der wahrſcheinlich bei der Cholera gute! Behandlung würde mehreren Indieg würden dadurch erſtlich die Kolik u werden, da nach jedem Verbande der ker, das Geſicht geröthet, die Wärm wirkliches Abſorptionsfieber erzeugt wi! revellirend wirken würde, Ich, meines ich je Cholerakranke zu behandeln hätt blick anſtehen, dieſe Curmethode zu med. de Paris, No, 44, 3. Nov.) | Miſeelle (28) Erweichung des vordere Verluſt der Sprache. Hr. Rizzi Bil H. B. Geinitz, das Quadersandsteingebirge oder 12155 I. Hälfte. gr. 8%. Geh. % Thlr. 9885 Regnaults Lehrbuch der Chemie. Aus d. Fra Lieferung. 8%. Geh. 12 Nar. Duncker und & Giſtel und Bromme, Handbuch der Naturgeſcht gr. 80. Geh. ½ Thlr. (compl. 4½ Thlr.) Ho Dieſer Nummer find Prob mit dieſem XI. Bande abgefchlu erſcheinen wird. Die neue Zei der Natur⸗ und Heilkund: benen Proſpect, zwar der bish erſtreben, wodurch die Tagsberie zelnen Werken, Journalaufſätze ten neuen Leiſtungen auf dem € durch die Anordnung der einzel in dem Proſpecte angegeben u Um ſchleunige Zuſendung Gebiete der Natur- und Heilku 2 welche bei der Furchung des Dotters eine ſo bedeutende Rolle ſpielt. Auch bei den nachfolgenden Veränderungen der Eier ergab ſich kein Beweis für die Exiſtenz einer ſolchen Zelle. In der Regel findet ſich nur 1 Ei in einer Hülle, bei Doris bilamellata fanden ſich jedoch auch 2 und ſelbſt 3 Eier in derſelben Hüllenmembran, bei Eolis gewöhnlich 2 — 5. Die Grö ße der Hülle ſelbſt variirt nach der Zahl der darin enthaltenen Eier. Eine und bisweilen zwei kleine durchſichtige Zellen fanden ſich in «i- nigen Eiern bald nach dem Leichen, ſie hingen an der äußeren Membran (2. a) an der Linie der erſten Theilung des Eies; ſie ließen ſich durch Druck leicht ablöſen und fanden ſich bisweilen loſe in der Hülle. Ich beſchreibe zunächſt die Veränderungen an den ova der Doris bi- lamellata. Wenige Stunden nach dem Leichen zeigt ſich eine Querfurche auf dem Ei (4.), welche allmälig durchgeht (5.); jede der beiden Hälften erleidet ſodann wieder eine Abſchnürung in zwei gleiche vollkommen runde und mit einer eigenen Haut verſehene Theile (6.); auch dieſe werden ſo— dann jeder in zwei Theile getheilt (J.). In einem Theile des Leichs wa⸗ ren 11 bis 12 Stunden nach der Austreibung desſelben alle Eier mit ſehr wenigen Ausnahmen (die nur in 2 getheilt waren) bereits in 4, und 19 Stunden nach dem Leichen in 8, einige wenige in 4 oder 6 Theile getrennt. Nach 27 Stunden zeigte ſich das Ausſehen von (S.), nach 50 Stunden von (9.), nach 75 Stunden von (10.). Zwiſchen dieſer Periode und dem Ende des fünften Tages ſchien die Theilung der Eier ihre äußerſte Grenze erreicht zu haben und nun änderte das Ei allmälig ſeine Geſtalt wie bei (J.). Anfangs ließen die einzelnen Theile ſich durch Druck noch trennen, allmälig wuchſen ſie zuſammen. Jede der kleinen Zellen, in welche ſich das Ei getheilt hatte, maß 1500 bis ½000 Zoll und hatte eine Zellmembran und im Innern einige der winzigen Zellen, welche urſprünglich im Innern des Eies ſich gefunden hatten (12.), und welche während der beſchriebe— nen Theilungen durchaus keine Veränderungen erlitten, ſo viel ich bemerken konnte. Am Ende des ſechsten Tages hatte die äußere Form des Eies noch keine weitere Veränderung erlitten, aber die Zellen verwuchſen immer mehr mit einander und aus der oberen Fläche des breiten Endes kamen feine Wimpern zum Vorſchein. Am achten Tage zeigte ſich die Geſtalt wie (13.), der Umfang war etwas durchſichtig, beſonders unten bis zur Mitte, wo die äußere Schicht der Zellen ſich von den übrigen Zellen getrennt hatte und zum Anfang der Schale zuſammenwuchs (13. a). Die Cilien an dem breiteren Ende waren breiter und lebendiger in ihrer Bewegung und es zeigten fi) Spuren einer Trennung in die Wimperſcheibe (13. e) und den Fuß (13.4). Das Ei zeigt nun keine Spur der früheren Theilungen mehr, die winzigen Zellen des Dotters waren jedoch noch ſo zahlreich als zuvor und ſchienen (außer da, wo ſich die Schale bildete), durch eine leimähnliche ſtructurloſe Maſſe vertheilt zu fein. Jetzt verdient das Ei den Namen Embryo. — Bevor ich nun der Reihe nach die verſchiedenen Veränderungen bis dahin beſchreibe, wo der Embryo die Hüllenmembran verläßt und davon ſchwimmt, will ich erſt die Structur in dieſer Periode ſelbſt beſchreiben, *) Bei 17 find dieſelben Theile mit denſelben Buchſtaben bezeichnet. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. 2 4 wodurch manche Wiederholung gefpart wird. Einige der Embryonen ver— ließen ihre Hüllenhaut am funfzehnten Tage nach dem Leichen, die ganze Anzahl aber erſt 3 — 4 Tage ſpäter. Die Hüllenmembran verdünnt ſich allmälig und verſchwindet endlich oder iſt zu Fetzen redueirt, was zum großen Theil von der Einwirkung der unaufhörlich anſchlagenden Wim⸗ pern bei dem lebhaften Drehen des Embryos innerhalb der Membran her— rühren mag. Der Embryo iſt zur Zeit ſeiner Befreiung (Entbindung) mit einer Schale (25. u. 20 a) verſehen, die in der Richtung von vorn nach hinten länger iſt als in der Querrichtung, ſo daß das Thier den oberen Theil ſeines Körpers nach Belieben vor- und zurückziehen kann. Fig. 20 zeigt den Embryo aus der Schale hervorgeſchoben, Fig. 21 ganz zurückgezogen. Der Embryo mit ſeiner Schale iſt zu dieſer Zeit beträcht- lich größer als das Ei zur Zeit des Leichens; einige maßen ¼145 Zoll Länge und ½00“ Breite. Die Theile, welche aus der Schale hervorge— ſchoben werden können, ſind zwei breite und überragende Wimperſcheiben (20.6) und ein hervorragender Fortſatz ') am oberen Theile der vorderen Körperfläche (20. 4). Die untere Fläche dieſes Fortſatzes oder Fußes iſt mit einer harten Platte (20. g) bedeckt, die ſich mit dem Fuße bewegt. Die Wimperſcheiben ſind vorn durch einen tieferen, hinten durch einen flacheren Einſchnitt getrennt; ſie ſind ſehr contractil und ändern deswegen ſehr ihre Form. Die obere Fläche hat einen dickeren Rand, an deſſen Kante eine Reihe langer ſtarker Cilien befeſtigt iſt, mit denen das Thier raſch in den verſchiedenſten Richtungen ſchwimmen kann. Wenn dieſe Scheiben im Waſſer gehoben und in verticale Stellung gebracht ſind, wie bei Fig. 20 und 18, ſo werden die benachbarten Theile, wodurch die Ränder mit dem Körper verbunden ſind, durchſichtig und können von vorn nach hinten zu— ſammengezogen werden, ſo daß ein Theil der Gentraleilien zu einem Buͤ— ſchel vereinigt wird; oder wenn der Embryo im Begriff iſt, ſich in ſeine Schale zurückzuziehen, ſo werden ſie zuſammengedrückt; der durchſichtige Verbindungstheil zieht ſich zuſammen und zieht die Scheiben herab, der Fuß mit ſeiner harten Platte wird gehoben (21.) und letztere dient nun wie ein unvollkommener Deckel. Iſt der Embryo ſo weit, daß er ſchwim— men will, ſo werden die Wimperſcheiben aus einander gezogen, platt ge— macht (16 u. 19.), ſo daß ſie beinahe rund und in der Mitte vertieft erſcheinen; im vorderen Ausſchnitt unmittelbar über dem Fuße befindet ſich dann der Mund (16. y), eine runde Offnung. Die langen Wimpern am äußeren Rande der oberen Fläche ſind im ruhigen Zuſtande nach in— nen gewendet bis zum innern Rande und alsdann mehr aufwärts und auswärts gerichtet; beim Zuſtande der Thätigkeit werden ſie mehr ſteif. Die obere Fläche des Fußes und der Umkreis des Mundes ſind ebenfalls mit Wim⸗ pern verſehen, die jedoch viel kleiner ſind; noch kleinere Wimpern finden ſich auf der oberen Fläche der Scheibe und an anderen Stellen des Thie— res außerhalb der Schale. Zwei ſehr auffallende und durchſichtige Zel⸗ len (16 u. 17. x), welche beide viel refractive Kraft beſitzen, ſitzen an der Baſis des Fußes zu den Seiten des Schlundes und unmittelbar unter ) Eine ganz ähnliche Hervorragung beim Embryo ver Asplysia nennt van Beneden einen Fuß und ich behalte dieſe Benennung bei, Dr. Regenhart, Dr. der Medicin und Chirurgie ꝛc. in Gra broſch. 8. 40 kr. C. M. 6. her eutſchland. 1829. Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge— Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte —̃ ́ͤ— n. in Wien, Europa. lizeibezirke Wieden in Wien, ed de. ꝛc. ſtzündung. et mn in Wien. ichtigung der Gallenſteine. A. Platner. e a. 11 239 ſchiedenheit in der Krankheitsform, daher rührt, daß ich faſt nur Män Die mittels der endermiſchen M phine hat ſich als das einzige wa bewährt. Von dem Tage an, wo es kam, ging eine ſichtliche Veränderung Die Stühle wurden weniger häufig tenesmus nehmen ab. Wenn mir ar tienten, die ich damit behandelte, ftar davon doch nur darin, daß der Gebra geſetzt wurde. Dieſer Fall beweiſ't die auf die deutlichſte Weiſe. Bei Rückfällen der Dysenterie bei Frauen Klyſtiere, welche 10 Cen Silber enthielten, welches Mittel ind Die endermiſche Anwendung de wahrſcheinlich bei der Cholera gute Behandlung würde mehreren Indica würden dadurch erſtlich die Kolik u werden, da nach jedem Verbande der ker, das Geſicht geröthet, die Wärm wirkliches Abſorptionsfieber erzeugt wi revellirend wirken würde. Ich, meines ich je Cholerakranke zu behandeln hät blick anſtehen, dieſe Curmethode zu med. de Paris, No. 44, 3. Nov.) Miſeelle (28) Erweichung des vordere Verluſt der Sprache. Hr. Rizzi Bil H. B. Geinitz, das Quadersandsteingebirge oder 7 5 I. Halfte. gr. 8°. Geh. % Thlr. Craz 1849. Regnaults Lehrbuch der Chemie. Aus d. Fra Lieferung. 8b. Geh. 12 Nar. Duncker und H Giſtel und Bromm e, Handbuch der Naturgeſch gr. 80. Geh. ½ Thlr. (compl. 4½ Thlr.) Ho Dieſer Nummer ſind Prob mit dieſem XI. Bande abgefchlı erſcheinen wird. Die neue Zei der Natur⸗ und Heilkund benen Proſpect, zwar der bis! erſtreben, wodurch die Tagsberi zelnen Werken, Journalaufſätze ten neuen Leiſtungen auf dem ( durch die Anordnung der einzel in dem Proſpecte angegeben u * dem Munde. Jede derſelben iſt von einer größeren Zelle umſchloſſen, we⸗ nigſtens von einem dunkleren Ringe (20 u. 21.) ). Vom Munde führt der Schlund zum Magen (20. h) hinab und nach vorn; vom hinteren Theile des Magens geht ſodann der Darm (20. i) ab, beugt ſich rechts, ſteigt hier in die Höhe und endigt etwas unter und hinter der rechten transparenten Zelle in der Wurzel des Fußes, hier umgeben von einer unregelmäßigen Maſſe, die aus wenigen Zellen (20.0) beſteht. Die ganze innere Fläche des Nahrungscanals iſt mit Gilien beſetzt, die in manchen Fällen Maſſen von, wie es ſcheint, abgeſtoßenen Zellen im Magen raſch herumwälzen. Auf jeder Seite des Magens (rechts 20. m) (links 20. n) liegt eine Zelle von verſchiedener Größe, welche winzige Zellchen (wie ſie das Ei bildeten) auf ihrer inneren Oberfläche zerſtreut enthalten, die ſich bisweilen von vorn nach hinten bewegten. Auf der rechten Seite findet ſich eine unregelmäßig geſtaltete Offnung (16. t), unmittelbar hinter der Endigung des Darmes und zwiſchen dem oberen Theile des Körpers und der Offnung der Schale, durch welche das Waſſer in das Innere gelangt; hier fanden ſich Cilien in lebhafter Bewegung. Ein Band geht von der Zellenmaſſe am Ende des Darmes um den Embryohals zu der Offnung in der Schale und bildet deren äußeren Rand. Da die größere der Zel- len am Ende des Darmes in unregelmäßigen Zwiſchenräumen ſich zuſam⸗ menzog, ſo dachte ich, es möchte ein rudimentäres Herz ſein und das er⸗ wähnte Band ein davon ausgehendes Gefäß; doch konnte ich den Beweis dafür nicht auffinden. — Vom oberen binteren Theile des Körpers ragte eine pyramidenförmige Maſſe (20. s) hervor, von deren Spitze eine dünne Haut herabſteigt und über den ganzen Körper geht (20. „). Ein ſtarkes Band contractiler Faſern geht von dem unteren Theile der Schale links in zwei Bündeln bis zum hinteren Theile des Halſes und Schlundes, ein ſehr feines Band eben da zum unteren Theile des Magens. Dieſe Mus⸗ kelbündel finden ſich bei allen Embryonen der Nudibranchiaten, am deut⸗ lichſten aber bei dem von Dendronotus arborescens (22 u. 23. p p). Durch Contraction dieſer Muskelbündel zieht ſich das Thier in feine Schale zu⸗ rück, indem der hintere Theil der Wimperſcheibe herabſteigt. Die Mus⸗ kelbündel, durch welche der Embryo die Wimperſcheiben und den Fuß ber⸗ vortreibt, habe ich nicht auffinden können; der obere vordere Theil des Körpers unterhalb der Baſis des Fußes iſt an den vorderen Rand der Schale angeheftet und erleidet daher wenig Lageveränderung bei der Her⸗ vortreibung und Retraction. Sämmtliche Theile des Embryos find durch⸗ ſichtiger als in der früheren Zeit. Wir kehren nun zu den früheren Stadien der Entwickelung wieder urück. ! Am Ende des neunten Tages hatte der Embryo das Ausſehen von Fig. 15. Die Wimperſcheiben (e) und der Fuß (d) waren undeutlich zu ſehen und die Centralmaſſe hatte ſich weiter von der Schale (a) ge- löſ't, außer an dem oberen Theile; der Theil innerhalb der Schale hatte ſich in vier undeutlich getrennte Lappen geformt, welche als die ſpäteren *) Van Beneden hält fie bei der Asplysia für die Rudimente des Nervenſsſtems; der Beweis fehlt noch. Reid hat bisweilen eine große Vibration der kleineren und größeren Zelle geſehen; ob ſie als Rudimente des Gehörganges zu betrachten ſeien, iſt unbeſtimmt. Um ſchleunige Zuſendung N Gebiete der Natur- und Heilku u = pe, Tal * Druck und Verlag des Landes⸗Induſtrie⸗Comptoirs zu Weimar. 7 9 Theile des Embryos beim Austritte leicht zu erkennen find. Die Wimper— ſcheiben waren noch klein, aber die Embryonen hatten bereits mehr Be— wegung, einige nur eine ruckende, andere eine vollſtändig drehende inner— halb der Hüllenmembran. Der Mund wurde ſichtbar, die harte Platte am unteren Theile des Fußes hatte ſich zu bilden angefangen, ebenſo die durchſichtigen Zellen in der Baſis des Fußes. Eine Schicht winziger Zel— len bedeckte die innere Fläche der Schale und machte ſie ſehr trübe. Vom neunten bis elften Tage waren die Wimperſcheiben viel entwickelter und be— weglicher. Der größte der vier Lappen hatte ſich zum Magen und Darme geformt, in denen bereits zuweilen Bewegung bemerkbar wird. Die durch— ſichtigen Zellen in der Baſis des Fußes ſind ſehr deutlich geworden. Am zwölften Tage hat der Embryo nun das Ausſehen der Fig. 16, 17, 18 und 19 angenommen und alle die Theile, welche zur Zeit des freien Aus— tritts aus dem Leich beſchrieben ſind, ſind nun deutlich zu ſehen. Fig. 16 iſt eine vordere Anſicht, woran die beiden großen Zellen zu beiden Seiten des Magens zu ſehen ſind. Fig. 17 iſt eine rechte Seitenanſicht, bei der der ganze Verlauf des Darmes deutlich iſt. Fig. 18 die linke Seite, woran der Anfang des Darmes (1), der ſich nach rechts biegt, allein zu ſehen iſt. Fig. 19 zeigt die hintere Seite, woran der gewundene Verlauf des Darmes () deutlich wird. Jetzt werden die Cilien der inneren Fläche des Nahrungscanales ſichtbar, obwohl der Verlauf des Schlundes noch nicht zu erkennen iſt. Die lockere Haut, welche den Körper ſpäter (20. v) überzieht, hängt noch an der innern Fläche der Schale an und enthält, wie alle Gewebe, noch viele von den kleinen Zellen. Zu dieſer Zeit fin— det ſich die Wimperſcheibe niemals in die Schale hineingezogen. Die an den anderen Eiern der Nudibranchiaten beobachteten Verän— derungen find dieſelben wie bei Doris bilamellata. Der Embryo der Do- ris tubereulata iſt zur Zeit des Austrittes etwas größer mit etwas kür— zerer Schale, ſo daß die über dieſe hervorragenden Theile merklich größer ſind. Die Schale von Doris bilamellata ſiehe (25). Die Wimpern auf dem oberen Theile des ovum wurden bei Gonio- doris barvicensis und Polycera quadrilineata erſt am ſiebenten Tage be— obachtet und die Embryonen der Polycera verließen den Leich erſt am acht— zehnten Tage. Die durchſichtigen Zellen in der Fußbaſis werden bei Po- Iycera (14. *) früher geſehen und bei vielen zeigt ſich zu derſelben Zeit ein unregelmäßiger dunkler Fleck (14. b) aus aggregirten Zellen am unte— ren Ende. Es kriechen nicht alle ova aus dem Leiche zu gleicher Zeit aus, am meiſten Abweichungen finden ſich aber bei den Eiern der Poly- cera quadrilineata, was wahrſcheinlich auch von dem künſtlichen Zuſtande, in den die Eier verſetzt ſind, abhängt. — Die äußere Form des Embryo von Dendronotus arborescens wich weit mehr von der der Doris bilamel- lata ab als alle übrigen. Fig. 22 iſt eine Anſicht von der linken Seite und 23 von der rechten Seite des Embryos von Dendronotus arborescens zur Zeit des Austrittes aus der Hüllenmembran. Die Schale (24) war dabei mehr verlängert, der Embryo füllte einen geringeren Theil der Schale aus und die vorragenden Theile waren durchſichtig und die Retractoren— bündel daher ſehr deutlich zu ſehen. Die den Körper umgebende Haut (v) war an die Schale in der Umgebung des Urſprungs des Retractors Dr. Regenhart, Dr. der Medicin und Chirurgie ꝛc. in Gratz. broſch. 8. 40 kr. C. M. her eutſchland. 1849. Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge— Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte U run ueree me— N. in Wien, Europa. lizeibezirke Wieden in Wien, ed dc. dc. ſtzündung. et - m in Wien. ichtigung der Gallenſteine. A. Platner. ea. F 11 - 239 ſchiedenheit in der Kranfheitsform, daher rührt, daß ich faͤſt nur Mänt Die mittels der endermiſchen M. phine hat ſich als das einzige wa bewährt. Von dem Tage an, wo es kam, ging eine ſichtliche Veränderung Die Stühle wurden weniger häufig tenesmus nehmen ab. Wenn mir ar tienten, die ich damit behandelte, ftar davon doch nur darin, daß der Gebra geſetzt wurde. Dieſer Fall beweiſ't die auf die deutlichſte Weiſe. Bei Rückfällen der Dysenterie bei Frauen Klyſtiere, welche 10 Cen Silber enthielten, welches Mittel ind Die endermiſche Anwendung de wahrſcheinlich bei der Cholera gute Behandlung würde mehreren Indica würden dadurch erſtlich die Kolik u werden, da nach jedem Verbande der ker, das Geſicht geröthet, die Wärm wirkliches Abjorprionsfieber erzeugt wi revellirend wirken würde. Ich, meines ich je Cholerakranke zu behandeln hät blick anſtehen, dieſe Curmethode zu med. de Paris, No. 44, 3. Nov.) Miſeelle (28) Erweichung des vordere Verluſt der Sprache. Hr. Rizzi Bil H. B. Geinitz, das Quadersandsteingebirge oder 1215 I. Hälfte. gr. 80. Geh. ¾ Thlr. Cra⸗ Regnaults Lehrbuch der Chemie. Aus d. Fra Lieferung. 8%. Geh. 12 Ngr. Duncker und H Giſtel und Bromme, Handbuch ver Naturgeſch gr. 80. Geh. ½ Thlr. (compl. 4½ Thlr.) Ho Dieſer Nummer find Brot mit dieſem XI. Bande abgefchli erſcheinen wird. Die neue Zei der Natur⸗ und Heilkund benen Proſpect, zwar der bist erſtreben, wodurch die Tagsberi zelnen Werken, Journalaufſätze ten neuen Leiſtungen auf dem ( durch die Anordnung der einzel in dem Proſpecte angegeben u Um ſchleunige Zuſendung Gebiete der Natur- und Heilki * angeheftet. Zog ſich dieſer zuſammen, ſo wurden Wimperſcheibe und Fuß beträchtlich hinter die Mündung der Schale zurückgezogen. Die Embryo⸗ nen, obwohl ſämmtlich unter künſtlichen Verhältniſſen entwickelt, ſchienen eſund. — — 15 Es iſt mir bis jetzt nicht gelungen, die Embryonen hinreichend lange, nachdem fie den Leich verlaſſen haben, am Leben zu erhalten, um die fer- neren Metamorphoſen zu beobachten. Sars, Alder und Hancock haben dagegen bereits bekannt gemacht, daß die Jungen der Nudibranchiaten ſich verändern, daß ſie einige Zeit lang in einer Nautilus-ähnlichen Schale ſchwim⸗ men und ſich zu dieſer Zeit von ihren Eltern ſehr unterſcheiden. Zur Embryogenie des Schiffsbohrers, Teredo fatalis. Von M. A. de Quatrefages ). Hierzu Figur 26 — 41 der Tafel No. 2. Bei dieſer Arbeit habe ich die Eier, welche ich aus dem Ovarium genommen hatte, künſtlich befruchtet und bis zur Umwandlung des Dotters in Larven, die ſich vermittels ihrer Cilien in dem Waſſer frei bewegten, nicht aus den Augen verloren. Sodann habe ich auch die Larven ſtudirt, welche ich in verſchiedenen Entwicklungszuſtänden in dem Branchialcanale der weiblichen Bohrmuſcheln gefunden habe. l. Entwicklung der Eier und der Spermatozoiden. Eier. Das Ovarium hinter der Leber iſt in ſehr feine Läppchen getheilt, die endlich nur unregelmäßige Granulationen in einem ſehr feinen Gewebe darſtellen, in welchem zur Zeit der Trächtigkeit die Eier liegen. Die erſte bemerkbare Spur des Eies iſt ein durchſichtiges Kügelchen von 700 Millim., ſpäter das Purkinjeſche Bläschen (26). Dieſes wächſt, und hat es einen Durchmeſſer von Yo Millim. erreicht, jo ſieht man im Innern ein zweites Kügelchen, welches der Wagnerſche Fleck wird; dieſe beiden Elemente wachſen, ohne daß man etwas von Dotter bemerkt, bis der Fleck 1/50 Millim., das Bläschen ¼6 6 Millim. erreicht hat (27). Jetzt zeigt ſich der Dotter als ſehr kleine Körnchen, die ſich um das Bläs- chen gruppiren, ohne daß man eine Dotterhülle bemerken könnte (28 a). Später zeigt ſich dieſe, aber der Dotter iſt noch farblos (29). Der Durch- meſſer des ganzen Eies iſt jetzt Ya, Millim., der des Purkinjeſchen Bläs- chens 3 und des Wagnerſchen Flecks 20 Millim. — Bis jetzt war das Ei rund, wie aber die Eier zunehmen, ſo ändern ſie auch durch Druck der benachbarten Eier ihre Geſtalt; die reifen Eier, welche, um zum Oviduct zu gelangen, durch die engen lacunae ovarii hindurch müſſen, verlängern ſich (31), wobei häufig der ganze Dotter ſich in den ver— längerten Stiel zieht. Indes nimmt auch das am meiſten ausgeſtreckte Ei nach kurzem Eintauchen in Waſſer wieder ſeine runde Geſtalt an (30). Sein Durchmeſſer beträgt jetzt Yo. Millim. und hat nur eine einzige Hülle, dle aus einer feinen, vollkommen durchſichtigen Haut beſteht, die die Dotterſubſtanz umgiebt. *) Annales des Sciences naturelles, Avril 1849. — ; Druck und Verlag des Landes-Induſtrie⸗Comptoirs zu Weimar. 228 * Spermatozoiden; dieſe haben bei Teredo wie bei allen wirbel— loſen Thieren, die ich in dieſer Beziehung unterſuchen konnte, eine ganz gleiche Entwicklung mit den Eiern; erſt ein ſehr kleines Kügelchen, welches bis zu ¼150 Millim. Durchmeſſer wächſt und ſich dann in Spermato— zoiden aufloͤſ't. Ich habe oft ſolche zuſammengeklebte Kügelchen wirbeln und durch die Bewegungen der Schwänze der Spermatozoiden, welche ſich davon loszumachen ſchienen, fortgezogen geſehen; und beim männlichen Teredo iſt der Hode von ſolchen Kügelchen ganz gefüllt, jo daß die Maſſe durch die vielen hervorragenden Schwänze wie gewimpert ausſieht. Die Spermatozoiden ſelbſt find ſehr klein (41), kaum ½00 Millim. lang, mit einem Schwanze von ¼0 Millim.; fie find übrigens nicht ganz gleich. II. Entwickelung des Eies. Erſte Periode, von der Befruchtung bis zur Austreibung des Kügelchens, zwei Stunden. — An dem nicht befruchteten Eie haben wir geſehen, daß alle Theile ſehr deutlich zu unterſcheiden waren; ſowie eine Berührung mit den Spermatozoiden Statt gefunden hat, findet man den Wagnerſchen Fleck nicht mehr; es iſt als wenn er ſich in der Sub— ſtanz des Bläschens auflöſ'te; die Dottermaſſe concentrirt ſich um das Purkinjeſche Bläschen und löſ't ſich von der Eihülle, ſo daß der Dotter eine ſehr ungleiche Oberfläche bekommt; nach einer halben Stunde bemerkt man im Dotter unregelmäßige Bewegungen, wodurch ſich verändernde helle Stellen zum Vorſchein kommen. Dieſe vorbereitende Arbeit dauert etwa zwei Stunden, worauf ſich einer der hellen Flecke bis an die Oberfläche des Dotters verlängert und ein durchſichtiges Bläschen von ¼00 Millim. hervortritt und bisweilen die Eihülle ſogar erhebt (32), bald aber eine linſenförmige Geſtalt annimmt und allmälig ſich wieder auflöſ't, ohne daß ich eine Erklärung ſeines Nutzens geben könnte. Nach dem Hervortreiben des Bläschens iſt der Dotter gleichförmig vertheilt und zeigt keine hellen Stellen mehr. Die Oberfläche des Dotters iſt jetzt glatt und durch eine dünne Schicht Flüſſigkeit, die wahrſcheinlich durch Endosmoſe eingedrungen iſt, von der Eihülle getrennt. — Zweite Periode, von der Austreibung des Bläschens bis zur Bildung der Wimpern, ungefähr 9 Stunden. — Bald nach der Austreibung bildet ſich entgegengeſetzt dem Bläschen eine Furche, welche die Dottermaſſe in zwei Theile theilt (33). Einer dieſer Theile zeigt nun längere Zeit das eigenthümliche Phänomen der Zerklüftung, zuerſt in drei Theile, dann in immer mehrere (34), und von der 5. Stunde an wird nun die Dot— termaſſe immer bläſſer, ſo daß die grünlichgelbe Farbe nach der 6. Stunde ganz verſchwunden iſt, während die Maſſe der zerklüfteten Hälfte das An— ſehen von jungen Geweben annimmt. Die 2. Hälfte des Dotters bleibt bis zur 5. Stunde faſt unverändert, nimmt alsdann etwas ab, während die geklüftete Abtheilung, die in der Mitte am ſtärkſten iſt und nach den Seiten hin gleichmäßig abnimmt, verhältnißmäßig um ſich greift (34). Gegen die 7. Stunde hat der ganze Dotter ſeine harte und primitive Structur verloren und ebenfalls das Ausſehen friſcher Gewebsgranulatio— nen mit unregelmäßigen kleinen Kügelchen angenommen (35). Gegen die Von Dr. Negenhart, Dr. der Medicin und Chirurgie ꝛc. in Gra broſch. 8. 40 kr. C. M. 6. her eutſchland. 1849. Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge— Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte — —— 22 —————— N in Wien, Europa. lizeibezirke Wieden in Wien, ed ac. dc. ſtzündung. et - in in Wien. ichtigung der Gallenſteine. A. Platner. e 4. 7 11 239 ſchiedenheit in der Krankheitsform, daher rührt, daß ich faft nur Dein Die mittels der endermiſchen M phine hat ſich als das einzige wa bewährt. Von dem Tage an, wo es kam, ging eine ſichtliche Veränderun Die Stühle wurden weniger häufig tenesmus nehmen ab. Wenn mir ar tienten, die ich damit behandelte, ftar davon doch nur darin, daß der Gebra geſetzt wurde. Dieſer Fall beweiſ't die auf die deutlichſte Weiſe. Bei Rückfällen der Dysenterie bei Frauen Klyſtiere, welche 10 Cen Silber enthielten, welches Mittel ind Die endermiſche Anwendung de wahrſcheinlich bei der Cholera gute Behandlung würde mehreren Indica würden dadurch erſtlich die Kolik u werden, da nach jedem Verbande der ker, das Geſicht geröthet, die Wärm wirkliches Abſorptionsfieber erzeugt wi revellirend wirken würde. Ich, meine: ich je Cholerakranke zu behandeln hät blick anſtehen, dieſe Curmethode zu med. de Paris, No. 44, 3. Nov.) Mifcelle (28) Erweichung des vordere Verluſt der Sprache. Hr. Rizzi Bil H. B. Geinitz, das Quadersandsteingebirge oder land. I. Hälfte. gr. 8. Geh. %% Thlr. Cra— 1849. Regnaults Lehrbuch der Chemie. Aus d. Fra Lieferung. 8%. Geh. 12 Ngr. Duncker und 5 Giſtel und Bromm e, Handbuch der Naturgeſch gr. 80. Geh. ¼ Thlr. (compl. ½ Thlr.) He Dieſer Nummer ſind Prol mit dieſem XI. Bande abgefchlı erſcheinen wird. Die neue Zei der Natur⸗ und Heilkund benen Proſpect, zwar der bisl erſtreben, wodurch die Tagsberi zelnen Werken, Journalaufſätz⸗ ten neuen Leiſtungen auf dem ( durch die Anordnung der einzel in dem Proſpecte angegeben u Um ſchleunige Zuſendung Gebiete der Natur- und Heilkı 11. Stunde haben die beiden Hälften des Dotters, welche vorher fo ver⸗ ſchieden ausſahen, wieder ein ganz gleiches Ausſehen angenommen. — Zu derſelben Zeit bemerkt man auf den Larven die erfte Spur von Gilien, zuerſt als kleine Wärzchen, die ſich ſogleich verlängern ); nun fängt die Larve, die ſich vorher nur ſtoßweiſe bewegte, an ſich zu drehen, und nach zwei Stunden ſchwimmt fie frei umher. — Die Eihülle hat ſich in dieſer Zeit nicht verändert. — (Schluß folgt.) Ob die Gilien auf dem Dotter entſtehen und durch die Eihülle durchrringen, ober ob fie aus letzter allein hervorwachſen, kann ich nicht beſtimmen. Miſeelle nu. Zur Erklärung der ſ. g. Regen organiſcher Körper theilt Prof. Plie⸗ ninger zu Stuttgart mit, daß er im Spätherbſt (Nov.) an einem Morgen, nachdem in der Nacht ein ſtarker Südweſtwind gehauſ't hatte, in ſeinem Garten an der Nordweſtſeite des Hauſes auf der Schneedecke in halb erſtarrtem Zuſtande und mit einer Verwundung am hinteren Theile ihres Körpers eine 1“ lange Larve von Deilephila euphorbii gefunden habe, welche, da die Raupe noch nie in der Stadt gefunden worden, nur durch den Sturm aus dem freien Felde von den benachbarten Bergen dahin geführt worden fein könne. (Würtemb. naturwiff. Jahreshefte IV. 3.) Omnismus aus erbfeindlichen Thieren nennt der Beſitzer Math. Hüntgen eine Sammlung zuſammenlebender Thiere, wie ſie in der That frü⸗ her nirgends geſehen worden iſt. Viele unſerer Leſer werden dieſe Sammlung mit Jutereſſe geſehen haben, da der Beſitzer damit herumreiſ't und ſie auf Meſſen und bei Volksfeſten zeigt. In den Würtemb. naturwiſſenſch. Jahresheften VI. 1. giebt Hr. G. v. Martens eine ausführliche und recht leſenswerthe Beſchreibung, aus welcher wir nur hervorheben, daß ſich in einem großen eiſernen Käfig folgende Thiere beiſammen befanden: ein männlicher Mafato aus Java, ein jüngerer Affe, ein Waſchbär aus Nordamerica, ein männlicher Wolf aus den Vogeſen, 4 Hunde, ein alter männlicher Fuchs, 2 Katzen, eine Hausratte, 2 graue Kaninchen, ein Ziegen⸗ bock, ein Schaf, ein rother Geier aus Agypten, ein Seeadler aus Nordeuropa, 2 deut⸗ ſche Weihen (Falco buteo) ein ſicilianiſcher Uhu, ein deutſcher Rabe, 2 Schwalben⸗ tauben, 3 Haushähne, eine Gans; im ganzen 28 Thiere, 16 Säugethiere und 12 Vögel. — Alle dieſe Thiere leben friedlich, balgen ſich zwar und necken ſich, werden aber gemeinſchaftlich gefüttert und thuen ſich gegenſeitig keinen Schaden. In Frankreich find inf der Gironde und Charente inférieure 5 Pelikane geſehen und davon 2 geſchoſſen worden, nach der Mittheilung des Pfarrers von Guitres, welcher fie in feinem Kabinet aufbewahrt, von ſehr reſpectabler Größe und mit Schnäbeln von 46 Centimeter Länge. (Zoologist. Oct. 1849.) Bibliographiſche Neuigkeiten. 211650 zur Rheinischen Naturgeschichte. I. Jahrg. 1. Hft. gr. ®. ½ Thlr. erder. J. Gene, Beiträge zur Naturgeschichte der Zecken. Aus d. Ital. m. Anm. von H. Fischer. gr. 4. Geh. 11½% Sgr. Freiburg, Wangler. J. de Labram, Inſecten der Schweiz. 97. und 98. Lieferung als Reſt. 8. 3 ½ Thlr. Baſel, Bahnmaier. x = el die ſchweizeriſchen Käfergattungen. 15.— 18. Hft. 8. 4 ½ Thlr. Baſel, ahnmaier. J. W. Zetterstedt, Diptera Scandinaviae disposita et descripta. Tom. VIII. seu supplementum. gr. 8°. Lundae. Geh. 2 Thlr. Greifswald, Otte. G. A. W. Herrich Schäffer, die wanzenartigen Insecten. IX. Bd. 1. Hft. gr. ®. % Tulr. Nürnberg, Lotzbeck. J. Müller, über die Larven und Metamorphose der Echinodermen. 2. Abhandlung. gr. #. Geh. 1½ Thlr. Berlin, Comm. Dümmler. Freiburg, — * Druck und Verlag des Landes-Induſtrie⸗Comptoirs zu Weimar. Allgemeiner. Literarifch - artiftifcher Monatsbericht für Deutschland. No December. 1849. Dieſer Monatsbericht wird den beim Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge— biete der Natur- und Heilkunde, und den chirurgiſchen Kupfertafeln als Intelligenz ⸗ Blatt beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. . 1 Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht dieſes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte wird von jetzt an 1½ 995. berechnet. Erſchienene Neuigkeiten. a Bei Kaulfuß Witwe, Prandel und Comp. in Wien, am Kohlmarkt Nr. 1149 — 50, find neu erſchienen: Beſchreibung ſämmtlicher Kinderheilanſtalten in Europa. on Franz S. Hügel, Doctor der Medicin, Director des unentgeltlichen Kinder-Kranken⸗Inſtituts im k. k. Polizeibezirke Wieden in Wien, der mediciniſchen Facultät, und mehrerer wiſſenſchaftlicher Vereine Mitglied sc. ze. broſch. 8. 4 fl. C. M. Der Aderlaß in der Lungenentzündung. Kritiſch und phyſiologiſch erörtert von Dr. Iof. Dietl,; k. k. Polizeibezirks- und Primararzt des Bezirks-Krankenhauſes Wieden in Wien. broſch. 8. 1 fl. 20 kr. C. M. Die Galle im geſunden und krankhaften Zuſtande, mit beſonderer Berückſichtigung der Gallenſteine. Nach F. Bouiſſon, frei bearbeitet und mit Zufägen vermehrt von E. A. Platner. broſch. 8. 2 fl. C. M. Die orientalifhe Cholera. Von Dr. Regenhart, Dr. der Mediein und Chirurgie ꝛc. in Gratz. broſch. 8. 40 kr. C. M. 5 11 43 II. Vollständig ist jetzt erschienen und durch alle Buch- handlungen zu erhalten: Geschichte der Mediein, bearbeitet von Dr. E. Morwilz. Zwei Bände, Geh. 3 Thlr. 18 Ngr. Gr. 12. Dieses Werk bildet die vierte Abtheilung der ..Eneyklo- | pädie der medicinischen Wissenschaften“, welche unter Redaction des Dr. A. Moser bei dem ‚Unterzeichneten erscheint. Die vorhergehenden Abtheilungen enthalten: I. Handbuch der topographischen Anatomie. Von Dr. L. Rocehmann. 3 Thlr. II. Handbuch der speeiellen Pathologie und Therapie. Von Dr. L. Posner. Drei Bände. 7 Thlr. Der erste Band umfasst die acuten Krankheiten (2 Thlr.), der zweite und dritte Band die chronischen Krankheiten (5 Thlr.). II. Die medieinische Diagnostik und Semiotik. Von Dr. AI. Moser. 2 Thlr. Leipzig, im December 1849. F. A. Brockhaus. III. Durch alle Buchhandlungen ist zu bestellen: Ludwig Beichenbach's, Director am zob logischen Museum in Dresden, vollständigste Naturgeschichte ist ohne wiederholte Ankündigung worden, 261 Platten mit 1188 Säugethieren und 271 Platten mit 2264 Vögeln liegen vor, zu ersteren noch 65 Tafeln Ana- tomie und zu letzteren die neuesten Abtheilungen: Das natürliche System der Vögel mit Abbildung medica in Bezug auf Gabe und Form — Höchſte Doſen camente, nach der Preuß. Pharmacopße — Tropfenzahl ver Flüſſigkeiten — Temperatur der Waſſerbäder — Erſie Hülfe Preußiſche Medicinal⸗Taxe für Arzte, Wundärzte ꝛc. — Die 6 Magiſtralformeln — Preiſe der wichtigſten Arzneimittel — Prei Preis⸗Räthſel für 1850 — Die Med.⸗Verw.⸗Behörden Preußens Hebammen, lands — Toricologiſches — Mediciniſche Apho ununterbrochen fortgesetzt Erſchienene Neuigkeiten. Preis in Cottenetband mit Golddruckdeckel 22½ 14 7 Bei Carl Heymann in Berlin iſt fo eben erſchienen in allen guten Buchhandlungen zu haben; unt Taſchen⸗Kalender für Aerzte und Chi⸗ rurgen (Ster Jahrgang) auf 1850. Herausgegeben von einem praktiſchen Arzte 7 jr., mu Papier durchſchoſſen 27½ Sgr tragung von Beſuchen Schwangerſchafts⸗ Kalender mäßigen und regelwidrigen Geburten — Tabell. Uberſicht der Materia Medi der bei akuten Vergiftungen — Berühmte Heilformeln berühmter Ar; gabe der preuß. Pharmacopöe verglichen mit der Iten — & gaben für 1850 und die folgenden Jahre — Namens⸗Verzeich Bade⸗ und Privat⸗Arzte an den bedeutenderen Badeorten De smen — Hun E ſche Vorträge — Auflöſ. der Preis⸗Charade im vor. Jahr., neues Wickelfrauen, Krankenwärter und Krankenwärterinner 8 Berlin's ꝛc. Gewiß ein ſehr reicher, unterhaltender und nützlicher Inhalt! Bei dem ernſten Berufe der Arzte wird der humoriſtiſche Theil des Kalenders ihnen doppelt willkommen ſein. Wi: Bei Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen ist erschienen: der Kennzeichen der bis jetzt entdeckten 925 Gattungen aller Welttheile auf 100 Tafeln: 7 &. 15 Ngr. gr. 4%., Papier Jesus 10 #6. 20 Ngr., auf Bestellung auch Velin gr. 4“. ill. 15 N. Die neuentdeckten Vögel: 431 Abb. auf 80 Tafeln 6 &. 20 Ngr., ill. 10 . 20 Ngr. Velin. gr. 4°. ill. 13 Re. 10 Ngr. Die vollständigste Naturgeschichte aller bis jetzt entdeckten Vögel Neuhollands, 78 Bogen 3 26.20 Ngr. — Alle Arten sind in der vollst. Naturgeschichte abgebildet, zu welcher der rückständige Text nicht früher als nach Herausgabe der Systeme erscheinen konnte, nun aber er- scheint und neuen Subseribenten auf Verlangen mit den Abbildungen zugleich heftweise, nach Bestellung ein oder zwei Hefte monatlich, geliefert wird. Leipzig. Tr. Hofmeiſter. . Bei Georg Wigand in Leipzig ist erschienen: Lehrbuch der pathologischen Anatomie und Dia- gnostik. Von Dr. Karl Bock, Professor in Leip- zig. 2te Auflage gr. 8. brosch. 22¾ g. Flora Hanoverana exeursoria enthaltend die Beschreibung der phanerogamischen Gewächse Norddeutschlands in den Flussgebieten der Ems, Weser und Unterelbe von Dr. G. F. W. Meyer. 2% Thlr. VII. Durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Synopsis Muscorum frondosorum omnium hucusque cognitorum. Auctore C. Müller. Pars I. Musei vegetationis acrocarpicae. geb. 5 Re. Berlin. 1849. A. Förstner. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medicinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 236. (Kr. 16. des XI. Bandes.) Naturkunde. Giraud, Aerolithen und Meteoreiſenmaſſe, in Oſtindien gefunden. — de Quatrefages, Analogie der Entwickelung der Anneliden und December 1849. Säugethiere. — Martins, Zerſplittern der Bäume durch Gewifterſturm. — Miſcellen. Martin⸗Magron und Brown⸗ Se guard, Ausreißung des n. facialis am Gehirne bewirkt Kreisdrehungen. Brown-Sequard, Wiedererzeugung der Functionen des durchſchnittenen n. ischiatieus. — Heilkunde. Harvey, rheumatiſche Ohrkrankheit. — Callaway, Jerreißung des langen Vann oni, — Becquerel, Geſundmachung der Sologne. — Miſcellen. wüchſe der Oberfläche von Molluſken. — Bibliographie. Kopfes des m. biceps. — Desinficirende Wirkung des abgeſchwefelten Torfs. Unfruchtbarkeit durch hystero-trachelo-atrophie. Chauſſat, warzige Aus- Naturkunde. XXVIII. über zwei Aerolithen und eine Meteor- eiſenmaſſe, die neuerlich in Oſtindien gefunden wurden. Von Herbert Giraud, Prof. der Chemie zu Bombay. Der Aerolith von Dharwar fiel am 15. Februar 1848 um 1 Uhr Mittags bei einem ſüdlich von Neglur, einem wenige Meilen vom Zuſammenfluſſe des Warda- und Tum— budrafluſſes, im Bezirke Dharwar gelegenen Dorfe. Ein Hirte, der in der Nähe des Feldes hütete, ward durch ein plötzliches ſchwirrendes Getöſe in der Luft erſchreckt, er blickte aufwärts, bemerkte aber nichts ungewöhnliches, wenige Augen— blicke ſpäter ſah er jedoch im benachbarten Felde Staub auf— fliegen, als ob ein feſter Körper dort mit Gewalt niedergefal— len wäre. Mehrere Dorfbewohner, die in einer benachbarten Tenne gedroſchen, hatten um dieſelbe Zeit dasſelbe Geräuſch in der Luft vernommen. Die Dorfbewohner gingen mit dem Hirten nach der Stelle, wo letzterer den Staub auffliegen ſah, ſie fanden hier einen in zwei Stücke zerbrochenen Stein in einer Vertiefung liegend, deren Größe der Fußſpur eines jungen Elephanten glich. Der Stein hatte ein ganz anderes Ausſehen, wie alle in der Nachbarſchaft vorkommenden Stein— arten, man glaubte deshalb, er ſei vom Himmel gefallen. Das ganze Dorf kam zuſammen, man holte den Prieſter (Patel) und dieſer berichtete den Hergang des Steinfalles an die Behörde zu Gutul. Der Mahulkari zu Gutul reiſ'te ſogleich nach Neglur, um das Factum ſelbſt in Augenſchein zu nehmen. Nach einer genauen Beſichtigung des Steines wie der Ortlichkeit, wo er gefallen, kam auch er zu der Überzeugung, der Stein ſei aus der Luft gekommen. Der Stein ſelbſt ward dem Verf. zur Unterſuchung übergeben. Der Stein hatte, wenn man ſeine beiden Fragmente zuſammenhielt, eine eiförmige Geſtalt, im Umkreiſe ſeiner längſten Achſe maß er 15, im Umkreiſe der kürzeſten Achſe No. 1226. — 1116. — 236. 11 Zoll, das Gewicht betrug 4 Pfund. Das eine Ende des Steines war etwas abgeplattet, als ob es im weichen Zuſtande auf eine harte Maſſe getroffen hätte. Die ganze Oberfläche beſtand aus einer ſchwarzen, glaſigen, ½0 Zoll dicken Kruſte, wogegen das Innere des Steines an Farbe wie Ausſehen einem grauweißen feinen Sandſteine glich; kleine glänzende Metalltheilchen waren durch ſeine Maſſe zer⸗ ſtreut. Die Innenmaſſe des Steines ließ ſich zwiſchen den Fingern zerreiben, die Metalltheilchen wurden vom Magnete angezogen. Das ſpeeifiſche Gewicht des Steines betrug 3,512; Salpeterſalzſäure löſ'te denſelben unter ſtarker Schwe⸗ felwaſſerſtoffentwickelung mit Zurüdlaffung feiner Silicate. Die Löſung ward, um das Eiſenoryd zu fällen, mit über⸗ ſchüſſigem Ammoniak verſetzt. Die über dem Eiſenoryd ſte⸗ hende Löſung färbte ſich hell ſapphirblau, man verdampfte fie zur Trockne, glühte den Rückſtand, um das Ammoniak⸗ ſalz zu beſeitigen, löſ'te denſelben in Salpeterſäure und fällte jetzt das Nickeloryd durch Kali. Cobalt und Chrom waren nicht vorhanden. Bei der erſten Auflöſung des Steines in Salpeterſalzſäure ſchied ſich Schwefel als leichtes auf der Flüſſigkeit ſchwimmendes Pulver ab, ein größerer Theil des Schwefels entwich jedoch als Schwefelwaſſerſtoffgas. Der Stein beſtand nach des Verf. Analyſe aus erdigen Silicaten - 58, Schwefel lan 2,5 Nickel amt ens 6,76 Eiſen 22,18 89,74. U Der Aerolith von Meihi Caunta fiel am 30. Noobr. 1842 um 4 Uhr Nachmittags. Einige Eingeborene, die zwiſchen den Dörfern Tſchitala und Mor Monti in Meihi Caunta, nördlich von der Stadt Ahmedabad ſäeten, ver= nahmen um die erwähnte Zeit vier bis 17 Mal hinter 253 einander ein Getöſe in der Luft, das dem Knall einer Kanone gleich kam. Der Schall kam von Oſten, ihm folgte ein heftiger Sturm und das Herabfallen einer Anzahl Steine. Die Eingeborenen ſammelten die Steine, dieſelben rochen anfänglich ſtark nach Schießpulver; man zerſchlug ſie und bewahrte ſie als Seltenheit. Ein Stück eines ſolchen Stei— nes kam durch die Güte des Capitän G. Fulljames an die geographiſche Geſellſchaft zu Bombay, dasſelbe glich dem ſo eben beſchriebenen Aerolithen von Dharwar ſo voll— kommen, daß man es ihm angehörig halten konnte; es hatte dieſelbe dunkle glaſige Oberfläche, dieſelbe grauweiße Innenmaſſe, dieſelben in letzterer zerſtreuten Metalltheilchen. Das ſpecifiſche Gewicht betrug 3,360. Die dem Verf. über- gebene Menge der Steine war leider nicht für eine quanti— tative Analyſe ausreichend, die qualitative Unterſuchung er— gab dieſelbe im vorigen Aerolithen gefundenen Stoffe. Das Meteoreifen von Singhur bei Puna in Dekhan ward im November 1847 von einigen Arbeitern entdeckt. Das auf einem ſich 2000 Fuß über die Ebene erhebenden Hügel gelegene Fort Singhur iſt während der heißen Jahres— zeit der Hauptzufluchtsort der europäiſchen in der Um— gegend ſtationirten Ofſieiere und Beamten; der Baſalthügel, welcher das Fort trägt, liegt 4500 Fuß uͤber dem Meere. Beim Aushauen einer Treppe fand man hier eine Metall— maſſe, die frei gelegt und für Eiſenerz gehalten ward; da jedoch in der ganzen Umgegend nichts ähnliches gefunden war, ſandte man die Maſſe an die geographiſche Geſellſchaft zu Bombay. Die Maſſe hatte eine unregelmäßig dreiſeitige, prisma— tiſche, an den Enden koniſch zugeſpitzte Geſtalt, ſie war 12½ Zoll lang und 5 bis 5 ½ Zoll dick, fie wog 31 Pfund 4 Unzen. Die von der Maſſe abgeſchlagenen Stücke hatten ein etwas verſchiedenes ſpeeifiſches Gewicht, dasſelbe ſchwankte zwiſchen 4,700 und 4,900. Die ganze Oberfläche hatte ein roſtiges Anſehen, nur hier und da blickten metalliſch glän— zende Stellen hervor. Die eine Seite der Maſſe war ſehr blaſig, die andere weniger, die dritte war glatt und von metalliſchem Ausſehen. Um die innere Beſchaffenheit der Maſſe kennen zu lernen, ward dieſelbe durchbohrt; im In— nern fanden ſich große, unregelmäßige, blaſige Höhlen, die Wandungen der letzteren hatten, gleich ihrem Bohrmehle, eine ſchlackenartige ſchwarze Farbe. An einem Ende ward ein kleines Stück der Maſſe ab— geſchlagen, auf der Bruchfläche ſah man gelblichweiße, erbſen— große, erdig ausſehende Körper in der Eiſenmaſſe eingebet— tet. Die letztere war ſo zähe, daß ſich mittelſt des Ham— mers nichts ausrichten ließ und die Maſſe, um ſie zerſchlagen zu können, erſt erhitzen mußte; ſie war hämmerbar, ward vom Magnete ſtark angezogen, hatte ſelbſt aber keinen ma— gnetiſchen Pol, wie einige früher entdeckte Meteoreiſenmaſ— ſen. Die Analyſe der 3 Zoll tief entnommenen Bohrſpäne ergab folgende Zuſammenſetzung: Erpfilicate 4 95 FFF ND er 4,24 92,90. 236. XI. 16. 254 Die blaſige Beſchaffenheit, die große Zähigkeit und Hämmerbarkeit der erwähnten Eiſenmaſſe deutet auf einen Schmelzgrad, welcher die Hitze der natürlichen Feuermaſſen des Landes überſteigt, dazu kommt der Nickelgehalt, ein beſtimmter Beweis für den meteoriſchen Urſprung der Maſſe. Dieſelbe wird, gleich dem von Pallas beſchriebenen ſibiri⸗ ſchen Meteoreiſen, nach ſtarkem Erhitzen ſpröde, fie verlor ihre Hämmerbarkeit und zerbrach in Stucke, mit dem Hammer polirt zeigte die Maſſe, gleich dem in Braſilien gefunde- nen Meteoreiſen, zahlreiche Furchen. (The Edinburgh new philosophical Journal, April to July 1849.) XXIX. über die Übereinftimmung der Entwickelung der Anneliden und Säugethiere. Von Quatrefages. Sogar die nicht befruchteten Eier dieſer Thiere, beginnt der Verf., zeigen höchſt merkwürdige Erſcheinungen; dem reinen Meerwaſſer überlaſſen erfahren ſie alsbald den Ein⸗ fluß der Endermoſe; eine beſtimmte Menge Waſſer dringt in ihr Inneres und dehnt ganz allmälig die Eihaut, die ſich nunmehr vom Dotter entfernt, aus; nach Verlauf von 6 bis 7 Stunden iſt ſcheinbar ein Albumen entſtanden. Um dieſe Zeit verſchwindet das Purkinjeſche Bläschen, das ſich durch feine Durchſichtigkeit im Innern des Dotters er⸗ kenntlich macht. Der Dotter zeigt jetzt ganz ähnliche Be- wegungen, wie ſie bei befruchteten Eiern vorkommen. ganze Maſſe verändert mit jedem Augenblicke ihre Geſtalt, ſie rollt von einem Punkte des Eies zum anderen, und bildet abgerundete Lappen, deren Veränderungen man mit dem Auge verfolgen kann. Alle dieſe Bewegungen werden hauptſächlich durch das transparente Medium, welches die Dotterkörnchen zuſammenhält, ausgeführt; letztere werden gewiſſermaßen paſſio mit in die Bewegung hinein gezogen. Das Medium bildet auch für Augenblicke wohl ganz für ſich Ausbuchtungen, die ſich bald wieder in die ganze Maſſe hineinziehen. Im Verlaufe dieſer Bewegungen werden die Inhaltskörner (granulations) immer kleiner, ihre Zahl ver- mindert ſich und das transparente Medium wird immer ent⸗ ſchiedener als Träger der bewegenden Kraft charakteriſirt. Der Verf. geſteht, daß ihm die Natur dieſer Bewe⸗ gungen lange Zeit unklar blieb, er hielt ſie anfangs für durch Endermoſe, oder durch beginnende Fäulniß u. ſ. w., veranlaßte Strömungen; eine höchſt aufmerkſame Beobachtung zeigte ihm indes die durchaus willkührliche Beſchaffenheit dieſer Bewegungen und durch dieſelbe das ſelbſtändige Leben der Eier, ein Leben, des von dem Einfluſſe der Spermatozoen durchaus unabhängig war. Hier zeigt ſich wiederum, fährt der Verf. fort, große Analogie zwiſchen den Producten der männlichen und weib- lichen Geſchlechtsorgane in deutlicher Weiſe; wie die Sper⸗ matozoen, das männliche Thier verlaſſend, eine beſtimmte Summe von Lebensfähigkeit beibehalten, eben ſo beſitzen auch die Eier der Thiere, wo eine äußere Befruchtung Statt findet, von der letzteren unabhängig ein e Die 255 auch in den nicht befruchteten Eiern kann ſich dies Leben wie bei den Spermatozoen durch freiwillige charakteriſtiſche Bewegungen offenbaren. Bei den Spermatozoen iſt dieſe Art der Lebensäußerung nur von kurzer Dauer, ganz das— ſelbe gilt auch vom nicht befruchteten Eie, während im be— fruchteten Eie dieſelben Bewegungen länger fortdauern und erſt mit der Organiſation eines neuen Geſchöpfes endigen. Der Contact mit dem Spermatozoid erweckt demnach kein Leben, ein ſolches it ſchon vorhanden, wohl aber regulirt er die wirkende Kraft und verhindert ihr Erlöſchen. Die hier aus der Beobachtung an Thieren mit äußerer Be— fruchtung gewonnenen Schlüſſe finden, wie der Verf. glaubt, mit vollem Recht auch auf Thiere mit innerer Begattung An— wendung. Die Entwickelung der Eier der Hermellen hat überhaupt mit der Entwickelung der Säugethiere ſehr viel übereinſtimmendes. Sehen wir, wie er ſeine Behauptung durchführt. Das Graafſche Bläschen der Säugethiere beſteht aus einem Keimflecke, einem Keimbläschen, einem, Dotter und einer gemeinſamen Hülle, der unregelmäßige Überreſte der Keimſcheibe (disque proligiere) anhängen. Das Ei der Her— mellen beſteht ganz aus denſelben Theilen, nur iſt von einer Keimſcheibe nichts vorhanden, indem auch der Eierſtock nichts ahnliches enthält. Bei den Säugethieren wie bei den Hermellen entfernt ſich nach der Befruchtung die gemeinſame Hülle bis zu einer gewiſſen Entfernung vom Dotter, eine Fluſſigkeit tritt durch Endermoſe zwiſchen beide Elemente des Eies; bei den Säuge— thieren und den Hermellen treten bald nach der Befruchtung ein bis zwei durchſichtige Kugeln auf, die ſich vom Dotter trennen und ſich zwiſchen den letzteren und die gemeinſame Hülle des Eies ſchieben. Auf den Austritt dieſer durch— ſichtigen Kugeln folgt der fo eigenthümliche Furchungsproceß. Bei den Säugethieren erfolgt dieſer Furchungsproceß regelmäßig und ohne Stocken, bei den Hermellen unregelmäßig und mit Unterbrechungen; bei beiden bezweckt er eine immer vollkomme— nere Theilung des Dotters. Bald nachdem der Dotter durch den Furchungsproceß eine glatte Oberfläche erhalten hat, verliert die äußere Schicht desſelben bei beiden ihr dotterartiges An— ſehen, ſie beginnt ſich zu organiſiren. Die ſich bildende Membran wird bei den Säugethieren die Keimhaut, das Blastoderma, genannt; fie wäre bei den Hermellen demnach eben ſo zu nennen. Bei beiden verſchwindet nach vollendeter Furchung die zwiſchen Dotter und Eihaut angeſammelte Flüſſigkeit, bei den Säugethieren iſt ſie indes ſchon vor der Bildung der Keimhaut verſchwunden, während ſie bei den Hermellen erſt nach deren Auftreten verſchwindet. Bei beiden bleiben Eihaut und Keimhaut eine Zeit lang von einander mehr oder weniger getrennt. Gerade hier zeigen ſich charak⸗ teriſtiſche Verſchiedenheiten, aber auch wiederum in zwei Punkten eine große Übereinſtimmung; der innere Theil des Blaſtoderms verbindet ſich nämlich ſowohl bei den Säuge— thieren als bei den Hermellen aufs innigſte mit der Eihaut. Nach dieſer Vereinigung ſcheint die letztere bei beiden Thieren gewiſſermaßen belebt zu ſein, bei den Säugethieren bildet fie Pe den äußeren Theil des Chorion und bekleidet ſich 236. XI. 16. 256 mit Zellen; bei den Hermellen wird ſie zur Epidermis der Larve, die ſich mit beweglichen Wimpern umgiebt. Bei der letzteren wird die Epidermis ſo zum bleibenden Chorion des neuen Thieres. Das aus den äußeren Dotterſchichten gebildete Blasto- derma der Säugethiere theilt ſich von feinem Entſtehen an in zwei Blätter, bei den Hermellen findet keine ſolche Thei— lung Statt. Das äußere oder ſeröſe Blatt der Keimhaut erzeugt bei den Säugethieren die Haut und das unter ihr liegende Gewebe, bei den Hermellen bilden ſich dieſe Theile aus der geſammelten Keimhaut; die Haut oder zum wenig— ſten die Epidermis wird von der Eihaut gebildet; hier ver— tritt demnach die Eihaut, indem ſie dem Chorion entſpricht, zum Theil die Rolle des äußeren Blattes der Keimhaut der Säugethiere. Das innere oder mucöſe Blatt der Keimhaut wird bei den Säugethieren die Grundlage des Verdauungs— apparates, ein Theil der Keimblaſe, die hierzu nicht ver— wendet wird, bildet die Nabelblaſe. Bei den Hermellen fehlt die letztere; der Verdauungsapparat entwickelt ſich aus den inneren Theilen des Dotters, die demnach dem inneren Blatte der Keimhaut der Säugethiere entſprechen müſſen. Bei den Säugethieren entwickelt ſich zwiſchen beiden Blättern der Keimhaut noch eine dritte, in der die Gefäße entſtehen, bei den Hermellen ſucht man vergebens nach einem ſolchen Hautblatte; ſtatt desſelben erſcheint frühzeitig die allgemeine Körperhöhle, die hier wie bei faſt allen wirbelloſen Thieren mit einer Fluͤſſigkeit erfüllt iſt, welche den Dienſt des Blutes mehr oder weniger verſieht. Die Embryoanlage der Säuge— thiere bedarf endlich nur eines ſehr kleinen Raums der Keimhaut; ein Theil der Keimblaſe wie der urſprünglichen Umhüllung des Eies hat mit der Bilduug des neuen We: ſens nichts zu thun, ſpielt vielmehr eine vermittelnde Rolle zwiſchen ihm und der Außenwelt. Bei den Hermellen da— gegen wird das ganze Ei, d. h. die Eihaut in ihrem gan— zen Umkreiſe, zum Embryo, ſchon aus dieſem Grunde kann das Ei desſelben weder Cumulus noch Keimhof und eben fo wenig einen Primitioſtreifen, die alle drei dem Säugthiere zukommen, aufweiſen. Vom allgemeinen Standpunkte aus betrachtet, kann man demnach, folange der Keim im Eizuſtande verbleibt, zwiſchen den Entwickelungsvorgängen beim Säugethiere und der Hermelle eine große Übereinſtimmung wahrnehmen; dieſe Übereinſtimmung wird aber, ſobald die erſten Spuren einer thieriſchen Organiſation auftreten, faſt augenblicklich aufges hoben. Die Entwickelung der Hermellen unterſcheidet ſich wiederum ven der Entwickelung der Blutegelarten dadurch, daß letztere dem Typus der Säugethiereentwickelung viel länger treu bleiben. (L'Institut Nr. 770, 1848.) XXX. über das Zerſplittern der Bäume durch directe Wirkung des Gewitterſturms. Von Ch. Martins. Die Wirkung des Gewitterſturms zeigt ſich in Wald: gegenden auf verſchiedene Art, viele Bäume werden nur 16 * 257 entwurzelt und umgeworfen, andere in gerader Richtung weit weg geſchleudert, noch andere verlieren nur ihre Krone, Aſte und Zweige, die umher geſtreut werden. Die erwaäͤhn— ten Fälle laſſen ſich ſämmtlich durch den Einfluß des Windes auf die Gewitterwolken erklären, bei den geſpaltenen Bäumen, von denen der Verf. hier handeln will, iſt die Sache eine ganz andere; die Wirkung des Windes erklärt hier nichts. Dicht über dem Boden, noch häufiger 2 Meter bis 0,50 Me— ter über dem Boden, ſind dieſe Bäume auf eine Länge von 2 bis 5 Meter in Latten und Splitter zertheilt. Der Verf. iſt in Beſitz einer Menge ſolcher Bäume, die bei dem be— rüchtigten Gewitter von 19. Auguſt 1845 in der Nähe von Montsoille und Malaunay zerſplittert wurden. Niemals war hier die ganze Dicke des Stammes zerſplittert, nur der halbe Stamm bis 3/4 desſelben war zerriſſen; der zerſplitterte Theil war bisweilen der Seite, von der der Sturm gekommen, bisweilen der entgegengeſetzten Seite zugewandt. Der Stamm war in der Mitte der Zerſplitterung gebrochen, ihre Krone war nicht, wie bei den nur geköpften Bäumen, fortgeſchleudert. Am auffallendſten iſt die vollkommen trockene Beſchaf— fenheit der Splitter unmittelbar nach dem Aufhören des Gewitters. Prieſſer bezeugt dies von den erwähnten Bäumen zu Montoille, Decaisne und Bouchard be obachteten dasſelbe gleich nach dem Sturme von Chatenay, de Gaſparin machte dieſelbe Erfahrung bei Pappeln, die im Sturme von Courthezon zerſplittert wurden. Die Splitter ſelbſt ſind durch ihre trockene Beſchaffenheit ſehr zerbrechlich. D'Arcet fand in den zerſplitterten Bäumen von Chatenay nur 7 Proc. Waſſer, während grüne Bäume 30 bis 40 Proe., und vor 5 Jahren geſchlagene Bäume noch 24 bis 25 Proc. Waſſer enthalten. Die Rinde der zerſpitterten Bäume iſt gleichfalls zerriſſen und um ſich ſelbſt gerollt, ſie hängt in Fetzen vom Stamme herab. Ein von Bouſſingault erzählter Fall erklärt dieſe raſche Verdunſtung des Saftes durch elektriſchen Einfluß. Zu Bechelbronn im Elſaß ward am 22. Mai 1842 ein großer Birnbaum vom Blitze getroffen, eine dicke Dampf— faule, dem Rauch eines Kohlenmeilers ähnlich, entſtieg dem getroffenen Stamme, deſſen Holzſplitter mehrere Meter weit umher geworfen wurden und der vollkommen entrindet daſtand. Bouffingault glaubt, daß die Kraft des Waſſerdampfes den Baum zerſplittert habe, der Verf. iſt der— ſelben Anſicht; die Erpanſion des Dampfes wirkt hier in der— ſelben zerſtörenden Weiſe, wie beim Sprengen der Dampfkeſſel. Nachdem der Saft des Baumes größtentheils verjagt iſt, ſind ſeine Splitter mürbe geworden. Der Wind zer— ſtört ſie jetzt vollends. Beim Sturme von Montsille war die Dampfſäule über dem Walde ſo ſtark, daß man in den Waldungen, welche der Sturm durchpfiff, einen Waldbrand befürchtete. Die dunkle Farbe des Dampfes konnte von erdigen, durch den Sturm oder durch elektriſche Anziehung aufgeriſſenen Theilchen herrühren. Die Reihe zerſplitterter Stämme bezeichnet nach dem Verf. den directen Weg des Gewitterſturms über eine Ge— gend, ſie finden ſich immer in der Hauptlinie des Sturmes; auf der Ebene von Malaunay entlud ſich der Sturm in 236. XI. 16. 258 einer Breite von 220 Meter, fein Hauptzug war dagegen nur 89 Meter breit. Die Zerſplitterung iſt nach der Art des Baumes ver⸗ ſchieden, bei der Eiche erfolgt ſie am vollkommenſten, der Stamm wird in Fetzen zerriſſen, deren Größe in der Mitte des Stammes kaum die des Strohhalms erreicht. Die Zer⸗ ſplitterung erfolgt immer parallel den Markſtrahlen, der Stamm wird in der Mitte des zerſplitterten Theiles gebro— chen. Die Splitter ſelbſt haben deshalb meiſtens die halbe Länge des zerſplitterten Theiles, bei einer Eiche meſſen die Splitter des oberen Theiles 2,50 Meter, die des unteren Theiles 2,27 Meter, die Breite der erſteren betrug 8, die der letzteren 5 Millimeter. Die Splitter der Buche ſind gröber, ſie ſind meiſtens 2 bis 3 Centimeter breit und von beträchtlicher Länge; bei einem großen, im Durchmeſſer 0,38 M. haltenden Buchen⸗ ſtamme ging die Zerſplitterung vom Boden bis zu einer Höhe von 7,50 M.; der Baum war gleichfalls in der Mitte der Zerſplitterung gebrochen. Vier Buchen, die vom Boden an bis zu einer Höhe von 2 bis 3 Meter zerſplittert waren, wo die Zerſplitterung jedoch nur Y, bis ½ der Stammes⸗ dicke erreichte, blieben ungebrochen aufrecht ſtehen; der Verf. beobachtete dies Vorkommen bei keiner andern Baumart. Die Zerſplitterung der Pappel unterſcheidet ſich ſehr von den beiden vorerwähnten Bäumen; ſtatt die Markſtrahlen parallel zu zerſplittern, wird ſie im rechten Winkel auf den⸗ ſelben zerkleinert. Der Splint (while wood) des Baums giebt die breiteſten Splitter; oftmals wird der Splint voll- ſtändig vom Kernholz abgeriſſen. Im Thale zu Montville ward bei dem erwähnten Sturme keine Conifere zerſplittert, der Verf. ſah etwa 20 ſolcher Bäume (theils Kiefern und Tannen, theils Lerchen), die mehr oder weniger vom Sturme beſchädigt waren, aber keine von ihnen war, obſchon ſie im Hauptzuge des Sturmes ſtanden und alle übrigen Bäume um fie herum zerſpalten waren, zerſplittert. Der Stamm der Coniferen enthält be- kanntlich wenig Saft, dagegen namentlich zwiſchen Rinde und Holz viel harzige Stoffe; da nun das Harz ein ſchlech⸗ ter Electricitätsleiter iſt, ſo vermuthet der Verf., daß der elektriſche Strom nicht dieſe Bäume durchläuft; er findet darin einen neuen Beweis für die von Bouſſingault aufgeſtellte Theorie, nach welcher die Zerſplitterung der Bäume die Folge einer plötzlichen Verdampfung des Saftes iſt, welche durch einen ſtarken elektriſchen Strom veranlaßt wird. Den beiden Becquerel (Vater und Sohn) gelang es, verſuchsweiſe durch ſtarke elektriſche Entladungen Bäume zu zerſplittern. (The Edinburgh new philosophical Journal. April to July 1849.) Mifcellen 43. Daß die Ausreißung des nervus facialis an deſſen Inſertion am Gehirne die Thiere zwingt, ſich im Kreiſe zu drehen, haben die Hrn. Martin⸗Magron und Browu-⸗Seéquard durch Verſuche an Kaninchen und Meer⸗ ſchweinchen ermittelt und der Socisté de Biologie zu Paris dar⸗ gethan. Man legt bei dieſem Verſuche den Geſichtsnerven bei deſ⸗ 259 fen Austritt aus dem foramen stylo-mastoideum bloß. Hat man den Nerven der linken Seite ausgeriſſen, ſo findet die Drehung von der linken zur rechten Statt und hat man den rechten Nerven aus⸗ geriſſen, ſo dreht ſich das Thier von der rechten zur linken. Es ſcheint, daß alle Längsmuskeln der verletzten Seite ſich unwillkür⸗ lich zuſammenziehen, ſo daß das Thier gezwungen wird, dieſem Zuge in ſeinen Bewegungen zu folgen. Reißt man nach Verlaufe jeder beliebigen Zeit, ſei ſie eine Stunde oder 8 Monate, den Nerven der unverletzten Seite aus, ſo dreht ſich das Thier nicht im Kreiſe, ſondern es fällt auf die zuletzt beſchädigte Seite und wälzt ſich im Kreiſe, indem es erſt auf den Rücken, dann auf die andere Seite u liegen, dann wieder auf die Beine kommt, wieder auf die zuletzt beſchädigle. Seite fallt u. ſ. w. Nachdem es ſich 10—20 Minuten ſo fortgewälzt hat, kommt es endlich auf die Beine zu ſtehen und nun beginnt die Drehung im Kreiſe, wie fie durch die letzte Aus— reißung beſtimmt wird. Die Verf. machen auf die Analogie zwiſchen dieſen Reſultaten und den von Magendie beim Einſtechen in den mittleren Schenkel des kleinen Hirns (pédoncule cerebelleux moyen) und von Flourens beim Durchſchneiden der halbfreisformigen Gas näle erlangten Erſcheinungen aufmerkſam. Doch treten bei den von Magendie und Flourens bewirkten Verletzungen das Dre— hen und Wälzen ſofort ein, um dann unbegrenzt lange Zeit fort zu dauern, während beim Ausreißen des n. kacialis die Erſchei⸗ nungen erſt nach 3—5 Minuten eintreten und binnen ½ Stunde 236. XI. 16. 260 aufhören. Bei Hunden gelingt der Verſuch nie, indem der n. la- cialis immer innerhalb des Felſenbeines abreißt. (Gazette méd. de Paris, No. 45, 10. Nov. 1849.) 44. Die vollſtändige Wiedererzeugung der Fun⸗ etionen des durchſchnittenen nervus ischiaticus am oberen Theile des Schenkels eines Meerſchweinchens, welches in einem Kaſten gehalten wurde, der mit einer Streu von Kleie, alter Leinwand, Baumwolle und Heu verſehen war, hat Hr. Brown-Séquard, der dies Reſultat der Pariſer Société de Biologie mittheilte, beobachtet. Schon nach einem Monate ließ ſich die Wiederkehr des Empfindungs- und Bewegungsvermögens in ziemlich hohem Grade wahrnehmen und binnen 11 Monaten war das kranke Glied wieder vollstandig ſo brauchbar wie das un⸗ verletzt gebliebene. Einige Tage nach der Geneſung tödtete man das Thier und als man den Stamm des Nerven über der verwach— ſenen Stelle gleich nach dem Tode durchſchnitt, zuckten alle Mus⸗ keln, in die ſich der n. ischiatieus vertheilt, lebhaft. Die Vereini— gungsſtelle war kaum wieder aufzufinden und zeichnete ſich nur da— durch aus, daß dort Muskelfaſern mit dem Neurilem verwachſen waren. Eine Anſchwellung, welche man als eine nothwendige Folge des Zuſammenheilens eines Nerven betrachtet, war nicht vorhanden, indem ſie zwar 6 Monate früher da geweſen, aber durch Reſorption verſchwunden war. Die Nervenfafern zeigten ſich in durchaus nor— malem Zuſtande. (Gazette méd. de Paris, No. 45, 10. Nov. 1849.) Heilkunde. (XXXIII.) Rheumatiſche Ohrkrankheit. Von Hrn. Harvey. Die Aufmerkſamkeit des Verf. ward zuerſt durch die Wirkungen der rheumatiſchen Entzündung auf die Gewebe des Auges, ſowie dadurch auf den Gegenſtand gelenkt, daß er bemerkte, wie bei vielen Gehörkrankheiten zugleich Ge— lenkrheumatismus vorhanden war, welcher, entweder direct oder indirect, einen Einfluß auf die Gehörkrankheit äußerte, indem z. B. auf die Abnahme des einen Leidens unmittel— bar eine Verſchlimmerung des anderen folgte c. Da er nun nach ſeinen Beobachtungen zu der Anſicht gelangte, daß viele dergleichen Fälle ſchlimmer, ja unheilbar werden, weil man die Urſache der Krankheit verkennt und reizende Mittel dagegen anwendet, beſchloß er den Gegenſtand genauer zu unterſuchen. Das Reſultat war, daß er in ſehr vielen Fäl— len im Stande war, die Ohrkrankheit als eine bloße Compli— cation der allgemeinen rheumatiſchen Affection des Organismus zu erkennen. Beim Auge trat der ſecundäre Anfall gewöhnlich ein, nachdem der Organismus ſo zu ſagen mit dem Krank— heitsſtoffe geſättigt war; allein das Ohr kann früher zur Mitleidenſchaft gezogen werden, und zwar werden zuerſt die faſerigen Gewebe und erſt ſpäter die Nervenausbreitun- gen affleirt. Das Leiden zeigte ſich unter zwei Formen; der acuten oder zerſtörenden und der chroniſchen oder ſchlei— chenden. Beide wirkten, wenn fie vernachläffigt wurden, auf Schwächung des Gehörs, die erſtere ſogar auf gänzliche Vernichtung desſelben hin. Die acute Form zeigte ſich meh— rentheils an männlichen Perſonen und mit Gelenkrheuma— tismus verbunden; die chroniſche meiſt bei Perſonen des andern Geſchlechts und in Verbindung mit Rheumatismus im Muskelſyſteme. Die Symptome der acuten Form der Krankheit, auf deren Beſchreibung ſich der Verf. beſchränkt, beſtehen in parorysmenartigen Anfällen, die meiſt nach einem ſolchen don Gelenkrheumatismus eintreten; tinnitus aurium, als ob man das Pumpen einer Dampfmaſchine oder das Geräuſch von Schmiedeblaſebälgen hörte, und ge— wöhnlich Abſtumpfung des Gefühls in der regio tempora- lis und mastoidea. Dieſe Gegend war der Hauptſitz des Leidens und wenn dasſelbe nicht ſchnell gelindert wurde, ſo trat Erfoliation des Knochens ein. Herr Harvey berichtete umſtändlich über mehrere Fälle. In dem einen war der Patient ein ſtarker ſtämmi— ger Mann, bei welchem der Anfall nach heftigem Gelenk— rheumatismus eintrat, den man kräftig behandelt hatte. Als das Gelenkleiden ſich vollkommen gelegt hatte, traten angreifende Schmerzen im linken Ohre ein. Über dem processus temporalis und mastoideus fand das Gefühl von Taubheit Statt und es wurde ſtarker tiefer tinnitus verſpürt. Dieſer Theil des Kopfes war ſehr empfindlich. In Folge hitziger und reizender Mittel ſchwoll der äußere Gehörgang ſtark an. Das Schlingen ward ſchwierig und die linken Mandeldrüſen ſchwollen bedeutend an. Es wurden über dem processus mastoideus Schröpfköpfe und Blutegel ange— legt und man verordnete innerlich Mercur und Colchicum. Nachdem man dieſe Behandlung zehn Tage lang fortgeſetzt hatte, konnte man das Trommelfell ſehen. Es war bräun— lichroth und hatte ſeine Durchſichtigkeit eingebüßt. Der 261 Schmerz war nicht mehr fo heftig, allein das Ohrenbrauſen beſtand fort und in der Gegend der Gelenke traten fliegende Schmerzen ein. Die Theile über dem processus mastoideus blieben ſchmerzhaft und empfindlich und obwohl kein Schwap— pen zu bemerken war, ſo ſchnitt man doch bis auf den Knochen ein. Darauf folgte Linderung und Schlaf. Man verordnete Colchicum und Chinin und der Patient genas, obwohl er über ein Jahr lang etwas ſchwer hörte. Der zweite Fall war von ähnlichem Charakter; allein bei der Halsſtarrigkeit der Patientin konnte man keinen Einſchnitt über dem processus mastoideus machen und ſo wurde die Structur des Ohres zerſtört und der Knochen erfoliirte, obwohl die zweckmäßigſten Mittel zur Verhin— derung dieſes übeln Zufalles in Anwendung kamen. Bei dem dritten Falle war Complication mit Herzent— zündung vorhanden und er lief tödtlich ab. Das Ohren- leiden ward durch die Behandlung, welche dieſelbe, wie beim erſten Falle war, wenig gelindert. Am Schluſſe ſeiner Abhandlung legt der Verf. großen Nachdruck auf die Nothwendigkeit eines Einſchnittes über dem Sitze des Schmerzes und er iſt der Meinung, daß wenn man dieſes Mittel im zweiten Falle hätte anwenden können, dasſelbe eben ſo günſtig gewirkt haben würde, als im erſten. Rückſichtlich des Gebrauches des Colchicum bemerkt er: Es ſcheint mir, als ob das Colchicum chemiſch auf den Harn und die Stühle wirkte, die es quantitativ vermehrt und qualitativ verändert. Dann äußert es eine entſchiedene Wirkung auf das Nervenſyſtem. Verordnet man es in großen Gaben, ſo hat man deſſen Wirkungsart genau zu überwachen. Bei geſchwächter Conſtitution ſollte es immer nur in Verbindung, entweder mit einem toniſchen Mittel oder mit Opium verordnet werden und man thut wohl, anfangs auf freie Leibesöffnung hinzuwirken. Bei chroni— ſchen Gehörkrankheiten, die von Rheumatismus herrührten, habe ich deſſen fortgeſetzten Gebrauch in kleinen oft wie— derholten Gaben innerlich, ungemein erſprießlich gefunden. Dagegen wirkte es keineswegs günſtig, wenn es Ekel, Er— brechen oder Abfuͤhrung bewirkte. Bei thätiger Hautſecre— tion darf man ſich beſonders guten Erfolg davon verſpre— chen. Die Präparationen, die ich für vorzüglich heilſam halte, ſind der Wein von den Samen, innerlich gebraucht, und der Efjigertract mit Spermaceli verbunden, äußerlich angewandt. Der Verf. verordnete den Colchicumwein ge— wöhnlich in kleinen Doſen, z. B., don 5 — 6 Tropfen, gleich anfangs gegen chroniſche Gehörkrankheiten und ließ dieſes Mittel lange fortgebrauchen. Er verband mit dem— ſelben eine bittere Infuſion. In acuten Fällen verordnete er ½ Gran von dem Eſſigertract, mit 2 Gran calomel, drei Mal täglich, bis Speichelfluß erfolgte. Dr. Harvey hielt dieſen Vortrag in der Sitzung der Me- dical Society of London am 24. Sept. 1849 und Dr. Criſp be= merkte bei dieſer Gelegenheit, daß Einſchnitte, wie die vom Dr. Harvey empfohlenen, wohl auch bei denjenigen Ohr— krankheiten mit Vortheil angewandt werden könnten, welche in Folge des Scharlachfiebers eintreten, da deren Symptome 236. XI. 16. 262 dieſelben H. beſchriebenen Fällen. Dr. Copland ſprach ſich über Dr. Harvey's An⸗ ſichten ſehr günſtig aus. Er bemerkte, es ſeien ihm Fälle vorgekommen, wo das Ohr durch acuten Rheumatismus ſo ſchmerzhaft geworden ſei, daß der Patient den Kopf nicht habe auf das Kiſſen legen können. In einem Falle ſei das Gehörleiden nach Rheumatismus im Geſichte und am Kopfe eingetreten. Man verordnete Alkalien, Sarsaparilla und Kaliumjodid mit Erfolg. Es blieb keine Harthörigkeit zu— rück. Bei einer Dame hatte die Krankheit eine mehr chro— niſche Form und die Anfälle am Ohre wechſelten mit denen an den Gelenken ab. Dieſe Dame wurde endlich taub. Dergleichen Fälle ſeien nicht ſelten. Auch von Dr. Har- vey's Art das colchicum zu verordnen hegte Dr. Copland eine günſtige Anſicht, indem manche Perſonen dieſes Mittel durchaus nicht vertrügen, weshalb man mit kleinen Gaben beginnen und zugleich ein Alkali oder bitteres Mittel, Chinin oder Kampher anzuwenden habe. Vorher ſolle man ein Abführungsmittel verordnen. (The Lancet, Oct. 6, 1849.) ſeien, wie in den von Dr. (XXXIV.) Zerreißung des langen Kopfes des musculus biceps. Von Th. Callaway. Dieſer Zufall wird häufig für theilweiſe Verrenkung des humerus nach vorn gehalten. Der Verf. bemerkt über dieſe Zerreißung folgendes. Die Zerreißung der Sehne findet gewöhnlich bei ältli— chen Perſonen Statt, bei welchen die Ernährungskraft be— reits im Abnehmen begriffen und der ganze Organismus einer Schwächung unterworfen iſt. Die Stelle der Zerrei— ßung befindet ſich meiſt mitten zwiſchen der cavitas gle- noidea und dem anatomiſchen Halſe des humerus. Sollte er in der Rinne reißen, ſo iſt die Ergießung ſtärker und die Zurückziehung der getrennten Portion des Körpers des Muskels auffallender, weil er in dieſem Falle aus der Rinne entweicht. Hat die Beſchädigung mehr innerhalb des Gelenkes Statt gefunden, ſo bleibt die Verbindung zwiſchen der Sehne, der Synovialmembran und der umgebenden Zell— membran in der Rinne bedeutend genug, um eine jo ftarfe Zurückziehung zu verhindern. Die Symptome dieſer Verletzung beſtehen in einer ge— ringen Abplattung des äußern und hintern Theiles des Ge⸗ lenkes, ſowie einer Hervorragung nach vorn, nebſt erepitus und Schmerz bei Bewegung der Schulter. Ein Zeichen, welches in einem der erzählten Fälle vorkam, iſt, des Verf. Meinung nach, ſehr wichtig. „Die geringſte Bewegung des Ellbogens nach hinten verurſachte heftigen Schmerz in der Stellung der Theile, wo ſich die Sehne des biceps über den Kopf des humerus drehte. Auch war Blutergießung in das Zellgewebe unter der Haut vorhanden, die jedoch nur längs des Striches der Sehne des musculus biceps zu bemerken war.““ Der Verf. hält es nicht für möglich, die Zerreißung 263 von der Verſchiebung des musculus biceps zu unterſcheiden. Er bemerkt hierüber: „Übrigens würde ich erwarten, bei der letzteren Be— ſchädigung weit mehr Schmerz und einen größeren Verluſt an Kraft zu finden, als bei der Zerreißung der Sehne, indem die Lage des Patienten ziemlich dieſelbe ſein würde, als wenn er einen lockern Knorpel iu Gelenke hätte.“ Rückſichtlich der Behandlung dieſer Zufälle ſagt der Verfaſſer. „Weder in dem einen, noch in dem andern Falle läßt ſich, meiner Anſicht nach, viel thun. Wenn ich nach den Symptomen eine Lageveränderung der Sehne vermuthete, ſo wüßte ich wahrlich nicht, wie ich verfahren ſollte, um dieſelbe in ihre richtige anatomiſche Lage zurückzubringen. Auf der andern Seite ließe ſich viel Unheil anrichten, z. B. Synovialentzündung veranlaſſen, wenn man den beabſichtig— ten Zweck durch ungeeignete Mittel zu erreichen ſtrebte. Ich würde die Schulter heben und den Patienten veranlaffen, den Vorarm zu beugen und zu ſtrecken, während der hume- rus zugleich gedreht werden müßte; dann aber warme Bä— hungen anwenden, welche bei allen Dehnungen und ſonſti— gen Beſchädigungen ſehniger Gewebe angezeigt ſind, und vollſtändige Ruhe verordnen, wobei ich ſehr ſorgfältig auf Zurückbringung des Knochenkopfes und Vorwärtsbringung des Ellbogens halten würde, bis alle Gefahr der Entzün— dung vorüber wäre. Nach 2 — 3 Wochen würde ich paſ— ſive Bewegung empfehlen, ſo daß ſich die Theile ihrer neuen Lage anbequemen könnten. Sollte es ſich zeigen, daß die Sehne zerriſſen wäre, ſo würde ich dieſelbe Behandlung befolgen; Bähungen, Ruhe und ſpäterhin paſſive Bewegung wäre alles, was der Chirurg anrathen könnte. Die vis medicatrix naturae müßte das übrige thun. Da der Zweck ſein würde, den Knochen an die geringe Veränderung in ſeiner Lage zu gewöhnen, ſo würde ich weder Schlinge noch Polſter anwenden und nur den Arm mittelſt einer Schlinge in der oben angegebenen Lage halten. Allerdings kann gleich nach dem Zufall acute synovitis eintreten, die man auf die gewöhnliche Weiſe zu bekämpfen hätte.“ Es läßt ſich nicht bezweifeln, daß eine Zerreißung oder Verſchiebung der Sehne des musculus biceps öfter vorkommt, als man gemeinhin glaubt; allein zugleich iſt die Diagnoſe dieſer Verletzungen ungemein ſchwierig und mit Sicherheit wohl erſt bei der Section feſtzuſtellen. Folgender Fall, den wir ausführlich mittheilen, giebt der Verf. als ein Bei— ſpiel von der Zerreißung des langen Kopfes des musculus biceps an. John Gadsby, 40 Jahre alt, wandte ſich am 20. Juni 1846 an das Guy's Hoſpital. Er war ſeines Ge— werbes ein Matroſe und gab an, er ſei am Abend zuvor gefallen und habe ſich die Schulter verletzt. Näheres konnte er nicht berichten, da er, ſeiner eigenen Ausſage nach, nicht ganz nüchtern geweſen. Er war blond und hatte den größ⸗ ten Theil ſeines Lebens auf dem Schiffe zugebracht, ohne je an Rheumatismus gelitten zu haben. Beim Eintreten in die chirurgiſche Anſtalt unterſtützte er feinen linken Arm mit der rechten Hand. Bei der Unterſuchung fand ſich eine ge— 236. XI. 16. 264 ringe Anſchwellung am Schultergelenke, die jedoch wenig auf ſich zu haben ſchien. Die Rundung der Schulter war nur unbedeutend vermindert; unter dem acromion ließ ſich keine Einſenkung fühlen; beide Arme waren von gleicher Länge; allein am vordern Theile des Gelenkes bemerkte man eine deutliche Hervorragung. Der Ellbogen ließ ſich leicht mit der Seite in Berührung bringen. Er klagte über bes deutenden Schmerz, als er den Arm nach dem Kopfe zu erheben verſuchte, und ſagte, es ſchiene ihm, als ob etwas ein— ſchnappe; und als er den Ellbogen zurückbringen wollte, war die Gegend über dem suleus bieipitalis (oceipital groove iſt wohl ein Druckfehler?) ſehr ſchmerzhaft. Dagegen konnte er den Vor— arm beugen, ohne Schmerzen zu empfinden. Man hatte bereits einige Verſuche zur Wiedereinrichtung des Armes mittelſt Ausdehnung gemacht. Ich ließ den Arm nach der Methode des Hrn. Velpeau firiren und in dieſer Lage drei Wo: chen lang verharren. Beim Abnehmen des Verbandes fand ſich noch immer eine geringe Hervorragung vor dem Gelenk— kopfe des Knochens, und als man den humerus von der Seite weg bewegte, ſchien er ſich an dem acromion zu ſtoßen. Ich verordnete paſſive Bewegung, kalte Waſchungen und von Zeit zu Zeit Frottiren. Der Patient blieb weg. (Aus A Dissertation upon Dislocation and Fractures of the Cla- vicle and Shoulder-Joint. By Th. Callaway. The Lancet, 13. Oct. 1849.) (XXXV.) über die deodoriſirende (desinfieirende) Wirkung des abgeſchwefelten Torfs (Torfkohle). Eine zahlreiche Verſammlung von Perſonen, die ſich für landwirthſchaftliche und geſundheitspolizeiliche Zwecke intereſſiren, kam den 1. Oct. in dem Hörſaal des Mecha- nic's Institute zuſammen, um Experimente hinſichtlich der deodoriſirenden Wirkung der Torfkohle mit anzuſehen. Die abſorbirende Kraft, welche die Holzkohle auf Kohlenſäure, Kohlenwaſſerſtoffgas und andere Gaſe ausübt, ſowie Dee ren Fähigkeit, die Zerſetzung thieriſcher und vegetabiliſcher Stoffe aufzuhalten, ſind den Chemikern längſt bekannt und auch vielfach zu praktiſchen Zwecken angewandt worden. Allein der hohe Preis der Holzkohle verbot deren Benutzung zur Desinficirung in größerem Maßſtabe und man mußte zu dieſem Zwecke Chlor und deren Verbindungen ans wenden. Überdies würde die Holzkohle in vielen Fällen wegen der mit ihrem Gebrauch verknüpften mechaniſchen Schwierigkeiten nicht paſſen. Man hat nunmehr gefunden, daß der Torf, wenn er gehörig abgeſchwefelt oder gebrannt worden, eine Kohle liefert, welche zum Deodoriſiren durch- aus eben ſo gut dient, als andere vegetabiliſche Subſtanzen. Die Quantität Kohle, welche man auf dieſe Weiſe aus Irland beziehen könnte, iſt beinahe unerſchöpflich und da die Arbeit dort ſehr wohlfeil iſt, fo würde die Torfkohle wenig koſten. Denen, welche nach Mitteln Irland einiger— maßen aufzuhelfen eifrig forſchen, war daher die Löſung der Frage, ob die Torfkohle zum Deodoriſiren dienen könne, von beſonderer Wichtigkeit. Die Antwort auf dieſe ſo be— ſchränkt hingeſtellte Frage muß allerdings verneinend aus— 265 fallen; allein ſowohl die Torfkohle, als die zu deodoriſt— rende Subſtanz ſind treffliche Düngmittel, welche mit ein— ander vermiſcht, eine der beſten Compoſttionen geben, die der Landwirth zur Kräftigung des Bodens irgend finden kann. Bei Gelegenheit der im NMechanic's Institute Statt findenden Verſammlung wurde den Anweſenden dargethan, daß wenn man Torfkohle mit fauligen thieriſchen Stoffen vermiſcht, dieſe allen übeln Geruch verlieren und wohl auch aufhören, ſchädliche Miasmen zu entwickeln. Die beiden mit dieſem Gegenſtande zunächſt in Ver— bindung ſtehenden Hauptfragen find: 1) der Preis der Torfkohle und 2) die Ausführbarkeit des Planes dieſe Sub— ſtanz zur Deodorifirung der in Städten ſich anhäufenden Auswurfsſtoffe anzuwenden. Sollte die Miſchung als Dün— ger zu einem leidlichen Preiſe verkauft werden können, ſo ließen ſich zwei weſentliche Erforderniſſe unſeres geſellſchaft— lichen Zuftandes zugleich erfüllen. Erſtens, daß dem Boden werthvolle Stoffe zur Beförderung des Gedeihens der Pflan— zen, von denen der Menſch ſich nährt, direct zurückerſtattet würden, und zweitens, daß wir die ſchädlichen Ausflüffe los würden, aus denen gegenwärtig ſo häufig Krankheiten entſtehen. (The Athenaeum, 6. Oct. 1849.) (XXXVL) Geſundmachung der Sologne. In der Sitzung der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften am 29. Oct. las Hr. Becquerel einen Aufſatz über die Geſundmachung der Sologne vor. Da mir das Generalconſeil des Loiret zu verſchiedenen Malen den Auftrag ertheilt hat, ihm über die Nachforſchungen zu berichten, welche hinſichtlich der Verbeſſerung des Geſund— heitszuſtandes jenes Theiles des Orléanais angeſtellt worden ſind, ſo habe ich mich mehrmals an Ort und Stelle bege— ben, um die Angaben anderer zu prüfen und mich als Augenzeuge zu unterrichten. Aus den Beobachtungen des Hrn. Machat, Oberingenieurs beim Brücken- und Wegebau, dem die Leitung der ganzen Unternehmung anvertraut iſt, er— giebt ſich: 1) daß ſich die Bevölkerung auf 16 Köpfe für das Quadratkilometer, alſo nur auf ein Viertel der durchſchnitt— lichen Bevölkerung Frankreichs beläuft, 2) daß ſich die Bevölkerung zu der Zahl der jähr— lichen Geburten wie 1: 2,7 und zur Zahl der Sterbefälle wie 1 : 3,2 verhält, fo daß die mittlere Lebensdauer kaum / der durchſchnittlichen Lebensdauer der Franzoſen im all⸗ gemeinen beträgt, 3) daß ¼2 der Oberfläche von Teichen, ½5 von Wieſen und faſt / von Steppen und Haiden eingenom— men iſt, 236. XI. 16. 266 4) daß über 4, der Bodenoberfläche die Anwendung des Mergels verlangt, 5) daß der Überſchuß der jährlichen Geburten über die Sterbefälle faſt ¼ beträgt. Die Vermehrung der Bevölkerung iſt jetzt etwas ſtärker als im übrigen Frankreich, woraus hervorgeht, daß die Ge— gend, trotz des erbärmlichen Zuſtandes, in welchem ſie ſich noch befindet, geſunder geworden iſt, und daß die ihr von der Regierung zu leiſtende Hülfe nicht verloren ſein würde. Aus den Berichten der Reviſionsräthe ergiebt ſich ferner, daß die Hälfte der Conſcriptionspflichtigen jener Gegend dienſt⸗ unfähig iſt. Den techniſchen Theil der Frage anlangend, faßt Hr. Becquerel die zur Geſundmachung der Sologne erforder: lichen Maßregeln zuſammen, wie folgt. 1) Der ſandige und ſelbſt thonige Boden der Sologne muß durch Aufſtreuen von kalireicher Erde, die man vorher zu röſten hat, damit das kieſelſaure Kali durch die Luft leichter zerſetzt werden kann und die Erde nicht ſo leicht mit dem Waſſer eine teigartige Maſſe bildet, verbeſſert werden. 2) Der ſandige Boden mit thonigem Untergrunde läßt ſich durch Aufackern des Untergrundes in eine fruchtbare kalireiche Ackerkrume verwandeln. 3) Durch Anſaaten von Nadelholz kann für künftige Generationen gutes Ackerland geſchaffen werden. 4) Es ſollte durch Anlegung eines großen ſchiffbaren Canals, der ſein Waſſer aus der Schleuße von Membrey erhalten könnte und aus dem zahlreiche Nebencanäle ſich durch die ganze Sologne verbreiten müßten, das Mittel zur ge— hörigen Bewäſſerung und Überrieſelung des Landes geſchaffen werden. (Gazette med. de Paris, Nr. 44, 3. Nov.). Miſcellen. (31) Unfruchtbarkeit durch hystero-trachelo- atrophie, d. h. durch einen atrophiſchen, kalten, harten Zuſtand des Mutterhalſes, der entweder angeboren oder auch durch Exceſſe erworben ſein kann, welchen Vannoni oft beobachtet hat, hat er in neuſter Zeit durch Gebrauch von Eiſenwaſſern, durch das Reiten und durch die regelmäßige eheliche Serualerregung in 3 Fällen in Zeit von 2—3 Jahren gehoben; es zeigte ſich dabei eine allmälige Entwickelung des Mutterhalſes, und nachdem dieſer endlich ſeine normale Größe erreicht hatte, erfolgte auch Schwangerſchaft. Va n⸗ noni it indes der Anſicht, daß man nach dem 29ſten Lebensjahre nichts mehr zu hoffen habe. (Correspondenza scientifica in Roma. Maggio 1849.) (32) Warzige Aus wüchſe der Oberfläche von Mol⸗ luſken hat Hr. Chauſſat bei vielen Weichthieren gefunden; er hat die Unterſuchung angeſtellt, um wo möglich dem noch immer räthſelhaften Umſtande auf den Grund zu kommen, daß bisweilen die eßbare Miasmuſchel (mytilus edulis) Vergiftungszufälle veran⸗ laßt. Man wird dieſe für die öffentliche Heilkunde wichtige Frage wohl nur dadurch zu löfen im Stande fein, daß man alle bei den Bibliographiſche Neuigkeiten. J. Hutchinſon, von der Capacität der Lungen und von den i etionen. Aus dem Engl. von Samoſch. gr. 80. Geh. % Thlr. Vieweg in Braunſchweig 1849. Weichthieren vorkommende Anomalien zu erforſchen ſucht. (Gaz. med. de Paris, 17. Nov. 1849.) Dr. P. Cheneau, Recherches sur le traitement de l’epilepsie. Premier me- moire. In 80. Paris 1849. : B W. Emmert, kurze praktiſche Verbandlehre. gr. 9. Geh. 24 Ngr. 1849. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medicinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 237. Naturkunde. Bunſen, die Farbe des Waſſers. — de Verneuil, (Nr. 17. des XI. Bandes.) December 1849. 1 I tb 1 die Fauna der Kohlenformation Americas und Europas verglichen. — Über die In⸗ dianer des Oregongebietes. — Miſcellen. Hering, über rie Glonoine. Dubreuil, menſchliches Gerippe mit 8 Halswirbeln. — Heilkunde. Hel⸗ bert, Lähmung des musculus serratus anticus major. — Miſcelle. Denham, Chloroform in der Geburtshülfe. — Bibliographie. Naturkunde. XXXI. über die Farbe des Waſſers. Von Prof. Bunſen. In dieſem Aufſatze, den wir dem Edinburgh new phi- losophical Journal vom April bis Juli 1849 entnehmen, ſpricht der Verf. von der Pracht der heißen isländiſchen Quellen. Aus der Tiefe des klaren, glatten, blauen Waſſers der Baſſins zu Reykir, denen ein leichter Dampf entſteigt, erheben ſich zwiſchen den phantaſtiſch geſtalteten weißen Sta— lactitenwänden die dunklen Umriſſe der früheren Geyſer— Mündung. Die grünblaue Färbung des Waſſers zeigt ſich nirgends ſchöner als in dieſen Quellen. Chemiſch reines Waſſer iſt, wie der Verf. bemerkt, keineswegs farblos, es beſitzt vielmehr eine bläuliche Fär— bung; dieſe wird aber nur, wenn das Licht durch eine Waſ— ſerſchicht von bedeutender Tiefe füllt, ſichtbar. Man kann ſich hierin leicht durch den Verſuch überzeugen, wenn man ein 2 Zoll breites und 2 Yards langes Glasrohr, das in— wendig bis auf ½ Zoll von ſeinem Ende mit Lampenruß und Wachs geſchwärzt und deſſen unteres Ende mit einem Korke verſtopft iſt, nimmt, einige Stücke weißes Porcellan in die Röhre wirft und ſelbige, indem man ſie ſenkrecht auf eine weiße Tafel ſtellt, mit chemiſch reinem Waſſer füllt. Sieht man jetzt durch die Waſſerſäule auf die Porcellan— ſtückchen, die nur von unten weißes Licht erhalten können, ſo erſcheinen ſelbige mit blauer Färbung. Die Intenſität dieſes Blaues richtet ſich nach der Länge der Waſſerſäule, je mehr man ſelbige verkürzt, um ſo ſchwächer wird die blaue Färbung. Dieſelbe blaue Färbung zeigt ſich, wenn ein weißer Gegenſtand von oben durch in die Waſſerſäule fallendes Sonnenlicht erhellt, durch eine kleine Seitenöffnung am Boden der geſchwärzten Röhre geſehen wird. Die blaue Färbung muß demnach dem Waſſer ſelbſt angehören und es No. 1227. — 1117. — 237. entſteht nun die Frage, warum man ſie nicht überall und bei jedem Waſſer beobachtet? Es entſteht ferner die Frage, warum die Schweizer Seen, warum das Geyſer-Waſſer auf Island und das Waſſer der Südſee grün gefärbt erſcheinen, während das Waſſer des mittelländiſchen und adriatiſchen Meeres an einzelnen Stellen eine indigoblaue Färbung an— nimmt? Seitdem man weiß, daß Reinheit und Tiefe des Waſſers die Hauptbedingungen der blauen Färbung ſind, ergiebt ſich die Antwort von ſelbſt; wo dieſe Grundbedin— gungen fehlen, kann auch das Blau in ſeiner Reinheit nicht vorhanden ſein. Die kleinſte Menge färbender Stoffe, ein wenig aufgelöſ'ter Humus, die Rückſpiegelung eines dunklen ſtark gefärbten Grundes genügen, die blaue Färbung zu ver⸗ ändern oder gänzlich zu vernichten. Die gelbrothe Färbung des Waſſers, die in der unteren Triasformation ſo häufig vorkommt, iſt Folge des im Schlamme des Bodens vertheil— ten, aus dem verwitterten Sandſteine ſtammenden Eiſen⸗ orydes. Die ungeheuren Gletſcherſtröme Islands, die auf der einſamen Inſel von keiner Landſtraße und keiner Brücke aufgehalten werden und über das weiße Gerölle der ver— witterten dulcaniſchen Geſteine hinabſtürzen, erſcheinen durch dieſen weißen Schlamm, den ſie, am Ufer weite Deltas bil⸗ dend, dem Meere zuführen, weiß gefärbt. Dagegen erhalten die Landſeen der Marſchdiſtriete des nördlichen Deutſchlands durch aufgelöften Humus eine ſchwarze Färbung. Die in den Kratern der Eifel und in der Auvergne ſich ſammelnden Waſſer erſcheinen durch Reflerion ihres dunkeln vulcaniſchen Bettes in brauner oder ſchwarzer Farbe. Überall, wo dieſe ſtörenden Einflüffe fehlen, erſcheint das Waſſer in ſeiner natürlichen blauen Färbung, am herr⸗ lichſten zeigt ſich die letztere in der blauen Grotte zu Capri im Meerbuſen von Neapel. Das Seewaſſer iſt hier ſo klar, daß man den kleinſten Gegenſtand am hellen Meeresgrunde 17 259 bei einer Tiefe von mehreren Hundert Fuß noch deutlich erkennen kann. Alles Licht, das in erwähnte Grotte, deren Offnung nur wenige Fuß über dem Meeresſpiegel liegt, ge— langt, durchdringt die ganze, wahrſcheinlich mehrere Hundert Fuß betragende Waſſertiefe, ehe es vom weißen Boden der Grotte zurückgeſpiegelt wird. Das durch eine ſo mächtige Waſſerſäule gehende Licht gewinnt hier eine jo intenſiv blaue Färbung, daß die dunklen Grottenwände im ſchönſten Blau erglänzen und verſchiedenartig gefärbte Gegenſtände im Waſ— ſer blau gefärbt erſcheinen. Die Gletſcher Islands und der Schweiz beweiſen über— dies, daß nicht der flüſſige Aggregatzuſtand des Waſſers dieſe Färbung bedingt; das Gletſchereis iſt dort nicht minder blau als das fluͤſſige Waller. Schon in meilenweiter Ferne unterſcheidet man auf den Hochebenen des Jokull die blaue Eisgrenze des Gletſchers von den weißen Schneefeldern der Berge. Bei genauer Betrachtung dieſer Gletſcher erftaunt man über die Reinheit des oftmals von Luftblaſen und frem— den Beimiſchungen faſt freien Eiſes, deſſen tiefe Riſſe und Höhlen durch alle Schattirungen des ſchönſten Blaues erglän— zen, indem auch hier die Dicke der von Licht durchdrungenen Eisſchicht die Intenſität der Färbung beſtimmt. Die blaue Färbung des wolkenloſen Himmels iſt, wie der Verf. vermuthet, eine Folge derſelben Urſache, er glaubt, da feſtes wie fluͤſſiges Waſſer bei durchfallendem Lichte blau erſcheine, dieſelbe Färbung auch dem dunſtförmigen Waſſer zukommen dürfe. Die hellgrüne Färbung der kryſtallhellen kieſelhaltigen Quellen Islands wie einiger Schweizer Seen iſt nach dem Verf. eine Folge des durch Eiſenoryd gelb gefärbten Kieſel— ſinters oder des gelben Grundes der Seen. Die verſchie— dene Tiefe des Waſſers wird hier den Einfluß des gelben Bodens vermindern oder vermehren; bei einer geringen Tiefe wird das Waſſer grüner, bei einer bedeutenden Tiefe faſt rein blau erſcheinen. Die gruͤne Grotte zu Capri iſt hier— für ein ſchlagendes Beiſpiel; die Wände und der Grund der— ſelben beſtehen aus gelbem Kalkgeſteine, das ſich in ſeichtem Waſſer wieder ſpiegelt und ſelbigem eine grüne Färbung verleiht, während im tiefen Waſſer der vorerwähnten blauen Grotte, deren Geſtein dasſelbe iſt, deſſen Farbe auf das Waſſer ohne Einfluß bleibt und letzteres im tiefſten reinſten Blau erſcheint. XXXII. Die Fauna der Kohlenformation Americas und Europas mit einander verglichen. Von Ed. de Verneuil. Ein Vergleich der Faunen beider Erdtheile zeigt, wie der Verf. zu Eingang ſeines intereſſanten Aufſatzes, den wir dem American Journal of Science and Arts, Vol. VII. p. 48 entnehmen, bemerkt, die größte Übereinftimmung ſowohl in Betreff der Gattungen und Arten als in dem Grade ihrer Erhaltung. Es ſcheint demnach um dieſe Periode zwiſchen beiden jetzt durch Meere getrennten Erdtheilen eine große Übereinſtimmung geherrſcht zu haben, wir finden dieſelben Niederſchläge und in ihnen dieſelben Thierreſte, To 237. XI. 17. 260 daß man wohl mit Elie de Beaumont den früheren Zu⸗ ſammenhang des Feſtlandes beider Erdtheile annehmen darf. Durch Mr. King ward in America (Pennſylvanien) das Dafein großer luftathmender Thiere zur Zeit der Kohlen— periode nachgewieſen; auch in den Kohlenlagern Deutſchlands fand man neuerlich Saurierreſte, es zeigte ſich demnach, daß dieſe Thiere ſchon viel früher, als man bisher angenommen hatte, exiſtirten. Von den Trilobiten hat die Kohlenformation Eu— ropas wie Americas nur wenig Arten der Gattung Phil- lipsia aufzuweiſen; im Goniotites entdeckte man zuerſt den neuen Typus, wo der Rückenlappen, ſtatt einfach zu ſein, durch eine kleine Mittelrippe getheilt wird. Die Verbreitung des Productus zeigt dieſelbe Überein⸗ ſtimmung; in dem ftlurifchen Syſteme Americas unbekannt und in der devoniſchen Epoche nur in einer oder zwei kleinen Formen vorkommend, gewinnt er im Kohlengeſteine beider Länder eine gleiche Verbreitung. Die Spirifer - Arten der Kohlenformation Europas wie Americas unterſcheiden ſich von den Arten der devoniſchen Epoche durch dichotome Falten. Bei den Terebratulis zeigt ſich der merkwürdige Umſtand, daß zwei Arten (Terebratula reticularis und T. aspera), die während der devoniſchen und oberen ſiluriſchen Epoche vom Altai und Ural bis zum Miſſouri verbreitet ſind, mit der Kohlenperiode in beiden Ländern plötzlich verſchwinden, wo— gegen einige Crinoiden, welche den Übergang zu den Echino— dermen bilden, z. B. Paloeechinus oder Melonites auſtreten; eben jo werden in beiden Ländern Favosites Gothlandica; Porites interstincta und andere durch Chaetetes und Litho- strotion erſetzt. Dieſelbe Analogie zeigt ſich in den Forami— niferen und den Pflanzenreſten der Kohlenperiode. Die Fu- silaria eylindrica, welche für den ruſſiſchen Kohlenkalk To charakteriſtiſch iſt, findet ſich im Kohlengeſteine des Ohio wieder. Die ungeheure Zahl der an beiden Seiten des at= lantiſchen Meeres in der Kohlenformation gefundenen identi- ſchen Landpflanzen beweiſ't überdies, daß die Kohle in der Nähe von bereits über das Meer erhobenen Ländern gebildet ward. Mit der Kohlenperiode erreicht die foſſile Fauna in Nordamerica ihr Ende; während der ganzen Periode blieb dort die Erdoberfläche von großen Erſchütterungen verſchont, nur langſame und kaum bemerkbare Schwingungen hatten das Auftauchen mehr oder weniger kreisrunder Länder, auf denen ſich ſiluriſche und devoniſche Niederſchläge bildeten, veranlaßt, ohne die wagrechte Richtung der Koblenlager bedeutend zu ſtören. Erſt nach der Kohlenperiode ward die Erdkruſte durch gewaltſame Kräfte empor gehoben, geſpaltet und zerriſſen; erſt nach dieſer Periode entſtanden die Alleghanies. Der Verf. bricht hier ab, um zum Schluſſe ein Re— ſumé über den Gang ſeiner Unterſuchungen zu geben; dieſel— ben zeigten ihm, daß ſich die geologiſche Beſchaffenheit Nord— americas durch die horizontale Lage ſeiner Schichten, und deren ungeſtörten, weiten Verlauf vortrefflich eigne, um das erſte Auftreten wie das Verſchwinden der Thier- und Pflanzenarten ſicher nachzuweiſen. Um einen Vergleich zwiſchen Nordamerica und Europa aufſtellen zu können, wirft der Verf. zunächſt einen Blick 261 auf die geographiſchen Verhältniſſe beider Länder. In den Staaten New⸗Vork, Ohio und Indiana zeigte ſich, nach der Entfernung vom Meere, zwar in der Zahl, nicht aber in den Arten der foſſilen Thiere eine Verſchiedenheit, es zeigte ſich ferner, daß die Kalkgeſteine eine conſtantere und ausgedehntere Verbreitung beſaßen, daß ſie demnach dem Geologen beſſere Anhaltspunkte als in Europa gewähren. Ein geognoſtiſcher Vergleich beider Länder zeigte dem Verf., daß die Unterſchichten Cub stages) Americas dem devoniſchen, ſiluriſchen und dem Kohlenſyſteme Europas ent— ſprechen, wobei ſich allerdings keine vollkommene Überein— ſtimmung aller Schichten für ſämmtliche Gegenden beider Länder durchführen läßt. So zeigt ſich z. B. die Grenze der beiden Perioden des ſiluriſchen Syſtems, die im Staate New⸗York jo deutlich auftritt, am Miſſtſippi nur durch ein Vorwalten talkhaltiger Kalkgeſteine, die Grenze zwiſchen dem ſiluriſchen und devoniſchen Syſteme bietet ähnliche Verſchie— denheiten. Dieſe in einem Lande, das wie America für ge— wiſſe Perioden keine gewaltſamen Erſchütterungen erfuhr, ſehr erklärlichen mineralogiſchen Übergänge einer Periode in die andere können, wie der Verf. bemerkt, dem Beweiſe für die gleichzeitige Entwickelung der Thierwelt in America und Europa nicht hinderlich ſein; da ſelbſt, wo ſich die Grenzen der Syſteme nicht überall mit Sicherheit beſtimmen laſſen, doch die in ihnen enthaltenen Geſteingruppen in ihrer Fauna eine ſolche Übereinſtimmung zeigen, daß ſich an einem gleich— zeitigen Vorhandenſein, einer faſt gleichen Dauer und einer gleichen Folge identiſcher Thierarten in beiden Erdtheilen kaum zweifeln läßt. In beiden Ländern zeigten ſich die erſten Spuren. organifchen Lebens am Grunde des ſilüriſchen Syſtems in gleicher Weiſe; dieſelben Typen, ja dieſelben Arten und dieſelbe Reihenfolge ihres Auftretens entwickeln ſich durch die ganze Reihe der paläontologiſchen Schichten. Der Verf. vermag die fraglichen Urſachen der gleichen Ver— breitung nicht zu enträthſeln; er glaubt jedoch, daß die Tiefe des benachbarten Meeres auf die Verbreitung der Ihierarten keinen ſo großen Einfluß hat, da im ſiluriſchen Syſteme einiger Gegenden Beweiſe für eine große Tiefe des Meeres vorliegen, während dasſelbe Syſtem im Staate New⸗VYork einen Küſtencharakter gewinnt. Seine Unterſu— chungen zeigten ihm ferner die Unabhängigkeit des allge— meinen Charakters der Formationen von den Hebungen der Erdoberfläche, indem von der Oſtſpitze Rußlands bis zum Miſſouri, ſowohl in der Nähe als fern von den Er— ſchütterungslinien, ſowohl in Gegenden wo Verwerfungen vorkommen als in ſolchen, wo die Schichten ihre horizon— tale Lage behielten, die allgemeinen Geſetze dieſelben bleiben. XXXIII. Über die Indianer des Oregongebietes de. Die im Weſten des Felſengebirges hauſenden Indianer ſcheinen im allgemeinen auf einer niedrigeren Stufe zu ſtehen als die öſtlich von jenem Gebirge lebenden. In Statur, Körperkraft und Behendigkeit ſind ihnen die letzteren weit überlegen; auch rückſichtlich des geſellſchaftlichen Zuſtan— 237. XI. 17. 262 des iſt der Vortheil auf Seiten der öſtlich wohnenden. Die zwei Arten von Häuptlingen, für den Frieden und für den Krieg, die Feierlichkeit bei der Aufnahme dor jungen Männer in die Gemeinſchaft der älteren, die Ab— ſonderung in Familienſtämme oder Totems, und die ver— ſchiedenen wichtigen Feſte der öſtlichen Indianer ſind den Indianern des Oregongebietes unbekannt. Die religiöſen Anſichten dieſer gehören ebenfalls einem niedrigeren Ideen— kreiſe an. Es iſt zweifelhaft, ob ſie überhaupt von einem höchſten Weſen eine Vorſtellung haben. Das Wort Gott gehörte natürlich zu denjenigen, deren Überſetzung man gerne für das Vocabularium erlangt hätte, allein in keinem der oregoniſchen Dialecte war, ſelbſt mit Hülfe der Miſſtonäre und geſchickter Dolmetſcher, ein paſſender Ausdruck aufzufinden. Ihre größte Gottheit heißt der Wolf und fiheint, ihren Beſchreibungen zufolge, eine Art Zwittergeſchöpf von Gott— heit und Thier zu ſein. Die Lebensweiſe der Oregonindi— aner, namentlich der im Binnenlande wohnenden, iſt ſo eigen— thümlich, daß ſie ſich ſchwer charakterifiven läßt. Sie haben keine feſten Wohnſitze und ſind doch eigentlich auch keine Nomaden. Sie wechſeln faſt jeden Monat ihren Aufent— haltsort, allein in jedem beſonderen Monate jedes Jahres ſind ſie an demſelben Wohnorte anzutreffen. Die Umſtände, auf welche dieſes Umherziehen ſich gründet, ſind folgende. 1) Das Oregongebiet hat einen beiſpielloſen Überfluß an eßbaren Wurzeln verſchiedener Art, die ohne Cultur in ſolcher Menge wachſen, daß ſich eine zahlreiche Bevölkerung davon nähren kann. Mehr als 20 Arten, die meiſt wohl— ſchmeckend find, und ſich ohne Muͤhe erlangen laſſen, find in dieſem Gebiete einheimiſch. Zu gewiſſen Jahreszeiten ge— nießen die Indianer faſt nichts anderes. Da die verſchie— denen Arten ihre Reife zu verſchiedenen Jahreszeiten erlangen, jo ziehen die Eingebornen von einem Wurzeldiſtriete zum an— deren, je nachdem ſie aus Erfahrung wiſſen, daß die Arnte— zeit hier oder dort herbei gekommen iſt. 2) Mehrere Arten Beeren und Obſt werden zu ge— wiſſen Jahreszeiten an beſtimmten Orten in Menge gefunden und bieten einen ähnlichen Umzugsgrund dar. 3) Zu einer beſtimmten Jahreszeit ſteigen die Lachſe in den Flüſſen hinauf, um zu laichen, und alsdann ver— ſammeln ſich die Indianer in großer Anzahl an den Ufern der Flüſſe, um dem Fiſchfange obzuliegen. Zwei Monate ſpäter kommen die Fiſche wieder im erſchöpften Zuſtande die Flüſſe hinab geſchwommen, und obwohl ſie dann weni— ger ſchmackhaft find, jo fängt man ſie dennoch in großer Menge, vorzüglich zur Winterſpeiſe. Dieſe zwei Fiſcherei— jahreszeiten veranlaſſen jedes Mal einen Umzug. 4) Die Stämme im Inneren kleiden ſich zum Theil in Buüffelfelle, welche ſie entweder durch Ausübung der Büffeljagd oder Tauſch ſich verſchaffen. Zu dem einen wie zu dem anderen Zwecke müſſen ſie die Gegend am Fuße des Felſengebirges beſuchen, wo ſich die Büffel aufhalten. Nur die Schoſchonis begeben ſich jedoch in Maſſe dahin; die übrigen Stämme ſchicken nur eine Anzahl auserleſener Männer und laſſen ihre Familien an irgend einem ſicheren Orte zurück. Die Küſtenſtämme wechſeln ihren Aufenthalts— 17 * 263 ort nicht ſo häufig als die Binnenindianer. Manche bringen den Sommer an der Küſte und den Winter in einem mög— lich geſchützten Orte am Ufer irgend eines Fluſſes im Innern zu. Andere haben feſte Wohnſitze, brechen aber bei der Annäherung des Sommers ihre, aus ſchweren Planken ge— zimmerten Häuſer ab, vergraben die Planken, um ſie vor dem Verwittern zu ſichern und errichten Hütten aus Rinde Reiſig und Matten, die ſie jedoch öfters der Jagd, des Fiſchfangs, Wurzel- und Früchteſammelns halber, auf 2—3 Wochen verlaffen, Alle Stämme nördlich vom Columbia, ſowie drei bis vier ſüdlich von demſelben bilden eine Abtheilung, welche die häßlichſten Stämme der ganzen Race enthält. Sie ſind von kleiner Statur mit gedrückten plumpen Formen, ſehr breitem Geſichte, niedriger Stirn, weitem Munde, ſtraffem ſchwarzem Haar, grober rauher Haut von lohbrauner oder ſchmutzigkupferrother Farbe. Es gehören dahin die Carriers, Qualioguas, Tlatskanies, Umpquas, Sauſchwaps, Platt— köpfe (Flatheads), Tſchickihls, Caulitz, Killamuhks, Tſchi— nuhks, Pacons und die Calapuyas zum Theil. Die Nuht— kas und andere Stämme der VBancouverinfel find ebenfalls in dieſe Abtheilung zu ſtellen. Obige Beſchreibung paßt insbeſondere auf die Küſtenſtämme. Die im Binnenlande hauſenden (die Carriers, Sauſchwaps und Seliſch) ſind ein ſchönerer Menſchenſchlag, mehrentheils von mittlerer Statur und weniger auffallend häßlicher Geſichtsbildung. Bei den Küſtenſtämmen ſtehen die Augen oft ſchräg, wie bei den Mongolen, was man bei den anderen weniger oft trifft. 2) An Intelligenz und Moralität ſtehen dieſe In— dianer auf keiner höheren Stufe als hinſichtlich der phyſi— ſchen Beſchaffenheit. Ihre geiſtigen Fähigkeiten ſind ſehr mäßig, und in ihren Sitten und Gebräuchen zeigt ſich Roh— heit und Unſauberkeit; dabei ſind ſie träge, hinterliſtig und leicht zum Zorne gereizt. Ihre Religion iſt eitel Aberglaube und fie find dem Hazardſpiel ſehr ergeben. Alle dieſe übeln Eigenſchaften treten zumal bei den an der Mündung des Columbia lebenden Indianern ſtark hervor, während ſie bei den im Innern und gegen Norden hauſenden weniger aus— geprägt ſind. Dort iſt auch das Zuſammendrücken des Kopfes am meiſten üblich. Die Tſchinuhks ſind dieſem ſonder— baren Gebrauche am ſtärkſten ergeben, und von ihnen aus ſcheint er ſich nach allen Richtungen und zwar gegen Norden bis zu den Tſchickihls, gegen Oſten bis zu den Walla— wallos und Lochnaſen (nez-percés), und gegen Süden bis zu den Killamuhfs und Callapuyas verbreitet zu haben; doch wird die Verunſtaltung, je weiter die Stämme ſich von deren Ausgangspunkte entfernen, deſto milder. Sonderbarer— weiſe reden alle Stämme dieſer Abtheilung (ausgenommen die Calapuyas, welche eine Mittelſtellung einzunehmen ſchei— nen), Sprachen, welche zwar beſondern Familien angehören, aber ſich alle durch außerordentliche Rauhheit der Ausſprache auszeichnen, während dagegen die der nächſten Abtheilung ungewöhnlich weich und harmoniſch ſind— Wenn wir annehmen dürften, daß die verſchiedenen Horden, welche zu verſchiedenen Zeiten das mericaniſche Hochland erobert haben, ihren Weg durch dieſes Gebiet ge— 237. XI. 17. 264 nommen haben, ſo ſind wir zu dem Schluſſe berechtigt, daß die daſelbſt zerſtreut lebenden Stämme Überbleibſel jener Völkerwanderungen von Norden gegen Süden ſeien. Dieſe Hypotheſe wird durch zwei Umſtände unterſtützt. Erſtens ſtimmen die Ausſagen aller Jäger und Pelzhändler darin überein, daß noch jetzt die ſämmtlichen Stämme allmälig gegen Süden vorrücken, Die Schoſchonihs bewohnten früher das Land der Schwarzfüße (blackfeet), und unter jenen findet man alte Leute, die mit den Schlupfwinkeln und ge: heimen Päſſen der Gegend beſſer bekannt find als die Schwarz- füße ſelbſt. Damals befand ſich das jetzige Gebiet der Scho— ſchonihs, nämlich der öſtlich vom Salzſee liegende Landſtrich, im Beſitz der Bonnaks, welche von jenen theilweiſe in die ſüdweſtlich liegende Steppe gedrängt worden ſind. Dieſe Bewegung gegen Süden erklärt ſich bei der größeren Tapfer⸗ keit der nördlichen Stämme leicht, da dieſe nach milderen und fruchtbareren Gegenden zu gelangen ſtreben. Der zweite Umſtand iſt die eigenthümliche Weiſe, in welcher Stämme, welche die nämliche Sprache reden, in der Richtung von Norden gegen Süden durch das ganze Gebiet zerſtreut ſind. Nehmen wir z. B. die Seliſchfamilie, ſo finden wir die Sauſchwaps am Frazersfluß und bei Friendly Village unter 530 30° nördlicher Br., die Plattköpfe und Piſchons am oberen Columbia, die Nisqually am Pugetsſunde, die Caulitz und Tſchikihls jenſeits dieſer Waſſer, und einen von den übrigen ganz abgeſonderten Stamm, die Killamuhks, ſüdlich dom Columbia, jenſeits des 45ſten Breitegrades. (The Athenaeum. 21. Juli 1849; nach Wilkes Western America und des Oberſten Fremonts und Majors Emory officiellen Be— richten über deren Reiſe nach Californien. Miſeelle n. 45. Mit der vor zwei Jahren von Hrn. Sabrero durch Einwirkung von Salpeterſchwefelſäure auf Glycerine dargeſtellten neuen Subſtanz (vgl. Comptes rendus, 17. Fevr. 1847) hat Dr. Hering zu Philadelphia Ver⸗ ſuche angeſtellt. Er betrachtet ſie als eine Verbindung von Gly⸗ cüloryd mit ſalpetriger Saure und nennt fie Glonoine. Winzige Gaben derſelben bewirken faſt augenblicklich eine Beſchleunigung des Pulſes, heftiges Kopfweh, das oft auf die regio coronalis oder auf eine Seite des Kopfes beſchränkt iſt, Zucken der Geſichtsmus⸗ keln, Klopfen der Schläfenarterien und zuweilen Schwierigkeit des Articulirens. Durch Bewegung wird der Schmerz um vieles vers ſchlimmert und durch Schütteln des Kopfes faſt unerträglich. Die Symptome legen ſich aber bald wieder und ihnen folgt kleiner Puls und das Gefühl von Wundſein und Schwere des Kopfes. Dieſe Symptome wurden durch 5, 20, 50 und bei manchen Per⸗ ſonen 200 Streukügelchen von Milchzucker hervorgebracht, von des nen 5000 mit 1 Tropfen Glonoine durch Schütteln verbunden wor⸗ den waren. Bei den meiſten Perſonen genügten 20 Streukügelchen oder etwa ½50 Gran Glonoine. Die niederen Thiere find gegen dieſe Subſtanz weniger empfindlich. Zum Tödten eines Froſches gehörten 10 Tropfen; vier Tropfen brachten bei einer Katze Con⸗ vulſionen hervor, während eine andere an drei Tropfen ſtarb. Kaffee dient als Antidoton. Dr. Hering gedenkt von der Glonoine für die Homöopathie Nutzen zu ziehen. (Sillimans American Journal, Sept. 1849.) 46. Ein menſchliches Skelet mit acht Halswirbeln beſitzt der Prof. der Anatomie zu Montpellier Dr. Dubreuil. Es rührt von einem Tambourmajor der Schweizer Garde her, der, ſehr 265 kräftig gebaut, an einer acuten Krankheit im 36ſten Jahre geſtorben war. In Geoffroy St. Hilaires Hist. gen. et partic. des anomalies de l’organisation I. p. 665 iſt noch ein einziges Beifpiel angeführt. Dieſe Anomalie iſt um ſo auffallender als Dauben— tons Geſetz, daß alle Säugethiere 7 Halswirbel beſitzen, bis jetzt nur die bekannte und von Cuvier zuerſt nachgewieſene Ausnahme hat, die des Ai oder bradypus tridactylus oder dreizehigen Faul— thiers, welches 9 Halswirbel hat. — Thomas Bell hat zwar dem Heil k (XXXVII.) Lähmung des musculus serratus an- ticus major. Vom Aſſiſtenz-Arzt Dr. G. Helbert in Hamburg. Im Jahre 1845 wurden mehrere Fälle von Lähmung des großen vordern Sägemuskels (nachdem vier ſchon früher von franzöſiſchen Arzten beobachtete Falle unbeachtet geblieben waren), unabhängig von einander in Deutſch— land und in Frankreich bekannt gemacht. Hecker (Er— fahrungen im Gebiete der Chir. 1845) beſchreibt die Krank— heit als „eine eigenthümliche, die Erhebung des Armes hindernde Lageveränderung des Schulterblattes,“ und ent— wirft nach fünf beobachteten Fällen ein ziemlich genaues Krankheitsbild, ohne indes in der Lähmung des serratus die Erklärung der Erſcheinungen zu finden. Die erſte ge— nauere Beſchreibung der Franzoſen findet ſich in der Gaz. des höp. 1845, 21. Juni, von Rayer. In raſcher Folge wurden darauf in der Gaz. des höp. fünf andere in den Pariſer Hoſpitälern beobachtete Fälle beſchrieben. Seitdem iſt nur noch ein einziger Fall, der elfte, von Robert (Gaz. des hop. 3. Juni 1848) bekannt geworden. Schon viel früher hatte Stromeyer in feinem Buche über die Paralyſe der Inſpirationsmuskeln von der Läh— mung des serratus geſprochen, und von dieſer die paraly— tiſche Skolioſe hergeleitet. Seine Krankheitsfälle, welche er als Lähmung des serratus bezeichnet, gehören jedoch nicht hierher, da ſich bei denſelben Lähmung des serratus eben gar nicht findet, und die Skolioſe nicht Folge einer ſolchen Läh— mung iſt. Die Betrachtung der bei unſerm Kranken beob— achteten Symptome wird dies genügend ergeben. C. B., ein Tiſchlergeſelle von 25 Jahren aus Schle— ſien, kam um die Mitte Januars ins Hamburger Kranken— haus. Er ift ein geſund ausſehender, kräftiger, musculöſer Mann, der bis auf ganz unbedeutende Affectionen nie krank und immer an ſchwere und anſtrengende Arbeit gewöhnt war. Vor etwa einem Vierteljahre lag er wegen leichter gaſtriſcher Beſchwerden kurze Zeit im Hoſpitale, wo ſein Bett dicht am Fenſter, und zwar ſo ſtand, daß Zugluft auf empfindliche Weiſe ſeine rechte Schulter traf. Als er damals das Hoſpital verließ, fühlte er ſchon flüchtige Schmerzen und eine kleine Schwäche in der rechten Schul— ter, zugleich eine unbedeutende Schwerhörigkeit des linken Ohres, Dinge, die er aber nicht weiter beachtete. Als er 237. XI. 17. 266 Menſchen im allgemeinen 8 Halswirbel vindicirt, dies beruht in- des nur auf einer anderen Deutung, indem er den erſten Rücken⸗ wirbel als 8. Halswirbel bezeichnet und dann nur 11 Rückenwirbel übrig behält. — Merkwürdig iſt bei dem Menſchenſkelet des Hrn. Dubreuil eine ungewöhnliche Weite des Beckens, welches um 4 Centimeter breiter iſt als das vollkommenſte weibliche Becken; — es iſt dies eine Eigenthümlichkeit in den Verhältniſſen, welche auch bei dem Ai auffallend iſt. (Gaz. med. de Paris, 10. Nov. 1849.) unde. ſeine Arbeit wieder begann, fühlte er, ohne ſich weiter Re— chenſchaft Davon zu geben, und ohne gerade Schmerzen zu empfinden, ſeinen rechten Arm ſchwächer als gewöhnlich, und er ſah ſich gezwungen, die letzten 6 — 8 Wochen ſeine gewöhnliche Arbeit mit leichterer, beſonders mit ſol— cher zu vertauſchen, bei der er weniger den rechten Arm anzuſtrengen und zu bewegen brauchte; zumal war ihm das Hobeln unmöglich. Zuletzt ward er durch die vollkommene Unfähigkeit, den rechten Arm zu erheben, genöthigt, die Arbeit ganz einzuſtellen, obgleich ſein Allgemeinbefinden durchaus nicht litt. Betrachtet man den Rücken des Kranken, wenn er aufrecht mit herabhängenden Armen ſteht, ſo fällt vor al— lem in die Augen, wie die ganze scapula, beſonders aber ihr unterer Theil auf dem Rücken einen großen Vorſprung bildet und zugleich der Wirbelſäule genähert iſt; daß ſie, während ſie ſonſt feſt den Rippen aufliegt, von dieſen gleichſam abgelöſt erſcheint, und als eine dreieckige Fläche, die Haut vor ſich anſpannend, hervorſteht. Dieſe Difformi— tät wird noch vergrößert, wenn der Kranke den Arm er— hebt. Dann tritt die scapula noch mehr, einem Flügel ähnlich, nach hinten vor, ihr innerer Rand nähert ſich den Dornfortſätzen der Wirbelſäule, ja ſchiebt ſich ſo weit nach der Mitte, daß er dieſe faſt überragt. Man kann mit Leichtigkeit mit den Fingern unter die Scapula, in die fossa subscapularis tief hineingreifen. Der untere Winkel des Schulterblattes ſteht, wenn der Kranke ſeinen Arm herabhängen läßt, faſt um drei Finger breit höher als an der geſunden Seite, und zugleich am meiſten der Wirbel— ſäule genähert. Die ganze Schulter iſt nach vorn rotirt, und erſcheint dadurch, wenn man den Kranken von hinten betrachtet, abgeflacht, indem ſie nicht ſo ſehr wie die linke nach außen vorſpringt. Der Umriß, den die Weichtheile des Halſes vom processus mastoideus bis zum acromion bilden, iſt eine ausgeſchweifte Linie, welche rechts eine bei weitem ſtärkere Concavität hat als links. Unter der Haut iſt hier der äußere Rand des cucullaris deutlich ſichtbar und fühlbar angeſpannt. Der innere Winkel des oberen Randes der scapula iſt in die Höhe gezogen, und die Schulter ſteht tiefer als dieſer Winkel. Nur ſo iſt es möglich geworden, daß, obgleich der untere Winkel der scapula der rechten Seite faſt um drei Finger breit höher ſteht, die rechte Schulter gleiche Höhe mit der der andern 267 Seite behalten hat, eher noch etwas tiefer ſteht, beſonders iſt der tiefere Stand der Achſelfalte auffallend. Die fossa supraspinala ift auf der rechten Seite nicht fo feſt und voll ausgefüllt wie auf der linken, die Musculatur erſcheint laxer. — Die Bewegungen des rechten Armes find ſehr beſchränkt. Patient vermag ihn, freilich mit einiger An— ſtrengung, faſt bis zur Höhe der Schulter zu erheben. Will er ihn aber nur kurze Zeit in dieſer Höhe erhalten, ſo muß er den Ellbogen der gelähmten Seite mit der linken Hand unterſtützen. Den Arm höher zu heben, iſt er aber nicht im Stande, und gelingt es ihm ſcheinbar, ſo bewirkt er dies dadurch, daß er ſeinen ganzen Oberkörper nach links herüber biegt und ſo die ganze rechte Schulter erhebt, wo— durch er allerdings die Richtung des Oberarmes zu einer ſenkrechten Linie (aber nicht zum Rumpfe) verändert. Drückt nun aber ein anderer mit der flachen Hand die vorſprin— gende scapula gegen die Rippen kräftiger, was ſehr leicht ausführbar iſt, und drängt zugleich den unteren Winkel des Schulterblattes nach außen und vorn, jo iſt der Kranke im Stande, alle die Bewegungen, welche ihm kurz vorher un— möglich waren, ohne Anſtrengung ganz auszuführen; er kann den Arm hoch emporheben und den Vorderarm auf den Kopf legen, den er noch eben nicht erreichen konnte. Die Reſpiration des Kranken war ganz ungeſtört, die Aus— dehnung der Bruſt bei der Inſpiration eine ganz gleichmä— ßige auf beiden Seiten. Da eine Erkältung die Krankheit ſo unzweifelhaft ver— urjacht hatte, ward eine antirheumatiſche Behandlung ein— geſchlagen. Der Kranke bekam Colchicum, warme Bäder, die Schulter ward mit Salmiakgeiſt eingerieben. Nach den erſten vierzehn Tagen ſchien wirklich einige Beſſerung ein— zutreten; wenn auch ſchon die Formveränderung der Schul— ter dieſelbe blieb, ſo wurden doch die Functionsſtörungen geringer. Der Arm konnte mit größerer Leichtigkeit und höher gehoben werden. Jedoch trat bald ein Stillſtand in der anfänglichen Beſſerung ein. Kalte Douche 14 Tage lang auf die kranke Schulter und Seite angewandt, be— wirkte gar keine Veränderung. Vom 15. Februar an wurde ein Verſuch mit der Rotations-Electricität gemacht. Die Drähte wurden an den untern Winkel der scapula und an den vordern Theil der Bruſt, den Dentitionen des serratus entſprechend, angelegt. Vier Wochen lang wurde die An— wendung der Electrieität faſt täglich wiederholt. Ihr Er— folg war ein total ungünſtiger, wenn die eingetretenen Ver— änderungen der Behandlung zugeſchrieben werden können. Die Kraft im Arme nahm ab. Der Kranke war nicht mehr im Stande, den Arm ſo hoch wie früher zu erheben. Die Hebemuskeln des Armes, der deltoideus, supraspinatus und infraspinatus wurden ſchlaff und atrophiſch. Das Pol— ſter der Schulter verlor ſich ſo ſehr, daß die Schulter ganz abgeplattet erſchien. Dazu litt das früher ungeſtört gewe— ſene Allgemeinbefinden des Kranken. Huſten mit Auswurf, allgemeine Abmagerung ſtellte ſich ein. Der Kranke wurde unluſtig, trübe geſtimmt, lag meiſt den ganzen Tag im Bette. Beſonders matt und krank fühlte er ſich nach jedes— maliger Anwendung der Rotationsmaſchine. Darauf wurde 237. XI. 17. 268 von der Mitte März an Leberthran gegeben, und gleichzeitig wurden nach dem Laufe des serratus fliegende Veſicantien in ziemlicher Anzahl gelegt. Bei dieſer Behandlung, ver— bunden mit gut nährender Diät, beſſerte ſich bis Ende Aprils ſowohl der allgemeine Zuſtand des Kranken, als auch die Affection der Schulter. Der Huſten hatte jetzt faſt ganz aufgehört, Kräfte und Ernährung hatten zugenom⸗ men. Den Arm konnte Patient mit größerer Leichtigkeit erheben, jedoch ſchien nebſt der noch beſtehenden Atrophie der Muskeln die Difformität der Schulter zugenommen zu haben. Die kranke Schulter ſtand jetzt tiefer als früher, tiefer als die geſunde Schulter, und noch mehr nach vorn gewälzt. Die auffallendſte Veränderung aber, welche einge— treten war, iſt eine Verkrümmung der Wirbelſäule, welche früher entſchieden nicht beſtanden hatte. Nämlich es war die Wirbelſäule dem kranken Schulterblatte gegenüber conver nach der kranken Seite heraus gebo⸗ gen (23. April). Der Kranke blieb noch bis zur Mitte Juli's im Ho— ſpitale, jedoch ward mir in dieſer letzten Zeit nur ſeltener die Gelegenheit, ihn zu ſehen. Bei ſeinem Abgange hatte er ſein früheres geſundes Ausſehen und ſeine frühere Fülle wieder erlangt. Nur die Muskeln des rechten Armes, und beſonders der deltoides blieben bedeutend magerer, die ganze Extremität ſchwächer. Patient konnte den Arm ohne fremde Hülfe ganz emporſtrecken, und dabei trat die scapula etwas weniger als früher hervor. Die Verbiegung der Wirbel— ſäule war unverändert geblieben. Alſo war die Function der Muskeln in höherem Grade wiederhergeſtellt, als die normale Form der Schulter, ein Reſultat der Behandlung, welches auch von Hecker ange— führt wird. Alle hier beobachteten Störungen der Form und der Function der Schulter und des Armes werden nun allein bedingt und vollkommen erklärt durch die Lähmung des musculus serratus anticus major. Wie bei der Lähmung jedes Muskels die Antagoniſten ein Übergewicht bekom— men, ſo hier ſämmtliche Muskeln, welche das Schul⸗ terblatt in feiner Lage befeſtigen und es bewegen. In der Ruhe hält der serratus den unteren Winkel der scapula gegen die Bruſtwand angedrückt. Iſt er gelähmt, ſo ſpringt dieſer Winkel von derſelben ab. Die rhomboidei ziehen die scapula gegen die Wirbelſäule, und beſonders ihren untern Winkel, der ſonſt durch den serratus nach vorn und außen gehalten und gezogen wird. Der levator anguli sc. zieht den innern, obern Winkel der Scapula in die Höhe, während der pectoralis minor, der ſich an den pro- cessus coracoideus anſetzt, dieſen, und mit ihm die ganze Schulter herab und nach vorn zieht, wozu gleichzeitig die Schwere des Armes und der Zug des pectoralis major mit— wirkt. Die Contraction des levator anguli sc. und des cucullaris bewirkt die ſtärkere Concavität und die ſtraffe An— ſpannung des Bogens, den die Weichtheile zwiſchen Kopf und Schulter bilden. Endlich fühlte man den supraspina- tus erſchlafft, weil bei der Wendung des äußern und obern Winkels des Schulterblattes nach unten und vorn, dieſer 269 dem Oberarm genähert ift, daher der Muskel gleichſam zus ſammengefallen ſein muß. x Was nun die Functionsſtörungen anlangt, jo war der Kranke im Stande ſeinen Arm bis zur Höhe der Schulter, jedoch nicht weiter zu erheben, wenn man nicht durch äu— ßern Druck gegen die scapula die Wirkung des serratus zu erſetzen ſuchte. Dieſe erſte Bewegung geſchieht durch die Contraction der eigentlichen Hebemuskeln des Armes, die übrigen Muskeln, welche ſich an die scapula ſetzen (beſon— ders serratus und rhomboidei) firiren dieſelbe nur durch mäßige Contraction, ſo daß ſie als feſter Punct den Hebe— muskeln dienen kann. Höher aber, als bloß zum rechten Winkel, vermag der deltoides den Arm nicht zu heben; eine höhere Erhebung des Armes geſchieht überhaupt nicht durch eine Bewegung des Kopfes des humerus in der fossa gle- noidalis, ſondern iſt einmal der Arm bis zur horizontalen Linie erhoben, ſo bleibt er in dieſer Stellung gegen die scapula firirt, und die weitere Erhebung des Armes von der horizontalen bis zur ſenkrechten Linie iſt das Reſultat einer Locomotion der scapula durch die Action des muscu- lus serratus ant. maj. Dadurch beſchreibt das Schulterblatt in ſeiner Ebene eine ſolche Kreisbewegung, daß die in der Nähe nach außen gerichtete kossa glenoidalis eine Richtung nach oben bekommt, folglich ihr darauf firivter humerus in die Höhe gehoben wird. Die Lähmung des serratus macht mit der Locomotion der scapula alſo die Erhebung des Armes unmöglich. Daher ſind wir auch nicht im Stande den Arm zu erheben, wenn wir gefliſſentlich die Contraction des serra- tus verhindern. Wölben wir nämlich unſere Bruſt ſtark hervor und ziehen die Schultern zurück, ſo iſt es uns durch keine Anſtrengung möglich, die Arme höher als bis zur Schulterhöhe zu erheben. Die rhomboidei und cucullares laſſen die scapula nicht dem Zuge des serratus folgen. — Bei einem in unſerem Krankenhauſe behandelten Mädchen mit einem Querbruche der scapnla war das einzige Sym— ptom, welches die Kranke klagte, daß ſie ihren Arm nur bis zur Höhe der Schulter erheben könne. Natürlich ward die durch den serratus bedingte Bewegung des untern Fragments, bei der Trennung der Continuität der scapula, dem obern und mit ihm dem Arme nicht mitgetheilt. Als nach 4 Wochen die Fractur conſolidirt war, war die Be— weglichkeit des Armes durchaus unbehindert. Sowohl bei unſerm Kranken, wie bei allen andern bekannt gewordenen Fällen von Lähmung des serratus feh- len Erſcheinungen einer geſtörten Reſpiration vollſtändig. Schon das muß es uns zweifelhaft machen, ob dieſer Mus⸗ kel für die Reſpirationsbewegungen wirklich von der großen Wichtigkeit ſei, wie Bell es angenommen, ob der zu dem Muskel gehende Nero den Namen n. respiratorius externus, den Bell ihm gegeben, verdient. — Die nothwendigſte, die hauptſächlichſte Function des Muskels iſt jedenfalls die Erhebung des Armes, und es ſcheint mir unwahrſcheinlich, daß er zugleich beſtimmt ſein ſollte, noch eine andere und nicht minder wichtige Bewegung zu vermitteln. Um dieſe Inſpirationsbewegung, die Erhebung der Rippen, überhaupt 237. XI. 17. 270 durch den serratus möglich zu machen, müßte der ſo leicht bewegliche und ſo oft bewegte untere Winkel der scapula firirt ſein, und dürfte vor allem nicht, wie es auch bei vorgeſtreckten Armen der Fall iſt, nach vorn und außen ges ſchoben werden. Hauptſächlich ſtützen aber Bell und be— ſonders Stromeyer nach ihm, ihre Anſicht, daß der serratus vorzüglich Inſpirationsmuskel ſei, auf die angeb— liche Erfahrung, daß bei Lähmung des serratus einer Seite das diaphragma die Rippen der einen Seite, daß bei Lähmung des serratus beider Seiten das diaphragma als innerer Reſpirationsmuskel die Rippen beider Seiten einwärts ziehe, daß im erſten Falle Skolioſe, im zweiten die Hühnerbruſt die Folge ſei. Stromeyer bezeichnet faſt eine jede Skolioſe als Lähmung des serratus der eingefal⸗ lenen Seite, aber überall fehlt der Beweis, daß wirklich dieſe Lähmung vorhanden war; vor allem finden wir nir— gends ein einziges Symptom, welches, wie unſer Fall uns gelehrt, die Lähmung des serratus characteriſirt, nothwen— dig durch dieſe Lähmung bedingt wird. Wäre aber jene Theorie richtig, ſo müßte ja bei unſerm Kranken, deſſen Lähmung des serratus außer Zweifel iſt, eine Stkolioſe entjtanden fein. Und wirklich finden wir bei dem früher ganz geraden Manne in den ſpätern Monaten eine Verbie— gung der Wirbelſäule. Die Verkrümmung hat aber gerade eine Richtung, der entgegengeſetzt, welche ſie nach Stro— meyers Annahme haben müßte. Die Convexität der Wirbelſäule iſt der gelähmten Schulter zug e⸗ kehrt. Da der Kranke nicht im Stande war, ſeinen Arm zu erheben, ſuchte er dies dadurch zu erſetzen, daß er den Oberkörper nach feiner gefunden Seite herüberbeugte, wo— durch natürlich die Schulter erhoben wurde und etwas höher liegende Gegenſtände leichter erreicht werden konnten. Man ſah den Kranken anfangs immer unwillkürlich diefe Stel— lung annehmen, in der er auch die Schwere des hängenden Armes leichter zu tragen im Stande war. Die Stolioſe ward Folge der angewöhnten ſchiefen Stellung, eine Erfah— rung welche wir oft machen und in der Orthopädie zur Heilung der Stkolioſe benutzen. Ich glaube alſo, daß dieſer eine Krankheitsfall beweiſend dafür iſt, daß die Paralyſe des serratus nicht Skolioſe in der Weiſe bedingen kann, wie es ſeit Stromeyer allgemein (2) angenommen worden iſt; ſowie, daß in den Fällen von Skolioſe oder Hühner: bruſt, wo die äußern Inſpirationsmuskeln oder ſpeciell die serrati gelähmt ſein ſollen, Lähmung dieſer letztern nicht beſteht. Die unzweifelhafte Urſache der Lähmung des serratus bei unſerm Kranken war eine Erkältung. Dieſelbe Urſache finden wir in noch zweien der bekannten Fälle. In drei Fällen iſt eine momentan einwirkende mechaniſche Schädlich— keit, vielleicht Contuſton des Nerven, die Veranlaſſung der Krankheit, z. B. ein Fall auf die Seite, Quetſchung zwi— ſchen zwei Wagenrädern. In einem hierher gehörigen von Nelaton erzählten Falle entſtand Paralyſe beider serrati nebſt allgemeiner Lähmung der Extremitäten, der Sphinete— ren u. ſ. w., offenbar durch Contuſton des verlängerten Markes. 271 In einer größeren Reihe von Fällen liegt ferner die Urſache in dem Geſchäfte der Kranken, in einer Überan— ſtrengung und immer monotonen Thätigkeit der Hebemus— keln des Armes, ohne die gehörige Ruhe dazwiſchen. So kam die Krankheit bei einem Seiler vor, der beſtändig mit über dem Kopfe gehaltenen Armen arbeitete; bei einem Schloſſer, nachdem er feinen gewöhnlichen Hammer mit einem andern, der um mehrere Pfunde ſchwerer war, ver— tauſcht hatte (Jobert, Gaz. des hop. 1845. Nr. 135 und vom 2. Sept.). Alle fünf von Hecker beobachtete Kranke waren Landleute, drei Hänfer und zwei Feldarbeiter; die Lähmung war um eine Zeit entſtanden, wo ſie beim Hecheln und Mähen beſchäftigt waren, und immer war die rechte Seite die ergriffene. Seinem Erklärungsverſuche möchte ich freilich nicht beiſtimmen, daß nämlich durch häufige und übermäßige Contraction der den Arm nach hinten ziehenden Muskeln, dieſe ein Übergewicht erhalten hätten über die den Arm nach vorn bewegenden, ſo daß der Antagonismus zwiſchen beiden geſtört und die Krankheit entſtanden ſei. In den übrigen Fällen iſt, ſo viel ich weiß, die Läh— mung ganz allmalig entſtanden, ohne irgend nachweisbare Urſache. Die Kranken wurden erſt durch zunehmende Schwäche im Arme auf ihre Krankheit aufmerkſam. Ein— mal bemerkte zuerſt der Schneider bei ſeinem ſonſt wohlge— ſtalteten Kunden die Hervorragung des Schulterblattes. Im allgemeinen finden wir alſo hier beſonders drei für die Entſtehung aller Paralyſen überhaupt bedeutungs— volle Momente wieder: 1) Der rheumatiſche Krankheitsproceß. 2) Außere Verletzungen. 3) Anhaltender Verbrauch und übermäßiger Aufwand motoriſcher Kraft durch fortgeſetzte, angeſtrengte Bewegungen und Stellungen. (Romberg, Lehr— buch II. p. 27.) Die Häufigkeit dieſer letzten Urſache erklärt leicht, daß beſonders junge, musculöſe Männer von der Krankheit be— fallen werden und daß die gelähmte Seite vorzüglich die rechte iſt. Dreimal betraf die Lähmung beide Seiien, nur einmal die linke allein. In der Behandlung war nur Hecker glücklich. Sämmtliche Kranke genaſen ihm wenigſtens ſo weit, daß der Gebrauch ihres Armes nicht behindert war, wenngleich die scapula ihre ganz normale Lage nicht wieder einnahm. Und er erreichte ſeine Erfolge ohne eigentlich energiſche Mittel. Er hält es nur für nöthig, daß die Kranken einige 237. XI. 17. 272 Zeit ihre gewohnte Beſchäftigung vermeiden, daß die Thä⸗ tigkeit der den Arm rückwärts ziehenden Muskeln ruhe, dagegen die der geſchwächten serrati durch diätetiſch gym⸗ naſtiſche Ubungen und reizende Einreibungen geſtärkt werde. Laſſen ſich ſchon von vorn herein gegen die Möglichkeit einer ſo leichten Heilung der Krankheit Zweifel erheben, ſo beſtätigen dieſe ſowohl unſere Erfahrung, wie die der franzöſiſchen Arzte. Wir mußten unſern Kranken freilich gebeſſert, jedoch ungeheilt entlaſſen. Und ähnlich war der Erfolg bei allen in den Pariſer Hoſpitälern behandelten Kranken. Die Lähmungen machen hier wie überall ihre Beharrlichkeit den angewandten Mitteln gegenüber geltend. Man wandte in Frankreich alle gegen Lähmungen gebräuch⸗ lichen inneren und äußeren Mittel an, bis zur Electropunc⸗ tur, der Mora, dem Glüheiſen. Jedoch war nirgends der Erſolg ein günſtiger, wo das Endreſultat der Behandlung überhaupt mitgetheilt iſt, was aber in den Berichten der Gaz. des höp. gern vermieden wird. Nach den erſten Wo—⸗ chen der Behandlung trat gewöhnlich unbedeutende Beſſerung ein, dann aber blieb der Zuſtand ſtationär. (Dr. A. Gö⸗ ſchen, Deutſche Klinik, Nr. 4.) Miſcelle. (33) Chloroform in der Geburtshülfe. Von Dr. Denham. — Der Verf. hat in dem Dubliner Gebärhauſe eine Reihe von 56 Fällen leichter und ſchwerer und künſtlicher Gebur⸗ ten, bei denen das Chloroform angewendet wurde, genau aufgenom⸗ men und in dem Dublin Quarterly Journal, Aug. 1849 ausführlich mitgetheilt; das Reſultat ſeiner ſehr umfangreichen Mittheilungen iſt: 1) daß das Chloroform ein außerordentlich werthvolles Mittel bei allen Wendungen und Zangen- und Hakenoperationen ſei; — 2) daß es bei einzelnen natürlichen oder nur ſchweren Geburtsfällen von Nutzen iſt, um den Schmerz zu erleichtern und die Weichtheile zu erſchlaffen, alſo auch dadurch die Geburtsarbeit zu beſchleuni⸗ gen; — 3) daß es in großen Quantitäten gegeben oder zu lange angewendet, alle Muskeln hemmt, dem Dubois widerſpricht, der angiebt, daß es niemals die Uterus contractionen Höre oder die Thätigkeit der Bauchmuskeln hemme; — 4) in ſolchen Fällen keb⸗ ren aber die Wehen gewöhnlich mit um ſo größerer Kraft zurück, wenn das Chloroform ausgeſetzt wird; — 5) es erſchlafft das pe- rinaeum nicht mehr als andere Weichtheile, obwohl Dubois be⸗ hauptet, daß dies der Fall ſei; — 6) wenn organiſche Krankheit nicht contraindicirt, jo iſt in der geburtshülflichen Praxis davon keine Gefahr zu fürchten; — 7) Chloroform kann jo gegeben wer⸗ den werden, daß es das Bewußtſein noch nicht aufhebt und doch dem Patienten Freiheit von Schmerz ſichert. — Bei der Oppoſt— tion, welche ſich jetzt gegen das Chloroform erhoben hat und wobei in der Regel nicht mit hinreichender Kritik zu Werke gegangen wird, iſt es nothwendig, alle beſonnen angeſtellten Beobachtungen um ſo ruhiger zu ſammeln. Bibliographiſche Neuigkeiten. E. d' Alton, de monstrorum duplicium origine atque evolutione commentatio. gr. 40. In Comm. Geh. 2½ Thlr. Anton in Halle 1849. Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahre 1848. gr. 8°. 1848. In Comm. Geh. 1½ Thlr. N u oigt, Geſchichte des Pflanzenreichs. 7. u. 8. Lieferung. gr. 8%. Geh. Sgr. H. Berghaus, physicalischer Atlas. I. Abh. A. u. T.: Meteorologisch- klimatologischer Atlas. gr. Fol. Cart. 5 Thlr. K. 8 eiträge zu einer Flora des Orients. 3. Heft. gr. 9. In Comm. 3 2 Ant. Bouchacourt, Memoire sur le traitemeut du goitre cystique par les in- jections jodees. In 80. Paris 1849. Dr. J. A. Isnard, Aide-Memoire de l’operateur, comprenant les operations elementaires, les ligatures d’arteres, les amputations ete., avec 60 planches representant 213 sujets lithographies, d’apres nature, par l’auteur. In 320. Paris 1849, Bailliere. 5 fr. C. W. T. Uhde, Mittheilungen über die in der chirurgischen Klinik zu Braunschweig vom Frühjahr 1844 bis zum Frühjahr 1848 vorgekommenen Krankheiten und Operationen. gr. 89. Geh. Y, Thlr. G. Gluge, Atlas der patholog. Anatomie. 19. Lfg. gr. Fol. Geh. 1%, Thlr. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Compteirs zu Weimar, Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 238. (Nr. 18. des XI. Bandes.) December 1849. Naturkunde. Bowman, über die Structur der Glasfeuchtigkeit. — Mifcellen. Des verſtorbenen W. Oakes reiche Sammlung der Pflanzen Neueng⸗ lands. Zweifel über das Beſtehen einer wilden Katze. — Heilkunde. Hohl, über die Beſchaffenheit der Eihäute bei einer Bauchſchwangerſchaft. — Di⸗ day, über den chirurgiſchen Gebrauch des Kautſchuks. — Chiminelli, vorbeugende und heilende Behandlung der Eitervergiftung bei eiternden Wunden. — Miſcellen. Blot, sphincter externus ani bei atresia ani. Fleming, zur Application des Chloroforms. — Bibliographie. Naturkunde. XXXIV. über die Structur der Glasfeuchtigkeit. Von Will. Bowman. Während der letzten Jahre hat man in Deutſchland der Anatomie des Glaskörpers viel Aufmerkſamkeit ge— ſchenkt. Bisher nahm man an, dieſes Organ beſtehe aus einem ungemein zarten Faſergewebe, das ſo in einander gewebt ſei, daß ſich in demſelben zellige Räume befänden, in denen Waſſer eingeſchloſſen ſei, welches, wenn man die membrana hyaloidea durchſteche, entweiche. Zwar hatte kein Anatom jene Faſern und Zellen geſehen, allein man ſchloß auf deren Griftenz von der zerſtückelten Geſtalt, welche das innerhalb des Glaskörpers befindliche Waſſer beim Ge— frieren annahm, beſonders weil man eine plauſible Erklä— rung der am meiſten in die Augen ſpringenden Eigenſchaf— ten des Glaskörpers erhielt, wenn man ihm eine ähnliche Structur zuſchrieb, wie die des gewöhnlichen Zellgewebes. Als man jedoch vervollkommnete Unterſuchungsmittel an— wandte, ohne zur Entdeckung des faferigen Grundgewebes zu gelangen, richteten ſich die Forſchungen auf Entdeckung irgend einer andern Structur, welche über die ſehr eigen— thümlichen phyſicaliſchen Eigenſchaften, die der geſunde Glaskörper im friſchen Zuſtande beſitzt, Aufſchluß zu geben vermöchten. Pappenheim ſcheint zuerſt auf den Umſtand hingewieſen zu haben, daß eine beſondere innere Anordnung der Materialien dieſes Organs wirklich Statt finde. Er kündigte an, daß der Glaskörper, mit einer Auflöſung von kohlenſaurem Kali behandelt, eine Anzahl concentrifcher Schichten, faft wie bei einer Zwiebel, darbiete 3). Brücke befolgte ein Jahr ſpäter dieſen Wink **) und war der Meinung, daß die Subſtanz des Glaskörpers eine Reihe von Membranen enthalten dürfte, die ſich anatomiſch de— *) Specielle Geweblehre des Auges. Breslau 1842, S. 182. *) Müllers Archiv 1843, S. 345 97 No. 2218. — 1118. — 238. monſtriren ließen, und er hielt es für wahrſcheinlich, daß, wenn man das Organ in einer Flüſſigkeit macerirte, die beim Durchdringen desſelben ein Präcipitat abſetzte, dieſe Membranen den Niederſchlag aufhalten und ſo dem Auge erkennbar werden würden. Er legte daher durch Beſeiti— gung der sclerotica, choroidea und retina den Glaskörper eines Schöpſenauges bis in die Gegend der ora serrata bloß und brachte denſelben dann in eine concentrirte Auf— löſung von eſſigſaurem Blei. Die Oberfläche ward ſogleich mit einer weißen Kruſte bedeckt, und als er nach einigen Stunden ein Stückchen von der hintern Gegend abſchnitt, fand er die Schnittfläche mit feinen milchweißen Linien ge— zeichnet, die mit der natürlichen Oberfläche parallel liefen, ſo daß ſich die Schnittfläche ganz ſo ausnahm, wie ein fein geſtreifter Agat. Er überzeugte ſich bald davon, daß dieſe Streifen von milchweißen Schichten herrührten, welche die Glasſubſtanz in der Weiſe durchſetzten, daß die äußerſte mit der retina oder membrana hyaloidea, und die innerfte mit der Rückſeite der Kryſtalllinſe beinahe parallel lief, da— her die Zwiſchenräume in der Augenachſe am weiteſten und nach dem Zinniſchen Gürtel hin am engſten waren. Hier traten die äußern Schichten dicht an einander und liefen in die ſich an dem Gürtel anlegende Portion der membrana hyaloidea aus; wo aber die mittlern und innern Schichten ausgingen, konnte er nicht ermitteln. Nächſtdem unterſuchte er die Textur dieſer Schichten. Dem unbewaffneten Auge oder unter einer gewöhnlichen Linſe ſchienen ſie einfach aus einer milchweißen durchſcheinenden Membran zu beſtehen; wandte man aber eine ſtärkere Vergrößerung an, ſo ward ein feiner, körniger Niederſchlag (wahrſcheinlich von Blei— chlorid) in den weißen Linien, ſowie in den Zwiſchenräu— men entweder ein völlig durchſichtiger Raum oder ein ſpar— ſamerer und feinerer, körniger Niederſchlag ſichtbar. Brücke beobachtete ferner, daß der ſo präparirte Glaskörper in der 18 275 Richtung dieſer Schichten am leichteften zerriß, ſowie, daß die durchſichtigen Räume zwiſchen den weißen Schichten von einer anſcheinend gallertartigen Subſtanz, welche mit dem übrigen Glaskörper eine ähnliche Bildung zeigt, angefüllt waren, nicht aber aus einer Flüſſigkeit enthaltenden Lücke beſtanden. Warum aber die wäſſerige Feuchtigkeit des Glaskörpers beim Anſtechen des letzteren ſo leicht entweicht, was, wie er rich— tig bemerkt, bei einer ächten Gallerte nicht Statt finden kann, darüber ſtellt er keine Erkärung auf. In einem ſpätern Artikel *) bemerkt derſelbe Anatom, daß ſich aus der Unterſuchung des gefrornen Glaskörpers keineswegs eine zellige Structur ergebe, ſondern daß dadurch vielmehr ſeine früher dargelegte Anſicht, dieſes Organ beſtehe aus in einander geſchachtelten concentriſchen Membranen, beſtä— tigt werde. Er führt an, daß, wenn man ein gehörig feft gefrorenes Auge in ein warmes Zimmer bringe, ſo daß die den Glaskörper einhüllenden Membranen aufthauen, und man dieſe dann ſorgfältig beſeitige, der gefrorene Glaskör— per als eine zuſammenhängende Eismaſſe erſcheine, von de— ren Oberfläche ſich mit der Spitze eines Scalpells winzige Flocken ablöſen laſſen, ſowie die äußere Wärme allmälig auf dieſelbe einwirkt. Dieſe Flocken hat er bis in die Nähe der Kryſtalllinſe verfolgt, und da ſie ihm dieſelbe Rich— tung, wie die mit Hülfe des Metallſalzes dargelegten zu ha— ben ſcheinen, ſo folgert er, daß ſie das Reſultat derſelben über einander geſchichteten Membranen ſeien, deren Vorhan— denſein er früher nachgewieſen. Ein anderer Phyſtolog hat ebenfalls eine Abhand— lung über dieſen intereſſanten Gegenſtand veröffent— licht *). Er ſtellte feine Beobachtungen an den Au— gen von Säugethieren an, nachdem er ſie wenigſtens 6 Monate lang in einer Auflöſung von Chromſäure eingeſetzt hatte. Er beſchreibt die concentriſchen Schichten etwas aus— führlicher, als ſeine Vorgänger, und führt an, daß, wenn das Auge durch einen auf der Medianlinie geführten Schnitt getheilt worden, dasſelbe ſich ganz ſo ausnehme, wie eine in derſelben Weiſe durchſchnittene Zwiebel. Dies hat er an Katzen-, Hunds⸗, Rinds- und Schafsaugen wahrgenom— men. Beim Menſchen dagegen fand er eine abweichende Structur, die mit der einer Orange eine entfernte Ahnlich— keit hat, indem Segmente vorhanden find, deren Conserität nach außen gerichtet iſt, während die Winkel nach der Achſe des Auges und nach der Stelle, wo der hyaloidiſche Canal bei kleinen Kindern ſich befindet, convergiren, dieſelbe aber nicht erreichen. Bei zwei Exemplaren konnte Hann os ver 180 Radien zählen, und danach ſchließt er auf die Zahl der Segmente; allein er war nicht im Stande zu er— mitteln, ob jedes Segment eine beſondere dasſelbe einhül— lende Membran beftge oder ob zwei neben einander liegende Segmente immer nur durch eine einfache Membran von einander getrennt ſeien. Bei der Unterſuchung mittelſt des Mikroſkops fand er, daß die Wandungen der Segmente ſich wie durchſcheinende Membranen ohne erkennbare Structur *) Müllers Archiv 1845, S. 130. en Hannover, Entdeckung des Baues des Glasförpers ; Müllers Archiv 238. XI. 18. 276 ausnahmen und mit unzähligen Körnchen bedeckt waren, die er für das Reſultat eines Niederſchlags hält. Schließ⸗ lich berichtet er über die nähere Anordnung der Theile des Zinniſchen Gürtels, was uns hier nicht weiter intereſſirt. Da meines Wiſſens dieſe Forſchung bis jetzt in Eng⸗ land niemand weiter geführt hat, und da, meinen Unterſu— chungen zufolge, rückſichtlich der richtigen Auslegung der oben kürzlich dargelegten Erſcheinungen eine bedeutende Mei- nungsverſchiedenheit obwalten kann, ſo halte ich es nicht für überflüſſig, das Reſultat meiner Beobachtungen über den Glaskörper des Menſchen und anderer Säugethiere, ſo— wie der Vögel und Fiſche, einfach mitzutheilen; allerdings weiß ich, daß ſie auf Vollſtändigkeit durchaus keinen An⸗ ſpruch machen können. Nachdem ich vor länger als einem Jahre eine Anzahl nicht über 24 Stunden nach dem Tode erlangter Menſchen⸗ augen, die mit großer Vorſicht aus den Augenhöhlen ge— nommen worden waren, in eine verdünnte Auflöſung von Chromſäure (deren Stärke durch eine helle ſtrohgelbe Farbe angezeigt war) geſetzt hatte, fand ich bald darauf, daß ſie ausgedehnt und ſtraff geworden und daß die äußere Mem— bran verhärtet war. Unlängſt durchſchnitt ich ſie mit einem ſehr ſcharfen Meſſer in verſchiedenen Richtungen, wobei ich mich in Acht nahm, die Augäpfel zu drücken oder den Schnitt unrein zu führen. Der Glaskörper war bei allen Exemplaren durchaus halb undurchſichtig geworden; allein die Verdunkelung war in manchen Richtungen weit auffallender und deutlicher, als in andern. Die meiſten Durchſchnitte, welche das Auge in eine vordere und hintere Hälfte theilten, boten ſchwache Linien von größerer Undurchſichtigkeit dar, welche parallel mit der Netzhaut und theilweiſe oder ganz um den Durch— ſchnitt herumliefen. Dieſe Linien waren undurchfichtiger, wenn man ſie aus gewiſſen Richtungen betrachtete, und bei einiger Sorgfalt konnte man leicht ſehen, daß ſie die Rän— der undurchſichtiger Lamellen waren, welche der Krümmung der Netzhaut folgten. In keinem Falle erſtreckten ſich dieſe Kreislinien weiter als etwa ein Drittel des Abſtandes der Netzhaut vom Mittelpunkte des Glas körpers, und da, wo ſie aufhörten, traten andere gerade oder etwas wellenför— mige, welche mehr oder weniger gegen den Mittelpunkt hin convergirten, an ihre Stelle. Im Mittelpuncte befand ſich bei allen Präparaten eine unregelmäßige Höhle von ver— ſchiedener Größe, welche, wie es ſchien, durch einen Riß im Gewebe entſtanden war. Bei einigen Exemplaren, wo die Kreislinien fehlten, durchſetzten durchſichtigere Linien von ½0 bis ¼80 Zoll Breite die übrigens homogene Subſtanz von der Mittelhöhle oder deren Nähe aus gegen die mem- brana hyaloidea hin oder bis an dieſelbe. Dieſe waren gerade oder ſchwach gekrümmt und von ungleicher Breite, und wenn man ſie quer durchſchnitt, jo daß deren Mün— dungen deutlich ſichtbar wurden, ergab es ſich, daß ſie röh— rig ſeien. Bei einem Exemplare befanden ſich in der Nähe der Oberfläche des Durchſchnitts beinahe 20 dieſer Röhren, während wahrſcheinlich noch viel mehr ſich durch ihre tiefe Lage dem Blicke entzogen. Andere röhrige Lücken zeigten ſich 277 in einem Falle, welcher dieſelbe Krümmung wie die concen— triſchen Schichten darboten. Bei den Durchſchnitten, welche durch den Sehnerven und die Kryſtalllinſe gingen und das Auge in eine obere und untere oder in zwei ſeitliche Hälften zerlegten, zeigten ſich einige dunklere Linien, welche mit dem durchſchnittenen Rande der Netzhaut mehr oder weniger genau parallel lie— fen und offenbar die Ränder von Schichten waren, die un— durchſichtiger als die übrigen waren. Eine leiſe Berührung mit einer Stecknadel reichte hin, den Glaskörper in der Richtung dieſer Linien zu zerreißen, und die Schichten in abgeſonderte Blätter zu verwandeln und dies iſt bei einem unſerer Präparate in geringem Grade geſchehen. Bei die— fen Exemplaren tritt die unregelmäßige Mittelhöhle dem Sehnerven ſo nahe, daß die Schichten dort kaum erkenn— bar ſind; allein vorn iſt ihre Anordnung ganz deutlich zu ſehen. Mehrere, und zwar die äußern, laufen gegen den Ciliarkörper hin und ſcheinen ſich dort der Oberfläche des Glaskörpers bei den ora serrata ſehr zu nähern, indem fie ſich mit der dort an dem Zinniſchen Gürtel herantretenden membrana hyaloidea verbinden, wie Brücke es beſchrieben hat. Die nächſten nach innen biegen ſich einwärts nach dem Rande und der Rückſeite der Kryſtalllinſe, natürlich hinter dem Petit'ſchen Canale, und ſie ſcheinen mehr eine nach der andern an der Oberfläche der Linſe ein Ende zu nehmen, als ſich concentriſch hinter derſelben fortzuſetzen, obgleich dieſer Punkt durch die Präparate nicht ſicher feſt— geſtellt wird. Zwiſchen den nach den ora serrata ſtreichen— den Schichten und den ſich nach der Kryſtalllinſe zu ſen— kenden ſcheint die Textur weniger Cohäſion darzubieten; denn bei einigen dieſer Präparate hat ſich die Mittelhöhle in dieſer Richtung hin und her ausgebreitet, ſelbſt bis an die Ciliarfortſätze hin reichend, ſo daß dieſelben von hinten ſichtbar werden, wenn man die Höhle durch einen ſenkrechten Querſchnitt öffnet. Mit ſtarken Mikroſkopen unterſucht bieten dieſe Prä— parate keine fpeciele Tertur dar; es erſcheint nichts, als eine feine körnige Maſſe, welche nur an den Stellen, wo man mit unbewaffnetem Auge undurchſichtige Linien gewahrt, etwas dunkler iſt. Die hellen und dunkeln Stellen ſind durch keine ſcharfe Linie geſchieden. Innerhalb der mem- brana hyaloidea läßt ſich durch das Mikroſkop keine ächte Membran mehr entdecken, und ſoweit wir nachkommen können, bieten die hellen und dunkeln Schichten dieſelbe amorphe Structur dar. Unter den Menſchenaugen befanden ſich die eines todt— gebornen Kindes. Weder in einem von dieſen, noch in den an— dern Augen ließ ſich eine Spur von mit der retina parallel ſtrei— chenden Schichten auffinden. Das andere wurde horizontal durchſchnitten und das Meſſer ging glücklicherweiſe durch den Sehnerven, den Sömmeringſchen Flecken und hyaloidei— ſchen Canal, ſo daß alle dieſe Theile zugleich zur An— ſchauung kamen. Daß man daran keine Streifen, keine ſtrahligen Linien bemerkte, iſt, gleich dem Anſehen der an— dern Durchſchnitte, der Anſicht Hannovers günftig, daß ſich von der Mittelachſe aus Segmente radienartig verbreiten. 238. XI. 18. 278 Wenn dieſe wirklich vorhanden ſind, ſo kann man dieſel— ben wahrſcheinlich auf einem horizontalen Durchſchnitte oder in jedem von vorn nach hinten gerichteten, längs der Achſe hinlaufenden Durchſchnitte nicht ſehen, weil ſie ſich dann mit der flachen Seite darſtellen würden, während ſie ſich auf einem horizontalen Durchſchnitte von der ſchmalen Seite präſentiren würden. Unter dreihundertfacher Vergrößerung des Durchmeſ— ſers zeigen dieſe Präparate des Glaskörpers eine ſcharf aus— geprägte aber eigenthümliche faſerige Tertur, welche derje— nigen des von Dr. Todd und mir *) beſchriebenen Email— gewebes gar nicht unähnlich iſt. Die Faſern vereinigen ſich an vielen Punkten, woſelbſt man winzige, Kerne be— merkt, welche Olkügelchen ähneln, aber in Ather nicht auflöslich ſind. Da ich die Brückeſchen Verſuche mit Eintauchen des Glaskörpers verſchiedener Thiere in eine ſtarke Auflöſung von eſſigſaurem Blei-Deutoryd wiederholt habe, ſo bin ich im Stande die Genauigkeit ſeiner Beſchreibungen zu beſtä— tigen, obwohl ich den Folgerungen, die er aus ſeinen Beob— achtungen zieht, nicht beiſtimmen kann. Ich band mich ſtreng an ſeine Vorſchrift, indem ich von friſchen Schafs-, Lammes- und Rindsaugen die sclerotica, choroidea und retina bis an die ora serrata ablöſ'te und dabei die Zerrei— ßung oder Verletzung irgend eines Theiles des Glaskörpers ſorgfältig vermied. Die Augen wurden dann in die Auf— löſung eingeſetzt. Die Oberfläche der membrana hyaloidea wurde alsbald milchweiß, indem ſich Bleioryd auf dieſelbe niederſchlug; binnen kurzer Zeit war ſie kreideweiß, und der Glaskörper ſchrumpfte allmälig ein. In manche der Präparate wurde ſchon nach wenigen Stunden eingeſchnitten, während man andere 48 Stunden in der Solution ließ. Die Dauer der vor dem Einſchneiden abgelaufenen Zeit hatte keinen Einfluß auf die im innern vorgegangenen Ver— änderungen, abgeſehen von der Tiefe, bis zu welcher ſie eingedrungen waren und das Reſultat läßt ſich daher in wenig Worten angeben. Indes ward in den Glaskörper eingeſchnitten, und auf der Schnittfläche zeigten ſich weiße Linien, die mit dem äußern Umriſſe parallel liefen. Dieſe Linien waren alſo die Schnittränder der mit der Ober— fläche des Glaskörpers concentriſchen Schichten. In genauer Übereinſtimmung mit Brückes Berichte fand ich die weißen Linien im hintern Theile und in den ſeitlichen Theilen kräftiger, weiter von einander entfernt und in geringerer Zahl, als in der Gegend des Ciliarkörpers, wo ſie ſehr fein, zart und dicht beiſammen waren, ſo daß fie ohne Hülfe einer Loupe kaum ſichtbar waren. Da es ſehr ſchwer hält, an dieſer Stelle, ſelbſt mit einem ſcharfen Meſſer einen reinen Schnitt zu führen, weil die Structur ſich leicht vor der Klinge verſchiebt, ſo blieb die Beſchaffen— heit dieſer Linien in der Ciliargegend etwas unſicher. Nach der Unterſuchung vieler Exemplare überzeugte ich mich jedoch davon, daß fie bei oder vor den ora serrata an die mem- brana hyaloidea herauftraten und nicht an die Sinterſeite ) Physiological Anatomy, Vol. II, p. 175. 18* 279 der Kryſtalllinſe, parallel mit der vordern Fläche des Glas— körpers herumſtrichen. Dies war im allgemeinen deren Anordnung; allein bei einigen Exemplaren bemerkte ich weiße unregelmäßige Schichten hinter der Kryſtalllinſe, ſo wie andere, welche ſich offenbar von der Seite der Linſe hinterwärts und hinter dem Petitſchen Canale in die Cen— tralportion des Glaskörpers hinabſenkten und ſich dort in feinere Schichten zertheilten. Noch andere folgten der hin— tern Wandung des Petitſchen Canals vom Ciliarkörper bis zur Linſe. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die eben beſchriebenen weißen Schichten aus einem Bleipräcipitat beſtehen. Mit ſtarker Vergrößerung unterſucht, ſtellen ſich die Körn— chen des Niederſchlags deutlich dar. Sie ſind in dem durchſcheinenden Gewebe des Glaskörpers überall unregel— mäßig eingeſprengt, wo die Auflöſung hingedrungen iſt; allein in den weißen Schichten zeigen ſie ſich bei weitem am zahlreichſten. Dennoch kann man keine ſchroffe Scheitel— linie wahrnehmen, welche die Anſicht rechtfertigen könnte, daß irgend eine Membran, wie die Grundmembran anderer Or— gane, das Präcipitat auf ſeinem Wege gehemmt habe. An einigen Stellen hatten ſich die Körnchen des Präcipitats an der Oberfläche der undurchſichtigeren Schichten in einiger— maßen zelliger Geſtalt geordnet. Es läßt ſich leicht einſehen, wie die Anhäufung einer Menge von präcipitirten Theilchen in einer gewiſſen Ebene die Gleichförmigkeit und Cohäſion des Glaskörpers in dieſer Richtung unterbrechen kann; daher die Spaltung und Zer— reißung des Gewebes längs ſolcher Linien das durch die einfache Ablagerung des Präcipitats erlangte Zeugniß für die Exiſtenz wirklicher Lamellen in dem urſprünglichen Ge— webe nicht verſtärkt. Da es mir nicht unmöglich ſchien, daß die mit der dem Salze bloß geſtellten Oberfläche parallel ſtreichenden Präcipitätſchichten von einer rein phyſtcaliſchen Urſache her— rührten, ſo verſchaffte ich mir einige ganz friſche Rinds— und Schafsaugen und bevor ich dieſelben in die Auflöſung von eſſigſaurem Bleideutoryd eintauchte, zerſchnitt ich die— ſelben mit einem ſehr ſcharfen Meſſer, wobei ich die größte Vorſicht anwandte, damit die Tertur der Glasfeuchtigkeit nicht gezerrt und geſtört werde. Einige wurden horizontal durchſchnitten, andere in eine vordere und eine hintere Hälfte zerlegt. Die Hälften wurden dann 48 Stunden lang, einige mit dem Glaskörper nach oben, andere mit demſelben nach unten, in die Solution gelegt. Als ich ſie nach Ablauf dieſer Zeit unterſuchte, zeigte ſich die mit der Solution in Berührung geweſene Schnittfläche des Glaskörpers ununter— brochen weiß, wie die unverlegte Oberfläche desſelben bei den früheren Experimenten, und als ich in denſelben einſchnitt, fand ich mit jener parallellaufende weiße Linien, gerade wie fie frü— her mit der unverſehrten Oberfläche parallel liefen. Um dies zu verdeutlichen, habe ich einige Figuren beigefügt. Die dieſen Figuren beigefügten Beſchreibungen haben wir ebenſo wie die Figuren ſelbſt weggelaſſen, da die Verſtändlichkeit des Berichtes dieſelben nicht erfordert. Der Schluß, auf den ſie führen, iſt der: daß die ſehr ſchönen und zierlichen Schichten, welche 238. XI. 18. 280 im Glaskörper durch das Bleiſalz erzeugt werden, keineswegs von einer entſprechenden Reihe von anatomiſch nachweisbaren Membranen, ſondern von einer phyſicaliſchen Urſache herrühren, über die der Chemiker und Phyſiker wohl beſſer als der Anatom Aufſchluß geben kann. Auf den erſten Blick ſcheinen ſie ſich allerdings nach keinem der bekannten Geſetze in Betreff der Eintauchung und Verbreitung von Flüſſigkeiten in po— röſen Subſtanzen erklären zu laſſen, und einige meiner Freunde, welche mit dieſen Geſetzen ſehr genau bekannt ſind, konnten, als ich ihnen die fraglichen Präparate zeigte, nicht ein Mal eine wahrſcheinliche Erklärung aufſtellen. Der Unterſchied in der Dichtheit der Anordnung der Schich⸗ ten in der hinteren Region des Glaskörpers und vorn in der Nähe des Ciliarkörpers möchte von einem wirklichen Unterſchiede in der Dichtheit oder Derbheit oder Poroſität oder chemiſchen Beſchaffenheit des Glaskörpers an verſchie⸗ denen Stellen herrühren, kann aber auch davon abhängen, daß die Auflöſung zu jenen beiden Portionen mehr und weniger leicht gelangte. Wie ſich dieſe Abweichungen aber auch erklären laſſen mögen, ſo geht doch aus den zuletzt erwähnten Verſuchen hervor, daß ſie nicht von einer Ver— ſchiedenheit in der Zahl oder Dicke wirklich an den beiden Stellen vorhandener Membranen herrühren. Die feinen, dicht an einander liegenden Linien ſtreichen durch den Glas— körper in zu verſchiedenen Richtungen, als daß wir anneh— men könnten, ſie legten für eine anatomiſche Lamellenbil— dung Zeugniß ab. Sie ſind vielmehr in beiden Fällen mit der der Einwirkung des Metallſalzes bloß geſtellt geweſenen Oberfläche parallel. In ſeiner ſpäteren Arbeit will Hr. Brücke aus den am gefrornen Glaskörper wahrnehmbaren Erſcheinungen fol gern, daß dieſes Organ wirklich aus concentrijchen Lagen beſtehe; allein er ſcheint mir hier durch vorgefaßte Anſichten zu ſeiner Meinung beſtimmt worden zu ſein. Er ſagt, ſo— bald die gefrorne Maſſe aufzuthauen beginne, ließen ſich dünne Flocken von deren Oberfläche abheben, ſo daß es ſchien als ob das Eis beim Gefrieren die Form concentri— ſcher Lamellen angenommen habe. Mir iſt es aber durchaus nicht gelungen, auf dieſe Weiſe auch nur eine Spur von concentriſchen Flocken aufzufinden. Das Eis ſcheint in der Subſtanz des Glaskörpers in Kryſtallen anzuſchießen, ohne in ſeiner Anordnung durch irgend eine daſelbſt vorhandene Structur beſtimmt zu werden, und wenn es ſchmilzt, laſſen ſich nach verſchiedenen Richtungen Schichten und eckige Frag— mente ablöſen. Ich bin überzeugt, daß das Eis die Ge— ſtalt der angeblichen napfförmigen Lamellen nicht annehme. Ich habe den Glaskörper des Auges des gemeinen Haushuhns nach einmonatlicher Eintauchung in eine Auf: löſung von Chromſäure unterſucht. Obgleich dieſe Zeit im Vergleich mit der von Hannover empfohlenen kurz iſt, ſo fand ich doch den Glaskörper durchgehends ziemlich un— durchſichtig. Concentriſche Lamellen oder Schichten, welche auch nur einigermaßen parallel zu einander gerichtet ge— weſen wären, ließen ſich nicht entdecken; wohl aber zeigte ſich eine ſehr deutliche Anordnung von undurchſichtigeren Faſern, die ſich hauptſächlich vom Gipfel des pecten gegen 281 die ora serrata hinzogen; einige wenige ſtrichen von dort nach der Kryſtalllinſe und andere vom Ciliarkörper nach der Seite der Kryſtalllinſe. Beim Zerſtückeln des Glaskörpers ſuchte ich vorzugsweiſe in der Richtung dieſer Faſern zu reißen, ſo daß ſie vereinzelt wurden, und ſie ſchienen einige Glaftieität zu beſitzen. Auch von den Seiten des pecten ſchienen, jedoch nur an wenigen Stellen, einige Faſern aus— zugehen. Bei Vogelaugen fand ich ſtets, daß der Glas— körper in gewiſſem Grade eingeſchrumpft war, ſo daß er ſich während der Maceration in der Auflöſung von der re- tina getrennt hatte. An der Oberfläche des pecten, an dem Ciliarkörper und der Kryſtalllinſe hing er aber noch feſt. Eine dünne äußere Schicht der Kryſtalllinſe war hart und undurchſichtig, während das Innere derſelben noch ganz fo war, wie im friſchen Zuſtande. Ich ſetzte auch mehrere Fiſchaugen in die Auflöſung von Chromſäure ein, manche unverſehrt, andere nach ſorg— fältiger Beſeitigung der Hornhaut, ſo daß die Säure un— gehinderter zu dem Glaskörper Zutritt hatte. Bei dem er— ſteren fand ich nach einem Monate, daß die inneren Theile nicht von der Säure erreicht werden, und daß ſie durch Fäulniß zerſtört waren. Bei den letzteren waren alle Ter— turen gut erhalten und als ich in der Richtung der Achſe das Auge durchſchnitt, nahm ich an der Glasfeuchtigkeit fol— gendes wahr. Sie ſtrich ſchichtenweiſe vor der Gegend der ora serrata nach der Seite und dem Hintertheile der Kryſtall— linſe. Die Schichten divergirten, indem ſie ſich von ihrem Ausgangspunkte entfernten und hier und da hatte der Schnitt zwiſchen ihnen Lücken aufgedeckt, welche, obgleich ſie von der Art der Präparation herrühren konnten, doch offenbar bewieſen, daß die Structur die Neigung beſitze, ſich in der Richtung der Schichten zu zerklüften. Die geſchichtete Structur war ungemein deutlich zu ſehen. Mehrere der vorderen La— gen gingen nicht von der Vereinigungsſtelle der choroidea und iris, welche bei dieſem Auge dem vorderen Rande der retina entſpricht, ſondern von auf einander folgenden Punk— ten des Aufhängebandes der Kryſtalllinſe aus, welches den Glaskörper vorn begrenzt und ſich von jener Vereinigungs— ſtelle nach der Wand der Kryſtalllinſe zieht. Die ſo eben dargelegten Unterſuchungen ſind nicht zahl— reich und mannigfaltig genug, als daß ich hinſichtlich vieler Punkte, deren Aufklärung mir von Intereſſe ſcheint, ganz aufs Reine gekommen wäre; allein fie werden dazu beitragen, die merkwürdige Erſcheinung, auf welche Brücke feine Anſicht von der zuſammengeſetzten Structur des Glaskörpers gegrün— det hat, ins rechte Licht zu ſtellen. Wenn ich aus meinen Forſchungen einen Schluß zu ziehen mich unterfangen darf, ſo iſt es der, daß die von ihm beſchriebene Conſtruction durch die mit dem Bleiſalze angeſtellten Verſuche in keiner Weiſe beſtätigt wird, da das Bleiſalz ganz nach dem Be— lieben des Anatomen eine Schichtung in dieſer oder jener Richtung zur Anſchauung bringt. Dennoch bleibt Grund genug zu der Annahme, daß in dem Glaskörper gewiſſe Schichten eriſtiren, die ſich durch kunſtliche Mittel ſichtbar machen laſſen. Meiner Anſicht nach hat bei den Durch— ſchnitten des menſchlichen Auges die gleichförmige Anordnung 238. XI. 18. 282 der Schichten in der Nähe der Kryſtalllinſe nicht wohl durch bloßes Eintauchen in Chromſäure erzeugt werden können, ohne daß ſchon vorher eine entſprechende Structur vorhanden war. Auch eriftiren ganz ficher Faſerpartien, welche ſich im Vogel— auge in beſtimmten Richtungen durch den Glaskörper erſtrecken, und am Fiſchauge gewahren wir eine noch entſchiedenere blät— terige Structur, ſo daß durchaus als erwieſen betrachtet werden kann, daß dieſes außerordentlich durchſichtige Organ keine homogene Subſtanz iſt. Die große Feſtigkeit und Schwere der Kryſtalllinſe des Fiſches dürfte mit der zuſammengeſetzten Structur des Glaskörpers in Beziehung ſtehen. Es iſt allerdings merkwürdig, daß bei allen in Chrom— ſäure aufbewahrten Präparaten des Glaskörpers des menſch— lichen Auges beim Durchſchneiden desſelben in der Mitte eine Höhle wahrgenommen ward. Denn obwohl dieſe Höhle vielleicht nur durch eine mechaniſche Trennung der Subſtanz des Glaskörpers in Folge der vor dem Einſetzen in die Chromſäure Statt gefundenen Manipulationen entſtanden war, ſo würde doch das conſtante Vorkommen derſelben wenigſtens beweiſen, daß die Subſtanz in der Mttte des Glaskörpers, welche doch vor äußeren Verletzungen am meiſten geſchützt iſt, am mürbeſten ſei. Die Höhle kann nicht wohl daher rühren, daß dieſe Portion Zeit gehabt hat, ſich zu zerſetzen, bevor die Chromſäure ſo tief eindringen konnte, denn das Durchdrungenwerden der ganzen Maſſe des Glaskörpers ſcheint nur wenig Zeit in Anſpruch zu nehmen. Schließlich will ich bemerken, daß in einem Falle von phlebitiſcher Augenentzündung, in welchem der Glaskörper ſich mit von entzündlicher Ausſchwitzung herrührenden Kör— perchen füllte, die von der Ablagerung herrührende gelbe Färbung keine Lamellen zur Anſchauung brachte, wogegen eine abgeplattete Höhle in der Mitte der Glasfeuchtigkeit, in welcher eine Erbſe Platz gehabt haben würde, ſehr deut— lich ſichtbar ward. (Dublin Quarterly Journal of Medical Science, Aug. 1848). Miſcellen. 47. Des verftorbenen Will. Oakes reiche Samm⸗ lung der Pflanzen Neuenglands wird gegenwärtig par⸗ thienweiſe verkauft. Sie enthält gegen 600 Species oder Barie⸗ täten Phanerogamen und Farnkräuter, von denen die Hälfte dem weißen Gebirge (white mountains) angehört, während die andere Hälfte die meiſten ſeltenern Pflanzen Neuenglands enthält, die man bis jetzt nur in wenigen Herbarien trifft. Die Exemplare find ungemein ſauber eingelegt. Das vollſtändige Sortiment von 570 bis 600 Species und Varietäten koſtet 24 Dollars; das von 550, 22 Doll. und das von 500 20 Doll. Man wendet ſich in frankir⸗ ten Briefen an Charles R. Thayer, Kaufmann zu Boſton, oder Prof. A. Gray an der Harvard University zu Cambridge. Die Mooſe, Lebermooſe und Flechten werden wahrſcheinlich ſpäter ver⸗ kauft werden. (Selim. Amer. Journ., 17. Sept. 1849.) 48. Daß eine wilde Katze als beſondere von der Haus⸗ katze verſchiedene Species in unſeren Wäldern vorkomme, wird von dem Herausgeber des Zoologist (Oct. 1849) bezweifelt und es for⸗ dert derſelbe zur Mittheilung auf, wenn jemand aus eigener Er⸗ fahrung und nicht nach Büchern, über den Fang ſolcher Thiere, ihre genauen Maße, Beſchaffenheit des Fells, Localität des Fan⸗ ges, und wenn das Thier am Leben erhalten wurde, über die Les bensweife ꝛc. etwas angeben könne. 283 238. XI. 18. Heilkunde. (XXVII.) über die Beſchaffenheit der Eihäute bei einer Bauchſchwangerſchaft. Von Prof. Dr. Hohl zu Halle *). In einem längeren und leſenswerthen Berichte über eine vom zweiten Monate an beobachtete Ertrauterinalſchwan— gerſchaft, welche mit dem Tode der Mutter endete und zur Section Gelegenheit gab, ſpricht ſich der Verf. in folgender Weiſe über den Fötalſack aus: „Wir haben in der Geſchichtserzählung angeführt, daß im zehnten Mondsmonate der Schwangerſchaft periodiſch auf— tretende Schmerzen ſich einſtellten und während derſelben die am Becken liegende und tief herabhängende Geſchwulſt (Fö⸗ talſack) jo heftig geſpannt wurde, daß ſie zu platzen drohte, während der Wehen aber erſchlaffte. An dem uterus ſelbſt konnten wir eine Veränderung, die einer Contraction ver— gleichbar geweſen wäre, durchaus nicht bemerken. Auch die in den uterus bis an den Grund eingebrachte Sonde ließ keine Veränderung am uterus fühlen. Dieſelbe Erſchei⸗ nung wiederholte ſich eine Woche ſpäter, alſo zu derſelben Zeit, wo auch bei verlängerter Schwangerſchaft Wehen ein⸗ treten und die Spätgeburt zu erfolgen pflegt. Damit hatte die Natur den Verſuch der Ausſtoßung beſchloſſen, rothe und weiße Lochien folgten, ſelbſt die Menſtruation trat ein. — Es konnte nicht fehlen, daß jenes Verhalten des Fötal— ſackes unſere Aufmerkſamkeit beſonders auf ſich zog, da wir die gewaltige Gontraction für Spannung halten mußten. Wir konnten leider über das Verhalten des Sackes durch die Bauchdecken zu keiner ſicheren Anſicht gelangen, da die Frau während der Schmerzen jede Betaſtung zurückwies. Es iſt nun bekannt, daß von mehreren Schriftſtellern über Extrauterinalſchwangerſchaft geſagt wird, daß nicht bloß die bildende Thätigkeit des uterus auf eine der im normalen Schwangerſchaftszuſtande analoge Weiſe abgeändert werde, ſondern daß auch am regelmäßigen Ende der Schwanger— ſchaft Wehen einträten, die drei bis vier Tage anhielten, auch bei längerer Dauer ſich wiederholen könnten. Gegen dieſe Abänderung der Stimmung der Lebensthätigkeit der Gebärmutter möchten wir uns erklären, da von keiner Seite her nachgewieſen iſt, dieſe Contractionen des uterus ſelbſt gefühlt zu haben. In der That würde auch ein ſolcher Nachweis ſchwer fein, da der uterus nicht über die Größe hinausgeht, die er im zweiten bis dritten Monate hat. In den Mittheilungen über Fälle von Bauchſchwangerſchaften werden die periodiſchen Schmerzen immer angegeben, aber es wird nicht geſagt, daß ſie ihren Sitz im uterus gehabt hätten. In unſerm Falle blieb der uterus ganz ruhig und nur im Fötusſacke war die periodiſche Spannung zu fühlen. Die ſpäter beſchriebenen Wehen dürften wie bei unſerer Frau nur als Menſtrualkoliken zu betrachten ſein. Wenn wir nun aber der Anſicht ſind, daß die Con— ) Deutſche Klinik. 1 u. 2. tractionen nur in dem Fötalſacke ihren Sitz haben, fo müſ— ſen in ihm auch Muskelfaſern vorhanden ſein. Dieſe An⸗ ſicht wird dadurch unterſtützt, daß wir den Sack mit Du⸗ verney und Ramſay als einen Vertreter der Gebärmutter betrachten könnten, weil auch bei Tubenſchwangerſchaften die Tuben verdickt, „der Gebärmutter ähnlich“ (Duverney, Oeuvres anat. t. 2. p. 354. 356.) und „völlig musculös“ (Phil. tr. a. 1694. Manget, th. an. L. X. p. 2. 3. p. 143.) gefunden wurden. Auch ſpricht die Entwickelung quer geſtreif— ter Muskelfaſern in Pſeudomembranen nicht gegen die mög— liche Entwickelung in dem Fötalſacke. Es folge die Beſchrei— bung des Sackes. Er beſtand aus einer neugebildeten Subſtanz, umgab das Ei an einzelnen Stellen allein, während er an ſeiner größern Fläche mit andern Organen durch eine Menge fei- ner Blutgefäße leicht trennbar, verbunden war. Dieſe unterlie⸗ genden Organe unterſcheiden ſich durch ihre weſentlich feſtere Conſiſtenz und hellere Farbe und bilden alſo zum großen Theil die äußeren Wandungen des Sackes, wie die innere Ober— fläche vom Fimbrienende der Tube, die äußere hintere Fläche des uterus, ein Theil des breiten Mutterbandes, die Dou— glasſche Falte, das peritonaeum des Dickdarms und ein Gon- volut von Dünndärmen. Dieſe Neubildung ſtellt ſich dem Auge als ein dichtes filziges Netzwerk aus ſich kreuzenden Faſerzügen gebildet, dar. Die mikroſkopiſche Unterſuchung ergiebt: 1) daß der größere Theil dieſer Faſerzuüge aus dem gewöhnlichen wellenförmigen Bindegewebe beſteht, welches, wie in fibröſen Häuten zu dichten Bündeln vereinigt, ver⸗ läuft. Mehrere netzförmig anaſtomoſirende elaſtiſche Faſern 2) daß neben jenem Gewebe noch vorhanden ſind eigen— thümliche, an manchen Stellen weit zu verfolgende Faſern don 0,02 bis 0,04“ Dicke, die etwas wellenförmig gebogen, nicht vollkommen cylindriſch ſind und aus feinen Fibrilen beſtehen, durch Eſſigſäure aufquellen und gerade geſtreckt wer⸗ den, ohne daß kernartige Gebilde aus ihnen hervortreten; dieſe Faſern glichen den transverſalen Muskelfaſern des uterus, ehe noch das Präparat in Spiritus gelegen hatte, wo auch das Gewebe mit der Muskelſubſtanz des uterus überein- ſtimmte; 3) daß an vielen Stellen und beſonders in dem Theile des Sackes, wo das Ende der Tube und die hintere Wand des uterus unterliegt, weniger an den Verbindungs— ſtellen mit den Därmen und dem breiten Mutter bande or— ganiſche Muskelfaſern ſich finden, die ſich als ſolche theils durch ihren geſtreckten Verlauf und ihre nicht cylindriſche, ſondern bandartig glatte Form, theils durch den Mangel einer feineren Zertheilung in Fibrilen bei einer Dicke von 0,02 bis 0,03““ genügend charakteriſiren. Die innere Oberfläche des Sackes war, ehe das Prä— parat in Spiritus gelegen hatte, glatter als ſpäter, indem fie mehr faſerig wurde. Beſonders glatt, aber doch wie in Böhmers Falle (P. A. Böhmer, Observat. anat. rer. fasc. I. de gravid. ovaria. Halae 1752), mit einer feinen zottigen 285 Schicht überzogen, war fie an der Umgebung der Stelle des Sitzes der placenta und an der Gegend, welche der hinteren Wand des uterus entſprach. — Wir müſſen es weiteren Beobachtungen überlaſſen, ob dieſe Schicht eine Ausbreitung der Schleimhaut der Tube ift oder als deeidua gelten kann. Auch in Bachetti's Falle war ſie gerunzelt und faſerig, ähnlich der inneren Fläche des uterus. — Wir haben dem— nach in den Muskelfaſern des Sackes eine Erklärung für die heftigen Contractionen desſelben gefunden und wohl auch zu der Erſcheinung, daß die placenta noch gut erhalten und friſch gelöſ't war. In Dr. Zwanks Falle, wo bei einer Bauchſchwangerſchaft der Bauchſchnitt mit glücklichem Ausgange für Mutter und Kind gemacht wurde, wurde die placenta kaum ein Paar Minuten nach der Ertraction des Kindes durch die eigene Kraft der Natur gelöſ't, ſchob ſich dann mit dem einen Rande in die Schnittwunde und konnte leicht mit den Häuten entfernt werden. Es geſchah, wird in der Mittheilung bemerkt, durch ein krampfhaftes Zuſam— menziehen, was man geneigt war, einer Bewegung der Ge— därme zuzuſchreiben. Wir glauben aber, daß auch hier ein Sack vorhanden war, da bemerkt wird, daß die Natur ſeit drei Tagen Anſtrengungen gemacht habe, die Frucht auszu— ſtoßen. Wir vermuthen, daß ein ſolcher Fötalſack dageweſen, da geſagt wird: „Nachdem die Bauchhöhle geöffnet war, kamen wir auf das ſehr verdickte und tendinös aus— ſehende chorion.“ Unſer Fall ſpricht endlich auch für die Annahme, daß bei einer Bauchſchwangerſchaft das Ei mit einem Theile des uterus in Verbindung ſteht und nicht frei in der Bauch— höhle liegt. Am häufigſten wohl iſt es die Ausbrei— tung des Tubenendes, welches anfänglich mit dem Ei in nächſter Verbindung ſteht, bis dieſes eine größere Ausdeh— nung erreicht und jener Tubentheil mit dem Sacke in Ver— bindung bleibt. Dies liegt in unſerem Falle vor Augen und ſcheint auch in Böhmers Falle nicht anders geweſen zu fein, ob er gleich von einer Cierſtocksſchwangerſchaft ſpricht. Es war ebenfalls der uterus an ſeiner hinteren Fläche mit dem Sacke verwachſen. Dieſen hält er für das erweiterte ovarium der linken Seite, obwohl von den Fim— brien und einem Theile des Eileiters ebenfalls nichts vor— handen war. Es leuchtet wohl ein, daß bei einer ſolchen Revolution in der nächſten Umgebung des Eierſtockes und wohl auch in ihm ſelbſt, und bei einer neuen Bildung von Geweben und Exſudaten der Eierſtock in Mitleidenſchaft ges zogen wird, auch wohl in Folge einwirkenden Druckes zum großen Theil ſchwindet und in der Maſſe nicht zu finden iſt. So war auch in dem von Fairbairn Edinb. med. Journ., Jan. 1842 mitgetheilten Falle der Sack von Fimbrien der Fallopiſchen Trompete, dem ligamentum laterale u. a. m. gebildet. —̃— (XXXIX.) Über den chirurgiſchen Gebrauch des Kautſchuks. Von Dr. Did ay. Die Vuleaniſirung des Kautſchuks hat dieſem Kör— per eine viel größere Anwendbarkeit gegeben; es widerſteht 238. XI. 18. 286 dadurch jedem Angriffe durch Fette, corrodirende Körper, Mineralſäuren, Söllenjtein ꝛc., es behält ſeine Elaſtieität bei allen Temperaturen, es iſt ſehr viel feſter und ſchwerer zu zerreißen, es kehrt nach wiederholter äußerſter Ausdeh— nung immer wieder vollkommen zu ſeinen früheren Dimen— ſtonen zurück. Durch dieſe vier neuen Eigenſchaften iſt das Kautſchuk gewiſſermaßen ein neuer Körper geworden und ſo hat es auch zu neuen Anwendungen (beſonders durch Hrn. Gariel zu Lyon) Veranlaſſung gegeben. Wir führen ei— nige der neuen Anwendungsweiſen hier an. 5 Als Binden ſind die Bänder aus vulcaniſirtem Kaut— ſchuk weich, friſch, nicht erhitzend und ohne alle Falten; man bedarf keiner Umſchläge (renversés) bei der Anlegung, ſie ſind eben ſo unzerſtörbar als undurchdringlich, auch laſſen ſie ſich ſehr leicht und ſehr raſch waschen. — Als Bettunterlage ſichert es vor decubitus. — Bei Ertenſionsapparaten iſt es auf das überraſchendſte angewendet, z. B. bei einem Unterſchenkelbruche iſt Scheinbar eine einfache Kamaſche mit Exten— ſionsriemen angelegt, aber ſie iſt zum Aufblaſen eingerichtet und verwandelt ſich dadurch in ein genau anliegendes Luftkiſſen, die daran befindlichen Zugriemen werden auch von Luft aus— gedehnt, ſind aber weich, biegſam, feſt, ſo daß ſie auf jede Weiſe geknüpft, uͤber Rollen geführt und befeſtigt werden können, — und will man ſie etwas mehr ſpannen oder etwas erſchlaffen, ſo bringt man durch den Hahn entweder mehr Luft hinein oder läßt etwas davon entweichen, eben ſo wird die Contraertenſton durch die leichteſten und bequemſten Ap— parate ähnlicher Art bewirkt. Die Anwendung auf Ver— krümmungen und Contracturen iſt leicht zu machen. Die außerordentliche Dehnbarkeit des vulcanifirten Kautſchuks hat auf die Extenſionskatheter geführt, es ſind dies Kautſchukröhren, welche vorn eine kaum merkliche An— ſchwellung zeigen; dieſe iſt durch Aufblaſen oder Auftreiben mit einer Spritze zu einer auffallend großen Blaſe aufzutrei— ben und wird nun z. B. zum Tamponiren der Naſenhöhle, zur Behandlung von Verengerungen des Oſophagus, des Maſtdarmes, der Harnröhre, zum Tamponiren des uterus nach der Entbindung ꝛc. verwendet. — Sierher gehören ferner Peſſarien, Bruchbandpelotten, Schienenkiſſen für Fractur— verbände, u. d. m. Die Peſſarien werden leer eingeführt und mittels des ſehr dünnen Stieles an Ort und Stelle aufgeblaſen. Ganz beſonders zweckmäßig erſcheinen die portatiden Urinale. Ein kleiner Sack, man möchte ſagen ohne Vo— lumen und ohne Gewicht, hat eine Offnung, die etwas klei— ner iſt als das Glied, an welches der Harnbehälter angelegt werden ſoll, durch ein ſehr leichtes Manöver wird er um den penis angelegt, wie ein Handſchuh mit einem Kautſchuk— bändchen; von Druck oder Einſchnürung iſt nicht die Rede; der abfließende Urin verräth ſich weder dem Geruch noch ſonſt, der Sack genirt nicht im mindeſten, da er ſich jeder Stellung anpaßt, und bei Gelegenheit kann der Kranke ſogar in irgend einem Straßenwinkel durch einen Ablaufs— hahn den Sack auf der Stelle entleeren. Beſonders intereſſant iſt die Kniebinde (genouilliere) zur Compreſſion der Kniegeſchwulſt bei Gelenkwaſſerſucht. 2 287 Eine gewöhnliche Cirkelbinde ſchnürt bekanntlich ein und veranlaßt Auftreibung des Unterſchenkels, Krampf, Einſchla— fen des Gliedes x. Um dieſen Unannehmlichkeiten auszu— weichen, hat man Turniket- ähnliche Apparate angegeben, die koſtbar und complieirt find. Die Kreisbinde von vul- caniſirtem Kautfchuf legt man nur ſtraff auf der äußeren Fläche, an welcher die Gefäße nicht liegen, und dagegen ſchlaff auf der inneren oder Gefäßſeite des Gliebes an, ſo iſt man ſicher, dort einen ſtarken, hier einen ſchwachen Druck auszuüben. So erhält man hinreichenden Druck, ohne Störung der Circulation. Wir übergehen die Aufzählung aller der möglichen neuen Anwendungen, die ſich jeder ſelbſt machen kann, und erwähnen nur noch, daß das Material wohlfeil und haltbar, alſo auch vom ökonomiſchen Standpunkte aus höchſt empfehlenswerth iſt. (Gaz. Med. de Paris, 10. Nov.) (XL.) Vorbeugende und heilende Behandlung der Vergiftung durch Eiter bei eiternden Wunden. Von Hrn. Chiminelli. Als Grund der Vergiftung durch Eiter nimmt der Verf. die Abſorption des Eiters der Wunde oder des in den benachbarten entzündeten Venen enthaltenen Eiters an. Was die vorbeugende Behandlung betrifft, ſo gründet er dieſelbe nun auf vier beſondere Anzeigen. 1) Trennung der friſch operirten ſowie derjenigen Pa— tienten, welche mit einer eiternden Wunde behaftet ſind, von denjenigen, die an einfacher oder mit Puerperalſieber complicirter Eitervergiftung leiden. Dies iſt, Hrn. Ch i— minelli zu Folge, ein Haupterforderniß der Spital— ordnung. 2) Verhinderung oder Milderung der Phlogoſe und jedenfalls der Bildung des Eiters in den Venen und Lymphgefäßen, welche von der Wunde ausgehen. Außer der rechtzeitig anzuwendenden antiphlogiſtiſchen Behandlung läßt ſich dieſer ungünſtigen Complication durch gewiſſe Vor— ſichtsmaßregeln vorbeugen. Zuvörderſt hat man in allen Fällen, wo dies angeht, unter der Haut zu operiren; fer— ner, wo es angeht, die Vereinigung per primam intentio- nem zu bewirken; ferner die Compreſſion der verletzten Er— tremität, doch mit Maß und Ziel und von der Baſis nach dem freien Ende des Gliedes zu, ſo wie gleich vom Anfang der Krankheit an, vorzunehmen. Beſonders empfiehlt er, dieſelbe aufhören zu laſſen, ſobald die Eiterſeeretion begon— nen hat, weil ſonſt die Reſorption des Eiters durch Stei— 238. XI. 18. 288 gerung der aufſaugenden Kraft der Lymph- und Venenſtämme eher vermehrt als vermindert werden könnte. 3) Verhinderung der Fäulniß des bereits gebildeten Eiters. Die Bedingungen, welche deſſen Zerſetzung erleich— tern, ſind der Zutritt der Luft nnd ein gewiſſer Grad von Wärme und Feuchtigkeit. Wir können aber nur das tiefe Eindringen und das Stocken der Luft verhindern. Zur Erreichung dieſes Zweckes weiß der Verf. kein anderes Mit- tel vorzuſchlagen, als das Aufſchneiden der Absceſſe unter Waſſer, wobei ſelbſt die kleinſten Fiſtelgänge weit geöffnet werden müſſen, und Einſpritzungen mit einer Auflöſung von Kalkchlorür oder ſchwefelſaurem Eiſen, damit ſich mit dem Schwefel des verdorbenen Eiters ein Sulphur bilde und jo die Entſtehung von Schwefelwaſſerſtoffgas verhin- dert werde. 4) Verhinderung oder Beſchränkung der Aufſaugung des Eiters und der Einführung desſelben in den Blutum— lauf. Herr Chiminelli verbietet zu dieſem Ende die Blutentziehungen nicht geradezu, allein er empfiehlt ſie mä— ßig und lieber öfter, als auf einmal zu ſtark vorzunehmen. Die übrigen Mittel, deren Indication ihm vorzuliegen ſcheint, find die emetocathartiſchen, um die Thätigkeit der natürli— chen Ausleerungsmittel zu erhöhen; das ſchwefelſaure Chi— nin, um die Anfälle des Fiebers, welche oft denen des ächten Wechſelfiebers ſehr ähneln, ſeltener und milder zu machen; ferner große Blaſenpflaſter auf die Extremitäten und die locale Heilung der Stümpfe und der ſich etwa durch Metaſtaſe bildenden Absceſſe. (Gazette med. de Paris, Nr. 44, 3. Nov.) Mifcellen. (34) Die Exiſtenz des sphincter externus ani bei einer atresia ani hat Hr. Blot bei einem Kinde, dem er in der Mitte des Perinäums einen künſtlichen After angelegt hatte und welches an erysipelas geſtorben war, nachgewieſen und das Präparat der Société de Biologie vorgelegt. Es wird daraus die Regel entnommen, bei der Anlegung eines künſtlichen Afters bei atresia darauf Rückſicht zu nehmen, dem Subjecte wo möglich die Ausſicht auf die Wohlthat eines sphincter ani zu eröffnen und dem Operirten zu erſparen, daß ſein Leben gerettet werde, damit er nachher fein Leben lang an einer der traurigſten Infirmitäten, der incontinentia alvi leide. (Gaz. med. de Paris, No. 46. 1849.) (35) Zur Application des Chloroforms empfiehlt Dr. Fleming in Dublin ein kleines Glas von 2½“ Durchmeſſer mit vorſtehendem Rande, in das Glas kömmt ein kleiner Schwamm, welcher mit Chloroform getränkt wird; über das Glas um den Hals desſelben wird ein großer ausgehöhlter Schwamm befeſtigt, welcher vor dem Gebrauche mit warmem Waſſer erweicht ſein muß; in den gro⸗ ßen Schwamm werden nun Naſe und Mund des Patienten einge⸗ drückt, fo daß er durch den Schwamm atmoſphäriſche Luft und Chloroformdampf athmet. (Dublin Quarterly Journ., Aug. 1849.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Handwörterbuch der reinen und angewandten Chemie. Red. von H. Kolbe. 19. Lfg. oder III. Bd. 6. Lfg. gr. 8. Geh. %, Thlr. €. Ph. Falck, das Kochsalz. Lex. 8°. Geh. 3 Ngr. L. v. Buch, Betrachtungen über die Verbreitung u. die Grenzen der Kreide- bildungen. gr. 80. Geh. !Y, r. F. J. C. Mayer, System des Thierreiches. gr. 80. Geh. ½ Thr. Th. Schramm, Examinatorium der Chemie. 3 Theile: Anleitung zur chemi- schen Analyse. gr. 160. Geh. 18 Ngr. (cplt. 1 Thlr. 18 Ngr.) W. Gruber, neue Anomalien als Beiträge zur en chirurgischen und pathologischen Anatomie. Imp. 4. Geh. 1% Thlr. a die Choleraheilung mit salpetersaurem Silber. gr. ®. Geh. r. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. NC. 239. (Nr. 19. des XI. Bandes.) December 1849. Naturkunde. Paſteur, über die ſpecifiſchen Eigenſchaften der beiden Säuren, welche die racemiſche Säure bilden. — Völcker, über die chemiſchen Be⸗ ſtandthelle der Aſche der Armeria maritima, je nach dem Standorte derſelben. — Miſcelle. Frais, Detonationen in den höheren Luftichichten. — Heilkunde. Helferich, über die Behandlung der Cretinen. — Miſcelle. Hargrave, Unterbindung der carotis communis. — Bibliographie. Naturkunde. XXXV. über die ſpecifiſchen Eigenſchaften der beiden Säuren, welche die racemiſche Säure bilden. Von Herrn Paſteur. (Bericht des Hrn. Biot an die Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften.) Wenn man neutrales racemſaures Natron, Kali, Am— monium oder Blei, oder auch das racemſaure Doppelſalz von Kali und Antimonium auflöſ't, ſo beſitzen die ſo erhaltenen Solutionen durchaus keine Rotationskraft. Läßt man die Evaporation von ſelbſt Statt finden, ſo ſind die ſich darin abſetzenden Kryſtalle in jeder Solution, ſowohl der Form als den übrigen phyſicaliſchen Eigenſchaften nach, identiſch und nur in der Größe von einander verſchieden. Anders verhält es ſich mit dem racemſauren Doppelſalze von Natron und Ammonium oder Natron und Kali, welches letztere mit dem erſtern iſomorphiſch iſt. In dieſen beiden Fällen beſitzen die Auflöſungen ebenfalls nicht die Fähigkeit, zu rotiren; allein die ſich in jeder derſelben niederſchlagenden Kryſtalle ſind zweierlei Art, indem die hemiedriſchen Flächen eine entgegengeſetzte Richtung darbieten. Trennt man ſie nach dieſen Kennzeichen und löſ't man die jeder Sorte für ſich von neuem auf, ſo erhält man zwei Solutionen von gleicher Rotationskraft, aber entgegengefegter Rotationsrichtung. Mifcht man dagegen von den verſchiedenen Kryſtallen gleiche Gewichts— theile zuſammen und löſ't die Miſchung auf, ſo erhält man eine Solution, welche nicht rotirt, wie es mit der urſprüng— lichen der Fall iſt. Demnach läßt ſich ſagen, daß ein racemſaures Doppel— ſalz von Natron und Ammonium oder von Natron und Kali eigentlich gar nicht exiſtirt, indem ein ſolches eigentlich nur für Augen vorhanden iſt, die nicht fähig find, die darin ent- haltenen verſchiedenartigen Producte zu unterſcheiden. No. 2219. 1119. — 239. Die jeder Art von Kryſtallen eigenthümliche Säure läßt ſich aus den Salzen in derſelben Art, wie die Weinſteinſäure aus den analogen weinſteinſauren Salzen ausziehen, und man wird dabei diejenigen Proceſſe anwenden, bei denen der ge— ringſte Verluſt Statt findet. Eine dieſer Säuren bringt, wie die Weinſteinſäure, die Rotation rechts und zwar mit den= ſelben ſpecifiſchen Kennzeichen der Zerſtreuung, und wenn der Verhältnißtheil des Waſſers der nämliche iſt, mit gleicher ab- ſoluter Kraft zu Wege, während bei ungleichen Verhältniß⸗ theilen von Waſſer, ſo wie bei verſchiedenen Temperaturen ganz die nämlichen Veränderungen in der Drehung eintreten. Die ſpecifiſche Schwere, die Pyroelectricität, die chemiſche Zuſammenſetzung find ganz dieſelben, wie die der Weinſtein⸗ ſäure. Sie verhält ſich gegen ſaliniſche Baſen, gegen Borar- ſäure durchaus ebenſo. Sie liefert, ſowohl für ſich, als im Zuſtande der Verbindung, Kryſtalle von genau derſelben Ge— ſtalt. Kurz, es iſt bis jetzt nicht möglich geweſen, ſie von der Weinſteinſäure zu unterſcheiden. Dennoch nennt ſie der Verf., um ihren Urſprung anzudeuten, dertroracemifche Säure, indem er die Identität mit der Weinſteinſäure noch nicht für völlig erwieſen betrachtet. Die andere, aus der andern Art von Kryſtallen erlangte Säure iſt rückſichtlich der ſpecifiſchen Schwere, Auflöslichkeit und Zuſammenſetzung nach Atomengewicht, ebenfalls mit der Weinſteinſäure, folglich auch mit der dextroracemiſchen Säure identiſch; allein ihre Kryſtallform iſt umgekehrt wie die der erſtern, oder fo, wie ſich dieſe im Spiegel geſehen darſtellt, Ihre relativen phyſicaliſchen Eigenſchaften bringen faſt ſämmt⸗ lich dieſen Gegenſatz zur Wahrnehmung. Demnach iſt ſie zwar, wie die andern, pyroelectriſch, aber beim Erkalten herrſcht jede Art der Clectricität an entgegengeſetzten Flächen vor. Sie beſitzt dieſelbe Rotationskraft, aber in umgekehrter Rich⸗ 19 291 tung wie die Weinſtein- und dertroracemifche Säure. Der Ver— hältnißtheil des Waſſers und die Verſchiedenheit der Tempera— tur üben auf die Drehungskraft, ſowie die an ſich bei beiden gleiche Zerſtreuungsweiſe, den nämlichen Einfluß aus. Gegen andere Körper verhalten ſich beide Säuren durchaus auf die— ſelbe Weiſe. Der Verf. nennt dieſe letztere lävoracemiſche Säure und erinnert dadurch zugleich an ihren Urſprung und an die Richtung ihrer Rotation. Mit alkaliniſchen Baſen verbunden kryſtalliſirt ſie unter denſelben Formen, wie die analogen Verbindungen der dertroracemifchen Säure; nur ſtehen die hemiedriſchen Flächen nach der entgegengeſetzten Rich— tung oder ſo, wie fie bei dem dextroracemſauren Salze im Spiegel erſcheinen. a Wenn man von der lävoracemifchen und dextroracemi— ſchen Säure gleiche Gewichtstheile zuſammen auflöſ't, ſo ver— binden ſie ſich auf der Stelle und es entſteht aus ihnen wie— der die racemiſche Säure. Die Miſchung wird für das po— lariſirte Licht wieder neutral. Die Kryſtalle, welche ſich ent— weder von ſelbſt, oder aus den Solutionen der einfachen Salze oder des mit Kali und Antimonium gebildeten Doppelſalzes niederſchlagen, bieten äußerlich durchaus kein unterſcheidendes Kennzeichen mehr dar. Die individuelle Dysſymmetrie der beiden Beſtandtheile iſt in ihrer Verbindung verſchwunden. Allein bei dieſer Vereinigung der beiden Säuren entwickelt ſich eine bedeutende Wärme. Die Auflöslichkeit vermindert ſich, und die ſich ſpäter abſetzenden Kryſtalle haben dieſelbe Ge— ſtalt, Zuſammenſetzung und dieſelben phyſicaliſchen, ſowie chemi— ſchen Eigenſchaften, welche die urſprüngliche racemiſche Säure charakteriſiren. Alle dieſe Erſcheinungen zeigen an, daß die beiden Säuren nicht bloß mit einander vermengt ſind, ſondern daß ſie ſich wieder chemiſch mit einander verbunden haben. Ein von Hrn. Paſteur veranſtalteter, ebenſo feiner als merkwürdiger Verſuch ſcheint ſogar zu beweiſen, daß die Ver— bindung der beiden Säuren ſogar noch in Berührung mit Kalk vor ſich geht, zwar nicht, wenn ſie iſolirt ſind, aber wenn jede für ſich mit denſelben Baſen verbunden iſt, durch welche ſie von einander geſchieden werden. Wenn man gleiche Gewichtstheile von Kryſtallen des lävoracemſauren Doppel— ſalzes von Natron und Ammonium und Krhyſtallen des der troracemſauren Doppelſalzes derſelben Baſen auflöſ't und in die Solution ein lösliches Kalkſalz einträgt, ſo bildet ſich ſehr bald ein kryſtalliniſcher Niederſchlag, welcher alle ſpeci— fiſchen Charaktere des racemſauren Kalks darbietet, wie er mit der nicht zerſetzt geweſenen racemiſchen Säure direct gebildet wird. Dieſe ſämmtlichen Sätze unterſtützt Hr. Paſteur durch drei Arten von Beweiſen: die Unterſuchung der Rotations- kraft, die chemiſche Analyfe und die Unterſuchung ihrer Kry— ſtallformen. ; Die Unterſuchung der Notationskraft der Säuren läßt ſich abkürzen, wenn man ſich auf ein damit in Verbindung ſtehendes mathematiſches Geſetz ſtützt, dem deren Wirkungen unterthan ſind. Da die racemiſche Säure ſich gegen das polariſirte Licht neutral verhält und die beiden Säuren, aus denen ſie beſteht, wenn man gleiche Gewichtstheile derſelben mit einander miſcht, die racemiſche Säure wieder in dieſen 239. XI. 19, 292 Zuſtand zurückverſetzen, ſo müſſen die Rotationskräfte dieſer beiden Säuren an ſich gleich ſein, aber in entgegengeſetzten Richtungen wirken. Es reicht alſo hin, daß man eines der beiden Salze unterſucht und mißt, um das andere, welches nur deſſen Complement iſt, zu kennen. Derſelbe Charakter des Gegenſatzes uud Aquivalents muß auch, aus einem ana⸗ logen Grunde, den dextroracemſauren und lävoracemſauren Salzen eigen ſein. Allein ſo folgerecht dieſer Schluß auch iſt, ſo hat ſich doch Hr. Paſteur denſelben nicht zu Nutze gemacht, ſondern die beſondern Kräfte der beiden Säuren und der mit ihnen verbundenen Salze nach einander unterſucht. Auf dieſe Weiſe hat er auf analytiſchem und ſynthetiſchem Wege ſowohl den Beweis als die Probe ſämmtlicher That⸗ ſachen erhalten, die er feſtzuſtellen wünfchte. Die früher rückſichtlich der wäſſerigen Auflöſungen der Weinſteinſäure angeſtellten Forſchungen haben bewieſen, daß die Zahlenwerthe ihrer ſpecifiſchen Schweren, ſowie die Ver⸗ hältnißtheile, in welchen die Säuren in den Auflöſungen ent— halten find, an ein fortlaufendes numeriſches Verhältniß ges bunden ſind, welches ſo beſtimmt iſt, daß wenn man den einen dieſer Factoren kennt, der andere ſich faſt eben ſo ge— nau durch Berechnung als durch unmittelbare Unterſuchung finden läßt. Hr. Paſteur hat zuvörderſt feſtgeſtellt, daß dieſes Verhältniß bei den mit jeder der beiden Säuren ge- bildeten Solutionen in gleicher Weiſe Statt findet, ſo daß für beide dieſelbe Zahlentabelle paßt, welche man für die Wein- ſteinſäure berechnet hat. Desgleichen hatte man zwiſchen den Verhältnißtheilen der Weinſteinſäure in deren Auflöſungen und der abſoluten Rotationskraft, welche dieſe Säure in der Polarifationsebene des rothen Strahls bei jeder Temperatur von + 6% bis + 200 Centigr. ausübt, ein fortlaufendes Verhältniß erkannt. Hr. Paſteur hat nun durch zahlreiche Verſuche feſtgeſtellt, daß die abſolute Rotationskraft der beiden in Rede ſtehenden Säuren zwiſchen jenen beiden Temperaturgraden durchaus demſelben Zahlverhältniß unterliegt. Er hat dieſe Vergleichung noch dadurch bewährt, daß er ſeinen Solutionen dieſelbe oder faſt dieſelbe Doſe Säure wie diejenigen gab, welche man bei den Experimenten angewandt hatte, aus denen man das Verhältniß abgeleitet hatte; und auf dieſe Weiſe ſah er in allen Azimuth des analyſirenden Prismas dieſelben Reihen von Farbentönen entſtehen, wie ſie in den Tabellen über jene Verſuche aufgezeichnet ſind, ohne daß ſich auch die geringſte Abweichung zwiſchen beiden Säuren hätte entdecken laſſen. Nur zeigte ſich bei den dextroracemiſchen Soluttonen die Identität der Aufeinanderfolge, wie bei den Weinſteinſäure⸗ Auflöſungen, wenn man das Analyjirungs-Prisma von der Linken zur Rechten drehte, und bei den lävoracemiſchen So⸗ lutionen dagegen, wenn man das Prisma von der Rechten zur Linken drehte; immer aber waren die Farbentöne durch- aus die nämlichen. Hieraus hat denn Hr. Paſteur gefolgert, daß bei dieſen Erſcheinungen die Molecüle der dextroracemiſchen Säure genau wie die der Weinſteinſäure, ſowie daß die Molecüle der lä- voracemiſchen Säure ſo wirkt, als ob ſie das im Spiegel ge— ſehene Bild jener ſei. Unter der Vorausſetzung der Richtig⸗ 293 239. X. keit der beobachteten Thatſachen war dieſer Schluß durch— aus bündig. Hr. Biot hat es ſich angelegen ſein laſſen, dieſelben zu prüfen und beſchreibt umſtändlich die Verſuche und Berech— nungen, welche ihm die Beſtätigung geliefert haben, worauf er ſeinen Bericht folgendermaßen ſchließt. Die Entdeckung der beiden neuen Säuren verdankt ihren Urſprung nicht dem Zufalle. Hr. Paſteur wurde auf dieſelbe direct durch die Vermuthung geleitet, daß ſich aus der Hemiedrie der Kryſtalle von einiger Größe die Dys— ſymmetrie der Form oder phyſicaliſchen Eigenſchaften ihrer Partikelchen nachweiſen laſſe, welche Dysſymmetrie eine Be— dingung der Rotationskraft der Molecülen iſt. Da es aber Hemiedrien verſchiedener Art giebt, von denen manche bei Körpern vorkommen, die jene Kraft nicht beſitzen, ſo hat es ſich Hr. Paſteur angelegen fein laſſen, den ſpeciellen Charak— ter derjenigen, welche den beiden Säuren und ihren Salzen eigenthümlich iſt, genau feſtzuſtellen. Er hat überzeugend nachgewieſen, daß in dieſem Falle die Bedingung Statt findet, daß die Kryſtalle hemiedriſche Formen beſitzen, deren entſprechende Formen ſich in verkehrter Stellung befinden, ſo daß bei jedem Paare dieſer Formen die eine genau das Spiegelbild der an— dern iſt. Indem er ſich alſo an dieſen Charakter des Ge— genſatzes hielt, ſuchte er ihn in Körpern von verſchiedener chemiſcher Zuſammenſetzung zu entdecken, und er hat ihn noch in zwei andern Salzen gefunden, nämlich im ſchwefel— ſauren Talk und ſchwefelſauren Zink, welche mit einander iſomorph ſind. Allein die Auflöſungen derſelben boten ihm, als er ſie mit den feinſten optiſchen Methoden prüfte, nicht die geringſte Spur von Rotationskraft dar. Dennoch waren die Umſtände, unter denen er ſie beobachtete, der Enthüllung dieſer Eigenſchaft außerordentlich günſtig; denn wenn man der Prüfung z. B. das weinſteinſaure Natron unterworfen hätte, ſo würde die Abweichung des Übergangs-Farbentons, unter den beim Verſuch mit dem ſchwefelſauren Talk obwaltenden Umſtänden, 369, ja bei dem Verſuche mit dem ſchwefelſauren Zink 1080 betragen haben. Wir waren zugegen, als Hr. Paſteur dieſe negativen Reſultate erhielt. Sie ſtehen im Einklange mit einer Thatſache, die ſich bis jetzt bei allen mit der Ro— tationskraft der Molecülen ausgeſtatteten Körpern bewährt hat, nämlich, daß dieſe Kraft durchaus an ein organiſches Princip gebunden iſt, dem es urſprünglich inne wohnt und in dem ſie ſich oft noch erhält, wenn deſſen ſtets ſehr com— plicirte innere Gruppirung durch die Austauſchung gewiſſer chemiſchen Beſtandtheile desſelben angegriffen und theilweiſe verändert worden iſt, fo daß fie nicht eher vollſtändig ver- loren geht, als bis es eine innere Umwandlung erlitten hat, deren Grad noch nicht gehörig feſtgeſtellt iſt, und welcher in verſchiedenen Fällen ein verſchiedener ſein dürfte. Übrigens ſcheint es nicht, als ob die Complicirung des chemiſchen Atoms die einzige Bedingung dieſer Eigenſchaft ſei, obgleich ſie eine der weſentlichen Bedingungen zu ſein ſcheint; denn unter ſo vielen von den Chemikern aus urſprünglich nicht mit der Rotationskraft begabten Subſtanzen gebildeten künſtlichen Pro- ducten hat ſich dieſelbe auch noch nicht bei einem, ja ſelbſt nicht bei den zuſammengeſetzteſten, offenbart. 19. 294 Das auffallendſte Beiſpiel des LANE dieſer Eigenſchaft ergiebt ſich bei der Vergleichung der Nieoline mit der Aniline. Hr. Laurant hatte ſich davon überzeugt, daß die erſtere eine außerordentlich energiſche Rotationskraft links beſitzt, während die Aniline, deren chemiſches Atom faſt eben ſo zuſammengeſetzt iſt, gar nicht rotirt. Dennoch wollen wir dieſe Thatſachen nur proviſoriſch aufſtellen; denn es müſſen erſt noch viel mehr ähnliche Beobachtungen gemacht werden, bevor man das Vorhandenſein einer phyſiſchen Nothwendig— keit mit Sicherheit behaupten oder läugnen kann. Was die Abweſenheit der Rotationskraft der Molecülen bei den Auf— löſungen von ſchwefelſaurem Talk, ſchwefelſaurem Zink oder irgend eines anderen Körpers betrifft, deſſen Kryſtalle, wie diejenigen dieſer beiden Salze, den Charakter der nicht paral— lelen Hemiedrie darbieten, ſo macht Hr. Paſteur darauf auf— merkſam, daß dieſer Charakter in den Molecülen der aufge— löſ'ten Salze gelegentlich nicht mehr exiſtiren dürfte, z. B. wenn ein im feſten Zuſtande hydratiſches Salz bei der Auf— löſung ein Atom Waſſer einbüßte, deſſen Verluſt die hemie— driſche Dysſymmetrie der ſo entſtehenden Moleculärgruppirung aufheben könnte. Der Berichterſtatter beantragt den Druck der Arbeit des Hrn. Paſteur in dem Recueil des savants étrangers, und die Academie genehmigt dies. (L’Institut, No. 825.) XXXVI. über die chemiſchen Beſtandtheile der Aſche der Armeria maritima, je nach dem Standorte derſelben. Von Dr. A. Völcker. Das Vorkommen von Jodine in Pflanzen, welche in der See wachſen und das Fehlen dieſes Beſtandtheils in den— ſelben Species, wenn dieſelben im Binnenlande vegetiren, ward vor mehreren Jahren von Dr. Dickie zu Aberdeen nachge— wieſen, während er zugleich fand, daß in den erſtern Natron, in den letztern Kali vorherrſcht. Der Verf. fand Dr. Dickies Beobachtungen durch ſeine eigenen beſtätigt und da bisher noch keine qualitative Analyſe der Armeria maritima vorge- nommen worden war, ſo zerlegte er die Aſche von Exemplaren, die in drei verſchiedenen Localitäten gewachſen waren, und theilt nunmehr die Reſultate ſeiner Unterſuchung mit. Spuren von Fluorin, das man bisher nur in wenigen Pflanzen an— getroffen hat, zeigten ſich in allen drei Aſchenproben deutlich; Jodine aber fand ſich nur in der einen, welche von in der Nähe der Seeküſte gewachſenen Eremplaren herrührte. Der Verf. handelte dann von der geographiſchen Verbreitung der Seenelke in Deutſchland und meinte, die Analyſen ſeien ge— eignet, über die Urſache des Gebundenſeins mancher Pflanzen an beſtimmte geognoſtiſche Formationen Licht zu verbreiten, indem ſich daraus ergebe, daß ein von auflöslicher Kieſelerde und Alkalienchloriden, von denen die Seenelke eine bedeutende Menge verlangt, entblößter Boden die Vegetation dieſer Pflanze nicht zu unterhalten vermag. Nach Schleiden wird die Seenelke überall auf den dürren Sanddünen der nördlichen Küſten, ſowie überhaupt auf den Sandebenen Norddeutſch⸗ lands gefunden. In Mittel- und Süddeutſchland trifft man 19 295 fie nur an wenigen Orten und dieſe zeichnen ſich durch ihre dürre und ſandige Beſchaffenheit aus. Fette Bodenarten meidet die Armeria maritima durchaus. In Norddeutſchland weiſ't der Granit, Thonſchiefer und Gyps des Harzgebirges, ſowie der Porphyr und Muſchelkalk Thüringens dieſe Pflanze überall in ihre Grenzen zurück, und erſt in den Keuperſandebenen bei Nürnberg treffen wir ſie wieder. In Süddeutſchland findet ſie ſich in der ganzen Pfalz; allein weder auf der ſchwäbiſchen Alp, noch auf den eigentlichen Alpen, während ſie erſt auf den Sandebenen Nord-Italiens wieder zum Vor— ſcheine kommt. Der Umſtand, daß die Seenelke nicht auf allen Sandebenen Deutſchlands angetroffen wird, ſpricht dafür, daß jene Binnenlocalitäten, wo ſie ſich findet, wohl alter Seegrund ſein und viel Salz enthalten mögen. In England und Schottland wird die Seenelke durchgehends an der Meeres— küſte und nur ſehr ausnahmsweiſe im Binnenlande getroffen. Doch findet eine ſehr merkwürdige Ausnahme hinſichtlich der geographiſchen Vertheilung dieſer Pflanze Statt, indem ſie 239. XI. 19. 296 auf den Gipfeln mehrerer Berge Hochſchottlands angetroffen wird. (Aus den Verhandlungen der British Association zu Birmingham. (The Athenaeum, 29. Sept. 1849.) Miſcelle. 49. Detonationen in den höheren Luftſchichten, welche oft ohne weiteres für fernen Kanonendonner gehalten wer⸗ den, hat Hr. O. Frais auf der würtembergiſchen Alb oft beob⸗ achtet und ſtellt nach ſeinen Wahrnehmungen folgende Sätze auf: 1) die Detonationen finden (in der Nähe der Alb) an hellen Ta⸗ gen, beſonders im Herbſte und Frühjahre Statt; 2) der Schall iſt von der Art, daß man einen in der Entfernung von einigen Stunden gelöften Kanonenſchuß zu hören glaubt; 3) die einzelnen Detonationen wiederholen ſich nach 2—5 Minuten, nur ſelten häu⸗ figer; 4) die Richtung des Schalls läßt ſich auf einer Höhe oder Ebene nicht angeben; 5) mit einer Witterungsveränderung ſcheinen die Detonationen nicht zuſammenzuhängen, indem es nach bisheri⸗ gen Beobachtungen ſchönes Wetter bleibt, wenn die Luftkanonade Statt findet. (Würtemb. naturwiſſ. Jahreshefte. VI. 1.) Heilkunde. (ALI.) über die Behandlung der Gretinen, Bon J. H. Helferich ). Der Verf., welcher mehrere Jahre auf dem Abend— berge (bei Dr. Guggenbühl) und auf dem Mariaberge (bei Dr. Röſch) Lehrer kretiniſcher Kinder war und jetzt bei tuttgart auf Bellevue (früher Fellgersburg) ein Inſtitut für blödſinnige Kinder eröffnet hat, hat in einem beſonderen Schriftchen ſeine Anſichten aus einander geſetzt. Wir rücken des beſonderen Intereſſes wegen, welches den Gegenſtand ſeit einigen Jahren umgiebt, die beiden Abſchnitte über Erziehbar— keit und Behandlung der Eretinen hier ein. Erziehbarkeit der Cretinen. Seit Jahrhunderten hat man die armen Cretinen kei— ner Erziehung fähig und würdig gehalten, weil man ihnen meiſtens nur eine oberflächliche ſtaunende Aufmerkſamkeit ſchenkte, weil man nicht wußte und nicht verſuchte, welche Macht die ausharrende Liebe und Geduld im Bunde mit einem verſtändigen Unterricht über dieſe menſchlichen Natu— ren, die man häufig unter den Charakter der Thierheit ver— ſunken ſah, vermag, um ſie dem Urbilde des Menſchen nä— her zu bringen. Oft hat man ſich mit unbarmherziger Härte und Abſcheu von ihnen abgewendet, ſie als Bettler an den Straßen und auf Düngerhaufen liegen laſſen, oder ſie wurden durch die falſche Scham ihrer Erzeuger dem An- blicke anderer Menſchen als ein läſtiges Scheuſal entzogen und in düſtern traurigen Behauſungen eingeſchloſſen, in wel— ) Das Leben der Cretinen, mit beſonderer Rückſicht auf Pſpchologie, Phy⸗ fologle, Pädagogik und Humanität, nach ei f J. H. a ferlch. Stuttgart 150° 8. 81 S. e ee sel chen fie die willkürliche Bewegung nicht kennen lernten und wie Thiere gefüttert wurden, bis ſie nach und nach im ei— genen Schmutze untergingen. Iſt doch der geſunde Menſch von dem erſten Augen— blicke ſeiner Geburt an ganz auf fremde Pflege und Hülfe angewieſen, wenn er fortdauern und ſich entwickeln ſoll; ohne fortgeſetzte Einwirkung anderer Vernunftweſen in der ſpäteren Jugendperiode würden die in ihm ſchlummernden Fähigkei— ten, Anlagen und Kräfte nie ſich entfalten, wie bei einem Caſpar Saufer, oder nur einen ſehr unvollkommenen Grad von Ausbildung und Reife erlangen; um wie viel mehr muß ſich aber dieſe Wahrheit in dem Leben dieſer Kinder beſtätigen, deren Entwickelung ſo häufig ſchon bei ihrem Eintritte ins Leben durch körperliche und geiſtige Einflüſſe gehemmt und deren Selbſtthätigkeit hinter dem Inſtinete des Thieres ſte— hen bleibt. Es iſt bekannt, wie eine nur in ſehr gerin- gem Grade vorhandene Kraft leicht ganz untergehen kann, wenn ſie nicht ſorgfältig gepflegt und geübt wird, aber eben ſo gut kennt man auch das Geſetz des geiſtigen Lebens, daß bei treuem ausharrendem Fleiße und planmäßiger Übung ſelbſt das geringſte an Ausdehnung, Lebendigkeit und Ener— gie gewinnen kann. Der große Säemann der Welt hat auch in dieſe öden Naturen Getraideſamen des Lebens ge— ſenkt, der nach Geſetzen, die uns bis jetzt verborgen waren, keimt und reift, wenn er von der Hand eines verſtändigen Gärtners gepflegt wird und der nur dann eine taube ver— kümmerte Hülſe treibt, wenn keine bewegende, leitende und nährende Kraft von außen hinzutritt. Es iſt auch durch eine größere Zahl von Beiſpielen erwieſen, daß Kinder, die ſpäter eine wichtige Stelle im Le— ben einnahmen, Jahre hindurch an größeren oder geringeren 297 Graden des Cretinismus gelitten hatten und durch zweck— mäßige Behandlung und Erziehung vollſtändig geheilt wur— den; z. B. Albertus Magnus, Domherr Stockalper, Dr. Odet, Gruner, Zſchokke u. a. Schubert führt in ſeiner Schrift: „die Krankheiten und Störungen der menſchlichen Seele“ ein merkwürdiges Beiſpiel von der Erziehungsfähigkeit eines älteren Idioten an, das Neumann (von den Krankheiten des Gehirns S. 228) erzählt. Er hatte erfahren, daß auf dem Lande in einem Bauernhofe eine ganz wahnſinnige Perſon, die Tochter des Bauern, lebe. Er ging einſt dahin und fand das etwa 20jährige Mädchen faſt nackt, mit furchtbar ver— wilderten Haaren, mit Koth bedeckt, in einem Stalle, der ihr ſeit Jahren zum Aufenthalte diente. Nach der Ausſage der Eltern hatte dieſe Tochter niemals Spuren von Vernunft gezeigt, niemals ſprechen gelernt, ſondern fie ſtieß nur von Zeit zu Zeit, bei Tag wie bei Nacht, ein furchtbares Ge— heul aus. — Der menſchenfreundliche Arzt brachte es da— hin, daß die arme Verwahrloſ'te zu einem Paar kinderloſer, ſchon betagter Eheleute in die Koſt gegeben wurde, welche ſchon mehrere ſolche Unglückliche gepflegt hatten. Nach etwa achtzehn Monaten beſuchte Neumann dieſe Pflegeeltern der Blödſinnigen. Er fand die Thüre verſchloſſen; auf fein An— klopfen that ihm ein reinlich, obgleich ärmlich gekleidetes Mäd— chen die Thüre auf, ging ſtumm vor ihm her und ſetzte ſich dann, ſchüchtern nach dem Fremden hinblickend, an ihr Spinnrad. Nach einiger Zeit kamen auch die Pflegeeltern und dieſe ſagten dem Arzte: dies ſei die ihnen übergebene für wahnſinnig gehaltene Bauerntochter. Sie ließen jetzt das Mädchen einige Gebete herſagen, welche ſie dasſelbe ge— lehrt hatten, was freilich mit etwas undeutlichen Lauten ge— ſchah und überzeugten dann auch den Arzt von der Geſchick— lichkeit der Blödſinnigen, mehrere kleine Hausgeſchäfte zu verrichten. Sie hatte ſich ganz an Reinlichkeit und an eine gewiſſe Ordnung gewöhnt, wovon früher an ihr keine Spur zu bemerken war. Nur in den erſten ſechs Monaten mußte zuweilen die Ruthe zur Zurechtweiſung der Verwahrloſ'ten angewendet werden, ſeit Jahr und Tag aber hatten die ge— duldigen und freundlichen Pflegeeltern niemals mehr eine ſolche Züchtigung nöthig gefunden. 939 Als Beweis für die Wahrheit, daß Cretinen auch zu Cretinen erzogen werden können, erzählt Dr. Wunderlich in ſeiner Schrift „Verſuch einer medieiniſchen Topographie der Stadt Sulz a. N., Tübingen 1809“, einen von ihm ſelbſt beobachteten Fall mit folgenden Worten: „Ein Kind von vermöglichen Eltern war bis ins zweite Jahr wohlge— bildet; es fing auch an zu reden. Da es ziemlich eigen— ſinnig war und ihm alles gethan wurde, um es bei guter Laune zu erhalten, ſo hatte es nicht mehr nöthig, ſich um Erlernung ſeiner Mutterſprache zu bemühen. Es erhielt alles, was es zu begehren ſchien. Um es zufrieden zu ſtel— len, wurde es öfters im Tage überfüttert, worauf es ruhig wurde und dann einſchlief. Dies währte ſo einige Jahre fort. Das Kind lernte nicht weiter reden, es bekam einen dicken Bauch und großen Kopf mit hervorhängenden Augen. Seine Hauptbeſchäftigung war Eſſen, die Seelenkräfte ſchie— 239. XI. 19. 2980 nen ganz zu ruhen. Bei dieſer Beſchaffenheit des Kindes wurde im fünften Jahre desſelben mein Rath geſucht. Die— ſer ging dahin: dem Kinde nur zu beſtimmten Zeiten mä— ßig zu eſſen und täglich ein halbes Glas guten Wein zu geben, es täglich zu baden, ihm viele paſſive Bewegung zu machen, um wieder Oſeillationen im Körper hervorzubringen und durchaus keines ſeiner Begehren zu befriedigen, ſo lange es ſich nicht auf irgend eine vernehmliche Art verftändlich mache. Auch ſollte man es täglich vier bis fünf Mal dazu nöthigen, das ABC nachzulallen. Nachdem meine Vorſchrif— ten einige Zeit pünktlich befolgt worden, wurde das Kind ruhiger, weniger begehrlicher und ſanfter. Sein Heißhunger verlor ſich nach und nach, es lernte etwas reden. Nach Verfluß eines Jahres hatte ich die Freude, es reden zu hö— ren und von einer ganz andern Körper- und Kopfbeſchaffen— heit zu ſehen. Es war alles an ihm normaler, auch hatte ſich ſeine Phyſiognomie gänzlich verändert.“ In den Schriften menſchenfreundlicher Arzte und Pſychologen findet man manche Fälle aus dem Leben ver— zeichnet, die es mit Klarheit beweiſen, daß auch tiefſtehende Cretinen erzogen werden können. — Sowohl auf dem Abendberg als Mariaberg habe ich mehrere Cretinen ken— nen gelernt, die durch eine zweckmäßige leibliche und gei⸗ ſtige Pflege aus dem traurigen Zuſtande, in welchen ſie Verwahrloſung, Verkehrtheit und eine verderbliche Anlage verſetzt hatten, gerettet und herangebildet wurden zu lie— benswürdigen, hoffnungsvollen Kindern. So find gegen— wärtig auch auf Mariaberg einige Zöglinge, welche ſpäter als brauchbare Glieder der bürgerlichen Geſellſchaft ſich an— ſchließen werden. Freilich giebt es leider auch ſo tief verſunkene Kinder, bei welchen der Unterricht nicht viel oder gar nichts erzie— len kann, die für jegliche Hülfe unzugänglich und ſo ſehr entartet und entmenſchlicht ſind, daß ſie ſich ganz thieriſch geberden, weder durch Liebe noch durch Strenge gelenkt werden können, die unnatürlichſten und ekelhafteſten Dinge verſchlingen, keine Spur geſelliger Liebe zeigen und nur mit unarticulirten Tönen dem entgegentreten, der ihren ausſchweifenden Trieben Schranken ſetzen will. Sehr viele ganz verſunkene Cretinen können doch wenigſtens zur Folgſamkeit, Ordnung, Artigkeit und Rein— lichkeit erzogen werden. Wie unendlich viel wird ſchon dadurch gewonnen! Vergegenwärtigen wir uns nur einmal die abſcheuliche Unreinlichkeit mancher unter ihnen, verbun— den bisweilen mit der ekelhaften Gier, ſogar die eigenen Ereremente zu verzehren, wie wir namentlich auf dem Abendberge einen Fall hatten, dem ich oft nach einer ſo unnatürlichen Freſſerei mit Gewalt den Mund öffnen mußte, damit meine Frau und Schwägerin ihm die beſchmutzte Mundhöhle reinigen konnten. Ebendaſelbſt verzehrte uns ein anderer alles, was er nur beweglich machen konnte, Erde, Holz, Kalk, Schnüre, Leder, Strümpfe u. dgl., und war ſo unreinlich, daß man in ſeinem Bette eine eigene Vorrichtung anbringen mußte für ſeine häufigen und pe— ſtilenzialiſch riechenden Ausleerungen. Und doch wurden dieſe beiden Kinder und andere mit ihnen durch eine treue, über— 6299 windende Liebe weſentlich gebeſſert und von der Fäulniß in ihrem eigenen Unrath vollkommen gerettet. Auf Mariaberg hatten wir einmal die Freude, mehrere ältere Zöglinge zu gleicher Zeit zu bekommen, von denen fünf, darunter ein 20jähriger Idiot, beſonders bei Nacht beiſpiellos unreinlich waren. Das intereſſanteſte Exemplar darunter aber war ein LAjähriges im Wachsthum verküm— mertes Mädchen, das einen ziemlich ausgebildeten Katzen— kopf hatte. Nicht genug, daß ſie jede Nacht ihr Bett auf die ſcandalöſeſte Weiſe verwüſtete, beſchmutzte fie auch ihr Geſicht über und über, ebenſo die einzelnen Theile ihrer Bettlade, und wenn hier der Unflath nicht Platz hatte, warf ſie ihn mit den Händen auf den Boden. Noch empfinde ich tiefen Abſcheu über jenen Zuſtand, der mir zeigte, wie unglaublich tief dieſe Kinder verſinken und entarten können; aber eben ſo ſehr ergreift mich die Wehmuth, wenn meine Erinnerung ſieht, wie damals alle voll Ekel zurücktraten und nur meine Schwägerin, Adeline, entſchloſſen auch hier Hand ans Werk legte, um Reinlichkeit zu handhaben. Wohl darf ich es ſagen, weil es ſo viele wiſſen, daß dieſe Perſon in dieſen und ähnlichen Fällen ſchon weit mehr Selbſtüberwindung und Selbſtverläugnung gezeigt hat, als manche barmherzige Schweſter, obgleich fie ihre bewährte Liebe zu dieſen Elenden in kein Ordenskleid hüllt. — Wir reichten uns auch jetzt treu und innig die helfende Hand, und hatten die Freude zu ſehen, daß dieſe Kinder reinlich und ordentlich wurden, gleichwie die andern. Ich führte dieſe einzelnen Sceenen des Efeld nur als Beiſpiele an, um zu zeigen, daß ſelbſt in den ſchlimmſten Fällen oft noch Hülfe möglich iſt, wenn auch nur uach einer Richtung, und als lebendige Zeugen dafür, daß die Ausführung eines ſolchen ſchweren Werkes etwas ganz an— deres iſt, als ihre theoretiſche und philanthropiſche Vertre— tung in bloßen Worten nur. Andere, die unverträglich, ſtörriſch, diebiſch, naſchhaft und in einem ſolchen Grade jähzornig waren, daß ſie ihre Mitgenoſſen ſchlugen, biſſen und beſtahlen, haben dieſe Un— tugenden abgelegt, und find verträglich, geſellig, redlich und liebreich geworden. Der fühlende Menſchenfreund freut ſich von ganzem Herzen, wenn er in den Kreis gebeſſerter, liebenswürdiger, geiſtig entwickelter Cretinenkinder eintritt und zollt ihnen und ihren Bildnern oft unwillkürlich eine Thräne der Theil— nahme und des Dankes; wenige aber ſind, die es zu wür— digen wiſſen, welch ungeheure Mühe, Geduld und Selbſt— aufopferung nöthig ſind, um ſolche Reſultate zu erſtreben. Solche Reſultate aber ſind die kräftigſte Erhebung und der lebendigſte Antrieb für einen Cretinenlehrer, der einen in— neren Ruf zu ſeinem ſchweren Wirken in ſich trägt, wes— halb er ſich auch ruhig hinwegſetzt über verkehrte Anſichten, einfältige Sentimentalitäten, über Mißkennung und Undank. Was die Macht der Erziehung über den Menſchen vermag, das ſehen wir an einzelnen ganz entarteten, ver— ſunkenen Völkerſchaften, wie wir ſie in Africa, America und Aſien treffen; ſie, die man wegen ihrer körperlichen Hemmungsbildung und geiſtiger Verthierung lange Zeit als 239. XI. 19. 300 Auswürflinge der Menſchheit betrachtete, ſind unter dem Einfluſſe der gebildeten Europäer dennoch einer ſittlichen und bürgerlichen Erhebung und Umgeſtaltung fähig; z. B. die Buſchhottentotten, Balalas, Negritos, Papuas, Peſche⸗ räh, Koräfen, Feuerländer. Wenn eine höhere Cultur, chriſtliche Civiliſation auf den Inſeln Manila und Luzon ſich Bahn brechen wird, jo werden auch hier die Bewohner, die in ihren geſellſchaftlichen Verhältniſſen den tiefſten Grad der Thierheit zeigen, veredelt, erzogen, vermenſchlicht wer⸗ den. Obgleich dieſen Völkern allen bis auf einen gewiſſen Grad der Keim, die Fähigkeit einer höheren Entwicklung inwohnt, ſo würden ſie doch immer auf ihrem an die Thierheit grenzenden und in dieſelbe übergehenden Cultur⸗ ſtand verharren, wenn fie nicht durch Erziehung veredelt würden. In gleicher Weiſe verhält es ſich mit der Ent⸗ wicklung der Cretinen, die zu ohnmächtig find, ſich ſelbſt zu helfen. Daß auch die verſunkenſte Menſchennatur einer durch⸗ greifenden Verbeſſerung und Erhebung fähig iſt, beweiſen ſehr deutlich die ſogenannten Cagots, welche früher die Moräſte des weſtlichen Frankreichs, in der Nähe der Ppre— näen bewohnten. Der Abſcheu und die Verachtung hatte dieſe Unglücklichen ausgeſtoßen aus der Geſellſchaft anderer Menſchen und verurtheilt zu den niedrigſten, ekelhafteſten Verrichtungen. Sie bewohnten die tiefen, ſumpfigen Nie— derungen der Meeresküſten, unfruchtbare Felſenthaler, die kleinen Inſeln und Mundungen der Flüſſe, verſteckt in Ge— buͤſch und hinter Rohrgewächſen, waren den ungünſtigſten Einflüſſen der Sumpfluft unterworfen und nährten ſich mei⸗ ſtens von Fiſchen, Fröſchen und Schalthieren. Eine ſolche Behandlung mußte nothwendig bewirken, daß ſie im Laufe der Zeit verkummerten und entarteten. Als aber die fran— zöſiſche Regierung im vorigen Jahrhunderte anfing, die Rechte der Cagots auf menſchliche und chriſtliche Bildung kräftig zu vertreten, ſo erhoben ſie ſich, wurden in den verſchiedenſten Richtungen nützliche Bürger des Staates, und die Schmach, die früher auf ihnen laſtete, iſt nunmehr ſpurlos verſchwunden. Es giebt ganze Völkerſchaften, welche ſich zur cretini— ſchen Entartung hinneigen, wie die Albinos auf Panama, die Leukäthiopen Guineas, die Quimos in den Gebirgen von Madagaskar, die Kakerlaken an den Mündungen des Ganges. Behandlung der Cretinen. Soll die Menſchenwürde durch den Cretinismus nicht unwiederbringlich umdüftert und verwiſcht werden, ſoll das Kind, das die lebentödtende Anlage in ſich trägt, nicht der traurigſten körperlichen und geiſtigen Schwache anheimfallen, ſo muß mit aller Vorſicht und mit Ernſt eine zweckmäßige Behandlung und Erziehung eintreten. Alles, was der Aus⸗ bildung des Übels günftig ſein könnte, muß entfernt, und dagegen Einfluſſe herbeigeführt werden, die negatis und po— ſitiv das Schlimme mit Gutem zu überwinden ſuchen. Sobald Eltern die traurige Wahrnehmung machen, daß eines ihrer Kinder die Spuren des Übels an ſich 301 trägt, Sollten fie nicht ſäumen, einen tüchtigen Arzt um Rath zu fragen und deſſen Vorſchriften genau befolgen; iſt das Kind ſchon etwas älter und kommt geiſtig zurück, dann werden ſie wohl daran thun, wenn ſie ſich an einen ver— ſtändigen Lehrer wenden. Schon viele Kinder, die ſpäter das Opfer einer verderblichen Mißentwicklung geworden ſind, hätten unfehlbar gründlich geheilt werden können, wenn man ſich ihrer zur rechten Zeit angenommen hätte. Viele Eltern ſind nicht ſelten ganz blind gegen das allmä— lig werdende Leiden, ſie ahnen nicht, welches Unheil dem Kinde nahe gelegt iſt, und wenn ſie auch ſehen, daß die Entwicklung nicht den rechten Weg einſchlägt, ſo täuſchen fie ſich dadurch, daß fie zu viel von der künftigen Lebens— zeit des Kleinen hoffen, indem ſie glauben, die Natur werde die Differenzen ſchon ausgleichen und gut machen. Manche, welche das Auftreten des Leidens klar einſehen, zeigen eine ſolche Affenliebe, daß ſie das Kind ſtets um ſich haben wollen, und lieber ſeiner Verſchlimmerung zuſehen, anſtatt es in eine vernünftige Behandlung zu geben, wie ſo viele Beiſpiele angeführt werden könnten. Andere ſchä— men ſich, ſolche Kinder zu haben und ſuchen ſie dem An— blick ihrer Mitmenſchen um jeden Preis zu entziehen. Noch andere ſuchen auf ganz verkehrten Wegen Hülfe. Bringen die Eltern ihre Kinder in eine Anſtalt, ſo giebt es gar viele unter ihnen, die da wähnen, ſchon in einigen Wochen oder Monaten ſoll die Neugeburt der tief Verſunkenen feſtgeſtellt und abgeſchloſſen ſein, und ſie be— reiten durch ſolche unbillige Forderungen einer Anſtalt oft keine geringen Verlegenheiten. Statt zu ermeſſen, wie ſchwer es hält und wie lange es dauert, bis ein geſundes Kind nur einigermaßen unterrichtet und gebildet iſt, und wie viele derer ſind, die acht Jahre hindurch eine Volks— ſchule beſuchen und nach ihrem Austritt ſehr oft geiſtesarm und verſtandesſchwach ſind, fordert man gerade von der ſchwierigſten Erziehung dieſer Elenden, daß ſie ſo ſchnell als möglich ihr Ziel erreiche, wenn ſie nicht als Zeugin gegen die Perfectibilität ihrer Zöglinge benutzt ſein will. Sehr oft wird namentlich in den höheren Ständen die Pflege und Erziehung ſolcher Kinder in ihrer erſten Lebenszeit dadurch unrichtig angelegt und geleitet, daß ſie Ammen übergeben werden, welche nicht die nöthigen Kennt— niſſe, nicht die erforderliche Conſequenz, Liebe und Geduld für einen ſo ſchwierigen Fall beſitzen. Iſt ſchon das Stil— len der Mutter etwas ganz naturgemäßes, weil es den Fa— milienſinn und die Liebe derſelben zu dem Neugebornen erhöht, fie mit deſſen Eigenthumlichkeiten, Bedürfniſſen und Mängeln näher vertraut macht, ſo wäre es in einem ſol— chen traurigen Falle ganz beſonders wünſchenswerth, daß ſich die Mutter ſelbſt in dieſe innigſte natürliche Verbin— dung mit ihrem Kinde ſetzen würde, um ſeinen Entwick— lungsgang genau zu beobachten, dem leicht auftretenden Eigenſinn und Jähzorn Schranken zu ſetzen, überhaupt ſeine ganze Lebensordnung vernünftig zu regeln, was häufig nicht geſchieht, wenn die Kinder in der Pflege von Ammen ſind, weil ſie eben dadurch dem Mutterherzen mehr oder minder entfremdet und das eintretende Leiden nicht ſelten 239. XI. 19. 302, bemäntelt und verſchwiegen wird. Auf dieſe Weiſe ſind ſchon manche Kinder zu Cretinen erzogen worden. Weil man den Eltern gefällig ſein will, ſo verſchweigt man alles, was ſie unangenehm berühren könnte, giebt dem Kinde, was es nur will, gewährt ihm ſeine Wünſche, wenn ſie noch ſo verderblich ſind; oder es wird das Kind in Folge des Mangels an geſunder Regſamkeit eingeſchläfert, und wenn es ſich in einem ſteten ſchlummerartigen Zuſtande erhält, welcher es nur noch mehr abſtumpft, dann wird es ein liebes, gutes, ruhiges Kind genannt. In den Wohnungen der Armuth aber werden dieſe Kleinen meiſtens, wenn es gut geht, der Aufficht älterer, ſelbſt unerzogener Kinder anvertraut, oder aber einſam in einem Zimmer eingeſperrt, in welchem ſie ſo lange ſchreien, bis ſie ermattet einſchlafen, ſich beſchmutzen und unbehaglich fühlen, bis eines der El— tern von ſeiner Arbeit nach Hauſe zurückkehrt. Man glaubt nicht, wie viel ſchon in dem zarteften Alter der Kinder für ihre körperliche und geiſtige Bildung geſchehen kann und wie viele Übel in den Kinderſtuben ihren Urſprung haben. Wie die Reinlichkeit überhaupt als ein Förderungsmit— tel der Geſundheit betrachtet werden muß, ſo ſpielt ſie haupt— ſächlich in der Erziehung dieſer Kinder eine wichtige Rolle. Man darf ſich nicht wundern, wenn ſo viele Kinder von ihrer erſten Lebenszeit an ſchwächlich, kränklich, bleich aus— ſehen, wenn man bedenkt, wie wenig die Reinlichkeit bei ihnen beobachtet wird, wie die Sorge für Pflege der Haut ganz im Argen liegt, wie ſie mit ungewaſchenem Geſicht und mit ungekämmten Haaren, mit beſchmutzten Händen u. ſ. w. ſtundenlang in ihrem Harne und Kothe verweilen müffen in dem ärmlichen Bett, in welchem ſie eingebunden ſind, damit ſie ruhig bleiben. In den erſten Lebensmonaten müſſen die Kinder täglich gebadet werden, der ganze Körper muß rein gehalten und die Leib- und Bettwäſche häufig gewechſelt werden, um ſo mehr, da die ſtarke Ausdünſtung bei den meiſten derſelben einen ſo widerlichen Geruch verbreitet, wes— halb auch die Betten und Schlafzimmer gut durchlüftet und geräuchert werden müſſen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß kalte Bäder nur mit großer Vorſicht und bei den ganz ſchwachen Kindern gar nicht angewendet werden dürfen. Der ältere Cretin reinigt ſeine Kleider nie, wenn er ſie noch ſo ſehr beſchmutzt und er würde fie jo lange tragen, bis fie voll— ſtändig zerriſſen ihm vom Leibe fielen. Wenn auch einzelne, namentlich weibliche Individuen, Rudimente von Eitelkeit in ihrem Anzuge zeigen, ſo ſind ſie gewöhnlich um ſo gleich— gültiger gegen die Unreinlichkeit und Vernachläſſigung des Körpers ſelbſt. Bei jungen und alten Cretinen muß Reinlichkeit in ho— hem Grade gehandhabt werden, weil ſie einen ſehr wohl— thätigen, ſtärkenden, gedeihlichen Einfluß auf das Leben die— ſer Schwächlinge ausübt und dieſelben, ſobald ſie in dieſem Stücke verwahrloſ't werden, der größten Unreinlichkeit mit ihren traurigen Folgen anheimfallen. Die Beſchaffenheit der Luft, in welcher die Kinder le— ben, iſt von weſentlichem Einfluß auf ihre Entwickelung. Eine unreine Luft in feuchten dumpfen Wohnungen iſt der— ſelben ſehr nachtheilig, gleichwie der Luftzuſtand in ungeſun— 303 den Engthälern in directem Verhältniß ſteht zum Cretinis— mus. Weiß man ja, daß ſchon manche Kinder von dem auftretenden Übel nur dadurch gerettet worden ſind, daß man ſie in die reine, geſunde bewegte Luft der Berge ver— ſetzte, wo der Einfluß derſelben auf die Geſundheit und Kräftigkeit des Körpers, auf die Regſamkeit und Heiterkeit des Geiſtes unläugbar iſt. Darum iſt es auch jo ſehr noth— wendig, daß ſich die Cretinkinder viel in der freien friſchen Luft aufhalten. Eine dumpfe Luft macht den Körper matt und träge und erſchwert die geiſtigen Verrichtungen. Die Wohn- und Schlafzimmer müſſen gute Luft haben, und wenn dieſe verdorben iſt, muß ſie durch Luftzug gereinigt werden. Beſonders muß den Kindern der Genuß der fri— ſchen Morgenluft verſchafft werden. Im Winter dürfen die Zimmer nie übermäßig geheizt werden, weil eine zu große Ofenhitze den Organismus ſchwächt und erſchlafft und man— cherlei Nachtheile begründet. Der Sonnenhitze ſollten die Kinder nie ohne Kopfbedeckung ausgeſetzt werden. Unzweckmäßige Nahrung und Überfütterung haben ſchon viele Kinder um alle freie Entwickelung der Geiſteskräfte, um körperliche Kraft und Munterkeit gebracht und ſie der in Frage ſtehenden Entartung entgegengerückt. Alle Creti— nen haben eine ſehr ſtarke Eßluſt, verſchlingen gierig eine große Maſſe von Nahrungsmitteln und verſchmähen biswei⸗ len auch ungenießbare ekelhafte Dinge nicht. Im eigentli— chen Zuſtande der Sättigung ſieht man den tiefer ſtehenden Cretinen nie. Er ißt, ſo lange er etwas hat und je mehr er hat, deſto mehr er will. Ein großartiges Beiſpiel von der Gefräßigkeit eines Cretinen erlebte ich auf dem Abend— berge. Als wir ein Mal durch ſehr zahlreiche Beſuche von Fremden abgehalten waren, dem Mittagseſſen zur gewöhn— lichen Zeit anzuwohnen, benutzte ein etlich und zwanzigjäh— riger eretiniſcher Walliſer Burſche, den wir in der Anſtalt hatten, dieſe günſtige Gelegenheit, machte ſich über dasſelbe her und verzehrte das für neun Perſonen beſtimmte, reich— liche Eſſen bis auf den letzten Biſſen. Ein anderes Mal wußte er einigen Zimmerleuten, die in der Anſtalt arbeite— ten, 2½ Pfund Käſe nebſt 2 Pfund Brot zu entwenden, das er ebenfalls auf einem Flecke verzehrte. Nach einer ſol— chen Arbeit verſteckte er ſich gewöhnlich, war regungslos wie eine geſättigte Schlange und ließ ſeinen Unreinlichkeiten freien Lauf. Auch Mariaberg hatte mehrere Individuen aufzuwei— ſen, deren heißhungrige Freßgier maßlos war. Obgleich die Verdauung meiſtens ohne beſondere Be— ſchwerden vor ſich geht, ſo leidet doch die Blutbereitung und die organiſche Ablagerung. Sehr tief ſtehende Kinder kennen keine Wahl der Speiſen. Wahr iſt es, daß das maßloſe Eſſen mit ſeiner anfänglichen allmäligen Steigerung mehr oder weniger von Gewohnheit und Erziehung abhängig iſt. 239. XI. 19. 304 Unverſtändige Ammen, Wärterinnen und Mütter über füllen in ihrer Zärtlichkeit ſo oft den Magen der Kinder mit ſchwer oder gar nicht verdaulicher Nahrung, um ſie nur ſchweigend zu erhalten, ohne zu bedenken, welche traurige Folgen eine ſolche Überfütterung nach ſich zieht. Beſuchen manche Altern ihre Kinder in einer Anſtalt, ſo wiſſen fie denſelben gewöhnlich keine andere Freude zu bereiten als ihnen Gelegenheit zu verſchaffen, „daß ſie ein Mal wieder nach Herzensluſt eſſen können.“ Die Folgen bleiben nie aus. Eine ängſtliche Auswahl von Speiſen für dieſe Kin⸗ der führt zu keinem beſonderen Reſultat. Grundſatz ſei: Einfache kräftige Koſt, beſonders mit Milch und Fleiſch ge— kocht, mit Rückſicht auf Gewöhnung an eine größere Man⸗ nigfaltigfeit der Nahrungsmittel, angeordnet nach den ſpe— ciellen Bedürfniſſen des einzelnen Pfleglings. Beſonders iſt auch gutes reifes Obſt zu empfehlen. Beſtimmte Zeiten des Tages müſſen für das Eſſen feſt geſetzt und ohne Noth nicht davon abgegangen werden, ſonſt tritt die Neigung, immer zu eſſen, ſo leicht in den Vordergrund und wird für jede andere Beſchäftigung des Kindes ſehr hinderlich. Viele können nicht ſelbſtändig eſſen und die Speiſen müſſen ihnen, wie Neugeborenen, gereicht werden; ſie verſchlingen dieſelben, ohne fie gehörig zu kauen. Durſt empfinden ſie meiſtens ſehr wer nig, es iſt ſelten, daß auch der höher ſtehende Cretin Waſſer verlangt. Darum iſt es um jo unserantwortlicher, wenn die Eltern ihnen geiſtige Getränke, namentlich Branntwein, geben, weil fie durch dieſe nur noch ſchlaffer und kraftloſer werden. Gewöhnlich ſollen dieſe nur die Ruhe, den Schlaf herbei— führen. Ein guter alter Wein, in kleineren Gaben gegeben, erweiſ't ſich als ſehr zweckdienlich. Die Kleidung ſei einfach und reinlich, mit gebührender Rückſicht auf die Anforderungen der verſchiedenen Zuſtände der Luft, der Temperatur und der Jahreszeiten. Da die Cretinen ohnehin leicht frieren und durch die Kälte Schaden nehmen, ſo müſſen ſie namentlich in dieſer Hinſicht gut ge— ſchützt ſein. (Schluß folgt.) Miſcelle. (36) Die Unterbindung der carotis communis führt Dr. Hargrave in folgender Weiſe aus: — er macht einen Quer⸗ ſchnitt durch die Haut, zwei Finger breit über dem Schlüſſelbeine; der musc. sternocleidomastoideus wird dann auf einer Hohlſonde der Quere nach durchſchnitten und die Gefäßſcheide dadurch voll- ſtändig bloß gelegt, da, wo der musculus omohyoideus ſie kreuzt; nun wird die Gefaßſcheide geöffnet und von außen nach in⸗ nen die Aneurysmanadel unter der Arterie durchgeſchoben, hierauf mit dem Faden verſehen und zurückgezogen und die Arterie feſt unterbunden. — Des Verf. Gründe für dieſe Methode ſind haupt⸗ ſachlich Kürze des Halſes, und Leichtigkeit, auf dieſe Weiſe jeden Einſchnitt in bereits rothlaufartig geröthete Haut zu vermeiden. (Dublin Quarterly Journ. of med. Sc., Aug. 1849.) Bibliographiſche Neuigkeiten. C G. Carus, Denkschrift zum hundertjährigen Geburtstagsfeste Göthes. — Über ungleiche Befähigung der verschiedenen Menschenstämme für höhere geistige Entwickelung. Lex. 8°. Geh. ½ Thlr. A. Mayer, über die Unzulässigkeit der Spinalirritation als besonderer Krank- heit. gr. 8°. Geh. 1%, Thlr. 2 H. F. Nügele, Lehrbuch der Geburtshülfe. 2. Thl. 2. Abth. I. Abschnitt. gr. 8°. Gch. %, Thir. ! Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs in Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 240. Schneegebirge Oſtafricas. — Miſcellen. Heilkunde. (Nr. 20. des XI. Bandes.) Naturkunde. W. B. und R. E. Rogers über die Zerſetzung von Felſen ꝛc. durch reines und mit Kohlenfäure angeſchwängertes Waſſer. — Beke, das f J 2 ( Montagne, neue Sa Capnodium. Helferich, über die Behandlung der Cretinen. (Schluß.) — Weinmann, Ertrauterinſchwangerſchaft bei einer Kuh. — December 1849. Planchon, bisher noch nicht unterſchledene Species von Ulex. — Miſcellen. Gnoxf, Cynanche sublingualis rheumatico-typhoides. — Pfeufer, große Gaben Chinin gegen Wechſelfieber. — Ker ſten, große Gaben Opium gegen acuten Gelenkrheumatismus. it. Langenbeck, uber die Haut zu plaſtiſchen Operationen. Reißpflanzungen. Romberg, Diagnoſe des Kopfichmerzes. — Bibliographie. Sorgoni und Bivarelli, zur Beſeitigung der Gefährlichkeit der Naturkunde. XXXVII. Über die Zerſetzung und theilweiſe Auflöfung von Mineralien, Felſen ꝛc. durch reines und mit Kohlenſäure angeſchwängertes Waſſer. Von den Profeſſoren W. B. und R. E. Rogers an der Uni⸗ verſität von Virginien. In der Einleitung wies Prof. W. B. Rogers darauf hin, welche Wichtigkeit der Gegenſtand in Betreff der geo— logiſchen Chemie, ſowie der Theorien über die Bildung der Bodenarten und die Ernährung der Pflanzen habe. Er er— wähnte der Verſuche von Struve, Forchhammer und andern, die jedoch von einer zu beſchränkten Baſis ausge— gangen wären, um darauf allgemeine Folgerungen in Be— treff der Zerſetzung von Gebirgsarten und der Entſtehung von chalcedoniſchen, zeolithiſchen und andern Mineralien durch Auflöſung, ſowie in Betreff der Einführung unorganiſcher Beſtandtheile in die Pflanzen zu gründen. Deshalb iſt die Frage, ob reines oder mit Kohlenſäure angeſchwängertes Waſſer jene allgemeine zerſetzende und auflöſende Kraft beſitzt, welche manche Chemiker demſelben in einer vagen, nicht ge— hörig nachgewieſenen Weiſe zugeſchrieben haben, oder ob dieſe Fähigkeit ſich auf die wenigen bisher ermittelten Materialien, welche ſämmtlich Kali enthalten, beſchränkt, von ſehr er— heblicher Wichtigkeit. Die Verſuche der Profeſſoren Rogers waren zweierlei Art. Bei der erſten wurde eine ganz geringe Quantität des Minerals fein pulveriſirt und auf einem kleinen Filter von gereinigtem Löſchpapier digerirt; ein einziger heller Tropfen der durchlaufenden Flüſſigkeit aber auf einem Streifen Pla- tinblech aufgefangen, evaporirt und ſowohl vor als nach dem Glühen durch geeignete Reagentien geprüft. Bei den letzten Verſuchen brachte man eine Quantität des gepülverten Minerals mit der Flüſſigkeit in eine grüne Glasflaſche, die man binnen No. 2220. — 1120. — 240. einer beſtimmten Zeit öfters umſchüttelte. Die durch Filtriren abgeſchiedene Flüſſigkeit wurde dann in einem Platinaſchäl⸗ chen bis zur Trockniß abgeraucht; der Rückſtand einer kriti⸗ ſchen Prüfung und, wenn er in genügender Maſſe vorhanden war, der quantitativen Analyſe unterworfen. Bei beiden Arten von Experimenten wurden immer zwei parallele Verſuche gemacht, der eine mit reinem, nur mit Luft verſetztem Waſſer, der andere mit ſolchem, welcher bei 60% F. mit Kohlenſäure geſättigt worden. Beim letzten Verſuche wurde in Betracht des aus dem Glaſe aufgelöſ'ten Kali's, Kalks ꝛc. die Correction dadurch bewirkt, daß in ähnlichen Gefäßen, aber ohne Mineralpulver, mit Kohlenſäure ange— ſchwängertes Waſſer eine gleich lange Zeit aufbewahrt wurde. Dabei ergaben ſich nun folgende Reſultate. 1) Wenn die Subſtanz, bevor man ſie mit der Flüſſig⸗ keit vermiſchte, ſehr fein gepulvert war, ſo gaben ſelbſt die erſten durch das Filtrum laufende Tropfen gewöhnlich ſchon einen Flecken, der etwas von dem aufgelöſ'ten Alkali oder der aufgelöſ'ten alkaliniſchen Erdart enthält. Auf dieſe Weiſe erhält man meiſt ſchon wenige Minuten, nachdem man das mit Kohlenſäure angeſchwängerte Waſſer zu dem Pulver hinzu⸗ geſetzt hat, den Beweis von der Wirkſamkeit desſelben. Wendet man dagegen reines Waſſer an, ſo iſt die Wirkung ſchwächer und ſie tritt langſamer ein, allein ſie iſt bei faſt allen anges wandten Subſtanzen deutlich und bei manchen ſehr bedeutend. 2) Durch eine beſondere Reihe von Verſuchen, welche mit Flecken von Kali und Natron, ſowie deren Verbindungen mit Kohlenſäure, ferner mit Flecken von kohlenſaurem Kalk und Talk, endlich mit größern Quantitäten derſelben Subſtanzen in Tiegeln angeſtellt wurden, in denen man ſie mit Hülfe des Tafellöthrohrs erhitzte, ergab ſich, daß dieſelben ſich nach folgender Ordnung verflüchtigen: Kali, Soda, Talk, Kalk. Der Kaliflecken verſchwand faſt augenblicklich; der 20 307 Natronflecken wehrte fich eine Zeit lang; der Talkflecken zeigte ſich noch feuerbeſtändiger, und der Kalkflecken hielt lange Zeit ganz unverändert. Vor der Erhitzung war der Flecken der Alkalien und der kohlenſauren Verbindungen derſelben natürlich ſtark al— kaliniſch. Der des kohlenſauren Talks reagirte ebenfalls deut— lich und oft ſehr auffallend auf das Prüfungspapier, während der des kohlenſauren Kalks eine nur eben bemerkbare Reac— tion zeigte. Erhitzte man den Flecken aber bis zum Roth— glühen, ſo erlangte der des kohlenſauren Kalkes, in Folge des Entweichens der Kohlenſäure, eine ſtarke Alkalinität, wäh— rend der des kohlenſauern Talks ziemlich in derſelben Weiſe reagirte, wie vorher und die alkaliniſchen Flecken ihre Reac— tion faſt gänzlich einbüßten. Als Beiſpiele von dieſen beſondern Prüfungen und der bei dieſen Experimenten mit Flecken angewandten Unterſuchungs— methode theilte Hr. Rogers einige Details aus der großen Menge von nicht der Öffentlichkeit übergebenen Reſultaten mit, indem er die Aufmerkſamkeit beſonders auf den im Be— treff des Leueits, Olivins und Epidots erkennbaren Contraſt lenkte, von denen der erſte durch Kali, der zweite durch Talk, der dritte durch Kalk charakteriſirt wird. So zeigte ſich beim Leucit der mit bloßem Waſſer ſowohl, als der mit Waſſer, in dem ſich Kohlenſäure befand, erhaltene Flecken alkaliniſch, allein der letztere viel ſtärker als der erſtere; allein wenn man dieſelben einige Secunden lang gelinde oder nur einen Augen— blick heftig erhitzte, ſo verſchwand das Kali ganz. Beim Olivin war der Waſſerflecken entſchieden alkaliniſch, der mit Waſſer und Kohlenſäure erhaltene natürlich noch viel ſtärker. Das Glühen erzeugte binnen der erſten Paar Secunden nur eine geringe Veränderung, allein wenn man es länger fortſetzte, ſo ward die alkaliniſche Reaction allmälig geringer, und nach 10 Secunden hatte fie nur noch etwa Ya ihrer urſprünglichen Stärke. Beim Epidot zeigte der Flecken vor dem Erhitzen eine ungemein ſchwache Rege- tion. Nach augenblicklichem Glühen ward die Reaction inten— ſiv, und nachdem das Glühen 10 Secunden gedauert, ließ ſich nur eine geringe Abnahme der alkaliniſchen Neac- tion erkennen. Indem ſich Prof. Rogers dann zu dem zweiten Er— perimentirungsverfahren, nämlich zu dem wandte, wo ein längeres Digeriren in reinem, ſowie mit Kohlenſäure ange— ſchwängertem Waſſer Statt gefunden hatte, legte er die mit Hornblende, Epidot, Chlorit, Meſotyp ꝛc. erhaltenen Reſul— tate dar, indem er nachwies, daß das mit Kohlenſäure ange— ſchwängerte Waſſer in vielen Fällen ſchon binnen 48 Stun— den eine ſo bedeutende Menge feſte Stoffe auflöſ't, daß eine qualitative Analyſe möglich iſt. Bei längerer Fortſetzung des Digerirens haben die Hrn. Rogers in der Flüſſigkeit zu— weilen faſt 1 Procent Kalk, Talk, Eiſenoryd, Thonerde, Kieſel— erde oder Alkali gefunden. In der Verbindung mit vorſtehenden Verſuchen wurden die Profeſſoren Rogers auf die Ermittelung der verhält— nißmäßigen Auflöslichkeit deskohlenſauren Kalks und Talks in mit Kohlenſäure angeſchwängertem Waſſer geleitet. In den beſten chemiſchen und geologiſchen Schriften findet ſich die Angabe, daß der kohlenſaure Kalk 240. XI. 20. 308 das auflöslichere Mineral ſei, und auf dieſe angebliche That⸗ ſache gründet ſich eine allgemein verbreitete Theorie in Betreff des Urſprunges der großen Quantitäten kohlenſauren Talks in dem talkhaltigen Kalkſteine. Man nahm an, in dem Kalk⸗ fteine, der ſowohl kohlenſauren Kalk, als kohlenſauren Talk ent⸗ hält, würde die relative Menge des letzten in Folge der ſchnell fortſchreitenden Beſeitigung des kohlenſauren Kalkes durch das durchſickernde Waſſer vermehrt, ſo daß das Geſtein ſich mehr und mehr der chemiſchen Zuſammenſetzung des Dolo— mits nähere. Die Experimente der Hrn. Rogers weiſen aber nach, daß in mit Kohlenſäure geſchwängertem Waſſer kohlen⸗ ſaurer Talk weit auflöslicher iſt, als kohlenſaurer Kalk. Denn wenn man ſchwach mit Kohlenſäure verſetztes Waſſer durch eine fein gepülverte Maſſe kalkhaltigen Kalkſteins filtriren läßt und die klare Flüſſigkeit auffängt, fo findet man bei der Analyſe in der Auflöfung, im Vergleich mit dem kohlenſauren Kalk, weit mehr kohlenſauren Talk, als in dem Geſtein ſelbſt, von wel- chem das Pulver herrührt. Wenn man ferner eine Miſchung von dem Pulver mit kohlenſäuerlichem Waſſer in einer Glas⸗ flaſche ſtark ſchüttelt und die Flüſſigkeit dann durch ein Fil- trum laufen läßt, ſo findet man in dieſer ebenfalls mehr kohlenſauren Talk als kohlenſauren Kalk. Aus dieſen Verſuchen ſchließen die Profeſſoren Rogers, daß das durch dergleichen Geſtein ſickernde, ſchwach mit Koblen- ſäure angeſchwängerte Regenwaſſer den kohlenſauren Talk ſchneller fortführe als den kohlenſauren Kalk, ſo daß das Geſtein allmälig weniger talkhaltig werde, ſtatt ſich, wie man gemeinhin glaubt, dem Dolomit in der chemiſchen Zufammen- ſetzung mehr und mehr zu nähern. Prof. Rogers machte auf den Umſtand aufmerkſam, daß die Stalactiten in den aus talkhaltigem Kalkſteine be— ſtehenden Höhlen nur winzige Quantitäten kohlenſauren Talks enthalten. Die Unterſuchung derjenigen der Weyer's Höhle in Virginien hat dargethan, daß, während die milchweißen undurchſichtigen Stalactiten eine kleine, aber beſtimmbare Menge davon enthalten, die ſpathartigen oder durchſichtigern Sorten von dieſem Beſtandtheile kaum eine Spur beſitzen. Offenbar wird in dieſen Fällen der Talk durch das Waſſer weggeführt und daß dies wirklich der Fall iſt, ergiebt ſich daraus, daß das Waſſer der in der unmittelbaren Nähe jener Höhle be— findlichen Quellen ungemein viel kohlenſauren Talk enthält. Ein bei Gelegenheit dieſer Experimente ermittelter, äußerſt merkwürdiger Umſtand iſt die verhältnißmäßige Leichtigkeit, mit welcher die kieſelſauren Talkſalze und Talkkalkſalze durch kohlenſäuerliches und ſelbſt reines Wuſſer zerſetzt und aufge— löſ't werden. Hieraus erklärt ſich die raſche Zerſetzung der meiſten aus Hornblende, Epidot ꝛc. beſtehenden Gebirgsarten, ohne daß dabei die Einwirkung irgend eines Alkalis in Anſpruch genommen wird, und wir werden dadurch in den Stand ge— ſetzt, den einfachſten Proceß zu erklären, mittels deſſen die Pflanzen mit dem ihnen nöthigen Talk und Kalk aus Boden— arten, welche dieſe kieſelſauren Salze enthalten, verſorgt wer= den, ohne daß wir uns auf irgend eine geheimnißvolle zer- ſetzende Kraft, die den Pflanzenwurzeln inwohnen dürfte, zu berufen brauchen. Bei den Experimenten mit Flecken haben die Prof. 309 Rogers endlich ermittelt, daß Anthracit, bituminöſe Kohle (Braunkohle) und Lignit im gepülverten Zuſtande ſämmtlich an kohlenſäuerliches Waſſer eine erkennbare Menge Kali ab— treten, während die in ähnlicher Weiſe behandelte Aſche dieſer Materialien bei der Prüfung mit Curcumäpapier keine Spur von alkaliniſcher Beimiſchung wahrnehmen ließ. Dies erklärt ſich, den Hrn. Rogers zufolge, aus der hohen Temperatur, bei welcher ſich dieſe Aſchen bilden, durch welche, wie ſich aus obigen Experimenten ergiebt, das in den Mineralien ent— haltene Alkali oder kohlenſaure Alkali verflüchtigt werden muß. (Vorgetragen der Section für Chemie der British Asso- ciation zu Birmingham.) (The Athenaeum, 29. Sept. 1849.) XXXVIII. Das Schneegebirge Oſtafricas. Von Charles T. Beke. Folgende fernere Nachrichten werden im Church Mis- sionary Intelligencer vom 1. Nov. über den mit ewigem Schnee bedeckten Kilima dſcha aro oder Berg der Größe, den der Miſſionär Rebmann in Oſtafrica nicht ganz 4 Breitegrade ſüdlich vom Aquator entdeckt hat, mitgetheilt. „Nachdem Hr. Rebmann Kilima, den äußerſten Punkt, bis zu welchem er auf ſeiner frühern Reiſe vorgedrungen war, erreicht hatte, zog er mit feinen Gefährten in der Rich— tung von Madſchame weiter. Sechs bis acht Miles weit ging der Weg nordweſtlich gegen den Kilima dſcha aro über eine allmälig anſteigende Gegend, wie ſie es ſchon die letzten 10 Miles von dem Fuße des Dſchagga- Gebirges bis Kilima geweſen war. Sie erreichten nunmehr die nördliche Grenze des bewohnten Landes etwa in 18 Miles Entfernung vom Fuße des Dſchagga-Gebirges. Hier war die Strenge der Kälte ſo bedeutend, als in Europa im November, worüber man ſich nicht zu wundern hatte, da die Reiſenden ſich dem Kilima dſcha aro ſo nahe befanden, daß ſie ihn bei Mondſchein er— kennen konnten. Am folgenden Tage reiſ'ten ſie mehrere Miles in derſelben Richtung weiter, bis ſie in ein waldiges Ge— birge eintraten, wo der Pfad gerade gegen Weſten ging und bis Madſchame ſeine Richtung nicht änderte. Dieſer Ab— ſchnitt des Weges führte beſtändig bergauf und bergab. Nach— dem ſie etwa 12 Miles zurückgelegt, traten ſie in die Pro— vinz Uru ein, welche zu Dſchagga gehört und von Thälern von 1500 bis 2000 F. Tiefe durchſchnitten wird, durch welche nie verſiegende Flüſſe ſtrömen, die von dem ewigen Schnee des großen Berges geſpeiſ't werden. Binnen andert— halb Tagen gingen die Reiſenden zwiſchen Kilima und Dſchagga über ungefähr 12 ſtarke Bäche, die durchſchnittlich 5 Zoll tief und 15 Fuß breit waren, obwohl dies gerade die trockenſte Jahreszeit war. Als ſie ſich Madſchame näher— ten, langten ſie am Ufer des ſchönen Fluſſes Weriweri an, der in einem etwa 150 F. tiefen und 90 bis 120 F. breiten Thale, von dem er damals etwa ½ einnahm, über ein ſteiniges Bette ſtrömt. Da dieſes Thal nach dem Schneeberge zu ganz offen lag, ſo fror Hrn. Rebmann ſehr und er hüllte ſich daher in ſeine wollenen Decken, während ſich ſeine Gefährten 240. XI. 20. 310 an einem Feuer erwärmten. Nachdem ſie den Weriweri über— ſchritten, befanden ſie ſich im Lande Madſchame, und ſo lange der Reiſende ſich in demſelben aufhielt, wohnte er nur 3 bis 4 Miles von dem Fuße des Berges, ſo daß er deſſen Geſtalt ſehr genau beſchreiben konnte. Derſelbe beſitzt zwei Piks, die ſich über die Schneelinie erheben. Der öſtliche iſt der niedrigere und theilt ſich in mehrere Spitzen, welche in der Regenzeit bis weit hinab mit Schnee bedeckt ſind, während er in der trockenen Jahreszeit manchmal ganz, manchmal bis auf einzelne Stellen wegthaut. Der weſtliche Pik dagegen iſt der Sitz des ewigen Schnees, indem er, bedeutend höher als der öſt— liche, eine gewaltige Schneekuppe bildet. Sein Abſtand von dem letztern beträgt 10 bis 12 Miles und zwiſchen ihnen befindet ſich ein Sattel welcher, Hrn. Rebmanns Er— kundigungen zufolge, nie mit Schnee bedeckt iſt. Hr. Rebmann berichtigt ferner einen Irrthum, welcher ſich in ſein früheres Reiſetagebuch eingeſchlichen hat und welcher der Unwiſſenheit ſeines Führers Bhana Kheri, eines Muhamedaners, zuzuſchreiben iſt, nämlich, daß die Be— wohner von Dſchagga keinen Ausdruck für Schnee hätten und die Beſchaffenheit dieſes Naturproducts gar nicht kennten. Auf dieſer zweiten Reiſe erkundigte er ſich bei den Einge— bornen ſelbſt und erfuhr von ihnen, daß ſie den Schnee Ki— boh nennen. Ebenſo wußten ſie recht gut, daß Kiboh eigent— lich dasſelbe, wie Waſſer iſt und daß viele Flüſſe von dem— ſelben geſpeiſ't werden. Dieſe Kunde, welche die Frage, ob es in Africa in der unmittelbaren Nähe des Aquators Schneeberge gebe, ein für alle Mal entſcheidet, iſt das Reſultat einer von Hrn. Reb— mann etwa vor Jahresfriſt unternommenen Reiſe. Nach— dem er nach Rabbay-Empia, einer Station der Miſſionäre bei Mombas, zurückgekehrt war, reiſ'te er von dort aus am 8. April 1849 nochmals ins Innere, um wo möglich den im Lande Uniameſi befindlichen See zu erreichen. Dieſes, das ſogenannte Mondland, liegt weſtlich von Kilima dſcha aro. Dr. Rebmanns Collegen, Dr. Krapf, zufolge iſt dieſer in Uniameſi liegende See mit dem großen See Südafricas, Nyaſſi genannt, nicht identiſch, aber wahrſcheinlich der See Zambre, von welchem die Portugieſen im 16. und 17. Jahr— hunderte berichtet haben. (The Athenaeum, Nov. 3, 1849.) Miſecellen. 50. Eine neue Gattung Capnodium, die ihre Stel⸗ lung im Syſteme neben Antennaria und Scoria erhält und deren Typus Fumago Citri Turp. iſt, hat C. Montagne, D. M. in den Annales des sciences nat., Avril 1849 aufgeſtellt. Die Spe⸗ cies derſelben wachſen unter allen Himmelsſtrichen an Blättern, Rinde und Holz, fructificiren aber nur in den gemäßigten Zonen in normaler Weiſe. Charakter: Peridium carnosum varium, cla- vatum, lageniforme aut ceranoideum, apice irregulariter rumpens, e strato dupliei formatum, exteriori seilicet colorato celluloso, cellulis inaequaliter penta-hexagonis, in ostiolo parallelogrammis linearibusque, interiori mucilagineo hyalino fere anhisto. Nu- cleus gelatinosus, bibulus. Asci late obovoideo - clavaeformes, mox deliquescentes, sporidia subsena oblonga transversim trisep- tata, tandem septis longitudinalibus accedentibus cellulosa, fus- 20 * 311 centia foventes. Thallus nigrescens, superficialis, libere evolutus, e lloceis brevibus contortis eylindricis aut moniliformibus ramosis articulatis fuseis dense intricatis (imbricatis?) compositis. 51. Eine bisher noch nicht unterſchiedene Spe⸗ cies von Ulex, welche die Mitte zwiſchen Ulex europaeus und Ulex nanus hält, findet ſich Hrn. Planchons Unterſuchungen zus folge in England (Dorſetſhire) und in Frankreich (Bretagne). Hr. P. hat ihr den Namen U. Gallii, nach le Gall, gegeben, da dieſer ſie in ſeiner eben gedruckten Flore du Morbihan zuerſt ſcharf von U. nanus und europaeus unterſchieden, obwohl fälſchlich als 240. XI. 20. 312 U. provincialis Lorisel., aufgeführt hat. U. Galli Planch. — U. altitudine medioeri: ramis adscendentibus ramulis foliisque (spiniformibus) sat robustis (fere ut in Ulice europaeo), viridi-glau- cescentibus; floribus mediocribus, aurantiaco-flavis, ad axillas foliorum adultorum solitariis; bracteolis oblongo-ovatis, parvis, calyce ad- presse puberulo; alis revera carina paulo longioribus, sed (in llore recenti) ob ipsarum curvaturam illius apıce superatis (fide cl. Toussaint); leguminibus ovoideo-oblongis, hirsuto-hispidis, calyce vix longioribus (fide cl. (e Gall). (Annales des sciences nat., Avril 1849.) Heilkunde. (XL.) über die Behandlung der Gretinen. Von J. H. Helferich. (Schluß.) Es iſt von Wichtigkeit, daß der Körper, um ſeiner Ausbildung willen, gewiſſen Arten von Bewegungen unter— worfen werde, weil die beſtändige Ruhe und das Stille— ſitzen und deren Folge, das gedankenloſe Hinbrüten, der Entfaltung ſeiner Anlagen und Kräfte höchſt ungünſtig ſind. Freilich widmet man gewöhnlich der Bewegung und Haltung des Körpers in früher Jugendzeit keine Aufmerkſamkeit; man hält das Kind im Arme, im Leitband oder Gängel— wagen, ſtatt es in ſeinen Bewegungen auch frei ſich er— gehen zu laſſen, wodurch Übung der körperlichen Kraft und Gewandtheit erzielt werden könnte. Es iſt beſſer, das Kind bewege ſich von Zeit zu Zeit, noch ehe es gehen kann, auf allen Vieren, als daß es, in Windeln und Kiſſen eingepackt, einen halben Tag und noch länger auf einer Stelle liegen bleiben muß. Iſt das Kind noch jung und zart, ſo wird man hier, wie in allem, weiſes Maß zu halten wiſſen. Hat es ſich im Freien, etwa auf einem weichen Raſen, bewegt, dann wird ihm die Ruhe, der Schlaf nur um ſo wohlthuender und erquickender ſein. Ihm immer nur zuzumuthen, daß es ſchlafen ſolle, daß ſich niemand mit ihm zu beſchäftigen brauche, iſt eine von den vielen verderb— lichen Thorheiten, die in der erſten Erziehung des Kindes begangen werden. Unterhaltung und Gewöhnung. Wenn bei vielen der erwachſenen Cretinen, welche noch unverkennbare Spuren geiſtiger Fähigkeiten und Kräfte in ſich tragen, den— noch die Stumpfheit ihrer Sinne, ihr Mangel an Übung im Sehen, Hören, Aufmerken und Sprechen, ihre Unfä— higkeit im Unterſcheiden der gewöhnlichſten Dinge und Er— ſcheinungen, ihre ganze geiſtige Verfaſſung darauf hinweif't, daß ſie weit hinter der Norm zurück geblieben ſind, ſo fin— det man häufig einen namhaften Grund mehr darin, daß man ſich in der früheſten Periode ihres Lebens zu wenig mit ihnen unterhalten, und nichts benützt hat, was ihre Aufmerkſamkeit hätte wecken und die Sinne üben können. Hiermit ſoll nicht geſagt ſein, daß dieſes durch ein ſchul— meiſterndes poſitives Einwirken und Anbilden hätte geſchehen ſollen; nein, in dieſer erſten Zeit ſoll die Natur ſich frei bewegen, und das, was geſchehen kann, muß darauf aus— gehen, daß alles entfernt werde, was die Thätigkeit der Naturkräfte hemmen oder irre führen könnte; die Aufmerk— ſamkeit des Kindes ſoll hingelenkt werden auf die großen und ſchönen Erſcheinungen in der Natur und Kunſt, was keine Schwierigkeiten hat. Wie frühe ſchon kann das Kind aufmerkſam gemacht werden auf die ſtrahlende Sonne, den Mond, nach dem es ja bald die kleinen Hände ausſtreckt, auf den Regenbogen, den fliegenden Vogel, die Hausthiere; wie bald dreht es den Kopf nach der Gegend, aus welcher es Muſik vernimmt, greift mit dem Wohlgefallen nach einer Blume, ſei es nur um ſie zu entblättern; es nimmt den leichten Stein in ſeine Hand, um ihn wieder fallen zu laſ— ſen; es greift nach ſeinen Spielſachen, um ſie in den Mund zu ſtecken oder wegzuwerfen; es unterhält ſich in ſeiner Weiſe gerne mit der Mutter und dem Vater und mit anderen Kindern. Dieſe und andere faſt unzählbaren geringfügig und gleichgültig ſcheinenden Dinge können ſehr fördernd und fruchtbar gemacht werden durch eine treue, verſtändige Pflege für die Entwickelung und das Gedeihen des kindlichen Le— bens als Übung der Sinne und Aufmerkſamkeit, als Mittel, daß das junge Leben erſt in ſich ſelbſt Wurzel faſſe, ſich gründe, belebe und ſtärke. Für dieſen einfachen natürlichen Unterricht iſt in jeder Umgebung ſo viel Stoff enthalten, daß man nur die Sinne öffnen darf, um ihn wahrzuneh— men. Wähle man nur, was gerade nahe liegt. Alles ge— ſchehe ohne Künſtelei, natürlich, kindlich. Nimmt man wahr, daß daß Kind alles und jedes intereſſelos an ſich vorüber ziehen läßt, daß ſeine Aufmerk— ſamkeit auch durch das auffallendſte nicht in Anſpruch ge— nommen wird, daß ſein Blick ſtets auf einen Punkt ſich richtet, daß der Frohſinn nicht jene Lieblichkeit auf dem An⸗ geſichte hervorruft, die uns ſo unwiderſtehlich zu den holden Kleinen zieht, und ganz beſonders, wenn das Lächeln, dieſe freundliche Sonne der kindlichen Lebenszeit, nicht in dieſelbe eintritt, dann muß nur um ſo ſorgfältiger und anhaltender der bezeichnete Weg eingeſchlagen und verfolgt werden, weil das Kind in Gefahr iſt, ein Cretin zu werden. Es wäre gewiß eben ſo intereſſant als lohnend, wenn man in dieſer früheſten Lebenszeit an einer gewiſſen Zahl von Beiſpielen genaue Beobachtungen und Vergleichungen darüber anſtellen würde, in welcher Weiſe und mit welchen ganz ſpeciellen 313 Merkmalen von Anbeginn an der Entwickelungsgang des cretinöſen von dem des geſunden Kindes ſich ſelbſt in ſeinen leiſeſten Andeutungen unterſcheidet und kennbar macht, und bis zu welchem Grade eine vernünftige Erziehung von hier aus im Kampfe gegen das Übel ihre Macht geltend machen kann. Wie verhalten ſich die Hirnarmen, deren Leiden immer angeboren iſt, und die, welche ſich ſpäter als Stumpf— oder Blödſinnige erweiſen? Man könnte auf dieſe Weiſe in pſychologiſcher Hinſicht gewiß noch manche wichtige Ent— deckung machen, ſowie ſchon Sömmering in phyſiologi— ſcher Hinſicht die wichtige Angabe ausſpricht, daß man an verſchiedenen Embryonen eine auffallende Verſchiedenheit in der Form des Schädels und mithin im äußeren Umriß des Gehirns bemerkt, wodurch vielleicht die künftigen Anlagen der Seele voraus angedeutet werden. Welchen weſentlichen Nutzen eine frühe Vorbereitung für die ſpäteren Jugendjahre hat, das zeigen am deutlichſten geſunde Kinder, welche in einer gut eingerichteten Klein— kinderanſtalt auf die eigentliche Schule vorbereitet wurden. Welcher Gegenſatz ſchon in ihrem ſechsten Jahre zwiſchen ihnen, die da lebendig, rührig, aufmerkſam und redſelig find, und jo vielen anderen Kindern, namentlich auf dem Lande, die, bis ſie in die Hände des Schullehrers kommen, in der elterlichen Wohnung kümmerlich vegetiren, weil hier das „Gehenlaſſen“ an der Tagesordnung iſt und bleibt, weil es bei den Altvordern auch ſo war, die ſtumpf, ſcheu und ſpracharm find, und leider, wenn fte in die Schule kommen, ſo oft nichts weiteres kennen als die alltäglichſten Gegenſtände aus dem Geſichtskreiſe des elterlichen Hauſes. Wohl dem Kinde, das frühe ſchon in die Hand einer Pflegerin kommt, die da weiß, wie die erſte Erziehung der zarten, bildſamen Natur am zweckmäßigſten zu leiten iſt! Die Erziehungsmittel ſind leicht und liegen nahe, darum iſt die gewöhnliche Vernachläſſigung um ſo unverzeihlicher. In dem kindlichen Leben übt die Gewohnheit eine große Macht; auf ihr beruhen zuletzt alle körperlichen und geiſtigen Fertigkeiten; ſie hat einen bedeutenden Einfluß auf die Modification des phyſiſch-pſychiſchen Charakters und wird, wie man ſagt, zuletzt zur anderen Natur. Jung ge— wohnt, alt gethan. Darum iſt es ſo ſehr wichtig, darauf zu achten, was der Menſch ſich angewöhnt, oder nicht. Es giebt Menſchen, deren ganze Erziehung nur auf der größeren oder kleineren Summe von guten oder böſen Angewöhnungen beruht. Aus dem Angeführten leuchtet von ſelbſt ein, wie ſehr ſchon bei den Kleinen darauf zu ſehen iſt, daß ſie ge— wöhnt, gut gewöhnt werden. Den tiefſtehenden Cretinen, denen in ihrem ganzen Leben die freie Selbſtthätigkeit fremd bleibt, kann man ihr Loos nur dadurch erleichtern, daß ſie menſchlicher gemacht werden durch das Walten einer conſe— quenten Gewöhnung. Fehlt dieſe, dann verſinken die Elen— den in eine dumpfe Trägheit und Unreinlichkeit und in je— nen faſt unbezwingbaren Eigenſinn und Jähzorn, wie er uns ſtets im Leben der nicht gewöhnten Cretinen entgegen tritt, Bringen Eltern ihre Kinder in eine Anſtalt und be— ſuchen ſie dieſelben nach einiger Zeit wieder, ſo finden ſie gewöhnlich, daß ſie ſich zu ihrem Vortheil geändert haben; 240. XI. 20. 314 fie ſehen, daß fie reinlicher, artiger, folgfamer, liebenswür— diger geworden ſind, was feinen Grund darin hat, daß fie gewöhnt wurden, indem dieſes, ſobald man die Liebe und das Zutrauen der Kinder gewonnen hat, das erſte iſt, was in ihrer Erziehung angeſtrebt werden muß, weil man aus vielſeitiger Erfahrung weiß, daß die allermeiſten unter ih— nen in größerem oder geringerem Grade verwöhnt, unrichtig oder gar nicht erzogen ſind. Die erſte Unterweiſung hat hauptſächlich darauf hinzuwirken, daß die Kinder gewöhnt werden, das einzelne genau anzuſehen, richtig zu bezeichnen und das vorgeſprochene wörtlich nachzuſprechen. Da viele dieſer Kinder, auch wenn ſie größer ſind, die üble Gewohn— heit ſchon haben oder leicht annehmen, alles nur abgeriſſen und in kindiſcher Weiſe zu benennen, und ſtatt in kleinen geordneten Sätzen ſich auszudrücken, immer nur fragmen⸗ tariſch ſprechen (J. B. ſtatt: Meine Mutter kommt; ich habe meinen Vater geſehen; die ſchöne Blume; das Kind weint; — Mutter kommt; Vater ſehen, Blume ſchön, Kindele weint), ſo muß man ſein Augenmerk beſonders darauf rich— ten, daß ſie ſich vollſtändig, richtig und deutlich ausdrücken. Unverfländige Pflegerinnen nähren und unterſtützen dieſe mangelhafte Sprechweiſe oft dadurch ſehr, daß ſie ſelbſt auch in dieſer Weiſe mit ihrem Pflegling ſich unterhalten, und wenn dieſes Jahre hindurch geſchieht, wurzelt ſich die Ver— kehrtheit leicht ſo tief ein, daß ſie nicht mehr ganz ausge— rottet und verbeſſert werden kann. Die Macht der Gewohn— heit behält alsdann den Sieg über den treueſten, ausharren— den Fleiß und alle pädagogiſchen Verſuche. Daher iſt es von großer Wichtigkeit, daß Cretinenkinder einer eigent— lichen für ſie beſtimmten Schule und Behandlung übergeben werden, um ſo mehr, da ihre von Natur ſo ſchwache Reiz— barkeit leicht übergeht in Unempfindlichkeit gegen die Ein— drücke der Außenwelt. Es wäre ſehr wünſchenswerth, daß recht oft gut ent— wickelte, geſunde, muntere Kinder unter die Cretinen ge— bracht werden könnten, die ſich mit ihnen durch Spielen, Reden, Singen u. dgl. unterhalten und als Vorbilder der Lebendigkeit und des Frohſinns vorangehen würden, da die Macht des Beiſpiels in der Kinderwelt, weil der Nachah— mungstrieb ſo ſtark hervortritt, ſehr viel vermag, und Cre— tinen ſelten gerne in näheren geſelligen Umgang mit ihres Gleichen eingehen. Indeſſen kann ich es nicht unterlaſſen, die aus meiner Erfahrung hervorgegangene Warnung hier auszuſprechen, beſonders jüngere, normal ſich entwickelnde Kinder nicht beſtändig in der Gemeinſchaft mit dieſen Gei— ſtesarmen zu laſſen, weil ihre Entfaltung jedenfalls verzö— gert und leicht auch einſeitig wird. Ich ſchließe dieſen Abſchnitt, indem ich einige Worte von Hrn Hofrath Dr. Zeller in Winnenthal, dieſem ſcharfſinnigen Beobachter im Gebiete der Geiſteskrankheiten, anführe, welche er in einem trefflichen Aufſatz in der Zeit— ſchrift für Pſychiatrie (Berlin 1844) 1. Bd. S. 52 u. 53 nieder gelegt hat, und die auch bei unſerem Wirken ihre volle Beſtätigung finden: „Daß eine mangelhafte und ver— kehrte Erziehung oft den Grund zu einer ſpäteren Seelen— ſtörung legt, iſt eine allgemeine Erfahrung, wie denn 315 überhaupt der Einfluß der Erziehung auf die leibliche und geiſtige Entwickelung und die Schickſale des Menſchen kaum in irgend einem anderen Verhältniſſe ſo ſichtbar wird, wie in ſolchen Krankheiten. — Wie jeder Gedanke und jedes Gefühl ſeinen leiblichen Reflex hat, ſo muß natürlich auch die ganze geiſtige Erziehung zugleich im leiblichen Leben ſich ein- und abbilden; und wie unter der Leitung einer ver— nünftigen Erziehung ſchwache Organe des Denkens ſich ſo ſicher ſtärken als Muskeln, Knochen und Bänder bei einer gehörigen Gymnaſtik, ja kein Organ hierin bildſamer und erziehbarer erſcheint als das Gehirn und geſammte Nerven— ſyſtem, ſo muß eine verkehrte Erziehung das beſte Seelen— organ zerrütten, und um fo leichter und gewiſſer eines, das ſchon von Natur disharmoniſch und ſchwach gebildet iſt. Darin liegt auch ein Grund welter, warum die Erblichkeit bei Seelenſtörungen eine ſo große Rolle ſpielt, da die Erzeuger in der Regel auch die Erzieher ſind, und die ſchlum— mernde Anlage zur Seelenſtörung durch die Unvernunft der letzteren früh erweckt und groß gezogen wird.“ (XLII.) Ertrauterinſchwangerſchaft bei einer Kuh. Vom Thierarzte Weinmann in Edenkoben. Die Bemerkung des Hrn. Profeſſors Hering im Re— pertorium Ster Jahrgang, Iſtes Heft, wo er einen ſolchen Fall von einer Hirſchkuh beſchreibt, daß noch ſehr wenige Ertrauterinſchwangerſchaften in der Thierheilkunde bekannt wären, ermunterte mich, die mir vorgekommene ebenfalls dem thierärztlichen Bublicum zur Kenntniß zu bringen. Ich habe zwar bei der Verſammlung der deutſchen Thierärzte in Frankenthal (ſiehe Dr. Kreutzers Centralarchis Jahrg. 2, Heft 2, Seite 194) die Ehre gehabt, die Sache unter Vor— zeigung des Präparates — das jetzt in unſerem Muſeum in Kaiſerslautern ſich befindet — vorzutragen, glaube aber doch, daß ſie einer weiteren Veröffentlichung nicht un— würdig iſt. Die Kuh, von der ich das Präparat erhalten habe, (8 Jahre alt, mittleren Schlages) war 12 Wochen vor— her von dem Quirnbacher Markte im Maſtrich *) in unſe— rer Gegend verkauft worden. Da ſie aber nicht rinderig wurde, und wenig Milch gab, übrigens aber ſehr gut ge— fleiſcht war, ſo wurde ſie an einen hieſigen Metzger verkauft und geſchlachtet, wobei ich zugegen war. Sowie die Bauchhöhle geöffnet war, ſah man zwiſchen Wanſt und Bauchwandung die handbreite, darmähnliche Verlängerung des linken Hornes und der Muttertrompete vom Uterus, an deren Ende, beinahe an der Leber, der Fötus beinahe ganz ohne Bedeckung lag. Nach deſſen Größe zu ſchließen, war die natürliche Schwangerſchaft in der 18. bis 20. Woche durch was immer für eine Urſache geſtört, 9 Es wax alſo keinerlei Nachforſchung über die Dauer ver Schwanger: ſchaft ꝛc. möglich, was ſehr zu bedauern 12 55. 1 240. XI. 20. 316 und der unvollkommene Fötus dann erſt in dieſe Lage ber: ſetzt worden; wo er war, ſagt wie lange? verblieb. Das Ganze ſah aus wie macerirt, war beinahe ganz vertrocknet, hatte aber gar keinen auffallenden Geruch. Der Körper des Fötus lag in einen Halbzirkel zuſammen gekrümmt, ſo daß der Kopf unter dem Bauche lag, war aber, wie geſagt, unvollkommen. Der untere Geſichtstheil, Naſe, Maul, Zunge, Zähne und der vordere Theil des Hinterkiefers fehlten gänz— lich, es war nur eine Augenhöhle, und dieſe unvollftändig, vorhanden; das Gehirn war nur auf einer Seite don Kno— chen bedeckt, Bruſt und Bauchhöhle waren offen, Herz, Lungen, Leber und ſonſtige Eingeweide normal, Geſchlechts⸗ theile fehlten. Von den Gliedmaßen waren nur die oberen Theile, und dieſe nicht alle, vorhanden. — Von dem praparirten Skelet ſind folgende Knochen vorhanden: 1) Kopf: 1 Oberhauptsbein in 3 Theilen, 2 Vorderhauptsbeine; das linke für ſich, das rechte mit dem Stirnbeine, Schuppentheil des Schlafbeins, Jochbein und die oberen Theile des großen Kieferbeins vereinigt, eine un— vollſtändige Augenhöhle bildend, Rudimente des linken Stirnbeins, unvollſtändiges Jochbein, Felſentheile des Schlafbeins, Paukenhöhlen, unvollſtändig und son den Felſentheilen getrennt, Keilbein in 2 Stücken, große Aſte des Zungenbeins, Hinterkieferäſte mit unvollſtändigen Gelenk— und Jochfortſätzen. 2) Hals: 6 unvollkommen ausgebildete Halswirbel, der 7te nur angedeutet. 34 Körper der Bruſt⸗, Bauch⸗, Lenden-, Kreuz- und Schweifwirbel, (meiſtens rund) mit vorderer und hinterer Fläche; fie hingen durch Knorpel zuſammen; dann 24 Paar davon getrennter Sei⸗ ten- und 8 ebenfalls getrennter Dorn- fortſätzen; alle mehr oder weniger un— ausgebildet, 10 Paar ausgebildete und 1 Paar unaus⸗ gebildete Rippen; das Bruſtbein fehlte. beſteht aus 4 Knochenſtücken, wovon das rechte Darmbein ausgebildet iſt. 5) Gliedmaßen: a. vordere: 1 ausgebildetes, 1 un⸗ ausgebildetes Schul= terblatt, 2 Ober: und 2 Vor: armbeine; b. hintere: 2 Oberſchenkelbeine. Alle anderen Kno⸗ chen fehlten von bei⸗ den Gliedmaßen. Nun fanden ſich aber noch im Körper des uterus, alſo ziemlich weit vom foetus entfernt, 6 Backenzähne (wovon d d 3) Rumpf: 4) Becken: 817 einer noch in einem Theile der Kinnlade ſteckt) in verſchie— denen Bildungsſtufen, 2 Unterſchenkelbeine, fünf Schien— beine, eines ſo groß wie das andere, und mehrere Knochen— rudimente. — Alle dieſe Theile lagen, gänzlich fleiſchlos, wie präparirt in ungefähr 2 Litres gelbtrüber geruchloſer Flüſſigkeit. Merkwürdig iſt, daß während die im uterus befindlichen Gliedmaßenknochen in gleichem Größeverhältniß zu denen des foetus ſtehen, und auch dort fehlen, die Zähne, be— ſonders aber der größte davon, durchaus nicht von dieſem foetus ſein können, denn obgleich er nur 3 Linien dick und 4 Linien hoch iſt, ſo iſt er aber einen Zoll lang, und kann alſo in der Zahnlade eines foetus von höchſtens 18 Wochen nicht geſteckt haben; er bedeckt die vorhandene halbe hintere Kinnlade allein vollſtändig. Sollte dieſer Umſtand, ſowie das Vorhandenſein eines fünften Schienbeins nicht auf die Vermuthung führen dürfen, daß ein zweiter koetus vorhanden geweſen ſei? freilich wären uns die Zähne und dieſer eine Knochen Zeuge dafür, alles andere wäre verſchwunden, was denn doch nicht viele Wahrſcheinlichkeit für ſich hat. — Das Vorkommen der anderen Knochen aber im uterus be— ſtätigt meiner Anſicht nach genügend die oben von mir ausgeſprochene Vermuthung, daß der foetus im uterus ges legen ſei, und erſt nach eingetretener Störung der Schwan— gerſchaft auf ſeinen Fundort verſetzt worden iſt. Bauchhöhlenſchwangerſchaft bei einer Hirſch— kuh. Die Bauchhöhlenſchwangerſchaft bei Thieren überhaupt kommt nicht ſo oft vor als dieſes beim menſchlichen Weibe der Fall iſt. Die Urſache des ſeltenen Vorkommens ſolcher Fälle bei Thieren mag in dem nur zu beſtimmten Zeiten des Jahres ſich äußernden Geſchlechtstriebe und der felteneren Befriedigung desſelben, ſowie in dem geringeren Einfluſſe der Gemüthsbewegungen auf dieſen Vorgang liegen, andrer— ſeits aber mögen auch manche Fälle dieſer Art vorgekommen und aus Mangel an Aufmerkſamkeit überfehen worden fein. Man unterſcheidet je nach der Stelle, in welcher das Ei ſich entwickelt, 1) die Eierſtocksſchwangerſchaft (Graviditas ovarii); 2) die Schwangerſchaft in der fallopiſchen Röhre (Grav. tubaria), und 3) die Bauchhöhlenſchwangerſchaft (Grav. abdominalis). Dieſe findet man am häufigſten. Die Aufmerkſamkeit der Thierärzte, und die Gelegen— heit, intereſſante Beobachtungen in den Journalen mitzu— theilen, hat in neuerer Zeit in wenigen Jahren mehrere Fälle von Extrauterinſchwangerſchaft bei Thieren bekannt werden laſſen, von denen folgende kurz beantwortet zu wer— den verdienen: 1) Hätzfeld, Thierarzt in Driedorf, giebt an, im Dec. 1832 eine Häſin geſchoſſen zu haben, welche 2 Säcke frei in der Bauchhöhle unter den Gedärmen liegen hatte, deren jeder ein ausgebildetes, aber lederartig vertrocknetes Junges enthielt; der Fruchthälter war völlig geſund. (Nebel und Vir Zeitſchrift I. Bd. S. 231.) 2) Walch ſchnitt bei einem Schafe eine in der Na— belgegend befindliche Geſchwulſt auf, welche neben vielem käſichtem Eiter ein ausgebildetes Lamm enthielt; der Sack befand ſich zwiſchen der Haut und den Bauchmuskeln, dieſe 240. XI. 20. 318 aber zeigten eine Narbe, welche ohne Zweifel von der Off⸗ nung herrührte, durch welche der koetus nach außen gelangt war. Das Mutterſchaf wurde geheilt. (Ebendaſ. III. Bd. S. 252.) 3) Wetherells Fall, in welchem ein Schaffötus hinter der linken Niere am Bauchfelle befeſtiget gefunden wurde (Veterinarian 1840 S. 167). 4) Greens Fall, der foetus war theils an die Bauch— wand der Mutter, theils ans Netz geheftet, mißgeſtaltet, wie es ſcheint, nicht völlig ausgebildet und nachher eingeſchrumpft (ebendaſ. 1842 S. 103). 5) Drouard beobachtete den Austritt eines Schaffötus durch die Bauchwand und die nachfolgende Heilung des Mutterſchafs (Recueil de Med. veter. 1842 S. 130). 6) Wilke fand bei einer Ziege, die eben geboren hatte, ein reifes Lamm mit den Eihäuten in der Bauchhöhle, die Nabelſchnur mit der rechten Beckenarterie correſpondirend (Gurlt und Hertwigs Magazin IX. Bd. S. 202). 7) Hildach führt ein in der Bauchhöhle liegendes mumificirtes Lamm an, das nach aller Wahrſcheinlichkeit 2 Jahre daſelbſt gelegen hat (ebendaſ. IX. Bd. S. 337). 8) Pfaneſtiel beſchreibt eine ſeeundäre Bauchſchwan— gerſchaft bei einer Kuh; der in der Bauchhöhle liegende foetus war noch durch die Eihäute mit dem uterus verbun— den, welcher einen Riß bekommen hatte, durch welchen der foetus in die Bauchhöhle gelangt war (Nebel und Vir Zeit— ſchrift IX. Bd. S. 365). In derſelben Zeitſchrift XIV. Bd. S. 262 ſteht ein Fall von Brandes, welcher bei einer Stute, die ausge— tragen hatte und Wehen bekam, das Fohlen durch den Fruchthälter hindurch in der Bauchhöhle gefühlt, den fol— genden Tag dasſelbe durch einen 14 Zoll langen Schnitt in den vorgefallenen Fruchthälter ausgezogen und den letz— teren dicht vor dem Muttermunde abgeſchnitten zu haben angiebt. Das Junge ſoll in einer neugebildeten Gebärmutter und den gewöhnlichen Eihäuten gelegen und erſtere ſoll ganz den Bau der wahren Gebärmutter, nur dünnere Wände ge— habt haben. Die Stute fand Brandes den folgenden Tag (nach der Erftirpation des Fruchthälters) ganz geſund und 5 Tage ſpäter konnte ſie wieder eingeſpannt werden. Dieſer Fall enthält ſo viel unerhörtes, daß man gezwungen iſt, entweder eine Myſtification zu vermuthen oder denſelben auf eine ganz natürliche Weiſe zu erklären, worin aber frei— lich die „Bauchſchwaͤngerſchaft“ wegfällt. Ohne Zweifel ſind noch manche ähnliche Fälle theils zerſtreut in der Literatur zu finden, theils bisher nicht öffent— lich bekannt gemacht worden; fo befist die Sammlung der hieſigen thierärztlichen Arzneiſchule zwei vertrocknete Ertra— uterinfötus aus der Bauchhöhle eines Mutterſchweins, welches die ſchlimme Gewohnheit hatte, ſeine Jungen aufzufreſſen und deshalb geſchlachtet wurde. Eben ſo iſt auch noch der Extrauterinfötus einer Hirſchkuh vorhanden (Hering, Repert. der Thierheilk. IX. 1). 319 Miſcellen. (37) Cynanche sublingualis rheumatico-typhoi- des, die von Dr. v. Ludwig in Stuttgart beſchriebene und in den „Notizen“ mehrfach beſprochene beſondere Halsentzündung iſt in der deutſchen Klinik 4. von Dr. Cnopf beſprochen. Die Ent⸗ zündung läßt den Schlund frei, zeichnet ſich durch Holzhärte der roßen Geſchwulſt unter der Zunge, beſtimmte Begrenzung und Freiheit der Drüſen aus. Früher bezeichnete man in der Regel Verkaltung als die Gelegenheitsurſache, in dem hier mitgetheilten Falle ging eine Operation an der Zunge vorher, wodurch ein Krebs— geſchwür ausgeſchnitten wurde. 3 Tage nachher zeigte ſich die Ge— ſchwulſt am Halſe von charafteriftifcher Härte, fie breitete ſich aus und mußte an mehreren Stellen geöffnet werden; auf dieſe Weiſe wurde ein ſehr übel riechender in das Gewebe infiltrirter Eiter entleert, ohne daß die Schmerzen nachließen. Der Verf. bezeichnet hiernach als Urſache der Krankheit eine Eiterreſorption, dies iſt für den vorliegenden Fall auch ganz gut anwendbar, indem von der Wunde an der Zunge zunächſt die Entzündung auf die Ton— ſillen und deren benachbartes Gewebe überging, hier unter den Faſcien zu Brand und Jauchebildung ſich ſteigerte, worauf dieſe Flüſſigkeit, welche die Venen umfpülte, reſorbirt wurde und fo das typhöſe Fieber veranlaßte. Ob dieſelbe Urſache für die Krank— heitsform im allgemeinen gilt, möchte zu bezweifeln ſein. (38) Große Doſen Chinin gegen Wechſelfieber, allerdings da, wo es eigentlich nicht endemiſch, alſo auch nicht vor— zugsweis hartnäckig iſt, erprobte Pfeufer zu Heidelberg. Beſon— ders wegen des hohen Preiſes des Chinins war eine Erſparniß durch raſche Heilung wünſchenswerth, als bei dem badiſchen Bürgerkriege namentlich viele Militärs zu behandeln waren. Pf. ließ am fie- berfreien Tage 10 Gran Chinin mit Extr. Millefolii g. s. zu 4 Pillen machen und auf ein Mal nehmen. Das Mittel wurde ohne alle Zufälle gut vertragen und in der Regel kam der nächſte Anz fall nur in einer leiſen Andeutung und blieb dann ganz aus; Recidive kamen nicht zur Kenntniß und der Verf. ſieht ſich nach ſeiner Erfahrung zu den beiden Sätzen veranlaßt: 1) 10 Gran Chinin auf ein Mal gereicht, bringen keine ſichtlich pathiſchen Er— ſcheinungen zu Wege; 2) dieſe Doſis am ſieberfreien Tage eines reinen Wechjelftebers gegeben, iſt zur Heilung hinreichend. (Henle und Pfeufer Zeitſchr. f. rat. Med. VIII. 1 und 2.) (39) Die Behandlung des acuten Gelenkrheum a⸗ tismus mit großen Gaben Opium, wie ſie Corrigan empfohlen hat, modificirt und beſchränkt Dr. Kerſten (in der deut⸗ ſchen Klinik 2.) auf die Fälle, wo keine Symptome von endocar- ditis oder pericarditis vorhanden ſind, wo kein Reizfieber und keine gaſtriſchen Complicationen beſtehen. Alſo bei reinem ſchmerzhaf—⸗ ten Gelenkrheumatismus giebt er alle 3 Stunden 1 Gran Opium mit 10 Gr. Zucker und ſteigt täglich um ½ oder ½ Gr. Opium pro dosi. Tritt Schlaf ein, fo wird das Mittel einige Tage in 240. XI. 20. 320 gleicher Stärke fortgegeben, ſtellen ſich dann Kriſen ein und hat die Schmerzhaftigkeit völlig nachgelaſſen, fo geht man mit den Ga: ben des Mittels in gleicher Weiſe wieder rückwärts. Das Mittel wird immer rein gegeben, höchſtens wendet man örtlich noch Blut⸗ entziehung, graue Salbe und Einwickelung mit Watte 1c. an. Den Hauptwerth ſeiner Methode ſucht der Verf. in dem allmäligen Stei⸗ gen und Fallen mit der Doſis des Mittels, indem dadurch nament⸗ lich nicht zu früh aufgehört werde, alſo der Pat. vor Rückfällen mehr geſichert fei. (40) Über die Haut, welche ſich am beften zu plaſti⸗ ſchen Operationen eigene, äußert ſich Langenbeck in Ver⸗ lin, daß die der Extremitäten ſich größtentheils nicht eigne, ausge⸗ nommen davon wird die Haut der Handteller, wie ſich namentlich bei der operativen Heilung der Narbencontracturen der Finger nach Verbrennungen dann zeigt, wenn man nach Ablöfung der in dem Handteller angewachſenen Finger die geſunde Haut des Handtellers nach beiden Seiten bis zum Handrücken loslöſ't und nach der Mitte zuſammenzieht. Ferner ausgenommen wird die derbe Haut an der Streckſeite des Knies, die ſich ſelbſt zur Überhäutung ſchlecht ge⸗ heilter Amputationsſtumpfe eignet. Sehr geeignet zu Transplan⸗ tationen ſind die Haut des Rückens und der Bauchwand; z. B. bei spina bifida entleert man den Sack durch Punction und überhäutet denſelben mit der an beiden Seiten abgelöf’ten Haut des Rückens, desgleichen bei inversio vesicae, welche L. vor kurzem durch Überhäutung zu heilen verſucht hat, wovon der Erfolg in⸗ deſſen ſich noch nicht ermeſſen läßt. Das paſſendſte Mittel zu Transplantationen iſt aber jedenfalls die Geſichtshaut, und zwar zu Hautlappen die Haut von Stirn, Naſe und Ohr, zu Hautver- aiehung, bagegen die der Wangen und Lippen. (Deutſche Klinik und 3.) (41) Zur Beſeitigung der Gefährlichkeit der Reiß⸗ pflanzungen in Betreff der Sumpffieber hat Hr. Sor⸗ goni vorgeſchlagen, man ſolle dieſe Pflanzungen ſo einrichten, daß das Waſſer reichlich durchrieſele und nirgends ſtagnire. Dieſer theo— retiſche Rath wird in dem Raccogliatore medico Febr. 1849 von Hrn. Vivarelli als Stubenweisheit hingeſtellt, indem er zeigt, daß es zur Ausführung dieſer ſanitätspolizeilichen Vorſchläge in den Ebenen der Lombardei nicht etwa blos des Po, ſondern des Miſſiſippi oder Rio de la Plata bedürfte. (Gaz. méd. de Paris, 10. Nov. 1849.) (42) Zur Diagnoſe des Kopfſchmerzes von orga⸗ nifher Gehirnkrankheit empfiehlt Romberg Verſuche mit erſpiratoriſchen Bewegungen, Nieſen, Huſten, Preſſen, — weil das durch das große Gehirn gegen die Schädeldecke gedrängt werde und der Schmerz zunehme; während durch Compreſſion der Carotiden im Gegentheil das Hirn collabire und der Schmerz ſich mindere. (Deutſche Klinik 1.) Bibliographiſche Neuigkeiten. Berichte über die Mittheilungen von Freunden der Naturwissenschaften in Wien; gesammelt und herausgegeben von W. Haidinger. V. Bd. gr. 80. Geh. 1 Thlr. 6 Ngr. J. Müller, über die fossilen Reste der Zeuglodonten von Nordamerica mit Rücksicht auf die europaischen Reste aus dieser Familie. Imp. Fol. In Mappe. 18 Thlr. J. Müller, über die Gattung Camtula Lam. und ihre Arten. — Bemer- kungen über die Fussknochen des fossilen Gürtelthieres, Glyptodon clavi- pes Cu. gr. 40. In Comm. Geh. 1 Thlr. YVollenhoven, S. C. van Snellen, Bijdrage tot de Fauna van Nederland. Namlijst van schildvleugelige Insecten (coleoptera). gr. 8°. Haarlem, van Arum. 1 fl. 80 c. B. Cotta, Leitfaden und Vademecum der Geognosie, als 3. Aufl. des Grund- risses der Geognosie und Geologie. gr. 80. Geh. 2 Thlr. 12 Ngr. F. A. Longel, Anatomie und Physiologie des Nervensystems des Menschen und der Wirhelthiere. Aus dem Franz. von J. A. Hein. II. Bd. 4. u. 5. Lieferung. (Schluss.) gr. 8. 1%, Thlr. C. Ph. Falck, Handbuch der gesammten Arzneimittellehre mit Einschluss der Toxicologie. 3. Hft. Imp. 4%. 24 Ngr. 8 K. Ch. Anton, vollständiges, pathologisch geordnetes Taschenbuch der be- währtesten Heilformeln für äussere Krankheiten, einschliesslich der Augen-, Ohren- und Zahnkrankheiten. 8. Gel. 12 Thlr. Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Weihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medicinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. No. 241. (Nr. 21. des XI. Bandes.) December 1849. Naturkunde. Hooker, Höhe des großen Plateaus von Thibet. — Miſcellen. Purkinfe, Unterſuchungen über ven Hausſchwamm. Martin, Nah⸗ rung der glatten Natter. Kap⸗Alos. — Heilkunde. Clemens, Furunkelepidemie, entſtanden durch den Genuß von hydrothionſaurem Brunnenwaſſer. — Miſcellen. Leichenhäuſer. Blaſius, scintillatio pupillae. — Bibliographie. Naturkunde. XXXIX. Höhe des großen Plateaus von Thibet. Brief von F. D. Hooker. Tungu, nordöſtlich von Sikkim. Höhe 13,500 Fuß, den 25. Juli 1849. Ich habe meinen Zweck erreicht und jenſeit der Grenze von Sikkim hinter den ſämmtlichen Schneegebirgen in einer Höhe von 15,500 Fuß auf dem Tafellande von Thibet geſtanden! Als ich das letzte Mal ſchrieb, ſchmeichelte ich mir, der Weg ſtehe mir offen und des Tſcheba Lama's Brief habe alle Hinderniſſe beſeitigt. Er half mir einen Tage— marſch weiter, und nicht mehr. Der Beamte von Singtam war mir zwar freundlich geſinnt, hatte aber keinen Auftrag, mir wirkſamen Beiſtand zu leiſten. Er erklärte alſo, er kenne den Weg durchaus nicht; der Saubah von Lachen machte es nicht beſſer. Ich konnte nichts thun, als mich mit Geduld waffnen. So ſchlug ich ruhig mein Zelt auf, ſagte den Häuptlingen, wir ſeien die beſten Freunde und ſchickte nach den vom Tſcheba Lama ertheilten Inſtructionen, welche beſagten, daß ich bis an die Grenze reiſen könne, welche, wie ich wußte, noch zwei Tagemärſche entfernt, auf dem Berge Kongra Lama, ganz nahe bei einem chineſiſchen Wachtpoſten war. Der Saubah von Singtam benahm ſich gegen mich höflich; allein um mich von dem Plane, Thibet zu betreten, abzubringen, behauptete er, der Ra— dſchah habe mich über alle Maßen lieb, und die Sorge um mein Heil ſei die Triebfeder aller ſeiner Handlungen; wenn ich in einem Bergſtrome ertränke, wenn mir ein Unheil irgend einer Art widerführe, ſo würde mir wenigſtens ein Heiligenſchrein zu Lhaſſa und eine jährliche Todtenfeier zu Theil werden; deshalb beſchwöre er mich, mein eigenes Heil zu bedenken und nach Dardſchiling zurückzukehren. Je höflicher er wurde, deſto höflicher wurde ich. Dennoch er— No. 2221. — 1121. — 241. klärte ich, meine Inſtruction laute jo beſtimmt, daß ich nicht umkehren dürfe, ſondern Dr. Campbells (des Re— ſidenten) Befehle abwarten müſſe, welche unter 20 Tagen nicht anlangen könnten. Hiermit erklärte ſich mein Freund, der wohl wußte, daß uns die Lebensmittel ausgegangen ſeien, mit einem Lächeln einverſtanden. Er ſchmeichelte ſich, er werde uns bald ausbungern; allein ich meinestheils wußte, daß der Radſchah dem Saubah und ſeinen Kulis nur für 6 Tage Lebensmittel zugeſtanden hatte! Mein Lager befand ſich in einer Höhe von 11,500 Fuß und ich hatte Beſchäftigung vollauf, neue Pflanzen in Menge zu ſammeln, Beobachtungen zu machen, und ſo gingen 9 — 10 Tage in angeſtrengter Thätigkeit vorüber. Der Saubah beſuchte mich jeden Morgen und unterhielt ſich lange mit mir. Er iſt ein gejcheidter Mann, der Lhaſſa und andere Orte be— ſucht hat, und er theilte mir offen viel wiſſenswerthes und alles was er wußte mit. Als wir eines Tages von den Bergketten ſprachen, bat ich ihn, mir eine Skizze von de— nen, welche Sikkim begrenzen, aufzuzeichnen. Er ließ ſich einen großen Bogen Papier und ein Stück Kohle geben und ſchickte ſich an, die Berge aus Sand nachzubilden. Ich ließ Reiß bringen, und obwohl wir deſſen nur ſehr wenig hatten, ſtreute ich denſelben nachläſſig umher. Er riß die Augen bei dieſem unerwarteten Überfluſſe weit auf, und nachdem ich ihm Lebewohl geſagt (hier zu Lande iſt es Sitte, die Beſucher zu verabſchieden), war mein Reiß ver— ſchwunden, was mir keine hohe Meinung von ſeinem Spei⸗ cher beibrachte. Bald darauf bot er mir ſelbſt an, mit mir nach Tungu zu reiſen, welcher Ort, jedermanns Aus⸗ ſage nach, jenſeits der Grenze liegt. Ich willigte unter der Bedingung ein, daß ich mein Zelt mitnehmen dürfe. Dies wagte er nicht zu erlauben, weil Tungu in Chihn (Thibet) liege, worauf ich erwiderte, daß, da ich verjpro= 21 323 chen habe, Thibet nicht vor dem Eintreffen meiner Imftruc- tion von Dardſchiling zu betreten, ich bis dahin warten würde. So war er wieder abgeführt. Am 10. Tage mei— ner unfreiwilligen Raſt gefiel es dem Himmel, meinen Peiniger mit einem Anfall von Kolik heimzuſuchen, ſo daß er mir ſeine Morgenviſite nicht machen konnte, und da ich nicht nach ihm fragte, ſo glaubte er, ich ſei böſe auf ihn und wagte nicht, mich um Arznei zu bitten. Das Übel war durch wildwachſende Kräuter und Früchte veranlaßt worden, die der Arme gegeſſen hatte, um ſich das Leben zu friſten. Abends kam ein Diener mit der Botſchaft, ſein Herr befinde ſich ſehr übel und werde wohl ſterben; dabei ſuchte er mir die Leiden des Saubah dadurch begreiflich zu machen, daß er mit den Fingern über der Magengrube knetete. Ich ſchickte ihm ſogleich eine gute Doſis Mediein, und am folgenden Morgen war mein Patient auf den Bei— nen, ſah aber jämmerlich aus. In der Dankbarkeit ſeines Herzens ſagte er mir, er habe von einem Orte Namens Kongra Lama gehört und wolle mich dahin führen, wenn ich verſpreche, nicht länger als eine Nacht zu Tungu zu verweilen. Ich wiederholte meine frühere Erklärung, ich werde Thibet nicht eher betreten, als bis meine Inſtruction angelangt ſei. Allein er ſagte: Tungu liegt nicht in Thi— bet. „Alſo in Sikkim?“ erwiderte ich. „Allerdings!“ „Nun wohl, wenn das der Fall iſt, ſo wollen wir alle morgen früh dahin gehen, und ich werde dort bleiben, ſo lange es mir beliebt.“ So konnte er nur lächeln und einwilligen. Samdong (der Name bedeutet: Brücke) heißt der Ort, wo alle obigen Verhandlungen Statt fanden. Es liegt etwa 8 Miles nördlich von der Gabel des Zemu und Lachen in einem verkrüppelten Walde von Wachholder und Abies Webbiana, am Fluſſe Lachen. Zu beiden Seiten ſteigen niedrige grasreiche Berge an, die von ſeltenen Pflan— zen wimmeln. Marſchige Gründe ziehen ſich an den beiden Ufern hin, wo die Yaks gute Weide finden. Mein Herba— rium ward ſchnell um 50 bis 60 Species reicher. Fünf bis ſechs Miles nördlicher wird das Thal breiter und die Hügelreihe noch grasreicher; auch dort fand ich viel neue Pflanzen. Geſtern gingen wir über den Paß und betraten Thi— bet, indem mein Freund, der Saubah, uns als Führer diente. Er machte dabei unzählige Entſchuldigungen. Die Chineſen, behauptete er, hätten gedroht, ihm den Kopf ab— zuſchneiden, wenn er je einen Fremden über die Grenze laſſe. Ich erwiderte, ein Engländer erreiche ſeinen Zweck immer, wenn nicht in einem Tage, doch im Laufe der Zeit. Jetzt betheuerte er, ich ſolle alles, auch das geringſte erfah— ren; er wolle mir alles zeigen, und ich müſſe ſeine Frau in ſeinem ſchwarzen Zelte an der Grenze beſuchen. So hat ſich denn das Blatt gewendet, und die Bhoteas zeigen ſich nunmehr jo höflich, mittheilend und dienſtwillig, als ſie früher feindſelig und halsſtarrig waren. Der Paß liegt etwa 10 Miles nördlich von der Stelle, wo ich ſchreibe. Wir hatten thibetaniſche Bergpferdchen; allein ich ging den größten Theil des Weges zu Fuße, in— 241. XI. 21. 324 dem ich gewaltig viel neue Pflanzen don thiberaniihem Ty⸗ pus ſammelte. Über dieſem Orte iſt der Fluß Lachen, welchem wir folgten, von zwei gewaltig hohen Bergen ein- geſchloſſen, während ſich hart am Ufer Niederungen oder grasreiche Hügelchen befinden. Kurze Zeit begleiteten uns eine kleine Juniperus- und Rhododendron-Art; ſpäter ſah man nichts, als kurzen Raſen und Steine, moraſtige Flä— chen und ſpitze Felſen. Die Vegetation war dürftig, aber ſehr mannigfaltig. Die Thibetaner kommen im Sommer herüber, um ihre Paks weiden zu laſſen und wohnen dann in ſchwarzen Zelten von Pferdehaar. Wir ſahen deren zwei, und ich hielt an, um in eines derſelben einzutreten. Ich fand darin nur ein hübſches, chineſiſch ausſehendes Mädchen, eine luſtige Dirne, die mir ein Stück Käſematten anbot. Dieſe Leute fabriciren den ganzen Sommer über Butter und leben von Käſematten, Kräutern, Milch und Buchweizenbrod. Nur die Reichern können Reiß kaufen. Sie haben zwei Arten von Butterfäſſern. In dem einen, der ein Schlauch aus Ziegenhaut iſt, wird der Rahm ein— geſchloſſen und dann geſchlagen, geſtampft und gerollt. Das andere beſteht in einem etwa 3 Fuß langen Kaſten voll aufrecht ſtehender Rhododendron-Zweige, die ſchon mit Butter überzogen ſind, aber von Maden wimmeln. Die Zelte ſind geräumig und waſſerdicht und dennoch von ſo lockerem Gefüge, daß Wind und Rauch durchſtreichen. Ei— nige Miles weiterhin erreichten wir die Zelte Peppins, des Saubah von Lachen, und wurden von deſſen Frau und Familie ungemein liebreich empfangen. Die ganze Familie kauerte innerhalb des Zeltes in einem Kreiſe, in welchem ich auf einer ſchönen, chineſiſchen Matte obenan ſaß. Die Frau des Saubah machte dann Backſteinthee mit Salz und Butter, und jeder don uns holte feinen Bhotea-Becher her- vor, der beſtändig voll gehalten wurde. Käſematten, gerö- ſteter Reiß und geſtampfter Mais wurden vollauf herumge— reicht, und wir ließen es uns trefflich ſchmecken; denn Back— fteinthee und Käſematten find eines meiner Leibgerichte. Unſer Feuer wurde mit Wachholderholz unterhalten, und die thönernen Gefäße waren zu Didſchartſchi angefertigt. In einem Fäßchen von Bambusrohr wurden der Thee, das Salz und die Butter vor dem Sieden zuſammengerührt. Mittlerweile bellte mein armer Hund Kinchin, welcher au— ßerhalb des Zeltes angebunden war, einen gewaltigen Bhotea— Hund, ein prächtiges Thier, welches ihn gern gewürgt hatte, wüthend an. Plötzlich erſchallte ein gewaltiger Knall, wie ein Donnerſchlag, im Thale. Meine Begleiter ſprangen in die Höhe und riefen, ich möchte das weite ſuchen; denn die Berge fielen ein und es breche ein heftiges Gewitter los. Wir ſetzten unſern Weg 5 — 6 Miles weit durch dicken Nebel fort, und das Getöſe der vom Kintſchin-dſchau auf der einen, ſowie vom Choimoimo auf der andern Seite herabſtürzenden Maſſen war furchtbar. Nie hörte ich etwas ähnliches, wenn nicht etwa ſtarke Donnerſchläge. Glücklicherweiſe kann kein Felſenſtück auf die Sohle des Thales ſelbſt gelangen, weil ſich am Fluſſe hin niedrige Hügel ziehen. uns bis auf die Haut durchnäßte. Als wir höher ſtiegen, Bald ſtürzte ein heftiger Regen herab, der 325 erweiterte ſich das Thal allmälig, und als wir uns in einer Höhe von 15,000 Fuß befanden, gelangten wir auf ein weites Tafelland, das aus einer Aufeinanderfolge von platten Terraſſen beſteht, die dürftig mit Gras bewachſen ſind, und zwiſchen denen ſich der Lachen hinſchlängelt. Fünfhundert Fuß höher befanden wir uns auf dem Rücken eines langen, platten Gebirgskammes, welcher das nordweſt— liche Ende des Kintſchin-dſchau mit dem Choimoimo ver— bindet und hier ſtand die Grenzmarke, ein kegelförmiger Steinhaufen. Glücklicherweiſe heiterte ſich das Wetter auf, ſo daß wir in die Ferne ſchauen konnten. Gegen Norden fiel das Plateau in auf einander folgenden niedrigen Höhenzügen ab, über denen die Wolken, welche uns durchnäßt hatten, noch hingen. Gegen Oſten war der Himmel blau, und man erblickte dort niedrige Bergzüge des hohen Tafellandes, wel— ches ſich hier an die hohe Kette anlehnt. Weſtlich beſchränk— ten die Spitzen des Choimoimo und viel Nebel den Hori— zont. Südöſtlich ſtieg der Kintſchin-dſchau, eine abgeplat— tete Schneekuppe von 20,000 Fuß Höhe, aus Felſen und Trümmerhaufen jäh empor. In Südweſten zeigte ſich das ebenfalls ſchneebedeckte Haupt des Choimoimo, während ge— gen Süden zwiſchen dieſen Bergen das Plateau in das trichterförmige Thal des Lachen abfiel. So ftand ich dann endlich, nach Beſiegung von Hinderniſſen aller Art binnen drei Monaten, auf dem Kamme des Himalapagebirges und auf deſſen nördlichſter Wendung nach dem mittleren Ge— birgsſtocke desſelben. Denn dieſe Stelle liegt viel nördlicher als Kintſchin-dſchungg und Tſchumalari oder die Nipal— Päſſe, welche ich vergangenen Winter beſucht habe. Sie öffnet ſich direct auf das Plateau von Thibet, ohne daß, wie zu Kanglachen und Wallongtſchung, ein Schneegebirge und noch fernere Schneekuppen dazwiſchen lägen. Hier löſ'te ich noch ein anderes großes Problem, nämlich die Höhe der Schneelinie. Sonderbarerweiſe war auch nicht ein Fleckchen Schnee auf unſerem Wege zu ſehen, ſelbſt nicht auf den ſich 1500 Fuß über meinen Stand— punkt erhebenden Bergen. Die Schneelinie befindet ſich in Sikkim, auf der indiſchen Abdachung des Himalaya, unter 15,000 Fuß, auf der thibetaniſchen (nördlichen) Seite aber über 16,000 Fuß! Ich zeichnete eine Skizze von dem Panorama um uns auf vier Bogen Papier, und zwar, wie man ſich denken kann, in größter Eile, da wir bis auf die Haut naß waren und ein heftiger Wind wehte. In der Höhe von 15,000 Fuß bin ich überdies ſehr übel daran; ich habe Schwindel und heftige Schmerzen, als ob mir der Kopf in einen Schraubſtock zuſammengepreßt würde; meine Schläfen klopfen und ich bekomme Recken, als ob ich ſeekrank wäre. Gerade über 15,000 Fuß beginnt eine ganz neue Flora; allein ſo wie man das Tafelland betritt, verſchwin— den neun Zehntel derſelben, und auf der faſt kahlen Erde ſteht man keine andere Vegetation, als eine Species Poten- üllla, Ranunculus, Morina, Cyananthus, Carex und eine Gras art. Es iſt kein Dama (Caraguna), kein ſtrauchartiger Astragalus in dieſem Theile Thibets, wie man ſie im nord— 241. Xl. 21. 326 weſtlichen trifft, zu finden und der Trichaurus, welcher ſich, wenn man ſich Thibet von Indien aus nähert, in einer Höhe von 12 — 13 Tauſend Fuß zeigt, reicht nicht bis zu dieſem Paſſe hinauf. Wie ich es zu finden erwartete, iſt an dem Wendepunkte, wo die Alpenflora des Himalaya bald der thibetaniſchen Unfruchtbarkeit weichen muß, ein plötzlicher Wechſel in der Vegetation und ein Auftreten von Species wahrzunehmen, welche füplicher in gleicher Höhe nicht vorkommen. Auf den letzten 5 Miles Weges ſam— melte ich z. B. 10 Astragalus-, 7 Ranunculus-, 6 Pedicula- ris-, ſowie mehrere Fumaria- und Potentilla-Arten, die mir ſämmtlich neu waren, und zwar zwiſchen 14,500 und 15,500 Fuß Höhe. Wir machten uns mit getrocknetem Pat-Miſt ein Feuer an, das wir mittelft eines Ziegenfell— balges, an dem ſich als Mundſtück ein Yak-Horn befand, anfachten. Meine armen, klappernden Lepchas konnten ſich kaum erwärmen, weshalb ich ihnen, da ich überhaupt warm gekleidet war, meinen Mantel überließ. Ich ver— weilte 1½ Stunde auf der thibetaniſchen Seite der Grenze und beobachtete den Thermometerſtand, ſowie den Siedepunkt des Waſſers. Bei unſerer Rückkehr klärte ſich das Wetter herrlich auf, ſo daß ſich die früher genannten hohen Berggipfel prächtig ausnahmen. Sechs Tauſend Fuß hoch ſteigen ſie jäh in die Höhe und recken ihr Haupt aus dem Nebel her— vor. Ihre ſchwarzen mauerartigen Wände ſind ſtellenweiſe mit Eis belegt und auf den platten Gipfeln ſitzt eine Mütze von grünem Schnee, die meiner Schätzung nach 2 — 3 Hundert Fuß dick if. Südlich nach der Schlucht verläuft ſich das Gebirge in niedrige Rücken und ſteigt dann 20 Miles ſüdlicher unter der Breite der großen Kette zu mit ewigem Schnee bedeckten Gipfeln auf. Wir hielten uns wieder einige Minuten bei Peppins Zelten auf, um Thee zu erhalten, und in der Abenddämmerung ſtiegen wir zu Pferde, denn ich leide an Nachtblindheit. Der un— lenkſame und unbeſchlagene tartariſche Pony, den ich ritt, that nie einen falſchen Tritt; ſcharfe Felſenblöcke, tiefe ſtei— nige Bergſtröme, ſchlüpferige Pfade und pechrabenſchwarze Nacht galt ihm alles gleich. Stillſtehend nehmen ſich dieſe Ponys ſehr ſchlecht aus, allein der Saubah von Singtam, welcher volle 16 Stein wiegt, ritt auf dem ſeinigen 30 Miles des ſchwierigſten Terrains bergab, und außer daß die Thiere zuweilen ſtill ſtanden und ſich, wie Hunde, ſo heftig ſchüttelten, daß ich beinahe abgeworfen worden wäre, ließ ſich weder an meinem, noch an feinem Roſſe das ges ringſte Zeichen von Ermüdung erkennen. Ich möchte gern hier einige Zeit verweilen; allein ich kann auf keine Weiſe Lebensmittel erhalten. Der Weg von hier nach Tſchungtam iſt ſo ſchlecht, daß die Kulis wenig mehr als ihren eigenen Proviant und ihre wollenen Decken fortbringen können. 6 Der unglückſelige Saubah von Singtam zittert vor Begierde, abzureiſen, und da ich von Tſchungtam nach dem nur 12 Miles öſtlich von dieſem Paſſe liegenden Latſchong— Paſſe zu gehen gedenke, fo finde ich dort vielleicht nur die— ſelben Pflanzen wieder; allein jener Paß iſt, fürchte ich, I 327 17,000 Fuß hoch, und dann wehe meinem armen Kopfe und Magen, und er öffnet ſich wahrſcheinlich nicht auf die— ſes Plateau, ſondern fällt gegen dasſelbe, 10 — 12 Miles öſtlich von Kongra Lama und Kintſchin-dſchau, ab. Der Weg von Tſchungtam iſt gut, weiter unten, von Tſchung— tam bis Dardſchiling graſſirt das Fieber. Meine Leute be— tragen ſich vortrefflich, und ich höre nie die geringſte Klage; allein es dauert mich, wenn ich einen armen Kerl, den das Fieber ſchüttelt, das er bekommen hat, weil er auf dem Wege von Dardſchiling in den Thälern gefchlafen hat, ohne Gepäck anlangen ſehe; hohläugig, mit klopfenden Schläfen, einem Pulſe von 120 Schlägen in der Minute und durch— aus unfähig, mich mit dem heitern Lächeln zu grüßen, das ich an dieſen gutmüthigen Geſchöpfen zu ſehen gewohnt bin. Gewöhnlich ſchlagen Chinin und Calomel in dieſer Gegend bei meinen Patienten an. Hier und zwei Tage— märſche unterhalb Tſchungtam hat natürlich die Sache we— nig auf ſich, und wenn meine Leute etwas vorſichtiger wären, würde keiner erkranken; allein obgleich ich jeden, der nach Dardſchiling abgeht, warne und Campbell dies gleichfalls thut, wenn er ſie zu mir zurückſchickt, ſo ſind ſie doch ſo fahrläſſig, daß ſie an den ungeſundeſten Orten im Sikkim ſchlafen, wo ich unter keiner Bedingung ſtill halten würde. Meine Arbeit, d. h. das Sammeln von Pflanzen, iſt übrigens noch nicht zur Hälfte fertig, obgleich ich vom Morgen bis in die Nacht botaniſire und einlege. Regnen thut es hier faſt gar nicht, aber deſto häu— figer find die Nebel, und es macht mir viel Mühe, mein Herbarium trocken zu halten. Zum Glück ſind die Exem— plare klein. Zu Dardſchiling gedenke ich erſt im Septem— ber oder October wieder einzutreffen. Deshalb brauchen Sie nicht zu befürchten, daß ich das Fieber bekomme; denn un— ter 6000 Fuß über der Meeresfläche werde ich nicht hinab— ſteigen, und in den letzten 2 Monaten habe ich mich ſtets über 10,000 Fuß befunden. Meine Lebensweiſe iſt müh— ſelig, aber kräftigend geweſen, und obgleich ich mit keiner Seele reden kann, ſo habe ich doch nie Langeweile ver— ſpürt. Das Etikettiren der Pflanzen und Schreiben meines Tagebuches giebt mir vollauf zu thun. (Hookers Journal of Botany, Nov. 1849.) Miſcellen. 52. Unterſuchungen über den Haus ſchwamm. Am 19. Mai hielt Hr. Prof. Purkinje in der naturwiſſenſchaftlichen Section der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Cultur einen Vortrag über den Hausſchwamm. Die wiederholten Verwüſtungen eines der königl. Univerſitätsgebäude durch den Hausſchwamm (Me- rulius destruens Pers., M. vastator Tode, M. lacrymans Schum.) gaben demſelben Gelegenheit, über die Natur und die mannigfal⸗ tigen Formen dieſes fruchtbaren Paraſitengewächſes Erfahrungen zu ſammeln. Die Grundbedingungen desſelben ſind wohl, wie bei allen ſelbſtändigen Organismen, eigenthümliche Keimforner oder ſchon vorhandene Pilzpflanzen, die durch die Luft oder andere Mit⸗ theilung dem Holzwerke eingeimpft werden, die anderen Bedingun— gen beruhen auf Zufluß hinlänglicher Nahrung namentlich organi⸗ ſcher Feuchtigkeit friſch, beſonders im Frühjahr gefällten jungen 241. XI. 21. 328 und fonft nicht genug ausgetrockneten Holzes, nicht gehörige Aus: trocknung des Mauerwerks, feuchter Baugrund, Mangel an Luft⸗ zug u. dgl. — Der Hausſchwamm hat in ſeinen äußeren Geſtal⸗ tungen durchaus nicht einen ſo feſten Typus, wie wir bei anderen Pflanzenarten zu ſehen gewohnt ſind. Seine Geſtalt hängt meiſt von äußeren Umſtänden, beſonders den nächſt umgebenden Subſtan⸗ en und der Räumlichkeit ab, indem er bald papierartig über die inneren Flächen oder Dielen ſich ausbreitet, bald ſchwammartig und wulſtig (beſonders am friſchen Holze) aufquillt, bald zwiſchen den Fugen und am Mauerwerke mit ziemlich dicken holzartigen Stengeln rankenartig fortſchleicht und ſich in un regelmäßiges Blät⸗ terwerk ausbreitet, zuweilen bildet er auch ſchimmelartige Überzüge wie die feinſte Watte, dann wieder netzförmige Geſpinnſte, ferner lederartige knollige Membranen, meiſt ſchmutzigweiß, doch auch in ſchwefelgelbe, roſenrothe, grünliche, roſtbraune Farbennüancen über⸗ gehend. Von allen dieſen Formen wurden ausgezeichnete Exemplare vorgezeigt. Die Art des Keimes iſt auch nicht ſo regelmäßig wie bei anderen Pilzen. Es kamen zwei Hauptformen von Keimförner- bildungen vor. Am häufigſten zeigten ſich Keimkörner in größeren oder kleineren Haufen, bis zur Größe eines Thalerſtücks und bis 1½ Linie Dicke, holzgelb wie Holzmehl vom Wurmfraß; fie be⸗ ſtanden aus den feinſten ungleich ſphäriſchen durchſcheinenden Kü⸗ gelchen, die frei, ohne auf Fäden angewachſen zu ſein, neben ein⸗ ander gelagert waren. Die andere Art Keime, die in den Hand⸗ büchern gewöhnlich beſchriebene, fand ſich beſonders an den oben genannten lederartigen knolligen Membranen, beſonders an den roſt⸗ farbigen Stellen und bildet ovale Schläuche mit inliegenden Keim⸗ körnern. (Allgem. deut. Naturhiſt. Zeitung, von C. Tr. Sachſe. 2. Jahrg. S. 543.) 53. Die einzige Nahrung, die eine glatte Natter, die Hr. Martin zu Bunzlau hielt, zu ſich nahm, waren Waſſertropfen, die aus dem feuchten Mooſe an den Glasdeckel angeſchwitzt waren. „Dieſe Tropfen“, ſagt Hr. M., „leckte ſie oft mit Begierde vom Glaſe ab. Mitte Auguſt trat ihre Häutung ein und da ich ihr da gern etwas zu freſſen geben wollte, ſo ſuchte ich Eidechſen für ſie zu fangen. Mein Wille war, mehrere kleine Exemplare einzufangen, doch er⸗ hielt ich nur eine ganz ungewöhnlich große Eidechſe von fait 8 Länge. Ich trug Bedenken, dieſes Thier, das viel dicker war als die Schlange ſelbſt, ihr zur Speiſe anzubieten. An dem unruhi⸗ gen Benehmen der Eidechſe und den feurigen Blicken der Schlange gewahrte ich jedoch bald, welchen Ausgang die Sache haben werde. Nach kaum 5 Minuten fiel die Schlange mit Blitzes⸗ ſchnelle über die Eidechſe her und hatte ſie mit dem hinteren Theile ihres Körpers drei Mal umſchlungen, wo ſie ſich ſogleich anſchickte, den vor Schreck ſtarren Kopf der Eidechſe in ihren Rachen zu ſchie⸗ ben. Sowie der ruckweiſe vorgeſchobene Rachen der Schlange im⸗ mer mehr von der Eidechſe verſchlang, gleitete das Schwanzende der Schlange allmälig immer mehr von der ſich nun erſt ſträubenden Eidechſe los, bis in kaum 10 Minuten das ganze große Thier ver⸗ ſchlungen war. Die Schlange kroch nun mit oftmaligem Aufſper⸗ ren des Rachens fröhlich umher, leckte wieder Tropfen vom Glaſe und ließ ſich geduldig angreifen. Es ſcheint ſomit, daß dieſe Nat⸗ ter nur von Eidechſen lebt.“ (Allgem. deut. Naturh. Zeit., ber: ausgegeben von C. Tr. Sachſe. 2. Jahrg. S. 387.) 54. Kap⸗Aloé. Dieſe in Deutſchland vorzugsweiſe ges bräuchliche Aloeforte wird am vorzüglichſten bereitet in dem 9 Mei: len von der Algoa-Bai entfernten Dorfe Bethelsdorf, einer Herrn⸗ huter Miſſionärcolonie. Sie hat eine röthliche Farbe, zu deren Erhaltung man ſie nur unvollſtändig abrauft. — Feinere Sorten kommen von Barbados, von der Inſel Socatra (im rothen Meere) und von Melinda über Bombay; ſie ſind meiſt weich, in Häuten eingepackt, wohlriechend und ſchön durchſcheinend; in England wer⸗ den fie ſehr geſchätzt und theuer bezahlt. Ebenſo die achte Le⸗ beraloe, welche in Fäßchen aus Arabien über Bombay nach England gebracht und dort als vorzüglich wirkſam geſchätzt wird. (Aus Handelsberichten.) (Allg. deut. Naturh. Zeit., hg. von C. Tr. Sach ſe. 2. Jahrg. S. 537.) 329 241. XI. 21. 330 Heilkunde. (XLIII.) Furunkelepidemie, entſtanden durch den Genuß von hydrothionſaurem Brunnenwaſſer. Beobachtet von Dr. Th. Clemens in Frankfurt a. M. ) Bei der großen Löslichkeit der meiſten ſchädlichen Sub— ſtanzen im Waſſer kann niemals genug Sorgfalt auf die Reinheit desſelben verwendet werden. Es iſt deshalb gewiß die Pflicht aller ſanitätspolizeilichen Anſtalten, ſchädliche Stoffe von den der freien Benutzung preisgegebenen Waſſerbehältern ferne zu halten. Beſonders empfehlenswerth dürfte dieſe Vor— ſicht ſein bei oberflächlichem Stande des Brunnenwaſſers, wie ſolcher bisweilen in niedrigen, kiesreichen Gegenden vorkommt, wo manchmal das Trinkwaſſer bei 3 — 4 Tiefe ſchon zum Vorſchein kommt. In dieſem Falle befand ſich eine bei Frankfurt a. M. gelegene Farb- und chemiſche Producten— Fabrik, der ich längere Zeit vorſtand und wo ich zugleich als Arzt Gelegenheit hatte, unter den Arbeitern derſelben eine eigenthümliche Krankheit zu beobachten, welche, nachdem deren Grund (die Vergiftung des Brunnenwaſſers durch Hydrothion— ſäure) erforſcht war, beim Vermeiden des auf der Fabrik gegrabenen Trinkwaſſers auch verſchwand. — Da ich nach Erforſchung der Urſache das Waſſer näher unterſucht habe und, wie ſich ſpäter ergab, die Bedingungen, unter welchen es ſeine ſchädlichen Eigenſchaften angenommen, ebenſo un— gewöhnlich waren, als auch die durch ſie bewirkten Krank— heitserſcheinungen manches Eigenthümliche darboten, ſo dürfte dieſe Mittheilung theils von wiſſenſchaftlichem Intereſſe ſein, theils dazu dienen, ähnlichen Vorfällen vorzubeugen. — Im Frühjahre des Jahres 1848, wo die Waſſer ſehr hoch ſtan— den, erkrankten nämlich in einem ſehr kurzen Zeitraume faſt alle Arbeiter (8 — 10 an der Zahl) unter folgenden, bei allen ſich mehr oder weniger gleich bleibenden Symptomen. Nachdem allmälig Schwäche der Extremitäten, ein Gefühl von Zerſchlagenſein, jedoch ohne bedeutende Hinfälligkeit, Appetit- und Geſchmackloſigkeit eingetreten war, entſtand bald ein läſtiges drückendes Gefühl in dem Magen, der ſich bei manchem zum Schmerz ſteigerte, bei zweien ſogar mehr— maliges Erbrechen der genoſſenen Speiſen veranlaßte. Der Beſchreibung nach war der Magenſchmerz, der anfangs in einem läſtig drückenden und nagenden Gefühle beſtand und erſt ſpäter in paroxysmenartige Schmerzen ausartete, die Folge einer krampfartigen Contraction des Magens, vielleicht gepaart mit Congeſtion ſeiner Schleimhaut. Die Zunge war wenig belegt, die Schleimhaut des Mundes und Rachens ſehr blaß, der Geruch des Athems ohne eine ſpeeifiſche Bei— miſchung, Puls anfangs normal, ſpäter in manchen Fällen ungewöhnlich langſam und ſehr leicht wegzudrücken, nie fie berhaft erregt, alle Ab- und Ausſonderungen ſchienen zwar ungehindert, jedoch träger als gewöhnlich von Statten zu gehen. Einige klagten über ein eigenthümliches läſtiges Ge— fühl in der Haut, in welchen Fällen dieſes Organ mir trocken *) Henle und Pfeufer, Zeitſchrift für rat. Med. VIII. 1. 2. und kühl erſchien, auch ſeine normale, vitale Turgeſcenz nicht zeigte. Ich ſchrieb dieſe Erſcheinungen anfangs der Inſpiration ſchädlicher Gasarten zu, überzeugte mich aber bald von meinem Irrthum, indem dieſelben Symptome bei Leuten auftraten, deren Arbeiten ſie keineswegs mit der Ema— nation giftiger Gaſe in Berührung brachten. Alle gegen dieſe Symptome, welche bald ſtärker, bald ſchwächer auftra— ten, angewandten Mittel halfen wenig oder nichts, und gegen den 4 — 5 — 10. Tag hin (in manchen Fällen noch ſpäter), nach dem Erſcheinen der erſten Magenſymptome, zeigte ſich eine Hautaffection, die immer ſehr ſchnell, beinahe plötzlich entſtand und ſich durch folgende Erſcheinungen charakteriſirte. — An irgend einer Stelle des Körpers, meiſt im Geſichte, an dem Halſe, an den Händen, ſeltener an der Bruſt oder an anderen Theilen zeigte ſich bei den von dem Übel er— griffenen eine knotenartige Anſchwellung, die anfangs nicht ſchmerzhaft und in der Regel ohne ſichtbaren Entzündungshof ſchnell ſich vergrößerte, und an einem und demſelben Individuum durchliefen verſchiedene dieſer Geſchwülſte oft zwei ganz ver— ſchiedene Symptomenreihen. — War die Entzündung gleich anfangs mehr in die Augen fallend, ſo zeigte die Geſchwulſt bald einen dem gewöhnlichen Furunkel ganz ähnlichen Cha— rakter, obgleich die Eiterung ſich allmäliger bildete, ſodann länger anhielt, die Geſchwulſt länger härtlich blieb und in der Regel langſamer und meiſtens unter beſtändiger Schorf— bildung vernarbte, durch welchen Verlauf der dem Furunkel eigenthümliche Pfropf abgeſtorbenen Zellgewebes nur undeut— lich wahrgenommen werden konnte. Auf der anderen Seite zeigten die Hautknoten oft einen von dem Furunkel noch mehr abweichenden Verlauf (ähnlicher dem kurunculus spurius). Hier war eine Pfropfbildung faſt gar nicht zu bemerken. Einige kleinere Knoten bildeten jeder einen gelb-grünlichen Eiterkegel (kurunculus pustulodes) und verſchwanden, nach— dem derſelbe geplatzt war, unter beſtändiger Grindbildung. Andere Knoten zeigten keinen normalen Eiterungsproceß, ſon— dern fingen an ihrer Spitze bald an zu näſſen und bedeckten ſich mit einem höckerigen unreinen Schorf. Solche Knoten ſtanden bei mehreren Individuen eirca 10 — 14 Tage lang unverändert. Die Schorfe ſtießen ſich ab und erzeugten ſich ſehr ſchnell wieder ohne Schmerz und Beſchwerde zu ver— urſachen. Oft erſchien das Übel an den Lippen und auf der Stirn in der Augengegend, wo die Geſchwüre manchmal von der Größe einer ſtarken Haſelnuß bis zu einer mittleren Wallnuß durch ein ſehr unangenehmes Spannen und Krie— beln in der Haut, den damit Behafteten höchſt läſtig wurden. Zeigte ſich die Hautaffection, ſo verſchwand, oder war in allen Fällen der Magenſchmerz verſchwunden und meiſtens ſtellte der Appetit ſich wieder ein. Eine ganz eigenthümliche Geſchmackloſigkeit dauerte jedoch in vielen Fällen auch wäh— rend der Hautkrankheit fort, während ſich die Patienten ſonſt wohl befanden und über nichts beklagten, als daß ihnen alles wie gekautes Stroh ſchmecke. War das Hautübel jedoch allgemeiner verbreitet (mehrere Kranken konnten 6 — 8 — 10 331 Furunkel aufweiſen), und zeigten die Geſchwüre ſich mit einem weißfarbigen Schorf bedeckt, ohne einen vollkommen ausgeſprochenen Entzündungshof und mit mangelhafter Ei— terung, ſo klagten die Patienten über ein dumpfes Eingenom— menſein des Kopfes, manchmal ſogar über ſtarke Schwindel— anfälle. Hier war Verſtopfung ein ſchwer zu beſeitigendes Symptom und der mir vorgezeigte Urin war ſtets milchig getrübt, welche Trübung unter dem Mikroſkop kein auffal— lendes Moment bot. Noch ſcheint mir bemerkenswerth, daß bei fortdauernden Magenſymptomen und gaſtriſch belegter Zunge Tart. stib. in brechenerregender Doſis öfter allein ſtar— ken Durchfall ohne Erbrechen bewirkte, was mir bei einem Individuum ganz beſonders auffiel, indem ich dasſelbe früher bei einer Indigeſtion behandelt hatte, wo auf 2 gr. Tart. emetic. vier Mal ſtarkes Erbrechen ohne Durchfall Statt fand. — Nach einigen copiöſen Stühlen trat weſentliche Erleichterung ein, weshalb ich auch bei einem ſtark ergriffenen Individuum, wo Sal amar. und Clysmata ohne Erfolg ge— geben waren, zwei Mal Tart. stib. in brechenerregender Dojis verordnete, wo dann bei ſehr unbedeutendem Erbrechen jedes Mal 6 — 7 Stühle mit großer Erleichterung eintraten und die Hartleibigkeit auf einige Zeit verſchwand. Überhaupt ſah ich bald ein, daß bei gehörig unterhaltener Leibesöffnung die Krankheit niemals beunruhigende Erſcheinungen darbot und es verſchwanden die Kopfſymptome nach den erſten Stühlen jedes Mal ſehr ſchnell. Bei allen vorkommenden Symptomen war der Puls niemals über 70 — 74, meiſtens unter 70, träg, nicht voll. Ich weiß nicht, ob ich das ganz verſchiedene Verhalten der offenen Furunkel einer inneren Urſache zu— ſchreiben darf, da ich beobachtet habe, daß Schwefelwaſſerſtoff— gas und Kohlenwaſſerſtoffgas (ölbildendes), der Luft beige— miſcht, auf den Heilungsproceß von Wundflächen von ent— ſchiedenem und zwar ungünſtigem Einfluſſe iſt. Eiterbildung und Granulation werden geſtört, verzögert, ja oft ganz ge— hemmt. Arbeiter, welche viel mit dieſen Gaſen in Berüh— rung kommen, und was nicht ſelten der Fall war, ſich zu— fällig verwundeten, klagten beſtändig darüber, daß ihre Wun— den gar nicht heilen wollten, was endlich nur durch oft ge— wechſelten ſorgfältigen Verband möglich wurde. In einer mit Hydrothionſäure geſchwängerten Atmoſphäre hatten alle Wunden eine beſondere Neigung ſich zu vergrößern und einen ſchlechten dünnen Eiter abzuſondern. Noch eines auffallen— den Umſtandes, welcher ſich bei anderweitig beſchäftigten Ar— beitern darbot, will ich erwähnen. Es zeigte ſich nämlich, daß die Leute, welche mit dem Räumen der übermäßig er— wärmten (28 — 30% R.) Rußkammern beſchäftigt waren, obgleich von den Magenſchmerzen nicht verſchont, doch von der Furunkelbildung nicht heimgeſucht wurden. Offenbar trat hier der überreichliche Schweiß der Schwärenbildung hem— mend in den Weg, denn dieſe Leute tranken dasſelbe Waſſer und klagten dieſelben Leiden, wie alle anderen. Nachdem nun die Urſache dieſer kleinen Epidemie von mir entdeckt und beſeitigt worden war, dauerte die Affection bei mehreren, die ſtärker heimgeſucht worden, noch einige Zeit fort; doch ver— ſchwand bei einer nun möglich gewordenen rationellen Behand— lung (Laxantia, Spiritus Mindereri und Ag. chlor. hatten 241. XI. 21. 332 den beſten Erfolg) die Hautaffection, ſowie die gaſtriſchen Symptome bald ganz. Bei einem einzigen Falle ſchien das ſehr inveterirte Übel hartnäckiger werden zu wollen und es traten bedrohliche Symptome auf, weshalb mir dieſer Fall einer nähern Beleuchtung würdig ſcheint. W B... aus Bürgel bei Offenbach, 35 Jahre alt, robuſt und geſund, Vater von 4 geſunden Kindern, hatte ſchon 4 Wochen abwechſelnd über Magenſchmerzen und Ap⸗ petitloſigkeit geklagt. Zwei Furunkel, welche derſelbe längere Zeit an der Naſe und der Hand gehabt hatte, waren wieder ganz verſchwunden, während die Magenbeſchwerden nur we— nig gewichen waren, bald ganz verſchwanden und bald pa- rorysmenartig wieder auftraten, indem ſie alsdann einige Tage blieben. Dabei war der Puls etwas langſam, ſonſt normal, Zunge weißlich belegt, Geſchmackloſigkeit, kein Auf⸗ ſtoßen, kein übler Geruch aus dem Munde, kein Erbrechen; ebenſo wurde bei Druck auf die Magengegend kein Schmerz empfunden. Der Stuhlgang war nach Ausſage träg, mand- mal etwas dünn (in Folge von Sal. amar.). Beim Auf⸗ wachen war der Kopf oft eingenommen und manchmal Schwindel vorhanden. Nachdem dieſe Symptome bald mehr bald weniger heftig eirea 3 — 4 Wochen gedauert, wobei Patient übrigens bei ſeiner Arbeit blieb, und Arzneimittel wenig oder nichts gebeſſert hatten, zeigten ſich in der Supra— orbitalgegend beider Augen zwei Knoten und einen Tag ſpä— ter noch ein ſolcher an der Oberlippe, welcher letztere bald eine bedeutende Geſchwulſt verurſachte, ſo daß das ganze Ge— ſicht angeſchwollen und ſehr entſtellt war. Die Knoten ſchie— nen, obgleich von einem leichten Entzündungshof umgeben, wenig Neigung zu haben in Eiterung überzugehen, trotz der Anwendung von reizenden Pflaſtern und Cataplasmen. Das Allgemeinbefinden war beſſer als kurz vor dem Ausbruche der Furunkel, ausgenommen ein dumpfes Eingenommenſein des Kopfes. Nach einigen Tagen fingen die Knoten der Stirne an zu netzen und bedeckten ſich mit Schorfen. Der Furunkel der Oberlippe dagegen ging unter lebhaftem Schmerz in Eiterung über und ich dachte, an dieſe Erſcheinungen ſchon gewöhnt, nicht weiter daran, irgend anderes zu ver- ordnen, als das Meiden des Waſſers und bei Verſtopfung Morgens nüchtern eine ſtarke Doſis Bitterſalz. Ag. Chlor. hatte ich in dieſem Falle nicht angewandt, da es ungern genommen wurde und ich überhaupt bei dem ſehr ſchön und ſtark eiternden Furunkel der Oberlippe hier jedes weitere Einſchreiten für unnöthig hielt. Circa 4 — 6 Tage ſpäter hatte ſich jedoch die Scene geändert. Die Furunkel waren faſt ganz ohne Geſchwulſt und mit mißfarbigen Schorfen bedeckt. Der große Furunkel der Oberlippe war bis auf eine haſelnußgroße Geſchwulſt, welche mit einem kleinen grün⸗ lichen Grind bedeckt war, faſt gänzlich verſchwunden; dabei klagte der Mann über ein beengendes, drückendes Gefühl auf der Bruſt und große Abgeſchlagenheit, nebſt häufigen ziem- lich ſtarken Anfällen von Schwindel. Die Zunge war ſchmutzig weiß belegt und gänzliche Appetitloſigkeit eingetreten. Der Puls etwas dünn, leicht wegzudrücken, 70 in der Mi— nute, Haut trocken, Pupille wie gewöhnlich, Auscultation und Percuſſion ergaben nichts abnormes. Ich entließ den 333 Patienten ſogleich aus der Fabrik, verordnete ſchweißtreiben— den Thee, das Bett, und verſprach, ihn am nächſten Morgen zu beſuchen. Eine ſtarke Erkältung bei nächtlicher Arbeit ſchien mir der Grund dieſer Verſchlimmerung zu ſein. Als ich am nächſten Morgen den Kranken beſuchte, hatte ſich die Scene abermals geändert. In der Nacht waren, indem das Athemholen immer ſchwerer geworden war, zwei ſehr be— ängſtigende Erſtickungsanfälle eingetreten und nach dem näch— ſten Arzte geſchickt worden. Der gerufene Arzt erſchien je— doch nicht, ſondern verordnete, wahrſcheinlich in der Meinung, eine entzündliche Bruſtaffection vor ſich zu haben, eine reich— liche Venäſection und Nitrum. Die Venäſection war ſogleich gemacht worden, auch hatte der Kranke bei meiner Ankunft bereits einige Löffel einer nicht zu ſchwachen Nitrum-Solution verſchluckt und befand ſich merklich beſſer. Das Geſicht ver— rieth jedoch noch Angſt und war etwas entſtellt. Der Puls hatte ſich etwas gehoben, 79, das aufgefangene Blut war nicht mehr vorhanden, die Haut war weich und mit einem warmen reichlichen Schweiße bedeckt. Die in der Nacht ein— getretenen Bruſtſchmerzen waren ſehr undeutlich, faſt ver— ſchwunden, doch war einige Schwerathmigkeit noch vorhanden, ebenſo war noch etwas Kopfſchmerz, jedoch ohne Schwindel zugegen. Auscultation und Pereuſſion der Lunge und des Herzens normal. Die Venäſection, obgleich durch andere Beweggründe verordnet, war hier gewiß an ihrem Platz ge— weſen und hatte das Krankheitsbild ſo günſtig geſtaltet, daß mir, zumal bei der eingetretenen Transſpiration, jede Gefahr beſeitigt ſchien, weshalb ich den Kranken mit der Überzeu- gung verließ, daß bei ruhigem Verhalten im Bett und bei gut unterhaltenem Schweiße die Anfälle ausbleiben und der Geneſung keine weiteren Störungen in den Weg treten wür— den. Deſſenungeachtet nahm ich mir vor, den Kranken vor einbrechender Nacht nochmals zu ſehen, was auch am ſelben Tage Abends gegen 7 Uhr geſchah. Der Kranke hatte ſehr ſtark transſpirirt, befand ſich heiter und wohl und holte tie— fen Athem, weshalb ich denſelben als geneſen verließ. Gegen meinen Willen verließ derſelbe ſchon den folgen— den Tag (den dritten der Krankheit) das Bett und beſuchte, obgleich noch unfähig zu arbeiten, die circa 2 Stunden von ſeinem Wohnorte entfernte Fabrik, welchen Weg er theil— weiſe zu Fuß zurücklegte. Ich verwies demſelben ſeine un— ſinnige Handlungsweiſe und ſchickte ihn ſogleich zurück und erfuhr bei meinem nächſten noch an demſelben Abend gemach— ten Beſuch, daß derſelbe krank angekommen und ſehr über Schwindel geklagt habe. Nachdem der Schweiß wieder ge— hörig eingeleitet war, verließ der Kranke nach 2 Tagen das Bett und es hatte ſich in der Nackengegend des Halswirbels ein großer Furunkel mit ſehr ausgedehnter Geſchwulſt gebil- det. Durch Cataplasme brachte ich denſelben in gehörige Eiterung, welche ſehr copids wurde und 14 Tage anhielt. Es ſtieß ſich ein ziemlicher Fetzen todten Zellgewebs ab und der Kranke fühlte ſich nach ſeinem eigenen Ausdrucke wie neugeboren. Die Appetit- und Geſchmackloſigkeit, welche während der ganzen Krankheit hartnäckig gedauert hatte, ver- ſchwand erſt bei eingetretener Eiterung des Furunkels. Was nun die eigentliche Urſache aller dieſer Krankheits⸗ 241. XI. 21. 334 erſcheinungen betrifft, ſo glaube ich dieſelbe dem Genuſſe des durch Hydrothionſäure vergifteten Brunnenwaſſers zuſchreiben zu müſſen, was der Erfolg auch beſtätigte. Das von mir unterſuchte Brunnenwaſſer zeigte ſich milchig getrübt und von ſchlechtem fauligem Geſchmacke. Es enthält außer einer ſehr geringen Menge von ſchwefelſaurem Kalke, Kieſelerde, Koh— lenſäure, organiſche Materie, noch mechaniſch beigemiſchte Olpartikelchen und eine nicht unbedeutende Quantität Schwer felwaſſerſtoffgas. Die Olpartikelchen waren mit bloßen Au⸗ gen nicht wahrnehmbar und ich entdeckte dieſelben, anfangs fäulnißbedingende Subſtanzen und Infuſorien vermuthend, mit Hülfe des Mikroſkops. Infuſorien zeigten ſich keine. Bei der Deſtillation größerer Quantitäten dieſes Waſſers grup— pirten ſich die Olpartikelchen jedoch zu größeren ſichtbaren Tröpfchen, die alle Eigenſchaften der auf der Fabrik dar— geſtellten ſpecifiſch ſehr leichten Brandöle zeigten. Die Ge— genwart von Schwefelwaſſerſtoffgas verrieth ſich ſchon durch den der Hydrothionſäure eigenthümlichen Geruch und Ge— ſchmack, welcher Geruch jedoch ſchon durch den Zuſatz rau- chender Salpeterſäure ſogleich vollkommen verſchwand. Das Waſſer röthete Lackmusaufguß und zeigte heftig geſchüttelt einen ſtarken ſchwach lila gefärbten Schaum, der bei dem Platzen feiner einzelnen Luftbläschen den eigenthümlich ſtin— kenden Geruch der Hydrothionſäure fo energiſch von ſich gab, daß es mir ſogleich unbegreiflich ſchien, wie man ſol— ches Waſſer nur genießen könne. Auf mein Befragen theil— ten mir die an dergleichen Gerüche allerdings ſehr gewöhnten Arbeiter mit, daß ſie ſeit einiger Zeit, wo der Geſchmack des Waſſers ſo auffallend ſchlecht ſei, dasſelbe nur zum Kochen gebraucht, als Getränk aber das Waſſer mit Milchkaffee ge— miſcht genoſſen hätten. Daß allein das Daſein der im Waſſer vorhandenen Quantität Hydrothionſäure an der Epidemie Schuld war, davon überzeugte ich mich um ſo mehr, nach— dem ich dieſes Gas in allen Brunnen der Fabrik in ver— ſchiedener Quantität, jedoch conſtant, vorgefunden hatte. Die demſelben beigemiſchten Olpartikelchen waren zu unbedeutend, um die genannten Erſcheinungen hervorbringen zu können. Die Art, wie dieſe bedeutenden Quantitäten Hydrothionſäure dem Waſſer mitgetheilt wurden, war keine gewöhnliche, wurde jedoch von mir bei näherer Betrachtung der möglichen Ur— ſachen bald aufgefunden und durch angeſtellte Verſuche ge— nügend conſtatirt. Auf den hohen Stand des Brunnenwaſſers wie auf den Kiesboden habe ich bereits aufmerkſam gemacht, und bemerke nur noch, daß in der Zeit jener Brunnenvergiftungen Land— und Platzregen faſt ununterbrochen und mit großer Heftigkeit, bei vollkommener Windſtille, die Gegend heimſuchten, in wel— cher die Fabrik lag. Da nun in der Regel zur Nachtzeit die Deſtillirapparate geöffnet wurden, und Ströme von Schwefel— und Kohlenwaſſerſtoffgas u. ſ. w. ſich in die Luft ergoſſen, ſo daß die Fabrik oft wie in einen Nebel gehüllt erſchien, ſo konnte es ſich bei den namentlich nachts ſehr häufigen und anhaltenden Regen nicht fehlen, daß eine bedeutende Quantität der in Waſſer ja ſo leicht löslichen Hydrothionſäure von dem Regen condenſirt und abſorbirt zur Erde niederfiel und durch die dünne Kiesſchicht oder unmittelbar ſich dem 335 Waſſer mittheilte, auf welche Art ſich in dem naſſen Kiefe, wie in den Brunnen, eine bedeutende Gasmenge anſammeln konnte. Daß ich richtig geſchloſſen, zeigten meine ſpäteren Beobachtungen, indem ich Regenwaſſer unter den angegebenen Verhältniſſen an verſchiedenen Orten der Fabrik, ſowie außer— halb in dem Dunſtkreiſe derſelben auffing und nicht nur Hydrothionſäure fand, ſondern auch Spuren von Ol in dem Waſſer bemerkte, welches lediglich durch Abkühlung der ent— weichenden ölbildenden Dämpfe durch das Regenbad condenſirt und niedergeſchlagen worden war. Ich mache hier auf die wiſſenſchaftliche und ſehr genaue Arbeit der Herren Bra— connot und Simonin aufmerkſam. (Note sur les éEma— nations des Fabriques de Produits chimiques par MM. Bra- connot et Simonin Extr. du Journal de Chimie médicale, Mai 1848, P. 280 in den Annales d’hygiene publique et de Medecine legale. 1848. No. 79.) Die Unterfuchungen diefer Herren, auf häufige Klagen der dieſe Fabrik Umwoh— nenden durch die Sanitäts-Polizei veranlaßt, ergaben, daß die giftigen Emanationen derartiger Etabliſſements allerdings im Stande ſind, Geſundheit und Eigenthum der Umwohnen— den zu gefährden. Das hier beſprochene Etabliſſement fa— bricirte Schwefelſäure, Salzſäure und Soda in großer Quan= tität, und es fand ſich im Regenwaſſer, in der Umgegend der Fabrik aufgefangen, ſchwefelfaurer Kalk, Kochſalz und eine organiſche Materie in nicht geringer Menge; ebenſo im Thau. Alles an der Luft liegende Metall wurde ſchnell zerfreſſen und Eiſenroſtſchuppen beſtanden nach vorgenommener Analyſe aus Eiſenoryd, ſchwefelſaurem und ſalzſaurem Eiſen— oryd, ſalzſaurem Kalk und Salmiak. Die Arbeiter ſollen oft und ſehr frühe ihre Zähne verlieren, auch ſollen Augen— entzündungen und Lungenkrankheiten bei denſelben und in der Umgegend häufig vorkommen. — Gbenfo erinnere ich hier an die Methode bei dem Kupferhüttenproceß, dem Rauche ſeine ſchädlichen Eigenſchaften zu nehmen und ſeine Beſtand— theile zu verwerthen; zu welchem Zwecke der ſehr ſchädliche und noch verwerthbare Stoffe führende Rauch durch Kammern geleitet wird, in welchen ein beſtändiger künſtlicher Regen fällt (rain chambers, chambres a pluie). In dem aufge— fangenen Waſſer findet man durch das Regenbad condenſirt 241. XI. 21. 336 und abſorbirt die meiſten Subſtanzen des Hüttenrauchs und zwar in großen Quantitäten wieder; wie arſenige Säure, ſchwefelige und ſchwefelſaure Flußſäure, Arſenik in Staub⸗ form u. ſ. w. Dieſer Niederſchlag wird auch, wenn auch nicht in fo concentrirtem Maße, bei Weglaſſung der Regen⸗ kammer, bei natürlichen Regengüſſen erfolgen, was für Men⸗ ſchen, Thiere und Pflanzen gewiß von ſehr nachtheiligen Wirkungen ſein wird. (Schluß folgt.) Miſcellen. (43) Leichenhäuſer. Die in Berlin mit beträchtlichem Aufwande gebauten, ſchon und zweckmäßig eingerichteten Leichen⸗ häuſer (wenn ich nicht irre, 5 auf verſchiedenen Kirchhöfen) werden nach einer Bekanntmachung des Magiſtrats gar nicht benutzt; es iſt ein Aufwand von ungefähr 60,000 Thlr. gemacht ohne allen Nutzen, bloß um dem alten Aberglauben von der Gefahr des Leben⸗ digbegrabens zu dienen. Bei der großen Entfernung der Leichenhäu⸗ ſer von den Wohnungen in Berlin iſt nicht zu erwarten, daß ſie dort zu dem richtigen Zwecke benutzt werden, die Leichen bei en— gem Raume ꝛc. bald aus den Wohnungen der Lebenden zu entfer⸗ nen. Anders iſt dies in kleineren Städten, z. B. in Weimar, wo faſt ohne Ausnahme jede Leiche, ſowie es durch Atteſt des Arztes zuläſſig iſt, nach dem Leichenhauſe gebracht, dort ausgeſtellt und von da aus beerdigt wird, wodurch alſo die Wohnungen nicht ver⸗ peſtet und überdies das eitle Gepränge durch die Stadt ziehender Leichenconducte am einfachſten vermieden wird. R. F. (44) Scintillatio pupillae, das eigenthümliche Funkeln, welches man bisweilen in amblyopiſchen oder amauro⸗ tiſchen Augen geſehen hat, leitet Prof. Blaſius von Choleſterin⸗ bildung in der Morgagniſchen Flüſſigkeit her, weil jenes Funkeln dem ähnlich iſt, was man bisweilen in der Flüſſigkeit der hydro- cele beobachtet hat, wenn viel Choleſterinblättchen darin ſchwim⸗ men. Früher ſetzte man den Sitz dieſer Krankheit gewöhnlich in den Glaskörper und nahm eine synchysis an, die aber in dem Bla⸗ ſiusſchen Falle nicht angenommen werden kann, weil das Funkeln auch von der Seite bemerkbar war, wo man von dem Glaskörper nichts mehr hätte wahrnehmen können. — Choleſterinbildung in der Linſencapſel iſt öfters beobachtet und Blaſius fragt, ob das perl⸗ mutterartige Anſehen von Capſelſtaaren nicht von Choleſterinabla⸗ gerung in der innern Fläche der Capſel herzuleiten ſein möchte? (Deutſche Klinik 1.) Bibliographiſche Neuigkeiten. A. v. Humboldt, Anſichten der 5 mit wiſſenſchaftlichen Erläuterun⸗ gen. 2 Bde. 3. Ausgabe. Geh. 2%, Thlr. Studien des Sittingifcen Vereins u e Freunde. Herausgegeben von J. F. L. Hausmann. 5. Bo. 3. Heft. gr. 80. 2, Thlr. Archiv für e a von Russland. Herausgegeben von A. Erman. VIII. Bd. 1. Heft. gr. 8°. Für 4 Hefte 5½ Thlr. Ph. Phöbus, über die Naturwissenschaften als Gegenstand des Studiums, des Unterrichts und der Prüfung angehender Ärzte. gr. 8°. Geh. 21 Ngr. Aristoteles, über die Farben. Erläutert durch eine Übersicht der Farben- lehre der Alten. gr. 8°. Geh. 1 Thlr. J. C. Weber , die Alpenpflanzen Deutschlands und der 5 in n Abbildungen mit Text. Neue Ausg. 1. Bd. 16%. Cart. 1½ T J. Müller und F. H. Troschel, Horae ichthyologicae. Beschreibung und Ab- bildung neuer Fische. 3. Hit. Fol. Cart. 4 Thlr. Handwörterbuch der Phyſtologie mit rat auf W Pathologie. 3 von R. Wagner. 21. u. 22. fg. (III I. Abtheilung. 6. Lfg. u. III. Bo. 2. Abth. 4. Lfg.) gr. 8. Geh. al Thlr. E. Schärer, Lichenes helvetici. Additis speciebus exteris. Fasc. XXIII. No. 501-600. 40. Bernae. in Kasten, baar 3%, Thlr. J. ze. 18 Tier der Sublimat in seinen physiologischen Wirkungen. Lex. ®. Geh W. 1 1. ſtatiſtiſche Überficht der in Berlin in den vier Epi⸗ Geh. ½ T0 831 2, 1837 uud 1848 vorgekommenen Cholerafälle. gr. 8. > e 3 Th Druck und Verlag des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, eine von dem Gr. S. Ob. Med. Rth. Dr. L. Fr. v. Froriep gegründete Zeitſchrift, in dritter Reihe fortgeführt von dem Königl. Preuß. Geh. Medieinal-Rathe Dr. R. Froriep zu Weimar. December 1849. (Nr. 22. des XI. Bandes.) Naturkunde. Hopkins, über die Luftſpiegelung an der Küfte von Lancaſhire. — Hunt, über einige neue Phänomene des Lichtes und den Actinismus. — Mallet, Experimente zur Ermittelung der Geſchwindigkeit der Erdbebenwellen. — Mannaregen. — Acoſta, Ausbruch des Vulcans Zamba an der Mündung des Magdalenenſtroms. — la über gewifje gefrorene Blätter. — Miſcellen, Leyie, Verſuch einer neuen Erläuterung des Herzſtoßes im gefunden und kranken Zuſtande. Weiß blühende wohlriechende Verbena. — Heilkunde. Clemens, Furunkelepidemie, entſtanden durch den Genuß von hyödrothionſaurem Brunnenwaſſer. (Schluß.) — Engelmayer, SHydrophobie bei einer Katze und durch dieſe auf eine Kuh übergetragen. — Miſcelle. Stromeier, Blaſenſtein mit Blutkern. — Bibliographie. Naturkunde. XL. Über die Luftſpiegelung an der Küſte von Lancaſhire. Von Hrn. T. Hopkins. Herr Hopkins, welcher häufig die Wirkungen der Luftſpiegelung an der Küſte von Lancaſhire beobachtet hatte, unterſuchte den Zuſtand der Atmoſphäre an verſchiedenen Küſtenpunkten, insbeſondere bei Southport. Dort fand er, daß, wenn der Himmel wolkig war und ſelbſt mit Regen drohte, die Verdunſtung an der feuchten Oberfläche des Ufers ſehr thätig war, daß dagegen zu andern Zeiten, wenn die Sonne hell ſchien, die Verdunſtung in derſelben geringen Entfernung von der Oberfläche gehemmt oder ganz aufgehoben war. Am 9. Juli Morgens zeigte ſich die Luftſpiegelung gegen Norden in einiger Entfernung über einem flachen ſandigen Ufer, und als man die Localität, wo man die Erſcheinung wahrgenommen, unterſuchte, fand man folgende Umſtände. Die Temperatur der benachbarten Sandhügel war 870 F 75 75 des feuchten Sandes des flachen Ufers. enten, „ „ des Thermometers mit trockner Kugel an der Luft 65,50 „„ „ „ des Thermometers mit feuchter Kugel an der Luft . 63,6% 7, Unterſchied zwiſchen dem Stande der beiden Thermometer Me 27% 29. 1. 1 Um dieſe Thatſachen zu erklären, bemerkt Herr Sop: kins, daß, als die Luftſpiegelung begonnen, die Sonne in ihrem vollen Glanze geſchienen und mittelſt ihrer directen Strahlen die Temperatur des Bodens bedeutend erhöht habe, was eine kräftige Verdunſtung aus dem feuchten Ufer- No. 2222. — 1222. — 242. fande und dadurch viele Dünſte in der Atmoſphäre erzeugt habe. Die Anweſenheit dieſer Dünſte in der Luft hemmte die Verdunſtung von der feuchten Kugel des Thermometers und verhinderte dadurch deren Verkühlung. Zugleich zeigte die feuchte Kugel des Thermometers durch die Schwäche ih— rer Ausdünſtung das Vorhandenſein eines ſtarken Verhält— nißtheils an Waſſerdunſt in der Luft der Localität an. Da nun die Luftſpiegelung nicht eher eintrat, als bis die Sonne die über der feuchten Oberfläche des Geſtades be— findliche Luft mit vielen Dünſten angeſchwängert hatte, de— ren Anweſenheit durch das Verhalten des Thermometers mit feuchter Kugel nachgewieſen ward, ſo ergiebt ſich da— raus, daß man die Luftſpiegelung den Dünſten zuzuſchrei— ben hat. Es iſt möglich, daß ein Theil derſelben durch die in geringer Entfernung von der Oberfläche des Sandes verhältnißmäßig kalte Luft niedergeſchlagen wurde, und daß ſich dadurch eine Nebelſchicht bildete, welche das Licht reflec- tirte; allein wie dem auch ſei, die Anweſenheit einer die Luft vollkommen oder beinahe ſättigenden Quantität Waſ— ſerdunſtes war ein ſteter Begleiter der Luftſpiegelung und iſt demnach als deren Urſache zu betrachten. Die bei der Luftſpiegelung durch Reflection geſehenen Gegenſtände hatten oft eine tiefblaue Farbe. Andere Ge— genſtände, welche jenſeits des Bereiches der Luftſpiegelung lagen, zeigten ſich wie vom Waſſer zurückgeſtrahlt. Die Erſcheinung iſt auch zuweilen von Refraction begleitet, ſo daß ſowohl die reflectirten, als andere, dem Beobachter nä— her liegenden Gegenſtände verzerrt erſcheinen; allein die Re— fraction iſt eine durchaus beſondere Erſcheinung, welche die Luftſpiegelung zuweilen begleitet, aber auch unabhängig von dieſer auftritt. Herr Hopkins hat der britiſchen Geſellſchaft zur Be— förderung der Wiſſenſchaften bei deren 29. zu Birmingham 22 339 im Sept. d. J. gehaltenen Zuſammenkunft eine ſehr aus: gedehnte Reihe von Beobachtungstabellen vorgelegt, welche den oben angegebenen Thatſachen zur Unterſtützung gerei— chen. Er führte auch an, daß ganz vor kurzem bei Black— pool, bei heiterm Himmel und heißem Sonnenſchein, als die Kugeln des trocknen und feuchten Thermometers auf dem feuchten Uferfande gleich hoch (700 F.) temperirt wa— ren, zwiſchen dem Stande der beiden Inſtrumente über den nächſten felſigen Uferwänden, bei 15 — 16 Meter Höhe, ein Unterſchied von 99 geweſen ſei. Dieſe Thatſachen be— weiſen, Hrn. Hopkins zufolge, daß, während die Evapo— ration die Luft in der Nähe der Bodenoberfläche mit Dün— ſten ſättigt und die Luftſpiegelung erzeugt, die Atmoſphäre in geringer Höhe verhältnißmäßig trocken ſein und die Ver— dunſtung in derſelben ſehr kräftig von Statten gehen kann. (L’Institut, Nr. 826, 31. Oct. 1849.) XII. Über einige neue Phänomene des Lichtes und den Aetinismus. Von Hrn. Hunt. Die im Silberchlorid durch die Einwirkung der Son— nenſtrahlen zu Wege gebrachte chemiſche Veränderung, wo— bei eine mächtige Wahlverwandtſchaft aufgehoben, Chlorine frei— gemacht wird und das Silber in fein pulbveriſirtem Zuſtande zurückbleibt, bildet als ein Beiſpiel von Aetinismus den Gegenſtand der Abhandlung. Dieſe chemiſche Veränderung tritt unter dem Einfluſſe des weißen Lichtes ein, und des— halb hat man alle jene photographiſchen Erſcheinungen, welche das Publicum fo lebhaft intereſſtren, dem Lichte ſchlechthin zugeſchrieben. Wenn wir indes die Kräfte des durch das Prisma zerlegten weißen Lichtes, welches nicht, wie Sir Iſaak Newton behauptete, ſieben, ſondern, neuern Forſchungen zufolge, neun farbige Streifen dar— bietet, näher unterſucht, ſo findet man, daß dieſe Streifen ſehr verſchiedene Eigenſchaften beſitzen. So wird z. B. das Silberchlorid in dem mittlern Lichtſtreifen des Spectrums fo wenig geſchwärzt als in dem Randſtreifen, welcher die größte Hitzwirkung hervorbringt, oder in dem lavendelblauen (violeten?) Randſtreifen, von dem man gewöhnlich annimmt, er wirke am ſtärkſten chemiſch. Wir finden demnach in dem Spectrum drei Stellen, an welchen das Silberchlorid durchaus keine Veränderung erleidet. Die, wo das meiſte Licht vorhanden iſt, verhält ſich wie die beiden Enden, wo das Licht aufhört, das menſchliche Auge zu affieiren; ſowie denn auch an den Rändern Streifen eriſtiren, welche die— ſelben phyſicaliſchen Bedingungen darbieten; jo daß es ſcheinen möchte als ob der Lichtkreis nicht dasjenige Agens ſei, welches dieſe eigenthümliche Veränderung hervorbringt. Wenn man naturgemäß das gewöhnliche prismatiſche Sper- trum als den eigentlichen Repräſentanten von zwei Spectren betrachtet, die aus nur drei Farben, Roth, Blau und Gelb, beſtehen, was daraus hervorgeht, daß das rothe Licht in dem blauen, ſo wie das gelbe Licht in dem lavendelblauen Strahl wieder zum Vorſchein kommt, während das blaue 242. XI. 22. 340 an dem am wenigſten refractionsfähigen Ende in dem car- moiſinrothen Strahle abermals auftritt, ſo erklärt ſich das oben erwähnte Reſultat, und es ergiebt ſich, daß der Mangel an chemiſcher Wirkung dem Einfluſſe der das melſte Licht gebenden Streifen zuzuſchreiben iſt. Durch lichtaufſaugende media, z. B. gefärbte Gläſer und Flüſſigkeiten, wurden dieſe Reſultate noch vollſtändiger erläutert. Die merkwür— digſten Ergebniſſe find jedoch unlängſt durch Anwendung farbiger media erlangt worden und man hat nachgewieſen, daß jeder Lichtſtrahl, ganz abgeſehen von deſſen Farbe, ſich ſo behandeln läßt, daß das Silberchlorid vor jener che— miſchen Veränderung, welche es durch die Einwirkung des zerſtreuten Tageslichtes erleidet, geſchützt wird, fo daß die Portion, welche von dieſem Strahle getroffen wird, als eine weiße Stelle auf einem ringsumher geichwärzten Grunde erſcheint. Es wurde der Satz aufgeſtellt, daß ſich dies Reſultat durch die Annahme einer Interferenz nicht erklären laſſe, woraus ſich denn der Unterſchied zwiſchen den Erſcheinun— gen des Lichtes und denen des Actinismus noch deutlicher ergab. Der Umſtand, daß Lichtwirkung (Phosphoreſcenz) durch die blauen Strahlen des Spectrums hervorgebracht wird, ſcheint dieſer Anſicht entgegenzuſtehen; allein wenn wir finden, daß faſt jede Art von Glas dieſe Erſcheinung aufhebt und zugleich die electriſchen Strömungen hemmt, fo ſcheint es rationeller, die Erſcheinungen der Phosphoreſcenz als eine Art von electriſcher Erregung zu betrachten. Hierauf ward der Einfluß der Sonnenſtrahlen auf die Entwicklung des vegetabiliſchen Lebens erklärt und folgende Schlußfolgerungen als Erklärung häufig wiederholter Er— gebniſſe von Verſuchen aufgeſtellt. 1) Das Keimen, wel— ches auch im Dunkeln Statt findet, wird durch die actini— ſche Kraft beſchleunigt und dagegen durch die Leuchtkraft verzögert und oft zum Stillſtande gebracht. 2) Holzbildung. Die Zerſetzung der Kohlenſäure durch die Pflanze rührt von irgend einer Erregung von Seiten der Leuchtkraft her und wird durch die actiniſche Kraft vermehrt. 3) Chloro— phyllbildung. Diele iſt einzig eine Wirkung der leuchten— den Strahlen. 4) Blüthen- und Fruchtbildung. Sie hängt von den thermiſchen oder parathermiſchen Strahlen des Spectrums her, ohne daß dabei die leuchtenden oder acti— niſchen Kräfte coneurriren. 5) Bewegung der Pflanzen. Die Hinneigung zu dem blauen und das Zurückweichen von dem rothen Lichte beweiſ't, daß die Erregung von der acti— niſchen Kraft ausgeht. (Sillemans American Journal etc., Sept. 1849.) XLII. Experimente zur Ermittelung der Geſchwin⸗ digkeit der Erdbebenwellen. Von R. Mallet. Der Verf. ſchlägt zur Ermittelung der Geſchwindigkeit, mit welcher Erdſtöße fortgepflanzt werden, folgende Methode vor. Man ſtecke auf einer offenen Ebene die Entfernung einer engliſchen Meile durch zwei mittelſt Pfoſten, wie beim 341 electriſchen Telegraphen, ausgeſpannte Drähte ab und laſſe einige Pfund Pulver, die bei dem einen Endpfoſten in die Erde gegraben ſind, durch eine am andern Gndpfoften be— findliche galvaniſche Batterie explodiren. Der auf dieſe Weiſe veranlaßte Stoß kann, nachdem er eine Meile weit fortgepflanzt worden iſt, dem in dieſer Entfernung befindli— chen Beobachter nur mit Hülfe eines Inſtrumentes bemerk— lich werden. Herrn Mallets Inſtrument iſt eine Art Collimator, welcher aus einer Queckſilberwanne und zwei Teleſkopen beſteht, die fo geſtellt find, daß, wenn man durch das eine ſieht, das vom Queckſilber reflectirte Bild eines in dem andern befindlichen Drahtkreuzes ſichtbar wird. Die geringſte Schwingung des Queckſilbers verwiſcht aber das Bild und die genaue Zeit, die zwiſchen der Exploſion und der Ankunft des Stoßes in der Entfernung von einer Meile verſtreicht, wird durch einen an der Batterie ange— brachten Chronographen ermittelt, während in Betreff des Überganges des electriſchen Stromes, der Erhitzung des Drahtes und des Explodirens des Pulvers Correctionen nö— thig find. Der Verfaſſer bemerkte, wenn die Elaſticität der Erdrinde bekannt wäre, ſo würde es möglich ſein, den Punkt zu beſtimmen, von welchem ein Erdſtoß ausgegangen ſei, ſowie auch die Beſchaffenheit der dazwiſchen liegenden Formationen, ob dieſelben feſt oder plaſtiſch ſeien, bis auf Tiefen von vielleicht Hunderten von Meilen, ja ſelbſt unter dem Meere annähernd zu beurtheilen. Der Präſident der geologiſchen Section, in welcher Hr. Mallet ſeine Anſichten vortrug, machte auf die Wichtig— keit des Gegenſtandes, ſowie beſonders auf den Umſtand aufmerkſam, daß die Erdwelle und die Seewelle eines Erd— bebens mit verſchiedenen Geſchwindigkeiten, zuſammen jedoch durchſchnittlich mit einer ſolchen von 20 engliſchen Meilen in der Minute, fortgepflanzt würden. Die Bewegung des Bodens ſei wirklich wellenförmig, indem jedes Theilchen desſelben, ſobald die Erdbebenwelle es erreiche, eine Ellipſe beſchreibe. Sir H. de la Beche wies auf die Mächtig— keit der ſecundären Wirkungen der Erdbeben, jene perma— nenten Erhebungen und Senkungen des Bodens hin, welche nicht von der directen Einwirkung der das Land und Meer durchſchreitenden Erdbebenwelle herrührten. (Aus den Ver— handlungen der British Association zu Birmingham. The Athenaeum, 29. Sept. 1849.) XLIII. Mannaregen. Im Gardeners Chronicle wird folgender, Erzerum den 2. Juli 1849 datirter Brief mitgetheilt. Vor zwei Monaten verbreitete ſich hier das Gerücht, daß bei Bajazed eine eßbare Subſtanz vom Himmel gefallen ſei; allein da hier zu Lande oft die einfachſten Ereigniſſe gewaltig übertrieben und verdreht werden, und man bei jedem etwas ungewöhnlichen Vorfalle die unverſchämteſten Lugen verbreitet, ſo waren die hier wohnenden Europäer eben nicht geneigt, dieſem wunderbaren Brotregen Glauben zu ſchenken. Das Gerücht gewann jedoch, ſtatt in Vergeſ— ſenheit zu gerathen, täglich mehr Boden, man brachte Pro— 242. X 22. 342 ben von der Subſtanz hierher, und von Bajazed kommende Reiſende bezeugten, daß mehrere Regen von dieſen Flechten Statt gefunden hätten. Da alſo der Vorfall nicht hinweg— geläugnet werden konnte, ſo hielt ich ihn einer näheren Un— terſuchung werth, und wandte mich deshalb an Dr. Heinig, den einzigen zu Bajazed lebenden Europäer, welchem ich eine Reihe von Fragen in Betreff des angeblichen Manna— regens vorlegte. Die Auskunft, welche ich mir auf dieſe Weiſe verſchaffte, theile ich Ihnen hier mit. Am 18. und 20. April dieſes Jahres, nachdem das Wetter vierzehn Tage lang ſehr regneriſch geweſen war, und ftarfe Südoſt- und Oſtſüdoſtwinde geweht hatten, wurde die Aufmerkſamkeit der Schäfer und Bauern in der Gegend von Bajazed durch das plötzliche Erſcheinen einer Flechtenart erregt, mit welcher mehrere Landſtriche von je 5 bis 10 engliſchen Meilen Umfang ſtark beſtreut waren. Dr. Hei— nig beſchreibt zwei dieſer Localitäten, wie folgt. Die eine liegt drei Miles öſtlich von Bajazed hinter einer felſigen Bergkette, die ſich von Norden allmälig gegen Südoſten hinzieht, die andere fünf Meilen ſüdlich von Ba— jazed in der Nähe einer ähnlichen Bergkette, die in der— ſelben Richtung ſtreicht. Merkwürdig bleibt immer, daß niemand, nicht einmal die Schäfer, dieſe Flechte früher in der Umgegend gefunden hat, da man doch die Schafherden an alle nur irgend zugängliche Stellen des Gebirges treibt; und dem Dr. Heinig, welcher den ganz in der Nähe von Bajazed liegenden Berg Ararat beſtiegen hat und überhaupt gern in den Gebirgen umherſchweift, iſt ſie ebenfalls nie vorgekommen. Daß dieſe eßbare Flechte vor ihrem wunder— baren Erſcheinen in der dortigen Gegend völlig unbekannt war, geht auch aus dem Umſtande hervor, daß im ver— gangenen Jahre, als durch den Heuſchreckenfraß eine große Theuerung entſtand, dieſe Flechte, wenn man um deren Vorhandenſein in der Umgegend gewußt, gewiß eifrig ges ſucht und als Nahrungsmittel benutzt worden wäre. Eine ähnliche Erſcheinung fol vor wenigen Jahren bei Bajazed vorgekommen ſein, bei welcher Gelegenheit die Bewohner der Gegend in Erfahrung gebracht haben mögen, daß die Flechte genießbar ſei. Wenn man übrigens annehmen wollte, dieſe Flechte wachſe auf benachbarten, aber völlig unzugänglichen Orten und ſei von dort herab geweht worden, wie ließe ſich denn die große Seltenheit dieſes Ereigniſſes erklären? und wie konnten ſo große Landſtriche mit dieſer Flechte überjtreut werden? Übrigens muß der Flechtenregen des Nachts Start gefunden haben, da niemand denſelben beob— achtet hat, und an den Orten, wo man die Flechten des Morgens fand, am Abend vorher nichts dergleichen wahr— genommen worden war. Es waren übrigens zwei Species Flechten, an manchen Stellen fand man nur eine, an andern beide Arten vermiſcht. Allen Berichten nach, hat man ſehr bedeutende Quantitäten eingeſammelt, und Dr. Heinig be— merkt, die Perſon habe in der Stunde bis 1½ & zuſam— menbringen können, was, in Betracht der ſpecifiſchen Leiche tigkeit der Subſtanz, bedeutend iſt. Man mahlt dieſelbe und verbäckt ſie mit Waizenmehl, oder ißt ſie auch roh, ohne weitere Zubereitung. (The Athenaeum, 6. Oct. 1849.) 22 = 343 XLIV. Ausbruch des Vulcans Zamba an der Mün- dung des Magdalenenſtroms. Aus Briefen des Oberſten Aco ſt a. Früher erſtreckte ſich das Vorgebirge Galera Zamba an der Mündung jenes Stromes 3—4 Meilen weit ins Meer bis zur Inſel Enea, welche deſſen Spitze bildete. Am an⸗ deren Ende der Landzunge befand ſich der Krater eines Vul⸗ cans, aus dem Gaſe mit großer Heftigkeit und zuweilen Rauch ausgetrieben wurden. Vor 10 Jahren fand ein von Flammen begleiteter Ausbruch Statt, in Folge deſſen der Vulcan ins Meer verſank und die Landzunge Galera Zamba zu einer Inſel wurde, die durch eine Straße von 8 bis 10 Meter Tiefe vom Feſtlande getrennt war. Sonnabends den 7. Oct. 1848 ließ ſich plötzlich um 2 Uhr Morgens ein Geräuſch hören, welches immer lauter wurde, und endlich brach an der Stelle des alten Vulcans aus dem Meere eine Feuergarbe, welche das Land bis auf 30 Stunden Entfer⸗ nung erleuchtete, und mehrere Tage, doch mit abnehmender Stärke, fortbeſtand. Feſte oder flüſſige Stoffe wurden bei dieſem Aus bruche nicht auf die benachbarte Küſtengegend geworfen; aber es entſtanden daſelbſt eine Menge kleiner Kegel mit Kratern, aus denen beſtändig Gasſtröme fahren, wie es bei den von Humboldt beſchriebenen zu Turbato der Fall if. In einem Abſtande von 8—10 Stunden von dem ſub⸗ mariniſchen Vulcane Zamba zählt man dieſer Krater über 50. Sie beſtehen aus einer ſalzigen Thonart und find mit Waſ⸗ ſer von der gewöhnlichen Temperatur gefüllt, durch welches das Gas auffteigt. Einige Tage nach dem Aus bruche bemerkte man an der Stelle des alten Vulcans eine Sandinſel, die aber nach einigen Wochen wieder ins Meer verſank, ſo daß die Ortlichkeit ſich nur durch die Brandung auszeichnet, welche ſich an den durch die Wände des Kraters gebildeten Klip⸗ pen bricht. In geologiſcher Beziehung bietet die benachbarte Küſte manches Intereſſe dar. Das emporgehobene Dilusium läßt zuweilen bis 200 Fuß über der gegenwärtigen Meeresfläche viele Madreporenbänke erkennen, die son S. nach N. ſtreichen. In dem, wie es ſcheint, der Pleiocene angebörenden Sand⸗ ſtein, der das Dilusium durchbrochen hat und deſſen Blöcke son den Wellen ausgewaſchen und von Bohrmuſcheln durch⸗ bohrt find, hat man einige Foſſilien gefunden. Am merkwürdigſten iſt jedoch das Geſchiebe. Hr. Acoſta hat Conglomerate und Grobſandſteine gefunden, welche gro⸗ ßentheils aus faſt kugelförmig abgeführten Brocken von Iy- diſchem Steine beſtehen, welche oft mehrere Decimeter im Durchmeſſer haben. Bei Tubara, einem 600 Meter boch lie⸗ genden Dorfe, ſieht man in dem Sandſteingebirge ausge⸗ waſchene enge Schluchten, die in andere weitere Schluchten ausgehen und in denen, wie es ſcheint, jene Geſchiebe durch die Bewegung des Waſſers rund gewaſchen worden find. Rückſicht⸗ lich der Fähigkeit der Bergwaſſer größere Geſteinmaſſen durch beſtändiges Hinundberbewegen abzurunden, verdient die Ge⸗ ſchiebeformation dieſer Gegend gewiß genauer ſtudirt zu 242. XI. 22. 34 werden. Die Bewohner benutzen dieſe Sieinfugeln häufig bei ihren gymnaftiichen Spielen. Man darf ſie nicht mit den gleichgeſtalteten Nieren oder Knauern von Eiſenhydrat verwechſeln, die ſich ebenfalls hier in großer Menge finden, aber, wie überall, aus concentriſchen Schichten beſteben. (L’Institut, 14. Nov. 1849.) XV. Über gewiſſe gefrorne Blätter. Bon J. Gotgas. Während der kalten Tage (15. und 16. April 1849) zeigten ſich an den Blättern des Buxus sempervirens, on welchem die Blüthen meiſt abgefallen waren und an dem ſich die Früchte zu bilden anfingen, einige ungewöhnliche Erſcheinungen. Die Blätter dieſer Pflanze find von eigen⸗ tbümlicher Structur und befigen eine don der oberen Platte, ausgenommen am Rande, jo vollſtändig freie untere Be- kleidung, daß, wenn man den Rand abſchält, die beiden Platten von ſelbſt aus einander fallen. Die die Nath bil⸗ denden Ränder zeigten ſich bei den damit angeſtellten Ver⸗ ſuchen, gleich den beiden Platten, vollkommen waſſerdicht. An den Morgen der beiden oben erwähnten Tage fand man die Blätter durch die Anweſenheit einer harten Sub⸗ ſtanz zwiſchen den beiden Platten ſtark aufgetrieben, und wenn man den Rand abſchälte, jo daß die Platten son einander gingen, zeigte ſich zwiſchen ihnen ein Klümpchen klaren, durchaus farbloſen Eiſes non der Geſtalt eines Kür- bißkernes, welches bei den größeren Blättern wenigſtens 116 Zoll ſtark war und dieſelben faſt bis zum Berſten ausdehnte. Als man die Blätter um 9 Uhr M. wieder unterſuchte, waren dieſe Eiskerne an der beſonnten Seite des Baumes verſchwunden, während fie auf der beſchatteten noch vor⸗ handen waren. Um Mittag waren alle Blätter eisfrei und, wie es ſchien, unbeſchädigt. Auch zeigte ſich in ihnen weder damals noch am Abend des erſten Tages irgend Feuchtigkeit. Am zweiten kälteren Tage waren die Eiskerne noch weit größer als am erſten. Das Thermometer zeigte in der Nähe des Buchsbaums bei Sonnenaufgang am 15. 320, am 16. 30° F., allein in der Umgegend hatte man an manchen Stellen 220 beobachtet. Nachdem der Verf. dieſe Beobachtung mitgetheilt, fragt er, woher binnen wenigen Stunden eine ſo große Menge Flüſſigkeit gekommen ſei, daß ſich in den Blättern ſo be⸗ deutende Eisklumpen bilden konnten und wie dieſe Flüſſig⸗ keit binnen wenigen Stunden wieder habe verſchwinden kön⸗ nen, da doch die Blätter ringsum jo waſſerdicht verſchloſſen ſeien, daß anſcheinend keine Aufſaugung oder Verdunſtung aus der Atmoſphäre habe Statt finden können. Er folgert, daß der Saft unter dieſen kritiſchen Umſtänden ſchnell in die Blätter ſteige und dort gefriete, während er nach dem Aufthauen eben jo ſchnell zurückfließe. Ein anderes Mit⸗ glied der botaniſchen Geſellſchaft don Wilmington, welcher dieſe Beobachtung zuerſt mitgetheilt wurde, war der Anſicht, dieſer Saft werde durch die Ausdehnung und das Gefrieren des Saftes in den Aſten in die Blätter getrieben und trete a1 340 dann wieder zurück. Eine dritte Meinung war die, daß durch die Kälte die normale Ausdünſtung aus den Blättern geſtört werde, während aus der Pflanze ſtets Saft nach— ſtröme, ſo daß eine Anhäufung des Saftes Statt finde und dieſer gefriere, während er nach dem Aufthauen ſchnell durch die Poren des Blattes verdunſte. (Sellimans American Journal, Sept. 1849.) Miſcellen. 55. Verſuch einer neuen Erläuterung des Herz⸗ ſtoßes im geſunden und kranken Zuſtande. Von Dr. L. Levié, prakt. Arzt in Rotterdam. — Der Herzſtoß tritt erſt allmälig hervor und nimmt an Intenſität zu, je nach den verſchie— denen Stadien der phyſiologiſchen Entwickelung des Herzmuskels. Erſt beim Eintritt der Ungleichheit in der Entwickelung der Mus⸗ culatur der beiden Ventrikel wird der Herzſtoß im geſunden Zu— ſtande nach mechaniſchen Geſetzen hervorgebracht. Dieſe Behauptung wird in mehrern kurz gefaßten Paragraphen zu beweiſen geſucht, die ungefähr folgenden Gedanken verfolgen. Zwei gleiche, aber entgegengeſetzt wirkende Kräfte bringen Ruhe, zwei ungleiche unter denſelben Bedingungen Bewegung hervor, die Größe der Bewegung verhält ſich wie das Product der Maſſe in die Geſchwindigkeit, 242. XI. 22. 346 alſo bei gleichen Geſchwindigkeiten wie die Maſſen. Da nun die Muskelfaſern der Herzkammern bei einem und demſelben Indivi— duum gleiche Dicke haben, jede einzelne Muskelfaſer ſich demnach gleich Fräftig zuſammenzieht, fo werden bei ungleichen Dicken der Muskeln der Ventrikel ſich die in ihnen entwickelten Kräfte wie dieſe Maſſen verhalten. Denkt man nun daran, daß das Herz im Herzbeutel in gewiſſen Grenzen beweglich aufgehängt iſt, ſtellt man ſich während der Kammerſyſtole das septum und die durch die gez ſchloſſenen venöſen Klappen gebildeten Wände als die ruhenden Flächen vor, auf welche die einander entgegengeſetzt wirkenden zu— ſammenziehenden Kräfte der Ventrikel gerichtet ſind, ſo wird ſich ergeben, daß wenn der Herzſtoß der Ausdruck einer Localbewegung des Herzens während der Kammerſyſtole iſt, dieſe Localbewegung bei gleichen Maſſen der Ventrikel gar nicht, bei ungleichen aber wohl Statt findet. — Als eine beſondere Beſtätigung dieſer Theo— rie wird als Thatſache betrachtet, daß bei Neugebornen, deren Ven- tricularwandungen beiderſeitig etwa gleich ſtark find und bei Hy⸗ pertrophie des rechten Ventrikels kein Herzſtoß eintritt (21). (Aus Roſers und Wunderlichs Archiv in Schmidts Jahrbüchern 1849. 11.) 56. In der Horticultural Society zu London iſt eine weiß⸗ blühende wohlriechende Verbena aus Santa Martha, welche von der verwittweten Herzogin von Northumberland zur Ausſtellung geliefert war, mit einem Preis verſehen worden; die Pflanze wird in unſern Gärten fortkommen und wir werden alſo künftig auch wohlriechende Verbenen haben. (Athenaeum, 1152.) Heilkunde. (XLIII.) Furunkelepidemie, entſtanden durch den Genuß von hydrothionſaurem Brunnenwaſſer. Beobachtet von Dr. Th. Clemens zu Frankfurt a. M. (Schluß.) Ebenſo muß ich hier auf einen Umſtand aufmerkſam machen, der, obgleich ſchon mit vielem Fleiße bearbeitet, zu ſeiner Feſtſtellung neuer Beweiſe und Prüfungen bedarf und meines Erachtens auch die allgemeine Aufmerkſamkeit wohl verdienen mag. Ich meine nämlich hier das Verhalten der verſchiedenen Gasarten zu den verſchiedenen Farben. Dieſe eigenthümliche Eigenſchaft der Gaſe, an verſchiedenen Farben in verſchiedener Qualität zu haften, iſt bereits von Dr. med. Stark in Edinburg (philos. Transact.) durch Experimente beleuchtet und ebenſo von L. G. v. Vogel (Bemerkungen über den Einfluß der Farben auf die Salubrität der Luft, Roſtock 1835) der allgemeinen Aufmerkſamkeit empfohlen worden. Meine hierher gehörigen Experimente und Beobach— tungen über dieſen Punkt beſchränkten ſich lediglich nur auf die zwei hier ſchon oft genannten Schwefelwaſſerſtoffgas und Kohlenwaſſerſtoffgas (ölbildendes). Da jedoch hier der Ort nicht iſt, um dieſe Verſuche zu detailliren, auch ich mein ei— gentliches Thema zu weit verlaſſen würde, ſo will ich nur die hierher gehörigen Reſultate meiner Verſuche kurz anfüh— ren. Übereinſtimmend mit Dr. Stark fand ich beſtändig die ſchwarze Farbe, insbeſondere ſchwarze Wolle und ſchwarzes Tuch, dieſen Gaſen längere Zeit ausgeſetzt, auffallend ſtärker mit denſelben imprägnirt, als dies bei anderen Farben und anders gefärbten Stoffen der Fall war. Dieſes Reſultat kann jeder leicht ſich veranſchaulichen, wenn er Gelegenheit hat, ſich in anatomiſchen Sälen in ſchwarzer Kleidung län— gere Zeit aufzuhalten. Die ſehr hohen ſchwarzen Schorn— ſteine, ſowie überhaupt die vom Rauche ſehr geſchwärzten, dem Regen ausgeſetzten Apparate, boten dem Schwefelwaſſer— ſtoffgas einen reichlichen Anhaltspunkt, und die im Waſſer leicht lösliche Hydrothionſäure wurde auch hier von dem Re— gen in nicht geringer Menge beſtändig gefunden und auf— genommen. Die Brunnen, deren Waſſer zu genießen ich nun auf das ſtrengſte unterſagte, ließ ich auspumpen, ſoweit dies möglich war, und unterſuchte das Waſſer in 14 Tagen wie— der, wo ich zu meinem Erſtaunen das Waſſer deſſenungeachtet von Hydrothionſäure imprägnirt fand und zwar in demſelben Zuſtande wie vorher. Ich warf nun in einen Brunnen, nachdem ich das gasgeſchwängerte Waſſer hatte wegpumpen laſſen, mehrere Pfunde Chlorkalk, indem ich die ſich anſam— melnde Quantität Hydrothionſäure dadurch zu verringern ge— dachte, was mir jedoch nur ſehr unvollkommen gelang; ein Zeichen, wie begierig und in welchen großen Quantitäten das atmoſphäriſche Waſſer dieſes Gas abſorbirte. Die Ve— getation der Umgegend kränkelte auffallend, alle Pflanzen, welche ich ausſchließlich mit dieſem inficirten Waſſer begoß, kränkelten in ſehr kurzer Zeit und kleinere Sommergewächſe ſtarben ſogar ſchnell, indem zuerſt die Blattränder mißfarbig wurden und das Wachsthum allmälig ganz aufhörte. Be— ſonders in die Augen fallend bemerkte ich dieſe Erſcheinungen an verſchiedenen mit dieſem hydrothionſauren Waſſer begoſſe— nen ſehr ſaftreichen Cucurbitaceen, welche ſchnell ihre Blätter verloren und trotzdem, daß ſolche nachher mit reinem Waſſer begoſſen wurden, ſich nicht mehr erholten. Je mehr nun im 347 Laufe des Sommers das Quellwaſſer ſank und die Regen ſpärlicher fielen, deſto reiner und freier wurde das Waſſer, bis ſich endlich im Spätſommer kaum noch eine Spur von Hydrothionſäure nachweiſen ließ, worin ich abermals eine Beſtätigung meiner Beobachtung fand, daß nur durch die leichte, häufige und ſchnelle Vereinigung des inficirten at— moſphäriſchen Waſſers mit dem unterirdiſchen Quellwaſſer dieſe Brunnenvergiftung, die noch zur rechten Zeit entdeckt wurde, möglich geworden var. Was nun die beobachteten Krankheitserſcheinungen über— haupt betrifft, ſo will ich verſuchen, durch die Betrachtung der Hauptſymptome, ſowie des ganzen Krankheitsbildes, den Zuſammenhang zwiſchen Urſache und Wirkung ſo weit zu er— klären, als mir dieſes bei einer ſolchen phyſiologiſchen Sympto— matologie überhaupt möglich ſein wird. Die Wirkungen des Schwefelwaſſerſtoffgaſes ſind allgemein bekannt und man hat nur allzuhäufig Gelegenheit gehabt, die tödtlichen Folgen dieſes giftigen Gaſes zu beobachten; ebenſo haben Verſuche, an Thieren angeſtellt, gezeigt, daß dieſes Gas in ſehr ge— ringer Quantität dem eirculirenden Blute beigemiſcht, ſchnell tödtet, ſchneller als ſolches durch Inhalation der Fall war. Eine chroniſche Vergiftung, hervorgebracht durch lange Zeit auf den Magen einwirkende kleine Mengen dieſes Gaſes, iſt meines Wiſſens noch nicht beobachtet worden. Obgleich es nicht ſelten vorkommt, daß kleine Mengen Hhydrothionſäure im geſunden Organismus ſich, ohne Schaden zu verurſachen, bilden, ſo iſt doch hierbei zu bemerken, daß dieſes Gas nur bei der Zerſetzung der Exeremente in den letzten Theilen des Darmcanals, alſo an einem Orte vorkommt, wo es nicht reſorbirt und ebenſo ſchnell, oft noch ſchneller entfernt wird, als dies bei den hier gebildeten Fäcalmaterien der Fall iſt, die, wenn ſie reſorbirt würden, auch keine kleine Verheerung anrichten würden. Ob bei krankhafter Beſchaffenheit des Darmcanals und der Verdauungsorgane, wie z. B. bei Pneu- matosis ventriculi oder ähnlichen Krankheiten Hydrothionſäure vorkommt, iſt mir nicht bekannt, doch würde dieſelbe an je— nem, vorzugsweiſe der Aſſimilation dienenden wichtigen Orte entwickelt, unbedingt die ſchlimmſten Zufälle herbeiführen, ſelbſt wenn ſie ſchnell nach außen entfernt würde. Jedenfalls mag die innige und häufige Berührung des ſchädlichen Gaſes mit den Chymi- und Chylificationsorganen den Hauptmoment aller Erſcheinungen ausgemacht haben; auch will ich ein hier Statt gefundenes Übergehen des Gaſes in die allgemeine Blutmaſſe und eine dadurch bewirkte chroniſche Blutvergiftung nicht in Zweifel ſetzen. Auf die außerordentliche Geneigtheit des Hydrothiongaſes, ſich mit den Blutkörperchen zu verbin— den, hat ſchon Liebig aufmerkſam gemacht, und die über— aus ſchädliche Wirkung der Hydrothionſäure auf den Orga— nismus auf dieſe Theorie baſirt. Was die weiteren Beob— achtungen Liebigs betrifft, daß nämlich die mit Hydrothion— ſäure inficirten Blutkörperchen ſogar zur Sauerſtoffaufnahme untauglich würden, ſcheint mir etwas zu geſucht, indem eine ſolche Unfähigkeit bei dem ſo raſchen Stoffwechſel gewiß nur ſehr kurze Zeit Statt finden kann, und wir bei der Infection großer Blutmengen dieſe Eigenſchaft am Ende nicht nöthig haben, um dieſe gefährlichen Wirkungen des Schwefelwaſſer— 242. XI. 22. 345 ſtoffgaſes noch zu erhöhen. Die in allen den von mir beobachteten Fällen jo ſehr herabgeſtimmte Muskelirritabilität, bekanntlich die charakteriſtiſchſte Wirkung der Hydrothionſäure, war wohl das Hauptſymptom einer allgemeinen durch dieſes Gas bewirkten Vergiftung. Hierher gehören in allen Fällen der kraftloſe, ſparſame, leicht wegdrückbare Puls, bedingt durch den in ſeiner Energie geſchwächten Herzſtoß und den geſunkenen Tonus der Arterienwandungen. Der manchmal überaus träge Stuhlgang wurde verurſacht durch die trägen periſtaltiſchen Bewegungen des Darmeanals, das Gefühl von Fülle in der Magengegend darf wohl einer einfachen ve— nöſen Staſe bei minder kräftiger Herzaſpiration zugeſchrieben werden. Ob die ganze Krankheit, das Bild eines trägen Stoffwechſels, durch die von Liebig beobachtete erſchwerte Sauerſtoffaufnahme bei mit Hhydrothionſäure inficirtem Blute noch verſtärkt wurde, will ich, wie geſagt, dahingeſtellt ſein laſſen. Die Magenſchmerzen mögen wohl theils der directen Einwirkung des Gaſes auf die Magennerven zuzuſchreiben ſein, theils in einer venöſen Congeſtion des Magens ihren Grund haben, was bei den Kopfſymptomen wahrſcheinlich auch der Fall war. Wie gewöhnlich bei bedeutenden Fällen von Furunkelbildung, ſo war auch hier in allen von mir beobachteten Fällen die Hautaffection mit gaſtriſchen Sympto⸗ men verbunden und zwar ſo, daß bei jedesmaligem Aus— bruche der Furunkel die gaſtriſchen Zuſtände mehr in den Hintergrund traten und an Bedeutung verloren, dahingegen letztere heftiger wurden, ſobald der Furunkelausbruch ver⸗ langſamt oder die Eiterung der aufgebrochenen durch irgend einen Zufall geſtört worden war. Wurde der ein Mal er⸗ ſchienene furunkelartige Hautproceß in feiner Fortbildung ge— hindert, jo waren die Symptome andere als wenn das Er⸗ ſcheinen der Geſchwüre überhaupt verzögert worden war, was bei Erkältungen der Haut oft vorkam. In letzterem Falle gewannen die gaſtriſchen Symptome an Heftigkeit, während im erſteren Falle ganz andere Erſcheinungen auftraten. Unter dieſe Erſcheinungen gehört das geſtörte Allgemeinbefinden, die Kopfſymptome, Schwindel, Schmerz und Betäubung und endlich in dem zuletzt beſprochenen hervorgehobenen Fall die Bruſtſymptome. Was dieſe in ſo erſchreckender Form auf— getretene Bruſtaffection betrifft, ſo bin ich leider nicht im Stande, mit Beſtimmtheit angeben zu können, ob bei dieſen Anfällen Herz oder Lunge die Hauptrolle geſpielt haben. Die Berichte einer geängſtigten Umgebung ſind nichtsſagend, und höchſtens vermögen der Krankheitstypus, der Verlauf nach der eingeſchlagenen Behandlung, ſowie die ſubjectiven Empfindungen des Patienten dem Beobachter einige, wenn auch ſchwache Anhaltepunkte zu geben. Gewiß iſt, daß beide Organe durch unausbleibliche ſchnelle Wechſelwirkung das Krankheitsbild hervorbrachten. Ob Herz oder Lunge das primär afficirte Organ waren, vermag ich jedoch nicht zu entſcheiden. Die ſo ſehr geſunkene Muskelirritabilität, welche ſich natürlich auch auf das Herz und die Arterien erſtreckte, konnte bei dem Liegen im Bett und dem Ceſſtren des durch die vorhergegangenen angeſtrengten Gehbewegungen ſympa— thiſch wirkenden Reizes ſich zu einem bedenklichen Grade ge— ſteigert baben, als auch durch die Blutüberfüllung der in 349 ihrer Thätigkeit geſchwächten größeren Gefäße die Urſache einer unbeſtimmten Affection des Herzens geweſen ſein. Wie mir es ſchien, ſo litt im Ganzen die Irritabilität der ſo— genannten unwillkürlichen glatten Muskelfaſer, wie überhaupt das ganze vegetative Syſtem mehr, als die quergeſtreifte will— kürliche Muskelfaſer und in manchen Fällen ſchien der nor— mal kräftige Herzſtoß mit dem ſo ſehr unbedeutenden An— ſchlag der Radialarterie wenig zu harmoniren; ebenſo war die ſo große Trägheit des Darmcanals ſehr hervortretend. In wiefern die geſunkene Irritabilität der Bronchialmuskel— haut hier eine Rolle geſpielt haben mag, iſt ſchwer zu ſa— gen. Die in dieſem Falle ſo ſehr günſtige Wirkung der ſogleich unternommenen Venäſection bietet der Annahme ei— ner vorhandenen paſſiven Congeſtion der Bruſtorgane eine bedeutende Stütze, zumal vor- wie nachher auch nicht das geringſte Symptom einer Phlogoſe zu entdecken war, welcher Mangel durch die ſo überraſchend ſchnelle Geneſung gewiß beſtätigt wurde. Eine dritte und gewiß gewichtige Frage wäre die, ob durch das Rückwärtsſchreiten der gewiß (?) kritiſchen Geſchwüre nicht ein ſpecifiſches Agens dieſen Sturm heraufbeſchworen, ob nicht die von der Oberfläche quasi zu— rückgeworfene ſogenannte Materia peccans ſich auf edle innere Organe geworfen, eine ſogenannte Metaſtaſe bewirkt, oder, etwas phyſiologiſcher gedacht, von ihrer peripheriſchen Ort— lichkeit wieder mit dem Blute in die allgemeine Circulation übergegangen, Herz oder Lungen durch einen ſpeeifiſchen inadäquaten Reiz zu einer Functionsanomalie veranlaßt hät— ten. Dieſe letztere Frage iſt um ſo ſchwieriger zu entſchei— den, da ſie einen kritiſchen Charakter der Furunkel voraus— ſetzt, welcher, wenn wir einen ſolchen ſelbſt annehmen woll— ten, die Art und Weiſe des ſpecifiſch wirkenden Agens nicht im mindeſten erhellen würde. Leider war es mir nicht mög— lich, das während der Affection gewonnene Blut einer che— miſchen Analyſe zu übergeben, da dasſelbe bei meiner An— kunft ſchon weggegoſſen war. Der ſparſam gelaſſene Urin ſchien mir nichts auffallendes darzubieten. Die Furunkel— bildung im Nacken, welche ſo plotzlich nach dem Ceſſiren der Bruſtaffection auftrat, kann ihren kritiſchen Charakter gewiß nicht verleugnen. Auffallend war in dieſem Falle das ſchnelle Eintrocknen und Verſchwinden der Furunkel des Ge— ſichts und der Oberlippe, welche auch nicht wieder zum Vor— ſchein kamen. Die in den meiſten Fällen beobachtete Haut— affection war in allen Erſcheinungen frei von aller Compli— cation. Da ich anfangs bei den kleinen und häufigen fu— runkelartigen Geſchwüren, welche im Verlaufe härtlich und mißfarbig geworden und einen torpiden Charakter angenom— men hatten, eine Syphiloide vor mir zu haben glaubte und deshalb ſehr genau unterſuchte und eraminirte, meinen Ver— dacht, bei den meiſt verheiratheten Leuten, aber niemals in irgend einer Weiſe beſtätigt fand, ſo glaube ich, da ich eben— ſo allen Complicationen wie allen möglichen Urſachen ſehr nachſpürte, die Hautaffection allein dem Genuſſe des hydro— thionſauren Waſſers und dem durch dasſelbe hervorgebrach— ten eigenthümlichen gaſtriſchen Zuſtande zuſchreiben zu müſſen. Scabies kam mir bei den oft ziemlich unrein lebenden Leuten niemals vor und ich bin feſt überzeugt, daß die Theer-, Ol— 242. XI. 22. 350 und Creoſotdämpfe, womit alle Kleider und Geräthſchaften dieſer Leute imprägnirt waren, dem Leben dieſer Hautkrank— heit ein weſentliches Hinderniß in den Weg ſetzten. Ob und wie die häufige Furunkelbildung überhaupt als ein durch die Haut, als Reinigungsorgan, bedingter Proceß zu be— trachten iſt, wird bei den meiſtens ſo ſehr unklaren bedingen⸗ den Momenten der Hautkrankheiten einer ſpäteren Zeit zu erhellen bleiben. Das wechſelſeitige Verhältniß der Haut zu den inneren Organen des menſchlichen Organismus iſt noch ſo dunkel, daß die ſichtbaren Proceſſe wohl nicht eher einer gründlichen Erforſchung zugänglich werden, bis die unſichtbaren richtig geahnt und verſtanden ſind. (Zeitſchrift für rat. Med. von Dr. J. Henle u. Dr. Pfeuffer. VIII. Bd. 1. u. 2. Heft.) (XIIV.) Hydrophobie bei einer Katze und durch dieſe auf eine Kuh übergetragen. Vom Thierarzte Engelmayer in Burgau *). Den 13. Mai 1839 zeigte Leopold Heininger von Gold— bach, k. Ldgr. Burgau, an, daß ſein Weib und ſeine zwei Kühe von einer wüthenden Katze gebiſſen worden ſeien. Es verfügte ſich daher der kgl. Landgerichtsarzt Hr. Dr. Schneemann mit mir nach Goldbach. In Goldbach angekommen ſeeirte ich die ſchon getödtete Katze. Sie war männlichen Geſchlechts, 3 — 4 Jahre alt, von rother Farbe. b 1) Bauchhöhle: Im Dünndarme fand ich fünf letten— förmige Bandwürmer (Taenia plicata) von 8 — 10 Zoll Länge in einen großen Knäul verwickelt; an der Stelle, wo ſie lagen, war der ſehr ausgedehnte Darm geröthet, ſonſt am ganzen Darmcanale nichts entzündet. Im Magen befanden ſich eine Menge Haare in einen Knäul verwickelt, von ver— ſchiedenen Farben, eine rohe Kartoffelſchale, mehrere Stücke von Maikäfern, Gras- und Moosſtücke und viel gelber Schleim; der Magen war nicht entzündet. Die Leber war mürbe, die Gallenblaſe groß mit vieler dünner gelblicher Galle angefüllt, und die Schleimhaut war etwas entzündet. Die andern Baucheingeweide waren alle normal. 2) Die Bruſtorgane waren alle ganz geſund. 3) Der Kopf war ſo zerſchlagen, daß er nicht ſeeirt werden konnte. Die Maulhöhle enthielt vielen Geifer. Nach Ausſage des Eigenthümers war die Katze ſchon acht Tage lang traurig und murrig in den Winkeln herum— geſeſſen, und vor zwei Tagen habe ſie ſein vierjähriges Kind ohne alle Veranlaſſung gekratzt. Ich ſchloß daher, daß dieſe Katze an der Wuth gelitten haben dürfte. Nun ſchritt ich zur Unterſuchung des Viehes im Stalle. a. Zuerſt unterſuchte ich eine rothe Kuh (ſpäter an Wuth gefallen) und fand eine friſche, ſtarke, durchgehende Biß— wunde am rechten Ohr, gegen die Spitze zu, ſonſt am ganzen Körper nicht die geringſte Verletzung mehr. b. An der zweiten, ſchwarzen, tragenden Kuh fand ich oben am Halſe eine friſche Verletzung, durch eine Katzenklaue verurſacht, drang jedoch nicht durch die Haut. ”) Aus dem 1 Central- Archiv für die geſammte Veterinär⸗ mediein von Kreutzer. IV. Jahrg. 182.) 351 c. An dem Ochſen und den zwei jungen Rindern fand ich keine Verletzung. Behandlung der verletzten Kühe. J. Das gebiſſene Ohr der rothen Kuh a. ſchnitt ich zur Hälfte ab und ließ die Wunde tüchtig bluten; als die Blutung aufhörte, rieb ich die Wunde mit ung. mere. praecip. rub. ein, um etwas Eiterung zu bekommen, welches mir aber nicht gelang, ſondern es bildete ſich immer ein trockener Schorf, ſo oft ich denſelben auch abriß und die Salbe friſch an— wendete; nach 10— 12 Tagen überließ ich die Heilung der Natur und nach acht Tagen war die Vernarbung vollkommen. II. Der zweiten ſchwarzen Kuh 5. ſchnitt ich ein Stück Haut mit der gekratzten Wunde aus und rieb obiges un— guentum ein; hier bekam ich etwas Eiterung, die unterhielt ich vierzehn Tage, ſodann ließ ich die Natur heilen, welches ſehr bald gelang. Dieſe Kuh iſt jetzt noch geſund. Weitere Beobachtungen. Die Wunde am Ohr der rothen Kuh a. war kaum 3— 4 Tage vernarbt, ſo bemerkte ich und beſonders der Eigen— thümer ſchon ein beſonderes auffallendes Benehmen an ihr, ſie erſchrack nämlich bei geringem Geräuſche, oder wenn man ſie ſchnell anrief, oder ſie nur leiſe mit der Peitſche ſchlug und zitterte alsbald, ſie ſcheute auch manche Gegenſtände als Heininger ſie ein Mal einſpannte, was ſie früher nicht ge— than hatte. Die Freßluſt war bisher immer gut. Am 8. Juni früh 8 Uhr kam ich in den Stall, die Kuh ſtand mit aufgekrümmtem Rücken da und zitterte, beſonders ſtark an den vorderen Füßen, fieberhaft, an den Schultern faſt Sehnenhüpfen (2), fie athmete beſchwerlich, hatte einen wilden feurigen Blick, Arien rannen aus den Augen, ſie ſchnaubte, ſchüttelte den Kopf öfters, ſtieß mit den Hörnern nach dem nebenſtehenden Vieh und in die Raufe nach dem Heu, benahm ſich überhaupt wild und unbändig; ferner be— merkte ich Schaum am Maule der Kuh und an den Barren. Gefreſſen hatte ſie dieſen Morgen nichts, auch nichts geſoffen. Ich ließ die Kuh aus dem Stalle bringen und ſie im Stadel mit einer Kette um den Hals und einen Strick um die Hörner anlegen und gut befeſtigen. Am 9. Juni früh zwiſchen 3 und 4 Uhr, alſo gerade 27 Tage nach dem Biſſe von der wüthenden Katze, ging dieſe Kuh an den heftigſten Zufällen zu Grunde. Sie brüllte heftig mit heiſerm Tone, ſtieß und ſchlug um ſich, ſo daß ſie die Wände durchſchlug, ſie ſtürzte öfters mit dem Hinter— theile zuſammen und blieb einige Minuten auf dem Hintern ſitzen, ſprengte Stricke und Kette und verletzte ſich ſelbſt ſehr ſtark; nach ſolchen öfters eingetretenen Paroxysmen trat wieder eine Zeit lang Ruhe ein, — der Eigenthümer durfte ſich dann ihr wieder nähern und konnte ſie dann wieder befeſtigen. Verendet hat ſie aber außer einigen Zuckungen ganz ruhig. Dieſe letzte Scene wurde mir a den Eigenthümer genau berichtet. 242. XI. 22. 352 Am 9. Juni begleitete ich den kgl. Gerichtsarzt nach Goldbach und beſichtigte dort die crepirte Kuh äußerlich Sie war nur wenig aufgetrieben, das Maul Geifer ent⸗ haltend, aus der Naſe rann Blut und blutiger Schaum, aus dem etwas hervorgetriebenen After floß etwas blutiger Schleim, die vordern Füße waren ganz blutend aufgeſchunden, ebenfo der Kopf und die Hüfte. Von Goldbach ließ man das Cadaver nach Wettenhauſen auf den Waſen bringen, und ſchritt zur Section. Nach abgenommener Haut erſchien die Musculatur blaß und welk. 1) In der Bauchhöhle waren alle Eingeweide, außer der Gallenblaſe, normal; dieſe war um die Hälfte größer als im Normalzuſtande, die innere oder Schleimhaut derſelben ſehr entzündet, ſo daß man die Spuren auf der äußern Fläche deutlich bemerkte, die Galle war dünn⸗ flüſſig und mit Blut vermiſcht; das die Blaſe mit der Leber verbindende Zellgewebe war mit gelbem Waſſer infiltrirt. Das Blut in den großen Gefäßſtämmen wie auch in den kleinen Gefäßen war von einer mehr brau- nen als rothen oder ſchwarzrothen Farbe und nicht geronnen. 2) Die Bruſtorgane waren ganz normal, nur auf der Ober⸗ fläche der rechten Lunge zeigten ſich einige entzündete Fleckchen von der Größe einer Linſe und darüber. 3) Das Gehirn war von mehr Conſiſtenz, die Adergeflechte mit Blut überfüllt, ſo auch die Gefäße der weichen Hirnhaut (pia mater). 4) Der Grund der Zunge, der Gaumenvorhang waren ganz verſchwollen, ſowie larynx und pharynx, die Oberfläche der genannten Theile war wie beſäet mit linſen- und hirſekorngroßen, dunkelrothen und ſchwarzen Fleckchen, Blutausſchwitzungen (Ekchymoſen), ähnlich wie ſie beim Milzbrande gefunden werden. Die Speicheldrüſen waren brandig. Die Entzündung ſetzte ſich in die Naſenhöhle fort, nämlich das obere Ende der Scheidewand, die Sieb— beinzellen und die oberen Ende der Düttenbeine, d. b. die Schleimhaut an dieſen Theilen war ſtark entzündet, zum Brande ſich neigend; die Ekchymoſen fehlten jedoch hier, ſie ſetzten ſich jedoch in die oberen Enden der Luft— röhre und des Schlundes fort, verloren ſich aber gegen die Mitte zu ganz. N e e (45) Blaſenſtein mit Blutkern. In der Klinik zu Kiel operirte L. Stromeier einen ſteinkranken Knaben, welcher 4 Jahre zuvor von einer Treppe herabgeſtürzt war. 2 Jahre darauf began⸗ nen die Harnbeſchwerden und als nun der glücklich durch den Sei⸗ teniteinfchritt ertrahirte Stein unterſucht wurde, befand ſich inner⸗ halb der concentriſchen Schichten ein braunſchwarzer Fern, der mikroſkopiſch unterſucht, aus Blutkörperchen beſtand. Str. ver⸗ muthet, daß bei jenem Sturze ſich etwas Blut aus der Niere er⸗ goſſen, im Ureter feſtgeſetzt und fo zur Bildung des“ Steines Ver: anlaſſung gegeben habe. (Deutſche Klinik 1.) Bibliographiſche Neuigkeiten. O. Heer, die Insectenfanna der Tertiärgebilde von Oeningen und von Rado- boj in Croatien. 2 Thle. gr. 4°. Geh. 4 Tulr. Dr. Depaul, De influence de la saignee et d'un régime, rs sur le developpement de l’enfant pendant la vie intra-uterine. In 8“ Druck und Verlag des Landes⸗Induſtrie⸗Comptoirs zu Weimar, * zum elften Bande dritter Reihe der Notizen A. Acoſta, Ausbruch des Vulcans Zamba in der Mündung des Magdalenenſtroms. 343. Adventivknoſpen, üb. d. Entſtehung derſ. 209. Aerolithen, üb. zwei, und eine Meteoreiſen— maſſe, die neuerlich in Oſtindien gefunden wurden. 241. Alge, Dr. Perty's neue bewegliche. 26. Amauroſe, ätiolog. Beziehung derf. zur Bright: ſchen Krankheit. 112. Anneliden, üb. das Gefäßſyſtem der Reſpi— rationsorgane derſ. 154. — A. und Grus ſtaceen, üb. das epithelium der Kiemen— apparate bei denſ, 74. — A. und Säuge⸗ thiere, üb. die Übereinſtimmung der Ent⸗ wickelung derſ. 254. Arm, Amputation desſ. am Schultergelenke wegen Krankheit des anatomiſchen Halſes des humerus und des Ellbogengelenkes. Heilung. 139. Armeria maritima, üb. die chemiſchen Be— ſtandtheile ihrer Aſche, je nach dem Stand— orte derſ. 294. Arterien, Durchſchneidung derſ. zwiſchen zwei Ligaturen als allgemeines Heilverfahren gegen Hämorrhagien u. aneurysma. 208. — A. an der Oberfläche des cranium, vari⸗ cöſe Anſchwellung derſ. Auf einander fol— gende Unterbindungen der art. carotis ex- terna, communis u. interna. Hämorrhagie. Störung in den Functionen des Gehirns. Tod. Leichenöffnung. 221. Arteſiſcher Brunnen zu Wildegg im Canton Aargau, Temperatur desſ. 56. Assacou, üb. die Anwendung desſ. gegen Elephantiasis. 191. Auge, Aſtigmatismus desſ. 160. Augen, Vortreibung derſ. bei Anämie. 29. Auſter iſt getrennten Geſchlechts. 74. Ausziehung einer ſehr langen Haarnadel aus der Harnröhre eines Mannes. 32. B. Bäume, über das Zerſplittern derſ. durch di: recte Wirkung des Gewitterſturms. 256. Balanus rugosus, Augen desſ. 104. Ball, Theebau in Indien. 202. Barénoud, üb. die Anatomie und Entwicke⸗ lungsgeſchichte der Trapa natans. 129. Barral, üb. das Gleichgewicht im Stoffwech— ſel des menſchlichen Körpers. 72. — üb. den Einfluß geſalzener Nahrungsmittel auf den Verhältnißtheil des in der Ausdün⸗ ſtung und dem Harne enthaltenen Stick— ſtoffes. 217. Barrande, üb. die Trilobiten Böhmens. 168. Barthelemy und Buſſy, üb. Milch, beſonders Eſelsmilch, im feſten Zuſtande. 232. Regi ſt er und Heilkunde. Bartlett, diagnoſtiſcher Unterſchied des Ty— phus und des typhöſen Fiebers. 127. de la Beche, geologiſche Skizzen. 113. Becquerel, üb. die Wirkung des Magnetis— mus auf alle Körper. 168. — Geſund— machung der Sologne. 265. Beke, das Schneegebirge Oſtafricas. 309. Belladonnatinctur, alkoholiſche Einreibungen derf. gegen tetanus. 192. van Beneden, üb. die Entwickelung der Ni— cothoen. 153. Berland, endermiſche Anwendung des Mor: phineſalzes bei epidemiſcher Ruhr. 238. Bernard, succus pancreaticus das zur Ver⸗ dauung der Fette allein thätige Agens. 7. — üb. das Drehen nach Verletzung der kleinen Hirnſchenkel. 56. Betäubendes Mittel aus Hanfaufguß. 48. Betz, Unterſuchung des Plattfußſkelettes. 217. — Erereirknochen im rechten m. soleus. 220. Biſhop, Wundſtarrkrampf mit ſtarken Gaben ſchwefelſauren Chinins behandelt. 157. Blätter, über gewiſſe gefrorene. 344. Blanchard, das Nervenſyſtem der wirbellofen Thiere als Claſſificationstypus. 24. Blaſenſtein mit Blutkern. 352. Blaſius, scintillatio pupillae. 336. Bliſſon, Beſchreibung der Larve und Nym— phe von Nebria brevicollis. 104. Blot, Dafein des sphincter externus ani bei einer atresia ani. 288. Blutegel, üb. das nach dem Gebrauche aus denſelben gedrückte Blut. 80. Bonjean, Ergotine gegen durch Verwundun⸗ gen veranlaßte Blutungen aus Arterien und Venen. 201. — Glairine und Zoiodine der Mineralwaſſer. 230. Bouiſſon, üb. die Lithotritie durch das pe- rinaeum. 112. de Boulbene und Follin, Schmarotzerpilze auf einigen ausländ. Coleopteren. 40. 120. Boutigny, üb. die Kunſtſtücke der Feuerfreſ— fer ꝛc. 167. Bowman, üb. die Structur der Glasfeuch— tigkeit. 283. Brandt, der Dodo gehört zu den Grallae. 106. Breſſe, Einreibungen der alkoholiſchen Bella— donnatinctur gegen tetanus. 192. Brown-Séquard, vollſtändige MWiedererzeus gung der Verrichtungen des durchſchnitte— nen nervus ischiaticus am oberen Theile des Schenkels eines Meerſchweinchens. 260. — ſ. Martin-Magron. Bulteel, naevus bei einem kleinen Kinde, durch äußerlichen Gebrauch einer Jodin⸗ ſolution geheilt. 158. 4 Bunſen, üb. die Farbe des Waſſers. 267. Burnett, Wirkung Seeg Behandlung hy— ſteriſcher Anfälle. 159. aus dem Gebiete der Natur— C. Cactus grandiflorus, Früchte des. 138. Callaway, Zerreißung des langen Kopfes des musculus biceps. 262. Capnodium, neue Gattung desſ. 310. Carotis communis, Unterbindung derſ. 304. Chaſſaignae, Varix aneurysmaticus auf dem Schädelknochen. 167. Chauſſat, warzige Auswüchſe der Oberfläche von Molluſken. 266. Chiminelli, vorbeugende und heilende Be— handlung der Vergiftung durch Eiter bei eiternden Wunden. 287. Chinin, große Gaben desſ. gegen Wechſel— fieber. 319. Chloroform, üb. den Gebrauch desſ. 16. — Chl. im Blute leicht zu entdecken. 144. — üb. das Chl. 150. — Zur Applica⸗ tion des Chl. 288. — neuer Fall von Tödtung durch Chl. 222. — Chl. in der Militärpraris. 224. — Chl. in der Ge⸗ burtshülfe. 282. Cholera, ſ. Maxwell. Clemens, Furunkelepidemie, entſtanden durch den Genuß von hydrothionſaurem Brun⸗ nenwaſſer. 329. 345. Cnopf, Cynanche sublingualis rheumatico- typhoides. 319. de Confevron, neuer Fall von Tödtung durch Chloroform. 222. Conolly, über die phyſiſchen Urſachen des Wahnſinns. 231. Cooper, ſ. White Cooper. Coote, ſ. Holmes Coote. } Coupvent des Bois, üb. die Strömungen in der Straße von Gibraltar. 120. Cretine, üb. die Behandlung derſ. 295. 311. Cruſtaceen, ſ. Williams. Cynanche sublingualis rheumatico - typhoi- des. 319. D. Davy, die Kohlenſäure als Auflöſungsmittel beim Vegetationsproceſſe. 145. — üb. den im Seewaſſer enthaltenen kohlenſauren Kalk. 163 Day, Stramonium-Cigarren. 96. Deleſſe, Protogine, der Quarz des Mont⸗ blanc. 90. ne Verfahren zur Erhaltung der Milch. Denham, Chloroform in d. Geburtshülfe. 282. 3 in den höheren Luftſchichten. 96. Dicotyledoniſche Stämme, Wachſen derſ. in die Dicke. 225. Diday, üb. den chirurgiſchen Gebrauch des Kautſchuks. 285. * a 354 Dodo gehört zu den Grallae. 106. Donacia sagittaria, Larve derſ. 40. Drehen nach Verletzung der kleinen Hirn— ſchenkel. 56. Dubreuil, menſchl. Gerippe mit 8 Halswir— beln. 274. Duchartre, üb. Pflanzenembryonen mit meh— reren Samenlappen. 102. Dufour, über die Anatomie des Osmylus maculatus. 36. Durand u. Manoury, das Wachſen der di— cotyledoniſchen Stämme in die Dicke. 225. E. Edwards, ſ. Milne Edwards. Eihäute, üb. die Beſchaffenheit derf. bei ei— ner Bauchſchwangerſchaft. 283. Eis und Salz, ſ. Velpeau. — Eis als an⸗ äſthetiſches Mittel. 187. — Große Maſſe atmoſphäriſchen Eiſes. 202. Eiweißſtoff, ein ungemein empfindliches Ne: agens dafür. 144. Engelmayer, Hydrophobie bei einer Katze und durch dieſe auf eine Kuh übergetra— gen. 350. Erdbebenwellen, Experimente zur Ermitte— lung der Geſchwindigkeit der Erdbebenwel— len. 340. Ergotine gegen durch Verwundungen veran- 2015 Blutungen aus Arterien und Venen. 01. Erratiſche Blöcke der Anden Quitos. 8. Eupſammiden, Monographie derſ. 53. Erercirknochen im rechten muse. soleus. 220. Ertrauterinſchwangerſchaft bei einer Kuh. 315. F. Faeces, üb. die Urſache ihres Geruches ꝛc. Fauna der Kohlenformation Americas und Europas mit einander verglichen. 269. Ferguſon, Ausſchneidung des Schenkelkopfes bei Hüftkrankheit. 43. Feuerfreſſer, üb. die Kunſtſtücke derſ. ꝛc. 167. Fibrine im Blute, Vermehrung derſ. durch Wärme. 8 Fibroid der äußeren weiblichen Geſchlechts— theile. 75. v. Fiſcher⸗Ooſter u. Brunner, üb. die Tem: peratur des Thuner Sees bei verſchiedenen Tiefen. 161. Fleiſchfreſſer, inſectenfreſſende, üb. die geo— graphiſche Vertheilung derſ. 49. Blenins „ zur Application des Chloroforms. Flora, foſſile, der Grauwacke oder des Über: gangsgebirges, beſonders in Schleſien. 23. Flußpferd, neu entdeckte Art desſ. 166. Foetus in foetu bei einer Hündin. 25. Foſſile Fußſpuren eines vierfüßigen Kriech— thieres unter der Kohlenformation. 188. Frais, Detonationen in den höheren Luft⸗ ſchichten. 296. Fraſer, einige Fragen üb. medieiniſche Schick— lichkeit. 121. Froriep, zur Vorbeugung der Nothwendig— keit des Kaiſerſchnitts und der Perfora— tion. 9. — Nachricht von feinen Tags⸗ berichten üb. die Fortſchritte der Natur- und Heilkunde. 239. Regiſter. Furunkelepidemie, entſtanden durch den Ges nuß von hydrothionſaurem Brunnenwaſſer. 329. 345. G. Gardiner, Mannaregen. 341. Gefriermiſchung aus Eis und Salz zur Er⸗ zeugung der Gefühlloſigkeit. 176. Gelenkrheumatismus, acuter, Behandl. vesf. mit großen Gaben Opium. 319. Geologiſche Skizzen. 112. Gerippe, über die Homologien u. Analogien desſ. 165. — menſchliches G. mit 8 Hals⸗ wirbeln. 274. Giraffe, Nackenband derſ. 25. Giraud, üb. zwei Aerolithen und eine Me— teoreiſenmaſſe, die neuerlich in Oſtindien gefunden wurden. 241. Glairine u. Zoiodine der Mineralwaſſer. 230. Glasfeuchtigkeit, Structur derſ. 267. Glonoine, eine durch Einwirkung von Sal: peterſchwefelſäure auf Glyeerine dargeſtellte neue Subſtanz. 274. Göppert, üb. die foſſile Flora der Grauwacke oder des Übergangsgebirges, beſonders in Schleſien. 23. — üb. die alte Steinkoh— lenformation. 33. Gorgas, üb. gewiſſe gefrorene Blätter. 344. Griffith, üb. die faeces, die Urſache ihres Geruches ꝛc. 142. Grove, üb. unmittelbare Wärmeerzeugung durch Magnetismus. 81. Guillard, üb. das Mark der Holzpflanzen. 177. Gutta Percha, Sonden u. Katheter daraus. 79. H. Hall, ſ. Marſhall Hall. Hals, üb. denſ. als medicin. Region u. üb. parorysmale Lähmungen. 58. 89. 105. Hancock, üb. die Weiſe, in welcher Molluffen die Felſen anbohren und ihre eigenen Scha⸗ len abſchleifen. 83. 97. Hargrave, Unterbindung der carotis commu- nis. 5 Harting, Dr. Perty's neue bewegliche Alge (Blepharophora Nymphaeae). 26. Harvey, rheumatiſche Ohrkrankheit. 259. Hausſchwamm, Unterſuchungen üb. denſ. 327. Haut, welche fi) am beiten zu plaſtiſchen Operationen eignet. 320. Heilkunde, Zuſtand derſ. unter den Stämmen am Niger. Helbert, Lähmung des musculus serratus an- ticus major. 275. Helferich, üb. die Behandlung der Cretinen. e e Hering, Glonoine, eine durch Einwirkung von Salpeterſchwefelſäure auf Glyeerine dargeſtellte neue Subſtanz. 274 Herz, zur Diagnoſtik der Klappenaffectionen desſ. 94. Herzſtoß im gefunden und kranken Zuſtande, Verſuch einer neuen Erläuterung desſ. 345. Hirnlappen, Erweichung des vorderen mit Verluſt der Sprache. 239. Hohl, üb. die Beſchaffenheit der Eihäute bei einer Bauchſchwangerſchaft. 283. Holmes Coote, üb. die Homologien u. Ana⸗ logien des Skelets. 165. n Holzpflanzen, üb. das Mark derſ. 177. Hooker, Sir W. J., Piacababeſen. 138. Hooker, Höhe des großen Plateaus Thibet. 321. Hopkins, üb. die Luftſpiegelung an der Küſte von Lancaſhire. 337. Hunt, üb. einige neue Phänomene des Lich⸗ tes und den Actinismus. 339. Hydrophobie bei einer Katze und durch dieſe auf eine Kuh übergetragen. 350. Hyſteriſche Anfälle, Wirfung geiſtiger Be⸗ handlung derſ. 159. . = Jackſon, Fälle von Waſſerſcheu, in deren ei- nem Chloroform mit günſtigem Erfolge zur Anwendung kam. 153. 279. Judianer des Oregongebietes ꝛc. Jung, die mediein. Anwendung des Schön⸗ beiniſchen Klebäthers. 189. K. Kaiſerſchnitt u. Perforation, Vorbeugung der Nothwendigkeit derſ. 9. Kap⸗Alos. 328. Katze, wilde, Zweifel an dem Daſein einer von der Hauskatze verſchiedenen. 28 Kautſchuk, üb. den chirurgiſchen Gebrauch desſ. 285. Kerſten, Behandlung des acuten Gelenkrheu⸗ matismus mit großen Gaben Opium. 319. Klebäther, Schönbeins, medieiniſche Anwen⸗ dung desſ. 189. Klumpfuß, Urſache desſ. 80. Knie, Unterricht blinder Taubſtummer. 39. Knochenzellen, Bildung derſ. 8. Körper, menſchlicher, üb. das Gleichgewicht im Stoffwechſel desſ. 72. Körperverhältniſſe des Menſchen. 1. Kohlenſäure als Auflöfungsmittel beim Ve⸗ getationsproceſſe. 145. Kopfſchmerz von organiſcher Gehirnkrankheit, zur Diagnoſe derſ. 320. L. Lähmungen, parorysmale. 58. 89. Candouzy, ätiologiſche Beziehung der Amau⸗ roſe zur Brighiſchen Krankheit. 112. Langenbeck, üb. die Haut, welche ſich am beiten zu plaſtiſchen Operationen eignet. 320. Latts, Sicherſtellung vor der Gefahr des Verbrennens. 224. Laue, Temperatur des arteſiſchen Brunnens zu Wildegg im Canton Aargau. 56. Lea, foſſile Fußſpuren eines vierfüßigen Kriech— thieres unter der Kohlenformation. 188. Lebendigbegraben, ungegründete Furcht vor demſ. 176. Leichenhäuſer. 336. Leidy, Augen des Balanus rugosus. 105. Levié, Verſuch einer neuen Erläuterung des Herzſtoßes im geſunden und kranken Zu⸗ ſtande. 345. Licht, üb. einige neue Phänomene desſ. und den Actinismus. 339. Lithotritie durch das perinaeum. 112. Lixus angustatus. 8. Lomax, Bruch des Schädelknochens mit Blu⸗ tung aus den Ohren. Geneſung. Zwei Jahre darauf tödtlich ablaufende arachni- nitis. 235. von Lonsdale, die Urſache des Klumpfußes. 80. Luftſpiegelung an der Küſte von Lancaſhire. 337 Lynch, Tragkraft des Waſſers des todten Meeres. 201. M. Machen, neuer Apparat zur Unterdrückung von Mutterblutflüffen nach der Entbindung. 16. Macintyre, Verbindung von Magenleiden mit diabetes mellitus. 55. Mae William, Zuſtand der Heilkunde unter den Stämmen am Niger. 64. g Magelhaensland, üb. den Charakter und die Verbreitung der Gewächſe daſ. 193. Magenleiden, Verbindung derſ. mit diabetes mellitus. 55. N Magnetismus, Wirkung desſ. auf alle Kör— per. 168 Maiſonneuve, varicöfe Anſchwellung der Ar— terien an der Oberfläche des cranıum. Auf einander folgende Unterbindungen der art. carotis externa, communis und interna. Hämorrhagie. Storung in den Functio— nen des Gehirns. Tod. Leichenöffnung. 221. Mallet, Experimente zur Ermittelung der Geſchwindigkeit der Erdbebenwellen. 340. Mannaregen. 341. Marchal, Vermehrung der Fibrine im Blute durch Wärme. 231. Marſhall Hall, üb. die Wirkungen gewiſſer phyſicaliſcher und chemiſcher Agentien auf das Nervenſyſtem. 4. 17. — üb. den Hals als medieiniſche Region u. üb. par⸗ oxysmale Lähmungen. 58. 89. — üb. den Hals als mediein. Region u. üb. verſteckte Krankheitsanfälle. 105. Martin, Nahrung der glatten Natter. 328. Martin⸗Magron u. Brown-Séquard, Aus⸗ reißung des n. facialis an deſſen Inſertion am Gehirne zwingt die Thiere, ſich im Kreiſe zu drehen. 258. Martins, üb. das Zerſplittern der Bäume durch directe Wirkung des Gewitterſturms. Maxwell, kohlenſaures Natron gegen die Cholera. 96. Mayer, Spinalirritation Krankheit. 63. Medieiniſche Schicklichkeit, darüber. 121. Merat und Gibert, üb. die Anwendung des Assacou gegen Elephantiasis. 191. Milch, durch die Nieren abgeſondert. 80. — M., beſonders Eſelsmilch im feſten Zuſtande. 232 — Verfahren zur Erhaltung der M. Millon, ein ungemein empfindliches Reagens für Eiweißſtoff. 144. Milne Edwards u. Haime, Unterſuchungen üb. das polyparium; Monographie der Eupſammiden. 53. Mineralien, Felſen ꝛc., üb. die Zerſetzung und theilweiſe Auflöſung derſ. durch rei⸗ nes und mit Kohlenſäure angeſchwänger⸗ tes Waſſer. 305. Miquel, üb. die Verwandtſchaft der Poly: galeen. 65. Molluſken, üb. die Weiſe, in welcher dieſel— keine beſondere einige Fragen Regiſter. ben die Felſen anbohren und ihre eigenen Schalen abſchleifen. 83. 97. — üb. die Anatomie der kalkführenden Bläschen der M. 218. — warzige Auswüchſe der Ober— fläche derſ. 266. Montagne, neue Gattung Capnodium. 310. Morphineſalz, endermiſche Anwendung vesf. bei epidemiſcher Ruhr. 238 Morton, neu entdeckte Art des Flußpferdes. 166. Musculus biceps, Zerreißung des langen Ko— pfes desſ. 262. Musculus serratus anticus major, Lähmung desſ. 275. Mutterblutflüſſe nach der Entbindung, neuer Apparat zur Unterdrückung derſ. 16. N. Naevus bei einem kleinen Kinde, durch äußer⸗ lichen Gebrauch einer Jodinſolution ge— heilt. 158. Natron, kohlenſaures, gegen die Cholera. 96. Natter, glatte, Nahrung derſ. 328. Nebria brevicollis, Beſchreibung ihrer Larve und Nymphe. 104. Nekrologe. 160. 192. 208. Nelkenertrag Amboynas. 106. Nervenſyſtem, üb. die Wirkungen gewiſſer phyſicaliſcher und chemiſcher Agentien auf dasſ. 4. 17. — Nervenſyſtem der wirbele loſen Thiere als Claſſificationstypus. 24. Nervus facialis, Ausreißung desſ. an feiner Inſertion am Gehirne zwingt die Thiere, ſich im Kreiſe zu drehen. 258. — Voll⸗ ſtändige Wiedererzeugung der Verrichtun— gen des durchſchnittenen nervus ischiati- cus am oberen Theile des Schenkels eines Meerſchweinchens. 260. Neugebauer, Fibroid der äußeren weiblichen Geſchlechtstheile. 75. Newham, Amputation eines Armes am Schul— tergelenke wegen Krankheit des anatomiſchen Halſes des humerus und des Ellbogenge— lenkes. Heilung. 139. Newport, doppelter Reſpirationsapparat bei Pteronareys regalis. 106. Nicothoen, uͤb. die Entwickelung derſ. 153. O. Ohrkrankheit, rheumatiſche. 259. Oldham, Sublimat gegen Verhärtung des uterus. 95. Ornithorhynchus paradoxus, os humero- capsulare bei demſ. 106. Osmylus maculatus, üb. die Anatomie desſ. 36. Oſtafrica, das Schneegebirge desſ. 309. Owen, os humero-capsulare bei Ornitho- rhynchus paradoxus. 106. P. Paſteur, üb. die ſpecifiſchen Eigenſchaften der beiden Säuren, welche die racemiſche Säure bilden. 289. Perforation, ſ. Froriep. Perris, Lixus angustatus. 8. — Larve der Donacia sagittaria. 40. Pfeufer, große Gaben Chinin gegeu Wech— felfieber. 319. ! Pflanzen Neuenglands, des verſtorbenen Will. Dafes reiche Sammlung derſelben. 282. Pflanzenembryonen mit mehreren Samenlap⸗ pen. 102. Phillips, Sonden und Katheter aus Gutta Percha. 79. Phosphor, allotropiſche Beſchaffenheit desſ. 232. Pigcababeſen. 138. Pike, Thiere, welche beim Gehen beide Beine einer Seite heben. 8. Planchon, üb. die Familie der Salvadora— ceen. 38. — bisher noch nicht unterſchie⸗ dene Species von Ulex. 311. Plattfußſkelet, Unterſuchung desſ. 217. Polygaleen, üb. die Verwandtſchaft derſ. 65. Polyparium , Unterfuchungen üb. dasſ. 53, Pomel, üb. die geographiſche Vertheilung der inſectenfreſſenden Fleiſchfreſſer. 49. Pouchet, üb. die Anatomie der kalkführenden Bläschen der Molluſken. 218. Protogine, der Quarz des Montblanc. 90. Pteronareys regalis, doppelter Reſpirations— apparat bei demſ. 106. Purkinje, Unterſuchungen über den Haug: ſchwamm. 327. DS. Quatrefages, üb. die Übereinſtimmung der Entwickelung der Anneliden und Säuge⸗ thiere. 254. Quatrefages und Blanchard, die Auſter iſt getrennten Geſchlechts. 74. Quekett, Nackenband einer Giraffe. N. Racemiſche Säure, üb. die ſpeeifiſchen Eigen: ſchaften der beiden Säuren, welche die— ſelbe bilden. 289. Rapp, zur Diagnoſtik der Klappenaffectionen des Herzens. 5 Realli, Ausziehung eines fremden Körpers aus dem rectum durch die Gaſtrotomie. 240. Rectum, Ausziehung eines fremden Körpers aus demf. durch die Gaſtrotomie. 240. Reid, ein ſ. g. foetus in foetu bei einer Hündin. 25. Reinwardt, üb. den Charakter und die Ver— breitung der Gewächſe auf Magelhaens— land. 193 Reißpflanzungen, Beſeitigung der Gefährlich— keit derſ. in Betreff der Sumpffieber. 320. Repos, Ernährung der Seidenraupe mit Scor— zonerblättern. 89. Reveil, Milch durch die Nieren abgeſondert. 80. — üb. das nach dem Gebrauche aus den Blutegeln gedrückte Blut. 80. Rizzi, Erweichung des vorderen Hirnlappens mit Verluſt der Sprache. 239. Robert, üb. den Gebrauch des Chloroforms. 16. Rogers, W. B. u. R. E., üb. die Zerſetzung und theilweiſe Auflöſung von Mineralien, Felſen ꝛc. durch reines und mit Kohlen— ſäure angeſchwängertes Waſſer. 305. 25. Romberg, Diagnoſe des Kopfſchmerzes von organiſcher Gehirnkrankheit. 320. S. Säugethiere, ſ. Quatrefages. Salvadoraceen. 5 Schädelknochen, Bruch desſ. mit Blutung aus den Ohren. Geneſung. Zwei Jahre darauf tödtlich ablaufende arachnitis. 235. 356 Schenkelkopf, Ausſchneidung desj, bei Hüft— krankheit. 4“ Schmarotzerpilze auf einigen ausländiſchen Coleopteren. 40. 120. Schmidt, üb. die Körperverhältniſſe des Men— ſchen. 1. Schrötter, allotropiſche Beſchaffenheit des Phosphors. 232. Seintillatio pupillae. 336. Soédillot, Durchſchneidung der Arterien zwi— ſchen zwei Ligaturen als allgemeines Heil— verfahren gegen Hämorrhagien und aneu- rysma. 208. Seewaſſer, üb. den in demſ. enthaltenen fohlenfauren Kalk. 163. Seidenraupe, Ernährung derſ. mit Scorzo— nerblättern. 89. Sologne, Geſundmachung derſ. 265. Sorgoni und Vivarelli, Beſeitigung der Ge— fährlichkeit der Reißpflanzungen in Betreff der Sumpffieber. 320. Soubeiran u. Mialhe, üb. d. Chloroform. 150. Spule, Ausziehung einer ſehr langen Haar— nadel aus der Harnröhre eines Mannes. 32. Sphincter externus ani b. einer alresia ani. 288. Spiralirritation keine beſondere Krankheit. 63. Steinkohlenformation, alte. ® Stickſtoff, üb. den Einfluß geſalzener Nah: rungsmittel auf den Verhältnißtheil des in der Ausdünſtung und dem Harne ent— haltenen. 217. Stokes, Aſtigmatismus des Auges. Stramonium-Cigarren. 96. Straße von Gibraltar, üb. die Strömungen in derſ. 120. Stratton, zufällige Vergiftung mit Zinlchlo— rid und ein Gegengift dafür. 109. Stromeier, Blaſenſtein mit Blutkern. 352. Suceus panereaticus das zur Verdauung der Fette allein thätige Agens. 7. EI Tagsberichte, üb. die Fortſchritte der Natur und Heilkunde, hg. von Froriep, Nachricht 160. Bibliographische Neuigk davon. 239. A. Combe, Andr. and James Coxe. 128 d’Alton, E. 281. Copland, Jam. 160. Anton, K. Ch. 320. Cotta, B. 320. Aristoteles. 335. Coxe, Jam. 128. B. Cullen, W. H. 63. Beetz, W. 223. . Bell, Alex. 160. Depaul. 352. Berghaus, H. 281. de Blainville, Ducrotay E. and J. C. Werner. 175. Bödeker. Emmert, W. 266. Bouchacourd, 5 Ant. x Erman, A. 335. 282. Brunton, Will. 144. F. v. Buch, L. 287. Falck, C. Ph. 287. 320. Buchner, J. 336. Faw, J. 48. Bychner, J. J. 224. Flügel. 208. ©. Froriep, R. G. Carus, C. G. 303. Chenèau, P. 266. Colemans, W. H. 127. Geinitz, H. B. 223. 239. Gibbs, Jos. 64. Regi ſt e r. Taubſtumme, blinde, Unterricht derſ. 39. Taylor, Ausſchneidung eines Stückes des vas deferens anſtatt der exstirpatio testis. 240, Thee, grüner, wie die Chineſen denſelben färben. 196. Theebau in Indien. 202. Thibet, Höhe des großen Plateaus dieſes Lan— des. 321. Thiere, welche beim Gehen beide Beine eis ner Seite heben. 8. Thomas, Früchte von Cactus grandiflorus. 138. Thuner See, üb. die Temperatur desſ. bei verſchiedenen Tiefen. 161. Todd, üb. die Waſſerſucht nach Scharlach— fieber. 11. Todtes Meer, Tragkraft des Waſſers desſ. 201. Torf, abgeſchwefelter (Torfkohle), üb. die Beobgesfiende (desinficirende) Wirkung desſ. 264. Trapa natans, üb. die Anatomie und Ent— wickelungsgeſchichte derſ. 129. Trécul, üb. die Entſtehung der Adventiv— knoſpen. 209. Trilobiten Böhmens. 168. Typhus, Behandlung desſ. nur mit Eis. 112. — Diagnoſtiſcher Unterſchied desſ. und des typhöſen Fiebers. 127. U. Ulex, bisher noch nicht unterſchiedene Spe— cies desſ. 311. Unfruchtbarkeit durch hystero-trachelo-atro- phia. 266. Uterus, Sublimat gegen Verhärtung desſ. 95. V. Vannoni, Unfruchtbarkeit durch hystero-tra- chelo-atrophia. 266. Varix aneurysmaticus auf dem Schädelkno— chen. 167. Vas deferens, Ausſchneidung eines Stückes desſ. anſtatt der exslirpatio testis. 240. Velpeau, Gefriermiſchung aus Eis und Salz zu Erzeugung der Gefüͤhlloſigkeit. 176. Giſtel und n e 239. L. Gluge, G. 282. Göſchen, A. 240. Langenbeck, M. 208. Gray, Asa. 79. Lawes, E. 96. Gruber, W. 288. 1 288. £ II. 11515 J. u. H. Kopp. Longet, F. A. 320. Lorinser, F. 176. NM. Mayer, A. 304. Mayer, F. J. C. 287. Haidinger, W. 319. Hausmann, J. F. L. 335. Heer, 0. 351. Hogg, C. 112. Hugman, W. C. 32. v. Humboldt, J. 335. Verbena, weißblühende wohlriechende. 346. Verbrennen, Sicherſtellung vor der Gefahr desſ. 224. Vergiftung, zufällige, mit Zinkchlorid und ein Gegengift dafür. 109. — W. durch Eiter bei eiternden Wunden, vorbeugende und heilende Behandlung derſ. 287. de Verneuil, die Faung der Kohlenformation Americas und Europas mit einander ver⸗ glichen. 269. Volcker, üb. die chemiſchen Beſtandtheile der Aſche der Armeria maritima, je nach dem Standorte derſelben. 294. W. Wärmeerzeugung, unmittelbare, durch Ma⸗ gnetismus. 8l. Wahnſinn, üb. die phyſiſchen Urſachen dess. 231. Wanner, Behandlung des Typhus nur mit Eis. 112. Wanzen, zur Verhütung derſ. 96. Waſſer, üb. die Farbe desſ. 267. Waſſerſcheu, Fälle derſ., in deren einem Chlo⸗ roform mit günſtigem Erfolge zur Anwen⸗ dung kam. 153. — ſ. Hydrophobie. Waſſerſucht nach Scharlachfieber. „11. Weinmann, Extrauterinſchwangerſchaft bei einer Kuh. 315. White Cooper, üb. Vortreibung der Augen bei Anämie. 29. Williams, üb. das epithelium der Kiemen⸗ apparate bei den Anneliden u. Cruſtaceen. 74. — üb. das Gefäßſyſtem der Reſpira⸗ tionsorgane der Anneliden. 154. Wiſſe, die erratiſchen Blöcke der Anden Qui⸗ tos. 8. Wundſtarrkrampf mit ſtarken Gaben ſchwe⸗ felſauren Chinins behandelt. 157. Zamba, Vulcan an der Mündung des Mag⸗ dalenenſtromes, Ausbruch desſ. 343. Zoiodine, ſ. Bonjean. eiten. P. Schütz, W. 336. Seebeck, A. 223. Parkes, S. 15. Philipps, Sir R. 47. Phöbus „ Ph. 335 Plattner, Sheridan Mus- 9 and Baron Liebig. 59. van Snellen Vollenhoven, S. C. 319. Sprague, Isaac and Asa Gray. 79 Suckow, E. H. 192. T. Thomson, S. 80. Troschel, F. H. 336. Troxler, Th. 221. Uhde, C. W. T. 282. Virchow u. B. Reinhardt. R. Ralph, T. S. 31. 143. Regnault, aus dem Frz. von Bödeker. 239. Reinhardt, B. 176. Hutchinſon, J., aus d. E. Memoirs etc. 95. v. Samoſch. 265. Miller, H. III. 1 Mitscherlich, C. G. 240. 0 Mittheilungen u. s. W. 281. Johnson, W. 16. Müller, J. 319. (2.) Isnard, J. A. 282. Müller, J. und F. H. Tro- schel. 337. Muspratt, Sheridan. 159. Koch, K. 281. N. Kolbe, H. 287. Nägele, H. F. 304. Repertorium der Physik. 223 Report etc. 63. Robin, Ch. 207. S. Samoſch. 265. Schärer, L. E. 336. Schramm, Th. 288. 176. Voigt, F. S. 281. Wachsmuth, C. O. Th. 192. Wagner, R. 336. Webb. R. H. and W. H. Colemans. 127. Weber, J. C. 335 | Allgemeiner literariſch - artiftifcher Monatsbericht für Deutſchland. NS. 2 December. 1849. Dieſer Monatsbericht wird den beim Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar erſcheinenden Zeitſchriften: Notizen aus dem Ge- biete der Natur- und Heilkunde, und den chirurgiſchen Kupfertafeln als Intelligenz⸗ Blatt beigelegt und auf Verlangen auch gratis ausgegeben. f . Allen Bekanntmachungen von Büchern und Kunſtſachen ſteht dieſes Blatt offen, und für den Raum der enggedruckten Zeile einer Spalte wird von jetzt an 1½ 95. berechnet. 1 I. 5 Bei Kaulfuß Witwe, Prandel und Comp. in Wien, am Kohlmarkt Nr. 1149 — 50, find neu erſchienen: Beſchreibung ſämmtlicher Kinderheilanſtalten in Europa. Vo n Franz S. Hügel, Doctor der Medicin, Director des unentgeltlichen Kinder-Kranken-Inſtituts im k. k. Polizeibezirke Wieden in Wien, der mediciniſchen Facultät, und mehrerer wiſſenſchaftlicher Vereine Mitglied ꝛc. ꝛc. broſch. 8. 4 fl. C. M. Der Aderlaß in der Lungenentzündung. Kritiſch und P e erörtert Dr. Joſ. Dietl; k. k. Polizeibezirks- und Primararzt des Bezirks-Krankenhauſes Wieden in Wien. = broſch. 8. 1 fl. 20 kr. C. M. i e Galle im geſunden und krankhaften Zuſtande, mit beſonderer Berückſichtigung der Gallenſteine. Na F. Bouiſſon, frei bearbeitet und mit Zuſätzen vermehrt von E. A. Platner. broſch. 8. 2 fl. C. M. Die orientaliſche Cholera. Von Dr. Negenhart, Dr. der Medicin und Chirurgie ꝛc. in Gratz. broſch. 8. 40 kr. C. M 12 47 II. In der Weidmann’schen Buchhandlung in Leipzig ist erschienen: Allgemeine Pathologie und Therapie als mechanische Natur wissenschaften. Von Dr. R. H. Lotze, Professor in Göttingen. Zweite verbesserte Auflage. gr. 8. 38 Bogen brosch. 3 K. Der Herr Verf. gehört der neueren Schule an, welche in den Erscheinungen des Lebens nur Ausserungen der allgemeinen “mechanischen und chemischen Naturkräfte sieht, und hat diese Ansicht mit Consequenz auf die allgemeine Pathologie und Thera- pie angewandt. Man findet daher in diesem Werke die physio- logischen und pathologischen Thatsachen, welche über das Wesen, die Entstehung, den Sitz und Verlauf der Krankheiten Aufklärung geben können, vollständig beisammen und die Schlüsse daraus mit jenem streng logischen Geiste gezogen, welcher aus den philo- sophischen Schriften des Herrn Verf. rühmlichst bekannt ist. — III. Beobachtungen und Untersuchungen aus dem Gebiete der Anatomie, Physiologie und practischen Medicin von Dr. A. Nuhn, Professor der Medicin und Prosector an der anatomischen Anstait der Universität zu Heidelberg. Erſtes Heft. Mit sieben Tafeln Abbildungen. Carton. Preis Thlr. 2. oder fl. 3. 30 kr. Heidelberg. J. C. B. Mohr's Verl.-Handl. IV. Im Verlage der J. G. Calve'schen Buchhandlung in Prag erschien und ist in, allen Buchhandlungen zu haben: Klinische Vorträge über specielle Pathologie und Therapie der Krankheiten des weiblichen Geschlechts. II. Abtheilung. Von Franz A. Kiwisch, Ritter von Rotterau, Dr. der Medicin und Chirurgie, K. B. Hofrathe, ord. öffentl. Professor der Geburtshülfe an der Jul. Max. Universität Würzburg. gr. 8. 36 Bogen broch. 3 . 22½ 9». Wir erlauben uns darauf aufmerksam zu machen, dass dieser Band besonders wichtige Forschungen des Herrn Verfassers enthält. a » Erſchienene Neuigkeiten. AS V. Bei J. B. Müller in Stuttgart erſchienen ſoeben und ſind in allen Buchhandlungen vorräthig: Lehrbuch der organiſchen Chemie mit beſonde⸗ rer Rückſicht auf Phyfiologie und Pathologie, auf Phar⸗ macie, Technik und Landwirthſchaft, von Julius Schloß berger, Med. et Chir. Dr., Profeſſor der Chemie an der Univerſität Tübingen. 40 Bogen 8. Velinp. geh. Rthlr. 2. 18 Ngr. oder fl. 4. 30 kr. Der Verfaſſer hat ſich bei der Ausarbeitung des vorliegenden Werkes das Ziel geſetzt, den geſammten Inhalt der organi⸗ ſchen Chemie, nach Grundlage der neueſten Forſchungen, in möglichſt gedrängter und überſichtlicher Form darzuſtellen. Er beſtrebte ſich, bei der eben bezeichneten Tendenz des Buchs die richtige Mitte einzuhalten zwiſchen den kurzen Grundriſſen und Leitfaden, fo wie den großen voluminöſen Hand- und Lehrbüchern der organiſchen Chemie. Zugleich war ſein angelegentlichſtes Bemühen ſtets dahin gerichtet, die praktiſche Seite, d. h. die Anwen⸗ dung dieſer Wiſſenſchaft auf Phyſiologie und Patho⸗ logie, auf Pharmacie, Technik und Landwirthſchaft ein⸗ leuchtend, aber mehr in allgemeineren Zügen hervorzuheben, während er das minderwichtige Detail aus den genannten ſpeciellen Theilen der Chemie ganz den ſie ausſchließlich abhandelnden Werken zuwies. — An dieſes Werk ſchließt ſich noch an: das Lehrbuch der unorganiſchen Chemie, volks⸗ faßlich und mit Beziehung auf die Gewerbe und das praktiſche Leben bearbeitet von Dr. F. A. Waldner, Bergrath und Profeſſor an der polgtechniſchen Schule in Carlsruhe. Mit vielen Holzſchnitten. 8. (1200 Seiten) geh. fl. 5. 24 kr. oder Thlr. 3. 6 Sgr. — Das Leben der Cretinen mit beſonderer Rückſicht schiedenen Stämme vollständig darbietet. Kiepert’s Name b auf Pſychologie, Phyſiologie, Pathologie, Pädagogik und Humanität, nach Grundlage der neueſten Ergebniſſe der Wiſſenſchaft und mehrjährigen eigenen Erfahrungen geſchildert von Jakob Heinrich Helferich. 8. geh. 12 Sgr. oder 36 kr. = MI. Im Verlage des Landes - Industrie - Compteoirs in Weimar ist erschienen: Nationalitätskarte von Deutschland mit historischer Erläuterung und Tabellen von H. Kiepert. Ein Blatt Karte und 1½% Bogen Erläuterung und Tabellen. Roy.-Format. 12 Sgr. In der jetzigen Zeit, die man die Zeit des Freiheitskampfes der Nationali- täten nennen kann, und in welcher das deutsche Element in Deutschland nach der zu seiner politischen Entwickelung nothwendigen Selbstsfändigkeit ringt, ist Jedem, der an diesem Entwickelungsprocesse im Völkerleben Antheil nimmt, eine klare und gründliche Kenntniss der Nationalitätsverhältnisse in Deutsch- land Bedürfniss und von patriotischem Interesse. Die Auseinandersetzung die- ser Verhältnisse bieten wir in der hier angekündigten sehr schön gestochenen Karte nebst den beigefügten 1½. Bogen Text, welcher in gedrängtester Form die Resultate aller Forschungen über den Ursprung und Zusammenhang der verschiedenen, auf deutschem Boden einheimisch gewordenen Nationalitäten enthält und in tabellarischer Übersicht die Zahlenverhältnisse aller ver- E ürgt für die Gründlichkeit und Tüchtigkeit der Arbeit. 2 ala De 100012072 Yypanı 4 — F Br . x „ * In rn m RR 8 er * * — — de * * 2 — 2 Ra + u 2 a, 2 % P N + neh pr * 4 — " 0 3 = A — * — . . p —. — v — — 8 1 0 — en; — ie r 1