ur BE est anlarr - nee . ee z LA Hk u i rg % [* „ \ W Be KEN 5 ZA N TERN Mi e { ira Ka! ge 4 AN en f ri % 2 2 \ is: Wi NOVA ACTA ACADEMIAE CAESAREAE LEOPOLDINO-CAROLINAE GERMANICAE NATURAE CURIOSORUM. TOMUS XCIV. CUM TABULIS XXXVM. Abhandlungen der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher. 94. Band. Mit 37 Tafeln. Halle, 1911. Buchdruckerei von Ehrhardt Karras in Halle a. S. Für die Akademie in Kommission bei W. Engelmann in Leipzig. Seiner Majestät Wilhelm Il. Deutschem Kaiser und Könige von Preulsen ihrem hohen Schirmherrn dem erhabenen Gönner und Beförderer aller wissenschaftlichen Arbeit des deutschen Volkes widmet die Kaiserliche Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie der Naturforscher diesen vierundneunzigsten Band ihrer Abhandlungen durch den Präsidenten Dr. Albert Wangerin. Inhalt des XOIV. Bandes. I. Rud. Burckhardt %: Das Zentral-Nervensystem der Selachier als Grundlage für eine Phylogenie des Verte- bratenhiuns ge ZyyeiterzuNeilean ra St 22 ARafaoı ID. Karl Hermann Jacob: Zur Prähistorie Nordwest- Sachsens. Übersieht über die vorgeschichtlichen Perioden und deren wichtigsten Vertreter in der Leipzig-Hallischen Gegend ES SalillSr 123 28 TRIERER N Vorstand der Kaiserlichen Leopoldinisch-Garolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher. Gegründet am 1. Januar 1652. Deutsche Reichsakademie seit dem 7. August 1687. Präsidium. A. Wangerin in Halle a.S., Präsident. W. Roux in Halle a. S., Stellvertreter. Adjunkten. VI. Kreis: M. H. Bauer in Marburg. IX. Kreis: E. H. Ehlers in Göttingen. X. Kreis: K. Brandt in Kiel. XI. Kreis: W. Roux in Halle. XH. Kreis: E. Haeckel in Jena. XII. Kreis: C. Chun in Leipzig; F. Marchand in Leipzig. XIV. Kreis: F. Pax in Breslau. XV. Kreis::C. A. Jentzsch in Berlin; H. Waldeyer in Berlin. Sektionsvorstände und deren Obmänner. I. Kreis: J. von Hann in Wien; G. Stache in Wien; F. Toula in Wien. I. Kreis: E. Wiedemann in Erlangen; R. von Hertwig in München. II. Kreis: K. B. Klunzinger in Stuttgart. IV. Kreis: A. Weismann in Freiburg. V. Kreis: G. A. Schwalbe in Strafsburg. VI. Kreis: R. Lepsius in Darmstadt. VN. Kreis: E. Strasburger in Bonn. I. Mathematik und Astronomie: 1dE 113 EV; R. Helmert in Potsdam, Obmann; G. Cantor in Halle; A. Gutzmer in Halle. Physik und Meteorologie: E. Riecke in Göttingen, Obmann; J. von Hann in Wien; L. von Pfaundler in Graz. Chemie: ©. Wallach in Göttingen, Obmann; E. Beckmann in Leipzig; C. Engler in Karlsruhe. Mineralogie und Geologie: F. Zirkel in Bonn, Obmann; H. Credner in Leipzig; W. Branca in Berlin. . Botanik: H. @. A. Engler in Dahlem-Steglitz bei Berlin, Obmann; S. Schwendener in Berlin; H. Graf zu Solms-Laubach in Stralshburg. VI. Zoologie und Anatomie: F. E. Schulze in Berlin, Obmann; E. H. Ehlers in Göttingen; M. Fürbringer in Heidelberg. VII. Physiologie: S. Exner in Wien, Obmann; V. Hensen in Kiel; J. von Kries in Freiburg. - VIII Anthropologie, Ethnologie und Geo- | graphie: G. C. Gerland in Stralsburg, Obmann; A. Penck in Berlin; J. Ranke in München. IX. Wissenschaftliche Medizin: H. Waldeyer in Berlin, Obmann; W. ©. von Leube in Stuttgart; | P. von Baumgarten in Tübingen. NOVA ACTA. Abh. der Kaiserl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher. Band XCIV. Nr.l Das /entral-Nervensystem der Selachier als Grundlage für eine Phylogenie des Vertebratenhirns. Von Prof. Rud. Burckhardt -. Il. Teil: Die übrigen Paläoselachier. Mit 1 Tafel Nr. I und 85 Textfiguren. Eingegangen bei der Akademie am 19. Juni 1910. HALLE. 1911. Druck von Ehrhardt Karras, Halle a. S. Für die Akademie in Kommission bei Wilh. Engelmann in Leipzig. Vorwort. Von der grofsen Arbeit über das Gehirn der Selachier, die Professor Rud. Burekhardt unternommen hat, ist wegen des am 14. Januar 1908 eingetretenen Todes des Verfassers nur der erste Teil veröffentlicht worden (Nova Acta, Bd. LXXI Nr. 2). Er enthält hauptsächlich die eingehende Beschreibung des Gehirns von Sceymnus lichia, beschränkt sieh aber nicht auf die morphologischen Verhältnisse, sondern spricht zugleich Gedanken aus, die durch die folgenden Teile im einzelnen sollten begründet werden. Vor allem war es die Absicht des Verfassers, zur Evidenz zu zeigen, „wie sich die Auffassung vom Wertverhältnis des Zentral-Nervensystems den herrschenden Anschauungen gegenüber verschiebt, wenn wir sowohl die gegenseitigen Beziehungen der Teile des Hirns unter sich, als auch die Beziehungen des Gesamthirns zu den übrigen Organen und zu der Gesamtheit des Kopfes und des Körpers erwägen“. Nach dem Tode des Autors fanden sich in seinen Manuskripten viele Vorarbeiten zu den folgenden Teilen des grols angelegten Werkes, die teilweise so weit vorgeschritten waren, dals er noch kurz vor seinem Tode mit Zuversicht von der baldmöglichen Publikation des zweiten, eventuell auch des dritten Teiles sprechen und schreiben konnte. Der Vater des Verstorbenen, Herr Professor Fritz Burckhardt, hat den Unterzeichneten gebeten, das vorhandene Material einer genauen Durchsicht zu unterwerfen. Diese hat ergeben, dals die meisten Abschnitte des zweiten Teiles fertig ausgearbeitet vorlagen und dafs es sich wohl lohnte, sie zu publizieren, selbst für den Fall, dafs das Ganze nach wie vor der Vollständigkeit ent- behre. Die reichhaltige und sorgfältige Illustration des Textes bestärkte diesen Wunsch in hohem Mafse. ar IV Rud. Burekhardt, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. „Der zweite Teil ist der Beschreibung der übrigen Paläoselachier gewidmet, wobei durch Darstellung von allerlei bei ihnen vorkommenden Zuständen der Typus des Selachierhirns ergänzt werden wird.“ Da der Unterzeichnete als Freund und Schüler von Professor Rud. Burckhardt durch frühere zoologische Arbeiten mit einem Teile des wertvollen Tier- materials vertraut geworden ist, das vom Verfasser hauptsächlich im Dienste der Nervenanatomie verarbeitet worden war; da ferner der Autor in jenen Manuskripten wiederholt auf die Arbeiten des Unterzeichneten verweist, folgte er gerne dem freundlichen Angebot des Herrn Professor Fritz Burck- hardt, die nachgelassenen wertvollen Arbeiten systematisch zu ordnen und zur Publikation vorzubereiten. Die Leitung der Leopoldina hat die eingesandten Manuskripte geprüft und ist unseren Wünschen in dankenswertester Weise entgegengekommen, indem sie die Arbeit, trotzdem sie unvollendet war, wegen ihrer Vorzüge und in Ehrung des Andenkens des verdienten Verfassers in die Nova Acta aufgenommen hat. Dr. phil. Hermann Helbing. Erster Teil. Das Gehirn der Paläoselachier. (Fortsetzung.) Nova Acta XCIV. Nr.]. Zweite Abteilung. Die Paläoselachier aufser Scymnus lichia. I. Einleitung. Schon in unseren Vorbemerkungen (s. I. Teil, p. 287, 288 [47, 48]) sind als Paläoselachier die dem Grundstock des ganzen Stammes zunächst stehenden bezeichnet worden. Doch wurden dort die hierher zu zählenden Familien nicht grundsätzlich scharf von denen der Neoselachier gesondert, wie es der Natur der Sache entspricht. Der eingehenderen Schilderung von Scymmus lichra im ersten Teil lassen wir jetzt die der übrigen Paläo- selachier folgen. Dabei beschränken wir uns in der Auswahl des Vergleichs- materials noch mehr nur auf die phylogenetisch deutbaren Tatsachen, um unnötige Weitschweifigkeiten zu vermeiden. Eine ganze Reihe von Zu- ständen, die wir bei den übrigen Paläoselachiern kennen lernen, wird die bei Scymnus kennen gelernten vorteilhaft ergänzen. Da für den histologischen Stoff die generischen Unterschiede wegfallen, haben wir ihn schon dem des Scymnusgehirns angegliedert. Am stärksten prägt sich in der Konfiguration des Gehirns der generische Charakter aus und der physiologische insofern, als die Abhängigkeit des Gehirns von den übrigen Kopforganen und der Grölse des Tieres in den Abweichungen zum Ausdruck kommt. Eine beträchtliche Anzahl der hierhergehörenden Tiefseeformen waren mir bisher nicht zugänglich. Ebenso die Jugendformen der aberranten T'ypen, wie Üestracion, Isıstius, Pristiophorus und Echinorhinus. In dieser Richtung dürfte noch mancherlei lohnende Arbeit zu finden sein. II. Laemargidae. Unsere Kenntnis der Laemargidae ist eine sehr ausgedehnte, aber in Einzelbeobachtungen zerstreute und ungleichmälsige. Es war ebensowohl die Häufigkeit des Eishaies (L. borealis) in den nordischen Meeren, welche die Aufmerksamkeit der Forscher auf dieses Objekt lenkte, wie die Seltenheit von L. rostratus des Mittelmeeres, Isistius und Euprotomierus der 'Tiefsee aus diesen Formen. Nach der ausführlichen Monographie Helbings über die beiden Laemargusarten ist nunmehr diese Gattung wohl als die anatomisch best bekannte unter den Laemargidae zu betrachten. Von früheren Angaben über das Nervensystem kommen nur wenige in Betracht; sie beziehen sich sämtlich auf L. borealis. So erwähnt Busch neben Scymmus lichia auch Seymnus borealis, dessen Gehirn ihm wohl in recht mangelhaftem Zustande vorlag. Auch seine Abbildung (Taf. III, Fig. 7) besagt wenig mehr als der Text: „Unam tacitum rem notatu dignam hie apponam: differentiam ejus (sc. peduneuli cerebri) mirificam apud Seymnum lichiam et Seymnum borealem. Apud illum longitudo eireiter quartam totius encephali aequat partem; apud hune minima est. (Quae res eam ob causam magni momenti est, quod jam prius J. Müller et Henle (p. 92, 95) aliis commoti argumentis, utramque speciem pro variis generibus habendam eonsuerunt“. Busch statuiert also den Unterschied der Länge des Tractus olfactorius zwischen Scymnus und L. borealis und flicht das interessante Urteil von Müller und Henle ein, die für die Systematik dem Hirn einige Bedeutung zuerkannten. Fernerhin hat uns nur J.C. Ewart mit einer prächtigen Monographie des peripheren Kopfnervensystems von L. borealis beschenkt, leider hat er das Gehirn dabei nur in einem unsicher punktierten linearen Rud. Burckhardt, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 5 Kontur wiedergegeben und nicht näher beschrieben. Demnach ist es nicht zu viel behauptet, wenn wir sagen, das das Hirn der Laemargiden noch so gut wie nicht bekannt ist. 1. Laemargus rostratus. Bis auf Canestrini (1865) war Risso der einzige, der diese Art zu Gesicht bekam, aber weder Cuvier, noch Bonaparte, noch Dumeril, noch Müller und Henle beurteilten sie aus eigener Erfahrung; kein Wunder daher, dals auch, wenn das Tier später häufiger untersucht wurde, bisher noch kein Hirn zur Vergleichung gelangte. Für das Spezielle der Entdeekungsgeschichte dieser Art sei auf Helbing (p. 349 — 351 [15 —17]) verwiesen. Fig. 1. Linearer Umrifs von Laemargus rostratus. "/, nat. Gröfse. Beistehend gebe ich den linearen Umrifs der Körperform mit Eintragung der von mir entdeckten Leuchtorgane wieder (Fig. 1). Scymnus nähert sich L. rostratus insofern, als die Körpergröfse sich um etwa 1m hält und aulserdem mit einer Reihe von Eigenschaften des Baues, die bei Helbing (p- 523 [189]) einzeln aufgeführt sind. Infolge dessen eignet sich L. rostratus am meisten dazu, dals wir ihn an Scymnus vergleichend anschlielsen. Kopfform und Schädelhöhle. In seiner Gesamtform sieht der Kopf von L. rostratus demjenigen von Scymnus ziemlich ähnlich. Die Nasenkapseln bilden auch an ihm 6 Rud. Burckhardt, starke seitliche Ausladungen, die Schnauze eine stumpfe von oben her ab- geflachte Spitze. Dagegen ist der gesamte Kopf imYVerhältnis zur Höhe breiter, die Nasenlöcher quer gestellt, nicht vertikal, das Kinn ragt weniger weit vor, wie denn überhaupt der gesamte Kieferapparat an Volumen und Ä N N N N N \ > > UELI BG L00,5 Fig. 2. Laemargus rostratus, Kopf in dorsaler Ansicht. Nat. Grölse. Entfaltung der Zähne weit hinter dem von Scymnus zurückbleibt, typischer selachisch ist. Die Augen bleiben relativ klein und füllen die geräumige Orbita nicht entfernt aus. Einige Mafse mögen diese Unterschiede illustrieren. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. Ü Bezeichnungen nach p. 318—20 des ersten Teiles Scymmus L. rostratus ll. 4. Breite der Schädelhöhle am Austritt der Fila olfactoria. . . 2,1 cm 4,6 cm 5. Breite der Schädelhöhle am Optieusaustritt . . 2. .2.2....07 ,„ 17H, III. 4. Entfernung der Nasenbecher voneinander . . . » 2....2...028, IK0Eer 8. Cornealmittelpunkt bis Retinahintrgrund . . . 2 .2..2..2.26 „ 2 9. Abstand der Cornealmittelpunkte beider Seiten . . » .....63 „ 80, 11 . Abstand der hinteren Augenwand vom Gehim . . . ...04 „ 210: Die Schädelhöhle reproduziert in ihrer Gesamtheit die embryonale Hirnform auch im erwachsenen Zustande, aber in vergrölsertem Malsstab (Fig. 2). Eine Abweichung erleidet sie im Bereich des Vorderhirns insofern, als die Levatores labiorum superiorum den dünnen Boden der Schädelhöhle etwas empordrücken, da sie von den kleinen Augäpfeln in ihrer Richtung weniger beeinflulst werden, als von grolsen. Der Präcerebralraum ist so grols, dafs in ihm etwa die Masse des Vorderhirns Platz findet. Das Gehirn liegt den Seitenwandungen nirgends an, sondern hält auch in der Orbitalregion einen Abstand von 2—4 mm inne, während der Abstand dorsal durchschnittlich noch gröfser ist. Dementsprechend tritt auch die Vena cerebri anterior bei L. rostratus mehr von der Seite an ihre Sammelgebiete heran als bei Scymnus. Präcerebral findet sich nur sehr lockere Arachnoidea; ein dichter Filz ragt vom Zirbelstiel bis über die Mitte des Kleinhirns hinauf. Bben- falls filzige Massen umgeben die Decke des IV. Ventrikels an der Rauten- blase und die Triehtergegend. Das Gehirn. Einige Zahlen mögen die hauptsächlichen Vergleichs- punkte des Gehirns von L. rostratus mit dem von Scymnus zum Ausdruck bringen. Scymnus L. rostratus V. 4. Calamus sceriptorius bis Recessus neuroporieus . . „s,lzcm 5,9 cm 5. Calamus seriptorius bis Vorderrand der Decke des vierten ven trikels, median gemessen. . . ERENTO 5 DK, 6. Breite der Decke des IV. Ventrikele. RE BE FEN Gent or. Vera EN 1. 5 TeaBreitendess Hinterhien se Lan. 8. Länge des Hinterhirns . . . SG ERANE KR a a Im): 210% 10. Trochlearisursprung bis Gormnisenne Posten oe Fu rl 06 „ 11. Breite der Decke des III. Ventrikels. . . . CHEN NS OR 12. Länge derselben vom Zirbelursprung bis zur Ehe 2 el 1,2 ” }) ” Ss Rud. Burekhardt, Die Rautengrube ist relativ grols, wie denn überhaupt die Dorso- lateralzonen stärker entwickelt sind, als bei Seymnus. Die Rautenohren (Fig. 3). Fig. 3. Laemargus rostratus, Gehirn in dorsaler Ansicht. 2fach vergr. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 9 zeigen zwar dieselbe Doppelwindung wie Scymnus; doch ist der hintere Gyrus des Ohres gröfser und mehr seitwärts ausgeladen und abgebogen. Der letzte Wulst oralwärts verschwindet nicht, wie bei Scymnus unter der kaudalen Kuppe des Hinterhirns, sondern. ist unter ihm auch in der Auf- sicht bis zur Medianebene sichtbar. Das Hinterhirn ist an Masse viel bedeutender als bei Scymnus, wie schon aus obigen Zahlen hervorgeht. Aber auch sein Relief ist viel reicher. Der bei Scymnus rautenförmig-ovale Körper ist hier in zwei ungleiche Teile zerlegt, einen kürzeren kaudalen und einen längeren oralen. Beide sind durch eine tiefe Querfurche getrennt, in der wir die Fovea eulminis epen- cephali wiedererkennen. Hier aber ist sie bis zu einem tiefen Einschnitt geworden. Die kaudale Kuppe des Hirns ist mehr ovoid rundlich, die orale fast birnförmig, beide mit selbständigen Einsenkungen in der Medianlinie, die der epitheliösen Medianzone entsprechen, versehen. Mit der oralen, tief abgesenkten Kuppe überdeckt das Hinterhirn nicht nur das Mittelhirn voll- ständig, sondern reicht noch aufserdem über einen Teil der Decke des III. Ventrikels. bis gegen das Velum hin. Seitlich ist der Zusammenhang zwischen beiden Hinterhirnhälften völlig gewahrt. Das Mittelhirn ist auf- fallend klein; in der Mediane gemessen fast nur halb so grols wie das von Scymnus. Trotz seiner Kleinheit ist jedoch auch an ihm die laterale Grenz- furche deutlich zu unterscheiden. Die Decke des III. Ventrikels (Fig. 4) ist namentlich nach der Breite wohl entwickelt, das gesamte Zwischenlirn dabei relativ kurz. An dem breiten Vorderhirn tritt die Wölbung des oralen Randes viel mächtiger hervor, als die Tubercula dorsalia. Die T’ractus olfaetorii sind dünnwandig und in frischem Zustande trompetenartig aufgetrieben. Wie auch die quergestellten Nasenbecher, so stehen die Bulbi olfactorii denen von Seymnus nicht nach und unterscheiden sich von jenen nur durch die Stellung, indem die medianen Teile der Bulbi höher liegen als bei Scymnus. Am eigentümlichsten ist bei L. rostratus das Unterhirn beschaffen; kurz gesagt, es ist das primitivste, das bei Selachiern im erwachsenen Zustande vorkommt. Äufserlich betrachtet, stimmen die Lobi inferiores mit denen bei Scymnus vollkommen überein, doch sind ihre Wandungen dünner. Dagegen bleibt der Saccus vasculosus auf dem Stadium einer beinahe falten- Noya Acta XCIV. Nr.l. 2 10 Rud. Burckhardt, losen Blase, mit Ausnahme derjenigen Falten, die die Fossae laterales von der Fossa mediana trennen. Der Toorus interpeduneularis ist ohne jene bei Sceymmus geschilderten rostartigen Bildungen. Der Lobus terminalis der Hypophysendrüse ist kurz, der L. medianus äulserlich indifferent, aber innerlich von drüsigem Bau, der L. posterior aber, wie bei Scymnus mit mälsiger Faltung und von ebensolcher Form. Fig. 4. Laemargus rostratus, Decke des III. Ventrikels in ventraler Ansicht. 5fach vergr. öntsprechend dem Ausbleiben der Streckung des Zwischenhirns fällt natürlich auch die Decke des III. Ventrikels anders aus, als bei Scymnus lichia. Der prävelare Abschnitt hat die Gestalt eines Deltoids, dessen stumpfer Winkel in die Medianebene am Velum fällt. Das Velum selbst reicht relativ sehr tief gegen den Ventrikel hinab. Der Plexus hemisphaerium entspringt vom vorderen Blatte des Velums und zwar von einer Linie, die vom hinteren Viertel des Velarrandes entspringend, dorsalwärts bis zur Ursprungsstelle des Velums ansteigt. Der Plexus reicht mit seinem krausen- artig dreifach geschlungenen Rande bis gegen die Medianebene vor. Der postvelare Abschnitt ist relativ kurz und verschwindet bei ventraler Ansicht des ganzen Gebildes vollkommen unter dem Velumrande. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. Ill Manche der geschilderten Verhältnisse und noch Weiteres tritt am besten auf dem Medianschnitt (Fig. 5a u. 5b) zutage, mit dem derjenige von Seymmus zu vergleichen ist (I, Fig. 20). Da treten die bedeutenden Massen des Hinter- hirns und die unbedeutende des Mittelhirns in lebhaften Gegensatz. Ferner erkennt man die Windungen der Dorsolateralzone, die der oben geschilderten Gliederung der Oberfläche entsprechen; die relative Kürze der Decke des Ill. Ventrikels; die Kleinheit der Lamina supraneuroporica; die Kleinheit des Optieusquerschnitts; die Weite und Einfachheit des Saccus vasculosus; die Länge der Oblongata. Fig. 5a. Laemargus rostratus, Medianschnitt durch den Kopf, das Gehirn ist in toto dargestellt. Nat. Gröfse. Aus der Embryonalentwicklung des Hirns von L. rostratus, soweit nicht schon im 1. Teil davon die Rede war, sei folgendes hervorgehoben. Auch hier ist es das Vorderhirn, das in besonders erheblichem Mafse vom erwachsenen abweicht, indem die Bulbi olfactorii blofs erst durch Furchen abgegliedert zu werden beginnen. Das Kleinhirn hat bereits seine Quer- furche erhalten; fast wider Erwarten früh. Dafs die relative Streckung des Vorderhirns bei Scymnus gröfser ist, als bei rostratus, zeigen die folgenden Zahlen. Laemargus rostratus 16 cm 90 em Abstand der lateralen Wände der beidseitigen Bulbi olfactori . . . . 11 mm 46 mm Vom Mittelpunkt dieser Verbindungslinie bis zum Vorderrand des Mittelhirns 5,5 „ 30 „ NasgersıninenaVeihältıisevo Dem Out währenddasselbebeil Scymnuslbeträgt” „0. EI 1. 0,5, 1,237, 9%* 24) 12 Rud. Burckhardt, Die Verbindungslinie der Cornealmittelpunkte geht auf diesem Stadium noch durchs Mittelbirn, wogegen sie im erwachsenen Zustand weit davor liest. Auch ist das Mittelhirn auf diesem Stadium noch wenig vom Hinter- hirn bedeckt und relativ grols. Wie sich das Massenverhältnis zwischen Mittel- und Hinterhirn ver- ändert, lehren die folgenden Zahlen. Embryo 6 cm 16cm ZErwachsen (90 cm) Hintevhumwmediant gemessen er 92 Em mEoamm 20 mm Der in der Medianlinie hervorragende Teil des Mittel- hirnspbettäast ea EB. De 3 S, 3 SS Z ö SS 2 S i S ; x S S Di & Tip. Fig. 5b. Laemargus rostratus, Medianschnitt durch das Gehirn. 2fach vergr. Lsn. — Lamina supraneuroporica. Epe. — Epencephalon. V. = Velum. Fee. — Fovea culminis epencephali. Tub. ant.ep. = Tubereulum anterius. epenceph. Tip. — Torus interpeduneularis. Mse. — Mesencephalon. S.vasc. — Saceus vasceulosus. Dabei hat das Hinterhirn schon bei 16 cm dasselbe Längenverhältnis zum Totalgehirn (Fig. 6) wie beim Erwachsenen. Im Vergleich zu Scymnus nehmen von diesem Stadium an sowohl die Augen wie die Nasenbecher einen gröfseren Abstand vom Gehirn und unter sich. Damit kommt also schon auf diesem Stadium zum Ausdruck, dals ein Einflufs dieser Organe durch ihre Massenentwicklung auf das Gehirn nicht stattfindet, wie bei Scymnus, dessen Vorderhirn auf diesem Stadium mit dem von L. rostratus zum Verwechseln übereinstimmt. Die Das Zentral-Nervensystem der Selachier. Schädelhöhle wird noch allseitig vom Hirn ausgefüllt und ist also ziemlich genau ein Negativ derselben: ein Grubenpaar entspricht den Bulbi olfac- torii, ein grölseres dem Vorderhirn. Eine tiefere Grube reicht vom Optieus- austritt bis zur Hypophyse, welche ein Grübchen für sich erzeugt. Es fragst sich nun, wie wir die verschiedenen namhaft gemachten Eigenschaften des Hirns von L. rostratus zu beurteilen haben. In der Architektur des Kopfes, und besonders der Schnauze, findet mit der Stellung der Nasenbecher auch die der Bulbi olfaetorii ihre Erklärung. Die Länge und Dünnwandigkeit der Traetus olfaetorii entspricht im ganzen dem Verhalten bei Scymnus, namentlich bei grolsen Exemplaren (I, Fig. 59 E). Wenn die Streckung der Tractus ol- factorii etwas weiter gedeiht als dort, so ist dies wohl auf den Umstand zurückzuführen, dals die Vorderhirn- masse selbst bei ZL. rostratus relativ mehr kaudal zu liegen kommt als bei Scymmus, wo das Zwischenhirn so sehr in die Länge gedehnt ist. 2. rostratus hat das Zwischenhirn relativ normal ausgebildet, zweifellos in Zusammen- hang mit Stellung und geringerer Grölse der Augen, welche bei Scymnus die Zwischenhirnregion geradezu zwischen sich einklemmen. Fig. 6. Laemargus rostratus, Gehirn eines Embryo von 16 cm Länge von der Seite gesehen. 13 Sfach vergr. 14 Rud. Burckhardt, Mit der Kleinheit der Augen von L. rostratus ist wohl auch die relativ geringe Massenentfaltung des ÖOptieusquerschnittes, des Mittelhirns und der Lobi inferiores in Beziehung zu bringen. Wie aber erklärt sich die Gestalt des Hinterhirns? Zunächst ist ersichtlich, dafs die Massen- entwicklung der Dorsolateralzonen dazu führte, dafs die Fovea eulminis zu einer tief eingreifenden Querfurche wurde. Aber in Korrelation mit dem stark entwickelten Hinterhirn fanden wir auch relativ grolse Rautenohren, überlıaupt starke Entfaltung der Dorsolateralzonen der Oblongata, die auch in der Gröfse derselben zum Ausdruck gelangt. Bei den meisten Selachiern finden wir diese Entfaltung der Dorsolateralzonen in Zusammenhang mit der Ausbildung der peripheren Sinnesorgane der zugehörigen Bezirke, wie ich späteren Resultaten vorgreifend bemerken will. Für ZL. rostratus ist aber der Sinnesorganapparat so unbedeutend und so wenig verschieden von dem von Scymnus, dals daraus die Gröfse des Hinterhirns nicht erklärt werden kann. Dagegen kommen in den diesen Hirnregionen zugehörenden Hautregionen die Leuchtorgane vor und wenn auch ihr Ausbildungsgrad kein sehr hoher ist, so sind doch die zu jedem Organ gehenden Nerven ziemlich stark. An einen Zusammenhang zwischen den beidseitigen Er- scheinungen im Zentrum und an der Peripherie läfst sich daher denken; wir werden später sehen, mit welchem Recht. Völlig eigenartig ist der geringe Differenzierungsgrad des Saceus vasculosus. Ob dieser mit der schwachen Ausbildung der Lobi inferiores in Verbindung zu bringen ist, wie man nach den histologischen Erfahrungen von Scymnus denken könnte oder ob er nicht vielmehr mit Eigentümlichkeiten der Zirkulation zusammen- hängt, diese Fragen können für den Augenblick nur angedeutet werden. Im Vergleich mit Scymnus haben wir jedenfalls als primitiver zu taxieren: 1. die Form des Saccus vasculosus, welche die embryonale ist; 2. die Decke des III. Ventrikels, welche der Längsstreckung entbehrt; 3. die relativ geringe Lamina supraneuroporica, die mit der Kleinheit der Tubercula dor- salia in Verbindung steht; 4. das normale Verhalten des Zwischenhirns. Als primitiv, ohne dals zu entscheiden ist, ob pseudoprimitiv, ist anzusehen: 1. die lange Medulla oblongata; 2. das kleine Mittelhirn; 9. die schwachen Lobi inferiores; 4. der dünne Opticusmedianschnitt. Steht somit das Hirn von L. rostratus in seiner Gesamtheit dem von Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 11%) Scymmus lichia recht nahe, so besitzt es doch daneben recht eigentümliche Merkmale, die es leicht kenntlich von jenem trennen, und, wie aus den nachfolgenden Beschreibungen hervorgehen wird, auch von dem der übrigen Paläoselachier, so dafs es nieht nur jederzeit für sich auf Grund seiner Merkmale zu diagnostizieren ist, sondern auch Charaktere liefert, die leicht zur systematischen Präzisierung der Art zu verwenden sind. 2. Laemargus borealis. Der Eishai ist in den nordischen Meeren ein häufiges Tier, von dessen Bau und Lebensweise wir in mancher Hinsicht unterrichtet sind. Immerhin weist unsere Kenntnis desselben gerade an Punkten Lücken auf, die auch für Fig. 7. Linearer Umrils von Laemargus borealis. !/, nat. Grölse. die Beurteilung des Hirns von Bedeutung wären. Er erreicht eine beträchtliche Gröfse und wird nach Jungersen erst mit 4,5 m geschlechtsreif. Nach Helbings Kombinationen (Nova Acta, Bd. LXXXL, S. 510) ist anzunehmen, dafs die von Collett beschriebenen Exemplare von 60 cm Länge, die frisch geborenen Jungen anderer Haie sollen ähnlich gesehen haben, in der Tat eben ausgeschlüpft waren. Bei diesen Gröfsenangaben kennen wir aber weder die maximale Gröfse genau, noch ist Material von jungen Tieren resp. Embryonen zu erhalten. Die uns allein verfügbaren Exemplare malsen zwischen 1,3 m und 3,2 m. Als Habitusbilder (Fig. 7 u. 8) reproduziere ich das von mir, sowie in verkleinertem Mafsstabe das von Helbing gegebene; letzteres weil an ihm die Eigentümlichkeiten des Skelets, der unregelmäfsige Bau 16 Rud. Burckhardt, der Wirbelsäule, der Subkaudalstrang und das Rudiment des Stachelknorpels ‚Surgpop yaru ‘sıma4oq snbamumpT UoA Y9[04& ospgrg yeu 9, "8 a1] der Dorsalflossen zu sehen sind, welche doch ein besonderes systematisches Interesse bieten. Die Schädelhöhle von Laemargus borealis ist äulserst geräumig, wie dies bei den grolsen Arten unter den Paläoselachiern allgemein der Fall ist (Fig. 10). Das Hirn füllt kaum den zehnten Teil derselben aus und auf den ersten Blick springt der Unterschied der Form zwischen ihr und den Formen des Hirns selbst in die Augen. Man ersieht daraus, dafs die Gestalt der Schädelhöhle hier gar nicht mit der des Hirns in Zusammenhang gebracht werden kann und hat daher für die Form der Schädelhöhle nach anderen Gründen zu suchen. Vor allem fällt die riesige präcerebrale Abteilung des gesamten Cavum cranii auf. Bei genauerem Studium zeigen sich im Bereiche der vorderen Hälfte der Traetus olfactori zwei seichte Gruben, welche in der Medianebene ventral ineinander überfliefsen, rostral durch einen schwachen Kamm getrennt werden. Nach vorne und der Seite hin gehen diese Gruben bei allmählicher Verjüngung des gesamten Lumens in leichte örweiterungen über, die die Bulbi olfactorii beherbergen. Nach hinten senken sie sich ab in eine gemeinsame tiefere Grube, worin die Hauptmasse des Vorderhirns liest und welche nach hinten abermals in eine tiefe für die Trichtergegend bestimmte Grube mündet, mit der zusammen sie gexenüber dem übrigen Schädel- höhlenboden eine gröfsere Einheit bildet. Da- hinter verläuft als querer nach vorne und seitwärts auslaufender stumpfer Wulst der Sattel. rm Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 17 Diese Konfiguration des Schädelbodens entspricht so sehr derjenigen, wie wir sie für den 16 cm langen Embryo von L. rostratus erkannt haben, dafs Beziehungen zwischen der Gestalt in beiden Fällen aufser Zweifel fallen. Die aus der definitiven Form des Schädels und Gehirns unerklärliche Form der Schädelhöhle läßt sich allein begreifen, wenn wir annehmen, dals die Schädelhöhle ihre embryonale Gestalt beibehalten hat, dafs also das Knorpelwachstum der Schädelkapsel in der weiteren Fig. 9. Laemargus borealis, Boden der Schädelhöhle. °/, nat. Gröfse. postembryonalen Entwicklung in der einmal angenommenen Riehtung unbekümmert um die Gestalt des Gehirns sich fort- setzt und zwar nicht nur innerhalb derselben Art, sondern auch hier bei der gröfseren. So erwünscht es auch wäre, an Embryonen von L. borealis die embryonale Form der Schädelhöhle nachzuweisen, so wird doch kaum eine andere Beschaffenheit zu erwarten sein, da der erwachsene L. borealis und L. vostratus und der embryonale rostratus mit dem embryonalen Seymnus hierin übereinstimmen. Noya Acta XCIV. Nr.1. 3 18 Rud. Burckhardt, Die Schädelhöhle wird von einem grobmaschigen Bindegewebe stellen- weise erfüllt, insbesondere der Präcerebralraum, die Basis des Vorderhirns und die Umgebung des Trichters, aber auch die Basis der Medulla oblongata. Nach dem Oceiput hin verliert es sich und tritt erst wieder im Bereich der ersten Wirbel auf. Die übrigen Beziehungen des Gehimms zum Bau des Kopfes läfst das Übersichtsbild (Fig. 10) erkennen. Den gewaltigen Nasenkapseln ent- sprechen auch die Nasenbecher selbst, die in typischer Form für die Paläo- selachier durch die nebenstehenden Skizzen illustriert werden (Fig. 11a u. b). Sie kommen an Grölse den Augen gleich, welche hiermit relativ grölser sind, als bei ZL. rostratus, aber auch vom Gehirn einen so beträchtlichen Abstand besitzen, dafs ein nachhaltiger Einfluls durch ihre Masse auf den Bau des Gehirns ausgeschlossen erscheint. Eine Vergleichung von Fig. 10 mit Fig. 2 lälst uns verstehen, dals die Beziehungen des Gehirns zum Kopfe bei L. borealis nur durch Fortbildung des Zustandes von L. rostratus zu erklären sind. Die wesentlichen Veränderungen beruhen auf Streekung der Tractus olfactorii, Streckung der Hirnnerven in oral-kaudaler Richtung. Dies ist eine Erscheinung, die ganz allgemein da vorkommt, wo innerhalb einer grolsen und lange, ja permanent wachsenden Schädelhöhle ein Gehirn von geringer Grölse vorkommt (vgl. Fig. 1 Ceratodus in der Arbeit Bing und Burckhardt). Das veränderte Verhältnis Schädelhöhle — Gehirn bei L. borealis ist also lediglich auf die Gröfsenverschiedenheit zwischen beiden Arten zurück- zuführen. Bei noch gröfseren Exemplaren von ZL. borealis als sie mir zur Verfügung standen, würden namentlich die erwähnten Differenzen eine weitere Steigerung erfahren. Auf diese Faktoren allein lassen sich aber nicht alle Unterschiede zurückführen, die die Gehirne beider Arten voneinander trennen. Einige Proportionen mögen zunächst zur Charakteristik des Hirns von L. borealis dienen. Legen wir das Mafs Il. 1. Schnauzenspitze bis Oceiput zugrunde, so verhalten sich die gemessenen Exemplare folgendermafsen: Scymnus lichia L. rostratus L. borealis em 8,8 11 35 Dem entsprechen die Malse für die Distanz V. 4. Calamus seriptorius bis Recessus neuroporicus: cm 5,1 5,5 7.3. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. Fra AR NEAR Ten 0 ge 0.0 - ! DesnTe “ — nlsr N ‘u Al Ir ll hl I A 1, . >, Zul > , > Fig. 10. Laemargus borealis, Horizontalschnitt durch Gehirn und Schädel. 1/, nat. Grölse. g%* 19 20 Rud. Burekhardt, Bei allen Schwankungen, die durch individuelle Unterschiede oder Konservierung in diese Zahlen kommen können, ergibt sich doch sicher das eine: Die längste me,sbare Linie der Medianzonen des Gehirns und damit auch der wesentliche Teil der Lateralzonen erfahren, während der Kopf an Länge um das Dreifache zunimmt, nur eine Zunahme um zirka 30%. Fig. 11a. Fig. 11b. Laemargus borealis, Nasenkapsel. Nat. Gröfse. Laemargus borealis, Septen der Nasenschleimhaut. Nat. Grölse. V.1. Die Breite des Rückenmarks am Oceiput beträgt: Seymnus lichia L. rostratus L. borealis mm 3,0 6,0 8,0. V.2. Die Höhe des Rückenmarks am Oceiput mm 2,4 4,0 5,0. 2 L. vostratus hat also, entsprechend der starken Ausbildung des Hinter- hirns auch ein vergleichsweise starkes Rückenmark. Bei 2. borealis nimmt Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 21 indefs die Stärke desselben nicht dem Volumen des Körpers entsprechend zu im Vergleich zu L. rostratus, sondern höchstens etwa im Verhältnis, in dem die Hirnachse zunimmt. Wägen wir die Gehirmnhälften von 2. rostratus und Dborealis, (es ist zweckmäfsiger, blofs die Hälfte zu nehmen, damit keine grölseren Flüssigkeitsmengen mitgewogen werden), so ergeben sich die ap- proximativen Werte von L. rostratus L. borealüs gr. 2,7 9,6. Bei letzterem fällt etwa 1 gr. weg, weil das Bindegewebe sehr massiv ist, und ein großer Hauptfaktor die grolsen Bulbi olfactorii sind, die schätzungsweise allein etwa 2,5 gr. wiegen mögen. Daher beträgt die Zu- nahme der Gehirnmasse selbst von ZL. rostratus bis borealis nur etwa das Zweifache bis Dreifache der Hirnmasse. Die Bestimmungen der einzelnen Hirnnerven ergeben kein klares Resultat deswegen, weil die Nerven von Perineurium und Endoneurium durchwachsen sind, dessen Zunahme lediglich von mechanischen Zwecken abhängig ist, und weil ja auch die verschiedene Dieke der Markscheiden in Betracht kommt. Jedenfalls sind es gerade nicht die massigen Nervenwurzeln, auf die wir uns stützen dürften. Dem- semäls ergeben sich denn auch bei allen Nervenwurzeln von ZL. borealis beträchtlich höhere Zahlen als in unserer Tabelle (I. Teil V. 3. a— 2) für Sceymnus festgestellt sind. Nur die Augenmuskelnerven von ZL. borealis sind um weniges dieker als bei Scymnus, und ebenso der Opticus mit etwa 2 mm gegen 1,4 bei Seymnus. Die spezielle Form des Gehirns bei L. borealis geht am besten aus den Figg. 12 u. 13 hervor. Entsprechend den seltsamen mechanischen An- forderungen der Suspension des Hirns in einem Schädelraum, der bei grölster Ausdehnung nur mit einem Minimum von Bindegewebe versehen wird, sind die Hüllen des Hirns aufserordentlich stark ausgebildet (Fig. 15) und zwar allüberall da, wo Nerven oder Gefälßse an das Hirn herantreten, aber auch in der Umgebung der funktionell hohen Hirnmassen. Zunächst einige Bemerkungen über die Nerven. Zum Studium der Nervenwurzeln und ihres Baues habe ich mit Erfolg schwache Osmiumsäure angewandt. Man läfst sie so lange auf die Nerven träufeln, bis diese an- 22 Rud. Burckhardt, fangen, sich zu bräunen, dann spült man mit Wasser ab. Die Nerven- wurzeln werden alsdann schwarzbraun, während die Membrana limitans externa sich nur eben leicht bräunt. Dann untersucht man einfach mit der Lupe. Ich will nieht auf die Fülle von individuellen Variationen aufmerk- sam machen, die in Bezug auf die Nervenwurzeln nicht nur bei L. borealis, N \ \ \ Y / / / E\ ING Fig. 12. Fig. 13. Laemargus borealis, Gehirn in dorsaler Ansicht. Laemargus borealis, Medianschnitt des Gehirns. !/, nat. Gröülse. Nat. Grüfse. sondern bei allen von mir daraufhin untersuchten Formen auftritt. Wer sich einmal davon überzeugt hat, der kann nicht mehr jedem Faserbüschel einen geheimnisvollen Wert zuschreiben wollen. In unserer Skizze ist der Vaguskomplex der rechten Seite abgebildet (Fig. 14), wie er ist. Da bei Hexanchus von dem ähnlich beschaffenen Vagus Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 23 eine Beschreibung gegeben wird, so kann hier von einer solchen abgesehen werden. Mit dem oralen Teil des Komplexes mischen sich Fasern des Glossopharyngeus. Über den Komplex hin zieht ein Bindegewebenerv, dessen Fasern geeignet sind, zu Mifsdeutung Anlals zu geben. Rechts entspringt der Glossopharyngeus mit drei Wurzeln, von denen die kaudale bei weitem am stärksten ist, während die vorderste dem Acusticus nahe liegt. Links sind fünf sukzessive in oraler Richtung abnehmende Wurzeln. Der Abducens entspringt rechts mit vier gleich starken Wurzeln; links mit drei etwa gleich starken und einem aus wenig Fasern bestehenden Büschelchen, das in der Mitte zwischen den übrigen Abducenswurzeln und dem Acustieus liegt. Laemargus borealis, rechter Vaguskomplex nebst Bindegewebsnerven. Nat. Grülse. Zwischen den Ästen des sensiblen Trigeminus, des Facialis und des Acustieus findet ein Austausch unter gegenseitiger Verflechtung der Fasern statt, der jeder metamerentheoretischen Spekulation Hohn spricht. Wir begnügen uns, in beifolgender Skizze den Acustico facialis-Komplex (Fig. 15), wie er in einem Fall gefunden wurde, abzubilden und haben nur beizufügen, dafs, wenn auch das Verhalten dieser Fasergebiete zu einander prinzipiell ein gleiches bleibt, dennoch auch in anderen Fällen die gleiche Vermischung zu beobachten ist. Wer diese Verhältnisse kennt, wird niemals in Ver- suchung kommen, den Nervenwurzeln eine Bedeutung für Übereinstimmung mit den peripheren Verbreitungsgebieten zuschreiben zu wollen. Den N. terminalis konnte ich bei Laemargus nicht beobachten. 2A Rud. Burckhardt, Die Oblongata unterscheidet sich von der von L. rostratus und von Scymnus dadurch, dafs sie relativ breiter ist, mit 3,6 Länge und 2,5 Breite. Auch liegt ein Unterschied darin, dals die Rautenohren flach sind und vor dem Ursprung des sensiblen Facialis eine Windung in die Tiefe der Rauten- erube entsenden. Die Endblase ist grols, mit einem warzenartig vorspringenden ih Fig. 15. Laemargus borealis, laterale Ansicht des Acustico facialis-Komplexes. 5 fach vergr. Nabel versehen, und einem durch Zug von seiten des Bindegewebes hervor- gerufenen kaudalen Tractionsdivertikel, die übrige Decke des IV. Ventrikels reichlich gefaltet und gefältelt. In unserer Figur ist sie links abgeschnitten und zurückgeschlagen. Das Hinterhirn ist weniger differenziert als bei L. rostratus. Die Querfurche ist deutlich ausgeprägt, wenn auch dadurch Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 25 verwischt, dafs die das Hirn überziehende Bindegewebsschwarte ziemlich stark ist. Ist auch die Vorderkuppe des Hinterhirns wie bei L. rostratus gröfser, als die hintere, so überwiegt sie doch nicht so sehr wie dort. Auch die Windungen der Dorsolateralzone sind einfacher. Bei sorgfältig kon- servierten Hirnen wird das Mittelhirn total bedeckt, nur bei solchen, deren Ventrikel nieht gefüllt worden sind, ragt es etwas lateral vor der oralen Hinterhirnkuppe vor. Es ist nur um weniges stärker ausgebildet, als bei L. rostratus. Die Decke des III. Ventrikels ist prinzipiell ebenso gebaut, wie dort, nur dafs im Vergleich zum Velum, die Plexus hemisphaerium gröfser sind und kaudalwärts sich median so stark nähern, dafs ihre Basis nur eine Längsfalte des Velums zwischen sich einschliefst. Mit seltener Deutlichkeit liefs sich im Gegensatz zu dem vollkommen glatten kaudalen Blatt des Velums die Kräuselung auf dem oralen beobachten. wie denn auch der Umschlagsrand des prävelaren Blattes eine knäuelartige Kräuselung zeigt, die an die Existenz einer wahren Paraphyse glauben liefse. Am Vorderhirn fehlen 'Tubereula dorsalia beinahe ganz, während die T'ubereula ventralia anteriora fast noch zu stärkerer Ausbildung gedeihen als bei L. rostratus. Die Lobi inferiores bleiben auch relativ unbedeutend und der Saccus vasculosus häutig. Der Lobus terminalis der Hypophyse liegt weit nach vorn und der Lobus medianus bildet einen etwa 1 cm langen Schlauch, der weit gegen den L. posterior senkrecht hinabreicht, der in der relativ ent- fernten Sattelgrube sitzt. Durch diese Stellung der Hypophyse wird der Recessus postopticus erheblich zusammengeschoben. Diejenige Bildung, die am meisten von den bisher geschilderten Zuständen abweicht, ist der Traetus und der Bulbus olfactorius, ersterer bildet eine lange dünnhäutige, etwas aufgetriebene Röhre; letzterer zwei massige Anschwellungen zwischen dem Ende dieser Röhre und den Nasenbechern, mit denen er durch die Fila olfactoria verbunden ist. Die Beschaffenheit dieser Gebilde fällt so ganz mit den von Hexanchus zu schildernden zusammen, dafs hier von einer ein- gehenderen Darstellung kann abgesehen werden. Wenn wir zusammenfassend die Abweichungen des Hirns von 1. borealis mit dem Typus ZL. rostratus zusammenhalten, so bleibt tatsächlich kein Merkmal übrig, das ZL. borealis wesentlich unterscheiden würde und Noya Acta XCIV. Nr. 1. 4 26 Rud. Burckhardt, das nicht auf die Längsstreckung des Schädels und die Folgen derselben für das Hirn zurückzuführen wäre. Ja sogar die relativ einfachere Be- schaffenheit des Hinterhirns läfst sich unter diesem wachstumsphysiologischen Gesichtspunkt verstehen; sie ist mit als eine Folge der Streckung anzusehen. L. borealis liefert damit ein treffliches Paradigma für die Folgen des Riesen- wuchses des genannten Tieres auf das primitive Selachierhirn und in Hexanchus werden wir eine geeignete Parallele antreffen, die uns den hier vestattet. festgestellten Fall zu verallgemeinern & 3. Isistius brasiliensis. Isistius brasiliensis wurde von Quoy und Gaimard,') die ihn ent- deckten, als eine Art von Scymnus betrachtet. Bennett’) sah 1840 zum erstenmal das Leuchten ihrer Haut und erbeutete mehrere Exemplare, wo- runter eines von 45cm. Nach Garman soll er sogar länger als 1m werden. Es war für mich eine der wertvollsten Bereicherungen meines Materials, als Herr Boulenger mir gestattete, einem von Krefft her- rührenden Spiritusexemplar von 17,5 cm, dessen Leuchtorgane ich zuvor beschrieb, das Hirn zu entnehmen. Fig. 16. Isistius brasiliensis, äulsere Körperform. ?/, nat. Grölse. Der äufseren Form nach ist Isistius (Fig. 16) sehr bestimmt charak- terisiert: Die Nasenlöcher stehen fast terminal, hinter ihnen erscheinen die sehr grolsen Augen, auffallend klein sind die Kiemenspalten hinter dem tief geschlitzten Mund, die erste Dorsalflosse ist stark in kaudaler Richtung verschoben. Aufser der durch zwei punktierte Linien begrenzten Zone ist die Haut mit unregelmälsisen Haufen von Leuchtorganen übersät. 1) Voyage de l’Uranie 1824. 2) Gatherings of a naturalist in Australia 1859. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 27 Legen wir das Gehirn in situ blos (Fig. 17), so tritt uns ein ganz überraschendes Bild entgegen. Es bedarf keiner Malsangaben, um die grolse Isistius brasiliensis, Gehirn von oben im Kopfe. 6fach vergr. Verschiedenheit der Topographie dieses Kopfes nicht nur von dem der eben beschriebenen Formen, sondern von dem aller Selachier in die Augen springen 4* 28 Rud. Burckhardt, zu lassen. Es leuchtet ein, dafs die Massen des gesamten Kopfes von den mächtigen Augen dominiert werden, die entsprechend dem Leben dieses Haies in der Tiefsee so ausgebildet sind, wie wir sie nur noch etwa bei O’himaera im Verhältnis zur Masse des Kopfes an- u treffen. Andererseits sind wiederum die terminal stehenden I Nasenbecher auffallend klein, während wir sie ja bei den Laemargi ebenso grols, ja grölser als die Augen gefunden haben. Zwischen Auge und Spritzloch wird die Haupt- masse des Kopfes von der Kiefermuskulatur gebildet, für J die in diesem Falle nur wenig Raum bleibt. /\ Bei dieser seltsamen Beschaffenheit der Kopfmassen £ \ von Isistius ist es geradezu selbstverständlich, dafs das r ee Hirn in Mitleidenschaft gezogen ist, wenn auch das f = ; Resultat die Erwartungen erheblich übertrifft. N 2F Die gesamten Massen des Hirns selbst sind hinter 7 die Augen verlegt, ja sogar zwischen die Region der l £ Spritzlöcher, resp. des Labyrinths. Dies ist die augen- i fälligste Massenanomalie im Vergleich zu anderen Selachier- Fig. 18. gehirnen. Aufserdem aber nehmen die Teile des Hirns Isistius brasiliengis, unter sich Lageverhältnisse an, die ebenso einzig inner- Gehirn von der Seite. halb der Selachier dastehen, wie sie schlagend an die 3fach vergr. Ä = x des Teleostierhirns erinnern. Zur Ergänzung der obigen Übersichtsbilder mögen die beistehenden dienen (Fig. 18 u. 19). Das alte Spiritusobjekt zeigte zwar einen hinreichenden Konservierungsgrad, war aber in der Hypophysengegend sowie am Calamus Fig. 19. Isistius brasiliensis, rechte Hälfte des Gehirns, von innen. 6fach vergr. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 29 seriptorius nicht genügend erhalten; daher weisen unsere Figuren manche Lücken auf. Infolge der starken Verschiebungen der Organe innerhalb des Kopfes ist das gesamte Gehirn, namentlich aber das Hinterhirn, über die Rauten- grube geschoben, wie man am deutlichsten etwa an der Stellung des sen- sibeln Facialis erkennt, der hier im Querschnitt zwischen der kaudalen Hinterhirnkuppe und der Querfurche des Hinterhirns zu liegen kommt, anstatt, wie bei Laemargus und Scymmus hinter die erstere. Diese Verkürzung der Medulla oblongata führt zur Verlagerung der Rautenohren in oraler Richtung, zu starken Knickungen der Dorsolateralzone, zur Verdickung des Bodens der Rautengrube. Das Hinterhirn ist an Masse sehr beträchtlich entwickelt, erinnert am meisten an das von Scymnus, ragt aber nicht so weit über das Fig. 20. Isistius brasiliensis, Medianschnitt des Gehirns. 6fach vergr. Mittelhirn, wie dort, geschweige denn wie bei den Laemeargi. Besonders auffallend ist das Mittelhirn sogar in seiner Medianzone gestaltet (Fig. 20), und nach dem, was wir bisher über die Korrelation dieser Hirnregion mit den Augen gehört haben, wohl innerhalb der Selachier hier überhaupt relativ am grölsten. Dagegen ist das Zwischenhirn verkürzt und die Decke des II. Ventrikels in die Tiefe geschoben, so dafs der postvelare Abschnitt eine Hache Falte bildet und der prävelare stark verkürzt erscheint. Von diesem zweigen lange Plexus hemisphaerium ab, die bis über die Mitte der Vorder- hirnventrikel oralwärts ausgedehnt sind. Ob auf unserem Medianschnitt genau die Mitte eingehalten ist, kann ich nicht sagen; die betreffenden Partien sind jedenfalls besonderer Nachprüfung bedürftige. An die kegel- förmig verlaufenden Hemisphären schliefsen sich Lobi olfactori an. Das 30 Rud. Burckhardt, mikroskopische Bild beweist, dals es nicht etwa die blolsen Tubereula ol- factoria sind, indem die ganzen Körper von Glomeruli bedeckt sind, von denen die Fila olfaetoria in Gestalt zweier langgestreckter Stränge zu den Nasenbeehern verlaufen (Fig. 21, 22). An der Basis des Gehirns läfst sich mit voller Sicherheit nur ein relativ mächtiger Opticus und eine entsprechende Verdiekung im Medianschnitt konstatieren. Der Ventrikel des Vorderhirns ragt in den Lobus olfactorius so herein, dafs dieser eine dünnere mediale und eine solidere laterale Wand besitzt. Fig. 21. Isistius brasiliensis, Horizontalschnitt durch den Bulbus olfactorius. 30fach vergr. Unerwartet reichlich gestaltete sich die histologische Ausbeute dieses Gehirns. Um die Oberflächenskulptur und die Massenverteilung der Innen- seite zu studieren, zerlegte ich das Objekt in zwei Hälften, von denen die eine geschnitten wurde. Der auffallendste Unterschied im Vergleich zu anderen Selachierhirnen besteht zunächst in Reichtum und Grölse der grolsen Ganglienzellen. Im vorderen Trigeminuskern befinden sich zahlreiche Zellen, deren Leiber ohne Dendriten 38 « messen. Im Facialiskern von Zsistius messen die Leiber mehrerer Zellen 250 u, also ebenso viel wie die ent- sprechenden Zellen des Scymnushirns. Die Purkinjeschen Zellen kommen an Volumen etwa denen einer erwachsenen Ohimaera gleich; einige zu einem besonderen Nest an der vorderen Kleinhirnkuppe angeordnete, schwellen sogar auf das doppelte an. Jedenfalls lassen sie die entsprechenden Elemente von Scymnus hinter sich. Andererseits bleiben die Zellen des Dachkerns im Mittelhirn in Bezug auf Grölse zurück, denn sie messen kaum halb so viel als die Homologa bei Scymnus, während sonst bei Zsistius die grolsen Das Zentral-Nervensystem der Selachier. al Elemente an Zahl gleichzeitig auch stark überwiegen. Es gibt kaum ein zweites Gehirn mit so grolser Zahl der Purkinjeschen Zellen im Verhältnis zur gesamten Kleinhirnmasse Auch die Kerne der Medulla oblongata sind ungemein reich an Ganglienzellen der oben erwähnten Grölse. Bemerkens- wert erscheint hierbei, dafs die Vorderhirnzellen keinerlei besondere Diffe- renzierung zeigen. Ja es ist nicht einmal möglich, die Mitralzellen von den übrigen Elementen der Regio olfactoria zu unterscheiden. Auch in Hinsicht auf die Differenzierung von besonderen Schichten zeichnen sich Fig. 22. Isistius brasiliensis, Eintritt der Fila olfactoria in die Riechschleimhaut. 30 fach vergr. verschiedene Hirnpartien aus. Dafs es sich hierbei, wie übrigens auch bei den eben geschilderten Verhältnissen nicht etwa um Zustände handelt, die aus der relativen Jugendlichkeit des untersuchten Individuums entspringen, beweist das Fehlen all dieser Eigentümlichkeiten bei entsprechenden Jugend- stadien anderer Haie. Am Vorderhin herrscht dorsal Cumulosa, die kaudal- wärts diffus wird, während ventral Cumulosa die vorderen Teile beherrscht, nach hinten in Stratosa übergeht. Hier sind folgende Schichten zu unter- scheiden: 1. Pilosa; 2. Faserschicht; 3. ein zellreiches Stratum von etwa zehn Zellschichten; 4. Faserschicht und dazu kommt im hintersten Drittel 32 Rud. Burekhardt, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. noch ein äulseres wesentlich zellärmeres Stratum als das unter 3. bezeichnete. Eine ganz ähnliche Struktur zeigen die Lobi optici. Fig. 23 gibt einen Querschnitt durch das Kleinhirn und die Oblongata von Isistius und zeigt den grolsen Reichtum an Purkinjeschen Zellen, sowie die srolsen Ganglienzellen des Trigeminuskerns. Fig. 23. Isistius brasiliensis, Querschnitt durch das Kleinhirn. 25fach vergr. III. Notidanidae. 1. Heptanchus cinereus und deani. Ich behandle die beiden mir zur Verfügung stehenden Arten der Gattung Heptanchus gemeinsam, da ein einziges anatomisches Merkmal bei beiden nieht übereinstimmt: die Rautenohren, mir aufserdem von H. deamt nur ein Exemplar zur Verfügung stand und somit an diesem auch die Behauptung einer spezifischen Differenz nicht aufgestellt werden konnte. Von Heptanchus cinereus wurde das Gehirn durch Mielucho Maclay beschrieben, doch nur das embryonale. In bezeichnender Überschätzung der Bedeutung von Grundformen sowohl wie der Primitivität von Heptanchus, hat er es als embryonale und damit auch als phyletische Grundform erklärt. Seine Beschreibung des Embryonalhirns enthält übrigens nichts irgendwie brauchbares, schon weil Mafsangaben ja bei ihm durchgehends fehlen. Fürbringer hat die Oeceipitospinalnerven von Heptanchus behandelt. Gegenbaur legt die Zeichnung eines Heptanchusgehiıns der Behandlung des Selachierhirns zugrunde, die in allen wesentlichen Punkten unrichtig ist. Falsch sind daran, um das Hauptsächlichste zu präzisieren: 1. die Einzelheiten des Vagus; 2. die Decke des IV. Ventrikels; 3. Form und Gliederung des Hinterhirns; 4. das Fehlen der Decke des III. Ventrikels; 5. die enorme Streekung des Tractus olfactorius, sowie dessen Kontur. Denn da keine Grölse bei der Figur angegeben ist, mülste man annehmen, es sei natürliche Grölse gemeint. Ist dem aiso, so kann der Traetus un- möglich so lang gefunden worden sein. Auf die Kleinigkeiten will ich gar nicht eintreten. Völlig irrtümlich ist die Angabe, als wäre das Zwischen- hirn der Notidaniden auf einem „älteren Zustand“, ebenso die Darstellung Nora Acta XCIV. Nr. 1. [9] 34 Rud. Burckhardt, der Triehtergegend und die Behauptung: „In der Textur bleibt eine niedere Stufe“. Auch der primitive Charakter einer langen Rautengrube ist sehr zweifelhafter Art. Denn die Länge der Rautengrube nimmt im Vergleich zur Länge des Hirns mit wachsender Körpergrölse zu. Dies leuchtet am deutlichsten ein, wenn wir die Notidaniden und dazu noch L. borealis zu- sammenstellen, wobei sich folgende Malse ergeben: Heptanchus Heptanchus Hexanchus L. borealis etwa 90 cm etwa 120 cm etwa 2m etwa 2m V. 4. Cal. seriptorius bis Rec. neuroporicus 50 mm 56 mm 75 mm 73 mm V.5. Cal. seriptorius bis Vorderende der Rantenonubegersere ee Er 1.9. 3 „ 40 „ Verhältnuszahlus 22 2 ren 224,5 3,0 2,2 1,5 Fig. 24. Heptanchus deani, lineare Skizze des Kopfes. '/, nat. Grülse. Aber wenden wir uns nun von diesen Äufserungen, denen gemeinsam ist, dals sie die Beobachtung des Nervensystems von Heptanchus nach den Theorien gedeutet haben, den Tatsachen selbst zu. Die äufsere Körperform eines erwachsenen Heptanchus kann ich nicht widergeben, da mir nie ein ganzes Exemplar vorla« und die in der Literatur vorhandenen Bilder nicht zur Reproduktion verlocken. Daher beschränke ich mich auf eine lineare Skizze des Kopfes und eines ganzen Embryos (Fig. 24 u. 25). Nicht nur die sieben Riemenspalten verleihen dem Kopf ein eigentümliches Gepräge, sondern auch die terminale Stellung der Nasenbecher, die horizontale des grofsen Mundes. Die Nasenbecher haben das weitere Merkmal, dafs sie einen dorsal tief eingreifenden Einschnitt besitzen, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 35 der genau der Zweiteilung des Bulbus olfactorius entspricht. Übereinstimmung und Verschiedenheit im Vergleich zu Scymnus erhellt aus folgenden Zahlen: Scymmus Heptanchus I. 1. Schnauzenspitze bis erste Kiemenspalte . . . . . . . 14 cm 17,5 cm 2. 5 A enstesg Spritzloc hm or 4, 6 „ "u Corneamities mn: Dar On: U. 2. Schnauzenspitze bis Verbindungslinie der Boraealatiitelbunkte 4.0, 60%, Hrg6SAucegine derslänssachseggemessens Bi ee, 4,0, S. Cornealmittelpunkt bis Retinabintergrund . . ...0.2.26 „ 30m 10. Abstand der hinteren Augenwand beider Seiten . . . . 17 „ Dome 11 n 5 n r voml Gehirns een 0A 0,8 , V. 4. Calamus seriptorius bis Recessus neuroporieus. . . onen: Hi6l, 5. Calamus seriptorius bis Vorderrand der Decke des IV. Weir trikels median gemessen . . sch a LER 10). V. 6. Breite der Decke des IV. ontrikels ee Le 1.8 DBreitendeswElinterhiensse re EEE 0:9 527, 1,62, 8 länserdessHinterhiunsi er a 3. 1,4 „ 10. Trochlearisursprung bis Commissura posterior. . . ». . 10 „ 100% KlsBreitesder2Deckesdes II-üVient:ikelser sr nee 0SEr, 0,8 „ 12. Länge „ e a e Ne le |. Ina 132. Commissurar superiorabispVe ums ONE, 0.92% 14. Lamina supraneuroporica . . . en ee RA MERLOND ANZ, 04 „ 15. Recessus neuroporicus bis mereNerepiiren EA RE ra) Ze 200 l — Fig. 25. Heptanchusembryo von 11 cm Länge. Nat. Grölse. Man kann aus diesen Zahlen im allgemeinen eine grofse Ähnlichkeit im Bau des Hirns von Heptanchus und Scymnus entnehmen und die Gehirne stehen sich denn auch insofern nahe, als der Einfluls der grofsen Augen auf die Streckung des Zwischenhirns evident ist; ebenso übrigens auch, dals es hierbei nur auf die Gröfse der Augen im kritischen Stadium der Entwicklung ankommt, da ja bei Heptanchus die Augen im erwachsenen Zustand bedeutender abstehen, als sich rechtfertigen würde, sollte auch dann noch von einem solchen Einflufs die Rede sein können. Und doch zeigt Hr 36 Rud. Burckhardt, bei aller Ähnlichkeit der Proportionen beider Gehirne sich so mancher Unterschied, dals daraufhin sofort eine sichere Diagnose über die Zugehörigkeit des Hirns zu Scymnus oder Heptanchus aufzustellen ist. Im Verhalten der Nervenwurzeln und der Oblongata finden sich nur ganz untergeordnete Differenzen, die zu keinen Bemerkungen Veranlassung geben. Den Nervus terminalis von H. deani habe ich im I. Teil, Fig. 18, abgebildet (im Figurenverzeichnis irrtümlich als Sceymnus bezeichnet). Die ET N Fig. 26a. Fig. 26b. Heptanchus cinereus, Gehirn in dorsaler Ansicht. Gehirn eines Heptanchusembryo von 11 cm Länge. Nat. Grüfse. 2fach vergr. Oblongata (Fig. 26a u. b) weist als Hauptunterschied das Verhalten der Rauten- ohren auf; diese besitzen bei Heptanchus zahlreichere und flachere Windungen, die übrigens auch auf der einen Seite im einzelnen anders verlaufen, als auf der anderen. Der Glossopharyngeus zerfällt in eine ventrale Wurzel und eine laterale aus zwei bis drei Fasern bestehende. Das Hinterhirn unter- scheidet sich durch grölsere Breite und eine sehr spitze orale Kuppe, ist damit dem von Pristiophorus am ähnlichsten. Dadurch aber ist auch das besonders Das Zentral-Nervensystem der Selachier. an grolse Mittelhirn noch mehr entblöfßst als bei Scymnus. An der Decke des III. Ventrikels fällt die Länge des postvelaren Abschnitts auf. Der prä- velare dagegen sowie die Plexus hemisphaerium werden reichlich gefaltet, ersterer nimmt aber insofern keine so bedeutende Entfaltung, als er nicht so weit in die Mediane vordringt. Das Vorderhirn und die Bulbi elfactorii sind massiger als bei Scymnus entwickelt; auch schneidet dementsprechend der Suleus anteromedianus tiefer ein. Da Heptanchus ansehnlichere Gröflse als Scymnus erreicht, differenzieren sich auch im Verlauf der späteren Entwicklung die Tractus olfactorii noch mehr, als sie es schon auf diesem Stadium sind. Auch auf der Ventralfläche sind die bei Seymnus unter- schiedenen Oberflächengebilde des Vorderhirns stärker ausgeprägt, als bei Seymnus. Der Opticus von Heptanchus milst mit 1,3 mm Durchmesser erheblich mehr als an dem gleichgrofsen Scymnushirn mit 1,4 mm. Die s) Fig. 27. Heptanchus cinereus, Medianschnitt durch das Gehirn. Nat. Grölse. Lobi inferiores sind äulserst schwach ausgebildete Körperchen. Zwischen ihnen ragt der kurze, kaum als besonderer Abschnitt differenzierte Lobus terminalis kaum bis zu ihrer Mitte. Die Sacei vasculosi sind kaudal etwas drüsig, damit eher an Scymnus als an die Laemargi anlehnend, oral jedoch mit glatten transparenten nierenförmigen Divertikeln versehen. Zwischen ihnen liest der Lobus medianus, der kaudal in den eigentümlich gelegenen Lobus posterior übergreift. Der Medianschnitt (Fig. 27) macht uns noch mit weiteren Einzelheiten bekannt, die diesem Gehirn eigen sind. Besonderes Licht wirft er auf das Hinterhirn und seine eigentümliche Ausbildung. Die kurze und spitze Form der oralen Hinterhirnkuppe rührt davon her, dafs die Fovea eulminis sehr weit nach vorne verschoben ist, weil die kaudalen Partien viel bedeutender ent- wickelt sind. Das Hinterhirn ist nämlich bereits so gegliedert, wie wir es 38 Rud. Burckhardt, später vorübergehend bei höheren Selachiern trefien, ehe noch weitere (@uerfaltung eintritt, nämlich in einen Vorderlappen, Mittellappen, Hinter- lappen und Unterlappen. Namentlich die kaudalen Teile zeigen eine be- deutende Massenentfaltung. Die Grölse des Mittelhirns tritt auch auf dem Medianschnitt durch relativ beträchtliche Massenentfaltung hervor. Besonders schwach verdickt und in ihrer Massenverteilung anders als bei Seymmus ist die Lamina supraneuroporica entwickelt, die L. infraneuroporica ist da- gegen relativ ähnlich. Am sonderbarsten nimmt sich die Lage des Lobus posterior der Hypophyse aus, der tief unten in die Schädelhöhlenwand ein- gelassen, die Carotiden umgreift, wie schon Mielucho erwähnt. Sehr schwach ist die Verdiekung der Ventrolateralzone in der Haubengegend, so dals kaum bei anderen Formen ein geringeres Differenzierungsstadium derselben erreicht wird. Das Heptanchusgehirn enthält somit eine Kombination von Merkmalen primitiver und sekundärer Art: Von den mit Scymnus nicht übereinstimmenden ist primitiver: 1. der bedeutendere Abstand der Augen vom Gehirn; 2. die schwach entwickelte Lamina supraneuroporica; 3. die weniger stark drüsige Ausbildung des Saccus vasculosus; 4. die Lage des L. posterior im Oarotidenkanal (?); 5. die Kleinheit und Dünnwandigkeit der Lobi inferiores; 6. die Zweiteilung der Nasenbecher; 7. die schwache Entwicklung der oralen Hinterhirnkuppe. Dagegen verrät Heptanchus progressive Merkmale selbständiger Art: 1. die zahlreichen Windungen der Rautenohren; 2. die spezielle Konfiguration und Gliederung des Hinterhirns; 3. die Gröfse der Lobi optici; 4. die Länge des postvelaren Abschnitts; 5. die reiche Entfaltung der Plexus hemisphaerium; 6. die ausgeprägten Tuberkel des Vorderhirns; 7. die gestreckten Tractus olfactori; 8. die grolsen Optici. 2. Hexanchus griseus. Die ersten Beschreibungen und Abbildungen des Hirns von Hexanchus finden sich bei Rolando 1828. Weiterhin wird es von Busch in seinen Beschreibungen herangezogen, doch in geringerem Umfange als andere Selachierhirne. Immerhin bleibt Buschs Abbildung (Taf. III Fig. 5) von Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 39 der Medulla oblongata ein Zeugnis guter Beobachtung, wenn sie auch ziemlich unvollkommen ist. Erst Mielucho hat übrigens unter Verschweigung von Rolandos und Buschs Verdiensten das Hexanchushirn eingehender ge- würdigt und ihm innerhalb der Selachier wie auch dem von Heptanchus eine sehr primitive Stellung angewiesen. Die dünnen Wände, die grofsen Ventrikel, jene Einzelheiten im Bau des Nachhirns, welche sorgfältiger bei Gegenbaur dargestellt sind, die „Striae acusticae“, sowie die allgemeinsten Formverhältnisse sind bei ihm in Abbildung und Text berührt. Geradezu klassisch geworden ist aber die Arbeit Gegenbaurs über die Kopfnerven von Hexanchus, wo uns nicht nur eine Fülle von Einzelangaben über das Gehirn und die Nerven dieser Gattung begegnet, sondern wo die primitive . Fig. 28. Linearer Umrils von Hexanchus griseus nach Bonaparte. Stellung dieses Selachiers einer Erörterung über die Grundfragen des Wirbel- tierkopfes als Unterlage dient. ‘Von da an treffen wir Hexanchus oft in den Kreis anatomischer Betrachtungen gezogen. Mit dem Hirn haben sich in der Folgezeit befalst Goronowitsch und Studnicka, doch ohne neue Tatsachen zu seiner Kenntnis beizubringen, sondern um des Vergleichs willen. Von den Nerven haben gehandelt sämtliche Metamerentheoretiker, ferner Fürbringer bei seiner Schilderung der Oceipitospinalnerven. Hexanchus kommt meist in grolsen Exemplaren zu Fang. A. Dumeril notiert Fänge von 1,4—3,23 m. Er zählt also neben L. borealis zu den ausgesprochenen Riesenformen unter den Paläoselachiern. Unsere lineare Skizze (Fig. 28) entstammt Bonapartes Fischwerk, da ich nie das Tier in toto zu sehen bekam. Auch muls ich bemerken, dafs ich die Mafse der Exemplare, deren Hirn ich untersuchte, nicht angeben kann, aber annehmen 40 Rud. Burckhardt, muls, es seien alles Tiere von etwa 1,5— 2,5 m Länge gewesen. Hexanchus verhält sich im ganzen ähnlich wie 2. borealis in Bezug auf Beschaffenheit des Schädelknorpels, der äulserst transparent ist, auf Verteilung der Organe im Kopfe, auf Geräumigkeit und Form der Schädelhöhle. Ein bedeutender Unterschied besteht jedoch in der Grölse der Augen von Hexanchus (Fig. 29), die dem Tiefseeleben dieser Form entsprechen. Innerhalb des breiten und geräumigen Kopfes scheinen sie jedoch so früh nach der Seite abzurücken, dafs sie ohne Einfluls auf die Gestalt des Gehirns sind. Fig. 29. Hexanchus griseus, Kopf von der Seite. '/» nat. Grölse. Wenn wir das Hirn aulserhalb seiner Umgebung betrachten, so er- scheint es der Gesamtform nach dem von L. borealis sehr ähnlich, insofern es vom Typus der Paläoselachier abweicht. Gleiche Ursachen, gleiche Wirkungen; es genügt also, wenn wir auf diese Übereinstimmung hinweisen und zum Beleg einige Zahlen anführen: L. borealis Hexanchus V. 4. Calamus .scriptorius bis Recessus neuroporieus. . . . . 7,3 em 7,3 cm I RB 7 „ Vorderrand der Decke des IV. Ven- EIKE SS En kl a en En br EU) SE 6. Breite der Decke des IV. Ventrikels . . . . 2.2... 23; 2 TeaBreitenxdesstlinterhirnsg Meter RR er No; 1, 8. Länge „ n set.) aa Hafer ns 2168, ul 10. Trochlearisursprung bis Commissura posterior . . 2... . 0,705, -35, 11. Breite der Decke des IM. Ventrikels . . . . 2... 1,3, 530, 12. Länge „ n na en SAFE ERNORNISZIE HERR 1,68; SE 113.2Commissuransuperior..bis; Melum. . eure. Wer 0,4 „ 0:55, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 41 Die einzigen wesentlichen Differenzen betreffen also das Hinterhirn und das Mittelhirn; die übrigen Proportionen stimmen geradezu erstaunlich überein, wie man es kaum zwischen Arten derselben Gattung schöner trifft. An anatomischen Besonderheiten heben wir zunächst hervor: Die Breite der Rautengrube, sie beruht vorzugsweise mit darauf, dafs die Ventro- @. lateralzonen der Oblongata relativ schwächer bleiben 14 als bei L. borealis. Die Rautenohren sind, im An- n schluß an Heptanchus reichlich gefaltet, ja sie bilden y fast ein krausenartiges Feston (Fig. 30). Das Hinter- hirn ist insofern dem von Heptanchus ähnlich, als N es auch kaudal beträchtlich verdickte Partien besitzt. \ Seine dorsale Gliederung ist indes nicht leicht mit der von Heptanchus in Einklang zu bringen, indem fraglich ist, ob wir, mehr ZL. borealis entsprechend, die Fovea eulminis in der Grube zu suchen haben, die in der Mitte hervortritt, oder in der flacheren, vorderhalb gelegenen. Richtiger scheint mir das erstere, wobei dann eine ansehnliche Differenz in Bezug auf Malse der oralen Vorderhirnkuppe zwischen den beiden Notidanidengattungen besteht, die in dem Verhalten bei den Laemargt insofern kein Analogon findet, als dort gerade die kleinere Form L. rostratus Hexanchus griseus, die gröfsere orale Hinterhirnkuppe besitzt. Die Grölse Gehirn in dorsaler Ansicht. des Mittelhirns steht in augenfälliger Korrelation mit a der der Augen. Die Decke des III. Ventrikels ist der von L. borealis überaus ähnlich ausgebildet. Mit der Bildung der Lamina supraneuroporica wiederholt Hexanchus im grofsen die Verhältnisse von Heptanchus. Der Optieusquer- schnitt ist relativ grols, entsprechend den 3 mm messenden Nerven selbst. Die L. inferiores bleiben klein. Die Hypophyse, deren Lobus posterior ich nicht prä- parierte, da ich neuerdings kein Hexanchusgehirn erhielt, wird wohl ähnlich wie bei Heptanchus in der Schädelbasis eingelassen sein. Relativ schwach ist wie bei Heptanchus auch, die Haube entwickelt. Das Vorderhirn besitzt starke Tuber- eula dorsalia und 'Tractus und Bulbi, die denen von 2. borealis entsprechen. Nova Acta XCIV. Nr.1. 6 42 Rud. Burckhardt, In Fig. 31 und 32 ist die Medulla oblongata unter spezieller Berück- sichtigung des Vagusgebietes und der Wurzeln des Vagus, Abducens und der Spinooceipitalnerven dargestellt, wobei man sich von der Beliebigkeit im Verhalten der Nervenwurzeln überzeugen kann. Fig. 31. Fig. 32. Hexanchus”griseus, Vagusgebiet. Nat. Grülse. Hexanchus griseus, ventrale Ansicht der Medulla oblongata. Nat. Grölse. AR Fig. 33. Hexanchus griseus, Medianschnitt durch das Gehirn. Nat. Grölse. Nachdem nun wiederholt die grobe Anatomie der Olfaetoriusgegend, bei Scymnus auch deren Topographie dargestellt ist, muls an einigen Schnitten von Hexanchus das Strukturdetail einmal festgelest werden. Als Basis ‚hierfür eignet sich am besten ein Ubersichtsbild vom Bulbus olfactorius (Fig. 54) von Hexanchus. Der Schnitt ist so geführt, dafs die Spalte, die Das Zentral- Nervensystem der Selachier. Fig. 34. Hesxanchus griseus, Übersichtsbild vom Bulbus olfactorius. 43 18fach vergr. 44 Rud. Burckhardt, die Bulbi trennt, in voller Ausdehnung sichtbar wird. Der Bulbus selbst ist grölstenteils von Glomeruli gebildet. Zwischen ihm und dem Ventrikel liegen alsdann unregelmälsig zerstreut die Mitralzellen und Zellen einer kleineren Art, die kaum alle dem Stützgerüst angehören (Fig. 35a). Der Fig. 35a. Hexanchus griseus, Glomeruli und Mitralzellen. Oe.2. Obj. DD. Traetus olfactorius ist ein dünnhäutiger, aber nicht membranöser Schlauch, der sich ziemlich scharf gegen den Bulbus absetzt und der an der Oberfläche von einer Bindegewebsscheide überzogen ist (Fig. 35b), an deren unterster Schicht, der Membrana limitans externa anliegend, zahlreiche Blutgefälse verlaufen. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 45 Sehr sonderbar verhält sich seine Stützsubstanz. Sie hat den Charakter von Pilosa, die aber stellenweise zusammengezogen ist zu konvergierenden, sich verflechtenden und nach der Membrana limitans externa wieder aus- strahlenden Zellwirbeln, die mit breiter Basis an der M. li. interna ansetzen. Fig. 35b. Hexanchus griseus, Traetus olfaetorius. Oc. 2. Obj. DD. In den ausgesparten Lücken liegen die längsverlaufenden marklosen Fasern. Aber auch !grolse Ganglienzellen, die zum Teil abgeplattet in der Nähe der M. limitantes liegen, kommen wenigstens in der Nähe der Bulbi olfactorii unregelmälsig zerstreut vor und scheinen noch von den Mitralzellenlagern zu stammen. Fig. 35 c. Hexanchus griseus, Bulbus olfactorius. Oe. 2. Obj. DD. IV. Chlamydoselachus anguineus Garm. Das Hirn von Chlamydoselachus ist ein einziges Mal von Garman beschrieben worden. Mir selbst war es nicht vergönnt, desselben ansichtig zu werden. Ich werde daher Garmans Beschreibung in wörtlicher Über- setzung wiedergeben und mit einigen kritischen Bemerkungen versehen, die unsere Verwertung der Garmanschen Beschreibung rechtfertigen und weiteren Untersuchern einen Fingerzeig geben sollen, wo Ergänzungen er- wünscht wären. „Das Gehirn ist sehr klein. Vergleichsweise ist der Betrag an Vorderhirn geringer als bei höheren Haien, Carcharias, Zygaena u.a. In Umrissen und Proportionen besteht grofse Ähnlichkeit zwischen diesem Hirn und dem der Notidaniden. In beiden Genera dieser Familie ist das Hirn gleichmälsig langgestreckt und die Verteilung der Nerven ist nicht sehr verschieden; die Unterschiede beruhen mehr auf Einzelheiten als auf dem gesamten Bau. Entsprechend der Weichheit der Masse kollabierte das Hirn bei der Entfernung aus dem Schädel und breitete sich so aus, dafs die Zeichnungen um ein Drittel breiter ausgefallen sind, als sie der Natur ent- sprechend sein sollten. Der Erhaltungszustand verbot eine solche Entfernung der Hüllen, wie sie erforderlich gewesen wäre. Der Lobus olfactorius ist kürzer als der von Hexanchus. Der Bulbus olfactorius aber ist bei beiden Gattungen ähnlich gestaltet; er ist eine keulenförmige Verdiekung mit Lobuli, an deren Ende die Nerven entspringen. Die Hemisphären, breiter an ihrem Vorderrande, spitzen sich gegen die Hypophysis hin zu, wie bei 48 Rud. Burckhardt, Hexanchus. \Wie bei letzterem wölben sich die Lobi optiei dorsal und oral- wärts und treten, von oben gesehen, halb hervor. Das Cerebellum ist von mittlerer Grölse, eher glatt an der Oberfläche und nach vorn gerundet und greift zwischen die Corpora rutiformia mit einem stumpfen Ende hinein. Die Längseinsenkungen an seiner Oberfläche rühren zum Teil von der Unebenheit des Ventrikelbodens her, auf dem die dorsalen Wände liegen bleiben. Es sind drei mäßige Quervertiefungen vorhanden. Beim Klein- hirn ist der Betrag an Falten grölser, als bei Hexanchus, den Figuren von Maclay nach zu urteilen. Es dürfte vielleicht seine Figur von einem Jungen Exemplar herrühren und ein erwachsenes grölsere Komplikation auf- weisen. In Maelays Figur von Hexanchus sind die Falten dargestellt durch eine einfache aufwärts gerichtete Linie mit einem Querbalken. Um denselben Schnitt von unserem neuen Hai schematisch herzustellen, hätten wir an die Querbalken jenes T nochmals je ein T zu befestigen. Maclay bildet den Längsschnitt des Cerebellums von einem jungen Mustelus ab, welches eine sehr ähnliche Beschaffenheit zeigt. Ein erwachsener Mustelus, welcher viel komplizierter ist, wird dort auch abgebildet“. „Die Corpora rutiformia sind vergleichsweise großs; sie nähern sich gegenseitig hinter dem Cerebellum, bis sie nur durch einen engen Raum voneinander getrennt sind“. „Die Medulla oblongata ist breit, etwas breiter als bei Notidaniden. Die welligen Erscheinungen am Sinus rhomboidalis, dem vierten Ventrikel, werden hervorgerufen durch Querbänder von Fasern in seinem membranösen Dach“. „Die Nerven des dritten Paares (oculo-motorius) tauchen nahe hinter der Hypophysis von der Unterfläche des Gehirns auf und etwas weiter von der Medianlinie entfernt als die äufseren Ränder der Hypophysis“. „Hinter den Lobi optiei, neben dem Cerebellum sind die Wurzeln des vierten Paares (trochlearis); sie sind sehr klein“. „Nicht weit von der Mittellinie der ventralen Fläche, in der Nähe des vorderen Endes der Medulla sind die Wurzeln des sechsten Paares (abducens)“. Begleitet ist diese Beschreibung von mehreren Abbildungen des Gehirns, die aber nur nach recht mangelhaft konserviertem Material und ohne die nötige Elimination der dadurch entstelienden Zufälligkeiten entworfen sind. Unverständlich bleibt der Verlauf der Facialiswurzel auf die Rautendecke, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 49 ferner jene Linien, durch die die Öffnung dieser Rautendecke hervorgerufen wird, sodann die scheinbare Metamerie der Faseiculi longitudinales posteriores, die vielleicht durch Übertragung aus der Seitenwand des Rautenhirns zu stande gekommen ist. Da das Gesamturteil Garmans über die Anlehnung des Gehirns von Chlamydoselachus an das von Hexanchus richtig bleibt und damit wohl in Bezug auf die Zugehöriskeit der Cladodiden zu den Paläo- selachiern kein Zweifel besteht, halten wir uns nicht länger bei diesem mangelhaft beschriebenen Material auf. 1) Die neuere Literatur über das Nervensystem von O’hlamydoselachus anguineus Gar. findet sich in: T. Goodey: A Contribution to the Skeletal Anatomy of the Frilled Shark, Chlamydoselachus ang. Gar. Proc. Zool. Soe. London 1910. (Helbing.) Noya Acta XCIV. Nr.1. Ü V, Spinacidae. Bevor wir in die Einzelbeschreibungen der hierher gehörenden Formen eintreten, müssen einige orientierende Bemerkungen über die Stellung der Familie im Kreise der Paläoselachier eingeschaltet werden. Dafs die Dorn- haie zu den ältesten Typen des Selachierstammes gehören, daran ändert der wichtigste Familiencharakter, der Besitz je eines Flossenstachels vor den beiden Dorsales nichts. Auch die pulpodentinöse Beschaffenheit der Hartgebilde, die Jaekel als einen sekundären Zustand ansieht, ist jeden- falls nicht so sekundär, dafs daraus im allgemeinen auf eine terminale phylogenetische Stellung zu schliefsen erlaubt wäre. An der nahen Ver- wandtschaft mit den Scymni und Laemargi ist noch nie gezweifelt worden. Die Familie ist heute in relativ vielen Arten und Gattungen vertreten, ja reichlicher als irgend eine andere, die wir unzweifelhaft zu den Paläo- selachiern zählen dürfen. Differenzen tiefer greifender Art gestatten die Zerlegung in mehrere Gattungen; auch die Lebensweise und die physio- logischen Merkmale wechseln vielfach. Doch sind all diese Unterschiede nicht so beschaffen, dafs sie erlaubten, eine gewisse stammesgeschichtliche Reihenfolge aufzustellen und die physiologischen Merkmale sind wiederum zu wenig tiefgreifender Art, um zu genügen, dafs man die Veränderungen der Hirnformen mit ihnen in Beziehung setzte. So fehlen z. B. diesem Stamme nicht Tiefseeformen und aus ihnen lassen sich am ehesten noch Verallgemeinerungen ableiten. Dagegen fehlen Riesenformen, oder solche mit besonders eisenartigen Abweichungen der Kopfform. Andererseits sind kleinere Differenzen der Konfiguration des Hirns da, die auf verschiedenen Faktoren beruhen können, ohne dafs es Zweck hat, alle diese Möglichkeiten zu diskutieren. Rud. Burekhardt, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 5l Die Grenzen sind unserer Schilderung des Spinacidengehirns durch verschiedene Marksteine vorgezeichnet. Einmal fehlen uns zu viele der Tiefseeformen, namentlich auch die Arten der Gattung Centrophorus. Dann auch maximale Exemplare z. B. von Acanthias, Spinax, die bedeutend gröfser werden sollen, als was uns vor Augen kam. Andererseits werden die Spinaciden sich dazu eignen, dafs wir typische Zustände des Selachierhirns in manchem Punkte an ihnen schildern, wie es ja schon im histologischen Abschnitte im Anschluls an Seymnus teilweise geschehen ist und aufserdem in der Anschauung unseres Bildes vom Typus des Selachierhirns vielfach gefestigt werden. l. Centrina Salviani. Centrina nimmt durch mancherlei Merkmale innerhalb der Spinaeiden eine sehr selbständige Stellung ein, insbesondere in bezug auf äufsere Erscheinung (Fig. 36), Ausbildung der Haut, des Bindegewebes und durch DEREN / N > \ DD Be Se er le = Fig. 36. Centrina Salviani, äufsere Körperform. !/, nat. Gr Reduktion der Muskulatur. Doch ist der Kopf allein betrachtet von einem Habitus, der am meisten an Centroscymnus und Verwandte und damit an Scymmus selbst erinnert, und wenn für Centrina ein Anschluß gesucht werden soll, so ist es am ehesten in der Richtung gegen Scymnus, wofür ja auch die Rudimente eines Subkaudalstranges sprechen. Abgebildet oder Tr 52 Rud. Burckhardt, beschrieben ist das Hirn von Centrina bisher noch nicht. Zwischen dem noch nicht ausgetragenen Fötus von 11 cm und den Exemplaren von 80 em, die fast maximal zu nennen sind (Dume&ril notiert 81 em), standen mir verschiedene Altersstufen zur Verfügung. Einige Malsangaben über Oentrina mögen den Vergleich mit Sceymnus erleichtern. Scymnus Centrina 75 cm S0 em Na Schnauzenspitze@bisa0cciputgr nr er !3fcm 9 cm 4. Breite der Schädelhöhle am Austritt der Fila olfactoria . . . 21 „ 2.80% Iza62 Ausezinzder längsachse, gemessene 2 2 2 RE Da ZeAuseninwdersNlertikalachseggemesseny Dr 2 al 8. Cornealmittelpunkt bis Retinahintergrtund . . . 2. 2.....26 „ 20 „ 129 T,abyrinthlingder Längsachseßgemessen. 2. eo 1) 13 Labyıinthein-derAQuerachsessemessenzr 7 En or Io V. 4. Calamus scriptorius bis Recessus neuroporieus . . 2... 51 „ N) 5% Calamussscriptonus. bis, Hinterhirn? ar. rn ne 19 N). 6Breitender@Deckezdesmliv.sVentrikelseer er Eee Ian DaBeitendes@Hinterhiunen a 0 0:82 Salancendes@Hinterhiunsin len nn ee ne ee Se 19 10. Trochlearisursprung bis Commissura posterior . . . ».. 10, 0:02 Breitender, Deckerdes- IIN.Ventrikels. 2 2 oe One 12. Längerder- Decke. des II. Ventrikels . 2 0. near 12 Breiterdes»Bulbuswolfactoriusr ee ice I Bei ähnlicher Grölse der Exemplare von Scymnus und COentrina ist also das Hirn und die Schädelhöhle (Fig. 37), die bis zu bedeutender Größe des Tieres (etwa 40 cm) von ihm fast allseitig ausgefüllt wird, breiter angelegt als bei Scymnus, was bei der Stumpfheit der Schnauze, der relativ geringen Grölse der Augen, der Form des Labyrinths die Verhältnisse von COentrina als normalere und embryonale erscheinen läfst im Vergleich zu Scymnus. Das Hinterhirn von Centrina ist schmäler aber länger, dagegen die Rauten- srube breiter, die Lobi optiei kleiner als bei Scymnus; dagegen ist bei diesem Zwischenhirn und Tractus olfactorius gestreckter, die Masse der Bulbi olfactori und der Tubereula dorsalia kleiner als bei Centrina (Fig. 38 u. 39). Von Besonderheiten dieses Hirns ist hervorzuheben, dafs die Plexus hemisphaerium etwas stärker entwickelt sind (” mm Länge) und bis unter Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 53 Fig. 37. Fig. 38. Centrina Salviani, Kopf in dorsaler Ansicht. Nat. Gr. Oentrina Salviani, Gehirn in dorsaler An- sicht mit angrenzenden Organen. Nat. Gr. Exemplar 81 em. den Rand des Vorderhirns reichen, also an Gröfse die von Scymnus übertreffen und auch die der Notidaniden, Laemargiden und Echinorhiniden. Die Lamina supra- neuroporica ist kürzer und dünner, die Infraneuroporica viel mächtiger als bei Scymnus. Die Tractus olfactorii waren an diesem Exemplar noch markig, doch habe ich sie an anderen auch schon länger gestreckt und häutig angetroffen. Das Unterhirn besitzt einen relativ grolsen Saccus vasculosus. Der Lobus posterior der Hypophyse liegt unter der Sattelkante, die auch bei grolsen Exemplaren noch relativ scharf bleibt, wie denn überhaupt das Schädelinnere nach Entfernung des Hirns durchaus das Negativ des embryonalen Hirns vorstellt. Fig. 39. Centrina Salviani, Gehirn von oben, Orig. in Neapel. 54 xud. Burckhardt, 2. Acanthias vulgaris, blainvilli und mitsukurii. Von dieser Gattung standen mir A. vulgaris, Dlainwilli und mitsulkuwrü zur Verfügung. Abweichungen spezifischer Art konnte ich bei den beiden letztgenannten nicht feststellen und ich begnüge mich daher mit der Fest- stellung dieser Tatsache. Begreiflicherweise ist ein so häufiges Selachiergenus wie Acanthias oft auf sein Gehirn untersucht worden. Schon Busch zitiert mehrere Autoren (Kuhl, Treviranus 1820, Lerres 1824). Er selbst (1848) verflicht die Beobachtungen über Acanthias in seinen Text, gibt aber keine Abbildung. Bis Stannius (1849) kehrt Acanthias unter der Gattungsbezeichnung Spinax - a Fig. 40. Linearer Umrils von Acanthias vulgaris. !/; nat. Gr. wieder. Weitere Gesamtdarstellungen geben F. J. C. Mayer (1864), Miec- lucho-Maclay (1870), Rohon (1878), Fritsch (1878). Einzelteile dieses Hirns beschäftigten Ehlers (1878), Rabl-Rückhard (1880), Lenhosseck (1894), Studnicka (1895), Fürbringer (1897), Locy (1905), Sterzi (1905). So gehört denn das Acanthiashirn mit zu den meist verwendeten unter den Selachierhirnen, was durch die dem Typus des Paläoselachierhirns nahe Stellung desselben von besonderem Wert für die betreffenden Autoren war, da sie ja die anderen Formen nicht kannten. Dennoch erfordert der Zusammenhang unserer Arbeit eine erneute Darstellung, namentlich wegen der nun einmal als richtig erkannten Vergleichspunkte. Unsere Vignette gibt den Dornhai in dorsaler Ansicht wieder (Fig. 40) und zwar nach einem relativ grofsen Exemplar (72 cm) entworfen, das ein Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 99 vollkommen geschlechtsreifes Männchen war. Da es die Vergleichsobjekte bei ihrer annähernd gleichen Gröfse zulassen, dafs wir aus den Mafsen ein besonders klares Übersichtsbild der Proportionen gewinnen, seien hier die Zahlenreihen nebeneinander gestellt: Scymnus Ace. vulgaris 75 cm 72cm I. 1. Schnauzenspitze bis erste Kiemenspale . . . . . . .. 14 cm 13 cm 2. Schnauzenspitze bis Spritzloch . . . . BL SsoBr II. 4. Breite der Schädelhöhle am Austritt der Fila Olfaeloria 2 Some längendermNasenbechenen 0. 0. al 2 leer, Kos III. 4. Entfernung der Nasenbecher voneinander . . ». ....03 „ 24 ,„ 6eAuseningdersbänssachsesgemessen I. 1 nl ae l0 2,80, $. Cornealmittelpunkt bis Retinahintergrund . . . ....2.26 „ N) V. 4. Calamus seriptorius bis Recessus neuroporieus. . ». .. 51 „ 48 „ 52. Galamusgsenptonius@biseHinterhirne.z "urn 2 erg Ikabar. 6BreitegdersRautensrubeges 2 er le2: 1,5 „ TeBreiteldesg@Elnterhienspasen 22 XI DER 10) 7, 8. Länge des Hinterhirns. . . Se na No ah. INS, 10. Trochlearisursprung bis Oak posterior ee RO: 0,985, 1% Breiter der Deckendess II SVentrikelse a 2 es 09 192 Bängerder Decker desulllssVentrikelse re Re 1.2 7 152Commissuras posteniorabisuVe umge re ONE, 0,5 Die hauptsächlichsten Proportionsverschiedenheiten beruhen also darauf, dals die Schnauze verbreitert und deprel[s ist. Insbesondere geht dies aus III. 4. hervor. Weniger bedeutet die seltsame, schräg nach oben gerichtete Stellung der Augen, die, wie auch die optischen Zentren, fast denen von Scymmus gleichkommen (Fig. 41). Die Nasenbecher sind kleiner als bei Scymmus. Sehr ähnlich finden wir auch hier das Mafs V.4. Die Rauten- grube ist kürzer und breiter als bei Scymnus; das Hinterhirn bei Acanthias (vielleicht wegen der reichen Entfaltung der Lorenzinischen Ampullen) länger bei gleicher Breite. Die Decke des III. Ventrikels ist weniger lang als bei Scymnus, besonders der postvelare Abschnitt, an Gestalt davon übrigens ziemlich verschieden. Denn sie ist stark gewölbt, besitzt weit in den Ventrikel vorstehende und gegen die Mündung der 'Tractus olfactorii vordringende Plexus hemisphaerium und einen grolsen Umschlagsrand des prävelaren Abschnittes. Dem entspricht auch der Rand der Öffnung, dessen 56 Rud. Burckhardt, Vorderschenkel sehr kurz und mit ausgeprägter Randfurche versehen ist. Die Einzelheiten gehen aus Fig. 42 hervor. Fig. 41. Fig. 42. Acanthias vulgaris, Kopf in dorsaler Ansicht. Acanthias vulgaris, halbierte Decke des Nat. Gr. dritten Ventrikels. 6fach vergr. Fig. 42a. Acanthias vulgaris, Medianschnitt eines nahezu ausgetragenen Embryos. A4fach vergr. Am meisten weicht das Vorderhirn vom typischen Verhalten ab. Die Tubercula dorsalia sind wohl ausgebildet aber [getrennt, infolgedessen die L. supraneuroporica nicht besonders verdickt. Die oralen Wöülbungen Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 57 sind ebenfalls sehr stark, dagegen die Tractus olfactorii von früher Zeit an gestreckt und weit divergierend. Schon bei der Geburt hat die Kon- figuration des Vorderhirns (Fig. 42a u. b), einen Zustand erreicht, wie er Centrina zeitlebens eigen ist. Dann beginnt schon sehr früh die scharfe Trennung der Bulbi olfactorii und deren Verdünnung, welche bei Acanthias früher weit geht, als bei entsprechend grolsen Exemplaren anderer Paläoselachier. Alles in allem hat das Acanthiashirn seine stärkste Differenzierung im Bereich des Vorderhirns erfahren, die sich besonders in den rasch wechselnden Wandverdickungen geltend macht. Die Eigentümlichkeiten der Decke des III. Ventrikels sind wohl als Anpassungserschein- ungen an die Veränderungen des Vorderhirns zu N deuten. Von der Commissura posterior an ist, Fig. a aulser der etwas bedeutenderen Länge des Hinter- ucanthias vulgaris, Gehirn in dor- hirns und der Eigenart des kaudalen Abschnittes saler Ansicht. Nat. Gr. seiner Dorsolateralzone, ferner der Einfachheit des Saccus vasculosus wenig von Scymnus unterscheidendes vorhanden. 3. Spinax niger und lucifer. Die Gattung stand mir in zwei Arten zur Verfügung, Sp. niger, der gewöhnlichen und Sp. lucifer, einer seltenen des Pacific. Doch differieren die Formen nicht so bedeutend, dafs sie nicht gemeinsam behandelt werden könnten. Das Hirn von Spinax niger hat zuerst Mielucho (1870) abgebildet und in drei Zeilen beschrieben. Aufserdem hat an ihm Rabl-Rückhard nachgewiesen, dals der Recessus neuroporicus noch im spätembryonalen Leben besteht. Beiläufig sei erwähnt, dals an Spinax die vortrefflichen Arbeiten von W. Minkert (1901) und W. Klinkhardt (1905) entstanden sind, die indes mehr in der Richtung der Embryologie der Sinnesorgane liegen. Nova Acta XCIV. Nr.1. 8 58 Rud. Burckhardt, Hier mag mir ein Exkurs über das Äufsere von Spinax niger ge- stattet sein, da ich in der Lage bin, auf Grund einer eigenen Skizze die Farben des Tieres festzustellen, die zum mindesten in allen Abbildungen fehlen (Abb. 43). Im Frühjahr 1898 konnte mir nämlich Herr Dr. S. Lobianco ein halbes Dutzend lebender Exemplare zur Verfügung stellen, welche abends eingebracht, am Morgen noch lebten. Zu meiner grofsen Überraschung war das Tier nicht, wie allgemein angegeben wird, grau mit schwarzer Unterseite. Vielmehr ist die Dorsalseite beim Lebenden etwa sepiabraun, sämtliche Flossen heller, nur der obere Lappen der Caudalis gegen sein Ende wiederum dunkelbraun. Die Unterseite des Kopfes zwischen Schnauzen- spitze und Mundwinkel, unterhalb der Kiemen zwischen Brust- und Bauch- flossen, sowie ein langgezogener x-förmiger Streif hinter dem Anus und Fig. 43. Spinax niger, linearer Umrils. '/, nat. Gr. zwei isolierte Längsflecken davon sind schwarz. Auf diesem dumpfen Unter- grund erglänzt ein Spiel metallischer Farben, das kaum reicher gedacht werden kann. Hinter dem Spritzloch beginnt ein metallglänzendes Feld, das bis über Fingersbreite anschwellend violett, rot, gelb, grün schillert und sich bis zum Schwanz mit Unterbrechung durch die oben genannten schwarzen Felder hinzieht. Die schwarze Unterseite dagegen leuchtet in srünlichweilsem Schimmer so hell, dafs es sogar am Tage sichtbar war. Dieses Leuchten beobachtete ich, ohne zu wissen, dafs es noch unbekannt sei, am 11. März 1898 in Neapel. Im folgenden Jahre erschien die Arbeit von Johann,') worin die Leuchtorgane beschrieben sind und eine Notiz 1) L. Johann, Ueber eigenthümliche epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 66. 1899. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 59 von Th. Beer enthalten ist, der das Leuchten als eine neue Erscheinung bei Spinax erkannt hat. Der Kopf von Spinax (Fig. 44a) ist im ganzen sehr deprefs, voll- kommen von den zahlreichen Lorenzinischen Ampullen, den grolsen Nasen- Fig. 44a. Spinax niger, Kopf und Seitenlinie in nat. Gr. bechern und Augen beherrscht, die winzige Masse der Kiefermuskeln spielt daneben gar keine Rolle. In der weichen Masse des Kopfes, dessen Knorpel auch besonders zart sind, dominiert das Hirn und erfährt von den übrigen Organen nur insofern eine Einwirkung, als die weit vorgeschobenen Nasenbecher die Tractus olfactorii aus- ziehen. Man sieht, wie also auch die Sinnesorgane stark entfaltet sein und doch wenig Einfluls auf die Hirnform ausüben können, wenn anders sie selbst nicht durch Körperform, Muskulatur und Mechanik der Stütz- substanzen des Kopfes beeinflulst sind. Die Messungen ergeben für Spinax lucıfer (Fig. 44b), dafs diese schlankere Tiefseeform nur wenig abweicht. Bei spitzerer Schnauze sind die Nasenbecher entsprechend mehr so gestellt, dafs ihre Längsachse Fig. 44b. Spinax lucifer, Gehirn in dorsaler Ansicht. 11/, nat. Gr. der Schnauzenwand parallel kommt, die Bulbi olfactorii mehr genähert und das Vorderhirn von g* 60 Rud. Burckhardt, der Seite her etwas mehr zusammengedrückt ist. Obschon die Augen mit der Retinawand gegenseitig sich etwas mehr nähern, findet aulser der ge- nannten Kompression keine Veränderung der vorderen Hirnregionen im Ver- gleich zu Sp. niger statt. Der Situs des Hirns ist von dem von Acanthias so unwesentlich verschieden, dafs ich darauf verzichte, ihn wiederzugeben. An Hand von Fig. 45 und 46 mag die allgemeine Ähnlichkeit dieses Hirns mit dem von N n a R « ww w ws / % ag / \ \ / Fig. 45. Fig. 46. Spinax niger, Gehirn in dorsaler Ansicht. Spinax niger, Gehirn von der Seite. 2fach vergr. 3fach vergr. Acanthias betont sein, wie denn auch der Medianschnitt zum Verwechseln ähnlich ist (Fig. 47). Die spezielle Konfiguration der Oblongata und des Hinterhirns von Spinax habe ich früher theoretischen Erörterungen über das Kleinhirn der Fische‘) zugrunde gelegt. An der Decke des III. Ventrikels habe ich zu konstatieren, dals die Plexus hemisphaerium etwas weiter herab- 1) Archiv für Anat. u. Physiol. 1897. Suppl. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 61 reichen als bei Acanthias. Im ganzen ist entsprechend der bedeutenderen Größse der Augen (III. 6: 1,4, III.7: 1,2, III. 8: 1,1, Optieus 0,8) das Mittel- hirn auch voluminös, aber mit einer für Acanthias sowohl wie Spinax auf- fallend wenig dieken Dorsomedianzone versehen. Bei Scymnus haben wir die Arterien des Gehirns ausführlicher und die Venen kurz behandelt. Spinax bietet uns zur Bestätigung der an Scymnus gemachten Beobachtungen und zu deren Erweiterung gute Gelegenheit. Denn es gelang mir, vollkommene Injektion herzustellen und die Injektions- präparate so zu photographieren, dafs durch blofse Ausführung der Photo- graphie die in unserer Tafel Nr. I wiedergegebenen Bilder erhalten wurden, die den gesamten Kreislauf des Hirns wiedergeben. OD Fig. 47. Spinax niger, Medianschnitt durch das Gehirn. 31/,fach vergr. 4. Centroscymnus coelolepis Boc. und Cap. Vom Hirn der Gattung Centroscymnus (Fig. 48 u. 49) existiert eine einzige Beschreibung, die sich, da eine Abbildung fehlt, kaum beurteilen läfst. Namentlich ist aus ihr nicht ersichtlich, in welcher Weise dieses Gehirn sich von demjenigen von Centrophorus unterscheiden soll, da der Autor einerseits das Centroscymnushirn mit dem von Acanthias ver- gleicht, um zu dem Schlusse zu kommen, es sei von ihm verschieden, Fig. 48. Centroscymnus coelolepis, äulsere Körperform, nach Vaillant. 62 Rud. Burekhardt, wogegen er andererseits die Art Centroscymnus obscurus als Übergangsform der Gattung Centroseymnus zur Gattung COentrophorus beurteilt. Da hätte es doch näher gelegen, auch das Hirn von Centroscymnus coelolepis mit dem eines Vertreters der Gattung Centrophorus zu vergleichen, wobei sich wahr- seheinlich völlige Übeinstimmung ergeben hätte. Ohne jedoch auf die Diskussion dieser syste- matischen Frage erst einzugehen, da es mir an eigener Anschauung fehlt, will ich also die Beschreibung Vaillants in wörtlicher Über- setzung der Vollständigkeit halber hierher setzen. „Das Hirn in seiner Gesamtheit ist be- merkenswert durch seine gestreckte Gestalt. Das Vorderhirn bildet eine dreiseitige Pyramide, deren Basis vorn liegt und deren Seiten am Rande zweilappig sind. Es zeigt auf seiner Mitte zwei Erhebungen, welche die vordere Begrenzung einer länglichen Öffnung bilden, durch die man einen Einblick in die Ventrikel erhält. Die vorderen äufseren Winkel tragen zwei Olfactoriusstiele, welche an dem unter- suchten Exemplar mindestens 20 mm lang waren. Fig. 49. 5 .... Am Mesencephalon läfst sich als Homologon Centroscymnus coelolepis, Gehirn in = dorsaler Ansicht. /, nat. Größse. des Zwischenhirns ein zylindrischer Stiel be- a trachten, der durch eine Längsfurche in zwei Hälften zerlegt wird und etwa 10 mm Länge milst. Die ovoiden Lobi optiei differieren nicht merklich von denen der verwandten Genera. Das Kleinhirn von elliptischer Form weist eine mediane Längsfurche auf, die nicht bis zu den Enden durchgreift und ihm das Aussehen eines gespaltenen Brotes gibt. Das verlängerte Mark und seine vorderen Lamellen bieten nichts erwähnens- wertes dar“. „Vergleichen wir dieses Organ mit demselben bei Acanthias, einer dieser von allen Zoologen nahe gestellten Gattung, so frappieren uns die Unter- schiede des Vorderhirns, die Länge der Olfactoriusteile und des Zwischenhirns, Verhältnisse, die die oben erwähnte gestreckte Gestalt des Gehirns hervorrufen“. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 63 5. Centrophorus granulosus, Das Hirn von Centrophorus findet sich einmal erwähnt bei Busch, wo er die Selachier aufzählt, bei denen die Rautenohren einfach sind. Fernerhin finde ich bei Mielucho-Maclay die Abbildung eines Gehirns, das er einer für ihn unbestimmbaren Acanthras- spezies zuschreibt und über dessen Zugehörigkeit zu Centrophorus wohl kaum ein Zweifel ist. Es wäre doch auffallend gewesen, wenn Oentrophorus, der im Mittelmeer gar nicht sehr selten ist, während seines Aufenthaltes auf den Kanaren dort nicht in seine Hände gekommen wäre und es bleibt noch sonderbar genug, dafs ihm die- selbe Gattung nie in Messina auffiel. Wir gehen also wohl nicht irre in der Voraussetzung, dafs hier eine solche Verwechslung obwalte. Als Merkmale, durch die sich diese „Art“ von Acanthias vulgaris unterscheide, gibt Miclucho an die längeren dünneren Tractus olfaetorii und reichere Faltung am vorderen Teil der Rauten- ohren. Sonst wird das Oentrophorushirn nirgends mehr erwähnt, aufser bei Fürbringer, der ihm drei Spinooceipitalnerven zuschreibt (Fig. 50 u. 51). Das Gehirn liegt blofs ventral dem Schädel an, dorsal ist es durch Bindegewebe und Lymph- räume von ihm getrennt. Der Bulbus olfaetorius scheint äufserlich aus zwei Kugeln zu bestehen. Die Spitze des dritten Ventrikels mit seiner kuppen ırtig aufgetriebenen Decke ragt weit nach vorn. Der Lobus inferior bleibt relativ klein, Fig. 50. Centrophorus granulosus, Gehirn in dorsaler Ansicht. Nat. Grölse. ebenso das Mittelhirn, das von seiner Umgebung nur wenig abgesetzt er- scheint. Das Kleinhirn zeigt spinacide und notidanide Eigenschaften. Die Rautenohren sind mehrfach gewellt. 64 Rud. Burckhardt, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. Das Arteriensystem gleicht im ganzen dem von Laemargus und Seymnus. Die Spinalis impar nähert sich der Unpaarigkeit in sehr hohem Grade, nur auf kurze Strecken nehmen die beidseitigen Arterien geringen Abstand von- einander, so im Bereich des Vagus. OT, Fig. 51. Centrophorus granulosus, Medianschnitt durch das Gehirn. 1!/, fach vergr. VI. Pristiophorus japonieus. Müller und Henle haben Pristiophorus zu der Familie der Scymnen gezählt, zu der sie neben Scymnus auch Echinorhinus und Isistius rechneten. A. Dume£ril hat die Gattung aus jener Familie herausgenommen und zu einer besonderen Familie erhoben. Jaekel hat die Familie Spinacıdae im Sinne A. Günthers akzeptiert und Pristiophorus als Gattung dazu gerechnet, damit hat er, auch weil er den Bau von Pristiophorus mit dem der Scymnen gar nicht vergleicht, ihnen nur wiederum eine weniger präzis umschriebene Stellung angewiesen. als dies Müller und Henle getan haben. Insofern er damit die von Hasse vertretene Auffassung bekämpft, wonach Pristio- phorus mit Squatina und in weiterem Zusammenhange mit den T’rygoniden und Rajiden verwandt sein sollte, behält er freilich recht, jedoch nur in diesem untergeordneten Punkte. Ganz unbegreiflich ist die Stellung, die Th. Gill Pristiophorus am Ende der Lamnidenreihe hinter den Rhinodontidae anweist. Dieses Schwanken der Meinung zeigt nur zu deutlich, wie wenig bisher für eine genauere Untersuchung der Sache selbst getan worden ist. Jaekels gelegentliche anatomisch gewonnene Erfahrungen liefsen eine durchgreifende Bearbeitung von Pristiophorus angezeigt erscheinen, unter sorgfältiger Vergleichung aller Organe von Pristiophorus und den nächst- stehenden Haien. Eine solche fehlt. Ebenso ist auch bisher das Gehirn von Pristiophorus noch nicht beschrieben worden. Für die Herkunft der beiden Exemplare des Pristiophorusgehirns verweise ich auf die Einleitung (I. Teil. Das eine Gehirn D (welches mir Herr Professor Döderlein überlie[fs) war wohl nicht in sehr frischem Zustande zur Konservierung gelangt und daher etwas käsig verhärtet, das andere Gehirn 5 (dem von Nova Acta XCIV. KNr.l. 9 66 Rud. Burekhardt, A. von Bunge erbeuteten Exemplar entstammend) war besser erhalten, an der Basis jedoch brüchig und daher nicht tadellos. Die allgemeine Körperform von Pristiophorus (Fig. 52) steht inner- halb der Selachier, ja der Fische vollkommen isoliert da. Denn bei aller äulserer Ähnlichkeit mit Pristis sind doch tiefgreifende Unterschiede da, auf die genugsam hingewiesen ist. Man würde erwarten, dafs die seltsame Gestaltung des Kopfes nicht ohne Einfluls auf den Bau des Gehirns sei. Dies ist jedoch, wie ich vorweg nehmen will, nicht der Fall. Von den rn (VG RE Lists ©. EU RRU7 Fig. 52. Pristiophorus japonicus von 70 cm Länge, äufsere Körperform. !/, nat. Gr. Kopforganen, die wir bisher so oft von Einflufs auf Bau und Entwicklung des Gehirns kennen lernten, sind es nur die Nasenbecher, die bei der Rostralbildung in Mitleidenschaft gezogen werden. Sie sind dorsoventral stark abgeplattet und ihre Längswand verläuft dorsal in fast genau trans- versaler Richtung, wogegen die geringe Anzahl der Septen, etwa zwölf, senkrecht dazu gestellt sind. Eigentümlich ist auch die Art, wie die Fila olfactoria sich an ihnen ausbreiten, ein Verhalten, das aus unserer Fig. 53 ohne weiteres verständlich ist. Die übrige Konstellation und Beschaffenheit der Organe gibt keinen Anlals zu besonderer Diskussion. Die Schädelhöhle Das Zentral-Nervensystem der Selachier. Fig. 53. Pristiophorus japonicus, Ausbreitung der Fila olfaetoria beim Gehirn in dorsaler Ansicht. 2 fach vergr. g%* 68 Rud. Burckhardt, ist in beiden Exemplaren die des embryonalen Paläoselachierhirns. Bei dem Exemplar B (Fig. 54 u. 55), welches mit 70 cm Länge bei weitem das kleinere war, wird sie vom Hirn fast ausgefüllt. Nicht so bei dem gröfseren Exemplar D. Aus der Vergleichung beider geht hervor, dafs die Schädel- Fig. 54. Pristiophorus, Exemplar B, Gehirn in dorsaler Ansicht. 2fach vergr. höhle eine etwas stärkere Längsstreckung erfährt, als bei anderen Paläo- selachiern, wie denn auch die Präfrontallücke durch die Streckung des xostrums in Mitleidenschaft gezogen ist. Das Gehirn selbst ist ein typisches Paläoselachierhirn. Die Differenz zwischen unseren beiden Exemplaren, namentlich die Streckung der Tractus Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 69 olfactorii deutet darauf hin, dafs bei noch gröfseren — und Pristiophorus erreicht gegen 2 m soweit mir bekannt ist — diese Streckung sowohl der Traetus olfactorii wie des ganzen Gehirns noch weiter durchgeführt sein Fig. 55. Fig. 57. Pristiophorus, Exemplar B, Gehirn in dorsaler Pristiophorus japonicus, Exemplar D, Gehirn in Ansicht. 2fach nat. Gr. dorsaler Ansicht. 2fach vergr. Fig. 56. Pristiophorus, Exemplar 5, Medianschnitt des Gehirns. 3 fach vergr. mag, als an Exemplar D. Weitere Besonderheiten als die aus unserer Figur erkennbaren, liefsen sich indes an diesem Exemplar nicht feststellen. Dagegen lies sich am Exemplar 5 ein Medianschnitt (Fig. 56) anfertigen und das Detail der Decke des III. Ventrikels studieren. Als Besonderheiten 70 Rud. Burckhardt, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. imponieren die relativ starke Rautenlippe, die Verdiekung der Dorsolateral- zone des Hinterhirns bis zur kaudalen Kuppe, die Schmächtigkeit derselben auf ihrem weiteren Verlauf, das relativ grofse Mittelhirn, das von der ent- sprechend der schmalen Dorsolateralzone auch spitzen oralen Hinterhirn- kuppe nur wenig bedeckt wird, gut ausgeprägte Tubercula dorsalia, endlich ein starker Optieusquerschnitt und ein dieker und gebogener Boden der Oblongata. Die meisten dieser Merkmale, sowie das Fehlen einer Fovea culminis verleihen dem Hirn einen relativ embryonalen Charakter. Wenn man das Verhalten des Vorderhirns (Fig. 57) in bezug auf Streckung seiner Teile mit dem von Sceymnus vergleicht, so fällt es zwischen die Stadien C und D unserer Fig. 59 (I. Teil), entspricht also in dieser Hinsicht ziemlich genau den entsprechend grolsen Scymnt. So wenig Veranlassung zu besonderer Beschreibung seiner Einzel- heiten dieses Hirn also gibt, so ist die Tatsache, dafs es die typischen Erscheinungen des Scymnus- und Laemargusgehirns wiederholt, von grolser Bedeutung. Denn es wird nicht nur dadurch ein weiteres, an einem der wichtigsten Organe gewonnenes Merkmal denen der äufseren Form und des Skelets beigefügt, sondern durch diesen Fall auch die Bedeutung des Hirns und seiner Einzelheiten für die systematisch festgestellte Verwandtschaft dokumentiert. VII. Echinorhinus spinosus. Die Familie der Echinorhinidae repräsentiert eine einzige Art Echinorhinus spinosus von sehr isolierter Stellung und eigentümlichen Merk- malen der äufseren Erscheinung. Da ich den Fisch selbst nie in frischem Zustande gesehen habe, kann ich keine eigene Skizze seiner äulseren Form geben, sondern verwende eine solche von A. Öosta') um den Kontur dar- zustellen (Fig. 58), während die sonderbare Beschaffenheit der Hautbezahnung aus unserer Fig. 59 hinreichend klar wird. Die Gröfse der Exemplare, deren Hirn ich untersucht habe, schwankt zwischen 1,2 und etwa 2m und da das Hirn bei allen keine wesentlichen Differenzen zeigte, bleibt nur der ‚Wunsch nach kleinen Exemplaren, womöglich fötalen, unbefriedigt. Während ich über die spezielle Verwandtschaft von Echinorhinus mich zu äufsern keine Anhaltspunkte habe, nehme ich mit Helbing an, dals Echinorhinus zu Hexanchus und Laemargus borealis eine physiologische Parallele bildet und eine sekundär mit erweichtem Knorpel versehene Riesenform — wird sie doch über 3m lang — sei, die sich im allgemeinen den Laemargiden und Notidaniden auch verwandtschaftlich nicht blofs durch Konvergenz anschlielsen dürfte. Die äußere Form des Kopfes von Echinorhinus ist so auffallend, daß man einen abgeschnittenen Kopf allein auf den ersten Blick für den eines Rochens zu halten geneigt ist, so sehr ist die Schnauze deprefs und wenig der eines spindelförmigen Haies ähnlich. Die Mafse des Kopfes drücken dies auch deutlich aus: Scymnus Echinorhinus a0 BreitendeseKopfesgamg Oceıpuispr 9:ORem ll cm Bisgrichendese KopfesBam@Qceip nur Ber DAR 1) Fauna del Regno di Napoli Pesci. Parte III. 72 ‘280, 'y yowu wIonedINy F1aspnr ‘snsounds snunysounpz "Sg "ad Rud. Burckhardt, Was den Kopf von Echinorhinus be- sonders auszeichnet, sind einmal die rie- sigen Massen eines glasartigen, wässerigen Knorpels, dessen Grenzen gegen Binde- gewebsschwarten von viel soliderer Kon- sistenz vielfach verschwimmen, wie solche namentlich im Rostrum als Matrix für die zahlreichen Lorenzinischen Ampullen dienen. Aufserdem imponieren die ge- waltigen Lymphräume, so liegt der Aug- apfel in einer Orbita, deren Lymphräume das dreifache Volumen des Augapfels bequem aufnehmen könnten (Fig. 59). Ebenso ist auch das knorpelige Labyrinth sehr geräumig und die Schädelhöhle würde wohl bei einem grölseren Exemplar als dem abgebildeten das zwanzigfache Volumen des Hirns aufzunehmen imstande. sein. Es ist hier nicht der Ort, die wundersamen Bildungen des Echtinorhinus- schädels eingehender darzustellen. Speziell die Rostralpartie ist sehr eigenartig ge- staltet und besitzt eine grolse ovale, mit lockerem Bindegewebe ausgefüllte Prä- frontallücke. Die Foramina praefrontalia inferiora fallen mit dem Kanal für die Verbindung der Nasenbecher und des Vorderhirns zusammen, ein völlig eigen- artiges Verhalten. Dadurch entsteht eine querovale Öffnung, durch die ein Finger hindurchgesteckt werden kann. Im Ab- stand von 12 mm bei den kleinen, von 20 mm bei den grölseren unserer Exem- plare verläuft ein membranöses quer 73 ier. ystem der Selach S Das Zentral-Nerven 59. g. icht, das ( Nat. Gr. st bis über die Mediane freigelegt. sehirn i Echinorhinus spinosus, Kopf in dorsaler Ans 10 Nova Acta XCIV. Nr.l. 74 Rud. Burckhardt, vertikal gestelltes Septum, das die Präfrontallücke vom Präcerebralraum abtrennt. Die Nasenbecher sind an einem etwa 2 m langen Exemplar mit 4,2 cm maximaler Länge kleiner als bei den Laemargi, dagegen besitzen sie zahl- reiche Lamellen, auf der Oberseite allein etwa 20. Die Augen sind im Vergleich zum Gehirn mit einem Durchmesser von 4,8 cm und einer Tiefe von 4cm relativ grols und stehen den Nasenbechern relativ nahe. Soll man das Innere der Schädelhöhle charakterisieren, so erinnert es im ganzen an das.von L. borealis, aber mit verschiedenen Unterschieden. Alle Gruben sind äufserst seicht, die Kämme abgeflacht, insbesondere auch der Sattel- kamm. Oral fällt am meisten auf, dafs besondere Gruben, die den Bulbi olfactorii des embryonalen Hirns entsprechen würden, geradezu fehlen oder wenigstens viel schwächer entwickelt sind, als am Schädelraum von L. borealis. Das Hirn von Echinorhinus ist ein einziges Mal beschrieben und ab- gebildet worden und zwar von Jackson und Olarke') auf Grund zweier Exemplare, welche im Jahr 1875 auf die Anatomie von Oxford gekommen sind. Das Hauptgewicht haben freilich die Autoren bei ihrer Untersuchung nicht auf das Gehirn gelegt, sondern auf die periphere Ausbreitung der Nervenäste Auch lag ihnen ja viel zu spärliches Vergleichsmaterial für das Hirn vor und eine Zergliederung desselben wurde wohl aus museologischen Gründen nicht gestattet. Die wichtigsten Resultate sind aufser einer erst- maligen Abbildung und sehr kurzer Beschreibung, dafs sie das Hirn zum „ersten Typus“ von Miclucho-Maclay zählen; dafs sie auf eine nahe Verwandtschaft mit Hexanchus schliefsen, allerdings vorwiegend auf Grund des Irrtums, dafs sie die Fila olfactoria für den Traetus olfactorius nehmen. Sie heben ferner die Dünnheit der Ventrikelwände, die Gröfse der Ventrikel- decke, die Einfachheit des Kleinhirns, die Länge der Medulla oblongata hervor, um daraus auf die primitive Stellung dieses Gehirns zu schlielsen. Die Verhältnisse zwischen Hirn und Schädelhöhle anlangend, so ist bereits auf die relative Kleinheit des Hirns verwiesen worden. Bei zu- nehmender Körpergröfse bleibt es auch fast vollkommen gleich (Fig. 60), 1) H. Jackson and B. Clarke, The brain and cranial nerves of Echinorhinus spinosus. Journ. Anat. and Physiol. Bd. 10. 1876. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. Fig. 60. Echinorhinus spinosus, Gehirn von oben in der sehr geräumigen Schädelhöhle. Nat. Gröfse. 10* 75 76 tud. Burckhardt, da ja auch die Hauptfolge des Grölsenwachstums, die wir bei den bisherigen Formen festzustellen hatten, Streekung des T'raetus olfaetorius, infolge des Baues dieses Gehirns wegfällt. So bleibt sich denn auch das Mails V.4. Calamus seriptorius bis Recessus neuroporicus 5,6 cm gleich, ob wir am Exemplar von 1,2 m oder an dem von 2 m messen. Betrachtet man das Hirn in situ, so erscheint es aufserordentlich „schematisch“, schon weil die Nerven, die bei niederen Wirbeltieren mit denen bei höheren zu homologisieren man für eine besonders wichtige Aufgabe der Neurologie hält, so schön deutlich ausgespannt sind und das Hirn in dem grofsen Raum schweben lassen. In Wirklichkeit wissen wir aber nach der Vergleichung der Laemargi unter sich, dafs diese Streckung der Nerven und die Suspension zwischen ihnen ein spezialisierter Zustand ist, dessen Augenfälligkeit schon seine Primitivität widerlegt; ja hier bei Echinorhinus gedeiht er noch weiter, als dort, da die Fixation der Bulbi olfactorii an der Membran, die die Schädelhöhle von der Nasenkapsel trennt, wegfällt. Das Gehirn wird gewisser- malsen von der Tendenz seines Trägers zum Riesenwuchs frei gemacht. Was zunächst die Nerven betrifft, so würde hier Gelegenheit sein, all das bei den ZLaemargi über Verschmelzung, Asymmetrie von Wurzeln, Verhalten derselben zum Bindegewebe, Dicke, erwähnte, zu bekräftigen. In seinen wichtigsten Proportionen und Formen zeigt das Gehirn wenig Abweichungen vom Typus. Die Gestalt der Rautenlippe erinnert an die von L. rostratus, mit dem Unterschied, dafs der letzte Wulst des Rautenohres unter der kaudalen Kuppe des Hinterhirns verschwindet. Dieses selbst ist mit 1,5 cm Länge dem von Scymnus näher, als dem von ZL. rostratus, ebenso in der Form. Daher bedeckt es auch das Mittelhirn nur sehr wenig, d.h. etwa zur Hälfte. Die Fovea culminis ist schwach entwickelt. Ent- sprechend der Grölse der Augen kommt auch im Verhältnis V. 10. Trochlearisursprung bis Commissura posterior 0,9 cm die bedeutendere Entwicklung des Mittelhirns zur Geltung. Die Decke des III. Ventrikels unterscheidet sich kaum von der von L. rostratus. Das Vorderhirn zeigt das eigentümlichste Verhalten, das bei einem ausgewachsenen Paläoselachier zu konstatieren ist. Die Bulbi olfactorüi Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 77 bleiben nämlich zeitlebens sitzend und es kommt nie zur Streckung und Wandverdünnung in den Tractus olfactori. Wie sich in diesem Punkte ganz grolse Exemplare verhalten mögen, kann ich allerdings nicht sagen. Dagegen muls konstatiert werden, dafs die Fila olfactoria, wenn wir bei einem Exemplar von 1,20 m messen 3,2 cm, wenn wir bei einem solchen von 2m messen 5 cm betragen, folglich im späteren Leben eine beständige Streckung erfahren. Am besten orientiert über diese Gegend ein Schnitt, der horizontal mit etwas Neigung nach oben lateral gelest ist. Ich habe dabei die einzelnen marklosen Nervenfasern nicht eingetragen, sondern blofs die Nervenbündel in ihren grofsen Massen. Man sieht, dafs die beiden ursprünglich getrennten Teile der Fila schon so nahe beim Gehirn völlig miteinander verwoben sind, immerhin so, dafs noch die ur- sprüngliche Zweiteilung zu erkennen ist. Einzelne Zellen des Endoneuriums sind das einzige, was sich an Elementen erkennen lälst; dagegen fehlen alle Ganglienzellen auf zahlreichen untersuchten Schnitten vollständig. Dieses Bild wird ergänzt durch Schnitte, mit Hilfe deren ich den Ursprung der Fila olfactoria und gleichzeitig den Bau des Vorderhirns darzustellen versuchte (Fig. 61 u. 62). Die Schnittrichtung verläuft von schräg kaudal- rostral, dorsal-ventral, lateral-medial und war durch die Beschaffenheit und Stellung des Lobus olfactorius gegeben. Die Fila olfactoria treten zunächst, parallel gerichtet und in zwei längsverlaufende Bündel zusammengefalst, von lateral vorne gegen das Hirn. Dann erfahren sie eine mälsige Ein- schnürung, jedes Bündel für sich, wodurch sie voneinander an ihrer engsten Stelle ziemlich in Abstand geraten. Der nun folgende, äußerlich dreieckig taschenförmig erscheinende Körper, den man auf makroskopische Betrachtung hin als Lobus olfactorius aufzufassen geneigt wäre, setzt sich aus drei hintereinander gelegenen Schichten zusammen. Peripher verlaufen, sich vielfach und unregelmäfsig durchflechtend die Fila olfactoria; sie bilden also immer noch den Hauptbestandteil dieser Hirnpartie; dann folgt die Schicht der Glomeruli olfactorii, welche gewissermalsen eine Kappe bildet, die den dritten Abschnitt überzieht. Dieser sitzt knopfförmig dem Vorder- hirn an und ist von ihm nur durch eine medial, dorso-ventral verlaufende Furche getrennt. Ein eigentlicher Tracetus olfactorius fehlt. Histologisch ist dieser dritte Abschnitt charakterisiert als dichte Diffusa, welche neben EMS D: "enliin ar ehe 2 zug nf R re = Hm 8 En De ng ws 0 22 SE TS ” a Echinorhinus spinosus, Sagitalschnitt durch das Vorderhirn. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 79 kleinen Ganglienzellen auch die noch deutlich erkennbaren Mitralzellen beherbergt. Kaudalwärts von der Regio olfactoria treten wir ins Vorder- hirn über. Die laterale Wand desselben ist relativ dünn und verläuft äufserlich gerade. Die Struktur der Regio olfactoria setzt sich auf sie zunächst fort, um dann allmählich einer Diffusa Platz zu machen, die von der Membrana limitans interna zur externa hin allmählich abnimmt. Grolse Ganglienzellen finden sich namentlich in den mittleren Lagen. Die mediale Wand des Vorderhirns ist auf diesem Schnitt etwa dreimal so stark als die laterale. In ihr sondert sich aus der lockeren Diffusa eine mittlere Schicht dichterer Diffusa aus, deren Elemente jedoch nicht ganz den Charakter Fig. 62. Querschnitt durch die Fila olfactoria. 6 fach vergr. grolser Ganglienzellen erreichen. Nach der Regio olfactoria hin vereinfacht sich die Struktur entsprechend der der lateralen Wand. Der Ventrikel des Vorderhirns ist auf diesem Schnitt relativ schmal. Er ragt bis in die Regio olfaetoria hinein, sich hier noch etwas verbreiternd, immerhin ohne in dem dem Tractus olfactorius entsprechenden Abschnitt sich erheblich zu verengern. Ein Homologon des Wulstes der Lateralwand von Chimaera scheint hier in bescheidenem Grade ausgebildet zu sein. Auch hier hat das Unterhirn seine ganz besonderen Bildungen, die jeder klaren physiologischen Deutung spotten. Die Lobi inferiores sind unscheinbar, doch mit relativ dicken Wandungen versehen. Äufserlich besitzt der Saccus vasculosus eine ähn- 80 Rud. Burckhardt, liche Beschaffenheit wie bei Laemargus rostratus, nur ist er etwas weniger sroßs. Schneiden wir ihn auf, so erscheint sein Recessus medianus als herzförmige Fläche, die mit seltsamen, venöses Blut enthaltenden unregel- mälsig gestellten Kugeln von 0,1 mm bis .1 mm besetzt ist. Man glaubt einen mit Eiern besetzten Hohlraum vor sich zu sehen. Die Kugeln sind an ihrer Oberfläche mit Pflasterepithel, in den Gruben mit einem hohen Zylinderepithel, das Wimpern trägt, versehen. Die Fossae laterales entbehren dieser Bildung des Zirkulationssystems und sind rein epitheliale Buchten. Fig. 63. Echinorhinus spinosus, Medianschnitt des Gehirns. 1'/, fach vergr. Der Lobus terminalis der Hypophyse ist unscheinbar (Fig. 63), zwischen der Basis des Saccus eingesenkt, im Innern reich gefaltet. Ein kurzer Stiel führt nach einem gewaltigen Lobus posterior, der mälsig gefaltet ist, in der Mittellinie 8 mm milst und in seitliche Lappen ausgeht. deren laterale End- punkte 20 mm voneinander entfernt sind. Fassen wir die Hauptpunkte des Echinorhinusgehirns noch einmal ins Auge, so sind es besonders zwei einzigartige Erscheinungen, die uns überraschen: 1. Das Verhalten der Regio olfactoria des Vorderhirns und 2. Die Beschaffenheit der Fossa mediana des Saccus vasculosus. Für den ersten der Punkte sind wachstumsmechanische Ursachen wahrscheinlich; doch bedarf es zur Beurteilung junger Exemplare. Die Verdrängung der Nasenbecher nach der Seite, die depresse Form der Schnauze, die eigen- tümlichen Modifikationen des Bindegewebes, alle diese Faktoren mögen dabei im Spiele sein. Denn die Fila olfactoria, die in solcher Weise auswachsen, wie wir sie bei den Selachiern nur von I/sistius ebenso kennen, verhalten sich dabei vollkommen passiv und trotz ihrer grofsen, durch Bindegewebs- Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 8 wucherung verstärkten Derbheit geben sie den Zugwirkungen nach und nicht die zarte Marksubstanz des Traetus olfactorius. Wahrscheinlich wird in dem entscheidenden Jugendstadium die ganze mechanische Konstellation eine andere sein. Für die Beschaffenheit der Fossa mediana sacci vasculosi können wir nur annehmen, es finde hier ein Sekretionsmodus statt, wie er wohl sonst selten ist, mögen auch die venösen Kugeln selbst wohl eher Zwecken des Ausgleichs in der Zirkulation dienen, so sind doch die Epithelien des Zwischenbodens verdächtig der Sekretion. Im übrigen ist das Hirn von Echinorhinus relativ primitiv zu nennen, wenngleich die optischen Zentren sich einer mehr als durchschnittlichen Massenentfaltung erfreuen. Ein spezieller näherer Anschlufs des Hirns an die eine oder andere lebende Form dürfte kaum aus den vorhandenen Merkmalen abzuleiten sein. Die Übereinstimmung in bezug auf Streckung der Fila olfactoria mit Isistius ist jedenfalls nicht ohne weiteres genetisch zu deuten. Nova Acta XCIV. Nr.1. 11 VIII. Squatina angelus. (Fig. 64.) Das Hirn liegt in einer grofsen Höhle. Der vordere Hirnabschnitt erscheint, von dem 3 cm langen Tractus olfactorius abgesehen, im ganzen a ee S \ h N I \ N R | ll x“ ! % | P RL \ a _ ‚ F 7 % f : F en _— N a / 3 1" / a 2 / Zu ST 2 Mi P 12 2 - 7 9 /£ / / / 2 / y \ / eZ SEE I / > / // IE / / / y u \ . Fig. 64. Aulsere Körperform von Squatina angelus. 2/,; nat. Gröfse. Rud. Burekhardt, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 83 verkürzt und gedrungen, im Vergleich zu dem langgestreckten hinteren Teil. Die Hemisphären des Mittelhirns sind relativ klein und ohne seitliche Ab- grenzung. Am ovalen Kleinhirn, das keine Querfalte besitzt, treten seitliche Ausladungen hervor, die so weit hinaus- ragen als das Mittelhirn. Die Rauten- ohren (Fig. 65) stehen mit zwei Bogen sehr gedrängt, wie wenn sie vom sen- sibeln Faecialis nach vorn gezogen würden. Die langen, feinen Traetus olfactorii ver- laufen mit nur sehr schwacher Höhle; sie gehen in die soliden und ebenfalls mit kleinen Höhlungen versehenen Bulbi olfactorii über. Von den Nerven tritt die Kreuzung des Opticus stark hervor. Der Trigeminus verläuft breit und wurst- förmig mit einem Durchmesser der drei- mal demjenigen des Austritts entspricht. Der vielwurzelige Vagus ist im Bereich des „Bandes“ in nur drei Wurzeln zu- sammengezogen. Fig. 65. Squatina angelus, Gehirn in dorsaler Ansicht. Nat. Gröfse. Jule IX. Cestraciontidae. Cestracion Philippi, galeatus. Die Gattung Cestracion ist der Überrest des Stammes der Hybodon- tiden, welcher eine kosmopolitische Rolle spielte, eine ausgedehnte Formen- fülle bei bedeutender Körpergröfse und eine lange Geschichte hinter sich hat. Schwerlich dürfen wir gerade die heute lebende pazifische Gattung als ein Endglied an diesem Stamme auffassen. Sie nimmt vielmehr eine relativ zentrale Stellung in der Famlie ein und stellt in Exemplaren, wie sie uns zu Gebote stehen, auch nicht das erreichbare Maximum dar. Die vier Stücke (zwei Dohrn, zwei Bunge), von denen eines der Art galeatus, drei Philippi angehören, malsen zwischen 38 cm und 1m. Für die Syste- matik ist auf die Arbeiten von N. Miclucho-Maclay und W. Macleay zu verweisen. Ich bilde ©. galeatus ab (Fig. 66), von dem m. W. noch Fig. 66. Linearer Umrifs von Cestracion galeatus. */s nat. Grölse. Rud. Burekhardt, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 85 keine gute Skizze existiert. Der Höcker über dem Auge ist ja nur eine für den Bau des Kopfes im Innern ganz nebensächliche Bildung. Der Kopf der Cestracionten hat im übrigen jene eigentümlich kantige stumpfe Form, die dazu geführt hat, dafs man sie als Doggenhaie bezeichnet. Einige Malsangaben über Kopf und Gehirn mögen zunächst die vorhandenen Formverhältnisse an einem Exemplar von etwa 1 m Länge beleuchten. Cestracion Scymmus I. 1. Schnauzenspitze bis erste Kiemenspalte . . ». ». . . ... 11,5cm 14 cm 4. Schnauzenspitze bis Mündung der Ductus endolymphatici . Srer 6,8 „ 6. Schnauzenspitze bis Mitte der Cornea. . . 2.2.2... 8:05, Dre 9. Länge der Augenöffnung . . . LE 29, II. 2. Schnauzenspitze bis erindungeltuie des Corneslriktelpunkte 6,5 „ 4 n 3. Schnauzenspitze bis vordere Schädelhöhlenwand . . . . 2,8 „ 2er, 111.227 Maximale LängerdersNasenbechen ann 2a 210er 5. Entfernung der Nasenbecher vom Auge. . . . 2... 32, Org 6. Auge in der Längsachse gemessen . . . .. 2... 2 3 N 7. Auge in der Vertikalachse gemessen. . . . 2... 1.9 Din 8. Cornealmittelpunkt bis Retinahintergrund . . . .... 1,50, DIOR 9. Abstand der Cornealmittelpunkte beider Seiten . . . . Dow Gas, 10. Abstand der hinteren Augenwand beider Seiten . .. . . 1,8%, a 12. Labyrinth in der Längsachse gemessen . . . . 2... ED aan 13. Labyrinth in der Querachse gemessen . . . 2... 1,1% Oraes V.3. Iinker4Opheusss mer 1.2.0.0 ee ar. ONE 0,14 „ 4. Calamus scriptorius bis Recessus neuroporieus . . . . 4,0 „ Haleeen 5. Calamus scriptorius bis Vorderrand der Decke des IV. Tan trikelse ee: REIFE EN. SEE 13 25 1% 2, 6. Breite der De ea Iv. anlaak a 0 Lo ER OR) 2 5 7. BreitewdeswHinterhirnse-r rs. 05 ,„ 0,95 „ 8. Länge des Hinterhirns . . . ER 1,80, HS, 9. Länge der Decke des III. Volk: RT RER N Se ON 14 „ Hierbei ist in Anschlag zu bringen, dafs das Exemplar von Scymnus nur etwa °/, der Länge dessen von Cestracion beträgt. Die Disproportionen des Kopfes von Cestracion (Fig. 67a u. b) hängen in erster Linie mit der Modifikation des Gebisses und der riesigen Kau- muskulatur zusammen. Diese Verhältnisse bewirken die Abwärtsbiegung der Schnauze, die Trennung der grofsen Nasenbecher vom Auge. Der Kleinheit und Lage der Augen zufolge würde man die Cestracionten für Öberflächenfische ansehen; ob dies richtig ist, weils ich nicht. Wenn die 86 Rud. Burckhardt, Distanz V.4 überhaupt sehr kurz ist, so ist daran wohl in erster Linie die Kürze der Oblongata und das Zurückbleiben des Vorderhirns, auch Fig. 67a. Cestracion Philippi, Kopf in dorsaler Ansicht, rechts ist das Gehirn bis über die Mediane hinaus freigelegt. 1!/»fach vergr. die Kleinheit des Mittelhirns beteiligt. Es kommt aber dazu, dafs bei der Spärlichkeit Lorenzinischer Ampullen das Hinterhirn und der geringen Entfaltung der Rumpf- und Schwanzmuskulatur auch die entsprechenden Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 87 Zentren zurückbleiben. Daher auch ist nicht etwa das Vorderhirn als besonders grofs, sondern das übrige Gehirn als relativ besonders klein zu beurteilen. Fig. 67b. Cestracion Philippi, Kopf mit blofsgelegtem Gehirn in dorsaler Ansicht. 3/, nat. Gr. Die Schädelhöhle besitzt nicht eine normale Ausbildung; denn die Räume für die Bulbi olfactorii sind ventralwärts gebogen, außerdem hat die gesamte präcerebral gelegene Partie eine Streckung erlitten, der Prä- cerebralraum selbst ist sehr grofs. Die Schädelwand liegt den beiden Seiten des Gehirns eng an, besonders im Bereich des Hinterhirns und der Oblongata. 88 Rud. Burckhardt, Die Verkürzung der Labyrinthregion und der Medulla oblongata sind Er- scheinungen, die wohl in nahem Zusammenhange mit der Verlagerung der Augen in kaudaler und dorsaler Richtung stehen, der auch das Hinterhirn die auffallende Längsstreckung verdankt. Besonders eigen ist an dem Ver- hältnis zwischen Auge und Gehirn, dafs der Opticus, der ja sonst schräg nach vorne auszutreten pflegt, sich im Bogen nicht nur transversal, sondern sogar kaudal zum Auge begibt und erst nicht einmal damit den Pol des Augapfels erreicht, sondern oral von demselben einsetzt (Fig. 67a). Betrachten wir nun die Einzelheiten des Hirns am Medianschnitt und einigen Einzelbildern. Entsprechend der Kürze der Oblongata ist auch der Fig. 68. Cestracion Philippi, Medianschnitt des Hirns. 3fach vergr. Boden derselben ziemlich diek, die Decke kurz und an den Öhren breit. Diese selbst bilden nur schmale Ränder mit einem Minimum von Substanz; ebenso auf ein Minimum beschränkt ist ihre Windung. Zwischen die kaudal aufgerichtete Falte des Hinterhirns und dessen Stiel bildet sich nicht, wie gewöhnlich, ein in den Zwischenraum vorspringender Wulst aus; sind schon die Dorsolateralwandungen sehr schwach ausgebildet, so noch viel mehr die lateralen der Ventrolateralzone angehörenden Flächen, deren Dicke blols l mm (bei Scymnus 1,5 mm) beträgt. Man ersieht daraus, dafs die Längs- streckung des Hirns nicht mit Massenentfaltung desselben zu verwechseln ist, sondern überhaupt blofs möglich, als Symptom der Schwäche seiner Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 89 lateralen Partien. Das Mittelhirn ist unbedeutend und ragt nur wenig unter der oralen Kuppe des Kleinhirns hervor; entsprechend dünnwandig ist die Medianzone. Eine besondere Ausbildung erfährt die Decke des IV. Ventrikels. Sie ist nicht nur deswegen merkwürdig, weil sie uns in dieser Gestalt noch nicht begegnet ist, sondern weil sie auch die Zustände anbahnt, die wir von höheren Selachiern kennen. An der Oberfläche ist sie ziemlich eben, nicht emporgewölbt, wie bei den meisten bisher besprochenen Formen. Das schräg nach hinten gerichtete Velum liest etwas vor der Mitte und ist beinahe kaum gefaltet, jedenfalls nicht mehr, als erklärlich, wenn man bedenkt, dafs das Objekt nicht auf die von uns in der Einleitung angegebene Art auf die Ventrikel hin konserviert worden ist (Fig. 69). Am sonderbarsten sind die Partien des Plexus hemisphaerium ausgebildet, die in die grolsen Fig. 69. Cestracion Philippi, Plexus hemisphaerium von der medialen und rostralen Seite. 3 fach vergr. aber schmalen Ventrikel des Vorderhirns hineinragen. Sie bilden nämlich langgestielte, am Ende unregelmälsig dreigeteilte, senkrecht stehende Lappen von 1 cm Länge, deren Stiel hohlkehlenartig verläuft; die Herkunft des unteren Randes dieser Hohlkehle vom Velum ist eben erwähnt worden, der obere Rand entsteht aus dem Rande des prävelaren Abschnitts der Decke des III. Ventrikels. Die Orientierung im Raume zeigt unsere Figur (Fig. 70). Dabei ragt der dorsal gerichtete Fortsatz zugleich in die Mündung des Traetus olfactorius hinen. Am Vorderhirn verschmelzen die beidseitigen Tubereula dorsalia zu einer gemeinsamen Protuberanz, die stark emporragt, kaudal aber noch eine Einbuchtung zeigt. Dadurch erfährt die Lamina supraneuroporica eine so starke Verdiekung, wie bei keinem anderen Selachier. Ebenso ist auch die Lamina infraneuroporica stark verdickt, doch wird die Primitivität insofern gewahrt, als der Recessus neuroporicus im Ver- Nova Acta XCIV. Nr.1. 12 90 Rud. Burckhardt, gleich zu diesen Verdiekungen noch sehr wohl ausgeprägt bleibt. An den nicht streng median gelegenen Wänden tritt keine erhebliche Verdieckung ein, aulser unter den Tubereula dorsalia, die denn auch den Plexus hemi- sphaerium an seiner Basis auf den oben erwähnten Stiel zusammendrücken. Die Lobi inferiores sind mit 5mm Länge und 4 mm Breite relativ grofs. Fig. 70. Cestracion Philippi, Decke des dritten Ventrikels. Sfach vergr. Der Saccus vasculosus bleibt häutig und hat zwei laterale, ziemlich spitze Zipfel. Die Hypophyse ist schwach entwickelt. Der Lobus anterior reicht bis in die Mitte zwischen die Lobi inferiores. Der Lobus posterior ist klein und im Bindegewebe des Sattels eingelassen. Die Sattelkurve ist nur wenig stark ausgeprägt und der Boden des Schädels ausnehmend dünn. In den Opticuslängsschnitt scheinen laterale Wandungen verdickend einzutreten. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 91 Am Cestraciongehirn haben wir also scharf zu scheiden zwischen primitiven und sekundären Zuständen (Fig. 71). Zu den ersteren sind zu zählen: geringe Entwicklung der Dorsolateral- dk zonen bis zur Commissura posterior, der Seiten- ra, wandungen des Hinterhirns, Erhaltenbleiben des Recessus neuroporieus, Beschaffenheit des Unter- hirns. Zu den letzteren: Kürze der Rautengrube, Längsstreckung des Hinterhirns, Ausbildung des Plexus hemisphaerium, der Laminae des Vorder- hirns, Streekung und Abbiegung der 'Tractus und Bulbi olfactorii, Verschmelzen der Tubercula dorsalia, Dicke der Haubenregion. Mit den primitiven Eigenschaften schlielst Cestracion gerade an die Basis der Zustände des Selachier- hirns an und übertrifft fast die meisten be- sprochenen Formen. Die sekundären sind vor- wiegend auf Stellung und Massenkorrelation der Hirnregionen und des Hirns in bezug auf den Kopf und seine Teile zu erklären. Dennoch bleibt ein Rest. Nämlich die Verdiekung der Tubereula dorsalia, die Gestaltung der Decke des III. Ventrikels, die dieser Deutung wider- Cestracion Philippi, Gehirn in dor- strebt und die nicht nur zur Charakterisierung N des Cestraciongehirns dient, sondern der auch zugleich auf Zustände deutet, die wir erst bei höheren Selachiern antreffen. 12* X. Holocephala. 1. Chimaera monstrosa. Geschichte der Beschreibung. Eine historische Übersicht über die Beschreibung und Vergleichung des Chimaeragehirns (es ist bisher stets nur dasjenige der Spezies monstrosa untersucht worden) verdanken wir H. B. Wilder. Wir entnehmen ihr, dafs Valentin 1842 der erste war, welcher das C’himaeragehirn untersuchte, aber von vornherein einer schweren Mifsdeutung dadurch zum Opfer fiel, dals er die rostral gelegenen Hirnteile gar nicht blolslegte und infolgedessen das Zwischenhirn für die Traetus olfactorii ansah. Als nächstfolgende Arbeit zitiert Wilder diejenige von Busch, deren Studium im Zeitpunkt, da Wilder seinen Aufsatz verfafste, ihm nicht zugänglich war. Über diese sowie über die sorgfältige Darstellung von Costa habe ich einiges bei- zufügen, ehe wir zu den weiteren Forschungen über diesen Gegenstand fortschreiten. Zunächst gibt Busch in dorsaler Ansicht die Abbildung eines Gehirns von Chimaera in situ, mit samt den Geruchsorganen und Augen nach Hinweg- nahme der Decke des III. Ventrikels, die meisten auf den ersten Blick sichtbaren charakteristischen Formen treten an dieser Abbildung hervor, so die Form des Vorderhirns, der Zusammenhang zwischen der Schmalheit des Zwischenhirns und der Nähe der Augen, das ovale Kleinhirn und die Windungen der Rautenohren. Das Hirn der Holocephalen findet eine zu- sammengefalste Beschreibung unter besonderer Aufschrift. Schon Busch kannte den Irrtum Valentins, nachdem schon R. Wagner auf seine Mils- deutungen hingewiesen hatte und Joh. Müller gab in seinem Jahresbericht Rud. Burckhardt, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 95 von 1843 zu, dafs Valentin das Kleinhirn für den „lobus ventrieuli tertii“, also wohl wenigstens das Mittelhirn, genommen hatte. Busch wies nach den Ursprung des Trigeminus, die Lobi optiei, die Ursprünge der II. und IV. Hirnnerven, die „ganglia rotundiuscula“ des Vorderhirns, und deutete zuerst das Chimaeragehirn auf eine rationelle Weise. Wohl zu ähnlicher Zeit, jedenfalls mit Kenntnis der Valentinschen Arbeit, vielleicht aber vor Busch, verfalste Costa den Abschnitt seiner Fauna del Regno di Napoli, in welchem über Chimaera sorgfältige anatomische Beobachtungen in grolser Zahl enthalten sind. Er verfügte offenbar über gute Exemplare, gab Ab- bildungen des Gehirns von drei Seiten, auch in situ und mit den Nerven. Eine kurze und gute Schilderung begleitet das treffliche Anschauungsmaterial. Im übrigen verweist der Autor auf seine „Frammenti“, in welchen das Gehirn ausführlich sollte beschrieben werden, die aber leider nie veröffentlicht wurden. Die systematische Verwertung von Buschs Abbildung durch Mayer kann ich hier übergehen und will nur die Tatsache hervorheben, dals dieser Autor zuerst auf die Ähnlichkeit des Gehirns von C’himaera mit dem von Scymnus hingewiesen hat, Was Miclucho 1869 fand und durch Gegenbaur publiziert wurde, ging nicht über dasjenige hinaus, was bereits Busch bekannt gewesen war. Wohl infolge davon unterblieben in der ausführlicheren Publikation von Miclucho weitere Mitteilungen. Die Ähnlichkeit des Hirns von Chimaera, welche mit dem anderer Selachier eigentlich Busch zuerst betont hatte, wurde hinfort als eine Tatsache hingenommen, so auch von Huxley 1871 bei seiner Einreihung der Holocephalen unter die Elasmobranchier. Die Histologen haben sich meines Wissens nie an dieses Objekt gehalten, ob- schon es gerade für sie äulserst dankbar gewesen wäre. Die letzte Arbeit über das Gehirn von Chimaera stammt von H. B. Wilder, welcher eine Anzahl neuer anatomischer Einzelheiten zutage förderte, auf die ich im folgenden Text noch mehrfach werde zurückkommen. Die Lagebeziehungen des Gehirns zum Schädel werden am besten am Horizontalschnitt deutlich gemacht, der dem Vorderhirn entlang zum oralsten Augenmeridian, und von da das Labyrinth durchschneidend zum Foramen magnum führt. Dadurch wird die eine Hirnhälfte blofsgelest 94 Rud. Burckhardt, und präsentiert sich wie Fig. 73 zeist. Bekannt ist die walzenförmige, am Tractus olfaetorius leicht eingeschnürte Form des Vorderhirns, an dem sich die ursprüngliche Gliederung des Bulbus olfactorius in zwei Teile immer noch zu erkennen gibt. Zur Bildung eines Tractus olfactorius kommt es bei Chimaeren von der durchschnittlichen Grölse, in der sie gefangen werden, nicht. Doch entspricht einmal diese Grölse nicht dem Maximum, das erreicht Fig. 73. Chimaera monstrosa, Horizontalschnitt (kombiniert aus zwei Schnitten) durch den Schädel. er /, nat. Gr. wird, da solche Exemplare von der Schnauze bis zur Schwanzspitze höchstens 80 cm messen. An der Pariser Weltausstellung war jedoch im Pavillon Monaco das grölste Exemplar einer Ohimaera ausgestellt, das ich zu Gesicht bekam. Es mals etwa 1,80 m. Bedenken wir auch, dafs diese Grölse von fossilen Formen noch wohl um das doppelte übertroffen wurde, so ist die Annahme wohl gerechtfertigt, dafs der Zustand des Traetus olfactorius, wie er den Chimaeren von 80 cm entspricht, nicht der definitive ist, sondern Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 95 nach Maßsgabe des individuellen Wachstums in denselben übergeht, den wir bei Callorhynchus bereits auf viel früheren Stadien antreffen, nämlich dafs Ohimaera im ausgewachsenen Zustande ebenfalls gestreckte Traetus olfactorii besitzt. Hinter dem Vorderhirn folgt der vordere Teil der Zwischenhirndecke lanzettlich zugespitzt, nach hinten bedeutend verengert durch die von beiden Seiten sich in der Mitte einander annähernden und nur durch eine dünne Bindegewebsmembran getrennte Augen. Diese Membran hat beinahe kreis- runde Gestalt und steht senkrecht in der Medianebene über dem Zwischen- hirn. Dadurch ist nicht nur die mächtige Streckung des Zwischenhirns, sondern auch seine Depression an dieser Stelle durch die Nachbarschaft der Augen veranlalst, und dafs wir ihnen diesen Einflufs nicht nur als möglich zuzuschreiben haben, beweist der Vergleich des embryonalen Hirns, welches an dieser Stelle bei weiterer Distanz der Augen voneinander, hier noch er- heblich breiter ist. Das Mittelhirn, welches in der Jugend gleichmälsig rund gewölbt ist, erfährt ebenfalls durch die grolsen Augäpfel eine Ab- plattung schräg von vorne. Es hat weiter nicht mehr zugenommen, sondern ist in bezug auf Grölse stark zurückgeblieben, was beweist, dals die Zunahme der Augen nur Zunahme des mechanischen Teils dieser Organe bedeutet, nicht aber des nervösen, wie denn auch der Sehnerv keineswegs bedeutend ist. Optieus Auge Mittelhirn Länge Höhen. d.C. post. Erwachsene Chimaera 0,8 mm 30 mm 7,5 mm 5 mm Embryo Callorhynchus 0085 4,5 , An Dr d. h. die Augenblase wächst um das siebenfache, während der Optieus um das vierfache, das Mittelhirn aber nur um das zwei- bis dreifache zunimmt. Dieses ist also in seiner Ausbildung am stärksten vorausgeeilt, der per- zipierende mechanische Teil des Auges entwickelt sich am spätesten. Das Kleirhirn (Fig. 74 und 75) überragt das Mittelhirn, ja deckt es bei genau dorsoventraler Ansicht völlig zu. Demgemäls hat sich auch die Querfalte, die beim Embryo stärker ist, hier völlig verloren und es besteht nur noch eine leichte Depression. Die Ineinanderschiebung der Medulla oblongata rührt von dem verkürzten Oceiput, indirekt von der Bildung des Stachels der ersten Rückenflosse und seiner Verschiebung gegen den Kopf her. Die Medulla oblongata erscheint auffallend verkürzt und dementsprechend 96 Rud. Burckhardt, auch das Vagusgebiet stark zusammengezogen und den Durchtrittsgebieten der übrigen Nerven genähert. Die Spinooceipitalnerven, von denen ein hinterster mit zwei stärkeren und vier schwächeren Wurzeln, ein zweiter mit einer starken Doppelwurzel und zwei feinen voreinander liegenden Wurzeln entspringt, sind sehr stark ausgebildet. Zusammengenommen sind sie fast so mächtig als der Vagus. Der Acustieus zeigt zwei gesonderte Ursprünge. 3 a | N r s N Fig. 75. Fig. 76. Chimaera monstrosa, Gehirn in Chimaera monstrosa, Gehirn von (himaera monstrosa, Die Rauten- dorsaler Ansicht. Nat. Grölse. der Seite. Nat. Grölse. ohren. 2fach vergr. Der erste Schenkel der Dorsolateralzone ist stark verkürzt und die Pro- tuberanzen sind wegen der schwachen Entwicklung der Vagusäste nicht zu sehen. Der hintere Teil der Facialiszone erscheint stark aufgetrieben. Endlich folgen zwei starke Faltungen der Rautenohren (Fig. 76), auf der rechten Seite deren drei. Für sich allein betrachtet, würde die Medulla oblongata einem höher spezialisierten Rochen anzugehören scheinen. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 97 An einem weiblichen Exemplar von 85 cm Länge, das mir Herr Professor Döderlein in Strafsburg überlie(s und das von seinem Sammler in Formol konserviert war, gelang es mir, das ganze Kontentum der Schädel- höhle so zu entnehmen, dafs auch das Bindegewebe einen zusammen- hängenden Gallertkörper bildete. Es muls wohl dieses Exemplar in ganz besonders frischem Zustande konserviert worden sein, da auch die frischen, mir in Neapel überlassenen Exemplare niemals einen solchen Grad der Erhaltung dieses zarten Gewebes gezeigt haben. Nach Herausnahme des Hirns und seines Bindegewebes stellte sich, dank der Formolkonservierung, das gesamte Bindegewebsnetz als ein durch- schimmernder Körper dar, ähnlich einem Celloidinausgufs, den man in Alkohol konserviert. Es besteht aus einem lakunösen Netz von Lymph- maschen, das insofern an seiner das Perieranium berübrenden Oberfläche geschlossen erscheint, als seine Balken hier in stärkere Lamellen übergehen. In seiner äulseren Gesamtform stellt es genau den Ausguls der Schädelhöhle dar und füllt alle Zwischenräume zwischen Schädelwand und Gehirn in frischem Zustande aus. Im Innern der Arachnoidea verlaufen zahlreiche unregelmälsige Balken, die ineinander übergehend und mit den Gefäfsen sich verbindend in Lamellen auslaufen, die die unregelmäfsigen Lücken gegeneinander abzuschliefsen scheinen. Der Verlauf des Balkenwerks ist von besonderer Charakteristik für die Massenverschiebungen, welche bei der Entwicklung des Kopfes müssen stattgefunden haben. So kommt über der vorderen Hinterhirnkuppe eine Verdichtung zu stande, die durch das Hinaufgeprefstwerden der hinteren Hälfte der betrefienden Masse zu deuten ist. Im ganzen folgen die Trabekel, wenn auch noch in unvollkommenem Grade Zug- und Drucklinien, etwa wie eine unvollkommen entwickelte Knochenspongiosa. Die Hauptmassen der Arachnoidea konzentrieren sich um das Vorderhirn und zwar so, dals sie als ein urnenförmiger, nach dem Zwischenhirn spitz auslaufender, ventral abgeplatteter Körper erscheint, der dorsal über der Decke des dritten Ven- trikels in einem Drittel Abstand des Recessus neuroporicus mit kaudaler Aus- spitzung verläuft. Ein schwaches Band verknüpft ihn mit der zweiten Hauptmasse, die dem Mittelhirn sowie dem Hinterhirn mützenförmig aufsitzt und sich kaudal in eine dünnere Schicht ausbreitend der Decke des vierten Noya Acta XUIV. Nr.]l. 13 95 Rud. Burekhardt, Ventrikels auflegt. Eine kleinere Masse umgibt das Unterhirn und reicht bis zum ÖOptieus, sie ist ventral flach. Eine zweite kleinere Masse liegt unter der Medulla oblongata, den Zwischenraum zwischen ihr und der Arteria basilaris erfüllend. Histologie. Ohimaera monstrosa besitzt eine Eigentümlichkeit im histologischen Bau ihres Kleinhirns, die hier nicht übergangen werden kann und deren eingehendes Studium wir den histologischen Technikern empfehlen möchten. Fig. 77 gibt einen Schnitt durch das Kleinhirn wieder, der vertikal so ge- führt ist, dafs er der Medianebene parallel läuft und dabei sowohl die dicht gedrängten kleinen Zellen der Dorsolateralzone schneidet, als auch die Sub- stanz der Ventrolateralzone, die hier dorsalwärts hinaufgreift. Die Schichten, die sich hier folgen, sind: 1. Die Zellen der Dorsolateralzone; 2. die aus ihnen entspringenden Faserbahnen, die zum Trigemino-facialiskomplex absteigen. Durch Kom- bination von Müllerscher Flüssigkeit und Hämatoxylinfärbung heben sich diese als braune unzusammenhängende Inseln ab. Ihnen folgen 3. eine Schicht von starken Achsenzylindern, die axial verlaufen und wohl grölsten- teils den weiterhin zu beschreibenden Zellen entstammen; 4. eine mächtige Schicht weilser Substanz, die fein granuliert und von wirr durcheinander- laufenden Achsenzylindern, sowie von Fragmenten der Blutgefälse durch- zogen sind. Innerhalb der beiden letztgenannten Schichten finden sich unregelmälsig zerstreute, weit ausgreifende und unregelmäfsig gebaute grolse Ganglienzellen. Ihre Dendriten sind in geringer Anzahl vorhanden, scheinen aber nach längerem Verlauf sich sofort in mehrere feinere Äste pinselartig aufzulösen. Kein Zweifel, dafs es sich um Homologa der Purkinjeschen Zellen handelt, aber sie sind noch unregelmäfsiger und in ihrer Verteilung nicht allein an die Grenze zwischen beiden Schichten gebunden. Neben ihnen kommen zahlreich kleine und mittlere Ganglienzeilen diffus verteilt vor, ohne dafs ihre Gestalt greifbare Regelmälsigkeiten aufser der Gröfse und mittleren Tinktionsfähigkeit erkennen liefsen. Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 99 Fig. 77. Chimaera monstrosa, Schnitt durch die Lateralzone des Kleinhirns. Oe. 2. Obj. AA und 2 mal vergr. 13* 100 Rud. Burckhardt, Das Vorderhirn von Chimaera und Callorhynchus ist bemerkenswert durch eine mächtige ovoide Wandverdickung der Lateralwandung, welche gegen den Ventrikel in der hinteren Hälfte vorspringt. Während wir also von anderen Vertebraten gewohnt sind, die corpora striata sich gegen das Lumen des Ventrikels vorwölben zu sehen, ist es hier der gegenüberliegende Teil, der verdickt wird. Bei alledem ist die Struktur eine überaus einfache: Die Ependym- schicht besteht aus nur etwa zwei Reihen von Zellkernen und es ist kaum anzunehmen, dals sie allein hinreichen könnte, um diese mächtigen Substanz- massen zu stützen. Es wird sich wohl Asterosa nachweisen lassen, nur muls dies unter Verhältnissen geschehen, die die Anwendung der Silber- technik besser gestatten, als es mir möglich war. Der Strukturcharakter der Vorderhirnzone ist der einer überaus lockeren Diffusa mit Hinneigsung zu Nidosa. Eigentliche Schichten begrenzter Art sind nicht zu unterscheiden, ebensowenig scharf gegeneinander sich abhebende Nervenkerne und Bahnen. Grolse Ganglienzellen (Fig. 78) erscheinen durch das ganze Gewebe ziemlich gleichmälsig verteilt. Nahe der Membrana limitans externa platten sie sich in derselben Weise ab, wie bei anderen Selachiern. Wer besonderen Wert darauf legt, die Anfänge einer „Hirnrinde“ bei möglichst niederen Tieren nachzuweisen, wird Gelegenheit finden, auch hier an einzelnen Stellen des Vorderhirns eine Neigung zu Schichtbildung zu beobachten. Der Medianschnitt des erwachsenen Chimaeragehirns. Der Zentralkanal öffnet sich nicht plötzlich, sondern mit einem kleinen triehterartigen Vorhof, dann folgt die relativ kurze Rautengrube, die jedoch in ihrer Kegelform durch den kegelförmigen Wulst des Trigeminus fascialis- Komplexes bestimmt wird. Das Seitenhirn zeigt eine relativ starke Pilosa in der Medianzone, die als bereits beträchtlich gestreckte Brachypilosa zu deuten ist. Das Mittelhirn ist an Gröfse hinter dem Kleinhirn zurück- geblieben und abgeflacht. Der ganze Gehirnabschnitt hinter dem Mittelhirn ist an der Streckung beteiligt, die basale Bahnen hervorgerufen haben. Die Zirbel ist bis an ihre Stelle im Schädeldach ausgewachsen, der Stiel verläuft 101 Das Zentral-Nervensystem der Selachier. "vv [go 790 ‚SHAN,L, WE] 19Q TUNIOPIOA SEP ypanp Yiuyospwjuozuoj] vso«usuor Darum) "82 314 102 Rud. Burckhardt, im Bogen dorsalwärts. Die Decke des dritten Ventrikels hat im Vergleich zum Embryo von Callorhynchus eine Streckung erfahren. Ein Medianschnitt (Fig. 79) orientiert über den Verlauf. Die Lamina supraneuroporica biegt im rechten Winkel abwärts und endet an dem auch im erwachsenen Zustand noch deutlich erkennbaren Recessus neuroporicus. Die Lamina infraneuroporica ist nur mälsig verdiekt und bildet die untere Begrenzung des Lateralwulstes. Ein deutlicher Absatz der Lamina infraneuroporica, gleichzeitig den Über- gang in brachypilöse Wand bezeichnend, ist durch den Ansatz der Vorder- hirnwandungen bedingt. Hierauf folgt ein übermäßig gestreckter Recessus praeopticus, alsdann der Opticus selbst. Einer der wesentlichsten Unter- schiede im Vergleich zum embryonalen Gehirn beruht darauf, dals die Längsrichtung des Vorderhirns abgeknickt erscheint im Vergleich zum embryonalen. Das Auge hat eine Verschiebung erfahren, die erklärt, warum die beiden Gehirne von Callorhynchus und Chimaera so verschieden ausfallen. Bei jenem rückt das Auge einfach nach der Seite, bei Chimaera dagegen rückt es gleichzeitig oralwärts und dorsalwärts, damit bewirkend, dafs Bulbus und Traetus olfactorius sich nicht trennen können und dals das Zwischen- hirn sich streckt und verdünnt erscheint. Zwar ist der Zusammenhang der der eigentümlichen Gehirnform und der Kopfform von Chimaera von den oben genannten Autoren hervorgehoben, doch nicht ganz bis in seine Einzel- heiten analysiert worden. Da Costa nur das Hirn in situ des Medianschnittes gegeben hat, so bilde ich zunächst das Gehirn eines Exemplars von der üblichen Gröfse im Horizontalschnitt ab (unsere Fig. 75). Dabei ist an- zugeben, dals ich die Knickung, welche die Hirnachse beim Übergang vom Mittelhirn zum Zwischenhirn vollzieht, aus dem Spiel gelassen habe. Unsere Abbildung entspricht also nicht einem realen Horizontalschnitt, sie ist vielmehr kombiniert aus einem Schnitt, der von der kaudalen Wölbung des Augenbulbus zu der lateralen Wand des Rückenmarks und peripher zur Seitenlinie des Rumpfes gerichtet ist, und aus einem zweiten Schnitt, der am Vorderrand des Augenbulbus beginnend, nach den Nasen- öffnungen verläuft. Hierbei ist jedoch der Umfang der Schnauze, welcher über die Nasenöffnung vorsteht, mit eingetragen. Der von Busch bereits hervorgehobene Einfluls der Augen macht sich in doppelter Weise geltend: einmal ist zweifellos die Streekung des Zwischenhirns auf die Nachbarschaft Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 105 Fig. 79. Chimaera monstrosa, Medianschnitt durch den Kopf, das Gehirn ist in toto dargestellt. 1'/,fach vergr. 104 Rud. Burckhardt, der Bulbi zurückzuführen, dann aber auch die Verschiebung des Mittelhirns unter das Kleinhirn und die ganze Auftürmung des letzteren. Die Nasen- becher stehen im direkten Zusammenhang mit den Bulbi olfactorii, an denen die Zweiteilung stark verwischt ist. Embryo von Chimaera monstrosa. Bei dem älteren Chimaeraembryo habe ich beobachtet, da/s die Felder für die beiden Olfaetoriuseintritte verschieden grols sind, das eine etwa doppelt so grols wie das andere. Die Mittelplatte innerhalb der Nasenkapsel hat Fig. 80. ovale Form. Auf diesem Stadium sind die beiden Bulbi olfactorii noch deutlich getrennt und auch vom übrigen Vorderhirn durch eine seichte Furche geschieden, die indes an der medialen Fläche allein deutlich ist, das Corpus striatum ist total entwickelt. Die Decke des dritten Ventrikels (Fig. 80) er- scheint noch als eines der unfertigsten Gebilde im Vergleich zu ihrer Gestalt bei der erwachsenen Chimaera. Das Längenbreitenverhältnis ist bereits ausgebildet, da- gegen lälst die Decke des dritten Ventrikels ihren An- schlu[s an die anderen Selachier noch besser zu. Das Velum ist V-förmig und zwar so, dafs die Spitze des V etwa in 3mm Entfernung vom Ursprung der Zirbel gelangt. Die Ausbildung besonderer Plexus inf. ist nicht zu beobachten. Dagegen konvergieren die Venen der Decke stark nach dem Velum hin. Nach vorn setzt sich dieses in einen aus beiden Schenkeln des V gemeinsam entspringenden Längswulst mit seitlichen Furchen fort, auf eine Strecke von etwa 5,5 mm. Dann erhebt sich der Längswulst in einer sich nach vorn verschärfenden Kante, um den ventralen Kontour eines glatten median gestellten Blattes zu bilden, das von hier ab nach vorn bis zu etwa 2 mm Breite zunimmt. Alsdann spitzt es sich nach dem Recessus neuroporicus unter Bildung einer lichten Einbuchtung Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 105 allmählich zu. Zu beiden Seiten dieses Blattes, das zu dem vorderen Teil der Decke des dritten Ventrikels wie der Mittelschenkel eines T'- Trägers steht, verlaufen die Venen. 2. Callorhynchus antarcticus. Nach Schauinsland zeigen die frühesten Entwicklungsstadien große Übereinstimmung mit denjenigen der übrigen Selachier. Er schildert das Kopfskelett eines 8,5 cm langen Embryos und bildet es ab, für uns fällt es aufser Betracht, da dieser Embryo weit jünger ist, als die, worüber ich ver- füge. Durch den Besitz einer präfrontalen Lücke nähert sich der Schädel dieses Stadiums dem Schädel typischer Selachier mehr als der der er- wachsenen Holocephalen. Auch ist das Palatoquadratum bereits mit dem Schädel verschmolzen. Die Chorda reicht bis in die äußerste Spitze der Sattellehne, die hier noch viel weiter in die Schädelhöhle hineinragt, als im erwachsenen Zustand. Schauinsland beschreibt die Hypophysis und gibt eine Darstellung des Hirns und der kranialen Nerven. Das Gehirn (Fig. 81) ist in oral-kaudaler Richtung gestreckt, in der Zwischenhirngegend indessen nicht so bedeutend verschmälert und verlängert wie dasjenige von Ohimaera; andererseits aber sind die Lobi olfactorii ge- stielt und lang ausgezogen. Der zentrale Teil des Gehirns ist somit weniger der Streckung anheimgefallen und verhält sich insofern primitiver als bei Chimaera, da ja die Veränderungen in der olfactorischen Gegend von weniger Belang sind, als die am Stamme des Gehirns. Auf diesen Hauptunterschied zwischen dem Gehirn von Oullorhynchus und Ohimaera hat übrigens schon Busch verwiesen und ihn mit Recht mit den Unterschieden im Bau des Schädels in Zusammenhang gesetzt. Das Vorderhirn ist durch seine weit ausgezogene Regio olfactoria charakterisiert. Der Bulbus zeigt äulßserlich leichte Zweiteilung, im Innern eine gemeinschaftliche Höhle. Im Median- schnitt erscheint der Boden schwach verdickt. Der Recessus neuroporieus tritt deutlich hervor und dorsal breiten sich Plexus aus nach Art derer des Notidanidengehirns. Der Tractus ist wie dort dünnwandig und hohl. Die Hemisphären sind hemiamphicoel und bis zur Lamina supraneuroporica Nova Acta XCIV. Nr.l. . 14 106 "ONIg OP OA TATEN) ‘snogomgun smuouhrsıom) "I3I9A OR] 7 Rud. Burckhardt, geteilt. Das Zwischenhirn ist weniger stark aus- gezogen als bei Uhimaera. Das Mittelhirn, seitlich komprimiert, besteht aus drei Lappen, von denen der mittlere schwächer entwickelt ist als der bei Chimaera. Es wird von dem seitlich wenig hervor- ragenden Anencephalon vorne vollkommen überragt, seitlich tritt es nicht hervor. Das Epencephalon verläuft als S-förmig gekrümmte Lamelle und geht seitlich in stark gewellte Corpora restiformia über, die in 6 Falten gewunden sind. Von zwei mächtigen Lobi accessori gehört der eine dem 'T'rigeminus an, dessen dorsale Wurzel direkt aus ihm ihren Ursprung nimmt. Der Kopf eines Embryo von Callorhynchus antaretieus (ca. 7cm Länge) ist in drei Richtungen geschnitten worden. Im Medianschnitt (Fig. 82) fällt die starke Wölbung des Mittelhirnes auf, das wahrscheinlich in Verbindung mit der bereits weit gediehenen Aus- bildung der Augen noch länger in embryonalem Zustand verharrt. Das steil abgesenkte und dorsal konkave vordere Blatt des Zirbelpolsters deutet auf die Ausbildung im erwachsenen Zustand hin. Im Medianschnitt verrät sich die auch im Mittelhirn zutage tretende Hypertrophie des Auges. Am Lateralscehnitt (Fig. 83 u. 84) ist er- sichtlich, dafs der Kontour des Auges zwischen Velum und Kleinhirn liegt und dafs er sich also über die- jenigen Gebiete erstreckt, in denen wir auch die meisten Veränderungen des Bauplans antrefien, da das Auge als Masse auf sie zurückwirkt. Der Horizontalschnitt (Fig. 85) läfst in Übereinstimmung mit dem Lateralabschnitt erkennen, dafs sich die Regio olfactoria des Gehirns auf Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 107 ee, Fig. 82. Callorhynchus antarcticus, Medianschnitt durch das Gehirn eines Embryo von etwa 7 cm Länge. 6 fach vergr. Fig. 83. Embryo von Callorhynchus antarcticus, Lateralschnitt durch das Gehirn. Etwa 7 cm Länge. 14* 108 Rud. Burckhardt, diesem Stadium noch wie bei Chimaera verhält. Der Bulbus olfaetorius ist von dem hier ovoiden und sich nach vorne nur wenig verjüngenden Vorder- hirn durch eine schwache Furche abgesetzt. Es ist also noch nicht zur Fig. 84. Embryo von Callorhynchus antarcticus, etwa 7 cm Länge. Lateralsehnitt durch das Gehirn. Fig. 85. Embryo von Callorhynchus antarcticus, etwa 7 cm Länge. Horizontalschnitt durch das Gehirn. 6 fach vergr. Bildung eines Tractus olfactorius gekommen, wie sie als ein so wesent- liches Charakteristikum das Gehirn des erwachsenen Callorhynchus aus- zeichnet, sondern dieser entwickelt sich erst im postembryonalen Leben. Der Bulbus olfaetorius zerfällt hier noch deutlich in seine zwei Teile, was ja bei COhimaera im erwachsenen Zustande sich nicht mehr so scharf unterscheiden Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 109 läfst. Auch reicht auf diesem Stadium der Ventrikel noch als eine wenig stark abgeschnürte Bucht herein. Auf Schnitten, die den Tractus olfactorius an dieser Stelle treffen, scheint erst ein Anfang seiner Entstehung insofern deutlich zu werden, als die Bucht ventral sehr weit gegen die Masse des Traetus vordringt und an dieser Stelle allein das Hirnrohr bis zu epitheliöser Beschaffenheit herunterdrückt. wo SERIES 10. lla. 11b. 12. 13. 14. 115: 16. IE 18. 19. 20. als 22. 238 24. 25. Figuren-Verzeichnis.) Linearer Umrils von Laemargus rostratus; !/, nat. Gr. Laemargus rostratus, Kopf in dorsaler Ansicht, links bis über die Mitte sind das Gehirn und die angrenzenden Organe blolsgelegt; nat. Gr. Laemargus rostratus, Gehirn in dorsaler Ansicht; 2fach vergr. ' Laemargus rostratus, Decke des dritten Ventrikels in ventraler Ansicht; 5fach vergr. . Laemargus rostratus, Medianschnitt durch den Kopf, das Gehirn ist in toto dar- gestellt: nat. Gr. . Laemargus rostratus, Medianschnitt des Gehirns, 2fach vergr. Hirn eines Embryo von Laemargus rostratus von 16 cm Länge, von der Seite gesehen. Sfach vergr. 2 Linearer Umrils von Laemargus borealis; t/,, nat. Gr. Skelet von Laemargus borealis, nach Helbing; 1/,, nat. Gr. Laemargus borealis, Boden der Schädelhöhle; 3/, nat. Gr. Laemargus borealis, Horizontalschnitt durch Gehirn und Schädel; 1/, nat. Gr. Laemargus borealis, Nasenkapsel; nat. Gr. Laemargus borealis, Septen der Nasenschleimhaut; nat. Gr. Laemargus borealis, Gehirn in dorsaler Ansicht; 1/, nat. Gr. Laemargus borealis, Medianschnitt des Gehirns; nat. Gr. Laemargus borealis, rechter Vaguskomplex nebst Bindegewebsnerven; nat. Gr. Laemargus borealis, laterale Ansicht des Acustico-facialiskomplexes; 5fach vergr. Isistius brasiliensis, äulsere Körperform; 3/, nat. Gr. Isistius brasiliensis, Gehirn von oben im Kopfe; 6fach vergr. Isistius brasiliensis, Gehirn von der Seite; 3fach vergr. Isistius brasiliensis, vechte Hälfte des Gehirns, von innen; 6fach vergr. Isistius brasiliensis, Medianschnitt des Gehirns; 6fach vergr. Isistius brasiliensis, Horizontalschnitt durch den Bulbus olfactorius; 30 fach vergr. Isistius brasiliensis, Eintritt der Fila olfactoria in die Riechschleimhaut; 30 fach vergr. Isistius brasiliensis, Querschnitt durch das Kleinhirn; 25fach vergr. Heptanchus deani, lineare Skizze des Kopfes; !/, nat. Gr. Heptanchus-Embryo von 11 cm Länge. 26a. Heptanchus cinereus, Gehirn in- dorsaler Ansicht; nat. Gr. !) Betreffend Malsangaben und Nomenklatur sei anf den I. Teeil dieser Arbeit verwiesen. Rud. Burekhardt, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. 1a Gehirn eines Heptanchus-Embryo von ll cm Länge; 2fach vergr. Heptanchus cinereus, Medianschnitt durch das Gehirn; nat. Gr. Linearer Umrils von Hexanchus griseus nach Bonaparte. Hexanchus griseus, Kopf von der Seite; !/, nat. Gr. Hexanchus griseus, Gehirn in dorsaler Ansicht; '/, nat. Gr. Hexanchus griseus, Vagusgebiet; nat. Gr. Hexanchus griseus, ventrale Ansicht der Medulla oblongata; nat. Gr. Hexanchus griseus, Medianschnitt durch das Gehirn; nat. Gr. Hexanchus griseus, Übersichtsbild vom Bulbus olfactorius; 18fach vergr. Hexanchus gröseus, Glomeruli und Mitralzellen im Bulbus olfactorius. Oc. 2. Obj. DD. Hexanchus griseus, Traetus olfactorius. Oec. 2. Obj. DD. Hexanchus griseus, Bulbus Olfactorius. Oe. 2. Obj. DD. Centrina Salviani, äulsere Körperform; 1/, nat. Gr. Centrina Salviani, Kopf in dorsaler Ansicht, links bis über die Mitte sind das Gehirn und die angrenzenden Organe blolsgelegt; nat. Gr. Centrina Salviani, Sl em Länge, Gehirn von oben; nat. Gr. Centrina Salviani, Gehirn von oben, Original in Neapel. Linearer Umrils von Acanthias vulgaris. Acanthias vulgaris, Kopf in dorsaler Ansicht, links ist das Gehirn bis über die Mediane hinaus freigelegt; nat. Gr. Acanthias vulgaris, Decke des dritten Ventrikels; 6fach vergr. Acanthias vulgaris, Medianschnitt des Gehirns; 4fache nat. Gr. Acanthias vulgaris, Gehirn in dorsaler Ansicht; nat. Gr. Linearer Umrils von Spinax niger, ventral sind die im frischen Zustand stark leuchtenden Partien eingezeichnet; ?/, nat. Gr. Spinax niger, Kopf und Seitenlinie in nat. Gr. Spinax lucifer, Gehirn in dorsaler Ansicht; 11/,fach vergr. Spinax niger, Gehirn in dorsaler Ansicht; 2fach vergr. Spinax niger, Gehirn von der Seite; 3fach vergr. Spinax niger, Medianschnitt durch das Gehirn; 31/, nat. Gr. Centroscymnus coelolepis, äulsere Körperform, nach Vaillant. Oentroscymnus coelolepis, Gehirn in dorsaler Ansicht; 1/, nat. Gr. (Paris). Centrophorus granulosus, Gehirn in dorsaler Ansicht; nat. Gr. Oentrophorus granulosus, Medianschnitt des Gehirns; 1!/,fach vergr. Pristiophorus japonicus von 70 cm Länge, allgemeine Körperform; !/, nat. Gr. Pristiophorus japonicus, Kopf in dorsaler Ansicht, mit freigelegtem Gehirn. Aus- breitung der Fila olfactoria. 2fach vergr. Pristiophorus, Exemplar B, Gehirn im Kopfe freigelegt in dorsaler Ansicht; 2fach vergr. Pristiophorus, Exemplar B, Gehirn in dorsaler Ansicht, 2fach vergr. Pristiophorus, Exemplar B, Medianschnitt des Gehirns, öfach vergr. Pristiophorus japonicus, Exemplar D, Gehirn in dorsaler Ansicht; 2fach vergr. Äufsere Körperform von Echinorhinus spinosus nach A. Costa. Echinorhinus spinosus, Kopf in dorsaler Ansicht, rechts ist das Gehirn bis über die Mediane freigelegt; nat. Gr. Rud. Burckhardt, Das Zentral-Nervensystem der Selachier. Echinorhinus spinosus, dorsale Ansicht des Gehirns in der sehr geräumigen Schädel- höhle; nat. Gr. . Echinorhinus spinosus, Sagitalschnitt durch das Vorderhirn. Echinorhinus spinosus, Querschnitt durch die Fila olfactoria; 6fach vergr. Echinorhinus spinosus, Medianschnitt des Gehirns; 1!/,fach nat. Gr. Squatina angelus, äulsere Körperform; ?/, nat. Gr. Squatina angelus, Gehirn in dorsaler Ansicht; nat. Gr. Linearer Umrils von Cestracion galeatus; !/, nat. Gr. Cestracion Philippi, Kopf in dorsaler Ansicht, rechts ist das Gehirn bis über die Mediane hinaus blofsgelegt; 11/, nat. Gr. Cestracion Philippi, das Gehirn und die angrenzenden Organe sind links blofs- gelegt worden; nat. Gr. Oestracion galeatus, Medianschnitt des Gehirns; 3fach vergr. Oestracion Philippi, Plexus hemisphaerium von der medialen und rostralen Seite; 3fach vergr. Cestracion Philippi, Decke des dritten Ventrikels; Sfach vergr. Cestracion Philippi, Gehirn in dorsaler Ansicht; nat. Gr. Lineare Skizze von Chimaera monstrosa. COhimaera monstrosa, Horizontalschnitt durch den Schädel (zwei Schnitte kombiniert); 3/, nat. Gr. Chimaera monstrosa, Gehirn in dorsaler Ansicht; nat. Gr. Chimaera monstrosa, Gehirn von der Seite; nat. Gr. Chimaera monstrosa, die Rautenohren; 2fach vergr. Chimaera monstrosa, Schnitt durch die Lateralzone des Kleinhirns. Oc.2. Obj. AA. Chimaera monstrosa, Horizontalschnitt durch das Vorderhin. Oe. 2. Obj. AA. Chimaera monstrosa, Medianschnitt durch den Kopf, das Gehirn ist in toto dar- gestellt; 11/,fach vergr. Embryo von Chimaera monstrosa, Decke des dritten Ventrikels; 10Ofach vergr. Callorhynchus amtarcticus, Gehirn von der Seite; 2fach vergr. Callorhynchus antarcticus, Embryo von 7 cm Länge, Medianschnitt durch das Gehirn; 6fach vergr. 83 u.84. Callorhynchus antarcticus, Embryo von etwa 7 cm Länge, Lateralschnitt durch 85. das Gehirn; 6fach vergr. Callorhynchus antarcticus, Embryo von 7 cm Länge, Horizontalschnitt durch das Gehirn; 6fach vergr. Nova Acta Acad. ©. L. C. @. Nat. Our. Vol. XCIV. Tab. 1. Burckhardt: Zentralnervensystem der Selachier. Lichtdruck von Gebr. Plettner, Halle a, S. NOVA ACTA. Abh. der Kaiserl. Leop. Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher. Band XCIV. Nr. 2. Zur Prähistorie Nordwest-Nachsens. Übersicht über die vorgeschichtlichen Perioden und deren wichtigsten Vertreter in der Leipzig-Hallischen Gegend. Von Karl Hermann Jacob. Mit 36 Tafeln Nr. I—XXXVIM. Eingegangen bei der Akademie am 26. Oktober 1911. HALLE. 1911. Druck von Ehrhardt Karras, Halle a. S. Für die Akademie in Kommission bei Wilh. Engelmann in Leipzig. Vorwort. Vorliegende Arbeit über die Prähistorie Nordwest-Sachsens soll eine knappe Übersicht über die verschiedenen vorgeschichtlichen Perioden und deren wichtigsten Typen in zeitlicher Aufeinanderfolge bieten. In Mittel- deutschland gab es bisher nur wenige derartige Zusammenstellungen, für unser engeres Gebiet noch keine ausführlichen, im Gegensatz zu nordischen (Norddeutschland und Skandinavien) und südlichen Gebieten (Süddeutschland, Schweiz, Österreich), wo wir grundlegende Arbeiten für einzelne Perioden wie auch Gesamtdarstellungen besitzen. Das Material, auf das wir uns stützen können, besteht zum gröfsten Teil aus Einzel- und Zufallsfunden; auch ist bei uns die Forschertätigkeit noch viel zu jung, als dafs wir mit den für chronologische Fragen so über- aus wichtigen Arbeiten des Nordens und des Südens konkurrieren könnten. Wir mulsten uns darauf beschränken, das zum Teil recht gute und einzig- artige Material aus der Diaspora -in privaten und öffentlichen Sammlungen zusammenzuziehen, es zu sichten und dann in ein chronologisches Schema einzufügen. Dals letztere Arbeit nicht etwa darin bestand, neue Theorien aufzustellen, sondern vielmehr darin, einen Ausgleich -zwischen den ver- schiedensten Anschauungen zu bilden, liegt in der Natur der Sache. Ich habe mich deswegen im folgenden auch von allen Fragen ferngehalten, die ethnographische Probleme behandeln, denn auch hierin kann unser Material keine entscheidenden Worte sprechen, wohl aber bin ich etwas näher auf technische Betrachtungen eingegangen, wozu sich bei den zahlreichen Fund- segenständen reichliche Gelegenheit bot. x Als Fundgebiet habe ich vor allen Dingen die weitere Umgebung von Leipzig herangezogen, eine Fläche, die sich ungefähr mit der Amts- hauptmannschaft Leipzig deckt. Im Laufe der Arbeit stellte es sich jedoch 15* 116 Karl Hermann Jacob, Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. [4] heraus, dals ich ohne das Hallische Gebiet nicht auskommen konnte, da gerade hier infolge der Bedeutung der uralten Saline die wichtigsten Funde lagen. Der Gang in der Darstellung ist so gewählt, dafs bei der Schilderung der einzelnen Perioden ein geschiehtlieher Überbliek über ihre Erforschung vorausgeschickt wurde. Ich habe mich hierzu entschlossen, weil bei zahl- reichen Gesamtdarstellungen mitunter verschiedene Systeme aufgestellt sind, denen meist zwar gleiche Einteilungen, aber verschiedene Benennungen zugrunde liegen. Auf diese Weise sollen Verwechslungen vermieden, dann aber auch die grundlegenden Arbeiten hervorgehoben werden, die sonst sewöhnlich unter den anderen Literaturnachweisen verschwinden. Es ist mir eine angenehme Pflicht, allen denen verbindlichst zu danken, die mich durch Rat und Tat unterstützten und die mir vor allem ihr Material, das sie in langen Jahren mühseliser Sammeltätigkeit zusammen- gebracht haben, in selbstloser Weise zur Verfügung stellten. Von Behörden sind dies die Direktionen des Museums für Völkerkunde zu Leipzig, des stadtgeschichtlichen Museums zu Leipzig, der Königlichen prähistorischen Abteilung im Zwinger zu Dresden, der prähistorischen Abteilung des König- lichen Museums für Völkerkunde zu Berlin, des Provinzialmuseums von Halle, sowie der Vorstand der deutschen Gesellschaft zur Erforschung vater- ländischer Altertümer; von Privatsammlern die Herren Berger-Merseburg, Bernhardt-Leipzig, Näbe-Leipzig und Wiegand-Leipzig. Die Abbildungen sind meist nach eigenen Photographien hergestellt, doch verdanke ich viele Bilder den obengenannten Instituten. Das Stein- kistengrab von Merseburg ist nach Aufnahmen der König]. preufsischen Melsbildanstalt- Berlin reproduziert. Die Zeichnungen lieferten mir“ die Herren Fritz Baumgarten und A. K. Reinke-Leipzig. Die Größse der Reproduktionen ist derart, dals Tongefälse, Urnen und dergl. in '/, natürlicher Grölse, Beigaben dagegen nebst Waffen und Werkzeugen in '/; natürlicher Grölse wiedergegeben sind. Die Arbeit wurde am 25. Januar 1910 von der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig als Dissertation angenommen. Inhaltsverzeichnis. Seite IhiterätunverzeichTisguteN ES NE U U RES NIEREN ee ae 9 I. Einleitung. Geschichtlicher Überblick über die prähistorische Erforschung der Leipziger Gegend a le Sschdnrihent Dio AREA KINO ee te Peter Albinus (1589), der erste Prähistoriker Sachsens. „Die selbst- gewachsenen Töpfe‘. Die Donnerkeile. Anleitung zu prähistorischen Aus- grabungen aus dem Jahre 1825. Preuskers Tätigkeit. Das Dreiperioden- system. Deutsche Anthropologische Gesellschaft. Inventarisierung der sämt- lichen Funde im Königreich Sachsen durch die kgl. sächs. prähistorische Abteilung zu Dresden. Zentrale für Leipziger Forschungen im Museum für Völkerkunde. N@bırstegHauptipenioders@DiesSitejin zeigen vr 22 A, "Einteilung der„Steinzeit me DR ee ne ale en Au Lubbock teilt die Steinzeit in Paläolithicum und Neolithicum. Teilung des Paläolithieums an der Hand französischer Funde. Teilung des Neo- lithieums im Norden. In Mitteldeutschland unterscheidet Band- und Schnur- keramik Klopffleisch. Köhl gliedert die Bandkeramik in Röfsener Typus, Hinkelstein- Typus, Bogenbandkeramik. 22 BaMechniktdernsteinzeite. u 0. Mae al To A ER ee re Bas 2 SE ee 26 Feuerstein das geeignetste Material. Durch Schlagen und Pressen werden Späne hergestellt. Pfeilspitzen, Messer, Schaber. Geschliffene Feuersteinbeile. Sägen, Schleifen und Bohren der körnigen Gesteine. Die verschiedenen Beiltypen. Knochenwerkzeuge. Herstellen von Tongefäfsen durch Treiben und Aufeinandersetzen von Wülsten aus freier Hand ohne Drehscheibe. Formen und Ornamente im allgemeinen. C. Die Perioden der Steinzeit, ihre Charakteristica und wichtigsten Fundplätze . . 37 a) Das Paläolithieum. Offene Fundstellen. Sekundäre Lagerung. Faustspitzen, Messer, Handstücke, altpaläolithischen Charakters. b) Das Neolithicum. 1. Rössener Typus. Flachgräber. Hocker. Gefälsornamente. Nachahmungen des Flechtstils.. Beigaben: Steinbeile, Marmorperlen und -ringe, Flintgeräte. Tierknochen als Reste von Zehrung. 118 I. Iy Karl Hermann Jacob, 2. Hinkelstein-Typus. Wohnstättenfunde. Winkelbänder. Bomben- und schalen- förmige Gefälse. Trommeln. Ein Grab. 3. Bogen- und Spiralbandkeramik. Donauländischer Einfluls. Halbkuglige Schalen, flaschenartige Gefälse. Meist Ansiedlungsfunde, Gräber spärlich. 4. Schnurkeramik. Schnurornament. Ziekzack-, Fieder-, Spitzbogen- und Grübcehenmuster. Gefälsformen. Flachgräber, Hügelgräber, Steinkistengräber. Das Merseburger Steinkistengrab. 5. Keramik der Kugelflasche. D. Kultur und Zeitstellung der Steinzeit u: . Hüttenbau, Selshaftigkeit, Ackerbau während der Bandkeramik. Schmuck durch Anhängsel und Bemalen. In der Schnurkeramik Jäger- und Krieger- volk. Das indogermanische Urvolk in der Steinzeit sprachlich noch un- gegliedert. 4. und 3. vorchristliches Jahrtausend. Übergang von der Stein- zur Bronzezeit: Die Kupferzeit RER! Kupfer das erste Metall. Funde spärlich. Keramik der Glockenbecher. .Zweite Hauptperiode: Die Bronzezeit. A. Einteilung der Bronzezeit Ahr, Montelius teilt sie in sechs Perioden. Für unsere Gegend nach Beltz’s Vorgang: Frühe, mittlere und jüngere Bronzezeit; die beiden letzteren Perioden identisch mit dem älteren und jüngeren Lausitzer Typus. Frühe Bronzezeit — Unjetitzer Typus. B. Technik der Bronzezeit Bronze — etwa 90°/, Kupfer und 10°/, Zinn. Gufs nach der ver- lorenen und nach der festen Form. C. Die Perioden der Bronzezeit, ihre Charakteristika und wichtigsten Fundplätze 1. Frühe Bronzezeit — 1. Periode nach Montelius — Unjetitzer Typus. Ton- gefälse. Einzelfunde und Depotfunde. Ringe, Beile, Schwertstäbe, Dolche, Nadeln, Lanzen- und Pfeilspitzen. Bernstein. Goldfunde. Blüte der Bronzezeit. 2. Mittlere Bronzezeit — 2. und 3. Periode nach Montelius — älterer Lausitzer Typus. Vor allem Gräberfunde (Brandgräber). Die Aschenurnen und ihre Beigefälse. Beigaben von Bronze (Nadeln, Ringe, Messer). Das erste Glas. Depotfunde spärlich (Sicheln, Lappenäxte, Ringe). 3. Die jüngere Bronzezeit — 4. und 5. Periode nach Montelius — jüngerer Lausitzer Typus. Gefälsformen weniger streng, gefälliger. Tonhörner, Klappern in Vogelgestalt. Äxte sind zu Hohläxten entwickelt. D. Kultur- und Zeitstellung der Bronzezeit © I an BIT: 0.06 Schätze der Bronzezeit bedingt durch Salzhandel. Nebenher Ackerbau und Jagd. In der frühen Bronzezeit Skelettbestattung, in der mittleren und jüngeren dagegen Leichenbrand. Kupferzeit 2000—1800 v. Chr. Frühe Bronzezeit 1800—1600 v. Chr. Mittlere Bronzezeit 1600—1200 v. Chr. Jüngere Bronzezeit 1200 — 800. [6] 53 58 60 60 63 78 7] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 119 V. Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit: Die Hallstattzet . . . 2 .2..2...2.8 Das erste Auftreten des Eisens. Gräberfeld von Hallstatt charakte- ristisch für diese Zeit. Zeitlich — Billendorfer Typus — 6. Periode nach Montelius. Skelettbestattung. Als Beigaben: Wendelringe, Armringe, Nadeln und Ohrringe von Bronze und Eisen. 800 —500 v. Chr. VS Drittesklauptperiode-@DiesBusieinizen tier 5 A. Einteilung der Eisenzeit . . . . . 37 Einteilung möglichst durch geschichtlich belegte Funde (Münzen u. derg!.). La Tene-Zeit. Römische Zeit. Völkerwanderungszeit. Slavische Zeit. B. Die Perioden der Eisenzeit, ihre Charakteristika und wichtigsten Fundplätze 88 VS laslene- Zeiten seen ee DR SITBsIe TG ö 58 Erste vollentwiekelte vorrömische Eisenzeit. Einteilung nach Tischler in drei Perioden: Früh-, Mittel- und Spätperiode charakterisiert durch die Schwerter und besonders die Fibeln. Wieder Leichenbrand. Aschenurnen. Terra-nigra — erste auf der Drehscheibe gearbeitete, aber importierte Ton- ware. Auftreten der Korallen, die aus Südfrankreich importiert sind. Der Wall von Oberholz, ein latenezeitliches Wallsystem. 400 v.Chr. bis Chr. Geb. 10) SDiesprovanzial-römischewzieiiien Sr ee ; 8 Handel der Römer im freien Germanien. Tausch. La Tene-Kultur wird überflutet von römischen Importen und nimmt allmählich römischen Charakter an. Brandgräber im Anfang, später Skelettgräber. Urnen, besonders Mäanderurnen. Fibeln, Scheren, Lanzenspitzen. Schon mehr aus Eisen als aus Bronze. Depotfund mit Bronzeschüsseln, Kasserollen, Sieben. Campana supellex. Chr. Geburt — 400 n. Chr. 3. Die Völkerwanderungszeit REN ER 103 Funde bis jetzt noch sehr selten. Skelettgräber. Tongefälse immer noch aus freier Hand geformt. Glasbecher. Goldmünze. 400 —-600 n. Chr. 4: SIavischenBenodeee nr a u ee 0: In die durch die Völkerwanderung freigewordenen Gebiete rückten von Osten Slaven ein. Verhältnismäfsig niedere Kultur, bringen aber Töpfer- drehscheibe mit. Befestigungen. Spitz-, Hügel-, Ring- und Langwälle Zu- gleich Gerichts- und Opferstätten. 600—900 n. Chr. Vordringen der Deutschen unter Heinrich I. Allmählicher Übergang zur Geschichte. I. Tabellarısche, Übersichten me, De Ne 110808 Te Brklarıngengzu@denauT are] N Re N erh Drückfehleryerbesserungenin ur mn Pe ee N ee) > = Ds Er: Literaturverzeichnis. Almgren, Studien über nordeuropäische Fibelformen der ersten nachchristlichen Jahrhunderte. Stockholm 1897. Andree, Ethnologische Betrachtungen über Hockerbestattung. Archiv f. Anthrop. N. F. VI. 1908. Behla, Die Urnenfriedhöfe mit Tongefälsen des Lausitzer Typus. Lucka 1882. Beltz, Die Vorgeschichte von Mecklenburg. Berlin 1899. —, Die vorgeschichtlichen Altertümer des Grofsherzogtums Mecklenburg-Schwerin. Schwerin 1910. Berichte über die Tätigkeit der von der deutschen Anthropolog. Gesellschaft gewählten Kommission für prähistorische Typenkarten. Zeitschr. f. Ethnol. 1904, 1905, 1906, 1907. 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Es ist bekannt, dafs schon die alten Griechen und Römer vorgeschichtliche Funde, die ihnen nach Form und Material unbekannt waren, aufhoben und als Zeugen himmlischer Kräfte verehrten. Besonders waren es die Steinbeile, die ihre Phantasie anregten. Man nannte sie, wie auch heute noch vielfach, Donnerkeile (Keraunia von Keraunos — Donner) und sah in ihnen heilige, vor jeglichem Unfall schützende Symbole. Derselbe Glaube herrscht heute noch vielfach in deutschen Landen. „Ein solcher Keil fährt nach dem. Volksglauben mit dem Blitz in den Erd- boden so tief wie der höchste Kirchturm, und so oft es donnert, steigt er der Oberfläche näher, bis er sie nach sieben ‚Jahren erreicht hat, wo man ihn leicht finden kann. Jedes Haus bleibt vor dem Blitz gesichert, in welchem ein Donnerkeil aufbewahrt wird; er fängt an zu schwitzen, sobald sich ein Gewitter naht. Er selbst ist nach einem fast in allen Gegenden Deutschlands sehr verbreiteten Glauben unter den Landleuten, bei Menschen- und Viehkrankheiten von günstigem Erfolge“ (nach Preusker, Blicke in die vaterländische Vorzeit). Auch die Urnen mulsten sich eigenartige Deutungen gefallen lassen. So werden bei der ersten Erwähnung vorgeschichtlicher Funde auf sächsischem Gebiete einige in der Lausitz gefundene Urnen noch „selbstgewachsene Gefälse* genannt. Der kurfürstliche sächsische Sekretär 128 Karl Hermann Jacob, [16] Peter Albinus schreibt in seiner Meilsnischen Land- und Bergehroniks vom Jahre 1589: „Die Lausitzer, bei Lvbben (d.i. Lübenau in der Niederlausitz), nennen sie gewachsene Töpfe, denn eines T'heils des gemeinen Volkes nicht anders denken, als sollen sie in der Erde gewachsen seyn, gleichwie sie sich in Thüringen nicht anders bereden lassen, als haben sie die Zwerg gebraucht vnd hinter sich verlassen-wie denn auch ein Theil der Märker und Lausitzer bei Luben fast der Meinung seyn, es sollen die Zwerge noch leben, diese Gefess teglich machen, vnd also an die Orter setzen. Die Letzteren seyn der Meinung, das sie nur im Sommer können gegraben werden, derhalben sie aufserhalb der Sommerzeit in die 15, 18, 20 Schuch tief in der Erde liegen sollen; im Sommer aber vnd bald vmb Pfingsten nicht vber Eln tief, derhalben sie vmb dieselbe Zeit mit Eisengrabstückeln vnd scheiten hienaus gehen, mit welchen sie einer halben Eln oder tiefer in die Erden stossen, wenn sie nun fühlen, wo die Töpfe oder gefesse stehen (denn es, weil sie mit Steinen bedeckt im stechen wohl kann empfunden werden) vmbgraben sie sie, weil sie aber weich, lassen sie dieselben also vmbgraben ein weil stehen, bis sie hart werden, sonsten kann man sie nicht heraus- bringen, sondern sie zermalmen sich wie ein Asch.“ Wilhelm Schäfer gibt in seiner Sachsenchronik den Briefwechsel der Kurfürstin Anna wieder, die im Jahre 1566 sich einige dieser in der Erde gewachsenen „von keinem mentschen gemachten“ Urnen von dem Hauptmann der Erzgebirge Wolf von Schöneberg schicken lies. Zum letztenmale wohl wird diese Ansicht von natürlich gewachsenen Gefälsen in der Geographie des Grolsherzogtums Posen vom Jahre 1816 erwähnt. Die eigentliche wissenschaftliche Durchforschung unserer Heimat setzt erst mit dem Beginne des 19. Jahrhunderts ein. Im Jahre 1825 war zu Leipzig der sächsische Verein für Erforschung und Bewahrung vaterländischer Altertümer begründet worden. Gleich in dem ersten Bericht an die Mitglieder dieses Vereins gibt der Baukondukteur Bergner eine Anleitung. über prähistorische Ausgrabungen, die heute noch in vielen Punkten auf der Höhe steht und deswegen im folgenden wörtlich angeführt sei: [17] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 129 „l. In den Urnen der Anhöhen, Berge, Täler, Feldmarken, wenn sie auch verstimmelt sind, erkennt man die heidnische Vorzeit; sowie über- haupt Anhöhen und wüste Feldmarken in dieser Rücksicht zu beachten sind; 2. muls man auf die Orte aufmerksam sein, wo die Sage Geister erscheinen läfst und an denen das Irregehen haftet; wobei zu untersuchen, ob die Sage alt oder neu ist. Ist die Ursache der Geistererscheinung aus der Lokalität verloschen, so kann man sicher immer auf einen heidnischen Begräbnisplatz schliefsen; denn ihn haben die Nachkommen aus dem Ge- dächtnis verloren, aber die Geister sind geblieben. 3. Anzeigen geben auch die Irrwische oder Feuermänner auf Hoch- und Blachfeldern, welche an manchen Stellen des Nachts aufschiefsen und wandern; sie unterscheiden sich von den hellen Ilmsfeuern durch ihre blaue Farbe, und sie scheinen durch wirkliche Fäulnis und eine häufige Metall- oxydation von den in den Gräbern befindlichen metallenen Nadeln, Ringen und anderen Zierden, wie auch Waffen, entstanden zu sein. 4. Zuweilen führen die Schweine zu der Entdeckung der Gräber. Diese Tiere, von ihrem Geruch geleitet, graben gern nach FErdnüssen und daher auch in den fetten Boden, wo oxidiertes Metall befindlich ist, welches einen sülslichen, den der Erdnüsse ähnlichen Geruch hat. 5. Wenn bei März- und Aprilnebeln, die der Erde entsteigen, sich Plätze finden, die davon freibleiben, so ist zu vermuten, dafs hier ein Grab befindlich ist, weil darin harte Gegenstände sind, und keine Feuchtigkeiten ausdünsten können. 6. Wo viele Urnenscherben ausgeackert werden, die bei den T'oten- mahlen zerbrochen wurden, da finden sich gewöhnlich auch Begräbnisplätze. 7. Sieht man in einer Entfernung von etwa einer Stunde auf kahlen Bergen kleine Hügel, so ist zu vermuten, dass diese Hügel nicht von der Natur gebildet sind, sondern Gräber enthalten.“ Bergner erinnert auch daran, „dafs die Ungewilsheit, welchem Volke die Urnen gehören, durch Nebenumstände Licht erhalten kann, wie, wo und in welcher Verbindung mit den Toten sie liegen, wie die Gräber beschaffen sind, wie die Hügel, welche Form beide haben, wie die Lage der Toten, die Verzierung der Urnen, die Art der Beisetzung ist.“ Noya Acta XCIV. Nr.2. 17 130 Karl Hermann Jacob, [18] Dieser sächsische Verein erweiterte sich im Jahre 1827 zu der „Deutschen Gesellschaft zur Erforschung und Bewahrung vaterländischer Altertümer“* und wirkte als solcher auch fernerhin segensreich bei der Sammlung vorgeschichtlicher Funde Das älteste Material, das in der folgenden Arbeit verwendet worden ist, entstammt den Sammlungen der noch heute bestehenden Gesellschaft. Mit gleichen Zielen war in Halle der „Thüringisch-Sächsische Verein“ gegründet worden; er hat insofern grolse 3edeutung, als seine Sammlungen den Grundstock des heutigen Provinzial- museums zu Halle ausmachen. Nicht unerwähnt bleibe hier der Kg]. Sächs. Bibliothekar Dr. Gustav Klemm in Dresden, der im Jahre 1836 sein „Hand- buch der germanischen Altertumskunde* herausgab. Er verarbeitete hierin die Überlieferung der Geschichtsschreiber des Altertums und des früheren Mittel- alters. Bei seiner Beschreibung der Kulturobjekte aus sächsischen Ländern stützt er sich aber nicht auf eigene Untersuchungen, sondern auf die des Rent- amtmannes Karl Preusker in Grolsenhain. Preusker ist bei der syste- matischen Untersuchung sächsischer Vorgeschichte an erster Stelle zu er- wähnen. Seine „Blicke in die vaterländische. Vorzeit“, die im Jahre 1841 zu erscheinen begannen, stellen das bis dahin bekannte sächsische vor- geschichtliche Material in glänzender Zusammenfassung dar. Sie sind auch heute noch für jedermann interessant zu lesen, denn sie bieten, obschon das grolse System in ihnen fehlt, mit ihren zahlreichen Hinweisen auf ähnliche Funde, Exkursen über Sagen und Spukgestalten eine anregende Lektüre. Im Jahre 1841 erschien auch von ihm in den Berichten an die Mitglieder der deutschen Gesellschaft eine „Nachricht von einigen mutmasslichen heid- nischen Erdwällen zwischen Leipzig, Leisnig und Mutschen.“ Hier gibt er schon eine ziemlich ausführliche Nachricht über sogenannte slavische Rund- wälle, die dadurch besonders wertvoll ist, weil einige dieser vorgeschichtlichen Zeugen leider schon verschwunden oder nur noch in Resten erhalten sind. Aber allen diesen Untersuchungen haftet hier grolser Mangel an. Man ist sich noch nicht klar über die Herkunft jener Altertümer. Die Berichte der deutschen Gesellschaft aus diesen Jahrzehnten sind zwar voll von Aufsätzen, in denen man sich über die germanische oder slavische Herkunft der vorgeschichtlichen, oder wie man sie nennt, heidnischen Be- gräbnisplätze streitet; eine Entscheidung konnte aber nie getroffen werden, 19] Zur Prähistorie Nordwest- Sachsens. 131 da man einzelne Unterschiede zwischen den heute anerkannten Perioden noch nicht machen konnte. Die Erkenntnis dieser Periodenteilung wurde uns erst durch norddeutsche und dänische Untersuchungen gebracht. Ganz unabhängig voneinander kamen drei Forscher zu der gleichen Zeit bei ihren Untersuchungen zu dem Ergebnis, dafs man die gesamte grolse vorgeschicht- liche Zeit in drei Perioden, von denen eine auf die andere folgte, teilen könne. Es waren der Museumsdirektor Thomsen in Kopenhagen, der Rektor Danneil in Salzwedel und der Archivar Lisch in Schwerin. Man stritt sich später heftig darum, wer von diesen drei Forschern als erster die Dreiteilung in Stein-, Bronze- und Eisenzeit vorgenommen hätte. Es mag wohl in der Zeitströmung gelegen. haben, dafs alle drei Forscher gänzlich unabhängig voneinander und zur gleichen Zeit zu denselben Er- gebnissen gekommen sind. Thomsen tritt nur dadurch hervor, dals seine Untersuchungen nicht wie die der beiden anderen Forscher vergessen, sondern immer erwähnt und später noch ausgebaut wurden, zumal sie auch am klarsten dargestellt waren. Es war T'homsen als Direktor der dänischen Altertumssammlungen zu Kopenhagen aufgefallen, dafs in den an das Museum eingeschiekten Funden von Steinaltertümern solche aus Metall nicht vorhanden waren, dals dagegen bei Bronzefunden nur diese vertreten waren, und dafs sich diese beiderlei Fundobjekte in ihrem Charakter vollständig von Eisensachen unterschieden. Er nahm diese Dreiteilung sämtlicher vorgeschichtlicher Funde zunächst bei der Aufstellung in den Sammlungen vor, fand aber später, dafs diese Teilung auch chronologische Berechtigung habe, indem die Bronzealtertümer auf die von Stein folgten und als letzte Periode die der Eisensachen zu betrachten sei. So hatte er das grolse Dreiperiodensystem gefunden, das von so grolser Wichtigkeit für die Vorgeschichtsforschung wurde und heute noch die wichtigste Grundlage für chronologische Untersuchungen ist. Auf ähnlichem Wege waren Danneil und Lisch zu einem gleichen Resultate gekommen. Thomsens grund- legende Arbeit erschien im Jahre 1836 unter dem Titel „Ledetraad for nordisk Oldkyndished“ und wurde schon im Jahre 1837 unter dem Titel „Leitfaden zur nordischen Altertumskunde“ ins Deutsche übersetzt. Leider unterblieben in den folgenden Jahrzehnten weitere syste- matische Untersuchungen in unserer Gegend. Rüstig aber wurde in 17% 132 Karl Hermann Jacob, [20] anderen Teilen Deutschlands auf der Grundlage des Dreiperiodensystems weiter gearbeitet. Besonders lobenswert zu erwähnen sind hier die An- regunsen, die von der „Deutschen Anthropologischen Gesellschaft“ sowohl, wie von der „Berliner Anthropologischen Gesellschaft“ ausgingen. Zwar wurde in Leipzig Ende der 1880er Jahre eine Sektion der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft gegründet, sie scheint sich aber nicht lange gehalten zu haben. Eine, wenigstens in Leipzig führende Rolle spielte da- gegen der „Verein für die Geschichte Leipzigs“, der schon in den 1870 er Jahren mit der Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer begonnen hatte. Der deutschen Gesellschaft fehlten schon seit langen Jahren die Männer, die eine systematische Forschung in die Hand genommen hätten. So war es nur erklärlich, dafs die Sammlung und Erhaltung vorgeschichtlicher Funde Privatleuten überbleiben mufste, von denen auch eine ganze Reihe in diesen Jahren systematisch gearbeitet hat. Eine neue Anregung für die Privat- sammler kam aus Dresden, wo der Direktor der dortigen prähistorischen Sammlung, Professor Dr. Deichmüller, mit der Inventarisierung sämtlicher sächsischen Funde vom Ministerium beauftragt worden war. Das erste Resultat dieser amtlichen Forschungen war ein Abschnitt über „Sachsens vorgeschichtliche Zeit in Wuttkes sächsischer Volkskunde“ von der Hand Deichmüllers, Dresden 1900. Es ist dies die erste systematische Gesamt- darstellung vorgeschichtlicher Kultur im Königreich Sachsen. Angeregt durch diese Ausführungen konnte dann im Jahre 1904 der eifrigste Privat- sammler der Leipziger Gegend, F. Max Näbe, in den Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs die erste zusammmenfassende Arbeit über Leip- ziger Vorgeschichte unter dem Titel „Die vorgeschichtliche Besiedlung der Leipziger Gegend“ erscheinen lassen. In den letzten Jahren ist es der Direktion des Museums für Völkerkunde zu Leipzig gelungen, ihre eigene kleine Sammlung mit der zahlreicher Privatsammler zu einer grofsen gemeinschaftlichen Ausstellung zu verbinden. Fleifsig ist in den letzten Jahren auf vorgeschichtlichem Gebiete von vielen Seiten gearbeitet worden. Das Resultat genauerer Untersuchungen waren zwei Publikationen des Leipziger Museums für Völkerkunde, die im Jahre 1908 unter folgenden Titeln erschienen: [21] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 133 F. Max Näbe: „Die Steinzeitliche Besiedlung der Leipziger Gegend unter besonderer Berücksichtigung der Wohnplatzfunde.*“ Heft 3 der Veröffent- lichungen. j K. Jacob: „Die La Tenefunde der Leipziger Gegend, ein Beitrag zur vor- geschichtlichen Eisenzeit der Leipziger Tieflandsbucht.* Jahrbuch II. Aber noch lange nicht ist das gesamte Material erschöpft, das in vielen Sammlungen aufs neue vergraben liegt. So scheint es wohl an der Zeit, einmal eine zusammenhängende Darstellung vorgeschichtlicher Kultur- perioden des nordwestlichen Königreich Sachsens und seiner angrenzenden Gebiete zu geben. II. Erste Hauptperiode: Die Steinzeit. A, Einteilung der Steinzeit. Nachdem das Dreiperiodensystem Licht in das Dunkel der vor- geschichtlichen Zeit gebracht hatte, war man bemüht, die drei gro/sen Haupt- perioden in verschiedene Epochen zu teilen. Bei der Steinzeit geschah dies zuerst im Jahre 1866. John Lubbock teilte nämlich die Steinzeit in eine ältere und eine jüngere Periode. Die ältere, das Paläolithieum, nannte er die Zeit des geschlagenen Steines, die jüngere, das Neolithicum, die des ge- schliffenen Steines und hob hierdurch gleichzeitig treffend die Unterschiede zwischen jenen beiden Hauptabschnitten hervor. Dem Paläolithicum wurde bald darauf eine noch ältere Periode, das Eolithicum vorausgesetzt, nämlich im Jahre 1867 in Frankreich durch Bourgeois. Anerkennung fanden die Eolithen seit zirka 1890 in England durch Prestwich, neuerdings haben sie rührige Verteidiger in den beiden Forschern Rutot (Brüssel) und Klaatsch (Breslau) gefunden. Die Unterscheidung zwischen diesen drei Perioden ist bedinset: 1. durch die geologische Lagerung und 2. die typische Beschaffenheit ihrer Werkzeuge. Als Eolithen bezeichnet man solche Kieselgeräte, die zweifellos ein- mal in Menschenhand als Werkzeuge gedient haben. Sie wurden aber so gebraucht, wie sie als Knollen gefunden waren; nur ab und zu wurde eine hindernde Ecke an ihnen entfernt, damit sie besser in die Hand palsten. Infolgedessen weisen sie nur Spuren von solchen Abspleissungen auf, die durch [23] Karl Hermann Jacob, Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 135 den Gebrauch entstanden sind. Unter Paläolithen versteht man solche Feuer- steine, die durch Druck oder Schlag absichtlich zu bestimmten Formen um- gearbeitet wurden, zu dem ausgesprochenen Zweck, sie als Werkzeuge zu benutzen. Neolithen nennt man alle diejenigen Werkzeuge, die ebenfalls absichtlich durch Schlag und Druck hergestellt wurden, meist aber noch (namentlich wenn es sich um gröfsere Objekte wie Beile, Meilsel und dergl. handelte) geschliffen und poliert wurden. Eolithen sind in unserer Gegend bis jetzt noch nicht nachgewiesen. Die Paläolithen entdeckte man zuerst mit dem Beginne des 19. Jahrhunderts in Frankreich. Hier ist überhaupt der klassische Boden für paläolithische Untersuchungen. Viel später erst erkannte man, dals auch Deutschland nicht arm an paläolithischen Nieder- lassungen gewesen sei. Das chronologische Schema wurde auf französischem Material aufgebaut. Gabriel de Mortillet brachte 1869 die erste Einteilung des Paläolithieums in verschiedene T'ypenklassen, die nach ihren wichtigsten Fundorten den Namen erhielten. Umfangreicher gestaltete er sein Schema 1883 in seinem Buche: Le pre£historique, antiquite de ’homme. Er stellte hierin folgende Stufen auf: Chell&en, Mousterien, Solutreen, Magdalenien. Spätere Untersuchungen ergaben, dafs zwischen die beiden ersten noch das Acheuleen zu bringen sei. Neuere Forschungen, die besonders von Abbe Breuil und Dr. H. Obermaier betrieben wurden, brachten eine weitere Stufe im Aurignacien, das vor das Solutreen zu setzen ist. Es ergeben sich demnach folgende sechs Stufen: 1. Stufe von Chelles (bei Paris); 2 „ &t. Acheul (bei Abbeville Dep. Somme); 3: In „ Le Moustier (Dep. Dordogne); 4 2 „ Aurignae (Dep. Haute-Garonne) ; „ Solutr& (Dep. Saöne et Loire); 5 „ La Madeleine (Dep. Dordogne). [SY 6. Die ersten drei Stufen werden zum Altpaläolithieum zusammengefafst, die letzten drei zum Jungpaläolithicum. Wir haben nur wenige Paläolithen aus unserem Gebiete, zahlreicher sind die Funde der jüngeren Steinzeit, des Neolithicums. Es lag in der Natur der Sache, dafs man versuchte, auch die jüngere Steinzeit wieder 136 Karl Hermann Jacob, [24] in einzelne Unterabschnitte zu teilen, die zeitlich aufeinanderfolgen. Im Norden, wo man die erolsen Steingräber hat, gelang dies wohl am ersten, und heute ist man so weit, dafs man an der Hand des Gräbermaterials vier Perioden des Neolithicums unterscheiden kann: 1. Zeit der Gräber unter Bodenniveau; 2. Zeit der Dolmen; 3. Zeit der Ganggräber; 4. Zeit der Steinkistengräber. In unserem mitteldeutschen Gebiete fehlen die charakteristischen Grab- bauten, die in ihrer monumentalen Gröfse der nordischen Landschaft oft ein eigenartiges Gepräge verleihen. So war man hier auf andere typische Erscheinungen angewiesen. Klopffleisch in Jena war wohl der erste, der in systematischen Unter- suchungen darauf hinwies, dals uns das keramische Material der Steinzeit Anhaltepunkte zu einer Teilung der Periode geben könnte; in seiner „Charakteristik und Zeitfolge der Keramik Mitteldeutschlands“, Halle 1883, brachte er hierfür die ersten Hinweise. Er betonte mit Recht, dafs die Tongefäßse im Gegensatz zu Stein- oder Metallarbeiten für Zeitbestimmungen besonders durch ihre geringe Haltbarkeit und ihre Häufigkeit wertvoll seien. Stein- oder Metallgegenstände können Jahrhunderte lang infolge ihrer Dauer- haftigkeit im Gebrauch sein, Tongefälse dagegen zerbrechen sehr leicht und müssen immer wieder neu angefertigt werden. Deckt man ein Grab aus vorgeschichtlicher Zeit auf, so kaun man bei den Tongeräten ziemlich sicher sein, dals sie noch nicht allzulange vor der Herstellung des Grabes angefertigt wurden, während dagegen Geräte aus festerem Material schon jahrelang in Gebrauch gewesen sein können und dann nicht gleichaltrig mit dem Grab sind. Die Tongefälse der Steinzeit tragen mannigfache und reiche Verzierungen auf ihrer Oberfläche; diese können als Charakteristika der verschiedenen Unterstufen herangezogen werden. Es mag vielleicht auf den ersten Augen- blick nicht als einwandfrei erscheinen, Ornamente, die ja in beliebiger Mannigfaltigkeit durch Kombination von senkrechten, wagerechten und schrägen Strichen oder auch Bogenlinien hergestellt werden können, als Charakteristika anzusehen, aber die Untersuchung des geradezu massen- [25] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 187 haften keramischen Materials zeigte den Forschern, dafs einige wenige, immer wieder angewandte Verzierungen in der Tat grofsen Kulturepochen eigentümlich sein und oft die einzigen Anhaltspunkte für deren Unter- scheidung darstellen können. Klopffleisch unterschied an steinzeitlichen Gefälsen zwei Haupt- verzierungsarten: a) das Schnurornament, das durch Eindrücken einer Schnur in den weichen Ton hergestellt wurde, und b) das Bandornament. Zwei oder mehrere parallele Linien sind in grolsen Zügen und verschiedenen Mustern in die Oberfläche des Gefälses eingraviert. Damit waren die beiden grolsen Perioden der Schnur- und der Band- keramik erkannt. Es handelte sich nur noch darum, nachzuweisen, welche von diesen beiden Perioden älter sei. Klopffleisch und mit ihm sein Schüler Götze traten für das höhere Alter der Schnurkeramik ein. Heute ist man namentlich auf Grund genauer Untersuchungen von Gräbern zu dem Resultat gekommen, dals die Bandkeramik älter ist als die Schnur- keramik. Nachdem man diese beiden Unterabteilungen gefunden hatte, strebte man eine Teilung auch dieser Perioden an. Besonders gab hierzu die Band- keramik Anlafs, die mannigfache Variationen aufweist. Der Wormser Forscher Köhl unterschied folgende drei Perioden in zeitlicher Auf- einanderfolge: a) ältere Winkelbandkeramik — Hinkelstein-T'ypus, b) jüngere Winkelbandkeramik — Rössener Typus, c) Bogen und Spiralbandkeramik. Die Ausdrücke ältere und jüngere Winkelbandkeramik sind nicht glücklich gewählt, da die Meinungen noch sehr darüber geteilt sind, ob dem Hinkelstein-Typus oder .dem Rössener Typus das höhere Alter zuzuschreiben ist. Dem Dekorationscharakter nach sind der Rössener Typus und der Hinkelstein-Typus nahe verwandt, denn beide zeigen Tiefstichverzierung. Ihren Gefäfsformen nach gehören der Hinkelstein-Typus und die Bogen- und Spiralbandkeramik nebeneinander, denn beide zeigen die „Bombenform“. Noya Acta XCIV. Nr. 2. 18 138 Karl Hermann Jacob, [26] Diese Betrachtungen lehren uns, dals man sich im Kreise der Forscher seibst noch nicht klar über das relative Alter der charakteristischen Kera- miken ist. Die Schnurkeramik selbst hat man nicht wieder geteilt, ihr dagegen einige Gruppen angegliedert. Es sind dies die Kugelamphore und der Glockenbecher. Eine genaue Zusammenfassung aller dieser keramischen Streitfragen mit ausführlicher Literaturangabe bietet Wilke in seiner Arbeit „Neolithische Keramik und Arierproblem“, Archiv für Anthropologie. Neue Folge, Band VII, Heft 4, Braunschweig 1909. An sein Schema habe ich mich in dieser Arbeit im grolsen und ganzen angeschlossen, nur habe ich den Rössener Typus vor den Hinkelstein-Typus gesetzt, da letzterer immer mit der Bogenbandkeramik vergesellschaftet ist, ersterer dagegen mit Ausnahme von Rössen selbst nie wieder auftritt. Danach ergäbe sich hier für unsere Gegend folgende Gliederung der jüngeren Steinzeit: 1. Bandkeramik. a) Rössener Typus, b) Hinkelstein-Typus, c) Bogen- und Spiralbandkeramik. 2. Schnurkeramik. 3. Kugelamphoren. 4. Glockenbecher. B. Technik der Steinzeit. Bevor wir auf nähere Untersuchungen der einzelnen Gruppen in der Steinzeit eingehen, müssen wir uns erst mit den verschiedenen Techniken vertraut machen, die während der Steinzeit angewandt wurden. Wie der Name Steinzeit andeutet, sind die meisten Kulturobjekte, die aus dieser Periode auf unsere Tage gekommen sind, aus Stein gefertigt. Metall kannte man noch nicht, dagegen wurden auch häufig andere Stoffe: Knochen, Horn und Holz verwandt, die aber nicht so dauerhaft wie Stein, in der Erde leichter der Zersetzung anheim fielen und so nur seltener uns erhalten geblieben sind. Während der älteren Steinzeit hatte man fast ausschließlich eine Steinart für Waffen und Werkzeuge als Material ausgesucht, den Feuerstein, [27] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 139 auch Flint genannt. Feuerstein ist ein graues oder schwarzes Kieselgestein mit hervorragend muschligem Bruch. Die scherbenartigen Bruchstücke sind aulserordentlich scharfkantig und in dünnen Stücken durchscheinend. In primärer Lagerung findet sich der Flint meist in lagenweise aneinander- gefügten Knollen in der Schreibkreide. Bekannt als anstehende und heute noch ausgebeutete Kreidefelsen sind Dover, Calais, Aachen, Wollin und besonders Rügen. Aus dem baltischen Kreidegebiet stammen auch alle Flintknollen, die in unserem Gebiete auftreten. Sie finden sich als erratische Blöcke mitten im Geschiebelehm, der ja als Grundmoräne jener grolsen Gletscher anzusehen ist, die, während der Eiszeit aus ihrer nordischen Heimat kommend, unsere Gegend südlich bis zum Nordrande des Erzgebirges ganz und gar überdeckten. Seiner Beschaffenheit nach kann man von ihm drei verschiedene Sorten unterscheiden: grolssplittrigen, kleinsplittrigen und kalkigen Feuer- stein. Der Mensch der Steinzeit kannte sicherlich auch schon diese Eigen- schaften des Flintes, den leieht zerbröckelnden kleinsplittrigen finden wir nie, den grolssplittrigen dagegen fast ausschliefslich zu langen Lamellen (Messern, Schabern, Pfeilspitzen) oder auch zu grölseren Waften (Dolchen, Lanzenspitzen und Beilen) verarbeitet, den kalkigen bevorzugte man in späteren Zeiten wegen seiner geringen Härte zu solchen Flintbeilen, die geschliffen und poliert wurden. Wie aber, so hat man sich oft gefragt, war der Mensch jener Zeiten, in denen es noch kein Metall und sonstige Hilfsmittel gab, imstande, so prachtvolle Feuersteinarbeiten auszuführen, wie wir sie in allen unseren Museen bewundern können. Auskunft hierüber geben uns die Völker, die noch in unseren Tagen auf derselben Stufe der steinzeitlichen Kultur stehen oder doch bis vor kurzem standen, wie die Menschen in grauer Vorzeit. Zwar ist es nicht der Feuerstein, der von ihnen verarbeitet wird, sondern ein diesem in seinen Eigentümlichkeiten ähnliches Gesteinsmaterial; die Bearbeitungsmethode ist jedoch die gleiche. Weit verbreitet in seinem Vor- kommen wie in seiner Benutzung ist der Obsidian, ein dunkelbraunes oder grünes bis schwarzes Glas vulkanischen Ursprungs. Einige Völkerschaften, wie die Australier und Feuerländer, bedienen sich neuerdings bei Herstellung ihrer Pfeilspitzen sogar des modernen Flaschenglases oder der Porzellan- isolatoren der Telegraphenleitung. 18* 140 Karl Hermann Jacob, [28] Bei der Anfertigung der Feuersteingeräte kommt es darauf an, aus einem grolsem Blocke kleinere, für die Hand passende Scherben oder Stücke herauszuschälen. Dies kann auf verschiedene Arten erreicht werden: erstens durch Behauen mit Feuersteinknollen oder anderen etwa faustgrolsen Steinen, zweitens durch Absprengen langer Späne, drittens durch Abdrücken oder Abquetschen feinerer Splitter und viertens durch Abschleifen hindernder Ecken und Kanten. Die erstgenannte Methode ist die einfachste Form der Feuersteinbearbeitung und fand hauptsächlich Anwendung bei den primitiven Faustkeilen unseres Paläolithieums (Fig. 1), später aber noch bei groben Vor- arbeiten, die erst durch feinere Arbeiten eine gefällige Form erhielten. Die zweite Art, bei der man Späne nicht abschlägt, sondern durch starken Druck absprengt, hat den Vorteil, dafs die einzelnen Späne bedeutend länger werden und als Messer gebraucht werden können. Über die Her- stellung ähnlicher Messer aus Obsidian schreibt Torquemada, der im 16. Jahrhundert Mexiko bereiste, etwa folgendes: Der indianische Messerverfertiger setzt sich in hockender Stellung auf den Erdboden, zwängt einen geeigneten Obsidianblock zwischen den Fülsen gleichwie in einem Schraubstock fest, nimmt einen Stab zur Hand, setzt ihn mit dem einen Ende auf die Kante des Obsidianblockes und stemmt sich mit der Brust gegen das andere Ende. Durch einen kurzen ergiebigen Druck sprengt er von dem Blocke grolse Lamellen ab. Die Hauptsache hierbei ist, dals der Druckstab an seinem auf dem Stein aufsitzenden Ende eine einer Sägezahnlücke ähnliche Vertiefung hat. Hierdurch erhält der Druckstab einen festen Stützpunkt, und die ganze Kraft wird auf eine Stelle konzentriert. Die Feuerländer und Eskimo haben eine den Indianern ähnliche Herstellungsweise, nur verwenden sie als Druckstäbe meist Knochen oder Renstangen. Vor dem Gebrauch werden diese eine zeitlang in heilses Wasser gelegt, denn dadurch werden sie weicher, und die Feuersteinkante erzeugt einen genügend tiefen Eindruck, der je nach seiner Tiefe es ermöglicht, dünne oder dicke Späne abzupressen. In unserem Gebiete haben wir mehrfach Wohnstätten aufgedeckt (so z. B. bei Eutritzsch und Pegau), wo Feuersteinarbeiter ihre Werkstätten gehabt haben müssen. Wir finden hier neben zahlreichen Abfüllstücken und einzelnen Messern noch die Kernstücke (Nuclei), an denen man deutlich [29] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 141 erkennen kann, wie die Späne abgesprengt wurden. Fig. 2 zeigt einen solchen Nucleus. Die Späne selbst sind an ihrer unteren Seite vollkommen glatt, während die Oberfläche zwei oder drei Längssprungflächen mit da- zwischen sich erhebenden Rippen zeigt (Fig. 3). Dort, wo durch den Druck das Messer vom Kernstein abgesprengt ist, zeigt sich stets eine Verdiekung, die sogenannte Schlagmarke oder Schlagzwiebel (Fig. 4). Die Schneiden dieser Späne sind, wie alle Kanten des Feuersteines haarscharf und so die gegebenen Messer der Steinzeitmenschen. Die Späne waren aber auch das Rohmaterial für feinere Feuerstein- arbeiten, und damit kommen wir zur dritten Bearbeitungsmethode. Das Inventar der Steingeräte weist mancherlei Formen auf, die durch bestimmte Linienführung immer wieder dieselbe Gestalt erhielten, wie z. B. Dolche, Lanzen und Pfeilspitzen. Sie sind meist so fein und so zierlich gearbeitet, dals man dies durch einfache, wenn auch noch so sanfte Schläge nie erreicht haben würde. Man half sich dadurch, dafs man mit gekerbten Geräten aus Holz oder Horn einzelne Teile gröfserer Späne abzwickte oder abbröckelte, ähnlich wie man heute in chemischen Laboratorien Glasplatten mittels Kneipzangen jede gewünschte Form gibt. Auf diese Weise wurden hauptsächlich die Pfeil- und Lanzenspitzen, die wir später noch näher kennen lernen werden, hergestellt (Fig. 5). Eine besondere Art der Pfeil- spitzen, die für die Bandkeramik überaus charakteristischen querschneidigen Spitzen, erfuhren eine besondere Behandlungs. Ein breiter Span wurde in kleine Stücke quer durchgeschlagen. Die obere scharfe Kante lies man stehen, nur der übrige Teil wurde durch Abbröckeln schmäler gemacht und in einen Dorn für die Schäftung umgewandelt (Fig. 6a u. b). Diese Methode des allmählichen Abbröckelns kleiner Splitter wird in Frankreich „retuschieren“ genannt. Der Ausdruck ist in die deutsche Literatur fast allgemein aufgenommen worden, obwohl man dafür Ausdrücke wie „dengeln“ oder „muscheln“ vorgeschlagen hat. Es mufs betont werden, dals man zweierlei Retuschen unterscheiden muls. Erstens die Retuschen, die absichtlich angewandt wurden, um eine bestimmte Form zu erhalten, zweitens aber Retuschen, die namentlich an Messern und Schabern auftreten und vollständig unbeabsichtigt allein durch die Abnutzung beim Gebrauch 142 Karl Hermann Jacob, [30] entstanden sind. Letztere nennt man, eigentlich nieht ganz logisch, Gebrauchs- retuschen. Eine srolse Umwälzung und zugleich Erleichterung in der Herstellung der Steingeräte brachte die Kenntnis des Steinschleifens. Allmählich hatte man ja gelernt, wundervolle Geräte, (ich erinnere nur an die grolsen Flint- dolche nordischer Arbeit), durch Schlag und Druck herzustellen, aber einen grolsen Nachteil hatte diese Methode. Man mulste, namentlich bei grölseren Stücken, jederzeit gewärtig sein, dals ein allzu starker Schlag oder Druck noch in letzter Minute die Arbeit mühsamer Stunden durch einen Sprung vernichtete. Jetzt brauchte man den Beilen nur eine ungefähre Form durch Schlag zu geben, die sorgfältige Gestaltung geschah durch Schleifen auf einer festen Grundlage, vielleicht einer Granitplatte oder dergl. unter Zuhilfe- nahme von scharfem Sand und Wasser (Fig. 7). Die Härte des dunklen, grofssplittrigen Flintes war jetzt eher zum Nachteil als zum Vorteil, und so finden wir denn jetzt auch meist den weicheren Kalkflint zu Beilen nnd Meilseln verarbeitet. Zu Messern, Pfeil- und Lanzenspitzen, die nicht ge- schliffen wurden, suchte man sich dagegen nach wie vor das altbewährte scharfkantige Material aus. Nachdem man einmal die Kunst des Schleifens erfunden hatte, war man nicht mehr an das eine Material, den Feuerstein, gebunden. Man konnte auch andere Gesteine verarbeiten, die man früher wegen ihrer geringen Sprödigskeit und ihrer grofsen Zähigkeit nicht hatte verwenden können, denn vielen kann man zwar nicht durch einfache Schläge, wohl aber durch sorgfältiges Schleifen eine scharfe Schneide geben. Die etwa 2000 Stein- beile, die in unserem Gebiete gefunden worden sind, bestehen zum grölsten Teil aus dem festen, feinkörnigen und dadurch zähen Amphibolitschiefer. Seltener finden sich Gesteine, wie Diabas, Grauwacke und Kieselschiefer; nur ganz vereinzelt tritt Granit auf. Eine Anzahl Steinbeile aus der weiteren Umgebung von Halle hat Luedecke petrographisch untersucht.) Das Material zu all diesen Gesteinen ist in unserer Umgegend durch die erratischen Blöcke gegeben, die sich in dem alles überdeckenden Geschiebe- lehm finden. 1) Luedecke, Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder. I. Halle 1902. [31] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 143 Die einfachste Form eines geschliffenen Steinbeiles ist ein Geröll, das vom Erdboden aufgelesen, auf einer Schmalseite angeschliffen wurde (Fig. 8). Da man aber nicht viel so geformte Gerölle finden konnte, mu/ste man darauf bedacht sein, sich aus grölseren Blöcken Material heraus- zuschlagen. Ein Musterbeispiel für diese Herstellungsweise bietet der Depot- fund von Klein-Dölzig (westlich von Leipzig). Hier fand man neben einer aus einem Block herausgeschlagenen Platte von Amphibolgestein, zwei Stein- stücke, die schon zu der Form der Steinbeile zugeschlagen waren, ein grolses Beil, das durch Wegsägen der einzelnen Kanten für die Bohrung fertiggestellt war, und zuletzt ein fertiggearbeitetes Beil (Fig. 9—11). Wir sahen eben, dafs man zu der Kunst des Schleifens auch die des Steinsägens und Steinbohrens erlernt hatte. Früher glaubte man nicht, dafs dies ohne Anwendung von Metall möglich sei und rechnete daher die durch- bohrten Steinbeile zu der Kultur der Bronzezeit. Praktische Versuche!) zeigten aber, dals man dies sehr wohl ohne Anwendung von Metall fertig- bringen kann. Nimmt man nämlich einen Stab von Holz oder Knochen, setzt ihn auf den Stein, bringt zwischen beide Sand und Wasser und ver- setzt den Stab in schnelle Rotierung, so wird man gewahr werden, dals sich bald eine Vertiefung zeigt. Das ist die einfachste Methode der Bohrung, die sogenannte Vollbohrung. Eine bedeutende Vervollkommnung der Bohr- methode erreichte man dadurch, dafs man nicht einen vollen Stab, sondern einen hohlen, etwa einen Röhrenknochen in Anwendung brachte. Hierdurch sparte man einen inneren Kern aus, der zuletzt ausfiel (Fig. 12 u. 13). Diese Methode der Hohl- oder Zentralbohrung findet heute noch, nur in vervollkommneterem Malse, Anwendung; z. B. beim Ausbohren der Kanonenrohre oder der Schielslöcher bei Tunnelbauten. Naturgemäls ist die Stelle neben der Durchbohrung für Brüche am empfindlichsten. Wir finden viele der Steinbeile gerade hier zerbrochen. War die untere Hälfte noch grofs genug, so durchbohrte man das Beil einfach noch einmal unter der Bruchstelle (Fig. 14). War eine derartige Durchbohrung nicht möglich, so half man sich mit Querbohrung. So konnte man das 1) Charles Rau, Drilling in stone without the use of metals. 1869. 144 Karl Hermann Jacob, [32] Beil wenigstens noch als Keil beim Holzspalten oder dergl. Arbeiten be- nutzen (Fig. 15). Ähnlich wie das Bohren gestaltete sich auch das Sägen der Steine. Wollte man eine störende Ecke beseitigen oder einen Block in mehrere Stücke zerlegen, so sägte man den Stein entzwei. Man nahm ein Knochen- blatt, setzte es auf den Stein, gab Wasser und Sand darunter und brauchte das Blatt als Säge. Das Blatt selbst diente natürlich genau so wie der Stab beim Bohren nur zur Übertragung der Kraft von der Hand auf den Sand (Fig. 11). Man vergleiche hiermit die heutigen Steinsägen, die auf demselben Prinzip beruhen, nur dals an Stelle des Knochens Stahl- oder Eisenbänder getreten sind. Es erscheint angebracht, schon an dieser Stelle auf die zahlreichen Steinbeilformen des Neolithieums einzugehen, die ja zum Teil durch technische Fragen in Bezug auf Gesteinsmaterial, Schäftung und dergl. bedingt sind. Eine Einordnung der wichtigsten Typen in die chronologischen Stufen wird an späterer Stelle versucht werden, doch muls schon hier darauf hingewiesen werden, dals es schwer hält, jede einzelne Form einer bestimmten Periode zuzuweisen, da die Steinbeile meist als Einzelfunde auftreten. Hier soll eine Typologie versucht werden, die für eine relative Chronologie Anhalts- punkte geben kann. Betrachten wir zuerst die undurehbohrten Beile. Wir sahen schon vorhin, dals die einfachste Form ein angeschliffenes Geröll war. Etwas weiter ausgebildet, ergibt dies das „walzenförmige Beil“ mit ovalem Durch- schnitt (Fig. 16). Bei Flintbeilen, deren Urform ja meist geschlagen wurde, entspricht dem Walzenbeil ein Beil mit lanzettförmigem Querschnitt (Fig. 17). Schliff man die beiden Schmalseiten noch an, so erhielt man eine Form, wie sie Fig. 18 zeigt. Dadurch, dafs man auch noch die Breitseiten eben schliff, kam man zu einem Steinbeile mit rechteckigem Durchschnitt (Fig. 19). Die Schneiden dieser Beile sind meist symmetrisch abgerundet. Bei einzelnen Beilen der Schnurkeramik aber sind die Schneiden auf der einen Seite nach unten gezogen (Fig. 20), was bisweilen soweit führen konnte, dafs der ganze untere Teil des Beiles axtartig verlängert wurde (Fig. 21). Eine diesen Steinbeilen ähnliche, nur schmälere Form ist der Steinmeilsel. Eine sehr vervollkommnete Art ist der Hohlmeilsel. [33] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 145 Alle diese eben geschilderten Beilformen haben eine gemeinsame Eigen- tümlichkeit. . Betrachtet man sie von der Seite, so erkennt man, dafs beide Breitseiten symmetrisch gewölbt sind in Form von Keilen. Anders ist dies bei den folgenden Beilen, wo eine Seite stark, die andere schwach oder gar nicht gewölbt ist. Am stärksten ausgeprägt zeigt diese Eigentümlichkeit der „schuhleistenförmige Keil“ oder besser „schuhleistenförmige Meifsel“, der in den verschiedensten Größsen häufig gefunden wird (Fig. 22 u. 23). Man hat viel über die Verwendung dieser Keile gestritten. Die einen halten sie für Hobel oder Stemmeisen, die bei der Holzbearbeitung Ver- wendung gefunden hätten, die anderen für Ackerbaugerät; man glaubte in ihnen wichtige Dokumente für „Hackbau“ zu sehen, ja man ging soweit, sie als Pflugschare zu deuten.') Ganz einseitig gearbeitet sind die „Hobel- eisen“ ähnlichen Meifsel, die meist sehr breit sind, entweder fast immer gleich breit (Fig. 24) oder nach dem Bahnende zu spitz verlaufend (Fig. 25). Wenden wir uns den durchbohrten Beilen zu, so finden wir zuerst eine Form, die einem durchbohrten Schuhleistenkeil ähnelt (Fig. 26). Im Aufrils symmetrisch gearbeitet sind die folgenden Arten, von denen Fig. 27 als Grundform ein Dreieck, Fig. 28 eine Schiffsform, Fig. 29— 31 rhombische Formen zeigen. Die einfachste Form hiervon stellt Fig. 29 dar. Eine Verschönerung dieser rhombischen Gestalt erreichte man dadurch, dafs man statt der üblichen vier mehrere sich in stumpfem Winkel treffende Seitenflächen, sogenannte Facetten, anschlif. Der Durchschnitt wurde also vom Rechteck zu einem Polygon (Fig. 30). Alle facettierten Hämmer sind sauber und zierlich gearbeitet, zum gröfsten Teil sind sie nicht nur geschliffen, sondern auch noch poliert. Da aber die Stellen zu beiden Seiten des Stiel- loches sehr dünn und einem Zerbrechen leicht ausgesetzt waren, verdickte man sie, was mitunter zu weit ausladenden Zapfen führen konnte (Fig. 31). Die Schneiden dieser Äxte sind meist gerade oder schwach gewölbt, bei einzelnen Stücken sind sie durch einen Ansatz nach hinten verlängert (Fig. 32), was mitunter eine starke Krümmung des ganzen Beiles zur Folge hat (Fig. 33). Besondere Formen durchbohrter Steingeräte stellen die Hämmer mit beiderseitig stumpfen Enden (Fig. 34) und die scheibenförmigen Keulen- 1) Mehlis, Zentralblatt für Anthropologie. 1901. Hft.3 u. 4. Nova Acta XCIV. Nr. 2. 19 146 Karl Hermann Jacob, [34] köpfe (Fig. 55) dar. Neben durchbohrten und undurehbohrten Beilen treten als dritte, wenn auch seltenere Hauptform, die Rillenhämmer und Beile auf. Es sind Beil- und Hammer- oder Keulenformen, die in ihrer Mitte oder am Oberteil eine mehr oder minder tiefe. Rille tragen. Eigentümlieh ist für die Rillenbeile der Umstand, dafs sie nie scharfe Schneiden, sondern stets etwa !'» —1 cm breite Abplattungen haben (Fig. 36—38). Diese Zusammenstellung der wichtigsten Steingerätformen kann natur- gemäls keinen Anspruch auf Vollzähligkeit machen. In unserem Gebiete sind rund 2000 Steingeräte gefunden worden. Soviel es aber Steinbeile gibt, soviel, möchte man sagen, gibt es auch Variationen, in Form sowohl wie Grölse (von 5—40 cm Länge). Unsere Aufgabe konnte es nur sein, Grundformen herauszusuchen, an die wir die meisten übrigen Formen an- lehnen können. Nicht minder mannigfaltig wie die Form wird wohl auch die Ver- wendung der Steingeräte gewesen sein. Von Feuersteinmessern, Schabern, Pfeil- und Lanzenspitzen abgesehen, sind wir geneigt, alle übrigen Geräte kurzweg als Steinbeile zu bezeichnen. Dafs viele die Bezeichnung Beil oder Axt gar nicht verdienen, zeigt schon die Form. Wir lernten ja auch schon die verschiedenen Deutungen der Schuhleistenkeile kennen. Viele der dick- nackigen und durchbohrten Beile werden sicherlich auch die Rolle von Setzkeilen beim Spalten von Holz gespielt haben. Wir können an ihren Bahnenden sehr oft Spuren von Schlägen beobachten. Auch einfache Formen von durchbohrten Beilen wurden sicherlich zu gleichen Zwecken gebraucht. Das übrige Kleingerät aus Stein, wie Lanzen- und Pfeilspitzen, sowie Messer, Schaber und dergl., sowie die überaus seltenen Ringe und Schmuckstücke aus Marmor werden wir bei Betrachtung der einzelnen Kulturkreise kennen lernen. Werkzeuge, Waffen und sonstige Gerätschaften aus Stein bilden das Hauptfundmaterial. Hinzu kommen noch Ton- und Knochengeräte. Gegen- stände aus anderen Stoffen sind uns nur selten erhalten. Besonders waren Holz, Horn, Leder und derel. Stoffe infolge der zerstörenden Kräfte, die unserem Erdboden innewohnen, sehr leicht der Vergänglichkeit ausgesetzt. Wo die Verhältnisse günstiger lagen, wie z. B. in Mooren oder in den Pfahlbauniederlassungen, sehen wir, dafs man besonders das Holz zu vielerlei Zwecken verarbeitete. Hier finden wir Gefäfse, Messer, Dolche, Löffel, [135] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 147 Hämmer, Kämme, Keulen und ähnliches Gerät aus Holz gefertigt. Knochen- werkzeuge erhielten -sich schon bedeutend besser. Als typische Knochen- geräte haben wir aus unserer Gegend Pfriemen (Fig. 39), die vielleicht auch als Pfeilspitzen Verwendung fanden, sowie durchbohrte Tierzähne, die zu Ketten aneinander gereiht, als Schmuck getragen wurden (Fig. 40). Nächst Stein und Metall erhielt sich am besten in der Erde die gebrannte Tonware. An ihr können wir fast nie schädigende Einflüsse der Atmosphärilien konstatieren. Die ältere Steinzeit kannte keine Ton- gefäfse. Hier mufste man sich mit Gefäfsen aus Holzrinde oder Geflecht behelfen. Die ältesten 'Tongefälse überhaupt stammen aus der Zeit der grofsen Kjükkenmöddinger (Muschelhaufen) in Dänemark, also aus der Übergangsperiode von der älteren zur jüngeren Steinzeit. Bei Beginn der jüngeren Steinzeit in unserer Gegend ist die Töpfertechnik schon sehr weit fortgeschritten. Die primitivste Form eines Tongefälses ist ein Klumpen mit einer Ver- tiefung. Zuerst mag man diese rohen Töpfe an der Luft getrocknet haben; um aber diesen Prozels zu beschleunigen, setzte man sie an das Feuer und erlernte so das Brennen der Töpfe. Hervorgehoben sei, dals alle Töpfe der Stein- und Bronzezeit noch ohne Töpferdrehscheibe, also aus freier Hand hergestellt sind. Eduard Krause gibt in seiner „Werktätiekeit der Vorzeit“ (Weltall und Menschheit, Band 5) eine Zusammenstellung der ver- schiedenen Herstellungsarten von Tongeschirr nach prähistorischem und ethnographischem Befunde. Er unterscheidet da folgende Herstellungs- methoden: das Aufeinandersetzen von Tonwülsten, den Aufbau aus Ton- lappen und das Treiben der Gefälse. Nach unserem Material kommt nur die letzte Methode in Betracht. Sie wird heute noch in der Südsee (berühmt hierfür ist die Insel Bilibili) angewandt. Die Töpferin (denn das Gewerbe der Töpferei liegt fast allgemein in den Händen der Frauen) hat hier neben sich eine Schüssel mit Wasser, ein Häufchen Sand und vor sich einen Klumpen feuchten Lehms. Indem sie letzteren reichlich mit Sand durch- wirkt, formt sie eine grolse runde Kugel, welche mit den Fingern aus- gehöhlt wird, so dals zuerst ein blumentopfartiges Gefäls entsteht. Jetzt legt die Frau mit der linken Hand einen rundlichen, faustgrolsen Stein unter, führt mit der rechten Hand ein Klopfbrett und beginnt so das roh- 19* 148 Karl Hermann Jacob, [36] geformte Gefäls auszutreiben; denn diese Töpferarbeit ist weiter nichts als Treiben in Lehm, da weder Material abgenommen noch zugefügt wird. Unsere Bewunderung verdienen die fertigen Gefälse, die, obwohl nur aus freier Hand oeformt, doch so vorzüglich gerundet sind, dafs man kaum die Anwendung der Drehscheibe leugnen möchte. Nachdem die Gefälse etwas gehärtet, oder wie man sagt, lederhart geworden waren, glättete man sie mit einem Kiesel, oder schnitt und drückte verschiedene Ornamente ein. Als Rohmaterial verwandte man in unserem Gebiete wohl immer den Ton, der ja verschiedentlich in grofsen Lagern ansteht. Heifst doch ein Stadtteil Leipzigs selbst Tonberg. Dieser Ton ist aber sehr fett. Deshalb vermengte man ihn mit Sand, genau so wie wir es von Bilibili hörten. Hierdurch wurde es möglich, erstens das Material besser zu ver- arbeiten, dann das Reilsen und Schwinden beim Trocknen und Brennen zu vermeiden und zuletzt die Widerstandsfähigkeit des fertigen Geschirrs im Gebrauch zu erhöhen. Nach ihrer Verwendungsart unterscheiden wir mit Vofs') folgende Typen der Tongefäfse ohne Berücksichtigung der ver- schiedenen Zeiten, denen sie zugehören können: 1. Grolse Gefälse: Vorratsgefälse, 'Transportgefälse für körnige und flüssige Stoffe; 2. Ess- und Trinkgefälse: Becher, Schalen, Tassen, Löffel, Pokale; 3. Zeremonialgefäfse, hauptsächlich Ascheurnen. Schon hier muls daraut hingewiesen werden, dafs der Ausdruck „Urne“ oft falsch angewandt wird. Eine Urne ist ein Gefäls, das dazu bestimmt ist, die Überreste verbrannter menschlicher Körper aufzunehmen. Es ist also widersinnig, wenn, wie das so häufig geschieht, von Urnenfunden in Wohnstätten gesprochen wird. Dies ist Tongeschirr, das dem täglichen Gebrauche im Haushalt diente; 4. Tongefälse verschiedenen Gebrauchs: hohle Klappern, Spielzeuge, Räuchergefälse, Leuchter, Lampen, Schmelztiegel. 1) Vols, Zeitschrift für Ethnologie 1903. Verh. S. 166 ff. [37] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 149 Von Verzierungen können wir folgende Arten unterscheiden: a) Vertiefte Ornamente ohne farbige Einlage, entweder mit dem Griffel eingestochen oder eingetieft (Furchen, Kannelierungen, Dellen), oder eingedrückt mit Knochen, Spänen, Muscheln, gekerbten Instrumenten; b) vertiefte Ornamente mit farbiger Einlage; ce) plastische Ornamente: aufgelegte Leisten, Riffelungen, Vorsprünge, Knöpfe, Buckel; farbige Ornamente: Entweder Bemalung der gesamten Oberfläche, = oder Malereien figürlicher oder linearer Ornamente. 6. Die Perioden der Steinzeit, ihre Charakteristica und wichtigsten Fundplätze, a) Das Paläolithicum. Funde aus der älteren Steinzeit sind bei uns nur spärlich vertreten. Die erste paläolithische Fundstelle konnte Wiechers (Zeitschr. f. Ethn. 1907, S. 721ff.) in der Nähe von Gröbers bei Halle a. S. konstatieren. Später gelang es Verfasser dieses, in Markkleeberg bei Leipzig eine neue ausgiebige paläolithische Station festzustellen, eine Fundstelle, in deren Nähe schon in früheren Jahren Flintgeräte rein paläolithischen Charakters ge- sammelt waren. Das Paläolithieum zeichnet sich durch vollständiges Fehlen jeglicher Tonware aus, die einen der wichtigsten Anhaltspunkte in späteren Perioden bildet. Wir sind hier nur auf Stein- oder Knochengeräte angewiesen, auf ihren typologischen Charakter und ihre geologische Lagerung. Unter den Geräten tritt der Faustkeil aus Flint an erste Stelle. Er hat nicht die typische Form, die uns an den Funden von Chelles und Acheul bekannt sind, er ist mehr eine Faustspitze (Fig. 1 u. 41). Die Hinterseite hat nur eine grolse gewölbte Fläche, die den Schlagkegel trägt; es ist also die Seite des Flintscherbens, die vom Kernstein abgesprengt ist. Die Vorder- seite trägt mehrere, meist fächerförmig verlaufende Rippen; sie ist durch 150 Karl Hermann Jacob, [38] kürzere Schläge bearbeitet worden, die dem Gerät die gewünschte Form gaben. Gebrauchsabnutzungen sind an den Schneiden kaum zu beobachten, wohl aber finden sich zahlreiche kleinere Absplitterungen, die wahrscheinlich durch Abrollung im Kies entstanden sind. Die Grölse entspricht ungefähr der eines Handtellers. Die Messer sind kurze, breite Flintspäne (Fig. 42 u. 43); sie sind auf den Unterseiten naturgemäls glatt, mitunter die Schlagzwiebel zeigend. Auf der Oberseite finden sich meist eine oder mehrere Hauptrippen, von denen kleinere nach den Enden zu abzweigen. Unter dem sonstigen Material können nur noch die Handstücke besondere Beachtung beanspruchen (Fig. 44). Es sind roh aus Flintplatten gearbeitete Werkzeuge, die wahrscheinlich zum Schaben, Kratzen und Schneiden Verwendung fanden. Im übrigen finden sich Abfallspäne in grolser Menge. Es sind meist kleinere, verunglückte Lamellen, die mit- unter zahlreiche Rippen und Schlagmarken aufweisen. Paläolithische Fundstellen haben wir bis jetzt nur zwei in unserem Gebiet aufzuweisen. Es sind weder Grabstellen noch Wohnplätze, sondern sekundäre Lagerungsstellen. Wir haben also anzunehmen, dals die Werk- zeuge an einer vom jetzigen Fundplatz mehr oder minder weit entfernten Stelle angefertigt und dann im Geröll forttransportiert wurden. Ihr ganz vereinzeltes, an keinen bestimmten engbegrenzten Horizont gebundenes Vor- kommen läfst darauf schlielsen. Fundstelle 1. Rabutz bei Gröbers, Bez. Halle a. S. Früher war hier ein mächtiges Tonlager aufgeschlossen, das jetzt ersoffen ist. Im Ton fanden sich zahlreiche Pflanzen- und Tierreste, die auf ein interglaziales Alter schliefsen lassen, so z. B. Rhinozeros Merckii, Elephas antiquus, Bison priscus usw. Hier wurde auch 11, —1!/ m unter der T'onoberfläche oder 2';—3m unter der Tlagesoberfläche eine Feuerstein- lamelle paläolithischen Charakters gefunden. Es ist ein Schaber aus grauem selbgeflekten Feuerstein. Die Unterseite zeigt Schlagkegel, grolse Schlag- narbe, Strahlensprünge und Wellenringe. [39] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 151 Fundstelle 2. Markkleeberg südl. von Leipzig. In einer Grube des rechten (östlichen) Pleilsenufers werden unter einer dünnen, etwa 40 cm starken Geschiebelehmdeeke Sande und Kiese in einer Mächtigkeit von etwa 3m abgebaut. Es sind alte Pleilsensehotter, deren geologische Lagerung schon für altdiluvialen Charakter spricht. Bekannt waren die Markkleeberger Gruben durch das Vorkommen zahlreicher Mammutreste (Elephas primigenius). Diesen gesellten sich im Laufe der letzten Jahre zahlreiche paläolithische Feuersteingeräte von oben beschriebener Form hinzu (vgl. Jacob, Prähistorische Zeitschrift III. 1911). Die Frage nach dem Alter unserer Paläolithica kann so leicht nicht beantwortet werden. In der Grube von Rabutz treffen wir Tiere einer warmen Zeit, in der Markkleeberger Grube im Mammut ein Tier eines kalten feuchten Klimas. In beiden Fällen haben wir es mit einer Phase einer Zwischeneiszeit zu tun. Damit stimmt der typologische Charakter der Stücke überein, Rabutz würde als warme Phase dem Chelleen, Mark- kleeberg als kalte Phase dem Acheulden oder ältesten Mousterien entsprechen. Erwähnt sei hier noch wegen seiner Bedeutung als eines Zeitgenossen des altdiluvialen Menschen der Fund eines fast vollständigen Mammut- skelettes aus Borna, südöstlich Leipzig. Einzelne Zähne, Backenzähne sowohl wie Stolszähne, waren verschiedentlich schon früher gefunden worden. Das Jahr 1908 brachte uns aber ein fast vollständiges Skelett. Es lag 4'» m unter der Erdoberfläche in Diluvialton eingebettet. Das Exemplar stellt ein völlig ausgewachsenes Tier dar, dessen einer Stolszahn auf der Krümmung gemessen 3,26 m lang ist. Der Fund gewinnt dadurch an Bedeutung, dals bei ihm auch Pflanzenreste vorkommen, wie Moose und Blätter und Früchte von Salix, Zeugen, die für tundraähnlichen Charakter sprechen. Die Funde werden in der prähistorischen Abteilung des Völkermuseums zu Leipzig aufbewahrt. b) Das Neolithicum. . Die Übergangsfunde zur jüngeren Steinzeit fehlen bei uns bis jetzt noch. Zwischen dem Altpaläolithieum und dem Neolithieum klafft noch eine breite Lücke. Reiche Funde dagegen bietet das Neolithicum. Wir können % 152 Karl Hermann Jacob, [40] zahlreiche Wohnstätten und Grabfunde feststellen und besonders durch die Verschiedenheit der neu hinzutretenden Kulturobjekte der Tonwaren auch bestimmte in sich abgeschlossene Kulturkreise unterscheiden. Auch der Frage nach dem gegenseitigen Alter der Perioden zueinander ist man näher getreten, und wir können wohl die Frage, ist Bandkeramik älter als Schnur- keramik, bejahen, doch gehen die Ansichten über die gegenseitige Stellung ihrer Unterabteilungen auseinander. Eine endgültige Festsetzung wollen auch wir nicht treffen, sondern nach dem im Eingang angeführten Schema die einzelnen Gruppen betrachten. 1. Der Rössener Typus. Das grolse Gräberfeld von Rössen, nach dem diese Stufe neolithischer Keramik benannt worden ist, liegt etwas südlich von Merseburg auf dem linken Ufer der Saale. Hier wurden zu Anfang der 1880er Jahre die ersten steinzeitlichen Gräberfunde gemacht (v. Borries, Vorgeschichtl. Altertümer der Provinz Sachsen. Halle 1886). Späterhin wurden die Ausgrabungen systematisch von dem Altertumshändler Nagel fortgesetzt, dem es gelang, eine grolse Anzahl Gräber sorgsam zu bergen. Das Berliner Museum für Völkerkunde erwarb von ihm 21 vollständige Gräber; je ein Grab befindet sich im Germanischen Museum zu Nürnberg und im Museum für Völker- kunde in Hamburg und fünf Gräber sind im Provinzialmuseum zu Halle. Leider hat dieses klassische Gräberfeld noch nicht eine seiner Bedeutung: würdige wissenschaftliche Veröffentlichung’ gefunden. Eine kurze Übersicht gab Götze im Jahre 1900 (Zeitschrift für Ethnologie. Verh. S. 137 ft.), an die ich mich im folgenden anschliefse. Die Abbildungen des Gräber- inventars, das zum grölsten Teile noch nicht veröffentlicht war, verdanke ich dem freundlichen Entgegenkommen der Direktion der prähistorischen Abteilung im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin. Die Gräber waren alle ausnahmslos sogenannte Flachgräber, d.h. die T'oten waren in tiefen Gräbern beerdigt worden, ohne dals ein grölserer Hügel über ihnen aufgetürmt worden wäre. Die Skelette lagen frei in der Erde, nur zum Theil mit einer pflasterartigen '!ı m dieken Steinpackung überdeckt. Eigentümlich ist ihre Lagerung; beide Beine waren stark an [41] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 133 den Körper angezogen, die Arme lagen in verschiedener Richtung zum Körper, und zwar lag die rechte Hand häufig am Kopf, diesen wie im Schlaf stützend, bei anderen waren die Unterarme über die Brust gelegt. Das Angesicht war nach Norden gerichtet. Die eigentümliche Hockerbestattung, die man schon bei anderen Gräbern beobachtet hatte, konnte man sich zuerst nicht recht erklären. Götze (Zentralblatt f. Anthropologie 1599) wies zuerst darauf hin, dafs diese Bestattungsweise wohl mit der Fureht der Überlebenden vor den Toten im Zusammenhange stände. An der Hand eines reichhaltigen ethnographischen Materials untersuchte neuerdings Andree die verschiedenen Theorien über die Hockerbestattung und konnte Götzes Ansicht bestätigen (Archiv £. Anthropologie, N. F., Bd. VI). Schon in der Steinzeit glaubte man an ein Fortleben nach dem Tode dergestalt, dafs der Tote zurückkehre und seinen Tod räche. Um dies zu vermeiden, fesselten die Hinterbliebenen den Toten. Am besten erreichten sie es dadurch, dafs sie die Arme und die Beine straff an den Körper herandrückten und das Ganze fest mit Stricken und Schnüren umschlangen. So wurde der Tote in die Erde gelegt. Mit der Verwesung des Leichnams ging die Vernichtung der Strike Hand in Hand, so dafs wir das Skelett, das allein übrig blieb, heute in jener charakteristischen Hockerlage finden (Fig. 45). Aufser den Skelettgräbern sind auch noch eine Anzahl Brandgräber aufgedeckt worden, bei denen die Knochenreste ohne jede Umhüllung oder Bedeckung frei in der Erde lagen. Die hierbei auftretenden Gefälse sind also keine „Urnen“, sondern lediglich Beigaben. Um aber dem Toten auch nach seiner Beerdigung das Leben genau so zu gestalten wie im Diesseits, gab man ihm seinen sämtlichen Schmuck, seine Waffen, auch Speise und Trank in einigen Gefäfsen bei. Die Haupt- gefälse sind reich ornamentierte Töpfe mit geschweiftem Profil und ring- förmigem Fuls. Daneben finden sich meist unverzierte Becherarten. Schuch- hardt (Prähistorische Zeitschrift I, 1909) hat die Ornamente des Rössener Typus neuerdings untersucht und gefunden, dafs sie aus der Flechttechnik abzuleiten seien. Nach ihm haben wir uns die Entwicklung dieser Gefäls- typen so vorzustellen, „dals vor der neolithischen Zeit, als man noch keine Tongefälse herzustellen vermochte, das Hauptgefäfs im Hausgebrauch eine tiefe Schale war, in der Form unserer Milchsatte, die heute noch im Bauern- Nova Acta XCIV. Nr. 2. 20 154 Karl Hermann Jacob, [42] haus als Efisnapf die Hauptrolle spielt, und dafs es hergestellt war aus Korbgeflecht mit einem tragenden Reif oben, von dem vier oder auch mehr Sparren hinabgingen zu dem meist mit Holz unterlegten Boden. Das Gefäls war wohl mit Leder ausgelegt oder mit irgend einem Stoff gediehtet. Durch die Diehtung mit Lehm kam man dann zu der Erfahrung, dafs auch aus Lehm allein, genügend getrocknet oder gar gebrannt, sich ein Gefäls her- stellen lasse. Aus der Natur dieses Stoffes heraus hatte sich in langer Übung ein fester Stil entwickelt, der Form und Verzierung der Gefälse als etwas selbstverständliches hinstellte, und dieser Stil vererbte sich natur- semäls auf die ersten Arbeiten in Ton und hielt sich in manchen Gegenden sehr zäh“. Die Gefälse sind eigentlich ganz mit Zierrat übersponnen, und dieser Zierrat hält sich ganz und gar in den Motiven, die in der Korb- flechterei geläufig sind. Im unteren Teile der Töpfe ist es zumeist das Zickzackmuster, horizontal oder vertikal, am oberen Teil die einfache, gerade oder schräge Strichelung mit dazwischen auftretendem Zickzack - Fragment (Fig. 46 u. 47). Die Gefälse haben auch alle nicht blofs eine Bodenplatte, sondern einen erhöhten Standring, einen Fuls. Daneben zeigen sie die deutlichen Rudimente der vier Sparren, die meist den Boden mit dem Rand- ring verbanden und so die Gerüste der Schale bildeten. Fast bei allen Gefälsen finden sich an der äufseren Ausbuchtung vier Knubben, die das obere Ende jener Sparren, die Stelle ihrer alten Befestigung an dem Rand- ring bezeichnen. Die unverzierten Gefälse zeigen schlankere und einfachere Formen (Fig. 45 u. 49), zum Teil aber auch den Rest jener Sparrenknubben. Die wichtigsten Beigaben sind die einseitig gewölbten Stemmbeile, die sicherlich bei der Bodenbearbeitung als Hacken gedient haben. Neben einzelnen durchbohrten Äxten (vgl. Fig. 15) tritt auch eine Keulenart auf, die aus einer durchbohrten Steinplatte hergestellt ist (vgl. Fig. 35). Facettierte Hämmer finden sich gar nicht. Eine grolse Rolle spielt der Schmuck der Bestatteten. Hier finden wir besonders häufig ganze Armringe aus Marmor. Sie wurden meist paar- weise am Oberarm getragen (Fig. 50). Die petrographische Untersuchung des Marmors ergab, dals dieser vielleicht aus dem Fichtelgebirge, wahr- scheinlich aber aus Griechenland oder Italien eingeführt war. Zahlreich sind Perlen, die in Gestalt von Scheibehen, Röhren, oder kleinen Steinbeilen [43] Zur Prähistorie Nordwest -Sachsens. 155 aus Marmor oder Muscheln hergestellt und, zu Ketten vereinigt, am Halse, an den Armen oder Fulsgelenken getragen wurden (Fig. 51 u. 52). Eine besondere Eigentümlichkeit sind ovale Doppelknöpfe, die in der Nähe des Mundes „efunden wurden und von Krause als Lippenpflücke gedeutet wurden (Fig. 53). Sie ähneln denen, die die Eskimo tragen. Von Feuer- steinarbeiten konnten spanförmige Feuersteinmesser (vgl. Fig. 3), einzelne Knollen und querschneidige Pfeilspitzen beobachtet werden. Fast überall fanden sich Tierknochen, die wohl die Überreste einer Zehrung für die Reise ins Jenseits darstellen. In einem Falle steckte sogar ein Tierknochen zwischen den Zähnen des Skelettes. Nach diesem klassischen Gräberfeld, das eine so reiche Ausbeute an Fundmaterialien lieferte, und nach den reichornamentierten Tongefälsen im besonderen, benannte man also eine grolse Gruppe des Neolithieums die Zeit des Rössener Typus. In unserem Gebiete sind Funde aufser diesem Hauptvertreter nicht gemacht worden. 2. Hinkelstein - Typus. Ein in der Verzierungsart dem Rössener sehr ähnlicher Typus ist der nach der prähistorischen Station Hinkelstein bei Worms benannte. Den Namen Bandkeramik trägt er schon mit grölserem Rechte als der Rössener Typus. Die hauptsächlichsten Gefälstypen sind bombenförmige Gefälse (Fig. 54) und Schalen mit kugelföürmigem Boden und weiter Öffnung (Fig. 55). Sie haben absolut keine Ähnlichkeit mehr mit den Formen des Rössener Typus, sie erinnern vielmehr schon an die der Bogen- und Spiralbandkeramik. Die Ornamente sind in der Hauptsache Bänder, die aus zahlreichen. neben- einander verlaufenden Punktreihen bestehen und in spitzen Winkeln sich um das ganze Gefäls ziehen. Besonders schön ist dieser Typus in der grolsen Ansiedelung von Eutritzsch, nördlich von Leipzig, vertreten, wo er von F. M. Näbe in zahlreichen Herdstellen nachgewiesen wurde.') Er ist unter dem gleichzeitigen Scherbenmaterial dieser Ansiedlungen verhältnis- mälsig selten, wie er überhaupt eine eigenartige Gruppe in der gesamten Keramik der jüngeren Steinzeit darstellt. Die Gefälse sind bedeutend kleiner als alle anderen, sodann aber aus einem ganz anderen Material hergestellt. Näbe, Die steinzeitliche Besiedelung der Leipziper Gegend. $. 20 fi. 90% 74) 156 Karl Hermann Jacob, [4#] Hier verwandte man nämlich nicht den Ton, der ganz und gar mit Sand durchsetzt war, sondern ein viel feineres Material, sorgsam geschlemmten Ton. Es wurde dadurch möglich, dünnwandige Gefälse herzustellen, die aber auch eine bestimmte Gröfse nicht überschreiten durften, da sie beim Trocknen sonst in sich zusammengesunken wären. Sie bilden unter dem reichhaltigen unverzierten Scherbenmaterial vieler Ansiedlungen sozusagen die Leitfossilien. Man wollte sie von ihren Begleitern trennen, als eine besondere Gruppe betrachtet wissen, meiner Ansicht nach aber mit Unrecht. Auch wir haben heute noch in unserem Haushalte Keramiken verschiedenster Sorte, so die grolsen irdenen Gefälse zum Kochen und Aufbewahren und das viel feinere „Tafelgeschirr“. So wird es auch zur Steinzeit gewesen sein, man hatte eben auch feineres Geschirr, das man fast das Porzellan jener Zeit nennen könnte. Das grobe und einfache Material ist durch Gefälse von riesigen Dimensionen oft mit aulserordentlich starken Wandungen vertreten. Wir müssen sie als Vorratsgefälfse ansehen. Als Ornamente tragen sie meistens nur aufgesetzte gekerbte T'onleisten. Rekonstruktionen siehe Näbe, a. a. ©. Fig. 99—101 und 109—111. Waren die Gefälse aus feinem Material durchgängig ohne Henkel, so finden wir hier Henkel in verschiedenen Formen: einfache, doppelte hochgestellte, aulserdem ein- fache und doppelte quergestellte. Seltener kommen Henkel vor, die in zwei verschiedenen Höhen angebracht sind. Ein besonders interessantes Gefäls des Hinkelstein- Typus ist das Trommelgefäfs (Fig. 56). Es ist aus feinem Ton hergestellt, an der Oberfläche geglättet. Die Ornamente, die an unserem Exemplar nicht gerade reich sind, sind eingestochen und noch mit weilser Masse ausgefüllt. Einzigartig sind die zwei Kreuzfiguren auf ihm. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dafs sie symbolische Zeichen darstellen. Montelius (Prometheus 1905) hat nachgewiesen, dals sich das Kreuz aus dem Rade entwickelt habe, und dafs das Rad von jeher als Dar- stellung der Sonnenscheibe religiöse Bedeutung hatte, da es als Symbol des Sonnengottes gebraucht wurde. Am oberen Teil der Trommel finden sich warzenartige Ansätze, die jedenfalls dazu dienten, einen Reifen zu halten, an dem das 'Trrommelfell befestigt wurde. Dieselben Warzen treffen wir bei zahlreichen Scherben dieser Zeit an. Leider lassen sich ihre Formen nicht rekonstruieren. Seltenere Formen [45] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. a sind: ein Hängegefäls, das vielleicht als Lampe benutzt wurde (Fig. 57) und ein Tonteller (Fig. 58), der wahrscheinlich als Backteller eine Rolle spielte. Die Ansiedlungen des Hinkelstein- Typus (wir kennen bis jetzt noch keine Gräber dieses Kulturkreises in unserem Gebiet) tragen fast nie reinen Charakter. Mit wenig Ausnahmen sind sie stets vereint mit solchen der folgenden Gruppe, der Spiral- und Bogenbandkeramik. Es ist deswegen auch schwer, die Geräte, welche in den Wohnplätzen zutage gefördert werden, bestimmt einer dieser Gruppen zuzurechnen. Ich führe sie schon hier an, obwohl ich mir bewulst bin, dals einzelne Formen mit grolser Gewilsheit der Bogen- und Spiralbandkeramik zuzurechnen sind. Von grölseren Steingeräten können wir Meilsel, Schuhleistenkeile (durchbohrt und undurchbohrt), Hämmer (einer mit angefangener Hohlbohrung)) und Flachbeile konstatieren. Vereinzelt ist der Fund eines Flintflachbeiles von rechteckigem Querschnitt (Fig. 19). Von kleineren Feuersteinarbeiten sind zu nennen: Pfeilspitzen, deren Basis verschieden geartet ist, gerade (Fig. 59), konkav (Fig. 60), oder konvex (Fig. 61), ferner querschneidige Pfeilspitzen (Fig. 6), die mit ziemlicher Sicherheit der Bogenbandkeramik zugehören, Bohrer (Fig. 62), Schaber und zahlreiche Messer. Wichtig, (denn sie lassen uns Schlüsse auf schon verbreiteten Ackerbau ziehen), sind grolse Granit- oder Sandsteinplatten, deren geglättete zum Teil konkave Oberflächen für intensive Abnutzung als Reibplatten zum Zermahlen des Getreides sprechen. Kleinere, etwa faustgro/se Geschiebe mögen als Läufer oder Handsteine gedient haben. Kleinere Tonperlen sind mit Recht als Spinnwirtel gedeutet worden (Fig. 63), sie sind die tönernen Schwungringe der Spindel. Die wichtigsten Fundplätze des Hinkelstein-Typus sind bei uns folgende Stationen: Eutritzsch. Auf einem kleinen Höhenzuge, der auf dem linken Ufer der Rietzschke liegt und fast rechtwinklig auf diese zuläuft, sind seit dem Jahre 1901 zahlreiche Funde in etwa 200 Herdstellen aufgetreten. Sie wurden von dem Leipziger Prähistoriker F. M. Näbe gesammelt und aus- führlich in seiner Publikation „Die steinzeitliche Besiedelung der Leipziger Gegend“ behandelt. Der Hinkelstein- Typus tritt hier neben der Bogenband- keramik auf. 155 Karl Hermann Jacob, [46] Weideroda-Zauschwitz. In den mächtigen Lölsablagerungen, die zu Ziegeleizwecken abgebaut werden, sind zahlreiche Herdstellen mit reinem Hinkelstein-Typus beobachtet worden. lg. Bernhardt, Leipziger Völker- museum. Möritzsch. Herdstellen mit reinem Hinkelstein- Typus. Unter einer Herdstelle ein Kindergrab; vgl. Näbe a.a. O. Günthersdorf. Wohngruben mit Hinkelstein- Typus und Bruchstücken der Schnurkeramik. Von hier stammt das einzige, ganz erhaltene Gefäls des Hinkelstein- Typus (Fig. 54). Aulserdem Schachbrett-, Ziekzack-, Fisch- eräten und Rhombenmuster; vgl. Näbe a.a. O. 3. Bogen- und Spiralbandkeramik. Während die beiden zuerst beschriebenen Gruppen der Bandkeramik Stichbandverzierungen zeigten und, wie wir sahen, in ihren Ornamenten auf Flechtmotive zurückzuführen sind, stellt die folgende Bogen- und Spiral- bandkeramik eine vollständig neue Gruppe dar. Man nennt die Ornamentik der beiden ersten Gruppen, des Rössener und des Hinkelstein- Typus, eine alteuropäische Verzierungsart. Von ihr ist bei der Bogenbandkeramik durch- aus nichts mehr zu finden. Statt der geraden, senkrecht, wagerecht oder schräggestellten Linien finden wir hier die runde Linie vorherrschend, meist in der Form der Spirale. Es muls sich hier um eine vollständig neue Gruppe handeln, deren Ursprung wir nach allgemeiner Anschauung in den Donauländern zu suchen haben. (Wilke, Zeitschr. f. Ethnologie 1906, S. Lift. Derselbe, Mitt. der Wiener Anthr. Ges. 1905, S. 249ff. Derselbe, Spiral- mäanderkeramik und Gefäfsmalerei, Hellenen und Thraker, Würzburg 1910.) Die vorherrschenden Formen dieser Gruppe sind halbkuslige Schalen (Fig. 64) und flaschenartige Gefäfse mit rundem Boden (Fig. 65 u. 66). Schuchhardt (a. a. 0.) wies nach, dafs diese Gefälse auf die Naturformen des Kürbis zurückzuführen seien. Noch heute werden in südlichen Ländern aus den harten Kürbisschalen Flaschen und ähnliche Gefälse hergestellt. Die kleinen Schalen sind henkellos, die grölseren Flaschen tragen dagegen eine Reihe von Henkeln, die mehrfach übereinanderstehen, aber so klein sind, dafs sie nur das Durchziehen einer Schnur gestatten, sie heilsen [#7] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 159 deswegen auch Schnurhenkel. Ähnliche Henkel tragen die schmalen Pilger- flaschen des Mittelalters, auch unseren Gefälsen können wir wegen der eigenartigen Henkelstellung und ihres runden, fast kugligen Bodens den Charakter von Transportgefälsen nicht absprechen. Die Entstehung der eigenartigen Ornamentik hat zu verschiedenen Hypothesen geführt. Namentlich hat sich Wilke in seinen oben angeführten Arbeiten damit beschäftigt. Er kommt zu dem Resultat, dals sie alle mathe- matische Figuren sind, die durch eine Verschiebungskonstruktion entstanden. Als Grundform der Spirale nimmt er eine Anzahl konzentrischer Kreise an. Schneidet man diese Figur in der Mitte durch und verschiebt die beiden Teile gegeneinander um den Zwischenraum zwischen zwei Kreisen, so erhält man allerdings eine tadellose Spirale. Diese Entstehungsweise erscheint mir aber für das Neolithiecum zu unnatürlich, vielmehr glaube ich, dals der Neolithiker seine Vorlage der Natur entnommen hat, wo sich Beispiele reichlich finden. Die Freude an dieser Linie liels ihn diese wiederholt nach- . ahmen und schliefslich als Ornament verwenden. Dals auch unsere ein- geschnittenen Bandmuster ihren Ursprung in breiten, gemalten Linien haben, unterliegt wohl keinem Zweifel. Zog man die Ränder einer solchen breiten gemalten Spirale mit einer anderen Farbe oder einem Griffel nach, so kam man im Innern der Spirale, am Kopf, durch Wenden in entgegengesetzter Richtung zu einem Spiralmäander, und mehrere aneinander gereihte Spiralen ergaben eine fortlaufende Linie. Der eigentliche rechteckige Mäander ist dadurch entstanden, dals die Spirale in einzelne gerade Linien und dadurch entstehende Winkel geteilt wurde. Hieran erinnert z. B. der chinesische Ausdruck für Mäander, der „gebrochene Spirale“ lautet. Die Ornamente sind immer eingeschnitten und zwar so, dals zwei in einiger Entfernung verlaufende Linien ein Band darstellen. Um diesen Charakter des Bandes noch mehr hervorzuheben, füllte man den Zwischen- raum zwischen den beiden Parallellinien mit kurzen Strichen oder Punkten an (Fig. 67). Noch deutlicher tritt der Charakter dann hervor, wenn das Band plastisch aufgesetzt ist (Fig. 68). Die wichtigste Fundstelle dieses Typus ist das neolithische Dorf Eutritzsch, Näbe a.a. OÖ. Vereinzelt kommt er auch in Herdstellen von Günthersdorf vor. Rein tritt er nur in Hänichen auf, wo die Spiralen mit 160 Karl Hermann Jacob, [48] weilser Masse ausgefüllt sind. Ganze Gefälse, die in Pegau, Carsdorf und besonders zahlreich bei Merseburg gefunden wurden, lassen auf Grabfunde schlielsen, doch sind genauere Beobachtungen hierüber nicht vorhanden. 4. Die Schnurkeramik. Die Schnurkeramik erhielt ihren Namen von den in den weichen Ton eingedrückten Schnüren, die sich dann negativ in dem Ton als Grübchen- reihen darstellen. Die hauptsächlichsten Gefälstypen der Schnurkeramik sind die grofse Amphore (Fig. 69 u. 70) und der S-förmig geschweifte Becher (Fig. 71 u. 72). Aulserdem finden sich zylindrische Gefäfse mit ebenfalls zylindrisch gestaltetem Deckel (Fig. 73), nur ab und zu treten kleine, krug- ähnliche Formen oder zylindrische Becher auf (Fig. 74). Die Form der grolsen Amphore zeigt sich in den verschiedensten Variationen. Die enge Öffnung und der dicke Bauch sind stets charakteristisch, dagegen variieren die Henkel und die Ornamente. Meist sind die Henkel an der gröfsten Ausbuchtung des Bauches angebracht und stehen sich als Paar diametral gegenüber. Mitunter treten zu ihnen in der Nähe des Halses noch eine Anzahl kleinerer Henkel, meistens vier an der Zahl. Das Ornament stellt sich folgendermalsen dar: Am Halse finden sich meist wagerecht nahe aneinander verlaufende Schnur- linien, an dem Bauch dagegen hängen Dreiecke oder sonstige franzenartige Zusammenstellungen herunter. Dasselbe finden wir an den S-förmig ge- schweiften Bechern. Mitunter werden die parallelen Schnurlinien durch ein glattes Zicekzackband unterbrochen (Fig. 73). Die Henkel an den Bechern und zylindrischen Gefälsen sind so klein, dafs man nur eine Schnur durch- ziehen kann; wir nannten sie deswegen schon oben Schnurhenkel. Nahe verwandt mit den schnurverzierten Amphoren und Bechern sind jene Gefäfse, die ihnen zwar von Gestalt gleichen, aber andere Ornamente tragen. Hier herrschen die Zickzacklinie (Fig. 75) und das Fiederornament (Fig. 76) vor. Mitunter treffen wir eingedrückte Grübchenreihen (Fig. 77). Dals diese Gefälsformen, obwohl sie keine Schnurverzierungen tragen, doch zur Gruppe der Schnurkeramik gehören, zeigt ohne Zweifel die Amphoren- und Bechergestalt, die in keiner anderen Gruppe auftritt. Die eben er- wähnten Schnittverzierungen in Zickzack- und Fiedergestalt werden bei der Beurteilung des Merseburger Grabdenkmals eine Rolle spielen. [49] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 161 In diese Gruppe gehören sicherlich auch die gröfseren Feuerstein- werkzeuge, die zum Teil, wie z. B. auf der Marienhöhe bei Leipzig, mit schnurverzierten Scherben gefunden werden. Ein wahres Prachtstück neolithischer Flinttechnik ist das Lanzenspitzenblatt des Dresdener Museums, nördlich von Leipzig gefunden (Fig. 78). Kleiner, aber nicht minder trefflich gearbeitet sind die rhombenförmigen (Fig. 79) und zungenförmigen Spitzen (Fig. 80). Wegen seines kräftigen Dornes ist das Flintgerät (Fig. 81) wahr- scheinlich als Dolch zu deuten. Die Gefäßse der Schnurkeramik entstammen fast ausnahmslos in unserem Gebiete Gräberfunden. Man hat nur bei Günthersdorf eine Wohn- stätte mit Schnurkeramik gefunden. In den Gräberfunden zeigen sich stets Amphore und Becher zusammen. Als Beigaben finden sich vor allen Dingen die facettierten Hämmer. Die Gräber sind Flachgräber und befinden sich in unserer Gegend im einer so geringen Tiefe, dafs das Skelett durch die Verwitterung unweigerlich zerstört wurde. Wir finden daher nur die Ton- gefälse, aber keine Reste von Skeletten. Dals man während der Schnur- keramik die Toten nicht nur in Flachgräbern beisetzte, sondern auch in Hügelsräbern, zeigen die Ausgrabungen Professor Deichmüllers auf dem Bienitz, wo in einem der dortigen Hügel ein Steinbeil und schnurverzierte Scherben gefunden wurden. Einen anderen Typus der Bestattungsweise stellen die grolsen Stein- kistengräber dar, die in der Saalegegend aufgedeckt wurden. Schon in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts fand man bei der Ausgrabung des Schkopauer Suevenhök eine Steinsetzung, die man aber nicht als Grab erkannte, sondern als Opferaltar ansprach (Fig. 82). Vergleichen wir diese Steinsetzung mit nordischen Gräbern, so erkennen wir, dafs es sich unzweifel- haft um ein Grab handelt. Auf der Graslücke bei Corbetha konnte Klopf- fleisch später ein ähnliches Steinkistengrab feststellen, das aus gewaltigen Blöcken von Knollenstein (Braunkohlenquarzit) erbaut war. Als Beigaben fanden sich hier neben Knochenpfriemen Schaber und Messer aus Feuerstein, sowie Gefälsreste, die schnur- und gitterartig verziert waren.') So waren also diese Gräber in ihrem Charakter als der Schnurkeramik zugehörig nachgewiesen !) Mitteilungen aus dem Provinzialmuseum zu Halle 1900, 8. 43 ff. Nova Acta XCIV. Nr. 2, 21 162 Karl Hermann Jacob, [50] worden. Das wichtigste Steinkistengrab, das zu dieser Gruppe gehört, ist zweifellos das sogenannte „Merseburger Steinkistengrab“. Klopffleisch beschrieb es ausführlich in seiner „Charakteristik und Zeitfolge der Keramik Mitteldeutschlands“. (Vorgeschichtliche Altertümer der Provinz Sachsen, Halle 18835). Dieses Grab wurde schon im Jahre 1750 aufgedeckt. Einen Bericht über die Ausgrabung, der im Archiv zu Merseburg aufbewahrt wird, lieferte der Stiftsbaumeister Hoppenhaupt. Nach ihm barg ein etwas länglicher Grabhügel in der Nähe von Göhlitzsch') ein Steingrab, dessen Längsseiten sieben Fuls lang, die Schmalseiten vier Fuls breit waren bei einer Tiefe von etwa vier Fuls über der künstlichen Estrichschicht von grauem T'on, die den Boden des Grabinneren bildete, und unter die die senkrecht stehenden Plattensteine noch beträchtlich in den Erdboden reichten. Die Steinkiste war mit drei grolsen Steinblöcken bedeckt, die fest aneinander lagen. Die Steinplatten selbst waren nach der Beschreibung nicht behauen, sondern nur abgerieben. Die Ecken der Steinkammer waren mit Ton ausgestrichen. In dem Grab soll sich ein Tongefäls befunden haben, das aber durch einen Deckstein, der hineinfiel, zertrümmert wurde. Auch das verzierte Beil, das sich im Grab befunden haben soll, ist leider nicht mehr erhalten. Die vier Innenseiten des Grabes waren reich verziert (Fig. 83a—d). Einige Orna- mente waren flach eingegraben, andere dagegen nur gemalt, wieder andere eingegraben und dann schwarz oder rot bemalt. Das Steinkistengrab, dessen Wichtiekeit man auch schon damals erkannte, wurde ausgehoben und ohne die Decksteine im Schlofsgarten zu Merseburg wieder aufgestellt. Bedauerlich ist, dals die östliche Schmalseite, die am wenigsten gut erhalten war, von einem Dekorationsmaler mit willkürlichen Ornamenten bemalt wurde. Be- schrieben ist das Grab von W. ©. Grimm („Über deutsche Runen“, Göttingen 1821) und von Wagener („Handbuch der Altertümer aus heidnischer Zeit“, Weimar 1842). Klopffleisch untersuchte in seiner obenerwähnten Arbeit die Ornamente dieser Grabkammer und glaubte, in den linearen Verzierungen Teppichmuster zu erkennen. Die menschlichen Utensilien deutete er richtig als einen Köcher, in den die Pfeile hineingemalt sind, und als eine ge- schäftete Steinaxt. Das Rautenmuster auf dem grölseren Stein der Südseite hielt Klopffleisch seiner isolierten Stellung wegen für einen Gürtel, die 1) Auf dem linken Ufer der Saale, etwa 5km südlich von Merseburg. [31] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 163 Zeichnung rechts für einen Schild. Das „bandartige, wagerecht gestreifte, becherförmige Motiv, welches mit spitzen, ovalen Leeren abwechselt“ und das sich auf dem Stein der Westseite befindet, hielt er wegen Analogie mit nubischen Ornamenten für eine Hindeutung auf die Palmenfrucht. Er ist überhaupt bemüht, die Ornamente als rein südlich zu betrachten. Eigenartig wirkt seine Deutung des Steines der Ostseite. Hier glaubte er in der zweiten Zickzacklinie die ägyptische Wasserlinie, die sich in Hieroglyphen findet, zu erkennen. Die weiteren Zickzackzeichen in der Mitte hielt er für phönizische Schriftzeichen und glaubte hieraus den Namen Gades oder Gadit zu lesen. Gades war die phönizische Kolonie, welche jenseits der Meerenge von Gibraltar lag und einen Hauptstapelplatz für den dortigen Küstenhandel bildete (Cadiz). Nach Klopffleischs Ansicht war also der in dieser Grab- kammer Bestattete ein Mann aus Gades, der den Namen seiner Heimatstadt trug, ähnlich wie wir heute jüdische Namen finden, die auf eine Stadt hin- deuten, wie Erlanger, Leipziger, Berliner usw. Es besteht wohl kein Zweifel, dafs auch dieses Steingrab zur Schnur- keramik zu rechnen ist, erstens wegen der Ähnlichkeit mit dem Grab von Corbetha, in dem Schnurkeramik gefunden wurde, und zweitens wegen der Dreiecks-, Ziekzack- und Fiederverzierungen, die wir ja auf den schnur- und schnittverzierten Amphoren schon kennen lernten. Auch die abgebildete und die im Grab gefundene Axt müssen rein schnurkeramisch sein. Anderer Meinung ist F. M. Näbe (a. a. O. S. 50), der die schnittverzierten Amphoren streng von den schnurverzierten scheidet und deswegen auch dieses Grab einer besonderen, von ihm als „nordisch“ bezeichneten Gruppe zuweist. Unzweifel- haft erinnern die Schnitt- und Stichmuster auf den Urnen und ihre Ver- wandten auf den Steinplatten, sowie die ganze Form der Steinkiste an nordische Vorbilder, doch glaube ich nicht eine besondere Gruppe, sondern nur eine Beeinflussung der in Sachsen-Thüringen heimischen Schnurkeramik annehmen zu müssen. Fundstellen schnurkeramischer Gefälse sind: Cröbern. Zahlreiche Amphoren und Becher, z. T. Sig. Rosenthal, Leipzig V.M., aber auch in Dresden und Berlin. Leipzig-Marienhöhe. Vgl. Jacob, Fundberichte aus N.-W.-Sachsen. Machern. Zwei Gefälse. Slg. Näbe, Leipzig V.M. 21+ 164 Karl Hermann Jacob, [52] Miltitz. Drei Amphoren, ein Becher. Leipzig V.M. Ermlitz. Eine Amphore, ein Becher, ein unverziertes Gefäls. Zwei Steinbeile. Sig. Näbe, Leipzig V.M. Merseburg. Zahlreiche Gefälse und Becher, zerstreut nach Berlin, Halle und Leipzig (Deutsche Gesellschaft). Einzelne Gefälse stammen von Günthersdorf, Dölkau, Pegau, Gautzsch und Dalzie. 5. Keramik der Kugelflasche. Dem Typus der Schnurkeramik nahe verwandt sind die sogenannten Kugelamphoren oder Kugelflaschen. Es sind erölsere Gefälse mit kugel- rundem Bauch und kurzem zylindrischen Hals. Der Rand ist nicht pro- filiert. Meistens befinden sich im Winkel zwischen Hals und Bauch zwei kleine Henkel. Das Hauptornament ist am Halse angebracht; hieran schliefst sich, fransenartig nach unten hängend, die Dekoration der Gefälsschulter. Götze (Zeitschrift für Ethnologie 1900. Verh. S. 154), der diesen Typus als erster zusammenhängend bearbeitete, weist mit Recht darauf hin, dafs wir es hier mit einer selbständigen, weitverbreiteten Gruppe zu tun haben. Die Hauptform ist immer die Kugelflasche (Fig. 84—86). Daneben tritt in unserem Gebiete nur noch eine terrinenförmige Schale auf (Fig. 87). Die Ornamente sind zum grölsten Teil eingeschnitten oder eingestochen und zeigen kreisrunde, halbkreisförmige, kammartige und rhombische Figuren, am Halse und an den Schultern dagegen immer längere oder kürzere Striche in Verbindung mit Halbkreisen oder Punkten. Sie haben gleich den Verzierungen der Schnurkeramik ihren Ursprung in Flechtmotiven. Besonders wichtig sind die Ornamente an der allerdings zerbrochenen Kugel- flasche (Fig. 86). Hier sind sie nicht einfach eingestochen, sondern durch Eindrücken einer Schnur hergestellt, ganz im Charakter der Schnurkeramik. Dies deutet darauf hin, dafs wir die Kugellaschen in die Nähe der Schnur- keramik setzen müssen. In unserem Gebiete sind Funde aus dieser Gruppe noch spärlich. Kugelflaschen treten bei uns auf: in Cröbern (Fig. 86) neben Schnuramphoren und in Gaulis (Fig. 84, 85 u. 87). Vielleicht gehören die Rhombenmuster von Günthersdorf hierher. [53] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 165 D. Kultur und Zeitstellung der Steinzeit, Die verschiedenartigen Gerätformen der Steinzeit haben schon ge- zeigt, dals die Kultur bei weitem nicht so primitiv ist, wie man im ersten Augenblick vermuten möchte. Von dem Paläolithicum wissen wir allerdings sehr wenig. So wichtig die Funde der einfachen Steingeräte sind, so wenig können sie uns doch Aufschlufs über kulturelle Fragen geben. Andere Gegenden, namentlich das für die ältere Steinzeit so klassische Frankreich, sind reicher bedacht mit verschiedenartigsten Kulturüberresten, aus denen wir ersehen, wie weit die Technik trotz des spröden Steinmaterials vorgeschritten ist. Wollen wir uns ein Bild vom Leben und Treiben des Paläolithikers in unserer Gegend machen, so müssen wir uns nach anderen Gegenden wenden, was aber über den Rahmen dieser Arbeit weit hinausgeht, sich auch durch die zahlreiche Fachliteratur erübrigt. Weit bessere Einblicke lassen uns schon die Überreste des Neolithicums in das Leben ihrer Verfertiger tun. Von der jüngeren Steinzeit sind ja die verschiedensten Gruppen in zahlreichen Funden bei uns vertreten. Am häufigsten finden sich einzelne Steinbeile, von den einfachsten bis zu den vollkommensten Formen. Bei ihnen ist es schwer, sie einer bestimmten Gruppe zuzuweisen. Ihre Zahl mag 2000 in unserem Gebiete übersteigen. Wohnplätze der Steinzeit sind auch in gröfserer Anzahl aufgedeckt worden, allerdings nur aus zwei Perioden, der Gruppe des Hinkelstein- Typus und der Bogenbandkeramik. Gräber haben wir aus sämtlichen Gruppen fest- stellen können. Das gröfste Gräberfeld ist das von Rössen. Die wenigsten Gräber stammen aus der Zeit des Hinkelstein- Typus und der Spiralband- keramik. Betrachten wir einmal zuerst die Wohnplätze genauer. Hier finden wir die einzelnen Wohnstätten meist in unregelmäfsiger Anordnung neben- einander. Der Mensch der Steinzeit baute sich seine Hütte dergestalt, dafs er zuerst eine Grube im Erdboden aushob, die herausgeworfene Erde wall- förmig um die Grube aufwarf und in sie hinein senkrecht Ruten steckte, diese oben aneinanderlegte oder zusammenband, alles zu einem besseren Halt noch quer durchflocht und von aufsen mit Lehm bewarf, der glatt- gestrichen wurde. Brannte nun einmal eine solche Hütte nieder, so ver- 166 Karl Hermann Jacob, [d#] brannten die Ruten, die das Gerüst bildeten, der Hüttenbewurf dagegen wurde wie Ziegel hart gebrannt und stürzte mit den sonstigen Überresten in die Grube hinein (Fig. 88). Stechen wir heute beim Betriebe einer Sand- oder Lehmgrube senkrechte Wände ab, so werden wir, wenn diese Stelle schon in der Steinzeit besiedelt war, an den Wänden die Durchschnitte jener Hüttengruben konstatieren können. Sie sind entweder trichterförmig (Fig. 89), wannen- oder muldenförmig (Fig. 90), oder so gestaltet, dals sich in der Mitte der grolsen Wanne noch eine Vertiefung zeigt, in der sich der Raum für das Feuer befand (Fig. 91). Die Dimensionen der Gruben sind sehr verschieden, sie wechseln in der Breite meist zwischen 1 und 3m, in der Tiefe zwischen !/,; und 1! m. Diese Wohngruben liefern mit ihrem Inhalte ein reiches Kulturmaterial. Wir finden hier neben Resten von Tongefälsen Steinbeile, Reibplatten, Spinnwirtel, Feuersteinmesser und sonstige Geräte des täglichen Gebrauchs. Hieraus erkennen wir, dafs die Menschen der Bandkeramik, denn aus der Zeit der Schnurkeramik oder der Kugelflaschen haben wir keine geschlossenen Ansiedelungen gefunden, Acker- bauer waren. Die Steinbeile sind meistens einseitig gewölbte Steinhacken, die zur Bodenbearbeitung benutzt wurden. Nur ab und zu finden sich auch durchbohrte Beile, die bei der Holzbearbeitung eine Rolle gespielt haben mögen. Charakteristisch für die Bandkeramik ist der sogenannte Schuh- leistenkeil, den wir schon früher beschrieben haben.. Von Feuersteingeräten finden wir Messer, Pfeilspitzen und Schaber. Gröfsere Flintarbeiten sind selten und gewils im Handel vom Norden heruntergekommen. Überaus zahlreich dagegen sind die grolsen Reibplatten und Mahlsteine aus gröberem Gestein. Sie deuten darauf hin, dafs man das Getreide, das man baute, auch zu Mehl zu mahlen verstand. Näbe hat in dem neolithischen Dorf Eutritzsch sogar noch einige Getreidekörner gefunden. Dies war dadurch möglich, dafs das Getreide beim Brande der Hütte oder schon am Herdfeuer angekohlt war, und dafs Kohlenstoff überaus widerstandsfähig gegen atmo- sphärische Einflüsse ist. So konnte Weizen und Gerste konstatiert werden. Besonders interessant sind die verschiedenen Spinnwirtel, die man in den Herdstellen gefunden hat. Sie beweisen erstens, dals man spinnen konnte und zweitens, dafs man das gesponnene Garn doch auch zu weben verstand. Ganz eigentümlich sind verschiedene rote Farbpasten, die im neolithischen [55] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 167 Dorf Eutritzsch gefunden wurden. Sie zeigen, dafs man den Körper nicht nur mit Anhängseln, sondern auch durch Bemalung schmückte. Ähnliches ist nachgewiesen von Belgien, den Rheinlanden, der Schweiz, Italien und Rufsland.') Einen reicheren Schlußs auf die Zustände der Steinzeit gewähren die Gräber. Sie zeigen, dafs der Neolithiker schon bestimmte religiöse Vorstellungen von einem Leben im Jenseits gehabt haben muls. gab man doch dem Toten Speise und Trank, sowie Waffen und Schmuck bei. Recht bezeichnend ist es, dals man dem toten Schnurkeramiker eine grolse Amphore, die allem Anschein nach ein Getränk enthielt, und einen Becher beigab, eine Zusammenstellung, die direkt typisch für die Schnurkeramik ist. Dals man auch an eine Wiederkehr der Seele glaubte, diese sogar befürchtete, sahen wir schon bei der Betrachtung der Hockergräber, wo wir die um- fassenden Vorbereitungen kennen lernten, die ein „Umgehen“ der Ver- storbenen unmöglich machen sollten. Der Ackerbau und die durch ihn bedingte Viehzucht, sowie Sels- haftiskeit ist für die Steinzeit, wenigstens die Bandkeramik, erwiesen. Wir können für diese Betrachtung den allgemeinen Ausdruck Bandkeramik ge- brauchen, denn die Wohnstätten ergeben in ihrem Kulturmaterial fast dasselbe Bild. Nahe verwandt sind ja an und für sich schon Rössener und Hinkelstein- Typus allein schon durch die Dekorationsart der Gefälse. Wir können beide Gruppen unter dem Sammelbegriff „alteuropäische Tiefstichkeramik* zusammenfassen, wenn wir uns bewulst sind, dafs es sich um einen Charakter handelt, der nach Norden weist. Rein südliche Motive zeigt die Bogen- und Spiralbandkeramik, deren Ursprung ja auch in die östlichen Donau- länder verlest wird. Aber die Kulturstufe scheint die gleiche wie früher zu sein, reiner Ackerbau. Ganz anders zeigt sich die Kultur der Schnurkeramik. Hier finden wir keine festen Wohnplätze, Grabbeigaben sind kunstvoll gearbeitete Streit- äxte, und der Schlufs liegt nahe, dafs wir es hier mit einem wenig sels- haften kriegerischen Volke zu tun haben. Von dieser Erkenntnis ausgehend, kommt Näbe (a.a. ©. 8.42 ff.) auch zu der Überzeugung, dafs die Band- 1) Dechelette, Revue archeologique 1907, 1. 168 Karl Hermann Jacob, [56] keramik an und für sich höher entwickelt und deshalb auch jünger ist als die Schnurkeramik. Die gut gearbeiteten Beilformen der Schnurkeramiker führt er darauf zurück, dals ein kriegerisches Volk viel Wert auf seine Waften lest. Meiner Ansicht nach hängt er bei dieser Untersuchung zu sehr an der alten Hypothese der drei Kulturstufen: Jäger, Viehzüchter, Ackerbauer. Danach mülste also der jagende Schnurkeramiker älter sein als der ackerbauende Bandkeramiker. Dals dies durchaus nicht der Fall zu sein braucht, erhellt schon daraus, dafs wir es hier nicht mit ein und demselben sich immer höher entwickelnden Volksstamm, sondern gewils mit verschiedenen zu tun haben. Für mich ist die Schnurkeramik jünger als die Bandkeramik aus folgenden Gründen: Die hochentwickelten Steinbeilformen der Schnurkeramik sind sehr jung, sie setzen plumpe Formen, ähnlich denen der Bandkeramik, als Grund- lage voraus. Nach typologischen Gesichtspunkten gehören sie ans Ende der Steinzeit. Die Steinkistengräber sind als typisch für die Schnurkeramik er- wiesen. Im Norden haben wir eine feststehende Chronologie der Megalith- gräber: Dolmen, Ganggrab, Steinkiste. Das Steinkistengrab gehört also ans Ende des Neolithicums. Der S-förmig geschweifte Becher der Schnurkeramik findet seinen Nachfolger im Glockenbecher der Kupferzeit, und dieser wiederum ist das Vorbild für den Becher der frühen Bronzezeit. Wir sehen also eine fort- laufende Entwicklung vom Schlufs der Steinzeit über die Kupferzeit zur Bronzezeit. Am schwierigsten ist die Frage zu lösen, welchen Völkerschaften die Steinzeitmenschen angehört haben mögen. Nach Höfer!) ergibt sich aus sprachlichen Gründen, dals das sprachlich noch ungeteilte indogermanische Urvolk mit der Bevölkerung der neolithischen Periode identisch ist. Die folgende Kupferzeit soll dieses Urvolk noch als Gemeinschaft getroffen haben, die Bronzezeit dagegen als Einzelvölkerschaften. Seitdem wir aber 1) Höfer, Archäologische Probleme in der Provinz Sachsen. Festgabe der histor. Kommission für die Provinz Sachsen usw. Halle 1903. [57] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 169 die neuen paläolithischen Skelettfunde aus Frankreich haben und uns Klaatsch gelehrt hat, dafs wir es schon im Paläolithieum mit zwei gänzlich ver- schiedenen Rassen zu tun haben, läfst sich diese Hypothese wohl kaum noch halten. Neuere Untersuchungen, die auf unser Gebiet näher eingehen, haben wir noch nicht, und so müssen wir uns wohl mit der Annahme begnügen, dals im Neolithiecum indogermanische Völker bei uns gewohnt haben. In welche Zeit dagegen die neolithische Periode zu setzen ist, läfst sich nur nach der folgenden Bronzezeit bestimmen. Wir werden später sehen, dafs das erste Metall zu Beginn des zweiten vorchristlichen Jahr- tausends zu uns kam. Die Kultur des Neolithieums aber währte überaus lange; wir werden deswegen wohl nicht fehlgehen, wenn wir hierfür das dritte und vierte, vielleicht auch noch das fünfte vorchristliche Jahrtausend in Anspruch nehmen. Gehen wir noch weiter nach dem Paläolithieum zurück, so wäre eine Datierung bei dem geringen Material viel zu gewagt. Mit Penk') können wir uns damit begnügen, dals der Mensch des Altpaläolithieums Hunderttausende von Jahren vor unserer Zeitrechnung lebte, wie viele aber, lälst sich wohl kaum je ergründen. 1) Penk, Das Alter des Menschengeschlechts. Zeitschr. f. Ethnologie. 1909. Nova Acta XCIV. Nr.2. 22 III. Der Übergang von der Stein- zur Bronzezeit: Die Kupferzeit. %s blieb nicht aus, dafs man bei der Verarbeitung des Rohmaterials mit der Zeit auch auf Erze oder sogar gediegenes Metall stolsen mulste. In unserer Gegend stehen keine Metalle, weder in reinem Zustande, noch in Erzen zutage an. So konnte man also hier auch nicht die Entdeckung der Metallverarbeitung machen. Dies war dem östlichen Europa oder gar dem Orient vorbehalten. Das erste Metall, das zu uns kam, war das Kupfer. Schon der Name Kupfer, der auf die Insel Cypern (Kypros — Cuperum — Kupfer) hinweist, deutet den orientalischen Ursprung dieses Metalls an. Kupferfunde sind äulserst selten, bei uns nur durch drei Exemplare der Kupferdoppelaxt vertreten (zwei aus dem Depotfund von Dieskau bei Halle, eins aus der Umgegend von Eilenburg). Diese Doppeläxte sind in ihrer Form ganz charakteristisch für die Kupferzeit. Sie sind nach beiden Seiten hin symmetrisch ausgebildet und haben in der Mitte ein verhältnismäfsig kleines ovales Loch. Dieses Loch konnte unmöglich dazu dienen, das Beil zu schäften, weshalb verschiedene Forscher die Ansicht aussprachen, dals wir es hier mit Metallbarren zu tun hätten (Fig. 92). Natürlich konnten diese wenigen Kupfersachen keine grölsere Umwälzung in der gesamten Kultur hervorbringen. Man war nach wie vor auf das billige Gesteinsmaterial angewiesen, und wohl viele der Steinbeile, die als Einzelfunde zutage kommen, sind noch in den ersten Perioden der Metallzeit benutzt worden. Für die Kupferzeit ganz charakteristisch sind jene vereinzelt auftretenden Steinbeile mit ovalem Stielloch. Dieses ovale Stielloch, das für Stein unnatürlich und [59] Karl Hermann Jacob, Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. zul gewils nicht durch praktische Erfahrungen bedingt ist, mag den ovalen Löchern der Kupferäxte nachgebildet sein (Fig. 93). Auch die keramischen Funde aus der Kupferzeit sind überaus spärlich. Wir haben nur einen Vertreter in dem Zonenbecher von Cröbern (Fig. 94). Die Zonenbecher erinnern in ihrer Form noch stark an die geschweiften Becher der Schnurkeramik, deren Nachfolger sie sind. Von ibnen unter- scheiden sie sich nur dadurch, dals die Ornamente nicht durch eingedrückte Schnüre hervorgebracht sind und dafs sie nur einzelne Zonen bilden, die mit unverzierten Streifen abwechseln. Die Verzierungen mulsten mit Stempeln, die aus Holz geschnitten wurden, hergestellt werden, wenn man diese Regelmälsigkeit in der Wiederholung erreichen wollte. Bei der Beschreibung des Steinkistengrabes von der Graslücke bei Corbetha erwähnten wir, dafs Klopffleisch neben schnurverzierten auch andere, gitterartig verzierte Scherben gefunden habe. Sie stammen sicherlich von einem Zonenbecher und beweisen, dals man jenes Steinkistengrab an das Ende der Schnur- keramik und den Anfang der Kupferzeit zu setzen hat. Lange kann das Kupfer eine führende Rolle nicht gespielt haben. Dieses für technische Zwecke viel zu weiche Metall gewann erst dann eine praktische Verwendbarkeit, als man lernte, es durch einen gewissen Prozent- satz Zinn härter und spröder zu gestalten. DD IV x E IV. Zweite Hauptperiode: Die Bronzezeit. A. Einteilung der Bronzezeit, Dem Schweden Oskar Montelius war es vorbehalten, die Bronze- zeit in einzelne Perioden zu teilen. Dies gelang ihm dadurch, dafs er eine neue Methode, die sogenannte typologische Methode, anwandte. Die ersten Untersuchungen erschienen im Jahre 1885.') Weiter baute Montelius das System aus im Jahre 1900 durch seine Arbeit: „Die Chronologie der ältesten Bronzezeit in Norddeutschland und Skandinavien“, Braunschweig 1900. Eine zusammenhängende Übersicht über die Methode selbst gab er 1903 in einer Arbeit, die er „Die typologische Methode“ betitelte, (Stockholm 1903). Nach dieser Methode untersuchte er zuerst die einzelnen wichtigsten Serien der Waffen, Geräte, Schmucksachen und Gefäfse nebst ihren Ornamenten jede für sich. So lernte er die Entwicklung der einzelnen Typen erkennen, die von einfachen zu immer höheren Formen gelangten. Stellte er nun die einzelnen Typenserien nebeneinander, so konnte er feststellen, dals sie immer parallel liefen. Die wichtigsten Entwieklungsstufen griff er heraus und schuf so sechs Perioden der Bronzezeit. Diese typologische Methode gründet sich auf die in das Gebiet der Prähistorie übertragene Entwicklungstheorie, die uns aus der Naturwissenschaft geläufig ist. Montelius hatte erkannt, dafs ebensowenig wie die Arten in der Natur, die Geräte in ihrer Entwicklung Sprünge machten, dafs sie sich vielmehr kontinuierlich entwickeln, so dafs eine Stufe immer auf die andere folgte. Für die einzelnen Perioden stellte !) Montelius, Om tidsbestämming inom bronsäldern. Stockholm 1885. [61] Karl Hermann Jacob, Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. ' 175 er dann charakteristische Gerätschaftsformen in einzelnen Tafeln zusammen, so dals man bei jedem neuen Funde, den man in die Hand bekommt, nach dieser seiner Zusammenstellung ablesen kann, welcher Periode er zugehört. Dieses chronologische System ist seit mehr als 30 Jahren durch neue Funde immer wieder auf die Probe gestellt worden und hat sie stets bestanden. Es war zunächst für Norddeutschland und Skandinavien auf- gestellt. Später arbeitete Montelius ähnliche Systeme für England und für Frankreich nebst Schweiz und Süddeutschland aus. In unserem mittel- deutschen Gebiete liegen die Verhältnisse insofern anders, als wir hier nicht eine einzige fortdauernde Kulturreihe während der Bronzezeit gehabt haben. Zu Anfang haben wir eine ähnliche Entwicklung durchgemacht wie die anderen Gebiete, wir haben Skelettgräber und reiche Depotfunde, die uns Bronzegeräte genug liefern für einen Vergleich mit den Perioden von Montelius. Dann aber tritt ein Umschwung ein, die Brandbestattung wird allgemein üblich, und statt reicher Bronzebeigaben finden wir nur spärliche, für chronclogische Untersuchungen wenig charakteristische Bronzen. Dagegen treten die Urmen, in denen die Überreste des Verbrannten ge- sammelt wurden, in geradezu erstaunlicher Menge auf. Aus diesem Grunde hat man auch versucht, auf dem keramischen Material eine Chronologie aufzubauen, nach der man mit Vo([s') folgende vier zeitlich aufeinander- folgende keramische Gruppen unterschied: a) Lausitzer Typus; b) Göritzer Typus; c) Aurither Typus; d) Billendorfer Typus. Besonders häufig fand sich der Lausitzer Typus. Er wurde zuerst von Virchow als einheitliche Gruppe erkannt und von ihm nach dem Gebiete seines häufigsten Vorkommens, der Lausitz, Lausitzer Typus benannt. Bald sah man, dals auch diese Gruppe zeitlich wieder geteilt werden könne. Für unsere Gegend sind die Untersuchungen von Deichmüller, die er in der Isis, 1904, S. 185 ff. publizierte, mafsgebend. Er unterschied hier zwei 1) Vo[s, Keramische Stilarten der Mark Brandenburg. Zeitschrift für Ethnologie, 1903, S. 167. 174 Karl Hermann Jacob, [62] Formenkreise des Lausitzer T'ypus: einen älteren und einen jüngeren. Der ältere ist charakterisiert durch die Buckelgefälse und doppelkonischen Näpfe, die alle scharf gebrochene Formen haben. Der jüngere zeigt bedeutend abgerundetere Formen und trägt als Hauptverzierungsart die breiten Kannelierungen, die sich in häufiger paralleler Anordnung wagerecht um die Gefälse herum- ziehen. Der Billendorfer Typus wird heute mit vollem Recht der Hallstatt- kultur zugewiesen, kommt also für unsere Untersuchung hier noch nicht in Betracht. Der Göritzer und Aurither Typus, die Vo(s in der Mark feststellte, kommen bei uns überhaupt nicht vor. Dagegen hatte man unter- dessen eigenartige Gefälse gefunden, die man nach ihrem ersten Fundorte in Böhmen unter dem Namen Unjetitzer Typus zusammenfalste. Ihre Zeit- stellung wurde klar, als man verschiedentlich derartige Gefälse mit Bronzen aus der ersten Periode nach Montelius zusammenfand, sie sind also vor den Lausitzer Typus zu setzen. In unserem Gebiete konnten wir nur einzelne Gefälse als Beigaben von Skelettgräbern feststellen. Unter Würdigung dieser Verhältnisse müssen wir davon Abstand nehmen, unsere Funde in das festgefügte Schema von Montelius einzu- schalten, der die keramischen Funde fast ganz aulser acht lies. Da wir aber in erster Linie mit keramischem Material zu rechnen haben, ist es am besten, dieses mit der Periodenteilung von Montelius in Übereinstimmung zu bringen; wir folgen hierbei am besten dem Vorgang des Mecklenburger Forschers Beltz, der die Bronzezeit in drei Perioden teilt. Nach unserem Material ergibt sich folgende Dreiteilung: 1. Frühe Bronzezeit: Unjetitzer 'T'ypus, erste Periode nach Montelius; 2. Mittlere Bronzezeit: Zeit des älteren Lausitzer Typus, zweite und dritte Periode nach Montelius; 3. Jüngere Bronzezeit: Zeit des jüngeren Lausitzer Typus, vierte und fünfte Periode nach Montelius. Die sechste Periode nach Montelius ist genau so wie der Billendorfer Typus aus der Bronzezeit auszuscheiden und der folgenden Periode, der Hallstattkultur zuzuweisen. ori [63] Zur Prähistorie Nordwest -Sachsens. IRQ B. Technik der Bronzezeit, Die Bronze, aus der Waffen und Werkzeuge hergestellt sind, ist ein Gemisch von etwa 90° Kupfer und 10° Zinn. Ab und zu finden sich Spuren von Blei und Eisen darin. In unserem mitteldeutschen Gebiete dürften die Rohmetalle zu dieser Legierung in jenen alten Zeiten wohl kaum gefunden worden sein. Wir müssen deswegen annehmen, dafs die Bronze bei uns durch den Handel eingeführt wurde, sei es nun in den einzelnen Rohmetallen oder schon als Legierungen. Dagegen wurde in unserer Gegend tatsächlich die Bronze zu Gebrauchsgegenständen um- gearbeitet. Dals der Bronzeguls in unserer Gegend geübt wurde, zeigen die verschiedenen Bronzegulsformen, die ab und zu in Funden auftreten. Beim Bronzeguls unterscheiden wir zwei verschiedene Techniken: den Gufs in der verlorenen und den in der festen Form. Einen Einblick in das primitive Bronzegulsverfahren nach der verlorenen Form lassen uns die Völker tun, die heute noch mit grolser Fertigkeit trotz ganz einfachen Hilfsmitteln diese Kunst üben. Im folgenden wird ein Berieht über Bronzeguls aus Togo mitgeteilt.') „Der schwierigste und zeitraubendste Teil ist die Herstellung des Modells. Als Material wird Bienenwachs benutzt. Demselben wird über einem Holzkohlenfeuer oder über glühenden Holzkohlen der nötige Grad der Weichheit gegeben. Zu diesem Zweck wird das Wachs für einige Augenblicke über die glühenden Holzkohlen gehalten und mit den Fingern geknetet und dann dem Wachs mit Hilfe der Finger und eines kleinen Modellierstäbehens aus Holz die gewünschte Form gegeben. Wird das Wachs nach einiger Zeit wieder zu fest, so wird es wieder für einige Augenblicke über die glühenden Holzkohlen gehalten. Will der Künstler z. B. eine menschliche Figur modellieren, so nimmt er ein Stückchen Wachs, gibt ihm die nötige Weichheit und formt zunächst den Leib, modelliert den Hals heraus, nimmt ein neues Stückchen Wachs, modelliert daraus den Kopf, setzt diesen an den Hals an, was sich durch Erweichung des Materials 1) Staudinger, Ueber Bronzeguls in Togo. Zeitschrift für Ethnologie, 41. Jahrg., 1909, 8. 858 ft. 176 Karl Hermann Jacob, [64] Holzkohlen erwärmt und auf derselben weiches Wachs mit der Hand ge- rollt, zwei solehen Rollen wird die nötige Länge und Dicke gegeben und sie dann zu Beinen geformt und dann dem Leib des Modells angefügt. Ausschmückungen, wie z. B. Kleider, Hut, umgehängtes Schwert usw. werden besonders modelliert und dann an die Figur angeklebt. Ebenso werden erhabene Teile, z. B. Ohren, Nase, Haarfrisur, Bart besonders modelliert und an die Figur angeklebt. Auf diese Weise kommt dann schliefslich das vollkommene Modell zustande. Nun nimmt der Künstler ”s Ton und '/; Pferdemist, mengt beides unter dem nötigen Wasserzusatz tüchtig durcheinander und umgibt mit dieser Masse das Wachsmodell. Kleinere Vertiefungen, Höhlen usw. werden mittels des Modellierstäbehens mit der Tonmasse ausgefüllt. Das ganze Wachsmodell ist nun eingehüllt mit dieser Tonmasse mit einer kleinen Öffnung. Diese Tonumhüllung stellt nun die Gulsform dar. (Um möglichst Metall zu sparen, wird der umfangreichere Teil des Modells, also der Leib z. B. ganz roh aus Ton hergestellt und um dieses rohe Tonmodell das eigentliche Wachsmodell geformt, oder richtiger gesagt, über diesen Kern wird das eigentliche Modell so gestülpt, dals ein Zwischenraum bleibt). Drei Tage lang wird die Gußform dann der Sonne ausgesetzt zum Trocknen. Für einige Minuten wird die Guls- form dann in das Holzkohlenfeuer gelegt, wodurch das in die Tonmasse eingebettete Wachsmodell zum Schmelzen gebracht wird. Die Form wird dann mittels einer eisernen Zange in die Höhe gehalten, mit der Öffnung nach unten, um das flüssige Wachs durch diese kleine Öffnung auslaufen zu lassen. In einem Tontiegel ist inzwischen, aber ebenfalls auf dem Holz- kohlenfeuer das Metall geschmolzen worden. Der vor dem Feuer auf dem Boden hockende Künstler lockert den Erdboden und bettet in diesem die Tonform fest ein mit der kleinen Öffnung nach oben. Mittels einer eisernen Zange erfalst er nun den Rand des auf dem Holzkohlenfeuer ruhenden Tontiegels und giefst das flüssige Metall in die Öffnung der Tonform. Dieses umschliefst nun an Stelle des früheren Wachsmodells das Modell. (Richtiger gesagt, füllt den Hohlraum zwischen der negativen Form des Modells in Ton und dem Kern aus, wozu noch zu bemerken ist, dafs selbst- verständlich ein ganz kleines Loch zum Abzug der Luft da sein mulfs.) Bald erkaltet diese Tonform. Sie wird jetzt mit einem Hammer abgeklopft. [65] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 177 Die Metallfigur wird sichtbar. Nachdem sie ringsum gereinigt, wird sie für einige Tage in einen mit Zitronenwasser gefüllten Topf gelegt, alsdann herausgenommen, getrocknet und mittels einer Feile etwa anhaftende Un- ebenheiten beseitigt.“ Dafs bei uns in prähistorischen Zeiten ein ähnliches oder sogar gleiches Verfahren angewandt wurde, zeigt der Giefsereifund, der zwischen Merseburg und Schkeuditz von P. Berger-Merseburg gehoben wurde. Hier fand man zahlreiche Tonklumpen, die, als sie zersägt wurden, die ver- schiedenen Gestalten der Gulsmodelle in Negativen zeigten, so stellt Fig. 95 die Gußform eines Messers dar. Diese Methode der verlorenen Form mulste aber bei einfachen Geräten auf die Dauer zu kompliziert erscheinen, da man doch jedesmal eine neue Form anfertigen mulste Man half sich dadurch, dafs man die Form für den Gegenstand in hartem Material herstellte und zwar in zwei verschiedenen Teilen, die aufeinandergelest den Hohlraum für den zu gielsenden Gegen- stand bildeten. Am zahlreichsten wurden diese Formen aus Steinen her- gestellt. In unserem Gebiete ist nur eine solche feste Form aus gebranntem Ton, und zwar bei Wiederau, gefunden worden (Fig. 96). Sie diente zum Gielsen von Ringen. Häufiger als die Gulsformen sind die gegossenen Gegenstände selbst, und sie zeigen an ihren häufigen Gulsnähten, dafs das Verfahren nach der festen Form wohl wegen seiner Bequemlichkeit am häufigsten angewandt wurde. Über andere Technik ist nieht viel zu sagen. Die Herstellung der Tongefälse ist noch die gleiche wie zur Steinzeit. Wir haben diese Her- stellungsart schon früher genauer betrachtet und gesehen, welche Ge- schicklichkeit dazu gehört haben muls, derartig saubere und tadellos gerundete Tongeräte aus freier Hand, noch immer ohne Töpferdrehscheibe zu verfertigen. 18) [2% Nova Acta XCIV. Nr.2. 178 Karl Hermann Jacob, [66] 0. Die Perioden der Bronzezeit, ihre Charakteristika und wichtigsten Fundplätze. a. Frühe Bronzezeit. Die frühe Bronzezeit unseres Gebietes stimmt, wie wir schon sahen, mit der ersten Periode des Systems von Montelius überein. Die Gefäls- typen gehören dem Unjetitzer "Typus an. Erhalten ist uns die Kultur durch Gräber- und durch Depotfunde. Die Gräber sind verhältnismälsig selten und spärlich mit Beigaben versehen; es sind Skelettgräber. Man kannte also nur die Sitte der Leichenbeerdigung. Die hauptsächlichsten Beigaben sind kleine Gefälse. Der gröfste Durchmesser aller dieser Gefälse liest ganz tief nach der Basis zu. Das Charakteristische an ihnen ist ihr stets gebrochenes Profil, das unten eine konvexe, oben eine konkave Linie bildet (Fig. 97 —100). Vergleichen wir diese Profile mit dem des Glocken- bechers, so ist eine Ähnlichkeit nicht zu verkennen; wir können daher den Glockenbecher wohl als den Vorläufer des Unjetitzer Gefälses betrachten. Ihrer Form nach sind es kleine tassen- oder krugähnliche Gefälse. Meist tragen sie einen Henkel, der nicht am Rande, sondern oberhalb der Mittelkante angebracht, oft sogar zapfenartig in die Wand eingelassen ist. Verzierungen sind spärlich; entweder laufen parallele Linien um den Rand und die Mittelkante, oder diese Linien werden durch Punktreihen ersetzt, die wagerecht und senkrecht angebracht sind. Mit ihren werden jene charakteristischen Gewandnadeln, die so- genannten Ösennadeln gefunden. Nadeln treten schon in der Steinzeit auf, ihre einfachste Form ist der Dorn, der mitunter durch Horn oder Knochen ersetzt wird. In der Bronzezeit trat an die Stelle von organischen Stoffen Bronze, und mit diesem bildsameren Material war auch eine Weiterentwieklung der Nadel gegeben. Wir unterscheiden Gewand- und Schmucknadeln. Schmucknadeln wurden entweder im Haar oder an sonstigen Stellen des Körpers nur zu dem Zwecke einer Verschönerung getragen. Die Gewandnadeln haben da- gegen den Zweck, das Gewand an seinen beiden Enden zusammenzuhalten. Da nun eine einfache Nadel sehr leicht aus dem Gewand herausrutschte, [167] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 179 befestigte man sie dadurch, dafs man an ihrem Knopf eine Öse anbrachte. Diese und die aus dem Gewand hervorragende Spitze umschlang man dann mit einem Faden, so dals ein Ausgleiten unmöglich wurde. Bei den Gewandnadeln der frühen Bronzezeit stellte man die Öse auf dem petschaft- ähnlichen Knopf gleich im Gufs mit her, bisweilen haben diese Nadeln eine säbelartige Krümmung des Schaftes (Fig. 101). Die Öse am Knopf konnte aber sehr leicht abbrechen. Man half sich deswegen dadurch, dals man einen diekeren Knopf herstellte und ihn einfach durchbohrte (Fig. 102). Eine spätere Form stellt die „ostdeutsche Ösennadel“ dar, bei der die Öse seitwärts am Halse sitzt (Fig. 103). Eine viel gröfsere und wichtigere Rolle als die Gräberfunde spielen die Depotfunde. Unter einem Depot versteht man eine Anzahl wertvoller Gegenstände, die auf einem möglichst engen Raume absichtlich der Erde anvertraut wurden. Die Veranlassung hierzu kann verschieden gewesen sein. Entweder vergrub man den Schatz in Zeiten der Gefahr, oder man opferte ihn den Göttern, wie wir das besonders häufig in der Nähe heiliger und heilkräftiger Quellen beobachten können. Gerade der frühen Bronze- zeit entstammen die wichtigsten Depotfunde unserer Gegend. Einzelne Funde von Bronzegegenständen sind seltener, haben dagegen für einzelne Typen auch Bedeutung. Betrachten wir nun einmal die zahlreichen Gegenstände, die uns in Depot- und Einzelfunden erhalten sind, und beginnen wir mit dem wichtigsten Kulturobjekt, dem Beil, das wir in zahlreichen Variationen schon in der Steinzeit an erster Stelle antrafen. Die einfachste Form der Bronzeaxt ist dem keilartigen Beil aus Stein nachgebildet, welches ja die häufigste Form während der Steinzeit ist (Fig. 104). Bald erkannte man, da/s man bei der Zähigkeit des Metalls bedeutend zierlichere Formen als in Stein her- stellen und so das gewils teuere Material sparen konnte. Man behielt nur die breite Schneide bei, bildete dagegen den oberen Teil der Axt bedeutend schmäler. So kam man bald zu dem Typus, den Fig. 105 darstellt. Um ein seitliches Ausgleiten der Axt von der Schäftung möglichst zu vermeiden, hatte man die Ränder etwas erhöht (Fig. 106). Dieser Typus heist Randaxt oder Kragenaxt, und da er auf sächsischem Boden besonders häufig auftrat, nannte man ihn Randaxt vom sächsischen Typus. Diese Randaxt zeigt 23* 180 Karl Hermann Jacob, [68] auch verschiedene Variationen, besonders ist die Berandung mannigfach gestaltet worden. Sie ist entweder — und das ist am häufigsten — rund, bisweilen spitzbogig, oder gerade abgeschnitten. Zum weiteren Verständnis der Entwicklung dieser Axt müssen wir auch die Schäftung näher betrachten. Man befestigte diese Art der Äxte nicht in einem einfachen geraden Stiel, sondern in einem knieförmig ge- bogenen. Bei dieser Schäftungsmethode war es natürlich, dafs das Bahn- ende bei jedem Schlage immer tiefer in den Stiel hineingeschlagen wurde und bald eine Spaltung des Stiels hervorrufen mulste. Dem begegnete man aber frühzeitig dadurch, dals man in der Mitte der Axtklinge einen Absatz anbrachte, die sogenannte Rast, über die die Schäftungsenden nicht hinaus- konnten (Fig. 107). Seltenere Variationen dieser Randaxt sind: der nordische Typus, der noch stärker an die Urform erinnert (Fig. 108), und die lang- gestielte Randaxt die besonders häufig in der Schweiz und in Ungarn gefunden wurde, weshalb das einzige in unserer Gegend beigefundene Exemplar wohl auch im Zwischenhandel zu uns gekommen sein mag. An all diesen frühen Axtformen können wir eine Eigentümlichkeit konstatieren, die Schneiden sind nämlich nicht geschliffen, sondern gedengelt. Die einzelnen, dieht nebeneinander sitzenden Spuren von Hammerschlägen dokumentieren es. Die wertvollste Axt dieses Typus ist sicherlich die aus dem Depot- funde von Dieskau bei Merseburg, die aus reinem Gold besteht (Fig. 109). Bei diesem Funde kamen noch zu Tage: zwei massive Armbänder, die an der Aufsenseite mit stark hervortretenden Längsrippen versehen waren (Fig. 110 u. 111), aufserdem ein massiver Armring mit petschaftähnlichen Enden und fünf Längsrippen, die quer gestrichelt sind, wohl um einen gewundenen Draht nachzuahmen (Fig. 112), und zuletzt ein nicht ganz geschlossener, aus einem glatten runden Stab hergestellter Ring, dessen Enden ösenartig umgebogen sind (Fig. 115). Das Material zu diesem Schatze ist, wie gesagt, reines Gold im Gesamtgewicht von 605 &, nur der letztgenannte Ring besteht aus einer Mischung von Gold und Silber. Über derartige Legierungen berichtet Plinius: „Allem Golde ist in verschiedenen Gewichts- verhältnissen Silber beigemengt, bald. zu 1:9, bald zu 1:8. Wenn der Silbergehalt bis zu 1:5 der Masse steigt, nennt man dieselbe Goldsilber oder Elektrum.“ Reines Silber spielt in der prähistorischen Zeit überhaupt [69] Zur Prähistorie Nordwest- Sachsens. 151 erst ganz spät, nämlich in der Völkerwanderungszeit eine Rolle. Von Edel- metallen war nur das Gold im Gebrauch. Kleinere Goldgeräte sind in unserer Gegend nur in Gestalt der sogenannten Noppenringe gefunden worden. Dies sind zierliche Ringe aus doppeltem Golddraht. Wegen ihrer schleifenartigen Enden hat sie Olshausen mit den unaufgeschnittenen Fadenschlingen, den Noppen bei der Sammtfabrikation verglichen und Noppenringe genannt (Fig. 114). Ähnliche Formen, wie sie der Ring aus Elektrum zeigt, sind besonders häufig bei den grolsen Halsringen aus Bronze angewandt, die ebenfalls aus runden, an ihren Enden zusespitzten Bronzestäben hergestellt sind, deren Enden entweder petschaftartig ausliefen (Fig. 115), oder ösenartig umgebogen waren (Fig. 116). Die Halsringe sind also immer offen. Ferner begegnen wir bei den Depotfunden häufig massiven Fuls- ringen, die zum Teil offen, zum Teil geschlossen sind. Die Enden sind durch 3— 4 erhabene oder eingravierte Linien verziert (Fig. 117). An der dieksten Stelle, sowie einige Zentimeter von jedem Ende entfernt, führen mitunter feine Kanäle durch das Metall; wozu diese Löcher dienten, ist noch unbekannt. Ganz eigenartig ist ein solcher Ring, der bei Radewell gefunden wurde und der ebenfalls solche Kanäle zeist. An seiner dieksten Stelle sitzt ein ösenartiger Ansatz, in den zwei lange Ketten greifen, die in Bronzestiften enden. Da aber die Bronzestifte gar nicht in die Kanäle passen, ist auch ihre Verwendungsweise unklar. Der schwerste aller dieser Ringe ist 1256 Gramm schwer und wurde bei Halle gefunden (Fig. 115). Er ist spiralförmig gewunden und mit Gruppen von Dreiecken und vertikalen Strichen verziert. Einige Forscher halten ihn wegen seines grolsen Gewichts nicht für einen Fulsring, sondern für einen Ring, der als Münzwert eine Rolle gespielt haben soll. Wenn wir aber sehen, welch schweren Eisenschmuck unsere heutigen Naturvölker (z. B. im Kongobecken, in Südwest-Afrika, die Massai, Dschagga) tragen, so können wir wohl begreifen, dafs auch ein solcher Ring tatsächlich am Körper getragen werden konnte. Die Armringe, die am Unterarm getragen wurden und deswegen elleptisch geformt sind, gleichen sehr häufig den Fulsringen. Sie haben glatte oder knopfartige Enden. Im Durchschnitt sind sie meist rund, nur 182 Karl Hermann Jacob, [70] ein Ring ist sechskantig facettiert (Fig. 119). Um diese grolsen, breiten Ringe auch für Kinder tragbar zu gestalten, bog man sie einfach zusammen, so dals die Enden übereinanderragten (Fig. 120). Ebenfalls am Arm ge- tragen wurden die grolsen zylindrischen Spiralen, die aus einem Bronze- band zusammengewunden wurden (Fig. 121). Von anderem Schmuck finden wir kleinere Spiralrollen aus feinem Bronzedraht und zylindrisch auf- gerollte Bleche (Fig. 122). Beide Arten wurden jedenfalls nebeneinander auf Schnüre gereiht und als Ketten um den Hals getragen. Neben dem Gold war wohl der Bernstein eines der teuersten Materialien jener Zeit. Im Bronzedepotfund von Dieskau fanden sich hiervon 120 zum Teil kuselrunde, zum Teil mälsig abgeflachte Perlen von 10—15 mm Durch- messer. Nur vereinzelt kommen doppelkonische, falsartig geformte Stücke vor. Aulserdem fanden sich noch einige axtartig der Länge nach durch- bohrte, beschnittene und zwei rohe querdurchbohrte, sonst unbearbeitete Stücke. Es handelt sich bei diesem Material unzweifelhaft um nordischen Bernstein, den sogenannten Succinit. Montelius hat nachgewiesen, dals der Bernstein dieser frühen Zeit aus Jütland stammte und nicht, wie der spätere, aus ÖOstpreulsen. Er kam also die Elbe und die Saale entlang in unsere Gegend. Gegengabe für diese Schätze mag das Salz der Hallischen Gegend gewesen sein. Sicherlich hatte die alte Saline von Halle schon in jener Zeit eine grolse Bedeutung, denn die Gold-, Bernstein- und Massen- bronzefunde treten alle im engeren oder weiteren Umkreise dieser Salz- gegend zutage. Von Waffen finden sich aus dieser Zeit Dolche, Schwertstäbe und Lanzenspitzen. Die primitivste Form eines Bronzedolches stellt Fig. 125 dar. Griff und Klinge sind aus einem Stück gegossen und erinnern in ihrer Form noch ganz deutlich an ihre Vorbilder, die prachtvollen nordischen Feuersteindolche, die ja auch vollständig aus einem Stück gearbeitet sind. Eine vollkommenere Form stellt Fig. 124 dar. Hier sind Griff und Klinge aus zwei verschiedenen Stücken, die einzeln gegossen wurden, zusammen- gearbeitet. Auch diese Form trägt rein nordischen Charakter. Die Grund- form des Dolches ist die einem spitzwinkligen Dreieck gleichende Bronze- klinge. Beim Dolch schäftete man dieses Blatt der Länge nach. Bei einer anderen Schäftungsart wurde der Stiel rechtwinklig zur Klinge angebracht. [71] Zur Prähistorie Nordwest -Sachsens. 183 Diese Form nennen wir Dolch- oder Schwertstab (Fig. 125). Praktische Verwendbarkeit wird ein solcher Schwertstab nie besessen haben. Zer- brochene Exemplare (Fig. 126) zeigen, dals die Klinge zwar massiv, die Schäftung dagegen hohl und sehr zerbrechlich gearbeitet war. Die einzige Verzierung, die sich auf den Blättern der Dolehe und Schwertstäbe findet, ist eine den Schneiden parallel verlaufende Erhöhung, die durch mehrere eingravierte Linien hervorgehoben wird. Auch das schon an dem Fulsring von Halle konstatierte Dreiecksmotiv tritt hier wiederum auf. Es ist über- haupt das einzige Ornament, das wir auf allen Geräten der frühen Bronze- zeit konstatieren können. Die Lanzenspitzen, die vereinzelt gefunden werden, haben ein gleichfalls dreieckiges Blatt und eine weite Schafthülle, die zwei- mal durehbohrt ist (Fig. 127). Aus allen diesen grolsen Depot- und Einzelfunden erkennen wir einen Reichtum, wie wir ihn in der späteren Bronzezeit nie wieder finden werden. Die frühe Bronzezeit stellt die Blüte der gesamten Bronzezeit dar. Der Charakter aller Gegenstände verweist uns nicht etwa auf südliche, sondern auf nordische Vorbilder, woraus wir folgern müssen, dals die meisten Grundformen aus dem Norden zu uns gekommen sind. Die wichtigsten Funde aus der frühen Bronzezeit sind von den Depotfunden: Bennewitz, Kr. Halle. 297 Exempl. der sächsischen Randaxt aus Bronze. Sehkopau, Kr. Merseburg. 124 Exempl. der sächsischen Randaxt aus Bronze, zum Teil von rohem Guls und noch nicht gedengelt und geglättet. Carsdorf bei Pegau. 35 Exempl. der sächsischen Randaxt, davon 25 Exempl. mit flacher Rast. Dabei 7 Halsringe und 3 offene, dicke Arm- oder Fulsringe, alle aus Bronze. Dieskau, Kr. Halle. 1 sächsische Randaxt, 2 Armbänder, 1 Halsring aus Gold, 1 Armring aus Elektron. Dieskau, Kr. Halle. 1 sächsische Randaxt, 2 Doppeläxte (vielleicht noch Kupfer?), 27 Hals-, Arm- und Fufsringe, 4 Dolchstäbe, 10 lose Klingen, 2 Armspiralen, 23 Spiralröllchen, sämtlich aus Bronze. 106 Bernsteinperlen. Canena, Kr. Halle. 1 Dolch, 1 Schwertstab, beide aus Bronze. (Vielleicht auch ein Grabfund.) 184 Karl Hermann Jacob, [72] Gefälse vom Aunjetitzer T'ypus traten auf: Mit einem Skelett (Hocker) in Carsdorf bei Pegau; einzelne Gefälse bei Altranstädt, Günthersdorf und Merseburg. 2. Mittlere Bronzezeit. Die mittlere Bronzezeit umfalst die zweite und dritte Periode des chronologischen Systems nach Montelius. Vom keramischen Standpunkt aus betrachtet ist es die Zeit des älteren Lausitzer Typus. In dieser Periode spielen die Gräberfunde die grölste Rolle, weiter können wir kon- statieren, dals in’ bezug auf die Totenbestattung eine grolse Änderung gegenüber den früheren Perioden eingetreten ist. Überall während der Steinzeit und frühen Bronzezeit konnten wir die Leichenbeerdisung, also Skelettbestattung feststellen. Einzelne im Rössener Gräberfeld mit auf- gedeckte Brandstellen konnten nicht malsgebend sein. Jetzt dagegen wird die Verbrennung der Leichen ganz allgemein. War also ein Todesfall eingetreten, so errichtete man einen Scheiterhaufen, legte die Leiche mit ihrem Schmuck darauf und entzündete den Holzstols. Die Holzasche ver- flog zum grölsten Teil, nur spärlich waren die Reste, die übrig blieben. Die Knochen waren nicht gänzlich verbrannt. Man zerschlug die gröfsten von ihnen und sammelte alle Aschen- und Knochenreste in einem Tongefälse. Die Aschenurnen überdeckte man zum besseren Schutze mit einem anderen Gefälse oder einer Schale und stellte kleinere Gefälse, die vielleicht mit Speise und Trank gefüllt waren, um sie herum. Alles dies versenkte man in einer flachen Grube, ohne dals man einen grölseren Hügel darüber auf- türmte. Von gewisser Pietät zeugt der Fund von Cröbern. Hier wurde in einer grölseren doppelkonischen Urne die Asche eines älteren Individuums aufbewahrt. Darein war ein kleines Buckelgefäls gesetzt, das die Asche eines ganz jungen Individuums enthielt. Hier mochte die Mutter mit ihrem Kind gestorben sein, und man gab das Kind der Mutter auch im Tode bei, wobei man eine genaue Unterscheidung zwischen den Resten beider In- dividien machte. Nur selten können vollständig erhaltene Gräber in unserer Gegend geborgen werden. Sie liegen zumeist höchstens 50—75 cm unter der Erd- [73] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 155 oberfläche; man ging dabei stets bis auf den Grund des nicht allzumächtigen Geschiebelehms und setzte die Grabgefälse direkt auf den Schotter. Infolge dieser geringen Tiefe zerrils der Pflug, der Jahrhunderte lang über sie hinwegging, sehr viele von ihnen, so dals oft ganze Grabfelder nur noch aus Nestern von Scherben bestehen. Charakterisiert wird diese keramische Gruppe vor allem durch das Buckelgefälßs, das entweder als Krug oder weiter Napf hergestellt wurde (Fig. 128). Das eigenartige an ihm sind die meist in grölserer Anzahl vor- handenen grolsen erhabenen Buckel, die der Frauenbrust nachgebildet sind. Sie wurden entweder von innen herausgedrückt oder von aulsen aufgesetzt. Mit den Buckelgefälsen zusammen werden vor allem die doppelkonischen Näpfe gefunden. Sie gleichen zwei mit ihrer Basis aneinandergesetzten Kegelstümpfen. Der Unterteil ist meist durch radiale vom Boden aus- gehende Striche verziert. Um die Mittelkante herum laufen mehr oder minder breite Furchen und Grübchenreihen (Fig. 129 u. 130). Neben ihnen treten grolse weitbauchige Gefälse mit verschieden hohem Hals auf (Fig. 151 u. 132). Die Schalen sind fach, zum Teil mit Henkel und bisweilen von erolsem Durchmesser. Von den kleineren Gefälsen finden sich am häufigsten Tassen mit grolsen Henkeln (Fig. 133 u. 134) und krugartige Formen mit oder ohne Schnurösen (Fig. 135 u. 136). Kinderspielzeug ist vertreten dureh Näpfchen mit warzenförmigen Fülsen (Fig. 137), kugelrunde, weitbauchige und zylindrische Klappern (Fig. 138—140). Vereinzelt treten scheiben- förmige Spinnwirtel auf (Fig. 141). Alle diese Gefälse sind unverziert, eine Ausnahme bilden höchstens die doppelkonischen Näpfe, deren rohe Schnitt- verzierungen aber keinen Vergleich mit den anmutisen Ornamenten der Steinzeit aushalten. Die Beigaben, die sich in den Urnen befinden, sind spärlich, Am häufigsten kommen kleine Pfeilspitzen (Fig. 142) und Schmucknadeln vor, die mannigfache Formen annehmen. Ihr Kopf ist entweder scheibenartig gestaltet (Fig. 143 u. 144) oder weist verschiedene Zusammenstellungen von grolsen und kleinen Kugeln auf (Fig. 145 u. 146), deren charakteristischste die Mohnkopfnadel ist (Fig. 147). Die Gewandnadel, die wir schon in der frühen Bronzezeit kennen gelernt haben, hat sich jetzt in anderer Richtung weiter entwickelt. Die Nova Acta XCIV. Nr.1. 24 156 Karl Hermann Jacob, [74] eigentliche Nadel verkümmert, die Schnur dagegen, die, wie wir sahen, durch das Öhr gesteckt und um die Spitze gewickelt wurde, wird jetzt durch einen Bronzedraht ersetzt. Dies ist dauerhafter und bequemer. Der Bronzedraht, der jetzt ein wirklicher Bügel ist, wird zu beiden Seiten in Spiralen aufgerollt (Fig. 148). So ist die erste Fibel entstanden. Sie ist zweigliedrig, da Bügel und Nadel getrennt gearbeitet wurden. In der Folge- zeit entwickelt sich diese Fibel zu prächtigen Formen, die wir zwar in unserem Gebiete nicht beobachten können, die aber in nordischen Gebieten zahlreich und schön gestaltet auftreten. Die Typenkarte, die über die Verbreitung dieser Nadeln aufgestellt wurde,') zeigt, dals unser Exemplar vom Leipziger Südfriedhof das südliehste ist, das in Deutschland gefunden wurde. Eine seltene Form aus diesen Gräberfeldern ist das Rasiermesser. Es ist ein breites, gebogenes Messer, dessen Griff einem Tierkopfe nach- gebildet ist (Fig. 149). Dieses Messer als Rasiermesser anzusprechen, erschiene vielleicht etwas gewagt, wenn nicht zahlreiche nordische Formen einen ähn- lichen Gebrauch wahrscheinlich machten. Wir müssen tatsächlich annehmen, dals sich die Männer ihren Bart rasierten, was ein Zeichen vornehmer Geburt gewesen sein mag. Beweise hierfür haben wir in den Berichten alter Schriftsteller, wie z. B. Diodoros von Sizilien (V. 25) und Cäsar (Bellum Gallikum V. 14) von dieser Sitte bei den Naturvölkern, die sie kennen gelernt hatten, berichten. In Skandinavien besitzen wir positive Zeugnisse bei drei Leichenfunden in Eichensärgen: An den gut erhaltenen Skeletten lag das Haupthaar in seinem ursprünglichen Zustande so dicht beisammen, dals es gesammelt und aufbewahrt werden konnte. Von einem Barte aber fand sich dort keine Spur.) Eine ganz eigenartige Erscheinung ist eine kleine blaue Glasperle, die sich mit einigen Spiralröllchen von Bronzedraht in einer Aschenurne des Gräberfeldes Leipzig-Südfriedhof fand (Fig. 150). Auch für diesen Fund haben wir Analoga in nordischen Gräbern.) Hier treten diese Glasperlen 1) 4. Bericht der Kommission für präbist. Typenkarten. Zeitschr. f. Ethnologie 1907. Verh. S8. 785 ff. 2) Sophus Müller, Nordische Altertumskunde. Strafsburg 1897. I. Bd. 8. 260 ft. 3) J. Mestorf, Glasperlen aus Frauengräbern der Bronzezeit. Mitt. d. Anthropol. Vereins v. Schlesw.-Holst. 1900. Hft. 13. [75] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 187 gemeinschaftlich mit Bronzedrahtrollen in Frauengräbern auf. Unsere Perle ist der älteste Fund von Glas in der Leipziger Gegend. Woher dieses Glas kam, ist uns unbekannt. Dieses kleine blaue Perlchen mag aber zu jener Zeit als ganz seltenes Stück den Neid der anderen Frauen erregt haben, als besonderer Schatz wurde er der Toten mit ins Grab gegeben, damit sie auch im Jenseits diesen einzigartigen Schmuck tragen könne. Die Brandgräber treten bei uns so zahlreich nebeneinander auf, dals man von ganzen Gräberfeldern sprechen kann. Nur selten aber konnten neben diesen ausgedehnten Begräbnisplätzen die Wohnstätten konstatiert werden. Es mag damit zusammenhängen, dals die Gebrauchsgefälse, die sich in Trümmern in einzelnen Wohnstätten fanden, unverziert und so wenig charakteristisch waren, da/s man sie und mit ihnen die Wohnstätten nicht als zur Bronzezeit gehörig erkannte. Wo aber Wohnstätten genauer unter- sucht wurden, da fand man dieselben Gefälsformen wie bei den Begräbnis- plätzen. Besonders zahlreich treten tönerne Kegel auf, die früher für Webestuhlgewichte gehalten wurden, jetzt aber als „Tonkegel zur Herstellung einer Webekette* gedeutet werden (Fig. 151 u. 152). Die Anlage der Wohn- stätten unterscheidet sich kaum von der der steinzeitlichen Herdstellen. Wie in den Gräbern die Beigaben von Bronze schon höchst selten- waren, so werden auch die Depotfunde aus der mittleren Bronzezeit im Gegensatz zur frühen Bronzezeit spärlicher. Einzelfunde kommen jetzt eben- falls nur selten vor. Das charakteristische Werkzeug dieser Funde ist immer noch die Axt. Sie hat sich jetzt aber schon weiter entwickelt. Früher sahen wir, dafs sich die Ränder erhöhten. Dies kam allmählich soweit, dals die Ränder in der Mitte der Axt sich zu richtigen Lappen ausbildeten (Fig. 153 u. 154). Wir haben hier die Lappenaxt vor uns, und da die Lappen in der Mitte stehen, heilst diese Form die mittelständische Lappenaxt. Auch diese Axt war, wie die früheren, in knieförmigem Holze geschäftet. Um aber eine festere Verbindung mit dem Stiel herbeizuführen, brachte man an der Axt noch eine Öse an, durch die eine Schnur gezogen und am eigentlichen Stiel befestigt wurde (Fig. 155). Mit diesen Lappenäxten zusammen wurde in einem grolsen Bronze- depotfunde von Oberthau eine Menge Bronzesicheln gefunden. Diese Sicheln sind hakenförmig gegossene Bronzeblätter. Auf der Unterseite sind sie 24* 188 Karl Hermann Jacob, [76] flach, auf der Oberseite dagegen tragen sie eine Haupt- und mitunter mehrere Nebenrippen (Fig. 156—159). Das Charakteristische an diesen Sicheln sind die Knöpfe, die sich am unteren Ende befinden, weshalb man diese Sicheln auch Knopfsicheln nennt. In der Nähe dieses Knopfes tragen einzelne Stücke noch besondere Ornamente, die durch Gruppen von Striehen und Bogen in beliebiger Menge und Mannigfaltigkeit zusammengestellt sind. Man ist sich über die Bedeutung dieser Ornamente noch nicht klar.') Wenn diese Sicheln geschäftet wurden, so mulsten die Ornamente natürlich durch den Holzschaft verdeckt werden, sie erreichten ihren Zweck als Orna- mente also nicht. Deswegen glaubt man in diesen Zeichen Fabrikmarken zu erkennen. Der Zweck mag in Wirklichkeit ein doppelter gewesen sein: Man verstärkte durch die Längsrippen die ganze Sichel, durch die Quer- striche und Winkel dagegen das Ende, und dies tat man in einer dem Auge gefälligen Form. Die Form der Sichel schwankt zwischen den stark gekrümmten hakenförmigen und den langgestreckten. Neben den eben aufgezählten Formen treten in der Hauptsache nur noch Ringe auf. Sie sind meist kreisrund und aus einem kantige Bronze- stab durch Drehung hergestellt (Fig. 160). Interessant ist ein Stück, das durch Zusammenbiegen einer langen Nadel zu einem Kinderarmring wurde (Fig. 161). Die wichtigsten Fundorte: Aus der mittleren Bronzezeit haben wir nur einen grölseren Depot- fund, den von Oberthau bei Schkeuditz. Aus ihm besitzt das Leipziger Völkermuseum (Sig. Wiegand) 453 Sicheln, 4 mittelständige Lappenäxte, 1 Armring, sämtlich aus Bronze. Die Gräberfelder mit dem älteren Lausitzer Typus sind besonders zahlreich im Süden von Leipzig (Cröbern, Probstdeuben, Zehmen, Dreiskau) und im Osten (Leipzig-Südfriedhof, Leipzig-Trinitatisfriedhof und Mockau). Die wichtigsten Ansiedlungen wurden bei Gautzsch, Carsdorf und Stünz aufgedeckt. !) H. Schmidt, Der Bronzesichelfund von ÖOberthau. Zeitschr. f. Ethnologie 1904. 8. 416 fi. i Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 189 — —1 —] =) 3. Die jüngere Bronzezeit. Auch die jüngere Bronzezeit wird wie die ältere vor allem durch die Keramik charakterisiert. Ihre Formen sind zum grolsen "Teile nahe mit denen aus der vorigen Periode verwandt. Sie zeigen aber gefälligere, abgerundetere Profile und auch ein reicheres, wenn auch eintöniges Orna- ment. Dieses Ornament, das für die jüngere Bronzezeit eigentümlich ist, wird durch mehr oder minder weite Hohlkanten, auch Kannelierungen ge- nannt, gebildet. Es treten hier doppelkonische Näpfe auf, die nicht mehr so scharf gebrochen sind. Ihnen nahe verwandt sind grolse Näpfe, wie sie Fig. 162 zeigt. Sie haben sich jedenfalls aus einem doppelkonischen Napf entwickelt. Aufserdem finden sich tonnenförmige Gefälse mit Kannelierungen am oberen Teile (Fig. 165—165), Schalen mit und ohne Henkel (Fig. 166 bis 168), Krüge mit grofßsen Henkeln (Fig. 169 u. 179), sowie Tassen mit hochgebogenem Henkel und etwas eingedrücktem Boden (Fig. 171 u. 172). Eine Variation dieser Kannelierungen wird dadurch erreicht, dafs man die Furchen in Dreiecksformen aneinanderreiht und so zu einem ÖOrnament kommt, das Wolfszahnornament genannt wird (Fie. 173). Hand in Hand mit dieser Weiterentwicklung des Ornaments geht auch eine Fortentwicklung der Gefäfsformen. Die grofsen Öffnungen ver- schwinden, dafür treten engere Mündungen bei verhältnismälsig erolsem Bauche auf (Fig. 174). Sie mögen die jüngsten Formen der jüngeren Bronzezeit darstellen. Unter den kleineren Gefäfsen kommen Formen vor, die unsere besondere Aufmerksamkeit dadurch erregen, dals eine Scheide- wand das Gefäls in zwei Hälften teilt. Die Gefälse mit rundem Durch- messer mögen die älteren, die mit ovalem die jüngeren sein (Fig. 175 u. 176). Nachbildungen natürlicher Vorlagen sind die in Ton geformten Hörner, die wohl als Trinkgefälse gebraucht wurden (Fig. 177). Nachbildungen von Lebewesen sind die Tongeräte in Vogelgestalt (Fig. 178—180). Sie sind wahrscheinlich Klappern oder sonstige Spielzeuge für Kinder gewesen, denen sie nach dem Tode ins Grab beigegeben wurden. Eime ganz eigen- artige und in unserem Gebiete einzig dastehende Form ist die des Stiefel- pokals (Fig. 181). Es ist ein kleines bauchiges Gefälßs, das auf zwei 190 Karl Hermann Jacob, [78] sicherlich dem Menschen nachgebildeten Fülsen steht. Ähnliche Formen beschrieb Reuls in den Fundberichten des Provinzialmuseums zu Halle.') Die Bronze ist immer spärlicher und seltener geworden. In der jüngeren Bronzezeit finden wir kaum noch Beigaben in den Gräbern. Auch Depotfunde sind nicht mehr vertreten. Unter den Einzelfunden ragen auch hier wie früher die Äxte hervor. Sie haben sich jetzt aber schon zu Hohl- oder Tüllenäxten entwickelt, d. h. der knieförmig gebogene Stiel wurde nicht mehr gespalten, wie bei den Rand- und Lappenäxten, sondern ein- fach in die Tülle des Beiles hineingesteckt (Fig. 182). Auch hier stellt die nahe an der Mündung angebrachte Öse eine sichere Verbindung mit dem Stiel dar. Diesen Tüllenäxten, die meist unverziert oder nur spärlich verziert sind, stehen die Tüllenmeisel sehr nahe, die als tägliches Gebrauchs- gerät überhaupt keine Verzierung tragen (Fig. 185). Das Rasiermesser hat sich auch weiter entwickelt nämlich derartig, dals jetzt eine Doppelform entstanden ist gleichsam durch Verschmelzen zweier Messer von der früher beschriebenen Form (Fig. 184). Die wichtigsten Fundorte sind die grolsen Gräberfelder von Leipzig- Connewitz und Canitz- Wasewitz a. d. Mulde Ansiedlungen wurden bei Günthersdorf festgestellt. D. Kultur und Zeitstellung der Bronzezeit. Die Kultur der zweiten Hauptperiode unserer vorgeschichtlichen Zeit ist natürlich durch die Verwendung eines Metalls der Steinzeit gegenüber bedeutend gestiegen. Der Bronzeguls ermöglichte eine leichtere und be- quemere Herstellung der Gerätschaften. Die Geräte selbst hielten bedeutend länger und konnten, wurden sie einmal unbrauchbar, immer wieder ein- geschmolzen werden, so dals vom Material selbst wenig verloren ging. Das Rohmaterial mulste, da es in unserer Gegend nicht gefunden wurde, von auswärts eingeführt werden. Woher es kam, ist uns noch unbekannt. Der Harz hat Kupfer und das Erzgebirge Zinn. Das Kupfer mulste bergmännisch !) Reufs, Fundberichte über neue Ausgrabungen seitens des Provinzialmuseums zu Halle a. S. in der Jahresschrift für d. Vorgesch. d. Sächs.-Thür. Länder. Bd. 6. Halle 1907. [79] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 191 gewonnen werden, Zinn dagegen konnte in den Seifen ausgewaschen werden. Grolse prähistorische Kupferbergwerke hat man in Salzburg gefunden, wo man einen 1500 m langen Zug verfallener Kupfererzgruben aufgedeckt hat. Vielleicht mag in den Alpen die Zentrale der Kupfergewinnung gelegen haben, und wahrscheinlich wurde auch von hier die Bronze, zu einer fertigen Legierung geschmolzen, zu uns eingeführt. In unserer Gegend mulste sich aber die Technik des Gusses schon sehr entwickelt haben, denn die Gielserei- funde zeigen, welche hohe Fertigkeit man im Guls nach den zwei ver- schiedenen Methoden, der verlorenen und der festen Form, hatte. Es mag eine friedliche Bevölkerung gewesen sein, die in unserem Gebiete ansässig war. Der grolse Bronzesicheldepotfund von Oberthau zeigt uns, dafs der Ackerbau in höchster Blüte stand und man die Ernte schon durch den sebrauch von Sicheln beschleunigen konnte. Auf kriegerische Manipulationen deuten die Äxte, vereinzelte Speer- und Pfeilspitzen hin. Handel dagegen mu/s schon in ausgiebigem Maße getrieben worden sein, denn Gold und Bernstein können nur im Handel zu uns gekommen sein. Man mufs daher auch eine Gegengabe für diese Schätze gehabt haben, denn wie bei jedem Handel bekam man auch hier nur dann die begehrte Ware, wenn man etwas dagegen einzutauschen imstande war. Die Ausfuhrprodukte in unserem Gebiete sind durch die Salzquellen bedingt, die zu beiden Seiten der Saale hervor- brechen und in Halle und Dürrenberg noch heute reiche Ausbeute liefern. Alle Gegenden, in denen schon in prähistorischer Zeit Salz gewonnen wurde, sind reich an prähistorischen Funden. Ähnlich liegt der Fall in den grolsen Bernsteingebieten an der Nord- und Ostsee; da, wo der meiste Bernstein ausgeführt wurde, zeigen sich auch die zahlreichsten Bronzefunde. Die Siedelungsweise der Bronzezeit ist uns leider noch sehr wenig bekannt. Zu einem festen Wohnbau scheint man noch immer nicht gekommen zu sein. Die Herdstellen, die die gleiche Form wie die steinzeitlichen haben, enthalten noch immer den festgebrannten Hüttenbewurf genau so wie im Neolithieum. Häufiger und vor allen Dingen reichhaltiger sind uns Gräber erhalten. Die Gräber der frühen Bronzezeit sind noch Skelettgräber, bei denen also der Körper als unversehrtes Ganze in die Erde versenkt wurde. Die Formen der Beigefäfse schlielsen sich, wie wir sehen, direkt an die Glockenbecher der Kupferzeit an, und dafs diese Glockenbecher nahe ver- 192 Karl Hermann Jacob, [80] wandt mit schnurkeramischem Material sind, unterliegt keinem Zweifel. So hätten wir also aus der Steinzeit heraus eine lückenlose Fortentwicklung über die Kupferzeit hinweg bis zur frühen Bronzezeit. Wir sahen, wie aulserordentlich reich die Bronzefunde dieses ersten Abschnittes der Bronze- zeit waren. In ihr haben wir überhaupt die Blüte und Glanzperiode unseres mitteldeutschen Gebietes zu suchen. Sin grolser Wandel in all diesen Erscheinungen tritt mit dem Beginn der mittleren Bronzezeit ein. Hand im Hand geht ein Wechsel in der Bei- setzungsart, denn an Stelle der Leichbeerdigung tritt die Leichenverbrennung. Es muls dies seinen Grund in einer Veränderung der religiösen Anschauungen haben. Dafs wir tatsächlich schon von Religion sprechen können, lassen uns die zahlreichen Beigaben erkennen, die der Tote schon in der Steinzeit ins Grab für das Leben im Jenseits mitbekam. Hier lag gewils schon die Anschauung zugrunde, die wir später noch am Ende der heidnischen Zeit im Norden finden und worüber uns die Ynglingasaga Kap. 8 berichtet: „Was der Tote auf dem Scheiterhaufen bei sich hat und was er selbst in der Erde vergraben hat, das kommt ihm in Valhöll zu gute, so lautet Odins Lehre.“ Welcher Grund bestimmend war, von der Beerdigung zur Ver- brennung überzugehen, ist noch unklar und auch durch die verschiedenen Theorien, die darüber existieren, noch nicht gelöst. Am wahrscheinlichsten ist es, dals man dem Geist die Trennung vom Körper durch die Verbrennung erleichtern und gleichzeitig eine Rückkehr in den Körper verhindern wollte. Wir sahen ja schon, dafs man zur Zeit des Rössener Typus die Leiche fesselte, um ein Wiederkommen und eine damit verbundene Schädigung der Überlebenden zu verhüten. Mit dieser Annahme mögen auch jene charakteristischen Löcher in den Aschenurnen in Zusammenhang stehen, die man als Seelenlöcher bezeichnet und die den Zweck gehabt haben sollen, die Seele auch nach der Beisetzung der Asche frei entweichen zu lassen: Die Zeit, in der Brandbestattung stattfand, ist charakterisiert durch den älteren, sowie den jüngeren Lausitzer Typus. Ein Zusammenhang dieser Keramik mit der vorausgehenden ist nur schwer festzustellen. Aufserdem tritt, um einen weiteren Unterschied zwischen der frühen und späten Bronzezeit anzuführen, eine Armut an Bronze ein. Konnten wir in [81] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 193 der frühen Bronzezeit zahlreiche und grofse Depotfunde feststellen, so treten diese nur zu Anfang des zweiten Abschnittes auf und auch schon nicht mehr in dieser Reichhaltigkeit. In dem dritten Abschnitte, der jüngeren Bronzezeit, kommen keine Depotfunde vor, auch die Grabbeigaben sind hier nur sehr spärlich. Aus allem geht hervor, dafs mit dem Beginn der mittleren Bronzezeit eine Völkerbewegung in unserem Gebiete stattgefunden haben muls. Bei Betrachtung der Steinzeit sahen wir, wie auf alteuropäische Stich- und Schnittornamente die weichen Formen der donauländischen Bogenbandkeramik folgten, ein Vorgang, der wohl nicht mit Unrecht auf eine Völkerbewegung zurückgeführt wird. Erst die folgenden Perioden, wie die Schnurkeramik, die Kupferzeit und die frühe Bronzezeit tragen wieder rein nordischen Charakter. Da sich nun im Norden nachweisen läfst, dals die Germanen, die heute noch dort sitzen, dort autochthon sind, so hätten wir die Kulturträger der Kupfer- und frühen Bronzezeit ebenfalls als germanische Völker anzusprechen. Welcher Völkerschaft die Menschen der mittleren und jüngeren Bronzezeit zuzuweisen sind, ist noch unklar. Die ganze Kultur trägt einen südlichen, donauländischen Charakter. Von dieser Erkenntnis ausgehend, hat Kossinna!') dieses Volk, das nach ihm aus Ungarn und Galizien bis zu uns eingedrungen ist, Karpodaken genannt. Er entlieh diesen Namen den Völkerschaften, die noch in den ersten Jahr- hunderten nach Christo in dem Ursprungsgebiete dieser Kultur, nämlich im Norden der Karpathen salsen und Karpen oder Karpodaken hielsen. Jedem, der sich mit Ethnographie beschäftigt hat, mag es aber sehr gewagt erscheinen, den Namen eimer Völkerschaft auf Stämme zu übertragen, die vor etwa 2000 Jahren dasselbe Gebiet bewohnt haben, wenn zwischen dem alten und dem rezenten Volke keinerlei Zusammenhang au/ser dem gemein- schaftlichen Wohnsitz zu konstatieren ist. Neuerdings hat Kossinna, der diese seine Ansicht nie recht durch Beweise gestützt hat, einen heftigen Gegner in Schuchhardt’) gefunden. Dieser geht ebenfalls von keramischen Gesichtspunkten aus und hält den Lausitzer Typus für vollständig autochthon. 1) Kossinna, Die indogermanische Frage archäologisch beantwortet. Zeitschrift für Ethnologie 1902. 2) Schuchhardt, Das technische Ornament in den Anfängen der Kunst. Prähistorische Zeitschrift I, S. 364 ff. Nova Acta XCIV. Nr. 2. Zi [27 194 Karl Hermann Jacob, Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. [52] Nach seinen Untersuchungen ist erstens der Keim der Buckelverzierung schon in neolithischer Zeit an der mittleren Elbe vorhanden, und zweitens liest die Buckelkeramik in Ungarn und Troja etappenweise später als die in der Lausitz. Es ist ihm unzweifelhaft, dafs die Träger der Buckelkeramik die Semnonen sind, ein Volk, das nach Taecitus (Germ. 59) das Stamm- und Kernvolk der Sueven ist und nach Ptolemaeus (II, 11,8) von der mittleren Elbe östlich bis zur Oder wohnte. Wir haben zu Anfang unserer Untersuchung gesehen, dals es Oskar Montelius als erstem gelungen war, eine relative Chronologie während der Bronzezeit aufzustellen, d. h., dals er imstande war, verschiedene zeitlich aufeinanderfolgende Perioden genau zu unterscheiden. Eine Bekrönung dieser relativen Chronologie mulste eine absolute sein, nach der man also die einzelnen Perioden in ganz bestimmte Zeitabschnitte verweisen kann. Durch Vergleichung und Anologien mit klassischen, sicher datierbaren Funden kam Montelius zu der Überzeugung, dafs für jede seiner Perioden etwa 200 Jahre anzusetzen seien und dals diese Zeitrechnung mit 1800 v. Chr. beginne und mit 600 v. Chr. aufhöre. Vor die erste Periode nach Mon- telius haben wir unsere Kupferzeit zu setzen, die ungefähr denselben Zeit- raum wie jede der sechs Bronzeperioden umfalst haben mag. Die sechste Periode von Montelius wollen wir von der reinen Bronzezeit abtrennen. Montelius selbst hat sie als Übergang von dieser zur Eisenzeit betrachtet. Wir werden später sehen, dals sie mit der südlichen Hallstattzeit identisch ist und eine eigene Behandlung verdient. So kommen wir, wenn wir uns an das Schema von Montelius halten, zu folgender absoluten Chronologie: 1. Kupferzeit 2000— 1800. 2. Frühe Bronzezeit = Unjetitzer Typus — erste Periode nach Montelius 1800— 1600. 3. Mittlere Bronzezeit — älterer Lausitzer Typus — zweite und dritte Periode nach Montelius 1600—1200. 4. Jüngere Bronzezeit — jüngerer Lausitzer Typus — vierte und fünfte Periode nach Montelius 1200-800. V. Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit: Die Hallstattzeit. Das erste Auftreten des Eisens fällt noch in die vollentwickelte Bronzezeit hinein. Von einigen Forschern wird deswegen diese Übergangs- zeit, wie z. B. von Montelius, der sie als seine sechste Periode bezeichnet, gewissermalsen noch zur Bronzezeit gerechnet. Auch unsere Funde weisen nur wenig Eisen auf. Aber die gesamte mitteldeutsche Prähistorie zeigt uns doch, dals wir diese Gruppe von der Bronzezeit abzugliedern haben. Wir nennen sie Hallstattzeit nach jenem gro[sen Gräberfeld im österreichischen Salzkammergut, das die klassische Fundstelle für diese Periode bildet. Hier, wo sich eine schier unerschöpfliche Menge des schon in der Vorgeschichte viel begehrten Salzes findet, traten schon in früheren Jahrhunderten vor- geschichtliche Funde zutage. Von 1846—1863 wurde dann von Ramsauer das grolse Gräberfeld durchforscht, das nieht weniger als 993 Gräber lieferte. Wir haben auch hier eine ähnliche Erscheinung wie bei unserer alten Saline Halle, und auch hier erkennen wir wieder, dafs gerade jene Stellen reich an vorgesehichtlichem Material sind, die mit ihren Ausfuhrprodukten einen weitverzweigten Handel unterhalten und durch Tlauschgeschäfte Reich- ‚tum in ihre Gegend bringen konnten. In unserer Gegend sind die Gräber der Hallstattzeit durchgängig Skelettgräber. Dafs wir vielleicht einmal auch Brandgräber finden werden, erscheint nicht ausgeschlossen. Wir haben ein Gefäls aus unserem Gebiete, das zwar im La Tene-Gräberfeld Cröbern auftrat, aber doch ganz den 25* 196 Karl Hermann Jacob, 84] Charakter der Hallstattzeit trägt. Wir sahen schon früher, dafs auf den jüngeren Lausitzer der sogenannte Billendorfer Typus folgte, der sich aus ihm heraus entwickelt haben mag. Dieser-Typus tritt besonders häufig im Osten Deutschlands auf; im unserer Gegend ist er nur durch dies eine Gefäls (Fig. 185) vertreten. In den Skelettgräbern findet man nur selten keramisches Material, desto mehr dagegen Bronzebeigaben. Am charakteristischsten sind die grolsen gedrehten Halsringe, die sogenannten Wendelringe. Sie sind aus vierkantigen Bronzestäben hergestellt, die erst nach der einen Riehtung, dann plötzlich nach der anderen Richtung gedreht wurden und zwar mehrere Male hintereinander, gewöhnlich vier- bis sechsmal. An den Stellen, wo man die Drehung nach der anderen Richtung fortsetzte, entstanden die sogenannten Wirbel. Gerade diese Wirbel sind es, die für unsere Hals- ringe eigentümlich sind. Mit Virchow') unterscheiden wir wahre und falsche Wendelringe. „Als wahre bezeichnen wir diejenigen, die wirklich durch mehrmals in verschiedener Richtung ausgeführter Drehung hergestellt sind, als faische diejenigen, die nur graviert sind, aber nach demselben Muster.“ Die wahren Wendelringe zeigen nun wieder mannigfache Variationen, die dadurch entstehen, dafs man die vier Kanten des ursprünglichen Stabes verschiedentlich behandelte. Man hob sie dadurch hervor, dafs man die Seiten des Stabes in der Mitte aufschlug, so dafs der Durchschnitt einer kreuzartigen Blüte glich (Fig. 186), oder man zog die Kanten blattartig aus. Die falschen Wendelringe stellte man aus einem runden Stabe her, der im Durchschnitt nur die vier eingravierten Furchen zeigte (Fig. 187). Der Versehlufs dieser offenen Halsringe ist durchgängig der gleiche; er ist dadurch hergestellt, dals man die vierkantigen, etwas verdünnten Enden unter einem rechten Winkel umbog, das eine nach vorn, das andere nach aulsen. So konnten sie bequem übereinander gehakt werden. Mitunter sind die vierkantigen Enden noch durch eingravierte Linien und Punkt- reihen in verschiedener Anordnung verziert. Einfachere Halsringe sind aus glattem,. dünnem Bronzedraht verfertigt, die Enden sind petschaftartig ver-' dickt (Fig. 188). 1) Virchow, Zu dem Wendelring von Weissagk. Zeitschrift für Ethnologie 1884. Verh., 8. 350 ft. [85] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 197 Neben diesen Halsringen treten am häufigsten noch Armringe auf Sie haben meist ovale Form, die an Steigbügel erinnert („Steigbügelringe‘). An ihnen können wir wieder verschiedene Ornamente beobachten. Sie tragen entweder Gruppen von eingravierten Strichen (Fig. 189 u. 190) oder Gruppen von Knöpfen, die gleich im Gufs mit hergestellt wurden (Fig. 191). Zu beiden Seiten des Schädels werden in diesen Gräbern oft eigentümlich geformte, durch Riffelungen verzierte Bronzebleche gefunden, an deren einem breiten Ende sich ein Loch befindet, während das andere in einen schmalen Streifen verläuft. Das Ganze ist kreisrund zusammengebogen (Fig. 192). Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dals wir es hier mit Ohr- ringen zu tun haben. Förtsch') wendet sich gegen diese Anschauung und meint, sie könnten wegen ihrer scharfen Kanten nicht am Ohrläppehen getragen worden sein, da sie diese entzündet haben würden. Er hält sie eher für Spangen, die Haarsträhne zusammenhalten sollten. Sehr häufig kommen auch Schmucknadeln in den Gräbern vor, ein- fachere Formen, deren Oberteil geriffelt ist (Fig. 195), solche, deren obere Hälfte mehrfach gekrümmt ist und einem Schwanenhals gleicht, weswegen sie Schwanenhalsnadeln genannt werden (Fig. 194), solche, deren Kopf in ein kreisrundes Blech ausgehämmert ist (Fig. 195), und zuletzt solche, die am Ende ein halbkugliges Bronzehohlblech tragen (Fig. 196). Wohl einem Frauengrabe mag die bronzene Nähnadel (Fig. 197) entnommen sein. Die Urform dieser Nähnadel finden wir schon in der Steinzeit, wo sie aus Knochen hergestellt wurde. Neben all diesen Bronzegeräten tritt nur ganz vereinzelt das Eisen auf. Aus einem einzigen Grab unseres Gebietes ist eine einfache Eisen- nadel bekannt. Wir haben also eine Zeit vor uns, wo die Bronze noch im allgemeinen Gebrauch war und besonders zu den prächtigen Schmuck- sachen gern verwendet wurde. Das Eisen ist noch sehr selten und mag in der ersten Zeit genau so wertvoll gewesen sein wie die erste Bronze zu Beginn der Bronzezeit. Merkwürdig ist, dafs alle diese Skelettgräber in unserem Gebiete nur zu beiden Seiten der Saale auftreten, wo sie in t) Förtsch, Hallstattzeitliche Skelettgräber. Jahresschrift für die Vorgeschichte der Sächs.-Thür. Länder. Halle 1904. Bd. IH, S. 42 fi. 198 Karl Hermann Jacob, Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. [86] reichlicher Anzahl aufgedeckt wurden. Wohnstätten dagegen sind über- haupt noch nicht gefunden worden. Und doch müssen wir für diese Kultur eine verhältnismäfsig lange Periode in Anspruch nehmen. Wir setzten den Schlu(s der Bronzezeit ungefähr in das achte Jahrhundert v. Chr. Mon- telius weist seine sechste Periode, die identisch ist mit unserer Hallstattzeit, in die Jahre 800— 600; wir tun vielleicht wegen der erst später folgenden vollentwickelten Eisenzeit gut, anzunehmen, dafs sie noch bis ungefähr zum Jahre 500 v. Chr. gedauert hat. VI. Dritte Hauptperiode: Die Eisenzeit. A. Einteilung der Eisenzeit, Die Einteilung der Eisenzeit machte bei weitem nicht so grolse Schwierigkeiten, wie die der beiden vorhergehenden Hauptperioden. Die Römerfunde waren leicht zu datieren, auch das Material der Völker- wanderungszeit und der folgenden Perioden konnte durch Münzfunde und historische Berichte zeitlich leicht festgelegt werden. Immer noch treten bei den eisenzeitlichen Funden auch Bronze- gegenstände auf. Die goldgelbe Bronze eignete sich ja sehr gut zu Schmuck- sachen, und wir finden sie bis zur Völkerwanderungszeit immer vertreten; erst zur slavischen Zeit verlor sie an Bedeutung. So können wir verstehen, dafs man im Anfang der prähistorischen Forschungen nicht an das Drei- periodensystem glauben wollte. Man sah Eisen- und Bronzesachen gemein- schaftlich in Gräbern auftreten und wollte nie die Existenz einer Bronzezeit anerkennen. Man glaubte nicht, dafs die Bronze ohne Eisen eine so grolse Bedeutung für die Kultur haben könnte, und man lies daher auf die Stein- zeit sogleich die Eisenzeit folgen. Für unsere Gegend ergibt sich folgende Einteilung der Eisenzeit: La Tene- Zeit; Provinzial-römische Zeit; Völkerwanderungszeit; Slaven-Zeit; u See letztere leitet zur Geschichte über. 200 Karl Hermann Jacob, [88] B. Die Perioden der Eisenzeit, ihre Charakteristika und wichtigsten Fundplätze, 1. La Tene-Zeit. Volle Bedeutung gewann das Eisen erst dann, als es in grölseren Mengen erzeugt werden konnte. Der Bronze gegenüber hat es ja viele Nachteile. Es ist nicht so zäh und verrostet vor allem viel schneller als die Bronze. So konnte Bronze in allen Geräten erst dann verdrängt werden, als man in dem Eisen ein Material gefunden hatte, das billiger war und schneller ersetzt werden konnte. Dabei hat es einen grolsen Vorteil: es läfst sich schmieden. Die vollentwickelte vorrömische Eisenzeit bezeichnen wir als La Tene- Zeit. La Tene bedeutet die Untiefe und ist eine Stelle im Neuenburger See unweit vom Dorfe Marin. Hier wurde im Jahre 1858 durch die Forscher Schwab und Desor eine grofse prähistorische Station aufgedeckt. Sie lieferte reiche Mengen von Eisengeräten und nach ihr benannte man alle Funde, die diesen an Form und in der Zeitstellung ähnlich waren. Bei den zahlreichen Untersuchungen von La Tene-Stationen merkte man bald, dafs man es hier mit einem lange andauernden Abschnitt zu tun hatte, den man wiederum in einzelne Abschnitte würde teilen können. Dem Königs- berger Forscher Tischler verdanken wir die Gliederung der La Tene- Periode.‘) Bei Betrachtung der Bronzezeit lernten wir die eine prähistorische Forschungsmethode, die „typologische Methode“ von Montelius kennen. Tischler wandte eine andere’an, die er die „induktive Methode“ nennt. Bei dieser kommt es darauf an, grolse Begräbnisplätze, welche länger in Gebrauch gewesen sind, systematisch zu untersuchen, wobei eine topo- graphische Aufnahme und Beschreibung Hauptbedingung ist. Es wird sich dann fast immer eine durchgehende Veränderung des gesamten Gräber- inventars (der Fibeln, anderweitigen Schmucksachen, Bronzegefälse usw.), oft auch der Grabgebräuche herausstellen, und die vorsichtige Prüfung mu/s !) Tischler, Über Gliederung der La Tene-Periode und über die Dekorierung der Eisenwaffen in dieser Zeit. Correspond.-Blatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte. XV]. Jahrg. Nr. 10. [89 ] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 201 dann zeigen, was älter, was jünger. Wenn die so gewonnene Reihenfolge nach einer grölseren Zahl solcher Untersuchungen immer dieselbe bleibt, werden die Resultate als gesichert aufzufassen sein, und es kommt nur noch darauf an, für einzelne Punkte dieser Reihe absolute Zeitmalse zu gewinnen. Durch diese Methode und an der Hand zweier besonders prägnanter Stücke des Grabinventars, nämlich der Fibel und des Schwertes kam Tischler zu einer Dreiteiluing der La Tene-Zeit. Spätere Untersuchungen von Reinecke') zeigten, dals die Teilung im grolsen und ganzen richtig war, dals man lediglich für Süddeutschland eine weitere Periode annehmen und vor die erste Periode von Tischler setzen müsse. Für unsere Gegend kommen nur die drei Perioden von Tischler in Betracht, die er Früh-, Mittel- und Spät-La Tene-Periode nennt. Be- trachten wir die Entwicklung dieser drei Perioden an der Hand der Fibel, so müssen wir uns erst einmal den Bau dieser Fibeln näher ansehen. Die Gewandnadeln lernten wir bereits in der Bronzezeit kennen. Hier waren sie starke Nadeln aus Bronze, die zuerst durch einen Schnurbügel, später durch einen Metallbügel die Gewandfalten zusammenhielten. Sie bestanden damals aus zwei einzeln gearbeiteten Stücken, der eigentlichen Nadel und dem Bügel, sie waren also zweigliedrie. In der La Tene-Zeit und in allen folgenden Perioden finden wir, dafs die Fibel meist eingliedrig ist, d.h. Bügel und Nadel sind aus einem Stück gearbeitet. Die Nadel tritt immer mehr zurück. Sie hat stets nur praktische Bedeutung. Die anderen Bestand- teile der Fibeln dagegen gewinnen insofern, als sie ornamental ausgebildet werden. Betrachten wir die schematische Skizze Fig. 198: « ist die Nadel, b der Bügel. Um die Nadel festzuhalten, ist sie am unteren Teile des Bügels, der der Fuls genannt wird, in einen Falz, den sogenannten Nadel- halter c gelegt. Da Nadel und Bügel verbunden sind, muls die Nadel federn, deswegen ist das Verbindungsstück zwischen Bügel und Nadel zu der Spirale d aufgerollt. Die Spirale liegt zu beiden Seiten des Bügels. Das Drahtstück, das die beiden Spiralhälften verbindet, heifst Sehne e, der 1) P. Reinecke, Zur Kenntnis der La Tene-Denkwäler der Zone nordwärts der Alpen. In der Festschrift zur Feier des 50 jährigen Bestehens des römisch-germanischen Zentralmuseums zu Mainz. Mainz 1902. Nova Acta XCIV. Nr. 2. 2 26 202 Karl Hermann Jacob, [90] rein dekorative Fortsatz des Fulses, der sich unterhalb des Nadelhalters findet und vor allem in der La Tene-Zeit eine grolse Rolle spielt, heilst das Schlulsstück f. Nach der Art und Lage des Schlulsstückes unterscheiden wir nun drei verschiedene Typen der La Tene-Fibeln, von denen jede für eine Periode charakteristisch ist. In der Früh-La Tene-Periode legt sich dieses Stück, meist ein Knopf oder eine Scheibe, nahe an den Bügel, ist jedoch nicht mit ihm verbunden, sondern frei. Tischler bezeichnet diese Fibel als solche „mit freiem Schlufsstück“. Bei den Fibeln der Mittel-La Tene- Periode ist das Schlufsstück mit dem Bügel durch eine Hülse oder Zwinge verbunden. Es sind dies „Fibeln mit verbundenem Schlufsstück“. In der Spät-La Tene-Periode vollzieht sich insofern eine Änderung, als Bügel und Fuß zu einem Ganzen verbunden sind, also einen geschlossenen Rahmen bilden. Es sind „Fibeln mit geschlossenem Fuls“. Diese Fibeln finden sich zahlreich in den Gräberfeldern der La Tene- Zeit. Die Gräber sind wiederum Brandgräber; man war also von der Skelettbestattung der Hallstattzeit wieder abgekommen und zum Leichen- brand zurückgekehrt. Ob diese Veränderung der Bestattungsweise durch einen Wechsel in der Bevölkerung bedingt wurde, ist noch nicht fest- gestellt. Genau so wie in der Bronzezeit finden wir hier die Haupturne, die Aschen- und Knochenreste enthielt, mitunter überdeckt von einer Schale, dem Deckelgefäls. Beigefälse finden sich nur äufserst selten. Auch hier stehen die Gefälse frei, ohne jegliche schützende Steinsetzung in der Erde und zwar nur in geringer Tiefe. In der Früh-La Tene-Periode finden wir zwei, voneinander ganz verschiedene Arten der Knochenurnen. Die eine Gruppe wird beherrscht durch ovale, tonnenförmige, einfach profilierte Gefäfse Henkel finden sich nur selten. An ihre Stelle treten oft kleine Tonwülste, die entweder in Hufeisen- oder in Spindelform (Fig. 199) angebracht sind. Die Verzierungen sind sehr primitiv, bei einzelnen Gefälsen ist die ganze Aufsenfläche mit kurzen gekrümmten Parallellinien bedeckt, die mit einem kammartigen Instrument hervorgebracht wurden. Viele sind absichtlich an ihrer Aufsen- Hläche gerauht, wobei nur einzelne glatte wagerechte und senkrechte Streifen Unterbrechungen hineinbringen (Fig. 200). Sonst finden sich Schnitt- [9 1] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 205 verzierungen oder Fiederornamente. Besonders erwähnenswert ist eines dieser primitiven Gefäfse (Fig. 201), das einen Klapperboden hat. Man sieht ganz deutlich im Innern des Gefälses einen zweiten, einer umgestülpten Schale ähnlichen Boden aufgeklebt, unter dem sich einige Gegenstände frei befinden müssen, denn bei jeder Erschütterung klappert das Gefäfs. Das Material all dieser Gefäfse ist Ton, der mit mehr oder minder grobem Sand vermengt ist. ] Ganz anders stellt sich die zweite Gruppe dar. Diese Gefälse sind alle auf der Drehscheibe gearbeitet. Die zahlreichen Drehriefen und die saubere Arbeit beweisen es. Auch das Material ist ganz anders. Es ist ein sehr fein geschlemmter Ton, der keinerlei Beimengungen aufweist. Die Profile sind ganz und gar von denen der ersten Gruppe unterschieden. Wir finden überall elegante Formen, wie sie Fig. 202 u. 203 zeigen. Ver- zierungen sind dabei nur höchst spärlich und zart angebracht. Bei Fig. 204 sind es S-förmig eingestempelte, zu Paaren vereinigte Ornamente, die in der Mitte der Innenfläche der Schale in vier Gruppen ein Kreuz bilden. Um sie herum laufen guirlandenförmig angeordnete Punktreihen, die ihren Höhepunkt in mehreren konzentrischen Kreisen haben. Das Material, die Formen und besonders auch die Farbe zeigen, dafs diese Gefälse eine eigenartige Gruppe bilden. Die Farbe aller Gefäfse, die wir früher kennen lernten, schwankte zwischen einem schmutzigen Grau und einem roten Braun. Diese Urnen sind dagegen tiefschwarz, und nach dieser schwarzen Farbe werden sie als Terra-Nigra-Gefäfse bezeichnet. Die Schwärzung ist durch Schmauchen hergestellt, d. h. durch Brennen der Gefäfse unter Luftabschlufs. Es mufste auffallen, wenn man in einem Gräberfeld der Früh- La Tene-Zeit Gefäfse beider Gruppen nebeneinander fand. Weinzierl') meint, dafs damals noch nicht jede Familie eine T’öpferdrehscheibe besafs, wiewohl die Freihhandtöpferei in den früheren Epochen als Hausindustrie geübt wurde, indessen die Kunsttöpferei bereits ein Gewerbe war. Bei meinen Untersuchungen’) bin ich dagegen zu dem Resultat gekommen, dafs es sich bei den Terra-Nigra-Gefälsen unserer Gegend nur um Import 1) Weinzierl, Das Gräberfeld von Langugest bei Bilin in Böhmen. Braunschweig 1899. °) Jacob, Die La Tene-Funde der Leipziger Gegend. Jahrbuch des städt. Museums für Völkerkunde zu Leipzig. II. Band. Leipzig 1908. 26* 204 Karl Hermann Jacob, [92] handeln kann. Wir werden in späteren Perioden sehen, dals die Gefälse, die auf der Tööpferdrehscheibe hergestellt wurden, nur ganz vereinzelt vor- kommen, dafs dagegen die Hauptmasse der Gefälse bis zur Völkerwanderungs- zeit aus freier Hand geformt wurde. Hätte man nun in der Früh-La Tene- Periode schon die Anwendung der Töpferdrehscheibe in unserer Gegend gekannt, so widerspräche es allen kulturhistorischen Erfahrungen, dafs bei ein und derselben Völkerschaft ein Gerät verloren geht, das imstande ist, bei kürzerer Zeit schönere Gegenstände herzustellen. Man hätte, wenn wir Weinzierls Annahme für richtig halten, die Töpferdrehscheibe in späteren Jahren wieder verworfen, oder, wie er sich ausdrückt, das Gewerbe wäre eingegangen. Da sich in den folgenden Perioden keine Völkerbewegungen bemerkbar machen, so ist es kaum glaublich, dafs man die Töpferdrehscheibe überhaupt schon in unserer Gegend gekannt, oder wenn man sie gekannt hat, von ihr abgekommen ist. Wir müssen deswegen diese Terra-Nigra- Gefälse als Import aus anderen, wahrscheinlich südwestdeutschen Gegenden ansehen. Unter den Beigaben, die sich in diesen Früh-La Tene-Gräbern finden, treten die Fibeln besonders hervor. Die Hauptrolle spielen schon die Eisen- fibeln; Bronzefibeln sind bedeutend seltener. Die einfachsten Formen scheinen die Fibeln ohne jedes Schlufsstück vorzustellen (Fig. 205). Das Schluls- stück der anderen Fibeln ist stets frei, aber verschiedentlich gebildet. Wir finden den blofsen Draht emporgebogen, oder ihn mit einem Knopf, meist mit mehreren Knöpfen besetzt (Fig. 206 u. 207). Die Bronzefibeln dieser Zeit bieten bedeutend mehr Varianten. Hier sind besonders die Korallen- fibeln hervorzuheben, bei denen das Schlufsstück, die beiden Spiralenden und die Bügel mit je einer Koralle besetzt sind (Fig. 208). Bei dem schönsten Exemplar sind neben all diesen angeführten Korallen noch zu beiden ‘Seiten des Bügels je zwei Korallen angebracht (Fig. 209). S. Reinach hat in der „Revue Celtique“ diese Korallenfibeln untersucht. Sie stammen nach ihm von den Hyerischen und Liparischen Inseln, sowie von der Küste Etruriens und sind über Massilia in den Handel gekommen. Neben den Gewandnadeln, den Fibeln, treten auch Schmucknadeln auf. Ihre schönste Form ist die Scheibennadel mit aufgenietetem Kegel (Tutulusnadel), deren Nadel, Kegel und Niete sämtlich aus Bronze sind [93] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 205 (Fig. 210). Sie scheint sich aus den einfachen Scheibennadeln der Hall- stattzeit dadurch entwickelt zu haben, dafs man als weiteren Schmuck einen Bronzekegel aufsetzte. Fast ebenso zahlreich wie die Fibeln finden sich die Gürtelhaken, die wiederum in verschiedenen Variationen, besonders in der Früh - Periode auftreten. Wir unterscheiden drei Gruppen: a) Gürtelhaken mit der Grundform des Dreiecks; b) sporenähnliche Gürtelhaken und ec) Doppelhaken aus Bandeisen. Die erstgenannten Gürtelhaken sind alle aus Bronze hergestellt. Ihre Grundform ist ein Dreieck, das von drei, meist reichverzierten Knöpfen und den diese Knöpfe verhindenden Stegen gebildet wird. An der Spitze sitzt der eigentümliche Haken. Der Haken selbst zeigt oft die Form eines 'Tier- kopfes (Fig. 211 u. 212). An der Basis des Dreiecks sind dann meist zwei Lappen angebracht, auf denen zwei oder mehrere weitere Knöpfe sitzen. Die Öse zu dem Haken mag ein einfacher Ring oder ein aus Bronzeringen zusammengestelltes Dreieck gewesen sein. Die sporenähnlichen Gürtelhaken sind meist aus einem Eisenblatt gefertist, das oben zu einem Haken um- gebogen ist, dann einen Hals bildet, worauf es geteilt und weit gespreizt ist, so dals es die Gestalt eines Sporen gewinnt (Fie. 215). Die hierzu gehörige Öse bildet ein einfacher Eisenring. Unter diese Gruppe gehört auch der einzigartige Haken in Menschengestalt (Fig. 214) von Leipzig- Connewitz. Das Gesicht, sowie die ganze Gestalt ist stark stilisiert; um den Hals trägt die Figur einen grolsen Halsring. Die Beine sind gespreizt, wie die eines Reiters und laufen in flache Platten aus. Der eigentliche Haken wird durch einen zipfelmützenartigen Ansatz gebildet. Wir haben hier wohl das älteste bis heute bekannte Bild eines Menschen aus der Leipziger Gegend vor uns. Die einfachsten Formen der Gürtelhaken sind die Doppelhaken. Ihre Grundform ist ein einfaches Eisenband, das an beiden Enden um- gebogen. Der eine Haken greift in den die Öse bildenden Ring, der andere ist im Leder des Gürtels umgeschlagen (Fig. 215). Ähnliche Formen 206 Karl Hermann Jacob, [94] sind diejenigen, bei denen der eiserne Haken noch mit Bronzeblech be- schlagen ist oder die, welche aus einem in zwei Tierköpfe endenden massiven Bronzeband bestehen (Fig. 216). Das Gürtelband selbst scheint durchgängig mit Bronzeblech beschlagen gewesen zu sein, auf dem mitunter Bronze- knöpfe durch Eisennieten befestigt sind (Fig. 217). Von anderem Schmuck finden sich vor allen Dingen Ketten. Bei den grölsten, die als Schwertbehänge aufzufassen sind, wechseln Ringe und Stäbchen ab. Letztere sind auf der einen Seite ganz durchlocht, auf der anderen befinden sich nur zwei Grübchen, in die die beiden Enden des nächsten Ringes greifen. So wird verhindert, dals sich die Ringe ver- schieben können. An einzelnen Stellen finden sich Haken in Tierkopfformen, die ein Enger- oder Weiterstellen der Ketten gestatten (Fig. 218 u. 219). Anders sind kleinere Ketten hergestellt, die jedenfalls beim Verschlufs von Gürteln in Anwendung gebracht wurden. Hier sind die Stäbchen beiderseits durch- bohrt (Fig. 220). Der Knopf, in den diese Kette endigt, trägt einen Haken, der sicherlich die Nachbildung eines Stierkopfes ist. Die Ketten aus Eisen sind aus einfachen Drahtringen zusammengebogen. Welchem Zwecke sie dienten, ist nicht klar, wahrscheinlich gehörten sie zum Pferdegeschirr. Ganz ähnlich wie der stilisierte Tierkopf an der Kette ist die Tierfigur (Fig. 221). Sie stellt ein gehörntes Tier dar, das im Maule eine Kugel trägt. Wie bei den Kettenhaken enden auch hier die Hörner in Knöpfen. Eine gleiche stilisierte Tierfigur findet sich eingepunzt auf der Pinzette (Fig. 222). Die Ohrringe, die wir schon in der Hallstattzeit kennen lernten, sind noch ein beliebter Schmuck. Auch hier sind sie aus gewölbten Bronze- blechen, die noch durch getriebene Buckel verziert sind, hergestellt und heilsen, wegen ihrer Ähnlichkeit mit geblähten Segeln, Segelohrringe (Fig. 223). Einfacher gestaltet sich das Inventar der Gräber aus der Mittel- und Spät-Periode. Wir konnten oben die frühe Bronzezeit als Glanzperiode der Bronzezeit betrachten. Ähnliches können wir jetzt auch in der La Tene- Zeit feststellen, denn auch hier ist die Frühperiode die Glanzzeit. Die Gräberfelder der mittleren und späteren Periode treten viel vereinzelter auf und enthalten bei weitem nicht so zahlreiche und prächtige Beigaben. Die Fibeln der Mittelperiode unterscheiden sich von denen der Frühperiode dadurch, dafs das dort freistehende Schlufsstück bis auf die Mitte des Bügels [95] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 207 geführt und mit einem Knopf oder einer Hülse verbunden ist. Aufserdem trägt das Schlulsstück noch verschiedene Knöpfe (Fig. 224). Diese Fibeln waren meist aus Eisen hergestellt. Wie ganz natürlich, konnten sie zierlicher nur in Bronze hergestellt werden (Fig. 225). Hier reicht das Schlußstück über den hochgewölbten Bügel hinweg fast bis zur Spirale. Von sonstigen Beigaben ist nur noch das Bruchstück eines Pferdegeschirres zu erwähnen (Fig. 226). Noch spärlicher als die Mittel-La Tene-Fibeln treten die Spät-La Tene-Fibeln auf. Ihr Charakteristikum ist der geschlossene Rahmen, d.h. das Schlufsstück ist mit dem Bügel so verwachsen, dafs der Fuls ein Ganzes bildet (Fig. 227). In der Spätperiode treten aulser dem Doppelhaken der Frühperiode Langhaken aus Stabeisen auf, die ebenfalls als Gürtelschlösser dienten. Ihre Grundform ist ein langes, schmales Eisenstäbchen, das ein- seitig umgebogen ist und hier mit einem Eisenplättchen einen sicheren Verschlufs bildet (Fig. 228). Auch die Tongefälse bieten wenig Interessantes. Sie sind aus grobem, mit Sand durchmengten Ton hergestellt und haben plumpe, wenig charakte- ristische Formen. Die Terra- Nigra ist vollständig verschwunden. In einzelnen Urnen fanden sich Steingeräte, die in ihren Formen den steinzeitlichen vollkommen ähneln. In ihnen werden wir jedenfalls „Donnerkeile“ zu er- blicken haben, d.h., diese Steingeräte wurden schon in der La Tene-Zeit einmal gefunden, sie konnten jedoch nicht als Werkzeuge erklärt werden und wurden als himmlische Symbole bezeichnet und den Toten ins Grab beigegeben. Die wichtigsten Gräberfelder sind: Cröbern, Connewitz, Markkleeberg, Gautzsch, Groitzsch und Möritzsch. Wohl ebenfalls aus der La Tene-Zeit stammt auch jenes grofse vor- geschichtliche Wallsystem im Universitätsholze bei Thräna (Fig. 229). Nahe bei dem Haltepunkt Oberholz der Leipzig-Lausigker Bahn findet sich eine Erhebung, die im Volksmunde den Namen Schlofsberg führt. Hier ent- deckte Dr. Wilke im Jahre 1900 ein sich um diesen Schlofsberg ziehendes grolses Wallsystem. Das Zentrum bildet der etwas elliptisch gestaltete eigentliche Ringwall, der von einem Hügel und einem steilen, tiefen Graben gebildet wird. In geraumer Entfernung liegt ein zweiter, dem ersten 208 Karl Hermann Jacob, [96] ähnlicher Hügel, der in früheren Zeiten vielleicht dieselbe Höhe gehabt hat. Um beide herum zieht sich ein trapezförmiges System von Wällen und Gräben. Die Grabentiefe ist im Durchschnitt ungefähr 1,7 m, die Höhe der Wälle ungefähr 1 m, ihre Breite ungefähr 2—2,50 m. Die Längsseiten dieses Trapezes sind ungefähr 500 m lang, die Breitseiten etwa 180 m. In seinem östlichen Teil wird das Wallsystem von der Bahn durchschnitten. Der südliche Wall ist durch einen ihm parallel laufenden Wall nebst Graben verstärkt, die Westseite dagegen ist offen, höchstens durch einen schmalen Graben abgetrennt. In der Mitte des Wallsystems befindet sich eine grolse Wiese, während das gesamte andere Areal von Baumwuchs bedeckt ist. Am westlichen Ende dieser Waldwiese finden wir eine ziemlich tiefe Wasser- lache vor. In früheren Zeiten sollen bei diesem Wall ein Steinbeil, zwei bronzene und eine silberne Münze gefunden sein, die aber leider verloren gegangen sind. Bei einer systematischen Untersuchung, die durch Dr. Wilke vorgenommen wurde,') ist der Wall an verschiedenen Stellen durchstochen und auch der zentrale Hügel angeschnitten worden. Von prähistorischen Funden traten aber nur Scherben zutage, die wenig charakteristisch sind und neuerdings von Dr. Wilke der La Tene-Zeit zugerechnet werden. Im Zentrum fand sich aufserdem der Rest einer von Osten nach Westen ver- laufenden Mauer, der ungefähr 4 m lang ist. Die sonstigen Fundergebnisse waren spärlich. Aufser einem ornamentierten Spinnwirtel und einem mörser- artigen Steingefäls fand sich nichts, was einen chronologischen Anhalt hätte bieten können. Dagegen zeigte es sich, dals die obersten Schichten der Wälle „frühdeutsche“, also geschichtliche Scherben enthielten. Über den eigentlichen Zweck dieses Wallsystems ist man sich noch nicht klar. Möglich ist, dals er vielleicht ein ganzes Dorf umschlossen hat, er kann aber auch nur als Refugium in Kriegszeiten gedient haben, wo dann das zusammengetriebene Vieh auf der jedenfalls uralten und heute noch erhaltenen Waldwiese Nahrung und in der Wasserlache Tränkung fand. Von einer Benutzung des Walls zur Slavenzeit fanden sich durch- aus keine Spuren. Wir müssen deswegen wohl annehmen, dafs der Wall 1) Wilke, Ein prähistorischer Wall im Oberholz bei Thräna. Zeitschrift f. Ethnol. 1901. Verh. 8.58fl. Wiechel, Der Wall im Oberholz bei Thräna, Zeitschrift f. Ethnol. 1901. Verh. 8. 409 ff. [97] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 209 von germanischen Stämmen errichtet wurde, dann aber, als diese aus ihrem Gebiete während der Völkerwanderungen abrückten, unbenutzt dastand und erst wieder in der frühgeschichtlichen Zeit an Bedeutung gewann, dadurch, dafs man in ihm einen Stützpunkt der Wiedergermanisierung des Landes schuf. Von dieser mittelalterlichen Befestigung ber mag wohl auch der Name Schloßsberg stammen. Vielleicht geben spätere slückliche Zufalls- funde oder systematische Ausgrabungen näheren Anhalt über dies sicherlich interessante Wallsystem germanischen Ursprungs in unserem Gebiete. Der Inhalt der allerdings erst in geringer Zahl aufgedeckten Wohn- stätten, zeigte im grolsen und ganzen dieselben, meist einfachen Gefälse der Gräber. In einzelnen Herdstellen lielsen Terra- Nigra-Scherben die Zeitbestimmung als Frühperiode zu. Leider sind auch diese Wohnstätten zu wenig systematisch ausgegraben, als dals man sagen könnte, welche Form und welchen Umfang eine solche Herdgrube habe. Die gebrannten Lehmklumpen mit Reilsigabdrücken sind dem Hüttenbewurf der Steinzeit noch vollkommen gleich. Wir sehen also auch bier, dafs man noch Reilsig- hütten, die mit Lehm beworfen waren, hatte und noch nicht zum festen Hausbau übergegangen war. In diesen Herdstellen finden sich mitunter Tonstützen, deren Bedeutung allerdings noch unklar ist. Die einen halten sie für Stützen beim Brennen der Töpfe, die anderen für sogenannte Briquetages, die bei der Salzbereitung ihre Verwendung fanden. Ein Spinnwirtel be- zeugt, dals das Spinnen und Weben, das wir schon in der Steinzeit nach- weisen konnten, noch immer heimisch ist. Interessant ist der Fund einer Eisenschlacke. Sie beweist, dals man, wie früher die Bronze, so auch jetzt das Eisen in unserer Gegend selbst herzustellen vermochte. Nähere Methoden sind leider noch nicht durch Funde bekannt. Die Tierknochen, die als Überbleibsel von Mahlzeiten in die Herdgruben geworfen wurden, zeigen die Ziege und das Rind als Haustier jener Zeit. Die Betrachtung aller dieser Funde lehrt, dals wir zur La Tene- Periode eine vollentwickelte Eisenzeit in unserem Gebiete vorfinden. Eine reicher ausgebildete Kultur zeigt sich besonders in der Frühperiode, während die Mittel- und Spätperiode weniger Funde aufweist. Die einzelnen Perioden selbst können wir nicht genau voneinander trennen. Jedes grölsere Gräber- feld zeigt den Übergang von der einen zur anderen. Auch am Ende der Nova Acta XCIV. Nr.2. 27 210 Karl Hermann Jacob, [98] La Tene-Zeit findet sich kein schroffer Abschlufs, sondern die Formen entwickeln sich einfach weiter und werden besonders von der provinzial- römischen Kultur beeinflulst, ohne dafs eine grölsere Völkerverschiebung stattgefunden haben kann. Im allgemeinen gilt die Kultur der La Tene- Zeit als die Kultur der Kelten. Da wir aber in allen den Gebieten, wo wirkliche keltische Kultur nachgewiesen ist, Skelettgräber, in unserem Gebiete dagegen Brandgräber finden, so dürfen wir zu dem Schluls kommen, dafs wir wohl eine Beeinflussung der in unserem Gebiete sitzenden Völker- schaften durch die Kelten nachweisen können, eine Überflutung dagegen dureh keltische Stämme nicht annehmen dürfen. Nach Berichten römischer Schriftsteller (Tlac. Germ. 41 und Vell. II, 106) safsen zwischen Elbe und Saale die Hermunduren, also ein germanischer Volksstamm. Teaeitus rühmt sie als ein Volk, das weite Handelsbeziehungen unterhält, ein Bericht, der durch unsere Funde nur bestätigt wird. Die Frage nach der Zeitstellung der La Tene-Periode ist ebenfalls noch nicht vollkommen gelöst. Tischler, und mit ihm die meisten übrigen Forscher, verlegen sie in die letzten drei oder vier Jahrhunderte v. Chr., andere dagegen sind geneigt, sie schon mit dem sechsten Jahrhundert be- ginnen zu lassen. Unser Fundmaterial bietet keine ehronologischen Anhalts- punkte, die grolse Menge der Kulturüberreste legt aber die Wahrscheinlichkeit nahe, dafs wir eine grolse Zeitspanne für sie in Anspruch nehmen müssen. Wir tun vielleicht gut, das letzte halbe Jahrtausend v. Chr. Geb. anzusetzen, so dals auf jede Unterperiode etwa 150 Jahre kommen. 2. Die provinzial-römische Zeit. Die Eroberungskämpfe, welche die Römer in den ersten Jahrhunderten n. Chr. in den Rheinlanden führten, konnten nicht ohne Einfluls auf das übrige Germanien bleiben. Wenn auch bis in unsere Gegend keine römischen Soldaten kamen, so war doch das Land für den Handel erschlossen. Während in früheren Zeiten der Handel, der, wie wir sahen, ja viele Produkte anderer Gegenden in unser Gebiet brachte, ein indirekter Handel war, so werden wir es wohl jetzt mit direktem Handel, der römische Kaufleute in unser [99] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 211 Gebiet führte, zu tun haben. Aber der Handel der Römer mit den Germanen stand noch auf der Stufe des 'Tauschhandels; wir mülsten sonst in ganz Norddeutschland mehr römische Münzen gefunden haben, als dies der Fall ist. Aus unserem Gebiete kennen wir nur drei Münzen, die eine wurde bei Leipzig-Möckern gefunden und zeigt den Kopf des Trajan (98 —117 n. Chr.), die zweite, bei Eilenburg gefunden, stammt von Antoninus Pius (135 — 161 n. Chr.) und die dritte, die bei Köschlitz gefunden wurde, trägt den Kopf des Mark Aurel (161—180 n. Chr.). Infolge des Tauschhandels können wir aber zahlreiche Produkte römischer Industrie, die verschiedentlich bei uns zutage treten, beobachten. Die Gräber der Zeit, in der zuerst römische Produkte auftreten, sind La Tene-Gräber der letzten Periode Auch die folgenden Gräber, die vollkommen durch römische Kulturprodukte beherrscht sind, und die wir deswegen kurz als provinzial-römische bezeichnen, bilden die direkte Fort- setzung der La Tene-Gräber. Der Name „provinzial-römische Gräber“ darf uns nicht irre führen, denn die Toten, die in ihnen beigesetzt sind, haben mit den Römern nichts weiter gemein, als eine grofse Anzahl von ihnen er- worbener Kulturgegenstände. Es sind, da ja kein Wechsel in der Bevölkerung stattgefunden hat, noch dieselben Germanen, also Hermunduren, die schon während der La Tene-Zeit in unserem Gebiete salsen. So ist es natürlich, dals in der früh-römischen Zeit die Brandgräber noch vorherrschen. Später dagegen tritt auch die Skelettbestattung hinzu. Die Urnen dieser Epoche sind ohne jegliche Steinsetzung frei in der Erde beigesetzt, auch ohne Bei- oder Deckelgefälse. Sie alle zeigen eine mehr oder weniger übereinstimmende Form, die durch einen kleinen Boden, eine schräg aufsteigende Gefälswand und weite Öffnung charakterisiert wird (Fig. 230 u. 231). Die Ornamente, die auf diesen Urnen angebracht sind, finden sich in der Hauptsache an dem oberen weiten Bauchteil. Hier zeigen sich entweder reine Mäander, oder ihm verwandte stufenartige Muster. Die Verbindung mit dem Boden stellen einzelne von oben nach unten verlaufende Linienbänder dar. Alle diese Ornamente sind mit dem Töpferrädchen hergestellt. Dies ist ein an einem Stiel befestigtes breites Rädchen, dessen Oberfläche durch senk- und wagerechte Furchen in einzelne viereckige Erhebungen geteilt ist. Wird ein solches Rädchen über den frischen Ton geführt, so hinterläfst es parallel 27* < ND 12 Karl Hermann Jacob, [100] [i verlaufende Punktreihen. Als eigenartiges Ornament findet sich auf dem Boden der einen Urne das Hakenkreuz (Svastika) in der Rollradmanier an- gebracht. Das Hakenkreuz ist ein gleicharmiges Kreuz, an dessen vier Enden sich, rechtwinklig angebracht, kurze einseitige Querstriche befinden, die in einer Richtung verlaufen. Dieses Hakenkreuz ist sicherlich ein ur- altes weitverbreitetes religiöses Zeichen und wird wohl am treffendsten als Symbol des am Himmel laufenden Sonnenrades erklärt. Die Urnen der späteren Zeit zeigen ein schärfer gebrochenes Profil (Fig. 232). Auch die Ornamente sind etwas anders geworden, sie sind alle in einem Band, das um die obere Gefälshälfte läuft, vereinigt. Dieses Band ist gewöhnlich durch senkrechte Striche in Rechtecke geteilt, und diese wieder sind durch Diagonalen gekreuzt, die entweder mehrfach nebeneinander verlaufende Striche (Fig. 233). oder von Punkten begleitete Linien (Fig. 234) sind. Mitunter ist auch nur eines dieser durch die Diagonalen entstehenden Dreiecke mit Punkten erfüllt (Fig. 235). Eine seltenere Form ist eine dem Mäander nahe verwandte Linienführung, die durch ein schmales, mit Punkten gefülltes Band hergestellt ist (Fig. 236). Alle diese Gefälse sind tief schwarz und tragen einen hohen lack- artigen Glanz. Sie sind aus freier Hand geformt, nicht etwa auf der Dreh- scheibe, und dürfen deswegen nicht mit den ihnen auf den ersten Blick ähnlichen Terra-Nigra-Gefälsen der frühen La Tene-Zeit verwechselt werden. Neben diesen einheimischen keramischen Erzeugnissen finden sich vereinzelt solche, die sicherlich römischen Ursprungs sind. Dies sind einzelne Scherben von Terra-Sigillata. Die Teerra-Sigillata-Gefälse sind aus einer roten Erde, der Siegelerde, hergestellt und zwar so, dafs sie in Formen hineingeprelst wurden. Diese Formen tragen negative Ornamente, die an den Gefälsen reliefartige Erhöhungen hervorbringen. Als charakteristischste Beigabe in diesen Brandgräbern treten auch hier die Fibeln auf. Sie lassen eine deutliche Verwandtschaft mit den La Tene-Fibeln noch dadurch erkennen, dals sie auf der Mitte des Bügels eine Erhöhung tragen, die den letzten Rest der Hülse darstellt, die in der Mittel-La Tene-Zeit Schlufsstück und Bügel verband. Bei den kräftig profilierten Fibeln zeigt sich am Fufse mitunter eine mehrfache Durch- löcherung, die noch auf den Rahmen der La T'ene-Zeit hindeutet. Später [101] Zur Prähistorie Nordwest -Sachsens. 213 verschwindet aber auch diese Durchlöcherung (Fig. 237 u. 238). Eine weitere Entwicklung der Fibeln stellt die Form dar, deren Bügel bandartig ver- breitert ist und deren Spirale durch eine Rollenkappe verdeckt wird (Fig. 239). Dieser Form nahe verwandt ist die Fibel, die auf ihrem breiten Rücken konzentrische augenartige Kreise trägt und deswegen Augenfibel genannt wird (Fig. 240). Alle diese Fibeln waren eingliedrig, d.h. Bügel und Nadel samt Spirale waren aus einem Stück hergestellt. In den späteren Skelett- gräbern treten dagegen Fibeln auf, die in ihrer Form zwar einfacher ge- bildet, im übrigen aber aus zwei Stücken ‚hergestellt worden sind. Diese zweigliedrigen Fibeln heilsen Armbrustfibeln und haben meist einen halb- kreisförmigen Bügel (Fig. 241). Auch diese Fibeln sind alle aus Bronze hergestellt. Eisenfibeln fanden sich nur in der La 'T’ene- Zeit. Weitere Gerätschaften sind vor allem die Endbeschläge von Trink- hörnern, die den ornamentalen Abschlufs der Spitzen bildeten (Fig. 242). Bei Halle fand sich ein Bronzestück, das vielleicht als Gürtelverschlufs diente und mit seinen zahlreichen Tierköpfen noch stark an die Tier- ornamentik der La Tene-Zeit erinnert (Fig. 245). Besonders interessant ist der Wagebalken (Fig. 244), der ebenfalls aus Bronze verfertigt ist. Er ist der Bequemlichkeit halber zusammenlegbar. Leider sind uns die Wag- schalen, die zu diesem Balken gehören, nicht erhalten. Analoge Funde zeigen uns aber, dals sie kapselartig gearbeitet sind und in ihrem Innern den Wagebalken samt Ketten aufnehmen können. Neben allen diesen Bronzegeräten treten ebenso zahlreich Eisen- gegenstände auf, die aber nicht wie die aus Bronze als Schmuck, sondern als Gebrauchsgegenstände Verwendung fanden. Hier sind an erster Stelle die Eisenlanzenspitzen zu nennen, die ein breites Blatt und eine tüllen- förmige Schafthülse haben (Fig. 245). Von Messern können wir zwei Formen unterscheiden, einschneidige, langgestreckte, wie wir sie noch heute im Gebrauch haben (Fig. 246); als Rasiermesser werden die beiden anderen Messerformen gedeutet, nämlich Fig. 247 das halbmondförmige Messer und Fig. 248 das gebogene Messer mit schlangenförmigem Griff. Daneben finden sich Scheren, die aus einem Stück in der Weise hergestellt sind, dals die beiden Schneiden durch einen bandförmigen, federnden Bügel verbunden sind (Fig. 249). Einen aus Draht gebogenen Schlüssel stellt Fig. 250 dar. 214 Karl Hermann Jacob, [102] Das wichtigste Gräberfeld der provinzial-römischen Zeit ist das von Hänichen. Als sicher römische Wohnstätten anzusprechende Herdsruben fanden sich in unserem Gebiete noch nicht. Dagegen ist neben den schon hervorgehobenen Grab- und Einzelfunden der Depotfund römischer Bronze- gefälse von Schladitz bei Zwochau, Kreis Delitzsch zu erwähnen. Hier wurden in zwei grolsen Bronzeschüsseln verpackt 4 Kasserollen, 1 Schöpf- löffel, 1 Sieb, 2 Endbeschläge von Trinkhörnern und 1 Bronzerasiermesser gefunden. Die Schüsseln sind halbkuglige Gefälse aus Bronzeblech mit starkem Rand und diekem Boden (Fig. 251). Ihnen ähnlich sind die Kasserollen, die auch einen dieken Boden und einen kurzen durchbohrten Stiel haben (Fig. 252). Das Charakteristischste an ihnen ist der Boden, in den auf der Drehscheibe verschiedene kreisartige Riefen hineingearbeitet sind, so dals der Boden eine reiche Profilierung zeigt (Fig. 255). Einen gewölbten dünnen Boden haben der Schöpflöffel und das Sieb. An letzterem sind die Löcher in geschmackvoller, kreisförmiger Anordnung eingebohrt (Fig. 254 u. 255). Innen sind alle diese Bronzegefälse mit einer dünnen silberartigen Schicht überzogen, deren geringe Stärke aber eine chemische Analyse und die damit verbundene Feststellung ihrer Bestandteile nicht zuläßt. In diesem Bronzedepotfund haben wir einen Import aus Italien vor uns. Es ist capuanisches Hausgerät (campana suppellex), wie es in Germanien häufig gefunden wird. Gerade dieser Fund läfst eine genaue Datierung zu. Die Kasserollen mit flachen und edrehten Boden sind für die früh-römische Periode, die von Christi Geburt bis etwa 200 n. Chr. zu rechnen ist, charakteristisch, während das Sieb und der Schöpflöffel der spät-römischen Periode angehören, die von 200—400 reicht. Da nun beide gemeinsam in einem geschlossenen Funde vorkommen, haben wir diesen Fund ungefähr um 200 n. Chr. anzusetzen. Wir sehen also, dals die germanische Kultur unserer Gegend ungefähr vier Jahrhunderte lang, von Christi Geburt an, durch römische Kultur und Einflüsse beherrscht wurde. [103] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 215 3. Die Völkerwanderungszeit. Die Stürme der Völkerwanderungen, die durch Mitteleuropa brausten, machten natürlich auch in unserem Gebiete ihren Einflu(s geltend. Sicherlich werden die Bewohner unseres Gebietes zum grölsten Teil mit abgewandert sein, um im sonnigen Süden Ehre und Reichtum zu gewinnen. Ein Teil blieb aber in den väterlichen Besitzungen zurück und bebaute das jetzt ziemlich verlassene Land. Was ist natürlicher, als dals die Überreste aus diesen Jahrhunderten äußerst spärlich sind; nur ein großes Gräberfeld läfst uns einen Blick in die Kultur jener Zeiten tun. Es ist das von Eulau, das aber schon vor einer langen Reihe von Jahren ausgebeutet wurde und deren Fundstücke in vielen Sammlungen zerstreut sind. Es sind Skelett- gräber, genau so wie in der vorhergegangenen Periode, wie ja auch die gesamte Kultur eine Fortsetzung der provinzial-römischen ist. Die einzige erhaltene Fibel (Fig. 256) erinnert noch vollkommen an die römischen Formen. Auch das eiserne Messer (Fig. 257) und die Pinzette (Fig. 258) zeigen durchaus die alten Formen. Als Charakteristikum unserer Periode tritt dagegen der Knochenkamm auf, dessen Grundform ein gezähntes Knochenblatt ist. Dieses wird am Griff durch zwei beiderseitig aufgelegte dreieckige Blätter verstärkt, die durch Eisennieten zusammengehalten werden (Fig. 259). Die Knochengeräte nehmen jetzt überhaupt eine hervorragende Stelle ein. Sie sind sauber gearbeitet und durch konzentrische Kreise und parallele Linien anmutig verziert, wie der Pfriemen (Fig. 260) und der Griff (Fig. 261) dartun. Von Schmuck ist aulser der Fibel und den Kämmen nur noch ein Armring erhalten, dessen Aulsenseite mit Bronzeknöpfen be- setzt ist (Fig. 262). Als ganz besonders wichtiges Kulturobjekt ist die Goldmünze (Fig. 263) hervorzuheben. Leider ist das Original nicht mehr zu finden. Es soll in Berlin oder Dresden sein. Anfragen, die an die Sammlungen in beiden Städten gerichtet wurden, ergaben ein negatives Resultat. Zum Glück hatte Hofrat Deichmüller vor Jahren einen Ab- klatsch in Stanniol angefertigt, der die beiden Seiten dieser Münze wieder- gibt, leider aber derartig defekt, dals er nicht abgebildet werden kann. Nach dem, was wir an diesem Abklatsch beobachten können, handelt 216 Karl Hermann Jacob, [104] es sich bei diesem Stück, das aus dünnem, beiderseitig geprägtem Gold- blech besteht, um eine barbarische Nachbildung einer klassischen Vorlage. Glas, das wir als Schmuck zuerst in der mittleren Bronzezeit kennen gelernt hatten, tritt jetzt zu Gebrauchsgegenständen verfertigt, auf. Der Glasbecher von Eulau, der aus dünnem, hellgelben Glase in Tulpenform mit rundem Boden hergestellt ist, ist als einziges Exemplar aus ganz Sachsen besonders wertvoll. — Die Tongefälse, die mitunter den Leichen zur Seite gestellt wurden, haben napfartige Formen. Sie sind sämtlich aus freier Hand hergestellt. Der Ton ist mit Sand untermischt und zeigt braune bis grauschwarze Farbe. Als einzige Verzierung finden sich am Oberteil ein- fache, wagerechte Striche und an der Mittelkante längliche ovale Ver- tiefungen (Fig. 264 u. 265). Neuerdings kam noch ein Grabfund hinzu, nämlich der von Osendorf (Saalkreis). Hier wurde nach Reufs, Fundberichte aus dem Provinzialmuseum Halle a. S. (Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder, 8. Bd. 1909) ein Skelettgrab aufgedeckt, aus dessen Inhalt folgende Stücke hervorgehoben seien: Eine ziemlich scharf umbrochene Tonschale (ähnlich denen von Eulau), in ihr zwei bronzene Gewandspangen mit Spuren ehemaliger Vergoldung, mit Hakenkreuz- ornamenten und stilisiertem Tierkopf an der Spitze (Fig. 266 u. 267), ein Schmuckstück von Weilsmetall, in der vertieften Zarge ein Menschengesicht, wahrscheinlich ein Amulett (Fig. 268); aufserdem ein Beinkamm, Bronze- ringe, zwei silberne Fingerringe und zwei tönerne Spinnwirtel. Die Zeit, die wir für unsere Völkerwanderungsperiode in Anspruch nehmen müssen, umfalst ungefähr das fünfte und sechste Jahrhundert. 4. Die slavische Periode. Es konnte nicht ausbleiben, dals in die ziemlich leer gewordenen Gebiete andere Völkerschaften einrückten. In unsere Gegend sind von Osten her über die Elbe denn auch slavische Völkerschaften herangezogen. Vergleichen wir diese Kultur der neuen Eindringlinge mit der der alten germanischen Bevölkerung, so werden wir finden, dafs die erstere bedeutend primitiver ist. Nur in einem Punkte sind die Slaven den Germanen über- [105] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 217 lesen, nämlich dadurch, dals sie verstehen, ihre Gefälse auf der 'Töpfer- drehscheibe herzustellen. Es ist dies ein ungeheurer Fortschritt gegenüber der alten Methode. In der Früh-La Tene-Zeit hatten wir bereits Dreh- scheibenarbeit kennen gelernt. Wir mulsten aber zu der Ansicht kommen, dals es sich hier um Import gehandelt hat, da auch lange nach der La T'ene- Zeit die Gefälse noch aus freier Hand geformt wurden. Die Gefälse der slavischen Periode zeigen sämtlich plumpe Formen, von denen der eine Vertreter das eimerförmige hohe Gefäls (Fig. 269), der andere der niedrige, breite Napf (Fig. 270) sind. Eine Zwischenform stellt der hohe Napf dar (Fig. 271). Das Charakteristischste an allen ist der dicke, scharf umgelegte Rand (Fig. 272). Das hauptsächlichste Ornament ist die mehrfach parallel verlaufende Wellenlinie, die sich meist nahe an dem Rand um die weiteste Ausbauchung des Gefälses herumzieht. Sie wurde mit einem 4—6 zinkigen Kamm in den weichen Ton gezogen. Dieses Ornament tritt entweder in flachen oder in mehr oder minder steilen Wellen auf, die wagerecht oder senkrecht angebracht sind (Fig. 273— 276). Seltenere Formen werden da- durch gebildet, dals zwei Liniensysteme ineinander verschlungen werden, oder mehrere sogar zu geometrisch angelegten Gruppen vereinigt werden (Fig. 277 u. 278). Statt der Linien treten oft auch Punktreihen auf, deren Gleiehmälsigkeit aber ebenfalls für eine Herstellung mit dem Kamm spricht (Fig. 279). An und für sich jedoch ist das Ornament einförmieg. Mit der Verbesserung der Herstellungstechnik durch die Drehscheibe muls auch ein besseres Brennen der Töpfe Hand in Hand gegangen sein. Gut erhaltene Gefälse geben beim Anschlagen einen hellen Klang und dokumentieren dadurch einen äufserst scharfen Brand. Leider sind diese vollständig erhaltenen Gefäfse sehr selten, da die meisten Überreste nur Scherben sind, die aber an einzelnen Stellen in einer geradezu massenhaften Anhäufung auftreten. Die ergiebigsten Plätze für dergleichen Funde sind die Befestigungen mit ihrer näheren Umgebung. Die in unserer Gegend zahlreich auftretenden Befestigungen zeigen, dals die Slaven sich ihres Besitzes nicht in Ruhe erfreuen konnten. Gewils waren es die von Westen wieder anstürmenden Deutschen, welche die Slaven veranlalsten, ihr Hab und Gut so zu schützen. Unter den zahl- reichen Anlagen dieser Art können wir vier Systeme unterscheiden. Am Nova Acta XCIV. Nr. 2. 28 218 Karl Hermann Jacob, [106] einfachsten schuf man sich eine Befestigung dadurch, dals man sich auf einem vorspringenden Bergesrücken verschanzte. Unsere Gegend ist nun an und für sich sehr flach, doch haben die beiden Flüsse, die Elster und die Pleilse, sich tiefe Täler geschaffen, deren steile Ufer oft 15 m in der Höhe messen. Diese steilen Ufer sind stark gegliedert, so dals man hier leicht einzelne weit ins Tal vorspringende Landzungen finden konnte, die man einfach dadurch zu Befestigungen umschuf, dafs man die Ansatzstelle der Landzungen durch einen Graben abschnitt (Fig. 280). In ebenen Ge- bieten mulste man sich dagegen mit Erdaufschüttungen behelfen, sobald man eine über die Ebene herausragende, zur Verteidigung geeignete Er- hebung schaffen wollte. Dies konnte man dadurch erreichen, dals man einen vollständigen massiven Hügel aufführte (Fig. 281). Schneller kam man zum Ziel, wenn man nur einen kreisrunden, in sich geschlossenen Wall erbaute (Fig. 282). Das erstere System wird als Hügelwall, das zweite als Ringwall bezeichnet. Für kleinere Stämme mochten diese Arten von Befestigungen, die in ihrem umhesten Innern nicht allzuviel Raum boten, genügen. Um gröfsere Räume zu umgeben, mulste man sich auch zu weiteren Systemen verstehen, die meist durch gerade, in stumpfen oder spitzen Winkeln gebrochene Wälle und Aufschüttungen hergestellt wurden (Fig. 2853). Über die Bedeutung aller dieser Wälle ist man sich noch nicht recht einig. Die einen halten sie wegen ihrer geringen Grölse. nicht für Befestigungswerke, sondern für Opferplätze, die anderen wieder für Gerichts- stätten. Wir tun wohl gut, bei unseren Wällen alle drei Benutzungsarten für möglich zu erachten, denn wir haben hierfür verschiedene Zeugnisse. Wir erkennen z. B. daraus, dafs die ersten christlichen Missionare ihre Kirchen und Kapellen gerade in alte slavische Wälle hineinbauten, dals die Wälle auch in religiöser Beziehung hei den Slaven in hohem Ansehen standen. Hierdurch brachen die ersten Christen einmal die Macht der alten heidnischen Götter, dann aber erleichterten sie dem Volke, das an diese heilige Stelle gewöhnt war, den Besuch ihrer Kapellen, indem sie einfach die heidnischen Götzen durch die Gestalt ihres Gottes ersetzten. Ein slavischer Wall zwischen Klein- und Grofs-Pötzschau (s.-w. Leipzig) heilst der Malberg. Malstatten sind alte Gerichtsstätten, wir haben also hier eine Erinnerung an die Ausübung der Gerichtsbarkeit an diesen Plätzen. [107] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 219 Interessant ist die Erscheinung, dals zwei grofse Hügelwälle direkt nebeneinander lagen, wie dies in Schkeuditz der Fall war. Der nördlicher liegende sogenannte „Mühlberg“* (vielleicht Verstümmelung aus Malberg) ist jetzt leider schon vollständig abgetragen, die letzten Reste veranschaulicht Fig. 284; der südliche, der „Försterberg* ist zum gröfsten Teil noch er- halten (Fig. 285). Welche Bedeutung dieser Doppelanlage zukommt, ist noch unbekannt. Nahe bei allen diesen Wällen haben auch die Ansiedlungen gelegen, denn immer direkt unter den Wällen werden zahlreiche Herdstellen aufgedeckt. So wird es natürlich sein, dals die Wälle auch in Zeiten der Gefahr den umwohnenden Leuten als Zufluchtsort dienten. Eine interessante Untersuchung über slavische Wallanlagen besitzen wir neuerdings von Julius Bernhardt.) Er kam bei seinen volks- kundlichen Forschungen zu der Beobachtung, dals sich zahlreiche Volkssagen mehr oder minder reich um diese Stätten weben und deren Ermittlung führte in den meisten Fällen zur Auffindung der Anlagen selbst, die durch Scherben als solche slavischer Herkunft nachgewiesen wurden. Er zählt folgende wendische Werke (oder Spuren von ihnen) auf: An der Elster: Auligk, Gatzen, Altengroitzsch, Groitzsch, Klein- stockwitz, Zwenkau, Gautzsch, Knauthain, Wahren, Kleindölzig, Klein- Liebenau und Schkeuditz. An der Pleilse: Kahnsdorf, Hain, Treppendorf, Gaulis, Rötha, Böhlen, Cröbern. An der Wyhra: Borna. An der Eula: Eula. An der Gösel: Klein-Pötzschau, Göhren, Tanzberg. An der Parthe: Thekla, Gewinneberg bei Dewitz. So zahlreich die Burgwälle sind, so spärlich sind die Gräber ver- treten (in der Leipziger Gegend: ein Grab in Pegau; zahlreicher in der Saale- gegend). Diese Gräber sind durchgängig Skelettgräber, die immer so tief angelegt sind, dafs oberflächliche Erdbewegungen sie kaum zutage fördern, woraus es sich auch erklären mag, dafs sie nur selten gefunden werden. 1) J. Bernhardt: Sagen aus der Leipziger Pflege. Jahrbuch des städt. Museums für Völkerkunde zu Leipzig. Bd. 3. 1910. 28* 220 Karl Hermann Jacob, [108] Ihr Inhalt ist spärlich. Es finden sich Tongefälse, wie sie oben beschrieben wurden, nur selten einzelne Schmuckgegenstände und Waffen. Charakte- ristischer Schmuck der Slavenzeit sind die Schläfenringe, kleine bronzene oder silberne Ringe, deren eines Ende breit gehämmert und aufgerollt ist (Fig. 286). Die Gebrauchsgegenstände sind sämtlich aus Eisen gefertigt. Die Axt (Fig. 287) ist mit unserer heutigen nahe verwandt, sie zeigt eine nach hinten verlängerte Schneide. Auch die Sichel (Fig. 288) wird in jener alten Form zuweilen heute noch benutzt. Sie unterscheidet sich von der heute allgemein gebräuchlichen Form dadurch, dafs sie nicht mondsichelförmig, sondern eher sensenartig gebildet ist. Unter den in den Ansiedlungen mitunter auftretenden Knochengeräten ist vor allem die Grundform unseres Schlittschuhes, der Schlittknochen, zu erwähnen. Diese primitiven Schlittschuhe (Fig. 289) sind Schenkelknochen sröfserer Tiere, etwa des Rindes, die durchbohrt oder undurchbohrt unter die Fülse geschnallt wurden. Eine schnelle Vorwärtsbewegung wurde nun nicht etwa, wie bei unseren Schlittschuhen, durch abwechselndes Vorschieben der Beine hervorgebracht, sondern durch Vorwärtstreiben mit Hilfe eines Stockes, wie dies heute noch in Ungarn der Fall ist und wie es Fig. 290 zeigt.') Die letzten Jahrhunderte slavischer Herrschaft in unserer Gegend sind zum Teil schon durch die Geschichte beleuchtet. Vor allem sind es die Kämpfe, durch welche die Slaven von den aus dem Westen zurück drängenden Deutschen vertrieben werden. Dies geschah nun nicht in der Weise, dals die Slaven plötzlich aus ihren Gebieten wichen, sondern viel- mehr so, dals die Regermanisierung zum grölsten Teile ganz allmählich vor sich ging, ein Prozels, der sich heute noch im Kleinen in der Lausitz abspielt, wo die hier sitzende ursprünglich rein slavische Bevölkerung immer mehr ihre völkische Eigenheit verliert. Mit der Ankunft der Deutschen in unserem Gebiete beginnt also die geschichtliche Zeit, aus der wir durch Schriftsteller genaue Daten über Vorgänge erhalten, die wir für frühere Zeiten uns nur spärlich aus den 1) O. Hermann, Knochenschlittschuh, Knochenkufe, Knochenkeitel. Mitt. der anthrop. Gesellsch. in Wien. XXXIH. 1902. [109] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 221 Funden zu kombinieren versuchen müssen. Unter einem Mangel aber leidet jene frühe Geschichtsschreibung, da sie nur die Tagesereignisse aufzeichnet, während sie uns über das Leben und Treiben, sowie die gesamte Kultur der ersten geschichtlichen Zeiten nur wenig Aufschluß gibt. Daher wird die prähistorische Forschung künftig nicht etwa mit dem Einsetzen der Geschichte, wo ja eigentlich ihre äulserste Grenze gezogen wäre, aufhören können, sondern auch dem Erdboden die einzelnen hinterbliebenen Kultur- objekte jener Zeit abzuringen versuchen müssen. 222 Karl Hermann Jacob, [110] Tabellarische Übersicht über die prähistorischen (Die Tabelle ist entsprechend dem Schichten- u, Fe Er 7 = a7; Fr 2 En 5 = jr Fi = ERE Be == Unterstufen Totenbeisetzung Hauptformen der Toongefälse 'se|Eis Slavische Periode. Skelettgräber Eimer- u. Napfgefälse mit Wellenornament. DR EN er Lane uder2DrehscheibeXHerzesic ung | Periode der Völker- Skelettgräber. | Napfformen, noch zus freier Hand her- wanderungen. | gestellt. een Provinzial-römische | AmEndeSkelettgräber, | Urnen mit weiter Öffnung und kleiner = | Periode. anfangs Brandgräber. Standfläche aus freier Hand hergestellt. S}| a. BEEEHROlIEnd verziert Mund ern | 2 La Tene-Periode. Brandgräber. Plumpe, ovale Gefälse aus freier Hand | Bat hergestellt. Stark profilierte, auf der Dreh- | | scheibe gearbeitete Terra-nigra-Gefälse | impoxtZauspE nid denne und) | Hallstatt- Periode. Skelettgräber | Gefälse des Billendorfer Typus. | \ (6. Periode nach | HM | Montelius). | [ | Jüngere Bronzezeit | Brandgräber. \ Keramik des jüngeren Lausitzer Typus. | | (4. und 5. Periode | ‚Gefälse mit weichen Profilen; Verzierungen: | nach Montelius). | , Kannelierungen, Wolfszahnornament. a | = | | Mittlere Bronzezeit | Brandgräber. Keramik des älteren Lausitzer Typus. E | ® (2. und 3. Periode Doppelkonische Näpfe, Buckelurnen. 2 | 8 | nach Montelius). | 2 I I} | m Frühe Bronzezeit | Skelettgräber. | Becher und Näpfe des Unjetitzer Typus. | (1. Periode nach | | Montelius). | | | Kupferzeit. | Skelettgräber. Glocken- und Zonenbecher. | | | | | & | | Jüngere Steinzeit | Skelettgräber. Schnurkeramische Amphoren und Becher. | | (Neolithieum). | Kugelamphoren. | | Bombenförmige Gefälse, Schalen und | | Flaschen der Bogen- und Spiralband- | | | keramik. | Bombenförmige Gefälse und Schalen des ng Hinkelsteintypus, Gefälse mit Standring 8 des Rössener Typus. Alteuropäische Tief- 3 stiehkeramik. Alles aus freier Hand 2 | | gearbeitet. 0 Mittlere Steinzeit Bei uns nicht | (Mesolithieum). Dilu-f | Ältere Steinzeit Bei uns noch nicht Noch keine Tongefälse. vium.\| (Paläolithieum). aufgedeckt. Ter- [ | Frühe Steinzeit Bei uns nicht tär. | (Eolithieum). [111] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 223 Verhältnisse der Leipzig-Hallischen Gegend. aufbau von unten nach oben zu lesen.) Hauptformen der Waffen und Werkzeuge, Bevölkerun Chronologie sowie des Schmuckes & onologie „Schläfenringe“ aus Bronze und Silber. Slaven (Sorben — Wenden). 600 — 900 n. Chr. Geb. Eiserne Axte. Fibeln aus Bronze mit altgermanischer Germanen, wahrscheinlich 400 — 600 n. Chr. Geb. Tierornamentik. Knochenkämme. Hermunduren. | Rollenkappenfibeln, Augenfibeln, Lanzen- Germanen, wahrscheinlich | Chr.Geb.— 400n.Chr.Geb. spitzen und Scheren aus Eisen. Hermunduren. Fibeln mit freiem, verbundenem und ge- Germanen, wahrscheinlich | 400 v.Chr.Geb.— Chr. Geb. schlossenem Fuls. Gürtelhaken, Segelohrringe | Hermunduren. und Tutulusnadeln aus Bronze und Eisen. | Wendelringe, Steigbügelringe, Ohrringe, Germanen, wahrscheinlich 800— 400 v. Chr. Geb. Scheiben- und Schwanenhalsnadeln aus Bronze. | Hermunduren. Nur eine eiserne Nadel. Tüllenäxte, Tüllenmeifsel aus Bronze. | Nach Kossinna: thrakisches 1200 — S00 v. Chr. Geb. Volk (Karpodaken); nach Schuchhardt: germanisches Volk (Semnonen). Mittelständige Lappenäxte, Sicheln, Nadeln | Nach Kossinna: thrakisches 1600 — 1200 v. Chr. Geb. und Spiralfibeln aus Bronze. | Volk (Karpodaken); nach Schuchhardt: germanisches Volk (Semnonen). Sächsische Randäxte, Schwertstäbe, Dolehe, | Indogermanen. 1800— 1600 v. Chr. Geb. Ringe und Nadeln aus Bronze. Doppeläxte ans Kupfer, Steinbeile mit ovalem Indogermanen. 2000— 1800 v. Chr. Geb. Schaftloch. Facettierte Steinäxte. Flintdolche. SchuhleistenförmigeSteinkeile, querschneidige Indogermanen. 5000 — 2000 v. Chr. Geb. Pfeilspitzen aus Flint. | Undurchbohrte Flachbeile, durchbohrte Äxte aus Stein gesägt und geschliffen. | vertreten. | 200005000 v. Chr. Geb. | geschlagen. v. Chr. Geb. vertreten. Faustkeile, Messer und Schaber aus Flint | Indogermanen? etwa 500000 — 20.000 | | Erklärungen zu den Tafeln. Die Abbildungen sind fortlaufend, unabhängig von den Tafeln numeriert. Die Gefälse aus Ton und Bronze sind in !|, nat. Gr., die Gerätschaften (Waffen, Werkzeuge, Schmuck usw.) in !/, nat. Gr. wiedergegeben. Abkürzungen: B. V.M. —= Prähistorische Abteilung des Künigl. Museums für Völkerkunde zu Berlin. D.K.S. — Königl. Prähistorische Abteilung im Zwinger zu Dresden. H.P. M. — Provinzial-Museum zu Halle a. S. L. D. G. = Sammlungen der deutschen Gesellschaft zur Erforschung und Bewahrung vaterländischer Altertümer in Leipzig. L. St. M. —= Stadtgeschichtliches Museum zu Leipzig (früher Sammlungen des Vereins f. d. Geschichte Leipzigs). 3 L. V.M. — Prähistorische Abteilung des städtischen Museums für Völkerkunde zu Leipzig. Pr. B. = Privatbesitz. Sig. Bernhardt, Näbe, Rosenthal, Wiegand —= Die unter Eigentumsvorbehalt dem L. V. M. überwiesenen Sammlungen der genannten Herren. Technik der Steinzeit. 19 Faustkeil, durch Schlag aus einem Flintknollen hergestellt. Markkleeberg. L. V. M. eh Kernstein (nucleus) aus Flint, von dem zahlreiche Späne abgesprengt sind. Eutritzsch. L. V.M. Sig. Näbe. Ed: Oberseite eines Flintspanes mit den Längssprungflächen und den Rippen. Rössen. B. V..M. erde Unterseite eines Flintspanes mit der Schlagzwiebel. Markkleeberg. L. V.M. N a Durch „Bröckeln“ oder „Retuschieren“ aus einem Flintspan hergestellte Lanzen- spitze. Leipzig-Marienhöhe. L. V.M. ao: Aus einem Flintspan durch Querschlag und Bröckeln hergestellte querschneidige Pfeilspitze. _Eutritzsch. L. V.M. Sig. Näbe. 3 FR Schleifstein, auf der ganzen Fläche zum Schleifen der Seiten, in der Rille zum Schleifen der Schneiden von Steinbeilen. Wiederau. Pr. B. ES: Flufsgeröll, augeschliffen. Einfachste Form des Steinbeiles. Balgstädt. L. V.M. Platte, aus einem Amphibolitblock für Weiterverarbeitung zu Steinbeilen heraus- geschlagen. Klein-Dölzig. L. V.M. Sig. Näbe. de} Fig. 41. Karl Hermann Jacob, Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 225 „Vorarbeit“ zu einem Flachbeil. Klein-Dölzie. L. V.M. Sig. Näbe. Noch nicht durchbohrter Steinkeil mit „Sägeschnitt“. Klein-Dölzie. L. V.M. Sig. Näbe. Vorarbeit zu einem Steinbeil mit angefangener Hohlbohrung. Drosskau. Pr. B. Ausgefallener Bohrkern als Rest bei einer Hohlbohrung. Thierbach. L. V.M. Steinbeil, an der ersten Durchbohrung zerbrochen, dann nochmals durchbohrt. Gaulis. L. V.M. Sig. Bernhardt. Steinbeil, an der ersten Durchbohrung der Länge nach gesprungen, dann nochmals (rechtwinklig zur ersten Durchbohrung) durchbohrt. Rössen. B. V.M. Walzenförmiges Steinbeil. Eythra. L. V.M. Flintbeil mit lanzettförmigem Querschnitt. L. V.M. Sig. Näbe. Flintbeil mit angeschliffenen Schmalseiten. L. V.M. Sig. Näbe. Flintbeil mit rechteckigem Querschnitt. Eutritzsch. L. V.M. Sig. Näbe. Flachbeil mit nach unten gezogener Schneide. Leipzig-Marienhöhe L. V.M. lachbeil mit axtförmig verlängerter Schneide. Leipzig-Marienhöhe L. V.M. Schuhleistenförmiger Keil. Pauscha. L. V.M. Schuhleistenförmiger Keil. Pauscha. L. V.M. Hobeleisenähnliches Flachbeil, einseitig gewölbt. Zwenkau. L. V.M. Sig. Bernhardt. Flachbeil, einseitig gewölbt, in Dreiecksform. Leipzig-Thomaskirchhof. L.V.M. Durchbohrtes Steinbeil mit einer gewölbten und einer flachen Schmalseite. Thier- bach. L. V.M. Durehbohrtes Steinbeil in Dreiecksform. Schladitz-Zwochau. L. V.M. Durchbohrtes Steinbeil in Schiffsform. Wildschütz. L. V.M. Durchbohrtes Steinbeil in Rhombenform. Lindenthal. L. V.M. Durchbohrtes Steinbeil mit Facetten. Leipzig-Marienhöhe. L. V.M. Durchbohrtes, facettiertes Steinbeil mit zapfenförmigen Verdickungen neben der Durcehbohrung. Rötha. Sig. Bernhardt. Durchbohrte Steinaxt, durch Ansatz nach hinten verlängert. Markranstädt. Pr. B. Durehbohrte Steinaxt, nach hinten gebogen. Zauschwitz. Pr. B. Durchbohrter Steinhammer mit beiderseitig stumpfen Enden. Osterfeld. L. V.M. Scheibenförmiger, durchbohrter Keulenkopf. Rössen. B. V.M. Steinhammer mit Schaftrille. Weickelsdorf. L. V.M. Steinbeil mit Schaftrille. Meineweh. L. V.M. Steinbeil mit Schaftrille. Meineweh. L. V.M. Knochenpfriemen. Thierbach. L. V.M. Halsschmuck aus Tierzähnen und Knochen. Streckau. L. V.M. Paläolithieum. Faustkeil aus Flint. Markkleeberg. L. V.M. 42 u.43. Flintmesser. Markkleeberg. L. V.M. 44. Handstück aus Flint. Markkleeberg. L. V.M. Nova Acta XCIV. Nr. 2. 29 226 46 67. u. Karl Hermann Jacob, [114] Rössener Typus. Aufdeckung eines liegenden Hockers bei Rössen. 47. Reichornamentierte Töpfe mit ringförmigem Fuls. Rössen. B. V.M. u. 49. Unverzierte Gefälse mit zwei Henkeln. Rössen. B. V.M. Marmorarmring mit noch darinsteckendem Armknochen. Rössen. B. Y.M. Armband aus aneinandergereihten Muschelscheibehen. Rössen. B.V.M. Perlen und Anhängsel aus Marmor. Rössen. B. V.M. „Lippenpflöcke“ aus Eberzahn. Rössen. B. V.M. Hinkelstein-T'ypus. Bombenförmiges Gefäls mit Stichbandverzierung. Günthersdorf. L. V.M. Sig. Näbe. Schale mit Stichbandverzierung. Pegau. D.K.S. Trommelgefäls. Eutritzsch. L. V.M. Sig. Näbe. Hängegefäls. Eutritzsch. L. V.M. Sig. Näbe. Tonteller. Eutritzsch. L. V.M. Sig. Näbe. Flintpfeilspitze mit gerader Basis. Schladitz-Zwochau. Pr. B. 5 „ konkaver Basis (geflügelte Pf) L. V.M. Sig. Näbe. ® „ konvexer Basis. L. V.M. Sig. Näbe. Flintbohrer. Eutritzsch. L.V.M. Sig. Näbe. Spinnwirtel aus Ton. Eutritzsch. L.V.M. Sig. Näbe. Bogen- und Spiralbandkeramik. Halbkugliges Gefäls mit Bogenband. Merseburg. H.P.M. Flaschengefäfs mit Spiralband. Merseburg. B.V.M. Unverziertes Flaschengefäls. Pegau. Pr. B. Scherbe, dessen Bogenband mit Querstrichen gefüllt ist. Eutritzsch. L.V.M. Slg. Näbe. Scherbe mit plastisch aufgesetztem Bandornament. Eutritzsch. L. V.M. Slg. Näbe. Schnurkeramik. Schnurverzierte Amphore. Kötschen. B.V.M. - n Ornament weils ausgelegt. Cröbern. D.R.S. S-förmig geschweifter Schnurbecher. Miltitz. L.V.M. Sig. Näbe. S-förmig geschweifter Becher mit Schnittverzierung. Merseburg. B.V.M. Zylindrisches Gefäls mit Deckel. Schnurverziert. Merseburg. H.P.M. Kugelförmiger Krug mit Schnurverzierung. Cröbern. L.V.M. Sig. Rosenthal. Amphore mit Ziekzackornament. Markranstädt. H.P.M. Amphore mit Fiederornament. Grofs-Dalzig. L.V.M. Amphore mit Grübchenreihen. Dalzig. L.V.M. Sig. Näbe. Lanzenspitzenblatt aus Flint. Nördl. Leipzig. D.K.S. Rhombenförmige Lanzenspitze aus Flint. Leipzig-Plagwitz. L.V.M. Zungenförmige Lanzenspitze aus Flint. Liebenau. L.V.M. Sig. Näbe. Dolch aus Flint. Dölzig. L.V.M. Sig. Nähe. Fig. . 84. 85. 86. 37. 88. 89. 90. 9 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 100. 101. 102. 103. 104. 105 u. 107. 108. Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Steinkistengrab. Suevenhök bei Schkopanu. Steinkistengrab von Göhlitsch bei Merseburg. a) Westseite; b) Ostseite; ec) Südseite; d) Nordseite. Kugelflaschenkeramik. Kugelflasche mit Rhombenverzierung am Hals. Gaulis. L.V.M. Sig. Bernhardt. Kugelflasche mit Kreisverzierung am Hals. Gaulis. L.V.V. Sig. Bernhardt. Kugelflasche mit Schnurverzierung am Hals. Cröbern. D.K.S. Terrine mit Rhombenverzierung am Hals. Gaulis. L.V.M. Sig. Bernhardt Hüttenbewurf mit Reiflsigabdrücken. Günthersdorf. L.V.M. Sig. Näbe. Trichterförmige Wohngrube. Günthersdorf. Wannenförmige 5 Eutritzsch. mit Feuerloch. Günthersdorf. n 7 Kupferzeit. Doppelaxt aus Kupfer. Dieskau. H.P.M. Steinbeil mit ovalem Schaftloch. Dölzig. L.V.M. Sig. Näbe. Zonenbecher. Cröbern. D.R.S. Technik der Bronzezeit. Gulsform aus Lehm für ein Messer. Ammendorf. Pr. B. Gulsform aus Stein für einen Ring. Zauschwitz. Pr. B. Frühe Bronzezeit. Becher vom Unjetitzer Typus. Pegau. D.K.S. Krug R = ” Merseburg. B.V.M. Becher „ a 5 Carsdorf. L.V.M. Sig. Bernhardt. = n B 5 Altranstädt. L.V.M. Slg. Näbe. Säbelnadel aus Bronze. Klein-Corbetha. H.P.M. Bronzenadel mit durchbohrtem Kopf. Planena. H.P.M. „Ostdeutsche Ösennadel“ aus Bronze. Pegau. Pr. B. Flachbeil aus Bronze. Lützen. L.V.M. Sig. Näbe. 106. Sächsische Randaxt aus Bronze. Carsdorf. L.V.M. Randaxt mit Rast aus Bronze. Schkeuditz. L.V.M. Kragenaxt aus Bronze. Klein-Liebenau L.V.M. Sig. Wiegand. 109—113. Goldfund von Dieskau. B.V.M. 114. 112. 116. 117. 118. Noppenring aus Gold. Schkortleben. H.P.M. Bronzering mit petschaftähnlichen Enden. Carsdorf. L.V.M. aufgerollten Enden. Carsdorf. L.V.M. „ „ geraden Enden. Carsdorf. L.V.M. Gravierter Bronzering. Halle. H.P.M. ” ” 29* 149. 150. 151 153. 154. 155. 160. 161. Karl Hermann Jacob, Kannelierter Bronzering. Dieskau. H.P.M. Bronzering. Dieskau. H.P.M. Armspirale aus Bronze. Schkortleben. H.P.M. Gerollte Bronzebleche. Bennewitz. H.P.M. Dolch aus Kupfer oder Bronze. Grof[s-Dölzig. Pr. B. Dolch aus Bronze. Canena. B.V.M. Schwertstab aus Bronze. Canena. B.V.M. Schwertstabklinge aus Bronze. Dieskau. H.P.M. Bronzelanzenspitze. Kötschlitz. L.V.M. Sig. Wiegand. Mittlere Bronzezeit. Buckelamphore. Dreiskau. L.V.M. Doppelkonische Urne. Probstdeuben. L.V.M. Sig. Näbe. Doppelkonischer Napf. Leipzig-Mockau. L.V.M. Sig. Näbe. Amphorenähnliche Urne. Leipzig-Südfriedhof. L. V.M. Tonnenförmige Urne. Leipzig-Mockau. L.V.M. Einhenklige Tasse. Leipzig-Südfriedhof. L. V.M. Einhenkliger Krug. 5 ” ” Doppelhenkliger Krug. Leipzig-Mockau. L.V.M. Sig. Näbe. Henkelloser Krug. Leipzig-Mockau. L.V.M. Sig. Näbe. Schale mit drei Fülsen. Leipzig-Mockau. L.V.M. Sig. Näbe. .139. Klappergefälse. Leipzig-Mockau. L.V.M. Sig. Näbe. Zylindrisches Gefäls. Leipzig-Mockau. L.V.M. Sig. Näbe. Spinnwirtel. Leipzig-Mockau. L.V.M. Sig. Näbe. Bronzepfeilspitze. Probstdeuben. L.V.M. Sig. Näbe. Scheibenkopfnadel aus Bronze. Leipzig-Südfriedhof. L.V.M. ” ” n Probstdeuben. L.V.M. Kugelkopfnadel R a n 5 ” ” ” ” » Mohnkopfnadel > F = e Spiralbrillenfibel „ 5 Leipzig- Südfriedhof. L. V.M. Rasiermesser „ ” ” Sig. Näbe. ” Glasperle und Bronzespiralen. Schkeuditz. L.V.M. Sig. Näbe. Lappenaxt aus Bronze. Lobstädt. L.V.M. Sig. Bernhardt. » 7 5 Oberthau. L.V.M. Sig. Wiegand. " 5 „ mit Öse. Leipzig-Plagwitz. L.D.G. 156— 159. Bronzeknopfsicheln. Oberthau. L.V.M. Sig. Wiegand. Gedrehter Bronzering. Schkeuditz. L.V.M. Sig. Wiegand. Aus einer Nadel zusammengebogener Ring. Breitenfeld. L. St. M. [116] .152. Tonkegel zum Spannen einer Weberkette. Schkeuditz. L.V.M. Slg. Näbe. 199. 200. Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 229 Jüngere Bronzezeit. Doppelkonischer Napf mit Kannelierungen. Leipzig-Connewitz. L. St. M. Doppeltgehenkelter Napf mit Kannelierungen. Canitz. L.V.M. e Pr a e Connewitz. L. St. M. R 0 Ganitz. 2 T.Sy2oM: : Einhenkliger Napf. Canitz. L.V.M. Schale mit Kannelierungen. Canitz. L.V.M. - = PR und einem Henkel. Canitz. L.V.M. Einhenkliger Krug mit Kannelierungen. Leipzig-Connewitz. L. St. M. n & en Canitz. L.V.M. ” .172. Einhenklige Tassen. Canitz. L.V.M. Einhenkliger Krug mit Wolfszahnornament. Leipzig-Connewitz. L. St. M. Weitbauchige Amphore mit Wolfszahnornament. Leipzig-Connewitz. L. St. M. Napf mit Scheidewand. Leipzig-Connewitz. L. St. M. ” ” » ” L D. G. Tonhorn mit einem Henkel. n L. St. M. Klapper in Vogelgestalt. h 16; 105 (6% n ” ” ” L. St. M. " n n n L. D. 6. Stiefelpokal. : N Bronzetüllenaxt mit Öse. Merseburg. H.P.M. Tüllenmeilsel aus Bronze. Leipzig-Möckern. L.D. G. Doppelschneidiges Rasiermesser. Eulau. L. V.M. Sig. Bernhardt. Hallstattzeit. Tonkrug vom Billendorfer Typus. Cröbern. L.V.M. Sig. Rosenthal. „Echter Wendelring“ aus Bronze. Dürrenberg. L.V.M. „Falscher Wendelring“ aus Bronze. Dürrenberg. L.V.M. Halsring aus dünnem Bronzedraht mit petschaftartig verdickten Enden. Merseburg. L.V.M. Sig. Wiegand. . 190. Bronzearmringe. Merseburg. L.V.M. Sig. Wiegand. Bronzearmring. Steigbügelring, Dürrenberg. L.V.M. Ohrring aus getriebenem Bronzeblech. Klein-Corbetha.. H.P.M. Bronzenadel mit gekerbtem Oberteil. Halle. H.P.M, Schwanenhalsnadel aus Bronze. Merseburg. H.P.M. Bronzenadel mit scheibenförmigem Kopf. Halle. H.P.M. Bronzenadel mit halbkugligem Kopfblech. Merseburg. H.P.M. Bronzene Nähnadel. Halle. H.P.M. La Tene-Zeit. Schema einer La Tene-Fibel (Frühperiode). Weitbauchiges Tongefäls. Markkleeberg. Pr. B. Hohes Tongefäls. Knauthain. L.V.M. 230 Fig. ” n n n Karl Hermann Jacob, 201. Tongefäls mit Klapperboden. Cröbern. D.K.S. 202 u. 203. Terra-nigra-Gefälse. Cröbern. L.V.M. Sig. Rosenthal. 204. Terra-nigra-Schale. Cröbern. L.V.M. Sig. Rosenthal. 205— 207. Eisenfibeln (Frühperiode). Cröbern. L.V.M. Slg. Rosenthal. 208. Bronzefibel mit aufgenieteten Korallen (Frühperiode). Klein-Corbetha. 209. Bronzefibel mit aufgenieteten Korallen. Hänichen. L. V.M. 210. Tutulusnadel aus Bronze. Leipzig-Connewitz L.V.M. 211 u. 212. Gürtelschlofs aus Bronze. Cröbern. L.V.M. Sig. Rosenthal. 213. Sporenförmiger Gürtelhaken aus Eisen. Cröbern. L.V.M. 214. Sporenförmiger Gürtelhaken mit menschlichem Gesicht aus Bronze. Connewitz. B.V.M. 215. Bandförmiger Gürtelhaken aus Eisen. Cröbern. L.V.M. Sig. Rosenthal. 216. Bandförmiger Gürtelhaken aus Bronze mit zwei Tierköpfen. Cröbern. 217. DBronzegürtelblech mit zwei Knöpfen. Cröbern. D.K.S. 218. Bronzekette. Groitzsch. L. V.M. 219. 3 Aylsdorf. H.P.M. 220. 5 Markkleeberg. L.V.M. 221. Tierfigur aus Bronze. Möritzsch. L.V.M. 222. Bronzepinzette mit eingepunzter Tierfigur. Klein-Corbetha. H.P.M. 223. Segelohrring aus Bronze. Cröbern. L.V.M. Sig. Rosenthal. 224. Eisenfibel (Mittelperiode). Cröbern. 225. Bronzefibel n Klein-Corbetha. H.P.M. 226. Kandarenhälfte aus Eisen. Knauthain. L.V.M. Sig. Bernhardt. 227. Eisenfibel (Spätperiode). Möritzsch. H.P.M. 228. Gürtelhaken aus Eisen. Klein-Corbetha. H. P.M. 229. Plan des Wallsystems im Oberholz (Universitätsholz) bei Thräna. Provinzial-römische Zeit. [118] H.P.M. Leipzig- D. K.S. . 230. Tongefäls mit Mäanderornament in Rollradtechnik. Hänichen. L.V.M. Sig. Näbe. 231. Tongefäfs mit Stufenornament in Rollradtechnik. Hänichen. L.V.M. Sig. Näbe. 232. Tongefäls mit scharf gebrochenem Profil. Schkopau. H.P.M. 2335 —236. Ornamente der Spätperiode. 237 u.238. Bronzefibeln mit hohem Fuls. Hänichen. L.V.M. Sig. Näbe. 239. Rollenkappenfibel aus Bronze. Hänichen. L.V.M. Sig. Näbe. 240. Augenfibel aus Bronze. Hänichen. L.V.M. Sig. Näbe. 24]. Armbrustfibel aus Bronze. Schkeuditz. L.V.M. Sig. Näbe. 242. Bronzener Endbeschlag eines Trinkhorns. Schladitz-Zwochau. L.V.M. 245. Gürtelschlofs aus Bronze. Halle. H.P.M. 244. Wagebalken „ n r 245. Eisenlanzenspitze. Hänichen. L.V.M. Sig. Näbe. 246. Langmesser aus Eisen. Hänichen. L.V.M. Sig. Näbe. ” 247. Halbmondförmiges Rasiermesser aus Eisen. Hänichen. L.V.M. Sig. Näbe. 248. Rasiermesser mit schlangenförmigem Griff aus Bronze. Schladitz-Zwochau. 249. Schere aus Eisen. Hänichen. L.V.M. Sig. Näbe, L.V.M. [119] Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. 231 Fig. 250. Schlüssel aus Eisen. Hänichen. L. V.M. Sig. Näbe. 251. Schüssel aus Bronze mit gedrehtem Fuls. Schladitz-Zwochau L.V.M. „ 252 u. 253. Kasserollen aus Bronze mit gedrehtem Fuls. Schladitz-Zwochau. L.V.M. „ 254. Schöpfkelle aus Bronze. Schladitz-Zwochau. L.V.M. 02558. Sieb A ” ” ” Völkerwanderungszeit. Fig. 256. Fibel aus Bronze. Eulau. L. St. M. „ 257. Messer aus Eisen. „ 238. Pinzette aus Bronze. _„ 5 „ 259. Kamm aus Knochen. Eulau. Pr. B. „ 260. Pfriemen aus Knochen. Eulau. L. St. M. 61. Verzierter Griff aus Knochen. Eulau. L.St.M. „ 262. DBronzering. Eulau. L. St. M. „ 263. Goldmünze. e B.V.M? „ 264 u.265. Tonnäpfe. Eulau. B.V.M. „ 266 u. 267. Bronzefibel mit Tierornamentik aus Bronze. Osendorf. H.P.M. „ 268. Amulett mit menschlichem Gesicht aus Weilsmetall. Osendorf. H.P.M. ” ” Slavische Periode. Fig. 269. Eimerförmiges Gefäls. Schkeuditz. L.V.M. Sig. Näbe. „ 270. Niedriger Napf. h „ 271. Hoher Napf. Carsdorf. D. RK. S. „ 272. Randprofie. „ 373—279. Verschiedene mit dem Kamm gezogene Wellenornamente. „ 280. Spitzwall. Altengroitzsch. „ 281. Hügelwall. Klein-Pötzschau. „ 282. Ringwall. Schkölen. „ 233. Wallsystem. Schaddel. „ 284. Mühlberg. Schkeuditz. „ 285. Försterberg. n „ 286. Schläfenring aus Bronze. Keuschberg. H.P.M. „ 287. Eisenaxt. Carsdorf. D.K.S. „ 288. Eisensichel. Leipzig. L.V.M. Sig. Näbe. »„ 289. Schlittknochen. Schkopau. H.P.M. „ 290. Schlittknochen fahrender Knabe. Ungarn. ” ” ” Druckfehlerverbesserungen. “ 8.178 [66] 3. Zeile von oben statt a. — 1. Tafel 1Vi[3] statt 17 = 18; 18 — 17. Nova Acta Acad. 0. L. C. @. Nat. Cwr. Vol. XCIV. Tab. II. Fig. 1. \ | Fig. 6b. Fig. 5. Fig. 7. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 1. Nova Acta Acad. 0. L. 0. G. Nat. Cu. Vol. XCIV. Tab. LLI. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest - Sachsens. Toy Nova Acta Acad. C. L. C. @. Nat. Cur. Vol. XCIV. Tab. IV. Fig. 22. Fig. 24. Fig. 25. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Tas: Nova Acta Acad. C. L. C. @. Nat. Cww. Vol. XCIV. Tab. Fig. 31. Fig. 32. Fig. 33. K. H. Jacob: Zwr Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 4. Nova Acta Acad. 0. L.C.G. Nat. Our. Vol. XCIV. Tab. VI. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 5. Nova Acta Acad. C. L. C. G. Nat. Our. Vol. XCIV. Tab. VII. Fig. 52. Fie. 53. K. H. Jacob: Zwr Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 6. Nova Acta Acad. C. L. C. G. Nat. Cw. Vol. XCIV. Tab. VILT. Fig. 57. Fig. 56. Fig. 60. Fig. 61. Fig. 62. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 7. Nova Acta Acad. C.L.C.@. Nat. Cw. Vol. XCITV. Tab. IX. Fig. 64. Fig. 69. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 8. Nova Acta Acad. C. L. C. G. Nat. Our. Vol. XCIV. Tab. X. Fig. 75. Fig. 76. Fig. 77. Fig. 78. Fig. 79. Fig. 80. Fig. 81. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 9. Nova Acta Acad. C. L. CO. G. Nat. Ow. Vol. XCIV. Tab. XI. = K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 10. Nova Acta Acad. C. L. 0. @. Nat. Our. Vol. X Tab. XII. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 11. Nova Acta Acad. O0. L. C. @. Nat. Our. Vol. XCIV. Tab. XILT. Fig. 84. Fig. 85. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 12. RR Nova Acta Acad. C. L. C. @. Nat. Cur. Vol. XCIV. Tab. XV. Fig. 93. Fig. 94. Fig. 95. Fig. 95». K. H. Jacob: Zwr Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 14. Nova Acta Acad. 0. L. C. @. Nat. Cw. Vol. XCIV. Tab. XV. Fig. 97. Fig. 98. Fig. 100. Fig. 101. Fig. 104. Fig 105. Fig. 106. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 15. Nova Acta Acad. C. L. C. G. Nat. Cu. Vol. XCIV. Tab. XVII. Fig. 111. Fig. 112, 109, 113. Fig. 110. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 16. Nova Acta Acad. 0. L. 0. G. Nat. Cw. Vol. XCIV. Tab. XVIIT. Fig. 114. Fig. 117. Fig. 118. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 17. Nova Acta Acad. C. L. C. G. Nat. Cur. Vol. XCIV. Tab. XIX. Fig. 127. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 18. ee Nova Acta Acad. C.L.C. @. Nat. Cur. Vol. XCIV. Tab. XX. Fig. 131. Fig. 132. K. H. Jacob: Zwr Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 19. Nova Acta Acad. C.L. C. @. Nat. Cur. Vol. XCIV. Tab. XXT. Fig. 134. Fig. 135. Fig. 136. Fig. 138. Fig. 139. Fig. 140. Fig. 141. Fig. 142. Fig. 144. Fig. 145. Fig. 146. Fig. 150. Fig. 151. Fig. 152. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 20. Nova Acta Acad. C. 2. C. @. Nat. Cur. Vol. XCIV. Tab. XXII. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 21. Yova Acta Acad. C. L. C. @. Nat. Cur. Vol. XCIV. ; Tab. XXILT. Fig. 167. Fig. 169. Fig. 170. Fig. 171. Fig. 172. Fig. 173. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 22. Nova Acta Acad. C. L. C. G. Nat. Our. Vol. XCIV. Tab. XXIV. Fig. 175. Fig. 174. Fig. 176. Fig. 178. Fig. 179. Fig. 182. Fig. 183. Fig. 184, K. H. Jacob: Zwr Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 23. Nova Acta Acad. O. L. C. @. Nat. Our. Vol. XCIV. Tab. XXV. ne p4,,. SS FE Ss Ei f x a =» - ® w = En > = = z x Ze Eee = ® 7%. < Br SF = & NS. 7 BEIN Dal . Own sr x El, IF PT I I44 m BE ne > Fig. 187. Fig. 188. K. H. Jacob: Zwr Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 24. Nova Acta Acad. C. L. C. G. Nat. Cw. Vol. XCIV. Tab. XXVI. @ juni! Au Fig. 192. Fig. 194. Fig. 197. Fig. 195. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 25. Nova Acta Acad. C. L. C.@. Nat. Ow. Vol. XCIV. f Tab. XXVII. Fig. 198. Fig. 199. Fig. 200. Fig. 201. Fig. 201b. Fig. 202. Fig. 203. Fig. 204. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest -Sachsens. Taf. 26. Nova Acta Acad. C. L. C. G. Nat. Cur. Vol. XCIV. Tab. XXVIL. Fig. 206. Fig. 207. Fig. 208. Fig. 211. Fig. 209. Fig. 210. Fig. 212. K. H. Jacob: Zwr Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 27. Nvoa Acta Acad. C. L. C. G. Nat. Our. Vol. XCIV. Tab. XXIX. mer Fig. 216. Fig. 217. 8 Do Fig. 219. 5 K. H. Jacob: Zur Prähnstorie Nordwest-Sachsens. Taf. 28. Nova Acta Acad. O0. L. C. @. Nat. Cur. Vol. XCIY. Tab. XXX. Fig. 228. Fig. 226. a Iz Sr = ” mühlw £I2_—= \ . a z Försterei. \ De x = TuUsog peu asswUrS | el” ’ 5 = eg --.-._ Graben, Rimimas Graben mi Wall, Fig. 229. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. I 2. Nova Acta Acad. C. L. C. @. Nat. Cw. Vol. XCIV. Tab. XXXT. Fig. 233. Fig. 232. Fig. 234. Fig. 235. Fig. 237. Fig. 238. Fig. 239. Fig. 241. Fig. 242. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 30. Nova Acta Acad. C. L. C. @. Nat. Cur. Vol. XCIV. Tab. XXXII. Fig. 243. Fig. 247. Fig. 245. Fig. 246. Fig. 248. Fig. 249. Fig. 250. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf ol: Nova Acta Acad. C. L. ©. G. Nat. Our. Vol. XCIV. Tab. XXXILIT. Fig. 251. Fig. 252. Fig. 253. Fig. 254. Fig. 255b. K. H. Jacob: Zwr Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 32. Nova Acta Acad. C. L. C. G. Nat. Our. ’ol. XCIV. Tab. XXXIV. i AL. eI® er Fig. 264. K, H. Jacob : Zur Prähistorie Nordwest-Sachsens. Taf. 33. Fig. 265. * Nova Acta Acad. 0. L. C. G. Nat. Our. Vol. XCTY. Tab. XXXV. Fig. 271. Fig. 275. Fig. 276. = , ° ° © ur Bee em, RN Arreen ZIEHEN NS Fig. 279. Fig. 278. Fig. 281. NNNITI1111711177 su NO“ ul a, 2, a % N IN | I FE N N Sr IN IH = eG N l RI: En S RN 17, SE RZ Au) & S SS | RSS RS ll) = N O7 ERS m, in Ya mm SS m AN Ss ZN y = x Y IS ES D N m N Y N er ZN N S Y SI =, G DEN PINS N II: z 2 7 70 Ir © NIIO” ZH, Q ZGB my II GER, GR alu AAN N RAR I, 4) IN ER Zi gegaaynsı|\\ NUN NIS ZZ DD ZEEIRHHIHRNNUNNSNDS = 7% ZUD ZEN IILITNRRRNS ’n IN EZ ypE EN UNS IN BLUT N Fig. 280. Fig. 282. K. H. Jacob: Zur Prähistorie Nordwest- Sachsens. Taf. 34. Nova Acta Acad. C. L. C. G. Nat. Our. Vol. XCIV. Z ZZ | u S 2 SS we 3 Nu 5 Form ZN IN | di = Altes Tor? Fig. 286. j | | l ! 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