5 j nom 2 af n w - = m e . .r > ‚ . v nm EI, Y Vibrarn of the Museum COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. Founder by private subscription, in 1861. | 3 ND 8,7 WÜeutsch. or 0 Aunf, | F Ta Al.g. 1822. L >» ’ vl, | Verhandlungen der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher. Vierzigster Band. Mit 29 Tafeln. Halle, 1878. Druck von E. BlochmannundSohn in Dresden. DNA AUTA AGADEMIAE CAESAREAE LEOPOLDINO - CAROLINAE GERMANICAE NATURAE CURIOSORUM. TOMUS QUADRAGESIMUS. CUM TABULIS XXIX. "” HALIS SAXONUM, MDCCELXAXVIIN. Bx officina EB. Blochmanniet Hilii Dresdae. Pro Academia apud W. Engelmann, Lipsiae, Fo Fr cur sera ee a: j Zr 7 I Nu 2 ie Bu a ei» ” er h rs . 3 Fa h | > . Mr N Br Be - " - ° 2 Pr ° Kr i f ” er Be j 4 € > A SER Klosd0M. UHaXKe aan“ | 2 er = Liu ERDE abe Er + Ne Br. j ya - S ’ bi x hr u Eh) . ur n / ER. - ö y 2 ee ee s - k Ir % a pr \ 774 } R " N B7Z . 6’ i y h K L n 5 2 y P j ia a 7 r En Arge r N E F 2 i Be \5 ee r 5 # e - 4 ae “ ü 120% h m en; + { fr \ in » 1 +, f Rh 7 k 5% DE 1er Sem a 2 f 3 Bor en « } FR x u [+ h Pi Fr GUILIELMO I REGNI GERMANICI RESTITUTORI ET IMPERATORI GLORIOSISSIMO BORUSSORUM REGI AUGUSTISSIMO POTENTISSIMO ACADEMIAE CAESAREAE LEOPOLDINO-CAROLINAE GERMANICAE NATURAE CURIOSORUM PRO TECTORI SUPREMO, AMPLISSIMO, CLEMENTISSIMO HOC QUADRAGESIMUM NOVORUM ACTORUM VOLUMEN SACRUM ESSE DESPONSUMQUE VOLUIT ACADEMIA PRAESIDE HERMANNO KNOBLAUCH. er Are 4 j' Bo. aaa Ba Ar Bee & 3 Ta kan ORTE REN EN RAN E ae HE ER TE vamulah, FAR: 5 Br & ana KLETT, . $ . ee ee er Nırrdayr - # i a “ € “iu En EOR 2) id IT = s zueteh - Sr = % HOSE ar, Srnahkan ne ek « [2 ss - » } e) E) - f DB 2 D er - > er ” L: - r Yr r . 4 y 3 j} u‘ . = r . . . P = > 2 re D s Pr “ wi - = x _ j - » « # « 5 a x be; 3 Inhalt des XL. Bandes. J. Reinke. Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen über die Dictyotaceen des Golfs von Neapel . J. Reinke. Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen über die Outleriaceen des Golfs von Neapel . Dr. H. Conwentz. Ueber aufgelösste und durch- wachsene Himbeerblüthen a an Carl Ochsenius. Beiträge zur Erklärung der Bildung von Steinsalzlagern und ihrer Mutterlaugensalze G. Berthold. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen RT Eee Dr. Rudolph Franz. Ueber die diamagnetische Polarität ER ER RE ea? Dr. W. Zopf. Die Conidienfrüchte von Fumago Dr. Clemens Winkler. Die Untersuchung des Eisen- meteoritssvon. Ritterserun? 7 a Dr. Eugen Geinitz. Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 und die durch dasselbe verursachte Erdbebenfluth im grossen Ocean . eu Ss. 156. S. 5796. S. 97—12%0. S. 121—166. S. 167—230. S. 231— 254. 8. 2595380. S. 331— 382. S. 383—486. Taf. I—VI. Taf VII—XI. Taf _ XIE-XIV. Taf. XV— XVII. Taf. XIX—XXVI. Taf. XXVI—XXIX. Berichtigungen. Ochsenius, Carl. Beiträge zur Erklärung der Bildung von Steinsalzlagern und ihrer Mutterlaugensalze. S. 161, Z. 12 lies: „Noch beschränkter als die der geo- logischen ist die diesbezügliche Beweiskraft der chemischen Erfahrungssätze . . .“ Geinitz, Eugen. Das Erdbeben von Iquique. In der Tabelle auf S. 439 muss es in der letzten Colonne heissen : Mittlere Tiefe des durchlaufenen Theiles des Oceans in Fussen | in nach der Formel | Faden von im Airy. | Russel. | Mittel. also statt des ersten Wortes Faden „Fussen*. NOVA ACTA der Ksl. Leop.-Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher Band XL. Nr. 1. Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. Von J. BReinke. Mit 7 lithographischen Tafeln Nr. I—-VI. Eingegangen bei der Akademie den 28. April 1877. DRESDEN. m1878. Druck von E. Blochmann & Sohn. Für die Akademie in Commission bei Wilh. Engelmann in Leipzig. 4 J. Reinke. den unteren Theil nicht flach, sondern eyklisch, bald nahezu eylindrisch, bald mehr weniger zusammengedrückt (Taf. 1. Fig. 3). Während der flache, obere Thallus durch seine Dichotomirung ausgezeichnet ist, stehen die Aeste des gerundeten 'Theils entschieden seitlich; sie sind selbst wieder meistens ge- rundet, mitunter zu langen, horizontalen Ausläufern entwickelt; der Umstand, dass jüngere und ältere Zweige regellos durcheinander stehen, deutet auf ihren adventiven Charakter. Somit kann man an Dictyota Rundtriebe und Flachtriebe unterscheiden; die ersteren bilden in ihrer Gesammtheit ein Rhizom, und können selbst wieder an den verschiedensten Stellen Flachtriebe erzeugen. An ihrer Basis, aber auch hier und da an der Oberfläche der Rundtriebe ent- wickeln sich büschelförmig Wurzelhaare; dieselben sind Auswüchse der Ober- hautzellen, mehrzellig, mit Spitzenwachsthum durch Theilung einer Scheitelzelle sich verlängernd, hier und da verzweigt, besonders an den Haftstellen. Häufig entstehen solche Büschel von Wurzelhaaren auch auf den Flachtrieben,, sogar in der Nähe des Scheitels derselben; dann haftet an dieser Stelle die Pflanze fest am Substrat, und wenn die darunter gelegenen T'heile absterben, so scheint die ganze Pflanze nur aus einem flachen, mittelst eines scheibenförmigen Filzes von Wurzelhaaren am Substrate haftenden T'hallus zu bestehen. Immerhin sind die Flachtriebe der wichtigere T'heil der Pflanze; sie besorgen hauptsächlich die Ernährung und tragen ausschliesslich die Fort- pflanzungsorgane. Ihre normale Verzweigung ist die Dichotomie, und zwar liegen alle Gabeläste in einer Ebene. Aber ausser dieser dichotomen Ver- zweigung kommt an manchen Exemplaren eine seitliche, vom scharfen Rand der Flachtriebe ausgehende Verzweigung vor (Fig. 1. 2), die wir unzweifelhaft aber als abnorm, als adventiv auffassen müssen. Die löbenen dieser Adventiv- äste fallen mit der Gesammt-Thallus-Ebene zusammen, sie selbst können sich wieder gabelig verzweigen. Entstehen die Adentiväste zahlreich und in regel- mässiger Entfernung, so erhält der 'T'hallus ein gefiedertes Aussehen (Fig. 2); am dichtesten stehen sie an Stellen, wo Verwundungen des T'hallus statt- gefunden hatten (Fig. la), die durch Neubildung von Epidermiszellen ge- schlossen wurden. Mitunter, wenngleich selten, findet man aber Adventiväste nicht bloss dem Rande, sondern auch der Fläche des Laubes entspringen. Die anatomische Struktur der Pflanze ist sehr einfach; ein Querschnitt lehrt, dass die Flachtriebe aus drei Zellschichten bestehen (Fig. 4): einer Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen des G@olfs von Neapel. 5 kleinzelligen Oberhaut, deren Zellen dicht stehende braun gefärbte Chlorophyll- körner enthalten (Taf. 2. Fig. 5e), und einer grosszelligen, farblosen Mittel- schicht. Bei den Rundtrieben findet man dagegen drei bis sechs Lagen von Mittelzellen. Die Entwicklungsgeschichte des Thallus aus seiner an der Spitze gelegenen Scheitelzele hat durch Nägeli eine klare Darstelllung er- fahren, und bildet seitdem Dictyota ein klassisches Paradigma für diese Art des Spitzenwachsthums. Die Scheitelzelle hat die Form einer biconvexen Linse, deren Querschnitt an Rundtrieben einen Kreis, an Flachtrieben (Taf. 1. Fig. 5 und 6, letzteres ein Längsschnitt des Laubes in Richtung der Wachs- thumsaxe) eine Ellipse darstellt, weil im letzten Falle die Scheitelzelle mehr weniger eine der Laubfläche conforme Zusammendrückung zeigt. An den fein- getheilten Varietäten von Dietyota verschmälert sich das Laub bis zur Scheitel- zelle hinauf, diese nimmt die ganze Breite der Thallusspitze ein (Fig. 9); an den breiteren Formen erscheint die 'Thallusspitze dagegen abgestutzt, die Scheitelzelle mitunter sogar fast eingesenkt (Fig. 5). Die Fortbildung des Thallus aus seiner Scheitelzelle wird dadurch ein- geleitet, dass letztere durch eine Querwand an ihrer Basis ein Segment ab- gliedert (Fig. 10a), welches die Gestalt einer concaven Schale besitzt, bei Flachtrieben elliptisch, bei Rundtrieben kreisförmig. Während die Scheitelzelle wieder zu ihrer ursprünglichen Grösse heranwächst, so theilt sich die Segment- zelle bei Flachtrieben durch eine mit der Wachsthumsaxe des Zweiges zu- sammenfallende und senkrecht zur Laubfläche stehende Längswand in zwei gleich grosse Zellen (Fig. 9b, 10b). Jede dieser beiden 'Theilzellen eines Segments theilt sich dann wieder durch je eine der ersten so ziemlich parallele Wand in zwei Tochterzellen (Fig. 5. 8), dies wiederholt sich, bis eine Quer- reihe von nicht ganz constanter Zellenzahl gebildet worden. Ein axiler Längsschnitt zeigt, dass jede dieser Theilzellen eines Quersegments durch zwei der Laubfläche parallele Längswände in eine grössere Innenzelle und zwei kleinere Aussenzellen zerlegt wird (Fig. 6); aus den Aussenzellen geht dann durch fortgesetzte kreuzweise Flächentheilung die kleinzellige Ober- haut hervor. An manchen Individuen bleiben die randständigen Theilzellen eines Quersegments noch lange wachsthumsfähig, sie theilen sich quer zur Richtung 6 J. Reinke. des Segments und spalten sich parallel dieser Richtung, sie streben für das Seg- ment eine Funktion an, wie die an solchen Individuen tief eingesenkte Scheitel- zelle sie für den Thallus vollzieht (Fig. 5); jedenfalls theilen diese Randzellen erst verhältnissmässig spät sich zu Oberhautzellen. Bei den Rundtrieben ver- halten sich die T'heilungen in dem ersten Quersegmente etwas anders. Soviel ich an Längsschnitten (vergl. Fig. 7) und durchsichtig gemachten Spitzen erkennen konnte, fällt die erste Längswand extra axil, die zweite ebenso, der ersten gegenüber stehend und parallel, dann zwei entsprechende, zu den beiden ersten senkrechte Längswände, so dass aus dem Segment eine Innenzelle und vier Aussenzellen enstanden; die Innenzelle vermehrt sich durch Theilung in zwei Richtungen des Raumes. Endlich kann es vorkommen, dass an Adventivästen, deren Spitzen- wachsthum erloschen, auch in der Scheitelzelle Längswände und schiefe Wände auftreten, wodurch die Scheitelzelle in ihrer so charakteristischen Form ver- loren geht (Taf. 1. Fig. 11). Der Process der normalen Verzweigung von Dictyota ist von Nägeli in ausreichender Weise dargelegt worden, so dass ich mich auf eine kurze An- deutung zu beschränken vermag. Sobald der Scheitel eines Laubes zur Dicho- tomirung sich anschickt, theilt sich die Scheitelzelle durch eine mit der Wachsthumsaxe zusammenfallende Längswand in zwei gleiche Hälften (Fig. 8). Jede dieser beiden Scheitelzell-Hälften streckt sich in der Richtung einer neuen Wachthumsaxe in die Länge, welche sich mit der bisherigen unter einen Winkel von ungefähr 45° schneidet, und wird dadurch zur Scheitelzelle eines Gabelastes; ihre Segmentirung vollzieht sich wie in der Mutter-Scheitelzelle (Fig. 9. 10). — Die erste Anlage der bisher unbekannten Adventivzweige zeigt sich darin, dass eine am Rande (seltener auf der Laubfläche) gelegene Epidermiszelle sich mit dichterem Plasma füllt, sich über die Oberfläche des Laubes emporstreckt (Fig. 12) und durch eine Querwand ihre Spitze als Scheitelzelle des neuen Astes ab- gliedert (Fig. 13). Diese Scheitelzelle verhält sich ganz wie die Scheitelzelle eines Normalzweiges, sie theilt sich durch senkrecht zu ihrer Wachsthums- axe gerichtete Querwände, bis eine Dichotomirung eintritt. Die Theilungen in den ersten, von der Scheitelzelle des Adventivastes abgegliederten Seg- ınenten vollziehen sich nach dem oben für die Rundtriebe angegebenen Modus: Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen des Golfs von Neapel. X die erste Längswand fällt excentrisch, sie theilt die Segmentzelle in zwei ungleiche Hälften, die grössere Hälfte theilt sich noch dreimal in entsprechender Weise, so dass aus der Segmentzelle eine Innenzelle und vier Aussenzellen hervorgehen; in derselben Weise theilt sich auch die Basalzelle (Fig. 13—17b). Indem dann Innenzelle und Aussenzellen sich weiter theilen wie bei den tundtrieben, so entwickelt sich wenigstens die Basis der Adventiväste immer eyklisch; die meisten gehen aber sehr bald dadurch in Flachtriebe über, dass das Segment der Scheitelzelle durch eine axile Längswand in zwei gleiche Hälften getheilt wird. Sind zahlreiche Adventivzweige gebildet, so kann, indem die Mutterpflanze zu Grunde geht und jeder Zweig sich zu einer neuen Pflanze entwickelt, hierdurch eine ausgiebige Vermehrung der Individuen statthaben. Weit lebhafter jedoch ist die Vermehrung der Pflanze aus den eigent- lichen Fortpflanzungsorganen, deren es drei Arten giebt: "Tetrasporangien, Oogonien und Antheridien. Die Tetrasporangien oder Mutterzellen der ungeschlechtlichen Sporen finden sich auf besonderen Individuen, und zwar auf beiden Seiten der Laub- fläche zerstreut (Fig. 1. 2). Sie entstehen dadurch, dass einzelne Epidermis- zellen sich vergrössern, mit dichterem, feinkörnigerem Inhalt sich füllen, über die Laubfläche sich emporstrecken und dann durch eine Querwand theilen. Die untere, basale Zelle erhebt sich nicht über die Höhe der Epidermis, während die obere kugelförmig aufschwillt und mit sehr dichten Inhaltsstoffen sich anfüllt; letztere ist dann das Tetrasporangium (Fig. 18). Durch rasch sich wiederholende Zweitheilung zerfällt der Plasma-Inhalt des Sporangiums in vier Tochterzellen, welche als Kugelquadranten zusammenliegen, wobei jedoch meistens zwei derselben einander nicht berühren (Fig. 19). Diese Zellen runden sich dann kugelförmig ab (Fig. 20), treten durch den zu Gallerte aufgequollenen Scheitel der Sporangiumhülle hinaus ans Freie, um hier nach Verlauf einiger Zeit eine Cellulosehaut auszuscheiden (Fig. 22). In manchen Fällen (Fig. 21) strecken sich die Tetrasporen noch innerhalb der Membran des Sporangiums in die Länge, und können sogar, noch ehe sie ausgetreten sind, eine Zellhaut bilden und die ersten Theilungen eingehen. Derartige Zu- stände lehren, dass das dem Laub der Mutterpflanze abgewandte Ende der Tetraspore zur Spitze, das zugewandte Ende zur Basis der Keimpflanze wird. 8 J. Reinke. Indessen zeigen die einzelnen Keimlinge unter einander mancherlei Ab- weichungen; für den normalen Lauf kann ich mich der Darstellung, welche Cohn vom Verlauf? der Keimung gegeben hat, im Wesentlichen an- schliessen. Die Sporen strecken sich zunächst in die Länge und theilen sich durch eine Querwand in zwei Hälften; die obere Theilzelle ist die Scheitelzelle des Keimpflänzchens, während die untere entweder direet in ein Wurzelhaar auswächst oder sich noch einmal quer theilt, worauf die unterste dieser beiden Zellen sich zum Wurzelhaar entwickelt. Es kommt aber auch vor, dass beide durch die erste Quertheilung der Tetraspore gebildeten Zellen sich wie Thallusscheitelzellen verhalten, so dass die Keime dann mit zwei polaren Scheitelzellen wachsen (Fig. 26. 30). Hat sich dagegen nur eine Scheitelzelle gebildet, so vermag auch diese, nachdem sie eine Anzahl Segmente erzeugt, mitunter in ein Wurzelhaar auszuwachsen. Der Keim besitzt dann gar keine normale Scheitelzelle mehr und pflegt sich später eine (oder einige) Oberflächen- zelle adventiv zu einer neuen Scheitelzelle zu entwickeln. — Die Theilung der von der primären Scheitelzelle eines Keimes abgegliederten Segmentzelle ist von Cohn ausführlich erörtert worden. Ich kann Demselben vor allen Dingen darin beipflichten, dass durch vier excentrische Längswände eine Innen- zelle und vier Aussenzellen gebildet werden; aus den Aussenzellen entwickelt sich durch fortgesetzte kreuzweise Theilung die Epidermis, während die Innenzellen entweder unverändert bleiben oder durch einige auf einander senk- rechte Längstheilungen einen &ewebekörper erzeugen. Im Laufe der weiteren’ Entwickelung können noch aus verschiedenen Oberflächenzellen des Keimes Wurzelhaare hervorwachsen; dieselben sind farblos, mehrzellig und verlängern sich durch Spitzenwachsthum. Die Keimlinge sind also zuerst Rundtriebe; sie gehen an ihrer Spitze dadurch in Flachtriebe über, dass die bisher excentrische erste Längswand des primären Segmentes der Scheitelzelle axil wird; durch die Lage dieser Wand wird dann die Ebene des Laubkörpers der ganzen Pflanze bestimmt. Mitunter tritt auch die erste axile Längswand in der Scheitelzelle auf und leitet eine Dichotomirung ein; dann entwickeln sich aber die beiden Gabeläste als Flachtriebe weiter. Ausser der Erzeugung von vier keimfähigen Teetrasporen vermögen ge- legentlich die Tetrasporangien als Ganzes zu einem einzigen Keimpflänzchen Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 9 auszuwachsen; ich habe einmal ein Exemplar von Dictyota gefunden, wo dies bei allen Tetrasporangien der Fall war. Hierbei trat die erste theilende Ebene in der gleichen Richtung auf, wie es bei Einleitung der Tetrasporenbildung der Fall ist (Fig. 31); diese erste Scheidewand ist immer leicht concav, und diejenige der beiden Theilzellen, welcher die Wand ihre Concavität zukehrt, ist die primäre Scheitelzelle des Keimlings, während die andere Zelle durch eine auf der ersten senkrechte Wand sich zu einer Art von Fuss entwickelt (Fig. 32). Dann erzeugt die Scheitelzelle in ganz normaler Weise ein Seg- ment (Fig. 33), die Segmente theilen sich in der bekannten Weise weiter, während der Fuss ebenfalls zu einem vielzelligen Gewebekörper heranwächst (Fig. 34. 35). Zunächst sind diese Gebilde, vermittelnde Formen zwischen Teetrasporen-Keimlingen und adventiven Aesten, Rundtriebe, ihre Wachsthums- axe läuft der Fläche des Mutterthallus parallel; es ist nicht zu bezweifeln, dass sie später von der Laubfläche sich lösen, aus dem Fuss Wurzelhaare treiben und zu normalen Pflänzchen auswachsen. Dass diejenigen Haargebilde am Thhallus von Dietyota, welche als Haftorgane dienen, mehrzellig sind und an der Spitze wachsen, wurde bereits hervorgehoben. Ausserdem findet man nun auf der Fläche des jungen Laubes zahlreiche Büschel dicht stehender vielzelliger Haare mit basalem Wachsthum, deren Ent- wicklung bereits von Nägeli beschrieben wurde; diese Haare fallen später ab, wenn sich die Fortpflanzungsorgane entwickeln. Da sie sich den entsprechenden Haarbüscheln der Fucaceen gleich verhalten, so will ich sie der bequemeren Unterscheidung wegen mit dem von Kützing eingeführten Namen als Spross- fäden bezeichnen. Die Oogonien und Antheridien finden sich stets auf anderen Indi- viduen als die T'’etrasporangien. Sie finden sich nicht, wie die letzteren, einzeln auf der Laubfläche zerstreut, sondern zu abgesonderten Soris vereinigt, die ihrerseits wieder zerstreute Flecke auf beiden Seiten des Laubes darstellen (Taf. 2. Fig. 1. 2); die einzelnen "Theile eines Sorus entstehen durch Aus- wachsen benachbarter Epidermiszellen. Was zunächst die Antheridien anlangt, so besitzen wir über den Bau derselben eine vorzügliche Darstellung von 'T'huret, die durch Cohn noch einige Ergänzungen erfahren hat; ich darf daher meine eigenen, im Wesentlichen bestätigenden Beobachtungen über die Entwicklung der Antheridien kurz zu- Nova Acta XL. Nr. 1. 2 10 J. Reinke. sammenfassen. Die männlichen Sori, aus der Summe der Antheridien gebildet, entstehen durch Metamorphose einer elliptischen Gruppe von Oberhautzellen. Der Beginn der Umwandlung giebt sich darin zu erkennen, dass in diesen Zellen die (braunen) Chlorophylikörner sich auflösen, das gesammte Plasma sich entfärbt, während die Zellen in der zur Laubfläche senkrechten Richtung sich verlängern (Taf. 3. Fig. 3). Auch die an die Antheridien grenzenden Epidermiszellen nehmen an dieser Streckung Theil, aber ihr Inhalt zeigt andere Veränderungen, sie werden dunkler, die Chlorophylikörner lagern sich dichter; diese Zellen stellen eine Hülle des Sorus dar (vergl. Taf. 2. Fig. 3.4. 5h). Die Antheridial-Mutterzellen theilen sich dann, ganz wie die Tetrasporangien, durch eine der Laubfläche parallele Wand in eine Basalzelle und in das eigent- liche Antheridium. Die Antheridien zerklüften sich weiter durch Theilungs- ebenen senkrecht zur Laubfläche (Fig. 5), wie die Ansicht von oben lehrt, erst in 2, dann in 4, schliesslich in 16 (Fig. 6) senkrechte Plasmaprismen. Den Theilungsebenen entsprechen keine Zellhäute, sondern nur zarte Gallert- lamellen. Dass diesen Längstheilungen der Antheridien Quertheilungen corre- spondiren, ist wahrscheinlich, doch habe ich dieselben nicht mit Sicherheit nachweisen können. Schliesslich sondert sich der Inhalt des Antheridiums durch fortgesetzte Zweitheilung nach den drei Richtungen des Raumes in lauter kleine, durch Gallert getrennte Plasmawürfel, deren man auf dem Quer- schnitt 30 bis 64 bemerkt (Fig. 8), und die auf dem Längsschnitt in verticale Reihen geordnet erscheinen (Fig. 7). Im oberen Theil des Antheridiums runden dieselben sich kugelig, um nach Auflösung der Gallerteuticula, die den ganzen Sorus überzieht, als kugelige, stets bewegungslose Spermatozoiden frei zu werden (Fig. 9). Die weiblichen Sori sind scharf gegen die Epidermis abgesetzt, sie entbehren der Hülle von Uebergangszellen, welche die männlichen Sori einschliessen. Die Oogonien entstehen durch Auswachsen benachbarter Epi- dermiszellen, welche, wie bei den Tetrasporangien, in eine Basalzelle und das eigentliche Oogonium sich theilen (Taf. 2. Fig. 10); das letztere wird also von den betreffenden Epidermiszellen abgegliedert und ist kein Um- wandlungsproduct derselben, wie man aus der Zeichnung bei Cohn schliessen möchte, während in der Beschreibung desselben die Zweitheilung richtig hervor- gehoben ist. Die Oogonien sind verkehrt-eiföürmig, von dichtem, braunem Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 11 Inhalt erfüllt und von einer gemeinsamen Schleimeutieula überzogen; bei der heife öffnet sich die Zellhaut am Scheitel und der Inhalt tritt heraus, um als ruhende Eizelle sich kugelig zu runden (Fig. 11a). Gleich beim Austritt sah ich die Eizelle mit einer deutlich doppelt conturirten Hülle umgeben, allein es zeigt sich, dass diese Hülle aus einer im höchsten Grade plastischen Gallerte besteht. Wenn man nämlich die Eizellen nach ihrem Austritt beobachtet, so findet man oft Exemplare, welche verschiedenartige 'T'heilungen eingehen, indem sie sich bald in zwei annähernd gleiche Plasmaportionen zerlegen, bald kleine Kügelchen abgliedern. Die Theilungen erfolgen durch Einschnürung von der Oberfläche her und sieht man hierbei die Gallerthülle allen Formänderungen sich anpassen; auch die kleinsten Kügelchen sind sogleich von einer solchen doppelt contourirten Hülle bekleidet (Fig.11b-d). Nach Verlauf einiger Zeit erhärtet diese Gallerthülle, auch an den kleinen, durch Theilung entstandenen Portionen, zu einer festen Zellhaut. In den ungetheilten Eizellen, aber wie es scheint, immer nur in diesen, gehen dann weitere Veränderungen vor, die wir als Keimung bezeichnen müssen. Hierin zeigt sich bei verschiedenen Individuen ein auffallender Unterschied. Die einen verhalten den keimenden Tetrasporen sich ganz gleich; sie werden durch eine Querwand in zwei Zellen zer- legt, davon ist die eine die Scheitelzelle des Keimpflänzchens und gliedert in bekannter Weise ein Segment ab, während die andere Zelle sich noch einmal quer theilt und die unterste Theilzelle zu einem Wurzelhaar auswächst (Taf. 2. Fig. 12). In den weiteren Wachsthumserscheinungen stimmen diese Keim- linge ganz mit den aus 'Tretrasporen hervorgegangenen überein (Taf.2. Fig. 13. 14), nur scheint der Scheitel früher dem Modus der Flachtriebe zu folgen, jeden- falls gleich nach der. ersten Dichotomirung (Taf. 2. Fig. 16). Auch habe ich hier Keimlinge gefunden, wo beide Endzellen zu Wurzelhaaren auswuchsen und sich erst nachträglich eine seitliche Oberflächenzelle zur Scheitelzelle herausbildete (Taf. 2. Fig. 15); endlich noch Keime mit polaren Scheitelzellen. Ausser diesen in normaler Weise zu jungen Dictyota-Pflänzchen aus- keimenden Eizellen gehen nun andere von ihnen Keimungstheilungen ein, die nicht zum Ziele führen (vergl. Taf. 2. Fig. 17a.b). Diese Eizellen schwellen verhältnissmässig stärker auf als die übrigen, während ihr Inhalt heller wird als dort; dann theilen sie sich zuerst durch eine Querwand, wie jene, die nächstfolgenden 'Theilungswände stehen aber meist senkrecht auf der ersten, 9* 12 J. Reinke. so dass das Theilungsschema mehr demjenigen der T'etrasporangien gleicht; nur an einzelnen beobachtete ich zwei parallele Wände und den Anfang zu haarartiger Ausstülpung einer Zelle (Fig. 17.a. z). Dabei wird der Inhalt immer heller und wässeriger und bald sind die Zellen abgestorben; mehr Theilungen, als in Fig. 17 dargestellt, habe ich bei diesen Individuen nicht bemerkt, und haben wir es jedenfalls mit einer ganz unvollkommenen, abor- tiven Keimung zu thun. Ich habe mich nun noch zu rechtfertigen, dass ich die zuletzt be- schriebenen Fortpflanzungsorgane als weibliche, als Eizellen, bezeichnet. Von Thuret und Cohn ist die Ansicht gelussert,, dass, während die Tetrasporangien von Dictyota unzweifelhaft den Tetrasporangien der Florideen analoge Fortpflanzungsorgane darstellen, die von mir Oogonien genannten Ge- bilde in ihrer Vereinigung als Sorus den Haufenfrüchten der Florideen ent- sprächen; Cohn ging so weit, die Dietyotaceen der Klasse der Florideen ein- zureihen. Diese Meinung war berechtigt zu einer Zeit, wo man über die sexuellen Verhältnisse der Florideen noch im Unklaren, und manche Botaniker geneigt waren, die Tetrasporen als die weiblichen, die Polysporen als die un- geschlechtlichen Keimkörper zu deuten. Auch heute noch könnte man eine solche Analogie vermuthen aus dem Umstande, dass die Eizellen von Dictyota eine Zellhaut ausscheiden und Theilungen eingehen ohne — ich will das gleich vorweg bemerken — befruchtet zu sein; dennoch muss man jene Ansicht von der Zugehörigkeit der Dietyotaceen zu den Florideen nach der Entdeckung von Bornet und T'huret über die Befruchtung der letzteren für unhaltbar er- klären. Es müssten dann nämlich die Oogonien von .Dictyota erst in Folge eines Befruchtungsactes angelegt worden sein, es müsste ferner ein den Oogonien vorausgehendes weibliches Befruchtungsorgan sich nachweisen lassen, was aber nicht gelingt. Die einzigen Gebilde, an die man hier denken könnte und welche in ihrer Entwicklung in der That den weiblichen Organen voraus- eilen, sind die Sprossfäden. Allein an eine funktionelle Uebereinstimmung der Sprossfäden mit dem Trichogyn der Florideen ist nicht zu denken, schon aus dem Grunde, weil sie sich nicht bloss auf den weiblichen, sondern auch auf den männlichen und den Tetrasporen-Exemplaren der Pflanze vorfinden. Sollten aber die in Rede stehenden Organe von Dictyota die Bezeich- nung als weibliche verdienen, so ist es nöthig, in denselben sexuelle Be- Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 13 ziehungen nachzuweisen, um so mehr, als die morphologische Aequivalenz mit den Polysporen der Florideen geläugnet werden muss; letztere entstehen nur in Folge eines Befruchtungsactes, die Oogonien ohne einen solchen, entleeren aber eine entwicklungsfähige Eizelle. Für die Deutung der Oogonien als Geschlechtsorgane sprechen folgende Umstände: 1) Sind die ungeschlechtlichen Fortpflanzungsorgane, die ächten Sporen, unzweifelhaft durch die Tetrasporen repräsentirt. 2) Sind die Antheridien unzweifelhaft männlich-sexuellen Charakters, weil die in ihnen erzeugten Primordialzellen nicht keimen und in Grösse und Beschaffenheit durchaus mit den Spermatozoidien anderer Algen übereinstimmen (Bangiaceen, Florideen.. Das Vorkommen männlicher Geschlechtszellen ver- langt aber auch das Vorhandensein weiblicher Organe, die einzigen Or- gane, welche an Dictyota dafür in Betracht kommen - können, sind aber die Oogonien. 3) Correspondirt die Entwicklungszeit von Antheridien- und Oogonien- Pflanzen, wenigstens im Golfe von Neapel, vollständig mit einander. Im October fand ich nur Tetrasporangien tragende Individuen, im November traten einzelne Exemplare mit Oogonien und Antheridien (gleichzeitig) auf, deren Zahl dann stieg, und Mitte December erhielt ich noch zahlreiche Pflanzen mit beiderlei Geschlechtsorganen, aber keine selche mehr mit Tetra- sporangien. Dagegen liefert eine auf Copulationserscheinungen zwischen männlichen und weiblichen Zellen gerichtete Beobachtung nur negative Resultate, wie das kaum anders zu erwarten. Lässt man aus den Antheridien austretende Spermatozoiden sich über weibliche Pflanzen ergiessen, so gelingt es nach einiger Zeit unschwer, sowohl an dem gallertig gequollenen Scheitel unverletzter Oogonien als auch an der Oberfläche ausgetretener Eizellen Spermatozoiden adhäriren zu finden, deren Inhalt auch nach einiger Zeit verschwindet; allein da die Spermatozoiden nur passiv fortbewegt werden, sieht man sie ebenso häufig an beliebigen anderen Stellen des Thallus oder an fremdartigen Körpern haften, wo ihr Inhalt auch nach einiger Zeit zu Grunde geht. Gewisse Er- scheinungen bei Taonia und Dictyopteris deuten darauf hin, dass der die 14 J. Reinke. Befruchtung vollziehende Diffusionsact bei den Dietyotaceen durch den Scheitel des noch nicht entleerten Oogoniums hindurch erfolgt. Dies dürfte aber nicht ausschliessen, dass die Eizelle selbst im Moment des Austretens oder nach demselben noch befruchtungsfähig sei. Meine auf die Befruchtung gerichteten Experimente sind nicht völlig entscheidend ausgefallen, es zeigte sich, dass Versuche mit definitivem Resultat sehr sorgfältiger und umständlicherer Vorbereitungen bedürfen, als sie mir bei meiner durch andere Beobachtungen in Anspruch genommenen Zeit zur Ver- fügung standen. Es ist vor allen Dingen nothwendig, weibliche Individuen auf- zusuchen, bei denen auch die ältesten Oogonienhaufen noch weit zurück in der Entwicklung sind und diese dann in reinem Meerwasser unter sicherstem Ab- schluss vor Spermatozoiden zu cultiviren. Denn da im Freien männliche und weibliche Individuen durcheinander wachsen, so ist von vornherein anzunehmen, dass jedes weibliche Exemplar, welches man aus dem Wasser zieht, bereits mit zahlreichen Spermatozoiden behaftet ist; und ob diese nicht bereits auf ganz junge Oogonien befruchtend einwirken können, darüber wissen wir zwar nichts, die Möglichkeit ist jedenfalls nicht ausgeschlossen. Meine Wahrnehmungen beschränkten sich auf folgenden Versuch. Zwei Gläser mit Oogonien-Individuen wurden isolirt in Cultur genommen; die unteren Sori waren, als die Pflanzen aus dem Meere kamen, bereits entleert. Weib- liche Pflanzen derselben Entwicklungsstufe wurden in ein anderes Glasgefäss gethan, das von einem Wasserstrom gespeist wurde, welcher vorher einen Be- hälter mit geschlechtsreifen männlichen Individuen durchstrichen hatte. Das Ergebniss war, dass entleerte Eizellen beider Versuchsreihen im Verlauf einiger Zeit zu Keimpflanzen herangewachsen waren, dass aber die Anzahl entwicke- lungsfähiger Keime in demjenigen Behälter, welchem Spermatozoiden zugeführt worden, eine verhältnissmässig viel bedeutendere war, als in den beiden iso- lirten Gefässen; hier konnten die erzielten Keime auf Rechnung einer bereits früher im Meere stattgehabten Befruchtung gesetzt werden, man braucht noch nicht zu der Hypothese parthenogenetischer Keimung zu greifen. Dennoch würde ich auch diese Deutung dem Verdict vorziehen, dass Dictyota zweierlei ungeschlechtliche Sporen besitze und ausserdem nur keimungsunfähige (männ- liche) Antheridien. Ein Anklang an parthenogenetisches Verhalten spricht Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 15 sich doch auch in dem Umstande aus, dass diejenigen Eizellen, welche sich nicht zu Keimpflanzen entwickeln und welche ich demnach für unbefruchtet halte, stets einige Theilungen eingehen, bevor sie absterben (Taf. 2. Fig. 17), wie es oben ausführlicher erörtert wurde. 2. Padina Pavonia Lamour. Die zuverlässigen, mir aus der einschlägigen Literatur bekannt gewordenen Beschreibungen von Padina Pavonia haben ausschliesslich die fächerförmig- breiten, der neutralen Fructification dienenden Aeste dieser Pflanze zum Gegen- stand, die übrigen Theile scheinen bisher übersehen zu sein. Padina Pavonia ist eine reich verzweigte Pflanze, welche über unter- getauchte Felsen hinwegkriecht und, denselben sich dieht anschmiegend, an verschiedenen Stellen durch Büschel von Wurzelhaaren haftet. Der 'T'hallus ist zerbrechlich, so dass man beim Abpflücken der fächerförmigen Sporenträger oft keine Spur des rhizomartigen Theiles erhält. In der Regel laufen die Hauptäste einer Pflanze nach verschiedenen Richtungen von einem Central- knoten aus (Taf. 2. Fig. 1S5c), welcher durch einen besonders dichten Filz von Wurzelhaaren befestigt ist. Die gewöhnliche Verzweigung ist die seit- liche, doch kommen auch unzweifelhafte Fälle von Dichotomirung vor. Es sind drei Arten von Zweigen am Thallus von Padina zu unter- scheiden: 1) Rundtriebe, 2) Flachtriebe, 3) Breittriebe). Die Rundtriebe entsprechen den Rundtrieben von Dictyota: sie sind im Querschnitt kreisrund, bestehen in ihren älteren T'heilen aus einem Zellen- körper und verjüngen sich an der Spitze mit einer grossen, derjenigen von Dictyota gleichenden Scheitelzelle (Taf. 3. Fig. 1). Dieselbe leitet den Aufbau des Rundtriebes ein durch Segmentirung mittelst einer Querwand. Die erste Längswand scheint, soweit durchsichtig gemachte Triebe das Verhältniss erkennen lassen, immer excentrisch aufzutreten und das scheiben- förmige Segment in eine grössere und kleinere Hälfte zu zerlegen); in der grösseren Hälfte tritt dann eine der ersten parallele zweite Längswand auf, dann zu diesen beiden senkrecht eine dritte und vierte, wodurch das Segment 1) Hierdurch ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass bei einer Ansicht von Aussen die Ansatzlinie dieser ersten Längswand das Segment zu halbiren scheint! 16 J. Reinke. in eine centrale und vier peripherische Zellen zerlegt wird; während letztere durch radiale und später auch durch Querwände sich weiter theilen, entwickelt sich aus der eentralen Zelle durch verschieden gerichtete Wände ein mehr oder weniger starkes körperliches Gewebe. Die Flachtriebe correspondiren ebenfalls den gleichnamigen Gebilden von Dietyota, sie bestehen aus einem flachen, nach vorn mehr oder weniger zugespitzten Zellenkörper mit einer Scheitelzelle wie bei Dictyota (Taf. 3. Fig. 2. 3. 4. 5. 6), welche in entsprechender Weise Segmente abgliedert; hier scheint mir die Mehrzahl der Segmente sich noch einmal durch eine zur Wachsthumsaxe quer gerichtete Wand zu theilen, bevor Längswände in der- selben auftreten (vergl. Fig. 2). Die erste Längswand ist auch in den Seg- menten der Flachtriebe meistens extra-axil gerichtet. In der Regel findet man zwei parallele Längswände, durch die das Segment in drei Zellen zerlegt wird, welche die Ebene des Flachtriebes andeuten (Fig. 2. 4. 6); mitunter wird das Segment aber auch, wie bei Dietyota, durch eine axile Wand halbirt (Fig. 3). Die weitere Entwicklung des Gewebes aus den Theilzellen der Segmente folgt dem von Dictyota bekannten Modus, und wird durch meine Zeichnungen hin- länglich erläutert. Auch hier sondert sich durch T'heilung parallel der Thallus- fläche eine Oberhaut von einer Innenschicht, die letztere besteht aber in den älteren Theilen der Flachtriebe meist aus mehreren, aus vier bis sechs Zellenlagen. Die Flachtriebe entstehen entweder aus den Rundtrieben durch Aende- rung des Wachsthums derselben oder als seitliche Auszweigungen anderer Flachtriebe. Im ersten Falle vollziehen sich die Längstheilungen der Segmente vorwiegend in einer Ebene, die bei den Rundtrieben radial zu einer Axe ge- stellten Längswände der Aussenzellen werden unter einander mehr weniger parallel. Im zweiten Falle wird eine beliebige, gewöhnlich am Rande ge- legene Oberflächenzelle zu der Scheitelzelle eines Astes (Taf. 3. Fig. 7), die Verzweigung ist also gewöhnlich eine seitliche, ohne dass aber eine akropetale Folge der Seitenäste inne gehalten würde. Mitunter tritt dann ‚auch Dicho- tomirung ein, die sich jedoch nur selten wiederholt, wie in Fig. 19 auf Taf. 2. Diese Abbildung zeigt in zehnfacher Vergrösserung den Umriss eines abnormen Flachtriebes, der sich in 2 x 2 Gabeläste getheilt hat, jeder mit einer Scheitel- zelle gekrönt; ausserdem stehen am Rande eine Anzahl seitlicher Aeste, und Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen des Golfs von Neapel. 1% mehre Büschel von Wurzelhaaren. Die Dichotomirung erfolgt auch hier wie bei Dietyota durch die Ausscheidung einer axilen Längswand in der Scheitel- zelle, ein Prozess, der sich schon in ganz jungen Zweiganlagen vollziehen kann (Taf. 3. Fig. Sa). Auch an verwundeten Stellen wachsen die frei liegenden Oberhautzellen oft zu Scheitelzellen aus; so zeigt Fig. 13 auf Taf. 3 einen Rundtrieb, dessen Spitze abgebrochen, und wo aus dem Stumpfe sich zwei neue Scheitel entwickelten. Die Breittriebe bilden ausschliesslich das Objekt der bisherigen Be- schreibungen von Padina; sie entwickeln sich aus verticalen Flachtrieben durch Aenderung der Modalität des Wachsthums, da sie, wie wir aus der Darstellung von Nägeli!) wissen, nicht in eine Scheitelzelle endigen, sondern mit einer aus vielen gleichwerthigen Initialen bestehenden Bildungskante in die Länge wachsen (Taf. 3. Fig. 11). Diese Umwandlung des Spitzenwachsthums, dieser Uebergang von einer Scheitelzelle zu vielen Bildungszellen vollzieht sich in folgender Weise. In dem Flachtriebe von Padina theilen sich die von der Scheitelzelle abgeschiedenen Segmente durch Längswände in eine zur Wachsthumsaxe quer gerichtete Reihe von Zellen. Die beiden an den Kanten gelegenen Zellen dieser Querreihe werden in den jüngeren, unteren Theilen der Flachtriebe in gleicher Weise zu gewöhnlichen Oberflächenzellen, wie die aus den dazwischen gelegenen Zellen entstandenen; in diesem Stadium sind auch die Scheitel der Flach- triebe lang zugespitzt (Taf. 3. Fig. 2.3.4; die an den Kanten gelegenen Theil- zellen der Segmente sind mit i bezeichnet). Schicken dagegen die Flachtriebe zur Umformung in Breittriebe sich an, so verbreitern sich dieselben nach vorne zunächst dadurch, dass die aus den Segmenten hervorgehenden Querreihen sich in zahlreichere Zellen theilen als zuvor; die Scheitelzelle erscheint dann als ein kleines, dem gerundeten Ende des Triebes in der Mitte aufgesetztes Spitzchen. Man kann dies Verhältniss geometrisch auch kurz so ausdrücken: Der Winkel, unter dem die beiden Kanten des Triebes an der Scheitelzelle sich schneiden, wird immer grösser und nähert sich 180° (vergl. auf Taf.3 die Figg. 2—6). Inzwischen hat in den randständigen Theilzellen der Segmente ein eigenthümliches Verhalten Platz gegriffen. Während 1) Die neueren Algensysteme. p. 180. Nova Acta XL. Nr. 1. 3 18 J. Reinke. die flächenständigen Theilzellen durch Horizontalwände in mehre Schichten sich spalten, bleiben die randständigen in dieser Richtung ungetheilt, füllen sich aber mit dichterem Plasma und beginnen allmählig, sich wie selbständige Initialen zu verhalten (Taf.3. Fig.5 und 6i). Sie strecken sich in die Länge (d. h. dem Rande zu) und theilen sich dann quer; durch Längswände spalten sie sich auch und inauguriren auf diese Weise Doppel- reihen. Es sind das Wachsthumsprozesse, die von denen der flächenständigen Theilzellen der Segmente nicht wesentlich verschieden sind, allein sie voll- ziehen sich meist eher, als dort, und während dort nach ein paar Längs- und Querwänden das Wachsthum still steht, so sind die randständigen Zellen einer unbegrenzten Fortentwicklung fähig. Sie leiten jede für sich eine neue Wachs- thumsrichtung ein, und müssen daher in ihnen diejenigen Wände, welche in den flächenständigen Schwesterzellen des nämlichen Scheitelzellsegments Quer- wände heissen, als Längswände bezeichnet werden, und umgekehrt werden in den Randzellen die Querwände der Flächenzellen zu Längswänden. So verliert die Scheitelzelle ihre Prärogative, ausschliesslich das Längenwachsthum des Triebes einzuleiten, von ihrer monarchiseh-souveränen Stellung sinkt sie zu einer prima inter pares herab, nur noch durch ihre Form und Grösse vor den übrigen Randzellen sich auszeichnend (Taf. 3. Fig. 6). Allein auch dieser Vorzug wird bald aufgegeben, indem die Scheitelzelle durch Längswände in mehrere gleichwerthige Zellen sich spaltet. Die erste Längswand kann mit der ur- sprünglichen Wachsthumsaxe zusammenfallen, sie entspricht dann der Dicho- tomirungswand von Dictyota und wird durch sie die Scheitelzelle in zwei gleich grosse Initialen zerlegt, die sich dann rasch durch wiederholte Längs- theilung multiplieiren (Taf. 3. Fig. 95); oder die erste Längswand fällt extra- axil, die grössere der beiden Theilzellen theilt sich nochmals längs, so dass zunächst drei Initialen aus der Scheitelzelle hervorgehen (Taf. 3. Fig. Sb). Diese Längstheilung der Scheitelzellen tritt häufig schon ein, wenn die Kanten des Flachtriebes erst einen Winkel von 90° bilden (Taf. 3. Fig. 9), und haben dadurch sämmtliche Randzellen einerlei Gestalt gewonnen. Nicht selten kommt es auch vor, dass bei der Umwandlung eines Flachtriebes in einen Breittrieb die Scheitelzelle abstirbt; dann schieben sich die darunter gelegenen Theilzellen des ersten Segments als Initialen an ihre Stelle. Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 19 Schneiden auf dieser Entwicklungsstufe die Kanten des Triebes sich noch unter einem Winkel (wie in Fig. 9), so wird dieser durch rascheres Wachsthum und ausgiebigere Zellenbildung in den tiefer stehenden Initialen (Fig. 9 bei u) bald ausgeglichen, bis die wachsende Kante des Breittriebes eine fast gerade Linie oder einen Bogen darstellt (Taf. 2. Fig. 18. 21.22), mit dieser wachsenden Linie fällt auch stets die grösste Querausdehnung des Triebes zusammen. Die Initialen der Bildungskante, sowohl die mittleren, direct aus der Scheitelzelle entstandenen, als auch die seitlichen wachsen nun jede für sich selbständig fort und erzeugen eine Zellreihe durch wiederholte Quertheilung ; mit ‚diesen Quertheilungen wechseln aber sehr häufig auch Längstheilungen, durch welche je eine Initiale, mithin auch je eine Zellreihe sich verdoppelt, und zwar vermehrt sich jetzt die Zahl der Zellreihen nach vorwärts, während sie im.Flachtrieb (unter Herrschaft der Scheitelzelle) sich nach rückwärts ver- mehrte; in den Flachtrieben zeigen demnach die Zellreihen einen nach der wachsenden Spitze hin convergirenden Verlauf, in den Breittrieben diver- giren sie nach vorne. In jungen Breittrieben kann man beide 'T'ypen noch vereinigt sehen, Fig. 21 auf Taf. 2 stellt bei schwacher Vergrösserung ein solches Stadium dar, der Verlauf der Zellreihen wird durch entsprechende Linien angedeutet. Im unteren Theile sieht man dieselben nach einem Punkte hin convergiren, wo die ursprüngliche Scheitelzelle lag; von da ab divergiren sie gegen den Rand, und zwar an sämmtliche Randzellen anschliessend, die sich zu Initialen umbildeten. Ein Seitenast desselben Breittriebes wächst an der Spitze noch mit einer Scheitelzelle, der Verlauf der Zellreihen ist demnach ausschliesslich convergirend. In Fig. 10 auf Taf. 3 ist dieselbe Erscheinung auf jüngerer Entwicklungsstufe und bei stärkerer Vergrösserung zur Darstellung gebracht. Der mit s bezeichnete linsenförmige Raum im Innern der Figur, aus 8 Zellen bestehend, entspricht der ursprünglichen Scheitelzelle; unterhalb derselben sieht man die 'Theilzellen der von ihr abgeschiedenen Segmente; oberhalb liegen die divergirenden Zellreihen der nunmehrigen Bildungskante. Demnächst tritt im Verlauf der Entwicklung eine für die Breittriebe von Padina charakteristische und bekannte Erscheinung auf, das Einrollen des Randes. Dasselbe ist jedenfalls ein wichtiges Schutzmittel für die zarten Zellen der Bildungskante, von gleicher Wirkung, wie die durch ee 20 J. Reinke. zusammenneigende Blätter gebildete Endknospe an den Sprossen der Blüthen- pflanzen; in Fig. 20 (Taf. 2) giebt ein Längsschnitt durch die Kante eines älteren Breittriebes eine Erläuterung davon. Dies Einrollen kommt dadurch zu Stande, dass die eine Seite des Triebes, welche wir die Oberseite nennen wollen, sich stärker verlängert als die Unterseite. Wie man an ganz jungen Breittrieben beobachten kann, wird hierdurch zunächst ein blosses Umbiegen der wachsenden Kante nach unten veranlasst (Taf. 3. Fig. 12), was dann all- mählig bis zur spiraligen Einrollung sich steigert. Dabei zeigt sich, dass die Querlinie, wo die erste Umbiegung stattfindet, noch tief unterhalb der ursprüng- lichen Scheitelzelle liegt. Die Fig. 12 (Taf. 3) ist nach demselben Präparat gezeichnet, wie Fig. 10, und bezeichnet s die Lage der ursprünglichen Scheitel- zelle; so lange die letztere aber noch besteht, tritt an den Trieben -von Padina niemals Umbiegen ein. Indem die Erzeugung neuer Zellen nunmehr in dem eingerollten Rande vor sich geht, wird hernach durch eine überwießende Streckung der Unterseite die Einkrümmung wieder ausgeglichen; die Frons hat also in allen ihren Theilen nach einander zwei entgegengesetzte Be- wegungen auszuführen, von denen die zweite die Wirkung der ersten wieder aufhebt. Diese älteren, eingerollten Breittriebe mit ihren zahlreichen Bildungs- zellen sind ausschliesslich Gegenstand jener meisterhaften Beschreibung, die Nägeli vom Wachsthum der Padina gegeben hat.!) Nicht klarer kann die Fortbildung derselben, welche durch unsere Fig. 20 auf Taf. 2 und Fig. 11 auf Taf. 3 veranschaulicht wird, geschildert werden, als durch folgende, von Nägeli formulirte Sätze: „l) Das Wachsthum (der Breittriebe von Padina) in die Länge ge- schieht durch eine Reihe von Randzellen, welche den oberen Rand der Frons bilden. In je einer Randzelle entstehen durch eine horizontale, die Laubfläche unter einem rechten Winkel schneidende Wand zwei ungleiche Tochterzellen, von denen immer die obere wieder eine Randzelle, die untere eine Flächen- zelle ist.“ „2) Das Wachsthum in die Breite geschieht dadurch, dass die Rand- zellen an Zahl zunehmen; indem in einer und der anderen Randzelle durch 1) Die neueren Algensysteme. p. 181. Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen des Golfs von Neapel. 21 eine senkrechte, die Laubfläche unter einem rechten Winkel schneidende Wand zwei gleiche Tochterzellen entstehen, von denen jede eine, Randzelle ist.“ „3) Das Wachsthum in die Dicke geschieht dadurch, dass in der Flächenzelle durch eine mit der Laubfläche parallele, excentrische Wand zwei Tochterzellen entstehen...“ 2 Nägeli hebt dann noch hervor, dass aus der der Oberseite zugekehrten Zellschieht durch Quertheilung eine kleinzelligere, einseitige Rinde entstehe, während die untere Schicht sich durch der Fläche parallele Wände in zwei Schichten, im unteren Theil des Triebes sogar in drei bis fünf Schichten zu spalten vermag. Aus den beiderseitigen Oberflächenzellen im untersten Theil der Triebe entwickeln sich zahlreiche Wurzelhaare, die gegen das Substrat wachsen und fest daran haften. Wegen des so abweichenden Wachsthums der Breittriebe von Padina, die Nägeli allein bekannt waren, von dem 'Thallus der Gattung Dictyota, hat derselbe darauf den Typus zweier getrennter Familien, der Padineae und der Fuceae, gegründet. Die Breittriebe von Padina sind die ausschliesslichen Träger der Fort- pflanzungsorgane. Auch bei dieser Pflanze eilen den letzteren stets, wie bei Dictyota, Sprossfäden voraus, welche später abgestossen werden. Diese Spross- fäden finden sich im jüngsten Theile der Frons in concentrischen Zonen an- geordnet, welche den Ort für die Bildung der Fortpflanzungszellen bezeichnen (vergl. Taf. 2. Fig. 22, ein fructifieirender Breittrieb in natürlicher Grösse). Sie entstehen in dem noch eingerollten Theil des Triebes, und zwar ist jede Zone aus mehreren Reihen (3—6) gebildet; zuerst zeigen sie sich als Vor- stülpungen einzelner Zellen der Rückseite, diese gliedern sich dann durch eine Querwand ab und werden durch weitere Theilungen zu kurzen Zellreihen, die anfangs, wie schon Kützing und Nägeli hervorgehoben, noch von der ge- meinsamen Cuticula bedeckt sind, und sowohl durch Theilungen in der Scheitel- zelle wie in den Gliederzellen wachsen. Später beginnt dann die Streckung dieser Sprossfäden in der Scheitelzelle und schreitet basipetal fort, wobei das Wachs- thum durch Theilung an der Basis noch eine Weile andauert (Taf. 2. Fig. 20a). Indem nun die älteren Theile der Frons sich ebnen, werden die in bestimmten Distanzen entstandenen Zonen von Sprossfiden aus dem schneckenförmigen Theile des Triebes auf die flache Rückseite geschoben; dabei erscheinen in 22 J. Reinke. einem gewissen Moment die Fäden genau in der Lage wie randständige Wimpern, um dann weiter nach abwärts zu rücken. Diese Haargebilde bezeichnen also den Ort für die Entstehung der Fortpflanzungszellen; diese sind entweder geschlechtslos oder geschlechtlich, die letzteren befinden sich auf anderen Individuen als die ersteren. Die ungeschlechtlichen Fortpflanzungszellen von Padina, die bis jetzt allein bekannt waren, sind Tetrasporangien, wie bei Dictyota. Bei kräftigen Exemplaren bilden sie eine mehrreihige Zone auf beiden Seiten der Spross- fäden, die während der Entwicklung der Sporangien zu Grunde gehen. Bei schwächeren Individuen stehen die Sporangien oft nur auf einer Seite der Sprossfäden in Zone, auf der anderen Seite dann nur durch einzelne Gruppen vertreten. Solche zerstreute Sporangiumgruppen von unregelmässigem Umriss finden sich aber auch meistens noch in den Intervallen zwischen den Zonen eingestreut. Die Tetrasporangien, deren Entwicklung bereits Nägeli dargestellt, ent- stehen ganz analog denjenigen von Dietyota als Ausstülpungen der Oberflächen- zellen der Rückseite, die durch eine Querwand abgegliedert werden; anfangs ist der ganze Sorus noch von gemeinsamer Cuticula bedeckt, die später zerrissen wird (Taf. 3. Fig. 14). Die Sporangien sind später entweder birn- förmig. (Taf. 3. Fig. 15) oder mehr kugelig, wie bei Dictyota. Damit scheint auch die verschiedene Art der Theilung bei Bildung der Tetrasporen in Zu- sammenhang zu stehen; bei der Ansicht von Oben sieht man nämlich entweder vier durch successive Zweitheilung entstandene Tetrasporen neben einander liegen (Taf. 3. Fig. 16. 17. 19b), oder es liegen nur drei in einer Ebene und die vierte darunter (Fig. 18. 19a). Die einzelnen Tetrasporen runden sich innerhalb der Haut des Sporangiums kugelig ab und sind noch von keiner Membran bekleidet, wenn sie ans Freie treten. Hier wird bald eine Cellulose- haut ausgeschieden und wächst inzwischen die Tetraspore fast zu der Grösse des Tetrasporangiums heran, bevor die ersten Symptome der Keimung, leichte Längsstreckung und Theilung in zwei Zellen, sich zeigen!) (Taf. 3. Fig. 20a). !) Auf Taf. 3 sind die Figuren, welche die Keimung der Tetrasporen erläutern, der Raumersparniss wegen bei verschiedener Vergrösserung gezeichnet, die in der am Schluss der Arbeit gegebenen Tafelerklärung nachgesehen werden mag. Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 23 Auf diese erste Querwand folgt entweder in jeder der beiden Zellen eine Längswand (Fig. 20e) oder noch eine Querwand, durch welche drei über- einander gelegene Zellen erzeugt werden (Fig. 21b; letztere Figur zeigt zwei innerhalb der Sporangiumhaut gekeimte Tetrasporen, die sich nicht von ein- ander getrennt und eine gemeinsame Zellwand ausgeschieden haben). Hierauf pflegen in verschiedenen und wechselnden Richtungen Zellwände gebildet zu werden, ohne dass ein bestimmtes Gesetz erkennbar wäre; das Resultat ist ein vielzelliger ovaler, mitunter auch gekrümmter (Fig. 27) Körper, der Central- knoten des neuen Padina-Pflänzchens. (Taf. 3. Fig. 20 sind a. b. ec Flächen- ansichten solcher jungen Centralknoten, d und g Querschnitte, e und f Längsschnitte.) Eine oberflächliche Zelle des Centralknotens wird dann zur Mutterzelle des ersten Padina-Nriebes; oft liegt diese Zelle in der Längsaxe des Central- knotens (Fig. 22), ebenso oft ist dies aber auch nicht der Fall. Diese Mutter- zelle wölbt sich hervor und scheidet sich durch eine Querwand von ihrer Basis; durch eine zweite Querwand theilt sie sich in die Scheitelzelle und das erste Segment des Triebes (Fig. 22s). Dann werden von der Scheitelzelle neue Segmente erzeugt, während in den älteren Längstheilungen auftreten; im untersten, wie es scheint, immer eine kreuzweise Viertheilung, später werden eine Oentralzelle und vier peripherische gebildet (Fig. 23. 24. 25). Der Central- knoten markirt sich stets durch dunklere Färbung seines Zelleninhalts. Zu Anfang als Rundtrieb wachsend, geht dieser erste aus dem Central- knoten hervorgehende Trieb von Padina allmählig in einen Flachtrieb über (Taf. 3. Fig. 26) und wird, wie es scheint, zuletzt immer zum Breittrieb. Aber beliebige andere Oberflächenzellen desselben Centralknotens können ebenfalls zu Rund- oder Flachtrieben auswachsen (Fig. 26 b. c), wodurch dann ein Habitus der Gesammtpflanze angebahnt wird, wie er Taf. 2. Fig. 18 dargestellt. Die übrigen Öberflächenzellen treiben meistens Wurzelhaare; ein solches Wurzelhaar ent- wickelt sich oft, aber nicht constant, schon gleichzeitig mit dem ersten Triebe (Taf. 3. Fig. 24. 25). Während bei Dictyota ungeschlechtliche Individuen beobachtet wurden, wo die Sporangien keine 'T'etrasporen bildeten, sondern als Ganzes zu einem Triebe auswuchsen (Taf. 1. Fig. 31—35), so habe ich zwar nicht die gleiche, aber doch eine ähnliche Erscheinung auch bei mehreren Exemplaren von Padina beobachtet. Hier nämlich öffnete sich die Hülle eines Sporangiums mit einem 24 J. Reinke. kreisrunden Loche am Scheitel und der ganze plasmatische Inhalt trat als zusammenhängende Masse heraus, ohne sich vorher oder nachher in Tetrasporen zu theilen (Taf. 4. Fig. 1); die Masse rundete sich kugelig ab, schied eine Zellhaut aus (Taf. 4. Fig. 2) und keimte dann ganz wie eine Tetraspore: nur das Stadium des ersten Hervorsprossens eines Rundtriebes aus dem Central- knoten ist in einer Zeichnung mitgetheilt (Taf. 4. Fig. 3). Bemerkenswerth ist, dass ich diese Form der Fortpflanzung nur als seltene Ausnahme be- obachtete, dass es mir aber nicht gelang, auf denjenigen Individuen, deren Sporangieninhalt ungetheilt keimte, auch Tetrasporenbildung aufzufinden; dabei erwiesen sich alle diese Monosporen eines Individuums keimfähig. Ausser den Individuen mit ungeschlechtlichen Fortpflanzungsorganen ist es mir nun auch geglückt, die Geschlechtspflanzen von Padina Pavonia aufzufinden, welche sich ebenso wie die Rund- und Flachtriebe der Aufmerk- samkeit der bisherigen Beobachter entzogen haben. Die als Oogonien und Antheridien anzusprechenden Zellen finden sich hier nicht, wie bei Dictyota, auf verschiedene Pflanzen vertheilt, sondern in regelmässigem Durcheinander auf hermaphroditen Flachtrieben, welche von den geschlechtslosen ohne Mikroskop nicht zu unterscheiden sind (Taf. 2. Fig. 22). Auch hier entwickeln sich zunächst concentrische Zonen von Sprossfäden, dann bilden sich zu beiden Seiten je einer solchen Zone, während die Sprossfäden abfallen, die Oberflächenzellen zu Fortpflanzungszellen aus. Unter diesen fallen die Oogonien durch ihre grössere Zahl und die dichte Anhäufung braunen Protoplasmas zunächst in die Augen; sie unterscheiden sich von den Tetra- sporangien durch geringere Grösse. Zwischen den einzelnen scharf geson- derten Doppelzonen eines Laubes finden sich auch noch zerstreute grössere oder kleinere Haufen von Oogonien (Taf. 2. Fig. 22). Die Zonen der Oogonien werden in unbestimmten Distanzen dadurch unterbrochen, dass zu ihnen senk- recht stehende Zellreihen sich in Antheridien umbilden. In Fig. 4 auf Taf. 4 ist ein kleines Bruchstück aus einer Doppelzone von Oogonien mit dazwischen gelegenen Antheridien, die eine bis drei neben einander befindliche Zellreihen einnehmen, skizzirt. In Fig. 5 ist eine solche zwischen Oogonien gelegene Antheridienreihe bei stärkerer Vergrösserung dargestelit. Die Umbildung einer Reihe von Flächenzellen zu Antheridien beginnt in der Mitte und schreitet nach Oben und Unten fort, so dass man z. B. in Fig. 5 alle Entwicklungs- Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 25 stufen zu überblicken vermag. Zuerst theilt in der Flächenansicht eine Zelle sich quer, dann jede 'Theilzelle sich längs, worauf die ursprünglich stern- förmige Anordnung des Protoplasma einem dichten homogenen Inhalt weicht, aus welchem der Farbstoff verschwindet. Diese 4 Zellen zerfallen dann durch weitere Kreuztheilung in ungefähr 32 Zellen, eine Zahl, die bald überschritten, bald auch nicht erreicht wird; die Scheidewände bestehen aus dünnen, gallert- artigen Lamellen. Auf dem Durchschnitt (Taf. 4. Fig. 6aa) sieht man, dass die Antheridienzelle zunächst von der zugehörigen Epidermiszelle durch eine Querwand sich sondert, dass dann ebenfalls zuerst eine kreuzweise Theilung erfolgt, hierauf weitere Längswände, zuerst in den oberen Zellen, sich zeigen, welchen vermuthlich entsprechende Quertheilungen folgen. Die einzelnen Zellen, die man in den Antheridien (Fig. 5 und 7a) sieht, zerfällen dann ihren In- halt in der Flächenansicht in 4 (bei räumlicher Vorstellung also wohl in 16) Plasmaportionen, welche sich kugelig abrunden und durch Verschleimung der äusseren Antheridienwand frei zu werden vermögen; es sind das die durch ihre Bewegungslosigkeit mit den gleichnamigen Gebilden von Dictyota völlig übereinstimmenden Spermatozoiden (Taf. 4. Fig. {sp, hier durch Auseinander- reissen zweier Antheridien befreit). Auch die Oogonien sind Erzeugnisse der Epidermiszellen, welche eine Ausstülpung treiben und diese dann abgliedern; in der so abgeschiedenen Zelle tritt aber meistens noch eine Querwand auf, wodurch sie in das eigent- liche Oogonium und eine darunter gelegene Zelle zerfällt, die ich Ersatzzelle nennen will (Taf. 4. Fig. 6). Die reifen Oogonien erscheinen in der Flächenansicht länglich, von einer dicken Hüllhaut umgeben (Taf. 4. Fig. Sa.b). Aus dieser tritt dann der Inhalt am Scheitel hervor, rundet sich zur Kugel und sondert nach Verlauf einiger Zeit eine fein doppelt contourirte Gallerthaut ab (Taf. 4. Fig. 9). Während im oberen Theil einer Frons die jungen Oogonien (von oben) noch polygonal erscheinen, so sieht man in den älteren T'heilen die ausgetretenen kugeligen Eizellen wie ein aufgeschütteter Damm bei einander liegen, bis sie hinweg- gespült werden; alsdann treten die Ersatzzellen an ihre Stelle und vermögen sich zu einer zweiten Auflage von Oogonien zu entwickeln, so dass man in den ältesten Zonen der Frons wieder ganz junge Oogonien findet. Obwohl ich Geschlechtspflanzen mit massenhaft austretenden Eizellen Nova Acta XL. Nr. 1. 4 26 J. Reinke. in reinstem, strömendem Meerwasser cultivirte, so sah ich nur äusserst wenige derselben zur Keimung gelangen, und ich greife nieht zu hoch, wenn ich die Zahl der keimenden Eizellen auf kaum 0,, Procent veranschlage, während die Tetrasporen beinahe ausnahmlos keimen. Dies kann nur durch Hindernisse eines zwischen ausgetretenen Spermatozoiden und Eiern nothwendigen Be- fruchtungsactes erklärt werden, und derartige Hindernisse bestehen in der That. Einmal liegen die der Befruchtung bedürfenden Eier auf den entleerten Oogoniumhäuten, so dass die austretenden Spermatozoiden vermöge ihrer Be- wegungslosigkeit nur schwierig zu ihnen gelangen können, dann aber wird den letzteren das Austreten im höchsten Masse erschwert, wenn nicht un- möglich gemacht durch die Inkrustation von kohlensaurem Kalk, mit welcher die Frons von Padina bald mehr, bald weniger überzogen ist; diese Kalk- kruste lagert sich auch über die Antheridien so dicht, dass dieselben über- haupt erst nach einer Behandlung mit Essigsäure deutlich erkennbar werden. In der Natur mag die Brandung an den Klippen, welche Padina bewohnt, dies Hinderniss überwinden, indem bei dem heftigen Hin- und Herpeitschen manche Zerreissungen vorkommen, auch die Kalkkruste vielleicht abbröckelt, und in dem die Pflanzen umgebenden Wasser somit Eizellen und Spermatozoiden durcheinander gemengt werden. Uebrigens zeigt die Keimung der Eizellen keine Abweichungen von der Keimung der Tetrasporen: zuerst tritt eine Querwand ein (Taf. 4. Fig. 10), dann wird ein mehrzelliger Centralknoten gebildet, von welchem eine Zelle als erste Scheitelzelle aussprosst (Fig. 11). In Fig. 12 ist ein weiter vorge- schrittener Keim, an welchem seitlich ein neuer Scheitel entstanden ist, ge- zeichnet. Die übrigen (unbefruchteten) Eizellen sind keiner Theilung fähig. 3. Taonia Atomaria Ag. Zu den stattlichsten Dietyotaceen gehört Taonia. Ihre reichverzweigten, aufrecht fluthenden Thallome entspringen bald einzeln, bald zu mehreren einem dichten Filz von gegliederten Wurzelhaaren, die, scheibenförmig sich aus- breitend, fest an der Unterlage haften. Die normale Verzweigung des T'hallus liegt stets in einer Ebene und kommt durch Dicho- und Polytomie des Scheitels zu Stande (Taf. 4. Fig. 13); nach der Basis verschmälert sich der einen ganz flach zusammengedrückten Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen des Golfs von Neapel. 2% Zellkörper darstellende Thallus keilförmig; an dem untersten Stücke entspringen fast allen Zellen Wurzelhaare, von da aus ziehen sie sieh in zwei medianen Leisten eine kurze Strecke am Thallus hinauf. An den beiden Rändern des Thallus finden sich Zähne (Taf. 4. Fig. 13); dieselben erscheinen meist als kleine unregelmässige Spitzchen, an älteren T'heilen einzelner Individuen ver- grössern sie sich mitunter auffallend, verzweigen sich und gewinnen dann das Aussehen kleiner, verästelter Kurztriebe (Fig. 14). Das Spitzenwachsthum vollzieht sich mittelst einer Scheitelkante, die fast geradlinig-transversal zur Richtung des Längenwachsthums steht (Fig. 13) und aus sehr zahlreichen Initialen sich zusammensetzt; ein Bruchstück solcher trans- versalen Scheitelkante in der Flächenansicht des Thallus ist Taf. 4. Fig. 15 zwischen a und b gezeichnet!). Man erkennt sogleich die Uebereinstimmung mit den Breittrieben von Padina Pavonia, die Initialen sind durch ein dunkleres Plasma ausgezeichnet. Das Längenwachsthum wird durch Quertheilung der Initialen bewirkt, wodurch dieselben als Scheitelzellen von Längsreihen fungiren, das Wachsthum des 'Thallus in die Breite wird durch Längstheilung der Initialen mittels einer Scheidewand senkrecht zur Thallusebene hervorgerufen, welche eine partielle Verdoppelung der Längsreihen zur Folge hat. Demgemäss sieht man die Zellreihen, wie bei Padina, nach vorwärts (d.h. scheitelwärts) sich spalten, eine Spaltung nach rückwärts wird nur ausnahmsweise beobachtet (Fig. 17e). Längsschnitte durch die Scheitelkante lehren, dass die Höhe (Dicke) der Initialen ihre Breite um das drei- bis vierfache übertrifft, dass dieselben also gewissermassen auf der hohen Kante stehen (vergl. die Breite der Initialen in Fig. 15 mit dem Längsschnitt Fig. 15, welche bei der nämlichen Vergrösserung gezeichnet wurden). Es zeigt sich hier ferner, dass die durch eine Querwand von der Initiale abgegliederten Segmentzellen sich zunächst durch eine parallel zur T'hallusebene verlaufende Längswand spalten, und die beiden T'heilzellen sich dann wieder durch Querwände verdoppeln; der Thallus besteht nunmehr aus zwei Zellschichten, aus jedem Initialsegment sind vier Zellen hervorgegangen (Fig. 18). Diese Zellen theilen sich dann aufs Neue durch Wände parallel der Laubfläche, wodurch der !) Die schematische Zeichnung, welche Nägeli und Schwendener mittheilen (Das Mikroskop. 2. Auflage. p. 560) passt besser auf einen jungen Trieb von Dictyopteris poly- podioides als auf Taomia Atomaria. 4* 2385 J. Reinke. Thallus vierschichtig wird (Fig. 19); die beiden äusseren Schichten führen einen dichteren Inhalt mit Chlorophylikörnern, die beiden Innenschichten enthalten nur farbloses Plasma; die letzteren bleiben auch ungetheilt, während die Aussen- zellen zunächst sich parallel der Fläche noch einmal theilen, so dass der Innen- körper vierschichtig wird, und dann durch Quertheilung in die kürzeren Ober- hautzellen zerfallen, die sich auch häufig noch durch Längswände senkrecht zur Laubfläche spalten. Theilungen der letzteren Art kommen auch in den beiden subepidermalen Schichten des Innenkörpers vor; so zähle ich an einem mir vorliegenden Querschnitt des Thallus von Taonia auf 15 Zellen der beiden mittleren Schichten des Innenkörpers 19 und 17 Zellen in den beiden Sub- epidermalschichten, 26 und 24 Zellen auf die Epidermis. Auf dem Quer- schnitt, erscheinen alle Zellen des Gewebes isodiametrisch, auf dem Längs- schnitt zeigt sich das Verhältniss des Längendurchmessers zum Querdurch- messer in der Epidermis wie 3 bis 1 zu 1, der Innenzelle wie 7 bis 4 zu 1. An nicht weiter wachsenden Scheiteln findet man auch die Initialen durch eine der Laubfläche parallele Wand getheilt (Taf. 4. Fig. 20). Die Entstehung der randständigen Zähne des Thallus verdient noch Beachtuug (Taf. 4. Fig. 17). An den Ecken einer Scheitelkante sieht man die in der Mitte des Laubes geraden Zellreihen leicht gegen die Seiten- kante divergiren. Hier treten in einzelnen Initialen Längswände auf, welche die Initialen nicht halbiren, sondern schief an eine Seitenwand ansetzend ein kleineres Stück aus der Initiale herausschneiden (Fig. 17a‘). Diese Stellen bezeichnen den Ort, wo die Zähne angelegt werden; dieselben zeigen sich zuerst als kleine Ausbuchtungen des Randes (Fig. 17a), die auf ihrem Scheitel in der Regel eine solche schief-zweischneidige Initiale tragen; dadurch wird der Anblick hervorgerufen, als wichsen diese Zähne mit einer zwei- schneidigen Scheitelzelle. Diese Bezeichnung würde aber kaum zutreffend sein, obwohl in den schiefen Initialen Theilungen parallel zu den geneigten Wänden eintreffen; denn vielfach findet man Zähne mit mehreren keilförmigen Initialen, dann aber kommen Längs- und Quertheilungen auch in den daran grenzenden parallelopipedischen Initialen derselben Zähne vor. Höchstens könnte man sagen: Die Zähne von Taonia wachsen dadurch, dass eine auf ihrer Spitze gelegene keilförmige Initiale durch nach rechts und links geneigte Wände Seg- mente abscheidet, die sich den gewöhnlichen parallelopipedischen Initialen in Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 29 ihren Theilungen gleich verhalten; bei Verzweigungen der Zähne werden aus beliebigen Randzellen neue, keilförmige Initialen gebildet. Es scheinen mir diese keilförmigen Initialen wesentlich dem Zwecke zu dienen, den seitlichen Theilen der Scheitelkante das Einschlagen einer von der ursprünglichen ab- weichenden Wachsthumsrichtung zu ermöglichen. Oft sieht man auch einzelne Aeste an der ganzen transversalen Scheitelkante zu solchen, dann meist ver- zweigten Zähnen aussprossen, und wiederholt sich dabei die Erscheinung der keilförmigen Initialen, jeder neuen Ausbuchtung der Zähne geht die Bildung derselben voran. Abgesehen von diesen seitlichen Bildungen der Zähne, kommt nun die Verzweigung des eigentlichen Thallus durch Dichotomie und Polytomie der Scheitelkante zu Stande. Dabei sind Dichotomie und Polytomie keineswegs scharf zu sondern, es kommen folgende drei Fälle vor: eine Scheitelkante theilt sich in zwei (annähernd) gleich grosse Hälften, eine Scheitelkante theilt sich in zwei ungleich grosse Theile, und endlich, eine Scheitelkante theilt sich gleichzeitig in mehr als zwei Theile, ein Fall, der schon nach der Wahr- scheinlichkeitsrechnung nur selten eintreten wird. Die Theilung der Scheitelkante kommt stets dadurch zu Stande, dass eine beliebige Initiale ihr Längenwachsthum plötzlich sistirt, wobei ihr Plasma sich heller färbt; diese Zellreihe bildet nun den Scheitel des Winkels, unter welchem die beiden künftigen Aeste divergiren (Taf. 4. Fig. 16. 15a); wir wollen sie als neutrale Reihe bezeichnen. Zunächst erscheint der Contour der Scheitelkante an dieser Stelle ganz leicht eingekerbt (Fig. 16), bald aber neigen die der neutralen von beiden Seiten benachbarten Zellreihen ihre Initialen immer deutlicher gegen die Axe der ersteren, wodurch eine tiefere Einbuchtung entsteht, und zugleich erlischt das Wachsthum erst in der einen, dann in der andern dem Scheitel des Theilungswinkels anliegenden Zellreihe, wodurch auch diese neutral werden. In den gegen die Axe des Theilungswinkels geneigten Initialen geht das Wachsthum überhaupt langsamer von statten als in den gerade gerichteten des mittleren Theils der Scheitelkante, und schliesslich können noch mehrere Reihen ihr Wachsthum neutralisiren; dabei kommt es öfters zur Bildung keil- förmiger Randzellen (Fig. 15a), aus denen sich Zähne entwickeln. Die Zellreihe, welche schliesslich den neutralen Längsrand eines Astes begrenzt (abgesehen von den Zähnen), ist ein Sympodium, welches sich aus 30 J. Reinke. der Initiale und einer unbestimmten Zahl von Gliederzellen verschiedener ur- sprünglich in der Querrichtung an einander grenzender Zellreihen zusammen- setzt, die nach einander aufhören zu wachsen, wobei die zuletzt neutralisirte Reihe von der nächsten fortwachsenden in der Randbildung abgelöst wird. Neutralisiren sich in rascher Aufeinanderfolge zahlreichere Reihen, so wird der Divergenzwinkel der Thallusäste grösser, wächst eine den Rand bildende Zellreihe längere Zeit fort, so bleibt der Winkel kleiner. In diese Randbildung greift nun die Bildung der* Zähne immer complieirend ein, welche oben bereits ihre Erörterung gefunden hat. Endlich kommen, wenngleich selten, an einzelnen Individuen Adventiv- zweige vor, die unzweifelhaft aus einzelnen Oberhautzellen ihren Ursprung nehmen; die jüngsten Zustände solcher Zweige aufzufinden ist mir nicht geglückt. Ein Gegensatz zwischen Ober- und Unterseite, wie an den Breittrieben von Padina, ist am Thallus von Taonia nicht ausgesprochen; ob die Umbiegung der Initialen, wie man sie auf Längsschnitten beobachtet (Taf. 4. Fig. 18), eine Andeutung davon giebt oder durch Auslösung von Spannungen erst nach dem Schneiden eintritt, vermag ich nicht zu entscheiden. Demgemäss finden sich auch die Fortpflanzungsorgane, wie bei Dictyota, auf beiden Seiten des Laubes.. Was zunächst die ungeschlechtlichen, die Tetrasporangien, anlangt, so finden dieselben sich dichtgedrängt in transversalen Zickzacklinien, und mehr zerstreut in den dazwischen gelegenen Intervallen (Taf. 4. Fig. 13); die Zonen der beiden Laubflächen alterniren. In der Nähe des Scheitels werden auch hier diese Zonen durch Spross- fäden bezeichnet, welche ganz mit denen von Padina übereinstimmen... Ein- zelne Epidermiszellen theilen sich, die T'heilzellen wachsen zu kurzen viel- zelligen Haaren aus, deren Wachsthum anfangs durch Quertheilung der Scheitel- zelle und aller Gliederzellen erfolgt, dann aber auf die Basis sich localisirt. Die Entwicklung der Sprossfäden einer Querzone beginnt in der Mitte der Thallusfläche und schreitet nach den beiden Rändern hin fort; mit der Ent- wicklung der Tetrasporangien fallen die Fäden ab und verschwinden. Die Tetrasporangien stehen in den Ziekzacklinien dicht gedrängt und keilen dadurch nach einer oder nach zwei Seiten sich aus (Taf. 5. Fig. 1), oder sie stehen mehr vereinzelt und erscheinen dann breit-ellipsoidisch. Sie entstehen wie bei Padina, indem eine Oberhautzelle zunächst eine Ausstülpung treibt und Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 31 diese durch eine der 'Thallusfläche parallele Scheidewand abgliedert; die Spo- rangiumzelle schwillt dann auf und füllt sich mit dichtem, körnigem, braunem Plasma. Indem das Sporangium bei seinem Wachsthum sehr gleichmässig sich ausdehnt, erhebt es sich nur zur Hälfte über die T'hallusfläche, mit seiner unteren Hälfte bleibt es eingesenkt und presst die angrenzenden Oberhautzellen zusammen (Taf. 5. Fig. 2). Bei der Tetrasporenbildung können die suecessiven T'heilungsebenen sehr verschieden orientirt sein; bald liegen die Sporen tetraedrisch zu einander (Fig. 4), bald alle vier in der Ebene der Laubfläche (dazu der erste Theilungs- schritt Fig. 3), oder wie in Fig. 5, oder man sieht auch, namentlich in den lang ausgezogenen Sporangien, nur eine Querwand auftreten, was darauf hin- deutet, dass die 'Tetrasporen wohl in einer zur Laubfläche senkrechten Ebene sich bilden. Nach dem Austritt aus der Haut des Sporangiums scheidet die Tetra- spore eine Oellulosemembran aus und wächst zu mindestens der halben Grösse des Sporangiums heran (Taf. 5. Fig. 6). Der erste Schritt zur Keimung zeigt sich in der Bildung eimer Querwand (Fig. 7), worauf die eine der beiden Zellen sich in eine Spitze verlängert und dieselbe abgliedert; dies ist die erste Anlage eines Wurzelhaares, das bald mehrzellig wird. Mitunter wird dies Wurzelhaar bereits angelegt, bevor noch im Hauptkörper der Spore, aus welchem durch weitere T'heilung ein Centralknoten hervorgeht, eine erste Querwand erfolgte (Fig. 8). In den beiden ersten Zellen des Centralknotens treten dann entweder in einer oder in beiden Längswände auf (Fig. 9 und 10e), auf welche weitere T'heilungen folgen, die zu den bisherigen mehr weniger parallel verlaufen (Taf. 5. Fig. 11. 12). Das erste Wurzelhaar verlängert sich inzwischen beträchtlich, aus anderen Zellen des Centralknotens können weitere Wurzelhaare entstehen oder das erste verzweigt sich an seiner Basis (Taf. 5. Fig. 9). Die erste Anlage des Thallus zeigt sich in dem Auswachsen einer be- liebigen Oberflächenzelle des Centralknotens zu einer Scheitelzelle, die ihre ersten Segmente durch Querwände abgliedert, in welchen dann zunächst eine verticale und mediane, selten schief geneigte Längswand auftritt (Taf. 5. Fig. 10 und 11s). Aber schon nach Erzeugung weniger, oft nur eines ein- zigen Segmentes verliert die Scheitelzelle dadurch ihren Charakter, dass sie 32 J. Reinke. sich durch eine Längswand theilt, welche bald mehr, bald weniger axil aus- fällt; entweder in der einen oder in beiden aus der Scheitelzelle entstandenen Initialen treten weitere Längstheilungen auf durch der ersten parallele Wände (Fig. 12. 14), oder auch durch eine schief geneigte Wand (Fig. 15). Durch die Richtung dieser ersten Längswände, welche die Scheitelzelle in mehrere Initialen zerlegen, ist die Lage der Thallusfläche gegeben: in einer Ansicht, welche auf der in Fig. 14 gezeichneten vertical steht, glaubt man natürlich auch jetzt noch eine derjenigen von Dictyota ähnliche Scheitelzelle zu sehen. Der Anschluss der flächenförmigen Thallusanlage an den Central- knoten kann durch einen längeren oder kürzeren Stiel erfolgen, je nachdem präli- minares Wachsthum durch eine Scheitelzelle länger oder kürzer andauert (vergl. Fig. 12 und Fig. 13). Ist ein Stiel vorhanden, so können die mittleren Glieder desselben Längstheilungen in sich kreuzenden Ebenen eingehen, so dass der Stiel partiell körperlich wird; die eigentliche Thallusfläche ist auf frühester Entwicklungsstufe immer einschichtig. Bereits auf dieser frühen Entwicklungsstufe spricht sich also ein Gegen- satz zwischen parallelopipedischen und keilförmigen Initialen aus, wobei dieselben neben und durch einander vorkommen (vergl. Taf. 5. Fig. 13 und 15s); die ersteren vermitteln das Längenwachsthum des jungen Thallus durch Quertheilung, das Wachsthum in die Breite durch Spaltung mittels einer Längswand; die keilförmigen Initialen theilen sich wie eine zweiseitige Scheitel- zelle durch abwechselnd nach rechts und links geneigte Wände, und bewirken dadurch gleichzeitig Erweiterung in die Länge und in die Breite. Bei der weiteren Entwicklung des Scheitels gehen die keilförmigen Initialen durch Quertheilung in parallelopipedische über; dass aus letzterer Form jederzeit wieder die keilförmige entstehen kann, wurde bereits oben bei Erörterung der Zahnbildung hervorgehoben. Die Scheitelkante eines jungen Thallus zeigt einen gerundeten Umriss, weil in der Medianlinie das Wachsthum am inten- sivsten ist, nach den Seiten hin abnimmt. Die neutralen Seitenwände des Thallus bilden sich durch sympodialen Anschluss suecessiv im Wachsthum erlöschender randständiger Reihen; in Fig. 13 haben erst zwei derartige Reihen bei b und b‘ ihr Längenwachsthum sistirt. Zuletzt wächst der ganze mittlere Theil der Scheitelkante mit gleicher Intensität, die Scheitelkante wird dadurch zu einer transversal zur Längsaxe stehenden Geraden, die nur nach den neutralen Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 33 Rändern hin sich abrundet und die kurzen, zahnartigen Sprossungen treibt; damit wären wir zu der Entwicklungsstufe der Pflanze gelangt, welche unserer Untersuchung als Ausgangspunkt diente. Wie zu erwarten war, zeigt auch diese Art einen Dimorphismus der Fructification. Unter sehr zahlreichen von mir durchgemusterten Exemplaren, die meistens Tetrasporangien trugen, fand ich einige wenige mit abweichender Bildung von Fortpflanzungszellen, aber ohne Tetrasporangien. Dieselben sind kleiner als die Tetrasporangien und bilden keine über den Thallus verlaufende Zick- zackbänder, sondern stellen kleine, über den Thallus zerstreute Gruppen dar, deren jede aus zwei kurzen parallel zu einander und transversal zur Laubfläche verlaufenden Soris sich zusammensetzt; dazwischen finden sich dann andere Gruppen, die longitudinal auf der Thallusfläche sich ausdehnen; zwischen zwei Transversalgruppen befinden sich viel Kleinere Oberflächenzellen, die durch Vier- theilung aus gewöhnlichen hervorgegangen sind (Taf. 5. Fig. 17. 18 und 19); meine anfängliche Vermuthung, dass es junge Antheridienzellen sein möchten, fand ich nicht bestätigt, weil ich dieselben niemals weiter entwickelt sah, auch bei den Thhallusstücken, die ich in Cultur nahm, keine Fortbildung beobachtete; auch wurden von Derbe&s Antheridien auf besonderen Individuen angetroffen. Ein Längsschnitt ergiebt, dass diese zweite Art von „Sporen“ durch einfache Umbildung von Oberhautzellen entsteht, deren Inhalt dem der Tetra- sporangien gleicht (Taf. 5. Fig. 19). Die Vermuthung liegt nahe, dass diese Zellen weibliche Geschlechtsorgane von Taonia darstellen, nach Analogie des Dimorphismus von Padina und Dictyota; diese Vermuthung findet eine Bestätigung durch die Beobachtung, dass diese Zellen im Laufe einer mehrwöchentlichen Cultur keinerlei Symptom von Keimung zeigten, sondern zuletzt einem Des- organisationsprocesse verfielen. Der Umstand, dass der plasmatische Inhalt nicht, wie bei den gleichwerthigen Organen von Dictyota und Padina, aus der Hüllhaut ausgestossen wird, deutet darauf hin, dass hier die Befruchtung der Eizellen jedenfalls im Zusammenhang mit dem mütterlichen Organismus er- folge; bei der gallertigen Beschaffenheit des oberen Theils der Hüllhaut ist ein Eindringen diffundirenden Befruchtungsstoffes aus einem adhärirenden Spermato- zoid leicht vorstellbar. Die männlichen Pflanzen von Taonia Atomaria aufzufinden, ist mir leider nicht geglifckt; dieselben sind aber längst bekannt aus einer Mittheilung Nova Acta XL. Nr. 1. 5 [9] 34 J. Reinke. von Derbes in Ann. d. sciences nat. (4 Serie. Tom. V. p. 216), wo sich die Angabe findet, dass die Antheridien von Taonia Atomaria im Bau mit denen von Dictyota übereinstimmen. Von den Antheridien einer anderen Art dieser Gattung, der Taonia Solieri, hat dieser Autor auch Abbildungen veröffentlicht, und habe ich Taf. 5. Fig. 20 den Längsschnitt durch einen Antheridial-Sorus nach der Originalzeichnung von Derbes copirt. 4. Zonaria parvula Grev. Ich möchte unter diesem alten Namen eine vielfach verkannte und bis in neueste Zeit verwechselte Pflanze restituiren, welche, nachdem die zuerst von Areschoug beobachteten Früchte für Zoosporangien erklärt worden waren, gewöhnlich als Aglaozonia parvula bezeichnet wird. Dass hier zwei ver- schiedene Pflanzen mit einander confundirt sind, wird schon dadurch angedeutet, dass die Beobachter Gebr. Crouan unter dem Eindruck eines gewissen, aber von ihnen nicht hinlänglich definirten Dimorphismus zwei Species, Aglaozonia parvula und A. reptans, unterschieden haben. Ohne auf eine Erörterung der Frage mich einzulassen, ob die beiden Crouan’schen Species begrifflich mit den von mir auseinandergehaltenen Formen zusammenfallen, will ich die eine der letzteren hier als eine Art von Zonaria, die andere in einer Abhandlung über die Jutleriaceen unter dem Namen Aglaozonia reptans dem Leser vorführen; ich hoffe damit die Klippe, einen neuen Namen creiren zu müssen, glücklich um- gangen zu haben. Nur die Bemerkung mag noch hinzugefügt werden, dass auch ich beide Formen längere Zeit mit einander verwechselte, indem ich es mit einer doppelten Art der Fructification einer und derselben Pflanze glaubte zu thun zu haben. Beide Formen finden sich bei Neapel durcheinander wachsend, indem sie über Schwämme, Gehäuse von Conchylien und Cirrhipeden, oft über einander hinwegkriechen, und sind beide für das blosse Auge ununterscheidbar, während sie auch unter dem Mikroskop in der Art des Wachsthums grosse Ueberein- stimmung zeigen und wesentlich nur in der Grösse der Zellen und in der Frueti- fication von einander abweichen. Dass hier ein blosser Dimorphismus vorliege, halte ich zwar auch heute noch für nicht unmöglich !), allein keinerlei Beweis noch !) Es würde diese Thatsache, sollte sie constatirt werden, äusserst wichtige Conse- quenzen für die Classifieirung der Algen nach sich ziehen ! Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen des Golfs von Neapel. 35 Analogie lässt sich dafür beibringen, und halte ich es für wissenschaftliches Gebot, zwei einander ähnliche Pflanzenformen mit verschiedener Fructification so lange auseinander zu halten, als nicht zwingende Gründe zu ihrer Vereinigung vor- liegen; und da mag denn noch hervorgehoben werden, dass die genauere miskroskopische Analyse auch in den vegetativen Merkmalen einige bemerkens- werthe Differenzen herausstellte. Zonaria parvula besitzt einen papierdünnen, flachen Thallus, welcher mit der einen Seite dem Substrate sich eng anschmiegt und durch gegliederte Wurzelhaare, welche aus der ganzen Unterseite entspringen, an demselben haftet. An sehr vollkommenen Exemplaren findet man mehrere Thalluslappen von einem neutralen Centrum nach verschiedenen Richtungen hin sich erstrecken. Meistens aber gelingt es nur, ähnlich wie bei Riccia glauca, einzelne Lappen unverletzt zu erhalten (Taf. 6. Fig. 1); dieselben zeigen sich am Rande bald tiefer, bald weniger tief eingebuchtet. Das Wachsthum vollzieht sich durch die Thätigkeit gleichgestalteter Randzellen, welche durch Querwände die genau reihenförmig geordneten Flächen- zellen erzeugen; die ersten von den Initialen erzeugten eubischen Segmente theilen sich in der Flächenansicht erst der Länge nach in zwei Zellen, dann durch wiederholte Quertheilung in vier (Taf. 6. Fig. 2). Ein Längsschnitt durch die Scheitelkante zeigt, dass die Segmente sich in drei Zellen theilen (Taf. 6. Fig. 3), so dass der Thallus für gewöhnlich dreischichtig ist, aus zwei Aussenschichten und einer Mittelschicht besteht (vergl. Fig. 6 und 7); solche Schnitte lehren ferner, dass die in der Flächenansieht beobachteten kreuzweisen T'heiluingen der Segmente nur in der oberen Aussenschicht statt- haben. Mitunter spaltet sich die Mittelschicht aber noch streckenweise durch der Laubfläche parallele Wände in zwei Schichten; oft finden diese letzteren Theilungen aber auch in unregelmässiger Weise statt (Taf. 6. Fig. 4). In den am weitesten vorgestreckten Enden der Thalluslappen laufen einige von den Randzellen ausgehende Zellreihen ziemlich geradlinig (Fig. 2a), von da neigen sie sich nach rechts und links in immer kleineren Bogen gegen den Rand, je weiter sie sich von dieser Axenlinie des Lappens entfernen, womit eine gleichzeitig verminderte Intensität des Wachsthums verbunden ist. In den tieferen Stellen der Buchten hört das Wachsthum ganz auf; hier können aber einzelne Randzellen Sprossungen treiben, die entweder neue Lappen bilden, 5* 36 J. Reinke. oder durch Ablösung eine vegetative Vermehrung der Individuen hervorrufen. Es stehen diese adventiven Triebe stets in der Ebene des Mutterthallus; die Zellenfolge bei der Entstehung wird durch Fig. 5a. b.c auf Taf. 6 hinlänglich veranschaulicht, um noch eines besonderen Commentars zu bedürfen. Die Längsspaltung und Vermehrung der Initialen, wodurch das Wachs- thum des Thallus m die Breite bewirkt wird, erfolgt in kräftig wachsenden Scheitelkanten nicht durch halbirende Längswände, die auf der letzten Quer- wand sich senkrecht aufsetzen, sondern durch Längswände, die in keilförmiger Biegung gegen den unteren Theil einer der beiden ursprünglichen Längswände sich ansetzen; erst eine zweite von dieser ersten bis zur Basis des Segments ver- laufende Längswand vollendet die Theilung des letzteren; Querwände bringen dann beide neu entstandene Initialen wieder auf parallelopipedische Form (Taf.6. Fig. 2a). Von Fortpflanzungsorganen habe ich nur die auf der Oberseite des Thallus stehenden Teetrasporangien beobachtet. Denselben gehen auch hier kleine Gruppen von Sprossfäden voran. Die Sporangien stehen in kleinen rund- lichen oder unregelmässigen Flecken beisanımen, die im Allgemeinen eine zonen- weise Anordnung innehalten (Taf. 6. Fig. 1), und anfangs von gemeinsamer Cuti- cula bedeckt sind. Die Gestalt der Sporangien ist birnenförmig (Taf. 6. Fig. 6), ihr Inhalt theilt sich tetraedrisch in vier bewegungslose Tetrasporen (Fig. 7), die nach ihrem Austritt eine Zellhaut ausscheiden (Fig. 8), und beim Beginn der Keimung durch eine Querwand sich theilen (Fig. 9). Eine der beiden Theilzellen streckt sich etwas in die Länge und theilt sich nochmals quer, während die andere durch eine Längswand sich spaltet; dann treten in beiden weitere Längs- und Querwände hinzu (Fig. 10). Das älteste von mir be- obachtete Stadium ist in Fig. 11 gezeichnet, wo die Mitte des jungen "T'hallus bereits mehrschichtig ist; aus diesem Stadium lässt sich unschwer das typische Wachsthum älterer Individuen ableiten. 5. Dietyopteris polypodioides Lamour. Vor den übrigen Gattungen der Dietyotaceen zeichnet Dictyopteris sich aus durch eine vorgeschrittene anatomische Differenzirung des Thallus. Wäh- rend wir bisher nur einen Gegensatz zwischen einer kleinzelligeren Oberhaut und einem grosszelligeren Innenkörper zu registriren vermochten, wobei sogar die Aussenschicht der Unterseite nicht einmal kleinzelliger zu sein brauchte Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 3% als die Mittelschicht, so tritt nun für den flachen, gabelig verzweigten Thallus von Dictyopteris das Merkmal einer Mittelrippe hinzu. Wie bei Fucus vesi- culosus, so sieht man auch bei älteren Pflanzen von Dictyopteris polypodioides den unteren Theil des 'Thallus auf einen Stiel reducirt, welcher grösstentheils dureh Corrosion des flachen Laubrandes und Freiwerden der Mittelrippe gebildet wurde. Die Basis der Pflanze befestigt sich mit einem dichten Filz von Wurzel- haaren, aus dem man in der Regel eine ganze Anzahl von T'hallomen ent- springen findet. Manche derselben sind im Jugendzustande nur von der Art eines flach-zusammengedrückten Stiels und erweitern sich erst oberwärts in einen Spreitentheil, während andere gleich von der Basis auf sich flach entwickeln. Ein Querschnitt durch den Thallus zeigt, dass der Spreitentheil in der Nähe des Randes nur zweischichtig ist, gegen die Mittelrippe zu aus vier, beim Uebergang in diese aus sechs Schichten parenchymatischer Zellen besteht. In der Rippe selbst können wir einen mittleren, der Laubfläche parallelen Streifen von kleineren, rechteckigen Zellen als Innenkörper und peripherische, mehr polygonale Zellen als Rinde unterscheiden, deren äusserste die Oberhaut, welche Chlorophylikörner führt.) Gehen wir in den Stiel hinab, so lässt die Rinde ein ganz ähnliches secundäres Dickenwachsthum erkennen, wie ich es für Fucus vesiculosus beschrieben habe ?); ihre Zellen wachsen durch Theilung zu radial stehenden Reihen aus, deren Zahl sich partiell durch Spaltung ver- doppelt, wie man namentlich auf dem Querschnitt bemerkt. Auf dem Längs- schnitt ist diese secundäre Rinde (r) wegen der Isodiametrie ihrer Zellen von den länger gestreckten Elementen des Innenkörpers (i) leicht zu unterscheiden (Taf. 7. Fig. 14). Wo der flache Laubrand abgebröckelt, werden die Wunden durch secundäre Rinde überwallt. Viele der oberflächlichen Rindenzellen wachsen zu gegliederten Wurzelhaaren aus, die an der Basis der Pflanze einen dichten, sich conisch verbreiternden Filzkörper bilden. Die Modalität des Wachsthums älterer Individuen dieser Pflanze ist bereits von Kny?) zum Gegenstande einer kurzen, aber treffenden Notiz gemacht worden; !) Eine gute Abbildung der Struktur des Thallus von Dictyopteris findet sich in Kützing'’s Phycologia generalis. 2) Jahrb. f. w. Botanik. X. p. 334. 3) Sitzungsber. d. Ges. naturf. Fr. zu Berlin. Sitz. v. 19. Dec. 1871. 38 J. Reinke. die folgenden Zeilen bitte ich als eine bestätigende Ergänzung dieser Mittheilung zu betrachten. Das Scheitelwachsthum von Dictyopteris stimmt darin mit demjenigen von Taonia überein, dass auch hier zahlreiche parallelopipedische Randzellen durch Quertheilung als Initialen der einzelnen Längsreihen funetioniren, unter- scheidet sich aber dadurch, dass diese Scheitelkante vor der Mittelrippe in eine gerundete Spitze zuläuft (Taf. 6. Fig. 12a) und dass die Wachsthums- Intensität der Initialen in der Mitte am grössten ist und von da nach rück- wärts beiderseits abnimmt, um zuletzt zu erlöschen, wobei die Initialen in der Bildung des neutralen Randes aufgehen. Diejenigen Initialen, welche in der Längsaxe gelegen sind und aus denen die Mittelrippe hervorgeht, sind meistens länger und von dichterem Plasma erfüllt: ich will sie als Mittel-Initialen bezeichnen (Taf. 6. Fig. 13. 20). Uebrigens zeigt der Scheitel älterer T'hallusäste nicht immer das Aussehen, dass die Mittelinitialen am weitesten vorgestreckt liegen und die benachbarten Zellreihen von der Axe divergirend gegen den Rand verlaufen, wie in Fig. 19 und 20, sondern man beobachtet meistens, dass die Mittelinitialen in einer ganz leichten Einbuchtung des Scheitels liegen und die rechts und links neben der Axe befindlichen Zellreihen in leichtem Bogen wieder convergirend der Axe sich zuwenden (Taf. 6. Fig. 13); verfolgt man die einzelnen Reihen nach rückwärts, so sieht man sie alle wieder gegen die Mittelrippe convergiren und hier endigen; dieses Auseinanderweichen in der Nähe des Scheitels kommt theils durch hier stattfindende Längsspaltungen in den Zell- reihen zu Stande, theils durch blosses Breitenwachsthum der einzelnen Zellen. Innerhalb der einzelnen Zellreihen wird das Längenwachsthum durch Quer- theilung der Initialen eingeleitet; das Wachsthum in die Breite geschieht durch Längstheilung mittels einer zur Laubfläche senkrechten Scheidewand sowohl in den Initialen als in den Gliederzellen; das Diekenwachsthum des 'TFhallus wird hervor- gerufen durch Auftreten einer mittleren zur Laubfläche parallelen Scheidewand. Längsschnitte zeigen, dass auch hier die Initialen auf ihrer schmalen Kante stehen, d. h. dass ihre Breite durch ihre Höhe um ein Vielfaches übertroffen wird (Taf. 6. Fig. 14). In den von den Mittelinitialen eingeleiteten Zellreihen kann die parallel der Laubfläche orientirte T’heilungswand bereits im zweiten oder dritten Quer- segment auftreten, schon in den dicht daneben gelegenen Reihen findet man Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen des Golfs von Neapel. 39 eine derartige Spaltung erst in der siebenten, achten u. s. w. Segmentzelle (Fig. 14, ein dicht neben der Axe, durch den seitlichen Theil der Mittelrippe gefallener Längsschnitt); die peripherischen Theile des Scheitels bleiben noch viel länger einschichtig. Nach erfolgter Spaltung in zwei Schichten gleich . grosser Zellen (Fig. 14) spaltet sich jede dieser Schichten (abgesehen von der Rand- gegend) wieder in zwei Schichten; in der Rippe entsteht aus den beiden inneren durch fortgesetzte Theilung der Innenkörper, aus den beiden äusseren die Rinde. Die Verzweigung des 'Thallus besteht in einer höchst regelmässigen Dichotomie des Scheitels (Taf. 6. Fig. 12a); mitunter nur kann ein Gabelast in der Entwicklung zurückbleiben und dann seitenständig erscheinen (Taf. 7. Fig. 15). Die Diehotomirung wird eingeleitet durch eine Vermehrung der Mittel- initialen, welche durch Längswände sich spalten. In dieser verbreiterten Initialengruppe setzen dann die an den beiden Seiten gelegenen Zellen allein die Mittelrippe fort, nur sie bleiben länger gestreckt und von dichterem Inhalt erfüllt und fungiren von da ab ausschliesslich als Mittelinitialen, zwei neue, divergirende Wachsthumsaxen einschliessend, während die über der ursprüng- lichen Axe gelegenen Initialen ihre Form verkürzen, schwächer wachsen und nur peripherisches Thallusgewebe erzeugen; später wird dann das Längen- wachsthum dieser Gruppe ganz sistirt, nachdem bereits vorher die Sonderung der beiden Gabeläste vollendet war. Ausser dieser normalen Verzweigung, bei welcher alle Aeste des Thallus in einer Ebene liegen, kommt an älteren Exemplaren noch fast regelmässig die Bildung adventiver Kurztriebe vor. Dieselben entspringen auf beiden Thallusflächen über den seitlichen Rändern der Mittelrippe, stehen also in vier Längsreihen über jeder Rippe. Diese Kurztriebe stimmen in ihrer Struktur mit den Langtrieben überein; wahrscheinlich vermögen sie auch beim Ab- sterben des Hauptthallus frei zu werden und eine vegetative Propagation der Pflanze zu vollziehen, wenigstens habe ich ältere Exemplare an ihrer Basis Wurzelhaare entwickeln sehen. Ihren Ursprung nehmen diese Kurztriebe aus einer Öberhautzelle; dieselbe wölbt sich vor und gliedert durch eine Scheide- wand diese Vorwölbung ab, welche, sich eiföürmig vergrössernd, die Mutterzelle des Adventivzweiges darstellt (Taf. 6. Fig. 15). Diese Mutterzelle theilt sich durch eine Querwand in eine Basalzelle und eine Scheitelzelle; letztere gliedert ein Quersegment oder zwei ab (Taf. 6. Fig. 16) und theilt sich dann der 40 J. Reinke. Länge nach durch eine axile Wand in zwei oder (der gewöhnlichere Fall) durch zwei neben die Axe fallende Längswände in drei Initialen (Fig. 17). Während die zuerst erzeugten Quersegmente der Länge nach sich in zwei und vier Zellen theilen, erzeugen die Initialen durch Quertheilung neue Flächen- zellen und vermehren ihre Zahl durch Längsspaltung (Fig. 18). Durch fort- gesetztes Wachsthum in die Länge und Breite entsteht dann eine Scheitel- kante, wie in Fig. 19, und schliesslich tritt eine Sonderung in Mittel- und Seiteninitialen ein (Taf. 6. Fig. 20). Die untersten Zellen eines solchen Kurz- triebes vermehren sich ebenfalls durch Theilung, so dass die ursprüngliche Basalzelle sich nicht mehr nachweisen lässt. Was die Fortpflanzungsorgane von Dictyopteris anlangt, so haben schon die bisherigen Beobachter darauf hingewiesen, dass auf einer Reihe von Indi- viduen haufenweise beisammenstehende, auf anderen zerstreute „Sporen“, be- ziehungsweise Sporangien, sich finden. Die in Haufen beisammen stehenden Fortpflanzungszellen sind Tetra- sporangien; ihre Vertheilung zu beiden Seiten der Mittelrippe wird durch Fig. 12b auf Taf. 6 demonstrirt; diese Sori von Sporangien finden sich auf beiden Thallusflächen. Auch hier eilen denselben Gruppen von Sprossfäden in der Entwicklung voraus; sie bilden dichte Büschel in gewissen Distanzen beiderseits der Mittelrippe, und brechen die einzelnen Fäden, nachdem sie aus- gewachsen sind, etwas oberhalb der Basis ab. Aus den stehen gebliebenen Basal- stiicken können aber unter Umständen wieder neue Sprossfäden hervorwachsen. Mitunter finden sich auf Tetrasporenpflanzen ausser den vier normalen Reihen noch zerstreute Gruppen von Sprossfäden; dieselben ziehen dann auch die Bildung von Tetrasporangienhaufen an diesen Stellen nach sich. Die Sporangien lagern sich mehr weniger regelmässig um die Spross- fädengruppen herum; sie entstehen durch Auswachsen einer Epidermiszelle (Taf. 7. Fig. 1), welche sich dann in das Sporangium und die Basalzelle theilt; letztere theilt sich bei dieser Pflanze noch durch eine horizontale Wand in zwei Zellen (Taf. 7. Fig. 2). Die Bildung der Tetrasporen geschieht wie bei Padina; bald liegen die vier Thheilzellen tetraedrisch an einander (Taf. 7. Fig. 3), bald sieht man in der Flächenansicht eine durchgehende Theilungsebene (Fig. 4), aus welcher vier in einer Horizontalebene gelegene Zellen hervorgehen. Die ausgetretenen Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die, Dictyotaceen des Golfs von Neapel. 41 Sporen sind oval oder kugelig (Fig. 5), sie scheiden eine Cellulosehaut aus und theilen sich bei beginnender Keimung zuerst durch eine Querwand (Fig. 6); schon jetzt vermag die eine der beiden Thheilzellen zu einem Wurzelhaar aus- zuwachsen, doch geschieht dies meistens erst nach Erzeugung einiger weiterer Quer- und Längswände. Durch diese 'Theilungen der Teetrasporen, für welche eine constante Aufeinanderfolge sich nicht feststellen lässt, entstehen zunächt Centralknoten, wie sie auf Taf. 7 in den Figg. 7—13 gezeichnet und an dem tiefer braun gefärbten Inhalt zu erkennen sind. Eine Zelle eines solchen Centralknotens sprosst regelmässig in ein Wurzelhaar aus; aus einer anderen Zelle, oft aus mehreren gleichzeitig, entwickelt sich die Anlage eines Thallus in Gestalt einer Scheitelzelle, welche durch Querwände sich theilt, wie bei Dietyota (Fig.7.8). Durch die Thätigkeit dieser Scheitelzelle wird nicht selten erst eine protonematische Zellreihe erzeugt, welche sich verzweigen, Wurzelhaare treiben und schliesslich aus verschiedenen ihrer Gliederzellen seitlich Thallome hervorbringen kann (Fig. 11); meistens aber wird diese Scheitelzelle direct zum Thallusscheitel. In diesem letzteren Falle können die Quertheilungen der Scheitelzelle längere oder kürzere Zeit währen (vergl. Fig. 10 und Fig. 13), woraus ein längerer oder kürzerer Stiel des Thallus resultirt; die einzelnen Quersegmente dieses Stiels theilen sich meistens durch kreuzweise Längswände in vier Zellen. Friiher oder später tritt dann in der Scheitelzelle eine Längstheilung ein, in der Regel durch zwei neben die Mittellinie fallende Scheidewände, durch welche die Scheitelzelle in drei Initialen zerfällt wird, ganz ähnlich dem Verhältnisse, wie es an den adventiven Kurztrieben geschildert wurde (Taf. 7. Fig. 9s). Eine Längstheilung der Scheitelzelle durch eine Wand in zwei Initialen kommt jedenfalls nur selten vor. Diese Initialen erzeugen durch Quertheilung Längsreihen, sie vermehren sich durch Längsspaltung und erzeugen so nach vorwärts immer neue Längs- reihen von Flächenzellen (Taf. 7. Fig. 12t). Das Längenwachsthum in den zwei Reihen, welche aus den beiden äusseren, durch die erste Längstheilung der Scheitelzelle erzeugten Primärinitialen hervorgegangen waren, erlischt am frühzeitigsten; diese kurzen Zellreihen bilden den untersten Theil des neu- tralen Randes an dem sich keilföürmig nach oben verbreiternden Thallus (Taf. 7. Fig. 12 und 13). Aus den mittleren Primärinitialen gehen durch Nova Acta XL. Nr. 1. 6 42 j J. Reinke. Längstheilung alle übrigen Initialen, folglich alle ferneren Zellreihen hervor. Indem diese Längstheilung der Initialen in der Mittellinie am intensivsten vor sich geht, werden die seitlichen Längsreihen veranlasst, orthogonal-trajactorisch gegen den Rand auszubiegen, und indem das Wachsthum in ihnen successive in der Richtung auf die Mittellinie des Thallus erlischt, so wird der weitere neutrale Seitenrand des Thhallus aus den Initialen dieser Zellreihen aufgebaut. Während schon sehr frühzeitig längere und schmalere Mittelinitialen mit intensivstem Wachsthum sich aussondern (Taf. 7. Fig. 12 und 13), nimmt der Scheitel des jungen Thallus durch Vermehrung der Initialen bald die Ge- stalt an wie Fig. 20 auf Taf. 6, wobei die einzelnen wachsenden Zellreihen Curven darstellen, welche mit dem einen Aste mehr weniger senkrecht gegen den Rand sich stellen, mit dem andern zur Mittellinie convergiren. Ein Schema der Architektur eines solchen 'Thallus würde man erhalten, wenn man sich einen Längsschnitt gelegt denkt durch einen Satz ineinander geschobener Trichter, von denen der äusserste der weiteste, der innerste der kleinste; nur zeigt der T'hallus von Dictyopteris-Keimen noch darin eine Complication, dass die gegen den Rand verlaufenden Curvenäste noch einmal oder mehrere Male zu dichotomiren vermögen. Immerhin ergiebt sich aber, dass nicht bloss das Längenwachsthum, sondern auch das Wachsthum in die Breite in den Mittel- initialen am intensivsten erfolgt. Erst später tritt durch eine secundäre, oben dar- gelegte Ursache der etwas abweichende Verlauf der Reihen ein, wie er an älteren Pflanzen sich findet und wie er auch auf Taf. 6 in Fig. 13 angedeutet werden konnte. Sehr lange bleibt die T'hallusfläche eines Keimpflänzchens von Dicty- opteris einschichtig, spät tritt die erste Andeutung der Mittelrippe in Gestalt eines schmalen, zwei Schichten dicken Streifens hervor. Auf den Dimorphismus von Dictyopteris hinsichtlich der Fortpflanzungs- zellen wurde bereits oben aufmerksam gemacht; derselbe ist längst bekannt, und werden in ‘den systematischen Schriften Individuen mit „Haufensporen“ (= Tetrasporangien) von solchen mit „zerstreuten Sporen“ unterschieden. Diese „zerstreuten Sporen“ finden sich über den grössten Theil beider 'Thallusflächen zu beiden Seiten der Mittelrippe verbreitet (Taf. 7. Fig. 15); sie sind um Vieles kleiner als die Tetrasporangien, was sich am anschaulichsten darthun lässt durch einen Vergleich der Figuren 2 und 16 auf Taf. 7, die beide bei der gleichen Vergrösserung gezeichnet wurden. Wie die 'T’etrasporangien sind Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 43 auch diese Organe Auswiüchse von Oberhautzellen, bald stehen sie isolirt, bald dicht gedrängt zu mehreren beisammen, und findet auch in ihrer Anordnung der von der Mittelrippe divergirende Verlauf der Zellreihen des Thallus einen Ausdruck. Die einzelne „Spore“ ist kugelig oder oval, von derber Membran umgeben und von dichtem, körnigem, braun gefärbtem Inhalt erfüllt, in welchem durch geeignete Reagentien sich ein Kern nachweisen lässt. Die Analogie zu den übrigen Dietyotaceen-Gattungen legt es nahe, in diesen „zerstreuten Sporen“ Oogonien, in den sie tragenden Individuen die weiblichen Geschlechtspflanzen zu vermuthen. Ich liess es mir demnach be- sonders angelegen sein, nach männlichen Individuen zu suchen, allein meine Bemühungen hatten kein befriedigendes Resultat. Die grosse Majorität der durch meine Hände gegangenen Pflanzen trug Tetrasporangien; ausser den weniger zahlreichen, mit den muthmasslichen Oogonien bedeckten Exemplaren erregten dann gewisse 'Thallome meine besondere Aufmerksamkeit, welche gar keine der beiden, für das blosse Auge schon deutlich unterscheidbaren „Sporen“- Formen trugen, sondern statt deren mit zahlreichen, helleren Flecken bedeckt erschienen, den männlichen Individuen von Dietyota nicht unähnlich; ausserdem waren diese 'T'hallome meist breiter und von gedrungenem Habitus. Die mikroskopische Untersuchung zeigte, dass diese hellen Flecke aus einer Gruppe Oberhautzellen bestanden, welche, anstatt mit Chlorophylikörnern, mit farb- losem körnigem Plasma erfüllt waren; an älteren Theilen des Thallus waren diese Zellen constant zu Sprossfäden ausgewachsen, in einer noch älteren Region waren die Sprossfäden wieder abgefallen, ohne dass sich aber in ihrer Nähe oder sonst auf der Thallusfläche Antheridien auffinden liessen. Es wurden nun 'Thallusstücke mit „Oogonien“ in Wasser gelegt, um die eventuelle Fortentwicklung derselben zu beobachten; es zeigte sich dabei zunächst, dass dieselben ebensowenig aus ihrer Zellhaut ausgestossen wurden, wie die entsprechenden Organe von Tuaonia. Wenn man Thallusstücke von Dictyopteris längere Zeit in frischem Meerwasser liegen lässt, so wachsen die Oberhautzellen der Wundstellen zu langen, gegliederten Wurzelhaaren aus, die protonematisch fortwuchern und unter Umständen zuletzt an ihrer Spitze in ähnliche Centralknoten überzugehen vermögen, wie sie bei der Tetrasporenkeimung entstehen. Darin verhalten Tetrasporen, und Oogonienpflanzen sich gleich. 6* 44 J. Reinke., . Nachdem die in Cultur genommenen, muthmasslich weiblichen 'Thallus- stiicke 4 Wochen in frischem Wasser gelegen hatten, ohne Symptome einer Veränderung zu zeigen, begann die Mehrzahl der Oogonien in ähnlicher Weise auszuwachsen, wie die an der Schnittfläche gelegenen Oberhautzellen: es ent- wickelten sich aus ihnen lange, farblose Wurzelhaare, bei manchen zu zweien, nach vorausgegangener Zweitheilung der Oogoniumzelle (Taf. 7. Fig. 17. 18. 20). Andere Oogonien entwickelten keine Wurzelhaare, sondern verhielten sich den oben beschriebenen Mutterzellen der Kurztriebe gleich, sie erzeugten wie diese eine Scheitelzelle, welche durch Quertheilung Segmente abschied, in denen dann Längswände auftraten; zuletzt theilte sich auch die Scheitelzelle durch zwei Längswände in drei Initialen (Taf. 7. Fig. 19. 21. 22. 23); schliesslich entstand daraus die vollkommene Anlage eines jungen Dictyopteris-Thallus. Keinesfalls möchte ich in den zuletzt mitgetheilten 'Thatsachen Argu- mente erblicken, welche der Deutung der „zerstreuten Sporen“ als Oogonien ungünstig wären. Im Gegentheil, ihre Nichtveränderung in der vierwöchent- lichen Beobachtungsperiode scheint mir dafür zu sprechen, dass sie in Ver- bindung mit dem Thallus einer Befruchtung durch männliche Samenkörper, welche an der sie umhüllenden Haut sich festsetzen, entgegensehen, und dass es mir nur nicht gelang, Pflanzen mit Antheridien zu finden. Bei Jaonia Ato- maria war ich in der gleichen Lage, und hier war Derbes glücklicher als ich. Dass die Oogonien später, da keine Befruchtung eintrat, vegetativ theils zu Wurzelhaaren, theils zu Thallusanlagen aussprossten, kann nicht Wunder nehmen, weil schliesslich jede gewöhnliche Oberhautzelle dies Vermögen be- sitzt und die Oogonien durch die Anhäufung plasmatischer Stoffe in ihnen dazu ganz besonders befähigt sein müssen. In ähnlicher Weise können be- kanntlich die unbefruchteten Eizellen von Oedogonium rein vegetativ zu Zell- fäden auswachsen, die constante Vergrünung der Blüthen von Poa vivipara dürfte auch dahin gehören, und manche andere Fälle. 6. Gesammtbild: Verwandtschaft. Die Ordnung der Dietyotaceen ist eine der natürlichsten und schärfst begrenzten im Kreise der Algen; sie gewann aber erst einen definirbaren Charakter durch den ihr von Thuret angewiesenen Umriss, welcher alle Zoo- Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen des Golfs von Neapel. 45 sporen tragende’Algen, die von den Autoren den Dietyotaceen beigesellt waren, aus dieser Gruppe ausschloss. Somit umfassen die Dietyotaceen gegenwärtig nur die Gattungen: Dictyota, Padina, Taonia, Dictyopteris und Zonaria (im Sinne J. Agardh’s). Ob es zweckmässig sei, in der Definition der Gattungen noch Veränderungen vorzunehmen; ob Taonia und Zonaria naturgemäss aus- einander zu halten sind, oder wenn dies der Fall, ob dann nicht Zonaria in zwei Gattungen gespalten werden müsse, diese Frage vermeide ich zu dis- cutiren, weil es dazu eines genaueren Studiums der Species bedürfte und mir hierfür bis jetzt das Material noch fehlt. Die für die Ordnung wesentlichen Merkmale beruhen in den dreierlei der Bewegung ermangelnden Fortpflanzungsorganen, wie sie bei der Mehrzahl der Gattungen constatirt wurden und bei den übrigen sicher zu vermuthen sind; ferner in der braunen Färbung des Laubes, welche mit derjenigen der Fucaceen übereinstimmt, endlich in den vegetativen Entwicklungsverhältnissen. Die Fortpflanzungsorgane können auf drei (Dictyota) oder auf zwei (Padina) verschiedene Individuen vertheilt vorkommen. In beiden Fällen spricht sich ein scharfer Gegensatz zwischen geschlechtlichen und ungeschlecht- lichen Pflanzen aus, und wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir mit Prings- heim!) annehmen, dass diese beiderlei Individuen im Verhältniss des Gene- rationswechsels zu einander stehen. Der Umstand, dass wenigstens bei Padina, Taonia, Dictyopteris die neutralen Individuen die weitaus häufigeren sind, dürfte die Folgerung gestatten, dass aus zahlreicheren Generationen be- stehende ungeschlechtliche Perioden mit geschlechtlichen nur aus einer oder wenig Generationen gebildeten Perioden alterniren; von besonderer Wichtigkeit ist die völlige Uebereinstimmung im Habitus zwischen sexuellen und neutralen Individuen. Dieselbe gelangt namentlich auch in der Keimentwicklung zum Ausdruck, wie an Dictyota und Padina gezeigt werden konnte, wo keine Ver- schiedenheit zwischen 'T'etrasporen und Eisporen hinsichtlich der Keimung hervortrat. In der Mehrzahl der Fälle (Padina, Taonia, Dictyopteris) entstand durch verschiedene, wenig regelmässige 'Thheilungen ein Vorkeim, der Uentral- knoten genannt wurde; ein Larvenzustand, aus welchem einzelne Zellen sich 1) Ueber den Generationswechsel der Thallophyten ete, in Monatsber. d. Berl, Ak. Dec. 1876. p. 897. 46 J. Reinke. zu Thallusscheitelzellen herausbildeten und durch Querwände Segmente er- zeugten. Bei Dictyota kann in normaler Entwicklung nicht wohl von einer Larve gesprochen werden, weil gleich durch die ersten Quertheilungen der Spore der T'hallusscheitel hergestellt wird: in den Fällen jedoch, wo die beiden Pole eines Keimes zu Wurzelhaaren auswachsen und nun eine beliebige Ober- flächenzelle als Scheitelzelle sich aufwirft, tritt die Uebereinstimmung mit den übrigen Gattungen hervor. Das Spitzenwachsthum “mittelst einer sich quer theilenden Scheitelzelle wird von Dictyota die ganze Vegetationsperiode hindurch beibehalten, ebenso von Padina, welche perennirende, reich verzweigte, kriechende T'hallome be- sitzt; einzelne Aeste derselben schlagen jedoch ein abweichendes Wachsthum ein, sie entwickeln an Stelle der Scheitelzelle eine aus zahlreichen gleich- werthigen Initialen bestehende Scheitelkante, indem die randständigen Theil- zellen der Quersegmente selbständig fortwachsen und die Scheitelzelle durch Längswände sich theilt. Diese Breittriebe von Padina tragen ausschliesslich die Fortpflanzungsorgane. Bei Taonia und Dictyopteris wird von allen Thallus- anlagen am Centralknoten nach Erzeugung ganz weniger Quersegmente die Scheitelzelle aufgegeben, indem dieselbe durch Längswände zunächst in drei, seltener in zwei Initialen sich theilt; durch Vermehrung der Initialen entstehen Scheitelkanten, die für die beiden Genera eine charakteristische Form besitzen. Bei Zonaria parvula existirt von Anfang an keine Scheitelzelle, wie denn auch keine Sonderung zwischen Larve (Öentralknoten) und eigentlichem Keim besteht. Die Verzweigungen des Thallus kommen durch Dicho- oder Polytomie des Scheitels zu Stande, oder sie entspringen seitlich; im letzteren Falle bildet eine beliebige Oberflächenzelle zur Scheitelzelle sich um. Ihrer morphologischen Dignität nach kann man meistens zwischen normalen und adventiven Zweigen unterscheiden: ihrer übrigen Beschaffenheit nach sondern sich einzelne Aeste als Rundtriebe, Flachtriebe, Breittriebe, Kurztriebe. Grosse Einfachheit zeigt die anatomische Struktur der Dietyotaceen: ausschliesslich parenchymatisches Gewebe, ohne Complieationen der Hyphen- bildung, wie sie bei den Fucaceen und vielen Florideen aufzutreten pflegt. Von Trichomen kommen zwei sehr verschiedene Formen vor: Wurzel- haare und Sprossfäden. Die Wurzelhaare bestehen aus einer Zellreihe und verlängern sich durch Quertheilung der Scheitelzelle; sie verzweigen sich und Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen des Golfs von Neapel. 47 bilden oft aus der Spitze, wenn sie sich mit derselben festgesetzt, zackige Haustorien. Die Sprossfäden sind immer unverzweigt, in Büschel oder Reihen gruppirt und wachsen wenigstens später ausschliesslich durch Theilung ihrer basalen Zellen. Sie bilden die Vorläufer der Fortpflanzungszellen, und fallen ab, wenn diese erscheinen. Ihrem allgemein morphologischen Werthe nach könnte man ‘auch die Fortpflanzungsorgane zu den Triehomen rechnen. Sie bilden sich als Ausgliederungen einzelner Oberhautzellen, nur die Oogonien und Antheridien von Taonia scheinen eine Ausnahme zu machen, indem sie einfach durch Um- wandlung von Oberhautzellen selbst entstehen; allein es giebt ja auch bei höheren Pflanzen Haare, die von ihrer zugehörigen Epidermiszelle durch keine Querwand getrennt sind. Ihrer Gestalt und der Art ihrer Bildung zufolge stimmen die T’etrasporen der Dietyotaceen mit den Tetrasporen der Florideen überein; es mag aber nur daran erinnert werden, dass, wo immer Sporenbildung bei den höheren Pflanzen (in den Sporangien der Moose und Farne wie in den Antheren der Phanerogamen) eintritt, dieselbe durch Viertheilung einer Mutterzelle sich vollzieht. Ein all- gemeines Gesetz also liegt hier vor, welches seine Geltung bei den Algen aber auf die Dietyotaceen und Florideen beschränkt. Von Wichtigkeit für die Homo- logie der Tetrasporangien mit den Oogonien ist der Umstand, dass bei Padina Individuen vorkommen, welche den Gesämmtinhalt ihrer Tetrasporangien un- getheilt entleeren und keimem lassen; entsprechende, bei Dictyota beobachtete Erscheinungen verbinden dann die Fortpflanzung durch neutrale Sporen mit der Bildung adventiver Aeste aus gewöhnlichen Oberhautzellen. Ueberhaupt weisen die an Dictyota und Dictyopteris gemachten Beobachtungen darauf hin, dass schliesslich jede oberflächlich gelegene Zelle eines T'hallus, die Oogonien also mit inbegriffen, zu einem Adventivast auszusprossen vermag, der durch Los- trennung ein neues biologisches Individuum darstellen kann. Damit hängen Anklänge an parthenogenetisches Verhalten zusammen, welche oben ihre Er- örterung fanden. Wie die 'Tetrasporen mit den gleichnamigen Gebilden, so stimmen nun auch die Spermatozoiden — kleine, ungefürbte, bewegungslose Plasmakugeln — mit den männlichen Befruchtungsorganen der Florideen überein. Sie bilden sich 48 J. Reinke. in grosser Zahl im Innern von Zellen, die den Oogonien, beziehungsweise auch den Tetrasporangien gleichwerthig sind. Die Oogonien dagegen entfernen sich weit von dem complieirten weib- lichen Geschlechtsapparat der Florideen. Die Befruchtungsart selbst entzieht sich aus Gründen, welche oben dargelegt wurden, bis jetzt der Beobachtung. Sollte die Befruchtung erst nach der Entleerung der Eizellen vor sich gehen, so würden letztere die grösste Uebereinstimmung mit denen der Fucaceen zeigen, und nur die Bewegungslosigkeit der Spermatozoiden eine tiefere Kluft zwischen beiden Ordnungen bilden. Allein es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Befruchtung erfolgt, wenn die Eizelle noch in der Hülle des Oogoniums sich befindet, möglicherweise auf einer frühen Entwicklungsstufe des letzteren, was wiederum eine Annäherung an die Florideen mit sich bringen würde. Wie dem auch sein mag, so scheint mir der systematische Ort der Dietyotaceen als gleichberechtigte Ordnung zwischen den Florideen und den Fucaceen zu liegen, beide grosse Gruppen enger mit einander verknüpfend. Stellen wir uns die verwandtschaftlichen Beziehungen der höher ent- wickelten Algentypen unter dem Bilde einer Dolde vor, deren Strahlen einer gemeinsamen Axe entspringen, so müsste der die Dietyotaceen repräsentirende Strahl auf der einen Seite an den die Fucaceen, auf der anderen an den die Florideen bezeichnenden Strahl angrenzen. Während auf der entgegengesetzten Seite der Fucaceen die Cutleriaceen sich erheben würden, dürften die Bangia- ceen als Bindeglied der Florideen mit dem Hauptstamm des Algenreiches zu betrachten sein. Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen des Golfs von Neapel. 49 Tatel-Erklärungen. Nova Acta XL. Nr. t. 7 >* 8. . 11. Spitze eines kurzen, adventiven Seitenastes, der die Scheitelzelle durch mehr- . 22. Eine freie Tetraspore, die bereits Cellulose ausgeschieden hat. (7°). 2 . 31—35. Direetes Auswachsen von Tetrasporangien zu Keimlingen. (23°) J. Reinke. Tafel 1. Dictyota dichotoma, ungeschlechtliche Pflanze. — und 2. Dichotomirende Thallusstücke mit Tetrasporangien; beide am Rande mit adventiven Zweigen. Nat. Gr. Sn Basis eines älteren Pflänzchens, mit einem Filz von Wurzelhaaren haftend. Der untere Theil, desgleichen die unteren Seitenäste als Rundtriebe entwickelt, erst weiter nach oben beginnt die Umbildung zu Flachtrieben, die wiederum adventive Auszweigungen am Rande tragen. Schwach vergr. 4. Querschnitt durch den Rand eines Flachtriebes. (7°) 5. Flächenansicht des Scheitels eines Flachtriebes. (1°) 6. Längsschnitt durch die Spitze eines Flachtriebes, senkrecht zur Laubfläche. (23°) 7. Langsschnitt durch die Spitze eines Rundtriebes. (22°) 8. 9. 10. Dichotomirung eines Flachtriebes. (22°) fache Theilungen aufgegeben hat. (4°) . 12. 13. 14. 15. 16. 17. Entwicklung eines adventiven Astes aus einer Epidermis- zelle des Laubrandes, Fig. 17 im Längsschnitt, die übrigen, soweit sie über das Laub hervorragen, körperlich gesehen; bei b die Theilungen der Basal- zelle. (22°) . 18. Querschnitt des Laubes mit einem aufsitzenden Tetrasporangium. (?7°) . 19. Ein eben getheiltes Tetrasporangium, von oben gesehen. (*7*°) / . 20. Die vier Tetrasporen, noch in der Haut des Sporangiums, von oben gesehen (12) . 21. Desgleichen bereits in der Haut des Sporangiums zur Keimung sich streckend, von der Seite gesehen. (4° 1 23—29. Keimung von Tetrasporen; s Scheitel, b Basis. (7°) . 30. Ein Tetrasporen-Keimling mit zwei polaren Scheitelzellen. (4°) 1 Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dietyotaceen des Golfs von Neapel. 51 Tafel 2. Fig. 1—17: Dietyota dichotoma, Geschlechtspflanzen. 1. Abschnitt einer männlichen Pflanze mit Soris. (4) 2. Ast einer weiblichen Pflanze mit Soris. (+) Fig. 3. Junger, noch unentwickelter männlicher Sorus im Längsschnitt. (22°) 4. Entwickelt@r männlicher Sorus im Längsschnitt; a die Antheridien; h die Hüll- zellen, e die Epidermis des Laubes, m die Mittelschicht. (22°) Fig. 5. Stück eines noch unentwickelten männlichen Sorus in der Flächenansicht; a Antheridien im Beginn der Theilung, h Hüllen, e Epidermis. (22°) Fig. 6. Noch weiter getheilte Antheridien in der Flächenansicht. (42°) 7. Entwickeltes Antheridium im Längsschnitt; unten die Basalzelle. (°$®) Fig. $. Vier entwickelte Antheridien im Querschnitt. (°%°) 9. Frei gewordene Spermatozoiden. (*%*®) Fig. 10. Entwickelter weiblicher Sorus im Längsschnitt, mit vier Oogonien. (22°) Fig. 11a. Eine ausgestossene Eizelle. (22°) Fig. 11b.c. Theilungsprodukte von Eizellen; bei ce im Abschnüren begriffen. (22°). Fig. 12—14. Normale, aus Eizellen hervorgegangene Keimlinge. (*?®). Fig. 15. Ein Keimling, dessen beide Endzellen in Wurzelhaare ausgewachsen sind; bei s adventive Bildung einer Scheitelzelle. (22°) Fig. 16. Dichotomirung des Scheitels eines Keimpflänzchens. (22°) Fig. 17a.b. Abortiv gekeimte, vermuthlich unbefruchtete Eizellen. (4°). Fig. 15—22: Padina Pavonia. Fig. 1S. Eine junge Pflanze; c der Centralknoten; b Breittriebe in verschiedenen Ent- wicklungszuständen; die übrigen Aeste theils Rund-, theils Flachtriebe. (4) Fig. 19. Ein wiederholt dichotomirender und ausserdem sich seitlich verzweigender, ab- normer Flachtrieb. Schwach vergr. Fig. 20. Längsschnitt durch die Bildungskante eines Breittriebes; a die Basis zweier Sprossfäden, im Centrum der Windungen eine Bildungszelle. (22°) Fig. 21. Zeigt den Aufbau der Zellreihen eines Breittriebes auf die eines Flachtriebes: die ersteren divergirend, die letzteren convergirend; rechts ein seitlicher Flach- trieb, unten ein Rundtrieb. Schwach vergr. = u) [897 m Fertiler Breittrieb einer Geschlechtspflanze. (+) Fig. Fig. 16. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 19 2. 5. 1E J. Reinke. Tafel 3. Padina Pavonia. Spitze eines Rundtriebes in Flächenansicht. (23°) 3. 4. Spitzen von jungen Flachtrieben. (22°) 6. Spitzen von Flachtrieben, welche sich zur Umbildung in Breittriebe an- schicken; bei i die randständigen Theilzellen der Segmente, welche zu Initialen der Scheitelkante auswachsen. (22°) Entstehung einer Scheitelzelle aus einer älteren Randzelle efhes Flachtriebes. (=>) 8a. Ganz junger Seitenast, in welchem Dichotomie der Scheitelzelle eingetreten. (2°) Sb. Dreitheilung einer Scheitelzelle beim Uebergang eines Flachtriebes in einen 9. 10. ig. 14. 15. Breittrieb. (22°) Weitere Uebergangsstufe vom Flachtrieb zum Breittrieb; die Scheitelzelle s hat sich der Länge nach in vier Initialen getheilt, die mit den randständigen Initialen zusammen eine Scheitelkante bilden. (22°) Aus der Spitze eines jungen Breittriebes (Fig. 10 und Fig. 12 sind nach dem- selben Präparat gezeichnet); die Zellreihen divergiren nach der Scheitelkante hin; die mit s angedeuteten, einen linsenförmigen Raum einnehmenden acht Zellen bezeichnen die Lage der ursprünglichen Scheitelzelle. (2°) Ausgebreitete Scheitelkante eines älteren, wachsenden Breittriebes. (23°) Ganz junger Breittrieb, die erste Umbiegung der Spitze zeigend, welche unter- halb der ursprünglichen Scheitelzelle erfolgt ist. Vergl. Fig. 10. Schwach vergr. Ein abgebrochener Rundtrieb, der aus oberflächlichen Zellen zwei neue Scheitel bildete; bei h erste Anlage eines Wurzelhaares. (2°) Entwicklung von Tetrasporangien; Längsschnitt durch das Laub. (22°) Ein reifes Tetrasporangium. (22°) 17. 18. Tetrasporenbildung in der Ansicht von oben. (22°) 19a. b. Gesonderte Tetrasporen. (22°) 20. 21. 22. 23. [89] 4. Erste Keimungsstufe der Tetrasporen: Bildung des Centralknotens. abc Flächen- ansichten; dg Querschnitte; ef Längsschnitte. (7°) Keimung zweier Tetrasporen, die sich nicht von einander getrennt. (22°) Bildung einer Scheitelzelle s am Centralknoten. (12%) Junge, aus dem dunkler gefärbten Centralknoten hervorgegangene Thallus- anlage. (22°) 25. 26. Weiterentwicklung der Keimpflänzchen; in Fig. 26 bei b und e Bil- dung zweier weiterer Triebe aus dem Centralknoten. (17°) Centralknoten mit der Basis eines Flachtriebes. (22°) Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen des Golfs von Neapel. 53 Fig. Fig. Fig. : Tafel 4. Fig. 1-12: Padina Pavonia. 1. Entleerung desGesammtinhaltseines Tetrasporangiums (Monosporenbildung). (?5°) or 6. I. Monospore. (22°) Keimung einer Monospore, Entwicklung eines Centralknotens nebst Thallus- anlage. (7° Skizze aus der fructifieirenden Doppelzone einer Geschlechtspflanze. Die An- theridien bilden transversale Linien zwischen den Oogonien. Schwach vergr. Zelltheilungsfolge in einer Antheridienreihe (a—a); o Oogonien, f gewöhnliche Flächenzellen des Thallus. Ansicht von oben. (22°) Entwicklung von Antheridien und Oogonien; Querschnitt des Laubes. (27°) Bildung der Spermatoiden in den Antheridien. Flächenansicht. (*7°) Sa.b. Ansicht einzelner reifer Oogonien von oben. (*7®) S- . 10. 11. 12. Keimung von Eizellen; e Centralknoten, s primärer, s‘ seitenständiger Ausgetretene Eizellen. (23°) Scheitel. (23°) Fig. 13—20: Taonia Atomaria. Oberer Theil eines Thallusastes, um die Verzweigung und Zahnbildung an den neutralen Längskanten zu zeigen; die zarteren Querbänder im oberen Theil der Figur sind aus Sprossfäden, die unteren Zickzackbänder aus Tetrasporangien gebildet. (4) Ungewöhnlich grosser, verzweigter Zahn von einer Seitenkante. (4) Ein Stück aus der Scheitelkante eines Astes; der Inhalt in den wachsenden Initialen ist dichter als in den übrigeg Zellen. Bei a zwei neutralisirte Längsreihen, wodurch Zweitheilung des Astes hervorgerufen wird. (27°) Erste Andeutung einer Dichotomirung durch Neutralisation einer Zellreihe. (7°) Die Ecke einer Scheitelkante; bei a Auftreten keilförmiger Initialen und Ent- stehung der Zähne. (2°®) Längsschnitt durch eine Scheitelkante. (27°) Längsschnitt durch einen etwas älteren, bereits vierschichtigen Theil des Laubes. (2?°) Längsschnitt durch die Scheitelkante eines ausgewachsenen Astes. (22° . 20. J. Reinke. Tafel 3. Taonia Atomaria. Stück aus einem Zickzackbande mit Tetrasporangien und vegetativen Zellen in der Flächenansicht. (42®) Ein einzelnes Tetrasporangium im Längsschnitt. (7°) . 4. 5. Tetrasporenbildung in der Ansicht von oben. (17*®) Eine Tetraspore vor der Theilung. (22°) Erste Theilung einer Tetraspore. (22°) Entwicklung eines Wurzelhaares. (*7°) Bildung des Centralknotens durch Quadrantentheilung. (22°) c Centralknoten; w Wurzelhaar; s junge Thallusanlage mit sich quer theilender Scheitelzelle. (22°) Noch jüngere Thallusanlage (s) als in Fig. 10. (7°) Die Scheitelzelle einer Thallusanlage hat sich nach Abgabe nur eines Quer- segments in 2 > 2 Initialen getheilt. (22°) Länger gestielte und weiter entwickelte Thallusanlage mit mehreren keilförmigen Initialen. (22°) . 15. Junge Thallusanlagen in der Flächenansicht. (*?°) Ansicht einer ähnlichen Entwicklungsstufe mit noch ungetheilter Scheitel- zelle. (22°) Abschnitt aus dem Thallus einer muthmasslich weiblichen Pflanze. (4) Muthmassliche Oogonien dn der Flächenansicht. Desgleichen im Längsschnitt. (27°) Antheridien von Zaonia Solieri: copirt nach Derbes. Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen des Golfs von Neapel. 55 g. 16—19. Fortentwicklung eines Kurztriebes. (29°) Tafel 6. Fig. 1—11: Zonaria parvula. i. Ein Thalluslappen mit etwas schematisirter Andeutung der Tetrasporangien- haufen. (4) 2. Wachsender Rand des Thallus in der Flächenansicht. (22°) 3. Längsschnitt durch den Thallusrand. (2°°) 4. Unregelmässige Theilungen in der Mittelschicht des Laubes. (2°°) 5a.b.c. Sprossungen aus dem Seitenrande des Thallus. (22°) 6. Tetrasporangien. 7. Tetrasporen. (22°) 8s—11. Keimung der Tetrasporen. Fig. 12—20: Dictyopteris polypodioides. .12a.b. Theile einer Tetrasporenpflanze. (}) . 13. Scheitel des einen der in Fig. 12a gezeichneten Gabeläste. (22") . 14. Längsschnitt durch den Scheitel, und zwar durch den seitlichen Theil der Mittelrippe geführt; der Schnitt zeigte weiter abwärts 6 Zellschichten. (22°) ig. 15. Mutterzelle eines Kurztriebes. (22°) . 20. Scheitel eines älteren Kurztriebes. (24°) 56 J. Reinke. Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Dictyotaceen ete. Tafel 7. Dictyopteris polypodioides. Entwicklung eines Tetrasporangiums. (*7°) a reifes, b entleertes Tetrasporangium. (22*) und 4. Theilungen eines Tetrasporangiums, von oben gesehen. (1*°) Tetraspore. (12°) Gekeimte Tetraspore. (7°) 8. Aus Tetrasporen hervorgegangene Centralknoten mit Wurzelhaar und Thallus- scheitel s (27°) Theilung der Scheitelzelle einer Thallusanlage bei s in drei Initialen. (*7*) Centralknoten mit zwei Scheiteln und einem Wurzelhaar. (27°) Centralknoten mit Protonema und jungen Thallusanlagen. (7°) Die in Fig. 11 bei b gezeichnete Thallusanlage stärker vergrössert. (*7*) . Eine etwas ältere Thallusanlage. (27°) Axiler Längsschnitt aus dem unteren Theil eines alten Thallus; i Innenkörper, r secundäre Rinde. (17°) Ein mit muthmasslichen Oogonien bedecktes Thallusstück; der eine Gabelast in der Entwicklung zurückgeblieben. (t) Oogonien von oben gesehen. (22°) Ein sich in zwei Zellen theilendes Oogonium. . 20. Oogonien, die theils zu einem, theils zu zwei Wurzelhaaren auswachsen. (*7°) . 21—23. Oogonien, zu Thallusanlagen aussprossend. (27°) B Ber Adla AUF 2 ji Val. RR, 7 EL HZ. T, Re Ac#Reinke del BE = THHAHSPE ALL, RoA nr WERIE TDirtyorseeen If Z G 2 er Ha dichoda Mar ih Ihn een Ava Ada a CLCY Nah Car Vol X E AH Reanke del af 4 ). A y >> ” ER , 27 R Kante Diefyetaceen Ja ER G- Mor: u VE 72% I: NM Dresyora Ahiodoma Bw 78-22 Iadına Savonia Sub M ALS Hanke del ; 9, % f Kun Y% G A Y EN) 3 in en YR 997 ET Sadına Imwoma: ALL ZaR bla ELLE ir Con HABT Ein HN mi KM u! | DEREN. = ACH Keinke del. _Y E: I Ghanke Y eclyolaceen If Y LER, R ee : 2 Peg. 1-2: Jadına ISAVOIHa. Ay. 73 RO. Jaonın Abomarda: ALS Renke del. . ER. j B> 5 he R ee In = D, ” Ranke Dietyolaccen’ If 3 4 Saonın AHormarta: A ACH Kane del INTERN DL &ı) Hanfee def. .Y, 32 Kane Dirtyetaceen Sf Ö e 3 //I % parmla Fir. 72 ZA: Drery oprleres helypodsordes. MH A. EI Kleine del NE S Tr ‚9, 83 Kein (A Fissyerareen ZA Decryopsterns belypes keedes. NOVA, ACtEA der Ksl. Leop.-Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher Band XL. Nr. 2. Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen über die Gutleriaceen des Gollsevonr Neaper Von J. KReinke. M.A.N. Mit 4 lithographischen Tafeln Nr. VIII— XI. Eingegangen bei der Akademie den 28. April 1877. DRESDEN. > 1878. Druck von E. Blochmann & Sohn. Für die Akademie in Commission bei Wilh. Engelmann in Leipzig. > R ’ " De A ", Ne v ar F Ku N ne i DE a % ” er, I " ee IH z = y AN: u ü gr. }- ie 4 A urn £ # LE “2 RAN er ie RE « E ‘ - = Kr, 5 Die in dieser ana mitgetheilten Beobachtungen en an 5 : Winters 1875 zu 76 in der zoologischen Station zu BL Beamer = gr j . FEN t, A & x 2 - x £ . B is y e ‘ . N ö 7 “ j ’ f Ä E h. « B r 3 . “ s # ee hie: o N 1. Cutleria multifida. Mehr oder weniger ausführliche Beschreibungen und Abbildungen von Cutleria finden sich in der phyeologischen Literatur ziemlich zahlreich, und verweise ich namentlich auf die einschlägigen Schriften von Meneghini, Harvey und Zanardini, während wir die richtige Darstellung der Fort- pflanzungsorgane sowie die Abbildung einiger Keimungsstadien auch bei dieser Pflanze wieder der Meisterschaft Thurets!) verdanken. Bei Neapel findet sich COutleria multifida in der zweiten Hälfte des Februars bereits entwickelt. Der aus keilförmig schmaler Basis zu 1 bis 2 Centi- metern sich verbreiternde Thallus spaltet sich durch wiederholte Zweitheilung in immer schmalere Aeste, deren jeder an seiner Spitze in einen Haarbüschel ausläuft (Taf. 1. Fig. 1). Die ganze Pflanze mit der Gesammtheit ihrer Zweige, die alle in einer Ebene liegen, zeigt die Form eines Kreisausschnitts. Der Thallus ist flach, wie bei den Dietyotaceen, man kann von zwei Flächen und zwei Kanten sprechen; die histologische Structur ist einfach, unter der kleinzelligen, dicht von Farbstoffkörnern erfüllten Oberhaut liegt jederseits eine grosszelligere Schicht mit weniger dichtem Inhalt, und auf diese folgen 2 bis 3 Mittelschichten von weiten, in der Wachsthumsaxe gestreckten, hyalinen Zellen. An der Basis entspringt den Oberhautzellen ein dichter Filz geglie- 1) Recherches sur les zoospores des algues. Ann. d. sciences nat. III. Serie Band 14 (1850) p. 241. Recherches sur les antheridies des Cryptogames, ]. c. Band 16 (1851) p. 13. g* 60 J. Reinke. (p. &) derter, hier und da verzweigter Wurzelhaare, welche durch Theilung ihrer Scheitelzelle in die Länge wachsen (Taf. 1. Fig. 2). Ausserdem finden sich auf den Thallusflächen steriler Pflanzen für gewöhnlich noch Haare, die darum mit den gewöhnlichen Sprossfäden der Dietyotaceen, Fucaceen, vieler Phaeo- sporeen und Florideen nicht ganz übereinstimmen, weil ihre Zellen mit Farb- stoffkörnern erfüllt sind, weil sie einzeln stehen und weil sie des so charak- teristischen basalen Wachsthums ermangeln, dafür in ihren sämmtlichen Zellen sich quer theilen können. Die Fortbildungsregion des Thallus liegt, wie es bei der dichotomen Verzweigung der Pflanze ja nicht anders sein kann, an der Spitze der Aeste. Es ist namentlich von Zanardini darauf hingewiesen, wie am fortwachsenden Rande von Cutleria die in radiale Längsreihen geordneten Zellen des Thallus unmittelbar in die aus einer Zellreihe bestehenden randständigen Cilien über- gehen; auch geht schon aus den Zeichnungen dieses Autors hervor, dass die Zellen der Cilien an ihrer Basis am kürzesten sind, der Spitze zu mehr und mehr sich verlängern. Um den Modus des Wachsthums festzustellen, habe ich ausschliesslich ganz junge, 1 bis 2 Centimeter lange, im lebhaften Wachsthum begriffene Individuen studirt. Ich fand an ihnen die randständigen (spitzenständigen) Cilien ebenso lang wie an alten, dem Ausgewachsensein sich nähernden Indi- viduen, die Länge schwankte zwischen 1 und 2 Millimetern. In der Flächenansicht zeigt nun die Fortbildungskante von Cutleria, dass die einzelnen freien Cilien, in welche der aus fest verbundenem Gewebe bestehende Thallus übergeht, je zwei Längsreihen (abnorm wohl einmal drei) der Oberflächenzellen entsprechen, dass die zur 'Thallusfläche senkrechten Längswände sich häufig mehre Zellen weit in die freie Cilie hinein fortsetzen, und dass rückwärts von dem ersten Auftreten der Längswände in der Basis der Cilien an keine Quertheilung der Zellen mehr stattfindet (Taf. 1. Fig. 3). Letzteres müsste aber der Fall sein, wenn der Thallus durch Zelltheilung in seinem gewebeartig verbundenen Theil in die Länge wüchse. Zu beachten ist noch der Umstand, dass der Anfang der freien Cilien keineswegs auf einer geraden Linie (beziehungsweise einem Bogen) liegt, sondern die Trrennungs- klüfte ganz unregelmässig bald tiefer, bald weniger tief in den soliden Theil des 'Thallus hinabgreifen. Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Cutleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p.5) 61 Ein Längsschnitt!) durch die wachsende Kante zeigt, dass die sechs Zellschichten des Thallus in drei übereinander liegende Etagen von Cilien sich fortsetzen, dass jeder Cilie zwei Schichten entsprechen, und dass auch hier die Trennungsklüfte verschieden tief in das Gewebe eindringen können. Das Studium des freien Theils der Cilien lehrt nun, dass in dem basalen Theile derselben ein äusserst lebhaftes Wachsthum durch Quertheilung der Zellen vor sich geht; der an dieser Stelle dichtere Inhalt, der sehr ver- kürzte Längendurchmesser der Zellen giebt Zeugniss davon (Taf. 1. Fig. 3), ferner die noch zwei Theilzellen umfassende Einschnürung der Aussenwände, welche leider in der Zeichnung keinen deutlichen Ausdruck gefunden. Diese meristematische Region der Cilien geht nach vorwärts in die Dauerzellen der- selben über; man findet allmählige den Durchmesser der Länge dem der Quere gleich werden, bis der letztere vom ersteren übertroffen wird. Nach rückwärts wird die in Quertheilung begriffene Zone durch das Auftreten der ersten Längswände begrenzt, mögen dieselben in der noch freien Basis der Cilien oder an der Uebergangsstelle der letzteren in das Gewebe auftreten (Fig. 3). Schon die Erwägung dieser Thatsachen nöthigt zu dem Schlusse, dass in dem gewebeartig verbundenen Thallus kein Längenwachsthum durch Quer- theilung der Zellen stattfindet, sondern dass das Längenwachsthum des 'Thallus ausschliesslich durch die Quertheilungen in der freien Basis der Cilien vollzogen wird. Dass diese Quertheilungen nach vorwärts auch einem geringfügigen Zuwachs der Cilien dienen, der aber durch Abstossung an der Spitze meistens wieder neutralisirt wird, geht aus der bereits erwähnten Formänderung der Zellen in dieser Richtung hervor. Allein in weit aus- giebigerem Masse kommen diese Quertheilungen dem festen T'hallusgewebe zu Gute; sobald die in den drei Etagen von Cilien erzeugten Meristemzellen sich strecken, so berühren an dieser Stelle die Cilien sich, üben einen Druck auf einander und verwachsen. Aus jeder Cilie, wenigstens jeder der beiden Aussen- lagen, gehen somit zunächst vier Zellreihen des Thallus hervor, welche durch Längstheilung parallel und senkrecht zur 'T'hallusfläche erzeugt werden; die innersten Zellen bleiben zunächst ungetheilt, sie strecken sich später zu den 1) Ich habe hierzu einen jungen Thallus von Cutleria adspersa verwerthet, welche Art in ihrem Wachsthum ganz mit (. multifida übereinstimmt. 62 J. Reinke. (p. 6) weiten Elementen der Mittelschichten, während aus den Theilzellen der äusseren Cilien durch nachträgliche Quer- und Längstheilungen die kleinzellige Rinde hervorgeht. Die einzelnen Aeste der jungen Pflanzen wenigstens verbreitern sich keilförmig nach vorwärts. Dieses Breitenwachsthum erfordert eine Vermehrung der Zellreihen in der Richtung der Thallusfläche, und diesem Erforderniss wird durch die in der wachsenden Zone statthabende Zweigbildung der Cilien ge- nügt. Bei lebhafter Verbreiterung der Front ist diese Zweigbildung ausser- ordentlich häufig (Fig. 3abe), man findet diese Zweige an der Basis der Cilien, und zwar die jüngsten Anlagen am weitesten nach vorne, die älteren weiter rückwärts; doch kann gelegentlich auch noch ein jüngerer unter einem älteren entstehen. Diese Zweige bilden sich als seitliche Ausstülpung einer Meristem- zelle, die sich durch eine Scheidewand abgliedert und dann durch Quertheilung in eine Zellreihe übergeht, welche durch Theilung sowohl der Scheitelzelle als auch sämmtlicher Gliederzellen in die Länge wächst (Fig. 3ab). Indem nun das unterhalb eines Astes gelegene Cilienstück durch Verwachsung in den festen Theil des Thallus aufgenommen wird, rückt auch die Basis des Astes allmählich zu dieser Stelle hinab, der inzwischen stark verlängerte Ast nimmt die Richtung der Cilien an, auch in seiner Basis tritt die so charakteristische Längstheilung ein und schliesslich nimmt er durch Verwachsung ebenfalls Theil an dem Aufbau des Thallusgewebes, das nun in Richtung der Breite um eine Zellen erzeugende Cilie vermehrt worden ist (Taf. 1. Fig. 3e). Durchmustert man eine etwas längere wachsende Kante von Cutleria, so findet man leicht alle Uebergänge zwischen den in unserer Figur 3 gezeich- neten Stadien b und ec; man kann ferner auch weiter rückwärts im festen Thallus leicht constatiren, wo in centrifugaler Folge neue Zellreihen, durch Astbildung in den Cilien entstanden, eingeschoben sind. Hervorgehoben zu werden ver- dient, dass man in den vorderen, gestreckten T'heilen der Cilien hier und da auch Aeste findet; diese Fälle treten ein, wenn ein Ast an demjenigen T'heile der wachsenden Region der Cilie entsteht, welcher der Verlängerung der Cilie selbst zu Gute kommt. Die Altersfolge dieser letzteren Cilienäste ist basipetal, die der 'Thallusbildenden aeropetal in Rücksicht auf die ganze Pflanze. So sehen wir das Gewebe des Thallus von Cutleria durch einen Wachsthumsprocess seinen Ursprung nehmen, welcher der Pseudo-Parenchym- Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Cutleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p. %{) 63 bildung bei den Pilzen entspricht, dann aber sich fortentwickeln nach den für die Gewebebildung der höheren Pflanzen geltenden Regeln. Das Wachsthum von Cutleria geschieht mittelst einer Scheitelkante, aber die sich theilenden Initialen dieser Kante gehören der Basis freier Zellfäden an, die sich nach vorwärts in einen ausgewachsenen Theil verlängern, der morphologisch an die Wurzelhaube bei den Phanerogamen erinnert. Die Verzweigung des ganzen Thallus wird eingeleitet durch Zertheilung der wachsenden Kante; dieselbe ist im Allgemeinen als dichotome zu bezeich- nen, und nur in den seltenen Fällen, wo eine gleichzeitige Theilung in drei oder mehr Sectionen eingetreten, könnte von einer Polytomie gesprochen werden. Die Verzweigung wird dadurch eingeleitet, dass in der die Dichotomie bestim- menden Verticalebene die Verwachsung der Cilien unterbleibt; die an diese Ebene grenzenden Cilien verwachsen dann nur mit ihren auf der entgegen- gesetzten Seite gelegenen Nachbarn, auf der anderen Seite bilden sie die neu- trale Kante eines Thallusabschnitts. Hier und da kommt es auch zur Bildung von Löchern im 'T'hallus, indem diese, zuerst divergirenden Cilien, welche die Kante zweier Thallusäste einnehmen, nach Verlauf einiger Zeit wieder con- vergiren und aufs Neue mit einander verwachsen. An jungen Pflanzen sind die einzelnen Aeste breit, nach unten keilförmig verschmälert, an älteren Pflanzen werden die peripherischen Aeste immer schmaler, wobei sie sich nach der Basis eher noch erweitern (Taf. 1. Fig. 1). Hier kommt es dann oft zu einem äussersten Grade von Auflösung und Zersplitterung des 'T'hallus, indem sogar einzelne Cilien durch Abzweigung besondere Aeste inauguriren. In den Glieder- zellen dieser Cilien zeigt sich, so scheint es mir, eine Theilung in eine centrale und vier peripherische Zellen, von denen nur die peripherischen sich weiter theilen und eine kleinzellige Oberhaut darstellen; der obere T'heil einer solchen Cilie treibt dann einen oder mehrere Seitenäste. Eine Bestätigung der hier dargelegten Auffassung vom Wachsthum der Outleria liefert auch die Entwickelungsgeschichte der mitunter vorkommenden breiteren Adventiväste; ich habe dieselbe am schönsten an der verzweigten Form von Cutleria adspersa verfolgen können, wo an den neutralen Kanten der T'hallusäste oft kürzere oder längere adventive Scheitelkanten sich bilden. Diese adventiven Aeste entstehen, indem an einzelnen Stellen der Kante be- nachbarte Oberhautzellen zu büschelförmig beisammen stehenden Haaren aus- 64 J. Reinke. (p. 8) wachsen. Diese Haare sind anfangs bis auf ihre Basis hinab frei, sie verlängern sich zuerst durch Quertheilung der Scheitel- und Gliederzellen; bald aber loca- lisirt sich das Wachsthum auf ihre Basis!), die Haare ordnen sich (mehr weniger) in drei Schichten und verwachsen mit ihrer Basis zu festem Gewebe. So ist die Anlage des Adventivastes gegeben, derselbe verlängert sich durch die Quertheilung der freien Basalstücke der Cilien. Auch auf den Laubflächen von Cutleria multifida findet man vielfach adventive Sprossungen. Die breiteren bilden sich, indem eine Gruppe benach- barter Oberhautzellen zu Cilien auswächst, die sich an ihrer Basis mit einander verbinden. Häufiger noch sind aber kleine Aeste, welche aus einer einzelnen, einer Oberhautzelle entsprungenen Cilie hervorgehen; die Entwicklungsgeschichte eines solchen Aestchens ist auf Taf. 1, Fig. 4 bis 8 zur Darstellung ge- bracht. Nachdem die Basis der Cilie mehrzellig geworden, verzweigt sich der obere Theil (eine ganz junge Astanlage Fig. 7a); der Längsschnitt (Fig. 8) deutet darauf hin, dass nur eine Reihe grosser Innenzellen gebildet wird. Derartige Sprossungen haben nur den Werth kiümmerlicher Kurztriebe. In einem Aufsatz über das Wachsthum des Thallus der Phäosporeen ?) hat Jancezewski auch ein paar Bemerkungen über das Wachsthum von Cutleria geliefert. Dieselben sind so allgemein gehalten, dass sie eigentlich kaum über das hinausgehen, was bereits aus den Zeichnungen Zanardini's zu ersehen war, indem er die Wachsthumslinie auf die Grenzen der Haare und der Zellreihen des 'Thallus verlegt. Der entscheidende Satz lautet: „Les poils sont completement libres, tandis que, plus bas, les series [du thalle] sont intimement soudees; la zone generatrice constitue le passage des series du thalle en poils. — — Figurons-nous plusieurs filaments d’Eetocarpus accoles jusqu’ä la base des poils et nous aurons alors une image assez complete du sommet vegetatif du Cutleria.“ Aus diesen Worten scheint mir keineswegs hervorzugehen, dass Jancezewski den wichtigsten Umstand in der Wachs- thumsgeschichte von Cutleria richtig erkannt habe, dass nämlich der Zuwachs 1) Auf der Fläche des Laubes von Cutleria adspersa finden sich in büschelförmiger Gruppirung Haare, die bereits frühzeitig nur an der Basis wachsen und somit den Spross- fäden anderer Tange sich anschliessen. 2) M&m. de la societ& nationale des sciences nat. de Cherbourg. Tome XIX. 1875. Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Outleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p.9) 65 des Thallus in die Länge in den freien Basalstücken der Cilien erfolge, die sich erst später zum Gewebe verbinden. Immerhin ist es ein Verdienst Janczewski's, auf das Uebereinstimmende im Wachsthum zwischen Outleria und Ectocarpus hingewiesen zu haben, eine Uebereinstimmung, welche nach der hier vertretenen Auffassung vom Wachsthum der Cutleria nur noch an Deutlichkeit gewinnt. Auch das Wachsthum in die Breite setzt Janezewski richtig mit der Verzweigung der Cilien in Verbindung, wie er sich den ganzen Process aber vorstellt, darüber lässt mich die von ihm gewählte Ausdrucks- weise im Zweifel. Die Morphologie der beiderlei Fortpflanzungsorgane von Cwutleria ist uns von Thuret in den Hauptzügen bereits überliefert worden. Was zunächst die Antheridien anlangt, so finden sich dieselben in rundlichen Haufen beisammen, welche über beide Laubflächen bestimmter In- dividuen zerstreut sind. Aus der Mitte eines Haufens ragen ein oder mehrere Zellenfäden hervor, welche den gewöhnlichen über das Laub zerstreuten Haaren gleichen. Diese Haare sind selbst Träger von Antheridien, andere gruppiren sich um dieselben herum. Das Längenwachsthum der Haare geschieht durch Quertheilung in den Gliederzellen, es erlischt am frühesten in der Spitze und in der Basis; die unteren Zellen sind farblos, die basalen bilden einen Stiel, die nächstfolgenden sind Tragzellen der Antheridien (Taf. 1. Fig. 9). Die letzteren entstehen als Auszweigungen der Tragzellen, in acropetaler Folge. Eine solche Auszweigung gliedert zunächst die Mutterzelle des Antheridiums ab, die durch Quertheilung erst in zwei, dann in vier, acht und bis zu sechzehn Segmente zerfällt. Oft bilden diese Antheridien an dem Haare erst die Ver- zweigungen zweiter Ordnung. Um derartige Haare gruppiren sich nun* in dichtem Büschel andere, der 'T'hallusoberfläche directer entsprossende Antheri- dien; dieselben können ganz einfach sein, oder sie sind gabelig verzweigt (Fig. 9b) oder es steht eines terminal und zwei bis drei seitlich. Jedes ein- zelne Quersegment eines Antheridiums theilt sich durch eine Längswand von Cellulose in zwei Hälften; diese Längswände sind selten durch das ganze Antheridium hindurch gleich gerichtet, sondern kreuzen sich in verschiedenen Regionen des Antheridiums unter rechtem Winkel, so dass sie in der Längs- ansicht unterbrochen erscheinen (Fig. 10a und 11). In jeder derartigen Segmenthälfte theilt sich das Plasma durch radiale Theilungsflächen, die aber Nova Acta XL. Nr. 2. 9 66 J. Reinke. (p. 10) keine Zellhaut aussondern, erst in zwei, dann in vier Portionen, so dass ein Querschnitt das Antheridium aus acht Plasmasectoren sich zusammensetzt (Taf. 1. Fig. 10b). In jedem Sector zeigen sich nunmehr — soweit die Be- obachtung mir geglückt ist — zwei braune Pigmentflecke, und diesen ent- sprechend theilt sich der im Uebrigen farblose, aber stark lichtbrechende Sector in zwei Spermatozoiden, welche durch eine seitliche Oeffnung die Hülle des Antheridiums verlassen und mittels zweier Cilien umherschwärmen. (Fig. 12.) Hat man eine, reife Antheridien tragende Pflanze in einem Glase mit Meerwasser isolirt, so bilden die Spermatozoiden nach einiger Zeit mehr weniger verbreitete gelbbraune Flecke an den Wänden desselben. Die Schwär- mer setzen sich hier, zur Ruhe kommend, in einer Fläche dicht aneinander; während sie durch gegenseitigen Druck polygonale Form erhalten, scheiden sie eine deutlich doppelt contourirte, anfangs gallertartige, später aber erhärtende Membran zwischen sich ab. Weitere Symptome von Keimung zeigen sich aber niemals, nach wenig Tagen ist der Inhalt desorganisirt und nicht mehr zu erkennen, das farblose Netzwerk der Membranen bleibt zurück, es lässt sich in Glycerin aufbewahren, und ist Fig. 13 nach einem ein Jahr alten Präparate gezeichnet. Die Exemplare mit Sporangien — die ich als weibliche bezeichnen will, die Sporangien als Oogonien — waren im Golf von Neapel weniger zahl- reich als die Antheridien tragenden; Hunderte von mir durchmusterte Individuen ergaben ein ungefähres Durchschnittsverhältniss von männlichen zu weiblichen Pflanzen wie 3:2. Die Oogonien finden sich in ähnlichen Haufen über beide Laubflächen zerstreut, wie die Antheridien (Taf. 1. Fig. 1). Auch hier finden sich in der Mitte der Haufen einige lange Haare, denen Oogonien als Seitenäste aufsitzen ; um diese herum gruppiren sich zahlreiche andere Oogonien, welche direct dem 'Thallus entspringen (Taf. 1. Fig. 14). Letztere entstehen als Ausgliederungen einzelner Oberhautzellen, in deren oberem Theile sich dichteres Plasma anhäuft und durch eine Scheidewand von dem unteren, farblosen Stück sich sondert: erstere ist die Mutterzelle des Oogoniums, letztere die des Stiels, und diese theilt sich in zwei bis drei farblose Zellen. Die Mutterzelle des Oogoniums zerfällt durch succedane Querwände in vier bis acht Segmente (Fig. 14. 15), jedes Quersegment zerfällt durch Kreuztheilung in vier Quadrantenzellen Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Outleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p. 11) 67 (Fig. 16), deren Inhalt aus diehtem, von braunen Pigmentkörnern erfülltem Plasma besteht. So vermag also ein Oogonium 16 bis 32 Eizellen zu bilden. Dabei stehen die gekreuzten Längswände auch hier oft nicht gleichsinnig, wie sich aus den Figuren 14 und 15 ergiebt, sondern verschieben sich in den ein- zelnen Querzonen gegen einander um Winkel von 90°. Wie bei den Anthe- ridien, so scheint mir auch hier nur die eine Längswand aus wirklichem Zellstoff zu bestehen, die andere dazu verticale nur aus Gallerte, welche bei der Entleerung der Fächer sich mit auflöst. Zur Zeit der Reife zieht der Inhalt der Fächer sich zusammen, um durch ein rundes Loch in der Wand des Oogoniums ans Freie zu treten und hier als Schwärmspore mit zwei am vorderen farblosen Ende befindlichen Cilien sich zu tummeln; die wechselnde Form der Schwärmer wird durch die vier m Fig. 17 gezeichneten Exemplare versinnlicht. Nach einiger Zeit setzen die Schwärmer mit ihrer Längsseite an der Wand des Gefässes oder an hineingehängten Glasplatten sich fest, sie gehen in Kugelform über und scheiden, wie die Spermatozoiden, eine Membran aus. In zwei Gläsern, in welchen ich weibliche Pflanzen von Cutleria isolirt hatte, habe ich keinen Fall von Weiterentwicklung beobachtet; nach Ausscheidung der Membran, seltener ohne Membranbildung, gingen die Eizellen zu Grunde. In anderen Gläsern dagegen, welche geschlechtsreife männliche und weibliche Pflanzen zusammen enthielten, gelangte ein erheblicher Bruchtheil der ausgeschwärmten Eizellen zur Keimung. Die Einwirkung der Spermato- zoidien giebt sich dabei in folgender Weise zu erkennen. Die an der Fläche des Glases haftende, zur Ruhe gekommene Eizelle zeigt seitlich eine farblose Stelle, welche dem Vorderende des Schwärmers entspricht, und als Empfäng- nissfleck dient. Befinden sich in demselben Wassertropfen schwärmende Spermatozoidien, so sieht man dieselben bald an die Eier anstossen und an ihnen sich hinauftasten, bis sie den farblosen Fleck erreicht. Hier haften sie, verlieren ihre Cilien und nehmen Kugelform an; beide, Spermatozoid wie Ei- zelle, scheiden eine zarte Membran aus, während durch eine Wanderung der Pigmentkörner der Empfängnissfleck verschwindet (Taf. 1. Fig. 1Sab); die Membran der Eizelle verstärkt sich, während vom Spermatozoid nur noch un- deutliche Reste zu erkennen sind. Ein Verschmelzen, ein Aufgehen des Spermatozoids in der Eizelle habe ich nicht nachweisen können, die Befruch- 9# 68 J. Reinke. (p. 12) tung muss also wohl durch einen Diffusionsstrom bewirkt werden. Auch scheint nur ein kurzes, vorübergehendes Stadium des Keimflecks geeignet, das Spermatozoid (wahrscheinlich durch Aussonderung eines dünnen, farblosen Schleimes) festzuhalten; an wenig älteren Eizellen sah ich die Spermatozoidien nach Betastung der ganzen Oberfläche einer Eizelle immer weiter schwärmen ; eine gleiche Beobachtung findet sich bereits von Derbes und Solier?) ver- zeichnet. Andere Fortpflanzungsorgane, als die hier beschriebenen, waren an Cutleria multifida nicht aufzufinden. Die Keimung zeigt sich darin, dass die befruchtete Eizelle aus ihrem Vorderende ein farbloses Wurzelhaar treibt und durch eine Wand abscheidet (Taf. 1. Fig. 19. 20), welches durch Querwände sich theilen und namentlich aus der Basis sich verzweigen kann. Der eigentliche Körper der Eispore theilt sich dann durch Querwände in zwei bis acht in einer Reihe übereinander liegende Zellen (Taf. 1. Fig. 21 bis 26); oder in der Scheitelzelle tritt bereits frühzeitig eine Längswand auf, um sich in die tieferen Segmente hinein fort- zusetzen (Taf. 1. Fig. 27 bis 30). Schliesslich resultirten nach vierwöchent- licher Cultur Keimlinge, wie sie auf Taf. 2. Fig. 1 bis 6 gezeichnet sind; leider musste ich damals (Ende März) meine Beobachtungen abbrechen. Jedenfalls zeigen bereits die erreichten Keimlinge ein von jungen Outleria-Trieben, wie man sie bei der Entwicklung adventiver Sprossungen beobachtet, sehr verschiedenes Aussehen; die langen, für jene Bildungen so charakteristischen Haare, welche die Verlängerung ihres Scheitels bilden, fehlen den Keimpflanzen, statt dessen scheinen dieselben durch ein Flächenwachsthum sämmtlicher Zellen sich zu erweitern. Ebensowenig stimmen die von mir ge- wonnenen Keimpflänzchen mit denen überein, welche Thuret?) abgebildet hat, und die weit eher dem Wachsthumsmodus junger Adventiväste sich anpassen. Im Schlusskapitel dieses Aufsatzes werde ich auf die zwischen den Beobachtungen Thuret’s und den meinigen bestehenden Differenzen, nament- lich hinsichtlich der Sexualität von Cutleria, einzugehen Gelegenheit haben. !) Mem. s. q. points de la physiologie des algues. ayalae: Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Cutleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p. 13) 69 Hier sei nur noch so viel bemerkt, dass die auf Taf. 2, Fig. I bis 6 abgebildeten Keimpflanzen zwar die Möglichkeit nicht ausschliessen, sich direct zu Cutleria-Thallomen entwickeln zu können; dass sie es aber ebenso wahrscheinlich erscheinen lassen, aus den befruchteten Oosporen entwickle sich eine zweite, im Habitus von der ersten weit abweichende, ungeschlechtliche Generation. Der nächste Beobachter, welcher nicht das Unglück hat, seine Beobachtungen vor Erledigung eines der wichtigsten Punkte abbrechen zu müssen, wird diese Frage hoffentlich recht bald entscheiden, da sie für die Morphologie der Phäosporeen von grosser Wichtigkeit ist. Nur ein Wink sei mir noch gestattet. Auf den Fundorten der Cutleria multifida bei Neapel findet sich zu der Jahreszeit, wo diese Art noch nicht entwickelt ist, ein kleines Pflänzchen, wovon ich Taf. 2. Fig. 7 ein besonders grosses Individuum in natürlicher Grösse gezeichnet habe. Dasselbe gehört als Art zu dem Genus Desmotrichum von Kutzing!). Der lanzettliche T'hallus ist einschichtig, nur an der Basis mehrschichtig und wächst durch allgemeine Flächentheilung seiner Zellen. Viele der Randzellen entsenden in der Ebene des Thallus gegliederte Haare mit basalem Wachs- thum, im oberen Theile des 'Thallus bilden sie sich zu Zoosporangien um, welche den einfächerigen Sporangien von Ectocarpus entsprechen (Taf. 2. Fig. 8). Wegen der Möglichkeit des Zusammenhangs dieser Form mit Cutleria bitte ich auch den nächsten Abschnitt zu vergleichen. 2. Zanardinia collaris Crouan. Die wichtigsten Thatsachen aus der Lebensgeschichte von Zanardinia sind bereits an anderer Stelle?) mitgetheilt worden; ich beschränke mich hier darauf, das Nothwendige zu wiederholen. Die sterile Pflanze bildet im Herbst (in Neapel) lederartige, schwarz- braune Lappen von meist ganz formlosem Umriss (Taf. 2. Fig. 9), welche auf der Unterseite durch einen rostrothen Filz gegliederter Wurzelhaare sich mit dem Substrat verbinden; seltener ragt ein Theil des Thallus, ohne auf der Unterseite Wurzelhaare gebildet zu haben, frei ins Wasser. Bei allen Exem- plaren hat der Rand ein corrodirtes Aussehen; es lassen sich keine Zellen 1) Tab. Phyc. Band VI. Taf. 4. 2) Monatsberichte der Berliner Akademie October 1876. 70 J. Reinke. (p. 14) nachweisen, welche den Thallus durch Wachsthum fortbilden oder die als aus- gediente Fortbildungszellen gedeutet werden könnten; ein mit der Loupe er- kennbares System convergirender Linien auf der sonst glatten Oberfläche giebt nur eine Andeutung von peripherischer Entwicklung. Ausser diesen fest- gewurzelten fanden sich auch noch frei schwimmende Individuen von hellerer Färbung; Uebergänge zeigten, dass dieselben durch Entwicklung eines Haar- filzes aus der Unterseite auf den Klippen festzuwachsen vermögen. Auch lassen diese Exemplare die Brandung als die Ursache der zerfetzten Gestalt alter T'hallome von Zanardinia erkennen. Die Structur des T'hallus ist einfach. Die Oberseite zeigt im Quer- schnitt eine kleinzellige Rinde von meist drei Schichten, deren kubische Zellen dünne Wände besitzen und dicht mit Reservestoffen, namentlich Oeltropfen, er- füllt sind; darunter liegen fünf bis acht Schichten grösserer, in der Mitte recht grosser Zellen mit verdickten Wänden, die oft noch durch zartere Wände nachträglich gefächert werden und von der Unterseite wieder von einer Lage kleinerer Zellen begrenzt sind, aus denen die Wurzelhaare hervorwachsen. Im Januar zeigen sich auf der dunkeln Oberfläche der T'hallome kleine hellgelbe Höcker, die, wie das "Mikroskop lehrte, aus einem dichten Haar- büschel bestehen. Diese Höcker entwickeln sich bald zu kleinen, Peziza-ähn- lichen Schüsseln oder Bechern, die einem kurzen Stiele aufsitzen und deren Rand in wimperförmige Haare ausstrahlt. Meist stehen diese kleinen Becher gruppenweise beisammen, nicht selten wächst aus der Mitte des einen ein zweiter und dritter hervor, so dass übereinander stehende Etagen gebildet werden (Taf. 2. Fig. 9). Im Laufe des Winters erreichen diese Schüsseln einen Durchmesser von mehren Centimetern, sie zehren dabei die in den Zellen des Mutterthallus noch vorhandenen Reservestoffe auf, während die letzten Reste desselben vermodern. Die neu gebildeten Thallome können nun gleich über den Resten ihrer Mutterpflanzen wurzeln; oder sie werden, was häufiger zu sein scheint, ein Spiel der Wellen und der Brandung, um später an einer anderen Stelle des Ufers zu stranden und sich zu befestigen. In lebhafter Entwicklung begriffene junge Thallome von Zanardinia zeigen nun denselben T'ypus peripherischen Wachsthums, wie er an Cutleria geschildert wurde. Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Cutleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p. 15) 71 Während die Stelle, wo eine der schüsselförmigen Sprossungen ihrem Stiele aufsitzt, aus einer Gruppe unregelmässig angeordneter Zellen besteht (der Nabel, nach der Bezeichnung von Zanardini), so strahlen die Ober- flächenzellen des übrigen Thallus von da radienförmig gegen die Peripherie hin aus, um hier in Cilien von 2 bis 3 Mm. Länge auszulaufen. Da die Grösse dieser Zellen überall so ziemlich die gleiche ist, so folgt hieraus und aus der mehr weniger kreisrunden Gestalt des jungen Thallus, dass die Zahl der radialen Reihen mit der Entfernung vom Nabel sich vermehren muss, was denn auch durch fortgesetzte, centrifugale Spaltung geschieht. Ueberall be- merkt man bei der Flächenansicht, wie diese Zellreihen dem Rande zu sich verzweigen und die Zweigreihen in dem gleichen Verbande, wie ihre Mutter- reihen der an der Peripherie gelegenen Fortbildungszone zustreben. In der unmittelbaren Nähe des Randes bemerken wir bei der Ansicht von oben, dass je zwei, selten je drei Zellreihen durch zartere Längswände mit einander ver- bunden erscheinen, was sich weiter nach rückwärts verliert; jede dieser Doppel- reihen läuft nun in eine freie Cilie aus, seltener vereinigen sich beide in eine Zelle noch vor der Auflösung des Thallus in die Cilien (Taf. 2. Fig. 10). Da nun die Cilien aus einer Zellreihe bestehen, deren äusserste (der Basis abgewandte) Zellen die ältesten sind, so zeigt sich auch hier, dass der Ort intensivster Zelltheilung, welcher dem Vegetationspunkt entspricht, die freie, nicht verwachsene Basis der Cilien einnimmt, und dass sich von hier aus der peripherische Zuwachs des festen T'hallus in centripetaler, wie auch der ganz unbedeutende Zuwachs der Cilien in centrifugaler Richtung vollzieht. Die durch Quertheilung in der Basis der Cilien erzeugten Zellen strecken sich dort, wo sie an den festen Theil des T'hallus grenzen, und spalten sich durch gleichsinnige Längs- wände in die oben erwähnten Doppelreihen. Die hiermit verbundene Er- weiterung der Zellen hat zur Folge, dass die anfangs in Form von Cilien freien Zellreihen unter gegenseitigem Druck sich berühren und dann fest mit einander verwachsen. So wächst der T'hallus in Richtung seiner Radien. Aber auch das Wachsthum und die Zellvermehrung in Richtung der Tangente, die sich im älteren T’hallusgewebe als Spaltung der radialen Zellreihen nach der Peripherie zu kundgiebt, wird dadurch hervorgerufen, dass die Cilien ihre Zahl vermehren, indem sie sich aus ihrer Basis verzweigen. Die Aeste schieben sich zwischen die bereits vorhandenen Cilien ein, wachsen schnell 12 J. Reinke. (p. 16) zu deren Länge heran und liefern nun durch Zellenerzeugung in dem noch freien Stück ihrer Basis eine neue Doppelreihe für das Gewebe des Thallus (Taf. 2. Fig. 10a). Die erste Anlage dieser Zweige finde ich immer an dem noch nicht verwachsenen 'T'heile der Cilien. Sie entsteht dadurch, dass eine Zelle derselben eine seitliche Aussackung durch eine Scheidewand abgliedert; diese Ausstülpung wächst durch lebhafte Theilung in Scheitel- und Glieder- zellen zur neuen Cilie heran, wobei sich die Zellbildung allmälig auf die Basis localisirt. Alle von den Cilien der Zanardinia gebildeten Seitenäste gehen in das Thallusgewebe über, sie entstehen also in basifugaler Folge; niemals habe ich, im Unterschiede von Outleria multifida, in dem äusseren, ausgewachsenen Theil der Cilien einen Ast constatiren können. Auf einem radialen, senkrecht zur 'Thallusfläche durch den Rand ge- führten Schnitte (Taf. 2. Fig. 11) bemerkt man in der Regel drei überein- ander gelegene Etagen von Cilien, selten und meist nur stellenweise eine vierte; dieselbe wird wieder ausgeglichen, indem die Fäden in eine der Hauptetagen einbiegen. Der Process der Zelltheilung, quer und längs, und der nachträg- lichen Verwachsung der Fäden lässt sich hier in der gleichen Weise verfolgen, wie bei der Flächenansicht; nur tritt in dem gewebeartig verbundenen Theile bald eine lebhaftere Zellvermehrung ein, durch welche das Diekenwachsthum des Thallus und besonders die Bildung der kleinzelligen Rindenschichten an der Oberseite hervorgerufen werden. Die erste Anlage der jungen Becher auf der Oberfläche alter T'hallome entspricht ganz dem Wachsthumsmodus des Randes und liefert einen ferneren Beweis für die hier vertretene Auffassung, dass das Gewebe des Thallus aus ursprünglich freien Zellfäden sich aufbaue. Wie bereits hervorgehoben, be- stehen die jüngsten Zustände aus einem kleinen, dichten Haarbüschel. (Vergl. den Längsschnitt Taf. 2. Fig. 12). Diese Haare werden gebildet durch das Auswachsen einer Gruppe aneinander grenzender Zellen der äussersten Rinden- schicht. Die anfangs einfachen Ausstülpungen werden alsbald zu einer sich lebhaft theilenden Zellreihe, deren basale Zellen zuerst auswachsen, während die übrigen fortfahren sich zu theilen. Auch sind keineswegs alle Haare von gleichem Alter, sondern zwischen solche, die in der Entwicklung schon weit vorgeschritten, werden immer noch junge eingeschoben (Fig. 12). So wachsen diese Haare eine Weile fort, wobei die in der Mitte der Gruppe befindlichen Entwicklumgsgeschichtl. Unters. üb. d. Cutleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p. 17) 73 in der Regel einfach bleiben, gerade empor wachsen und ihr Wachsthum bald sistiren — (die spätgebildeten bleiben dabei unverletzt, die frühgebildeten da- gegen brechen ab) —, während die peripherischen einer unbegrenzten Fort- entwicklung fähig sind, wobei ihr Spitzenwachsthum zwar erlischt, dafür aber in einer mittleren Region eine sehr lebhafte Zelltheilung eintritt. Diese peri- pherischen Haare verzweigen sich demnächst, sie biegen sich von der Axe des Büschels zurück und bilden einen nach allen Seiten hin ausstrahlenden Kranz, von Cilien. Auf dieser Stufe, wo der Habitus eines Bechers hervorzutreten be- ginnt, tritt dann auch eine feste Verwachsung der ganzen mittleren Haare und des basalen Theils der peripherischen zu einem Gewebeverbande ein; die weitere Fortentwicklung der jungen Anlage folgt dem oben dargestellten Wachs- thumsmodus. (Vgl. die schematische Skizze Fig. 13 auf Taf. 2, durch welche auch die Bildung einer kleinzelligeren Rinde in der Mitte des Bechers er- läutert wird.) Ausser dieser Verjüngung der Pflanze durch Prolification, welche zugleich die ausgiebigste Vermehrung der Individuen bewirkt, findet man auf dem Thallus von Zanardinia (in Neapel im November und December) noch drei Formen von Fortpflanzungsorganen, die alle drei ihrer äusseren Beschaffen- heit nach als Zoosporen bezeichnet werden können. Die erste dieser Formen findet sich in einzelligen Schläuchen und soll von mir der Kürze halber aus- schliesslich Spore genannt werden; die beiden anderen wurden bereits von Crouan beobachtet, sie finden sich stets auf anderen Individuen und schliessen in ihrer Form sich vollständig an die bekannten Sexualorgane von Cutleria an. Die einfächerigen Sporangien bedecken die ganze Oberfläche eines alten Thallus oder doch beträchtliche, unregelmässig abgegrenzte Theile desselben mit dichtem Ueberzuge. Sie werden gebildet durch Auswachsen der ober- flächlichen Zellen, die sich zu vertical stehenden Schläuchen erweitern und dieselben dann durch eine Scheidewand abgliedern (Taf. 3. Fig. 1). Bilden alle aneinander grenzende Rindenzellen Sporangien, so stehen dieselben sehr dicht, sie bleiben schmal cylindrisch oder werden durch gegenseitigen Druck prismatisch. Entwickeln sie sich dagegen mehr weniger frei, indem benach- barte Rindenzellen nicht auswachsen, so wird die Gestalt der Sporangien keulenförmig, ihr oberer T'heil kann sich sogar kugelig abrunden. Die Wand der Sporangien ist über dem Scheitel gallertartig verdickt: sie öffnet sich hier durch Verflüssigung, um die Sporen austreten zu lassen. Nova Acta XL. Nr. 2. 10 74 J. Reinke. (p. 18) Die letzteren bilden sich in den schmalen Sporangien zu vier bis sechs in einer Reihe aus dem dichten, körnigen Plasma, welches den Schlauch erfüllt; in dem dicken Theil isolirt stehender, keulenförmiger Schläuche liegen sie zu mehren neben einander. Wenn die einzelnen Plasma-Portionen als Zoosporen aus dem Schlauch hervorgetreten sind, nehmen sie eine birnenförmige Gestalt an, die Pigment- körner ziehen sich von dem spitzen Theile zurück, zwei Cilien werden hervor- gestreckt und die Bewegung beginnt (Taf. 3. Fig. 2,3). Nach Verlauf einiger Zeit setzt dann die Spore an der Wand des Gefässes, Objectträgern, Deckgläschen ete. sich fest, die Cilien werden eingezogen, die Spore nimmt Kugelgestalt an und scheidet an der Oberfläche eine Membran von Cellulose aus. Sofort beginnt die Keimung: die Kugel streckt sich zur Eiform und theilt sich durch eine Querwand in zwei Zellen, deren eine, dem Vorderende der Spore entsprechend, eine flache Rhizomzelle mit wenig Inhalt bildet, während die obere Zelle durch fortgesetzte T’heilung einen aufrechten Zellfaden erzeugt, der, sehr langsam fortwachsend, im Laufe von einigen Monaten eine beträchtliche Länge zu er- reichen vermag (Taf. 3. Fig. 4, 5, 7); die basale Zelle wächst später meistens zu einem längeren, gegliederten Wurzelhaare aus. Abnorm kommen auch bipolare Keime vor; ein dabei noch missgestal- teter derartiger Fall ist in Fig. 6 gezeichnet. Nach Verlauf von einigen Monaten zeigte sich bei sehr vielen Fäden die Erscheinung, dass das Plasma in den Zellen sich kuglig zusammenzog, in diesen Kugeln die Farbstoffkörner ausschliesslich in der einen Hälfte sich ansammelten, und die ganze Kugel schliesslich durch eine seitliche Oeffnung in der Zellwand ins Freie trat, um hier bewegungslos liegen zu bleiben (Tat. 3. Fig. 9). Weitere Veränderungen, Symptome von Keimung, habe ich an diesen Kugeln nicht beobachtet; dieselben mögen auch hier, um mich des gleichen Ausdrucks, wie bei entsprechenden Bildungen in den Keimlingen von Phyllitis') zu bedienen, als Secundärsporen bezeichnet werden. Auf diese Weise vermögen in kurzer Zeit die ganzen Keimfäden ihren Inhalt zu ent- leeren, und ist mir auf diese Weise die grosse Mehrzahl der Keimpflanzen meiner Oulturen zu Grunde gegangen. Ich möchte auch glauben, dass diese 1) Jahrb. f. wiss. Botanik Band XI. Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Outleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p. 19) 75 Auflösung der Pflänzchen in Secundärsporen unter dem Drucke ungünstiger Vegetationsverhältnisse erfolgt. Im Laufe der Monate, durch welche die Cul- turen sich hinzogen, war es unmöglich gewesen, das Ueberwuchern der Wände der Glasgefässe durch Diatomeen zu verhüten, deren Keime jedenfalls schon mit den Zanardinia-Pflanzen, die, um Schwärmsporen zu erhalten, in die Be- hälter gesetzt werden mussten, hineingerathen waren; diese Diatomeen waren den Keimpflanzen der Zanardinia jedenfalls sehr schädlich. Immerhin gelang es, eine Anzahl von Keimlingen bis in den März hinein zu eultiviren, und an diesen zeigte sich eine seitliche Verzweigung aus der Basis, eine Vermehrung der Wurzelhaare, in einzelnen Individuen Auf- treten von Längswänden in den unteren Zellen (Taf. 3. Fig. 7, 8, 10). Somit waren im Laufe dreier Monate aus den Sporen von Zanardinia Keime hervorgegangen, welche den älteren, von Thuret abgebildeten Outleria- Keimen ganz ähnlich sahen. Während anfangs das langsame Längenwachsthum der Keimlinge durch Quertheilung in fast sämmtlichen Zellen erfolgte und auch die Zweige diese Art zu wachsen inne hielten, so zeigte sich nunmehr eine Localisirung des Längenwachsthums auf eine etwas oberhalb der Basis gelegene Region von Zellen, was aus dem verkürzten Längendurchmesser der- selben zu ersehen war. (Vgl. Taf. 3. Fig. 11, die Basis eines der entwickeltsten, aus Sporen erzogenen Keimpflänzchens.) Eine an den natürlichen Standorten der Pflanze im März vorgenommene Suche nach Keimpflanzen ergab, dass auch dort die meisten derselben zu Grunde gehen müssen. Während überall die durch adventive Sprossung ent- standenen Thallome in üppigster Fülle sich zeigten, gelang es nach vielen Bemühungen doch nur an ein paar besonders geschützten Stellen, junge Becher direct auf Conchylien sitzend zu finden, und zwar in allen Altersstufen. Die- selben gleichen durchaus den adventiv entstandenen, die jüngsten zeigten sich unter der Loupe als kleine, gelbe Haarbüschel, noch jüngere wurden durch vorsichtiges Abschaben der Muscheln mit dem Messer gewonnen, und ist ein solches jüngstes, im Freien gefundenes Pflänzchen, d. h. der untere "Theil des- selben, in Fig. 14 auf Taf. 2 gezeichnet. Diese verschiedenen Entwicklungs- stufen aneinander gehalten, dürften die Folgerung gestatten, dass die aus Sporen entstandenen Keimpflanzen von Zanardinia durch Verzweigung aus ihrer Basis einen Haarbüschel erzeugen, dass die basalen Stücke dieser Haare 10* 16 J. Reinke. (p. 20) die Fähigkeit besitzen, Längstheilung einzugehen und mit einander zu ver- wachsen, dass die Quertheilung und Verzweigung der Haare dicht oberhalb der verwachsenen Zone erfolgt und unter Entwicklung zahlreicher Wurzelhaare schliesslich auf die nämliche Weise ein kleiner becherförmiger Thallus gebildet wird, wie für die adventiven Sprossungen beschrieben wurde. Die Geschlechtsorgane von Zanardinia finden sich stets auf an- deren Individuen als die Sporangien; sie bedecken in dichtem Rasen einen grossen "heil der Thallusoberfläche und entstehen durch Auswachsen der obersten Rindenzellen, insofern also sind sie den Sporangien gleichwerthig. Zwischen ihnen finden sich immer einzelne sterile Haare. Die Antheridien sind kürzer, die Oogonien länger gestielt, so dass sie über die ersteren emporragen. Was zunächst die Oogonien betrifft, so sind dieselben unverzweigt, der Stiel besteht aus zwei bis drei farblosen Zellen, der eigentliche Körper zeigt bei der Entwicklung alsbald eine Anschwellung gegen den Stiel, eine Ver- dichtung des Inhalts und eine Fächerung in eine (nicht bestimmte, 4 bis 8) Anzahl Segmentzellen. Diese Quersegmente theilen sich meistens wieder durch Längswände in zwei oder in vier Fächer, mitunter kann auch ein solches Fach sich noch wieder quer theilen. (Vgl. Taf. 3. Fig. 120 und 130, Fig. 14.) Wo nur zwei Fächer aus einem Quersegment entstanden, sondert das Plasma sich doch in vier, im Querschnitt als Quadranten zusammenliegende Portionen. Diese dichten, braun gefärbten Plasmaportionen treten durch eine an der Aussenseite des Oogoniums in der Zellhaut resorbirte kreisrunde Oeffnung ans Freie, wo sie sich rasch zu Schwärmern formen, welche zwei Wimpern besitzen und an Grösse und Aussehen (Länge 11 bis 14 Mik.) ganz mit den neutralen Sporen übereinstimmen (Taf. 3. Fig. 15). Die Antheridien unterscheiden sich schon dadurch, dass sie grössten- theils nicht einfach sind, an dem ein- oder zweizelligen Stiel oft zwei gabel- förmig auseinander tretende Körper sitzen (Taf. 3. Fig. 12a und 13a). Die- selben stimmen im Bau und in der Entwicklung mit den Antheridien von Outleria überein (Taf. 3. Fig. 16). Die acht Plasmasectoren, aus denen zuletzt die Quersegmente eines Antheridiums bestehen, theilen sich, soviel ich ermitteln konnte, noch wieder in je zwei Spermatozoiden, welche seitlich ausschlüpfen, Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Cutleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p. 21) 7% und, 2 bis 3 Mik. lang, einen braunen Pigmentfleck und zwei Cilien besitzen (RaRR3. Fig. 10): Die aus den Fächern der Oogonien hervorgegangenen Schwärmer, die als Eizellen zu bezeichnen sind, schwimmen eine Zeit lang im Wasser umher und setzen sich endlich, wie die Sporen, mit der Seite an den Oberflächen der in das Wasser eingetauchten Glasplatten fest. Auch sie nehmen Kugelgestalt an, wobei das Vorderende seine beiden Geisseln verliert und an dem nunmehr befruchtungsfähig gewordenen Ei einen farblosen Empfängnissfleck darstellt. Gelangt nun ein Spermatozoid in die Nähe eines zur Ruhe gekommenen Eies, so tastet es sich an demselben hinauf bis zum Keimfleck. Diesem schmiegt es sich an, die Cilien verschwinden, es bohrt sich in die weiche Masse des Eies hinein, wo man dasselbe eine kurze Zeit noch als gesonderten Plasmakörper wahrnehmen kann, bis es durch eine beginnende Wanderung der Pigmentkörner verdeckt wird, welche in den Keimfleck eindringen (Taf. 3. Fig. 18). Der Unterschied in der Form des Befruchtungsactes zwischen Cutleria und Zanardinia hat seinen Grund offenbar nur in der weicheren Beschaffenheit der das Ei von Zanardinia bildenden Masse. Unbefruchtete Eier gehen ohne Membranbildung zu Grunde, ebenso habe ich an Spermatozoiden, welche sich an der Glasplatte festgesetzt hatten, keine Haut ausscheiden gesehen. Nach vollzogener Befruchtung erfolgt die Ausscheidung einer Cellulose- schicht an der Oberfläche des Eies, später Vacuolenbildung im Innern, Längs- streckung der Zelle und endlich Quertheilung (Fig. 19ab). Hierbei wird das ursprüngliche Vorderende zu einer kurzen, am Substrate haftenden Rhizom- zelle, die obere Zelle erzeugt durch fortgesetzte Theilung einen aufrechten, frei von seinem Substrat sich emporhebenden Zellenfaden, der ganz mit dem aus den neutralen Sporen entwickelten Keime übereinstimmt (Fig. 20). Fig. 21 auf Taf. 3 zeigt einen sexuell erzeugten Keim im Alter von 8 Wochen. Eine der basalen Zellen hat sich der Länge nach getheilt, es ist ein mehr- zelliges, farbloses Wurzelhaar entwickelt, und die Quertheilung hat in den obersten Zellen aufgehört. Noch deutlicher zeigt das ebenso alte in Fig. 22 gezeichnete Individuum die Quertheilungen ganz auf das basale Stück, unter- halb a, beschränkt. Einzelne solcher Keimfäden können auch zerbrechen und jedes Stück wächst dann als Individuum fort; horizontal liegend, vermag es aus beliebigen 18 J. Reinke. (p. 22) Zellen Wurzelhaare zu entwickeln (Taf. 4. Fig. 1. Auch Astbildung habe ich an den Mittelzellen einzelner Fäden wahrgenommen (Taf. 4. Fig. 2). Sehr häufig, und auf verschiedenen Altersstufen, zeigt sich die Bildung von Secundärsporen aus dem Plasma der Zellen. Mitunter entstehen zwei aus einer Zelle, von denen die eine auf ein ganz kleines Plasmaklümpchen reducirt sein kann (Taf. 4. Fig. 3, 4). Immer sind diese Sporen nach dem Austreten bewegungslos, auf der einen Seite farblos, doch wandern die Pigment- körner bald in diese Seite hinein. Auch von diesen Secundärsporen mögen die meisten ungekeimt zu Grunde gehen. Doch habe ich bei einzelnen unzweifel- hafte Ausscheidung einer Membran und Quertheilung direct beobachtet (Fig. 5a) und daran reihen sich dann zahlreiche, in meinen Culturgläsern beobachtete Zustände, wie sie in Fig. 5b gezeichnet sind, und die ich auf keinen anderen Ursprung zurückzuführen vermochte. Derartige Fäden waren bald zahlreich vorhanden, sie wuchsen, der Glaswand dicht angeschmiegt, sehr rasch fort und verzweigten sich auf das Lebhafteste (Fig. 7). Bald legten sich einzelne Aeste dicht aneinander und verwuchsen schliesslich miteinander, eine unvollkommene pseudoparenchymatische Gewebefläche darstellend (Fig. 6). Derartige horizontale Fäden beobachtet man bei der Keimung der Sporen vieler Zetocarpus-Arten!), eine Sohle, um den von Cienkowski für eine entsprechende Bildung bei Stigeo- clonium gewählten Ausdruck auch hierauf anzuwenden. Im Laufe des Februar gingen aus einzelnen Zellen dieser horizontalen, kriechenden Fäden wieder aufrechte Sprossungen hervor. Dieselben bestanden im Anfang aus einer kurzen Zellreihe, welche durch eine lebhafte Quertheilung aller Zellen sich verlängerte (Taf. 4. Fig. 7d). Nach einiger Zeit verbreiterten sich die mittleren Zellen eines solchen aufrechten Fadens und gingen Längs- theilung ein (Fig. 8), diesen ersten Längstheilungen folgten bald andere, pa- rallele, so dass schliesslich ein kleiner, lanzettlicher, einschichtiger 'Thallus resultirte (Fig. 9), der in der Mitte 4, 8 ja 10 Zellreihen breit war (Fig. 12) und an der Basis zahlreiche, gegliederte Wurzelhaare entwickelte. Einzelne Randzellen, auch die T’erminalzelle, entwickelten ein kurzes, farbloses, einzel- liges Haar oder ein einfächeriges Zoosporangium, dessen Inhalt sich in zahl- 1) Vgl. auch Kjellmann, Bidrag till kännedomen om Skandinaviens Ectocarpeer och 'Tilopterider Taf. 2. Fig. 7. Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Cutleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p. 23) 79 reiche Zoosporen theilte (Fig. 9, 10, 11). Die Zoosporen glichen denen von Eetocarpus, die ganze Bildung schliesst diese Form den Eetocarpeen an. Auch diese Form würde unzweifelhaft zu Kützing’s Gattung Desmo- trichum gehören und habe ich sie auf der Tafel als Desmotrichum 1I. bezeichnet. Die für uns hier wichtige Frage ist nun die: gehören diese Gewächse wirklich in den Entwicklungskreis von Zanardinia collaris? Ich habe während der Beobachtungszeit nie daran gezweifelt; ich er- hoffte nur immer, die Rückkehr zum Zanardinia-Typus zu erleben, was aber leider nicht geschehen ist. Aus den Schwärmsporen von Desmotrichum ent- wickelten sich immer wieder kriechende Fäden, oft bildeten sich Sporangien sogar schon aus Zellen der „Sohle“. Gegen Ende März, wo ich Neapel ver- liess, hatte Desmotrichum die ursprünglichen Keimfäden von Zanardinia ganz verdrängt; während der Monate April, Mai u. z. Th. Juni hatte Herr Dr. Paul Meyer die Güte, aus meinem, in der zoologischen Station in Cultur behaltenen Züchtungsbehälter mir zu verschiedenen Zeiten Proben in essigsaures Glycerin zu legen, allein dieselben zeigten immer nur Desmotrichum, keine Zanardinia. Uebrigens fand ich an der Wand meiner Gläser auch Desmotrichum- Exemplare, welche keinen Zusammenhang mit den kriechenden Fäden erken- nen liessen, z. B. Fig. 9 auf Taf. 4, aber auch Zustände, wie Fig. 8 derselben Tafel. Letztere deutete ich dann als direecte Umwandlungsproducte nicht in Secundärsporen aufgelöster Keimfäden von Zanardinia, welche die oberen, nicht mehr wachsenden Zellen abgeworfen hätten. Da ich jedoch für den Beweis des Zusammenhangs dieser Gebilde mit Zanardinia die Beobachtung der Rückkehr derselben zur typischen Form für nothwendig halte, so vermag ich jetzt, bei der Darstellung meiner Be- obachtungen nach Jahresfrist, nicht über den Hinweis auf die Möglichkeit des Zusammenhanges hinauszugehen. Soweit ich jetzt meine Untersuchungen rückläufig überblicke, existirt in der fünfmonatlichen Beobachtungsreihe aller- dings nur ein Punkt, wo möglicher Weise eine Täuschung Platz gegriffen haben kann. Dieser Moment ist in Fig. 5 auf Taf. 4 zur Darstellung ge- bracht. Hier ist Fig. 5a sicheres Entwicklungsproduct von Secundärsporen \ aus den Keimen von Zanardinia, Fig. 5b ist als weitere Entwicklungsstufe davon gedeutet worden; wenn dieselben nun aus einer fremd in die Cultur gelangten Desmotrichum-Spore entstanden wären? s0 J. Reinke. (p. 24) Zwei Umstände will ich noch erwähnen, die für den Zusammenhang sprechen. Für meine Culturen standen mir in der zoologischen Station zwei übereinander gelegene, aber noch durch hinreichenden Raum getrennte Bassins zur Verfügung: in dem Mittelraum zwischen beiden standen die Glasgefässe, welche zur Cultur meiner Keimpflanzen dienten. Das obere Bassin ward nur mit reinem Meereswasser gefüllt, und Gummischläuche, die als Mündung eine fein ausgezogene Glasröhre trugen, leiteten einen eontinuirlichen Wasserstrom in die Culturgläser, aus denen das Wasser in das untere Sammelbassin abfloss. Nun hatten sich an den Wänden des oberen Bassins zwar Diatomeen ange- setzt, allein es gelang mir nicht, darunter ein Desmotrichum zu finden. Unter meinen zahlreichen Culturgläsern trat Desmotrichum nur in denjenigen auf, in denen die Eier von Zanardinia gekeimt hatten, dagegen zeigte es sich, wie zu erwarten, häufig an den Wänden des unteren Bassins, in welches der Abfluss aller Gläser einlief. Sodann besteht eine unverkennbare Aehnlichkeit zwischen dem Desmo- trichum IT. und den Keimlingen, die sich binnen kurzer Zeit, und direct ver- folgbar, aus den befruchteten Eiern von Outleria multifida gebildet hatten (vgl. Taf.2. Fig. Ibis 6). An dieser wegen der rascheren Entwicklung der Keime viel günstigeren Pflanze wird der für die Cutleriaceen wie auch für den syste- matischen Zusammenhang der ganzen Phäosporeen sehr wichtige T'hatbestand am leichtesten festgestellt werden können. Ich würde nicht mit der Veröffentlichung dieses letzten T'heils meiner Unter- suchungen hervorgetreten sein, wenn dieselben so leicht zu wiederholen wären, wie z. B. die Entwieklungsgeschichte von Pilzen, die man aus trocknen Sporen jederzeit im Laboratorium hervorzurufen vermag. Da ich aber die wissen- schaftliche Arbeit für eine gemeinsame halte und ich nicht weiss, ob und wann ich wieder einen Winter in Neapel werde arbeiten können, erschien mir die Mittheilung dieser Beobachtungen nützlich, weil nunmehr Andere meine Er- fahrung verwerthen können und ihr Augenmerk, sowie ihre Sorgfalt bei der Cultur auf die wichtigen Punkte concentriren. Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Cutleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p. 25) 81 3. Aglaozonia reptans Cr. Aglaozonia reptans gleicht im Habitus der Zonaria parvula und wächst mit derselben vergesellschaftet, ist aber weit häufiger als diese unter den Dietyotaceen beschriebene Pflanze. Der über Steine und Muscheln hinwegkriechende Thallus ist auf seiner Unterseite mit mehrzelligen, verzweigten Wurzelhaaren befestigt. Der Querschnitt des älteren 'T'hallus erinnert sehr an denjenigen von Zanardinia. Derselbe zeigt eine Dicke von 5 bis 9 Zellschichten, mit ziemlich zarten Wänden; davon sind die beiden obersten bedeutend kleiner und dicht mit Farbstoffkörnern und Reservestoffen erfüllt, sie entsprechen der Rinde an der Oberseite des 'T'hallus von Zanardinia (Taf. 4. Fig. 16), die übrigen Zellen sind viel grösser, parenchymatisch, mit hellem Inhalt, die unterste Reihe wird wieder kleiner. Das Wachsthum ist, wie schon Janczewski l. c. richtig hervorgehoben hat, ein streng marginales; das Längenwachsthum des Thallus, oder, wenn man es lieber hört, das Wachsthum in Richtung des Radius erfolgt durch Quertheilung der randständigen Initialen, wobei dieselben eine nur schmale Segmentzelle abgliedern, welche sich ein wenig streckt und dann durch eine Längswand spaltet, worauf in der Oberflächenschicht weitere Quer- und Längs- theilungen folgen (Taf. 4. Fig. 14). Wie durchsichtig gemachte Präparate zeigen, entsprechen im Allgemeinen acht Oberflächenzellen einer der grösseren Innenzellen. Das Wachsthum des Thallus in die Breite geschieht durch Ver- mehrung der Initialen, indem eine Randzelle durch eine radiale Längswand sich in zwei gleich grosse Zellen spaltet (Taf. 4. Fig. 14). Was das Diekenwachsthum des Thallus anlangt, so finde ich, abweichend von Janezewski, dass das erste von einer Initiale erzeugte Segmeı.t durch eine der Laubfläche parallele, 'mediane Wand in zwei ziemlich gleiche Zellen sich spaltet, dass dann eine weitere der ersten parallele Wand in der oberen, hierauf in der unteren Zelle auftritt (vgl. Taf. 4. Fig. 15); während die mittleren Zellen sich z. Th. gar nicht weiter theilen, in anderen Fällen in mehre Lagen spalten können, entwickelt aus den oberen sich die zweischichtige, kleinzellige Rinde Nach Janczewski soll die erste parallel zur Oberfläche stehende Wand dieser Oberfläche genähert stehen und als zweite erst eine Noya Acta XL. Nr. 2. 11 82 J. Reinke. (p. 26) Medianwand auftreten — eine Differenz von wahrscheinlich untergeordneter Bedeutung, die vielleicht auf individueller Variation der Pflanze beruht. Die sterile Pflanze entwickelt an ihrer Oberfläche hier und da Büschel von Sprossfäden, die im Wachsthum mit den gleichen Organen der Dietyotaceen übereinstimmen. Die Fortpflanzungsorgane sind Zoosporangien, nach Grösse‘ und Gestalt fast ununterscheidbar von den einfächerigen Sporangien der Zanardinia. Sie bilden auf der Oberfläche des Thallus grössere oder kleinere Flecke (Taf. 4. Fig. 13), einmal habe ich einen kleinen 'Thallus ganz damit bedeckt gefunden. Die Sporangien sind einzellige Schläuche, welche aus den Oberflächen- zellen hervorwachsen. Oft entwickelt streckenweise jede Zelle der 'T'hallus- fläche ein Sporangium, dann stehen sie dicht gedrängt, durch gegenseitigen Druck werden sie prismatisch (vgl. die Flächenansicht Fig. 17a). In diesem Falle entwickelt in jedem Schlauch sich nur eine Reihe von 4 bis 6 Zoosporen, welche durch den gallertartig verdickten, zuletzt sich verflüssigenden Scheitel des Sporangiums heraustreten (Taf. 4. Fig. 16). Stehen die Sporangien da- gegen mehr frei, so werden sie breiter, die Sporen bilden sich in mehreren Reihen (Fig. 17b die Flächenansicht). Die Sporen schwärmen umher, sie tragen am Vorderende zwei Geisseln und gleichen an Grösse und Aussehen ganz den Sporen von Zanardinia.‘) (Fig. 18.) Nach dem Schwärmen ?) setzen die Sporen sich fest, scheiden eine Zellhaut aus und theilen sich quer (Fig. 19a). Durch weitere Theilungen ent- wickelt sich, ganz wie bei Zanardinia, ein aufrechter Zellenfaden, der mit einer helleren Rhizomzelle haftet und sich im Laufe von etwa 8 Wochen auf 12 bis 24 Zellen verlängert (Fig. 19b, 20, 21). Dann entleerten alle Fäden in meinen Culturgläsern ihren Inhalt in Gestalt von Secundärsporen (Fig. 22, 23, 24); auch sie wurden von Diatomeen sehr bedrängt. Eine Keimung dieser Seceundärsporen habe ich nicht direet beobachtet; dagegen zeigte sich auf 1) Das Austreten der Zoosporen wurde meines Wissens zuerst von Crouan beobachtet. (Bull. d. 1. societ& bot. d. France 1857, p. 26.) 2) Mehrfach beobachtet, und in Fig. 17, Taf. 4 auch gezeichnet, wurden Sporen, die zu zweien verbunden schwärmten. Diese Verbindung rührt von einer unvollständigen Trennung der Plasmaportionen im Sporangium her. Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Outleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p. 27) 83 meinen, zur Cultur benutzten Objeetträgern, von der Basis jedes entleerten aufrechten Keimfadens ausstrahlend, einige kriechende, sohlenförmige Zellfäden. Dieselben verzweigten sich, ihre weiteren Schicksale blieben mir wegen des Abbruchs meines Aufenthalts in Neapel verhüllt. Somit vermag ich nicht aufzuklären, wie aus den bei der Keimung sich entwiekelnden Larven wieder Aglaozonia-Thallome entstehen. Nur eine Beobachtung mag noch Erwähnung finden. An den Wänden des Abfluss- bassins!) meiner Culturen, an welchen zuletzt die verschiedenartigsten Algen sich angesiedelt hatten, fand ich aus einzelnen kriechenden, braunen Zellfäden, welche der Sohle von Desmotrichum IT. glichen, wieder aufrechte Fäden emporwachsen, an diesen einzelne Gliederzellen oder auch die Terminalzelle aufschwellen, nach einer Seite sich vorstülpen und diese sich noch vergrössernde Vorstülpung durch eine Scheidewand abgliedern; dieselbe theilte sich dann in zwei bis vier Zellen (Taf. 4. Fig. 25, 26, 27). Ob diese Formen zu Aglaozonia gehören, werden künftige Untersuchungen zu entscheiden haben. Dass mit der hier erwähnten Fruchtform, welche nur echte, d.h. neutrale Sporen zeigt, die der Aglaozonia zukommenden Fortpflanzungsorgane nicht erschöpft sein, mit anderen Worten, dass es noch eine sexuelle Form dieser Pflanze geben müsse, scheint mir wenig zweifelhaft. Auch Hypothesen über die mögliche Zugehörigkeit von Aglaozonia zu einer anderen bekannten Pflanze sind mir während der Untersuchung aufgestiegen; im Anfang ver- muthete ich, es sei die weibliche Pflanze von Zonaria parvula, später habe ich auch wohl daran gedacht, es möge die neutrale Form einer Cutleria sein. Am wahrscheinlichsten ist mir, dass Aglaozonia eine besondere, selbständige Geschlechtsform besitze, und da könnte es sein, dass die Oogonien Zoospo- rangien wären, die von den neutralen schwer zu unterscheiden sind. Ich habe nämlich einige Individuen gefunden, wo neben Sporangien von gewöhnlichem Aussehen noch der Inhalt einiger Gruppen von Oberflächenzellen des 'Thallus in kleine helle Körper sich aufgelöst hatte; ein Austreten dieser Körper aus den den Antheridien von Padina nicht unähnlichen Zellen Konnte ich aber nicht beobachten. 1) In dieses Abflussbassin gelangten stets Schwärmsporen aller von mir in Cultur genommenen Pfianzen. al 84 J. Reinke. (p. 28) Bevor wir den Entwicklungsgang von Aglaozonia nicht vollständig kennen, vermögen wir derselben nur einen provisorischen Platz im System der Algen anzuweisen, und die Uebereinstimmung in der Anatomie des Thallus und in der Bildung und Grösse der Sporen stellt sie neben Zanardinia. So mag sie denn einstweilen den Cutleriaceen sich anreihen; die Unterschiede in der Art des Wachsthums dürften schwerlich ausreichen, um eine Separation zu rechtfertigen. Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Outleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p.29) 85 4. Die Cutleriaceen und die Sexualität. Die bedeutenden Lücken, welche die vorstehend gegebene Darstellung des Entwicklungsganges von (Cutleria, Zanardinia und Aglaozonia aufweist, lassen es unthunlich, ja unmöglich erscheinen, ein nur einigermassen gerundetes Gesammtbild dieser Gruppe zu zeichnen. Ist es doch wegen der unvollstän- digen Kenntniss der Fortpflanzungsorgane von Aglaozonia noch nicht über jeden Zweifel erhaben, ob diese Gattung mit Outleria u.s. w. zu einer Familie zu vereinigen, ob nicht noch andere, bereits bekannte Gattungen zu den Cutleriaceen gehören, welche anderen Phäosporeen dieser Gruppe am nächsten stehen, etwa die Myrionemeen, oder Carpomitra, oder die Eetocarpen mit dreierlei Zoosporen. Diese Fragen zu lösen, überhaupt das System der Phäosporeen festzustellen, werden wir erst im Stande sein, wenn wir den Entwicklungsgang der einzelnen Phäosporeengattungen vollständig kennen, ein weites, aber dankbares Gebiet, welches hier der Detailforschung sich öffnet. Den Kern der Gruppe bildet die Gattung Zanardinia, welche an ihren entwickelten T'hallomen dreierlei Fortpflanzungsorgane trägt, davon die neu- tralen Sporangien stets auf anderen Individuen, als die Geschlechtsorgane, sich finden. Aus diesem Umstande möchte auch ich mit Pringsheim!) vermuthen, dass diese beiderlei Individuen im Verhältniss des Generationswechsels zu einander stehen. Sollte sich die Zugehörigkeit des von mir beschriebenen Desmotrichum zu Zanardinia bestätigen, so würden wir die Formel a... b... €... 1) Ueber den Generationswechsel der Thallophyten. Jahrb. f. w. Botanik, Band 11, p. 31. 86 J. Reinke. (p. 30) für den Generationswechsel erhalten, wobei a die Geschlechtsgeneration be- zeichnet und (b-+c) einen @yklus neutraler Formen bildet, welcher sich in die beiden Stufen von Desmotrichum und Sporangien tragende Zanardinia gliedert. Aber auch wenn dies nicht der Fall ist, so kann sich doch die neutrale Generation von Zanardinia in zwei Stufen sondern, welche beide ungeschlecht- liche Sporen bilden, wenn nämlich die fadenförmigen Larven aus ihren Glieder- zellen ruhende Secundärsporen erzeugen und durch Keimung dieser letzteren neue Larven!) entstehen. An Zanardinia reiht Cutleria unmittelbar sich an; die Uebereinstimmung der vielfächerigen Sporangien (Oogonien und Antheridien) ist eine so vollstän- !) In der That gehört die Erscheinung, dass eine Pflanze in ihrer Entwicklung zwei (oder mehr) verschiedene, morphologisch weit auseinanderstehende Formen hervorbringt, zu den allerverbreitetsten. Es pflegt dabei die eine Form relativ vollkommener gegliedert, die andere relativ unvollkommener ausgestaltet zu sein, und kann man diese beiden Lebensabschnitte (entsprechend den gleichbedeutenden Ausdrücken der zoologischen Nomenelatur) als Prosopon und als Larve bezeichnen. Das Prosopon ist der morphologisch am vollkommensten ent- wiekelte Abschnitt der Pflanze, es gehören dahin die Zustände, welche von der älteren Syste- matik ausschliesslich als Repräsentanten der Species beachtet wurden. Die Beziehungen, welche zwischen Larve und Prosopon bei verschiedenen Pflanzen obwalten, sind folgende: Erstens können dieselben durch ununterbrochenes Wachsthum eins aus dem anderen entstehen, und zwar kann dieser Uebergang ein schroffer, sprungweiser sein (z. B. vom Protonema zur Spross- pflanze bei Sphagnum und Andreaea), oder ein stufenweise angebahnter, aber beide Phasen deutlich trennender (vom Protonema zur Sprosspflanze bei den Laubmoosen), oder ein so all- mählicher, dass es schwierig wird, die Grenze zwischen Larve und Prosopon zu bestimmen (so bei den Keimpflänzchen von manchen Lebermoosen). Zweitens kann der Uebergang aus Larve in Prosopon durch neutrale Sporen vermittelt werden; so sind z. B. die geschlechtlich erzeugten, einer Periode selbständigen Wachsthums fähigen, zuletzt in Schwärmsporen sich auflösenden Dauersporen vieler Algen als Larvenglied in der Reihe ungeschlechtlicher Gene- rationen zu deuten. Drittens kann die Trennung durch einen Geschlechtsact vollzogen wer- den, wie bei den Farnen. Diese Andeutungen mögen hier genügen, um einen allgemeineren Gesichtspunkt für ein wichtiges morphologisches Verhältniss im Pflanzenreiche anzubahnen ; ein genaueres Eingehen darauf würde das Vorführen des gesammten Details nothwendig machen, wozu ich vielleicht an anderer Stelle Gelegenheit finde. Nur darauf sei noch hingewiesen, dass in manchen Ordnungen des Pflanzenreichs diese Anschauungsweise durch Complicationen erschwert wird. So hat man z. B. als Prosopon der Moose die Sprosspflanze mit der Frucht aufzufassen, denn wenn auch hier beide im Verhältniss des Generationswechsels zu einander stehen, so bilden sie doch eine architektonische Einheit. Bei den Phanerogamen treten an die Stelle der Larve die ersten Embryonalgebilde; doch sind Larve und Embryo nur willkürlich getrennte, durch Berücksichtigung accessorischer Umstände gestützte Begriffe. Entwicklumgsgeschichtl. Unters. üb. d. Qutleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p. 31). 8% dige, dass man deswegen beide Gattungen hat vereinigen zu müssen geglaubt. Den echten Cutlerien fehlen aber die einfächerigen Sporangien, welche bei Zanardinia sich häufiger finden als die vielfächerigen; dass dieselben iber- sehen sein sollten, ist undenkbar, denn COutleria ist zu oft von den verschie- densten Beobachtern untersucht worden, ich selbst habe wenigstens Hunderte von Exemplaren durchmustert. Statt dessen besitzen wir aber die ganz be- stimmte Angabe von T'huret, dass er aus Cutleria-Sporen ohne Gegenwart von Spermatozoidien Keimpflanzen gezogen hat. Da nun die von Thuret beschriebenen Sporangien in allen wesentlichen Sticken mit den von mir als Oogonien gedeuteten Organen übereinstimmen, so ist nur folgende Alternative denkbar: entweder, Cutleria besitzt ausser den Antheridien zweierlei vielfächerige Zoosporangien, die einander vollkommen gleichen, von denen aber die einen weiblich sind, die anderen neutral; oder aber, die Eizellen von Outleria ver- mögen auch unbefruchtet (parthenogenetisch) zu keimen. Dabei ist der Umstand sehr bemerkenswerth, dass die von Thuret abgebildeten, neutralen Keimlinge ganz anders aussehen, viel mehr dem Habitus der Mutterpflanze sich nähern, als die von mir aus befruchteten Eizellen erzielten. Ich bin daher mehr ge- neigt, wegen der völligen Uebereinstimmung der Fortpflanzungsorgane in der von Thuret beobachteten Keimung eine parthenogenetische zu erblicken, wo also die unbefruchtete Eizelle sich verhält wie eine gewöhnliche, adventiv aussprossende Thalluszelle. Dass dabei Localformen von Cutleria zu dieser parthenogenetischen Vermehrung besonders geeignet sind, ist sehr wohl möglich. Wollte man dagegen die Auffassung vertreten, dass die neutral keimenden Sporen keine ursprünglich weiblichen Zellen seien, so müsste man den Beweis erbringen, dass dieselben keine Verbindung mit einem Spermatozoid einzugehen vermögen, beziehungsweise keine den von mir beschriebenen gleichende Keim- pflanzen hervorzubringen. Das gar nicht so ungewöhnliche Vorkommen von Parthenogenesis im Kreise der Algen dürfte auch die betreffende Deutung bei Cutleria unterstützen, und zwar stellt sich hierbei als die allgemeinere Regel heraus, dass, wenn eine Eizelle sich parthenogenetisch entwickelt, das Entwicklungsproduet demjenigen einer neutralen Spore oder vegetativen Zelle gleicht, nicht aber dem einer befruchteten Eizelle, sofern zwischen den Producten beider überhaupt eine Differenz besteht. Es sprechen für die Thatsache dieser Regel Beobachtungen 88 J. Reinke. (p. 32) an Oedogonium, welche zuerst von Pringsheim!) bekannt gemacht, später von Anderen wiederholt wurden. Pringsheim fand nämlich, dass bei ein- zelnen Oedogonien und Bulbochaeten unbefruchtete, aber bereits deutlich diffe- renzirte Oogonien in derselben Weise sich theilten und zu Zellenfäden aus- wuchsen, wie gewöhnliche vegetative Zellen oder Schwärmsporen es zu thun pflegen, und brachte diese Erscheinung bereits mit Parthenogenesis in Ver- bindung. Später hat dann auch Juranyi?) einen Faden von Oedogonium diplandrum abgebildet, bei welchem eine unbefruchtete Eizelle, einer neutralen Schwärmspore gleich, zu einem Faden ausgewachsen ist, der scheinbar einen Ast am Mutterfaden darstellt. Dieselbe Erscheinung wird von Wittrock und Nordstedt®) näher beschrieben und abgebildet für Oedogonium Montagnei £ saxicolum. Von hervorragendem Interesse sind sodann die Mittheilungen Do- del’s®) über die Keimung nicht copulirter Mikrozoosporen von Ulothrix zonata; dieselben vermögen nicht nur zu keimen, ohne einen Sexualaet vollzogen zu haben, sondern sie entwickeln sich rasch zu neuen Zellfäden, ganz wie die neutralen Makrozoosporen, während aus den copulirten Mikrozoosporen eine kuglige, sehr langsam wachsende Dauerspore hervorgeht. Diese Erscheinung fällt unzweifelhaft unter den Begriff der Parthenogenesis, und mit Recht knüpft daran auch Dodel (l. e. pag. 126) die Bemerkung, „dass die Parthenogenesis in letzter Instanz auf einen neben der Copulation parallel laufenden ungeschlecht- lichen Fortpflanzungsprocess zurückzuführen“ ist. In ganz diesen Thhatsachen entsprechender Weise vermögen nach Cienkowski auch die unbefruchteten Eizellen von Oylindrocapsa?) zu keimen; während aus den befruchteten eine Dauerspore entsteht, so wachsen die unbefruchteten direet zu neuen Zellenfäden heran. Ueber Dictyota endlich möge das Obengesagte verglichen werden. Zu den beachtenswerthesten Fällen, in denen Parthenogenesis constatirt wurde, gehören unstreitig die von Pringsheim®) an Saprolegnieen beobachteten ; 1) Jahrb. f. wiss. Botanik, Band I, pag. 54, 57, 58. 2) Jahrb. f. wiss. Botanik, Band IX, Taf. 2, Fig. 16. 3, Desmidicae et Oodogonicae in Italia et Tyrolia collectae. Taf. 13, Fig. 29. 4) Jahrb. f. wiss. Botanik, Band X, pag. 99 ff. der Separatausgabe. Taf. 5. 5) Die betreffende Arbeit ist mir momentan nur in dem Referat im Quarterly Journal of mieroscopical society April 1877 zur Hand. 6) Jahrb. f. wiss. Botanik, Band IX, pag. 192 ff. RE Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Outleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p. 33) 89 diese Fälle haben wir ganz besonders ins Auge zu fassen, weil sie eine Aus- nahme von der Regel bilden, dass bei der Parthenogenesis die unbefruchtete weib- liche (beziehungsweise männliche?) Sexualzelle in der für die neutralen Sporen derselben Pflanzen gültigen Weise sich entwickelt; denn bei Saprolegniaceen sah Pringsheim die unbefruchteten Eier zu Dauersporen werden, aber, und das scheint mir wichtig und eine Annäherung an die Regel zu zeigen, die partheno- genetischen Oosporen keimten constant früher als die befruchteten! Chara crinita bei welcher Alexander Braun!) das Vorkommen von Parthenogenesis in wirklich überraschender Ausdehnung nachwies, entzieht sich selbstverständ- lich der Regel nicht, weil Chara überhaupt nur eine Form von Sporen pro- dueirt und die Entwicklung der Pflanze aus diesen Sporen im Wesentlichen ebenso erfolgt, wie diejenige adventiver Sprosse. Chara crinita endlich ist ge- eignet, auch die Bedenken zu zerstreuen, welche man gegen die Annahme einer allgemeiner verbreiteten, parthenogenetischen Vermehrung der Outleria- Arten hegen könnte. Denn bei Ch. erinita ist in Deutschland und Scandina- vien die parthenogenetische Fortpflanzung typisch, die Pflanze findet sich in diesen beiden Ländern streckenweise in ungeheurer Menge, ohne dass aber jemals auch nur ein männliches Individuum beobachtet worden wäre. Dabei zeigt die Entwicklung und Keimung der Sporen nach de Bary keinerlei be- merkenswerthe Abweichung von den befruchteten Sporen anderer Arten. Dass den bisher bekannten Fällen von Parthenogenesis bei Algen in Zukunft noch viele andere werden hinzugefügt werden, halte ich für wahr- scheinlich. Auch glaube ich, dass kein Grund vorliegt, da, wo mehrere Fälle sicher constatirt wurden, an der weiteren Verbreitung dieser Erscheinung, die, wie bei Chara cerinita und Cutleria, typisch werden kann, zu zweifeln; bei Cutleria wird eine besondere Form neutraler Sporen durch die geschlechtslos keimenden Eier vertreten. 2) !) Abhandlungen der Berliner Akademie 1856. 2) Die merkwürdigen Abweichungen, welche bei den Diatomeen in der Sporenbildung vorkommen, habe ich hier unerwähnt gelassen; wollen wir die Verjüngung der Melosireen auch unter die Parthenogenesis begreifen, so müssen wir wenigstens eine zweite Art derselben an- nehmen, wo nämlich ein einziges Zellindividuum, ohne dass überhaupt die Möglichkeit der Verbindung mit einer anderen Zelle jemals gegeben wird, einen Entwicklungsgang einschlägt, den in anderen Gruppen der Diatomeen nur durch Copulation entstandene Zellen zu nehmen Nova Acta XL. Nr. 2. 13 90 J. Reinke. (p. 34) Diese Erscheinungen sind geeignet, auf die Bedeutung der Befruchtung im Allgemeinen einiges Licht zu werfen. Dass zur Vermehrung der Individuen, zur Fortpflanzung der Species sexuelle Wechselwirkung der Keimzellen nicht nothwendig ist, ergiebt ohne Weiteres das allgemeine Vorkommen neutraler Sporen bei den 'Thallophyten. Dass dennoch die Sexualität die grösste biologische Wichtigkeit für Pflanzen und Thiere besitzt, dafür spricht auf das Augenfälligste der oft so complieirte Apparat, welcher zur Ausgleichung der geschlechtlichen Gegensätze in Be- wegung gesetzt wird, sodann auch schon das allgemeine Vorkommen von Sexualorganen, zumal neben neutralen Propagationszellen an der nämlichen Pflanze. Als eine der interessantesten physiologischen Probleme erscheint da- her die Frage nach der biologischen Bedeutung der Sexualität, welche dieselbe neben der Vermittelung der Fortpflanzung in sich trägt. Auf jeden Fall ist es wünschenswerth, dass für die Bearbeitung dieser Frage von den Botanikern auch das auf zoologischem Gebiet vorliegende Material Berücksichtigung finde, und erlaube ich mir daher am Schluss dieser Abhandlung noch kurz auf einen Aufsatz von Hensen!) hinzuweisen, welcher höchst anregende und fruchtbare Gedanken nach dieser Richtung entwickelt. Auch Hensen legt seinen Betrachtungen die Thatsache zu Grunde, dass vielfach die Eier von Thieren, ohne befruchtet zu sein, die Fähigkeit zur Fortentwicklung zeigen; freilich in oft sehr verschiedenem Maasse. Für manche Arthropoden ist dies ja lange bekannt, es kann typisch auftreten, wie bei den Bienen. Hier aber entstehen aus den parthenogenetisch entwickelten Eiern nur männliche Individuen; die Bombyeiden dagegen vermögen unbefruchtete Eier zu legen, aus denen Männchen und Weibchen hervorgehen. Ferner hat v. Siebold noch für Psyche Helix und Apus cancriformis nachgewiesen, dass dieselben lange Reihen fruchtbarer Generationen von Weibchen durch un- befruchtete Eier zu erzeugen vermögen. Aber auch bei Wirbelthieren giebt vermögen. Der nur durch Eingreifen der Sexualität bei Zpithemia hervorgerufene Neubildungs- process vollzieht sich bei Melosira ohne jede sichtbare Spur von geschlechtlicher Ausgleichung. 1) „Beobachtungen über die Befruchtung und Entwicklung des Kaninchens und Meer- schweinchens‘‘ in Zeitschrift für Anatomie und Entwicklungsgeschichte von His und Braune. Band I. p. 213 ft. u ee ee ee a De u ai Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Cutleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p.35) 91 die Befruchtung keineswegs immer erst den Anstoss zur Fortentwicklung der Eizelle. So hat Oellacher!) nachgewiesen, dass unbefruchtete Hühnereier eine Reihe von Furchungsstadien durchlaufen; ebenso sah Leuckart die Furchung der Froscheier auch ohne Befruchtung beginnen. Hensen fand „in einem Falle beim Kaninchen die Tuba vom Uterus getrennt, an diesem Ende verwachsen und mit gegen hundert unbefruchteten Eiern gefüllt; die Eier schienen fortzuleben, nahmen an Volumen zu und wuchsen in Fäden aus, die an das Keimen von Algensporen erinnerten“. Im Anschluss zunächst an die erwähnten Fälle bei Arthropoden be- merkt Hensen dann weiter: „Für diese Fälle lautet der bündige Schluss, dass die Befruchtung mit der Zeugung (d. i. Fortpflanzung) direct gar nichts zu thun habe. Man wird also in Bezug auf die Fundamentalfunction der Befruchtung so lange von der Zeugung absehen müssen, bis entweder zwingende Gründe dafür beigebracht werden, dass hier ein Ausnahmefall vorliege, dann fällt aber die Ansicht, dass die Befruchtung eine fundamentale Function sei, fort, oder bis sich eine versteckte Täuschung in jenen Beobachtungen nachweisen lässt“. Die allgemeinen Schlussfolgerungen, zu denen nun Hensen bei seiner Untersuchung gelangt, sind diese: 1) „Die Befruchtung des Eies ist ein Vorgang an sich, der nicht un- mittelbar mit der Weiterentwicklung desselben zusammenhängt.“ 2) „Der Grundvorgang ist die Verschmelzung zweier, bis dahin ge- trennter Complexe organischer Substanzen. Sind diese Substanzen aus sehr vollkommen ähnlichen oder auch aus sehr verschiedenen Säften entstanden, so hat der Vorgang nur unvollkommen oder gar nicht den beabsichtigten Erfolg.“ „Der allgemeine Erfolg ist die Erhaltung der Species, welche durch die geschlechtlich erzeugten Individuen sowohl vor zu beträchtlichen Variationen ?), als auch in sehr verschiedener Art vor Todesursachen geschützt wird.“ 1) Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Band 22. ?2) Ueber den Punkt, dass gerade die Befruchtung die Erhaltung und Constanz der Species durch Ausgleich der elterlichen Abänderungen sichert, äussert Hensen noch wörtlich pag. 252: „Durchstehende Regel ist es, dass die Befruchtung der Erhaltung der Species dient, und dass sie dafür nothwendig ist. Sie dient zur Erhaltung der Individuen, aber nicht in einer abgezweigten, sondern in neugemischter, neuerschaffener Form‘‘. 12% 92 J. Reinke. (p. 36) „Der specielle Erfolg ist die Fernhaltung der T'odesursachen vom Keim und dessen Produeten.“ Die Manifestation dieser Leistung im den einzelnen Fällen wird dann noch speciell hervorgehoben, wie auch Hensen im Verlauf der Untersuchung mehrfach darauf hinweist. Es ergiebt sich eine ausgesprochene Stufenfolge. Bei einigen Thieren zeigt das unbefruchtete Ei eine unvollkommene Entwick- lungsfähigkeit, indem stets nur Weibehen daraus hervorgehen; bei andern wird dies Verhältniss zur Unmöglichkeit, die Art parthenogenetisch zu erhalten, da aus den unfruchtbaren Eiern bloss Männchen erzeugt werden; bei einer dritten Klasse ist die Befruchtung nothwendig, damit nur der Furchungsprocess voll- endet werde, bei noch anderen wird der Keim direct vor dem Absterben be- wahrt: in allen Fällen wird aber durch Vereinigung männlicher und weiblicher Sexualstoffe die Wachsthumsfähigkeit des Kies beeinflusst und meistens nach- weisbar erhöht. — — — Es schien mir nützlich, die wichtigsten Sätze des ausgezeichneten Physiologen hier in den Rahmen einer botanischen Arbeit aufzunehmen, weil dieselben geeignet sind, auch auf botanischem Gebiet anregend zu wirken. In ihrer allgemeinen Fassung lassen sich die beiden Hauptsätze von Hensen direct auf die Pflanzen übertragen. Dass in der Wechselbefruchtung zweier nicht specifisch verschiedener Individuen eine Einrichtung besteht, „welche sehr kräftig für die Constanz der Species wirkt“ (Hensen), liegt auf der Hand. In der Masse der von einer Pflanze erzeugten Keimzellen ist eine Quelle mannichfachster Varietätenbildung gegeben; in der kreuzweisen Befruch- tung findet sich der Regulator, welcher diese Variationen auf ein mittleres Maass zurückführt, das Gleichgewicht der Species stabilisirt. ') Aber auch die Beeinflussung des Wachsthums durch die Befruchtung gelangt bei Oedogonium, Ulothrix, Cylindrocapsa zum schlagenden Ausdruck, und diesen Pflanzen dürfte nach den vorliegenden Beobachtungen auch Cutleria sich anschliessen; möge der Entwicklungsgang dieser Gattung recht bald eine vollständige Aufklärung erfahren! 1) Seit der Einlieferung dieser Arbeit an die Akademie ist Parthenogenesis durch Rostafinski undWoronin auch für Botrydium beschrieben worden. Wichtige Erörterungen über die Bedeutung der Sexualität finden sich in den inzwischen erschienenen Arbeiten von Hanstein über Caelebogyne und Grisebach über (ardamine chenopodifolia (Göttinger Nachrichten 1878, Nr. 9). Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Outleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p.3%) 93 1® 2. 3. de 8. % . 10. Sltlc al lan . 14. . 15. . 16. Te . 18. N Tafel-Erklärungen, Tafel 1. (VI) Cutleria multifida. Zweig einer weiblichen Pflanze, um die Vertheilung und akropetale Entwick- lung der Sori zu zeigen. (t) Längsschnitt durch ein Rhizom. (42°) Ein Stück aus dem wachsenden Rande des Thallus in der Flächenansicht; a b c Zweige der Cilien. (22°) 7. Entwicklung der kleinen Adventiväste. (22°) Längsschnitt (optischer) des unteren Theils von Fig. 7. (22°) Stück aus einem Antheridien-Sorus. (42°) Einzelnes Antheridium, längs und quer. (24°) Desgl. entleert. (24°) Spermatozoidien. (*%°) Netzwerk der von den zur Ruhe gekommenen Spermatozoiden ausgeschiedenen Membranen. (2%°) Stück aus einem weiblichen Sorus. (42°) Oogonium. (2$®) Oogonium quer. (2#®) Eizellen. (28°) Befruchtung. (2$°) 30. Keimung der Eisporen. (42°) 94 Fig. Fig. J. Reinke. (p. 38) Tafel 2. (IX.) Fig. 1—6: Cutleria multifida. 1—6. Aeltere Keimlinge. (42°) 1 Fig. 7. Ss: Desmotrichum I. Ein ganzer Thallus. (4) Randpartie mit Zoosporangien. (49°) Fig. 9—14: Zanardinia collaris. Proliferirender Thallus. (+) Wachsender Rand des Thallus, Flächenansicht. (27°) Wachsender Rand, Längsschnitt; o Oberseite, u Unterseite. (2°) Längsschnitt durch eine ganz junge adventive Sprossung. (27°) Schema des Längsschnitts eines etwas älteren, adventiven Bechers. Jüngstes, im Freien gefundenes Keimpflänzchen. (4°) Entwicklungsgeschichtl. Unters. üb. d. Outleriaceen d. Golfs v. Neapel. (p.39) 95 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Tafel 5. (X.) Zanardinia collaris. 1. Schnitt durch einen Sorus von Sporangien. (44°) 23, Sporenssc.>) 3. Desgl. (*%) 4—11. Keimlinge aus Sporen; in Fig. 9 Bildung von Secundärsporen. (2°) 12. Schnitt durch einen noch unentwickelten Sorus von Geschlechtsorganen; bei a junge Antheridien, bei o Oogonien. (*2°) 13. Schnitt durch einen reifen Sorus von Geschlechtsorganen. (42°) 14. Oogonium. (°3°) 15. Eizellen. (4°) 16. Antheridium. (25°) 17. Spermatozoiden. (*°) 18. Befruchtung. (*°) 19. Keimung. (27°) 20—22. Weiterentwicklung der sexuell erzeugten Keimlinge. 96 J. Reinke. Entwickhungsgeschichtl. Unters. üb. d. Outleriacetn etc. (p. 40) Tafel 4. (XL) Fig. 1-5: Zanardinia collaris. Bildung eines Wurzelhaars aus der Mitte eines Keimfadens. (*7°) Astbildung eines Keimfadens. (*2°) u. 4. Bildung von Secundärsporen. (2°) none Keimung von Secundärsporen. (*?°) Fig. 6—12: Desmotrichum II. 6. Verwachsene Fäden der Sohle. (#°®) 7. Bei d Aussprossung eines Desmotrichum-Thallus aus einem Sohlefaden. (“7*) 8. Etwas älterer Thallus. (2°) 9. 10. 11. Zoosporangien am Thallus. (4°). .12. Stück aus der Mitte eines breiten Thallus. Fig. 13—27: Aglaozonia reptans. .13. Thallus mit Soris. (#) .14. Scheitelkante in der Flächenansicht. (23°) .15. Scheitelkante im radialen Längsschnitt. (23° .16. Schnitt durch einen Sorus von Sporangien. (*%*) .17a. Die Sporangien eines solchen Sorus in der Flächenansicht. (2) .17b. Flächenansicht eines isolirt stehenden Sporangiums. (*4*) .18. Sporen; davon einige wegen unvollkommener Trennung im Zusammenhange schwärmend, eine Erscheinung, die mit Copulation nichts zu thun hat. (7°) .19—21. Keimung. (4°) .22—24. Bildung von Secundärsporen. (47°) .25—27. Thallusanfänge?? (*2°) ern Be er ai iu di a A iu H& RKeinke del. ullenacen R Jaf, 7 ZT II Fan ij Hr He ud ML ’ OH ( ZEN Zain 3 vw. RER 12 Bike 5 H 122 SULTEA dınıa ce I I-I4 2 Vesmelnchum/ I. ML Kofıda 725 7-6 Cufleua nu R, 1 Ze Ih U a4 a0 KEIL, E She 5 x Sa S ER Er 77 Ion e ER DELLEE [ Se AH Bunke del‘ 2 ed, Er, CHMLCER dank cclla 13 y, Ga IP HF Panke ; N, ULTLARK | BZ Alade EG 1 Car Üol ZL a Tal AT. D H&J Beinke del. Dr I e Reynke Gehlssusen + Taf 4 Th en DE oft A 113 3-12 Ofesmotsichn mA. T3-21 X Uglaozemi 26, Aland. 07 NOMAT ECT der Ksl. Leop.-Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher Band XL. Nr. 3. Ueber aufgelöste und durchwachsene Himbeerblüthen. Von Dr. H. Conwentz., Mit 3 lithographischen Tafeln Nr. XII—- XIV. Eingegangen bei der Akademie den 31. December 1577. DRESDEN. 21878. 0m Druck von E. Blochmann & Sohn. Für die Akademie in Commission bei Wilhb. Eugelmann in Leipzig. b jr = ar Den A u ri . Mae VIREN ER a ame = AK a een rs nn. un { Ueber aufgelöste und durchwachsene Himbeerblüthen von Dr. H. Conwentz. Bislang wurden Antholysen von einer Rubusart noch nicht genauer be- schrieben. Einige Fälle haben Spenner!), Kirschleger?), Fournier und Bonnet>), Wirtgen®), Masters5), Hanstein®), Kurtz”), Braun®) und Go- dron°) bekannt gemacht; diese Notizen sind aber aphoristisch gehalten und be- rücksichtigen das genetische und aetiologische Moment fast gar nicht. Aus diesem !) Spenner, Flora friburgensis 1825 —29. t. III. p. 745. 2) Kirschleger, Flore d’Alsace. I Ed. t. I. 1852. p. 219. 3) Bulletin de l. soc. botanique d. France. t. IX. 1862. p. 36. *) Verhandl. d. naturh. Ver. d. pr. Rheinl. XXVI. 1869. p. 64. 5) Masters, Vegetable Teratology. London 1869. — Dies Werk und auch Kirschl. Fl. d’Als. waren mir leider nicht zugänglich. In Bezug auf das erstere hatte Herr Dr. W. O. Focke-Bremen dieGüte, mir mitzutheilen, dass darin keine bemerkenswerthen Bildungsabweichungen von Rubus beschrieben sind. 6) Verh. d. naturh. Ver. d. pr. Rhl. XXXI. 1874. p. 90. ?) Sitzungsber. d. Ges. naturf. Fr. z. Berlin. 15. Febr. 1876. 8) Ibid. 9) Bull. d. 1. soc..d. sc. d. Naney. Ser. II. t. II. fasc. V. 1876. p. 130. Ausserdem finden sich noch in: Engelmann, De antholysi prodromus. Franeof. 1832; Moquin-Tandon, Elem. d. teratol. veget. Paris 1841 (Uebers. v. Schauer. Berlin 1842) und Focke, Synopsis Ruborum Germ. Bremen 1877 einige allgemeine Umwandlungsformen erwähnt. 13* 100 Dr. H. Conwentz. (p. 4) Grunde theile ich hier einige Beobachtungen an aufgelösten und durch- wachsenen Himbeerblüthen mit, wobei allerdings auch noch ein paar Lücken offen bleiben müssen. Von den obengenannten Autoren haben Fournier und Bonnet ihre Schilderung durch eine Abbildung illustrirt; diese ist wenig charakteristisch und stellt die Antholyse nur im frühesten Stadium dar. Ich hielt es daher für geeignet, meiner Arbeit eine grössere Anzahl von Zeich- nungen beizugeben, in deren Anfertigung mich Herr Stud. Schwabe grossen- theils unterstützt hat. Das Material zu den folgenden Untersuchungen erhielt ich durch gütige Vermittelung des Herrn Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert von Herrn Apo- theker J. Heinrich in Kotzenau aus dessen Garten. Dasselbe bestand aus theils frischen, theils getrockneten Zweigen von Rubus Idaeus L., deren Blüthen nur sehr selten normal ausgebildet, meistens aufgelöst und durchwachsen waren. Sowohl an Mannigfaltigkeit der Formen, als auch an Vollkommenheit der Metamorphose übertrifft dieser Fall alle bisher bekannt gewordenen und ist wohl angethan, einen Beitrag zur Verlaubungsgeschichte der Rubus- blüthe zu liefern. Antholysis. Calyx. Die Sepalen der Rubusarten sind so häufig der Umwandlung unter- worfen, dass — wie Focke (l. ec. p. 18) bemerkt — blattige Kelchzipfel kaum als abnorm gelten können. Indessen bleiben dieselben meistens in den ersten Stadien der Verlaubung stehen und es sind nur wenige Fälle bekannt, in welchen sie zu Laubblättern metamorphosirt wurden. Spenner (l. c. p. 745) berichet von einem Rubus härtus, den Al. Braun 1826 im Murgthale bei For- bach gefunden hat: „calyx constat foliolis 5 — pluribus lanceolatis, petiolatis, dorso subaculeatis“. Wirtgen (l. ce. p. 64) giebt von R. dumetorum u. a. verschiedene Umwandelungsformen der Sepalen an, von denen einige laubblatt- ähnlich sind; und Melsheimer (cf. Hanstein 1. c. p. 90) spricht von „in Stengelblätter umgewandelten Kelchblättern“ an R. scaber W. et N. Ebenso beobachtete Kurtz eine Antholyse von (?) R. vulgaris W. et N., bei welcher „die Kelchblätter .... in gestielte, den Laubblättern in Consistenz, Behaarung, Ueber aufgelöste und durchwachsene Himbeerblüthen. (p. 5) 101 Zähnelung des Randes ete. völlig gleiche Blätter verwandelt“ waren. Godron endlich (l. e. p. 131) sagt von einem R. caesius L. „une fleur a son calice remplace par 5 folioles, toutes pötiolulees, eomme la foliole terminale des feuilles“. — Wie wir in Folgendem sehen werden, zeigen die mir vorliegenden Antholysen von Rubus Idaeus L. eine fast!) ebenso weit vorgeschrittene Fron- descenz des Kelches, wie dieselbe an anderen Arten von den ebengenannten Autoren beschrieben wurde. In der normalen Blüthe ist der Kelch verwachsenblätterig, graugrün, dünnfilzig und mit fünf abstehenden Zipfeln versehen (Fig. 1). Die Um- wandelung desselben geht in der Weise vor, dass die Sepalen weiter aus- wachsen und hierbei eine drei- bis vierfache Länge erreichen (Fig. 2). Während dieses Vorganges verschmälern sie sich nach der Basis hin und erhalten so eine lancettlichlineale Form, die später in die lancettliche — meist mit vor- gezogener Spitze — übergeht (Fig. 3sq). Die Basaltheile verjüngen sich immermehr zu einem stielartigen Organ, bleiben aber am Grunde noch mit- einander verbunden (Fig. 3, 4, 12). Auf der Lamina, welche jetzt verhältniss- mässig zunimmt, wird schon früh (Fig. 3, 4) ein mittlerer Nerv angedeutet und am Rande treten die ersten Spuren von Serratur auf (Fig. 4, 11, 14). In all diesen Erscheinungen offenbart sich die Tendenz der Sepalen, zu Laub- blättern auszuwachsen; und bei fortschreitender Entwickelung werden in der That Gebilde erzeugt, die nach jeder Richtung hin jenen ähnlich sind. Der Stiel differenzirt sich immer mehr heraus und hebt sich deutlich von der Blatt- fläche ab. Diese ist oberseits matt und spärlich mit Haaren. besetzt, unter- seits weissflzig und auf dem basalen Theile mit Stacheln versehen. Der Rand erscheint unregelmässig, doppelt und scharf gesägt; zuweilen werden durch tiefer gehende Einschnitte zwei seitliche Lappen angedeutet (Fig. 5, 7). Die bedeutendste Grösse, welche ein Sepalum in dieser Form erreicht, ist eine Länge von 438 mm bei 20 mm Breite (Fig. 5) und ein ander Mal eine Länge von 54 mm bei 16 mm Breite (Fig. 7). !) Wirtgen und Kurtz haben Blüthen beschrieben, in denen die Sepalen nicht nur in dreilappige, sondern auch in dreizählige Laubblätter metamorphosirt waren. Dies kommt an unseren Exemplaren nicht vor. 102 Dr. H. Conwentz. (p. 6) Die ebenbeschriebene Art und Weise der Kelchverlaubung ist diejenige, welche an den vorliegenden Himbeerzweigen bei Weitem am häufigsten vor- kommt. Es kann dieser Process aber auch einen etwas modifieirten Verlauf nehmen. Zunächst wachsen die Zipfel ebenso aus wie oben (Fig. 2) und ver- engen sich an der Basis; die weitere Entwickelung geschieht dann. aber fast ausschliesslich in der Längsrichtung, sodass die lineale oder lanzettlichlineale Form bewahrt bleibt. Anfangs ganzrandig (Fig. S, 15) werden die Sepalen später unregelmässig weitläufig und scharf gesägt (Fig. 6, 10, 13). Der Mittelnerv wird auch angedeutet, tritt aber nie prononeirt hervor; ebensowenig kommt bei der sich verjüngenden Basis ein wirklicher Stiel zur Entwickelung. Die grössterreichte Länge beträgt 60 mm bei nur 9 mm Breite Wirtgen (l. e. p. 65) giebt als grössten Kelchdurchmesser an metamorphosirten Blüthen von Rubus dumetorum 100 mm an; in unserem Falle würde derselbe noch etwa 15 mm mehr betragen. Die Sepalen zeigten immer eine nahezu gleiche Entwickelung unter einander, während Wirtgen (l. c. p. 64) die Kelchblätter derselben Blüthe von R. dumetorum höchst verschieden ausgebildet fand. Wie überhaupt häufig mit den Antholysen noch andere Erscheinungen zusammen auftreten, so auch hier. Ich fand einen Kelch mit sechs Sepalen, die alle verlaubt und einen anderen mit sieben, von welchen zwei normal geblieben waren. Corolla. Auch an den Petalen verschiedener Rubusspecies sind schon zu wieder- holten Malen Umwandlungsformen beobachtet worden: z. T'h. in denselben Blüthen, deren Kelchverlaubung wir oben erwähnt haben, z. Th. in anderen. Der von Al. Braun gefundene Rubus hirtus (cf. Spenner 1. c. p. 744) zeigt „petala viridia“. Bonnet (l. c. p. 36) fand in der Nähe von Baden - Baden einen R. sp.; an diesem waren „les petales .... plus petits qu’a l’etat normal, verts et imparfaitement devellopes“. Wirtgen beschreibt mehrere Fälle, in welchen die Corolle einer Metamorphose unterworfen gewesen ist; von AR. fru- ticosus W. et N. (p. 63) und R. dumetorum (p. 66) führt er verlaubte Petalen Ueber aufgelöste und dwrchwachsene Himbeerblüthen. (p. 7) 103 speciell an. Melsheimer (ef. Hanstein 1. e. p. 90°) spricht von „ver- grünten und verdickten Blumenkronblättern“ an R. scaber W.et N. Kurtz sagt: „die Blumenblätter sind in allen sechs Blüthen bedeutend hinter der normalen Grösse zurückgeblieben und mehr oder weniger kelchblattartig geworden“, Godron (l.c.p. 131) beschreibt „les petales sont de forme normale, mais de con- sistance foliacde, verdätres, avec une teinte purpurine“; von einer anderen Blüthe (p. 132) „les petales sont relativement petits, virescents“, Die Corolle der Himbeerblüthe besteht aus fünf länglichen oder spateligen, meist weissgefärbten Petalen, welche mit den Gliedern des äusseren Perianthialkreises abwechseln. Bei unsern Antholysen sind die Blumenblätter durchweg vergrünt?), d. h. sie haben unter möglichster Beibehaltung ihrer ursprünglichen Form und Consistenz eine grüne Farbe angenommen (Fig. 2, Ss, 9, 10, 11, 12, 13). Die Grösse und Form der Petalen ist, zumal an eultivirten Exemplaren, durchaus nicht constant und dementsprechend variiren dieselben Verhältnisse auch an den vergrünten. Im Allgemeinen sind sie auffallend klein (Fig. 2, 3p, 4p) — wie es auch Bonnet, Kurtz und Godron an anderen Rubus-Antholysen gefunden haben — und nach unten oft bedeutend verschmälert. Sehr bald tritt an den vireseirenden Blumenblättern eine Er- scheinung auf, durch welche bereits das nächste Stadium, die Verlaubung, vor- bereitet wird. Der Rand erhält zuerst eine schwache (Fig. 3p‘, 4p‘), dann stärkere Zähnelung (Fig. 7p‘, 14p‘); und zugleich gewinnen die Petalen eine festere, blattartige Oonsistenz. In der weiteren Ausbildung differenzirt sich ein Stiel und Mittelnerv heraus und der Rand wird unregelmässig scharf gesägt; die Unterseite ist mit einem grauen Filz bedeckt (Fig. 7p“). Die in Figur 7 abgebildete Blüthe zeigt den deutlichen Uebergang vom einfach vergrünten zum verlaubten Blumenblatt. Ebenso wie im äussern Kreise des Peranthiums findet auch im innern zuweilen eine Vermehrung der Glieder statt. Dieselben Blüthen, welche sechs !) Ich unterscheide nach Engelmann (]. c. p. 32) „Vergrünung“ und „Verlaubung“ : 3»... Naepe duos virescentiae modos distinguere licet: 1) solam virescentiam formä organorum primitivä plus minusve servatä, virescentiam sensu strictiore; et 2) virescentiam, quä organa, servatä collocatione alioque ad florem respectu, foliis vegetatiofis simillima fiunt, frondes- centiam‘, 104 Dr. H. Conwentz. (p. 8) und sieben Sepala zeigten, besitzen auch soviele Petala; doch scheinen die übrigen Kreise hierbei keine Einschaltung erfahren zu haben. Androeceum. Dies ist derjenige Kreis, welcher bei Antholysen innerhalb der Gat- tung Rubus am seltensten zur Metamorphose inclinirt.) In den früher beobachteten Fällen sind die Staubgefässe meistens intact geblieben, wenn sie nicht gänzlich fehlten. Nur Wirtgen (l. ec. p. 66) beschreibt kleine Anomalien, bei welchen jene entweder aus verkümmerten Antheren auf kurzen Trägern oder aus verlängerten fadenförmigen Körpern ohne Antheren bestanden. Auch in den mir vorliegenden Blüthen ist der Staminalkreis nicht an der Auflösung betheiligt. Er ist fast immer vorhanden und normal ausgebildet; sehr selten fehlt er, und zwar an manchen durchwachsenen Blüthen. Gynaeceum. Im Gegensatz zum Androeceum scheint der Fruchtblattkreis ganz be- sonders zur Verlaubung disponirt zu sein. In der Literatur finden sich viele Angaben über umgewandelte Pistille und auch unser Fall ist — wie wir später sehen werden — reich an solchen Formen. Spenner (l. c. p. 745) erwähnt „pro ovariis pedunculus brevis, simplex s. vertieillatim divisus, denuo flore simili monstroso instructus, tandem fructum peduneulatum continente, com- positum ex acheniis (acinis mutatis) viridibus oblongis, pubescentibus, caudatis, stylis scilicet elongatis terminatis (capitulum fructiferum Gei referentibus!)“. — Fournier und Bonnet (l.c.p.36) sagen von derselben Blüthe, welche schon früher erwähnt wurde: „les carpelles sont portes sur un axe &leve de 1 & 2 centimetres au-dessus de la fleur, mince et eylindrique; ils sont pedi- eules, ascendants, arques et concaves du cöt& de l’axe, glabres et completement secs, termines par un style presque aussi long que le fruit“. — Wirtgen (l. e. p. 66) berichtet über die Fruchtknoten von R. dumetorum: „sie sind ent- weder gänzlich unentwickelt, oder sie sind in kleinere oder grössere knospen- artige Körper umgewandelt, oder sie haben sich in Büschel kleiner Blättchen aufgelöst. In einer Blüthe sind sie fadenförmig, 15—18 mm lang und erwei- !) Allerdings sind manchmal die Staubgefässe allein zur Umwandelung geneigt, wo- durch die an ceultivirten Sträuchern namentlich häufiger gefüllten Blüthen entstehen. Ueber aufgelöste umd durchwachsene Himbeerblüthen. (p. 9) 105 tern sich in ihrer Mitte zu einer 2 mm breiten gesägten Scheibe.“ — Mels- heimer (cf. Hanstein 1. ce. p. 90) fand eine Blüthe von Rubus scaber W. et N., bei welcher „der Fruchtknotenboden stengelartig verlängert und unterbrochen mit den eigenthümlich missbildeten Fruchtknoten und Griffeln besetzt“ war. Eine zweite zeigte „auf der Spitze der pinselartig gesprossten Fruchtknoten ein dreitheiliges Stengelblatt“. An einer dritten Blüthe beobachtete Melsheimer eine „Umbildung der Fruchtknoten und Griffel in Anfänge von grünen Blatt- bildungen.“ — Braun (l. c. p. 44) schildert Metamorphosen von Rubusblüthen: „Zuletzt öffnen sich die Fruchtblätter mit einer Spalte und nehmen schliesslich fast ganz die Form der Kelchblätter ein.“ — Godron (l. e. p. 132) endlich schreibt: „les carpelles sont... brievement stipites et ä ce point virescents qwon doit les considerer comme une transformation des pistils en petites feuilles plides en deux longitudinalement. Une partie de ces pseudo-carpelles entoure le bas de l'axe floral prolonge et d’autres sont inseres le long de cet axe floral, qui se termine par une seconde fleur qui offre aussi des pseudo- carpelles, mais plus grands encore que ceux de la fleur inferieure; deux d’entre eux sont ouverts en long, un peu velus-tomenteux en dedans et ne renfermant aucune trace d’ovule pas plus que les precedents.“ Das Gynaeceum der normalentwickelten Blüthe besteht aus einer grössern Anzahl von Pistillen, welche dem mehr oder weniger kegelförmig erhöhten Receptaculum aufsitzen (Fig. 30). Der Fruchtknoten wird von einem Carpell gebildet, dessen Ränder an der ventralen — d. i. der der Blüthenaxe zuge- kehrten — Seite involut sind und zur Placenta für je ein Ovulum werden. Die Spitze des Fruchtblattes verlängert sich über den Loculartheil hinaus und erzeugt durch Aneinanderwachsen der Ränder den Griffel mit der Narbe (Fig. 16). Bei der Frondescenz wächst das Carpell zunächst basipetal stielartig aus (Fig. 17; ausserdem ce in Fig. 8, 13, 15); so erscheint es in derjenigen Form, welche frühere Autoren mit dem Namen „geschwänzt“ be- zeichneten und die an das normale Pistill von Geum erinnert. Zugleich wird die concave Einkrämmung der Ober-(Innen-)fäche des Fruchtblattes deutlicher und nimmt die Form eines dorsal stark hervortretenden Buckels an (Fig. 18, 19); dies ist der „knospenartige Körper“ Wirtgens. Die eingeschlagenen Ränder sind noch mit einander verwachsen; trennt man dieselben gewaltsam (Fig. 19, 20), so findet man die ihnen von innen anliegenden Ovula noch als solche vorhanden, Nova Acta XL. Nr. 3. 14 106 Dr. H. Conwentz. (p. 10) aber orthotrop und das rechte grösser als das linke ausgebildet (Fig. 20). Bald darauf geht die Umwandlung vor sich: die Ränder weichen auseinander und an Stelle der Eichen sieht man kleine ovallanzettliche Blättchen (Fig. 21, 10 0%), von denen das rechte stärker entwickelt ist als das linke. Im weitern Verlauf verwachsen beide seitlich mit dem Germen, und zwar das rechte zuerst (Fig. 22). Anfangs sind diese Randbildungen noch eingeschlagen (Fig. 22, 23), bald biegen sie aber aus der Concavität heraus (Fig. 24) und durch fortgesetztes Wachsthum gleicht sich diese schliesslich zu einer Ebene aus (Fig. 25). Der Umfang der Blattlamina ist eiförmigrund (Fig. 25) bis eiförmiglanzettlich zugespitzt (e‘ in Fig. 9, 10, 15) und zeigt gewöhnlich zwei seitliche tiefere Einschnitte; die dadurch entstehenden Lappen deuten auf die angewachsenen verlaubten Ovula hin. Der Blattstiel ist anfangs noch rinnenförmig und breit, zieht sich später aber zusammen; der Blattspitze sitzt häufig noch der trockene Griffel mit der Narbe auf (Fig. 25, 26). Was die Nervatur betrifft, so bildet sich ein auf der dorsalen Seite des Germen nur schwach angelegter Nerv zum Mittelnerven des Blattes um, während die beiden stärkeren Randnerven zu untersten Seiten- nerven werden. Der Fibrovasalstrang des Funiculus, welcher die metamorpho- sirten kleinen Blättchen als Mediannerv durchzieht, setzt an jene unterste Seitennerven an). Diese Verhältnisse sind auf den Zeichnungen (Fig. 233—27) deutlich zu erkennen. — Die weitere Ausbildung des Fruchtblattes geschieht durch Auswachsen der schon vorhandenen Form und durch Hervortreten der anderen angedeuteten Eigenthümlichkeiten. Der Stiel rundet sich ab (Fig. 26), wird consistenter und bewehrt (Fig. 27, 28). Auf der Blattfläche werden die Einschnitte tiefer (Fig. 26, 27) und geben zu einem ausgeprägten folium trilo- batum Veranlassung (Fig. 12, 14, 28). Der Rand wird unregelmässig doppelt- und scharfgesägt, die Unterseite graufilzig und am basalen Theile feinstachelig. Die nächste Entwickelungsstufe würde die sein, wenn durch fortschreitende Incisur aus dem folium trilobatum ein f. trifidum und endlich ein f. ternatum hervorginge. Diese beiden Fälle konnte ich aber in den mir vorliegenden Antholysen nicht beobachten. Nicht immer sind zwei Ovula im Fruchtknoten vorhanden, oder we- nigstens verlauben nicht immer beide: manchmal ist nur eins, oft gar keins 1) Manchmal scheint derselbe auch direct in den Hauptnery einzubiegen. (Vgl. Fig.27.28.) Ueber aufgelöste und durchwachsene Himbeerblüthen. (p. 11) 107 bei diesem Process betheiligt. Dem entsprechend giebt es umgewandelte Blätter, welche nur einerseits, auch solche, die gar nicht gelappt sind; dieser letztere Fall tritt nicht selten auf. Einmal fand ich ein Carpell (Fig. 29), bei welchem das eine Eichen nicht vorhanden, das andere in ein selbständiges Blättchen verlaubt war, aber in keinem Connex mit der Lamina stand. Diese war ganz- randig geblieben und trug an der Spitze noch den trockenen Griffelrest: der Verlauf der Nerven war nahezu noch der ursprüngliche. Uebrigens kommt es in derselben Blüthe vor, dass an einigen Pistillen beide Ovula, an anderen nur eins und an noch anderen keins an der Verlaubung theilnimmt. Die älteren Autoren geben für Rubus nur ein Ovulum an: so De Candolle!), Bartling?) u. v. a. Erst durch die neueren französischen und englischen Forscher, besonders Payer?), Bentham und Hookert), Baillon>) ist es dargethan worden, dass in dem Fruchtknoten normal zwei Ovula an- gelegt sind, von denen das eine aber gewöhnlich abortirt. Diese T'hatsache hat noch nicht die genügende Berücksichtigung erfahren, denn in systematischen Handbüchern und Floren gilt das Pistill von Rubus nach wie vor als eineig. Unsere Specimen liefern einen interessanten neuen Beweis für das schon von den obengenannten Autoren constatirte Factum. Abgesehen davon, dass ich zuweilen in normalen Fruchtknoten und auch noch in der geschwänzten Form zwei Eichen fand, deutet die ganze Reihe der Metamorphosen fast immer auf die Anlage zweier Ovula hin. Aber das weitere Verhalten derselben lässt anderseits erkennen, dass sie nicht gleichmässig entwickelt sind. Das rechte ist gross und kräftig, das linke bedeutend kleiner und schwächer; es ist das- jenige, welches in der normalen Blüthe verkümmert. Mit sehr seltenen Aus- nahmen fand ich immer, dass das rechte von der Natur stärker ausgerüstet war und sich auf Kosten des linken kräftig entwickelte. Ob dies auch bei andern Rubus-Antholysen die Regel sein mag, lasse ich dahingestellt; Payer (l. e. atlas, pl. 100 f. 20) bildet übrigens ein analoges Verhalten der beiden Ovula von Geum ab. 1) Prodromus systematis naturalis regni vegetabilis. Parisiis 1825, pars II, p. 549. 2) Ordines naturales plantarum. Gottingae 1830, p. 402. 3) Traite d’organog. comp. d. 1. fleur. Paris 1857, p. 504. #) Genera plantarum. Londini 1865, vol. I, pars II, p. 601, 603. 5) Histoire des plantes. Paris 1867—69, t. I, p. 466. 14* 108 Dr. H. Conwentz. (p. 12) In Bezug auf die Dignität des Eichen herrscht bekanntlich eine Contro- verse. Nach Brongniart, Cramer!), Celakovsky?) u. A. ist es entweder ein Blatt oder Blatttheil; dagegen halten es Braun®), Strassburger #), Eichler) u. A. für eine Knospe und die Integumente für Blätter derselben. Es war mir leider nicht möglich, die Verlaubung des Ovulum in den frühesten Stadien, d.h. Uebergangsformen zwischen den von Fig.20 und 21, zu beobachten; trotzdem ich eine grössere Anzahl mikroskopisch prüfte. Aber wenn wir die Entwicklungsreihe aufmerksam betrachten, so folgt daraus die ungezwungene Auffassung des Ovulum als metamorphosirtes Blättchen; und zugleich ergiebt sich folgende Deutung für das ganze Pistill. Das Germen ist die umgewan- delte Blattlamina, die Ovula sind deren Lacinien und der Griffel mit Narbe ist eine Excrescenz des obersten Blattzahnes; der Blattstiel ist am normalen Pistill gar nicht oder nur verkürzt vorhanden. Ein Beweis, welcher der Ansicht von der Blattnatur des Ovulum zu Grunde liegt, ist hier allerdings nicht präcise zu führen und die Gegner der Brongniart-Öramer’schen Theorie können die metamorphosirten Ovula auf eine Verlaubung der Integumente bei gleichzeitiger Unterdrückung der Axenspitze zurückführen (cf. Eichler 1. c.). Apostasis. Mit der Verlaubung des Gynaeceums geht eine andere Erscheinung Hand in Hand, nämlich die des Empor- und Auseinanderhebens. Das Internodium zwischen Androeceum und Gynaeceum wächst entweder nur um ein paar mm (Fig. 9) oder aber um ein bedeutenderes Stück aus (in Fig. 10 um 40 mm). Die Axe trägt dann an der Spitze die umgewandelte Pistille in natürlicher Anordnung (Fig. 11) oder in eine mehr lockere Spirale aufgelöst (Fig. 8, 12). In anderen Fällen bildet sich innerhalb des Gynaeceums noch t) Cramer, Missbildungen ... und über die morphologische Bedeutung des Pflanzen- eies. Zürich 1864. 2) Celakovsky, Ueber die morphologische Bedeutung der Samenknospe. Flora 1874. Nr. 8—16. 3) Braun, Polyembryonie und Keimung von Caelebogyne. 4) Strassburger, Coniferen und Gnetaceen. Jena 1872. 5) Eichler, Blüthendiagramme. Leipzig 1875, p. 43 sq. Ueber aufgelöste und dwrchwachsene Himbeerblüthen. (p. 13) 109 ein Internodium besonders aus, so dass jenes in zwei verkürzte Spiralen oder Wirtel auseinandergehoben wird (Fig. 13, 14). Manchmal sitzen an diesem verlängerten Axenstück noch einzelne Pistille zerstreut; es haben sich dann also nicht nur eins, sondern mehrere Internodien verlängert (Fig. 15). Diese soeben beschriebene Apostase veranlasst gleichzeitig eine Aenderung in der Stellung der einzelnen Blüthenkreise zu einander. In der normal ent- wickelten Blüthe ist das Receptaculum, auf dessen mittlerem conisch erhöhten Theile die Fruchtblätter inserirt sind, peripherisch napfförmig erweitert und trägt an seinem Rande das Androeceum und Perianthium (Fig. 30). Diese stehen also rings um das Gynaeceum und zwar auf ziemlich gleicher Höhe. Sobald es sich nun auflöst und emporhebt, verkürzt sich die tellerförmige Partie des Receptaculum, bis endlich der Staminal- und Perianthialkreis an die Axe heranrückt und unter den Carpellen zu stehen kommt (Fig. 31). Auf diese Weise geht in den Antholysen die Perigynie verloren und Hypogynie tritt an deren Stelle ein. Diaphysis. In der Blüthenbildung erreicht die Entwicklung der Axe gewöhnlich ihren Abschluss. Aber ebenso wie dieselbe zwischen den einzelnen Blüthen- kreisen auswachsen kann, kommt es auch zuweilen vor, dass sie sich noch iiber diese hinaus verlängert. Sie erzeugt dann entweder einen vegetativen Spross oder endigt in eine zweite Blüthe; wie dies letztere auch schon von Spenner und Godron beobachtet wurde. Betrachten wir zunächst den ersten Fall, welcher durch drei Abbildungen illustrirt ist (Fig. 7, 12, 14). Hiebei wächst die Axe meistens nur um wenige Öentimeter aus und zeigt eine schwächere Entwicklung als innerhalb und unterhalb der Blüthe; auch in der Consistenz, Behaarung und Bewehrung bleibt sie zurück. Die Blätter, welche an dem Spross sitzen, haben eine eiförmig-lanzettliche Gestalt (Fig. 12) oder aber sie werden dreilappig und dreizählig (Fig. 14). In Bezug auf Rand- bildung u. s. w. verhalten sie sich den andern Laubblättern gleich. Selten entwickelt sich bei Durchwachsung der Blüthe ein so kräftiger Spross, wie in Fig. 7, welcher einem gewöhnlichen Laubspross in jeder Hinsicht gleichkommt Es sitzen daran sieben mehr oder weniger ausgebildete, meist dreizählige Blätter, 110 Dr. H. Conwentz. (p. 14) die an Stiel und Mittelrippe stark bewehrt sind, einen unregelmässig scharf gesägten Rand und graufilzige Unterfläche haben. Diese üppige Ausbildung scheint auf Kosten andrer Kreise vor sich gegangen zu sein, denn es fehlen hier das Androeceum und Gynaeceum vollständig. In den beiden andern be- sprochenen Blüthen ist ersteres normal und das letztere verlaubt vorhanden. Einige Male fand ich auch Beispiele für die zweite Art der Diaphyse: nämlich blüthenzeugende Blüthen (fleurs floripares Moqu.-Tand.). Die Axe verhält sich in diesem Falle ebenso, wie oben erwähnt: sie wächst gewöhnlich auch nur um einige Centimeter aus und ist schwächer entwickelt als unten. Die durchgewachsene Blüthe ist auffallender Weise zuweilen normal ausgebildet: meistens zeigt sie aber dieselben Umwandelungserscheimungen wie die anderen, nur in schwächerem Grade (Fig. 15). In dem abgebildeten Falle sind die Sepalen verlaubt, die Petalen vergrünt, die Staubgefässe und Pistille redueirt vorhanden. Unterhalb der obern Blüthe sitzt noch ein Organ (vb.), welches sich mit einem Vorblatt vergleichen lässt. Dies ganze Specimen zeigt eine ungewöhnliche Verlängerung der Axe. Abgesehen davon, dass die Internodien der untern Blüthe schon bedeutend vergrössert sind, ist die Axe noch um 93 mm über diese hinaus gewachsen; die Gesammtverlängerung beträgt demnach 155 mm. * Es braucht kaum noch betont zu werden, sondern geht aus den Zeich- nungen zur Genüge hervor, dass die verschiedenen Auflösungs- und Durch- wachsungserscheinungen nie vereinzelt, sondern immer mehrere in derselben Blüthe vergesellschaftet auftreten. Man darf im Allgemeinen sagen, dass jede Blüthe einen verlaubten Kelch, eine vergrünte Blumenkrone (normal entwickelte Staubgefässe) und ein emporgehobenes, verlaubtes Gynaeceum besitzt, welches oft noch von einem vegetativen oder reproductiven Spross durchwachsen wird. Die Mannigfaltigkeit der Formen kommt dadurch zu Stande, dass sich die Processe in den erwähnten Fällen in verschiedenen Stadien der Entwicklung befinden. Der Formenkreis an unsern Specimen ist ein ausserordentlich grosser, musste aber in der Beschreibung und Zeichnung füglich beschränkt werden. Uebrigens ist die Metamorphose der Blüthenorgane ohne jeden Einfluss auf die übrigen (vegetativen) Theile der Pflanze geblieben. Nur einmal fand Ueber aufgelöste und durchwachsene Himbeerblüthen. (p. 15) IT ich einen kleinen Zweig, dessen Axenglieder auch ausserhalb der Blüthe eine Streekung erfahren hatten und welcher kleine gelbgrüne Blätter auf verlängerten Stielen trug. Diese Vergeilungserscheinung ist auf eine local nicht genügende Liehteinwirkung zurückzuführen und steht daher (wie wir sehen werden) in keinem direeten Zusammenhange mit den Antholysen. Aetiologie. Die Ansichten von der Aetiologie der Antholysen im Allgemeinen sind sehr verschieden. Einige Forscher (Engelmann, 1. c. p. 57; Hanstein, 1. c. p. 90) suchen die Ursache in besondern Witterungs-, andere (Moquin-Tandon, 1. ce. p. 355) in anomalen Ernährungsverhältnissen und noch andere!) in einem pflanzlichen oder thierischen Parasitismus. Diese drei Momente sind aber nicht so streng von einander zu scheiden, sondern stehen in einem gewissen Causalnexus. Wenn in der Zeit, während welcher die bereits angelegten Blüthentheile ausgebildet werden sollen, plötzlich eine anhaltend feuchte Witterung eintritt, so erhält die Wurzel reichlich Nährstoffe aus dem Boden zugeführt. Die ursprüngliche Zahl der Assimilationsorgane genügt aber nicht, um diese ver- arbeiten zu können und es muss die Pflanze für eine Vermehrung derselben Sorge tragen. Infolge dessen wird der ganze Blattapparat, welcher der Anlage nach der Reproduetion dienen sollte, für individuelle Zwecke zu vegetativen Organen metamorphosirt. Damit diese sich genügend entwickeln können, ist eine Verlängerung der Axenglieder nothwendig bedingt. Durch die Nässe kommen anderseits auch Pilze zur Entwicklung, die sich meistens auf den Blättern ansiedeln. Bilden diese nun einen mehr oder weniger dichten Ueber- zug, so wird dadurch zugleich die Assimilationsthätigkeit gestört und die Pflanze kann um so mehr veranlasst werden, neue Organe hierfür zu schaffen. Eine plötzliche überreiche Ernährung wird auch, unabhängig von den Witterungsverhältnissen, durch directe Düngung herbeigeführt. Diese kann dann allein im Stande sein, eine Vergrünung und Verlaubung der Blüthentheile hervorzurufen. !) J. Peyritsch, Untersuchungen über die Aetiologie pelorischer Blüthenbildungen. Sep.-Abdr. a. d. XXXVIII. Bde. d. Denkschr. d. mathem.-naturw. Classe d. Akad. d. Wiss. Wien? 1877; p: 7, Anm. 73. 112 Dr. H. Conwentz. (p. 16) In manchen Fällen ist es höchst wahrscheinlich, dass Parasiten an und für sich schon Antholysen bewirken‘). So fand Reissek2) an solchen Exemplaren von 'Thesium- intermedium Schrad., welche von Aecidium 'Thesi Desv. befallen gewesen waren, die Blüthen etwas umgewandelt und sprossend. Hieronymus) beschreibt Antholysen an Zweigen von Euphorbia Oyparissias L., welche vom Uromyces scutellatus infieirt waren. So verschiedenartig auch die äusseren Agentien sein können, welche zu Auflösungen der Blüthe Anlass geben, der innere Grund wird immer eine un- zureichende Assimilation sein. Hierauf hat Sorauer (l.c. p. 95) wohl zuerst hingewiesen; er sagt „die Pflanze verlaubt, wenn nach ihrer Blüthenanlage Verhältnisse eintreten, welche den Blattapparat nicht genügend im Verhältniss zu der von der Wurzel aufgenommenen Bodennahrung erscheinen lassen.“ Betrachten wir nun den uns vorliegenden Fall von Rubus Idaeus L. näher. Wie Herr Apotheker Heinrich mir freundlichst mittheilte, ist der Boden seines Gartens ein ausserordentlich dürftiger. Vor sechs Jahren hat er eine Stelle desselben ausschachten und durch gutgedüngten ersetzen lassen; hierher sind damals die Himbeersträucher gepflanzt worden. Seit dieser Zeit haben dieselben nie wieder feste Düngung erhalten, sondern nur ab und zu Jauchwasser, und zwar in ziemlich regelmässigen Zeitabschnitten und Quanti- täten. Während die Stöcke in früheren Jahren stets reichlich Früchte brachten, zeigten sie heuer zum ersten Male die aufgelösten und durchwachsenen Blüthen. Hieraus erhellt, dass durch übergrosse direete Nahrungszufuhr die Umwand- lung nicht bewirkt sein kann; wir müssen daher nach einer andern Veran- lassung suchen und finden diese zunächst in den abnormen Witterungsverhält- nissen während dieses Frühjahrs. Im April herrschte grosse Trockenheit und darauf fanden im folgenden Monate reichlich atmosphärische Niederschläge statt. Um dies zu illustriren, führe ich ein paar Daten an, welche sich auf die Beobachtungen im Botanischen Garten zu Breslau beziehen. ı) cf. Peyritsch 1. c. und Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. Berlin 1874, p. 96. 2) Linnaea XVI. 1843, p. 641 sg. 3) Botanische Zeitung XXX. 1872, p. 201 sg. © Ueber aufgelöste und durchwachsene Himbeerblüthen. (p. 1%) 113 neunzehnjähr. Monat Mittel 1877 April | 14“ 21 | 8% 5 Mae Or Sl . Tabelle der atmosphärischen Niederschläge im Botanischen Garten zu Breslau. Das Verhältniss der Niederschläge, welches sich in diesen Zahlen aus- spricht, wird im Allgemeinen auch auf jene Gegend Anwendung finden können, welcher die Rubi entstammen. Noch ein zweites Moment kommt hinzu, wodurch die in Anbetracht der grossen Nahrungszufuhr unzureichende Assimilationsthätigkeit verringert wurde. Manche Blätter der Himbeerzweige waren vom Russthau befallen; Fruchthyphen traten nur selten auf, dagegen fand das Mycelium häufig eine weitere Verbreitung. Auch die blattigen Blüthentheile, namentlich die Carpelle (in dem Stadium etwa, wie es Fig. S zeigt) wurden vom Pilz bedeckt. Noth- wendigerweise musste das Erscheinen des Russthaus eine Arbeitsstörung der Laubblätter herbeiführen, und es mag daher mit die Veranlassung dazu ge- wesen sein, dass unsere Himbeerblüthen durchweg eine so vollkommene Um- wandelung zeigen. Nachschrift. Es war von Interesse, die Blüthenentwickelung an denselben Sträuchern im nächstfolgenden Jahre 1878 zu beobachten, was mir durch fortgesetzte Zu- sendungen des Herrn Heinrich möglich gemacht wurde. Hierbei stellte sich heraus, dass einige der Auflösungsformen wiederum auftraten, aber in weit schwächerem Maasse. Die Verlaubung des Kelches war nur so weit vorge- schritten, wie sie etwa in den Figg. 8, 4, 10 und 11 dargestellt ist. Die Blumenblätter zeigten meistens eine grüne Färbung und der Staubblattkreis war normal ausgebildet. Die Umwandlung des Gynaeceums befand sich nur eben in dem Stadium von Fig. 9. Apostasen und Diaphysen konnte ich an Noya Acta XL. Nr. 3. 15 114 Dr. H. Conwentz. (p. 18) den mir übermittelten Exemplaren gar nicht wahrnehmen. Jedenfalls deuten diese Erscheinungen darauf hin, dass die Frondescenz der Blüthentheile zurück- geht und verschwindet, sobald die Bedingungen für ihr Vorhandensein aufge- hoben sind. Dies war aber der Fall, denn wir hatten während des heurigen Friühjahrs verhältnissmässig nur wenige atmosphärische Niederschläge, die ausserdem in gleichmässigeren Intervallen eintraten als in vorigem Jahre. — In den metamorphosirten und anderen Blüthen zeigte sich häufig die sog. Himbeermade, Byturus tomentosus Fab; dieselbe kommt aber an den Fructi- ficationsorganen der Himbeere so allgemein vor, dass ihrem Erscheinen hier kein besonderer Werth beizulegen ist. Es ist höchst wahrscheinlich, dass sie auch in vorigem und in früheren Jahren vorhanden war und nur deshalb über- sehen wurde, weil man nicht darauf geachtet hat. (Im Juli 1578.) Ueber aufgelöste und dwrchwachsene Himbeerblüthen. (p. 19) 115 Anhang. Aufgelöste Blüthen von Rubus hirtus W. K. Als ich in der Sitzung der Botanischen Section der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur vom 15. November d. J. eine vorläufige Mittheilung über die aufgelösten und durchwachsenen Himbeerblüthen machte, hatte Herr von Uechtritz die Freundlichkeit, mir einige Antholysen von Rubus hirtus W. K. mitzutheilen. Dieselben sind von Herrn F. Schwarzer in den sechsziger Jahren bei Kuhnern unweit Striegau i. Schl. gsammelt worden. Aehnliche Exemplare von ebendaher erhielt ich kurze Zeit darauf noch durch die Güte des Herrn Dr. W. ©. Focke in Bremen. Die Inflorescenz erscheint sperriger als sonst, weil nur die 'Trerminal- blüthen der Hauptäste ausgebildet, die übrigen verkümmert sind. In jenen sind die Sepalen zu kleinen eiförmig lanzettlichen Blättchen ausgewachsen, welche gewöhnlich eine Länge von 5 6 mm erreichen. Nur in wenigen Blüthen ist der Umwandelungsprocess weiter gediehen; es hat sich ein kurzer Stiel gebildet, der Rand ist scharfgesägt geworden und die Gesammtlänge be- trägt 30 mm. In beiden Fällen ist die Consistenz, Nervatur, Behaarung und Bewehrung der Sepalen eine ähnliche, nur etwas schwächer entwickelt als -bei den Laubblättern. Die Petala sind vergrünt und das Androeceum ist nor- mal ausgebildet. Das Gynaeceum dagegen fehlt in den meisten Blüthen gänzlich oder ist hier vielmehr nur der Anlage nach vorhanden. Bei einer Antholyse aber erscheint es um S mm aus dem Perianthium herausgehoben 19; 116 Dr. H. Conwentz. (p. 20) und an der Spitze in zwei Wirtel aufgelöst. Der untere derselben zeigt die lanzettlichlinealen Carpelle an Spitze und Rändern frondescirend, in dem obern jedoch beginnt dieser Process erst an der Spitze. Wie sich hierbei die Eichen verhalten, habe ich nicht genau wahrnehmen können; doch scheinen sie hier auch zu seitlichen Zipfeln zu werden. Was die übrigen Blüthen der Inflorescenz anlangt, so sind diese in der Entwickelung bedeutend zurückgeblieben. Sie erscheinen als kleine, nur 2,0—2,5 mm lange (excl. Stiel) Knöspchen, in deren Innerem man bei stärkerer Vergrösserung die normäle Anlage aller Kreise beobachten kann. Diese kom- men aber nicht zur weitern Ausbildung, sondern abortiren gänzlich, wobei sich der Kelch in 5—7 mm lange pfriemliche Blättchen auflöst. In diesem Stadium befinden sich eine grosse Anzahl Blüthen von Rubus hirtus. Die Entwickelung der vegetativen Organe an unsern Exemplaren ist durch die Antholysen in keiner Weise beeinträchtigt worden. Ueber die Aetiologie dieses Falles kann ich leider nichts aussagen, da mir die localen und zeitlichen Verhältnisse unbekannt sind. Einen Parasiten fand ich auf den Exemplaren nicht vor. Ueber aufgelöste und dwrchwachsene Himbeerblüthen. (p. 21) 117 Erklärung der Abbildungen. (Dieselben sind nach getrockneten Exemplaren in natürlicher Grösse Fig. angefertigt.) Tafel 1. (XII) Normal ausgebildeter Kelch; s die fünf Zipfel desselben. Blüthe in der Auflösung begriffen; s die verlängerten lanzettlich-linealen Sepalen, p die vergrünten Blumenblätter, welche klein geblieben und ver- schmälert sind; & das Gynaeceum in beginnender Verlaubung. Späteres Stadium. $ die weiter ausgewachsenen Sepala von eiförmig-lanzett- licher Form, mit vorgezogener Spitze und verengter Basis; auf der Blattfläche differenzirt sich ein Mittelnerv heraus. p die vergrünten Petalen, p’ dieselben von festerer Oonsistenz und mit fein gesägtem Rande. Das Gynaeceum ist in dieser Blüthe und in den vier folgenden auf wenige Carpelle reducirt oder völlig verkümmert. Dieselben Formen weiter entwickelt. Die Basis der Sepalen ist noch mehr verjüngt und deutet einen Blattstiel an, der sich in der Lamina acropetal in einen prononcirten Mittelnerven fortsetzt. s’ ein frondescirender Kelch- zipfel mit gesägtem Rande. Der Kelch ist völlig verlaubt. s‘ die gestielten, eiförmig-lanzettlichen Sepalen (einige mit abgestutzter Basis), unregelmässig doppelt- und scharfgesägt. p und p’ wie oben. Die Kelchzipfel s’ haben unverhältnissmässig an Länge zugenommen; sie sind lanzettlich -lineal, unregelmässig weitläufig und scharf gesägt; am Grunde hängen dieselben noch miteinander zusammen. Die Blumenblätter fehlen. s‘ die verlaubten Sepalen, ähnlich denen in Fig. 5; p und p‘ wie oben; p“ ein verlaubtes Blumenblatt. st ein Mittelspross mit sieben in verschiedenen Stadien der Entwicklung begriffenen Laubblättern, £f!—fYT, Androeceum und Gynaeceum fehlen. 115 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. Dr. H. Conwentz. (p. 1) D Tafel 2. (XIIL) Die Bezeichnungen s, s’, p, p‘’ wie vorhin. € die nach unten stielartig ver- längerten und trockenen Carpelle, an welchen der Griffel, theilweise auch noch die Narbe deutlich ist. Das ganze Gynaeceum ist etwas emporgehoben; die Carpelle e, e‘ lösen sich in der Bauchnath auseinander und beginnen zu frondesciren. Das Gynaeceum ist bedeutend emporgehoben. Am Grunde desselben sind die Carpelle gestielt, aber noch geschlossen (e); weiter oben breiten sie sich aus- einander und verlauben (e'‘). Im Innern verlauben gleichzeitig die Ovula (0‘) und wachsen dann als Lacinien (L) der Blattfläche an. — Bei Z ein anomales Blatt, wahrscheinlich durch Verwachsung zweier Carpelle entstanden. Das Gynaeceum ist emporgehoben; die Carpelle (e‘) sind alle gleichmässig verlaubt. Das Gynaeceum ist emporgehoben; die Carpelle sind stark verlaubt und lang- gestielt (e‘), mit deutlich hervortretenden Lappen. st ein vegetativer Spross, welcher durch die Blüthe gewachsen ist. Das Gynaeceum ist emporgehoben und in zwei Wirtel (6 und 6‘) aufgelöst; die Carpelle (e) beginnen zu frondesciren. .14. in: . 16— 16. 17: . 18. Ueber aufgelöste und durchwachsene Himbeerblüthen. (p. 23) 119 Tafel 3. (XIV.) Das Gynaeceum ist (wie in Fig. 13) emporgehoben und in zwei Wirtel (6, 6) aufgelöst; die Carpelle (e‘) sind stark verlaubt. st ein vegetativer Spross, in den sich die Blüthenaxe verlängert hat. Auch hier ist das Gynaeceum emporgehoben und in zwei Wirtel (6, 6) auf- gelöst; an dem Axenstück zwischen beiden stehen noch zwei Fruchtblätter zerstreut. st‘ ein Mittelspross, welcher eine zweite Blüthe trägt (D); in dieser sind gleichfalls die Sepalen in der Verlaubung und die Petalen in der Ver- grünung begriffen. vb ist ein Vorblatt der durchgewachsenen Blüthe. Im untern Perianthium fehlt die Corolle. 29 stellt die Verlaubungsgeschichte des Carpells dar. Ein normales Pistill (von der Seite gesehen), dem Fruchtboden (r) aufsitzend, besteht aus drei Theilen: Fruchtknoten (g), Griffel (styl.) und Narbe (stg.). d deutet die dorsale und v die ventrale Seite an. Das Carpell ist etwas angeschwollen und hat sich basipetal in einen Stiel (pet. verlängert. — Seiten-Ansicht. Die dorsale Concavität des Fruchtblattes tritt stärker hervor; die Bauchnaht ist noch geschlossen. — Seiten-Ansicht. Dasselbe Specimen von der ventralen Seite; die Bauchnaht ist gewaltsam ge- öffnet. Ein Pistill in ungefähr demselben Stadium; die Ränder sind auseinander ge- bogen und die orthotropen Oyula (0, 0) blosgelegt. Das rechte davon (0) ist stärker entwickelt, das linke (0) verkümmert. — Dies Object und alle folgenden sind ventral gesehen. Die Carpellränder weichen auseinander, sind in der Abbildung aber unnatür- lich weit auseinandergebogen, um die Ovula zu zeigen. Diese sind zu kleinen Blättchen (0‘, 0‘) verlaubt und bleiben noch nach innen gekehrt; in der Figur sind dieselben absichtlich nach aussen geschlagen gezeichnet. Das rechte verlaubte Ovulum ist bereits seitlich mit dem Carpell zu einem Läppchen desselben (L) verwachsen. Auch das linke ist angewachsen (]). Vorgeschrittneres Stadium, in welchem die beiden Lacinien (L, ]) schon inniger mit dem Carpell verbunden sind. Das Innere des Letzteren zeigt noch die: concave Höhlung. 120 Dr. H. Conwentz. Ueber aufgelöste u. dwrchwachs. Himbeerblüthen. (p. 24) Fig. 25. . 26 8.29. . 0. .8l. Das Carpell ist vollständig in eine Ebene ausgebreitet und blattähnlich. Der linke Lappen, welcher in früheren Stadien weniger entwickelt war (1), kommt jetzt dem rechten gleich (L). Der Basaltheil des Griffels hat sich zum ober- sten Blattzahn differenzirt, welchem der Rest des Griffels mit der Narbe noch anhaftet. Die Specimen, welche in Figg. 18—25 abgebildet sind, gehören einem Gynäaeceum an; die in Figg. 26—29 einem zweiten. . 27. 28. Spätere Stadien; das Carpell wächst zu einem dreilappigen Blatt aus. Ein ungewöhnlich verlaubtes Pistill, dessen linkes Ovulum (0‘) zu einem grössern Blättchen umgewandelt, aber mit der Lamina nicht verwachsen ist; das rechte ist gänzlich verkümmert. Die Blattfläche selbst ist ganzrandig geblieben und zeigt auch noch die primitive Nervatur. Längsschnitt einer normalen Himbeerblüthe, um die Perigynie zu zeigen. Längsschnitt durch eine Blüthe, welche in der Auflösung begriffen ist, um die gleichzeitig eintretende Hypogynie zu zeigen. AG HERR Pf FR ZB I Donwenti: en serlluihen, Jaf 1 L Con WÜL EL dab LECL In ‚> FORHU & A = CHR, TE 7 a n OHIO CHHL : BR 7 0 Bu 2; Eh a 3 ER 5 DR DA Con / ed: DENN. 70 2 NOVAFRE TA der Ksl. Leop.-Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher Band XL. Nr. 4. Beiträge zur Erklärung der Bildung von Steinsalzlagern und ihrer Mutterlaugensalze von Carl Ochsenius. Eingegangen bei der Akademie den 19. Januar 1878. DRESDEN. 1878 Druck von F. Blochmaun & Sohu. Für die Akademie iu Conimission bei Wilh. Engelmann iu Leipzig, sit 1 DES E « ; n HdR 5 } Kr 33% on s inf a T s e' A SISEERT Slritte it so i ae BisRR l A v NR, ı » PITITARTTE. 0 8 ra Er | ae v «> ; . Br ur" % ws - 124 Beiträge zu der Erklärung der Bildung von Steinsalz- lagern und ihrer Mutterlaugensalze von Carl Ochsenius, Bei Anführung des von mir!) aufgestellten Satzes: „Meeresbusen mit hinlänglich bedeutender Tiefe im Innern und mit einer annähernd horizontalen Mündungsbarre, welche nur so viel Meereswasser eintreten lässt, als die Busen- oberfläche auf die Dauer zu verdunsten im Stande ist, liefern (ohne anderweitige Communication) unter vollständig oder nahezu anhydrosischen Verhältnissen ein Salzlager, dessen Mächtigkeit nur von der Busentiefe und der Dauer der ob- waltenden Umstände abhängt,“ ist von O. H. Lang in dessen „Grundriss der Gesteinskunde“ die Frage über Gyps- und Bittersalzgehalt des Steinsalzes in Anregung gebracht worden, indem dort auf S. 120 gesagt wird: „Nach dieser ‘Theorie einer fortwährenden Speisung des Salzbeckens durch nachfliessendes Meerwasser muss aber mit der Steinsalzabscheidung auch immer eine solche von Caleium- und (resp.) Magnesiumsulfat miterfolgen, die wir in Mengung (nicht Schiehtung und Wechsellagerung) mit dem Steinsalze zu finden erwarten dürften; die Bildung so ungeheurer, fast ganz homogener Steinsalzmassen, wie wir sie von Stassfurt u. a. O. kennen, scheint demnach noch nicht genügend erklärt.“ Diese Bemerkungen geben mir willkommenen Anlass, auf ihren Inhalt des allgemeinen Interesses wegen, das die Erklärung der Bildung grosser Salz- lager hat, etwas specieller einzugehen und manche Punkte, welche ich in meiner 1) Die Bildung der Steinsalzlager. Halle 1877. 116 124 Arbeit nur flüchtig andeuten konnte, etwas genauer zu erörtern. Carl Ochsenius. (p- 4) Ich muss annehmen, dass obigen Bemerkungen die Arbeiten von Usiglio, die vollkom- mensten in ihrer Art über Salzabscheidungen aus Meerwasser, zur Basis ge- dient haben, und lehne ich deshalb auch meine Beiträge an diese an. Zur Untersuchung wurde von Usiglio 1 Liter Meerwasser im Gewicht von 1035 g genommen und langsam an der Luft verdunsten gelassen. Die aus dem Meerwasser abgeschiedenen Verbindungen sind in Grammen in jeder Colonne für sich und m Summe angegeben. kürzung wasserfrei geschrieben (Ann. chim. et phys. 27. 172). Die Verbindungen sind zur Ab- Diohte des ahnen | Abscheidungen bei den verschiedenen Dichten. "oder der ae a Eisen- Caleium- , Calcium- Natriur Magne- | Magne- Natri Y II ei B @ = alc - "Jum- ae .D N = Wei1230&. |Krystalisaton. | SEOU- carbomat. sultat, | chlorid, me | Sit, | Bromid 1 | 2 Belle 5 6 7 STEREO | Liter | | | 1,0258 | 1,000 — — u a Ze _ 1,0506 | 0,533 || 0,0030 | 0,062 | — a ee ei 1,0820 | 0,316 — Sparu|ı 0 ea N 1,1067 0,245 Z— Spur — | — IE Fe — 1,1504 0,190 I — |:0,0530 | 0,5600 | — — | |. — 1,1653 0,1445 | — — 0,5620 — ee | 1,1786 0,131 _ — | 0,1840 | 5 ae u le Nur 1,2080 | 0,112 = N — 0,1600 | = Er Fr SP: 1,2208 | 0,095 — 1 0,0508 | 3,2614 | 0,0040 | 0,0078 | — 1,2285 || 0,064 —_— | — 0,1476 | 9,6500 | 0,0130 | 0,0356 | 1,2444 || 0,039 — — 0,0700 | 7,3960 | 0,0262 | 0,0434 | 0,0728 1,2627 | 0,0302 — |. — 9,0144 | 2,6240 | 0,0174 | 0,0150 | 0,0358 1,2574 || 0,023 =. = 2,2720 0,0254 | 0,0240 | 0,0518 Wolzz ll 0.0162 — — _ 1,4040 | 0,5382 | 0,0274 | 0,0620 u — | — | 0,0030 | 0,1172 | 1,7488 27,1074 0,6242 | 0,1532 | 0,2224 Hieraus ist ersichtlich, dass gleich zu Anfang Eisenoxyd und Caleium- carbonat, dann Kalk und Gyps und hierauf wenig Gyps, aber viel Steinsalz mit etwas schwefelsaurer Magnesia und Chlormagnesium abgeschieden wird. Erst zuletzt scheiden sich viel Magnesiumsalze ab mit etwas Bromnatrium, worauf bei einem specifischen Gewichte von 1,3177 an freier Luft kein Absatz mehr erfolgt. Die leichtlöslichen zerfliesslichen Verbindungen übertreffen dann das Chlornatrium an Menge um mehr als das Doppelte. Die letzten 0,0162 Liter der Flüssigkeit, aus denen durch Verdunstung an der Luft sich kein Salz mehr abschied, enthielten nämlich noch in Grammen: Beitr. 2. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p.5) 125 Chlornatrium 2,5835, Magnesiumsulfat 1,3545, Chlormagnesium 3,1640, Bromnatrium 0,3300, Chlorkalium 0,5339. Gegen Ende des Absatzes des meist durch Eisenoxydhydrat gelbgefärbten kohlensauren Kalkes beginnt, wenn die Uoncentration über 15° B. (1,1304 spec. Gew.) hinausgeht, der des Caleiumsulfates und erreicht, ehe sich ein weiterer Bestandtheil zugesellt, bei 25° B. (1,2080 spec. Gew.) die Summe von 1,4660, welche resultirt aus der Addition der 4 ersten Posten der Colonne 5. Diese Zahl aber repräsentirt 83,82%, des ganzen Calciumsulfatgehaltes, und diese bilden das Liegende des Lagers. Die übrigbleibenden 16,18 %/,, dargestellt durch die 4 folgenden Nummern, vertheilen sich auf die gleichzeitig auskry- stallisirten Mengen Steinsalz so, dass diese, welche in Summa 54,17%, des ganzen Chlornatriums ausmachen, 1,50, 1,50, 0,83 und 0,53 %, Caleiumsulfat enthalten, während die folgenden 8,50 %, Steinsalz ganz gypsfrei krystallisiren. Es tritt also Steinsalz oben mit ganz fehlendem und weiter nach unten mit bis zu 1,58 %/, entsprechendem Caleiumsulfatgehalt hier auf, und da zu Ana- Iysen doch sicher immer die reinsten Stücke und aus möglichst reinen Flötz- theilen genommen werden, wenn nicht besondere geologische Zwecke ein anderes Verfahren bedingen, so spricht der Umstand, dass fast alle Steinsalz- analysen Gypsgehalt zeigen, gerade zu Gunsten meiner Erklärung der Stein- salzbildung, denn gypsfreies Steinsalz kann sich in der Regel doch nur bilden, wenn keine neue Zufuhr von Meerwasser während der Verdunstung stattfindet, nachdem der letzte Gypsgehalt niedergegangen ist, wo hingegen nur durch das eonstante Einströmen einer, wenn auch beschränkten, doch immerhin gyps- haltigen Quantität von Seewasser über die Barre sich der fast nie ganz feh- lende Gehalt an Calciumsulfat erklären lässt. Ausserdem ist auf die von Lang als Beleg angeführte „ungeheure fast ganz homogene Steinsalzmasse von Stassfurt“ dieses Epitheton durchaus nicht in dem obigen Sinne anwendbar; denn F. Bischof!) sagt S. 25 ausdrücklich : !) Die Steinsalzlager von Stassfurt. Halle 1875. 126 Carl Ochsenius. (p. 6) „Die oberen Schichten der eigentlichen Anhydritregion enthalten neben 96 %/, Chlornatrium 4°, schwefelsaure Kalkerde; im östlichsten Ausrichtungsorte, welches, dem Fallwinkel entsprechend, 330 m tiefer liegende Schichten auf- geschlossen hat, steigt dieser Anhydritgehalt jedoch bis auf 9°/,.“ Er versteht unter homogener Zusammensetzung überhaupt nur die Eigenschaft, dass das „Lager durch seine ganze Mächtigkeit hindurch gleiehe chemische Zusammen- setzung hat, und nicht durch andere Salze schichtweise durchsetzt wird“ (S. 25) und schliesst daraus auf einen Beckenabschluss. Die Homogenität in diesem Sinne, d. h. das Auftreten von Steinsalz, welches fast nur Calciumsulfat ent- hält, steht aber einer beschränkten Communication mit dem Ocean über eine entsprechend situirte Barre durchaus nicht entgegen, sondern bestätigt dieselbe vielmehr, indem gypsfreies Salz nur äusserst selten vorkommt. Das Stass- furter Salz enthält Caleiumsulfat, als Gemengtheil z. B. in der Form der sog. Jahresringe, und als Mischungstheil z. B. 1,01°/, nach einer Analyse von Rammelsberg und 5,06 °, nach einer solchen von Bischof. Das von Ersterem untersuchte wird ausdrücklich als durchsichtig bezeichnet. Gestützt auf die in Vorstehendem erwähnten und mannigfache andere auf dasselbe bezüglichen Thatsachen ist deshalb auch der Satz: „Die Salz- massen wachsen von Grund aus auf, Gyps ist in starker Entwickelung ihr Vorgänger, in schwacher ihr Begleiter und in stärkster ihr Nachfolger“ auf S. 34 meiner Arbeit ausgesprochen worden. Dieses schliesst jedoch nicht aus, dass einzelne Salzpartien reicher, andere weniger reich, vielleicht sogar bis zum Verschwinden arm an Caleium- sulfat sein können. Dieses kann sich nämlich auch als Coneretion ausscheiden, z. B. als sog. Gekrössteine (dichter blassblauer Anhydrit) in reinem Steinsalze von Bochnia und Wieliezka, oder ais sog. Gypssteine im thonigen Steinsalz von Vizakna. Eine normal verlaufende Bildung eines grösseren Salzlagers in einem Busen mit genügend hoher Barre wird Calciumsulfat als ständigen Begleiter des Steinsalzes aufweisen, wie auch fast aus allen Analysen hervorgeht. Von 39 ein- bis zweidecimalstelligen Analysen, die mir vorliegen, gaben allerdings 6 kein Caleiumsulfat an, nämlich eine von Vie nach Berthier, eine von Algier nach Fournet und eine von Wieliczka, eine von Schwäbisch-Hall und zwei von Berchtesgaden (weisses und gelbes Steinsalz nach Bischof). Hinsichtlich Beitr. 2. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p.i) 127 der letzteren ist aber zu bemerken, dass Vogel (Will, Jahresb.) in dem Rück- stande des weissen Steinsalzes von dort neben 81,8 %/, Caleiumsulfat auch noch Kalium-, Natrium- und Magnesiumsulfat nachgewiesen hat. Von 78 weiteren dreidecimalstelligen Analysen (v. Kripp, Jahrb. Geol. Rehsanst. 1869) von galizischem, siebenbürgischem und ungarischem Steinsalz ist dagegen keine einzige, welcher ein Gypsgehalt fehlt; derselbe ist aller- dings bei 7 Analysen erst in der dritten Decimalstelle bezw. als Spur ver- zeichnet. Steinsalz von Wieliczka enthielt 100,00 NaCl, - - Sugatag (Gabrielgrube) 100,000 - mit Spuren von Gyps (v. Kripp), - - ebendaher 99,998 - - - - - u.0,002 Thon (v. Kripp), - - - aus derselben Teufe 99,815 - - 0,003 - - (v. Kripp), - - Friedrichshall, reinstes 100,00 - Spuren - - (Kinzelbach). Absolut gypsfreies Salz gehört sicher zu den grossen Seltenheiten und tindet sich nur in einzelnen Partien, bis heute ist es nur von Wieliezka bekannt. Das Auftreten einer ganzen Region (nicht einzelner Handstücke) ganz gypsfreien primitiv gebildeten Steinsalzes, ein Fall, der aber, soweit mir be- kannt, noch auf keinem Theile der Erde bis jetzt beobachtet worden ist, würde dagegen auf einen temporären Schluss der Barre, z. B. durch Versandung, vor dem Aufwachsen des Mutterlaugenspiegels bis zur Barrenhöhe, hinweisen, und zwar so, dass dieser Verschluss den Zeitpunkt der Fällung des letzten im Busenwasser enthaltenen Caleiumsulfates überdauert hat, wobei dann das etwa folgende Gyps- oder Anhydritlager als erstes Resultat einer zweiten Salzbildung mit wieder geöffneter Barre auftritt. Solche Verhältnisse sind S. 36 und 47 bis 50 meiner Arbeit kurz, aber sehr klar angedeutet worden, und es wird kein Fall primitiver Salzbildung einen begründeten Zweifel an der Richtigkeit der umfassenden, aber bestimmt erschöpfenden Erklärung erzeugen können. Die Deutung geringerer Quantitäten gypsfreien Steinsalzes ist noch leichter durch einen periodischen Barrenschluss. Ein zeitweiliger, periodisch wiederkehrender Barrenschluss ist, wenn man die von mir angedeuteten hydro- graphischen Verhältnisse mehr ins Einzelne verfolgt, ein Umstand, der gar nicht selfen auftreten wird. Hauptbedingung ist und bleibt nur die, dass der Querschnitt der Barrenöffnung nicht mehr Seewasser in den Busen einströmen 128 Carl Ochsenius. (p. 8) lässt, als verdunstet werden kann. Hierunter kann aber nur die Grösse des mittleren Querschnittes verstanden sein, denn derselbe ist ja schon durch die Gezeiten veränderlich; und tritt, wie S. 22 gesagt ist, gar der Fall ein, dass da, wo foreirte Fluthwellen herrschen, eine Barrenhöhe über dem mittleren Wasserstand für die Salzbildung erforderlich ist, so erfolgt daraus von selbst, dass in gewissen Perioden die oberen Zonen des Buseninhaltes durch totalen Abschluss mehr, in anderen durch verstärkten Zufluss weniger concentrirt sein werden. Zwar würde ein zwölfstündiger Periodenwechsel sich wohl schwerlich in seinen Wirkungen bis in die Tiefe bemerklich machen, anders aber ist es mit dem Einfluss der Aequinoctialfluthen und Ebben. Ebenso stellen sich die Verhältnisse etwas anders bei Barren von grosser Längenerstreckung und flacher Tiefe, als bei weniger ausgedehnten aber tieferen. Ferner wird selten in der Natur die Barrenlinie eine ununterbrochene genau horizontale sein; meist werden wohl mehrere Zugänge existiren, die durch Inseln oder Riffe oder Bänke immer oder zeitweise getrennt sind, und fast nie werden sie genau dieselbe Tiefe besitzen. Es wird also je nach vor- handenen Unebenheiten etc. auch die Quantität des Einflusses und Ausflusses sowohl im Ganzen, als auch bei den einzelnen Kanälen variiren — und hiermit variirt auch die Concentration des Busenwassers —, und auch nicht gleichmässig über die ganze Busenfläche, sondern je nach herrschenden Strömungen in ver- schiedenem Grade in den verschiedenen Theilen. Hierdurch wird selbstver- ständlich in erster Reihe der im Allgemeinen am wenigsten lösliche "Theil des Meerwassers, d.h. das Caleiumsulfat, affieirt, und die Folge hiervon, im Verein mit der im Anfang durch Concentration des Chlornatriumgehaltes sich steigern- den Löslichkeit desselben, ist ein Schwanken im Niederschlagsprocess desselben, je nachdem der eine oder der andere Factor momentan überwiegt. Das Caleiumsulfat kann also in einzelnen Stellen fast ganz fehlen, während es an andern massig auftritt, und da, wo es abgesondert wird, kann es sowohl in die Mischung des Haupt- (Steinsalz-) Niederschlages eingehen, als selbstständig in Form von Gemengtheil sich ihm zugesellen, oder endlich in local überwiegender Menge als Einlagerung auftreten. Für Vorstehendes, das nur den Gehalt von Steinsalz an Gyps behan- delte, bedurfte es des Hinweises auf die grosse Verschiedenheit der Verhältnisse eines flachen von einem schon abgetrennten Meerestheil abgeschlossenen Salz- wen e. Beitr. 2. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p.9) 129 gartens, dessen Vorgänge in einer Abdampfschale untersucht werden, und derer eines grossen, tiefen Busens, welcher mit dem offenen Ocean vermittelst einer Barre communieirt, nur in dem einzigen Punkte des Verschlusses, um den Beweis zu führen, dass der Caleiumsulfatgehalt als beständiger Begleiter alles Steinsalzes, das in normalem Verlauf in einem Salzbusen mit Barre ge: bildet wird, auftritt und auftreten muss; wogegen ganz gypsfreies Steinsalz, das als Salzgartenerzeugniss conform der Regel in einer gewissen Periode er- scheinen muss, wohl nur als Ausnahmeprodukt in grösseren Massen als Flötzbestandtheil angetroffen werden dürfte, und dieses Vorkommen dann (wie oben gesagt) auf einen der auf S. 22, 36 etc. angedeuteten Fälle zurück- zuführen ist. Was nun die Bemerkung betrifft, dass das in Salzbusen mit Barre ge- bildete Steinsalz als Mischungsbestandtheil auch Magnesiumsulfat enthalten müsste, so lässt sich dieses nur bedingungsweise aus Usiglio's Beobachtungen ableiten. Die Tabelle zeigt, dass bis zum Beginn der massenhaften Ab- scheidung des Bittersalzes bei 32,40 Gr. B. (spec. Gew. 1,2874) sämmtliches Steinsalz magnesiumsulfat- (und magnesiumchlorid-) haltig ist u. zwar mit 0,12 9/0, 0,13 %/,. 0,32 %/0 und 0,64 Po. Von den 39 oben erwähnten ein- bis zweidecimalstelligen Analysen weisen nur 9 einen Gehalt von Magnesiumsulfat zwischen 0,03 und 0,23 0, auf und eine ist mit einem (unter hier obwaltenden Umständen gleichbedeu- tenden)!) Gehalt von Natriumsulfat neben Magnesiumchlorid verzeichnet; aber weitere drei geben nur Spuren an. Diese geringe Zahl beweist jedoch noch nicht die gänzliche Abwesenheit schwacher Quantitäten von Magnesiumsulfat in den andern untersuchten Steinzalzproben. So zeigen z. B. die Soolen von vier galizischen Werken, deren Salz keinen Gehalt von Magnesiumsulfat an- giebt, 0,029—1,9 °/, Magnesiumsulfat in ihren festen Bestandtheilen; auch in 1) Ich muss in Bezug hierauf auf die Ausführungen von Otto (Lehrbuch der anorg. Chemie, S. 270 ff.) verweisen, und namentlich auf das Beispiel der drei Zusammensetzungs- berechnungen einer und derselben Salzaer Soole, in deren einer 0,13%, Magnesiumsulfat auftreten, während in den beiden andern sich schwefelsaures Natron in verschiedenen Quantitäten (0,274 und 0,153 %,) an der Stelle von Magnesiumsulfat ergiebt. Es kommt eben nur darauf an, ob man die nicht an Kalk gebundene Schwefelsäure dem Kali und Natron oder der Magnesia zuweist. Nova Acta XL. Nr. 4. 17 130 Carl Ochsenius. (p. 10) den Mutterlaugen kommt es vor. Von den siebenbürgischen und ungarischen Werken sind keine Soolanalysen. verzeichnet; aber schwerlich dürfte eine ent- sprechende Quantität Magnesiumsulfates in ihren, wie überhaupt in den meisten, bezw. allen, Steinsalzen fehlen. Auch für die verhältnissmässig ausserordentlich geringfügige Quantität des im Steinsalz enthaltenen Magnesiumsulfates, im Gegensatz zu den Resul- taten Usiglio’s, liegt eine einfache Erklärung in der Gesammtbetrachtung der Verhältnisse, d. h. nicht blos der chemischen, sondern auch der physikalischen, hydrographischen und meteorologischen. In einem Salzbusen, wie er als Erzeuger der Steinsalzflötze angeführt worden ist, erwärmen sich die obern Wasserschichten unter einem tropischen Klima über 22° C. Und ein tropisches Klima hat alle bis in die Tertiär- zeit gebildeten Salzlager entstehen lassen, wie neben den Funden Mac Clin- tok’s und Anderer die Forschungen von Osw. Heer (die Kreideflora der arctischen Zone) beweisen. Aus dem bisher dort gesammelten Material von Flora und Fauna von der Kohlenformation bis zur untern Kreide geht hervor, dass in Grönland tropische und subtropische Formen wie auf der ganzen ürde verbreitet waren, und erst in der obern Kreide finden sich Spuren von abnehmender Temperatur unter 70° n. Br. Aus dem Miocän ist ebenfalls eine reiche arctische Flora bekannt, die zwar noch eine viel höhere als die jetzige Temperatur voraussetzt, aber doch eine geringere als die jurassische. Erst im Miocän überwiegen T'ypen der gemässigten Zone. (Giebel, Ztschrft. Bd. XII.) Wird dieses Faetum auf die Umstände angewendet, unter denen sich die Niederschläge in einem Busen mit Barre bilden, so ergiebt sich leicht Folgendes: „Wo die Wärme am grössten, erfolgt die Verdampfung am schnellsten, und folglich wird das Oberflächenwasser, wo es wärmer ist, wegen des ge- steigerten Salzgehaltes auch dichter sein, als das darunter liegende, so dass es niedersinken und seine Wärme den darunter liegenden Schichten mittheilen wird. Im offenen Ocean wird aber das verdampfte Wasser auch nieder- geschlagen, und es hängt dort der Salzgehalt und die Dichte des Oberflächen- wassers mindestens von drei Factoren ab, von seiner Temperatur, der ver- dampften Menge, und der Menge des niedergeschlagenen Regens. Wo die Beitr. 2. d. Erkl.d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p. 11) 131 Grösse der Verdampfung bedeutend die Grösse des Niederschlages übertrifft, da theilt die stets niedersinkende Oberflächerschicht ihre Wärme dem darunter befindlichen Wasser mit, wo aber der Niederschlag nahezu gleich oder grösser ist, als die Verdampfung, da ist zu erwarten, dass das warme Wasser an der Oberfläche bleibt und die Isothermen nur einen geringen Raum in der Tiefe einnehmen.“ (Naturforscher Nr. 13, 187%, über Challenger-Exp.) Im vorliegenden Falle nun hat man es zu thun bei fehlendem Nieder- schlag mit glühender Tropenhitze mit lebhaften Luftströmungen !) und mit einer Wasseroberflächenwärme von mindestens 28 ®, indem die heutige 'Tempe- ratur des oceanischen Wärmeäquators an 32° (z. B. im mejikanischen und indischen Meerbusen) erreicht. Allerdings wird diese Isotherme sich nicht bis zum Grunde, wo zu Beginn des Processes bei hinreichender Tiefe eine eisige Kälte herrscht, vermittelst des Wechsels der Wasserschichten niederschieben können, weil lange vorher der Nieder- schlagsprocess begonnen haben wird; aber jedenfalls dringt sie im Verlaufe der Zeit bis zu einer gewissen Tiefe ein, und der ganze Buseninhalt wird sich nach und nach von oben nach unten erwärmen. Bei einer Temperatur über 21,6 ist aber Magnesiumsulfat löslicher, als Chlornatrium, und zwar um 3,5 % mehr bei 30° und um 8°, mehr bei 40°, welche Wärme unter damaligen Verhält- nissen sicher nicht zu den Unwahrscheinlichkeiten gehört haben wird. Allein eine weit geringere genügt schon, um das Magnesiumsulfat in den oberen, wärmeren Schichten gelöst zu halten; es wird somit dem Clornatrium nicht im Mischungsverhältniss zur Tiefe folgen. Hiermit stimmt auch das, was R. Helmhacker (im Chem. Centralbl. Nr. 35, 1874) über die zweite Periode der Usiglio’schen Arbeiten S. 556 sagt: „Sobald die Mutterlauge die Dichte von 1,32 erreicht hat, ist die Krystallisation der sich ausscheidenden Salze nicht mehr von der Verdunstung des Wassers allein, sondern zugleich vom Temperaturwechsel zwischen Tag und Nacht abhängig. Es krystallisiren nämlich während der Nacht Salze, welche sich mit der steigenden Tageswärme I) Die Wirkung einer solchen allein macht sich schon in der dabei eintretenden grösse- ren specifischen Schwere des Meerwassers an der Oberfläche bemerklich. (Wywille Thomson — The depths of the sea. p. 505.) U 132 Carl Ochsenius. (p. 12) theilweise wieder auflösen. Der Reihenfolge nach bilden sich aus solchen concentrirten Mutterlaugen folgende Sätze: 1. „Schwefelsaure Magnesia; dieselbe schied sich besonders bei Er- niedrigung der Temperatur als Epsomit ab. 2. Chlornatrium schied sich bei der Concentration am Tage aus.“ u. ® f. Da nun die obere Wasserwärme in einem so heissen Klima, wie es zur Zeit der Salzbildung geherrscht hat, in einem tiefen und grossen Busen sich nur sehr wenig von der am Tage herrschenden unterscheidet, so muss sich natürlicherweise Nachts der Niederschlag von Magnesiumsulfat überhaupt auf ein sehr geringes Maass beschränken, und daher kommt es, dass alles Steinsalz nur äusserst wenig Magnesiumsulfat und Chlormagnesium enthält. Dafür, dass dieses Verbleiben des grössten Theils des Magnesiumsulfates in Schichten, welche höher liegen, als diejenigen, in denen der Chlornatrium- niederschlag vor sich geht, wirklich im Grossen so der Fall ist, sogar bei weniger hohen Temperaturen, liefert die Zusammensetzung des Mittelmeer- wassers einen schlagenden Beweis. Die Seebodenerhöhung in der Strasse von Gibraltar versieht nämlich die Stelle einer unvollkommenen Barre des Mittelmeerbeckens. In diesem ist, wie in allen von der jüngst durch die Challenger-Expedition untersuchten Tiefsee- becken, das Wasser unterhalb der Kammhöhe (bezw. Passhöhe) der Becken- wände vergleichsweise stagnirend, und Temperatur und Salzgehalt sind unter- halb dieser Höhe gleichförmig; auf der Oberfläche dieser so bestimmten Zone bewegen sich die von oben kommenden Wasser nach den Ausgängen (Pässen) hin. Ohne gerade eine scharfe obere Abgrenzungslinie dieser Zone bestimmen zu wollen, muss doch erwähnt werden, dass sie höchst wahrscheinlich nur etwa einige hundert Faden unter der Oberfläche existirt; wenigstens lassen die Worte von G. v. Boguslawski in: Ueber die Resultate der neuesten Tiefsee- forschungen (Jahresber. d. Frankf. Ver. f. Geogr. 18%4—75, S. 76) keine andere Deutung zu. Der Genannte sagt: „So ist ferner das Mittelmeer durch die Schwelle bei der Bank von Gibraltar (am Cap Trafalgar und Cap Spartel nur 120—200 Faden tief) von dem offenen Ocean getrennt und zeigt von gewissen Tiefen ab bis zum Grunde des Meeres eine gleichmässige, von den len ee ee ee ee Mm SH a Ben ee Beitr. z. d. Erkl.d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p. 13) 133 polaren Zuflüssen unabhängige höhere Temperatur. Es herrscht nämlich im Mittelmeer nach den vielfachen daselbst angestellten Temperaturbeobachtungen an der Oberfläche und in verschiedenen Tiefen bis zu 2000 Faden am Grunde unterhalb der von der Sonne erwärmten Schicht eine gleichmässige Temperatur von 12,80, gerade so hoch, wie die niedrigste durchschnittliche Oberflächen- temperatur im Winter beträgt, während sie im Sommer bis zu 22,2 ° steigt, alsdann aber nur 50—100 Faden tief reicht: Da also das tiefere kalte Wasser des atlantischen Oceans, welches ausserhalb Gibraltars in einer Tiefe von 1500 Faden eine Temperatur von nur 3 hat, abgesperrt ist, so muss die Temperatur dgs Mittelmeerwassers (und so wie dieses die der ähnlichen, vom offenen Oceane abgeschlossenen Meeresbecken) der sog. isochimenalen Temperatur oder dem niedrigsten Wintermittel entsprechen.“ Weiter aber sagt v. B.: „Die Untersuchungen des Challenger haben ferner dargethan, dass die Melanesische See ein von einem zerbrochenen Barrierenriff bei einer Tiefe von 1350 Faden umschlossenes Wasserbecken ist, über welche Tiefe hinaus keine freie Communication mit dem offenen Ocean stattfindet. Die in dieser Tiefe ausserhalb dieses Beckens beobachtete niedrige Temperatur von 1,7 ° herrschte innerhalb desselben gleichmässig von dieser Tiefe an bis zu 2650 Faden“. Das heisst also: Die Wassertemperatur, welche auf der unterseeischen Kammhöhe der Wände eines geschlossenen Meeresbeckens herrscht, ist, abgesehen von Einflüssen localer Natur, dieselbe, welche die aller tiefern Theile des Beckens bestimmt. Dieser Umstand ist wichtig für die Becken, die mehr als ihren atmosphärischen Niederschlag ver- dunsten, weil in ihnen diese 'T’emperatur sich durch Vermittelung des Salz- gehaltes des Wassers bis zum Grunde fortpflanzt. Wendet man dieses Factum vorerst nur auf den vorliegenden Fall, das Mittelmeer, an, so ergiebt sich zuerst das Erwärmen des gesammten Becken- inhaltes auf die isochimenale Temperatur von 12,80 (sollte es nicht wohl die mittlere Jahrestemperatur sein, erniedrigt durch die Zuflüsse?) bis in die Nähe der Kammhöhe, d. h. bis zu der Höhe, bei der jetzt die Einwirkung der im Sommer höher erwärmten Wasserschichten aufhört, nachdem die tiefer liegen- den Schichten schon eine solche Dichtigkeit erreicht haben, dass ein weiteres Eindringen der oberen sinkenden nicht mehr stattfindet, sondern ein Ausfliessen 134 Cari Ochsenius. (p. 14) auf dieser Zone hin nach dem Ausgange, der Strasse von Gibraltar, die da- gegen an der Oberfläche Speisewasser eintreten lässt. Jene Linie würde also zu verlegen sein in die Minimaltiefe der Schwelle der Bank von Gibraltar, aber verringert um die Höhe des Ausflussstromes, d. h. also etwa in 100 Faden Tiefe, was mit obigen Resultaten, welche v. B. bezüglich des Ein- dringens der Sommerwasserwärme erwähnt, annähernd übereinstimmen würde, Dagegen muss der Beginn der Zone des specifisch schweren Salz- wassers für das Mittelmeerbecken im Allgemeinen tiefer gelegt werden; aber dieser Umstand steht der Unterströmung über den höher gelegenen Grund der Meerenge von Gibraltar nicht entgegen, indem der Unterschied des specifischen Gewichtes für das Niveau der Unterströmungen und die Höhe, zu der sie an- steigen, nicht allein massgebend ist. So schiebt sich z. B. bei den ins Meer fallenden Flüssen ein Unterstrom von völlig salzigem Wasser je nach der Tiefe, der Beschaffenheit des Grundes u. s. w. mehr oder weniger weit hinauf herein, und die eigentliche Ursache hiervon findet F. L. Ekmann in der lebendigen Kraft des Oberflächenstromes und der mechanischen Einwirkung desselben auf das Unterliegende, und sucht auf Grund umfassender Unter- suchungen an schwedischen Flussmündungen in diesem bisher bezüglich der Frage über die Meeresströmungen im Grossen gänzlich übersehenen Umstande auch für diese die Erklärung zu finden. Und auf diese Weise lässt sich das Ansteigen des salzigen Unterstromes von Gibraltar von der Schöpfstelle Wol- laston’s bis zum Ausfluss begreifen, wobei wohl die Annalıme nahe liegt, dass derselbe hohe Salzgehalt (17,3 %/, bei 670 Faden) an dieser Stelle sich auch schon in geringerer Tiefe findet. Die erst in neuester Zeit im Zusammenhang aufgefundenen häufigen Abweichungen der Tiefenisothermen des Meerwassers von den horizontalen finden demnach auch bei den Tiefengrenzlinien des Salzgehaltes desselben statt; jedoch ist da, wo bestimmte Resultate noch nicht vorliegen, nur eine annähernde Lagenangabe möglich. Uebrigens sind Beobachtungen über Tiefentemperaturen vom Mittelmeer schon in früherer Zeit gemacht, aber wahrscheinlich ihrer Auffälliskeit wegen als isolirte Daten nicht hinreichend berücksichtigt und fast vergessen worden. So fand z. B. Beitr. z. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p. 15) 135 Capt. d’Urville im Jahre 1826 in 200 Faden Tiefe 12,22 ° (54 F.), in 250 „ 14,440 (58 F.), insa00L, =, a und ebenso in 600 „ Be Diese Observationen bestätigen in eclatanter Weise das Herabsinken einer warmen, durch Anreichern specifisch schwerer gewordenen Oberflächen- schicht. Der französische Schiffslieutenant Berard fand am 23. November 1831 in 750 Faden Tiefe 12,770 (55 F.). Andere Daten aus älterer Zeit, die sich in demselben Werke (Kritischer Wegweiser im Gebiete der Landkarten- kunde, Bd. 6, S. 152), dem die obigen entnommen sind, finden, geben an: Lufttemperatur Oberflächenwärme Tiefe Temperatur Zwischen Minorcau. Algier am 26. Juni . . . . 23,890(75 F.), 20,830 (691, F.), '600 Faden, 12,77 ° (55 F.) 23,33 0 (74 F.), 23,05 ° (731 F.), 1200 Faden, dieselbe. Zwischen den Columbreten u. Cap San Martin (Valen- cia), 15. November . . 15,55 0(60 F.), 19,440(67 F.), ? Faden, dieselbe. An einer anderen Stelle . 15,00 0(59 F.), 14,44°(58 F.), 750 Faden, dieselbe. Weder Carpenter noch W. Thomson scheinen diese Zahlen gekannt zu haben. Die Wasser des Ausflussstromes sind im Mittelmeer, das mehr ver- dunstet, als es durch Süsswasserzuflüsse erhält, sehr salzreich, wie u. A. aus der letzten der Wollaston’schen Beobachtungen, welche unter 36° n. Br. und 4° 40° w. L. Gr., also etwa 32 Seemeilen östlich von Gibraltar, angestellt wurde, hervorgeht. Dieser salzige Unterstrom bewegt sich nämlich in der Nähe der Meerenge oberhalb der durch dieselbe gegebenen Kammhöhe, bis zu einer gewissen Tiefe, westwärts, wogegen der vom atlantischen Meere kom- mende Einfluss sich von dieser Tiefe an aufwärts bis zur Oberfläche erstreckt und ostwärts mit nicht unbedeutender Geschwindigkeit läuft. Wenn nun die Wasser des auswärts gehenden Tiefseestromes sich nicht in ihrer Zusammensetzung, sondern nur durch grössere Concentration von dem einfliessenden Oceanwasser unterschieden, wenn also alle salinischen Bestandtheile gleichmässig das von der Oberfläche herabsinkende Wasser be- gleiteten, so könnte sich das Mischungsverhältniss der Salze, wie es in dem ein- gehenden Ersatz, d. h. im Oceanwasser, besteht, nicht ändern. Dieses ist aber 136 Carl Ochsenius. (p. 16) der Fall; das Wasser des Mittelmeeres enthält schon jetzt mehr leicht lösliche Salze, als das der grossen Oceane, wie folgende Aufzeichnungen beweisen. Feste Theile. Oceanwasser. in. Regnault,. 5 Var Bar 2. Helmhacker) AH. al; Atlantischer Ocean m. Bischof meer, an. 36, id. zw. 30° u. 60° n. Br. n. Forchhammer. . 3,5976 %. Vorstehende Zahlen geben den Gehalt des Oceanwassers an festen Stoffen im Allgemeinen nach den neuesten mir zu Gebote stehenden Quellen an, und ebenso solche des atlantischen Oceans. Die hier in Betracht kommende ist die letztere von Forchhammer, weil sie den Theil des Oceans betrifft, welcher das Mittelmeer mit Seewasser speist. Hiergegen sind zu stellen folgende Angaben über die feste Salzmasse, welche in 100 Theilen Mittel- meerwasser enthalten ist. Bei diesen ist nur eine, die von Calamai mit 2,91 °/, Gehalt des Meerwassers bei Venedig, nicht mit angeführt worden, weil dieselbe von Seewasser handelt, das durch die Nähe der zahlreichen Flussmündungen bedeutend verdünnt ist. Es enthält das Mittelmeerwasser an festen Stoffen: nach BıisehoRe a. ee realen, se OENIR tele ne ee a EL, ann: LauUrensa) 7 0 nr LAT 108 Ausland ar 8 0 en De An Urs „ Usiglio3) bei Cette . . . 3,2655 %, „ Helmhacker?) bei Malta . 3,7396 %),, „ Vierthaler®) bei Spalato . 4,0404 %,, „ A. Vogel bei Marseille . . 3,6900 %o. Es bedarf nur eines Blickes auf diese Zahlen, um zu sehen, dass die feste Salzmasse des Mittelmeeres bedeutend grösser sein muss, als die von 1) Chem. Centralblatt 1874. 2) Joumal de Pharm. XXI. 3) Chem. Centralbl. 1874. #) Will, Jahresb. 1864. Beitr. z. d. Erkl.d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p. 1%) 13% Forchhammer für den entsprechenden Theil des atlantischen Oceans an- geführte. Das Mittel aus den acht Zahlen ergiebt 3,8699 gegen 3,5976. Das Mittelmeerwasser ist also bedeutend salzreicher, als das des vor- liegenden atlantischen Oceans. Was nun die Zusammensetzung dieser Salzmasse betrifft, so zeigt sie folgende Procente von Chlornatrium und Magnesiumsulfat. Chlornatrium Magnesiumsulfat Oceanwasser n. Regnault . . . 16,49, 6,51 oder 1 auf 0,0851, ® „„tlelmhacker .... 19.186,00 5,597... 0,0%438, Wasser d. Atlant. Oe.n. Bischof. . 44.03, 5,29 lo, 0.0687, n. Queenstedt 18:50,0, -9,40n..,. “E.,, ‚0,0840; Mittel der beiden letzten Angaben: 1 Chlornatrium gegen 0,0763 Mag- nesiumsulfat. Mittelmeerwasser Chlornatrium Magnesiumsulfat DeEBischofzanza: Stellen, 2,2»: 1,07, 8,34 oder 1:0,1082, „Ausland“ Durchschnitt . ... 65,38, 16,540 „un1. 02508; Tallsseila or.vonz Gelten.1 .u2.W : 8,1410, 6,5781 „ 1:0,0842, ee LauBems Seren)? ler ar 66.2840, Die hl 2503 Mittel dieser vier a 1 Chlornatrium gegen 0,1769 Magnesium- sulfat. Man sieht deutlich hieraus, dass die Menge der Salze unter den im Mittelmeer herrschenden hydrographischen und klimatischen Verhältnissen nicht in gleicher Proportion mit der Zusammensetzung des Zuflusses anwächst, son- dern dass die leicht löslichen vorwalten, und dies ist nur dadurch erklärlich, dass sie im Allgemeinen die obere Schicht einnehmen.!) Letzteres ist ja auch im Kaspisee mit den aus den Salzbusen kommenden Mutterlaugen der Fall, !) Dass ein Schwanken des Salzgehaltes ete. je nach verschiedenen Schöpfstellen statt- findet, ist wohl sehr natürlich. So beträgt z. B. das spec. Gewicht des Wassers aus dem west- lichen Theile 1,0280 bis (bei Sieilien) 1,0284; das des Wassers von da an bis Creta 1,0284 bis 1,0288 (nach Carpenter, erwähnt in A. Hygatt’s Rey. of the N. A. Poriferae 1877, 490. Mem. of Boston Soc. of Nat. Se.) Das von Usiglio 1 m unter der Oberfläche 3—5 km von der Küste bei Cette entnommene Seewasser stand in seiner Zusammensetzung dem des atlantischen Oceans sehr nahe. Dieses ist leicht erklärlich, indem der von Gibraltar kommende Strom, durch die Südwestwinde begünstigt, zeit- und theilweise nach Nordosten geht und die ostspanischen und südfranzösischen Flüsse wohl seinen Verdampfungsverlust compensiren. Nova Acta XL. Nr. 4. 18 138 Carl Ochsenius. (p. 18) weshalb Osc. Grimm die tiefsten Stellen dort auch am reichsten und von ganz anderen Thierarten besetzt fand, als diejenigen sind, welche die Tiefe von nur wenigen Faden bewohnen. So ist vielleicht mancher Unterschied zwischen der atlantischen und mediterranischen Fauna erklärlich. ') Würde der Niederschlag des Mittelmeergebietes hinreichen, um seine Verdunstung zu decken, so könnte ebensowenig, wie bei den grossen Oceanen eine Anreicherung der untersten Schichten stattfinden. Eine solche erschien bis vor Kurzem noch so unerklärlich, dass Karsten (Salinenkunde I, 840) vermuthete, die Angabe von Wollaston über 17,3 %/ Rohsalzgehalt einer Meerwasserprobe, welche 32 engl. Meilen östlich von Gibraltar aus 670 Faden Tiefe geschöpft war, beruhe auf einem Irrthum. Dagegen findet sich auch in diesem Werke I, S. 829 der Ausspruch von Bouillon- Lagrange und Vogel, dass das Mittelmeerwasser mehr Chlormagnesium und Bittersalz ent- hält, als das des atlantischen Oceans, und dass der Unterschied im Salzgehalt des Wassers im atlantischen Meer und im Mittelmeer so gross ist, dass eine regelmässige, sechs Monate fortgesetzte Fahrt zwischen Falmouth und Lissa- bon (1834) keine stärkere Inkrustationen in den Kesseln der Dampfschifte bildet, als eine einzige Reise von Malta nach. Vurla. Auch Mohr sagt (Geschichte der Erde, S. 29), wenn auch ohne Quellen- angabe, dass der Procentgehalt der schwefelsauren Bittererde im Mittelmeer auf 9,44 %, steigt, während er im Weltmeer nur 5,597 %/, beträgt. Vielleicht wird man aus einzelnen Analysen des auf hoher See an derselben Stelle des Mittelmeeres aus differenten Tiefen entnommenen Seewassers nicht den Beweis für den verschiedenen Bittersalz- und Chlormagnesiumgehalt in den ver- schiedenen Wasserschichten absolut führen können. Solche Analysen fehlen noch; allein selbst wenn der Unterschied im Gehalt der leicht löslichen Salze auch so klein wäre, dass er sich der analytischen Feststellung entzöge, so muss er doch im grossen Ganzen existiren. !) Dies betont auch A. Hyatt a. a. O. indem er sagt: „Welchen Einfluss die höhere Dichtigkeit des Mittelmeerwassers auf die Entwickelung der Schwämme hat, ist bis jetzt, wo noch unvollkommene Daten vorliegen, schwer zu sagen; wahrscheinlich ist er sehr gering. Die chemische Zusammensetzung des Wassers ist ebenso wenig hinreichend untersucht, und wird solche von grösserer Wichtigkeit sein, von dem Moment an, wo bei ihr grössere Ver- schiedenheiten wohl vorhanden sein werden. Beitr. 2. d. Erkl.d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p. 19) 139 Der grössere Bittersalz- (und auch Chlormagnesium-) Gehalt des Mittelmeerwassers ist ganz sicher neben der Trockenheit des Klimas des Mittelmeergebietes der orographischen Beschaffenheit des Grundes der Strasse von Gibraltar zuzuschreiben; aber man darf doch solche Resultate von un- gemessenen Zeiträumen nicht nach momentan ausführbaren Experimenten be- messen wollen. Ganz bestimmt werden spätere Untersuchungen die Richtig- keit meiner Erklärung, nachdem sich diese erst Bahn gebrochen hat, bestätigen; und um so mehr, als jetzt durch die Tiefseeuntersuchungen unsere Kenntnisse über die Beschaffenheit des Grundes der unterseeischen Strömungen, u. s. f. nach allen Richtungen hin so erweitert werden, dass man mit grösserer Sicherheit über die Brauchbarkeit der Analysen zu entscheiden vermag, was heute noch durchaus nicht im nöthigen Umfange der Fall ist. Auch die Verhältnisse im Schwarzen Meere und der Ostsee lassen darauf schliessen, dass das Verhältniss des Clornatriums zu den übrigen See- salzen in den unteren Schichten des Oceans überhaupt ein etwas grösseres ist, als in den oberen, wenn der Unterschied auch noch nicht durch Analysen nachgewiesen ist. So enthält das Wasser des Schwarzen Meeres bei Feodosia 1,7661 °/, feste Bestandtheile, aber darin 79,39 %/, Chlornatrium nach Göbel, und das der Ostsee gar 84,39 °/, Chlornatrium in 1,77 %/, festen Salzen. Beide Meeresbecken erhalten ihren Salzgehalt durch Unterströmungen (durch den Bosporus und den Sund mit den Belten) aus den vorliegenden grösseren Meeren, und es scheint demnach, als ob das in der Tiefe einströmende Ocean- wasser mit etwas vorherrschendem Chlornatriumgehalt versehen ist: denn sonst müsste doch das Verhältniss der Seesalze untereinander sich ziemlich gleich bleiben. Auch im Mittelmeere findet eine Zunahme des Chlorgehaltes nach der Tiefe hin statt, wie Forchhammer’s Untersuchungen zeigen, der als mittleren Chlorgehalt von 11 Proben der Oberfläche 20,589 fand, während der auf der Tiefe von 300—600 Fuss auf S Proben 21,138 war. Noch deutlicher zeigt sich dieses im 'Todten Meere nach den umfassen- den Analysen von A. Terreil (Compt. rend. LXI, 1329). Dort erreicht die Menge der festen Bestandtheile in 300 m Tiefe das 1,35—10,27 fache der Menge derselben an der Oberfläche, und unter ihnen erreicht Chlor das 1,35 —9,92fache der Oberflächenmenge, während die Schwefelsäure in der genannten Tiefe nur auf das 1,06—2,59fache ihrer Oberflächenquantität kommt. 18* 140 Carl Ochsenius. (p. 20) Ebenso schwer ins Gewicht fallend ist der Umstand, dass man in den Salzgärten von Camargue nach Balard (Bull. Soc. d’Encour. 1865, XI) durch freiwillige Verdunstung drei verschiedene Salzabsätze erhält, von denen der erste ausschliesslich aus Chlornatrium, der zweite aus etwa gleichen Theilen Chlornatriums und Magnesiumsulfates besteht und der dritte (Sommersalz) ebenfalls durch diese beiden letzteren und der ganzen Menge der Kalisalze gebildet wird. Hier schlägt sich also Magnesiumsulfat später nieder, als bei Usiglio’s Versuchen. Aus Vorgetragenem ergiebt sich:. 1. Alles primitiv abgelagerte Steinsalz mit bis jetzt äusserst wenig bekannten Ausnahmen enthält einen mehr oder minder bedeutenden Gehalt von Caleiumsulfat in seiner Mischung. Ein (bisher noch nirgends beobachtetes) Vorkommen von gypsfreiem Steinsalz in grösseren Massen würde sehr einfach durch einen längeren Barren- (bezw. Bank-)verschluss des salzbildenden Busens zu erklären sein, während kleinere Partieen durch kürzere, vielleicht periodische, Unterbrechungen des Zuflusses entstehen können. Alle diese Modificationen sind von mir, wenn auch nur streifend, be- rührt worden. 2. Der geringe, fast verschwindende, aber wohl nie ganz fehlende Gehalt des Steinsalzes an Magnesiumsulfat ist eine natürliche Folge von der bei den obgewaltet habenden, durchweg hohen Temperaturen viel grösseren Löslichkeit des Magnesiumsulfates und des Umstandes, dass die Lösungen der Magnesia- salze einen Ausweg über die Barre haben, wonach die Resultate Usiglio’s in einem abgeschlossenen Salzgarten, in dem die Mutterlaugen ihre volle Wirkung unter abwechselnd gemässigten und kühlen Temperaturen auf die darunter oder im Niederschlag begriffenen Salze ungeschwächt ausüben konnten, nicht als absolut maassgebend angesehen werden können für andere Ver- hältnisse. Noch weniger maassgebend sind die Versuche in Abdampfschalen ; denn schon zwischen diesen und den Vorgängen in einem Salzgarten finden I) Bull. Soc. d’encourag. 1865, XII. — Will, Jahresb. 1866, 847. Beitr. 2. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p.21) 141 Verschiedenheiten statt, wie aus dem von Balard erwähnten und oben eitirten Verfahren und Vorgang zu Camarque ersichtlich ist. Hiernach würde auch der zweite Theil der Bemerkung von O. Lang erläutert sein. 3. Aber selbst die Annahme einer mit den Untersuchungen im Kleinen im Widerspruch stehenden Folge oder ein Ausbleiben von Niederschlägen, die ihrer Löslichkeit nach in irgend einer bestimmten Periode der Salzbildung zu erwarten wären, würde nicht gegen die Richtigkeit der erwähnten Erklärung sprechen, wie ich weiter unten noch belegen werde. 4. Das Stassfurter Salzlager kann durchaus nicht durchweg als Norm für die Verhältnisse aller anderen Salzlager angezogen werden, weil eine T'em- peratur von 50° C., die nach E. Pfeiffer!) zum Starrwerden des Bischofits nöthig ist, wohl nicht auf grössere Tiefen durch blosse Tropenwärme gelangen kann, und daher auf eine weitere Wärmequelle aus den dort stattgehabten Wirkungen zu schliessen ist. — Anknüpfend an das über Gypsgehalt des Steinsalzes im Satz 1 Ge- sagte wird es am Platze sein, noch Einiges über Oaleiumsulfatniederschläge zu erwähnen. Wenn man auch noch nicht im Stande gewesen ist, im Kleinen die Verhältnisse herzustellen bezw. nachzuahmen, unter denen der schwefelsaure Kalk von der Natur wasserfrei abgeschieden worden ist, so besteht doch kein Zweifel mehr darüber, dass es verschiedene Bedingungen geben muss, unter denen es möglich ist. Zu den Bildungen bei höheren "Temperaturen gehört die von Anhydrit in Krystallen durch Zusammenschmelzen von schwefelsaurem Kali mit über- schüssigem Chlorcaleium, und die durch Erhitzen auf 1250—130° von Gyps in gesättigter Chlornatriumlösung in geschlossenem Raume (Pogg. Ann. 77, 161); Ualeiumsulfat mit geringer Wassermenge (2 Ca SO, + H,;0) kommt als Kessel- stein von nur mit 2 Atmosphären Druck arbeitenden Dampfmaschinen nach Johnston vor; der Pfannenstein enthält oft mehr als 30%, Wasser auf 63%, 1) Arch. Pharm. 1877, 305. 142 Carl Ochsenius. (p. 22) Caleiumsulfat, und diese beiden letzten Bildungen sind nicht auf Wasser- verlust von Gyps durch Erhitzen zurückzuführen. Von letzterem Agens reicht allerdings schon eine noch unter dem Siedepunkt des Wassers bleibende Höhe (75—90 °) hin, wenn ausreichende Zeit für die Einwirkung in Anspruch ge- nommen wird, um den grössten Theil des Wassers zu entfernen, aber alle diese Facta sind für das massige Auftreten von wasserfreiem krystallinischen Caleiumsulfat schon wegen der hohen T’emperaturgrade als Erklärungsweise nicht anwendbar. Für dieses Vorkommen muss als Hauptursache die Gegenwart von concentrirten Salzlösungen, besonders von Mutterlaugensalzen, be- trachtet werden, und bilden die verschiedenen Doppelsalze von schwefelsaurem Kalk mit anderen Salzen, welche statt des Wassers eintreten, eine Reihe von Mittelgliedern zwischen wasserhaltigem und wasserfreiem Calciumsulfat. Der gewässerte schwefelsauere Kalk ersetzt sein Hydratwasser durch schwefelsaure Alkalien in sehr verschiedener Weise: Durch schwefelsaures Kali an die Stelle der Hälfte des Halhydratwassers in dem Doppelsalz 2 CaSO,.KSO,.3 H,O. Durch schwefelsaures Kali an die Stelle des Gesammthalhydratwassers im Syngenit (Kaluczit) CaSO, .. KSO,.H;0. Durch schwefelsaures Kali zu gleichen Theilen mit schwefelsaurer Mag- nesia an die Stelle des Gesammthalhydratwassers im Polyhalit 2 CaSO,.KSO,.MgSO,.2H;0. Durch schwefelsaures Kali mit zwei gleichen Theilen schwefelsaurer Mag- nesia an die Stelle des Gesammthalhydratwassers im Mamanit 3 CaSO, .KSO, ..2 MgS0,.3 H,O. Ganz wie das schwefelsaure Kali in der ersten Verbindung verhält sich das schwefelsauere Rubidium, und wie in der zweiten Verbindung das schwefelsauere Ammonium. Diese vier Doppelsalze sind künstlich bei gewöhnlicher Temperatur ohne Gegenwart anderer Salze direct herstellbar, während die beiden folgenden Verbindungen, in denen ein Theil des Kaliums durch Magnesium ersetzt ist, sich nicht künstlich aus der Combination ihrer Lösungen herstellen lassen. Ebensowenig ist es gelungen, für Kalium das Natrium, Lithium oder Thallium Des - Beitr. z. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p. 23) 143 zu substituiren. Selbst monatelanger Contact der concentrirten Lösungen zeigte keinen Erfole. ) Und dennoch unterliegt es keinem Zweifel, dass sowohl alle die wasser- haltigen Verbindungen des Caleiumsulfates mit schwefelsauren Alkalien und Erden, als auch die beiden wasserfreien bis jetzt bekannten, Glauberit und Drenlit (wenn man diese letzteren mit hierzu rechnen darf), aus wässrigen Lösungen abgeschieden worden sind. In der 'T'hat weisen die neuesten Untersuchungen von J. B. Hannay (Journ. of the Chem. Soc. No. CLXXVIIL) das Letztere nach und erwähnen ausserdem noch andere Verbindungen, welche der grossen Wichtigkeit halber, die ihr Hauptbestandtheil, das Caleiumsulfat, in der Erdrinde besitzt, hier kurz angeführt werden mögen. Hannay’s Versuche gelangen aber nicht unter Verhältnissen im kleinen Maassstabe eines Laboratoriums, sondern unter solchen, welche durch gross- artigen Fabrikbetrieb geboten werden, wobei Lösungen von der betreffenden Zusammensetzung monatelang durch dieselben Röhren liefen, ohne gestört zu werden. Die krystallinischen Ablagerungen, welche sich in diesen gebildet hatten, nachdem lange Zeit Lösungen genannter Art bei 40—80 ® darin eircu- lirten, die gleichzeitig Sulfate von Kalium, Natrium, Caleium, Magnesium und chromsaures Kali enthielten, und von denen namentlich _das letzte in über- wiegender Menge vertreten war, bestanden aus verschiedenen Doppelsalzen. Der grösste Theil der Ablagerungen erwies sich als OaSO,.Ks;SO, + H,O; ein anderer als CaSO, . K,CrO, +H;0 und CaS0O, .2K;,CrO,. Diese beiden Verbindungen beweisen, dass nicht blos Sulfate das Wasser des Gypses zu ersetzen im Stande sind. Zugleich mit der letzten Verbindung fand sich ein dunkelgefärbter Absatz, dessen Zusammensetzung nahezu der Formel CaSO,.N3S0,.K,0rO, entsprach, wo also schon Natriumsulfat an die Stelle der Hälfte des Kaliumchromates getreten war. In einem anderen Rohre traf Hannay grosse Mengen von CaSO,.Na;S0O, an, also Glauberit. Einige andere sehr interessante Glieder dieser Kette von Verbindungen, wie z. B. 2CaSO,+3H;0 +CIH, gehören wohl nicht in den Kreis dieser Beiträge. 1) Compt. rend. LXXXIV. 86. 144 Carl Ochsenius. (p. 24) Liegt es nach dem Vorstehenden also sehr nahe, dass die Lösungen, aus denen sich die natürlich vorkommenden Caleiumsulfatverbindungen (ausser dem Gyps selbst) bildeten, noch andere Salze enthalten mussten, welche die Vermittelung dieser Bildungen übernahmen, so können dies in der Natur nur die Mutterlaugensalze gewesen sein, wobei besonders die Zeitdauer ihrer Wir- kungen noch einen grossen Einfluss gehabt haben muss. Wenn aber die Gegenwart von Mutterlaugensalzen das Caleiumsulfat halbwasserfrei mit Ersatz durch Kaliumsulfat ete. ausscheiden machte, ja es sogar veranlasste, wasser- frei z. B. in Combination mit Natriumsulfat zu treten, obschon sich dieses viel weniger leicht mit dem Caleiumsulfat verbindet, als Kaliumsulfat (woraus sich das verhältnissmässig seltene Vorkommen von Glauberit erklärt), so muss die Anwesenheit dieser Lösungen auch im Stande gewesen sein, die Bildung von Anhydrit zu bewirken, sobald die Bedingungen des Ersatzes durch Theile der Mutterlauge aufhörten oder nicht von vornherein gegeben waren. Hierfür existiren in der Natur mannigfache Belege. Ausser dem massenhaften Vorkommen von Anhydrit im Hangenden der Steinsalzlager, das ein schwerwiegender geologischer Beweis ist, giebt es noch manche andere, von denen nur einige hier angeführt werden mögen. Die oben erwähnten sog. Gypssteine aus dem thonigen Steinsalz von Vizakna, welche schon 1750 von Fichtel erwähnt worden sind, bestehen aus teinkörnigem Anhydrit mit einer einige Millimeter starken Gypsrinde, die offen- bar erst durch spätere Wasseraufnahme sich gebildet hat. Sie sind von Hasel- nuss- bis Wallnussgrösse, mit warzenförmigen Auswüchsen bedeckt und ent- halten beigemischtes Chlornatrium. „Schnitte und Schliffe des diese Knollen enthaltenden Steinsalzes zeigen, dass diese als solche in die Sedimente gelangt, und dass sie nicht spätere Coneretionen aus demselben sind. Der ursprünglich wasserfreie schwefelsaure Kalk kann sich nur dann bilden, wenn Salze gegenwärtig sind, die ihm das Krystallwasser aufzunehmen nicht erlauben, wie Chlormagnesium und Chlor caleium; es musste sich somit der Salzsee, aus dem sich die Vizaknaer Lager- stätte gebildet hatte, in einem vorgeschrittenen Zustande des Salzabsatzes befunden haben“. (PoSepny in Verh. d. K.K. Geol. Reichsanst. 1869. 141.) Aehnlich kommt der Anhydrit in Kalucz in blassviolblauen oder grau- lichen, fest aneinander gewachsenen Kugeln von 3—4 cm Durchmesser vor, Beitr. 2. d. Erkl. v. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p.25) 145 die eine ausgezeichnet dünnstänglig-concentrische, z. Th. dabei concentrisch- schalige Textur besitzen. Dieselben liegen im Sylvin. (J. Niedwiedzki in Groth’s Ztschr. 517.) Auch die sog. Gekrössteine von Bochnia und Wieliezka sind hierher zu zählen. Die ringsum ausgebildeten Krystalle von Anhydrit im Kieserit, und die mikroskopischen, theilweise unvollkommen ausgebildeten Anhydritkrystalle in den Carnalliten von Douglashall liefern weitere Belege für diese Ansicht. Auch in den grösseren Pseudomorphosen (von rothem körnigen Stein- salz nach Sylvin) des Salzthones von Douglashall finden sich mikroskopische Aggregate von aneinander gereihten Anhydritkryställchen, wie schon B. Kos- mann (schriftl. Mitthlg.) beobachtet hat. Auch in manchen der kleineren Pseudomorphosen von Steinsalz nach Steinsalz muss Anhydrit vorhanden sein. Während die Analyse nach Fuhrmann 63,71 Chlornatrium; 8,97 schwefelsauren Kalk; 2,94 schwefelsaures Natron; 1,66 schwefelsaure Mag- nesia; 0,92 Eisenoxyd und 'Thonerde bei 16,92 Unlöslichem (wesentlich Quarz) gegen 4,58 Wasser aufweist, worin also der Wassergehalt mehr als hinreichend ist, um das Caleiumsulfat als Gyps erkennen zu lassen, ergab eine schon früher im Juli 1873 von Treuchert in Halle angestellte ') 37,09 Chlornatrium, 36,72 schwefelsauren Kalk, 0,35 Eisenoxyd bei 19,24 Quarz gegen nur 7,15 Wasser; so dass also ein Theil (9,71) des Caleiumsulfates- als Anhydrit in der Pseudomorphose vorhanden gewesen sein muss. Auch fehlt schwefel- saures Natron. Aus diesen Differenzen ist ersichtlich, dass nicht unbedeutende Ver- schiedenheiten bei geringeren räumlichen Distanzen in anscheinend homogenen Theilen derselben Salzablagerungen vorkommen können. ') Für die Nichtkenntniss dieser Analyse und der Verhandlungen über die genannten Pseudomorphosen in dem Verein für Naturwissenschaft in Halle (Ztschr. f. die ges. Naturw. v. Giebel, 12) mag ein zwanzigjähriger Aufenthalt in entlegenen Theilen Süd-Amerikas, der einen Contact mit deutscher wissenschaftlicher Literatur auf mikroskopische Dimensionen redu- eirt, neben der Unmöglichkeit, diesen Contact in kurzer Zeit nach der Rückkehr wieder so herzustellen, dass auch keine Notiz übersehen wird, als Entschuldigung dienen. Nova Acta XL. Nr. 4. 19 146 Carl Ochsenius. (p. 26) Die Handstücke, welche bisher von Douglashall in die Hände der ver- schiedenen Gelehrten gelangten, sind sämmtlich von mir (in 14 Suiten) ge- schlagen worden, und stammen aus den beiden Schächten, so dass also höchstens eine Entfernung von nicht ganz 60 m die Stellen der Entnahme getrennt haben kann. Da sich nun auch in der Entwickelung “des Glauberits ein grosser Unterschied in den beiden Schächten zeigt, so wäre es möglich, dass das in Halle untersuchte Stück aus Schacht I, das Berliner aus Schacht II stammt. Die Mutterlaugen sind aber dort nicht überall in gleicher Weise von den Thonen absorbirt worden und verschiedene Umsetzungen müssen dabei statt- gefunden haben, wie schon S. 70 erwähnt worden ist. Jedenfalls bildet die Gegenwart von Mutterlaugen in hinreichender (Quantität, um Massenwirkung auszuüben, das Hauptmoment bei der Abscheidung des wasserfreien Caleiumsulfates, und scheint diese zuweilen in inniger Ver- einigung mit dem noch in den Mutterlaugen vorhandenen Chlornatrium vor sich zu gehen. Zu einer solchen Bildung gehört sicherlich das eigenthümliche Vorkommen des- steinsalzhaltigen Anhydrits, welcher das Material für die Salinenarbeiten von Bex in Waadt liefert, indem er 25 Pfd. Chlornatrium in einem Cubikfuss enthält. In den Mutterlaugen (welche zu den Bädern von Lawey verwendet werden) sind alle die bekannten Salze vertreten; der gang- förmige Anhydrit-Stock ist daher als ein T'heil des Endproductes einer normal verlaufenen Salzbildung anzusehen. Ein weiteres Moment ist der Druck, von dem Heidenhain (in der Ztschr. d. d. Geol. Ges. 1874, 8.278) sagt: „Die neueren Forschungen haben dargethan, dass, wenn die Abscheidung von schwefelsaurem Kalk aus einer Lösung unter einem Drucke von zehn Atmosphären geschieht, sich dieses Salz nicht wasserhaltig, sondern wasserfrei zeigt“. Der Druck allein scheint aber nicht hinreichend zu sein; denn sonst müsste auch das Liegende jedes Salzlagers, das sich zur Zeit der Bildung 100 m unter dem Spiegel des Meerbusens befunden hat, Anhydrit sein, was doch mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Wärme und Zeit als weitere Momente können in diesem concreten Falle nur beschränkte Anwendung finden, da die Wärme wohl dem Gypse das Wasser entzieht, aber viel weniger Rückbildungen von Gyps zu Anhydrit, Beitr. z. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p.27) 147 als umgekehrt, Umwandlungen von Anhydrit in Gyps durch allmähliche Aufnahme von Wasser in langen Zeiträumen als geologische Facta zu verzeichnen sind. Was nun die so häufig beobachtete Unregelmässigkeit in dem Absatze des schwefelsauren Kalkes betrifft, so wäre hier Folgendes zu bemerken. Bekanntlich wird der Gyps von Kochsalzlösung in viel grösserer Menge aufgenommen, als von reinem Wasser und zwar nimmt eine zu einem Drittel gesättigte Chlornatriumlösung ebensoviel — 1 gr in 150 Ce. bei 13,5 0 — auf, als eine vollständig gesättigte, während eine schwächere, z. B. eine nur zum fünften Theile gesättigte 1 gr in 244 Öc. zu halten vermag. !) Diese grössere Löslichkeit kann herrühren von der Bildung leicht lös- licher Doppelverbindungen, wahrscheinlicher aber setzen sich beide Stoffe theil- weise um, die Lösung aus vier Salzen besteht: Chlornatrium und Chlor- caleium mit Natrium- und Calciumsulfat, so dass die grössere Löslichkeit des Gypses in der Kochsalzlösung von der Bildung des leicht Jöslieheren Chlorcaleiums herrührt, wobei die gleichzeitige Bildung von Doppelsalzen nicht gerade ausgeschlossen ist. Besteht nun zwischen den vier Salzen Gleichgewicht und man vermehrt die Menge des Chlorcaleiums oder Natriumsulfates, so muss in beiden Fällen eine Vermehrung von Calciumsulfat eintreten, und reicht die Wassermenge nicht aus, um allen Gyps gelöst zu halten, so findet Abscheidung statt. In der "That fällt aus einer kochsalzhaltigen Gypslösung auf Zusatz von Natrium- sulfat Gyps heraus, und mehr und noch schneller auf Zusatz von Chlor- caleium. ?) Der aus einem Salzbusen strömende Mutterlaugenfluss muss also bei der Vermischung mit dem Oceanwasser jedenfalls Verbindungen hervorrufen, die auch die Sulfate und Chloride von Natrium, Caleium und Magnesium ent- halten, welche als solche noch nicht in einer der beiden Flüssigkeiten als direet vorhanden angenommen werden, z. B. schwefelsaures Natron. ‚Je nachdem nun die Mutterlaugen mit den Wassern des Aussenmeeres rasch vermischt und von der Busenmündung abgetrieben oder zurückgehalten werden, oder in regelmässigen Intervallen durch Fluth, herrschende Winde, oder !) J. Hover Droeze Ztschr. d. chem. Gs. Nr. 4, 1877. 2) J. Lemberg in Ztschr. d. d. Geol. Gs. 1876. 19* 148 Carl Ochsenius. (p. 28) in unregelmässigen Zeitabschnitten durch Strömungen, Stürme, in den Busen wieder mit Oceanwasser eingetrieben werden, muss ihre Wirkung eine ver- schiedene sein. Namentlich wird da, wo Chlorcaleium oder Natriumsulfat, das sich sehr wohl gebildet haben kann, mit Oceanwasser in den Buseninhalt wieder eingeführt wird, ein anderer Gypsniederschlag stattfinden, als wenn normal zusammengesetztes Meerwasser allein zutritt, welches letztere nament- lich besonders dann die Regel sein wird, wenn der herrschende Wind unter etwa 450 vom Küstenlande nach der See weht. Der auf vorhin erwähnte Weise modifieirte bezw. verstärkte Niederschlag von Gyps, bei dem noch die Massenwirkung des Bittersalzwassers sehr zu berücksichtigen ist, wird sich natürlicherweise nicht über alle Busentheile gleichmässig erstrecken, und daher sind Unregelmässigkeiten in der äusseren Form der sich bildenden Nieder- schläge sehr begreiflich. So begreift man sehr einfach das Vorkommen von Gypsmassen, welche zuweilen in den Strecken von Steinsalzwerken u. a. in dem von Wilhelmsglück dem Bergmanne entgegentreten, nach deren Durch- fahren er aber wieder reines Steinsalz antrifft. ad 2. Aber auch die mechanischen Sedimente, z. B. thonige, werden nicht in regelmässigen Lagen abgesondert; es stehen dabei die Resultate chemischer Wirkungen in Verbindung mit mechanischen. So schlägt sich Thonschlamm nach den Untersuchungen von W. Ramsay') aus reinem warmem Wasser rascher nieder, als aus kaltem. Dies ist zwar leicht erklär- lich durch die Differenz der specifischen Schwere des Wassers in verschiedenen Temperaturen; aber er fällt auch schneller zu Boden aus concentrirten Salz- lösungen, als aus schwachen, trotz des grösseren speeifischen Gewichtes von ersteren, und er bleibt weniger lange suspendirt in Lösungen von Natronsalzen, als in solchen gleich starken von Kalisalzen. Noch rascher als aus einer gesättigten Kochsalzlösung von 1,1975 spec. Gew. fällt er aus einer gesättigten Bittersalzlösung von 1,265 spec. Gew. Hieraus ergiebt sich eine Potenzirung der Mächtigkeit der Einlagerungen an Stellen, wo der Buseninhalt am concentrirtesten ist, wobei wieder Inseln und Untiefen, in deren Nähe stärkere Verdunstung, höhere Erwärmung ete. statt- findet, gewiss eine grössere Rolle spielen, als man auf den ersten Blick glauben 2) Quart. Journ. of the Geol. Soc. XXI. Beitr. 2. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p.29) 149 sollte. Die Unregelmässigkeiten in den grösseren T'honeinlagerungen, Bänken und Bändern (welche sich weniger häufig auskeilen, als sich noch auf weite Strecken immer schwächer fortsetzen und zuletzt nur durch schwache Trü- bungen der Salzlager angedeutet sind), soweit sie nicht von der Gestalt der jedesmaligen Grundfläche abhängen, werden gewiss hierdurch am natürlichsten gedeutet. Wahrscheinlich findet aber auch umgekehrt eine Wirkung des Nieder- gehens von Thonschlamm auf die Ausscheidung von einzelnen Salzen aus einer Mischung statt, wie nachstehende Beobachtungen erkennen lassen. Die acht unter Nr. 2 erwähnten Analysen von Steinsalz mit Magnesiumsulfat sind folgende: Chlor- Chlor- Calecium- Magnesium- Thonu.Un- natrium. magnesium. sulfat. sulfat. lösliches. Weisses Steinsalz v. Djebl Sa- hari nach Simon . . . 98,34 0,05 0,60 0,03 0,98 Graues ebendaher nach Ville 91,70 0,13 2,31 0,16 5,41 Von Neyba auf St. Domingo nach Goessmann . . . 98,33 0,04 1,48 0,06 0,01 Weiss 97,2 0,4 1,2 0,5 0,7 Roth von Varennes nach | 96,78 0,68 1,09 0,60 0,85 Gelb Berthier.30219’96,70 0,23 1,21 0,66 1,20 Grün } 96,27 0,27 1,09 0,80 1,57. Alle diese und besonders die vier letzten, welche aus einem und dem- selben Flötz stammen, drängen die Vermuthung auf, dass zwischen Thon- und Bittersalzgehalt eine Beziehung stattfindet; dass gewissermassen der T'hon- absatz ein die Abscheidung von Bittersalz begünstigendes Moment ist. Auch drei Analysen des Steinsalzes von Vie nach Berthier, in denen nur Spuren von Bittersalz verzeichnet sind, enthalten bituminösen 'T’hon. !) Die achte Analyse ist eine von Stassfurter Salz nach Rammelsberg mit 0,23 %/, Magnesiumsulfat, aber ohne Angabe von T’hon. Ihre Summe beträgt 99,542); es wäre also möglich, dass der Rest von 0,46 unlösliche 2) Karsten, Sal. I. 79. 2) Einen Druckfehler 5,01 Gyps (Will, Jahresb.) statt 1,01, wie Dana anführt, vorausgesetzt. 150 Carl Ochsenius. (p. 30) Substanzen (Thon ete.) repräsentire. Dasselbe muss gesagt werden von der neunten, Steinsalz von Kansas nach C. A. Goesmann, die 0,1794 Magnesium- sulfat neben 0,24 Natriumsulfat angiebt, während der Ausfall von 0,2473 nicht näher bezeichnet ist. Einen Zusammenhang zwischen erdigen Bodenbestandtheilen und Mag- nesiumsulfatniederschlag betont auch Wanklyn (in Will, Jahresb. 1574) bei Gelegenheit der Besprechung von portugiesischen Seesalzsorten. Es werden bei Lissabon, Setubal und Aveiro zwei Ernten gemacht. Die erste entspringt der Füllungsperiode von Herbst bis Juni und die zweite der von Juni bis Herbst. Das dortige Salz enthält: Von Lissabon von Setubal von Aveiro 1. Ernte 2. Ernte 1. Ernte 2. Ernte 1. Ernte 2. Ernte Unlöslich. . . 0,045 0,008 0,015 0,022 0,030 0,047 0,067 0,396 Magnesiumsulfat 0,565 2,337 0,268 0,47% 1,881 1,789 0,903 0,165 Chlormagnesium 0,17% 2,151 0,097 0,434 1,824 2,000 1,134 0,181 Wanklyn erklärt die ihm auffallende 'Thatsache, dass in Setubal und Lissabon die zweite Ernte reicher an Magnesiasalzen ist, als die erste, ob- gleich bei der ersten der Gesammtrückstand des Seewassers, bei der zweiten aber eine von den Mutterlaugen getrennte Krystallisation genommen wird, da- durch, dass der poröse Boden der Salzgärten in Lissabon und Setubal die Magnesiasalze in höherem Grade durch Diffusion aufnähme, als das Kochsalz, und dass der mit Maenesiasalzen beladene Boden der zweiten Ernte nicht so reinigend wirken könne, als der frische Boden bei der ersten Ernte. Es hat diese Ansicht viel Wahrscheinlichkeit für sich, obschon nicht anzunehmen ist, dass die Magnesiasalze in so Hachen Vertiefungen, wie die Salzgärten sind, nur die obersten Schichten der stagnirenden Flüssigkeit bilden, und so seitwärts von den Uferrändern der Bassins, mit Zurücklassung des grössten Theiles vom Chlornatrium, absorbirt werden. Die Richtigkeit der oben ausgesprochenen Ansicht über die Relation zwischen Thon- und Bittersalzgehalt des Steinsalzes wurde durch folgende Ver- suche bestätigt. Eine Magnesiumsulfatlösung von 1,265 spec. Gew. bei 12,5 0 wurde mit 12 gr plastischen T’hons angerührt, so dass das ganze Quantum der Beitr. 2. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p.31) 151 Flüssigkeit 200 cem betrug und in dem benutzen graduirten Glaseylinder eine Höhe von 19,05 em einnahm. Hierauf wurde, um etwaige Veränderungen des specifischen Gewichts ohne Bewegung der Flüssigkeit beobachten zu können, ein cylindrischer gra- duirter Glasschwimmer von 2,90 em äusserem Durchmesser eingeführt, welcher ll cm tief eintauchte und dadurch die Höhe der Flüssigkeitssäule auf 25,6 cm brachte. Zugleich wurde eine Kochsalzlösung von 1,1975 spec. Gew. ebenso in gleichem Gefäss ete. vorbereitet, und beide Cylinder täglich observirt. Der Thonschlamm erreichte beim Sinken in der Magnesiumsulfatlösung schon nach 11!/, Tagen das Niveau, auf dem der in der Chlornatriumlösung befindliche erst nach 253/, Tagen anlangte und stehen blieb. Er sank in ersterer bis zu 74,21 %/, der Höhe herab, in letzterer er- reichte er nur 64,96 %. Ueberhaupt schien er in der Bittersalzlösung viel beweglicher zu sein, als in der anderen, was sich namentlich dadurch bemerk- lich machte, dass seine Oberfläche in der letzteren noch mehrere Tage, nach- dem sie das untere halbkugelförmige Ende des Schwimmers verlassen hatte, eine diesem entsprechende Concavität beibehielt, die sich erst nach und nach ausglich, wogegen die Oberfläche des Absatzes aus der Bittersalzlösung stets horizontal blieb. Ein durchweg gleiches Verhältniss der Zeitdauer des Niederschlages aus genannten beiden Salzlösungen scheint jedoch nicht immer stattzufinden. Eine Veränderung des speeifischen Gewichtes wurde an den offenbar nicht empfindlich genug construirten Schwimmern nicht bemerkt, ebensowenig eine Verminderung der Flüssigkeit durch Verdunstungsverlust aus den mit. Glasplatten bedeckten Cylindern; die Magnesiumsulfatlösung muss aber gegen Ende des Versuches doch etwas leichter geworden sein; denn mit dem Ein- tritt der Stabilität des Absatzes fanden sich aus dem Thon etwas nach oben hervorragend, Bittersalzkrystalle, die bis zu I cm Länge besassen und in drei Gruppen vereinigt waren. Ihr Gewicht nach möglichster Entfernung des z. Th, eingeschlossenen T'honschlammes betrug 0,72 gr. Da dem specifischen Gewichte gemäss in den 200 ccm Flüssigkeit 279 gr Pittersalz gelöst waren, entspricht jene Quantität etwa !/; / (0,257). 152 Carl Ochsenius. (p. 32) In dem Thonabsatze der Chlornatriumsolution war keine Spur von Krystallbildung zu entdecken. Wenn nun auch ein Niederschlag erwartet worden war, so überraschte doch die ausgeprägte Form, in der er stattgefunden hatte. Der Versuch wurde in folgender Weise wiederholt. Eine gesättigte Lösung von Magnesiumsulfat wurde aus einer über- sättigten durch Stehenlassen mit erfolgter Ausscheidung des Ueberschüssigen durch Krystallisation bei 22° (gewöhnlicher Zimmertemperatur) hergestellt. Sie zeigte ein specifisches Gewicht von 1,285 und wurde in zwei Glasgefässe gleicher Form gleichmässig vertheilt. Das erste enthielt 1595,67 gr, das zweite 1602,08 gr. In jenes wurden 95,74 gr (entsprechend dem früher angewandten Verhältniss) luft- trockenen gepulverten T'hons rasch eingeknetet und eingerührt, dann beide Gefässe luftdicht verschlossen und täglich bei gleichbleibender Temperatur observirt. Die thonfreie Lösung zeigte durchaus keine weitere Veränderung, als einen beweglichen, schwachen Absatz von Unreinigkeiten des angewandten käuflichen Salzes; die thonhaltige aber wies die erwartete Krystallbildung am 28. Tage, nachdem das Niveau des T'honabsatzes nahezu stabil geworden war, auf. Kleine, glashelle Kryställchen fanden sich an der Oberfläche des Schlammes. Dieselben nahmen an Zahl und Grösse zu und sanken etwas unter, so dass die Oberfläche des Absatzes ein verworren rissiges, netzartiges Ansehen erhielt. Am 34. Tage wurde der Versuch als beendigt betrachtet und die Trennung der Krystalle von dem sie porphyrartig, nicht lagenweise einschlies- senden Thonschlamme, soweit es möglich war, mechanisch vorgenommen. Die grösseren der ausgesuchten hatten eine Länge von 2 cm, und das Gewicht des ganzen Haufwerkes stellte sich auf 4 gr. Da nun nach dem specifischen Gewicht der Lösung zu urtheilen 830 gr Bittersalz in dieser enthalten waren, so ergiebt sich ein Verhältniss von 0,482 %/,. Da aber das specifische Gewicht der Flüssigkeit von 1,285 auf 1,250 gesunken war, so muss die ganze Ausscheidung von Magnesium- sulfat 0,823 %/, d. h. 6,83 gr betragen haben; hiernach würde also über ein Drittel der Krystalle sich durch ihre Kleinheit dem Aussuchen entzogen haben und in dem T'honschlamme geblieben sein. Beitr. 2. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern w. ihrer Mutterlaugensalze. (p. 33) 153 Eine Abschlämmung des Thones durch grosse Mengen hochgradigen Alkohols, wodurch wohl ein genaueres Resultat erzielt worden wäre, wurde nicht angewendet, weil’es sich weniger um Zahlen, als um das Constatiren des Factums einer Ausscheidung handelte. Nach diesem scheint es unverkenn- bar, dass der Durchgang von Thonschlamm durch eine gesättigte Schicht von Magnesiumsulfatlösung einen schwachen, aber immerhin sehr ausgeprägten Niederschlag von Bittersalz bewirkt, und einen solchen auch in das unter- liegende Steinsalz mitführen kann.') Schon mehr im Grossen durch Beobachtungen grossartiger Verhältnisse in ausgedehnteren Landstrichen hat auch C. A. Goessmann in einem Vor- trag?) theoretische Betrachtungen über die Bildung des Steinsalzes und über seinen Gehalt an leichtlöslichen Salzen niedergelegt. Er deutet auf die Unwahrscheinlichkeit hin, viel vollständig entwickelte, d. h. mit Mutterlaugensalzen versehene und intact gebliebene Salzlager an- 1) Ob diese Wirkung nur darauf beruht, dass der Thon der Salzlösung Wasser ent- zieht und mechanisch bindet, wodurch eine Uebersättigung und ein damit verbundener Nieder- schlag erzeugt wird, lässt sich noch nicht entscheiden. Das Ausbleiben eines solchen in der Chlornatriumlösung und das Auftreten erst gegen Ende der. Absatzperiode in der Bittersalz- flüssigkeit sprechen scheinbar gegen eine solche Auffassung. Ob nur Salze mit reichlichem, bezw. lose gebundenem Krystallwasser einer Fällung durch Thon unterworfen sind, oder ob auch andere in Lösung befindliche Mineralsubstanzen, z. B. Kieselsäure, einer partiellen Fällung durch Thon unterliegen, ist noch zu ermitteln. Stellt sich die Gegenwart von Thonschlamm als ausgedehnt wirksamer Krystallisations- impuls heraus, so wäre allerdings ganz gewiss Vieles erklärlich, z. B. bei den Thonsandsteinen der Triasperiode das eigenthümliche Vorkommen von isolirten Quarzkrystallen, die als Kern ein Kieselkorn, gleich den Körnern der Sandsteinmasse, einschliessen, während andere Quarz- krystalle (ohne Einschlüsse) offenbar in nachträglicher Bildung einzelne Zwischenräume der Sandsteinmasse ausfüllen. Ein Theil der gelösten Kieselsäure wurde nämlich schon im Anfang der Bildung durch den Thonschlamm veranlasst, zu krystallisiren, legte sich z. Th. um noch schwebende Quarzkörner und trat porphyrartig in die Grundmasse ein, wogegen der gelöst bleibende Theil der Kieselsäure erst später in den Zwischenräumen des Magmas zum Fest- werden gelangte. Nach Obigem würde hier die Annahme nahe liegen, dass die untersten Lagen einer Thonsandsteinbildung solche Quarzkrystalle nur in geringer, wo nicht verschwindender, Menge enthalten. Unleugbar wird hiermit ein Gebiet betreten, das für die Genesis vieler Einschlüsse von Thongesteinen eine Bedeutung besitzt. 2) Contributions to the Chemistry of Common Salt in Am. Journ. of Se. V. 49. 78. Nova Acta XL. Nr. 4. 20 154 Carl Ochsenius. (p. 34) zutreffen, und seine Erfahrungen führen ihn u. A. zu der Annahme, dass vor- tertiäire Oceane eine vom heutigen Meerwasser wesentlich verschiedene Zu- sammensetzung gehabt haben müssen, welche besonders durch das Auftreten von Chlorcaleium charakterisirt ist, während die jüngeren Meerwasser an leicht- löslichen Sulfaten einen Ueberschuss enthalten haben und noch enthalten. Parallel zu diesen Annahmen theilt er sowohl die Steinsalze, als auch die Soolen und ihre Sudproducte in zwei Klassen, nämlich 1. in solche, die Chlorcaleium und Chlormagnesium neben Kalksulfat enthalten, und 2. solche, die frei von Chlorcaleium, nur Chlormagnesium und neben Kalksulfat die Sulfate der Magnesia und des Natrons aufweisen. Er führt hierauf bezügliche Analysen (6 von Soolen und 2 von Stein- salz) auf, als zur ersten Klasse gehörig und östlich vom Mississippi vor- kommend, und eben solche (eine von Soole und 2 von Steinsalz), die Caleium- sulfat neben Natrium- oder Magnesiumsulfat enthalten und westlich vom Mississippi vorkommen. Dagegen weist die Analyse des Wassers vom grossen Salzsee (vom Mississippi westwärts) nach Gale doch neben schwefelsaurem Natron und Chlormagnesium auch eine Spur von Chlorcalcium auf. !) Es ist nicht zu läugnen, dass, bevor sämmtliche Salzlager der Erde abgesetzt wurden, die Wasser eine etwas andere Zusammensetzung gehabt haben müssen; denn wenn heute etwa 20 %/, (in ganzen Zahlen ausgedrückt) leicht löslicher Verbindungen auf 75 %/, Chlornatrium und 5 %, Gyps kommen und die gebildeten Salzlager die entsprechenden Quantitäten Mutterlaugen wieder in den Ocean gesandt haben, so müsste die in der Erdrinde in Lagerform existirende Steinsalzmasse erst noch in die Mischungsberechnung eingeführt werden, um eine nicht allzu vage Uebersicht über die Zusammensetzung der früheren Oceane zu gewinnen. 1) Clornatrium . . 201,96 Schwefels. Natr 18,34 : E En Bi; 5 Be nach Gale in Stansbury’s report, erwähnt in ormazesium. . 2 € 2. 3 i Hayden, Geol. Survey 1871. 234. Chlorcalaum . . Spur Verst lu PIE 1,40 } Beitr. 2. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p.35) 155 Jedenfalls sind die Oceanwasser successive etwas bittersalzhaltiger ge- worden. Aus der Separation der Mutterlaugen bei der Bildung von Steinsalz- lagern geht aber hervor, dass Steinsalzanalysen nicht maassgebend sein kün- nen, um auf die frühere Zusammensetzung sicher zu schliessen; denn es leuchtet aus der Erklärung der Steinsalzbildung ein, dass die Grösse des abfliessenden Mutterlaugenquantums keinen besonderen Einfluss auf die chemische Con- stitution des Chlornatriumabsatzes ausüben kann. Wäre dieses der Fall, so müssten die jüngeren Steinsalze magnesiumreicher sein, als die älteren. Das scheint aber keineswegs der Fall zu sein, und steht hiermit z. B. der sehr geringe Magnesiagehalt der Steinsalze des Karpathengebietes, die doch aus- nahmslos der Tertiärformation des Karpathensandsteines angehören, nicht im Einklang. Zwar hat solche Posepny als qualitativ bittersalzhaltig bezeichnet; aber ihr Gehalt ist so unbedeutend, dass er nur in den künstlichen Soolen und Mutterlaugen aufzufinden ist; so z. B. in denen der Salinen von Stebnik, Lacko, Kaczyka und Kaluez. Die Klausenburger Analysen von Vizakna, Torda, Desakna, Maros Ujvär und Parajd, sowie die ungarischen von Szätina, Rönaszek und Sugatag!) zeigen nur schwefelsaures Natron und Chlorcaleium neben Gyps als Beimischung des Steinsalzes. Ueber die künstlichen Soolen derselben, die wohl auch Magnesiumsulfat in geringen Quantitäten ergeben würden, sind keine Analysen bekannt. Das Vorkommen von Chlorcaleium und Natronsulfat in den verschiedenen Niveaus desselben Steinsalzflötzes beweist, dass obige Unterscheidung von A. ©. Goessmann nicht durchführbar ist, weil in dem vorliegenden Falle meist eine geringe Teufendistanz genügt, um den einen oder den anderen Ge- halt in den Steinsalzproben desselben Lagers hervortreten zu lassen. Eine so ausgeprägte Uebereinstimmung in den Bestandtheilen des Salzes von acht verschiedenen siebenbürgischen und ungarischen Werken ist aller- dings auffallend; es finden sich nur die fünf Rubriken für Chlornatrium, Chlor- caleium, schwefelsauren Kalk, schwefelsaures Natron und Unlösliches — Thon, ohne dass Chlormagnesium, Magnesiumsulfat auch nur einmal als Bestandtheil aufgeführt wäre. !) 78 Analysen von v. Kripp in Jahrb. Reichsanst. 1869. 75. 9 ” 156 Carl Ochsenius. (p. 36) Ebenso zeigt das Salz aus dem Lager von Petit Anse in Louisiana, das nach W. Hilgard in der Quartärformation unter 5 m mächtigen Diluvial- massen liegt, nur Spuren von Chlorcaleium und Chlormagnesium, aber kein Magnesiumsulfat. Es enthält neben 98,88 %, Chlornatrium nur 0,79 % Gyps und 0,33 %/, Wasser. !) Alle diese Untersuchungen liefern weitere Beweise dafür, dass die chemische Constitution eines Salzlagers weniger durch den geognostischen Horizont, als durch die bei seiner Bildung bestandenen hydrographischen und meteorologischen etc. Verhältnisse bestimmt wird. Sicherere Anhaltspunkte dürften die natürlichen Soolen gewähren, wenn das Alter der Schichten, denen sie entstammen, bekannt ist. Sie entspringen gewiss in den wenigsten Fällen aus ungestörten Salz- tlötzen, die ja durch ihre Gypsumhüllung gegen Auslaugung geschützt sind, sondern eher wohl aus porösen Schichten, deren Salzgehalt durch Infiltration von eoncentrirtem Meerwasser bei oder gleich nach ihrer Entstehung herrührt. Wenn sie auch auf ihrem weiteren Laufe noch andere Salze aufnehmen, so spricht doch ihr Jod- und Bromgehalt, der fast stets grösser als der des Stein- salzes ist, immer für diese Annahme. Ueberhaupt dürfte die Anwendung der Auslaugungstheorie, nach welcher ganze Steinsalzlager in Gyps verwandelt oder gar weggeregnet und unter- irdisch weggespült werden, in etwas zu beschränken sein. Wo durch Dislocationen die schützende Gypsumhüllung gebrochen wird, tritt gewiss in den meisten Fällen der Salzthon als Absperrungsmittel gegen Wasser an dessen Stelle. 2) Ja selbst unvollständig bedeckte Salzflötze, wie das schon erwähnte von Petit Anse, haben sich in ansehnlicher Stärke in keineswegs regenlosem Gebiete (Louisiana) erhalten; zudem sind die meisten Salzbergwerke von Natur sehr trocken und bleiben es, so lange eine Communication zwischen den etwa wasserführenden Schichten der Umgebung, namentlich des Hangenden, und dem Steinsalzlager nicht hergestellt, bezw. offen gelassen wird, 1) A. C. Goessmann a. a. 0. 2) Vergl. das über Linsenform der Steinsalzflötze Gesagte auf S. 41. Ochseniusa.a.O. Beitr. 2. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p. 37) 15% Das Vertrauen des Bergmannes, keine Wasser anzutreffen, so lange er in reinem Steinsalz mit ungestörter Lagerung vorgeht, ist vollkommen gerecht- fertigt und entstanden durch die alte Erfahrung, dass keine bedeutenden An- sammlungen von Wassern in Salzflötzen existiren; und solche müssten doch offenbar schon öfters angetroffen worden sein, wenn es partiell ausgelaugte Steinsalzlager gäbe. Nur das Anhauen und Durchfahren des Liegenden oder Hangenden ist gefährlich. (Wieliezka!) Mit Bezug auf das unter 3 Gesagte hinsichtlich der oft von den Lös- lichkeitsverhältnissen verschiedenen Niederschlagsfolge mag die Erwähnung einiger Abweichungen von der Regel hier noch Platz finden. Zu diesen ge- hört u. A. die Beobachtung, dass aus den jodhaltigen Mutterlaugen des rohen Natronsalpeters in Tarapaca plötzlich und ganz zuletzt nur Kalisalpeter aus- krystallisirt, während bei einem Gemenge von reinem Natronsalpeter und Kali- salpeter der letztere sich doch stets zuerst abscheidet.!) Ebenso findet die Abscheidung der schwerlöslichen Borate aus den Mutterlaugen dort häufig erst statt, wenn ausserdem nur noch sehr leicht- lösliche Salze in denselben vorhanden sind. Die Abscheidung, die im Grossen stattgefunden haben muss, in Amerika von Atacama bis nach Oregon am Westabhange der Cordilleren und Rocky Mountains während der Salzbildung, welche in den durch das Emporsteigen gebildeten Buchten stattgefunden haben muss, deutet besonders durch die Knollenform, in denen die meisten Borfossilien sich dort finden, auf eine ähn- liche Bildung hin, wie die der Manganconeremente der Tiefseebildungen. Das Vorkommen von concentrischen Wechsellagerungen mit anderen Salzen in den fast immer aus kryptokrystallinischen Boraten bestehenden Coneretionen, findet ein Gegenstück in dem Manganoxyd, das Murray bereits in seinem ersten Bericht über die Expedition des Challenger als sehr- interessanten Bestandtheil des Meeresgrundes hervorgehoben hat. Alle diese Manganknoten bestehen aus concentrischen Ablagerungen von Manganoxyd, die meist in ihrem Innern einen fremden Kern ‘zeigen, und so werden auch gewiss die Mandeln und Knollen von Boraten als eine Aus- scheidung des Borgehaltes des eoncentrirten Meerwassers während verschie- ı) Noellner, Journ. f. pr. Chem. C. II. 158 Carl Ochsenius. (p. 38) dener Perioden zu betrachten sein. Hierzu liefert der sog. Lüneburgit einen sehr treffenden Beleg. C. Noellner!) sagt u. A. darüber Folgendes: „Selbst eine dem Stassfurtit in Stassfurt und dem Boronatrocolit in Peru äusserst ähnliche, offenbar durch Verdampfen von Meerwasser abgeschiedene borsaure Verbindung zeigte sich in abgeplatteten sphäroidischen Stücken, tauben- und hühnereiergross. Sie enthält constant grösseren Phosphorgehalt und wurde des- halb Lüneburgit genannt. Analyse: Magnesia 25,3, nach Formal 25,10, Phosphorsäure 29,85, - - 29,83, Borsäure [EA Se - 14,82, Wasser sun - - 30,25, Fluorboron 0,7. (2 Mg 0, HO) PO; + Mg 0 BO,)+ 7 HO. Da diese schwerlösliche Verbindung sich in der Region der leicht- löslichen Salze findet, ist wohl anzunehmen, dass sie erst durch Umlagerung gebildet wurde, in ähnlicher Weise, wie in hiesiger Fabrik die alten Laugen der Kalisalpeter-Fabrikation aus Natronsalpeter mit Stassfurter Chlorkalium sich schwerlösliche künstliche Boracite in Krystallen abschieden, die ebenfalls Phosphorsäure und 19°/, Chlor enthalten, sich demnach erst durch Umlagerung der zerfliesslichen Salze der Salpetermutterlaugen gebildet haben müssen. Der nur geringe Chlorgehalt des Lineburgits zeigt, dass derselbe schon früher aus der Region der schwefelsauren Salze sich abgeschieden haben mag, während die auf der Spitze des Gypsberges gefundenen über 8°, Chlor hal- tenden Boracite in der Region der zerfliesslichen Salze (Chlorverbindungen) gebildet wurden, und dem entsprechend auch nur eben noch deutlich nachweis- bare Spuren von Phosphorsäure erkennen lassen. Auch im Stassfurter Oarnallit kommt z. B. Lüneburgit vor, aber noch nicht in ganzen selbständigen Haufwerken von Krystallen (Knollen), wie in Lüneburg, sondern nur in mikroskopischen vereinzelten Krystallen, die in manchen Carnalliten aber doch so häufig enthalten sind, dass, wenn man die wässerige Lösung vorsichtig schlämmt, nachdem der Eisenglimmer entfernt ist, \) Jahresb. d. N. wiss. Verb. f. d. F. Lüneburg. VI. 1876. 0 Beitr. 2. d. Erkl.d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p. 39) 159 nur die soliden monoklinischen Krystalle des Lüneburgits übrig bleiben, die dann in keiner -Weise zu unterscheiden sind. Es wird hiernach durch das Mikroskop erklärlich, wenn man in man- chen Carnalliten vergeblich nach Borsäure und Phosphorsäure sucht, während andere so reichhaltig daran sind, dass die Borsäure selbst störend bei der Verbindung des daraus gewonnenen Chlorkaliums in der Salpeterfabrikation auftritt. Auch nähere Beobachtungen von Tinkal aus Tibet zeigen, dass der Phosphorsäuregehalt weniger den reinen Tinkalkrystallen angehört, als viel- mehr dem den Tinkal regelmässig begleitenden mikroskopisch krystallinischen Staub, der doch deutlich die Eigenschaften der Lüneburgitkrystalle erkennen lässt, weniger durch die Krystallform, als vielmehr deren Eigenthümlichkeit, mit unzähligen Schichtungsflächen zu krystallisiren, die unter dem Mikroskop als höchst feine, schwarze, sich kreuzende Linien erscheinen, wie sie bis jetzt noch kein anderer Körper in so auffallender Weise gezeigt hat.“ Darüber, dass die Borsäure im Meerwasser überall in gewisser und in der Nachbarschaft von vulkanischen Territorien in bedeutend grösserer Menge vorhanden ist, besteht kein Zweifel mehr; ebensowenig darüber, dass sie durch Fumarolen hineingelangt ist. Sie bildet mit Basen nicht nur selbständige Mineralspecies, sondern findet sich auch in nicht unbedeutenden Quantitäten in anderen, namentlich Mutterlaugensalzen.!) Die Coneremente von Boraten zeigen oft zwischen den einzelnen Lagen, gerade so wie die Manganknollen, Einschlüsse, die sich während der Schichten- bildung abgelagert haben oder mit ihnen innig verwachsen sind, wie z.B. der Ulexit mit Steinsalz, Gyps, Pickeringit, Glauberit ete.; Lagen finden sich von Steinsalz, Carnallit und Tachydrit?2) in den Boraeitmandeln von Stassfurt; eine Kernbildung ist besonders deutlich beim Szajbelljit zu bemerken, bei welchem sich in der Mitte der Kugeln ein wasserhelles Körnchen von gleicher Zusammensetzung, aber mit 12,40%, Wasser befindet. Man sieht deutlich hieraus, dass der Borgehalt sich nicht allmählich, sondern plötzlich aus dem Medium, das ihn enthielt, abgesondert hat; und ‘) u. A. auch im Glauberit von Tarapaci mit 1—5 % (Ulex.). ®), Dieses Vorkommen beweist, dass nicht aller Tachydrit secundärer Bildung ist. 160 Carl Ochsenius. (p. 40) hierin liegt ein Unterschied zwischen der Tiefseebildung des Manganoxydes und der der Borate. Jenes entsteht grösstentheils durch die Einwirkung der im Meerwasser befindlichen Kohlensäure auf die manganhaltigen Silikate, wo- durch kohlensaures Manganoxydul gebildet wird, das dann durch den Zutritt von Sauerstoff aus dem Oceanwasser in Manganoxyd übergeht. Dieses schlägt sich als fast unlöslich, langsam, ehe der Niederschlag eines anderen Salzes beginnt, nieder und inkrustirt schon vorhandene Gegen- stände, z. B. Muschelfragmente, Haifischzähne, Bimssteinstücke ete. Nicht so die Borate. Diese scheinen, einmal gelöst, sich ausserordentlich lange in die- sem Zustande halten zu können, vorzüglich in zusammengesetzten Lösungen anderer Salze, bis irgend ein besonderer Anstoss zur Ausscheidung erfolgt, die dann aber besonders bei kryptokrystallinischer Bildung so rasch vor sich zu gehen scheint, dass nicht nur heterogene Verbindungen, wie Chlormagnesium, Phosphorsäure ete., in innige Mengung mit dem Concrement treten, sondern auch lagenweise eingeschlossen werden, wie z. B. verschiedene andere Salze. Die Thatsache, dass sich die Borate bis in die Periode der Mutter- laugen überall suspendirt gehalten haben, ist wichtig für die Erklärung des Zusammenhanges zwischen Steinsalzflötzen und den Lagern anderer Salze, die als Endproducte der Phasen eines nicht in seiner Vollständigkeit entwickelten Salzbildungsprocesses zu betrachten sind, z. B. die Nitrate und Carbonate des Natriums, indem das Vorkommen von Boraten in entsprechender Menge ganz entschieden auf ein längeres Stagniren von Mutterlaugen hinweist, aus denen in Verbindung mit den liegenden Salzflötzen unter Einwirkung verschiedener Verhältnisse jene hervorgegangen sind.!) Jedenfalls aber zeigt das Verhalten der Borate, dass der Satz: „Wer aber denkt, dass alle diese Vorgänge sich in eben der stetigen Reihenfolge und Ruhe vollzogen haben, wie man sie in der Abdampfschaale eines Labora- toriums, der Siedepfanne einer Saline oder dem Salzgarten einer Mittelmeer- kiste beobachten kann, der muss auch an eine Harmlosigkeit und Einfachheit der Hydrographie und besonders der damaligen tropischen glauben, für welche 1) Beiläufig sei hier bemerkt, dass ein der Borsäure ähnliches Verhalten in Bezug auf Ausdauer bis in die Mutterlaugenperiode auch der in Lösung befindlichen Titansäure zuzukommen scheint, indem sie in Stassfurt erst im Carnallit als schwarze mikroskopische Nadeln auftritt. Beitr. 2.d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p. 41) 161 die Natur (wie Payer sagt) in keiner Sphäre Vorliebe zeigt!“ vollkommen be- rechtigt dasteht, und somit auch wohl die als zweifelhaft erwähnten Punkte als erklärt zu betrachten sind, weil weder das Fehlen noch das Auftreten eines Mischungsgehaltes von Caleiumsulfat bezw. Magnesiumsulfat im Steinsalz unter Verhältnissen, wie sie geherrscht haben, einem chemischen Erfahrungssatz zuwider- läuft, und das spärliche Vorkommen von Magnesiumsulfat im Steinsalz eine nothwendige Folge der höheren T’emperatur im Verein mit den hydrographi- schen Verhältnissen bei der Bildung der Steinsalzlager ist. Ja selbst, wenn hie und da einzelne Thatsachen im anscheinenden Widerspruch mit chemischen Erfahrungssätzen ständen, so würden ganz be- sonders anwendbar sein die treffenden Worte von OÖ. Lang (8. S9 a. a. O.): „Noch beschränkter als die der geologischen Beweiskraft ist die dies- bezügliche der chemischen Erfahrungssätze....., weil 1. die Erfahrungssätze der Chemie sich mit der Zeit ändern und meh- ren; 2. weil im chemischen Laboratorium sowohl wie in der Natur allerdings dieselben Naturgesetze die Reactionen bewirken, aber die Bildungen in der Natur meist unter anderen Verhältnissen (des Druckes, der Zeit, modificirender Gegenwart resp. Paragenesis anderer Stoffe) vor sich gehen, als wie sie der Chemiker bei seinen Experimenten darstellen kann.“ Hier muss ich noch bemerken, dass ich hinsichtlich der von mir in meiner Arbeit gebrauchten Ausdrücke „Anhydrosität“ und „anhydrosisch“ von O. Lang missverstanden worden bin. Da dasselbe auch stattgefunden hat in der Besprechung in Nr. 30 der in Halle erscheinenden Zeitschrift „die Natur“, wenn auch in verschiedenem Sinne, so möge Folgendes zur Aufklärung dienen. Der Ausdruck ist gebraucht worden: S. 11. Der zweite Fall ist der, dass ein Busen (immer dessen Lage in zuflusslosem bezw. -armem Terrain vorausgesetzt) seine Communication mit dem Ocean nicht ganz, sondern nur theilweise verliert oder von vornherein besessen hat. Meeresbusen mit hinlänglich bedeutender Tiefe und mit einer annähernd horizontalen Mündungsbarre..... liefern. .... unter vollständig oder nahezu anhydrosischen Verhältnissen ein Salzlager ete. S. 35. Aus einer Bucht, welche früher durch die Aufnahme des Amu Darja zu den Salzspendern des Kaspisees gehörte, ist mit dem Eintritt von Nova Acta XL. Nr. 4. 21 162 Carl Ochsenius. (p. 42) Anhydrosität durch den veränderten Lauf jenes Flusses... . ein Salzentzieher des Kaspisees geworden. S. 39. Wenn nun auch oben die Bedingung der Anhydrosität auf- gestellt worden ist, so begreift diese doch nicht den Ausschluss jeder Zufuhr. Nahezu und für die Erfordernisse des Salzniederschlages hinreichend anhy- drosisch bleibt das Gebiet, so lange die Verdunstung die Summe der Zuflüsse bedeutend überwiegt. Unter anhydrosischen Verhältnissen bezw. Anhydrosität sind also nur die zu verstehen, bei denen eine Zufuhr von atmosphärischem Wasser, direct durch Niederschlag oder indireet durch Quellen oder fliessende Gewässer, nicht (oder wenigstens nicht in nennenswerther Quantität) stattfindet. Diese Bedeutung geht auch aus der Wiederholung meines Satzes auf S. 43 hervor, wo dieser folgendermaassen gefasst ist: „Alle Umstände beweisen, wenn richtig erkannt, den unumstösslichen Satz: Ein Busen mit entsprechender Barre (die entweder von vornherein vor- handen war oder erst später gebildet wurde), ein trockenes, hinreichend warmes Klima und eine süsswasserarme Umgebung — und die Bedingungen für alle mächtigeren Salzbildungen der Erde sind erfüllt.“ Man kann also unter Anhydrosität in dem von mir gebrauchten Sinne nicht das Verhältniss verstehen, in welchem der das Steinsalz einhüllende Gyps bezw. Anhydrit als Schutz gegen eindringende Wasser zu jenem steht, und ebensowenig möchte ich den Ausdruck „anhydrosischer Meerbusen“ mir zugeschrieben sehen. Da ich bei der Salzbildung schwache Flötze bezw. Niederschläge, welche durch Austrocknen abgetrennter Meerestheile mit oder ohne wiederholte Füllungen entstehen, unterschieden habe von den reinen, eigentlichen (mächtigeren) Salz- flötzen, welche durch dauernde Communication eines Busens über eine Barre mit dem Oceane entstehen, so dürfte es wohl angemessen sein, hier ein interessantes Beispiel eines der ersteren anzuführen, das zugleich eine, wenn auch schwache, doch deutliche Combination mit der letzten Bildungsweise zeigt. Es sind die von mir schon früher kurz erwähnten Bitterseen von Suez. Diese enthalten nach den Nachrichten von H. Bader!) einen Salzblock 1) Verh. d. k. k. geol. Reichsanst. 1869, 287, 311. Beitr. 2. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p. 43) 163 von 13 km Länge, 6 km Breite und wohl bis 20 m Tiefe. Die Salzmasse besteht aus parallelen Schichten von verschiedener Dicke, die durch dünne Erdschichten und kleine Gypsprismen von einander getrennt sind. Sondirungen bis zu 2,46 m ergaben 42 Schichten von derselben Zu- sammensetzung von 3 bis 13 cm Stärke, während die dazwischen liegenden Erdschichten nur einige Millimeter stark sind. Nur in 1,47 m Tiefe trifft man zwei starke Schichten von 0,112 m und 0,07 m, aus pulverigem Gyps und Thon die erste, und aus reinem pulverigen Gyps die letztere bestehend. Die vielen Muschelgattungen, die in den Bitterseen gefunden werden, stimmen mit denen des Rothen Meeres überein.“ Man sieht deutlich, dass hier periodische Füllungen und Austrocknungen bis zu einem gewissen Grade stattgefunden haben. Das eingespülte Seewasser liess zuerst den Schlamm fallen mit gleichzeitig oder gleich darauf folgendem Gyps, und dann krystallisirte Steinsalz mit Magnesiumsulfatgehalt aus; bei der stattfindenden Concentration starben die eingedrungenen Seethiere. Die folgende Füllung löste die vielleicht fest gewordenen Bittersalze wieder auf, oder ver- mischte sich mit den Mutterlaugen, liess wieder Schlamm und Gyps fallen u. s. f. Diese Vorgänge würden also ein Beispiel für die Hugh Miller’sche Theorie bilden, nach welcher langsam und stetig sinkende Küstenstriche über ein sandiges Absperrungsmittel neue Zufuhr von Seewasser erhalten, sobald die eingeschlossen gewesene Quantität verdampft ist; nur müsste statt der Wirkung einer stetigen Senkung die einfachere der periodischen Hochfluthen, z. B. der Aequinoctialhochwasser, eingeführt werden. Hiermit steht aber noch im Widerspruch der Umstand, dass die Menge der in Lösung befindlichen Bittersalze (vor Eintritt der Suezkanalwasser und Lösung der Salzbänke durch dieselben) bei Weitem, nicht der der vorhandenen Steinsalzmassen entspricht, so dass also eine Hebung über den Meeresspiegel, ein dadurch bewirktes Auslaufen der Mutterlaugen und eine darauf folgende Senkung zu Hilfe genommen werden müsste, um diesen Ausfall und die jetzige Lage der Seen unter dem Meeresspiegel zu erklären. Es waren etwa 2 Mil- liarden Kubikmeter Wasser nöthig, um das Niveau des Suezkanales in den Seen herzustellen. Dagegen würde die Existenz der beiden starken Gypsschichten gar nicht in die Theorie H. Miller’s passen. Aber ebenso einfach und ungezwungen, 2 164 Carl Ochsenius. (p. 44) wie der erste Theil, d. h. die durch Schlamm getrennten Salzschichten mit etwas Gyps und mit Conchylien, lässt sich der folgende Theil mit den stär- keren Gypsschichten und der darauf eingetretene Zustand mit verhältnissmässig geringen Mengen von Bittersalzlösungen erklären, wenn man den von mir auf- gestellten Satz hier anwendet. Es hat nämlich zeitweilig eine dauernde Communication mit dem Rothen Meere und höchstwahrscheinlich östlich von Chalouf über eine Barre stattgefunden. Eine solche konnte sehr leicht durch Durchbrechen des zwischen dem Meere und der Einsenkung der Bitterseen liegenden T’errains entstehen und nun konnten die Mutterlaugen, die sich bis dahin angesammelt hatten, mit dem hochstehenden Meereswasser vermischt, ausströmen, bezw. sich über das ganze unter Wasser gesetzte Terrain vertheilen, worauf die Versandung des Durch- bruchkanales wieder begann, welche während einer gewissen Periode als Barre diente, deren erste Wirkung den Niederschlag von Gyps mit dem beim Durch- bruch eingeschwemmten 'T'hon hervorrief und erst dann: die folgende Schicht reinen pulverigen Gypses lieferte. Sei es nun, dass die Oberfläche der vom Meere hier bedeckten Fläche nicht die ganze Quantität des einströmenden Seewassers verdunsten konnte, oder sei es, dass der frühere Zustand, d. h. der Verlauf der Einspülungen durch Wiederherstellung der vorherigen Höhenverhältnisse der abgespülten Sandküste sehr bald wieder eintrat, keinenfalls konnte mehr, als der Anfang eines Salzniederschlages aus Meerwasser in dem Busen mit Barre erfolgen, d. h. es schlug sich nur Gyps nieder, und natürlicher Weise nicht blos in der Einsenkung der jetzigen Bitterseen, sondern auch auf dem ganzen über- schwemmten Striche. Den, Beweis hierfür findet man in den zahllosen Gyps- fragmenten und Krystallen, die im Sandboden bei El Ferdan und in der Ebene zwischen Suez und Chalouf (Czörnig in Verh. d. k. k. geol. Reichsanst. 1869, 301) vorkommen. Und so entspricht die verhältnissmässig geringe Quantität von Mutterlaugen, welche (bis 1869) über den Steinsalzbänken stagnirt haben, nur den Vorgängen, die nach dem letzten Verschluss erfolgten. Der Fall der bald auf den Durchbruch folgenden Wiederherstellung des Verschlusses ist. der walırscheinlichere, weil bei längerem Bestehen des Barrenverhältnisses eine Steinsalzbildung von grösserer Mächtigkeit die Gypsschichten als Hangendes Beitr. 2. d. Erkl. d. Bild. v. Steinsalzlagern u. ihrer Mutterlaugensalze. (p. 45) 165 begleiten müsste mit vorhergehender partieller Wiederauflösung des Steinsalzes im Grunde. So giebt der erwähnte Gypsniederschlag Kunde von einem Einbruch, verschieden von dem periodischen Ueberfluthen des Dammes an der Küste von Suez, vom Verbleiben des grössten 'Theiles der Mutterlaugen und von der kurzen Existenz einer Barre. Aber nicht nur bei der Steinsalzbildung scheint diesem oro- und hydro- graphischen Elemente, der Barre, ein grosser Wirkungskreis zugefallen zu sein. Die Wichtigkeit des Einflusses einer Erhöhung des Meeresbodens von einem abgeschlossenen Becken in trockenem Klima ist sehr gross. Wie oben erläutert und erwiesen worden, beeinflusst die Barrenhöhe die Temperatur und Dichtigkeit des Wasserquantums, das durch sie vom Ocean abgeschlossen wird; hierdurch aber wird auch in erster Reihe die Löslichkeit der Kalksalze des Meerwassers modifieirt, sodann der Salzgehalt im Allgemeinen und der an einzelnen Bestandtheilen des Oceanwassers im Besonderen, und hierdurch wer- den auch naturgemäss die Formen und das Auftreten der Repräsentanten der Flora und Fauna aftieirt. Es erklären sich demnach manche Verschiedenheiten äquivalenter Sedimente derselben marinen Bildung auf diese ausserordentlich einfache Weise, sowohl in Bezug auf ihre Petrefacten, als auch in Hinsicht auf petrographische Verschiedenheiten ihrer Gesteine innerhalb gewisser Gren- zen. Die Ablagerungen können unter Umständen sogar bis jetzt als zusammen- hängend erscheinen, während die verschiedenen Strecken und Theile nur durch ein Riff oder eine Barre getrennt waren und daher verschiedene Species oder absolut verschiedene Höhen aufweisen. So sind gewiss bisher beobachtete Unterschiede derselben Ablagerung leicht erklärlich; denn so scharfe Zonendifferenzen, wie die heutigen, gab es doch in vortertiären Zeiten noch nicht. Aber mehr noch. Für die Erklärung des Auftretens von wechsel- lagernden marinen, brakischen und Süsswasserschichten genügt die Verschie- denheit der Höhe des partiellen Abschlusses einer Bai, welche Sisswasser- zuflüsse erhält, vollkommen; sie versetzt den Schlammabsatz mit seinen Thier- und Pflanzenresten in eine der drei Klassen dieser Sedimente. Die Veränderlichkeit der Höhe einer Barre bewirkt dieses Alles mit oder ohne Uebergänge aus einer Süsswasserbildung in eine marine Ablagerung. 166 Carl Ochsenius. (p. 46) Möge sich «die Aufmerksamkeit begabterer Forscher auf das von mir angedeutete und bei der Steinsalzbildung schon als höchst wirksam erkannte genetische Element, die Barre, richten, und es wird dann sicher ein Schritt weiter gethan werden in der Erkenntniss des Waltens der See, welche, um mit Huxley zu reden, für den Mann der Wissenschaft eine Isis ist, unter deren Schleier sich die Lösung vieler der wichtigsten und interessantesten wissenschaftlichen Probleme verbirgt, und welche, wie der Dichter Tennyson so schön sagt, überall jene Mineralstoffe, welche den Samen künftiger Conti- nente bilden, verbreitet, jenen Samen, von dem wir zu wissen wünschen, wie er geformt ist und woher er stammt! IIONVEA FINE TA: der Ksl. Leop.-Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher Band XL. Nr. 5. Untersuchungen über die Verzweigung: einiger Nüsswasseralgen G. Berthold. Mit A atelmnr INEIOREN- SEN ETT: Eingegangen bei der Akademie den 5. Februar 1878. HALLE. "1878. Druck von E. Blochmann & Sohn in Dresden. Tür die Akademie in Commission bei Wilh. Engelmann in Leipzig. 14 .. wen ’ re hr ATI AVOR a 7772 a, Re a Zn ® SR Mr Van 2. ren Mil Ne en u art wird Aenr? e y 5 re mr ‚ an iia r i | DH “ ur h R ei Fr EN a Irie en. ah T Teer: gt Mali Ass vr ur ne RO BERTISa PU LUEL.. 0:8 ‚uiiz ah air Mens ZuE $ =. and ’ BE Ale ra Te, Be Tun ern 2) ki u SIPSSEML Ei eK ar ei Y an? An a 3 n ‚oda D IL IV z-VZ af galsıisz 2 3I D - Wi ara und hen N; REITER RT % aEFE ELAT Tal y im As ne HR & ER WERTETTT | U bi rt wi 1a... ” . k Pe u em w je I iR un 1 V d Ar Di - RT } is fi Ir | n AL Die überraschenden Resultate, welche die in ‘den letzten Decennien erschienenen Arbeiten von Nägeli, Cramer, Pringsheim und Anderen über den Aufbau und die Entwiekelung verschiedener Algengruppen zu Tage ge- fördert haben, die Gesetzmässigkeit, welche sie trotz der Mannigfaltigkeit des äusseren Habitus im Aufbau der verwandten Formen nachgewiesen, haben dieser niederen Abtheilung des Pflanzenreichs ein besonderes morphologisches Interesse verschafft. Nicht die durch die Arbeiten oben genannter Forscher festgestellten Thatsachen an und für sich sind es, welche dieses Interesse so lebhaft gemacht haben, sondern hauptsächlich die Folgerungen, welche sich aus ihnen für die richtige Auffassung pflanzlicher Lebenserscheinungen über- haupt und für die Aufstellung allgemeiner morphologischer Gesichtspunkte ergeben, indem die hier auftretenden Erscheinungen bei dem einfachen Bau der Formen relativ leicht das Wesentliche von dem Unwesentlichen unter- scheiden lassen. Die erste dieser wichtigeren Arbeiten war die im Jahre 1861 er- schienene Abhandlung von Nägeli über die Ceramiaceen !), in der er das Vorhandensein constanter morphologischer Charaktere in dieser habituell sehr wandelbaren Gruppe nachwies. Er führte darin ausserdem den ganzen com- plieirten Thallus dieser Algen auf verzweigte Zellfäden zuriick und unterschied bei ihnen drei Kategorien vegetativer Organe: Aufrechte Thallomfäden — unbegrenzte und begrenzte —, zweitens niederliegende T'hallomfiden — Be- rindungsfäden und Stolonen —, welche sich von der ersten Kategorie durch ihre Wachsthumsrichtung und ihren Ursprung am untern Theil der Zelle !) Nägeli, Beiträge zur Morphologie und Systematik der Ceramiaeeae. 29% 170 G. Berthold. (p. unterscheiden, und zuletzt Wurzelhaare, aus einfachen Zellen mit haftscheiben- artigem Ende bestehend. Cramer, der bald nach Nägeli über dieselbe Algengruppe zwei Abhandlungen veröffentlichte '), hat auf Grund der gewonnenen Resultate in der letzten derselben (Seite 84 ff.) die Grundzüge einer allgemeinen Ver- zweigungslehre aufgestellt. Er unterscheidet hier zunächst zwischen ächter und unächter Verzweigung. Als ächte Verzweigung bezeichnet er die, wo ein gegebenes Organ durch einen blos vegetativen Vorgang ein neues gleichartiges nur anders gerichtetes erzeugt. Für unächt ist die Verzweigung dann zu er- klären, wenn ein Merkmal der ächten fehlt, wie bei den Rivularieen, Gompho- nemen und andern Diatomaceen. Bei den ächten Zweigen unterscheidet er wieder zwischen normalen und abnormalen, indem erstere am fortwachsenden Ende eines sich verzweigenden Organs entstehen, letztere, Adventiväste, da- gegen an älteren Stammpartien und häufig aus ganz heterogenen Mutter- organen. Die normalen Aeste entstehen entweder direct aus dem Scheitel, mag dieser nun ein- oder mehrzellig sein, bei der wahren Dicho- und Trichotomie, oder aber, und dies viel häufiger, etwas unterhalb des Scheitels. In diesem Falle werden die Zweige entweder als Zelläste — einzellige Pflanzen, Vaucheria —, oder als Astzellen angelegt, wenn sich die Ausbuchtung durch eine Wand abtrennt, oder endlich durch seitliches Auswachsen mehrerer peri- pherischer Gewebzellen, wie bei den Gefässpflanzen. Bei der Bildung der Astzellen sind vier Fälle zu unterscheiden; sie ent- stehen erstens durch seitliches Auswachsen der Scheitelzelle selbst und Abtrennen durch eine Querwand — Stypocaulon, Halopteris —, zweitens durch seitliches Auswachsen einer primären Gliederzelle — sehr häufig bei Algen mit Spitzen- wachsthum —, drittens durch seitliches Auswachsen einer secundären Glieder- zelle — Chara — und viertens durch seitliches Auswachsen einer Gewebezelle — (ladostephus Myriophyllum —. Auch Pringsheim kam in Folge seiner Untersuchungen zu werthvollen Folgerungen. Wir wollen hier nur die vor einigen Jahren erschienene Arbeit 1!) Die erste Abhandlung bildet das vierte Heft der Pflanzenphysiologischen Unter- suchungen von Nägeli und Cramer. — Die zweite führt den Titel: „Physiologisch -syste- matische Untersuchungen über die Ceramiaceen‘. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.5) 171 über die Sphacelarien !) erwähnen. Das Ergebniss derselben ist der Nachweis einer ununterbrochenen Reihe in der Gruppe der Sphacelarien vom einfachen confervenartigen Habitus bis zum complieirten cormophytischen Sprossbau. Die unterste Stufe bilden hier die Eetocarpeen, ohne Kurz- und Langtriebe, bei denen im Wachsthum gehemmte und modificirte Zweigtheile zur Bildung trichom- artiger Spitzen und selbstständiger Trichome führen. Später treten dann Unter- schiede zwischen den rein vegetativen Zweigformen hinzu, indem regellos der eine Zweig in seiner Entwickelung gehemmt, der andere gefördert wird, bis dieselben später zur strengen Unterscheidung zwischen Kurz- und Langtrieben führen bei Chaetopteris, Halopteris und Stypocaulon. Indem darauf noch weitere Unterschiede zwischen begrenzten und unbegrenzten Zweigen hervortreten, lassen sich in der Gattung Oladostephus die Verzweigungssysteme scharf in die verschiedenen Modificationen der Zweig- und Blattformen trennen, womit dann ein directer Uebergang zu den cormo- phytischen Kryptogamen gegeben ist. Aus diesen kurz mitgetheilten Hauptergebnissen der wissenschaftlichen Untersuchungen über die Architektonik des Algenthallus geht die Wichtigkeit dieses Studiums für die richtige Auffassung der allgemein morphologischen Verhältnisse des Pflanzenreichs klar hervor. Das so erregte Interesse hat denn auch Vieles zur Aufklärung dieses bis vor Kurzem dunklen Gebietes beigetragen und es zu einem der interessantesten der ganzen Botanik gemacht. Doch sind es bis jetzt mit wenigen Ausnahmen nur die verhältniss- mässig hoch entwickelten marinen Algenformen gewesen, welche eine genaue Behandlung erfahren haben, während die meisten unserer verzweigten Süss- wasseralgen nur erst wenig in Bezug auf ihren Aufbau gekannt sind. Und doch giebt es auch unter ihnen Formen, wie die Gattungen Cladophora, Dra- parnaldia, Chaetophora ete., welche schon durch ihren äusseren Habitus eine Gesetzmässigkeit im Aufbaue vermuthen lassen. Einen kleinen Beitrag zur Kenntniss der Entwickelung und des Wachs- thums dieser Formen zu liefern ist in der vorliegenden Arbeit versucht worden. Es sind darin hauptsächlich einige Arten der Gattung Cladophora 1) Ueber den Gang der morphologischen Differenzirung in der Sphacelarien- Reihe, (Abhandl. der Königl. Akad. der Wiss. zu Berlin, 1873, Seite 137 ff.) 172 G. Berthold. (p. 6) und der Gruppe der Chaetophoreen berücksichtigt worden. Diesem Haupt- abschnitt sind jedoch vorausgeschickt einige Resultate der Untersuchung von Algenformen mit unächter Verzweigung, wie sie uns bei marinen Diatomaceen und besonders auffallend bei der im süssen Wasser lebenden Gattung Aydrurus entgegentritt. Die unächte Verzweigung einiger mariner Diatomaceen und von Hydrurus penieillatus. Die unächte Verzweigung findet sich, wenn auch gerade nicht sehr häufig, bei verschiedenen Gruppen einzelliger Algen. Unter den Cyanophyceen sind es die Rivularieen und Scytonemeen, unter den Diatomaceen viele Arten der Gomphonemeen und Schizonemeen, und das merkwürdigste Beispiel bietet endlich die Gattung Hydrurus, welche zu den Palmellaceen gestellt wird. Bei den Oyanophyceen liegen die Gründe für diese Erscheinungen klar zu Tage. Indem nämlich einzelne Zellen des von einer Gallertscheide um- schlossenen Fadens sich zu stark vergrösserten Dauerzellen umwandeln, wird eine weitere Fortbewegung der Zellen in der Röhre bei der Verlängerung des Fadens an dieser Stelle unmöglich gemacht. Der eingeschlossene Theil sucht daher einen seitlichen Ausweg, er durchbricht die Scheide unterhalb der ent- standenen Dauerzelle und wächst so etwas von seiner ursprünglichen Richtung abgelenkt weiter, wobei er zugleich eine neue Gallerthülle ausscheidet. Der obere Fadentheil erscheint so als Ast des an seinem unteren Ende vorbei- gewachsenen unteren Abschnittes. Verhältnissmässig ebenso einfach sind die Erscheinungen unächter Ver- zweigung bei den Gomphonemeen. Von diesen scheiden einige Arten allseitig Gallerte aus, dieselbe ist aber nicht gleichmässig, sondern die an der unteren Spitze des Individuums ausgeschiedene ist viel consistenter als der übrige Theil, bei anderen Arten findet die Ausscheidung nur an einer bestimmten Stelle statt. Die Individuen erscheinen so auf mehr oder minder langen Stielen befestigt, welche bei den Gattungen Cocconema und Gomphonema }) 1) Vergl. Kützing, die kieselschaligen Bacillarien oder Diatomeen, Nordhausen 1844. Taf. VI, VIII und ft. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.%) 173 sehr. schön dichotomisch verzweigt sind. Jede Dichotomie des Stiels bezeichnet eine Theilung des ursprünglichen Individuums in zwei Tochterindividuen. Etwas anders verläuft die Bildung und Verzweigung des Stiels bei der marinen Licmophora radians Ktz.!), welche zu Gomphonema in naher. Ver- wandtschaft, steht. Hier ist der Gallertstiel sehr dick. und scheinbar unregel- mässig verzweigt, mit starken längeren und schmalen ganz kurzen Aesten. An den. etwas kopfförmig verbreiterten Enden der Hauptäste sitzen die keil- förmigen Zellen in grosser Zahl fächerförmig angeordnet und mit den Seiten- kanten lose verbunden. Die kurzen unregelmässig zerstreuten Aeste tragen nur wenige Zellen. Die Verlängerung des. Gallertstiels findet, nun in der Weise statt, dass die zusammenhängenden Zellen an ihrem unteren Ende eine gemeinsame Gallertmasse ausscheiden. Ist jedoch durch fortgesetzte T'heilung die Zahl der Individuen eine sehr grosse geworden, so. trennen sie sich an einer oder auch mehreren Stellen, häufig in der Mitte, und indem dann am Grunde der beiden nunmehr getrennten Hälften die Gallertausscheidung ihren Fortgang nimmt, entsteht so eine Dichotomie des Stiels. Da jedoch bei der Trennung. der Individuengruppen ein bestimmtes Gesetz nicht vorhanden ist und die entstandenen 'T'heile häufig aus einer sehr ungleichen Anzahl von Individuen zusammengesetzt sind, so entsteht in diesen Fällen keine Dichotomie und gleichmässig starke Zweige, sondern der die geringere Anzahl von. Indi- viduen tragende Abschnitt bleibt im Wachsthum bedeutend hinter dem. anderen zurück. In noch auffallenderer Weise geschieht dieses, wenn sich seitlich nur eine einzige oder sehr wenige Zellen ablösen, in welchem Falle die ganz kurzen, unregelmässig zerstreuten Aeste entstehen, die sich vorläufig kaum verlängern, sondern erst später, wenn eine grössere Anzahl von Individuen entstanden ist, anfangen, durch stärkere Ausscheidung von Gallerte seitens letzterer in.die Länge zu wachsen. So wird sich auch ein einzelnes Indivi- duum, welches sich neu irgendwo festgesetzt hat, vorläufig erst durch Theilung vermehren, und erst dann eine stärkere Gallertausscheidung eintreten, wenn eine gewisse Anzahl zusammenhängender Individuen entstanden ist. Mit dieser Annahme stimmt auch die Erscheinung überein, dass der Gallertstiel von unten auf gleich die volle Breite und Dicke besitzt. Die Gallertausscheidung würde 1) Ktz. a. a. O. Taf. XI, Fig. 4, Taf. XIL 1. 174 G. Berthold. (p. 8) also bei Licmophora periodisch sein und erst unter gewissen Bedingungen stärker eintreten. Allerdings muss zugegeben werden, dass zufällig frei- gewordene Individuen sich eben so gut auf dem Gallertstiel einer Colonie der- selben Art, als auf fremden Körpern festsetzen können und auf diese Weise entstehen wahrscheinlich diejenigen kürzeren Aeste, welche mit den übrigen nicht in einer Ebene liegen. Diese Fälle sind jedoch seltener und nur als Ausnahmen zu betrachten, da man meist einen Zusammenhang zwischen der Streifung des Hauptstammes und der des seitlichen Zweiges sehr gut wahr- nehmen kann. Von den betrachteten Verhältnissen bei der scheinbaren Verzweigung der gomphonemaartigen Formen unterscheiden sich die Erscheinungen an den verzweigten Schizonemeen sehr wesentlich. Hier findet, wie auch bei gewissen G@omphonema-Arten, allseitige Ausscheidung von Gallerte statt, die Individuen erscheinen dagegen nicht auf besonders differenzirten Stielen be- festigt, sondern haben wahrscheinlich die Fähigkeit, sich in geringem Maasse spontan in der Gallerthülle zu bewegen. Einen gewissen Uebergang zu diesen Formen bilden die im süssen Wasser lebenden Encyonema- Arten !), welche jedoch durch die Form ihrer Zellen sich durchaus von den Schizonemeen unterscheiden. Hier bildet die Gallerte nämlich einen unverzweigten eylindrischen Schlauch mit etwas derberer Aussenschicht, in dem die Zellen in einer Reihe angeordnet liegen. Bei Micromega, Schizonema und Homoeocladia 2) besteht die Familie aus vielfach verzweigten Gallertsträngen von mannigfacher Form und oft beträcht- licher Grösse. In ihnen liegen die Zellen in grosser Anzahl, entweder zer- streut und unregelmässiger vertheilt, oder in langen Reihen angeordnet. Bei den ersten Gattungen sind die Zellen denen von Navicula sehr ähnlich, Homoeocladia hat dagegen sehr lange stabförmige Individuen. Genauer unter- sucht wurde nur eine Art, welche mit Micromega tenellum Ktz.3) wahrschein- lich identisch ist. Die einzelnen Gallertstränge sind hier nach oben lang zugespitzt, scheinbar dichotomisch verzweigt. Die Anordnung der Zellen in DERtz 228. [05 Tat SRoXm 1 PXXEV, 7: 2) Ktz. a. a. O. Taf. XXII ff. 3) Ktz. a. a. O., Taf. XRTVa7: Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.9) 175 der Gallerte ist sehr verschieden, stellenweise liegen sie dicht gedrängt, dann wieder ganz vereinzelt (Taf. 1. Fig. 1), an anderen Stellen dagegen in Reihen angeordnet. Ebenso sind die Spitzen der Fäden entweder ganz leer, oder sie beherbergen nur einzelne Individuen, oder sind endlich ganz vollgestopft damit, in welchem Falle die Individuen etwas schräg neben einander liegen und die Gallerte stark ausgedehnt erscheint. Hat sich eine Zelle an der Spitze gerade getheilt, so liegen die beiden Tochterzellen zwar zuerst neben einander, bald aber verschieben sie sich und kommen hinter einander zu liegen. Die Gallerte ist nicht homogen, sondern erscheint als ein System ineinander geschachtelter, langgestreckter, schmaler Stränge mit consistenterer und sich deutlich ab- setzender Aussenschicht. In ihnen können die Individuen sich vielleicht in beschränkten Maasse spontan bewegen. An der Spitze ist nur ein einziger Strang vorhanden, etwas nach abwärts lagert sich ein zweiter an und so später eine grössere Anzahl. Die Verzweigung kommt nun dadurch zu Stande, dass sich in der Nähe der Spitze ein Gallertstrang eine Strecke weit abschaltet, wohl dadurch bedingt, dass die dem Faden zugekelhrte Gallertpartie eine grössere Ausdehnungs- und Quellungsfähigkeit besitzt, als die nach Aussen gelegene. Das einzelne Individuum kann bei der Entstehung der Zweige nicht direct betheiligt sein, da ein solches in jungen Spitzen häufig ganz fehlt. Ebenso ist es nicht wahrscheinlich, dass die Zweige allmählich aus dem Hauptstamm herauswachsen, da niemals ganz kurze Stadien beobachtet wurden. Es ist daher wohl nur eine spätere Trennung früher verbundener Theile an- zunehmen. Dafür sprechen auch besonders andere bei Kützing gegebene Abbildungen von Micromega-Arten, z. B. die von M. flagelliferum und von M. ramosissimum '), bei denen sich der Gallertstrang an einer Stelle plötzlich in seine einzelnen Bestandtheile, lange dünne Gallertfäden, auflöst, in denen die Individuen reihenweise angeordnet sind. Es ist also das einzelne Individuum bei der Zweigbildung von Micro- mega tenellum und wahrscheinlich auch der anderen Schizonemeen eigentlich nicht direct betheiligt, sondern dieselbe ist hauptsächlich-auf die Eigenschaften der von den Individuen ausgeschiedenen Gallerte zurückzuführen. — Bei der DERtZ. 2.2.0, Var Roxy. 2A: KoX@Vss Te Nova Acta XL. Nr. 5. 23 176 G. Berthold. (p. 10) jetzt zu betrachtenden Gattung Aydrurus tritt dagegen die einzelne Zelle mehr in den Vordergrund. Die Arten von Hydrurus leben namentlich in kalten, schnellfliessenden Gebirgsbächen. Mir haben zur Untersuchung nur Exemplare von Hydr. peni- cillatus Agardh, jedoch von zwei verschiedenen Fundorten, vorgelegen. Die einen wurden von Herrn Prof. Reinke in den Alpen gesammelt und von demselben mir zur Benutzung freundlichst überlassen, die andern stammten aus der Bode, vom Fusse des Brockens. Die alpinen Exemplare zeichneten sich vor den letzteren durch eine grössere Consistenz und geringere Massen- entwickelung der Gallerte aus, ausserdem besassen sie viel weniger Zweige, besonders an der Spitze, als die reich verzweigten Exemplare aus der Bode. Sonst fanden sich jedoch wesentliche Verschiedenheiten zwischen ihnen nicht. Das Gallertlager von Hydrurus ist mit seiner Basis an Steinen befestigt und bildet einen 2—4 ctm langen monopodial verzweigten Schlauch von bräunlicher Farbe, der ungefähr in der Mitte seine grösste Dicke von bis 2 mm Durchmesser erreicht und sich nach oben allmählich verjüngt. Die Zweige strahlen nach allen Seiten aus und sind regellos über die Oberfläche zerstreut, ganz kurze und junge abwechselnd mit andern von beträchtlicher Grösse. An grösseren Exemplaren lassen sich bis vier Zweigordnungen unter- scheiden. Die Verzweigung ist monopodial, in einigen Fällen schien es jedoch, als ob auch Dichotomien ausnahmsweise vorkämen. Häufiger löste sich ein starker Stamm an einer Stelle plötzlich in mehrere fast gleich starke Stränge auf, es wurden 8, 9, 14 etc. an einer Stelle entstehende Zweige beobachtet. Dieses letztere Vorkommen ist aber wahrscheinlich abnorm und rührt vielleicht von zufälliger Verletzung des Lagers her. Querschnitte des Gallertcylinders zeigen eine ungefähr kreisförmige Be- grenzung (Taf. 1. Fig. 2) und lassen häufig eine theilweise Einschachtelung an der Gallerte erkennen, doch ist dieselbe nicht immer deutlich. Längsschnitte ergeben, dass diese eingeschachtelten Partien lange Gallertstränge bilden, in denen die einzelnen Zellen gruppenweise und wenigstens in‘ den mittleren Partien der Länge nach angeordnet liegen. Die Zellen jedes einzelnen Stranges stehen offenbar unter sich in näherer Verwandtschaft. Die Zahl der auf einem Querschnitt gelegenen Zellen wächst natürlich mit dem Durchmesser desselben. Dicht unter der Spitze sind nur wenige vorhanden, auf Querschnitten mittlerer Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 11) 1%7 Grösse kann man dagegen 4—500 und mehr Individuen schätzen. Die weit überwiegende Mehrzahl derselben liegt dicht gedrängt nahe unter der Ober- fläche der Gallerte, im mittleren Raume finden sich in der Regel nur wenige. Doch kommt nicht selten auch ziemlich gleichmässige Vertheilung der Zellen in dem ganzen Lager vor. Zu erwähnen ist noch, dass in älteren Gallert- strängen häufig durch Auseinanderweichen der mittleren Partien eine lang- gestreckte secundäre Höhlung entsteht. Die einzelnen Individuen sind rundlich oder länglich elliptisch, aber auch von unregelmässigerer Form (vergl. die Abbild.), in der Mitte des Lagers sind sie meist gestreckter, ja zuweilen in eine lange Spitze ausgezogen (Fig. 5a). Sehr auffallend an ihnen ist aber ein ungleiches Verhalten der beiden Zell- hältten, indem die obere grössere ‚stark lederbraun gefärbt, die untere meist viel kürzere dagegen ganz ungefärbt ist und körniges Protoplasma enthält. Auch das Protoplasma des oberen T'heiles ist etwas körnig, zeigt dagegen keine weiteren Differenzirungen. Eine scharf abgegrenzte Zellhaut ist nicht zu erkennen. Mit dem gefärbten Theile sind die Zellen meist nach oben und auswärts gerichtet, auch die gestreckten Zellen der mittleren Partien kehren ihr gefärbtes Ende meist nach oben. Die Zelltheilungen finden nur in der Richtung der Längsachse statt, so dass in Bezug auf den Inhalt zwei ungefähr symmetrische Hälften ent- stehen; die aufeinander folgenden. Theilwände stehen senkrecht zu einander. Die Theilungsebene fällt jedoch nicht immer genau mit der Längsachse der Zelle zusammen, sie ist fast eben so häufig etwas schräg geneigt und bogen- förmig, so dass die eine 'T'ochterzelle die grössere Hälfte des gefärbten, die andere die grössere des ungefärbten T'heiles der Mutterzelle enthält (vergl. Taf. I2.Fig,7, 8). Das Wachsthum an der Spitze vollzieht sich durch die Theilungen einer Scheitelzelle (1. Fig. 3, 4), welche die anderen Zellen der Familie an Grösse meist etwas übertrifft. Sie ist gestreckt cylindrisch, der. gefärbte Theil ist nach oben, der ungefärbte nach unten gerichtet, über ihrer Spitze findet sich nur eine dünne Gallertschicht. Theilt sie sich, was meist durch eine etwas schräge Wand geschieht, so liegen die beiden Tochterzellen zuerst neben- einander, bald aber findet eine Verschiebung in der Weise statt, dass die Zelle mit der breiteren Basis nach unten rückt und die andere, welche zur neuen 232 178 G. Berthold. (p. 12) Scheitelzelle wird, wieder allein an der Spitze des Fadens liegt. Die unter- halb der Spitze entstehenden Theilzellen verschieben sich ebenfalls bald gegen einander, so dass eine Gruppirung der Zellen nach ihrer Abstammung auch dicht unter der Spitze schon nicht mehr durchführbar ist (Taf. 1. Fig. 3). Bei der Entstehung der Zweige schiebt eine dicht unter der Oberfläche gelegene Zelle die obere Gallertschicht scheinbar vor sich her, und so entsteht zuerst ein kleiner Hügel, später ein kurzer Gallertfaden, in dessen oberem Theil die Zelle gelegen ist (Taf. 1. Fig. 3, 6). Durch Theilungen derselben ent- stehen dann weitere Zellen, welche sich zunächst in dem jungen Aste durch Verschiebung einreihig anordnen. Später kommen dann mehrere nebeneinander zu liegen und es wird der Ast dicker. Man muss nun annehmen, dass die Ausscheidung der Gallerte haupt- sächlich am unteren, hyalinen Zellende stattfindet. Dies ergiebt sich aus Ansichten, wie sie uns der in Fig. 6 dargestellte und andere ähnliche Fälle oft bieten. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Zellen zum weitaus grössten Theile dicht unter der Oberfläche liegen und mit dem gefärbten Ende nach aussen gewendet sind. Hieraus würde sich dann die Entstehung der Zweige mechanisch in der Weise erklären, dass die Zellen, indem sie haupt- sächlich auf der inneren Seite Gallerte ausscheiden, einen Druck auf die äussere Wand ausüben und, wenn diese an Stellen geringerer Consistenz nachgiebt, aus der Oberfläche heraustreten und so die Bildung eines Zweiges einleiten wer- den. Bei der Verschiebung der Zellen gegen einander wirkt dann ein von den äusseren Schichten aus geübter Druck mit, indem sie einer raschen Ausdehnung in die Dicke sich widersetzen, weshalb dann hauptsächlich ein Wachsthum der Familie in der Längsrichtung stattfinden wird. Ueber die Fortpflanzungsverhältnisse von Hydrurus und seine syste- matische Verwandtschaft ist nichts Genaueres bekannt. Man stellt es zu den Palmellaceen, und will Rabenhorst bei der vorliegenden Art Schwärmsporen gesehen haben, doch macht er keine näheren Angaben darüber. Mir sind Schwärmsporen nicht bekannt geworden, da es mir nicht möglich war, die lebenden Pflanzen längere Zeit zu beobachten. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 13) 179 Zeigen uns so einige Gattungen streng einzelliger Algen in der höheren Ausbildung ihres scheinbaren Thallus eine anscheinend weit gediehene Diffe- renzirung in Stämme und Aeste, so führen andere Gruppen derselben uns in eontinuirlicher Reihe zu dem durch wirkliche Verzweigung von Zellreihen ent- stehenden T'hallus unserer höheren Süsswasseralgen. Uebergangsformen sind hier die Melosira- und Fragilaria-Arten unter den Diatomaceen, Desmidium- und Bambusina-Arten unter den Desmidiaceen. Allerdings findet hier ein organischer Zusammenhang der zu Fäden verbundenen Individuen kaum schon statt, aber auch bei den wirklich organisch verbundenen Zygnemaceen ist dieser Zusammenhang häufig noch so schwach, dass sich die Zellen bei der geringsten Veranlassung von einander trennen können. Während nun die freischwimmenden Confervaceen noch durchaus keine Verschiedenheit der einzelnen Gliederzellen erkennen lassen, tritt bei den mit einem Ende festgewachsenen, z. B. Chaetomorpha, Oedogonium, eine Differenzirung in der Weise ein, als die die Pflanze am Boden befestigende Zelle entweder in der Schnelligkeit der 'Thheilungen hinter den anderen Fadenzellen zurück- bleibt, oder die Fähigkeit sich zu theilen sogar vollständig verliert. Während uns hier jedoch nur eine einzige oder einige wenige Zellen erheblich modifieirt erscheinen, alle andern sich jedoch vollkommen unter sich gleich verhalten, wird ein bedeutender Schritt zu weitergehenderer Differenzirung gemacht, so- bald die Verzweigung auftritt. Auch bei den verzweigten Algen können die einzelnen F'iadenzellen, bevor sie anfangen Zweige zu produeiren, sich zunächst in Bezug auf Wachsthums- und 'Theilungsgeschwindigkeit fast ganz gleich verhalten, wie es uns einige Arten von Cladophora und die meist, Stigeoclonien zeigen. Mit dem Auftreten der Zweige indessen wird dies auf einmal anders. Denn während die Zelle einen Zweig hervorbringt, vermag sie sich nicht mit derselben Geschwindigkeit, wie die andern Fadenzellen, zu vermehren, sie bleibt also hinter denselben mehr oder weniger zurück. Nachher kann dann der verlangsamte Vermehrungsprocess mit grösserer Energie wieder aufgenom- men werden. In einzelnen Fällen jedoch, wie bei der marinen Oladophora prolifera, finden secundäre Zelltheilungen überhaupt nicht mehr statt, hier ist die Zellvermehrung schon auf den Scheitel localisirt und die intercalare Ver- grösserung beschränkt sich auf starkes Längenwachsthum der primären Glieder- 180 G. Berthold. (p. 14) zellen, wie es sich bei so vielen höheren Algenformen nur allein noch erhalten findet. Mit dem Auftreten von Nebenachsen ist nun aber auch ein Anlass zu noch weiter gehenden Differenzirungen der Zellen der Hauptachsen gegeben; die sich hier darbietenden Erscheinungen lassen sich alle auf den Umstand zurückführen, dass die Hauptachse der Befestigungspunkt für die aus ihr entstandenen Nebenachsen ist. Daher eine bedeutend stärkere Ausbildung der Zellwand, starke Verlängerung und Verdickung der Zellen und allmähliches Zurücktreten der vegetativen Functionen, welche zuletzt vollkommen ver- schwinden können. So sind die Zellen des Hauptstammes von Draparnaldia, die inneren Zellen von Chaetophora bei einem gewissen Alter der Pflanze, wo die peripherischen 'T'heile noch ungestört fortwachsen, schon unfähig sich weiter zu theilen, Schwärmsporen zu erzeugen oder in umfassenderer Weise zu assimiliren, während bei Cladophora und Stigeoclonium wie es scheint eine solche Stufe der Differenzirung noch nicht erreicht wird. Aber noch weiter geht die Differenzirung bei den in Rede stehenden Algengruppen, schon tritt auch ein Unterschied in der Wachsthumsrichtung der Zweige ein, es scheiden sich aufrechte Aeste und abwärts gehende Wurzel- fäden. Ihren Anfang nimmt die Bildung der letzteren bei einigen wenigen Cladophoren, doch sind es hier zum grössten Theil nur abwärts wachsende Ausstülpungen einzelner Zellen, ohne Gliederung und ohne Abgrenzung von der Mutterzelle, wie bei CI. prolifera und, wie aus den Tafeln von Kützing!) hervorgeht, auch bei (O1. mutila. Cladophora tenella?) zeigt dagegen schon gegliederte wirkliche Wurzelfäden. Alle diese Gebilde wachsen nach abwärts und legen sich zum Theil wie Berindungsfäden fest an die Zellen des Haupt- stammes an. Häufiger scheinen sie schon bei der mit Oladophora sehr nahe ver- wandten Gattung Aegagropila vorzukommen, wenigstens erwähnt Kützing schon des sehr auffallenden Vorkommens verlängerter wurzelartiger Ausbuchtungen?), 1) Ktz. Tabulae phycologicae IV, 21. 2) Kt a8 071,30: 3) Kütz. Tab. Phyc. IV, Vorwort, Seite XV. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 15) 181 und er bildet solche ab bei Aeg. herpestica, Zollingert und modonensis!). Bei den beiden zuerst genannten Arten sind dieselben sehr lang, am untern Ende verzweigt und es scheinen nach den Abbildungen auch Querwände vorzukommen. Viel häufiger sind die Wurzelhaare bei den Chaetophoreen, doch ist auch hier ein bestimmtes feststehendes Gesetz über ihre Bildung oder Nicht- bildung noch nicht vorhanden. Am häufigsten und massenhaftesten kommen sie bei Chaetophora vor, wo sie im Innern der halbkugeligen Pflanze ein dichtes Geflecht gegliederter Fäden bilden können. In anderen Individuen derselben Art sind sie jedoch wieder nur in sehr geringer Anzahl vorhanden. Sie ent- stehen aus dem unteren T'heil der Zellen, jedoch auch aus der Mitte derselben und wenden sich in unregelmässigen Windungen meist schräg nach abwärts. Ihre Zellen sind lang gestreckt und fast ganz hyalin, können jedoch bei Stigeoclonium kurz bleiben und viel Chlorophyll entwickeln, wenn sie auf eine teste Unterlage treffen. Dann bringen sie hier auch aufrechte Fäden (Stig. flagelliferum) hervor. Stigeoclonium zeigt überhaupt eine geringere Differenzi- rung und eine ausserordentliche Wandelbarkeit im äussern Habitus, worauf neulich auch Cienkowski in zwei später näher zu besprechenden Aufsätzen hingewiesen hat. Während sich aus der Schwärmspore, wenn sie auf fester Unterlage keimt, eine kurzzellige vielverzweigte Sohle mit starkem Chlorophyll- gehalt entwickelt, aus der dann die aufrechten Stämme entstehen, bildet die Keimpflanze, wenn sie sich nicht hat irgendwo festsetzen können, oft einen wurzelhaarartigen Faden aus (vergl. Taf. 1. Fig. 17, 16, 15), welcher jedoch, sobald er auf eine feste Unterlage trifft, die normale Sohle entwickelt. Wie gering gerade bei Stigeoclonium die Differenzirung noch ist, lehrte mich ein Zufall an den Keimpflanzen von Stig. variabile, einer langgestreckte wenig verzweigte Fäden besitzenden Art, kennen. Schwärmsporen derselben waren auf senkrecht in Gläsern aufgestellten Objectträgern aufgefangen worden, und nach dreitägigem Wachsthum zu 6—10zelligen Keimpflanzen herange- wachsen. — Es muss hier noch im Voraus bemerkt werden, dass diese Art bei der Keimung zuerst einen aufrechten Zellfaden und erst später auf der Unterlage kriechende Zweige erzeugt. — Von den oben erwähnten Object- trägern glitten nun zufällig zwei aus und kamen auf den Boden des Gefässes I!) Kütz. a. a. O0. IV, Tab. 66, 64 und 67. 182 G. Berthold. (p. 16) zu liegen. Sofort trieben die Keimpflanzen Zweige, was sonst gewöhnlich erst viel später geschah. Sonderbarer Weise entstanden die Zweige aber nicht allein am oberen Ende der Zellen des Fadens, sondern auch am unteren, so dass häufig Fälle beobachtet wurden, wo von zwei übereinander liegenden Zellen die untere am oberen, die obere am unteren Ende in unmittelbarer Nähe einen Zweig entwickelt hatten, welche dann aufwärts wachsend zu gewöhn- lichen Zellfäden wurden. Daneben entwickelten an denselben Keimpflanzen andere Zellen an ihrem unteren Ende abwärts wachsende Stolonen, die für gewöhnlich bei so jungen Exemplaren auch noch nicht gebildet wurden. Hier hatte also die veränderte Lage den Impuls zur Verzweigung gegeben, die Differenzirung zwischen dem oberen und dem unteren Zellende war aber noch so gering, dass aus dem letzteren regellos aufwärts wachsende Zweige und abwärts gerichtete Wurzelfüden entstehen konnten. Unter diesen Umständen ist es auch nicht auffallend, dass gerade bei den Chaetophoreen der äussere Habitus so sehr wechselt und äussere Umstände, ungünstige Wachsthumsbedingungen die Pflanzen so modifieiren können, dass man sie beim ersten Ansehen kaum wiedererkennt, ein Bestimmen nach den bis jetzt benutzten Charakteren aber vollkommen unmöglich wird. Cladophora. Was die Literatur über diese so ausserordentlich verbreitete Gattung anbetrifft, so sind nur einzelne kurze Angaben vorhanden. Die Vorgänge bei der Zelltheilung wurden sehr genau von H. v. Mohl!) an COonferva ( Olado- phora) glomerata beschrieben, jedoch kann auf dieselben hier nicht näher ein- gegangen werden..... Ueber die Entstehung der Schwärmsporen findet sich eine kleine Notiz bei Thuret „Sur les zoospores des algues“ 2), wo derselbe erwähnt, dass die Sporen zu mehreren in einer Zelle entstehen und mit zwei Cilien und einem rothen Punkt versehen sind. In der jüngsten Zeit ist auch 1) H. v. Mohl. Vermischte Schriften botan. Inhalts. Tübingen 1845, pag. 362 fl. Taf. XIH. 2) Annal. des sciences natur. 1850. Botanique. Serie 3, Tome 14. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 17) 183 eine geschlechtliche Fortpflanzung vermittelst Copulation von Mierozoosporen durch den schwedischen Naturforscher Areschoug!) bekannt geworden, welcher dieselbe bei CT. sericea Huds. und (1. arcta Dillw. nachwies. Nähere Angaben darüber können hier jedoch nicht gemacht werden, da mir die Arbeit leider nicht zugänglich war. Die Entwickelung der Cladophoren kann also im Wesentlichen jetzt als bekannt angesehen werden. Was aber den Aufbau ihres Thallus anbetrifft, so ist ausser dem Wenigen, was sich aus den Tafeln von Kützing und Rabenhorst'’s Flora europaea algarum schliessen lässt, nichts von Belang vorhanden. Ich habe deshalb meine Aufmerksamkeit haupt- sächlich auf diese Verhältnisse gerichtet und daraufhin Cl. gossypina, Cl. fracta, zwei Formen von C!. glomerata und ausserdem noch die marine Cl. prolifera aus dem Golf von Neapel genauer untersucht. Sehr wenig differenzirt und den unverzweigten Conferven am nächsten stehend ist O7. gossypina, an welche sich Cl. fracta und weiterhin O7. glomerata mit schon sehr gesetzmässigem Bau anschliessen. Am weitesten abstehend ist Cl. prolifera, mit vollkommen feh- lenden secundären Theilungen, sie steht mit noch einigen anderen Arten morphologisch am höchsten unter den Oladophoren. Cladophora gossypina lebt in sumpfigem Wasser, Gräben, woselbst die langen Fäden verworrene Watten bilden. Die Zweige stehen sehr vereinzelt, können auf weitere Strecken vollkommen fehlen und eine Regelmässigkeit in ihrer Anordnung lässt sich nicht nachweisen, kürzere und längere sind unter einander gemischt. Die Fäden wachsen durch Theilungen der Spitzenzelle und sehr früh auftretende secundäre Theilungen der Gliederzellen. Diese Art erinnert hierdurch sehr an das später näher zu besprechende Stigeoclonium variabile. Der Aufbau bietet keine bemerkenswerthe Regelmässigkeiten dar, wenigstens nicht an denjenigen Exemplaren, welche mir zu Gebote standen. Als günstiger für die Untersuchung erwies sich dagegen 01. fracta. Diese Art stellte sich im Laufe des Sommers in mehreren Culturen ein, sie erreichte eine Länge von 1—2 Zollen und besass weit abstehende, ausge- spreizte Aeste, Die jungen Pflanzen bilden hier zuerst unverzweigte Zellfäden, an denen die ersten Zweige früher oder später und zuerst sehr unregelmässig !) Areschoug. Observationes Phycologicae, pars secunda. Upsala 1874. Nova Acta XL. Nr. 5. 24 184 G. Berthold. (p. 18) entstehen. Erst wenn die Pflanzen einigermassen erstarkt sind, beginnt die Verzweigung eine regelmässigere zu werden. Ebenso zeigt auch der untere Theil eines Astes häufig Unregelmässigkeiten in der Vertheilung der Zweige, wie denn überhaupt diese Art durchaus noch keine so fest begründete Gesetz- mässigkeit im Wachsthum besitzt, wie (07. glomerata. Das Wachsthum der Zweige und Stammspitzen geschieht zuerst blos durch die Theilungen der Spitzenzelle. Weiter abwärts, gewöhnlich in der 6.—8. Gliederzelle, tritt die erste secundäre Theilwand auf. Durch später fortgesetzte secundäre Theilungen geht schliesslich jede primäre Gliederzelle in eine grössere Anzahl von secundären Gliederzellen über, wodurch die Pflanze später in grössere genetisch zusammengehörige Abschnitte zerfällt. Den Verlauf dieser secundären Theilungen, sowie den ganzen Aufbau des Hauptstammes einer älteren Pflanze möge folgendes Beispiel veranschau- lichen, in dem jedesmal die Zahl der Zellen angegeben ist, aus denen die aus je einer primären Gliederzelle entstandenen Abschnitte einer 179zelligen Pflanze zusammengesetzt waren vom Scheitel an gerechnet: Die ersten 8 Zellen waren ohne secundäre Theilungen und ohne Aeste, die übrigen Abschnitte bestanden aus 2, 3, 4, 5, 5, 6, %,7,7,%, 10, 9, 16, 17, 15, 24, 21 Zellen. Diese Zusammenstellung zeigt also eine ganz allmähliche Zunahme in der Zellenzahl und der Länge der Hauptabschnitte auch in den älteren Partien. Etwas anders werden wir dies bei 07. glomerata finden. Die jüngste Zweiganlage findet sich gewöhnlich an der 3.—6. Glieder- zelle, sie kann jedoch bei schwächlichen Exemplaren noch weiter nach abwärts rücken. Die ersten Zweige entstehen an den primären Gliederzellen acropetal und sind nach allen Seiten gerichtet, sie wachsen gleichmässig und sind daher um so grösser, je älter sie sind. Sobald aber secundäre 'Theilungen in den Gliederzellen stattgefunden haben, treten auch interponirte Zweige auf. Der erste entsteht mit ziemlicher Regelmässigkeit, die weiteren kommen jedoch nur sehr unregelmässig zur Entwickelung. So trug der 24zellige vorletzte Abschnitt der oben erwähnten Pflanze an der zehnten Zelle von unten gerechnet den ersten interponirten Zweig, die untere Hälfte des Abschnittes hatte keinen Zweig mehr erzeugt, die obere 14zellige trug noch zwei Zweige, den einen an der 6., den andern an der 9. Zelle. Ganz junge Zweige waren hier nicht Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 19) 185 mehr vorhanden, doch traten. sie ordnungslos an den Zellen anderer älterer Abschnitte auf. Der älteste und stärkste Zweig steht also immer an der Grenze zwi- schen zwei Hauptabschnitten des Stammes, neben ihm trat hier nur ungefähr in der Hälfte der Fälle noch ein zweiter Zweig später auf. Die Zweige be- sitzen dieselbe Entwickelungsfähigkeit wie der Hauptstamm, die beiden grösseren den 24zelligen Abschnitt abgrenzenden Zweige waren der untere über 120-, der obere 95zellig, der Zweig zwischen diesen beiden an der 10. Zelle war ölzellig. Wir haben hier also schon ein deutliches Zurücktreten des intercalaren Wachsthums gegen dasjenige an der Spitze des Fadens, im Uebrigen aber noch Gleichwerthigkeit zwischen Stämmen und Aesten und zwischen den letzteren unter sich. Wesentlich denselben Aufbau hat auch 07. glomerata, dennoch zeigt dieselbe mehrere Abweichungen, welche den ihr eigenthümlichen Habitus be- dingen. Die Regelmässigkeit im Wachsthum ist schon viel constanter, obwohl die jungen Pflanzen auch hier noch unregelmässig verzweigt erscheinen. Die Zweige entwickeln sich viel frühzeitiger und rascher, sie legen sich auch mehr an den Hauptstamm an, wodurch der knäuelförmige Habitus zum Theil mit verursacht wird. Unter jeder primären T'heilwand entstehen meist drei, aus- nahmsweise auch vier Zweige nach einander, welche einen einseitwendigen Quirl bilden. Die intercalaren Theilungen treten hier später auf, finden dann zuerst nur langsam statt, werden aber bald sehr lebhaft, und führen so zu rascher Verlängerung der einzelnen Abschnitte und der ganzen Pflanze. Interponirte Zweige an den secundären Gliederzellen sind entweder nur ganz selten, oder doch spärlieh vorhanden und unregelmässig zerstreut, auch häufig schwächlicher entwickelt als die übrigen. Die folgenden Zahlen geben wie vorher die Abschnitte zweier älterer Stammspitzen von Cl. glomerata an, die erste Zahl bezeichnet die zwischen dem jüngsten Zweig und der Spitze gelegenen Zellen, in den Klammern sind zum Theil Anzahl und Länge der an dem Abschnitt stehenden Zweige angegeben: DIE EBENE): ol); 16579); 2a lderi)7 2 22732: A 37.28]: 2 a) Baal A AED AA 5 0A BE 24* 186 G. Berthold. (p. 20) Diese Zusammenstellung zeigt erstens die ausserordentlich langsame Verlängerung des Hauptstammes in der Region der Zweigbildung und weiter eine sehr rasche Zunahme der Länge bei den älteren Abschnitten, im Gegen- satz zu 07. fracta, wo das Wachsthum allmählicher stattfindet. Leider war es nicht möglich, diese Verhältnisse noch weiter abwärts zu verfolgen, da an den älteren Partien Hauptstimme und Zweige sich derart wie bei einem ge- drehten Tau verschlungen haben, dass man nicht im Stande ist, sie unversehrt auseinanderzulegen. Es ist darum auch nicht möglich, die ungefähre Grenze des secundären Theilungsvorganges genau anzugeben, doch ist dieselbe bei der beträchtlichen Länge, welche diese Art erreichen kann, wohl nicht für sehr eng zu halten. Es bleibt uns jetzt nur noch Einiges über die marine (7. prolfera zu sagen, bei welcher secundäre Zelltheilungen überhaupt nicht mehr vorkommen. Ebenso verhalten sich, so viel sich wenigstens aus den von Kützing!) ge- gebenen Abbildungen schliessen lässt, die ihr im Habitus sehr ähnlichen Formen CI. catenulata, scoparia, catenifera und pellucida. Es ist möglich, dass diese sich von den übrigen Cladophoren so weit entfernenden Formen bei genauerer Untersuchung auch noch andere Unterscheidungsmerkmale zeigen werden. Die secundäre Verlängerung beschränkt sich bei Cl. prolifera auf ein Auswachsen der primären Gliederzelle auf das 3—4fache der ursprünglichen Länge, wobei sie sich am unteren Ende stark verdünnt. Die Entstehung der Zweige und ihre Stellung bietet nichts Bemerkenswerthes dar, am Knoten stehen gewöhnlich drei Zweige, der zweite entsteht häufig fast gleichzeitig mit dem ersten. , Die bei dieser Art noch vorkommenden Wurzelfäden wurden schon oben erwähnt. Die untersuchten Exemplare besassen eine Länge von ungefähr zwei Zoll. Was die Anheftung der Cladophoren anbetrifft, so kann ich aus eigener Anschauung ganz Sicheres darüber nicht berichten. Nach einigen mir vor- gekommenen Ansichten scheint die untere Fadenzelle sich wurzelartig auf der 1) "Tab. Phye. III, 82, 83. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.21) 18% Unterlage zu verzweigen, womit eine von Kützing?!) bei O1. catenifera ge- gebene Figur sehr gut übereinstimmt. Zu bemerken ist noch eine Eigenthümlichkeit, welche ich häufig an den untersten Zellen der Pflanzen von CI. fracta« und Cl. glomerata beobachtet habe, und in Folge deren mehrere Zweige aus der Mitte von Zellen zu ent- springen scheinen. Es ist dies der Umstand, dass die unteren Zellen der Pflanze leicht absterben, worauf die darüber gelegene gesunde Zelle durch einseitige Aufhebung des Druckes veranlasst wird, einen langen Schlauch in dem Lumen der abgestorbenen Zellen nach abwärts zu treiben. Da nun in diesem die neuen Querwände nicht wieder genau an den früheren Stellen ent- stehen, so erscheinen später die an diesem Abschnitt befindlichen Zweige häufig aus der Mitte von Zellen hervorgegangen zu sein. Das Anfangsstadium eines solchen Vorganges hat auch Naegeli2) schon abgebildet im ersten Heft der von ihm und Cramer herausgegebenen Pflanzenphysiologischen Untersuchungen. Chaetophoreae. Die Gruppe der Chaetophoreen im engeren Sinne wird von nur drei in unserem süssen Wasser sehr verbreiteten Gattungen, Stigeoclontum, Drapar- naldia und Chaetophora gebildet. In Folgendem sind jedoch ausserdem noch zwei Formen anhangsweise hierher gestellt, welche zwar auch Haare, oder wenigstens Borsten besitzen, sich aber durch wesentliche Charaktere von den eigentlichen Chaetophoreen unterscheiden und sich einstweilen mit Sicherheit noch unter keine der bekannten Gruppen bringen lassen. Die eine dieser beiden Formen ist vielleicht identisch mit der von A. Braun?) kurz erwähnten Aphanochaete repens, die andere ist, wie es scheint, bis jetzt unbekannt ge- blieben und wurde Chaetopeltis benannt. Was die eigentlichen Chaetophoreen anbetrifft, so besitzen wir über Aufbau und Entwickelung derselben bis jetzt meist nur kurze sporadische Y!) Tab. Phye. III, 83. 2) Pflanzenphys. Untersuchunger. Taf. IV. Fig. 17. 3) Betrachtungen über die Erscheinung der Verjüngung in der Natur. Seite 196, Anm. 2. 188 G. Berthold. (p. 22) Angaben. In dem oben citirten Werke von A. Braun finden sich mehrere gelegentliche Bemerkungen. Auf Seite 161 erwähnt er die abwärts wachsen- den Stolonen von Chaetophora und giebt an, es kämen bei Draparnaldia be- grenzte Zweige vor, was jedoch auf Irrthum beruht. Seite 148 theilt er mit, dass von ihm bei Stigeoclonium protensum und bei Draparnaldia mutabilis Microgonidien beobachtet worden seien. Ferner finden sich einige Angaben bei Thuret, in dem schon bei Cladophora erwähnten Aufsatze „Sur les zoospores des algues“, über den Zell- inhalt und die Bildung der Zoosporen. Der Zellinhalt ist hiernach in den Zellen ringförmig gelagert, die Zoosporen entstehen einzeln in den Zellen, jede besitzt am vorderen hyalinen Ende vier Cilien und einen schon vor dem Aus- schwärmen deutlich sichtbaren rothen Pigmentfleck an der Seite. Sie werden frei durch Zerstörung der Zellwand. Bei Draparnaldia bilden sie sich nur in den jüngeren Zweigen, nicht mehr in den Zellen der Hauptstämme. Ebenso macht Pringsheim!) einige Angaben über die Bildung von Dauersporen bei den Chaetophoreen, sie lassen sich kurz folgendermaassen zusammenfassen: Die gewöhnlichen vegetativen Zellen werden zu Sporen- mutterzellen, die Stammzellen bilden dagegen keine Ruhesporen mehr, sobald die Differenzirung zwischen Stamm und Ast bedeutender geworden ist. Bei Drap. glomerata entstehen sie bald einzeln, bald zu 3—4 in einer Zelle, bei Stigeoclonium und Chaet. endiviaefolia wurden nur 2—4 beobachtet. Bei Draparnaldia bleibt die Spore entweder in der Mutterzelle, oder sie tritt aus und entsteht dann wahrscheinlich aus Schwärmern, welche den direct keimen- den völlig gleichen, sich eine Zeit lang wenn auch nicht sehr energisch be- wegen und dann durch Ausscheiden einer Haut in Dauersporen übergehen. Bei Stigeoclonium und „Ohaet. endiviaefolia brechen die Zellen nicht auf, son- dern sie vergrössern sich rasch, die Querscheidewände zwischen den Zellen fallen ab und es entsteht so ein Schlauch, in dem die Dauersporen liegen. Dies waren bis vor Kurzem die einzigen genaueren Angaben über die Entwickelung der Chaetophoreen. Im vorigen Jahre nun hat Cienkowski !) Ueber die Dauerschwärmer des Wassernetzes und einige ihnen verwandte Bildungen. Seite 17 ff. Monatsberichte der Berlin. Acad. 1860. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.23) 189 zwei ausführlichere Abhandlungen über Stigeoelonium veröffentlicht ?), in welchen er neben wichtigen Angaben über entwickelungsgeschichtliche Verhältnisse hauptsächlich die ausserordentliche Wandelbarkeit dieser Gattung nachgewiesen hat. Die Hauptresultate dieser beiden Abhandlungen sind folgende: Stigeoclonium besitzt eine grosse Wandelbarkeit im äussern Habitus. Die Gliederzellen sind von äusserst verschiedener Länge, häufig rosenkranz- förmig, die Zweige stehen dicht gedrängt oder entfernt, endigen ohne Unter- schied mit Borste oder entbehren derselben. Die Befestigung geschieht durch auf der Unterlage kriechende, unregelmässig verzweigte Fäden (Sohle), deren Zellen sich abrunden und eine pseudoparenchymatische Scheibe bilden können. Die Theilwände stehen meist transversal, doch gehen sie häufig schief nach allen Richtungen oder der Länge nach. Hierdurch kann der Faden in einen zweireihigen Zellstrang übergehen, aus dem durch weitere T'heilungen und Auseinandertreten der beiden Reihen in der Mitte ein Ring entstehen kann, der nach unten und oben in den einfachen Faden ausläuft. Der Inhalt der Zellen ist sehr verschieden, meist lässt sich eine gleichmässige Auskleidung mit Chlorophyll erkennen. In den jungen Gliedern der Sohle lassen sich ein Stärkekorn und eine helle Vacuole unterscheiden. In langen Zellen kleidet der Chlorophyliring nur den mittleren Theil aus. Häufig sind alle Zellformen mit Stärke vollgepfropft. Bei der Bildung der Schwärmsporen geht entweder aus jeder Zelle eine Spore hervor, oder in üppigen Exemplaren mehrere, welche einreihig angeordnet sind. In diesem Falle treten zwischen den einzelnen Sporen feine Lamellen auf nach verschiedenen Richtungen. Die Schwärmsporen sind an Grösse sehr verschieden, besitzen 4 Cilien, einen rothen Punkt und am vorderen hyalinen inde zwei contractile Vacuolen. Bei ihrem Austritt erweicht die Zellwand gewöhnlich in ihrem ganzen Umfange, zuweilen nur an einer Stelle. Eine zweite Art von kleineren Schwärmern, Mierogonidien, wurde von ihm an den Zellen der Sohle und denen ihrer nächsten Verzweigungen ') Der erste Aufsatz findet sich Bot. Zeitung 1876 Nr. 2: „Ueber den Palmellen- zustand bei Stigeoclonium.‘ Der zweite erschien in demselben Jahre im Bulletin de l’acad&mie des Sciences de St. Petersbourg 1876, Tom. 21, Seite 529: „Zur Morphologie der Ulothricheen.“ 190 G. Berthold. (p. 24) beobachtet, deren Zellhaut eigenthümlich gallertig aufgequollen war. Sie be- sitzen zwei Cilien und entstehen zu mehreren durch succedane Zweitheilung des Zellinhalts, sie sind beim Austritt von einer feinen Blase umschlossen und sind direct keimfähig. Die Bildung von Ruhesporen beschreibt Cienkowski an einer kleinen auf Algen lebenden Form. Die Zellen brechen dabei am Scheitel auf, der Inhalt tritt aus, umgiebt sich mit einer Haut und ist mit einem dünnen farb- losen Stiel an der Mutterzelle befestigt. Die Dauerzelle wächst noch eine Zeit lang fort und wird später gelb oder roth. Den Haupttheil der Cienkowski’schen Abhandlungen bildet jedoch die Beschreibung einer eigenthümlichen Vergallertungserscheinung der Zellwände, verbunden mit einem Zerfall der Fäden und Bildung eines protococcusartigen Zellhaufens, dessen einzelne Zellen sich nach allen Richtungen theilen. Dieser Vorgang ist von ihm auch noch bei Ulothrix und anderen Ulothricheen nach- gewiesen worden und er findet sich in verschiedenen Algengruppen. Er scheint durch besondere äussere Vegetationsbedingungen, z. B. Reichthum des Wassers an faulenden organischen Stoffen herbeigeführt zu werden. Famintzin ') brachte das Zerfallen in protococeusartige Gebilde durch gewisse Concentration der Nährflüssigkeit hervor. Dieses sind im Wesentlichen die Resultate der bisher über die Chaeto- phoreen gemachten Beobachtungen, sie geben uns zwar kein vollständiges Bild von der Entwiekelung derselben, erlauben aber doch schon die wesentlichen Phasen derselben mit ziemlicher Sicherheit festzustellen. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung geschieht durch Macrozoosporen mit 4 Cilien, aus ihnen geht durch sofortige Keimung eine neue Pflanze hervor. Sv folgen mehrere ungeschlechtliche Generationen auf einander, bis zuletzt Micro- gonidien (Braun, Cienkowski) erzeugt werden, mit zwei Cilien, und diese sind aller Wahrscheinlichkeit nach als geschlechtliche anzusehen. Es spricht dafür, ausser den in den letzten Jahren bekannt gewordenen analogen Vor- kommnissen bei verschiedenen anderen Algengruppen, besonders die von Dodel-Port nachgewiesene Copulation der Microzoosporen von Ulothrix, an 1) Die anorganischen Salze u. s. w. Melanges biolog. Tom. VIII, pag. 257; tab. 1, fig. 18—26. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 25) 191 welche Art sich Stigeoclonium direct anschliesst. Dafür sprieht auch eine Bemerkung in der Arbeit von Cienkowski, wo er angiebt, dass eine zur Ruhe gekommene Mierogonidie vier Cilien besessen habe, während sie nach ihm doch nur zwei haben sollen. Auch die directe Keimfähigkeit, welche er bei denselben beobachtete, spricht nicht mehr gegen diese An- nahme, nachdem Dodel für die nicht zur Copulation gekommenen Micro- zoosporen von Ulothrix dasselbe nachgewiesen. Die wichtige Frage, ob alle Microgonidien direet keimten, oder ob sich nicht einige zu Dauersporen ent- wickelten, welches dann die copulirten sein würden, wird leider von Cien- kowski nicht beantwortet. Die Dauersporen dagegen erscheinen nach allen Angaben als ungeschlechtliche Producte und sie sind wohl als ein besonderes Ruhestadium anzusehen, so dass, wenn nach Analogie von Ulothrix, die copu- lirten Mierozoosporen ebenfalls Ruhesporen entwickeln, zwei Arten derselben anzunehmen sein würden, wie solche z. B. auch bei Hydrodietyon vorkommen. Meine im Laufe dieses Sommers gesammelten Erfahrungen bestätigen die Angaben von Cienkowski über die Veränderlichkeit der Stigeoclonien in Bezug auf Habitus und Zellinhalt. Und auch COhaetophora und Draparnaldia zeigen, wenn man sie in Cultur nimmt, starke Verlängerung der Fäden, regel- lose Verzweigung, kugelförmiges Anschwellen der Gliederzellen, indem sie unter diesen Umständen nur ein kümmerliches Leben zu fristen vermögen. Aus- gewachsene Exemplare lassen sich in der Cultur nur von Stigeoclonien erzielen und auch diese zeigen durchaus nicht jene Gesetzmässigkeit im Aufbau, welche, wie später gezeigt werden soll, sich an im Freien aufgewachsenen kräftigen Exemplaren nachweisen lässt. Zweige, in denen Zelltheilungen nach allen Richtungen stattfanden und die in Folge dessen Stränge von ganz unregel- mässig zusammengefügten abgerundeten Zellen bildeten (vergl. Taf. 3. Fig. 7), habe ich oft bei COhaetophora elegans, Stig. lubrieum und Stig. flagelliferum beobachtet. In sehr grosser Menge bei Chaet. elegans nach längerer Cultur von im Freien aufgewachsenen Pflanzen. Auch Zweige, welche auf normale Weise entstanden, in ihrem weiteren Verlaufe ein wurzelfadenartiges Aussehen erlangten, habe ich bei eultivirten Stigeoclonien öfter beobachtet, sie beweisen nur die früher ausgesprochene Ansicht über die noch geringe Differenzirung zwischen aufrechtem Zweig und Wurzelfaden, sowie zwischen dem untern und obern Zellende bei Stigeoclonium. Nova Acta XL. Nr. 5. 25 192 G. Berthold. (p. 26) Was dagegen die Bildung der Schwärmsporen anbetrifft (vergl. Taf. 1. Fig. 13; Taf. 2. Fig. 10), so ist der gewöhnliche Fall, dass aus jeder vegetativen Zelle wenigstens zwei entstehen, nur die Spitzenzellen der Fäden theilen sich vorher meist nicht mehr. In dem Falle, wo mehr als zwei, sondern 3—4 in jeder Zelle gebildet werden, entstehen sie nicht gleichzeitig, sondern succedan, in der Weise, dass die vegetative Zelle zuerst durch eine Querwand in zwei Tochter- zellen und darauf jede der letzteren oder auch nur die eine durch eine neue Quer- oder Längswand in zwei weitere Zellen zerfällt. Aus jeder der so entstandenen Zellen geht eine Schwärmspore hervor. Die secundären Theil- wände sind, wie auch Cienkowski angiebt, nach dem Ausschwärmen als feine Lamellen zu sehen und zwar die zuerst entstandene am deutlichsten. Gerade bei diesen als Vorbereitung zur Sporenbildung auftretenden Theilungen sind auch bei Chaetophora und Draparnaldia die Wände häufig schief oder longitudinal, während bei rein vegetativen Theilungen longitudinale Wände bei Draparnaldia gar nicht, bei Chaetophora nur in dem oben angegebenen und in Figur 7, Tafel 3 abgebildeten Falle beobachtet wurden. Das Auftreten der Schwärmsporen ist an einen bestimmten Zeitpunkt der Entwickelung der Pflanzen nicht gebunden. In der Natur allerdings findet unter normalen Umständen ihre Bildung wahrscheinlich erst an erwachseneren Pflanzen statt, dass dagegen auch schon ganz unerwachsene, wenigzellige Keimpflanzen im Stande sind, Schwärmsporen zu produeiren, habe ich öfter an den Keimpflanzen von Stigeoclonien beobachtet. So erhält sich auch Ohaet. pisiformis in mehreren Generationen den ganzen Sommer hindurch in Culturen, obwohl hier Exemplare von irgend erheblicher Grösse nicht gebildet werden. Bei der neuen Gattung Chaetopeltis wurde das Ausschwärmen von zwei Tage alten einzelligen Keimpflanzen in der Feuchtkammer beobachtet. Die im Laufe des Nachmittags und der Nacht gebildeten Sporen schwärmen sehr früh bei Tagesanbruch aus und es genügt schon eine sehr geringe Liehtmenge, um den Austritt zu bewirken. Werden die Pflanzen absichtlich bis zu einer vor- gerückteren Tageszeit in einem absolut finsteren Raume gehalten, so geschieht nachher beim Hervorholen das Ausschwärmen fast momentan. Der auffallendste Charakter der Chaetophoreen ist die Ausbildung langer, gegliederter Haare, dieselbe kann jedoch, wenigstens bei Stigeoclonium, aus unbekannten Gründen oft vollständig unterbleiben. So fand ich im Früh- . Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.27) 193 jahr vollkommen erwachsene Exemplare von Stig. lubricum ohne ein einziges Haar, nach vierwöchentlicher Cultur traten an ihnen Haare in grosser Menge auf und stellten sich von jetzt an schon gleich bei jungen Zweigen ein. Immer finden sich dagegen Haarspitzen entwickelt bei Chaetophora und Dra- parnaldia, bei Chaetophora besitzen jedesmal die ältesten Zweigspitzen ein sehr langes, aus 20—30 hyalinen Zellen bestehendes Haar, bei Draparnaldia entstehen die Haare noch frühzeitiger an den Zweigen, sie sind aber nicht so lang wie bei Chaetophora, da die oberen Haarzellen hier bald abfallen. Letzteres geschieht auch bei Chaetophora und Stigeoclonium, aber meist viel später. Das Haar entsteht in der Weise, dass die Spitzenzelle eines jungen Zweiges aufhört, sich weiter zu theilen, sehr stark in die Länge wächst und dabei allmählich ihren Chlorophyligehalt verliert. Mehrere an der Spitze des Fadens gelegene Zellen können zu gleicher Zeit in Haarzellen übergehen, haben sie mit dieser Umwandlung einmal begonnen, so sind sie nachher nicht mehr theilungsfähig, kurz vorher finden Theilungen jedoch noch statt. Die ausgebildete Haarzelle übertrifft die vegetativen Zellen an Länge um das 10—15fache, am längsten ist sie bei den Stigeoclonien. Ihr Inhalt ist ein hyalines Protoplasma, mit nur geringen Ueberresten des früher vorhandenen Chlorophylis.. . Wir haben oben gesehen, dass die Chaetophoreen in der Cultur und unter ungünstigen Wachsthumsbedingungen eine grosse Variabilität in Habitus und Aufbau besitzen, dies ist jedoch weniger der Fall, wenn man unter mög- lichst günstigen Bedingungen im Freien aufgewachsene Exemplare in Bezug auf ihren Aufbau untersucht. Dann zeigt sich uns hier eine ganz unverkenn- bare Gesetzmässigkeit, die bei Draparnaldia sogar schon manche Beziehungen zu viel höher stehenden Algenformen erkennen lässt. Stigeoclonium. Wir betrachten zuerst einige Arten der Gattung Stigeoclonium und zwar deshalb, weil sie sich direct an die unverzweigten Conferven mit gleich- 194 G. Berthold. (p. 28) mässigem Wachsthum aller Zellen anschliessen. Am nächsten kommt diesen eine wenig verzweigte Art, welche mit Stig. variabile Naegeli!) identisch zu sein scheint. Dies ist eine hier bei Göttingen sehr verbreitete Alge, sie findet sich überall in Gräben, Pfützen, Rinnsteinen und stellt sich in den Culturen immer von selbst ein. Sie bildet angewachsene, lang gestreckte Fäden, welche zum Theil weithin keine Verzweigung zeigen. Sind Zweige vorhanden, so stehen sie entfernt, scheinbar regellos und sind auch bei grosser Länge ‘meist noch unverzweigt. In der Cultur kann dagegen jede Zelle Aeste bilden. Selten stehen an derselben Zelle zwei Zweige einander gegenüber. Aeste zweiter Ordnung sind in nur geringer Zahl und Grösse am unteren Abschnitte älterer Fäden vorhanden. Ein Unterschied im Wachsthum von Stamm und Zweig findet sich hier wie bei allen Chaetophoreen noch nicht. Bei der Bildung eines Astes entsteht am oberen Ende einer Gliederzelle eine Ausstülpung, welche, wenn sie die ungefähre Länge einer Zelle erreicht hat, durch eine Querwand von der Mutterzelle abgetrennt wird. In selteneren Fällen bildet sich die Quer- wand auch dicht unter der Ausstülpung in der Mutterzelle, so dass die untere Zelle des späteren Zweiges mit einem kurzen Stück am Gliederfaden Theil nimmt (vergl. Taf. 3. Fig. 6). Dieser Fall findet sich auch häufig bei Chaeto- phora, er wurde dagegen bei Draparnaldia nicht beobachtet. Der so entstandene junge Zweig zerfällt durch eine Querwand bald in zwei Zellen, welche sich weiter vermehren. Die untere Zelle bleibt jedoch im Anfang etwas gegen die obere zurück, indem in ihr die folgende Quer- wand etwas später auftritt, als in der letzteren, weshalb denn ein vielzelliger Zweig aus zwei unteren kürzeren und zwei oberen längeren Zellen zusammen- gesetzt ist. Im Uebrigen theilen sich später alle Zellen mit ziemlich gleich- mässiger Geschwindigkeit, und wenn zuerst das Längenverhältniss der beiden Hälften in Folge des Zurückbleibens der unteren Zelle etwas ungleich ge- worden war, so gleicht sich dieses bei dem weiteren Wachsthum wieder aus. Ein längerer, 238zelliger Zweig bestand in der unteren Hälfte aus 116, in der oberen aus 122 Zellen. Diese letztere zerfiel in folgende Abschnitte, 1). Ktz. Spec. Alg. Seite 352. Stig. 3). Tab. Phye. Taf. 2, I. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 29) 195 welche jedesmal aus einer der primären Gliederzellen entstanden waren, welche die Spitzenzellen des Fadens nacheinander gebildet hatte: 43, 832,8, 4,2, k,.d, 1. So zeigt sich uns also hier das Wachsthum noch fast ganz wie bei jedem gewöhnlichen Conferven- Faden und ebenso verhalten sich auch die jungen Fäden von Stig. lubricum und Stig. flagelliferum, nur ist hier das Wachsthum an der Spitze schon etwas rascher, als das der Gliederzellen (vergl. Taf. 1. Fig. 11), doch ist der Unterschied auch hier noch nicht bedeutend. Mit dem frühzeitigen Auftreten der Verzweigung treten dann bei diesen Formen aller- dings schon bald viel grössere Unregelmässigkeiten im Aufbau des Fadens auf. Findet nun beim weiteren Wachsthum des Zweiges eine Haarbildung nicht statt, wie es bei den im Freien erwachsenen Exemplaren von Stig. lubri- cum der Fall war, so erscheint derselbe aus mehreren Abschnitten zusammen- gesetzt, welche durch stärkere Einkerbungen des Fadens von einander abgegrenzt sind und von unten nach oben an Zellenzahl abnehmen. Jeder Abschnitt ist aus einer ursprünglichen Zelle entstanden und alle diese ursprünglichen Zellen können als aufeinanderfolgende Segmente der Spitzenzelle des Fadens auf- gefasst werden. Diese Spitzenzelle könnte man vielleicht als die Scheitelzelle des Fadens bezeichnen, doch ist zu berücksichtigen, dass sie ausser ‚einer etwas grösseren Theilungsgeschwindigkeit keine weiteren sie von den anderen Fadenzellen unterscheidenden Merkmale besitzt, ausserdem aber bei der Haar- bildung völlig verschwindet. An den derartig aufgebauten Zellfäden treten nun je nach den Arten zu verschiedener Zeit die Seitenäste auf. Ihre Entstehung und Anordnung erscheint am übersichtlichsten bei Stig. lubricum, weshalb auf diese Art zuerst näher eingegangen werden soll. Sie bildet lebhaft dunkelgrüne bis zolllange Rasen und besassen ‚die ‚Ende April aufgefundenen Exemplare keinerlei Haarzellen. Hat bei dieser Art: der älteste Abschnitt des Fadens eine Länge von 4—8 Zellen an stärkeren, von $S—16 Zellen an schwächeren Zweigen erreicht, so tritt die Verzweigung ein. In diesem Stadium besteht der ganze Ast aus ungefähr 16—30 Zellen. Der erste Zweig entsteht an der oberen Grenzwand zwischen dem ältesten und dem nächstjüngeren Abschnitt (vergl. Taf. 1. Fig. 11)‘ der zweite in der Mitte desselben, der dritte und vierte ziemlich gleichzeitig 196 G. Berthold. (p. 30) in der Mitte jeder Abschuitthälfte. Die beiden ersten Zweige entstehen meist rasch nacheinander, fast gleichzeitig und ausnahmsweise der zweite auch etwas früher als der erste. Bald nach ihnen entstehen dann auch der dritte und vierte Zweig, sie finden sich oft schon an dem vorletzten der überhaupt schon Zweige besitzenden Abschnitte. Zwischen diesen zuerst angelegten können dann später noch weitere interponirte Zweige auftreten, doch kommen von ihnen meist nur einzelne zur Entwickelung. Am oberen Ende und in der Mitte der Abschnitte tritt ferner in der Regel neben dem ersten bald noch ein zweiter Zweig auf, seltener ein solcher auch neben dem dritten und vierten interponirten Zweige. Hiermit ist die Zweigbildung des einzelnen Abschnittes bei Stig. Tubricum normaler Weise beendigt, nur an älteren Partien treten zu- weilen noch unregelmässig zerstreute kurze Aeste auf, welche vielleicht Adventiväste genannt werden können. Abweichungen von der so beschriebenen typischen Entwickelung der Zweige kommen nun allerdings nicht selten vor, indem einzelne interponirte Zweige ausfallen können, und es ist dies besonders in der unteren Hälfte eines Abschnittes häufiger der Fall. Diese Verschieden- heiten hängen jedoch nicht von dem stärkeren oder schwächeren Wachsthum der die Zweige erzeugenden Achse ab, am selben Hauptstamm finden sich reicher und spärlicher verzweigte Abschnitte regellos mit einander abwechselnd. Die Entwickelung der Zweige ist unter sich gleichmässig, vorkommendes Zurückbleiben des einen oder anderen lässt sich auf Gesetzmässigkeit nicht zurückführen. Auf das weitere Wachsthum der Zellen der Hauptachse selbst hat nun die Entstehung der Zweige den allergrössten Einfluss. Die zweigtragende Zelle bleibt nicht allein hinter den übrigen bedeutend zurück, sondern, wenn die Entwickelung der Zweige besonders stark ist, kann sie die Fähigkeit zur weiteren Theilung vollkommen verlieren (Taf. 1. Fig. 12), während die übrigen nicht zweigtragenden Zellen des Abschnittes gleichmässig weiter wachsen. Naegelit) beobachtete dieselbe Erscheinung bei Stig. insigne. Er sagt an der angeführten Stelle: „Die kurzen Zellen, welche Zweige tragen, theilen sich nicht.“ Bei Stig. lubricum tritt dieses, wie erwähnt, nicht immer, sondern nur 1) Bildung der Schwärmsporen bei tig. insigne. Pflanzenphys. Untersuch. von Naegeli u. Cramer, Heft I, Seite 36. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.31) 19% in einzelnen Fällen ein, die Zellen bleiben dann ebenfalls kurz und werden fast kugelig. Durch diese Verhältnisse tritt, je älter ein zweigtragender Abschnitt wird, eine um so grössere Ungleichheit der morphologisch gleichwerthigen Theile desselben ein, allgemeine Regeln lassen sich hierfür jedoch nicht aufstellen. Folgende Beispiele werden dies leicht zeigen. In denselben ist der Abschnitt in vier gleichwerthige Theile zerlegt, und jeder derselben durch die Zahl seiner Zellen bezeichnet: er de RE DIE SIERT. ask Snnsglawngäinz(h2) Yıdasarhlind ganlair 2) Ars while 14 15 19 14 (62) a3 ler rt) 14° 20504. (25) 28er 16er regen Die letzten fünf Abschnitte folgten in einem älteren Hauptstamme direct aufeinander, sie zeigen erstens, dass in jedem einzelnen Abschnitte das Wachsthum nach der Zweigbildung äusserst ungleich werden kann, zweitens aber auch, dass in Folge dessen auch direet aufeinanderfolgende ziemlich gleichaltrige Abschnitte bedeutende Unterschiede in ihrer Länge besitzen können. Auf diesen so bei Stig. lubrieum geschilderten Typus muss jedenfalls auch die Verzweigung von Stig. variabile zurückgeführt werden, nur ist der- selbe hier nicht so leicht zu übersehen, wegen der bedeutenden Länge, welche die einzelnen Abschnitte beim ersten Auftreten der Zweige hier schon besitzen und welche es unmöglich macht, immer genau ihre Grenzen gegeneinander zu bestimmen, da auch die Einkerbungen der Fäden hier sehr gering sind. Auch hier lassen sich jedoch nach dem Auftreten der Zweige Unregelmässigkeiten im Wachsthum der Fadenzellen constatiren. Besser entwickelt zeigt sich dieser Typus bei dem sehr robusten Stig. flagelliferum. Hier ist aber die spätere Ausbildung der Abschnitte des Stammes etwas gleichmässiger, da die Zweige später auftreten wie bei Stig. lubricum 198 G. Berthold. (p. 32) und sich auch langsamer entwickeln. Zellen, welche sich nach Bildung eines Zweiges nicht mehr getheilt hatten, wurden bei dieser Form nicht beobachtet. Abweichend von Stig. lubricum sind hier auch die älteren Stammzellen stark verlängert und fast hyalin, bei der ersteren Form besitzen dieselben zwar eine derbere Zellhaut, sind jedoch nicht sehr verlängert und haben einen starken Chlorophyllinhalt. Was die Anzahl der bei den Stigeoclonien vorkommenden Zweig- ordnungen anbetrifft, so wurden bei Sf. variabile nur ganz. kurze Zweige zweiter Ordnung beobachtet, bei St. flagelliferum noch Zweige dritter Ordnung und bei St. Zubricum noch solehe vierter Ordnung. Wir haben bisher bei der Betrachtung des Aufbaues der Stigeoelonien angenommen, es habe eine Haarbildung nieht stattgefunden und hatten dann die ganze Pflanze in gleichwerthige Abschnitte zerlegen können. Dieses ist dagegen nicht mehr streng durchführbar, wenn an den jungen Zweigen früh- zeitig Haarbildung eintritt. Das Auftreten der Haare hängt wahrscheinlich von äusseren Umständen ab, ebenso’ die Schnelligkeit, mit der die Haarzellen nacheinander gebildet werden. Haarzellen fehlten, wie schon erwähnt, an den im Freien aufgefundenen Exemplaren von St. Zubricum, ebenso auch an mehreren im Laufe des Sommers gesammelten Exemplaren von St. variabile. Bei im Herbst gesammelten Exemplaren letzterer Art waren dagegen Haar- zellen vorhanden, hierher stammt der in Fig. 10, Taf. 1 abgebildete Zweig mit zwei entwickelten Haarzellen. Bei den von St. flagelliferum gesammelten Exemplaren besassen 5—7zellige Zweige oft schon zwei ausgebildete Haar- zellen und es fand hier überhaupt die Haarbildung in ganz rapider Weise statt. Die ersten ‚allgemeinen Vorgänge bei der Haarbildung wurden schon früher beschrieben, hier ist nur noch Folgendes zu erwähnen: Die Haarbildung übt auf die Schnelligkeit des Wachsthums im übrigen Fadentheile keinen directen Einfluss aus. Die jedesmaligen oberen chlorophyliführenden Faden- zellen gehen nach und nach einzeln oder paarweise in Haarzellen über. So kann in diesem Falle von einem Spitzenwachsthum des Fadens und einer Production neuer Abschnitte in dem oben angeführten Sinne nicht mehr ge- sprochen werden. Es werden sogar bei rascher Haarzellbildung, wie sie bei St. flagelliferum stattfand, die Zellen der oberen jüngeren Absehnitte allmählich verbraucht, d. h. in Haarzellen umgewandelt. Darum kann denn auch in Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 33) 199° diesen Fällen die Fadenspitze nicht mehr aus gleichwerthigen, nach unten sich allmählich vergrössernden Gruppen von Zellen bestehen, wie dann, wenn Haar- zellen nicht entstehen. Häufig findet man an Zweigen mittlerer Grösse die Haarzellen und noch einige chlorophyliführende Zellen von dem übrigen Faden- theil durch eine scharfe Einkerbung abgesondert, und unter dieser Einkerbung liegt ein aus schon 8, 16 und mehr Zellen bestehender Abschnitt des Fadens. Dann sind also alle Zellgruppen, welche bei einem nicht haartragenden Zweige zwischen dem angeführten Abschnitt und der Fadenspitze liegen würden, hier durch die Haarbildung bis auf wenige Zellen des zunächst darüber liegenden Abschnittes verschwunden, und bei weiterem Wachsthum werden möglicher Weise auch die Zellen des bis jetzt noch unberührt gebliebenen Abschnittes in den Prozess der Haarbildung mit hineingezogen. Die Zweigbildung solcher Abschnitte, welche von der Haarspitze ent- fernt liegen, wird durch diese Vorgänge nicht modifieirt. Liegt dagegen, wie in dem vorher betrachteten Falle, die obere Grenzwand eines Abschnittes nur wenig unterhalb der Spitze eines Fadens, so entsteht an ihr im Gegensatz zur normalen Entwickelung kein Zweig, sondern der erste entsteht an der Mitte des Abschnittes, und so erscheint die untere Hälfte desselben später als ein ganzer Abschnitt auch in Bezug auf die Zweigbildung, was er der Ent- wickelung nach nicht ist. So können uns in diesen Fällen die Pflanzen einen viel weniger regel- mässigen Bau zeigen, obwohl im grossen Ganzen auch hier die Verzweigung nach den oben angeführten Gesetzen erfolgt. Es bleibt uns nun noch ein die Anheftung der Stigeoclonien ver- mittelndes Organ, die schon von Cienkowski beschriebene Sohle, zu erwähnen. Ihre Entwiekelung wurde bei sechs verschiedenen Stigeoclonium-Arten durch Cultur auf Objeetträgern genauer verfolgt, und es scheint hiernach, als ob sie möglicher Weise einen guten Charakter zur Unterscheidung der Gattung von Draparnaldia und zur Gruppirung der Arten geben könnte, da ihre Bildung und ihr Habitus auch in der Cultur für jede Art sehr constant ist. Um die Entwiekelung genau verfolgen zu können, ist nur Sorge zu tragen, dass sich nicht zu viel Schwärmsporen auf den Objectträgern ansiedeln. Es lassen sich vorläufig nach der Bildung der Sohle zwei Gruppen unterscheiden. Bei der ersten entsteht bei der Keimung zuerst ein aufrechter Nova Acta XL. Nr. 5. 26 200 G. Berthold. (p. 34) Faden, aus dessen unterer am Boden festgehefteter Zelle später ein auf der Unterlage kriechender und sich unregelmässig verzweigender Zellfaden hervor- geht. Aus den Gliederzellen dieses kriechenden Gebildes entstehen später ebenfalls aufrechte Fäden (vergl. Taf. 1. Fig. 16, 18). Zu dieser Gruppe gehören St. variabile und St. flagelliferum, wahr- scheinlich auch St. insigne, soviel sich aus den von Naegeli!) abgebildeten Keimpflanzen schliessen lässt. Bei der zweiten Gruppe entsteht aus der Schwärmspore durch Aus- wachsen derselben nach beiden Seiten zuerst ein kriechender Faden, der sich später mehrfach auf der Unterlage verzweigt (Taf. 1. Fig. 9; Taf. 2. Fig. 1, 2,3, 5). Aus dieser so entstandenen Sohle gehen sowohl der erste, als auch alle folgenden aufrechten Aeste hervor. Zu dieser Gruppe gehören ausser St. Tubrieum noch zwei stark verzweigte Stigeoclonien, die nicht bestimmt werden konnten, da mir keine gut ausgebildeten Exemplare derselben zu Ge- bote standen. Sie stellten sich im Laufe des Sommers in zwei Culturen ein. Ein viertes, ebenfalls hierher gehöriges Stigeoclonium von sehr abweichendem Habitus soll weiter unten näher besprochen werden. Die Sohle zeigt bei allen Stigeoclonien dieselben Eigenschaften, sie verzweigt sich unregelmässig auf der Unterlage, wächst blos durch Theilungen der peripherischen Zellen und ist stark chlorophyllhaltig, nur die peripherischen Endzellen sind fast farblos. Jede Zelle enthält nur einen Amylonkern, während in den Zellen der aufrechten Fäden öfter mehrere vorkommen. Sie schwellen später kugelig an und es kann dann die Sohle eine pseudoparenchymatische Scheibe bilden, wenn ihre Verzweigung reichlicher wird und die kriechenden Fäden sich zwischen einander drängen. Dasselbe geschieht auch sehr früh- zeitig, wenn sich mehrere Schwärmsporen auf einem kleinen Raume festgesetzt haben und daselbst keimen. Die Zellen der so entstandenen Scheiben werden dann durch gegenseitigen Druck polyndrisch und sind mit einem starken Wandbeleg von Chlorophyll versehen. Wie alle Zellen der aufrechten Stämme, so können auch die Zellen der Sohle Schwärmsporen erzeugen, aus jeder ent- stehen nach vorhergegangener T'heilung meist zwei gewöhnliche Schwärmer. 1) Pflanzenphys. Unters. von Naegeli u. Cramer Heft I, Taf. I. Fig, 13—22. pay S Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.35) 201 Cienkowski beobachtete, wie schon oben erwähnt, auch die Bildung von Mikrozoosporen in den Zellen der Sohle. Gegliederte Wurzelfäden sind an den im Freien aufgefundenen Stigeo- clonien in der Regel nicht häufig, sie entstehen aus dem unteren Ende älterer Zellen und zeigen keine besonderen Eigenthümlichkeiten. Treffen sie auf eine feste Unterlage, so können sie die gewöhnliche Sohle entwickeln (Taf. 1. Fig. 15). Es bleibt uns zum Schluss nur noch ein sehr eigenthümliches Stigeo- clonium etwas näher zu betrachten, welches sich spontan in einer Cultur ein- stellte und später auch in der Nähe von Dortmund in Gräben, auf Wasser- pflanzen und Wasserschnecken lebend, aufgefunden wurde. Es scheint also ziemlich verbreitet zu sein, jedoch passt keine der von Kützing und Rabenhorst gegebenen Diagnosen auf dasselbe. Die Schwärmspore besitzt vier Cilien am farblosen Vorderende und einen seitlichen Pigmentfleck und unterscheidet sich in nichts von der Schwärm- spore der übrigen Stigeoclonien. Die Keimung erfolgt wie bei St. lubricum, die junge Sohle verzweigt sich aber von Anfang an sehr reichlich, aus einer Zelle entstehen häufig drei, sogar vier Zweige, so dass von Anfang an eine pseudoparenchymatische Scheibe angelegt wird (Taf. 2. Fig. 1, 5, 3, 2), deren Zellen dann sehr schön in radial verlaufenden Reihen angeordnet sind. Zu- weilen schliessen die Fäden der Sohle jedoch eine Zeitlang nicht dicht an einander, indem sie fortwachsen, ohne sich weiter zu verzweigen, bis plötzlich sehr lebhafte Zweigbildung an den oberen Zellen der Fäden auftritt und auch dureh rückwärts zum Centrum gerichtete Fäden die früher gebliebenen Lücken bald wieder ausgefüllt werden. Bei einer Cultur zeigten fast alle Keimpflanzen eines Objectträgers zuerst diese Erscheinung. Aus den Zellen der so gebildeten Scheibe entstehen zu einer nicht genau bestimmten Zeit dichtgedrängte aufrechte Fäden von 4—7 Zellen. Die- selben verlängern sich nur durch Spitzenwachsthum, sind zuweilen verzweigt (Taf. 2. Fig. 4) und entstehen meist einzeln, seltener zu zweien aus einer Zelle der Sohle. Zwischen diesen ein dichtes Polster bildenden Fäden finden sich zerstreut lange gegliederte Haare, welche nach unten mit einer direet auf einer Scheibenzelle aufsitzenden, etwas chlorophyllhaltigen Zelle abschliessen. Die von dieser Zelle nach oben gebildeten Segmente werden zu Haarzellen, sie besitzen zuerst ein farbloses, schaumiges Protoplasma, verlängern sich im * 26” 202 G. Berthold. (p. 36) Anfang nur langsam und scheinen sich nur ausnahmsweise vor dem Ueber- gang in die ausgebildeten Haarzellen noch einmal zu theilen (Taf. 2. Fig. 4a). Der ganze Vorgang der Haarbildung stimmt hier mit dem bei Chaetophora pisiformis überein (vergl. Taf. 4. Fig. 1). Die ganze Pflanze bildet bis 1,5 mm grosse dunkelgrüne Polster, welche leicht zu übersehen sind. Für ihre Zugehörigkeit zu Stigeoclonium sprechen mehrere Gründe. Der Zellinhalt stimmt mit dem der Stigeoclonien vollkommen überein, die Vorgänge bei der Bildung der Schwärmsporen und bei der Keimung sind dieselben wie dort. In der Cultur bilden meist alle aufrechten Fäden eine gegliederte Haarspitze aus, dieselben verlängern und verzweigen. sich unter diesen Umständen auch häufig in der Weise, dass sie von gleich grossen aufrechten Fäden von Stig. lubricum durchaus nicht zu unterscheiden sind. In diesem Falle finden auch secundäre Theilungen der Fadenzellen statt. In Anbetracht dieser Gründe sind wir, glaube ich, wohl berechtigt, diese neue Form als eine sehr abweichende zu Stigeoclonium zu stellen, und es würde sich für dieselbe vielleicht der Name Stig. farctum empfehlen, wegen der dichtgedrängten aufrechten Zweige. Draparnaldia. Zwei Arten dieser Gattung, Dr. glomerata und Dr. plumosa, sind in unseren Gräben und Bächen ziemlich verbreitet, sie bilden daselbst lebhaft grüne, ursprünglich angewachsene und sich schlüpfrig anfühlende Pflänzchen, welche eine Grösse von mehreren Oentimetern erreichen können. Die Hauptstämme bestehen aus stark verlängerten und verdickten, ungefähr tönnchenförmigen Zellen, an ihnen lassen sich in grösseren Abständen Quirle von drei bis vier secundären Hauptstämmen unterscheiden, welche untereinander jedoch nicht von gleicher Grösse sind. Zwischen diesen Quirlen finden sich scheinbar un- regelmässig Aeste verschiedener Grösse vertheilt. Die Zellen der Hauptstämme gehen nach oben allmählich in die gewöhnlichen vegetativen Zellen über, hier stehen die Seitenäste gedrängter, bei Dr. glomerata knäuelfürmig. Die Zahl der Zweigordnungen kann an ausgewachsenen Exemplaren bis auf zehn steigen. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 37) 208 Der Inhalt der vegetativen Zellen besteht wie bei Stigeoclonium aus einem chlorophyllhaltigen Wandbeleg mit meist mehreren Amylonkernen. In den älteren Stammzellen findet sich nur ein schmaler äquatorialer Chlorophyll- ring, während der übrige Zellinhalt hyalin erscheint. Die Zweige entstehen wie bei Stigeoclonium am oberen Zellende und verlängern sich zuerst durch Theilungen der Spitzenzelle (vergl. Taf. 2. Fig. 6, 7; Taf. 3. Fig. 1, 3). Hat der Zweig ungefähr die Länge von 4—7 Zellen er- reicht, so treten in den Gliederzellen von unten nach oben fortschreitend secundäre T'heilwände auf. Bei Drap. glomerata entstehen nun bald nach dem Auftreten der ersten secundären Wand die neuen Zweige an den so entstandenen beiden secundären Gliederzellen, bei Drap. plumosa dagegen treten die ersten Zweige gewöhnlich erst auf, wenn aus der primären Gliederzelle vier neue secundäre entstanden sind. Ist der Zweig i—12zellig geworden — der Zeitpunkt ist nicht genau bestimmt —, so entsteht in derselben Weise wie bei den Stigeoclonien die Haarspitze, sie fehlt hier niemals. Bei Dr. glomerata besitzen in diesem Zeit- punkte gewöhnlich schon die beiden unteren Zweigabschnitte seitliche Zweige, bei Dr. plumosa meist nur einige oder alle Zellen des untersten. Während nun die oberen Fadenzellen allmählich in Haarzellen übergehen, beginnt der letzte oder der vorletzte der noch keine Seitenzweige besitzenden Haupt- abschnitte lebhafter zu wachsen, indem seine Zellen dicker und etwas gedunsen werden, und von diesem Abschnitte geht nun alles spätere Wachsthum des Zweiges aus. (Vergl. für das Folgende die jüngeren Zweige in Fig. 6 und 7 auf Taf. 2.) Betrachten wir diesen Vorgang etwas genauer bei Dr. glomerata. Der erwähnte Abschnitt besteht zu dieser Zeit aus zwei grossen Zellen, der direet darunterliegende zweizellige Abschnitt besitzt schon seitliche Verzweigung und es würde jetzt auch an dem ersteren Zweigbildung auftreten, wenn nicht an der Spitze des ganzen Astes Haarbildung eingetreten wäre. Unter diesen Um- ständen verzögert sich dieselbe aber etwas, in beiden Zellen erfolgt noch ein- mal eine T'heilung und zwar in der oberen etwas früher als in der unteren, und jetzt erst tritt Zweigbildung ein, aber nur an den beiden unteren Zellen. Die beiden oberen wachsen dagegen weiter, theilen sich wieder und aus den 204 G. Berthold. (p. 35) beiden unteren von ihnen kann von Neuem ein Abschnitt des zweigtragenden Stammes hervorgehen und so in derselben Weise weiter. Sind nun aber die früher oberhalb dieses in seinem Wachsthum näher verfolgten Abschnittes gelegenen Zellen allmählich bei der Haarbildung ver- braucht worden, so greift dieselbe weiter zurück. Die zunächst der Spitze gelegene Zelle des betrachteten Abschnittes wird zur Mutterzelle neuer Haar- zellen; sie zerfällt entweder in zwei gleiche Zellen, welche unmittelbar, oder nach nochmaliger Theilung nach einander in Haarzellen übergehen, oder aber sie theilt sich zuerst unsymmetrisch in eine obere kleinere und eine untere grössere Zelle, die obere geht dann sogleich in eine Haarzelle über, während die untere sich noch weiter theilen kann. Alle Zellvermehrung an der Spitze des Fadens kann nun als ausgehend von einer einzigen Zelle aufgefasst werden, dieselbe erzeugt nach unten Seg- mente, aus denen neue Abschnitte des Hauptstammes hervorgehen, nach oben solche, welche weiterhin Haarzellen bilden. Zur näheren Erläuterung wollen wir die Abbildungen S und 9 Tafel 2 etwas näher betrachten. In 8 ist eine kräftig vegetirende Fadenspitze von Dr. glomerata dargestellt. Die 7 oberhalb der beiden jüngsten Zweige befind- lichen Zellen stammen von einer einzigen Mutterzelle ab. Dieselbe zerfiel in zwei Tochterzellen und aus jeder von ihnen gingen zwei weitere Zellen her- vor. Die obere der so erhaltenen vier Zellen wurde zur Haarzelle, die darauf folgende hat sich noch einmal getheilt, die entstandenen Zellen werden eben- falls in Haarzellen übergehen, doch wird sich die untere von ihnen möglicher Weise vorher noch wieder theilen. Aus den beiden unteren der zuerst er- haltenen vier Zellen sind wieder vier Zellen hervorgegangen, zwei von ihnen werden jetzt Zweige erzeugen und einen neuen Abschnitt des Stammes bilden, die beiden anderen dagegen werden sich weiter vermehren und es wird viel- leicht aus der unteren von ihnen nach vorausgegangener Theilung ein weiterer Zweige erzeugender Abschnitt hervorgehen, dann ist die obere als Scheitelzelle aufzufassen. Es könnte aber auch die untere als Scheitelzelle aufgefasst werden müssen, wenn aus der oberen im weiteren Verlaufe des Wachsthums nur Haarzellen hervorgingen, dies lässt sich aber im Voraus nicht mit Sicher- heit bestimmen. Es hat also, wenn wir die ursprüngliche Mutterzelle als Scheitelzelle bezeichnen, folgender Vorgang stattgefunden: Aus der Scheitelzelle Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 39) 205 ging zuerst ein haarbildendes Segment hervor (aus ihm sind die drei oberen Zellen entstanden), dann wurde nach abwärts ein zweigbildendes Segment abgeschnitten. Darauf ist noch eine Theilung der Scheitelzelle erfolgt und es entsteht nun die Frage: Ist ein neues haarbildendes oder ein zweigbildendes Segment aufgetreten? Je nach der Beantwortung der Frage wird die untere oder die obere Zelle als neue Scheitelzelle aufzufassen sein. In ähnlicher Weise sind in Figur 9 die unteren 4 noch unverzweigten Zellen als ein neuer Abschnitt des Stammes aufzufassen, sie werden in Kurzem Zweige hervorbringen. Bei den vier folgenden Zellen entsteht in ähnlicher Weise wie vorher die Frage nach der Scheitelzelle. Wahrscheinlich ist die mit s bezeichnete Zelle dafür zu halten, vielleicht aber auch die nach oben auf sie folgende. Die beiden ausgebildeten Haarzellen stehen in entfernterer Verwandtschaft zu den vorhandenen Zellen, das Segment, von dem sie stammen, wurde wahrscheinlich unmittelbar vor dem noch unverzweigten vierzelligen unteren Segment gebildet. Die Unsicherheit, welche Zelle als Scheitelzelle aufzufassen sei, ergiebt sich also daraus, dass sich nicht mit Sicherheit erkennen lässt, in welcher Weise die Bildung von Haarzellen erzeugenden und von Gliederzellen erzeugen- den Segmenten mit einander abwechseln. Es ist möglich, dass dies in regel- mässiger Alternanz erfolgt, wenigstens machen Beobachtungen an Stammspitzen von Drap. plumosa es wahrscheinlich, dass zwischen der Entstehung auf- einanderfolgender Abschnitte ein grösserer Zeitraum verflossen ist. Die an den vier Zellen eines Abschnittes zuerst gebildeten vier Zweige zeigen nämlich unter sich ziemlich gleiche Grösse, während zwischen den Zweigen zweier aufeinanderfolgender Abschnitte ein grösserer Unterschied in der durchschnitt- lichen Länge besteht. So war z. B. die Durchschnittslänge der Zweige von mehreren aufeinanderfolgenden Abschnitten dreier Stammspitzen von Dr. plumosa folgende: 2—5—9— 14 Zellen, 2—6—8—13—16 Zellen, 1—3—6— 9 Zellen. Doch lässt sich auch hieraus noch kein vollkommen sicherer Schluss ziehen, da uns die Vergleichung mit einer keine Haarzellen ausbildenden Stammspitze fehlt. 206 G. Berthold. (p. 40) Aus dieser ganzen Betrachtung geht wenigstens das mit Sicherheit hervor, dass trotzdem die an der Spitze des Fadens gelegenen Zellen ziemlich gleiche Theilungsgeschwindigkeit, gleiche Grösse und gleiches Aussehen be- sitzen, eine innere Verschiedenheit dennoch vorhanden sein muss, da sonst nicht abzusehen wäre, warum nur an den zu unterst gelegenen Zellen Zweige auftreten und nicht auch an allen übrigen zugleich. Da wir nun gesehen, dass alle Zellbildung am Scheitel auf die Thätig- keit einer einzigen Zelle zurückgeführt werden kann, so ist hiermit der Name einer Scheitelzelle für dieselbe gerechtfertigt. Das weitere Verhalten des von der Scheitelzelle gebildeten primären Segmentes ist nun folgendes: Bei Dr. glomerata kann es entweder ohne sich vorher zu theilen gleich Aeste erzeugen, oder es zerfällt zuerst in zwei secundäre Zellen. Der letztere Fall ist der häufigere, der erste findet sich aber oft an sehr kräftigen Spitzen. Bei Dr. plumosa geht das primäre Segment gewöhnlich erst in vier Zellen über, worauf die Zweigbildung an allen ziemlich gleichmässig oder auch von unten nach oben fortschreitend eintritt. In Ausnahmefällen beginnt die Zweigbildung entweder schon nach einmaliger 'Theilung der primären Segmentzelle, indem an der unteren secundären Zelle ein Zweig entsteht, die obere jedoch auf normale Weise erst in zwei weitere Zellen zerfällt, oder es verzögert sich an der einen oder den beiden oberen der vier secundären Zellen eines Abschnittes die Zweigbildung etwas und es tritt in ihnen vorher noch eine Theilung ein, dann besteht der Abschnitt kurz nach der Entstehung der Zweige schon aus 5 oder 6 secundären Zellen. Auf die Ausbildung der Zweige üben die erwähnten Abweichungen insofern einen Einfluss aus, als im ersteren Falle die Zweige sich von Anfang an etwas kräftiger entwickeln als im letzteren. - Die weitere Zellvermehrung der Stammabschnitte ist bei Dr. glomerata zuerst sehr gering. Folgendes war die Zellenzahl der aufeinanderfolgenden Abschnitte vom ersten zweigtragenden gerechnet bei zwei Hauptachsen: 1—2—2—2—2 2 —3 — 3—3—3 —4—4—8 Zellen, 1—2—1—2—2---3—2—4— 4—4—5—5 Zellen. Die Zahl der Zellen nimmt also nur sehr langsam zu, diese selbst vergrössern sich aber während der Zeit bedeutend. Der Durchmesser wird Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 41) 20% 2—3mal so gross wie bei den gewöhnlichen vegetativen Zellen, während die Länge ungefähr dieselbe bleibt, ausserdem tritt eine Verminderung des Chlorophyligehalts und eine starke Verdickung der Zellwand ein. Weiter abwärts steigt darauf die Zellenzahl und mit derselben die Länge der Abschnitte sehr rasch, wie folgende Zahlen beweisen: ee 12 +59 'Iellen — 3035 —46—52— 7751 Zellen. (Der untere oder die beiden unteren Abschnitte eines seitlichen Astes bleiben gewöhnlich etwas hinter den übrigen zurück.) Die definitive Länge, welche ein Abschnitt erreichen kann, ist nicht genau begrenzt, man zählt solche von über 100 Zellen, unter denen sich noch theilungsfähige befinden. Die meisten ausgewachsenen Abschnitte besitzen jedoch nur eine Länge von 60—90 Zellen. Der Gang, den die secundären Theilungen und die allmähliche Verlängerung in ihnen genommen haben, lässt sich später noch genau verfolgen, denn in dem Maasse, als in den Glieder- zellen neue Querwände auftreten, entstehen an den neugebildeten Zellen Zweige, während an den älteren Scheidewänden neben den schon vorhandenen ebenfalls neue Zweige auftreten. So werden an den älteren Abschnitten die verschie- denen Unterabtheilungen durch Zweige verschiedener Grösse und Anzahl markirt. An den letzten T’heilwänden entstehen jedoch Zweige nicht mehr. Das folgende Schema giebt die genaue Analyse eines ausgewachsenen 68zelli- gen Abschnittes, der beiderseits durch einen Quirl von drei starken Aesten begrenzt wurde. 68 33 2 35 13 2 20 16 2 19 en a N EEE, Sn D 8 fo) 12 3 8 8 11 AT A 4 4 DIE. 3) 3 3er AUT, IN N IN IN IN AN IN IN IN IN IN DOORS TREO ERORZ: 213122 3253 22 223 N N 122 22 Die vier grösseren Unterabtheilungen waren gegeneinander durch einen Quirl von jedesmal zwei Zweigen abgegrenzt, sonst fand sich überall nur ein Zweig vor. Nova Acta XL. Nr. 5. ‘ 27 208 G. Berthold. (p. 42) Aus dem angeführten Beispiele ergiebt sich in Uebereinstimmung mit anderen Beobachtungen ein im Allgemeinen gleichmässiges Wachsthum bei der Verlängerung der Stammabschnitte. Es kommen jedoch öfter grössere Un- gleichheiten vor, dieselben beruhen aber nicht auf Gesetzmässigkeit; es lässt sich ganz allgemein nur sagen, dass häufig die unteren Partien eines grösseren Abschnittes sowohl in Bezug auf die Zellenzahl, als auch auf die Zahl der interponirten Zweige etwas hinter den oberen zurückstehen. Der Hauptquirl ist durch die starke Entwickelung seines ältesten Seiten- astes schon früh leicht kenntlich, auch der zweite Ast tritt meist sehr früh auf, er ist häufig schon vorhanden, wenn der nächstjüngere Abschnitt über- haupt noch keinen Zweig gebildet hat. Ein dritter Quirlzweig wurde schon am drittletzten zweigtragenden Abschnitt beobachtet, doch tritt er meist etwas später auf. Bei kräftig vegetirenden Pflanzen sind später an den Hauptquirlen und den ersten interponirten Quirlen in der Mitte eines Abschnittes meist vier Quirlzweige vorhanden. Die Divergenz zwischen den Quirlzweigen ist nicht bestimmt, der zweite Zweig kann unmittelbar neben dem ersten entstehen, ist ihm aber auch häufig ungefähr gegenüber gestellt. Bei jungen Aesten entstehen die ersten Zweige meist alle auf der dem Hauptstamme abgewen- deten Seite. Eine bestimmte Divergenz zwischen den Zweigen zweier auf- einanderfolgender Quirle ist ebenfalls nicht vorhanden. Bei Dr. plumosa geht die erste Verlängerung der Abschnitte etwas rascher von Statten. Wie wir oben gesehen, ist derselbe beim ersten Auftreten der Verzweigung schon vierzellig, schon der nächstfolgende Abschnitt kann achtzellig sein und die Zahl so rasch zunehmen. Es wurden z. B. folgende Zahlen beobachtet: 6—8— 8—7—10—11-—24—36, Zellen, 8—4—12—13—27—30—39—43—38—65 Zellen. Aus diesem Verhalten erklärt sich auch leicht die Verschiedenheit im Habitus zwischen den beiden Arten Dr. glomerata und Dr. plumosa. Die Vergrösserung des Q@Querdurchmessers der Zellen der Hauptachse erfolgt hier dagegen etwas langsamer, als bei Dr. glomerata, im Uebrigen ist aber die weitere Verlängerung dieselbe und bietet daher keine bemerkens- werthen Eigenthümlichkeiten dar. Da hier die ersten Aeste eines Abschnittes ziemlich gleichzeitig entstehen, so tritt ein Hauptquirl nicht in der Weise her- Untersuchungen über die Verzweigung einiger Büsswasseralgen. (p. 43) 209 vor, wie bei Dr. glomerata, ebenso werden auch meist nur zwei oder höchstens drei Quirläste an einer Zelle gefunden, Die Anheftung der Draparnaldien wird durch langgegliederte farblose Fäden vermittelt, von denen einer die directe Fortsetzung des Hauptstammes nach unten ist, die anderen entspringen in grösserer Zahl aus den unteren Stammzellen oder aus den unteren Zellen kleinerer Seitenzweige, welche sich hier ansetzen (Taf. 3. Fig. 4). Sie dringen entweder tief in den Schlamm ein oder umschlingen das Objeet, an dem sich die Keimpflanze festgesetzt hat. Ganz dieselben Fäden finden sich auch an den älteren Quirlen, sehr häufig und stark entwickelt bei kräftigen Exemplaren von Dr. glomerata (Taf. 3. Fig. 2), seltener bei Dr. plumosa. Sie entstehen hier aus den unteren Zellen des nächst- folgenden Abschnittes und der sich hier ansetzenden secundären Hauptstämme, ferner aus den unteren Zellen benachbarter kleinerer Zweige, in welchem Falle sie häufig eine Strecke an den Hauptstämmen herablaufen und ganz den Eindruck von Berindungsfäden machen. Aus den oberen Zellen des vorhergehenden Abschnittes entstehen diese Fäden nicht. Sie bilden um den Quirl ein Knäuel dicht verschlungener Fäden, das eine starke Ausbildung erlangen kann. An älteren Quirlen sieht man die Fäden unregelmässig nach allen Richtungen wachsen und sich oft weit nach abwärts erstrecken. Die Verlängerung findet nur an der Spitze statt, wo sich auch eine stärkere Proto- plasmaanhäufung findet, die übrigen Zellen sind hyalin und besitzen nur im mittleren Theil Spuren von Chlorophyll. Eine Verzweigung der Wurzelfäden ist selten. Die Bildung der Schwärmsporen geschieht wie bei Stigeclonium; auch hier entstehen gewöhnlich 2 bis 4 Schwärmer aus jeder vegetativen Zelle (Taf. 2. Fig. 10), indem dieselbe durch Quer- und Längswände in die Sporen- mutterzellen zerfällt. Die Sporen werden frei durch Auflösung des grössten Theiles der äusseren Zellwand, sie sind von sehr verschiedener Grösse, besitzen vier Cilien und einen seitlichen Pigmentfleck. Nachdem sie ungefähr 15—30 Minuten geschwärmt haben, setzen sie sich mit dem vorderen hyalinen Ende fest und wachsen sehr rasch zu einem langen aufrechten Zellfaden aus. Dieselben zeigten in der Cultur die ersten Zweigausstülpungen bei einer Länge von 15—20 Zellen. Der erste Zweig entstand ungefähr in der Mitte des Zellfadens unterhalb der ältesten Querwand, die folgenden unterhalb der nächst- 272 210 G. Berthold. (p. 44) älteren Wände. Die unterste Zelle der Keimpflanze verlängerte sich in ein langes Wurzelhaar, später entstanden solche auch aus anderen der unteren Zellen, wie bei den im Freien aufgefundenen Pflanzen. Auffallend ist die rasche Verlängerung der Keimpflanzen in der Cultur und das späte Auftreten der Zweige, doch erklärt sich dies leicht aus den ungünstigen Verhältnissen bei derselben. Pflanzen von erheblicher Grösse und normaler Entwickelung lassen sich bei der Cultur nicht erzielen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass im Freien das Wachsthum der Keimpflanzen in der- selben Weise vor sich geht, wie dasjenige jedes jungen Zweiges, solche Ent- wickelungsstadien konnten jedoch leider nicht aufgefunden werden. Chaetophora. Diese dritte Chaetophoreen-Gattung weicht nicht nur im äusseren Habitus, sondern auch durch ihre Wachsthümsweise in mancher Beziehung von Stigeoclonium und Draparnaldia ab, weshalb sie eine etwas isolirtere Stellung einnimmt. Die Arten von Chaetophora bilden entweder halbkuglige Schleimpolster an untergetauchten Wasserpflanzen und anderen Gegenständen, oder hirschgeweihartig verästelte lederartige Polster, wie Chaetophora endiviae- folia. Genauer untersucht wurden nur Chaet. elegans und Chaet. pisiformis, zwei Arten, deren T'hallus die erstere halbkuglige Form zeigt. Die Pflanzen bestehen aus dichtgedrängten scheinbar dichotom ver- zweigten Fäden, welche alle von einem Oentrum ausstrahlen und in einer Schleimmasse von grösserer oder geringerer Consistenz eingelagert sind. Die Zellen sind eylindrisch und zeigen keine starke Differenzirung, die an der Oberfläche des Thallus gelegenen sind kürzer, stark mit Chlorophyll erfüllt, welches auch hier einen Wandbeleg bilde. In ihm finden sich ein oder mehrere Amylonkerne und häufig eine grosse Menge von Stärke. Die weiter nach innen gelegenen Zellen sind bis dreimal so lang als die peripherischen bei gleicher Dicke und besitzen meist nur wenig Chlorophyll. In einigen Fällen wurden auch kuglig aufgetriebene Zellen im Innern des Thallus beobachtet. Der Aufbau ist monopodial bei Chaet. elegans, sympodial bei Chaet. pisiformis, in älteren Partien erscheinen die Fäden jedoch dicho- oder Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.45) 211 seltener trichotomisch verzweigt. Alle Zweige sind gleichwerthig, nur die älteren besitzen eine Haarspitze. Die erste Bildung der Zweige geschieht wie bei den beiden anderen Gattungen. Bei Chaet. elegans wächst nun der junge Zweig zuerst durch die Theilungen einer Spitzenzelle in die Länge, die secundären Theilungen der Gliederzellen treten verhältnissmässig spät auf, sie fehlen oft noch an 9—10- zelligen Zweigen. Meist ist die erste secundäre Theilung jedoch schon in den 5—izelligen jungen Zweigen vorhanden; mit der weiteren Verlängerung schreitet sie von unten nach oben fort, so dass an der Spitze in der Regel noch 3—6 ungetheilte primäre Gliederzellen vorhanden sind. So kann der Zweig eine Länge von 15—20 und mehr Zellen erreichen, ohne dass weitere secundäre T'heilungen auftreten. Das erste Erscheinen der Verzweigung an jungen Zweigen ist auch bei wohl ausgebildeten und kräftigen Exemplaren einem grossen Wechsel unterworfen. Vierzellige Aeste können schon an ihrer unteren Zelle einen kurzen Trieb zeigen, dagegen findet man aber auch bis 20zellige noch voll- kommen einfache Fäden, bei schwächlicheren Exemplaren sogar solche, die auf eine Strecke von 80—100 Zellen keine Spur von Verzweigung zeigen. Wir dürfen daher eine streng befolgte Gesetzmässigkeit in der Zweigbildung bei Chaetophora nicht erwarten, von allgemeinerer Geltung ist nur Folgendes: Die Verzweigung schreitet von unten nach oben fort, sie kann aber zuerst auf längere Strecken vollkommen ausbleiben (Taf. 3. Fig. 5; vergl. Taf. 4. Fig. 1), tritt an der secundären T'heilwand auch ein Ast auf, so entsteht er meist etwas später als der unmittelbar darüber an der primären Thheilwand entstehende. An älteren Partien treten interponirte Zweige nicht mehr auf. Der Aufbau der jüngeren Fadenspitzen von Chaet. elegans ist also sehr einfach und übersichtlich, hat jedoch die Haarbildung begonnen, so findet man hier eine grössere Anzahl von Zellen, welche alle in lebhafter Theilung be- griffen sind und von denen die oberen allmählich in Haarzellen übergehen, die unteren dagegen Zweige produeiren. Jetzt ist es nicht mehr möglich, diese Zellen nach ihrer Abstammung mit Sicherheit zu gruppiren, da schärfere Ein- kerbungen des Zellfadens bei Chaetophora kaum vorhanden sind und damit jeder sichere Anhalt fehlt. Wir können uns aber die Verlängerung in der- selben Weise erfolgend denken, wie bei Draparnaldia, dass also von einer 212 G. Berthold. (p. 46) dieser Zellen haar- und zweigerzeugende Zellen gebildet werden. Als solche würde dann eine der im unteren Theile der Fadenspitze gelegenen Zellen an- zusehen sein, so dass die Mehrzahl aller vorhandenen Zellen zur Haarbildung verwendet würde. So erklärt sich die ausserordentliche Geschwindigkeit, mit welcher bei Chaet. elegans die Ausbildung der Haare erfolgt. In den meisten Fällen bestehen dieselben aus 20— 30 hyalinen Zellen und diese Länge wird schon bald nach dem Eintritt der Haarbildung überhaupt erreicht. So besass ein aus 13 vegetativen Zellen bestehender Ast, der drei kleine Zweige trug, eine 16zellige Haarspitze, letztere war oben breit abgestumpft, woraus hervor- ging, dass schon mehrere der zuerst gebildeten Haarzellen abgefallen waren. Beachtet man nun, dass vor dem Eintritt der Haarbildung die Zweige die Länge von 13 Zellen schon überschritten hatten, so hatte also bei dem vor- liegenden Aste seit dem Eintritt der Haarbildung sogar eine Verkürzung des vegetativen Theiles stattgefunden. An älteren Stammspitzen entstehen nun die Zweige nicht in streng acropetaler Reihenfolge, doch ist es ausnahmslos nur ein kurzer wenigzelliger Abschnitt, an dem Zweigbildung überhaupt stattfindet, während spätere inter- ponirte Zweige nicht mehr auftreten. Die Verlängerung der verzweigten Par- tien beschränkt sich im Anfang meist auf Streckung der vorhandenen Zellen, später treten auch noch weitere Zelltheilungen auf, jedoch nicht in grösserem Umfange, wie bei den beiden anderen Chaetophoreen-Gattungen. Das Wachs- thum von Chaetophora geschieht hauptsächlich nur in den peripherischen Theilen. Chaetophora pisiformis zeigt in ihrem Aufbau einige bemerkenswerthe Verschiedenheiten von der vorher besprochenen Art. Bildung und erstes Wachsthum der Aeste erfolgt hier zwar in derselben Weise wie bei jener, da- gegen tritt die Verzweigung viel frühzeitiger ein, in der Regel vor dem Eintritt der secundären Theilungen der primären Gliederzellen (Taf. 4. Fig. 1). Die Spitzen aller Zweige liegen ungefähr in gleicher Höhe, hierdurch ist diese Art sehr leicht auch von jungen Exemplaren von Chaet. elegans zu unterscheiden. Secundäre Thheilungen kommen bei manchen Exemplaren nur sehr selten vor, bei anderen zerfällt die Zelle kurz nach dem Entstehen der Zweige in zwei seeundäre Gliederzellen. Das spätere Wachsthum beschränkt sich fast ausschliesslich auf Verlängerung der schon gebildeten Zellen. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 4%) 213 Die Haarbildung tritt unter gewöhnlichen Umständen auch bei dieser Art erst an den älteren Zweigspitzen ein, aber im Gegensatz zu COhaet. elegans betheiligt sich dieselbe später nicht mehr an der Production vegetativer Zweige, wodurch der Aufbau ein sympodialer wird. Das Haar ist auch hier sehr lang und besteht im unteren Abschnitte aus einer grossen Anzahl kurzer fast gleich- langer Zellen, welche mit einem schaumigen Protoplasma erfüllt sind und all- mählich in die stark verlängerten Haarzellen übergehen (Taf. 4. Fig. 1). Dieselben werden im unteren Abschnitte des Fadens gebildet und theilen sich vor dem Uebergang in Haarzellen entweder noch einmal oder in jüngeren Spitzen gar nicht mehr. Unterhalb der hyalinen Zellen findet sich am Grunde des Fadens nur eine einzige oder nur einige wenige chlorophyliführende Zellen. Wir finden bei dieser Art also die ersten Anfänge einer Trennung zwischen vegetativen und haarbildenden Trieben, wie sie uns auch bei Stigeoclonium farctum ent- gegentrat und es ist bemerkenswerth, dass auch letzteres eine Form mit fast gänzlich fehlenden secundären Theilungen der Gliederzellen ist. Die Bildung der Schwärmsporen und die Organisation derselben ist wie bei den beiden anderen Chaetophoreen-Gattungen. Die Keimpflanze zerfällt zuerst in eine untere und eine obere Zelle, aus der unteren Zelle geht ein kriechendes, sich unregelmässig verzweigendes Gebilde hervor, ähnlich der Sohle der Stigeoelonien (vergl. Taf. 3. Fig. S—12). Diese Sohle ist ent- weder von Anfang an stark verzweigt und kann dann eine pseudoparenchy- matische Scheibe bilden, oder die Verzweigung ist spärlicher und die ein- zelnen Fäden lassen zuerst grössere Lücken zwischen sich. Aus den Zellen dieser kriechenden Fäden entstehen die aufrechten Aeste, welche sich gleich in der oben beschriebenen Weise verzweigen, so dass sogleich ein kleines halbkugliges Polster entsteht. An älteren Exemplaren ist die Sohle I—2 mm im Durchmesser, zeigt ein unregelmässiges parenchymatisches Gefüge und farblose Zellen, während die Zellen der jungen Sohle stark chlorophyllhaltig sind. Aus der oberen Zelle der zweizelligen Keimpflanze entsteht der erste aufrechte Faden. In der Cultur zeigte derselbe bald starke Verlängerung, besonders bei Ohaet. elegans, verästelte sich unregelmässig und entwickelte frühzeitig eine Haarspitze. Wahrscheinlich erfolgt aber bei der Keimung im Freien zuerst nur ein geringes Wachsthum dieser oberen Zelle, bis die Sohle eine gewisse Grösse erlangt hat und auch aus ihr aufrechte Fäden entstehen. 214 G. Berthold. (p. 48) Für diese Annahme spricht der Umstand, dass bei im Freien gefundenen Exemplaren junger Keimpflanzen alle aufrechten Fäden von gleicher Länge sind. Jedes halbkuglige Polster ist also für gewöhnlich als ein Individuum aufzufassen, es kommen jedoch Verschmelzungen jüngerer und älterer Pflanzen häufig vor, wenn sich mehrere Schwärmsporen in unmittelbarer Nähe ange- siedelt haben. - Aphanochaete. (Taf. 4. Fig. 2—5.) Die in Folgendem behandelte Form wurde nebst der neuen Gattung Chaetopeltis nur aus praktischen Gründen hier unter die Gruppe der Chaeto- phoreen gestellt, von denen sie sich trotz dem Vorkommen haarähnlicher Bildung durch wesentliche Merkmale unterscheiden. Die Arhanochaete benannte Gattung bildet wie die von A. Braun!) kurz beschriebene Aphanochaete repens unregelmässig verzweigte kriechende Zellfäden, welche auf Algen oder anderen untergetauchten Wasserpflanzen leben. Ob sie mit jener Form identisch ist, erscheint noch zweifelhaft, da sie in einigen Beziehungen von ihr abweicht. Sie soll jedoch trotzdem hier einstweilen als Aphanochaete bezeichnet werden. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung erfolgt durch Schwärmsporen. Die- selben bewegen sich nur kurze Zeit und setzen sich, wenn sie zur Ruhe kom- men, mit dem vorderen hyalinen Ende fest. Sie runden sich hierauf ab, um- geben sich mit einer Zellhaut und treiben alsbald nach zwei diametral ent- gegengesetzten Richtungen Keimschläuche (Fig. 5e). So entsteht ein einfacher kriechender Zellfaden, der sich anfangs blos durch Spitzenwachsthum verlängert. Die jungen Fadenzellen sind zuerst eylindrisch und besitzen einen chlorophyll- haltigen Wandbeleg, in dem sich ein Amylonkern befindet, nur kurz vor einer Zelltheilung findet man auch zwei. Die älteren Zellen schwellen allmählich kuglig an und treiben regellos seitliche ebenfalls kriechende Aeste. Wachsen mehrere Pflanzen auf kleinem Raume neben einander, so kann durch Anein- anderschliessen der Fäden eine pseudoparenchymatische Scheibe entstehen. Die 1) A. Braun, Verjüngung. Seite 196 Anm. 2. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.49) 215 Gliederzellen besitzen die Fähigkeit sich weiter zu theilen, jedoch nicht in ausgedehnter Weise. Cultivirt man die Pflanzen auf Objeetträgern, so können dadurch unregelmässige Zellanhäufungen entstehen, in denen T'heilwände nach allen Richtungen des Raumes auftreten. Die Zellhaut kann in eine lange unten zwiebelartig aufgetriebene Borste auswachsen, an der eine Gliederung nicht wahrgenommen werden konnte. Ein deutliches Lumen findet sich nur im unteren zwiebelförmigen Abschnitt, der obere Theil zeigt auch bei sehr starker Vergrösserung nur einfache Oontouren. Die Borsten finden sich unregelmässig auf den Zellen der Exemplare vertheilt. In jeder Zelle entstehen zwei Schwärmsporen, welche 4 Cilien, einen Amylonkern und einen seitlichen Pigmentfleck besitzen (Fig. 4, 5a, b). Vor dem Austreten der Sporen erweicht die Zellwand allmählich, bis die Schwärmer zuletzt mit einem plötzlichen Ruck herausgestossen werden. Ein Riss lässt sich nachher in der Zellwand aber nicht deutlich erkennen. Die beiden Sporen sind zuerst von einer feinen Membran eng umschlossen, diese erweitert sich jedoch allmählich und sobald die Sporen etwas Spielraum bekommen haben, fangen sie an sich lebhaft zu bewegen, stossen gegen die feine Membran der Blase und werden endlich durch Platzen derselben frei. Eine geschlechtliche Fortpflanzung konnte bis jetzt noch nicht aufgefunden werden. Bei der von Braun beschriebenen Art sind abweichend von der hier geschilderten die Borsten undeutlich gegliedert, die Schwärmsporen entstehen durch den Scheidewänden parallele Theilung des Zellinhalts, sie besitzen nur zwei Cilien. Eine sie anfänglich umschliessende Blase wird von Braun nicht erwähnt. Zuweilen entstand nur eine einzige Spore in einer Zelle statt zwei.!) Chaetopeltis nov. Genus. (Taf. 4. Fig. 6—11.) Junge Pflanzen dieser meines Wissens bis jetzt noch nicht beschriebenen Gattung fanden sich in geringer Anzahl in einigen Teichen der Umgegend I) Verjüngung, Seite 249. Nova Acta XL. Nr. 5. 28 216 G. Berthold. (p. 50) von Göttingen auf untergetauchten Theilen von Wasserpflanzen. Die Alge liess sich leicht eultiviren und es wurden so lebhaft grüne fast kreisfürmige angewachsene Scheiben bis zur Grösse von 1 mm im Durchmesser erhalten, ähnlich denen von Coleochaete scutata, mit welchen sie zusammen vorkamen. Der Zellinhalt besteht aus körnigem Protoplasma, in welchem das Chlorophyll gleichförmig vertheilt ist, ausserdem findet sich noch ein scharf umschriebener Amylonkern und meist auch eine helle Vacuole in jeder Zelle vor. Die Zell- haut ist ziemlich dick, fast gallertig, ungefähr wie bei Enteromorpha, auch der Zellinhalt erinnert sehr an diese Alge. Aus der Schwärmspore geht eine kreisförmige flache Keimpflanze her- vor, dieselbe zerfällt zuerst durch eine senkrechte Wand in zwei gleiche Hälften, jede derselben zerfällt wieder in zwei Zellen, so dass die vierzellige Keimpflanze aus vier Quadrantenzellen besteht (Fig. 9, 8). Die weiteren Theilungen erfolgen, wie es die gezeichneten Schemata angeben, zuerst durch schräg von der Aussenwand nach innen verlaufende Wände, später durch Quer- und Längswände. _. Zellvermehrung findet nur in den Randzellen statt, Längswände sind zuerst ziemlich häufig, später erfolgt Längstheilung seltener und erst nachdem mehrere Querwände gebildet wurden. Statt der Längswand tritt häufig eine schräg von der Aussenwand zur einen Seitenwand statt zur gegenüber liegenden Querwand verlaufende Theilung ein, also ähnlich wie die erste Theilung der Quadrantenzellen vor sich geht. In Folge dieser Wachs- thumsweise sind die Zellen älterer Pflanzen sehr schön in radial verlaufenden Längsreihen angeordnet, welche sich durch dichotomische Theilung vermehren (Fig. 7). Die Randzellen zeigen zuweilen eine oder mehrere bis tief in das Zellinnere eindringende Einfaltungen der Zellhaut, dieselben sind in den meisten Fällen jedoch nicht vorhanden und sie scheinen auch keine besondere Rolle zu spielen (Fig. 11), nur zuweilen setzt sich die Theilwand direct an sie an. Der Amylonkern ist in theilungsfähigen Zellen gross und scharf abgegrenzt, junge Theilzellen besitzen nur kleine, häufig nur schwer erkennbare Kerne. In selteneren Fällen ist in grösseren Zellen ein Kern deutlich nieht zu erkennen, zwei Kerne in einer Zelle wurden niemals beobachtet. Weahr- scheinlich verschwindet daher der Amylonkern kurz vor der 'T'heilung der Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 51) 21% Zellen oder er wird undeutlich und es tritt in jeder 'Theilzelle sehr bald wieder ein neuer kleinerer auf, der erst allmählich heranwächst. Wie bei Aphanochaete vermag auch bei Chaetopeltis die Zellwand in lange Borsten auszuwachsen, doch ist ihre Ausbildung sehr wechselnd und scheint von äusseren Bedingungen abzukängen. Alle Pflanzen einer Cultur können längere Zeit vollkommen borstenlos sein, bis die Bildung plötzlich überall auch schon an einzelligen Keimpflanzen massenhaft eintritt. So wurden € auf einzelligen Keimpflanzen 2—3, auf zweizelligen bis 6 Borsten beobachtet, bei grösseren Pflanzen sind sie unzählbar. Die einzelnen Borsten sind sehr lang und dünn, sie zeigen weder Gliederung noch Lumen, auch keine stärkere Anschwellung an ihrem unteren Abschnitt und können zu mehreren aus einer Zelle entstehen. Chaetopeltis pflanzt sich auf ungeschlechtlichem Wege durch Schwärm- sporen fort, dieselben entstehen durch succedane Theilung des Inhalts zu 2, 4 oder 8 in einer Zelle, die mittleren Scheibenzellen schwärmen zuerst aus. Ihre Bildung geschieht hauptsächlich in den frühen Morgenstunden, das Aus- schwärmen geschieht erst später des Vormittags und allmählich. Die Sporen sind länglich eiförmig von verschiedener Grösse, besitzen im hinteren grünen Abschnitt einen Amylonkern, am vorderen Theile 4 lange Cilien und einen seitlichen rothen Pigmentfleck. Sie werden durch langsames Aufquellen der Zellhaut frei und zuletzt plötzlich herausgestossen wie bei Aphkanochaete. Ein Riss ist auch hier in der Zellwand später nicht zu erkennen und wird also wahrscheinlich der ganze obere Theil aufgelöst. Alle aus einer Zelle ent- stehenden Schwärmer sind von einer gemeinsamen Blase umhüllt (Fig. 6b). Auch hier vergrössert sich die Blase allmählich und zerreisst zuletzt, nachdem sich die Schwärmsporen längere Zeit lebhaft in ihr bewegt haben. Die frei- gewordenen Sporen schwärmen ungefähr 15—30 Minuten und schrumpfen, wenn sie zur Ruhe kommen, plötzlich zusammen, wodurch ihr Umriss zuerst faltig wird. Sie befestigen sich mit dem farblosen Theil auf der Unterlage, werden abgeplattet und keimen sogleich. Bildung von geschlechtlichen Fortpflanzungsorganen wurde bis jetzt nicht beobachtet. Was die systematische Stellung der beiden zuletzt erwähnten Gattungen anbetrifft, so lässt sich dieselbe bei der noch mangelnden Kenntniss der 28 * 218 G. Berthold. (p. 52) Fructifieation noch nicht genau bestimmen. Braun sprieht die Vermuthung aus, dass Aphanochaete mit Herposteiron Näg.!), d. h. Coleochaete, verwandt sein möchte, doch unterscheidet sich die hier beschriebene Art, wenn sie wirklich zu Aphanochaete gerechnet werden darf, sowohl durch das Vorkommen von seeundären Zelltheilungen als auch durch die Cilienzahl und die Ent- stehungsweise der Schwärmsporen von Coleochaete, abgesehen von dem Fehlen einer Scheide bei den Borsten. Chaetopeltis ist dagegen wahrscheinlich sehr nahe verwandt mit einer Gattung, welche Millardet?) auf der Oberfläche der Blätter von Abies pecti- nata, Hedera und Rubus-Arten entdeckte, und welche er Phycopeltis epiphyton nannte. Dieselbe bildet bräunliche, bis 0,1 mm grosse einschichtige Zellscheiben, welche sich durch Wachsthum der Randzellen vergrössern. Aus der einzelligen Keimpflanze entsteht zuerst eine centrale Zelle und mehrere um dieselbe herum- gelagerte peripherische in der Weise, dass von dem mit regelmässig vertheilten Einkerbungen versehenen Rande Zellwände allmählich nach innen vordringen und sich seitlich aneinanderlegen. Bei der Bildung der Schwärmsporen ent- stehen bis 25 und mehr in jeder Zelle durch freie Theilung, dieselben besitzen nur 2 Cilien. Ein oogoniumähnliches Organ wurde einmal von Millardet beobachtet, konnte aber nicht genauer untersucht werden, es glich dem einer Coleochaete. Wahrscheinlich von derselben Gattung hat Reinsch) zwei Abbildungen gegeben. Er hat jedoch die von ihm Ohromopeltis genannte Pflanze nicht näher charakterisirt, sie lebten ebenfalls in feuchter Luft auf Moosblättern. Ob unsere Gattung wirklich näher mit Phycopeltis und mit Coleochaete verwandt ist, Jässt sich mit Sicherheit natürlich nicht entscheiden. Wahrscheinlich ist dies allerdings, obwohl die ersten Vorgänge der Keimung, das Vorhanden- sein von Borsten, die Bildung und Organisation der Schwärmsporen und die \) Kütz. Spec. Alg. p. 424. 2) Memoires de la soeietE des sciences naturelles de Strasbourg. Tome 6, pag. 50. Paris 1864. 3) Reinsch, Contrib. ad Algolog. et Fungologiam, pag. 73, Tab. VII. 1, 2. Chloro- phyllophyceae. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.53) 219 Lebensweise, sie vorläufig einestheils von Coleochaete, anderentheils auch von Phycopeltis scharf trennen. Der Name Chaetopeltis wurde nach Analogie der Millardet’schen Gattung gewählt, als Artname würde sich vielleicht „orbicularis“ wegen der fast kreisföürmigen Begrenzung der gut ausgebildeten Exemplare empfehlen. Bevor wir zum Schluss die gewonnenen Resultate kurz zusammenfassen, mögen noch einige Betrachtungen Platz finden über die morphologischen Be- ziehungen, welche die Gruppe der Chaetophoreen in ihrer höchsten Ausbildung zu andern bekannten Algentypen zeigt. Es können hier hauptsächlich nur Stigeoclonium und Draparnaldia in Betracht kommen, da Chaetophora durch die stark verminderten secundären Theilungen und seine eigenthümliche Wachs- thumsweise mehr als eine aberrante Form erscheint. Während nun Stigeocelonium den direeten Anschluss an Ulothrix und die übrigen unverzweigten Conferven vermittelt, zeigt Draparnaldia in seinem Aufbau manche Anklänge an höhere Algenformen und zwar an diejenige Gruppe der Florideen, zu welcher Batrachospermum, Dudresnaja, Orouwania und andere Gattungen gehören, welche von Naegeli!) näher auf ihren Aufbau untersucht wurden. Allerdings sind diese Anklänge nur morphologischer Natur und können sie bei den so überaus zahlreichen Verschiedenheiten, welche in übrigen zwi- schen diesen beiden Gruppen bestehen, bei der Betrachtung von Verwandtschafts- verhältnissen durchaus nicht in Betracht kommen, deshalb sind sie aber gerade um so auffallender. Die angeführte Gruppe von Florideen wächst bekanntlich nur durch Theilungen der Scheitelzelle und nachherige bedeutende Streckung der Glieder- zellen. An jeder der letzteren steht ein mehrgliedriger Quirl von Zweigen, welche in ihrem Wachsthum meist begrenzt sind, nur einige regellos vertheilte sind unbegrenzt und verhalten sich genau wie der Hauptstamm, erstere werden Kurz-, letztere Langtriebe genannt. Die Gliederzellen sind später meist von !) Naegeli, Ceramiaceae pag. 382 ff. 220 G. Berthold. (p. 54) abwärts wachsenden Fäden, welche aus den unteren Astzellen entstehen, dicht berindet. Die Analogie zwischen Draparnaldia und dieser Gruppe von Florideen besteht nun erstens in der Bildung und Stellung der Quirlzweige. Wie wir gesehen, entstehen bei Draparnaldia die Zweige der Haupt- quirle nicht zu gleicher Zeit, sondern nacheinander, ferner ist eine Gesetz- mässigkeit in der gegenseitigen Stellung derselben und auch eine bestimmte Alternanz der aufeinander folgenden Quirle nicht vorhanden. Dasselbe Ver- hältniss finden wir auch bei den genannten Florideen, wenigstens bei einigen derselben, da genauere Angaben für die ganze Gruppe noch fehlen. Naegeli®) sagt nur ganz allgemein, dass, wenn auf einem Glied ein Quirl von Seiten- strahlen steht, einer davon der zuerst gebildete ist, diesem meist der diametral gegenüberstehende folgt und nachher die übrigen zwischen ihnen auftreten. Ebenso erwähnt Cramer?) nur beiläufig, dass bei Crowania attenuata J. Ag., Wrangelia multifida J. Ag. und Wrangelia penicillata Ag. die einzelnen Quirläste successive entstehen und die Bildung höherer Quirle beginnt, bevor die tieferstehender vollendet ist. Auf diese Verhältnisse hm wurden von mir genauer Weingeistexemplare von Dudresnaja coccinea Bonnem. untersucht, welche mir von Herrn Prof. Reinke gütigst zur Benutzung überlassen wurden. Das Resultat ist kurz folgendes: Der erste Quirlzweig wurde beobachtet auf der 2.—-8. Glieder- zelle, der zweite auf der 7.—18., der dritte auf der 12.—-20., der vierte auf der 20.—- 24. und ein fünfter auf der 20.—30. Gliederzelle. Es folgt hieraus, dass die einzelnen Quirlzweige in grösseren Zwischenräumen nacheinander ent- stehen, dass die Zeit ihrer Bildung nicht genau bestimmt ist, da dies mit der Stärke des Triebes sehr wechselt, und dass junge Zweige noch ziemlich weit abwärts entstehen können an Stellen, wo die älteren Quirlzweige schon eine ganz bedeutende Grösse erlangt haben. Was die gegenseitige Stellung der Quirle und der Quirlzweige anbetrifft, so giebt Naegeli®) bei Dudresnaja an, dass die aufeinander folgenden Quirle 1) Ceramiaceae pag. 307. 2) Ceramiaceen II. pag. 90. 3) Ceramiaceae pag. 386. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.55) 221 alterniren. Dies scheint jedoch nach der Entwiekelungsgeschichte nicht streng der Fall zu sein, denn an Langtriebspitzen findet man nicht selten mehrere kurze Ausstülpungen aufeinanderfolgender Zellen ohne Alternanz unmittelbar untereinander liegen. Ebenso entstehen bei jungen Langtrieben die ersten Quirlzweige alle auf der dem Hauptstamme abgewandten Seite, erst die spä- teren entstehen auch auf der inneren Seite. Ganz ebenso erscheint die Stellung der Quirläste an jungen Spitzen von Batrachospermum montliforme, welches in Bezug auf seinen Aufbau ausserordentliche Aehnlichkeit mit Dudresnaja besitzt. Zu den angeführten Gründen kommt noch, dass bei beiden Gattungen 4- und 5gliedrige Quirle an denselben Langtrieben mit einander abwechseln, wodurch an sich schon eine strenge Alternanz der Quirle unmöglich gemacht wird. Bei Keimpflanzen von Batrachospermum sind die ersten Quirle sogar nur zwei- oder dreigliedrig, erst allmählich treten auch vier- und fünfgliedrige auf, auch diese ersten Quirle zeigen keine strenge Alternanz. Der zweite Quirlast ist dem ersten meist opponirt, doch kann er auch nur um einen Winkel von ungefähr 90° von ihm getrennt sein, bei den zuerst auftretenden Zweigen junger Langtriebe ist letzteres sogar in der Regel der Fall, indem auch der zweite Quirlzweig auf der dem Hauptstamme abgewandten Seite entsteht. Wir dürfen aus Alledem schliessen, dass eine genau eingehaltene Alternanz zwischen Quirlen und Quirlzweigen hier noch nicht besteht, Bildung und Stellung derselben also ganz analog wie bei Draparnaldia sind. Ein weiterer Vergleichungspunkt mit Draparnaldia ergiebt sich aus dem Umstande, dass bei Dudresnaja Kurz- und Langtriebe noch manche Ueber- gänge zu einander zeigen. Als Langtriebe angelegte Aeste werden bei Dudresnaja oft zu begrenzten Kurztrieben und letztere zeigen in ihrer späteren Ausbildung sehr grosse Aehnlichkeit mit älteren Theilen schwächlicher Langtriebe, indem die Zellen der Hauptachse stark vergrössert und verlängert erscheinen, wie die Achsen- zellen der Langtriebe, indem sie ferner vier- und dreigliedrig Quirle von Seitenzweigen tragen, welche in ihrer Entstehungsfolge genau die Verhältnisse, wie wir sie vorher genau an Langtriebspitzen beschrieben, wiederholen. Der Unterschied liegt in der grösseren Länge, welche die Gliederzellen der Kurz- triebe von Anfang besitzen und darin, dass nur bis 9 vollständige Quirle ent- 222 G. Berthold. (p. 56) stehen, die weitere Ausbildung aber scheinbar diehotomisch wird. Die älteren und stärkeren Quirlzweige der unteren Kurztriebglieder erzeugen ferner aus ihrer unteren Zelle Berindungsfäden in derselben Weise, wie die Kurztriebe in Bezug auf den Langtrieb, an welchem sie inserirt sind. Naegeli giebt allerdings an, dass auch aus anderen der unteren Zellen der Kurztriebe Berindungsfäden entständen, an den mir vorgelegenen Exemplaren entstanden solche jedoch nur aus der untersten Zelle eines Kurztriebes, während die später auftretenden Berindungsfäden aus der untersten Zelle der Kurztrieb- zweige entstehen. Da nun ausserdem auch die unterste Zelle eines seitlich entspringenden Langtriebes ebenfalls einen Berindungsfaden erzeugt, so zeigen bei Dudresnaja Kurz- und Langtriebe noch eine sehr nahe Verwandtschaft zu einander, welche vielleicht bei anderen Gattungen dieser Gruppe noch enger erscheint. — Bei Batrachospermum ist die Scheidung zwischen Kurz- und Langtrieben schon bedeutender, indem es nicht mehr zur stammartigen Aus- bildung der Zellen der Hauptachse eines Kurztriebes kommt. Dieselben sind hier von unten auf gleich scheinbar dichotomisch oder trichotomisch verzweigt, Berindungsfäden entstehen nur aus den unteren Zellen der Kurztriebe. !) Auch die ersten Analoga der Berindungsfäden finden wir schon bei Draparnaldia in den an den @Quirlen und der Ansatzstelle stärkerer Zweige auftretenden Wurzelfäden, ihre Entstehung ist hier jedoch noch nicht genau localisirt, wie bei den in Rede stehenden Florideen. Einen weiteren Vergleichungspunkt bieten uns die von Dudresnaja, Batrachospermum ete. an den Kurztriebspitzen ausgebildeten Haare dar. Die- selben finden sich schon auf ganz jungen Zweigen, aber auch noch auf älteren, bei ihrer Bildung wird von der Scheitelzelle der Fäden ein kleineres oberes Segment abgeschnitten, welches sich sehr rasch durch Spitzenwachsthum ver- längert. Man findet die Haare nie gegliedert, dies ist jedoch leicht erklärlich, da sie sehr bald abfallen und also vor der Bildung einer neuen Haarzelle die früher vorhandene zu Grunde gegangen sein wird. Die Analogie zwischen der Haarbildung dieser Florideen und der der Chaetophoreen würde noch vollständiger sein, wenn bei letzteren weitere T'heilungen der haarbildenden 1) Vergl. über den Aufbau von Batrach. die Angaben von Graf zu Solms-Laubach, Bot. Zeit. 1867, Nr. 21. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.51) 223 Zellen nicht mehr vorkämen und in der That vermitteln hier den Uebergang Chaetophora pisiformis und Stigeoclonium farctum, zwei Formen, bei denen Theilungen der haarbildenden Segmente nur noch seltener vorkommen. Zieht man zuletzt noch die beiden Gruppen gemeinsame Gallertabson- derung in Betracht, so wird man zugestehen müssen, dass der Abstand in der äusseren Gliederung und im morphologischen Verhalten zwischen ihnen nicht so gross ist, als es scheinen Könnte. Allerdings wird diese so weit gehende Analogie sowohl durch die bei Draparnaldia noch in so grossem Umfange vorhandenen secundären Theilungs- vorgänge, als auch besonders durch die von Grund aus verschiedenen Erschei- nungen bei der Fortpflanzung in beiden Gruppen sehr beeinträchtigt. Wir haben daher zwar verschiedene morphologische Reihen, in ihnen aber einige Glieder, die sich durch das Verhalten der Vegetationsorgane sehr nahe kommen. Zum Schluss möge an dieser Stelle noch kurz erwähnt werden, dass ich die Angaben von Bornet und Thhuret!) in Bezug auf die so wunder- baren Vorgänge bei der Fructification von Dudr. coccinea nur habe bestätigen können. Fassen wir die gewonnenen Resultate schliesslich kurz zusammen, so kommen wir zu folgenden Sätzen: Il. Diatomaceen. Die unechte Verzweigung derselben ist bedingt: 1. Bei allseitiger Gallertausscheidung durch Differenzirung eines be- stimmten am unteren Zellende ausgeschiedenen consistenten Stranges oder Ausscheidung des letzteren allein. Die Verzweigsung ist: a) dichotomisch, wenn sich die Individuen nach der Theilung voll- kommen trennen (Gomphonema, Cocconema); b) unregelmässig, wenn die Individuen eine Zeit lang seitlich ver- bunden bleiben und sich später regellos von einander trennen (Liemophora); 1) Notes algologiques pag. 35 ff. Nova Acta XL. Nr. 5. 29 G. Berthold. (p. 58) . bei ebenfalls allseitiger Gallertausscheidung aber ohne Differenzirung eines consistenteren Stranges, auf dem die Individuen befestigt sind, durch die ungleichartige Structur der Gallerte, indem die einzelnen Partien verschiedene physikalische Eigenschaften besitzen, wodurch späteres theilweises Abspalten derselben und Verzweigung erfolgt (Schizonemeen). ll. Hydrurus peniecillatus. 1. Alle Zellen sind gleichwerthig, die Theilung erfolgt nur nach zwei DD 4. aufeinander senkrecht stehenden Richtungen des Raumes in der Längsachse der Zellen. Die Gallertausscheidung geschieht vorwiegend am unteren farblosen Abschnitt der Zelle, dadurch sind dieselben vorwiegend an der Oberfläche gelagert. . Die Verzweigung entsteht durch das Hervortreten einzelner Zellen über die Oberfläche des Gallertlagers, sie ist monopodial und die Vertheilung der Zweige unregelmässig. Das Spitzenwachsthum geschieht vermittelst einer Scheitelzelle. III. Cladophora. 1. LO Die wenig und unregelmässig verzweigte Olad. gossypina schliesst sich im Wachsthum unmittelbar an die unverzweigten Conferven an. Mit dem Auftreten regelmässigerer und stärkerer Verzweigung wird das interealare Längenwachsthum stark verlangsamt, es ist: a) gleichmässig verzögert bei O1. fracta, b) zuerst ‘fast vollkommen sistirt und wird später nach vollendeter Zweigbildung sehr energisch wieder aufgenommen bei Cl. glomerata. Secundäre Zelltheilungen fehlen vollkommen bei 01. prolifera und einigen anderen Arten. - . Das Wachsthum aller Zweige ist gleichmässig. Wurzelhaare treten vereinzelt auf, sie sind zum Theil noch unge- gliedert, zum "Theil lang und deutlich gegliedert. IV. Chaetophoreen. % Hier vermittelt das wenig verzweigte Stigeoclonium variabile den Anschluss an die unverzweigten Conferven. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 59) 225 2. ot I 10. Die Differenzirung zwischen dem unteren und oberen Zellende ist zum Theil noch sehr gering, aufrechte Fäden können unter Umständen aus dem unteren Zellende hervorgehen (Keimpflanzen von St. variabile). Die vegetativen Theilwände stehen in der Regel senkrecht zur Längsachse des Fadens, longitudinale und schräge Wände sind häufig bei Stigeoclonium und Chaetophora, sie wurden nicht beobachtet bei Draparnaldia. Aus jeder vegetativen Zelle gehen nach vorhergegangener Theilung bis 4 Schwärmsporen hervor, die dabei auftretenden Zellwände können eine beliebige Richtung haben. Die scheinbar gleiehwerthigen Zellen verhalten sich ungleichwerthig in Bezug auf die Zweigbildung, die Zweige entstehen zuerst unter- halb der ältesten Querwand eines Fadenabschnittes. Eine Scheidung zwischen Kurz- und Langtrieben ist noch nicht vor- handen. . Vegetative Funetionen und Haarbildung sind vereinigt an denselben Zweigen, eine Scheidung bereitet sich vor bei Stig. farctum und Chaet. pisiformis. Das Auftreten der Haarbildung und die Geschwindigkeit, womit sie erfolgt, ist bei Stigeoclonium noch sehr wechselnd. Bei Draparnaldia ist die Haarbildung schon ein feststehender Cha- rakter, sie ist weniger abhängig von äusseren Umständen, daher gleichmässiger. Auch nach dem Eintritt der Haarbildung lässt sich das Wachsthum an der Spitze noch auf die Thätigkeit einer Zelle zurückführen. Draparnaldia zeigt morphologische Beziehungen zu Dudresnaja, Ba- trachospermum etc. durch die Entstehungsweise und Stellung der Quirlzweige, Haarbildung, durch das Vorhandensein von Analoga der Berindungsfäden und durch die Schleimabsonderung. 180} [8o) [er G. Berthold. (p. 60) Erklärung der Tafeln. (Alle Figuren wurden vermittelst der Camera lucida entworfen.) 6. anna Tafel 1. (XV.) Micromega tenellum. Spitze eines Gallertfadens mit jungem Zweig und vier eingeschlossenen Individuen. Fig. 2—8: Hydrurus peniecillatus. Querschnitt durch einen Zweig von geringer Dicke, zeigt die partielle Ein- schachtelung der Gallerte und die Lagerung der Mehrzahl aller Zellen dicht unter der Oberfläche. Zweigspitze mit Scheitelzelle und mehreren Zweiganlagen. Junge Zweigspitze. Zwei Zellen aus dem Innern des Lagers, a in eine sehr lange Spitze ausgezogene Zelle, b eine solche von mittlerer Länge. Einzellige Zweiganlage. 7, 8. Junge Zweigspitzen mit gerade erfolster Theilung der Zelien. 10. Fig. 9—16: Stigeoclonium. Sohle von St. lubrieum, a aufrechte Fäden. Junger Zweig von St. variabile; die durch Klammern zusammengefassten Ab- schnitte stammen von einer primären Gliederzelle ab. An der Spitze befinden sich zwei Haarzellen. Zweig von St. lubricum, zeigt die Entstehung der ersten Seitenzweige. Die Klammern besitzen dieselbe Bedeutung, wie bei der vorhergehenden Figur. Ein Abschnitt eines älteren Stammes von St. lubrieum, die obere Hälfte ist 6zellig, die untere 21zellig; bei m der morphologische Mittelpunkt des Abschnittes. Aelteres Fadenstück von St. variabile, es zeigt die Theilungen in den Zellen bei der Bildung der Schwärmsporen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p. 61) 22% 14. 15. 16. Aelteres Fadenstück von St. lubricum nach 10tägiger Cultur, mehrere Glieder- zellen haben in abnormer Weise Aeste erzeugt. Theil einer Keimpflanze von Sf. farctum, a ein aufrechter Faden der Keim- pflanze, b aus einer Fadenzelle entstandener Wurzelfaden, die vierte Zelle des- selben hat eine feste Unterlage angetroffen und daselbst die gewöhnliche Sohle erzeugt. Die Sohle zweier junger Keimpflanzen von Sf. flagelliferum, a aufrechte Fäden, noch unverzweigt, aber schon von grösserer Länge. Keimpflanze von St. flagelliferum, die sich nicht festgesetzt hat, statt der Sohle ist ein Wurzelfaden gebildet. Junge Sohle von Sf. variabile, a langer aufrechter Faden, noch unverzweigt, bis auf den kurzen Ast an der untersten Zelle. 228 G. Berthold. (p. 62) Tafel 2. (XVI) Fig. 1—5: Stigeoclonium faretum. ‚5. Keimpflanzen, 5a schon mit aufrechtem, haarförmig zugespitztem Trieb. Fig. 2. Theil einer älteren Sohle mit anfänglich geringer, später sehr dichter Ver- | zweigung. (Auf Objectträgern eultivirt.) Fig. 3. Junge Sohle mit gleich beginnender sehr reichlicher Verzweigung, zeigt den Zellinhalt (eultivirt). | Fig. 4. Kriechender Faden (d) mit kurzen aufrechten Fäden und einem Haar (a), b, ec aufrechte Fäden, im Begrifi, Schwärmsporen zu bilden. (2) 2 Fig. 6—12: Draparnaldia. Fig. 6. Junger, verzweigter Ast von Dr. glomerata, bei a ist von dem stärkeren Quirl- zweig nur die untere Zelle gezeichnet. Fig. 7. Junger Ast von Dr. plumosa, die Klammern links von der Figur beziehen sich auf die Abschnitte der Hauptachse, die beiden rechts auf die beiden unteren Abschnitte des an der vierten Zelle befindlichen Astes. Fig. 8. Astspitze von Dr. glomerata. Fig. 9. Astspitze von Dr. plumosa. Fig. 10. Schwärmsporen erzeugender Zweig von Dr. glomerata. Fig. 11, 12. Schwärmsporen und Keimpflanzen von Dr. plumosa. Fig. Fig. Fig. Fig. Untersuchungen über die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (p.63) 229 a Tafel 3. (XVIL) Fig. 1—4: Draparnaldia. Junger Zweig von Dr. glomerata, die Zellen sind mit Stärke erfüllt. Hauptquirl von Dr. glomerata, zeigt die ihn umschlingenden hyalinen Wurzel- fäden, aa Hauptstamm, ecce die 4 Quirlzweige. Junger Zweig von Dr. plumosa mit 2 Haarzellen. Unterer Theil einer älteren Pflanze von Dr. plumosa, zeigt die die Befestigung im Boden vermittelnden Wurzelfäden. Fig. 5—12: Chaetophora. Junger verzweigter Ast von Ch. elegans, die Klammern bezeichnen die einzelnen Abschnitte. Theil eines Fadens von Ch. pisiformis mit zweizelligem Ast, die denselben ab- trennende Querwand ist abnormer Weise in der Mutterzelle entstanden. Eigenthümlich deformirte Fadenspitze von Oh. elegans mit nach allen Richtungen erfolgender Theilung der Zellen. 8—12. Keimpflanzen von Ch. pisiformis, a die aufrechte Fadenspitze. Einige der mittleren Sohlenzellen von 11 zeigen schon junge aufrechte Fäden, bei 12b ebenfalls die Anlage zu einem aufrechten Faden; 12c erster Zweig von a. 230 G. Berthold. Unters. über die Verzw. einiger Süsswasseralgen. (p. 64) Bis: Fig. 2 Fig. 3 Fig. 4 Fig. 5 Fig. 6 Hıe, 7. Fig. 8 Fig. 9 Fig. 10 Fig. 11 Tafel 4. (XVII) Chaetophora pisiformis, Zweigspitze mit Haar. Fig. 2—5: Aphanochaete. Junge Pflanze, auf Glas ceultivirt. Junge Pflanze mit Haar, von der Seite gesehen, auf einem Oedogoniumfaden kriechend. Theile zweier älteren Fäden, bei dem einen findet Bildung von Schwärmsporen statt, bei dem anderen sind dieselben schon ausgeschwärmt. a Gerade ausgeschlüpfte Schwärmsporen, noch von der Blase umhüllt, b freie Schwärmspore, c eintägige Keimpflanze. Fig. 6—11: Chaetopeltis orbicularis. b Gerade ausgeschlüpfte. Sporen, von einer Blase umhüllt, a eine gerade zur Ruhe kommende Schwärmspore. Pflanze mittlerer Grösse, in der Cultur erhalten, es sind nur emige Haare angegeben. Schemata der ersten Theilungen in der Keimpflanze. Junge Keimpflanzen. Kleiner Theil einer Scheibe, von der Seite gesehen mit Borsten. Theil einer Pflanze, stark vergrössert, zeigt den Zellinhalt und die Einkerbungen der Zellwand. Nova Alta Arad EL0,G4.Nal Our VokM. RDERIE Ce. Ga x ! we | Be Dühring, Dresuc = G.Berihe Ad Pirevengung gr Infınasseratgen Ay. MD 0 va LE, Naa Ad HAadGELCLNACAWEH, (gen ‚ Da 7 LENZ. y emıger Iufnassera 07 [% VOCHG [7 7 f (Zar Berthold 1. EZ @ “ Br = Mare Aa HadGLCENACADIC, IGÖHEH nt SSYOKOADN itze £ Dühring, Dresden —— 7 52 M I GB. LE Versmeugung eng EU Inpnaseratgen : hy 3 v7, / L „ Mar Ada HadGLCGNdCaWLd BABLA \ g “ STE I II %& Dühring, Dresden Mütze & D I DEE: PE Be GG. AR Perzmengung mager Inpınanseratgen 2 4 NOVA ACTA der Ksl. Leop.-Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher Band XL. Nr. 6. Ueber die diamagnetische Polarität von Dr. Rudolph Franz, Professor in Berlin. Eingegangen bei der Akademie den 17. April 1878. HALLE. 1378. Druck von E, Blochmann & Sohn in Dresden. Liu die Akademie in Commission bei Wilh. Engelmann in Leipzig ® IN “2 .. * REN j. ttrısloT edloaktengsursib SHE sel global rÜ An rent a Ik AU oh San wur De errungen - er 5 ab u a er 7 ur are Die Frage, ob die äquatoriale Lage eines zwischen die Pole eines kräftigen Magnets aufgehängten unkrystallisirten Wismuthstabes Wirkung einer indifferenten Abstossung oder die Folge einer polaren Erregung des Wismuths sei, ist von verschiedenen Physikern, wie Faraday, Hankel, Plücker, Weber und anderen, vor Jahrzehnten erörtert worden, während in neuerer Zeit Versuche, welche das Wesen der diamagnetischen Kraft zu erläutern suchen, nicht angestellt worden sind. Es soll in Folgendem eine gedrängte Uebersicht der mannigfaltigen Versuche gegeben werden, die unternommen worden sind, um eine genügende Erklärung der diamagnetischen Erscheinungen zu erlangen, und versucht werden, zu zeigen, welche der verschiedenen auf- gestellten T'heorien am meisten zur allgemeinen Anerkennung berechtigt ist. Die eine der drei Theorien, die noch jetzt ihre Vertreter finden, hat Faraday') zuerst gegeben, der neue?) Entdecker des Diamagnetismus, eine Theorie, deren Wesen man mit Plücker3) am einfachsten so auffasst, dass man sagt: bei der magnetischen Induetion, welche sowohl von einem Magnet- pole, als auch von einem Leitungsdraht, einer Spirale, ausgehen kann, ruft ein \) Pgg. Ann. LXIX, 289; LXX, 24; Phil. Trans. 1846 p. 21 und 41. 2) Aeltere Beobachtungen der Erscheinung: Brugmans Pgg. Ann. X, 293 (aus Antonii Brugmans Magnetismus seu de affinitatibus magneticis observationes. Lugd. Batav. 1778) Le Baillif Pgg. Ann. X, 507. Bull. univers. VIII, 87. Muncke Pgg. Ann. VI, 361. Becquerel Pgg. Ann. X, 292 und XII, 622. Bull. univers. VII, 371. Ann. de ch. et de ph. XXXVI, 337. Seebeck Pgg. Ann. X, 203. 3) Faraday Pgg. Ann. LXX, 48. Plücker Psg. Ann. LXXIII, 613 und LXXXT, 113. 30* 234 Dr. Rudolph Franz. (p. #) Nordpol einen Südpol, ein Südpol einen Nordpol in seiner Nachbarschaft her- vor, während bei der diamagnetischen Induction unter denselben Bedingungen ein Nordpol einen Nordpol und ein Südpol einen Südpol erregt. Faraday selbst hat später seine erste T'heorie aufgegeben und das Gesetz aufgestellt: !) paramagnetische Körper streben sich von den schwächeren Wirkungsorten des magnetischen Feldes zu den stärkeren, diamagnetische sich von den stärkeren zu den schwächeren zu begeben. Er nimmt damit eine unpolare indifferente Abstossung an. Von Hankel ist diese "Theorie der indifferenten Abstossung auf die Spitze getrieben. Die dritte Anschauungsweise zur Erklärung der diamagnetischen Er- scheinungen ist die, nach welcher in diamagnetischen und magnetischen Kör- pern (dieselbe polare Erregung stattfindet: jeder Nordpol indueirt einen Südpol, jeder Südpol einen Nordpol. Becquerel?) nimmt an, dass eine Substanz von einem magnetischen Oentrum mit der Differenz der Wirkungen angezogen werde, welche auf die Substanz und dasjenige Volumen des umgebenden Mittels ausgeübt werde, das aus der Stelle gedrängt wird. Feilitzsch) meint in seiner ersten Abhandlung über diesen Gegenstand, dass in diamagnetischen Substanzen bei gewöhnlicher Erregungsart das magnetische Moment der klein- sten Theile vom Ende nach der Mitte hin abnehme, während in magnetischen Substanzen das magnetische Moment der kleinsten Theile vom Ende nach der Mitte hin zunimmt. „In die Sprache der Ampere’schen "Theorie übersetzt hiesse dies nichts Anderes als: in magnetischen wie in diamagnetischen Sub- stanzen finden sich elektrische Molekularströme vor, welche durch den Magne- tismus oder durch den elektrischen Strom so gerichtet werden, dass sie sich in gleichem Sinne mit denjenigen Strömen bewegen, welche den magnetisiren- den Einfluss ausüben. Es findet einzig der Unterschied statt, dass die dia- magnetischen Körper der richtenden Kraft einen grösseren Widerstand (eine grössere Coereitivkraft) entgegensetzen, als die magnetischen Körper. Die Ooereitivkraft der diamagnetischen Körper ist so gross, dass die Molekular- 1) Pgg. Ann. LXXVI, 144. Phil. mag. 1849 p. 75. 2) C. R. XX VII, 623. 3) Peg. Ann. LXXXII, 93. Von Feilıtzsch nimmt Bezug auf eine Arbeit von von Rees Pgg. Ann. LXX, 1 und LXXIV, 213. Ueber die diamagnetische Polarität. (p. 5) 235 ströme derselben von dem Centrum der Erregung aus in weit beträchtlicherem Maassstabe abnehmen, als dies in magnetischen Körpern der Fall ist.“ !) Der erste Versuch, welcher die Polarität eines erregten Wismuthstabes klar zu beweisen scheint, rührt von Reich?) her. Reieh zeigte mit Hülfe einer zur Bestimmung der mittleren Dichtigkeit der Erde aufgestellten Dreh- wage, dass ein Nord- und Südpol eines Magnets, wenn sie beide von der- selben Seite auf ein Stück Wismuth wirken, keineswegs dasselbe mit der Summe ihrer Kräfte abstossen, welche sie einzeln ausüben würden, sondern mit der Differenz derselben. Später hat Reich?) diesen Versuch, weil dem- selben, namentlich von Weber, eine grosse Beweiskraft für die Polarität des Wismuth zugeschrieben wurde, auf folgende Weise wiederholt: Reich näherte die Nordpole von 16 von einander durch kleme Zwischenräume getrennten Magnetstäben dem hölzernen Gehäuse seiner Drehwage, an welcher eine Wismuthkugel hing; er beobachtete eine Ablenkung von 69,5 Scalentheilen an der Scala eines entfernten Fernrohrs. Daraut brachte er 32 magnetische Stäbe in die Nähe der Wismuthkugel, doch so, dass «die Nord- und Südpole in vier Reihen schachbrettartig abwechselten; die Stäbe verursachten eine An- ziehung von 0,75 Scalentheilen, ein Resultat, das augenscheinlich mehr Wir- kung der Masse, als der genäherten Pole war. Es ist dadurch bewiesen, dass ein Nordpol die diamagnetische Wirkung des Südpols von derselben Stärke und Lage aufhebt, es scheint dadurch bewiesen, dass in die den Magneten zunächst gelegenen Theile des Wismuth von den Nordpolen der Stäbe Magnetismus inducirt worden ist, welcher von dem durch die Südpole indueirten entgegengesetzten Magnetismus vernichtet wird. Hankel*) wider- a streitet dieser letzten Schlussfolgerung. Er vergleicht die magnetische Wir- 1) Die von Felici (Cimento IX p. 16 und X p. 5) aufgestellte Hypothese, die dia- magnetischen Erscheinungen seien aus der Annahme zu erklären, dass die leitenden Moleküle der diamagnetischen Körper iu schneller Rotation begriffen sind und unter dem Eintlusse eines angenäherten Magnetpols Ströme in denselben inducirt werden, welche eine Abstossung des Magnetpols bewirken: diese Hypothese kann wohl hier übergangen werden, da sie nur wenig Anhänger gefunden hat. (Die Fortschritte der Physik, Berl. 1861 p. 493.) 2) Pgg. Ann. LXXIII. 60. 3) Pgg. Anu. LXXXXVII, 283. s) Pog. Ann. LXXV, 110. 236 Dr. Rudolph Franz. (p. 6) kung mit der Strahlung des Lichtes und der Wärme. Wie Licht und Wärme niemals die Körper ohne Verlust durchdringen, der theils an der Oberfläche, theils im Innern der Körper stattfindet, so könne auch die magnetische Kraft und (die elektrische Kraft einer gleichwirkenden Spirale nicht ungehindert durch die verschiedenartigsten Substanzen hindurchdringen. Die von den Polen ausgehenden magnetischen Kraftlinien werden, sobald sie eine in ihrer Bahn beliebig gelegene Substanz durchdringen wollen, einen Widerstand finden, der mit einer Reibung verglichen werden könnte. Der von dem eingeschal- teten Körper erzeugte Widerstand wird nun an die Masse desselben übertragen werden und ein leicht beweglicher Körper muss in Folge dessen eine Richtung annehmen, in welcher die von zwei oder mehreren Magnetpolen ausgehenden Kraftlinien sich hinsichtlich dieses Widerstandes oder der dadurch auf den Körper übertragenen Kräfte im Gleichgewicht finden. Eine vor dem Magnet- pole hängende Wismuthkugel wird von einem Magnetpole abgestossen werden, weil die magnetischen Kraftlinien beim Durchgange durch die Kugel auf Hindernisse stossen. Die Kugel wird von den Stellen der stärkeren magne- tischen Wirkung zu den Stellen der schwächeren Wirkung übergeführt. Denkt man sich nun Nord- und Südpol der Kugel genähert, so nehmen die magne- tischen Kraftlinien eine andere Lage an und gehen vorzugsweise von einem Pol zum andern, und die jetzt noch auf die Wismuthkugel gelangenden wenigen Kraftlinien werden die Kugel ungefähr mit der Differenz der Kraft beider Fole abzustossen scheinen. Abgesehen davon, dass diese Hankel’sche Theorie darum schwer zu begreifen ist, weil sie die abstossende Wirkung auf wägbare Materie durch ein ideelles unwägbares Fluidum, das nicht an die Materie gebunden sein soll, voraussetzt, so lassen sich auch die späteren, unten zu erwähnenden Versuche von Weber nicht mit Hülfe der von Hankel aufgestellten Hypothese erklären. Es ist sonach der Reich’sche Versuch durch die Annahme einer po- laren Erregung des Wismuth zu deuten. Dieser Versuch für sich allein schliesst aber nicht aus, dass das Wismuth mit dem magnetischen Eisen identisch polar erregt sein könne. Von Weber, Poggendorff und Plücker sind die ersten Versuche zu dem Zwecke angestellt worden, zu zeigen, dass der Nordpol eines Magnets einen Nordpol im genäherten Wismuth errege. Ueber die diamagnetische Polarität. (p. %) Da Weber!) liess eine kleine symmetrisch magnetisirte Nadel an einem Coconfaden schweben und stellte in der Ebene, welche die Magnetnadel recht- winklig halbirt, auf der einen Seite der Nadel einen starken Hufeisenmagnet auf, dessen auf die Nadel ausgeübtes Drehungsmoment er durch einen auf der anderen Seite der Nadel genäherten Stabmagnet compensirte. Wurde nun ein Wismuthstab axial zwischen die Pole. des Hufeisenmagnets gehängt, so zeigte sich eine Wirkung auf die Nadel in Folge davon, dass der eine Pol angezogen, der andere abgestossen wurde. Vertauschte Weber das Wismuthstäbehen mit einem Eisenstäbehen, so war die Ablenkung der Nadel der zuerst hervor- gebrachten entgegengesetzt. Das Wismuth übt also mit seinem dem Nordpol eines starken Magnets zugewandten Ende eime Anziehung des entgegengesetzten Poles aus, als das Eisen. — Ist die Anschauung einer im Wismuth erregten dem Eisen entgegengesetzten Polarität richtig, so muss ein im einer Spirale bewegter Wismuthstab, während er polar erregt ist, auch der Spirale einen entgegengesetzten Strom indueiren, als ein an gleichen Polen erregter Eisen- stab. Auch diese Vermuthung bewies Weber durch das Experiment als gerechtfertigt; doch sind Weber’s spätere Versuche, die er zum Beweise der indueirenden Wirkung eines Wismuthstabes anstellte, von kleinen Fehlerquellen freier, als die eräten, auf die ein näheres Eingehen daher überflüssig erscheint. Poggendortf2) näherte dem neben dem einen Pol, z. B. dem Nördpol eines Elektromagnets, hängenden Wismuthstab eine kleine Magneftnadel und zeigte, dass die dem elektromagnetischen Nordpol zugewandte Seite des Wis- muthstabes vom Südpol der genäherten Nadel angezogen wurde. Ein anderer von Poggendorff angegebener Versuch ist später von 'I-yndall3) in allen nur möglichen Veränderungen wiederholt worden. Ein Wismuthstäbehen wird zwischen beide Pole eines Elektromagnets aufgehängt und zwar innerhalb eines Drahtgewindes, dessen Windungen das Stäbchen bei seiner äquatorialen Lage rechtwinklig umgeben würden. Ein Strom, der durch das Drahtgewinde geleitet wird, wirkt für sich nur schwach bewegend auf den Wismuthstab. Sobald aber der Elektromagnet in Wirksamkeit gesetzt wird, zeigt sich die 1) Pgg. Ann. LXXIU, 241. 2) Peg. Ann. LXXII, 475. 3) Peg. Ann. LXXXVII, 189. 238 Dr. Rudolph Franz. (p. 8) doppelte Wirkung beider Kräfte. Die Spirale erregt den in der Axe der Spirale schwebenden Wismuthstab polarisch, aber entgegengesetzt wie einen Eisenstab, so dass rechts von dem den Stab umkreisenden Strom das Nord- ende des Stabes entsteht, denn dies Ende wird von dem Südpol des Magnets angezogen. Dieselbe Wirkung ist erkennbar, wenn erst der Magnet in Thätig- keit gesetzt und dann die Spirale vom Strome durchflossen wird. Bei An- stellung ähnlicher Versuche hat von Feilitzsch !) eine Ablenkung des Wis- muthstabes nach entgegengesetzter Richtung wie Tyndall beobachtet. Diese Erscheinung steht aber isolirt da und ist wahrscheinlich einem geringen Eisen- gehalt des von Feilitzsch benutzten Wismuth zuzuschreiben, besonders da chemisch reines Zink, das v. Feilitzsch freilich für magnetisch hält, während es diamagnetisch ist, auch dem genannten Physiker Ausschläge gab, wie sie beim Wismuth von Poggendorff und Tyndall beobachtet worden sind. Plücker?) hing einen Wismuthstab zwischen die Pole eines kräftigen Elektromagnets horizontal schwingend auf. Die Entfernung der Polspitzen war so vermindert, dass der Stab sich eben noch frei zwischen ihnen bewegen konnte. Ein senkrechtes Glasstäbchen war etwas seitwärts von der die Pol- spitzen verbindenden geraden Linie in der Nähe von einer derselben so an- gebracht, dass vor Erregung des Magnetismus des Elektromagnets durch den galvanischen Strom der Wismuthstab sich vermöge der Toorsion des Coconfadens gegen das Glas anlehnte. Nach Erregung des Stromes lehnte sich der Wis- muthstab, verhindert, die äquatoriale Lage anzunehmen, nur fester an den Glasstab an, verblieb auch in dieser Lage bei Unterbrechung des Stromes und machte nur mit seinem freien Ende kleine Schwankungen um die Lage des Gleichgewichts. Der Strom wurde von Neuem geschlossen und dann durch einen Commutator umgekehrt. In Folge dieser Umkehrung ging das Wismuth- stäbchen, von dem Glasstabe sich entfernend, nach der axialen Lage hin, kehrte aber bald wieder zurück, um sich von Neuem an den Glasstab an- zulehnen, oder wurde, wenn es über die axiale Lage hinausgegangen war, ganz in die äquatoriale Lage zurückgeworfen. Dieser Versuch zeigt nicht nur 1) Pgg. Ann. LXXXII, 103. 2) Pog. Ann. LXXXWVI, 1. Ueber die diamagnetische Polarität. (p. 9) 239 die polare Erregung jenes Wismuthstabes, entgegengesetzt der eines Eisenstabes, sondern auch einen gewissen Grad von Coereitivkraft desselben. Die Resultate der angeführten Versuche suchen nun Beequerel und v. Feilitzsch durch andere schon oben angedeutete 'T’heorieen zu erklären. Beequerel ging von der Ansicht aus, dass alle Körper unter dem Einfluss eines Magnets oder umkreisenden galvanischen Stromes derartig magnetisch würden wie das weiche Eisen, nur sei der inducirte Magnetismus bei ver- schiedenen Substanzen von verschiedener Intensität. Wir beobachten bei einer Wirkung der Anziehung oder Abstossung nur die Differenz der Wirkungen auf die Substanz des Körpers und die Masse des aus der Stelle gedrängten Mittels, in welchem der Körper schwebt. Da nun die äquatoriale Lage des Wismuthstabes auch im luftverdünnten Raume unter dem Einfluss eines kräf- tigen Magnets beobachtet werden kann), so schliesst Beequerel, dass der Aether als umgebendes Mittel auch verdrängend wirke und der Aether stärker angezogen werde, als die in ihm befindliche diamagnetische Substanz. Plücker?) äussert sich über diese Anschauung folgendermaassen: Bringen wir, um uns an einer bestimmten Anschauumg zu halten, eine magnetische Flüssigkeit über einen magnetischen Pol, so kommt die Wirkung dieses Poles auf die kleinsten Theilchen der Flüssigkeit zu der Wirkung der Schwere hinzu und die Er- scheinung verhält sich gerade so, als ob die Schwere zugenommen hätte, und zwar für diejenigen T'heilchen, die dem Pole näher liegen, mehr, als für die entfernter liegenden. Machen wir die immer mehr oder weniger von der Wirklichkeit abweichende Voraussetzung, dass die resultirende magnetische Anziehung auf alle Flüssigkeitstheilchen senkrecht nach unten wirke, so bleibt auch bei hinzutretender magnetischer Wirkung für jede horizontale Flüssigkeits- schicht der hydrostatische Druck derselbe. War in die Flüssigkeit vor der magnetischen Erregung ein fester Körper eingetaucht und hatte er, dem Archi- medischen Prineip gemäss, so viel von seinem Gewicht verloren, als die Flüssigkeit wog, die er aus der Stelle trieb, so muss er nach Erregung des Magnetismus in Folge desselben Prineips durch sein Eintauchen gerade um eben so viel mehr von seinem Gewicht verlieren, als die aus der Stelle ge- !) Faraday Psg. Ann. LXX, 41. 2) Pog. Ann. LXXVII, 578. Nova Acta XL. Nr. 6. 31 240 Dr. Rudolph Franz. (p. 10) drängte Flüssigkeit schwerer geworden ist, das heisst um so viel, als die magnetische Anziehung dieser Flüssigkeit betrug. Wenn die Flüssigkeit dia- magnetisch ist, so vermehrt sie umgekehrt das Gewicht des eingetauchten Körpers. Wirkt der Magnet nicht von unten, sondern von oben, so sind die Erscheinungen von der Art, als ob die Flüssigkeit, wenn sie magnetisch ist, leichter, wenn sie diamagnetisch ist, schwerer geworden wäre. Wenn der Magnet in horizontaler Richtung auf die Flüssigkeitstheilchen wirkt, so wird die Schwere derselben dadurch nicht geändert, zu der Schwere kommt dann gewissermassen noch ein Gravitiren nach der Richtung der magnetischen Kraft hinzu. Plücker erweitert das Archimedische Princeip deshalb in folgender Weise !): Wenn nicht speciell die Kraft der Schwere und diese allein, sondern wenn beliebig viele Kräfte, die nach beliebigen Punkten Anziehung und Ab- stossung auf die kleinsten Theile eines festen Körpers und der ihn umgebenden Flüssigkeit ausüben, wie dies zum Beispiel bei jedem Magnet der Fall ist — so erleidet der eingetauchte Körper eine Wirkung, die der Wirkung auf den- selben Körper, wenn er im leeren Raum sich befände, weniger der Wirkung auf diejenige Flüssigkeit, die früher seine Stelle eingenommen hatte, gleich ist. Plücker hat durch Versuche diese Resultate zur Anschauung gebracht: Ein gegen den Magnet wenig empfindliches Aräometer, z. B. eine theilweise mit Queck- silber gefüllte dünne Glaskugel, steigt oder sinkt sehr entschieden, wenn es in eine Lösung von Eisenchlorid oder Eisenvitriol oberhalb oder unterhalb der beiden genäherten Pole eines starken Elektromagnets in die Nähe derselben gebracht wird. Eine entgegengesetzte Wirkung tritt bei einer diamagnetischen Flüssigkeit ein. Das Archimedische Prineip gilt nun aber auch für Gase ebenso, wie für tropfbare Flüssigkeiten. Der leere Raum kann aber, eben weil er keinen hydrostatischen Druck ausübt, auf einen magnetischen Körper nicht, wie Beequerel’s Theorie verlangt, einwirken. Ueberhaupt hat eine Kraft, die nicht an wägbare Materie gebunden ist, bis jetzt kein Analogon. Auf andere Weise, als Becquerel, erklärt v. Feilitzsch die dia- magnetischen Erscheinungen aus einer der Polarität des Eisens gleichgerichteten Polarität des diamagnetischen Körpers. Die gegen die oben angegebene in späteren Abhandlungen etwas modificirte Anschauungsweise von Feilitzsch 1) Ebend. 581. Ueber die diamagnetische Polarität. (p. 11) 241 ist etwa folgende !): Die kleinsten 'Theilchen eines Körpers können erstens eine Induction von aussen erfahren, durch den galvanischen Strom, durch die Nähe eines Magnetpoles oder dergleichen. Diese Induction möge die äussere magnetische Induction heissen, dann erfahren aber die von aussen indueirten T'heilchen auch eine verstärkende oder schwächende Wirkung durch die ihnen benachbarten Theilchen desselben Körpers, und diese möge die magnetische Molekularinduction genannt werden. Diese Molekularinduetion ist eine Function der Entfernung der Theilchen von einander. Nun sucht v. Feilitzsch den Unterschied der magnetischen und diamagnetischen Körper in dem Verhältniss der Wirkungen dieser beiden Induetionen und hält einen Körper für fähig, eisenmagnetisch (paramagnetisch nach Faraday) zu werden, wenn die klein- sten 'Theilchen der geprüften Substanz so nahe an einander liegen und ander- weitig so beschaffen sind, dass die Molekularinduction überwiegt über die Wirkung der äusseren Induction. Diamagnetismus erklärt er als eine mag- netische Wirkungweise, die hervortritt, wenn die kleinsten "T'heilchen der geprüften Substanz so weit von einander entfernt und anderweitig sobeschaffen sind, dass die Molekularinduetion zurücktritt gegen die äussere Induetion. v. Fei- litzsch betrachtet dann noch eine dritte magnetische Wirkungsweise, den Sauerstoffmagnetismus, von dem hier abgesehen werden kann. Bei einem diamagnetischen Wismuthstab, der zwischen den Polen eines Magnets hängt, würde, nach der oben entwickelten Ansicht, die äussere Induction gegen die dem Körper zukommende Molekularinduetion überwiegen ; jede Schicht, welche der Mitte näher liegt, hätte eine schwächere Polarität, als jede nach den Enden hin entferntere. Die Polarität des freien Magnetismus in der Richtung der Axe könnte dann, nach v. Feilitzsch, die umgekehrte sein, als bei einem Eisenstab, und Wismuth ist daher diamagnetisch., An der dem Nordpol zugewandten Endfläche des Wismuthstabes trete freilich Sid- polarität auf, sie sei aber verschwindend gegen den freien Magnetismus der ganzen Hälfte. : v. Feilitzsch sucht durch mannigfache Versuche seine Theorie zu stützen. Derjenige Versuch, der allerdings zu dem Schluss berechtigt, dass ein in der Mitte am stärksten erregter Wismuthstab eine dem Eisen gleiche 1) Pgg. Ann. LXXXVIL, 206 und 497. 31° 242 Dr. Rudolph Franz. (p. 12) Polarität erlangt, ist folgender !): Auf einem Holzkasten wurden zwei galva- nische Spiralen in etwa 25 cm Entfernung so befestigt, dass ihre Axen vertical standen. Die Spiralen waren aus gefirnisstem, mit Seide umsponnenen Kupfer- draht auf hohle Holzeylinder gewunden. Die Länge der Spiralen betrug 108 mm, während der Wismuthstab, der in der einen Spirale magnetisirt und entmagnetisirt werden sollte, eine Länge von 248 mm hatte. In der Mitte zwischen beiden Spiralen schwebte ein astatisches Magnetsystem; die Magnet- stäbe waren durch einen Streifen dicker Pappe gesteckt und zwischen ihnen war auf demselben Streifen der Spiegel befestigt. Das astatische System hing an einem doppelten Coconfaden. Die Rolle, um welche sich die Schnur des Wismuthstabes bewegte, war an die Decke des Zimmers geschraubt. Um ein Schwanken des astatischen Systems in der Verticalebene nach erregtem Strom zu vermeiden, wurde ein sehr schwerer Spiegel angewandt. Der Strom von 6 Grove’schen Elementen ging nach einander so durch beide Spiralen, dass beide gleiche Pole oben und gleiche Pole unten erhielten. Die Constanz des Stromes wurde durch eine eingeschaltete T’angentenbussole erprobt. Nachdem die durch die Herstellung des Stromes entstandenen grösseren Schwankungen des Spiegels in geeigneter Weise gedämpft waren, wurde der Wismuthstab in der einen Spirale so hoch gehoben, dass er oben und unten gleich weit aus derselben hervorragte, und demnächst wurden mittelst eines Fernrohrs mit Skala nach der Gaus’schen Methode in 2 m Entfernung die Schwankungen des Spiegels gemessen während 20 einfacher Oscillationen desselben. Hierauf wurde der Wismuthstab gesenkt, bis er sich ausserhalb der Spirale befand und abermals die Ablesung für 20 einfache Oscillationen bewirkt; dann wurde der Stab wieder gehoben und eine neue Beobachtungsreihe begonnen. Die tesultate von allen Versuchsreihen sagten aus, dass der Wismuthstab zwar eine schwächere, aber dem Eisen gleichgerichtete Polarität annehme, wenn er, wie in diesen Versuchen, eine stärkere magnetische Erregung in der Mitte seiner Längsausdehnung erfährt, als an seinen Enden. — Dieser Versuch von Feilitzsch spricht für seine Theorie und man könnte sich veranlasst fühlen, auf Grund desselben die vielfachen Schwierigkeiten, welche diese Theorie dar- bietet, zu überwinden zu suchen, wenn nicht dieses und ähnliche Experimente, 1) Peg. XCIL, 366 u. 536. Ueber die diamagnetische Polarität. (p. 13) ı 243 von anderen Physikern wiederholt, zu entgegengesetzten Resultaten geführt hätten. Es wird durch diese anderen Erfolge die Annahme, die schon oben gemacht wurde, gerechtfertigt, dass das Wismuth, welches v. Feilitzsch benutzte, nicht eisenfrei war. Es ist offenbar wesentlich dasselbe, ob bei dem beschriebenen Versuch das astatische Nadelpaar von dem ruhenden Wismuth- stab, oder ein beweglicher Wismuthstab von dem festen Nadelsystem bewegt wird. Tyndall!) hing in eine horizontale Spirale von Kupferdraht, die von einem Strom durchflossen werden konnte, einen über die Enden der Spirale hervorragenden Wismuthstab; also auch hier stärkere Erregung in der Mitte, als an den Enden des Stabes. Links an dem einen Ende des Stabes befand sich der Nordpol eines kräftigen Elektromagnets, rechts von dem anderen Ende der Südpol. Wie nun auch die Pole des KElektromagnets erregt werden mochten, und in welcher Richtung auch der Strom der Spirale den Wismuth- stab umkreiste, stets war die Anziehung des Wismuthstabes an den Polen des Magnets derartig, dass bei gleicher Lage der Pole und gleicher Richtung des Stromes in der Spirale ein in der Spirale hängender Eisenstab abgestossen worden wäre. Die Spirale erzeugt also da einen Südpol im Wismuthstabe, wo im Eisen ein Nordpol entstanden wäre, trotzdem dass der Wismuthstab in der Mitte stärker magnetisch erregt wurde, als an den Enden. — Durch Versuche, die in ihrer Anlage den oben beschriebenen, von Feilitzsch angestellten ähn- licher sind, als die Tyndall'schen, ist Quintus Icilius?) auch zu Resultaten gelangt, die den von Feilitzsch gefundenen widersprechen. Von der grössten Wichtigkeit für die Entscheidung der Frage, ob ein Wismuthstab dem Eisen gleichpolarisch wird oder entgegengesetzt, oder ob er sieh indifferent verhält, sind die in seinen elektrodynamischen Maas- bestimmungen 3) mitgetheilten Versuche von Weber. Dieser Physiker hatte sich die doppelte Aufgabe gestellt, zu zeigen, dass der Wismuthstab durch äussere Induction einer galvanischen Spirale einen dem Eisen entgegengesetzten Magnetismus annimmt, und dass er, wenn er diesen Magnetismus angenommen hat, wiederum einer Spirale einen entgegengesetzt gerichteten Strom indueirt, 1) Ann. de ch. et de ph. (3) XLIX, 377. ”), Pgg. Ann. XCVI, 831. 3) Leipzig 1852. 244 & Dr. Rudolph Franz. (p. 14) als ein magnetischer Eisenkern. Je kleiner die zu erwartende Wirkung war, um so feinere Methoden der Beobachtung mussten gebraucht werden. Um die Wirkung kennen zu lernen, welche ein Elektrodiamagnet auf eine in einiger Entfernung davon aufgestellte Magnetnadel ausübt, wurde ein kleines Magneto- meter angewendet, dessen Nadel 100 mm lang und mit einem Spiegel versehen war, um nach der Gaus’schen Methode mit Fernrohr und Skala beobachtet zu werden. Es lassen sich damit Ablenkungen der Nadel von einzelnen Bogen- minuten genau messen. Die Empfindlichkeit einer solchen Nadel hängt, wie bekannt, von der horizontalen Richtkraft ab, welche der Erdmagnetismus auf sie ausübt. Die Schwingungsdauer der Nadel, betrug bei ungeschwächter Richt- kraft des Erdmagnetismus 7,687 Sekunden; durch einen starken Magnetstab, welcher in der Richtung der Nadel in angemessener Entfernung fest aufgestellt wurde, war die Richtkraft des Erdmagnetismus so vermindert, dass die Schwingungsdauer auf 18,45 Sekunden wuchs. Ferner war die Nadel mit einem kupfernen Dämpfer versehen, welcher eine schnelle Abnahme der Schwingungsbogen bewirkte. Der Elektrodiamagnet selbst bestand 1) aus zwei gleichen Wismutheylindern, welche in verticaler Stellung und 100 mm Abstand mit einander verbunden waren und durch eine einfache Hebelvorrichtung tiefer oder höher gestellt werden konnten; 2) aus zwei Kupferspiralen, welche ver- tical wie Säulen 100 mm von einander auf einem Stativ befestigt waren. Sie waren so mit einander verbunden, dass ein Strom, der von der einen zur anderen ging, sie in entgegengesetztem Sinne durchlief. Beide Wismutheylinder konnten zugleich in diese beiden Spiralen herabgelassen werden und wurden dann durch den Strom von 6 Grove’schen Elementen in Elektrodiamagnete verwandelt, deren einer den Nordpol nach oben, der andere nach Süden kehrte. Diese beiden Spiralen waren nun so aufgestellt, dass eine durch die Nadel gelegte Horizontalebene sie halbirte; das Siüdende der Nadel schwebte genau in der Mitte zwischen beiden Spiralen. Die beiden Wismutheylinder wurden entweder so tief in die Spiralen hinabgesenkt, dass ihr oberes Ende bis zum Niveau der Nadel heraufreichte, oder sie wurden so hoch gehoben, dass ihr unteres Ende bis zum Niveau der Nadel herabreichte. Durch die symmetrische Stellung der beiden Spiralen halb über und halb unter der Horizontalebene der Nadel wurde die Ablenkung in horizontaler Richtung aufgehoben; durch die gleiche Entfernung der beiden Spiralen von der Nadel und durch die Ueber die diamagnetische Polarität. (p. 15) 245 entgegengesetzte Richtung ihres Stromes wurde auch die senkrechte Kraft auf- gehoben, welche sonst die Nadel in verticale Schwankungen versetzen würde; da jedoch eine vollkommene Symmetrie dieser Verhältnisse praktisch nicht erreichbar war, bedurfte es noch einer besonderen Vorrichtung. Ein dritter Leitungsdraht war um einen viereckigen Rahmen gewunden und vertical in der Ebene der Nadel aufgestellt. Derselbe Strom, welcher durch beide Spiralen ging, übte, indem er auch diesen dritten Draht durchlief, ein Drehungsmoment auf die Nadel aus, welches durch Verrückung des Rahmens so regulirt werden konnte, dass die beabsichtigte Compensation erreicht wurde. Es ist bei diesen Weber’schen Versuchen wohl zu beachten, dass die beiden Wismutheylinder abwechselnd in die untere Stellung, wo ihre oberen Enden stärker auf die Nadel wirkten, und in die obere Stellung, wo die unteren Enden stärker wirkten, gebracht werden konnten, ohne dass die Stärke ihres Diamagnetismus sich änderte und ohne dass durch diese Bewegung im Wismuth als Leiter ein Strom indueirt wurde. Hierbei tritt der Vorzug eines Elektrodiamagnets vor einem gewöhnlichen durch einen Magnet erregten hervor. Wird der Diamagnetismus eines Stabes durch einen Magnet hervorgerufen, so ändert er seine Stärke mit der Verrückung seines Trägers vom Magnet und zugleich werden dabei in diesem Träger, wenn er ein Leiter ist, Ströme indueirt, die die Reinheit des Versuches trüben. Ist die Spirale gleichförmig gewunden und so lang, dass der Wismutheylinder stets von den Enden der Spirale entfernt bleibt, so ergiebt sich die elektromotorische Kraft der Spirale für alle Theile des Raumes, in denen der Wismutheylinder sich befindet, nahezu constant und der Cylinder kann in dem mittleren Theil der Spirale hin und her geschoben werden, ohne dass sein Diamagnetismus verändert wird und ohne dass galvanische Ströme in demselben als Leiter indueirt werden. Es muss also bei den von Weber unternommenen Versuchen die Ablenkung der Nadel als eine reine Wirkung der diamagnetischen Kraft der Wismuthstäbe betrachtet werden, und diese Ablenkung musste positiv oder negativ sein, je nachdem die Wismuthstäbe ihre obere oder untere Stellung in den Drahtspiralen erhielten. Es ergiebt sich daraus, dass die Ablenkung durch Multiplieation sich verstärken liess, wenn man die Stellung der Wismuthstäbe immer in dem Augenblick wechselte, wo die Nadel das Ende ihres Schwingungsbogens erreichte. Wurden an Stelle 246 Dr. Rudolph Franz. (p. 16) der Wismuthstäbe Eisenstäbe in die Spiralen gesteckt, so ergab sich, dass die Ablenkung der Nadel bei gleicher Stellung der Wismuth- und Eisenstäbe stets in entgegengesetzter Richtung erfolgte, dass also bei Elektrodiamagneten das nordpolare und siüdpolare Ende da erregt wird, wo im Elektromagnet umgekehrt das sidpolare und nordpolare Ende sich zeigt. — Weber hat diese Versuchsmethode später dahin abgeändert, dass er nur eine Spirale anwandte und dieselbe mitten zwischen den Polen einer hufeisenförmig gebogenen Magnet- nadel aufstellte. Um nun aber auch zu zeigen, dass ein erregter Elektrodiamagnet selbstständig Ströme zu indueiren vermag, die den von einem Elektromagnet erregten entgegengesetzt gerichtet sind, wandte Weber folgendes Verfahren an: der Elektrodiamagnet bestand aus einem Wismuthstab in einer langen Draht- spirale, durch welche der galvanische Strom geleitet wurde. Zwischen dem Kern und der inducirenden Spirale lag eine zweite Spirale, in welcher durch Bewegung des Diamagnets ein Strom indueirt werden soll. Diese zweite Spirale muss von der ersten sorgfältig isolirt und zum Zwecke der Beobachtung des indueirten Stromes mit einem Galvanometer verbunden werden. Ihrer Länge nach zerfällt diese Induetionsspirale in zwei symmetrische und symme- trisch gewundene Hälften: d. h. der Draht ist nicht der ganzen Länge nach gleichförmig gewunden, sondern die Windungen laufen in der oberen Hälfte entgegengesetzt den Windungen in der unteren Hälfte. Diese Einrichtung ist nöthig, wenn durch die Bewegung eines diamagnetischen Wismuth- oder magnetischen Eisenstabes in dieser Spirale ein Strom indueirt werden soll; denn, wird dieser Stab in die Mitte einer Spirale gelegt und darauf bewegt, so ist die von seinem nördlichen Ende in der einen Hälfte der Spirale aus- geiibte Inductionskraft der von seinem südlichen Ende in der anderen Hälfte ausgeiibten gerade entgegengesetzt und die Wirkung beider würde sich auf- heben, wenn die beiden Hälften der Spirale in demselben Sinne gewunden wären. Durch die entgegengesetzte Windung wird bewirkt, dass die beiden Inductionskräfte sich nicht aufheben, sondern verdoppeln. Ein grosser Vortheil dieser Einrichtung besteht aber auch darin, dass der galvanische Strom in der Spirale des Elektrodiamagnets durch kleine Aenderungen seiner Intensität, die unvermeidlich sind, eine doppelte aber entgegengesetzte inducirende Wirkung auf die Induetionsspirale ausübt, während bei gleicher Richtung der Windungen Ueber die diamagnetische Polarität. (p. 17) 247 die geringsten Schwankungen in der Intensität des galvanischen Stromes Schwankungen des Galvanometers hervorbringen würden, die die Wirkungen des indueirenden Elektrodiamagnets bei Weitem übertreffen müssten. — Um den Wismuthstab in der Spirale hin und her zu schieben, verband ihn Weber mit der Kurbel eines Rades; mit dem Rade drehte sich ein Commutator, welcher bewirkte, dass der in der Induetionsspirale indueirte Strom bei der Zurückschiebung des Wismuthstabes eine gleiche Richtung hatte, wie bei der Hinschiebung. Die hiernach immer gleiche Richtung des Stromes durch den Draht des Galvanometers konnte durch einen zweiten Commutator in die ent- gegengesetzte verwandelt werden. Der Wismuthstab durchlief seine nur 58 mm lange Bahn etwa 10 mal in der Sekunde. Der Raum der durchlaufenen Bahn war so klein gewählt, damit der Stab sich nicht den Enden der Spirale zu sehr nähere, wobei theils sein Diamagnetismus vermindert worden, dann aber auch in ihm als Leiter ein Strom indueirt worden wäre, der einen secundär inducirten Strom in der Induetionsspirale erzeugt hätte. — Bei der schnellen Wendung des Commutators trüben thermoelektrische Ströme, die im Commu- tator entstehen, die Reinheit des Versuchs; die Stärke dieser Ströme konnte aber vor dem Versuch bestimmt und dann in Rechnung gebracht werden. — Es zeigte sich bei diesen mit der grössten Vorsicht durchgeführten Versuchen, dass die von einem bewegten Wismuthstabe hervorgebrachte Ablenkung der salvanometernadel die entgegengesetzte von der war, welche ein in der Spirale bewegter Eisenstab bewirkte. Die vom diamagnetischen Wismuthstab indu- eirten elektrischen Ströme sind also den vom magnetischen Eisenstab indueirten elektrischen Strömen entgegengesetzt. Gegen diese Weber'schen Versuche hat v. Feilitzsch'!) den Ein- wand erhoben, dass bei dem Nachweis der Wirkung eines Elektrodiamagnets auf die Magnetnadel ein inducirender Einfluss der Spirale auf den Wismuth- stab als Leiter stattgefunden habe. Bei diesen Versuchen sei die Wirkung der Volta-Induetion nicht ausgeschlossen, weil im Innern einer langen Spirale die Magnetkraft nicht ganz constant sei, also durch die Bewegung des Wismuthstabes in dessen Masse Inductionsströme hervorgerufen werden können. Es müsse ein Wismuthstab, wenn er bei den ersten Weber’schen 1) Pgg. Ann. XCII, 366 und 536. Nova Acta XL. Nr. 6. 32 248 Dr. Rudolph Franz. (p. 18) Versuchen in Ruhe im oberen oder unteren "Theil der Spirale hänge, auch ein Drehungsmoment auf die Nadel ausüben, sobald die Volta-Induetion nicht der Grund der Weber’'schen Beobachtungen sei. Er habe eine derartige Wirkung nicht beobachten können. Auch sucht v. Feilitzsch darin einen Beweis, dass nur Inductionsströme die Veranlassung von Weber’s Nadel- ausschlägen gewesen seien, dass ein diamagnetischer Wachseylinder, eben weil er als Nichtleiter keine Ströme in sich indueiren lasse, die beschriebene Wirkung des Wismutheylinders nicht hervorbringe. — Um die ersten beiden Einwände zu entkräften, hat Quintus Ieilius die Weber’schen Versuche wiederholt !) mit einer Spirale von mehr als dreifacher Länge des darin be- wegten Wismuthstabes und hat nachgewiesen, dass die von Weber beobach- teten Erscheinungen auch dann sich zeigen, wenn der Wismuthstab nur so weit seine Lage ändert, dass er in einem Raume bleibt, in welchem die magnetisirende Wirkung der Spirale als vollkommen constant betrachtet wer- den muss. Auch bei dem ruhenden Stand des Wismutheylinders, in der oberen oder unteren Hälfte der Spirale, wies Q. Ieilius eine Wirkung des Wismuth- stabes auf die Magnetnadel nach, die der eines Eisenstabes entgegengesetzt war. In beiden Fällen ist aber die Wirkung der gewöhnlichen Induetion vollständig ausgeschlossen. Q. Icilius hat an seinem Apparat auch direct nachgewiesen, dass die gewöhnliche Induction, durch die Bewegung des Wismuthstabes hervorgerufen, nicht die Erscheinungen geben konnte, die beobachtet wurden. Er ersetzte den Wismuthstab durch einen Kupferstab von gleichen Dimensionen. Betrachtet man den Diamagnetismus des Kupfers als verschwindend klein gegen den Diamagnetismus des Wismuth, so dürfte, wenn gar keine Induetion auf den Kupferstab ausgeübt würde, eine Umstellung des Kupferstabes aus der oberen in die untere Stellung, oder umgekehrt, keinen Einfluss auf die Bewegung des Magnets ausüben. Ein kleiner Einfluss findet allerdings statt, indem durch abwechselnde Umstellung desselben (im Taete der Schwingungsdauer) der ruhende Magnet in allmählich wachsende Schwingungen geräth. Allein die Richtung des Stromes in der Spirale ist auf die Richtung ohne Einfluss, nach welcher der Magnet bei gleicher Verstellung des Kupferstabes getrieben wird. 1) Pgg. Ann. XCVI, 81. Ueber die diamagnetische Polarität. (p. 19) 249 Sowohl wenn kein Strom durch die Spirale geht, als auch wenn ein solcher in der einen oder anderen Richtung hergestellt ist, geht der Magnet nach der Schiebung des Kupferstabes aus der oberen in die untere Stellung auf die eine Seite der Scala, nach entgegengesetzter Schiebung auf die andere Seite. Es ist also die Bewegung des Magnets keine Wirkung eines von der Spirale in den Kupfereylinder indueirten Stromes, sondern ist das Ergebniss der Induetion des Magnets auf den Kupferstab. Bei den Versuchen von @. Ieilius und auch bei denen von Weber ist daher die Anziehung und Abstossung des Magnets keine Wirkung gewöhnlicher Induection; der Grund der Wirkung muss in der Polarität des Wismuth gesucht werden. Was endlich das dritte Argument von Feilitzsch betrifft, dass ein Stab aus einer nichtleitenden Substanz, wie Wachs, die regelmässige Zunahme der Schwingungen bei den Multiplicationsversuchen nieht bewirke, so würde dies nur dann beweisend sein, wenn zuvor nachgewiesen würde, dass der Diamagnetismus des Wachses im Vergleich mit dem Diamagnetismus des Wismuth so beträchtlich wäre, dass nach den Resultaten der Versuche mit dem letzteren eine merkliche Zunahme der Schwingungsbogen erwartet werden dürfte. Auf einem ganz anderen Wege als dem der bisher beschriebenen Ver- suche hat Tyndall!) die Polarität des Wismuth nachzuweisen gesucht. Er gründet die Entscheidung der Frage, ob Wismuth polar erregt werde oder nicht, auf die Bemerkung, dass die diamagnetische Abstossung im einfachen Verhältniss der Stromstärke wachsen müsse, wenn sie eine Wirkung des Magnetpoles auf die unveränderte Substanz des diamagnetischen Körpers wäre, hingegen im quadratischen Verhältniss der Stromstärke, wenn sie in Folge einer durch Influenz hervorgerufenen magnetischen Polarität stattfände; gerade wie die Wirkung eines Magnets auf einen anderen, durch ihn nicht veränderten, der Intensität des Magnetismus einfach, dagegen die Wirkung eines Magnets auf ein unmagnetisches Stück weiches Eisen dem Quadrat der magnetischen Intensität proportional ist. Tyndall zeigt an einer grossen Menge eigener Versuche, wie auch an früheren Versuchen von Becquerel, dass die diamagnetische Abstossung wie das Quadrat der Stromstärke wächst. !) Ann. d. chem. (3) XLIV, 505. 250 Dr. Rudolph Franz. (p. 20) Auch Reich?!) hat später ähnliche Versuche angestellt, indem er an den Arm seiner T'orsionswage eine Wismuthkugel hing, die Magnete von bestimmter Stärke im Niveau des Mittelpunktes dieser Kugel bis auf eine bestimmte Entfernung näherte, und die dadurch bewirkte Ablenkung der Kugel beobachtete. Reich wandte magnetische Stahlstäbe an, grösstentheils benutzte er aber bei seinen Versuchen Elektromagnete, die durch Vermehrung der wirkenden Elemente zu stärkeren Magneten erregt wurden. Eime Tangentenboussole gab die Stromintensität an. Die Beobachtungen zeigen sämmtlich, dass die Ab- stossungen in weit grösserem Verhältniss als die Stromstärken wachsen und ihr Verhältniss nicht viel von dem des Quadrats der letzteren entfernt ist. Im Durchschnitt wird das Verhältniss des Quadrats der Stromstärke nicht erreicht, was sich aus der mit der Abstossung wachsenden Entfernung erklärt, so dass man auch aus diesen Versuchen zu schliessen berechtigt ist: die diamagnetische Abstossung verhält sich wie das Quadrat der sie hervor- bringenden Magnetintensitäten und ist daher die Folge einer durch Influenz in dem diamagnetischen Körper hervorgerufenen diamagnetischen Polarität. Ist nun durch die angeführten mannigfaltigen Versuche bewiesen, dass in einem diamagnetischen Körper von denselben Kräften ein Nordpol erregt wird, welche in einem paramagnetischen Körper einen Südpol hervorrufen, so entsteht die Frage, ob eine der beiden "Theorien des Magnetismus eine solche Magnetisirung erklären kann, oder ob eine neue "T'heorie desselben entwickelt werden muss, welche auch diese Erscheinungen mit umfasst. — Die Theorie der magnetischen Materien ist nicht im Stande, die diamagnetischen Erschei- nungen zu erklären; ihre Grundlage ist, dass gleichartige Magnetismen sich abstossen, ungleichartige sich anziehen; es müsste bei einem diamagnetischen Körper eine Anziehung der gleichartigen Magnetismen einer Abstossung der- selben vorangehen. — Auch die zweite 'T'heorie des Magnetismus, nach welcher man den Magnetismus durch Molekularströme hervorgebracht annimmt, scheint die diamagnetischen Erscheinungen nicht erklären zu können, da die in den I) Pge. Ann. XCVI, 382. Ueber die diamagnetische Polarität. (p. 21) 251 unmagnetischen Körpern vorhandenen Molekularströme, unabhängig von der Natur dieser Körper, durch andere Ströme in gleicher Weise gerichtet werden müssen, und die Theorie für die Erklärung der magnetischen Erscheinungen das Vorhandensein von Molekularströmen auch im nicht magnetischen Eisen und den anderen magnetischen Körpern verlangt. — Denken wir uns nun aber, nach Weber’s Vorschlag‘), die diamagnetischen Körper als» solche, in denen noch keine Molekularströme vorhanden sind, aber in nicht drehbaren Bahnen um die Moleküle ohne Widerstand erzeugt werden Können, so muss nach den Inductionsgesetzen die Richtung dieser Ströme, die unter der Ein- wirkung einer äusseren inducirenden Ursache entstehen, gerade (die entgegen- gesetzte sein von der, in welche dieselbe äussere Ursache schon vorhandene drehbare Ströme richten würde. Die den Diamagnetismus hiernach bedingen- den indueirten Molekularströme unterscheiden sich dann von den gewöhnlichen indueirten Strömen wesentlich dadurch, dass sie, weil sie keinen Leitungs- widerstand zu überwinden haben, nicht wie diese mit der inducirenden Be- wegung verschwinden, sondern so lange fortdauern, bis sie durch eine ent- gegengesetzt inducirende Bewegung, z.B. die Entfernung von dem indueirenden Magnete, wieder aufgehoben werden. — Es können daher die diamagnetischen Erscheinungen aus der T'heorie der magnetischen Molekularströme eine Er- klärung finden, wenn man annimmt, dass in den des Diamagnetismus fähigen Körpern die neutrale Elektrieität in Ruhe sei, aber in nicht drehbaren Bahnen um die Moleküle, ohne Widerstand zu finden, in Bewegung gesetzt werden könne. Nach der Annahme von Molekularströmen, welche die Moleküle eines magnetischen Körpers umfliessen, muss der Stärke des Magnetismus eine Grenze gesetzt werden. Das Maximum des Magnetismus tritt nämlich dann ein, wenn sämmtliche Ströme eine parallele Lage eingenommen haben. Nach der von Coulomb, Poisson und Neumann aufgestellten Theorie des scheid- baren neutralen magnetischen Fluidums, von welchem eine unerschöpfliche Menge in jedem Molekül vorausgesetzt wird, tritt ein solches Maximum nicht ein. Dies Maximum ist aber von Müller in Freiburg ?2) nachgewiesen, 1) Elektrodynamische Maassbestimmungen, Leipzig 1852p. 545.—Pgg. Ann. LXXIII, 241. 2) Pgg. Ann. LXXIX, 337 und LXXXII, 181. 252 Dr. Rudolph Franz. (p. 22) Buff und Zamminer's Versuche !), die zu entgegengesetzten Resultaten führ- ten, sind von Weber) widerlegt worden. Anders verhält es sich mit diamagnetischen Körpern, deren diamagne- tisches Moment nach der oben entwickelten Weber’schen Theorie der erst erzeugten Molekularströme auch noch mit den grössten darstellbaren, den Diamagnetismus hervorrufenden Kräften proportional wachsend anzunehmen ist. Daraus folgt, dass, wenn in einem Körper drehbare Molekularströme vorhanden sind, ausserdem aber noch neutrale ruhende Elektrieität, die durch indueirende Kräfte in Bewegung gesetzt werden kann, ein solcher Körper unter der Einwirkung schwacher magnetischer Kräfte sich magnetisch, unter der Ein- wirkung starker dagegen sich diamagnetisch verhalten muss. Wenn also ein solcher Körper einem Pole eines starken Magnets allmählich genähert wird, so muss derselbe zuerst angezogen und bei grösserer Annäherung abgestossen werden. Diese eigenthümliche Erscheinung ist in der That an verschiedenen Körpern von Plücker beobachtet worden.?) Es ergiebt sich aus der Weber'schen Theorie, dass krystallisirte oder nach einer Richtung besonders stark zusammengepresste diamagnetische Körper eine grössere diamagnetische Kraft gerade nach der Richtung der grössten Dichtigkeit zeigen müssen, weil in dieser Richtung die grösste Menge von Molekularströmen erregt werden kann.*) Es liegt auch kein Grund die Weber'sche Hypothese zu verwerfen darin, dass Wiedemann chemische Verbindungen gefunden hat, die wie Kupferbromid magnetisch sind, während die Bestandtheile, wie hier Kupfer und Brom, diamagnetische Körper sind.) Die physikalischen Eigenschaften der Bestandtheile lassen nicht immer einen Schluss ziehen auf die entsprechende Eigenschaft des zusammengesetzten Körpers. Die leichtflüssigen Metalllegirungen geben davon Zeugniss. 1) Liebig Annalen LXXV, 83. 2) Elektrodyn. Maassstab p. 566. 3) Pgg. Ann. LXXII, 343; LXXIU. 613; LXXV, 413. #) Knoblauch und Tyndall Psg. Ann. LXXIX, 233 und LXXXI, 481. 5) Pgg. Ann. OXXXV, 194. Ueber die diamagnetische Polarität. (p. 23) 253 Für die Drehung der Polarisationsebene eines polarisirten Lichtstrahles, der durch einen durchsichtigen, zwischen den Polen eines kräftigen Magnets befindlichen diamagnetischen Körper hindurchgeht '), ist eine ausreichende Be- eründung noch nicht gegeben. Die Drehung erfolgt im Allgemeinen in dia- magnetischen Körpern im Sinne der Richtung des positiven Stromes, den wir nach der Ampere’schen Theorie für den Magnetpol an die Stelle setzen können. Lösungen von paramagnetischen Eisensalzen liessen eine entgegen- gesetzte Drehung des polarisirten Lichtstrahles erkennen. Aber paramagnetische Salze, wie Nickel-, Kobalt- und Mangansalze, zeigen ein positives Drehungs- vermögen; dagegen Chromsäure, chromsaures Kali, Titanchlorid und andere (diamagnetische Salze ein negatives.?2) Beim Durchgang des polarisirten Strahles durch Gase ist eine Drehung nicht beobachtet worden. Daraus geht hervor, dass die Drehung der Polarisationsebene von der Natur der zwischen den Magnetpolen befindlichen Substanz abhängt, aber nicht unmittelbar von ihrer magnetischen oder diamagnetischen Beschaffenheit. ©. Neumann) sieht als Ursache der Drehung die in den magnetischen und diamagnetischen Substanzen indueirten Molekularströme an, welche auf den im Innern der Körper schwin- senden Aether einwirken. e Abgesehen von der Drehung der Polarisationsebene des Lichtes und ebenso auch der Wärme, lassen sich alle bis jetzt über die diamagnetischen Erscheinungen angestellten Versuche durch die Weber'sche Theorie erklären; wir sind also berechtigt, dieser Hypothese Realität zuzuschreiben, so lange wir keine Erscheinungen kennen, die leichter und besser durch eine andere Hypothese ihre Erklärung finden. Wenn wir aber auch jetzt die elektrischen Molekularströme im Innern der Körper als bestehend und drehbar in magne- tischen, als erregbar aber ohne selbstständiges Drehungsvermögen in dia- magnetischen Körpern annehmen, so kann es doch geschehen, dass diese An- nahme später, bei weiterer Ausbildung der Wissenschaft, in den. Bereich idealer Vorstellungen versetzt werden muss. 2) Pgg. Ann. LXVIH, 105. 2) Verdet Ann. d. chem. (3) LII, 129. 3) Die magnetische Drehung der Polarisationsebene des Lichts. Halle 1863. j ‘ = . 0 4 v ’ B b 4 u - 2 * Tun Du y En us ; 2 2 B a . en ‘ 4 - ae « x fi : “ = j r A ig r £ & N NUR TAN \ Be ’ f m‘ * e % f *, 4 f > a z Er ’ BW ls np Irland | o RNRRFU ER I >72 rin be ae file: ad ar duabars . ‚anattılminder) bee A > j er Ra te Yo NWIERT EIN Alle FETTE j I Si esruskend Adam, a an DL 22 A sl rim & | ! ’ ui im N HL i | Tun UN Y k; j 1) | DR UrLBMACH 1 i®, sr. WANT , | enFıs un j Ir nA a 5 r 4 n, " er ? a0 I h ji 1 ! j { ü ? nr Sa f -; 4 Fon) - “ a | | > A! TE W, BREIT WIR, Whale ı% E Y. - f Ariu url ı KfjW r, „alırik ET ET eintiat. r- f sh ua Auch i u £ } N j uf inf j - * u k } H { r us in IT| i \ LIE > ‚Zr MS 2 ’ x ’ ‘ { % - [3 f x . 14 by 1 ‘ Fa 11 vr. DIA II: : 1 H N rayihz a x } zZ IE TI ta 5 N 77 Da Ri 4 2 A RR 4 - Y: x . re} a ’ nun ER Be 1571 175 Ubi, 1. 47° 1 EE f} f} p f ‘2 z & Nr. wur RER FTD, wo s - - m uz 1 2 4 j 7 : A \ % (2 - 4 N . l - J \ L \ h u” % ” nz u N i Er - z % u‘ ee a R oe NOVA ACTA der Ksl. Leop.-Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher Band XL. Nr. 7. Die Gonidienfrüchte von Fumago von Dr. 'W. Zopf. Mit S Tafeln Nr. XIX—_XXVı Eingegangen bei der Akademie den 22. März 1878. HALLE. "1878. Dresden, Druck von E. Blochmann & Sohn Für die Akademie in Commission bei Wilh. Engelmann in Leipzig. anitoerotuniait » aim Dr - Be UK Beni = ” Vs 2 f ai ii Be . « e T Er 4 -; r \ % v.; = 5 ö { D 8 d ß ' 1} f u ER MN, ) 2, Jyi ee N ba 4 * ‘ r . FEN | | Age .W ad \ AN g x ni N 1 P . ” AYVZIF- ZI - a2 wis ai "Cs * © * 5 ’ j f & 2 i B. t 5 mda ö IREA Ash 2 under ee © A“ i F " r rr ji 7 uni ' hi 2 He = — - e EB > Be \ SLLIAH hr “ A Alk I; “ v L * Rn h nah u unandrelt & nur kmıü ‚el in . Ki wir El ai Pr DB ia mir = Einleitung. Durch die mycologischen Vorlesungen meines hochgeschätzten Lehrers, des Herrn Professor Brefeld, angeregt, stellte ich mir gegen Ende des Wintersemesters 1875/76 die Aufgabe, den bis dahin noch unerforschten Entwickelungsgang der Pyeniden zu studiren. Um hierfür geeignete Angrifispunkte zu gewinnen, wurden zunächst fertige Zustände der verschiedenartigsten Pyenidenformen mikroskopisch untersucht, beziehungsweise einer Betrachtung nach Abbildungen und Be- schreibungen der einschlägigen Literatur ') unterworfen, Diese vergleichenden Voruntersuchungen führten zu der Einsicht, dass man innerhalb der grossen, Reihe der Pyenidenfrüchte im Allgemeinen unter- scheiden könne zwischen höher differenzirten Formen (solcherart schienen mir beispielsweise Hendersonien, Diplodien, keimfähige Cytisporen ete. zu sein) und zwischen solchen von einfacherer Construction (etwa Cicinnobolus, Pveniden von Stigmatea, Fumago ete.). 1) Tulasne, Selecta Fungorum Carpologia. — Corda, Icones fungorum hucusque cognit. —- De Bary, Morphologie. — De Bary & Woronin, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pilze. — ete. ete. 332 258 Dr. W. Zopf. (p. 9 Hieraus ergab sich folgende Fragestellung: 1) Wie entwickeln sich solehe Pyeniden, die im fertigen Zustande eine ziemlich hohe Differen- zirung verrathen? 2) Welchen Entwickelungsgang schlagen diejenigen ein, welche schon äusserlich einen einfacheren Bau zur Schau tragen? Die Untersuchungen wurden hierauf sofort in Angriff genommen. Kurze Frist darauf erschien eine Pyeniden-Arbeit von Bauke!), die einerseits Tulasne’s Ansicht über den genetischen Zusammenhang von Pye- niden und Ascomyceten bestätigte, andererseits in dem Resultate gipfelte, dass die Pyeniden in ihrer Entwickelung von Conidienträgern „prineipiell verschieden“ seien.) Da Bauke’s Untersuchungen sich nur auf solche Früchte erstreckten, welche einen für die ungeschlechtliche Fructification ungewöhnlich hohen Grad morphologischer Differenzirung erreichen, einfachere Formen also ununtersucht blieben, so war für die zweite der Fragen, die ich mir gestellt, noch immer offenes Feld, und ich ging jetzt nur um so eifriger an ihre Lösung. Die im Verlaufe von fast zwei Jahren aufgewandte Mühe ward durch Auffindung einer Reihe belohnt, welche von einfachen Sprossformen durch Conidienträger zu Hyphenfrüchten und pyenidengleich differenzirten Gewebe- früchten führt. Eine vorurtheilsfreie Betrachtung dieser Reihe lässt die Be- hauptung einer principiellen Verschiedenheit zwischen Conidienträgern und Pyeniden als unhaltbar erscheinen. 1) Beiträge zur Kenntniss der Pyeniden. Nov. Act. d. Leop. Carol. Acad. Bd. XXXVII, Nr. 5. 2) ]. e. pag. 491: „Obgleich nun die Pyeniden in ihrer Eigenschaft als ungeschlecht- liche Fortpflanzungsorgane von Ascomyceten neben die Conidien zu stellen sind, so sind sie doch, wie die vorausgegangenen Untersuchungen gezeigt haben, ven den letzteren in Hinsicht auf die Entwickelungsgeschichte principiell verschieden“. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 5) 259 Gewonnen wurde dieses Resultat mit Hülfe der von Brefeld!) begründeten Culturmethoden an einem Objecte, welches von kleinspori- gen Pyeniden repräsentirt wird, die, nach Tulasne?) in den Ent- wickelungscyclus von Fumago salicina gehörig, bisher für „Spermo- sonien“ galten. Im Palmenhause des Berliner botanischen Gartens jahraus jahrein als Pseudoparasit auf den verschiedensten exotischen Gewächsen vegetirend und sich vom Honigthau der hier angesiedelten Coceinen nährend, pflegt dieser Pilz die Blattspreiten namentlich grossblättriger Species mit einem continuir- lichen, spröden Ueberzuge zu bedecken, dessen eintöniges Russschwarz wohl kaum ahnen lässt, welchen morphologischen Schatz er birgt in der wunder- baren Manniefaltiekeit seiner Fruchtformen. ?) : Die Ergebnisse der Untersuchung gruppiren sich um zwei Fragen: 1) Wie verläuft die Entwiekelung der kleinsporigen Fumago-Pyeniden?) 2) Was wird aus der Stylospore, wenn die Nähr- verhältnisse sich derart gestalten, dass eine Pro- ducetion pyenidentragender Mycelien zur Unmög- lichkeit wird? Meinem hochverehrten Lehrer, Herın Professor Dr. O. Brefeld, der mir aus der Fülle seiner Ideen die vielseitigste Anregung zu botanischen !) Methoden zur Untersuchung der Pilze in Landwirthschaftliche Jahrbücher 1875. pg. 151—175. — Derselbe: Neue Culturmethoden für die Untersuchung der Pilze. Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin 1875. p. 125. 2) Tulasne, Carpologie II, pg. 280, 2832. ») Das prachtvolle Culturmaterial verdanke ich der Güte meines hochgeschätzten Lehrers, des für die Wissenschaft leider zu früh verstorbenen Herın Geheimrath Alexander Braun. *) Die erste vorläufige Publieation betrefts dieser Frage findet man in den Sitzungs- berichten des Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg vom Juni 1877. — In meiner Inaugural-Disser- tation: „Die Conidienfrüchte von Fumago“; Halle, März 1878, ist diese Frage ausführlicher behandelt und sind dort auch die an der Hand der zweiten Frage gewonnenen Hauptresultate in Kürze mitgetheilt. 260 Dr. W. Zopf. (p. 6) und namentlich myeologischen Bestrebungen zu Theil werden liess und der speciell die Güte hatte, mich in seine für das Studium der Entwickelungs- geschichte so unentbehrlich gewordenen Culturmethoden einzuführen, erlaube ich mir an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank abzustatten. Zu selbigem Danke fühle ich mich auch meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. L. Kny, verpflichtet, der in liebenswürdiger Gefälligkeit mir seine reiche Literatur zur Verfügung stellte. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. %) 261 Erster Abschnitt. 1. Mycelbildung. Die Mikrostylosporen der Fumago-Pyeniden zeichnen sich durch spermatienartige Form und Winzigkeit aus. Schmal ellipsoidisch bis beinahe stäbchenförmig ') (Taf. 1. Fig. 1, 2a) und an ihren Polen, beziehungs- weise in den Brennpunkten mit je einem minutiösen Oeltröpfehen ausgestattet, sind diese zartwandigen, von einer äusserst feinen Gallertschicht (Fig. 1) um- hoften, hyalinen Körperchen im Besitz vollkommenster Keimfähigkeit?), wofür als schlagender Beweis wohl nur der Umstand angeführt zu werden braucht, dass seit circa zwei Jahren fast alle meine Objectträger- und Massen- Culturen — und deren Anzahl beläuft sich auf etiige Hundert — ausschliess- lich durch Aussaat dieser Pseudo-„Spermatien“ gewonnen wurden. Als Symptom für den baldigen Eintritt der Keimung, die in ver- dünnten zuckerhaltigen Nährmedien, namentlich Decocten süsser Früchte, be- !) Tulasne, Carpologie II, tab. 34, fig. 19 giebt ihre typische Form nicht ganz correct wieder, wenigstens erschienen die von mir gesehenen normalen Sporen bei starker Ver- grösserung nie ganz genau stäbehenförmig. 2) Tulasne, loc. c. pag. 282. bestreitet dies; er nennt sie nämlich Spermatien. — Betreffs der Spermatienkeimung überhaupt vergleiche man Cornu (Compt. rend. de l’acad. fr. avnıl 1876): Sur les spermaties des Acomyecetes. 262 Dr. W. Zopf. (p. 8) reits nach etwa 10 Stunden zu constatiren ist, lässt sich an den 4—5 mikr. in der Länge und etwa 2 mikr. in der Breite messenden Körperchen ausnahms- los eine ziemlich beträchtliche Anschwellung beobachten (Taf. 1. Fig. 2b. ce), auf welche demmächst durch blosse Ausstülpung der nur einschiehtigen Mem- bran, bald an einem, bald an beiden Polen die Bildung von Keimschläuchen erfolgt. (Fig. 2d. e.) Infolge ihres Spitzenwachsthums (Fig. 2f; Fig. 3a. b.) und der in acro- petaler Folge vorschreitenden Zweigentwickelung vergrössern sie sich allmählich zu Mycelien von gewöhnlichem, monopodialen Aufbau, deren Zweige bei der Eigenthümlichkeit, sich spärlich zu verästeln, desto mehr aber sich zu verlängern, stolonenartig auf dem Substrat hinkriechen. (Fig. 5.) Die Elemente der Hyphen, anfangs mit homogenem, dann vacuoligem Plasma erfüllt (Taf. 1. Fig. 3), lassen schon frühzeitig eine Ablagerung von Oeltröpfehen erkennen, die späterhin zu grösseren Tropfen zusammenrinnen (Taf. 1. Fig. 7, 8, 9). Mit dem Eintritt dieser Oelausscheidung im Inhalt macht sich eine allmähliche Verdiekung der Membranen bemerkbar, begleitet von einer Färbung, die nach einander alle Töne vom zartesten Olivengrün bis zum tiefsten Braun durchlaufend das Mycel in seiner Gesammtmasse schliesslich in ein tiefes Schwarz kleidet (Taf. 1. Fig. S—10). Während alle diese Veränderungen an Membran und Inhalt sich voll- ziehen, erleiden durch nachträgliche Insertion von Scheidewänden (Fig. 9A. B. s) die ursprünglich gestreckten Zellen eine Theilung in kurze Glieder. Doch alle jene Momente kommen auch meist anderen Pilzmycelien zu, und es genügt daher, sie in"Kürze abzufertigen. Nähere Berücksichtigung indessen verdienen einige mehr specifische Eigenthümlichkeiten des Fumago-Mycels, von denen ausser der Gemmen- bildung besonders die Gallertbildung, die Formation von Strängen und endlich das ausserordentliche Reproductions-Vermögen hervor- zuheben sind. Bemerkenswerth ist zunächst die Fähigkeit der mycelialen und, wie später gezeigt werden soll, auch der fructificativen Elemente, sich einzuhüllen in einen Gallertmantel von oft ganz erstaunlichen Dimensionen. (Taf. 1. Fig. 6b.c, 7%, 8, 9.) An den jüngeren Theilen erscheint diese Hülle voll- Die Comidienfrüchte von Fumago. (p. 9) + 263 ® kommen hyalin, dabei mässig stark lichtbrechend, sehr zart geschichtet und nach aussen hin deutlich eontourirt (Fig. 6, 7, 8); an den älteren dagegen schwach olivenbräunlich bis schmutzig braun, glanzlos, amorph, mit nach aussen hin verwischter Grenze, gleichsam zerfliessend. (Taf. 1. Fig. 9A.) Den Scheidewänden entsprechende Einschnürungen der Gallertmasse geben den betreffenden Hyphen oft einen höchst eigenthümlichen, wurmartigen Habitus (Fig. 6b u. %). Da, wo aus der Nährflüssigkeit herausragende Myceltheile unmittelbar mit der atmosphärischen Luft in Contact treten, wird die Gallert- scheide in der Regel vermisst, dafür aber weisen die betreffenden 'T'heile eine um so stärkere Verdickung und Bräunung der Membranen auf. (Fig. 9e.) Gar nicht selten lässt sich an ein und derselben Zelle der Uebergang der braunen, äussern Membranschicht in die dicke hyaline Gallertscheide aufs Klarste ver- folgen (Taf. 1. Fig. 6a). Nicht minder häufig sind Fälle, in denen sich an derselben Hyphe die eine Seite stark gallertig, die gegenüberliegende dick- wandig und stark gebräunt darstellt (Fig. 6c, Fig. 9e, Fig. Sm). Solche Objecte machen sich meist durch entschiedene Krümmungen beziehungsweise Einrollungen kenntlich, bei denen die Gallertseite in der Regel nach innen zu liegen kommt. Da, wo gallertige Fäden sich kreuzen oder in paralleler Rich- tung wachsend zufällig einander nahe kommen, fliessen ihre Gallertmäntel zu ansehnlichen, schwimmhautähnlichen Flächen zusammen (Taf. 1. Fig. 9A), dicht neben einander liegende Hyphen werden verklebt (Fig. 8). — Was das Verhalten der Gallertmasse bei Anwendung von Reagentien betrifft, so ist zu bemerken, dass sie sich gegen Aetzkali und concentrirte Schwefelsäure, mit Ausnahme einer schwachbraunen Färbung, die auch bei Anwendung von ‚Jod und Chlorzinkjod eintritt, vollkommen indifferent zeigt. Behandlung mit Alkohol indessen hat eine augenblickliche Contraction der Scheide zur Folge, vorwiegend in der Richtung des Querdurchmessers (Taf. 1. Fig. 6b in Wasser; 6c, das obere Stück von 6b, in Alkohol). Diese auf Wasserentziehung beruhende Contraction äussert sich bisweilen in dem Grade, dass die Dicke der Scheide ums Mehrfache reduecirt wird und nun eine verhältnissmässig dünne, nicht mehr hyaline, sondern vielmehr braune, der Zellwandung ganz dicht anliegende Ver- diekungsschichte bilden kann (Fig. 6e), die bei Zusatz von Wasser sofort wiederum zur Gallertmasse aufquillt (Taf. 1. Fig. 6b). Wasserzufuhr bewirkt auch, dass an alten braunen, aber noch lebenskräftigen Mycelien die verdickten Nova Acta XL. Nr. 7. 34 264 Dr. W. Zopf. (p. 10) Membranen wiederum gallertig werden, doch scheint hier eine längere Ein- wirkung nöthig zu sein. Bei Beurtheilung der Entstehungsweise dieser Gallert ist man vor die Alternative gestellt, ob hier etwa ein Umwandlungsproduct von Membran- schiehten vorliege oder ob man es mit einem Secret zu thun habe. Auf die Beobachtung gestützt, dass selbst noch ganz junge Mycelzellen schon einen sehr dünnen Gallerthof besitzen, könnte man sich allerdings versucht fühlen, zu Gunsten des Letzteren zu entscheiden; allein die membranartige Structur der Hille und das durch obiges Experiment leicht festzustellende Quellungs- vermögen in Wasser geben wohl Fingerzeige genug, dass es sich hier nicht um eine secernirte Substanz. sondern um mit Quellungsfähigkeit be- gabte äussere Membranschichten handele. Ueberdies sind auch alle die Vergallertungserscheinungen, die man an vegetativen und fructificativen Theilen so mancher anderen Pilze!) antriftt, in eben diesem Sinne zu deuten. — Uebrigens wird man beim ersten Anblick gallertumhüllter Fumago-Hyphen so lebhaft an gewisse Gallertalgen (Nostochaceen, Rivularieen ete.) erinnert, dass es gar nicht so ungeheuerlich klingt, wenn ein bedeutender älterer Algo- loge?) myceliale Zustände von Fumago thatsächlieh den Algen einverleibte. Vergallertung der Membranen ist bei Pilz- und Algenelementen in häufigen Fällen bekanntlich als Symptom der erlöschenden Lebensthätigkeit aufzufassen. Für das in Rede stehende Mycel indess wäre diese Deutung gänzlich un- statthaft, zwar deshalb, weil die Hyphen in ihrem Gallertkleid stets ein Bild ungeschwächter Vegetationskraft bieten, die sich namentlich in einem sehr in die Augen springenden, noch näher zu besprechenden Reproductionsvermögen documentirt. Spontan werden die Mycelien fast immer auf lebenden Pflanzen angetroffen. Aber selbst dann, wenn sie auf Organen mit ganz glatter Epi- dermis vegetiren, besitzen sie, wie ich im Wege besonderer Untersuchungen mit Sicherheit feststellen konnte, nie auch nur eine Spur von Hatt- organen, noch dringen sie mit ihren Hyphen in den Nähr- !) De Bary, Morphol. pag. 5 ff. 2) Agardh, Systema algarum pag. 32, beschreibt solche Zustände als Syneollesia foliorum unter den conferyoiden Algen. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 11) 265 wirth ein. Es stehen ihnen also gar keine parasitischen Mittel zu Gebote, um eine genügende Anheftung an das Substrat bewerkstelligen zu können. Mit Rücksicht auf diesen Umstand darf man vielleicht die Vermuthung hegen, dass jener Vergallertungsprozess mit darauf berechnet sei, einen Klebstoff zu liefern zur hinreichend sicheren Befestigung des Mycels auf die Oberhaut seines Wirthes, wenn es auch andererseits nicht unwahrscheinlich ist, dass die Hauptaufgabe der Gallertmasse, wie bei manchen Algen, darin besteht, durch ihr Imbibitionsvermögen für Wasser dem Mycel den für eme gedeihliche Weiter- entwickelung erforderlichen Feuchtigkeitsgrad zu erhalten und hierdurch als Schutzmittel gegen schnelles Austrocknen zu wirken. In eben dem Maasse, als die Mycelien an Alter und Grösse zunehmen, tritt an ihnen eine andere Erscheinung zu Tage: die bekanntlich für das Basidiomyceten-Mycel so charakteristisch e Formation von Strängen. Sie kommen theils dadurch zu Stande, dass ein oder mehrere Seiten- zweige eines Fadens sich dicht an diesen selbst anlegen, oder so, dass mehrere nach derselben Seite hin abgehende Hyphen von den Ursprungsstellen an sich vereinigen (Taf. 1. Fig. S), oder endlich in der Weise, dass ganz zufällig einander begegnende Zweige benachbarter Hyphensysteme ihrer Länge nach in Verbindung treten (Fig. 10). Beim Zusammenschluss der Fäden zu Strängen wirken zwei Factoren; die Gallertbildung und das Auftreten von Anasto- mosen. ‚Jene scheint auch schon allein ein Bindemittel abgeben zu können, letztere verleihen selbstverständlich dem Strang einen hohen Grad von Festig- keit, zumal sie, wie auch an anderen Theilen des Pilzes, nicht nur ausser- ordentlich zahlreich auftreten, sondern auch meist durch auffallende Kürze ausgezeichnet sind (Taf. 1. Fig. 10 an). Ordnen sich die den Strang for- mirenden Hyphen in der Art, dass sie neben einander in derselben Ebene verlaufen, so entstehen bandartige Formen (Taf. 1. Fig. 10), liegen sie, was nicht so häufig vorkommt, parallel über einander, so nehmen sie die Gestalt eines Taues an. Ihrer Hyphenzahl nach variiren die Stränge viel- fach und können Complexe von 15 und mehr Hyphen darstellen, Gebilde von recht ansehnlichen Dimensionen. Unter den übrigen Eigenschaften der Myceltheile verdient noch hervor- gehoben zu werden das auffallende Reproductionsvermögen, das ich durch ein instructives Beispiel zu illustriren im Stande bin. In eine der 34 * 266 Dr. W. Zopf. (p. 12) Culturen in der Geissler'schen Kammer hatte sich — die Mündungen des betreffenden Apparats waren ‘nämlich absichtlich unverschlossen geblieben — zufälligerweise eine Milbe eingeschlichen, und dieser ungebetene Gast fand ein besonderes Vergnügen daran, das ganze Mycel in winzige ein- bis wenigzellige Stiiekchen zu zernagen. Als nun, um aus diesem kleinen Missgeschick noch einigen Gewinn zu ziehen, ein Nährtropfen in den Apparat gesogen ward, trieb jede intact gebliebene Zelle der einzelnen Fragmente einen bis zwei Keimschläuche (Taf. 8. Fig. 24). Mit zunehmendem Alter, beim Eintritt allmählicher Erschöpfung des Nährsubstrats, machen sich an den mycelialen Hyphen eigenthümliche Ver- änderungen bemerkbar, welche schliesslich zur Bildung torulöser Gemmen- reihen führen (Taf. 1. Fig. 9A,B). Eingeleitet werden diese Veränderungen dadurch, dass die im Allgemeinen ziemlich gestreckten Zellen durch nachträgliche Insertion von Querwänden Theilungen in nahezu isodiametrische Glieder er- fahren (Taf. 1. Fig. 9A bei s, Fig. B, Fig.C bei s). Letztere sind zu stark bauchiger Anschwellung geneigt, welche sich nicht selten bis zu kugeliger Abrundung steigert. In Folge dieser Vorgänge müssen die Hyphen schliesslich rosenkranzförmig gegliedert, „torulös“ erscheinen (Taf. 1. Fig. 9B). Es ist klar, dass je mehr die einzelnen Glieder sich gegen einander abrunden, ihr Verband desto mehr gelockert werden muss, und in der That fallen ältere Mycelfäden bei Berührung ziemlich leicht in. kurze Ketten aus- einander. In ihrer Form, in ihrer stark verdickten und gebräunten Membran sowie in der reichen Ablagerung von Oeltröpfehen tragen sie ganz den Cha- rakter von Gemmenbildungen, wie man sie auch bei anderen Pilzen anzu- treffen pflegt. Der Umstand, dass diese Gemmenketten an älteren Zuständen spontaner Mycelien gleichfalls nie vermisst werden, erklärt es, dass sie den Mycologen längst bekannt sind und zwar unter einem besonderen Namen.) Unter normalen Nährverhältnissen, d. h. in verdünnten, an Zucker mässig reichen Medien, erlangen die Gemmenketten ihre völlige Ausbildung erst nach 1—2 Monaten. Es ist indessen leicht möglich, dieselbe zu be- schleunigen, und zwar einfach dadurch, dass man die Stylospore unter weniger günstigen Bedingungen, in entweder sehr zuckerarmen oder sehr zucker- 1) Fries, Systema myc. III pag. 502, beschreibt sie als 7orwa Fumago Chev. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 13) 267 reichen Nährflüssigkeiten cultivirt. Dafür kommen aber die Mycelien nur zu geringer Entwickelung und werden meist nicht oder doch nur spärlich fruetificativ. Nach 1!1/;—2monatlicher Cultur stellt das Mycel eine tiefbraune bis russschwarze Kruste dar, die es mit einiger Vorsicht gelingt, in einem ein- zigen Stück, als continuirliche Scheibe, vom Objeetträger abzuschülfern. Von ziemlicher Sprödigkeit und daher leicht zerbrechlich verhält sich ein solches Mycel etwa wie eine eingetrocknete Schicht arabischen Gummis. Wenn man alte Culturen austrocknen lässt, so springen die Mycelien ganz von selbst in grossen Schollen vom Objectträger ab. Spontane Mycelien zeigen ein ähnliches Verhalten. Nach künstlicher Abschülferung oder Abwaschung ihrer dicken russigen Kruste, die bemerkens- werther Weise stets die Oberseite der Blätter occupirt, aber hier bis quadrat- fussgrosse Flächen bedecken kann '!), hat man ein ganz frisches, glänzendes Blatt vor sich, das makro- und mikroskopisch durch nichts verräth, dass es von einem Pilz befallen war. Es ist dies nicht zu verwundern, da, wie bereits erwähnt, das auf lebenden Pflanzen vegetirende Mycel genau dieselben Eigen- schaften zeigt, wie das künstlich auf dem Objectträger erzogene, und von irgend welcher parasitischen Angriffskraft nicht die Rede sein kann,?) weil die Hyphen weder direct noch indireet, durch Haustorien, in die Pflanze ein- dringen. Wenn aber das Mycel seine Nahrung nicht der Pflanze entnimmt, auf der es lebt, wie wird seine Ernährung dann überhaupt möglich; wie kömmt es, dass es, aller parasitischen Angriffsmittel baar, den- no@h immer lebende Gewächse befällt? : Die Antwort liegt, wie ich auf Grund mehrjähriger Beobachtungen an- gebe, einfacher, als man denken sollte: Das Pyeniden-Mycel siedelt sich darum mit Vorliebe auf lebenden Pflanzen an, weil es zu seiner Existenz zuckerhaltiger Substanzen bedarf 1) An Musa Ensete im Palmenhaus hierselbst beobachtet. 2) Dadurch, “lass die Hyphen des Pilzes nicht in das Gewebe des Wirthes einzudringen vermögen, sondern nur ganz oberflächlich dem betreffenden Organ aufliegen, wird es möglich, dass die Mycelmasse durch anhaltenden Regen abgewaschen und zu Boden geführt wird, eine Beobachtung, die sich leicht machen lässt. 268 Dr. W. Zopf. (p. 14) und diese in reichem Maasse gegeben findet im sogenannten Honigthau der Blattläuse, der Aphiden und Coccinen; diese Insecten wählen aber be- kanntlich zu ihrem Aufenthaltsorte lebende Blätter und zwar deren Unter- seite. Sie bereiten einen sehr zuckerreichen, honigartigen Saft und lassen denselben in Form eines feinen Regens herabfallen auf unter ihnen befindliche Gegenstände, also auch auf die tiefer stehenden Blätter.!) Da_ es hiernach stets nur die nach oben gekehrte Seite des Blattes sein kann, welche mit diesem Zuckersaft bespritzt wird, so leuchtet ein, dass der Pilz sich vorzugs- weise auf der Oberseite der Lamina entwickeln wird. Auf der Unterseite tritt er nur dann auf, wenn zufällig etwas von der Honigflüssigkeit dorthin fliesst. Mit dem lebenden Blatt steht das Mycel also nur insofern in Be- ziehung, als es ihm eine mit Blattlaushonig benetzte Fläche als blosse Unter- lage bietet, die, wie ich nach mehrfachen Experimenten und Erfahrungen aus- drücklich anführe, durch einen honigbespritzten Stamm, ein honigbespritztes dürres Blatt, überhaupt einen ganz-beliebigen organischen oder anorganischen Gegenstand (Brod, Holz, Glas, Stein) ersetzt werden kann, sobald derselbe nur einigermaassen mit dem Zuckerseeret der Pflanzenläuse besprengt wird. Zu diesen Beobachtungen, die zunächst an den von Coceinen befallenen Gewächsen des Palmenhauses, sodann an mit Aphiden besetzten Bäumen und Sträuchern im Freien angestellt wurden, gesellen sich andere, die mit der aufgestellten Behauptung in Widerspruch zu stehen scheinen. In dieser Hin- sicht ist der schon von Tulasne?) erwähnte Umstand hervorzuheben, dass das Mycel von Fumago häufig auf Pflanzen erscheint, die von Blattläusen zur selbigen Zeit völlig verschont sind, oder gar an solchen, auf denen diese Schmarotzer überhaupt nicht auftreten. Beispiele hierfür boten Sträucher, Gräser, verschiedene ‚krautartige Pflanzen (z. B. Asarum). Allein auch in 1) Den Entomologen ist diese Thatsache längst wohlbekannt. So sagt Leunis (Synopsis pag. 666): „Die 'Blattläuse spritzen den Honigthau aus dem After oft in solcher Menge aus, dass die Blätter und Stengel davon, besonders im Juli, der Hauptblattlauszeit, von einem glänzenden Ueberzuge wie mit einem Firnisse bedeckt sind.“ Siehe auch Jul. Kühn: Krankheiten der Culturgewächse, pag. 134 ff., wo vortreffliche, hierher bezügliche Beobachtungen niedergelegt sind, die mir leider zu spät bekannt wurden, in Folge Nichteitation von Seiten Tulasne’. 2) 1. c. pag. 280. Die Conidienfrüchte von Fumage. (p. 15) 269 allen solchen Fällen ergab mir die nähere Untersuchung als Ursache der Pilzvegetation stets Blattlausseerete, die — was dem Beobachter sehr leicht entgehen kann und ohne Zweifel auch Tulasne entgangen ist — von anderen, nämlich überhängenden Pflanzen, meist Bäumen und Sträuchern, herab- geregnet waren und jene zufällig unter ihnen stehenden Gewächse benetzt hatten.) Ferner wurde mehrere Jahre hindurch von mir beobachtet, dass das Auftreten des Fumagomycels im Freien nie vor dem Erscheinen der Blatt- läuse erfolgt, sondern immer erst kurz nach demselben. So traten im Jahre 1576 an gewissen Localitäten Berlins die Aphiden bereits Anfangs Juni auf, und bald darauf waren auch schon die ersten Fumago-Anfänge sichtbar. Im Jahre 18%%7 zeigten dieselben Localitäten bis in den Juli hinein noch keine Spur von Blattläusen, dementsprechend war bis dahin auch nicht eine Spur von Fumago vorhanden. Gegen Ende dieses Monats- erst erschienen die thierischen Schmarotzer und kurze Frist darauf machten sich auch schon die ersten Anfänge des Pilzes bemerkbar, die dann in den nächsten Wochen zu den bekannten russartigen Massen heranwuchsen.?) Die Cultivirbarkeit auf dem Objeetträger, der Mangel an jeglicher parasitischer Angriffskraft, die örtliche und zeitliche Abhängigkeit der Entwickelung von den Blattlaussecreten, durch welche sich auch das Vorkommen auf Pflanzen der heterogensten Abtheilungen erklärt, müssen jedenfalls zu der Schlussfolgerung führen, dass das Mycel der Fumago-Pyeniden einen rein sapro- phytischen Charakter trägt und die bisherige, "namentlich von Tulasne vertretene und von den Pflanzenpathologen mehrfach reprodueirte gegentheilige Ansicht nicht mehr haltbar ist. 1) Der von Aphiden hervorgerufene Honigregen war im Juni und Juli 1876 an einigen baumbestandenen Wegen und Promenaden Berlins an schönen Tagen so stark, dass man, um sich nieht Hut und Kleider zu besudeln, den Schirm aufzuspannen genöthigt war. Die Tropfen, von der Consistenz eines dicken Syrups, waren z.B. an UZmus und Tilia oft von Erbsengrösse. Der Boden in dem nächsten Umkreise der Stämme hatte ganz das Ansehen, als ob es eben geregnet habe. Die Tropfen zeigten den reinsten Zuckergeschmack und erhärteten innerhalb einiger Stunden zu einem glänzenden Firniss. 2) Wie ich nachträglich zufüge, gestalteten sich im Jahre 1878 an denselben Locali- täten die Verhältnisse in ganz derselben Weise. 270 Dr. W. Zopf. (p. 16) Nach den von Berkeley und Desmazieres!) sowie den von Farlow?) gegebenen Berichten über das Auftreten ausländischer Fumagines führen auch diese ein Saprophytenleben. Genannte Autoren lassen es aber dahin- gestellt, ob diese Pilze sich von animalischen Seereten nähren oder von Säften, die in Folge von Verletzung durch Insecten aus Wundstellen der Wirthspflanze ausfliessen. Hierzu sei Folgendes bemerkt: Die Aphiden und Coceinen, die be- kanntlich nur die Unterseite der Blätter bewohnen, stechen stets auch nur die Unterseite an. Ein etwaiger Austritt von Wundsäften könnte mithin nur auf der Unterseite erfolgen. Aber gerade auf dieser Seite entwickelt sich der Pilz in der Regel gar nicht oder doch nur spärlich, während er auf der Oberseite, in den Blattlausseereten, in üppigster Weise gedeiht und massenhaft sich an- siedelt. Hält man hiermit die Beobachtung zusammen, dass auf honigberegneten Pflanzen, welche den Pilz in Masse beherbergen, oft auch nicht eine einzige Blattlaus zu entdecken ist, mithin von Wundstellen gar nicht die Rede sein kann, so darf man jedenfalls annehmen, dass die durch den Insectenstich veranlassten Ausscheidungen, wenn sie bei der oder jener Pflanze wirklich vorhanden sein sollten, entweder gar keine oder doch nur ganz geringe Be- deutung für die Entwickelung der Fumago haben, die Blattlausseerete dagegen ihr nicht blos eine Quelle reichster Nahrung bieten, sondern auch für eine gedeihliche Entwickelung derselben ganz unentbehrlich sind. Was einen etwaigen schädlichen Einfluss der Pilzvegetation auf die Wirthspflanzen betrifft, so möchte es schwierig sein, den Grad desselben zu bestimmen, da man ja nicht wissen kann, wie viel bei dieser Schädigung auf Rechnung der wirklichen Parasiten, der Blattläuse, und was auf Rechnung der 1) On some Moulds referred by Authors to Fumago (Journ. of the Hortie. Soc. of Lond. vol. IV, pag. 252): „The are often, if not always, preceded by honey-dew, whether arising from aphides, or from a sugary excretion from the leaves themselves. Frequently, too, they are accompanied by some species of coccus, especially in the genus Citrus.“ 2) Farlow: On a Disease of Olive and Orange Trees (Bulletin of the Bussey Insti- tution March 1876 Nr. 21), pag. 413: ‚The result of our examination of the diseased orange and olive leaves is briefly as follows: The disease, alt hough first attracting the eye by tlıe presence of a black fungus (Fumago salicina) is not caused by it, but rather by the attack of some insect, which itself deposits some gummy substance on the leaves and bark, or so wounds the tree as to cause some sticky exudation, on which the fungus especially thrives.“ Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 1%) 241 nur pseudo-parasitischen Zumago zu setzen ist. Doch wird eine solche Schä- digung wohl kaum in Abrede zu stellen sein, wenn man bedenkt, wie viel Lieht den Assimilationsorganen durch die oft ganze Flächen eontinuirlich über- ziehenden und dabei russartig geschwärzten Mycelkrusten nothwendigerweise entzogen werden muss. Aus den mitgetheilten T'hatsachen ergiebt sich, dass, wenn der Land- wirth den Pilz, der bekanntlich Hopfen- und andere Culturen stark schädigen soll, in seiner Entwickelung hemmen will, er das Uebel an der Wurzel fassen, d. h. die Blattläuse vertreiben muss. 2. Fruetification. Bereits wenige Tage nach der Aussaat der Microstylospore in ver- dünntes Pflaumendecoet erfolgt an den verschiedensten Stellen des jungen Mycels die erste Veranlagung von fructificativen Organen eigenthüm- licher Art. Eine solche Anlage nimmt ihren Ursprung aus einer einzigen Mycel- zelle, die aber weder ihrer Lage, noch ihrer Gestalt nach irgendwie bestimmt ist und bald einer Haupt-, bald einer Seitenhyphe oder selbst einer Anastomose angehört. Diese Mycelzelle erfährt zunächst eine Quertheilung in zwei Tochter- zellen (Taf. 2. Fig. 1, die Mutterzelle durch Klammer bezeichnet). Letztere bleiben entweder, was sehr häufig der Fall, ungetheilt und bilden so ein Primordium einfachster Art, oder sie wiederholen ihrerseits den Quertheilungs- process und man erhält vierzellige Anlagen (Taf. 2. Fig. 2, 6, 10, 11). Die Zellenzahl des Primordiums kann sich aber mehr oder weniger - erheblich steigern, je nachdem die vier Tochterzellen durch Quer-, Längs- oder Transversalwände eine nochmalige oder gar wiederholte "Theilung erfahren (Darr2r Big. 4, 7,8, 10,18). Auf diesem Wege werden also bald zwei-, bald vier-, bald mehrzellige Primordien entstehen, von denen die letzteren, je nachdem sie durch blosse (@uertheilung entstanden oder nicht, entweder nur eine kurze Zellreihe (Taf. 2, Fig. 4, 6, 7, 11) oder eine kleine Zellfläche darstellen (Taf. 2. Fig. S, 9, 10, 12, 13). Nova Acta XL. Nr. 7. 35 212 Dr. W. Zopf. (p. 18) Die Elemente der Primordien zeichnen sich vor den gewöhnlichen Mycelzellen ihrer Umgebung sowohl durch nahezu isodiametrische Gestalt als auch durch das Bestreben aus, mehr oder minder stark anzuschwellen. Zwi- schen den Mycelzellen eingedrängt, finden sie aber für eine solche Ausdehnung offenbar nicht Raum genug und dieser Umstand hat zur Folge, dass sie sich fast ausnahmslos in einem Bogen nach auswärts, beziehungsweise aufwärts drängen und so den betreffenden Faden am Ort ihrer Entstehung knieartig eingeknickt erscheinen lassen (Taf. 2. Fig. 6, 10, 11, 14—28). Diese knie- artige Beugung im Verein mit der Kürze und Bauchigkeit der Zellen dient der sicheren Auffindung der allerjüngsten Stadien zu wesentlichster Erleich- terung. Erfolgt die Primordienbildung an einem Faden, der mit anderen Hyphen zum Strange combinirt ist, so werden diese letzteren häufig gleich- falls zu nachträglichen Theilungen angeregt. Was nun die weitere Entwickelung der beschriebenen Anfänge betrifft, so wird dieselbe dadurch eingeleitet, dass die, wie wir sahen, zu einer Zell- reihe oder Zellfläche geordneten Theilproduete in verticaler Richtung zum Mycel Ausstülpungen treiben. Erscheint das Primordium nur zweizellig, so wachsen ausnahmslos beide Zellen aus (Taf. 2. Fig. 3, 14, 15, 25). Ist es dagegen vier- oder mehrzellig, so betheiligen sich an diesem Vorgange, wenigstens anfangs, häufig nur die mittleren (Fig. 6, 20). A. Conidienbüschel. Durch eine Querwand gegen ihre Mutterzelle abgegrenzt, verlängern sich diese Ausstülpungen mittelst Spitzenwachsthums (Taf. 2. Fig. 3, 14, 15, 16, 17, 19, 20), um bald zu Hyphen von ziemlich ansehnlicher Länge heran- zuwachsen (Taf. 3. Fig. 1), die an der Basis gewöhnlich kurze, weiter nach oben hin mehr gestreckte Elemente aufweisen (Taf. 2. Fig. 23, 25; Taf. 3. Fig. 1). Diese Hyphen, bei ihrer Verlängerung immer gleichen Schritt haltend und daher in jedem Stadium von ganz oder doch nahezu gleicher Höhe (Taf. 2. Fig. 15—-28h; Taf. 3. Fig. 1), bleiben bald einfach (Taf. 3. Fig. 1), bald treiben sie schon frühzeitig unterhalb der in der Basalgegend inserirten Querwände Seitenzweige (Taf. 2. Fig. 16, 22 bei z, Fig. 21, 23, 24, 25), Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 19) 213 welche nach scharfer Umbiegung den Mutterhyphen mehr oder minder parallel oder an dieselben angelegt in verticaler Richtung weiter wachsen, wobei sie immer das Bestreben kundgeben, ihre Enden in möglichst gleiches Niveau mit den Spitzen der Mutterhyphen zu bringen. (Taf. 2. Fig. 23-—-27). Anasto- mosen zwischen Haupt- und Seitenhyphen sind mehr oder minder häufig (Taf. 2. Fig. 21 an, 24), ebenso die Anastomosen der Haupthyphen unter sich (Taf. 2. Fig. 17 an); letztere erinnern an die Copulation peritheeialer und apotheeialer Primordien der Ascomyceten.‘) Anfangs hyalin, verdieken die Hyphen und Zweige schon frühzeitig ihre sich bräunenden Membranen. Den mycelialen Elementen entsprechend pflegen sich die letzteren häufig in Gallert- scheiden aufzulösen, die bei zufälligem Zusammenfliessen den jungen Hyphen- complex nicht selten in ein förmliches Gallertbett einhüllen (Taf. 2. Fig. 19, 22, 24). Mit der acropetal fortschreitenden Verdiekung und Bräunung der Membranen tritt gleichzeitig die schon bei der Mycelbildung erwähnte Ablage- rung von Oeltröpfehen auf, die je länger desto intensiver wird (Taf. 3. Fig. 1). Während sich der Hyphencomplex constituirt, bleiben die dem Primor- dium "angrenzenden Zellen meist nicht unthätig, entweder senden auch sie verticale Hyphen aus, die, zu dem Hyphenbüschel tretend, dieses vergrössern (Taf. 2. Fig. 17, 19), oder sie treiben kurze, in der Ebene des Mycels ver- laufende, später verzweigte und vielfach mit benachbarten Mycelelementen anastomosirende Seitenhyphen (Taf. 2. Fig. 10—28 bei rh). Ihre Hauptaufgabe besteht offenbar darin, für den aus dem Primordium hervorgegangenen Hyphen- complex, der, oft bis 12 und mehr Hyphen und Zweige zählend, eine Last darstellt, die aufrecht zu erhalten ein schwacher Mycelfaden wohl kaum im Stande sein dürfte, eine ebenso breite als sichere Basis zu schaffen und ihn so vor dem Umfallen zu sichern. Vielleicht vermögen diese seeundären, ge- wissermaassen als Rhizoiden fungirenden Mycelzweige gleichzeitig auch noch Einiges zur Ernährung der immer weiter sich entwickelnden Hyphenmasse beizutragen. Die einzelnen Fäden und Zweige der Hyphenbüschel, die gewöhnlich in dem Maasse, als sie sich verlängern, eine divergirende Richtung nehmen !) De Bary, Zur Fruchtentwickelung der Ascomyceten (Pexiza confluens P.). Derselbe: Beiträge zur Morphol. und Physiol. der Pilze III (Kurotium‘. 274 Dr. W. Zopf. (p. 20) (Taf. 3. Fig. 1. 2, 3, 4), dabei aber doch immer fast gleiche Höhe halten, beginnen nach Erreichung einer gewissen Länge zu fructificiren. Ihre Fruetification wird dadurch eingeleitet, dass sie plötzlich die bisherige Gliederung in Langzellen aufgeben und nunmehr ihre Scheidewände in auffallend kurzen Abständen inseriren (Taf. 3. Fig. 2 bei t). So entstehen nahezu isodiametrische Zellen, deren Zahl gewöhnlich über acht bis zehn nicht hinausgeht. Nunmehr lassen sich an jeder fructificativen Hyphe zwei Theile unterscheiden, ein langer, basaler, aus Langzellen aufgebauter, und ein kurzer, terminaler T'heil, welcher aus Kurzzellen besteht (Taf. 3. Fig. 2, > bei t). Diese terminale Region liegt bemerkenswertherweise bei allen Hyphen eines Büschels in gleicher Höhe (Taf. 3, Fig. 2t, Fig. 3, 4), eine, wie wir später erkennen werden, wichtige Regel, von der nur ab und zu sich eine Ausnahme findet. Hier nun tritt die Fructification ein und zwar in der Weise, dass aus den unteren Kurzzellen kurze Seitenzweige in meist acropetaler Folge angelegt werden, die nach scharfer Umbiegung sich der Mutterhyphe eng anschmiegen, - ja sogar mit ihr verwachsen können (Taf. 3. Fig. 2—6 bei r). Bisweilen aber biegt sich der älteste dieser Zweige ab und treibt seinerseits Aestchen, die sich an ihn anschmiegen. Auffallend ist es, dass diese Zweigbildung meist einseitswendig erfolgt (Taf. 3. Fig. 3, 4). Alle Zweige der terminalen Region, gleichviel welcher Ordnung, zeigen die Tiendenz, möglichst bald die gleiche Höhe mit der Mutterhyphe zu erreichen (Taf. 3. Fig. 4—6). An den oberen nicht zweigbildenden Zellen der letzteren nun tritt die Sporenbildung 6).” Ebenso verhalten sich die auf, meist lateral, aber auch terminal (Fig. 3 gleichfalls kurzgliedrigen Zweige und Aestchen (Fig. 3, 4). Die Abschnürung erfolgt, was besonders hervorzuheben ist, gleich- falls einseitswendig (Taf. 3. Fig. 3, 4). Die seitlichen Sporen entstehen dicht unterhalb der Scheidewände und, wie die terminalen, als winzige kugelige Ausstülpungen. Sie wachsen zu kleinen, stäbchenförmig-ellipsoidischen Körper- chen heran, die nicht nur in ihrer Form, ihrer Grösse, ihrem Inhalt, ihrer Membran, sondern auch in ihrem Verhalten bei der Keimung sich als voll- kommen identisch erweisen mit der Microstylospore, von der die Cultur ihren Ausgang nahm. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 21) 275 Die Träger verdicken und bräunen allmählich ihre Membranen: die sehr plasmareichen, daher stark lichtbrechenden Enden der Hyphen und Zweige bleiben von diesen Vorgängen verschont (Taf. 3. Fig. 3—6). Auf derjenigen Seite von Hyphen und Seitenzweigen, wo die Sporenabschnürung erfolgt, ver- eallerten die Membranen, auf der entgegengesetzten Seite verdieken sie sich ein wenig, daher die oft auffallende Krümmung solcher Theile (Taf. 3. Fig. 3, 4). Durch die Gallertbildung an jenen Zellen und an der Sporenmembran selbst können die abgeschnürten Sporen am Herabfallen gehindert werden. Sie sam- meln sich alsdann an und zwischen den abschnürenden Theilen an (Taf. 3. Fig. 4 und 7). Zählt man die an einem Zweigsystem gebildeten Sporen, so erhält man eine Zahl, die grösser ist, als die Summe der abschnürenden Zellen. Schon hieraus geht hervor, dass die Abschnürung an derselben Zelle mehr als einmal erfolgen muss. Mittelst Anwendung der feuchten Kammer aber liess sich direet beobachten, dass sie mindestens 5—10mal erfolgen kann. ; Die bei allen Hyphen in gleicher Höhe auftretende Kurzzellenregion, die einseitswendige Veranlagung der terminalen Zweige, die Einseitswendigkeit der Sporenabschnürung, die wiederholte Sporenabsehnürung, die Vergallertung der fructificativen Zellen an der Sporen abschnürenden Seite, die Membran- vergallertung der Sporen selbst: alles dies sind Momente, welche das Ver- ständniss für die weiteren Beobachtungen wesentlich erleichtern werden und aus diesem Grunde einer specielleren Beachtung werth sind. Welche Bezeichnung soll man nun dieser Fructification beilegen? Offenbar liegen hier Organe vor, welche rücksichtlich ihres morpho- logischen Aufbaues von typischen Conidienträgern durchaus nicht wesentlich verschieden sind. Sie sollen daher in Folgendem kurz als „Conidienbüschel“ bezeichnet werden. Wir stehen also hier vor dem Ergebniss, dass eine Stylospore ein Mycel hervorzubringen im Stande ist mit ausgesprochener Conidienbildung, mit einer Fructification also, die von der Pyenidenfrucht ohne Zweifel total verschieden erscheint. Bisher scheint es noch keinem der zahlreichen Fumagobeachter, unter denen Tulasne obenan steht, geglückt zu sein, diese Conidienbischel spontan anzutreffen; auch mir ist es nur erst emige Male gelungen, sie im Frühjahre 276 Dr. W. Zopf. (p. 22) und zwar auf Pflanzen des Berliner Palmenhauses zu beobachten, hier aber in grosser Anzahl; sie im Freien aufzufinden habe ich vergebens Zeit und Mühe geopfert. B. Conidienbündel. Anstatt früher oder später zu isolirt fruetificirenden Trägern zu wer- den, bleiben die von den Primordien sich erhebenden Hyphen in der Mehrzahl der Fälle dicht zusammen und eng aneinander geschmiegt, überdies durch Anastomosen, wie Mycelstränge, unter sich noch fester verbunden, wachsen sie heran, in ihrer Gesammtheit einen mehr oder minder schlanken Kegel dar- stellend (Taf. 2. Fig. 23, 25—2%7).1) Jede der ihn constituirenden Hyphen besteht aus Langzellen, entspricht also einem isolirten Träger der Büschel. Von der Basis des Kegels aus strahlen nach allen Richtungen hin, in der Ebene des Mycels verlaufend und unter sich oft anastomosirend, die bereits bekannten secundären Hyphen (Rhizoiden) (Taf. 2. Fig. 25—27 rh). Nach Erreichung einer gewissen Länge geben die Hyphen des Kegels, die, wie die Hyphen der „Biischel“, das Bestreben zeigen, in möglichst gleicher Höhe zu enden (Taf. 3. Fig. 25 Zellen auf und bilden, während sie eng mit einander vereinigt bleiben, die bei 27), die bisherige Gliederung in langgestreckte der Büschelformation bereits beschriebene Kurzzellenregion (Taf. 3. Fig. 9 bis 14 und 15 bei t; Taf. 4. Fig. 7). Unterhalb deren Querwände entwickeln sich die uns schon bekannten Kurzzweige (dieselben Figg. bei r und Taf. 4. Fig. 7r). Sie drängen sich meist in tangentialer, seltener aber auch in radialer Richtung zwischen die Hyphen ein. In Folge dieses Vorganges bekömmt das anfangs schlanke Ende des Kegels eine kopfförmige Anschwellung, die mit 1) Solche kegeligen Hyphencomplexe, die nur erst halbfertige Zustände der gleich näher zu beschreibenden Fructification darstellen, hat man für fertige Fruchtformen gehalten und ein besonderes Genus, Syncladium, für dieselben creirt. Rabenhorst (Hedwigia II pag. 19 cum icone), der diese Zustände zuerst sah, stellt sie in seiner Zeichnung so dar, als ob sie sich aufwärts biegende Stränge von Mycelfäden seien. Diese Deutung ist leicht zu verzeihen, da es an trockenem Material — und Rabenhorst hat über lebendes jedenfalls nicht verfügen können — grosse Schwierigkeiten hat, die Verhältnisse richtig zu beurtheilen, Schwierigkeiten, die man an Objeetträgereulturen, wegen ihrer Klarheit, gar nicht kennt. Das Formgenus Syneladium hat also seine Existenzberechtigung verloren. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 23) 277 der grösser werdenden Zahl der sich einschiebenden Zweige immer entschiedener hervortritt (Taf. 3. Fig. S, 10, 9—15). Das Ganze sieht jetzt einem Spiel- kegel ähnlich. Wie das Sicheinschieben und das Sichzusammenschmiegen der Zweige erfolgt, davon kann man sich oft schon an isolirten Trägern, wie sie beim „Büschel“ vorhanden, ein Bild machen, wie Taf. 3. Fig. 11 und S (der rechte Träger) zeigt. f Noch ist der Scheitel des „Köpfehens“, so wollen wir das obere Ende bezeichnen, vollkommen geschlossen. Die Vermehrung und Verlängerung der sich eindrängenden Zweige aber hat zur Folge eine schliessliche Sprengung desselben. Wie eine Knospe öffnet es sich und seine Hyphen und Zweige treten etwas auseinander (Taf. 3. Fig. 12). Wahrscheinlich wird ihre T'ren- nung am Scheitel mit ermöglicht durch eine Vergallertung der Membranen. Häufig schlagen sich die peripherischen Enden mehr oder weniger zurück (Fig. 13), und nunmehr ist das vorher geschlossene Köpfchen in ein offenes Gebilde verwandelt, das in seiner äusseren Form einigermaassen an ein Com- positenkörbehen erinnert. Die ganze Fructification sieht jetzt wie ein Pinsel aus (Fig. 13). Aus dem Innern des Köpfchens ragen — wie man sich durch einen Blick von oben (Fig. 14) leicht überzeugen kann —- bisweilen einzelne jener radial eingeschobenen Seitenzweige (r) mit ihren Enden hervor, die wie die übrigen Elemente des Köpfchens terminal und lateral ihre Conidien in das Innere des Behälters abschnüren. Da die Abschnürung, wie bei den Conidienbüscheln, wiederholt erfolgt. so häufen sich natürlich auf dem Köpfchen "ansehnliche Conidienmassen in Form eines abgerundeten oft kugeligen Haufens an (Taf. 1. Fig. 5a Tat. 4. Fig. 3, 9). Sie werden zusammengehalten durch die Gallerte, welche als zarter Hof jede Conidie umhüllt. Hält man die Culturen hinreichend feucht, so umgiebt sich der Haufe mit einer kugeligen Wasserhülle, in welcher die vorher dicht zusammengelagerten Conidien nunmehr suspendirt sind (Tat. 1. Fig. 5a). Bringt man eine Objectträgereultur aus dem feuchten Raume un- bedeckt unter das Mikroskop, so erzeugt die Verdunstung in dem Tropfen eine lebhafte Rotation, welche, bald in diesem, bald in jenem Sinne erfolgend, die Conidien nach den verschiedensten Richtungen hin mit sich reisst und so lange andauert, bis alles Wasser verdunstet ist. Jetzt liegen die Conidien wiederum in compacter Masse beisammen. Haucht man nun die Cultur wiederum einige # 278 De.«W. Zope pie) Zeit an, so bildet sich schnell abermals jene rotirende Wasserkugel, die oft solche Dimensionen annimmt, dass sie, auf dem Köpfehen nicht mehr Platz findend, herabfliesst. In fast ganz trockner Luft liess sich ihre Bildung nicht erzielen. Aus diesen Experimenten geht wohl hervor, dass die Wassermasse nicht etwa, wie bei anderen Pilzen, von den fructificativen Organen oder von den Conidien selbst abgeschieden wird, sondern lediglich als Niederschlag aus der feuchten Atmosphäre aufzufassen ist. Offenbar besitzt die Gallerthülle der Conidien eine ebensogrosse Imbibitionsfähigkeit für Wasser, wie der Gallertmantel der mycelialen Hyphen (nach dem früher dargelegten Experiment). Das so schnelle Entstehen der Wasserkugel ist daher wohl leicht erklärlich. In Form, Grösse, Membran und Inhalt zeigen die Uonidien ganz genau (dieselben Eigenschaften wie die Stylospore und die Conidie der Büschel. Bringt man die eben charakterisirte Fruchtform in Vergleich zu den Conidienbüscheln, so stellt sich sofort heraus, dass sich beide Formen aus ganz denselben Elementen aufbauen: dem langzelligen Träger und der terminalen, fruetificativen Kurzzellenregion. Man braucht sich nur die divergirenden Träger der Conidienbüschel ganz dicht zusammengelegt zu denken, so zwar, dass die einseitswendigen Conidien (und theilweise auch die Zweige) nach innen zu liegen kommen, und man erhält ein Gebilde, wie es soeben beschrieben. Im Grunde also ist diese Fruetification nichts anderes als ein geschlossenes und dadurch nur mehr individualisirtes Conidienbüschel, für das, um in der Folge einen kurzen Ausdruck zu haben, die Bezeichnung „Conidien-Bündel“ in Anwendung gebracht werden soll. Kine absolut scharfe Grenze zwischen Conidienbündel und „Conidien- büschel“ zu ziehen ist allerdings unmöglich, da sich hin und wieder ein oder mehrere Hyphen vom Bündel frühzeitig loslösen, um zu T'heilbündeln vereinigt oder auch ganz isolirt für sich zu fruetifieiren (Taf. 3. Fig. 8,9), und so findet man Bündel, die in 2—4 dünnere gespalten sind, deren jedes ein allseitig entwickeltes Köpfchen produeirt (Taf. 4. Fig. 6). Nichts desto weniger empfiehlt es sich zum Zwecke klarerer Darstellung, beide Formen auseinander zu halten. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 25) 279 Es lassen sich an dem pinselförmigen Bündel nach dem Mitgetheilten zwei T'heile unterscheiden: der Stiel, aus meist parallel, bald gerade, bald gedreht verlaufenden Hyphen mit längeren Zellen bestehend, und das Köpf- chen, das, aus Kurzzellen gebildet, die Hyphenstructur meist weniger deutlich aufweist und vom Stiel mehr oder minder abgesetzt erscheint (Taf. 3. Fig. 12, 13, 15). Die Stielhyphen sind gewöhnlich so fest mit einander vereinigt, dass es nur in seltenen Fällen gelingt, sie mit Hilfe mechanischer Mittel zu isoliren. Ihre Anzahl ist, je nachdem der Stiel mehr graeil oder mehr compact erscheint, eine sehr schwankende (Taf. 3. Fig. 12, 13). Das Minimum beträgt 2, das Maximum 15 und mehr. Bündel letzterer Art repräsentiren schon ziemlich stattliche Fruchtkörper. Bemerkenswerth ist das Factum, dass die Bündel, ebenso wie die Büschel, nie aus nur einer Traghyphe, durch Verzweigung derselben, hervor- gehen (was ja leicht denkbar wäre), sondern stets aus mindestens zwei Hyphen, die aber, wie wir sahen, in letzter Instanz von nur einer mycelialen Zelle entspringen, nachdem dieselbe in Folge von Theilungen zu einem bald faden-, bald flächenförmigen Primordium geworden ist. Bei geschlossenen Bündeln anderer Pilze dagegen, die ich vergleichs- weise ceultivirte, zB. Stysanus Stemonitis Corda und Graphiumarten!) (ohne Zweifel wohl auch bei den Stilbumformen ete.), geht die Formation der Regel nach von einem einzigen sich verzweigenden Tragfaden aus. ?) Hin und wieder bilden die Conidienbündel nicht, wie in den bisher betrachteten normalen Fällen, vertical zum Mycel sich erhebende, von einem wohlausgebildeten Köpfchen gekrönte säulchenartige Körper, sondern flache Bänder, welche bemerkenswerther Weise nicht in die Luft ragen, sondern vielmehr in der Ebene des Mycels verlaufen, dem Objeetträger dicht an- geschmiegt (Taf. 4. Fig. 1, 2). Ihre Membranen vergallerten ebenso stark wie gewöhnliche Mycelhyphen, was eben darin liegt, dass sie innerhalb der !) Ausführlichere Mittheilungen über diese Formen behalte ich mir vor. 2) Bekanntlich kann man auch Zenieillium und Aspergillus glaueus zur Bildung von Conidienträgereomplexen (Coremien) veranlassen, diese aber entstehen nicht aus einer gemein- samen Mycelzelle, resp. durch Verzweigung eines Trägers, sondern aus ganz verschiedenen Hyphen angehörigen, nur mehr oder weniger benachbarten Mycelzellen, sind also nicht als individualisirte Bündel in dem hier angewandten Sinne anzusprechen. Nova Acta XL. Nt. 7. 36 280 Dr. W. Zopf. (p. 26) Nährflüssigkeitsschicht liegen. Ihr fertiles Ende, wenn es sich nicht empor- biegt (wie etwa bei Fig. 2 |der dunkle Theil), bildet sich nicht zu einem vollkommenen Köpfchen aus, sondern bleibt in Folge der nur spärlichen Inser- tion von fructificativen Kurzzweigen rudimentär (Taf. 4. Fig. Ik). Ragt es iiber die Nährschicht hinaus, so entwickelt es sich normal (Taf. 4. Fig. 2 [der dunkle, köpfehentragende 'Theil]). Diese Bildungen machen auf den ersten Blick oft einen ziemlich fremd- artigen Eindruck. Sie erinnern sehr lebhaft an die oben beschriebenen band- artigen Mycelstränge und halten gewissermaassen die Mitte zwischen diesen und den in die Luft hineinwachsenden normalen Conidienbündeln. Man könnte sich vorstellen, es seien zufällig umgestürzte Bündel, allein dann müssten sie die Form derselben haben, was nach dem Gesagten nicht der Fall. Es lässt sich ferner an Objeetträgerculturen gar leicht die instruetive Beobachtung machen, dass hin und wieder ein einzelner Träger vom Bündel sich ablöst und anstatt fructificativ zu werden, sich durchaus mycelartig verzweigt! (Taf. 4. Fig. 10 links bei m). Sollte nicht in solchen beachtenswerthen Vorkommnissen ein deutlicher Hinweis gegeben sein, dass man die Conidienbündel als fructifi- cativ gewordene Mycel-Stränge zu deuten habe, ähnlich wie man mit De Bary und Brefeld!) die einfachen Conidienträger als metamor- phosirte Mycel-Fäden betrachtet? Unterhält man die Objeetträgereulturen Monate hindurch, so kann man die Conidien-Bündel zu seitlichen Sprossungen veranlassen, die bald am Stiel, bald am Köpfchen ihren Ursprung nehmen und zur Bildung seeundärer 3ündel führen (Taf. 4. Fig. 3, 5). Diese können ihrerseits neue, tertiäre, treiben ete. (Taf. 4. Fig. 4). So bekommt man schliesslich förmliche Frucht- stinde von gewöhnlich sympodialem Aufbau. Der Stiel der Conidienbündel, der, wie wir sahen, eine Combination von langzelligen Trägern darstellt, ist als blosser "Träger offenbar von ge- ringerer Bedeutung, als das von ihm getragene fructifieirende Köpfchen. Es wäre daher nicht zu verwundern, wenn dieser stielartige Theil, der gewöhnlich die an- sehnliche Länge von etwa 220 mikr. erreicht, unter Umständen eine Verkürzung 1) De Bary, Morphol. pag. 46. — Brefeld, Schimmelpilze II, pag. 30. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 2%) 281 erlitte, resp. ganz wegfiele. Fälle dieser Art treten nun in der That auf. Mit normalen Bündeln auf demselben Faden nämlich findet man andere, deren Köpfchen nur kurz gestielt sind und noch andere, die eines Stieles schon gänzlich entbehren, mithin unmittelbar dem Mycelfaden aufsitzen (Taf. 4. Fig. 11—15). In ihrer Tracht beim ersten Blick oft auffällig, sind sie doch eben nur Reduetionen gewöhnlicher Bündel auf den morphologisch und physiologisch wesentlichsten "Theil. Wie aus später mitzutheilenden Beobachtungen ersicht- lich, haben solche Reductionen ein gewisses morphologisches Interesse, was ihre kurze Erwähnung an dieser Stelle rechtfertigt. Mit zunehmendem Alter erhalten die Bündel eine von unten nach oben fortschreitende dunkelbraune Färbung, die schliesslich selbst die auf dem Köpfchen lagernde Sporenmasse nicht verschont, deren einzelne Conidien mittlerweile mehr oder minder bedeutend angeschwollen, jetzt fest mit einander verbunden sind (Taf. 4. Fig. 3, 9e). Genau mit den Eigenschaften wie auf dem Objectträger, wo sie in sehr grosser Anzahl und Ueppigkeit entstehen, treten die Conidienbündel auch spontan auf, ihre charakteristische Form, ihre gestaltliche Abgeschlossenheit machen sie zu einem auffallenden Object, das von den Fumago-Beobachtern sicherlich nicht unbeschrieben gelassen wäre, wenn es ihnen jemals zu Gesicht gekommen. Tulasne wenigstens lässt in seiner Carpologie!), wo er seine zahlreichen Beobachtungen über die verschiedenen Fruchtformen des Russthaues in Wort und Bild ausführlich mittheilt, keinerlei Andeutungen über ihre Existenz fallen. C Conidienfrüchte. Nalımen vielleicht schon die Conidienbündel hinsichtlich der Art und Weise ihres Aufbaues das Interesse des Lesers in Anspruch, so dürften das- selbe in noch höherem Maasse diejenigen Producte verdienen, welche durch eine weitere Ausbildung jener Formen hervorgerufen werden. Es wurde bereits im letzten Kapitel auf den Umstand hingewiesen, dass die freien Spitzen der das Köpfehen eonstituirenden Hyphen und Kurz- !) tome II, pag. 280 ft. 282 Dr. W. Zopf. (p. 28) zweige ihres Plasmareichthums und ihrer Zartheit wegen auf den Beschauer sofort den Eindruck machen, als sei ihr Spitzenwachsthum keineswegs schon zum Abschluss gekommen, als ständen ihnen vielmehr Mittel zu Gebote, das- selbe noch weiter fortzusetzen. Die nachstehenden Untersuchungen werden den Beweis liefern, dass dem in der That so ist. Jeberlässt man Objectträgereulturen, die bereits vollkommen ent- wickelte Bündel tragen, noch längere Zeit hindurch im feuchten Raume der Culturglocke sich selbst, so lässt sich an fast allen Bündeln ohne jede Mühe eonstatiren, dass die peripherischen Enden des Köpfchens sich zu Hyphen verlängern, das Köpfchen überwallend (Taf. 5. Fig. 1, 2). Hierbei geben sie gewöhnlich die für die Köpfchenregion charak- teristische Kurzzellenbildung auf, um sich in mehr gestreckte Zellen zu gliedern (Taf. 5. Fig. 1, 2a). Erst nach Erreichung einer gewissen Länge werden sie wiederum kurzgliederig (Fig. 2t) und bilden Kurzzweige (r) und Conidien nach ganz demselben Gesetz, wie die isolirten Träger der Büschel, von diesen nur dadurch verschieden, dass sie nicht unmittelbar vom Mycel, sondern vom Köpfchen des Bündels entspringen. Sie stellen also gewissermaassen ein Conidienbiischel auf dem Conidienbündel dar (Taf. 5. Fig. 2). Häufig tritt in ihrem Spitzenwachsthum selbst nach der Fruetification noch kein Stillstand ein, so dass man diese Ueberwallungsträger in 2, 3 selbst 4 Etagen über- einander anzutreffen vielfach Gelegenheit findet. (In Fig. 2B nur 2 Etagen.) Nach den Erfahrungen, die wir an den unmittelbar vom Mycel ent- springenden Conidienbüscheln machten, dass nämlich die Traghyphen bald isolirt bleiben, bald zu Bündeln combinirt auftreten, wird man vielleicht von vornherein erwarten, dass auch die durch Verlängerung der peripherischen Köpfchenenden hervorgegangenen Träger sich zu Bündeln vereinigen und in Köpfchen fructifieiren dürften. In dieser Erwartung wird man nicht getäuscht denn alle älteren Objeetträgerceulturen präsentiren eine stattliche Anzahl von Conidienbündeln, die von ein bis mehreren secundären gekrönt erscheinen (Taf. 5. Fig. 3a; Taf. 4. Fig. 6). Vorstehende T'hatsachen machten uns nur erst mit einem Modus der Ueberwallung bekannt, demjenigen nämlich, wie er sich vollzieht an Bündeln mit wohlausgebildetem, bereits fructifieirenden Köpfchen. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 29) 28 %s erübrigt noch, die Aufmerksamkeit auf einen anderen, ungleich wichtigeren Ueberwallungsvorgang hinzulenken. Viel früher als jener tritt er nämlich dänn schon ein, wenn das Köpfchen als solches erst in Bildung be- griffen ist, seine charakteristische Ausbildung und seine bauchige Form also noch nicht ganz erlangt hat (Taf. 5. Fig. 4). Seine Hyphen verlängern sich nämlich in verticaler Richtung zu Fäden, aber nicht zu isolirten, fructifieirenden, sondern zu einen soliden Cylinder oder Kegel bildenden, sterilen (Fig. 4h). Fest aneinandergeschmiegt wachsen sie weiter und weiter, schliesslich auseinander tretend und einen Wimperkranz bildend (Taf. 5. Fig. 6). Mittlerweile haben sich an dem dem Köpfchen entsprechenden "Theile (Fig. 4t) Veränderungen vollzogen, dahin gehend, dass durch tangentiale Ein- schiebung von Zweigen dasselbe vergrössert wurde (Taf. 5. Fig. 5, 6 bei t). Seine Kurzzellen dehnten sich hierauf in tangentialer Richtung (Taf. 5. Fig. 5, 6t) und bewirkten hierdurch die Entstehung eines Hohlraums im Innern, in welchem die Sporen abgeschnürt werden. Auch die Ueberwallungs- hyphen (h) dehnten sich etwas in tangentialer Richtung, wodurch das Zustande- kommen eines axilen Kanals möglich wurde, der zu dem Sporenraum führt. Wir stehen hier also vor dem Ergebniss, dass — und zwar durch einen ganz einfachen Ueberwallungsprocess — eine exocarpe Fruchtform in eine endocarpe, ein „Uonidienbündel“ in eine „Frucht“ umgewandelt werden kann. Obgleich mir eine Fülle von Material zu Gebote stand, habe ich eine Fruchtbildung durch Ueberwallung bereits fertiger fructificirender Bündel nie beobachten können. Ebenso verdient hervorgehoben zu werden, dass derjenige Ueberwallungsvorgang, der zur Fruchtbildung führt, stets sämmtliche jungen Bündel der Cultur ergriff, mochte dieselbe eine Objectträger- oder Massen- eultur sein. Ihrer äusseren Form nach lässt sich die Fumagofrucht am besten mit einer schlanken Bouteille vergleichen. Der Entstehung aus dem Bündel gemäss besteht sie aus drei leicht unterscheidbaren T’heilen: dem Stiel, dem sporen- bildenden Behälter und dem Hals (Taf. 5. Fig. 6). Der Stiel als derjenige Theil, welcher dem Träger des Bündels ent- spricht, erscheint in der Regel massig, eylindrisch bis schwach kegelförmig, # 284 Dr. W. Zopf. (p. 30) durchaus solid, von der Länge gewöhnlicher Bündelträger, aus meist parallel gelagerten, langzelligen Hyphen aufgebaut und von dunkelbrauner Farbe (Taf. 5. Fig. 6st). Der fertile, dem Köpfchen des Bündels entsprechende Behälter (t) ist meist stark bauchig, vom Stiele sich deutlich abhebend, im Aequator pellueid einschichtig, mit bald deutlicher, badd undeutlicher Hyphenstructur, aus sehr kurzen, etwa isodiametrischen Zellen aufgebaut und weniger gebräunt als der Stiel. Bei allen von mir untersuchten Exemplaren schnürten die Wandungszellen die Sporen unmittelbar ab, nicht auch, wie im Köpfchen mancher Bündel, auf ins Innere der Frucht hinein getriebenen Kurzzweigen (Sterigmen). Der Hals (h), das unmittelbarste Product der Ueberwallung, wird als schmalster Theil des Ganzen von einer im Vergleich zum Stiel geringeren Hyphenzahl gebildet, woraus folgt, dass von den Randhyphen des Köpfchens nur einzelne zur Ueberwallung verwandt werden. Von schlank eylindrischer oder kegeliger Form baut er sich, im Gegensatz zum sporenbildenden Gehäuse, gegen das er meist scharf abgesetzt erscheint, aus schmäleren, gestrecktzelligen, nach oben sich verjüngenden Hyphen auf, die, schliesslich an ihren hyalinen Enden durch eintretende Membranvergallertung frei werdend und sich im Bogen zurückkrimmend, um die Mündung des axilen Halskanals einen zierlichen Cilienkranz darstellen (Fig. 6k). Legt man eine Frucht mit noch nicht allzustark gebräuntem, also noch durchscheinendem Halse in einen Wassertropfen, so lässt sich deutlich beob- achten, wie vom Innern des Gehäuses aus die einzelnen Sporen mit ziemlicher Geschwindigkeit den engen Miündungskanal passiren und sich vor der Oeffnung in ansehnlichen Massen ablagern. Nach.den früher mitgetheilten Erfahrungen bietet die Erklärung dieser Eruption keinerlei Schwierigkeiten. Wir sahen nämlich bereits bei Besprechung der Conidienbüschel, dass sowohl die Conidien selbst von einem äusserst zarten Gallerthof‘ umhüllt sind, als auch die Wandungen der eonidienbildenden "Theile einem Vergallertungsprocess unter- liegen, der an der sporenabschnürenden Seite (die beim Köpfchen des Bündels und bei der Frucht nach innen gelegen) erfolgt. Es wurde ferner durch das Experiment gezeigt, dass die auf dem Köpfchen des Bündels sich ansammelnde Sporenmasse, resp. deren Gallert eine grosse Anziehungskraft für Wasser be- Die Oomidienfrüchte von Fumago. (p. 31) 285 sitze, das in die Gallertmasse eingelagert wird und deren Volumen vergrössert. Wenn wir also bei der Frucht, nach deren Einbringen in Wasser, die Sporen sofort aus dem Innern heraustreten sehen, so ist es offenbar die von den Sporen und sporenabschnürenden Theilen herrührende aufquellende Gallert, welche diesen Austritt bewerkstelligt. Vor der gefransten Mündung sammeln sich die Sporen in einem kugeligen Schleimtropfen an (Taf. 6. Fig. 1a), der solche Dimensionen annimmt, dass es mittelst einer feinen, abgekochten Nadel gelingt, ihn vollkommen rein abzuheben. Auf letztere Art gewann ich mein Culturmaterial. Objectträger- mycelien, auf denen sich zahlreiche Früchte entwickelt hatten, erschienen nach Entleerung der letzteren wie mit Hunderten glänzender Thautröpfehen über- säet. Eine Andeutung giebt Taf. 6. Fig. 1. Bei Verdunstung oder erneuter Wasserzufuhr zeigt der auf dem Gipfel der Frucht schwebende stark licht- brechende "Tropfen die schon bei den Bündeln erwähnte Rotation. Da die Sporenanzahl einer einzigen Frucht je nach der Grösse der- selben sich auf mehrere bis viele Hunderte belaufen kann, so werden natürlich in einer einzigen Cultur Hunderttausende von Sporen erzeugt, und fast möchte man es unbegreiflich finden, wie die ausgesäete Spore aus der geringen Menge 3) vorhanden ist, von Nährstoffen, welche in den wenigen Uulturtropfen (2 neben der Mycelmasse und den Fruchtkörpern selbst auch noch eine solche Fülle von Sporen zu produciren vermag. Was nun die einzelne Fruchtspore betrifft, so zeigt sie in allen Punkten die vollständigste Uebereinstimmung mit den Conidien der Büschel und Bündel, erfährt also innerhalb der Frucht keinerlei Ver- änderungen. Dagegen kommt es vor, dass die bereits ausgetretenen Sporen ver- schiedener Speeimina in Grösse und Gestalt variiren. Dieser Umstand findet seine Erklärung einfach darin. dass sich die Sporen schon kurze Frist nach der Eruption zur Keimung anschicken, d. h. etwas anschwellen oder sich ein wenig verlängern. Bei Individuen, deren Sporenmasse länger als einen Tag vor der Mündung liest, kann man daher stets sicher sein, die Sporen schon nicht mehr in ganz normalen Dimensionen zu finden. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, Messungen unmittelbar nach der Entleerung vorzunehmen. 286 Dr. W. Zopf. (p. 32) In grossen Mengen in ein flüssiges Medium irgend welcher Art ge- bracht, ordnen sich die winzigen Körperchen in oft sehr lange und dabei gefällig hin und her gebogene zierliche Bänder, indem sie sich mit ihrer Breit- seite dicht aneinanderlagern (eine Erscheinung, die wohl nur auf Adhäsion beruht und auch bei ähnlich gestalteten winzigen Sporen anderer Pilze beob- achtet werden kann). Doch treten die Körperchen nie so dicht zusammen, dass sich ihre Membranen berühren, einfach deswegen nicht, weil ihr zartes Gallertkleid es verhindert (Taf. 1. Fig. 1). Eine klare Einsicht in die oben erwähnten Strueturverhältnisse zu geben, können selbst im Freien gewachsene Früchte dienen, vorausgesetzt, dass sie nicht bereits in gar zu hohe Altersstadien übergetreten sind, wo die allmählich bis zu tiefem Russschwarz vorschreitende Bräunung im Verein mit häufigen secundären Aussprossungen in Form von kurzen, meist knorrigen Hyphen dieselben total verwischen. Tulasne, der unsere Früchte in fertigen Zuständen untersuchte und, wie bereits erwähnt, als „Spermogonien“ beschrieb, hat — wahrscheinlich aus eben erwähntem Grunde — nicht Gelegenheit gefunden, sich von diesen Structurverhältnissen Kenntniss zu verschaffen, sonst würde er, in Anbetracht ihrer Wichtigkeit, derselben sicher in seiner Beschreibung Erwähnung gethan haben. Indessen tritt in seinen Zeichnungen !) wenigstens die Hyphenstruetur ziemlich deutlich hervor. Uebrigens sind, wie mir scheint, auch die Formen, die er abbildet, nicht die typischen; nach meinen Erfahrungen wenigstens, an in grossem Maassstabe hergestellten, prächtigen Objeetträgereulturen nicht bloss, sondern auch an üppigem spontanen Materiale ist die forma typica die Bouteillenfrucht. Nach Ueberschreitung einer gewissen Altersgrenze finden, wie bereits angedeutet, an der Wandung der Fumagofrüchte vielfach. Neubildungen statt, die einerseits in der Aussendung jener knorrigen Einzelhyphen (Taf. 6. Fig. 2—6) bestehen, andererseits zu secundären Fruchtbildungen führen (Fig. 2, 3, 5, 6). An ganz beliebigen Stellen der Fruchtoberfläche, bald am Stiel, bald am Sporenbehälter, bald am Halse hervorsprossend, gehen die letz- teren, die übrigens in ihrem Aufbau den primären vollkommen gleich sind, 1) 1. c. Tab. XXXIV, fig. 14. Die Conidienfrüchte von Fumago.. (p. 33) 287 meist nahezu rechtwinkelig ab. Aus den secundären können unter Umständen tertiäre, aus diesen quaternäre etc. ihren Ursprung nehmen (Taf. 6. Fig. 2,5, 6, pr-pr — primäre, ss — secundäre, tt — tertiäre). Auf diesem Wege kommen, wie bei den Bündeln, ganze Systeme von Sprossgenerationen zu Stande, die noch viel häufiger als auf dem Objeetträger spontan anzutreffen sind. Es erinnern diese Verhältnisse in gewisser Beziehung an die Sprossgenerationen von Coprinus.}) Nachdem wir Kenntniss genommen von den Eigenschaften derjenigen Früchte, welche der Ueberwallung gewöhnlicher schlanker Biindel mit aus- sebildetem Träger ihren Ursprung verdanken, erübrigt es schliesslich noch, solche Ueberwallungsproduete kennen zu lernen, die aus Bündeln mit nur gering oder selbst gar nicht entwickeltem Träger (Taf. 4. Fig. 11—15) hervorgegangen sind. Solche Fruchtformen treten an Zahl gegen die Bouteillenfrüchte in der Regel zurück, indessen erhält man auch hin und wieder Objeetträgerculturen, in denen sie fast oder ganz ausschliesslich zur Bildung gelangen. Ihrer Entstehung gemäss sind solche Früchte bald nur kurz gestielt (Taf. 5. Fig. 9), bald vollkommen stiellos, so dass im letzteren Falle der Sporenbehälter unmittelbar dem Mycelium aufsitzt (Taf. 5. Fig. 10, 11, 8). Kommt bei der Ueberwallung fast oder ganz ungestielter Bündelformen ein langer Hals zu Stande, so entstehen Gebilde von glaskolbenähnlicher Ge- stalt (Taf. 5. Fig. 9). Häufig aber unterbleibt diese Halsbildung vollständig, und in solchen Fällen findet man die zierliche Wimperkrone direct dem fertilen Gehäuse aufsitzend (Fig. 11, S). Auf diesem Wege entstehen sehr kleine rundliche, birn- oder eiförmige Früchte, die nur noch aus dem kurzzelligen Sporenbehälter bestehen, Langzellen also, wie sie im Stiel und Hals auftreten, nicht mehr bilden. Früchte solcher Art scheinen stets nur eine einschichtige oder höchstens zweischichtige Wandung zu besitzen (Fig. 10 optischer Durchschnitt). Häufig treten zwei Mündungen auf (Fig.sS) die auch an behalsten Formen zu finden sind (Fig. 7). Die Form- und Grössenunterschiede zwischen diesen kleinen Früchten und den oft über I mm langen, schlanken Bouteillenfrüchten sind auf den ersten Blick so bedeutend, dass man sich versucht fühlen könnte, zu glauben, 1) Brefeld, Schimmelpilze II. Nova Acta XL. Nr. 7. 3 —] 288 Dr. W. Zopf. (p. 34) es liege vielleicht eine Täuschung vor, verursacht durch die zufällige Ein- wanderung eines Parasiten in die Cultur. Aber dieser Verdacht hebt sich sofort, wenn man bei genauerem Studium sieht, wie beide, durch alle möglichen Uebergänge verbunden, auf demselben Mycelfaden wachsen (Taf. 6. Fig. 1, 7a. b); überdies lässt sich constatiren, dass die eine direct aus der anderen hervor- gehen kann durch blosse seitliche Sprossung (Taf. 6. Fig. 3). Die in vorstehenden Kapiteln niedergelegten Untersuchungen machen uns also mit der Thatsache bekannt, dass ungeschlechtliche Pilzfrüchte durch Ueberwallung von individualisirten Complexen ursprüng- lich einfacher, typischer Conidienträger entstehen können, mit anderen Worten, dass es „Uonidienfrüchte“ giebt. Diese T'hatsache, an der Hand einer möglichst lückenlosen, durch klare Objeetträgerculturen gewonnenen Entwickelungsreihe gezeigt, war bisher un- bekannt, !) und möchte wohl kaum ein Pilz gefunden werden, der in Bezug auf die Ueberwallungsvorgänge eine klarere Einsicht gestattete, als eben der Gegenstand dieser Abhandlung. 2) !) In der Junisitzung (1876) des Bot. Ver. der Prov. Brandenb. entgegnete Herr Dr. Magnus auf meinen diesbezüglichen Vortrag mit der Behauptung, dass sich auch bei den Uredineen vielfach Uebergänge fünden von Lagern von Conidienträgern zu behüllten Frucht- körpern. Er führte hierfür als Beweis an, dass die Aecidium-Fructification bei Phrag- midium einfache Lager sporenabschnürender Sterigmen, bei vielen (aeoma-Arten ebensolche von Paraphysen umgeben darstelle und bei den meisten Uredineen von einer geschlossenen Peridie umgeben sei. Ferner erwähnte er, dass er nachgewiesen habe, dass sich die Spermo- gonienlager zu behüllten Spermogonien entwickelten. Zu meinem Bedauern habe ich indessen weder in den nur in Form von kleinen Notizen ohne Abbildungen gegebenen Publicationen des Herrn Dr. Magnus, noch im der übrigen Literatur über diesen Gegenstand einen exact wissenschaftlichen Beweis für jene Behauptung zu finden vermocht, und möchte die An- sicht hegen, dass der Nachweis jener Uebergänge nur durch etwas umfangreichere, von Ab- bildungen begleitete Arbeiten geliefert werden kann. ED 2) Es dürfte hier der Ort sein, auf die Aehnlichkeit hinzuweisen, die zwischen den Hyphenfrüchten von Fumago und zwischen den Früchten des Cieinnobolus besteht. Aus De Bary’s klaren Abbildungen geht nämlich deutlich hervor, dass diese Früchte gleichfalls eine ausgesprochene Hyphenstructur besitzen. (Beiträge zur Morph. III, tab. 11, fig. 3—12.) Ich führe diesen Umstand an, weil er es nieht ganz unwahrscheinlich macht, dass die Creinno- bolus-Frucht gleichfalls aus Conidienbündeln entstanden ist, und die Cultur der Spore vielleicht Mycelien mit einfachen Conidienträgern ergeben wird. Meine diesjährigen Be- mühungen, frisches Sporenmaterial zu erhalten, waren erfolglos, sonst hätte ich diese Versuche schon selbst in Angriff genommen. Die Oonidienfrüchte von Fumago. (p. 35) 289 E. Gewebefrüchte. Mit den durch Ueberwallung entstandenen Conceptakeln auf demselben Mycel treten noch andere, sehr kleine Früchte auf, die von der selbst im aus- gebildeten Zustande noch deutlichen Hyphenstructur jener, weder in entwickel- ten, noch in halbreifen Stadien, irgend welche Andeutungen geben, vielmehr den Eindruck von parenchymatischen Zellkörpern machen. Solche Formen weichen meist auch habituell von jenen ab, und zwar einmal durch das Fehlen des Mündungskranzes, andererseits durch die Kürze in der Gestalt (Tat, 6. Big. 19, 22). Alle diese Beobachtungen waren geeignet, die Frage in Anregung zu bringen, ob denn die parenchymatischen Früchte sich nicht vielleicht auch aus Hyphen aufbauten (die nur später in derartige Verbindung mit einander getreten, dass sie als solche nicht mehr unterscheid- bar seien), oder ob sie auf anderem Wege, nämlich durch Theilung mycelialer Zellen nach verschiedenen Richtungen des Raumes — also als Gewebekörper — entstünden? (wie etwa die von Eidam !), Bauke?) und Brefeld) gefundenen Pyeniden.) Um in dieser Frage eine sichere Entscheidung treffen zu können, musste man im Wege der Cultur Mycelien zu gewinnen suchen, welche aus- schliesslich parenchymatische Früchte produeirten. Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang dies auch und zwar in dünnen Schichten zuckerreicher Nähr- lösungen auf dem Objectträger sowohl, als in der feuchten Kammer (nie in tiefen Nährtropfen). Das Studium der jungen Fruchtanlagen solcher Mycelien ergab nun folgendes Resultat: 1) Manche der Primordien lassen keinen Augenblick in Zweifel, dass sie nichts anderes sind als Complexe von Hyphen und zwar kurzen Hyphen. 2) Eidam, Ueber Pyeniden. Jahresbericht der schles. Gesellschaft für vat. Cult. 1875 und Tageblatt der 49. Naturforscherversamml. zu Hamburg 1876, pag. 111. 2) Bauke, |. c. j 3) Brefeld, Mycologische Untersuchungen ; in Tagebl. der Naturforschervers. zu Ham- burg 1876, pag. 111. Einf [So} Jo} oO Dr. W. Zopf. (p. 36) 2) Bei einer Anzahl von Anfängen konnte eine bestimmte Entscheidung, ob sie Kurzhyphenbildungen oder Gewebebildungen repräsentiren, nicht getroffen werden. 3) Zahlreiche andere Primordien schienen nur die Deutung zuzulassen, dass sie wirkliche Gewebekörper darstellen nach Art von Pyeniden. Man vergleiche mit diesen Ergebnissen Taf. 6. Fig. 13, 14, 15. Diese Primordien nehmen, wie die der Hyphenfrüchte, entweder an isolirten Mycelfäden (Fig. 10, 15, 17, 18) oder an zwei- bis mehrhyphigen Strängen ihren Ursprung (Taf. 6. Fig. S, 9, 11—14). Sie entstehen aus einer oder mehreren benachbarten Zellen (Fig. 8, 10). Bei Strangbildungen liegen letztere bald nur auf einer Hyphe des Stranges (Fig. S, 11), bald auf meh- reren (Fig. 9, 14). Zunächst gliedern sie sich durch Quersepten in ausser- ordentlich kurze Zellen (Fig. 9); diese schwellen an und inseriren der Axe “des Fadens parallel oder transversal verlaufende secundäre Wände (Fig. 8, 10). Hierauf scheinen T'heilungen in beliebigen Richtungen des Raumes zu erfolgen, welche zur Entstehung von rundlichen oder länglichen Körpern führen, wie sie in Fig. 13, 14—16 dargestellt wurden. Bei einem Vergleich dieser meiner Beobachtungen und der auf Taf. 6. Fig. S—15 gegebenen, in Anbetracht der Wichtigkeit des Gegenstandes mit besonderer Sorgfalt ausgeführten bildlichen Darstellungen mit dem, was Bauke über die ersten Entwickelungsstadien der Pyeniden von Cucurbitaria elon- gata!) mittheilt und auf Tab. XXVIH, fig. 14, 16,. XXIX, fie. 1-8, XXXIL fig. 1—5 abbildet, dürfte sich der Leser jedenfalls wundern über die frappante Aehnlichkeit, welche zwischen den Gewebeanfängen der Fumago- früchte einer- und den Anlagen typischer Gewebepyeniden andererseits besteht. Nicht minder auffallend erschien mir die Uebereinstimmung der in Frage stehenden Fumago-Objecte mit den Primordien derjenigen Gewebepycniden, welche von Brefeld auf den Selerotien von Peziza scelerotiorum?) ent- deckt wurden. Ich habe diese Primordien in den vom Autor mir gütigst zur Verfügung gestellten Originalzeichnungen und Originalpräparaten selbst gesehen. 1) Joe. eit. pag. 452: Die Bildung ete. 2). ce. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 3%) 291 Nach Eidam’s') Mittheilung scheint zwischen den Anfängen seines und meines Objeets eine morphologische Uebereinstimmung nicht minder wahr- scheinlich. Endlich kann ich mich bei Hervorhebung solcher Aehnlichkeits- fälle noch auf zwei von mir selbst auf faulenden Kartoffeln ete. aufgefundene neue Gewebepyeniden berufen, deren Cultur auf dem Objeetträger leicht gelingt. Nachdem die jungen Gewebekörper zu meist rundlichen oder länglichen, durchaus soliden (Fig. 18 im optischen Durchschnitt) Gebilden herangewachsen, tritt durch tangentiales Wachsthum der peripherischen Elemente ein centraler Hohlraum auf. Die diese Centralhöhle begrenzenden Zellen übernehmen nun die Function der Sporenabsehnürung, welche meist dicht unterhalb ihrer Scheide- wände erfolgt. Seitenzweige (Sterigmen, wenn man will), wie wir sie in dem Köpfchen der Bündel ab und zu antrafen und wie sie Bauke (l. ec.) bei einigen Gewebepyeniden fand, werden nie in das Innere hineingesandt. Da diese Verhältnisse an optischen Durchschnitten zu studiren die frühzeitige Bräunung der Wandung ein entschiedenes Hinderniss bietet, überhaupt Schnitte bei der Winzigkeit der Conceptakeln nicht den gewünschten Erfolg haben, so bleibt nichts anderes übrig, als dureh vorsichtiges Zerdrücken der kleinen Behälter sich den nöthigen Einblick zu verschaffen. Die Wandung erscheint, wie bei den kleinen Hyphenfrüchten, 2—1schichtig, bräunt sich sehr bald ziemlich stark und ist bei völlig reifen Exemplaren nur von einer Zelllage gebildet (Taf. 6. Fig. 20). So lange die Frucht geschlossen, zeigt sie etwa kugelige Form (Fig. 16), um erst bei Bildung ihrer Oeffnung etwas birn- oder eiförmig zu werden (Taf. 6. Fig. 19, 22). Haarbildungen treten an der Wandung nie auf. Die kleine rundliche Oeffnung (Taf. 6. Fig. 21st) kommt wie bei den langhalsigen Hyphenfrüchten, wo eine directe Beobachtung dieses Vorgangs möglich war, so auch hier dadurch zu Stande, dass die Membranen der am Scheitel liegenden Zellen vergallerten und letztere durch den Druck der einen Ausweg suchenden Sporenmasse auseinander getrieben werden (Fig. 22). Die Sporen, in allen Merkmalen auf das Genaueste mit den Öonidien der Büschel, Bündel und Hyphenfrüchte übereinstimmend, entstehen in grossen Massen und, nach der geringen Zellenzahl der Wandung des Conceptaculums zu schliessen, offenbar durch wiederholte Abschnürung. Ihr Austritt, der nicht, 292 Dr. W. Zopf. (p. 38) wie z. B. bei den Cytisporen der Fall, in einem Cirrhus, sondern, wie bei den früher beschriebenen Formen, in einem Schleimtropfen (Fig. 22C) erfolgt, wird bewirkt im feuchten Raume durch das Aufquellen der Gallert, welche, wie wir an den isolirten Trägern der Büschel direct wahrnehmen konnten, durch Auf- lösung äusserer Membranschichten der sporenabsehnürenden Theile sowohl, als der Sporen selbst entsteht. Stellen wir die Gewebefrüchte in Parallele mit den Hyphenfrüchten, so bekommen wir folgende Unterschiede: Während die grossen Hyphenfrüchte noch deutlich zweierlei Elemente aufweisen, nämlich Langhyphen mit Langzellen und Kurzhyphen mit Kurzzellen (jene an Stiel und Hals, diese am Sporenbehälter auf- tretend), so finden wir bei den kleinen rundlichen Hyphenfrüchten nur noch die kurzzelligen Kurzhyphen, Langhyphen mit Langzellen werden bereits nicht mehr gebildet. Bei den Gewebefrüchten ist auch die Bildung von Kurzhyphen nicht mehr erkennbar, man sieht infolge dessen einen Gewebekörper vor sich. Da nun aber Kurzhyphenfrüchte und Gewebefrüchte erwiesenermaassen demselben Mycel eigen sind, so wird man sich sagen müssen, dass die Unterschiede in der Entstehung beider Formen nicht gar grosse sein dürften, dass die scheinbare Gewebebildung im Grunde auch nur eine Kurzhyphenbildung ist, die für das Auge nur deshalb nicht mehr deutlich hervortritt, weil die Kurzzweige schon im Beginn ihrer Entstehung sich sehr eng mit ihren Mutterzellen verbinden. Dass in der That Kurzzweige sich nicht bloss an benachbarte Kurz- zweige sehr dieht anlegen, sondern auch sehr frühzeitig sich dieht an sie anschmiegende Kurzästchen zu treiben vermögen, habe ich mehrfach direct gesehen und verweise, um ein Beispiel zu geben, auf Taf. 6. Fig. 14a. b.c.d und Fig. 11a. Eine Stütze tür die Richtigkeit der eben dargelegten Auffassung würde auch die von Bauke!) ausgesprochene Behauptung, dass manche Pye- niden, nämlich die Diplodien, sich aus spiraligen Hyphen ent- wickeln, zu liefern im Stande sein, wenn nicht eigene Untersuchungen über 1) ]. c. pag. 476, Tab. 6, fig. 1, 3—5 u. pag. 492. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 39) 293 denselben Gegenstand mich zu einem anderen Resultate hätten gelangen lassen, das ich mir an einem anderen Orte vorzutragen erlauben werde. !) Wir dürfen also nach dem Vorausgehenden sagen, dass uns in den Gewebefriichten eine Fruchtform entgegentritt, welche nicht sowohl in ihren ersten Entwiekelungsstadien, sondern auch in dem weiteren Gange der Differen- zirung, sowie in der Art und Weise ihrer Sporenbildung (und in der äusseren Gestalt des Conceptaculums) denjenigen Früchten entspricht, welche man als „Pyeniden“?) zu bezeichnen pflegt, wenn sie auch, gegenüber den Formen der Hendersonien, Diplodien, Cytisporen und anderer, welche eine entwickeltere Wandung und besondere Sterigmen besitzen, vielleicht einen etwas einfacheren Bau zur Schau tragen. 1) Es scheint mir eine Pflicht gegen die Mycologen zu sein, wenn ich darauf auf- merksam mache, dass mit obiger Behauptung Bauke’s ein Theil der Schlussfolgerungen fällt, die ihm als Basis für weitere Deduetionen (Bot. Zeit. 1877. Ueber Entwickelung von Ascomy- cetenfrüchten) gedient haben. Letztere dürften daher mit Vorsicht aufzunehmen sein. 2) Auch Farlow |. c. pag. 407, Taf. I, fig. 3 bezeichnet diese Früchte als „Pye- niden“, freilich ohne für die Richtigkeit dieser Bezeichnung irgend welches keimungs- oder entwickelungsgeschichtliche Argument beizubringen. 294 Dr. W. Zopf. (p. 40) Zweiter Abschnitt. Mit der Frage nach dem morphologischen Autbau der Pyeniden-Mycelien und Früchte ist zugleich die Frage beantwortet: Wie entwickelt sich die Stylospore unter günstigen Nährverhältnissen? Auf Grund von Erfahrungen nun, die ich an gewissen anderen Pilzen gewonnen !), stellte ich mir noch eine zweite Frage, die nämlich, was denn aus den Stylosporen werden würde, wenn man die Nähr- bedingungen derart modificeire, dass die Erzeugung pyeniden- tragender Mycelien zur Unmöglichkeit werde? Die hierauf gerichteten Untersuchungen ergeben eine Reihe, wie ich glaube, bemerkenswerther T'hatsachen, deren Darlegung den Gegenstand dieses zweiten Abschnittes meiner Arbeit bilden soll.) 1) Vergl. meine vorläufigen Mittheilungen über UAaetomium im Sitzungsberichte des Bot. Ver. d. Prov. Brandenb. Juli 1877. 2) Wenn ich hier und im Folgenden immer den Ausdruck „Stylospore‘“ gebrauche, so ist dies in Anbetracht der nunmehrigen Thatsache, dass die Pyeniden von Fumago den End- punkt der oben dargelegten Reihe von Conidien tragenden Gebilden darstellen, im Grunde eine Inconsequenz, denn man sollte auch bei von Pycniden produeirten Sporen immer nur von Conidien reden, da sie morphologisch eben nichts anderes als Conidien sind. Allein so lange nicht die für die Nomenclatur der mannigfaltigen Sporenformen so sehr wünschens- werthe Reform geschaffen ist, wird man wohl oder übel gezwungen sein, eine so eingebürgerte Bezeichnung wie die der „Stylospore‘ vorläufig beizubehalten, da sonst, namentlich bei An- fängern, die bereits bestehende Confusion leicht noch vergrössert werden könnte. Die Conidienfrüchte von Fumagoe. (p. 41) 295 1. Hefebildung. In eine etwa 5procentige Zuckerlösung ausgesäet, pflegt die winzige Stylospore, an deren Stelle man übrigens auch die Conidie der Büschel oder Bündel verwenden kann, zunächst ihr Volumen um das Doppelte bis Mehrfache zu vergrössern (Taf. 7. Fig. 1). Mit dieser Anschwellung ist häufig eine Gestaltveränderung verknüpft, so dass neben gestreckten, fast eylindrischen, auch breitere, ellipsoidische oder ovale bis sphärische Formen anzutreffen sind (Taf. 7. Fig. Ib. c. d). Im Inhalt treten während dieser Volumenzunahme keinerlei wesentliche Veränderungen ein, das Plasma bleibt homogen, bleich, nur die beiden Oeltröpfchen treten bisweilen aus ihrer polaren Lage heraus (Fig. Ic, 2b). Aus der angeschwollenen Spore geht nun aber nicht, wie das unter günstigeren Nährbedingungen der Fall, ein zum Mycel heranwachsender Keimschlauch hervor, sondern sie schlägt einen tür die Stylospore doppelt eigenthümlichen Keimweg ein, den man als hefeartige Sprossung zu bezeichnen hat. Sie erfolgt in der Weise, dass an einem der Pole eine minutiöse Aus- stülpung ensteht, die, rasch heranwachsend und durch eine Scheidewand sich abgrenzend, in der Regel nicht die volle Grösse der Mutterzelle erreicht, wohl aber im Allgemeinen deren Gestalt nachahmt (Fig. 2, 4, welche Entwickelungs- reihen aus der Stylospore darstellen). Der Spross löst sich, fertig, sofort ab (Fig. 2e, 4c). Sein anfangs homogener Inhalt weist bald ein winziges Oel- tröpfehen auf (Fig. 5b. ce. d). Nach Abgliederung des stets terminalen Erstlingssprosses tritt lateral, aber in unmittelbarer Nähe des Poles ein neuer Vegetationspunkt auf (Fig. 2e, &c), nach dessen Ausbildung und Ablösung ein dritter, vierter folgt, welche gleich- falls um den Pol herum liegen. Soweit habe ich, wie aus der continuirlichen Entwiekelungsreihe in Fig. 2 und aus der gleichfalls durch direete Beobach- tung gewonnenen Fig. 5b. e. d hervorgeht, die Sprossung direet verfolgen können. Ob die Mutterzelle noch weitere Sprosse zu produeiren vermag, war mir direct nachzuweisen nicht möglich, ist aber um so wahrscheinlicher, als jene nach mehrmaliger Abschnürung keineswegs inhaltsärmer erscheint. Die Nova Acta XL. Nr. 7. 38 296 Dr. W. Zopf. (p. 42) Dimensionen der aufeinanderfolgenden Sprosse sind im Allgemeinen ungleich (Fig. 2, 5) und zwar stehen sie in geradem Verhältniss zur zeitlichen Auf- einanderfolge der letzteren, d. h. je später eine Sprosszelle entstand, desto kleiner erscheint sie (Fig. 2, 5). Die n Sprosse einer Microstylospore bilden die erste Generation (Fig. 5 b. ec. d.). Jedes dieser n Glieder treibt nun, wenn die Nährverhältnisse es ge- statten, seinerseits wiederum Sprosse (Fig, 3, eine Entwickelungsreihe aus einem Spross erster Generation darstellend) nach dem für die Stylospore be- schriebenen Modus. Die Gesammtsumme der Sprosse, welche direet von den n Gliedern der ersten Generation abstammen, stellt die zweite dar. Ihre Glieder sind im Allgemeinen von geringerer Grösse, als die der ersten. Die Glieder der zweiten Generation können eine dritte hervorbringen, in deren Gliedern sich wiederum eine Grössenabnahme gegen die vorausgehende Generation kundgiebt. Ob die Glieder dritter und späterer Generationen den Sprossprocess wiederholen, ist durch direete Beobachtung zu constatiren kaum möglich, da die Sprosszahl so sehr wächst und die Sprosse sich gegenseitig so sehr drängen und verschieben, dass schon die Versuche, einen Spross dritter Generation einige Zeit zu fixiren, vollkommen negativ ausfallen. Indessen dürfte der Umstand, dass man aus einem in frische Nähr- Hlüssigkeit ausgesäeten Spross ganz beliebiger Generation stets mehrere neue Generationen erhält, wohl entschieden darauf hinweisen, dass auch spätere Generationen sprossfähig sind. Die stetige Grössenabnahme der Generationen, die oft so weit geht dass die Sprosse auf einen Durchmesser von noch nicht I mikr. herabsinken also ums 5—10fache kleiner sind, als die Glieder erster Generation (Fig. 6, 7), bietet hierfür kein Hinderniss, da, wie ich auf Grund besonderer Beobachtungen und Messungen constatire, die Sprosse in erneuter Nährflüssigkeit einer mehr oder minder bedeutenden Anschwellung fähig sind. Im Inhalt der abgegliederten Sprosszellen erfolgt ziemlich früh die Aussonderung eines minutiösen, mit zunehmendem Alter allmählich sich ver- grössernden Oeltröpfchens (Fig. 5, 6), dessen Lichtbrechungsvermögen mit seinen Dimensionen zunimmt (Fig. 7, 8S—10). Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 43) 29 a 3 Je länger man ferner die Hefeeulturen stehen lässt, mit anderen Worten, je nährstoffärmer das Culturmedium wird, desto mehr greift, in Folge ihres Strebens nach Abrundung, eine Formwandelung der Sprosse Platz, die sich in der Ueberzahl der Fälle bis zur Annahme vollendeter Kugelform steigert (Fig. S—-10). Mit dieser Formveränderung zugleich wird an der Hefezelle eine Volumenänderung bemerkbar, so dass ihr Durchmesser schliesslich 6—7 mikr. erreichen kann (Fig. S—10). Auch die anfangs so zarte, hyaline Wandung der Sprosse erleidet mit der Zeit eine Modification, die sich in einer allmäh- lichen Verdickung von olivengrüner Färbung begleitet, ausprägt (Fig. S—10). Während alle diese Vorgänge sich vollziehen, gewinnt das bald centrisch, bald excentrisch gelagerte Oeltröpfchen, an dessen Stelle seltener zwei bis drei kleinere treten, immer mehr an Dimension, dergestalt, dass es schliesslich das Lumen der Sprosse entweder vollkommen oder doch nahezu ausfüllt; sein Lichtbrechungsvermögen wird hierbei natürlich entsprechend erhöht (Fig. 7, S—10). Der Eintritt des Dauerzustandes — denn ein solcher liegt in den eben dargelegten Veränderungen vor — darf bei den Hefezellen nicht Wunder neh- men, da, wie aus dem Früheren ersichtlich, in jeder Frumago-Zelle, mag sie vegetativer oder fruetificativer Natur sein, die Tendenz liegt, thunlichst bald in den Dauerzustand zu gelangen. Die Hefedauerzellen tragen in allen ihren Eigenschaften, der verdickten und gebräunten Membran und der reichen Oelablagerung, offenbar den Uha- rakter von Gemmen, von dem, was man gewöhnlich Gemmen nennt, nur dadurch unterschieden, dass sie nicht im Verband eines Mycels, sondern als vollkommen freie Zellen entstanden. Sämmtliche Sprosse meiner ausser- ordentlich zahlreichen. Culturen wurden schliesslich zu diesen freien Kugel- gemmen umgewandelt (Fig. 9). Wie nach dem Obigen bereits bekannt, findet unter gewöhnlichen Ver- hältnissen, d.h. wenn nicht ganz besondere Vorsichtsmassregeln in Anwendung kommen, unmittelbar nach der Bildung der Sprosse auch schon die Ablösung derselben statt. Schützt man indessen den Culturtropfen möglichst vor Ver- dunstung und Erschütterung, mit einem Worte vor Bewegung, so wird die Isolirung der Sprosse sistirt und dadurch die Formation von Sprossverbänden, 38* 298 Dr. W. Zopf. (p. 44) von Hefencolonieen erzielt, wie sie z. B. bereits für Saecharomyces und Exoascus!) bekannt sind. Bei dieser Colonieenbildung gehen die Sprossungen nieht nur von einem, sondern von beiden Polen der Stylospore aus (Fig. 11). Nicht jede Stelle der Spore ist fähig, weitere Vegetationspunkte abzugeben, vielmehr liegen die seit- lichen Sprosse immer in unmittelbarer Nähe der Scheidewand des ersten, ter- minalen Sprosses (Fig. 10). Dasselbe ist für die Seitensprosse späterer Gene- rationen zu bemerken. Auch bezüglich der Sprosscolonieen gilt im Allgemeinen das Gesetz, dass mit jeder späteren Generation die Dimensionen geringer werden (Fig. 11). Die Form der Sprossglieder ist im Allgemeinen eine breit ovale bis längliche (Fig. 11) im noch sprossfähigen Zustande seltener eine kugelige (Fig. 12). Im Inhalt, der anfangs nur homogenes Plasma von mattem An- sehen darstellt, lagert sich, wie bei den isolirten Sprosszellen, ein mit zuneh- mendem Alter an Grösse und Glanz immer mehr hervortretendes Oeltröpfehen ab, während die Membran an Dicke zunimmt. Die Hefenerzeugung gelang nicht blos in 5.0, Zuckerlösung, sondern selbst noch in ganz zuckerarmen Oulturflüssigkeiten. ja sogar in reinem Wasser. Auffallenderweise jedoch treten in letzteren Medien an Stelle der gewöhnlichen, breitrunden Formen, mehr schmale, oft ziemlich lang gestreckte auf (Fig. 4). Andererseits kann man aber auch in sehr zuckerreichen Nährmedien eine Sprossung erzielen, jedoch nur unter der Bedingung, dass eine möglichst grosse Anzahl von Stylosporen zur Verwendung kömmt, was wohl darin seine Er- klärung findet, dass durch die Massenaussaat in den Culturtropfen die Nähr- fähigkeit desselben schnell herabgestimmt wird. Bei Nichtbeachtung der an- geführten Vorsichtsmassregel macht man die Bemerkung, dass die Stylosporen statt zu Hefe zu fructificirenden Mycelien auswachsen. Sobald man erst mit den Bedingungen für die Hefebildung bekannt ist, gelingt es ohne Schwierigkeit, die Fumago-Hefe in grossen Massen zu erzeugen, sowohl auf halbfestem Substrat (z. B. ausgekochtem mit verdünnter Zucker- lösung sehr stark angefeuchtetem Brod), als auch in Flüssigkeiten von einigem Zuckergehalt. Solche Hefenmassen sind von schleimiger Consistenz und trüb- 1) De Bary, Beiträge I. Taf. 3. Fig. 13. Die Conidienfrüchte von Furmago. (p. 45) 299 milchweisser Farbe. Lässt man sie auf dem Objeetträger eintroeknen, so stellen sie eine zusammenhängende Haut dar, die sich als Ganzes ablösen lässt. Bekanntlich existirt bereits eine, wenn auch nur kleine Reihe von Pilzen, denen gleichfalls die Fähigkeit der Hefenerzeugung zukömmt. Dahin gehört vor Allem Saecharomyces, die Hefe par exeellencee, Mucor racemosus, Exoascus und Dematium pullulans.!) Unterzieht man die Pyenidenhefe einer näheren Vergleichung mit den Hefeprodueten dieser Pilze, so tritt eine gewisse Aehnlichkeit beiderlei Formen in Grösse, Gestalt und Verbindung der Sprosse zu Tage, zum "Theil in so auffälligem Maasse, dass sie unter Umständen leicht zu Verwechselungen An- lass zu bieten vermöchte. Man wird daher hinlängliche Garantieen verlangen, dass eine solche Verwechselung (es könnte sich hierbei eigentlich nur um Saccharomyces und Dematium pullulans handeln) hier vollkommenen Ausschluss findet. Solche Garantieen glaube ich nun in ausreichendem Maasse geben zu können, einmal durch Darlesung der angewandten Untersuchungsmethode, andererseits durch Hervorhebung der specifischen Unterschiede zwischen Fumago-Hefe einer- und den übrigen Hefeformen andererseits. Was zunächst die emgeschlagene Methode betrifft, so nahm sie nicht blos darauf Bedacht, eine absolute Reingewinnung des zu verwendenden Stylosporenmaterials anzustreben, sondern sie zielte vornehmlich auch dahin ab, die einzelne Stylospore in ihrem Verhalten mit Sicherheit tagelang ver- folgen zu können. Um das Erstere zu erreichen, wurden Pyeniden auf mit zuckerreicher Nährlösung gedüngtem Brod unter allen Vorsichtsmaassregeln erzogen in Ge- fässen, die bis zur Entnahme der Stylosporen nieht geöffnet wurden. Zur Reifezeit traten die Stylosporen aus den Fruchtbehältern hervor und sammelten sich vor deren Mindungen in grossen, dem Auge bequem sichtbaren, glän- zenden Tröpfehen an. — Mit einer feinen, stark abgekochten Nadel wurde nun ein solches Tröpfchen sorgfältig abgehoben und schnell auf einen Object- träger gebracht, der nach vorherigem Abglühen mit einem Tropfen ausge- !) Die von Woronin aufgefundenen Sprossungen der Sporen von Kxrobasidium Vaeinii (Naturf.-Ges. zu Freiburg, Bd. 4. Heft 4) tragen wohl einen rein fructificativen Charakter (Conidien) und führte ich sie deshalb hier nicht mit auf. 300 Dr. W. Zopf. (p. 46) kochten Pflaumendecoctes benetzt war. Nachdem die Stylosporen in dem Culturtropfen schnell vertheilt waren, wurde derselbe sofort in eine mit con- centrirter Schwefelsäure, Alkohol und ausgekochtem destillirten Wasser- sorg- fältig gereinigte Geisslerssche Kammer gesogen und durch schnelles Drehen des Apparats um seine Achse mehrere Male über die Wände desselben hin- weggespült, sodann die Mündung der Kammer zur Verhinderung des nach- träglichen Eintritts fremder Pilzkeime durch einen Flüssigkeitstropfen ver- schlossen. In Folge dieser Manipulation waren die Wände der Kammer Mit einer äusserst dünnen Schicht von Nährlösung überzogen, und in ihr lag nun hier und da eine einzelne Stylospore oder eine ganz kleine Gruppe von solchen eingebettet. Jetzt wurde die Wandung der Kammer gemustert, und als ich mich überzeugt hatte, dass bei der Aussaat fremde Pilzkeime nicht im den Apparat eingedrungen waren, erfolgte die Einstellung auf eine einzelne Stylo- spore, oder eine ganz kleine Gruppe derselben, welche ich nun, nachdem mit- telst Klammern eine Verschiebung unmöglich gemacht war, mehrere Tage hin- durch einer continuirlichen Beobachtung unterwarf. Ist die Nährschicht hinreichend dünn, so rührt sich die Stylospore nicht von der Stelle und man kann, wie ich das mehrfach gethan, dieselbe wochen- lang verfolgen. Aber auch schon die Eigenschaften der Fumago-Hefe an sich lassen sie nicht leicht zu einem Gegenstand der Verwechselung werden. Sie werden am leichtesten hervortreten im Vergleich mit obengenannten Hefenformen. Im Gegensatz zu Saccharomyces erscheint die Membran der noch sprossfähigen Glieder bei Fumago zarter contourirt, der plasmatische Inhalt viel bleicher. Einen höchst charakteristischen Unterschied bietet aber die Ablagerung von Oeltröpfehen, die bei gewöhnlicher Hefe stets vermisst wird, sowie die im späten Alter eintretende Verdiekung und Bräunung der Membran. Geht der Zuckergehalt des Nährmediums über einen gewissen Procentsatz hinaus, so sterben die Saccharomyces-Sprosse ab, die der Fumago dagegen vegetiren ungestört weiter. Während ferner Saccharomyces bekanntlich nie Keimschläuche treibt, ist, wie später noch darzuthun, jeder Fumago-Spross unter geeigneten Nähr- bedingungen fähig, fructifieirende Mycelien hervorzubringen. Auch liess sich Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. #7) 301 die für die gemeine Hefe so charakteristische Alkoholgährung mit Frrmago-Hefe nicht erzielen. Zwischen Eroascus- und Fumago-Hefe bestehen ähnliche Differenzen. Sie liegen auch hier in der Oelabsonderung, der Verdickung und Bräunung der Membran und der Keimfähigkeit, alles Eigenschaften, die nach De Bary!) den Exoascus- Sprossen vollkommen abgehen. In Bezug auf die äussere Gestalt der Sprossverbände jedoch, sowie betreffs der Form und Grösse der Sprosse herrscht zwischen beiden Pilzen die frappanteste Aehnlichkeit. Ein Gleiches gilt von der überall verbreiteten und in dieser Hinsicht mit Saccharomyces übereinstimmenden Dematium-Hefe.?) Doch lässt auch sie eine Verwechselung mit Zumago-Hefe kaum zu. Ihre Sprosse nämlich wachsen schnell zu braunen Gemmen oder kümmerlichen Mycelien heran und diese, in verdünnte Zuckerlösung gebracht, treiben mit Leichtigkeit sofort wiederum Sprosszellen. Zwar vermag auch die Fumago-Hefe unter Umständen massenhaft Gemmenketten zu bilden (was später noch ausführlicher beschrieben wird), allein diesen letzteren geht die für Dematium so charakteristische Eigenschaft des Sprossens vollkommen ab. Da die Hefebildung bei Fumago auf ziemlich schlechter Ernährung basirt, so lässt sich a priori erwarten, dass sie auch im Freien eintritt, wo, der Mitbewerbung anderer Pilze um das Substrat und anderer Gründe wegen, nur in selteneren Fällen günstigere Nährverhältnisse obwalten dürften. Diese Erwartung findet man denn auch bei Musterung der natürlichen Fumago-Substrate durchaus gerechtfertigt, und zwar sind es nicht blos die isolirten Sprosse, die man hier zwischen den Mycelhyphen antrifft, sondern selbst mehr oder minder complieirte Sprossverbände, wenn auch diese gegen die Masse jener Einzelsprosse, welche fast ausnahmslos Kugelgestalt besitzen und mit stattlichem Oeltropfen ausgestattet erscheinen, in der Minderzahl stehen. — Nach diesen leicht zu machenden Erfahrungen sollte man glauben, es müssten schon frühere Beobachter, wenn sie auch nur die Mycelien unter- suchten, die Fumago bereits als Hefebildner erkannt haben; allein die Literatur D) 1. e. pag. 50 ff. 2) De Bary, Morphol., pag. 183, und Löw: Dematium pullulans Pringsh. Jahrb. VI, 302 Dr. W. Zopf. (p. 45) giebt keinerlei sichere Andeutungen hierüber. Selbst Tulasne!) erwähnt nichts von Hefebildung. Allein die von ihm als „utrieuli“ 2) beschriebenen rundlichen, ölreichen Kugelzellen sind in der That nichts anderes, als meine Hefesprosse. Die etwaige Vermuthung, dass diese Körperchen in genetischer Beziehung zu den Mikrostylosporen stehen dürften, konnte freilich bei ihm gar nicht aut- kommen, aus dem einfachen Grunde nicht, weil er die Mikrostylosporen für „Spermatien“, also keimungs- und sprossungsunfähige Gebilde ansah. Für das Leben des Pilzes dürfte die Eigenthümlichkeit der Stylosporen, mit Leichtigkeit Hefe zu bilden, die in den Dauerzustand übergeht, von grösster Bedeutung sein, insofern nämlich, als er hierin ein Mittel besitzt, sich nieht nur leicht und schnell zu verbreiten, sondern auch unter den un- günstigsten Nährverhältnissen zu erhalten.?) 2. Myeodermenbildung. In eine Geissler'sche Kammer wurden unter sorgsamer Berücksichtigung der oben angeführten Vorsichtsmassregeln zahlreiche Stylosporen in etwa 5%, Zucker enthaltende Nährlösung ausgesäet, die Schenkel des Apparats, um fremde Sporen fern zu halten, zugeschmolzen und die Cultur sich selbst über- lassen. Nach Verlauf eines Monats hatten sich solche Mengen von Hefe ge- bildet, dass sie als trübmilchweisse Masse den Apparat zum 'T'heil erfüllte. Mit diesem Material, das, wie ich mich durch mikroskopische Musterung sicher überzeugte, vollkommen rein war, wurden nun verschiedene Versuche angestellt, die sich um die Frage drehten: Was wird aus den Hefezellen unter möglichst verschiedenen Nährbedingungen? I) Wurden nur wenige Hefezellen in eine Nährlösung ausgesäet, welche denselben reichen Zuckergehalt besass, wie die Flüssigkeiten, in Dalne: SDl-cspar 281. 3) Es sei ausdrücklich bemerkt, dass es trotz vieler sorgfältiger Versuche nie gelang, aus Mycelfragmenten der Pyeniden unmittelbar Hefesprosse zu erzeugen; sie wuchsen stets zu Keimschläuchen aus. Die Oonidienfrüchte von Fumago. (p. 49) 303 denen aus der Stylospore üppige Pyenidenmycelien gewonnen waren, so entwickelten sich stets pyenidentragende Mycelien. (Als mir auf einige Zeit frisches Stylosporenmaterial ausgegangen, habe ich ganze Reihen von Pyenidenculturen ausschliesslich durch Hefe- aussaat gewonnen.) 2) Auf Objeetträgern oder in Geissler'schen Kammern in einem möglichst tiefen Nährtropfen von schwachem Zuckergehalt gezüchtet, produeirte die Hefe nur wieder Hefesprosse. 3) War die Aussaathefe nicht in einem tiefen Nährtröpfen suspendirt, sondern in eine ganz dünne Schicht von schwacher Zuckerlösung gebettet, so dass sie dem Substrat (Kammerwandung, Object- träger) dicht anlag und die Luft zutreten konnte, so verhielt sie sich wesentlich anders. Diese Bedingungen liessen sich leicht in der Weise herstellen, dass man die betreffende mit Hefe versetzte Nährlösung einmal über die Wandung der Geissler’schen Kammer spülte, sie sodann ablaufen liess und hierauf einige Zeit pilzkeimfreie Luft durch den Apparat sog. Danach erfolgte, um weitere Verdunstung der dünnen Schicht zu verhindern, der Verschluss der Mündungen mittelst einer Flüssigkeit. Die Einstellung geschah entweder auf je einen isolirten Hefespross, oder auf eine Sprosscolonie, welche Objecte mehrere "Tage hindurch (einige sogar wochenlang) einer continuirlichen Beobachtung unterworfen wurden. Bei der Wahl der Objeete fand, trotz der Reinheit des Culturmaterials, noch die Vorsichtsmassregel Berücksichtigung, dass man nur solche Sprosse resp. Ver- bände fixirte, bei denen die für die Fumago-Hefe so charakteristische Oel- bildung bereits sehr deutlich auftrat, wodurch natürlicherweise eine Ver- wechselung mit fremder Hefe zur gänzlichen Unmöglichkeit wurde. Das Ergebniss war folgendes: Die Hefezellen sprossten wiederum zu Colonieen aus, aber nicht zu Colonieen mit hefeartigem, sondern zu solchen mit kahmpilzähnlichem Habitus. (Siehe die Entwickelungsreihen in Fig. 13a—e und 14 a—e, sowie die Figg. 16, 19). Nova Acta XL. Nr. 7. 39 304 Dr. W. Zopf. (p. 50) In Rücksicht auf die wirklich überraschende Aehnlichkeit derartiger Sprossverbände mit den von Cienkowski!) als Mycoderma und Ohalara beschriebenen Pilzgattungen, und zugleich um einen kurzen Ausdruck zu haben, möchte ich in der Folge für diese Colonieen die Bezeichnung „Mycoderma- formen“ gebrauchen, mich aber entschieden dagegen verwahren, als wollte ich mit diesem Ausdruck etwa zugleich eine Identität derselben mit ächten Kahmpilzen bezeichnen. Im Gegensatz zu den Hefepflänzchen weisen die in Rede stehenden Mycodermaformen eine auffallende Variabilität betreffs der Form und Grösse ihrer Sprossglieder auf. Nur die Minderzahl der Sprosse besitzt noch die kurze, ellipsoidische bis kugelige Gestalt der Hefeglieder, bei der Mehrzahl übertrifft die Längsausdehnung den Querdurchmesser ums Mehr- bis Viel- (oft 10- bis 15-) fache (Taf. 7. Fig. 13— 20). Die Sprosse mit vorwiegender Längsdimension sind entweder ungefähr eylindrisch oder spindelförmig oder meistens schwachkeulig (Taf. 7. Fig. 20—23). Bei Formen letzterer Art be- zeichnet das diekere Ende immer die Spitze (Taf. 7. Fig. 23). Nur in seltenen Fällen bleiben die Verbände einfache Reihen, meist bilden sich, bald einseitswendig, bald nach beiden Seiten hin, Sprosszweige, deren Glieder geringere Dimensionen zeigen, als die der Hauptkette (Fig. 19— 21). Als eine Regel mit hier und da vorkommenden Ausnahmen ist zu erwähnen, dass die Sprossketten eines Systems, gleichviel ob sie primäre oder secundäre, sich in der Weise aufbauen, dass ihre Mittelglieder die längsten, ihre Basalglieder und ihre Endglieder dagegen die kürzesten sind (Taf. 7, Fig. 16, 19, 21). Im Zellinhalt, der anfangs homogen, dann von Vacuolen durchsetzt erscheint, macht sich frühzeitig eine Absonderung von Oeltröpfehen bemerkbar, die mit der Zeit grösser und stärker lichtbrechend werden (Fig. 23). Diese für alle Fumagotheile charakteristische Oelausscheidung wird von einer Verdiekung der anfangs äusserst zarten Membranen begleitet, welche letzteren sich bei sehr lange fortgesetzter Cultur, wie die Hefezellen, sogar bräunen. Daher zeigt sich die Pellieula, welche vorliegende Mycodermenformen ähnlich ächten Kahm- !) Die Pilze der Kahmhaut. Bulletin de l’Acad. imp. des sc. de St. Petersbourg. Tom VII, pag. 567. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 51) 305 pilzen auf der Oberfläche ihrer Nährflüssigkeit zu bilden im Stande sind, nach mehrmonatlicher Cultur immer mit bräunlicher Färbung. Es lassen sich unter den Mycodermenpflänzchen zweierlei, eine gewisse Beachtung verdienende Formen unterscheiden, zwischen denen indessen, wie ich ausdrücklich bemerke, in Folge mannichfacher Uebergänge durchaus keine scharfe Grenze zu ziehen sein dürfte. Von diesen beiden Formen entspricht die eine dem, was man unter den Kahmpilzen als „Mycoderma“ s. str. bezeichnet, die andere dem, was Cienkowski!) „Chalara“ nennt. Bei den der Mycoderma entsprechenden Verbänden wiegt im Charakter der Sprosse noch das Hefeartige vor. Trotz sehr verschiedener Grüsse sind sie doch noch vollkommen gleichwerthig, eine Differenzirung in vegetative und fructificative Glieder ist noch nicht eingetreten (Taf. 7. Fig. 13, 14, 15). In Folge starker Bewegung in der Culturfüüssigkeit, wie sie beispielsweise durch Wasserzufuhr hervorgerufen wird, treten daher die einzelnen Glieder, die gegen einander stark abgeschnürt erscheinen, sofort aus dem bisherigen Verband heraus (Taf. 7. Fig. 15). Anders liegen die Verhältnisse bei den Chalara-Pfllänzchen. Ganz ab- gesehen von dem Umstande, dass sie im Vergleich zur Mycoderma- Form ungleich stattlichere Verbände repräsentiren (Fig. 20, 21), kann man bei ihnen bereits einen Unterschied constatiren zwischen auffallend langen, meist eylin- drischen, mehr oder minder fest mit einander verbundenen (Fig. 1s—22mm), weil nicht sehr stark gegen einander abgeschnürten und daher mit verhältnissmässig breiten Querwänden aufeinander stossenden Gliedern und zwischen kurzen, stark abgeschnürten, mithin leicht abfallenden, kleineren Sprossen (Taf. 7. Fig. 21,22e). Diese letzten sind bisweilen in einen zierlichen Wirtel geordnet, der stets in der Nähe der Scheidewand inserirt erscheint (Fig. 21, 22 v). Oft werden sie an ein und demselben, bisweilen in Form einer winzigen Protuberanz auftretenden Vegetationspunkte macheinander abgeschnürt, wovon ich mich an den in Taf. 7. Fig. 17 und 1S dargestellten Exemplaren durch direete continuirliche Beobachtung sicher überzeugte. Der zuerst auf- tretende, nach seiner Ausbildung sofort abfallende Spross hat in der Regel in DT. ce. 39= 306 Dr. W. Zopf. (p. 52) Bezug auf Dimensionen gegen die folgenden etwas voraus (Fig. 17 [1. 2. 3.)). Die Abschnürung erfolgte entweder an der Endzelle eines Verbandes (Fig. 17 b) oder an einer intercalar gelegenen, in diesem Falle unterhalb der Scheidewand (Fig. 18. Zelle a). Diese nach ihrer Entstehung sofort sich abgliedernden Kurzsprosse tragen offenbar den Charakter von Fruchtsprossen, von Conidien, während die in eontinuirlichem Verband bleibenden Langsprosse ohne Zweifel das Gepräge vegetativer (mycelialer) Elemente zeigen. Es bietet mithin die Chalara-Form vorliegenden Pilzes ein vollkommenes Analogon der Chalara der Kahmpilze.!) Es wurde auch der Versuch gemacht, die kahmpilzartigen Pflanzen direet aus der Stylospore selbst zu erzielen. Auch dieser Versuch gelang. wie a priori zu erwarten; nur musste man so lange verschiedene Stylosporen unter verschiedenen Mikroskopen beobachten, bis es durch Zufall endlich ein- mal glückte, eine solche anzutreffen, die nicht, wie es in der Regel geschah, sofort abfallende Hefesprosse, sondern gleich Mycodermensprosse produeirte. Fig. 20 stellt einen solchen Fall dar. Die mycodermenartigen Pflanzen in grossen Massen zu erzeugen, gelingt nicht blos auf zuckerhaltigen Flüssigkeiten in grösseren Glasgefässen, sondern auch auf sehr feucht gehaltenem, mit ärmlicher Zuckerlösung gedüngtem Brod. Bei Anwendung der nöthigen Vorsichtsmassregeln in der Anstellung derartiger Culturen erhält man stets ideal reines Material. Fälle von mycodermenartiger Sprossung bei höheren Pilzen?) liegen, wie es scheint, in der bisherigen Literatur nicht vor; die Fumago-Pyeniden dürften also das erste hierher gehörige Beispiel bieten. Es lässt sich indessen bestimmt vermuthen, dass auch viele andere Mycomyceten, vorzugsweise die- jenigen, welche bereits als Hefebildner beschrieben wurden, zu jener Form der Sprossung veranlasst werden können, sobald man sie nur unter den von mir angedeuteten Bedingungen cultivirt. !) Man vergleiche mit meinen Bildern die oben eitirten Abbildungen Cienkowski’s. 2) Im Sinne Brefeld’s, Schimmelpilze II, der sie Mycomyceten nemt. Die Oonidienfrüchte von Fumago. (p. 53) 307 3. Mycelien mit Mieroconidienträgern. Wird die Hefeaussaat in eine möglichst dünne Schicht ärmlicher Zuckerlösung gemacht und überdies der Feuchtißkeitsgehalt der Atmosphäre im Culturapparat derartig herabgesetzt, dass diese dünne Schicht nahezu ein- trocknet, so darf man stets sicher sein, dass die Hefezellen nicht wiederum Hefesprosse oder Mycodermencolonieen, sondern Produete anderer Art bilden. Als Methode der Untersuchung wurde wiederum die schon bei der Hefe- und Mycodermenbildung genugsam erörterte angewandt, und um die Sicherheit der Resultate zu erhöhen, waren es auch hier fast ausschliesslich Hefesprosse mit dem charakteristischen grossen Oeltropfen, welche zur Fixirung verwandt wurden. Bei diesen Culturen stellte sich nun heraus, dass die Hefesprosse direct zu Keimschläuchen auswachsen können. Die in Taf. 8. Fig. 2 a.b. ce. dargestellte Entwickelungsreihe, welche ich unter anderen Reihen auswählte, liefert hierfür den Beweis. Die Keimschläuche wuchsen zu Mycelien heran, welche bei denjenigen Objeeten, die an der Wandung der Geissler’'schen Kammer erzogen wurden, gewöhnlich ziemlich klein blieben und sich entweder gar nicht oder doch nur spärlich verzweigten (Taf. S. Fig. 2, 3). Auf dem Objeetträger gewonnen, nahmen die Mycelien grössere Dimensionen an, zugleich auch etwas häufiger sich verzweigend (Taf. 7. Fig. 24, 25, 27). Hyphen und Zweige zeigten das Bestreben möglichst lang zu werden und sich in die Luft zu erheben. Frühzeitig kann man nun an diesen Mycelien, deren Glieder im Gegen- satz zur Mycoderma-Form nur geringe oder gar keine Einschnürung zeigen, eine interessante Fructification auftreten sehen. Von den mycelialen Hyphen erheben sich kleine Conidienträger, Miero-Conidienträger, wie sie in der Folge bezeichnet werden sollen, welche an ihrem Ende Conidien abschnüren von spermatienartiger Form und Winzigkeit (Taf. 8. Fig. 2tC, Fig. 3, 5tC). Oft entspringen diese Träger selbst unmittelbar aus der Aussaatzelle (Fig. 3) oder das Ende eines Keimschlauchs wandelt sich direct in einen Conidienträger um, wobei natürlich sein Spitzenwachsthum sistirt wird (Taf. 8. Fig. 4). In Bezug auf Gestalt, Dimensionen und sonstige Eigenschaften herrscht unter den Micro-Conidienträgern eine ziemlich auffallende Variabilität; bald 308 i Dr. W. Zopf. (p. 54) erscheinen sie sehr kurz (Taf. 8. Fig. 2c bei t), bald ziemlich lang (Fig. 10, 6), bald flaschenförmig, bauchig, bald als gracile Fäden, bald einfach (Fig. 6), bald verzweigt (Fig. 10, 13), bald einzeln, bald in Gruppen stehend, mitunter in beträchtlicher Anzahl auf den Mycelien beisammen (Fig. 11, 12, 13). Mycel und Träger nehmen eine bräunliche Färbung an, jedoch erst in sehr spätem Alter, nach mehrmonatlicher Cultur (Fig. 13). Mit der Bräunung zugleich erfolgt, was wir bereits an den anderen Vermehrungsformen kennen lernten, eine reichliche Oelablagerung (Taf. S. Fig. 13). Hin und wieder zeigt sich auch die für die Pyeniden tragenden Mycelien so charakteristische Strangbildung, wenn auch die Stränge nur geringe Dimensionen annehmen! (Fig. 13). Die Conidien können, wie an den Chalara-Mycelien, an den Trägern in zweifacher Weise gebildet werden; entweder durch suecedane Abschnürung an demselben Vegetationspunkte (Taf. S, Fig. 2e) oder an verschiedenen Vegetationspunkten, die dann um die Spitze des Trägers herum liegen, oder unmittelbar unter einer Scheidewand. In den letzteren Fällen erhält man köpfchenartige oder wirtelige Conidienstände, ähnlich denen der Chalara (Tat. T. Fig. 24—29; Taf. $. Fig. 9). Die Wirtel stehen oft in mehreren Etagen über einander (Taf. 7. Fig. 24—29 v), so dass es leicht den Anschein gewinnt, als sei der Träger, ähnlich wie bei Arthrobotrys oligospora, durch den Conidien- stand hindurchgewachsen. Dem ist jedoch, wie man sich. durch direete Beobachtung sicher überzeugt, nicht so; die Wirtel entstehen vielmehr gleich- zeitig, ganz wie bei der Chalara-Form. Bei hinreichender Feuchtigkeit im Culturapparat pflegen sich die Conidienköpfehen und Wirtel mit einer Wasser- hülle zu umgeben. Von kugeliger Form verleiht sie den Trägern das Ansehen zierlicher Mucorsporangien (Taf. 7. Fig. 24, 26; Taf. 8. Fig. 2e, 11,135; bei s). Ihre Entstehung ist auf die früher erwähnten Momente zurückzuführen. Bemerkenswerther Weise können die Conidien an ihrer Spitze secundäre abschnüren, diese tertiäre; sie verhalten sich also wie Heie- oder Myeodermen- sprosse (Taf. 8. Fig. 9). In hohem Alter machen sich Bräunung und Oeltropfenbildung auch an den Conidien bemerklich (Fig. 9). Die Form derselben ist im Allgemeinen eine schmal ellipsoidische, ihre Grösse aber, gewöhnlich 5—6 mikr. in der Länge, seltener bis 12 mikr., ziemlich schwankend. Sie besitzen in ihrer Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 55) 309 Gestalt und in ihrem Inhalt (den beiden polaren Oeltröpfchen) die grösste Aehnlichkeit mit der Microstylospore, wenn auch die Grösse der letzteren eine mehr eonstante ist. Den Nachweis ihrer Keimfähigkeit liefern die kleinen Entwickelungs- reihen auf Taf. S. Fig. 14 u. 15, von denen die erstere die hefeartige Sprossung, die andere die Auskeimung zu einem kleinen, wiederum mieroconidientragenden Mvcel darstellt. Man kann die Mieroconidienträger auch unmittelbar aus Mycodermen- colonien erziehen (Taf. 8. Fig. 25, 26, 28), ebenso auch direct aus der Microstylospore in solchen Trägern fructifieirende Mycelien erhalten (Ent- d). Lässt man Objectträgereulturen mit reifen Pyeniden oder Bündeln mög- wickelungsreihe in Taf. 8. Fig. la lichst wenig Feuchtigkeit zu T'heil werden, so keimen die Mierostylosporen resp. Conidien schon auf dem Gipfel der Frucht, beziehungsweise des Trägers zu Microconidienträger-Mycelien aus. Die Hyphen letzterer kriechen an den Früchten herab und über das ursprüngliche Mycel hin, dieses wie mit einem zarten weissen Spinngewebe überziehend. Die oft massenhaft auftretenden Mieroconidienträger, die an ihrem Ende stets eine Wasserhülle um die Conidien besitzen, ordnen sich mitunter wirtelig an, was natürlich nur an den Luft- hyphen geschieht. Bei der Fähigkeit der Mierostylosporen und Bündel-Conidien mit grösster Leichtigkeit zu solchen Mycelien mit Mieroconidienträgern auszuwachsen, darf man sicher vermuthen, dass die letzteren auch spontan massenhaft auftreten, was in der That der Fall, ferner dass sie von den Mycologen bereits vielfach gesehen sind und jedenfalls als en Aeremonium oder Cephalothecium längst beschrieben wurden. !) Auch in Massenculturen habe ich die Microconidienpflanzen gewonnen. In grössere Glasgefässe, die nach sorgfältigem Auskochen mit schwach zucker- haltiger Nährflüssigkeit beschickt waren, brachte ich ganz reine Fumago-Hefe ein und cultivirte sie 1—6 Monate hindurch. Es erfolgte in den Medien erst wiederum Hefesprossung, dann, und zwar an der Oberfläche, Mycodermen- !) Ich habe mich bisher vergeblich bemüht, die Identität der von mir beschriebenen Formen mit bereits bekannten sicher nachzuweisen. 310 Dr. W. Zopf. (p. 56) bildung und schliesslich das Auftreten von Microconidienträgern, die in die Luft hinein wuchsen. Ihre Träger waren meist von kräftigerem Bau, als die auf dem ÖObjecträger oder in der Kammer erzogenen (Taf. 8. Fig. 13), die Strangbildung der Hyphen häufiger. An den Mycelien der Microconidienträger kann man, von der Aussaat- zelle ausgehend, oft noch alle Stadien der Hefe- und Mycodermensprossung auffinden (Taf. 7. Fig. 24, 27). Die ersten Glieder sind noch von hefeartiger Kürze, die folgenden länger, kahmpilzartig, erst die letzten rein mycelialer Natur. Im Vergleich zu den Mycodermaformen sind die Mieroconidien tragenden Pflänzchen offenbar höher organisirt. Wenn wir bei jenen, und zwar bei der Chalaraform, bereits eine Differenzirung in vegetative Glieder und in Conidiensprosse wahrnehmen konnten, so tritt bei diesen noch eine Differen- zirung des vegetativen T'heiles hinzu in myceliale Hyphen und in conidien- abschnürende, sogenannte Träger, die durch ihre Kürze, Form und Wachsthums- richtung von jenen abweichen. Es schien mir die Möglichkeit nicht fern zu liegen, dass, wenn man die Pyeniden tragenden Mycelien monatelang weiter cultivire, man schliesslich an den spärlich weiterwachsenden peripherischen Mycelhyphen die Bildung von Microconidienträgern erzwingen könne; allein keine der Bemühungen in dieser Richtung führte zu dem gehofften Resultat. 4. Gemmenbildung. In dem Kapitel über Mycelbildung der Fumago-Pyeniden wurde gezeigt, wie die mycelialen Hyphen im Alter torulös werden und sich zu schliesslich zerfallenden Gemmenketten umbilden. Diese Gemmenerzeugung kann auf viel kürzerem Wege erreicht werden. Einmal geschieht dies, wie wir sahen, durch Umwandlung der Hefesprosse in ölreiche, olivengrün-braune Kugel- gemmen, andererseits aber kann die Gemmenbildung auch ganz direct aus der Microstylospore erfolgen. Die Bedingungen hierfür liegen wiederum in ungünstigen Nähr- verhältnissen. Als Resultat. vielfacher Versuche in dieser Richtung will ich mittheilen, dass vorzugsweise in sehr dünnen Schichten mehr con- centrirter Zuckerlösungen bei gleichzeitig ungehindertem Luftzutritt die Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 5%) sll Gemmenbildung am leichtesten und intensivsten eintritt, zumal dann, wenn viele Stylosporen im selbigen Tropfen zur Aussaat gelangen. Wie die in Taf. S. Fig. 16, 17 beigefügten, gleichfalls durch continuir- liche Beobachtung gewonnenen Entwickelungsreihen darthun, entwickelt sich unter solchen Bedingungen die Stylospore wie folgt. Nach auffallender An- schwellung, die ihr Volumen meist ums Mehrfache vergrössert, schnürt sie sich zunächst bisquitförmig ein und erhält eine der Einschnürung entsprechende Querwand. Sodann tritt eine Verdickung und Bräunung der Membran und eine gleichzeitige Ablagerung von Oeltröpfehen ein, die mit zunehmendem Alter an Grösse gewinnen, bis sie schliesslich, in einander rinnend, einen einzigen grossen Tropfen darstellen. Auf diesem Wege entstehen demnach zweizellige Gemmen von Bisquitgestalt. In anderen Fällen schwillt die Mierostylospore einfach zur ellipsoidischen bis ovoidalen Zelle auf und wird sogleich zur (ein- zelligen) Gemme (Fig. 19a). In noch anderen Fällen gehen aus der Stylospore durch wiederholte T’heilung 3—6 gliedrige Ketten mit meist stark bauchigen Gliedern hervor (Taf. S. Fig. 19b). Häufig aber wächst die bisquitförmige Anschwellung der Stylospore bald nach einer, bald nach beiden Seiten hin zu einem kurzen, sein Spitzenwachsthum frühzeitig aufgebenden Keimschlauch aus, der sich nach dem beschriebenen Modus zu einer längeren Gemmenkette umwandelt (Taf. 8. Fig. I{a—f). Häufig inseriren die Gemmen nachträglich secundäre Septen, die bald der Längsaxe der Zellen parallel, bald quer oder transversal verlaufen (Fig. 19e). Die Abrundung der einzelnen Glieder gegen einander steigert sich mit zunehmendem Alter oft bis zu dem Grade, dass sie gänzlich ausser Verband treten (Fig. 23). Man kann nach dem Mitgetheilten die Gemmenbildungen als rudi- mentäre, d. h. infolge schlechter Ernährung nicht zur Entwieckelung ge- kommene Mvcelien auffassen. & In geeignete Nährmedien gebracht trieben sie pyenidentragende Mycelien; nie aber gelang es, trotz vielfach modifieirter Versuche, sie zur hefeartigen Sprossung zu bewegen; hierdurch unterscheiden sie sich wesentlich von den überaus leicht sprossenden Gemmenbildungen des Dematium pullulans, !) denen sie im Uebrigen täuschend ähnlich sind. !) De Bary Il. c. — Löw.l. ce. Nova Acta XL. Nr. 7. 40 312 Dr. W. Zopf. (p. 58) Unter den eben angegebenen Bedingungen gelingt es leicht, auch die Conidien der Microconidienträger zur Gemmenbildung zu veranlassen (Taf. 8. Fig. 23). Die in den Objeetträgerculturen von dem Gipfel der Pyeniden herab- geflossenen Stylosporen-wandeln sich gleichfalls theils zu Gemmen, theils zu Hefe um. Erstere werden oft massenhaft gebildet und häufen sich zwischen den Mycelhyphen an. Dieselbe Erscheinung wurde auch an spontanen Myce- lien beobachtet. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 59) 313 Uebersicht. Der in den vorausgehenden Untersuchungen niedergelegte objective Thatbestand lässt sich mit Uebergehung der weniger wichtigen Momente folgendermaassen zusammenfassen. 1) Die kleinsporigen Pyeniden von Fumago enthalten vollkommen keimfähige Stylosporen, sind also nicht als „Spermogonien“ zu betrachten. 2) Das Entwickelungsproduct aus der Microstylospore ist conform der Natur des jeweiligen Substrats. Bei Anwendung von Culturmitteln, die einen nur geringen Nähr- werth besitzen, werden Pflänzchen von verhältnissmässig niederer Organisation erzeugt und zwar 1) hefeartige Sprosspflänzchen in Flüssigkeiten (Flüssigkeitsform); 2) mycodermen- oder chalarenartige Formen an der Oberfläche derselben oder auf mit Flüssigkeit getränktem festen Substrat (am- phibische Form); 3) mit Microconidienträgern ausgerüstete Mycelpflanzen auf festem, möglichst wenig feuchten Substrat (Luftform). Alle diese Formen lassen sich in einander überführen. Bei Verwendung solcher Nährlösungen hingegen, die einen höheren Nährwerth besitzen, gehen aus der auf festem Substrat cultivirten Microstylospore Luftpflanzen anderer Art hervor, die sowohl in ihrem Mycel 40* 314 . Dr. W. Zopf. (p. 60) (Strangbildung), als ganz besonders in den Fructificationsorganen einen ungleich höheren Grad der Ausbildung erlangen: Aus den einfacheren Formen dieser Fructificationsorgane, den „Conidien- bündeln‘ welche geschlossene Büschel von Conidienträgern darstellen, ent- stehen infolge eines Ueberwallungsprocesses „Conidienfrüchte“ mit deutlicher Hyphenstructur. Neben ihnen auf demselben Mycel werden andere Früchte erzeugt, die in ihren gewebeartigen Anfängen und in dem Gange ihrer weiteren Differenzirung den Pyceniden entsprechen. Gewebebildung und Hyphenbildung, Momente, auf die Bauke eine besondere Einthejlung der Pyeniden gründete, sind also hier bei demselben Pilze anzutreffen! Bei derjenigen Entwickelungsform,, welche hefeartige Colonien darstellt, ist die Natur aller Sprosse noch dieselbe, jedes Glied ist gewisser- maassen vegetatives und fructificatives Organ zugleich. Bei den mycodermenartigen Sprossverbänden dagegen macht sich bereits eine Differenzirung geltend in längere, vegetative und kürzere, fructificative Sprosse (Conidien). Bei den Microconidienpflänzchen geben die vegetativen Elemente die Sprossform auf und differenziren sich in myceliale, dem Substrat auf- liegende Hyphen und in besondere Fruchthyphen, welche in die Luft ragen. Hierdurch wird die Conidienbildung im Vergleich zu der Mycodermen- form örtlich und zeitlich schon etwas weiter hinausgeschoben. Bei den höher entwickelten Formen, wie man sie unter günstigen Nährbedingungen erhält, werden die zwischen Mycel und Conidien sich ein- schiebenden Fruchtträger im Vergleich zu den Mieroconidienträgern nicht nur weitaus massiger, sondern sie zeigen auch gewisse weitere Diffe- renzirungen. Auf besonderen Primordien entstehend, bilden die Coni- dien-Büschel und Bündel ihre Conidien erst dann, nachdem sich an jedem Träger die terminale Kurzzellenregion mit ihren Kurzzweigen entwickelt. Ebenso erfolgt in der Ueberwallungsfrucht die Abschnürung der Conidien (Stylosporen) dann erst, wenn zu dem Bündel die Ueberwallungs- hyphen (in Form eines Halses) hinzugekommen sind. Die Oonidienfrüchte von Fumago. (p. 61) 315 Aus diesem Vergleich ersieht man, wie die Bildung der Conidie, die zuerst bei der myeodermenartigen Pflanze sich vollzieht, mit jeder höheren Entwickelungsform örtlich und zeitlich weiter hinausgeschoben wird, indem sich zwischen sie (die Conidie) und die Aussaatspore ein immer entwickelterer mycelialer 'T'heil mit einem immer massiger und complieirter werdenden Frucht- träger (im weitesten Sinne des Wortes) einschaltet. Die mitgetheilten Resultate sind einerseits auf eine ganz exacte Methode der Cultur und auf die Methode continuirlicher Beobachtung gegründet, anderer- seits habe ich sie, wie ich nochmals ausdrücklich hervorhebe, im Laufe von fast zwei Jahren durch mehrfache Nachuntersuchungen immer und immer wieder bestätigt gefunden. Der Leser darf daher überzeugt sein, dass hier nicht eine bloss will- kürliche Combination von Vermehrungsformen vorliegt, wie sie zu der Zeit Mode war, als die Begeisterung für die Lehre vom Pleomorphismus die Phan- tasie mehr walten liess, als streng wissenschaftliche Methode, sondern dass es sich hier um wirkliche Thhatsachen handelt, die für etwaige weitere Schlüsse als sichere Basis dienen dürften. Indem ich diese Schlussfolgerungen dem competenten Leser anheimgebe, möchte ich mir nur erlauben, zwei naheliegende Punkte zu berühren. Es genügt hierfür der Hinweis auf die unverkennbare Analogie, die zwischen den Entwickelungsformen der Fumago-Früchte einerseits und zwischen denjenigen Pilzformen andererseits besteht, welche in die Abtheilungen der Saecharomyceten, der Mycodermen uud der höheren (conidien- tragenden) Pilze (im Sinne Brefeld’s, Schimmelpilze III) hinein gehören. Diese Analogie dürfte es gerechtfertigt erscheinen lassen, in der Hefebildung, der Mycodermenbildung und der Bildung conidientragender Pflanzen eine Stufen- folge im phylogenetischen Entwickelungsgang der höheren Pilze zu erblicken, kurz ausgedrückt, die Mycomycetes Bref. von den Blastomycetes Bref. abzuleiten, wie es auch von Brefeld in dessen „Basidiomyceten“ ge- schehen ist. 316 Dr. W. Zopf. (p. 62) Der andere Punkt, auf den ich noch hindeuten möchte, betrifft die morphologische Aehnlichkeit der Conidienbündel mit Mycelsträngen, wie sie in den Uebergängen zwischen Beiden ausgesprochen liegt. Sollte man auf Grund der von mir hierüber beigebrachten Beobachtungen und Zeichnungen berechtigt sein, die Conidienbündel als fructificativ gewordene Mycelstränge an- zusprechen, so würden selbstverständlich auch die durch Ueberwallung der Conidienbündel entstandenen Hyphenfrüchte und die (mit diesen auf dem- selben Mycel entstehenden) Gewebefrüchte (Kurzhyphenfrüchte) als metamor- phosirte Mycelstränge aufgefasst werden dürfen. Eine solche Auffassung würde vielleicht für die einheitliche Betrachtung der ungeschlechtlichen Fructi- fication und des Mycels unter morphologischen Gesichtspunkten von Nutzen sein. Die betreffs der mannigfaltigen Fructificationen von Fumago gemachten Beobachtungen legen überdies noch andere Betrachtungen nahe: Wenn man es nach dem übereinstimmenden Urtheil der Mycologen als Thatsache gelten lassen darf, dass noch Pilzformen existiren, die noch immer auf dem Standpunkte der Hefe- oder der Mycodermenbildung stehen (Saecharo- myceten und Myeodermen), so wird man die Möglichkeit nicht leugnen dürfen, dass es auch Formen giebt, die zwar in ihrer Entwickelung einen Schritt weiter gegangen, d. h. bereits zur Production von einfachen Conidien- trägern gelangt sind, diese Grenze aber noch nicht überschritten haben. Die etwa hierher gehörigen Formen dürften unter einem Theile der Fries’schen Hyphomyceten zu suchen sein (von denen man bisher gewöhnlich annahm, dass sie sämmtlich in den Entwickelungsgang von Ascomyceten hinein- gehören müssten). Es liegt ferner die Möglichkeit nahe, dass Pilze gefunden werden, die über die Bildung einfacher Conidienträger hinausgehend bereits zur Formation von Conidienbündeln oder Lagern, ja selbst bis zur Conidienfrucht (Pyeniden- bildung) vorgeschritten sind, in diesen Formen aber den Endpunkt ihrer Fructi- fication erreicht haben, eine sexuell erzeugte, zweite Generation also nicht besitzen. (Hierher würden möglicherweise gehören De Bary’s Oicinno- bolus, die von Eidam und Brefeld cultivirten Pyeniden und das Object vorliegender Abhandlung.) Unter diesen Pilzen dürften manche existiren, die nicht mehr alle die Vorformen (ja vielleicht nicht eine einzige) besitzen, die zur Formation von Die COontdienfrüchte von Fumago. (p. 63) 317 Conidienfrüchten in continuirlichem Entwickelungsgange hinführten und bei dem von mir beschriebenen Pilze noch in lückenloser Aufeinanderfolge vorhanden sind. Für diese Ansicht sprechen sorgfältige Culturen, welche mit dem Sporen- material von Hendersonien, Diplodien und verschiedenen ceytisporen- artigen Pyeniden seit October 1576 von mir vorgenommen wurden. Ich hoffte durch diese unter möglichst verschiedenen Nährbedingungen angestellten Ver- suche die Erzeugung einfacher Conidienträger erzwingen zu können, allein vergeblich. Hierzu kommt, dass auch Brefeld, dessen Sorgfalt und Allseitig- keit in der Anstellung soleher Culturen bekannt ist, bei seiner mehrjährigen Pyenidenzucht keine Spur von Conidienträgern erzielen konnte; Bauke und Eidam erhielten ein gleiches Resultat. Es ist eine allbekannte, von Tulasne und De Bary begründete That- sache, dass Pilze mit einfacher Conidienträgerbildung bereits zur Erzeugung einer zweiten Generation vorgeschritten sind. Da nun, wie in dieser Arbeit gezeigt wurde, aus einfachen Conidienträgern Conidienfrüchte, Pyeniden, hervor- gehen können, so ist es a priori zweifellos, dass es auch Asco- myceten mit Pyenidenfructifiecation geben wird. Es kommt nun- mehr nur darauf an, diesen Zusammenhang in klarer Weise nachzuweisen. — Ein solcher Nachweis wurde bisher nicht geliefert. Zwar hat Tulasne, der die Idee dieses Zusammenhangs zuerst aussprach, durch vergleichende Untersuchungen den genetischen Zusammenhang von Pyeniden und Ascus- Früchten darzulegen versucht, allein seine Beobachtungen gründen sich nicht auf die Entwickelungsgeschichte und wurde daher ihre Richtigkeit durch De Bary’s Untersuchungen über Cicinnobolus zweifelhaft. In neuester Zeit hat Bauke in seiner Pyeniden-Arbeit den von Tulasne angestrebten Beweis auf entwickelungsgeschichtlichem Wege zu führen gesucht, allein auch seine Darlegungen sind nicht so wissenschaftlich überzeugend, dass man sie als feststehende T'hatsachen hinnehmen darf. Es bleibt daher die Pyenidenfrage nach dieser Seite hin eine noch offene und es würde verfrüht sein, über die Beziehung der Pyeniden zum Generationswechsel schon jetzt ein Urtheil zu fällen. Meine eigenen Versuche, den etwaigen, von Tulasne behaupteten, genetischen Zusammenhang meiner Pyeniden mit Fumago salicina Tul. nachzuweisen, konnten, da die Beschaffiung von keimfähigem Ascosporen- 318 Dr. W. Zopf. (p. 64) Material wegen der Seltenheit des Pilzes unmöglich war, nur von der Stylo- spore ausgehend in Angriff genommen werden. Die Objectträger- und Massenculturen nun, obwohl sie fast zwei Jahre hindurch angestellt und zu den verschiedensten ‚Jahreszeiten, oft 6—8 Monate hindurch, unterhalten wurden, ergaben niemals Perithecien; die sorgfältigste Musterung spontaner Pyenidenmyeelien, gleichfalls zu den verschiedensten Zeiten im Jahre ausgeführt, liess mich ebenfalls nie zur Auffindung der Schlauchtrucht gelangen. Ebensowenig glückte es, die Macrostylosporen führenden Pyeniden, welche Tulasne und Farlow (l. e.) als zu Fumago salicina gehörig betrachten, aus den kleinsporigen Pyeniden zu erziehen. Auch von Cladosporium Fumago, das ich auf spontanen Mycelien nie vermisste, und von Tulasne ausdrücklich dem Entwickelungskreise der Fumago salicina zugewiesen ward, konnte in Hunderten von Culturen der Mierostylospore auch nicht ein einziger Fruchtträger erzeugt werden; um- gekehrt ergaben die Culturen der Conidien von Oladosporium Fumago, obwohl unter den verschiedensten Nährbedingungen angestellt, niemals meine Pyeniden. Wenn, trotz dieser negativen Resultate, bei der Beschreibung immer das Prädicat „Fumago“ verwendet wurde, so sollte damit selbstverständlich nur eine kurze Bezeichnung gegeben werden. Sobald mir Gelegenheit wird, Ascusfrüchte von Fumago salicina zu erhalten, werde ich nicht verfehlen, die Frage nach dem genetischen Zusammenhange von der Ascusspore aus in Angriff zu nehmen. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 65) 319 Erklärung der Abbildungen. Sämmtliche Figuren sind mittelst einer Oberhäuser’schen Camera genau nach Object- trägerculturen entworfen und gezeichnet, keine einzige schematisirt. Nova Acta XL. Nr. 7. 41 ni 7 7 u ie“ Pr.» 006 fa.) Bw a 5 ä KENN BE SUNRE TEENER REES ERGEN ., . o2 ee RER a Era B ii er EN AR 0 A WR RE OT 30. Ful Rt Wisnm!: a RECR ee De Iilnesräti, Le 22. g Bad er ö ur "ce De 5 ee: Wer! j Dura A TE er Sara arte re AN Bar au EA Aa Te y a. Arie klei DT. a ALTER MER TE De? Fuge a Pie Wr Kai I NR Te Dr a Ale Are Pre u er mn © vanblide Kuh. | NE ni rg kirmrin 2, A Er oh Dia all he de je) ze ak an “Ran LE: ee en er ee Hl el a ee BI UN, AT re ER" Ai Ne: EM ws “ ve RT RE REN. Bu a th N RE PER EA ee a Ur, l IT f Fi; damen Wh y\ a £ AT GT, “ RS PER AIE wy Frau I, ak re ee re A rer (ar ar ee \ is = en ER Fig. 2. =, Fig. 3. 4, Fig. 4. 1%, 1 Fig. 5. &%. Kıe. 6. Het Pr 540 Fig. 7. 2°. Fig. 8. 4 r 540 F 18. 9. re Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 6%) 321 Tafel 1. (XIX.) Keimung und Mycelbildung. Microstylosporen, von En zarten Gallertkleid umhüllt; sie ordnen sich, in Menge in Flüssigkeiten gebracht, in zierliche Bänder; an den Polen 2 Oeltröpfchen. n a Microstylospore vor der Keimung, b—c in Anschwellung, d—f in Keimung begriffen (in verdünntem Pflaumendecoct). a Spitzenwachsthum _ der Keimschläuche. b Beginnende Mycelbildung. y Veltröpfehen.) Microstylosporen bei der Keimung. Anastomosen an bildend. Kleines Mycel, nach 5tägiger Cultur in verdünntem Pflaumendecoct, aus der Stylospore sp erhalten, den monopodialen Aufbau zeigend und in Conidienbündeln a und Conidienbüscheln b fructificirend. Die Conidien- bündel, gekrönt von glänzender Wasserkugel, senden an ihrer Basis Rhi- zoiden rh aus. & Gallertbildung an Mycelhyphen. a °*° zeigt, wie die äussere braune Membranschicht von Zelle & in die geschichtete hyaline Gallerthülle von Zelle % übergeht. b °°°, Hyphenstück m mit Gallertscheide g in Wasser. l Lücke. c Oberes Stück desselben Fragments nach Zusatz von Alkohol. Die rechte Seite der Hülle ist augenblicklich bis zu einer dünnen braunen Verdickungsschicht contrahirt. Mycelfaden mit dicker, wurmartig eingeschnürter Gallertscheide Junger Mycelstrang, aus 2 Hyphen gebildet. Gemmenbildung. A. Centraler Theil eines kleinen Mycels, aus sehr o D' bauchigen Zellen mit secundären Wänden s gebildet, in Gallert gehüllt. B. Zweigstück eines alten, grossen Mycels mit fertiger Gemmenbildung. Gemmen dunkelbraun mit secundären Wänden s. C. Mycelfaden, in Gemmenbildung begriffen, durch nachträgliche Insertion von Querwänden s in sehr kurze Glieder getheilt, an der einen Seite g gallertig. Bildung bandartiger, breiter Mycelstränge, deren Hyphen durch zahlreiche sehr kurze Anastomosen an fest verbunden sind. 41* Dr. W. Zopf. (p. 68) Tafel 2. XX.) Anlagen der Büschel und Bündel in allen Stadien. (Die Klammer bezeichnet die Mycelzelle, aus welcher das Primordium sich bildet, Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. rh = Rhizoiden; alle Figuren in 540facher Vergrösserung.) 1—13. Jüngste, 2- bis mehrzellige Anlagen, in Fig. 4, 7 und 11 kurze Zellreihen, in Fig. 8, 9, 10, 12, 13 kleine Zellflächen .darstellend. ig. 14. Die primordialen Zellen haben nach aufwärts durch eine Scheidewand ab- gegliederte Ausstülpungen getrieben. . 15. Eine an einem Seitenzweig aufgetretene Anlage, etwas älter als Fig. 14, von Gallerte umhüllt. .16. Anlage, aus 3 Hyphen bestehend, deren eine den Seitenzweig z getrieben. . 17. An der Spitze anastomosirende Hyphen einer Anlage. . 18. 4zellige Anlage, vom Scheitel aus gesehen. .19. Junge Anlage mit dicker bräunlicher Gallerthülle. .20—23. Mehrhyphige Primordien; in Fig. 21 mit Anastomosen an; in Fig. 22 Seitenzweige z bildend; in Fig. 23 schliessen die Hyphen dicht zusammen, einen kurzen Kegel bildend. | 24. Anlage, deren lockere Hyphen anastomosiren und von reichlicher Gallert um- hüllt sind, 25. Etwas weiter entwickelte schlank kegelförmige Anlage. 26. Dicke kegelige Anlage. 27. Weiter vorgeschrittene Anlage, einen compacten Kegel darstellend, von dessen Basis zahlreiche Rhizoiden rh ausgehen. Solche Formen hat man früher unter dem Formgenus Syneladium beschrieben. 28. Getheiltes Bündel. Die Conidienfrückte von Fumago. (p. 69) 323 Tafel 3. (XXL) Conidienbüschel und Bündel fructificirend. (Vergrösserung #°; rh — Rhizoiden.) Zweihyphiges, noch nicht fructifieirendes Büschel, an dem die terminale Kurz- zellenregion noch nicht aufgetreten ist. Zur Fructification sich anschickendes 4hyphiges Büschel; an der Spitze jedes Trägers die Kurzzellenregion t; r eben entstehender Zweig. Conidienbüschel, aus 2 Trägern gebildet, fructificirend. In der Kurzzeilen- region t entspringen einseitswendige Kurzzweige r, die sich dem Hauptfaden eng anschmiegen und wie dieser lateral und terminal einseitswendige Conidien c abschnüren. Ein stattlicheres Büschel, sonst wie Fig. 3; bei z Seitenzweige der Träger. u. 6. Oberer Theil einzelner Träger. Bezeichnung wie vorher. Stück emes Trägers, der auf seiner Kurzzellenregion emen Conidienhaufen c trägt. Conidienbüschel; zwei Träger desselben haben sich zu einem Bündel zusammen- gelegt, dessen terminale Kurzzellenregion t kopfiörmig erscheint; r Kurzzweige. Ein Conidienbündel, von dem sich oberhalb mehrere Träger ablösen. t Köpf- chen, r Kurzzweige; i isolirter Träger, der sich ganz von dem Bündel gelöst. Conidienbündel vor der Fructification; Bezeichnung wie vorher. Einzelner Träger, dessen terminale Zweige sich eng zusammengelegt. Fertiges Conidienbündel. t das kurzzellige Köpfchen, r Zweige. Compactes Bündel von Pinselform, einem Mycelstrang aufsitzend; t Kurzzellen- region (Köpfchen), die Enden derselben etwas zurückgeschlagen. Ein Köpfchen, schräg von oben gesehen. r Zweigenden, die aus seiner Mitte herausragen. Erwachsenes Bündel, dessen Köpfchen t nicht verlängerte Hyphenenden zeigt. 924 Fig. Fig. Fig. Dr. W. Zopf. (p. 0) Tafel 4. (XXIL) Bündelbildung. Ein in der Ebene des Mycels verlaufendes Conidienbündel von bandartiger Form, einem gewöhnlichen Mycelstrang täuschend ähnlich. Sein Köpf- chen k ist rudimentär und daher von fremdartigem Ansehen. Das Bündel stellt gewissermassen einen fructificativen Mycelstrang dar. Mycelstränge von bandartiger Form, die an dem aus der Nährtlüssigkeit herausragenden, dunkeln Ende zu Conidienbündeln umgeformt sind. Altes Bündel mit braun gewordenem Conidienhaufen; an dem Köpfchen entspringt ein secundäres Bündel b. Ein Conidienbündel mit secundärem Bündel b, von dem ein tertiäres © abgeht. Conidienbündel mit 2 secundären Bündeln. Vielfach getheiltes Conidienbündel, von dessen einem Köpfchen sich mehrere secundäre Bündel erheben. Köpfchen t eines Bündels. Die Haupthyphen desselben geben Aeste r ab. Die nach innen gerichteten Theile der Kurzzellen sind stark gallertig; g Gallert. Conidienbündel, dessen basale Rlenıente (bei g) in Folge starker Ver- gallertung auseinander gewichen sind, Conidienbündel aus einer mehrere Monate alten Objectträgercultur; alle Theile, selbst die apicale Sporenmasse c, sind stark gebräunt. Bündel mit rudimentärem Köpfchen t. Eine der beiden links abgehenden Hyphen des Stiels a erscheint mycelartig verzweigt, ein Beweis für die Mycelstrangnatur des Bündels. an Anastomosen, m Zweige, g Gallert. >° Bündel mit mehr oder minder verkürztem Stiel. Ein Bündel, das bis auf die Kurzzellenregion redueirt ist, die infolgedessen unmittelbar dem Mycel aufsitzt. Fast stielloses Bündel, dessen fertile Kurzzellenregion t sehr schön die einseitswendige Conidienbildung zeigt. \ Fig. 1. Fig. 2. Fig. 23. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6 Fig. 7. Fig. 8 Fig. 9 Fig. 10 Fig. 11 Die Conidienfrächte von Fumago. (p. 71) 325 Tafel 5. (XXLL) Bildung von Conidienfrüchten durch Ueberwallung. 540 320, Bündel in Ueberwallung begriffen. a isolirte Ueberwallungshyphen. C hier und im Folgenden = Conidien. Bündel mit fructificirenden divergirenden Ueberwallungshyphen a; B se- cundärer Träger; t Kurzzellenregion; r einseitswendige Kurzzweige. Bündel, an dessen Köpfchen einige peripherische Enden sich verlängert und zu dem secundären Bündel a vereinigt haben, das wiederum in einem Köpfchen fruetificirtt. rh hier und im Folgenden — Rhizoiden. Junge Frucht, durch Ueberwallung eines Bündels entstanden, dessen Köpf- chen noch nicht ausgebildet; t dem Köpfchen entsprechende Kurzzellen- region, zum Sporenbehälter werdend. Halbreife Frucht, durch Ueberwallung eines Bündels entstanden. t Sporen- behälter, dem Köpfchen des Bündels entsprechend; h Hals, durch die Ueberwallungshyphen gebildet. Reife Frucht, durch Ueberwallung eines robusten Bündels mit ausnahms- weise sehr verlängertem Köpfchen entstanden. st Stiel, t aus Kurzzellen gebildeter Sporenbehälter; h Hals; k hyaline Enden, um die Mündung einen Wimperkranz bildend. Frucht mit 2 Hälsen und kurzem Stiel. Stiellose Frucht mit 2 sehr kurzhalsigen Mündungen. Frucht mit sehr verkürztem Stiel und wohlentwickeltem Halse. Optischer Längsschnitt durch eine längliche Frucht. Wandung einschic htig. Frucht mit ganz fehlendem Stiel und rudimentärem Halse. Frucht, deren Halshyphen sich getrennt; Hyphe a verzweigt. 326 Fig. IF] je) . 22. 20 Dr..W. Zopf. .(p. 72) Tafel 6. (XXIV.) Mycel mit centrifugal vorschreitender Fruchtbildung aus einer im Centrum gelegenen Stylospore vom 6.—25. September 1877 in Pflaumendecoct er- zogen, ungefähr 130 Früchte tragend. Einige derselben auf dem Scheitel mit der von Wasser umhüllten Sporenmasse gekrönt (a). Verzweigte Früchte mit Hyphenaussprossungen; pr primäre, s secundäre, t tertiäre Frucht. Bouteillenföormige Frucht, am Sporenbehälter eine zweite stiel- und hals- lose tragend s. Zweihalsige Frucht. , :° Verzweigte Früchte (wie bei Fig. 2). Mycelfaden, eine lange Hyphenfrucht und eine kugelige Gewebefrucht tragend. Gewebefrüchte. Mycelstrang, an dessen einem Faden das Primordium einer Gewebefrucht entstanden (Klammer). Betheiligung zweier Hyphen eines Stranges an der Primordienbildung. Bildung mehrerer benachbarter Primordien pr an einem isolirten Faden. 1° bei a. Primordienbildung durch Kurzhyphen. Etwas weiter vorgeschrittenes Primordium, bei welchem es schwer zu ent- scheiden, ob es ein Kurzhyphengebilde oder ein Gewebekörper sei. Ein ebensolches Brimordium, an die mittlere gewebeartige Partie schliessen sich Kurzhyphen m an. Bei a, b, c sieht man Kurzzweige, die sich eng aneinanderschmiegen. Vorgeschrittener Zustand eines Primordiums, einen deutlichen Gewebe- körper darstellend. Junge Frucht mit undeutlicher Hyphenstructur. Halbreife Gewebefrucht in der Scheitelansicht. Optischer Querschnitt durch eine solche. Fast reife Frucht, einem Mycelstrang aufsitzend. Längsschnitt durch eine reife Frucht. © = Conidien, welche unmittel- bar von der Wandung abgeschnürt werden. Reife Frucht vom Scheitel gesehen, die Mündung zeigend. Reife Frucht mit der ausgetretenen gallertigen Sporenmasse. Fig. 1. 3. Fig. 2. 3, = Rie. 3. =. Fig. 4. Fig. 5—9. Fig. 10. >42. Fig. 11—12. Nova Acta XL. »°, Sprossgruppen aus je 1 Hefezelle entstanden. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 73) 327 Tafel 7. (XXV.) Hefeformen. Stylosporen, a eben ausgesäet, b—d vor der Hefebildung aufschwellend. Entwickelungsreihe einer in schwache Zuckerlösung gesäeten Stylospore a am 23. April 1877 durch continuirliche Beobachtung gewonnen. Die durch dieselbe Linie verbundenen Sprosse sind identisch. b, 3 U. Bauchige Anschwellung, Tröpfchen in anderer Lage. c, 4 U. Beginn der Sprossung. d, 5 U. Der erste Spross ist nahezu fertig. e, 6 U. 15 M. Er hat sich abgelöst, etwas seitlich von seiner Insertionsstelle ist bereits ein zweiter f, 6 U. 45 M. Letzterer etwas weiter entwickelt. a, 1 U. Stylospore mit ihren beiden Oeltröpfchen. in Bildung begriffen. g, 8 U. Derselbe abgelöst, zwischen der Mutterzelle und dem ersten Spross liegend. h, 9 U. Dritter Spross in Bildung begriffen. Entwickelungsreihe eines Hefesprosses erster Generation, in schwacher Zuckerlösung eultivirt vom 27.—28. März. a, 5 U. Nachm. Spross eben ausgesäet. b, 6 U. Morg. Erster Tochterspross gebildet. c, 11 U. Morg. Derselbe abgelöst. d, 4 U. Nachm. Die Mutterzelle bildet einen zweiten Spross (t), während der bereits ab- gelöste seinerseits einen fertigen Spross (zweiter Generation) abschnürt. e, 5 U. Nachm. Die Abschnürung am Tochterspross wiederholt sich. Kleine Entwickelungsreihe aus einer Stylospore, die in Wasser eultivirt wurde, das nur Spuren von Zucker enthielt. a, 8 U. Morg. Stylosporre. b, 6 U. Ab. Dieselbe zu einem sge- streckten Körper aufgeschwollen und im Begriff, einen gestreckten termi- er t0RAU FAR: zweiter, lateraler nahezu fertig. nalen Spross zu bilden. Der Terminalspross abgelöst, ein Die jüngsten, periphe- rischen am kleinsten, die mittleren am grössten und ölreichsten. In Fig. 6 und 7 ellipsoidisch, m 8 und 9 kugelig. Fig. 9. Sprosse in Kugel- gemmen übergehend, sich bräunend. Kugelgemmen mit bräunlicher, dicker Membran und grossen Oeltropfen. 210%. Sprosscolonieen, saccharomycesartig, aber mit Oeltröpfchen, bei 11. Sprosse ellipsoidisch, bei 12. kugelig. Nee 42 os LO [e 7} 18: Dr..W. Zopf. (p. 74) Mycodermenformen. Ein Paar mit Oeltröpfchen versehener Hefezellen mycodermenartig sprossend. 2, 28. Sept. 2A H, AU. 0.210,02 70,729 8ept.287 UnVere,230:7Sept: NOMUMEV. Aehnliche Entwickelungsreihe aus einer Hefezelle. a, 28. Sept. 10 U. Ab. b, 29. Sept. 9 U. V. c,9:U.oAb. Mycodermacolonie aus 2 Hefezellen, durch Anhauchen zerfallen. a und b. Chalaraketten aus je I Hefespross h entstanden. c ein sich abgliedernder Seitenspross. a Hefezellen bei b zu kurzer Kette ausgewachsen, deren Endspross unter meinen Augen Conidie 1, 2 und 3 abschnürte. Drei Hefezellen h zur Chalarenkette ausgewachsen. Spross a schnürte nach einander Conidie 1, 2, 3 ab. Aus Hefezellen h entstandene Chalarencolonie. ce = Conidien. Stück einer aus einer Stylospore entstandenen Chalaracolonie. Zweig a ragt in die Luft. Aus der Hefezelle h hervorgegangene Chalarencolonie; c abfallende Co- nidien; bei v in Wirtel geordnet. m fest verbundene vegetative Glieder. Stück einer Chalarencolonie, sonst wie 21. Chalarenkette mit Oeltropfen, aus 2 Hefezellen h. Mycelartiger aus Hefezellen hervorgegangener Faden, der in die Luft hinein emfache a und verzweigte braune Träger sendete, die in chalaren- artigen Wirteln v fructifieiren. s Wasserkugel, die Conidien umhüllend. >1° Hefe- oder Mycodermencolonieen, aus denen die braunen Träger mit ihren Conidienwirteln direct hervorgehen. Conidien mit secundären Sprossen. Fig. 1. &#. Fig. 2. Fig. 3 u. 4. Fig. 5. ># 1er ouine Ir Fig. 8 u. 9. Fig. 10. 4°. Fig. 11. 38. Fig. 12. =. Fig. 13. #2. Kiga, =. Fig. 15. >42. Fig. 16. #2. Fig. 17. Fig. 18—20. Fig. 21 u. 22. Fig. 23. =4®. Fig. 24. >42. Die Conidienfrüchte von Fumago. (p. 75) 329 Tafel 8. (XXVL) Microconidienträger- und Gemmenbildung. Entwickelungsreihe. a Stylospore vor der Keimung, b dieselbe nach 24- stündiger Aussaat im ärmliche Nährlösung, ec dieselbe 3 Tage später, d dieselbe 5 Tage später, Keimschlauch am Ende zum Microconidien- träger geworden, der bereits mehrere Conidien abgeschnürt hat. Entwickelungsreihe. a Hefezelle, b dieselbe 3 Tage später in ärmlicher Nährlösung, dieselbe 10 Tage später; der Mycelfaden trägt 3 Micro- conidienträger t, welche terminal Conidien © abschnüren. s Wasserhülle. =° Winzige Mycelien, deren Träger unmittelbar von der Aussaat-Hefe- zelle entspringen. Aus Hefezellen erhaltenes, winziges, gebräuntes Mycel mit einem Micro- eonidienträger. >42, Verschiedene Trägerformen. 540 3°. Köpfchenbildung an der Spitze der Träger (a—d viertägige Ent- wickelungsreihe); bei 9 Bildung secundärer Conidien. Verzweigter Träger. Habitusbild eines Mycelstücks mit zahlreichen Microconidienträgern, die durch die Wasserhülle der Sporen das Ansehen von Mucorsporangien oder von Acremonien erhalten. In Gruppen stehende Microconidienträger, noch hyalin. Verzweigte und gebräunte Microconidienträger mit starker Oelablagerung. Entwickelungsreihe, die hefeartige Sprossung der Microconidie zeigend. Entwickelungsreihe einer Microconidie zu einem kleinen Mycel. Entwickelung einer Stylospore zur Gemme, a am 20., b am 21., c am 27. Mai, d am 3. Juni 1877. Aehnliche Entwickelungsreihe, a 20. Mai, b 21., c 22., d 23., e 27. Mai, f 4. Juni. i 34%, (Gremmen in verschiedenen Altersstadien und Formen, Fig. 19a ein- zellige, b kettenförmige, ce mit secundären Wänden. 34°, Gruppen sehr grosser Gemmen, von Hefezellen umgeben. Abrundung der Gemmen gegen einander. Beweis, dass jede Zelle des Pyenidenmycels fähig ist, auszusprossen; Mycelfragment nach 48stündiger Cultur in Zuckerlösung. u} m Rise Bei Vakgallsci hen) Ai ostige 10h Bari "me. ee 9 6. u u at 9 Se Zuetier Di lea eh „2 De N are ae Hin .d Re Pak 54 Dr Ihe hen ir Fi a via a m Ent and mbar ‚anlnier branaslnden llasteit uf ae Er 6 Nr Vor Ale hi Mai Sera MT NT Br; By, Paei Zeinkl wire al Biym ER Gar. Ai USE I ach Kl % 19 a N re a eier re ‚x vet] Bi ur Er, a nobukW. werribunse sin 4 Manitnare t ‚agillex ‚sodagunn nella or ‚mama oa RE E77 fr Mt PR. N, 2 ‚rubrers mag eich dab vba a se a t zamwerigiedeiin ‚sei nel denk. ah llhR ar) unbe ve mn MT ss sähe Mae ee ei Gemrüla ERS = u . . rer Sova Alla Hz C L 049 Nat Ca DAN. I G c 2 4 “@ > z FE DE TI % HL, WA FL HG Poren en dumage: ZAUZ Tab KIN. CI Afrmedt di. “r E VPE ei. ce. BEL: EC 2 CH Nr Din DR GE ! TH Kr HE Ya azcl mad. del Ce.F ActmecdL LH / En Ta Fe 7 GL ? ? Q E u I EV Wh 72 Ya Vonidenprächleren Smunge IY DER — 2 NESE: ‚Adler ‚Halb Z LH Val Car ZEBVA JabNM MM TE ad mal del FG ETIRCHFLLG. I, YA 0 Ornidenpuch en hamage 1 3 ; Nova Aal E HalCLC4G Vasen DENE, > IB EN DHL = N, ; EL Wa Voneclenfict VOR Hmage Lu 4 Nora Aa HdGCSCG MC DAN. Tab NM, Ba»- Im CI Akte LA . / PING, 7 , . —ı—— A c Va Ornedtenfriokt TOR Ze Y GE Sora Ada HalGCSLCEGNaiCin DELL. so a ns r ee — = LL = Oy A = hl I £} Baier 578, m: - Ichmeccll dk. OFG Tr e7 L mal det Kopf a H- nn I < a C DB DE VOR: ce » r DZ Fig. 1 Fig. ; Fig.2. 4 Eh [73 — se (6) O 09080800 28066588 ab Ch. C f’ x@®oo9 ”&@o°0 © ro ae N a [) ® ? i \ $ Do er) Fig.) 8) da © m D/A Aoff al mul al Ey I22 Erz NHEZE FRA 2 EUVET , WA E GG , Prnidenfiicht mr damage fr CS Artrmecdst dIE. ( “ GERT. 3 Nora la 2 SadC 764 Werl. 035 DL AA d r m Fig I’ CI Ahmet Lich. 7 DO MH: c 7 MW re ep OR Tomape I4 5. NOVA ACTA der Ksl. Leop.-Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher ' Band XL. Nr. 8. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Faltbersgrünm Dr. Clemens Winkler, Königl. Sächs. Bergrath und Professor in Freiberg. M.A.N. Eingegangen bei der Akademie den 26. August 1878. - u . M Kr = y Sri re er syiasdl : Wa De „ATEr duuead de wre rl a re - Sn SURzAN Re Fz ee WeLET BErwWereTTeRT me zn, 0, 7202 207 ae EL 2 Seitdem man mit Bestimmtheit annehmen darf, dass die Meteorite selbst- ständige kosmische Gebilde oder Trümmer von in Auflösung begrittenen Welten sind, welche, in das Attractionsgebiet der Erde gerathen, auf diese nieder- stürzten, hat das Interesse, welches sie jederzeit, schon durch die Eigenartig- keit ihrer Erscheinung, erregten, eigentlich erst wissenschaftliche Tiefe erhalten. Die Feststellung ihrer Bahnen, die Beobachtung eines gemeinsamen Radiations- punktes führten zu einer Fülle folgenschwerer astronomischer Erörterungen und bestätigten in glänzender Weise die Schiaparelli'sche Hypothese vom engen Zusammenhange der meteorischen Erscheinungen mit gewissen, offenbar in der Umbildung oder im Zerfall befindlichen Kometen; sie erhoben das, was vorher schon D’Arrest, ja selbst Kepler als Vermutlung ausgesprochen hatten, zur unleugbaren Gewissheit, wie denn die erfolgreiche telegraphische Verfolgung des Biela'schen Meteoritenschwarmes durch Klinkerfues, welche dessen Wiederauffinden im Beobachtungsgebiete von Madras herbeiführte, un- bedingt den denkwürdigsten Triumphen astronomischer Speeulation zuzuzählen ist. Mit der Erkenntniss des Ursprungs jener kosmischen Massen, welche — zum Theil vielleicht Trümmer einer transneptunischen Planetoidengruppe (Wright) — durch die Erde aus ihrer Bahn abgelenkt wurden und in deren Atmosphäre als Sternschnuppen verglühten, oder in Gestalt kosmischen Staubes (Kryokonit, Nordenskiöld) niederwirbelten, oder aber als wuchtige Boliden auf unseren Planeten herabstürzten, mit dieser Erkenntniss gewinnt selbst- verständlich auch die Erforschung der materiellen Natur der Meteorite die höchste Bedeutung. Gestattet das Speetroskop uns schon, auf unfassbare Ent- fernungen hinaus die chemische Natur der gasförmigen Bestandtheile anderer 43* 334 Dr. Clemens Winkler. (p. #) Himmelskörper festzustellen, so kommen uns in Gestalt von Meteoriten wan- dernde Trümmer des Universums zugeflogen, die wir mit Händen greifen, in ihre Bestandtheile zerlegen, mit unseren heimischen tellurischen Gebilden ver- gleichen können. Und mögen diese Untersuchungsobjeete auch klein sein gegenüber der Masse des Erdballs, so genügen sie doch vollkommen, um den Durchschnittscharakter anderer Himmelskörper vermuthungsweise festzustellen, ja noch mehr, ihre Beschaffenheit gestattet uns einen Rückschluss auf diejenige der Erde in ihrer Gesammtmasse, die wir ja von der in Oxydationsproducte zerfallenen Oberfläche aus gar nicht beurtheilen können. Allerdings sind die Meteorite ihrer Dichtigkeit, wie ihrer chemischen Zusammensetzung nach überaus verschieden: aber in allen finden sich gleiche Elemente vertreten und zwar nur solche, die wir auch auf der Erde antreffen. Dass in dem einen Meteorit die metallischen, in dem anderen die unmetallischen Gemengtheile vorwiegen, lässt sich eben aus dem Umstande erklären, dass wir diese Ge- bilde als wungleichartige Bruchstücke grösserer kosmischer Massen zu be- trachten haben, und vielleicht findet sich ein Analogon in der thatsächlichen Dichtigkeitsverschiedenheit mancher in engster Beziehung zu einander stehender und unter annähernd gleichen Verhältnissen im Raume kreisender Weltkörper, wie wir solche bei der Erde und ihrem Trabanten beobachten. Hat man doch aus dem Volumgewichte der Erde von 5,58 (F. Reich) mit voller Berechtigung den Schluss gezogen, dass dieselbe einen metallischen Kern haben müsse, während die ungleich geringere Dichtigkeit des Mondes von etwa 3,4 an die Steinmeteorite mit untergeordnetem Eisengehalt gemahnt. Wenn wir sagen, dass zwischen unserer Erde und den uns aus dem All zugewanderten Meteoriten grosse Aehnlichkeit hinsichtlich der elementaren Zusammensetzung herrsche, so ist das noch viel zu allgemein ausgedrückt. In Beiden haben sich die Elemente auch in nahezu gleicher Weise zusammen- gefunden, sie haben sich zu Verbindungen gruppirt, welche nach Constitution wie nach Krystallgestalt mit denjenigen völlig identisch sind, welche wir auf der Erdoberfläche antreffen. Namentlich jene Silicate der Olivingruppe, welche wir als die Producte der ehemaligen vulkanischen 'Thätigkeit der Erde be- trachten dürfen, jene Mineralien, welche die Hauptbestandtheile der eben so weit verbreiteten, wie massig auftretenden älteren krystallinischen Gesteine bilden, sie sehen wir in den Massen meteorischen Ursprungs in wunderbarer Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 5) 335 Aehnlichkeit und Treue wiederkehren. Vergegenwärtigt man sich endlich, dass die Meteorite häufig Gaseinschlüsse, Reste einer ehemaligen Atmosphäre, mit sich führen, dass manche derselben sich durch einen Gehalt an Kohlenstoff, ja selbst an bituminöser, vielleicht organisirt gewesener Substanz auszeichnen, so kann es nicht ausbleiben, dass das Studium jener wunderbaren „Sendlinge des Himmels“ eine Fluth von Gedanken rege macht, die, mag man sie auch theilweise in das Gebiet der Phantasie verweisen, denn doch ihre Berechtigung haben, indem sie unseren Anschauungskreis erweitern und unser Begriffs- vermögen dem Maassstab näher bringen, mit dem der Kosmos sich einzig messen lässt, dem Maassstab unausdenkbarer Grossartigkeit. Einer der schönsten und interessantesten Meteorite, zudem derjenige mit der grössten Schnittfläche, ist der Eisenmeteorit von Rittersgrün im sächsischen Erzgebirge. Nach den Aufzeichnungen, welche wir Herrn Bergrath Professor Dr. A. Weisbach über denselben verdanken !), zeigt er hinsichtlich seiner mineralogischen Zusammensetzung grosse Uebereinstimmung mit den Meteoriten von Steinbach im Erzgebirge und von Breitenbach in Böhmen und da die gedachten drei Fundorte nur etwa eine Meile weit auseinander liegen, so ist die Vermuthung gerechtfertigt, dass man es hier mit einem und dem- selben Meteoritenfall zu thun habe, vielleicht mit jenem „Eisenregen“, welcher nach dem Berichte des Meissner Superintendenten Sarctorius (gest. 1609) zu Pfingsten des Jahres 1164 „im Meissnischen“ stattgefunden haben soll. Otto Buchner?) verlegt dagegen das Ereigniss auf die Zeit zwischen 1540 und 1550. Die Auffindung des Meteorits von Rittersgrün erfolgte im Jahre 1833 durch einen mit Ackerroden beschäftigten Waldarbeiter, welcher ihn als „altes isen“ sowohl dem Schmied des Dorfes, als einem benachbarten Hammerwerk wiederholt, jedoch vergeblich, zum Kauf anbot, bis 1361 der inmittelst ver- 1) A. Weisbach, Der Eisenmeteorit von Rittersgrün im sächsischen Erzgebirge. Freiberg 1876. Mit Abbildung. 2) Otto Buchner, Die Meteorite in Sammlungen. Leipzig 1863. 336 Dr. Clemens Winkler. (p. 6) storbene Oberbergrath Breithaupt den Klumpen, auf dessen vermuthlich meteorischen Ursprung er durch den damaligen Schichtmeister Kröner in Siegelhof aufmerksam gemacht worden war, für die mineralogische Sammlung der Freiberger Bergakademie erwarb. Sein mittler Durchmesser betrug 0,43 m, sein Gewicht 86,5 k; die Form war unregelmässig, die Oberfläche erschien mit einer über millimeterdicken Rostschicht bedeckt, und unter dieser fand sich, deutlich erkennbar, die sogenannte Brandrinde in Gestalt einer pergament- starken Lage von Magneteisenerz vor. Das Zerschneiden des Meteorits geschah in Wien und war eine äusserst miühevolle und kostspielige Arbeit, welche zwei volle Monate in Anspruch nahm. Die grösste Schnittfläche zeigt bei einem Umfang von 118 em einen Flächeninhalt von 1104 gem; der Hauptabschnitt, im Gewichte von 55 k und im Werthe von 18,000 4, befindet sich in der mineralogischen Sammlung der Freiberger Bergakademie, während kleinere Stücken theils an die Museen von Wien, Dresden, Berlin und St. Petersburg verschenkt wurden, theils zum Ver- kaufe gelangten. Ein Stück im Gewichte von 9 k, welches sich im Besitze Breithaupt’s befand, ist nach dessen Tode weiter zerschnitten worden und an die K. Mineralien-Niederlage in Freiberg und an C. F. Pech in Berlin übergegangen. Die mineralogische Beschaffenheit des Rittersgrüner Meteorits beschreibt A. Weisbach (a. a. O.)!) wie folgt: „Die Untersuchung ergab, dass der ganze Meteorit bei einem mittleren Eigengewichte von 4,29 dem Volumen nach aus etwa 3/;o Eisen (Meteoreisen) und aus ?/,o einer unmetallischen braunen Masse zusammengesetzt ist, welche vorwiegend aus hypersthenähnlichem Broneit besteht, in dem reichlich Magnet- kies (? Troilit) und sparsam Schreibersit (Phosphorniekeleisen) eingesprengt erscheinen. Von diesen Bestandtheilen werden beim Behandeln mit verdünnter Salzsäure Meteoreisen und Magnetkies aufgelöst, während Schreibersit und Broneit, sowie auch noch eine weisse Substanz als unlöslich zurückbleibt, die lediglich aus Kieselsäure besteht und mit dem 1871 von Maskelyne?®) im 1) Vergl. ferner: Verhandl. d. Bergmänn. Vereins zu Freiberg, Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1873, 245. 2, Maskelyne, Phil. Trans. 1871, CLXI, 361. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 2) 33 Meteorit von Breitenbach im nördlichen Böhmen entdeckten und Asmanit ge- nannten Körper identisch ist. Das Broneit tritt im Eisen meist in Krystallkörnern auf, manchmal auch im Magnetkies und letzterenfalls in ebenflächigen Kryställchen, während die im Eisen sitzenden gekrümmte Flächen zu besitzen pflegen. Die Farbe ist leberbraun, olivengrün, pistaziengrün und selbst fast honiggelb, das Eigen- gewicht 3,39. Breithaupt selbst, wie auch G. Rose (1864). hielt die Krystalle für Olivin, doch sind sie vor dem Löthrohr merklich schwerer schmelzbar und gelatiniren nicht beim Behandeln mit Säure. Ob aber gar kein Olivin in dem Meteoriten enthalten, muss noch dahingestellt bleiben. Das Eisen, von den anderen Gemengtheilen soweit als möglich befreit, hat das Eigengewicht 7,60 (Breithaupt) und enthält nach Dr. C. Rube: 37,31 Eisen, 9,63 Nickel, 0,55 Kobalt, 1,37 Phosphor, 0,25 Kalkerde, 0,15 Magnesia, 0,95 Kieselsäure. 100,27. Der gefundene Gehalt an Phosphor gehört dem Meteoreisen nicht selbst an, sondern vielmehr dem merklich schwerer löslichen Schreibersit, der, wie man während der Behandlung mit Säure wahrnimmt, das Eisen in ganz dünnen, dicht neben einander liegenden und einander parallelen Lamellen durch- setzt. An angeschliffenen und polirten Flächen liess die Aetzung mit ver- dünnter Salpetersäure auch die für Meteoreisen charakteristischen Figuren hervortreten, die man nach ihrem ersten Beobachter die Wittmannstätten’schen Figuren zu nennen pflegt und die erkennen lassen, dass die ganze Eisenmasse eigentlich einem einzigen Krystallindivid entspricht, welches aus coneentrischen Schalen mehrerer Eisensorten, vielleicht etwas verschiedenen Nieckelgehaltes, zusammengesetzt ist.“ Giebt diese Beschreibung auch ein ohngefähres Bild von der Beschaffen- heit des Rittersgrüner Meteorits, so lässt sie doch anderntheils der Fragen 335 Dr. Clemens Winkler. (p. $) genug offen, welche nur durch eine gründlichere chemische Untersuchung ihre Lösung finden konnten. Denn die frühere, von ©. Rube ausgeführte Analyse erstreckte sich nur auf den metallischen Theil und liess die übrigen, nicht minder wichtigen Gemengtheile des Meteorits unberücksichtigt. So galt es denn vor Allem, die darin auftretenden Silicate und Schwefelverbindungen zu isoliren, ihre chemische Zusammensetzung festzustellen und sie der minera- logischen Untersuchung zugänglich zu machen, und gern übernahm ich es auf den Wunsch meines verehrten Collegen, des Herrn Bergraths Dr. A. Weis- bach, den chemischen Theil dieser interessanten Arbeit mit Hilfe des mir bereitwilligst zur Verfügung gestellten Materials durchzuführen. Herr Berg- rath Weisbach hatte dabei die Güte, die Präparation der verschiedenen, theils auf mechanischem, theils auf chemischem Wege ausgesonderten Mineralien vor- zunehmen, deren specifische Gewichte zu bestimmen und mich überhaupt in jeder Weise zu unterstützen , wofür ich ihm hiermit meinen besonderen Dank ausspreche. Chemische Untersuchung. Das zur Untersuchung des Rittersgrüner Meteorits verwendete Stück bildete einen quadratischen, allseitig angeschliftenen Abschnitt von ca. 4 cm Seitenlänge und S mm Dicke, welcher bei dem Versuche, ihn weiter zu zer- schneiden, in mehrere Stücken zerbrach. Das specifische Gewicht dieser Stücken wurde, in voller Uebereinstimmung mit der früher von Weisbach festgestellten Zahl, zu 4,29 bestimmt. Wie bereits erwähnt, besteht der Meteorit aus einem metallischen und einem unmetallischen 'T'heile. Der metallische Theil ist weiches, zähes Nickeleisen mit geringem Gehalt an Schreibersit und zwar ist dieses in eompacten, oft zusammenhängenden und nach den verschiedensten Richtungen hin verzerrten und verzweigten Massen in die unmetallische Substanz ein- Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 9) 339 gewachsen, so dass kleinere, mit blossem Auge nicht erkennbare Eisenpartikel nur in sehr untergeordneter Menge auftreten. Diese lassen sich aus der hinter- her gepulverten unmetallischen Masse mit dem Magneten so gut wie vollständig ausziehen und stellen sich dann unter der Loupe als breitgefletschte, deutlich metallische Blättchen dar, über deren Beschaffenheit man gar nicht im Zweifel sein kann und die sich nach dem Auslesen und Abspiülen mit Wasser unter Entwickelung schwefelwasserstofffreien Wasserstoffgases in verdünnter >alz- säure lösen. Der unmetallische Theil hat 3,12 spec. Gew., erscheint in Masse braun, in dünneren Schichten fast honiggelb und ist, wie man unter der Loupe deutlich erkennt, ein Gemenge von mehreren höchst gleichmässig vertheilten und häufig mit einander verwachsenen Mineralien, nämlich 1) Troilit in tombakbraunen (bronzegelben) Stücken, die als solche nicht vom Magneten gezogen werden, als Pulver aber schwach mag- netisch sind. 2) Asmanit in Gestalt weisser, unregelmässig geformter Partikel, an denen sich zwar keine eigentlichen Krystalle, wohl aber deutliche Spaltungsflächen erkennen liessen. 3) Broneit als hellgrüner, olivinähnlicher, deutliche Krystallisation zeigender Gemengtheil. Bei genauer Betrachtung findet man im Broneit einzelne dunkle Körnchen eingelagert, die sich als 4) Chromeisenerz erwiesen. Es ist dieses jedoch in sehr spärlicher Menge vorhanden und bildet einen völlig untergeordneten Gemeng- theil. Möglich ist es übrigens, dass jene vereinzelten schwarzen Pünktchen zum Theil durch Magneteisenerz gebildet werden, welches dann ebenfalls nur spurenweise im Rittersgrüner Meteorit auftreten würde. Die drei im unmetallischen "Theile vorherrschenden Mineralien lassen sich unter der Loupe mit grösster Deutlichkeit unterscheiden und in gewissem Grade durch Auslesen von einander trennen. Diese mechanische Trennung wird aber, so- weit sie die Silicate allein betrifft, ausserordentlich erleichtert, wenn man den die dunkle Färbung der Gesammtmasse bedingenden Troilit durch Behandlung mit Chlorwasserstoffsäure vorher auszieht, worin er sich beim Erwärmen leicht unter Entwickelung von Schwefelwasserstoffgas löst. Dann bleibt ein hellgrünes Nova Acta XL. Nr. 8. 44 340 Dr. Clemens Winkler. (p. 10) Silicatgemenge zurück, in welchem die jetzt schneeweissen Asmanitkörner neben den grünen Broneitkrystallen liegen. Durch Salzsäure angreifbare Silicate, wie z.B. Olivin, sind überhaupt nicht vorhanden, wenigstens lässt sich beim nach- herigen Erwärmen des mit Salzsäure behandelten und ausgewaschenen Pulvers mit einer Auflösung von Natriumearbonat keine, oder doch fast keine Kiesel- säure extrahiren. In vortrefflicher Weise gelingt ferner die Isolirung der Silicate, wenn man den unmetallischen Theil des Meteorits in einem Strome völlig trockenen Chlorgases gelinde erhitzt. Die Bestandtheile des Troilits verflüchtigen sich dann in Gestalt von Chloriden, während Broneit und Asmanit nicht im Min- desten angegriffen werden. Da ein vorheriges Pulvern der Substanz nicht nöthig ist, sondern selbst grosse Stücken derselben auf diese Weise von ihrem Troilitgehalte befreit werden, so bleiben bei diesem Verfahren die Silicate in Gestalt eines Gerippes in ihrer natürlichen Lagerung zurück und man erkennt dann häufig innige Verwachsungen zwischen den Broneitkrystallen und dem Asmanit. Aus dem Vorstehenden erhellt, dass die Beschaffenheit des Rittersgrüner Meteorits eine ausschliesslich mechanische "Trennung der metallischen von den nichtmetallischen 'Theilen möglich machte. Das von Daubree!) empfohlene Verfahren, Abschrecken eines zum Glühen erhitzten Stücks unter Quecksilber, wurde versuchsweise, aber mit sehr ungenügendem Erfolge angewendet. Ab- gesehen davon, dass eine oberflächliche Oxydation auch bei raschem Erhitzen nicht ganz zu vermeiden war, erwies sich das Eisen als so vielfältig und ver- worren mit der unmetallischen Breecie verwachsen, dass letztere beim Ab- schrecken nur zum kleinsten ''heile absprang. Man verfuhr deshalb, wie folgt: Ein sorgfältig gewogenes Stück des Meteorits wurde zwischen zwei starken Zangen gefasst und über einem starken Bogen Glanzpapier nach ver- schiedenen Richtungen hin gedrückt und gebogen, wobei das weiche Eisen dem Druck nachgab und die dazwischen liegende schlackige Füllmasse in Stücken ab- bröckelte. Die auf solche Weise blossgelegten Eisenstücken bearbeitete man einzeln auf einem blanken Stahlambos mit leichten Hammerschlägen, wobei sie stetig gedreht und gewendet wurden, und so gelang es, die letzten Schlacken- partikel zum Abspringen zu bringen. Die geringe Menge entstehenden Staubes 1) Daubrede, Compt. rend. LXV, 148; Jahresber. f. Chemie 1867, 1045. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Böttersgrün. (p. 11) 341 wurde dabei stetig mit Pinsel und Bürste entfernt und darauf ein Eisenstück nach dem anderen mit der schmalen Balın des Hammers zum dünnen Blech ausgeschmiedet. Hierbei zeigt das Eisen vollkommene Duetilität und grosse Zähigkeit:; es riss, schieferte oder blätterte erst in den dünnsten Lamellen und man würde es mit Leichtigkeit haben walzen oder ziehen können, wenn es in grösseren zusammenhängenden Massen zur Verfügung gestanden hätte. Die abgesprungene Schlacke wurde in kleinen Partien im Stahlmörser durch leichte Hammerschläge gröblich zerkleinert und sodann mit dem Mag- neten durchsucht, um zunächst die noch vorhandenen grüöberen Eisenpartikel auszusondern. die ebenfalls auf dem Ambos vorsichtig bearbeitet, sodann ab- gebürstet und endlich im Stahlmörser breitgeschlagen wurden. Endlich wurde sämmtliche Schlacke in der Achatreibschaale zerrieben, das Pulver durch Seidengaze gebeutelt und damit so lange fortgefahren, bis einige kleime Metall- blättchen übrig blieben, die breitgefletschte Eisenkörnchen darstellten. Auf diese allerdings mühevolle Weise gelang es, alles Eisen ohne Verlust abzusondern und durch Ermittelung seines Gewichts das Verhältniss zwischen metallischen und unmetallischen Thheilen festzustellen. An letzteren erlitt man einen kleinen Verlust, was aber insofern ohne Belang war, als das gewonnene Pulver eine Durchschnittsprobe der Silicatmasse darstellte, die Quantität der letzteren aber aus der Differenz zwischen den Gewichten der angewendeten Meteoritmenge und des erhaltenen Eisens gefunden wurde. Diese mechanische Trennung der Hauptgemengtheile des Meteorits, zu welcher wiederholt Stücken des letzteren im Gewichte von 10 bis 20. & dienten, wurde theils von mir (1 u. 2), theils von Herrn Studirenden N. Manzavinos aus Sımyrna (3) ausgeführt und ergab, dass das Verhältniss zwischen metalli- schen und unmetallischen Gemengtheilen ein ziemlich inconstantes, aber doch zuweilen gleichmässig wiederkehrendes sei. Denn es wurden getunden: l; 2 3. Mittel. Metallische Bestandtheile = 46,47 Proc. 53,42 Proc. 53,30 Proc. 51,06 Proc. Unmetallische „ en; Da die verwendeten Stücken keinen Durchschnitt der ganzen Masse des Meteoriten darstellten, so suchte Weisbach das Verhältniss zwischen metallischem und unmetallischem 'T'heil unter Zugrundelegung der specifischen Gewichte beider auf dem Wege der Rechnung zu finden. Das specifische 44% x 342 Dr. Clemens Winkler. (p. 12) sewicht der Meteoritenmasse war zu 4,29, dasjenige des Meteoreisens zu 7,78, das des Silicat- und Troilitgemenges zu 3,12 bestimmt worden. Hieraus be- rechnete sich das Verhältniss zu 45,54 Proc. metallischen Bestandtheilen, 54,46 .„ unmetallischen r dem Gewichte nach, oder 25,11 Proc. metallischen Bestandtheilen, 74,59 „ unmetallischen * dem Volumen nach. Vielleicht haben diese Zahlen mehr Anwartschaft auf Richtigkeit, wie die durch den directen Versuch gefundenen, doch möge bemerkt werden, dass spätere Bestimmungen des specifischen Gewichts der Meteoritenmasse sowohl, wie desjenigen des Meteoreisens, auf etwas andere Werthe (4,5202, beziehent- lich 7,812) führten und überdies das specifische Gewicht des Meteorits in seiner Gesammtmasse unbekannt ist. Delesse !) hat, wie F. Zirkel in seiner Petrographie, Bd. 1, S. 13, mittheilt, für die Ermittelung der Quantitätsverhältnisse der Gemengtheile eines Gesteins eine freilich sehr mühevolle und selbst für annähernde Bestimmungen nur geringe Sicherheit bietende mechanische Methode ersonnen. „Wenn man an einem gleichmässig gemengten Gestein eine glatte Schlifffläche anbringt, so ist zu erwarten, dass das Volumen der Quantitäten der einzelnen mineralischen Gemengtheile zu einander in demselben Verhältniss stehen werde, wie die Summe des Inhalts ihrer Oberflächen auf der Schnitt- fläche. Man breitet ein Stück durchsichtiges Oelpapier über die Schnittfläche eolorirt die einzelnen Bestandtheile, deren Grenzen durch eine vorherige Tränkung des geschliffenen Gesteins mit Oel besser von einander unterscheid- bar,werden, mit Farben durch und klebt das Bild auf gleichmässig dickes Stanniol auf. 'Trennt man nun vorsichtig mit der Scheere die einzelnen ver- schiedenfarbigen Theile, löst durch Befeuchten das Papier von dem Stanniol, so kann man die zusammengehörigen Stanniolschnitzel, welche die einzelnen Gemengtheile repräsentiren, abwägen und das Verhältniss zwischen den Summen der Gewichte der entsprechenden Schnitzel ist das Quantitätsverhältniss der !) Delesse, Compt. rend. XXV. 1847. 544. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 13) 343 einzelnen Gemengtheile dem Volumen nach. Führt man diese Operation auf den sechs Seiten eines geschlifftenen Gesteinsparallelepipeds durch, so erhält man Maxima und Minima dieser Werthe, aus denen sich die mittlere Zu- sammensetzung berechnen lässt.“ Die immerhin ziemlich gleichmässige Vertheilung der metallischen und unmetallischen Bestandtheile im Meteorit von Rittersgrün, die scharfe, deutlich erkennbare Abgrenzung, welche dieselben auf der polirten Schnittfläche zeigen, die bedeutende Grösse dieser Schnittfläche selbst und endlich das Vorhanden- sein einer vortrefflichen naturwahren Abbildung derselben, welche nach einer photographischen Aufnahme in Farbendruck und von der Grösse des Originals hergestellt worden war, dies Alles lies die Gelegenheit günstig erscheinen, die Brauchbarkeit der Delesse’schen Methode einer Prüfung zu unterwerfen. Da, wie erwähnt, die Grösse der übrigens auf gutes, gleichmässig starkes Papier gedruckten Abbildung eine so beträchtliche war, dass Fehler, die von kleinen Verschiedenheiten in der Papierstärke herrühren konnten, sich annähernd ausgleichen mussten, so liess man die vorgeschriebene Stanniolunterlage weg, zog das Blatt direct auf ein Reissbret auf und schnitt hierauf mittelst eines scharfen Messers die metallisch erscheinenden Theile aus, eine übrigens höchst mühselige und langwierige Arbeit. Die dem metallischen Theile (F,) und die dem nichtmetallischen (F,) entsprechenden Papierschnitzel wurden hierauf ge- wogen und ihr Gewicht zu FR = i5134 g F, = 10,3662 ” festgestellt. Hieraus berechnete Herr Bergrath Weisbach nach Delesse’s Vorschrift die Zusammensetzung des Meteorits nach Volumenprocenten zu Vi V, = 57,97 unmetallischen cr | 42,03 metallischen Bestandtheilen, während das aus den specifischen Gewichten der Gemengtheile ermittelte Ver- hältniss sich als V, = 25,11 metallische Bestandtheile, V, = 14,59 unmetallische N herausgestellt hatte. Allerdings ist bei vorausgesetzter gleichmässiger Mengung nach Weisbach’s Dafürhalten die Voraussetzung Delesse’s, dass 344 Dr. Clemens Winkler. (p. 14) V,:V., = HE: Fs unrichtig, vielmehr würde man das Verhältniss von Yı N == YF\ 3% VF, 3 anzunehmen haben, was auf V, = 3816 ib oder dem Gewichte nach auf 60,62 Proc. metallische Bestandtheile, 39,35 „ nichtmetallische Bestandtheile füiwt, immerhin aber noch ganz erheblich von den aus den Eigengewichten abgeleiteten Zahlen abweicht. Um die Prüfung der Delesse'schen Methode zu einer ganz gründ- lichen zu machen, ermittelte Weisbach an einem 104,9705 g schweren Stück des Meteoriten das speeifische Gewicht und fand es bei 21,0% = 4,5202. Hierauf fertigte derselbe mit Hülfe von geöltem Papier eine getreue Pause sämmtlicher sechs Schliffflächen desselben Parallelepipeds, welche auf Stanniol aufgeklebt wurden, worauf man mittelst einer feinen Scheere die den. metalli- schen 'T'heilen entsprechenden Zeichnungen ausschnitt, das anhaftende Papier in Wasser abweichte und entfernte, die verbleibenden Zinnschnitzel aber nach aufeinanderfolgendem Abspülen mit Wasser, Alkohol und Aether trocknete und ihr Gewicht bestimmte. So erhielt man: Gewicht der Stanniolschnitzel: i Metallischer Theil. Unmetallischer Theil. Zusammen. Haupttläche 1. 0,0800 0,1581 g 0,2381 8 en 2. 0,0944 „ 0,1411 „ 0235 Seitenfläche 1. 0,0156 „, 0,0320 , 0.0505 „, n 2. 0,0160 „ 0,0327 „, 0,0457 „ R 3...:0.0227, 0,0333 „, 0.0560 „ 4. 0,0194 „ 0,0298 „ 0,0492 „ 011g 0,4270 8 0, Dies führt unter Zugrundelegung der Delesse'schen Berechnungs- methode auf ein Volumenverhältniss von 37,03 Proc. metallischen. Bestandtheilen, 62,975 „ unmetallischen ii Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 15) 345 nach Weisbach’s Rechnungsweise dagegen auf ein Volumenverhältniss von 31,08 Proc. metallischen Bestandtheilen, 68,92 „ unmetallischen H Hieraus ergiebt sich, wenn man für den metallischen "Theil das speei- üsche Gewicht von 7,78, für den nichtmetallischen dasjenige von 3,12 einsetzt, ein Gewichtsverhältniss von 52,93 Proc. metallischeii Bestandtheilen, 47,0% „ unmetallischen " während die thatsächliche mechanische Scheidung beider hiermit überein- stimmend auf 51.06 'Proc. metallische Bestandtheile, 48,94 „ unmetallische A führte. Berechnet man ferner nach Delesse das Volumenverhältniss der Gemengtheile aus den Gewichten der Stanniolschnitzel, welche bei jeder ein- zelnen Schnittfläche gefunden worden waren, so ergiebt sich Metallische Bestandtheile. Unmet. Bestandtheile. Hauptfläche 1. 33,60 66,40 ij 2. 40,05 59,92 Seitenfläche 1. 36,76 63,24 ’ 2. 32,85 67,15 2 3. 40,54 59,46 n 4. 39,43 60,5% Mittel 37,21 62,79 Obwohl die Abweichungen erhebliche sind, so ist doch eine gewisse Constanz im Verhältniss unverkennbar, ein Beweis, dass die Mengung eine ziemlich gleichmässige sein muss. A. Analyse des metallischen Theils. a) Analyse des Meteoreisens als Ganzes. Das in der beschriebenen Weise thunlichst rein abgesonderte, zu dünnen Platten ausgeschmiedete Meteoreisen zeigte, wie bereits erwähnt, vollkommenste Geschmeidigkeit. Sein speeifisches Gewicht wurde wiederholt bestimmt und dabei, einschliesslich der früheren Breithaupt'schen Zahl, gefunden: 346 Dr. Clemens Winkler. (p. 16) Absolutes Gewicht. Specifisches Gewicht. Temperatur. 1,2191 g 7,596 — Breithaupt. 4,3759 „ 1,665 219,8 Winkler. 0,5770 „ 7,165 u Manzavinos. 1,3985 „, 1,178 240,0 Weisbach. 8,2465 „, 1,812 220,5 Weisbach. Von diesen Zahlen dürfte die letztaufgeführte der Wahrheit am nächsten kommen. Ausserdem versuchte A. Weisbach, das specifische Gewicht des Meteoreisens aus dessen chemischer Zusammensetzung (90,03 Fe, 9,74 Ni, 0,23 Co s. u.) und aus den von W. Hankel!) gefundenen Werthen des Eigen- gewichts von reinem Eisen, Nickel und Kobalt zu berechnen. Es ergab sich das berechnete specifische Gewicht zu 7,559. Das Meteoreisen wird von verdünnter Chlorwasserstoffsäure, namentlich wenn diese erwärmt ist, leicht gelöst unter Hinterlassung eines nur bei An- wendung grösserer Mengen bemerkbaren kohlenstofffreien Rückstandes von Phosphornickeleisen (Schreibersit), welchem weisse Kieselsäure beigemengt ist. Der Schreibersit bildet keine Krystalle, sondern stellt sich als ein feines, schweres, in Wasser rasch niedersinkendes Pulver dar, welches dem bewaff- neten Auge in Gestalt röthlichgrauer metallischer Stückchen von unregel- mässiger Form entgegentritt und weder von heisser Salzsäure noch von heisser Salpetersäure merklich angegriffen wird, sich dagegen in Königswasser leicht löst. Das sich beim Behandeln des Meteoreisens mit verdünnter Chlorwasser- stoffsäure entwickelnde Wasserstoffgas zeigt nur schwachen Geruch, ist an- scheinend frei von Kohlenwasserstoffverbindungen, enthält aber. Spuren von Phosphorwasserstofft und Schwefelwasserstoff, woraus hervorgeht, dass das Eisen nicht ganz frei von Schwefel ist und dass es neben unlöslichem Phosphornickeleisen auch etwas Phosphoreisen enthält. Im Uebrigen wurde durch die qualitative Analyse constatirt, dass man es in der Hauptsache mit Nickeleisen zu thun habe, in welchem etwas Kobalt, eine sehr geringe Menge Kupfer, aber keine Spur Zinn enthalten sei. Ebensowenig fand sich dieses in dem nichtmetallischen Theil des Meteorits, obwohl mit ganz besonderer N) W. Hankel, über das magnetische Verhalten des Nickels und des Kobalts; Ber. d. K. Süchs. Gesellsch. d. Wissensch., mathemat.-phys. Cl. 1875, 189. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrüm. (p. 17) 347 Sorgfalt danach gesucht wurde, weil Berzelius, Rammelsberg, v. Baum- hauer, Shepard, Clark u. A. in verschiedenen Meteoriten geringe Mengen Zinn gefunden hatten ') und dessen Nachweis im Hinblick auf die neuesten Arbeiten F. Sandberger's?) über das Auftreten des Zinns in Silicaten von besonderem Interesse gewesen wäre. F. Wöhler?) hat die Beobachtung gemacht, dass manches Meteoreisen sich im passiven, anderes wieder im activen Zustande befindet, während endlich gewisse Arten, wie das Eisen von Agram, dasjenige von Arva, von Atacama und Burlington in der Mitte stehen. Letzteren ist auch das Meteoreisen von Rittersgrün zuzuzählen. Dasselbe bleibt, in eine neutrale Kupfervitriollösung gebracht, zunächst unverändert; nach einiger Zeit beginnen sich die Ränder des Stückes und — was auch Daubre&e*) schon beobachtet hat — die Aetz- zeichnungen zu verkupfern, worauf die Kupferausscheidung sich allmählich über das ganze Stück erstreckt und zwar langsam, aber stetig fortschreitet. Das ausgeschiedene Kupfer ist dicht, krystallinisch und zeigt die lichtrothe Farbe des galvanisch niedergeschlagenen. ; Behufs seiner quantitativen Untersuchung wurde das Eisen nicht durch Behandeln mit Salzsäure oder Königswasser, sondern durch Erhitzen in einem Strome von reinem, trockenem Chlorgas in Lösung iübergeführt. Es ist dies eine in jeder Hinsicht empfehlenswerthe Methode, die sämmtliche im Unter- suchungsobjeet enthaltene Elemente, mit Ausnahme etwa vorhandenen Kohlen- stoffs, in Chloride überführt, die entweder flüchtig, oder in Wasser löslich sind. Zufällige Verunreinigungen, aus Silicaten bestehend, bleiben bei diesem Verfahren unangegriffen und ungelöst zurück. Das gewogene Meteoreisen (2,4835 g) wurde in ein Porzellanschiffehen gebracht und dieses in eine Verbrennungsröhre eingeschoben, deren eines Ende mit dem Chlorzuleitungsrohre verbunden war, während das andere, rechtwinklig niedergebogen, auf dem Boden einer Vorlage ausmündete, die zu einem Drittel !) v. Reichenbach, Pogg. Ann. CVIL, 359; C. F. Rammelsberg, Handb. der Mineralchemie, I, 907, 909, 925 u. £. 2) F. Sandberger, Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1877, 37T. 3) F. Wöhler, Pogg. Ann. LXXXV, 448. *) Daubree, Compt. rend. LXIV, 685; Jahresber. f. Chemie 1876, 1044. " Nova Acta XL. Nr. 8. 45 348 Dr. Clemens Winkler. (p. 18) mit verdünnter Chlorwasserstoffsäure gefüllt war. An diese schloss sich eine zweite, in gleicher Weise beschickte Waschflasche an, die ihrerseits mit einem mit Kalkmilch gefülltem Gefässe in Verbindung stand, in welchem das iüber- schüssig entweichende Chlor zur Absorption gelangte. Das Chlorgas wurde in einem mit groben Braunsteinstücken gefüllten Kipp’schen Apparat entwickelt, welcher in einem hohen Wasserbade stand; es hat sich diese von anderer Seite!) in Vorschlag gebrachte Art der Chlor- darstelluing in diesem Falle vortrefflich bewährt. Das Chlor wurde durch mehrere mit eoncentrirter Schwefelsäure gefüllte Waschflaschen sorgfältig ge- trocknet, was unerlässlich ist, wenn man beim hinterherigen Erhitzen der Substanz nicht geringe Abscheidung von Eisenoxyd erhalten will; ebenso muss man, namentlich wenn es sich um Isolirung etwa vorhandenen Kohlenstoffs handelt, darauf bedacht sein, dass alle im Apparate enthaltene Luft durch einen genügend lang andauernden Chlorstrom verdrängt worden ist. Erst dann kann man die Erhitzung beginnen und zwar hielt man sie im vorliegenden Falle thunlichst niedrig, so dass anfänglich Glühhitze bei Weitem nicht erreicht wurde. Im mässig raschen Chlorstrome sah man nun das sich zunächst bildende Eisenchlorid in Gestalt zarter Krystallflitter massenhaft fortgehen, wobei sich diese theils im kalten Theile der Röhre ablagerten, theils in die Vorlage übergeführt wurden, woselbst sie zur Auflösung gelangten. Sobald die Eisenchloridbildung nachzulassen begann, verstärkte man die Hitze und sah nun die noch im Schiffchen befindliche Substanz sich in glänzendes kry- stallisirtes Nickelchlorür verwandeln, welches zu schwer flüchtig war, um durch Erhitzung vorwärts getrieben werden zu können. Nach Beendigung des Processes entfernte man das Schiffehen aus dem Verbrennungsrohr und brachte es mitsammt seinem Inhalt unter eine Glas- glocke. Daneben stellte man ein Schälchen mit Wasser und in der so gebil- deten feuchten Atmosphäre zog das Nickelehlorür allmählich Wasser an und ging in etwa zwei Tagen in den löslichen Zustand über. Man behandelte es dann mit salzsäurehaltigem Wasser, filtrirte einen kleinen verbliebenen Rück- stand von Silicat ab und vereinigte das Filtrat mit der in den beiden Vor- lagen des Apparates befindlichen Hauptlösung, in welche man vorher schon \) de Koninck, Zeitschr. f. analyt. Chemie 1878, 181. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 19) 349 das im Verbrennungsrohr enthaltene Sublimat von Eisenchlorid übergespült hatte. Neben einer geringen Menge aus Silicaten bestehenden Rückstandes fand sich im Porzellanschiffehen auch ein hauchartiger Ueberzug von Kohle, der bei der Entfernung des Nickelchlorürs sichtbar wurde, aber seiner geringen Menge halber unmöglich bestimmt werden konnte, Nach dem Verjagen des überschüssigen Chlors wurde die heisse Lösung mit Chlorbarium versetzt und über Nacht warm stehen gelassen, um etwa vor- handene, jedenfalls minimale Mengen von Schwefel in Gestalt von schwefel- saurem Barium zur Abscheidung zu bringen. Es zeigte sich jedoch nicht die mindeste Trübung. Sodann wurde in die vom Chlorbarium befreite Lösung Schwefelwasserstoff bis zur Sättigung eingeleitet und diese wiederum zwölf- stündiger Ruhe in gelinder Wärme überlassen. Der inmittelst zum Absetzen gelangte Schwefel erschien licht bräunlich gefärbt und hinterliess nach dem Verbrennen eine unwägbare Menge Kupfer in Gestalt von Oxyd. Nach Austreibung des Schwefelwasserstoffs oxydirte man das vorhandene Eisenoxydul mit Kaliumchlorat, dampfte im Wasserbade fast zur Trockne, um die freie Säure zu verjagen, neutralisirte nahezu, fügte zu der noch ganz concentrirten Lösung essigsaures Natrium und verdünnte sodann mit kaltem Wasser. Beim Erhitzen bis nahe zum Sieden fiel dann sämmtliches Eisen vollkommen nickelfrei nieder. und mit ihm die in der Lösung befindliche Phosphorsäure. Der Eisenniederschlag ward nach dem Auswaschen wieder aufgelöst, die Lösung mit Ammoniak gefällt und das erhaltene phosphorsäure- haltige Eisenhydroxyd geglüht und gewogen. Das Filtrat wurde besonders auf Nickel und auf Phosphorsäure geprüft, doch waren diese nicht darin aufzufinden. Um den Gehalt an Phosphor im Meteoreisen zu bestimmen, wurde das gewogene phosphorsäurehaltige Eisenoxyd fein gepulvert, aufs Neue ge- glüht und gewogen und sodann eine Stunde lang mit dem dreifachen Gewichte eines Gemenges von gleichen Theilen Natriumearbonat und Kaliumnitrat ge- schmolzen. Nach dem Auslaugen der Schmelze mit Wasser ward die filtrirte Lösung angesäuert, mit Ammoniak und Salmiak versetzt und mit Chlor- magnesiummixtur gefällt, der erhaltene Niederschlag von phosphorsaurem Ammonium-Magnesium aber nach den bekannten Regeln weiter behandelt. Das rückständige Eisenoxyd löste man zu weiterer Prüfung in Chlorwasserstoffsäure, verjagte deren Ueberschuss durch Verdampfen, digerirte einige Zeit mit etwas 45* 350 Dr. Clemens Winkler. (p. 20) Salpetersäure und fügte einen Ueberschuss von Molybdänsäurelösung zu. Auch bei mehrstündigem Stehen in gelinder Wärme zeigte sich keine Phosphorsäure- reaction; die Trennung war also vollständig gewesen. Es galt nun noch, das Niekel zu bestimmen. Man fällte dasselbe aus seiner Lösung in vorschriftsmässiger Weise mit Kaliumhydroxyd, wusch sehr sorgfältig aus, reducirte den Niederschlag im Wasserstoffstrom und be- stimmte sein Gewicht. Hierauf wurde das Metall (Ni+ Co) in Chlorwasser- stoffsäure gelöst, nach dem Abdampfen im Wasserbade, Wiederaufnehmen in Salzsäure und Filtriren die darin enthalten gewesene Kieselsäure bestimmt und in Abzug gebracht, das in der Lösung enthaltene Kobalt aber durch salpetrig- saures Kalium abgeschieden. Das Filtrat fällte man aufs Neue mit Kalilauge, redueirte den Niederschlag mit Wasserstoff und brachte, nachdem das Gewicht des nunmehr kobaltfreien Nickels ermittelt worden war, abermals die Kiesel- säurecorrection an. Der Kobaltgehalt ergab sich aus der Differenz. Auf solche. Weise wurde (analyt. Belege Nr. 1) die Zusammensetzung des Rittersgrüner Meteoreisens wie folgt gefunden: Eisen — 89,99 Nickel — 9,14 Kobalt — 0,23 Kupfer — Spur Phosphor — 0,15 Kohlenstoff — Spur Silicat —. 10,04 100,15. Um über die einzelnen Verbindungen, aus denen das Meteoreisen sich zusammensetzt, und insbesondere auch über die Menge und Beschaffenheit des darin enthaltenen Schreibersits Klarheit zu erlangen, wurde eine grüssere Menge Material in Arbeit genommen. 8,2504 g Meteoreisen behandelte man in einem Kolben mit verdünnter Salzsäure (2 Vol. Salzsäure v. 1,12 spec. Gew. : 3 Vol. Wasser), wobei man die Einwirkung durch gelindes Erwärmen unterstützte. Das sich entwiekelnde Wasserstoffgas passirte zunächst eine mit Natriumhydrocarbonat beschickte Waschflasche, worin Chlorwasserstoff, sowie etwa entwickeltes Schwefelwasser- stoffgas zurückgehalten wurden, und trat dann durch mehrere mit einer Auf- Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 21) 351 lösung von salpetersaurem Silber gefüllte U-Röhren, deren Zweck die Ab- sorption von entweichendem Phosphorwasserstoff war. In der "That entstand in diesen eine geringe Ausscheidung von metallischem Silber, doch war die Menge des auftretenden Phosphorwasserstoffs anscheinend so unbedeutend, dass man ihre Bestimmung unterliess. Ein zweiter Theil des Gesammtphosphors ging als Phosphorsäure in die Lösung über, ein dritter kam in Gestalt von Phosphornickeleisen unlöslich zur Abscheidung. Man konnte also an- nehmen, dass der Phosphor theils als Schreibersit, theils als lösliches Phosphoreisen im Meteorit enthalten sei und zwar dürfte man es mit der Verbindung Fe, P zu thun haben, welche sich nach Freese'!) in Salzsäure, wie in verdünnter Schwefelsäure löst, wobei ®/g des Phosphors als Phosphor- Fr säure in Lösung gehen, 5/; desselben aber als Phosphorwasserstoff entweichen sollen. Nach Struve?) bleibt dagegen die Hälfte des Phosphors in der Lösung® zurück, während die andere Hälfte gasförmig entweicht. Jedenfalls war bei dem erwälnten Versuch eine deutlich bemerkbare, wenn auch geringe Menge Phosphorwasserstoff entwickelt worden, wie sich denn auch ferner in der erhaltenen Lösung Phosphorsäure vorfand. Denn es gab diese Lösung, die man vorher durch Filtration von der geringen Menge unlöslichen Riückstandes befreite, sowie ferner behufs Ausfällung von Kupfer oder Zinn mit Schwetel- wasserstoff behandelt und endlich unter Zusatz von Salpetersäure auf ein geringes Volumen abgedampft hatte, mit Molybdänsäuresolution eine deutliche Reaction auf Phosphorsäure. Die quantitative Bestimmung der letzteren missglückte leider. Der beim Auflösen des Meteoreisens in verdünnter Salzsäure verbliebene unlösliche Rückstand, 0,492 Proc. betragend, erwies sich unter der Loupe als ein Gemenge von amorpher Kieselsäure mit Schreibersit, welchem letzteren, wie sich bei dessen späterer Analyse ergab, auch etwas Asmanit beigemischt war. Man bestimmte ‚sein Gewicht, nachdem man ihn gelinde erhitzt hatte, und extrahirte sodann die beigemischte Kieselsäure durch Kochen mit Kali- lauge. Diese Kieselsäure darf man als aus ursprünglich vorhanden gewesenem Siliciumeisen entstanden annehmen, dessen Zusammensetzung der Formel 1) Freese, Pogg. Ann. 132, 225; Gmelin-Kraut, Handb. d. anorg. Chemie III, 322. 2) Struve, N. Petersb. Acad. Bull. 1860. 467; Gmelin-Kraut, Handb. d. anorg. Chemie III, 322. 352 Dr. Clemens Winkler. (p. 22) Fe, Si entsprechen dürfte. Bei dieser Annahme muss dahingestellt bleiben, ob das den weissen Riickstand bildende Pulver nicht vielleicht Silieiumoxyd ge- wesen ist und ob sich beim Auflösen des Eisens nicht eine geringe Menge Silieiumwasserstoff entwickelt hat. Es hätte sich diese Frage nur unter Auf- opferung einer sehr beträchtlichen Menge kostbaren Materials entscheiden lassen. Der Inhalt der behufs Rückhaltung von Schwefelwasserstoff mit Natrium- hydrocarbonat beschickten Waschflasche gab beim Versetzen mit alkalischer Bleilösung eine deutliche Braunfärbung und beim längeren Stehen setzte sich aus der Flüssigkeit eine geringe Menge Schwefelblei ab. Nach dem Decan- tiren der Flüssigkeit fügte man zu diesem Niederschlage Essigsäure bis zum Eintritt der sauren Reaction, brachte ihn sodann auf ein kleines Filter, wusch aus, behandelte das getrocknete Filter in einem gewogenen Porzellantiegel mit rauchender Salpetersäure, verdampfte unter Zusatz eines 'Tropfens Schwefel- säure und erhitzte das erhaltene schwefelsaure Blei zum Glühen. Seine Menge entsprach dem im Meteoreisen enthalten gewesenen Schwefel, der später als Schwefeleisen in Ansatz gebracht wurde. In die salzsaure Auflösung des Meteoreisens war, wie bereits mitge- theilt, behufs Nachweisung von Kupfer und Zinn Schwefelwasserstoff einge- leitet worden. Es zeigte sich das Vorhandensein einer geringen, aber doch bestimmbaren Menge Kupfer, während Zinn vollständig fehlte. Unter Zugrundelegung der durch diese Untersuchung ermittelten Daten (analyt. Belege Nr. 2) und Einführung der früher bestimmten Procentgehalte an Eisen, Kobalt, Nickel und Phosphor berechnet sich nun die Zusammen- setzung des Rittersgrüner Meteoreisens wie folgt: Eisen — 89,990 Nickel il) Kobalt — 0,230 Kupfer — 0,035 , Phosphor — 0,150 Schwefel = 0,011 Silieium — 0,066 Kohlenstoff — Spur Asmanit!) — 0,056 100,278. 1) Vergl. analyt. Belege Nr. 3. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 23) 353 b. Analyse des Phosphornickeleisens. Wie aus dem Vorstehenden ersichtlich, hinterliess das Rittersgrüner Meteoreisen beim Auflösen in verdünnter Chlorwasserstoffsäure nur die geringe Menge von 0,492 Proc. Rückstand, bestehend aus amorpher weisser Kiesel- säure, Phosphornickeleisen und etwas Asmanit. Durch Kochen dieses Rück- standes mit Kalilauge wurde demselben die lösliche Kieselsäure im Betrage von 0,143 Proc. des Meteoreisens entzogen und es blieben 0,349 Proc. asmanit- haltigen Phosphornickeleisens übrig. Da dieses bei der späteren Analyse sich wieder in 0,293 Proc. reines Phosphornickeleisen und 0,056 Proc. Asmanit zerlegen liess, so war die procentische Zusammensetzung des unlöslichen Rückstandes Phosphornickeleisen — 59,56 Asmanit — 20838 lösliche Kieselsäure — 29,06 100,00 Obwohl die Menge des asmanithaltigen Phosphornickeleisens eine sehr geringe war, wurde doch versucht, dasselbe zu analysiren. Beim Erwärmen mit Künigswasser ging es leicht in Lösung über, während der Asmanit zurückblieb, auf einem kleinen Filter gesammelt und nach dem Glühen ge- wogen werden konnte. Zu der durch Abdampfen vom Säureüberschuss be- freiten und nahezu neutralisirten concentrirten Lösung setzte man essigsaures Natrium, verdünnte stark und erhitzte zum Kochen. Der erhaltene völlig nickelfreie Niederschlag enthielt neben Eisen alle Phosphorsäure; man löste ihn aufs Neue, füllte mit Ammoniak und bestimmte nach dem Glühen das Gewicht des Niederschlags. Hierauf wurde derselbe abermals gelöst, die Lösung mit Salpetersäure abgedampft und Molybdänsäuresolution im Ueber- schuss zugefügt. Der nach hinreichendem Stehen in gelinder Wärme abge- schiedene gelbe Niederschlag wurde in bekannter Weise in pyrophosphorsaures Magnesium übergeführt und dieses gewogen. So ermittelte man den Gehalt an Eisen und an Phosphor. Das Nickel wurde mit Kalilauge gefällt und der Niederschlag im Wasserstoffstrome zu Metall redueirt. (Analyt. Belege Nr. 3.) - 354 Dr. Clemens Winkler. (p. 24) Auf diese Weise wurde gefunden: Eisen — 33,35 Nickel = 39,48 Phosphor — 9,14 Asmanit — 15,45 97,42. Bringt man den Asmanit in Abzug und rechnet die übrigen Bestand- theile auf 100 Procent um, so erhält man für die Zusammensetzung des reinen Phosphornickeleisens folgende Zahlen: Eisen — 40,68 Nickel = 48,16 Phosphor — 11,16 100,00 Es würde dies der Formel (Fe Ni), P entsprechen. Hinsichtlich des Phosphorgehaltes stellt sich somit der Schreibersit des Rittersgrüner Meteorits dem Phosphornickeleisen aus den Meteoreisen von Braunau, Misteca und Zacatecas zur Seite, welche enthalten }): Braunau. Misteca. Zacatecas. Eisen — 260,15 58,36 15,02 Nickel — 27,15 29,95 14,52 Phosphor = 12,72 11,61 10,23 100,00. 99,92. 99,77. Als reine Verbindung würde Fe, P 12,16 Proe., Ni, P aber 11,61 Proc. Phosphor enthalten. Auffällig ist die Höhe des Nickelgehalts im Schreibersit des Rittersgrüner Meteoreisens, wie solche bisher wohl noch nieht beobachtet worden ist. c. Constitution des Rittersgrümer Meteoreisens. Aus der Gesammtanalyse des Meteoreisens von Rittersgrün und der Zusammensetzung des darin enthaltenen Schreibersits lässt sich unter Annahme 1) C. F. Rammelsberg, Handb. d.. Mineralchemie I, 947 und 1000. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 25) 355 des Vorhandenseins bestimmter chemischer Verbindungen ein Schluss auf die Constitution dieses kosmischen Eisens ziehen. Zunächst stehen Nickel und Kobalt zum Eisengehalte in einem oft beobachteten Verhältniss, der Formel Fe, Ni entsprechend, und eben das häufige Wiederkehren dieses Verhältnisses in anderen Meteoriten macht die Existenz eines Nickeleisens von bestimmter chemischer Zusammensetzung nicht unwahrscheinlich. Dass der Phosphorgehalt nicht ausschliesslich in Form von Schreibersit vorhanden ist, geht daraus hervor, dass das Meteoreisen mit Chlorwasserstoffsäure Phosphorwasserstoff entwickelt und dass gleichzeitig Phosphorsäure in Lösung übergeht; man hat daher das Vorhandensein einer bestimmten Phosphoreisenverbindung und ebenso aus bereits erörterten Gründen dasjenige eines Silieiumeisens anzunehmen. Für erstere macht sich die Formel Fe, P, für letzteres die Formel Fe, Si wahrscheinlich, während das Schwefel- eisen wohl zweifellos als Monosulfid, Fe S, vorhanden ist Unter diesen Voraussetzungen erfordern die gefundenen 0.150 Pre, P 0,033Pre.P = 0,119 Pre. Fe u. 0,141 Pre. Ni u. geben 0,293 (Fe Ni), P ER ne at » 0,539 F&,P 0.066,51 .0264 "0,830 Fe, Si DO 2.8: 0019,,,,% 22 92.00506Ee< 0,824 Pre. Fe 0,141 Pre.Ni Demnach lässt sich das Meteoreisen als zusammengesetzt betrachten aus: Nickeleisen Fey Ni — 989% Phosphornickeleisen (Fe Ni); P = 0,293 Phosphoreisen Fe, P — 0,539 Silieiumeisen Fez Si — 0,330 Schwefeleisen Fe 5 — 0,030 Kohlenstoffeisen —#ISpur Kupfer — 0,035 Asmanit —Z20.056 100,278. Nova Acta XL. Nr. 8 46 356 Dr. Clemens Winkler. (p. 26) B. Analyse des unmetallischen Theils. Der unmetallische Theil des Rittersgrüner Meteorits bildet ein inniges Conglomerat von 3,12 spee. Gew., bestehend aus Troilit, Asmanit und Broneit, in welchem ausserdem einige Körnchen von Chromeisenerz verstreut liegen. Eine Trennung dieser Gemengtheile auf rein mechanischem Wege ist nicht oder doch nur in ganz unvollkommener Weise möglich; man war deshalb bei der Analyse gezwungen, chemische Mittel in Anwendung zu bringen, welche den vorhandenen Troilit in Lösung überführten und die Silicate unangegriffen zurückliessen. Letztere, den Asmanit und den Broneit, vermochte man dann durch Auslesen unter der Loupe, wenn auch nicht vollständig, so doch soweit zu trennen, dass sie einzeln analysirt werden konnten. a. Analyse des Troilits. Die von metallischen Partikeln auf das Sorgfältigste befreite, im Achat- mörser feingeriebene und durch ein Gazesieb gebeutelte unmetallische Masse wurde in einem Porzellanschiffehen abgewogen und dieses in das Verbrennungs- rohr desselben Apparates geschoben, welcher bei der Untersuchung des Meteor- eisens in Anwendung gebracht worden war. Man leitete sodann einige Zeit hindurch Chlorgas über die Substanz und begann, als alle Luft verdrängt war, diese höchst allmählich zu erhitzen. Die Bestandtheile des Troilits destillirten hierbei in Gestalt von Choriden in die Vorlage über, während die Silicate keine Veränderung erlitten. Nach beendeter Operation blieb der Inhalt des Schiffehens, dem wenig schwerlösliches Chlorniekel anhaftete, längere Zeit in feuchter Atmosphäre stehen und wurde sodann mit salzsäurehaltigem Wasser erwärmt. Nach dem Filtriren hatte man nur die Silicate im Rückstande und konnte deren Gewicht bestimmen, während andererseits das nickelhaltige Filtrat mit der in den Vorlagen enthaltenen Flüssigkeit vereinigt wurde. Es enthielt somit diese Lösung sämmtliche Bestandtheile des ursprünglich in dem Gemenge enthalten gewesenen Troilits. Auf solche Weise wurde theils durch mich (1), theils durch Herrn Manzavinos (2) zunächst das Verhältniss zwischen Troilit und Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 27) 357 Silieaten im unmetallischen 'l'heile des Meteorits festgestellt und dasselbe wie folgt gefunden (analyt. Belege Nr. 4): T. 2. Mittel. Troilit — 13,49 15,97 14,73 Silicate — 86,51 84,03 85,27 100,00. 100,00. 100,00. Herr Bergratı Weisbach hatte ferner die Güte, durch sorgfältiges Auslesen der Troilitpartikel aus der unmetallischen Masse das Material für eine gesonderte directe Analyse zu präpariren und mir zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig bestimmte Derselbe unter Anwendung von 0,3133 g Sub- stanz das specifische Gewicht des Troilits bei 21° zu 4,72. Bei der chemi- schen Analyse dieses mechanisch ausgesonderten Troilits (3) wurde ebenfalls der früher beschriebene Weg eingeschlagen und zwar zeigte sich bei der Erhitzung des Minerals im Chlorstrom das Zurückbleiben einer geringen Menge völlig weisser Kieselsäure, die in Gestalt leichter Flocken auftrat, also nicht als Einmengung von Asmanit betrachtet werden kann. Aus der Lösung des Troilits fällte man zunächst unter Einhalten der bekamten Regeln den als Schwefelsäure in Lösung befindlichen Schwefel durch Chlorbarium, entfernte aus dem Filtrat den Chlorbariumüberschuss, trennte sodann Eisen und Nickel durch essigsaures Natrium und brachte das Eisen in Gestalt von Oxyd, das Nickel als Metall zur Wägung. Auf diese Weise wurde (analyt. Belege Nr. 5) erhalten: At. be- gefunden Gew. rechnet 1. 0, ” Eisen — 3) 63,63 65,57 63,58 63,00 Nickel -— — — 1,40 — 1,02 Schwefel — 320 36,37 34,27 36,42 35,27 Kieselsäure — — — — — 0,67 FeSs — 88,0. 100,00. 101,54. 100,00. 99,96. Hiernach wäre das als Troilit betrachtete Mineral Eisenmonosulfid, FeS. 46* 358 Dr. Clemens Winkler. (p. 28) Nach ©. F. Rammelsberg!) ist die Entscheidung, ob das in den Meteoriten auftretende Schwefeleisen als Troilit oder als Magnetkies zu betrachten sei, nur dann möglich, wenn sich dasselbe als frei von Nickel erweist. Finde sich Nickel vor, so könne man ebensowohl annehmen, dass dasselbe als Nickeleisen von der Zusammensetzung des meteorischen Eisens eingemengt sei; bringe man dieses aber in Abzug, so stehe das restirende Eisen zu dem gefundenen Schwefel zumeist in demselben Verhältniss, welchem wir im Magnetkies begegnen. f Gleiches gilt nun auch im vorliegenden Falle. Legt man die Analyse Nr. 3, welche als die richtigste betrachtet werden darf, zu Grunde und bringt den gefundenen Nickelgehalt von 1,02 Proc. als Nickeleisen — 10,22 Proc. Fe, Ni in Abzug, so verbleiben auf die gefundenen 35,27 Proc. Schwefel noch 53,80 Proc. Eisen, was bei Umrechnung auf 100 Procent genau auf die Formel des Magnetkieses führt: At. Gew. berechnet gefunden unkle, 1,392 60,49 60,40 85 —: 256 39,51 39,60 Fe, Ss = 648. 100,00. 100,00. Hiernach würde es auch beim Rittersgrüner Meteorit unentschieden bleiben, ob in ihm das vorhandene Schwefeleisen als Troilit oder als Magnet- kies auftritt. Wenn man aber berücksichtigt, dass sowohl Nickeleisen, als Magnetkies ausgesprochen magnetisch sind, das hier vorliegende Schwefeleisen aber in Gestalt von Stücken nicht, in Pulverform nur schwach vom Magneten gezogen wird, so ist es viel wahrscheinlicher, dass man es hier nicht mit einem Gemenge, sondern mit wirklichem Troilit zu thun hat, in welchem ein Theil des Eisens durch Nickel vertreten ist. b. Analyse des Asmanits. Wie oben eingehender beschrieben, bleiben. beim Erhitzen des unmetal- lischen Theils des Meteorits die darin enthaltenen Silicate unangegriffen zurück, selbst dann, wenn man die Substanz in Gestalt von groben Stücken anwendet. 1) C. F. Rammelsberg, Handb. d. Mineralchemie II, 53. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 29) 399 Es gelingt auf solche Weise leicht, allen Troilit zu entfernen und sich ein Gemenge der reinen Silicate darzustellen, die man dann durch Auslesen unter der Loupe, wenn auch nicht vollkommen, so doch in dem Grade von einander trennen kann, dass ihre Einzelanalyse möglich wird. Um das Gewichts- verhältniss, in welchem dieselben zu einander stehen, zu ermitteln, bestimmte Herr Bergrath Weisbach sowohl das speeifische Gewicht des Gemenges, wie auch dasjenige des darin enthaltenen, sorgfältig ausgesuchten Asmanits und Broneits und schlug hierauf den Weg der Rechnung ein. Die Bestimmung der specifischen Gewichte ergab: Absol. Gew. Speeif. Gew. Temperatur. Silicatgemenge — 2,6208 g. 3,026 220,5 Asmanit, kleine Krystalle -— 0,1280 „ 2,274 209,0 desg]. grobes Pulver —= 0,1985 ,„ 2,278 20°,0 Broneit, reine Krystalle — 0,4085 „ 3,310 20°,0 desgl. Spuren Asmanit enth. — 0,9477 „ 3,301 20°,0 Aus diesen Zahlen berechnet sich, dass das Silicatgemenge besteht dem Gewichte nach aus: 20,4 Proc. Asmanit, 79,6 ,„ Broneit, dem Volumen nach aus: 27,2 Proc. Asmanit, 128 1, n.:71Broneit: Umgekehrt kann man, wenn man gleichzeitig das specifische Gewicht und die Menge des vorhandenen Troilits in Berücksichtigung zieht, das mittle specifische Gewicht der unmetallischen Masse des Meteorits auf dem Wege der Rechnung finden. Es bestand dieselbe im Durchschnitt aus 14,73 Proc. Troilit, 35,27 „ Silicaten; das ist, das specifische Gewicht des Troilits, wie gefunden, mit 4,2 eingesetzt, dem Gewichte nach: 14,73 Proe. Troilit, 12,39%), „.. Asmanif; 67,88 „ Broneit, 360 Dr. Clemens Winkler. (p. 30) dem Volumen nach: 9,95 Proc. Troilit, 24,42 ,„ Asmanit, 65,63 „ Broneit. Das berechnete specifische Gewicht des unmetallischen Theils wäre dann 3,20, während in Wirklichkeit 3,12 gefunden wurde. Die Untersuchung des Asmanits ergab das Vorhandensein von Kiesel- säure, Eisenoxyd und geringen Mengen Caleium- und Magnesiumoxyd. Ausser- dem erlitt das Mineral beim Rothglühen einen geringen, beim Glühen über dem Gebläse einen etwas grösseren Gewichtsverlust, welcher letzterer sich auf etwa 1 Proc. bezifferte.e Ob derselbe auf das Entweichen von Wasser oder dasjenige von Fluorsilicium zurückzuführen sei, war unmöglich zu ermitteln. Bei der quantitativen Analyse wurde das Mineral zum feinsten Pulver zerrieben und sodann bei 150° getrocknet, worauf man den Gewichts- verlust ermittelte, welchen der Asmanit beim Glühen erlitt. Bei Anwendung des einfachen Gasbrenners schwankte dieser zwischen 0,42 und 0,54 Proc., über dem Gasgebläse steigerte er sich bis zu 1,01 bis 1,07 Proe., worauf er constant blieb. Einen Theil des geglühten Minerals führte man durch Behandlung mit Fluorwasserstoffsäure, einen zweiten durch Schmelzen mit Natriumcarbonat in Lösung über. Die Kieselsäure wurde durch wiederholtes Abdampfen mit Chlorwasserstoffsäure im Wasserbade abgeschieden und das Eisen aus dem Filtrate durch Ammoniak gefällt. Die Menge des vorhandenen Calciums und Magnesiums war zu gering, um mit Sicherheit bestimmt werden zu können. Die Untersuchung einer minder reinen (1) und diejenige einer aus- gezeichnet reinen (2) Partie Asmanit ergab (analyt. Belege Nr. 6): 1. 2. Kieselsäure —= 95,77 (a.d.Dift.) 97,84 Eisenoxyd — ll 1,65 Calei Nee An Sn Sr Magnesiumoxyd — Glühverlust — . 108 1,01 100,00. 100,50. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 31) 361 Von mineralogischer Seite ist in der Neuzeit die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit der Identität von Asmanit und Tridymit wiederholt hervor- gehoben worden und Herr Bergrath Dr. Weisbach hatte die Güte, sich über diesen Punkt in folgender Weise zu äussern: „Der Vereinigung des Asmanit (Maskelyne 1871) mit dem Tridymit (vom Rath 1868) stand der Umstand entgegen, dass As- manit durch Maskelyne als rhombisch und optisch zweiaxig erkannt worden, während für Tridymit nach den Arbeiten von vom Rath als Krystallsystem das hexagonale festgestellt zu sein schien. Es haben aber neuerdings (1878) fast gleichzeitig und unabhängig von einander Schuster!) in Wien und von Lasaulx?) in Breslau für Tridymit das trikline System und optische Zweiaxigkeit nach- gewiesen. Gemeinschaftlich in morphologischer Hinsicht bleibt den beiden Körpern, dass ihre Krystalle sehr oft als sechsseitige Täfelchen (als hexagonale Combination von Basis ce und Prisma a) erscheinen, dass ferner bei beiden nach Richtung ce ziemlich deutliche Spaltbarkeit stattfindet und dass hier wie dort noch schmale Abstumpfungsflächen der Kanten - auftreten, deren Neigungen gegen ce sowohl bei As- manit, als Tridymit zu 117039‘ gefunden wurden, während der prismatische Winkel (aa) für Asmanit 120% 20°, für Tridymit 120° 0° misst. Vergleicht man die Beobachtungen, welche Maskelyne an Asmanit und von Lasaulx an Tridymit in optischer Hinsicht gemacht haben, so findet ebenfalls nahe Uebereinstimmung statt, nämlich: 1. was die Orientirung der Ebene der optischen Axen in Bezug auf die Flächen des Prisma (Protoprisma) der dünn- tafeligen, scheinbar hexagonalen Krystalle beider Körper anlangt, indem bei hexagonaler Deutung solche Ebene Flächen des Deuteroprisma parallel geht, respective gehen würde; !) Schuster, Tschermak’s petrograph. Mitth. 1878, 71. 2) von: Lasaulx, Groth’s Zeitschr. 1878, 253. 362 Dr. Clemens Winkler. (p. 32) 2. was den Winkel zwischen den optischen Axen betriift, welcher annähernd für Asmanit zu 73°, für Tridymit zu 68° bestimmt worden. Erwägt man endlich, dass das Eigengewicht für Asmanit durch Maskelyne zu 2,245, durch vom Rath zu 2,2471), für Tri- dymit andererseits durch Letzteren zu 2,252 bis 2,326 bestimmt worden, so dürfte kaum noch ein Zweifel an der Identität beider Körper übrig bleiben.“ Bei solcher Sachlage musste es wünschenswerth erscheinen, auch das chemische Verhalten, insbesondere die Löslichkeit von Asmanit und Tri- dymit in Alkalien, vergleichend festzustellen. Hierzu diente, neben Asmanit aus dem Rittersgrüner Meteorit, ein Tridymit aus Siebenbürgen, welcher von Weisbach in reinen Kryställchen ausgesucht worden war. Das Pulver beider Mineralien erlitt beim Kochen mit Kalilauge einen deutlichen Angriff, zeigte aber nicht im Entferntesten die leichte Löslichkeit der künstlich dargestellten amorphen Kieselsäure, wie man sie durch Zersetzung einer Wasserglaslösung mittelst Salzsäure, Abdampfen, Auswaschen, Trocknen und Glühen erhält. Während diese sich beim Erwärmen mit Kalilauge augenblicklich löst, bedarf es bei Asmanit, bei Tridymit, sowie bei anderen natürlichen Kieselsäuren eines mehrstündigen Kochens mit der alkalischen Flüssigkeit, um dieselben zum Verschwinden zu bringen. Ueberhaupt herrscht über die Löslichkeit der Kieselsäure viel Unklarheit und dies gilt ebensowohl von der natürlichen, wie von der künstlichen, der krystallisirten, wie der amorphen. Sämmtliche natür- liche Kieselsäuren werden von kochender Kalilauge angegriffen, die einen rascher, die anderen langsamer. Im Grunde genommen sind sie also alle löslich, nur erfordert die Auflösung eine verschiedene Zeitdauer. Gleiches gilt — und das dürfte noch nicht bekannt sein — von der künstlich dargestellten, auf nassem Wege bereiteten und allgemein für leicht löslich gehaltenen Kiesel- säure. Während die aus zerlegbaren Silicaten, z. B. aus Wasserglas, durch -Säuren abgeschiedene Kieselsäure auch im geglühten Zustande auf das Leich- teste von kochender Kalilauge aufgenommen wird, zeigt sich die beim Einleiten von Fluorsiliciumgas in Wasser erhaltene, bekanntlich höchst lockere und 1) Weisbach bestimmte das specifische Gew. des Asmanits zu 2,274 bis 2,278. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (pP. 33) 363 voluminöse Kieselsäure nach dem Glühen verhältnissmässig schwer löslich. Die Untersuchungen hierüber sollen fortgesetzt werden; vorläufig seien, nament- lich um einen weiteren Beweis für die Identität von Asmanit und Tridymit zu liefern, nur die Ergebnisse einiger Versuche mitgetheilt, die darin bestanden, dass man verschiedene natürliche und künstliche Kieselsäuren unter thunlichst gleichen Verhältnissen mit Kalilauge kochte und die eintretende Gewichts- abnahme bestimmte. Soweit dieselben wasserhaltig waren, wurden sie dureh helles Rothglühen entwässert; für jeden Versuch verwendete man durchschnitt- lich 0,03 & wasserfreier Kieselsäure und erhielt diese Quantität mit 25 cbem Normalkalilauge eine Stunde lang im Sieden. Das Glaskölbehen, in welchem die Erhitzung vorgenommen wurde, endete in ein langes nicht zu enges Glas- rohr, welches bei schräger Stellung des Ganzen als Rückflusskühler wirkte, so dass die Kalilauge während der ganzen Dauer des Versuchs die ursprüng- liche Concentration beibehalten musste. Von je 100 Gewichtstheilen wasserfreier, zu feinstem Pulver zerriebener Kieselsäure gingen hierbei in Lösung über bei Anwendung von: Kieselsäure aus Wasserglas — 100,00 in 1 Min. Opal von Borsoe, Ungarn — 8914 | Hyalith von Walsch, Böhmen —„ 56,11 | ee aus ke “— u | RR N N Asmanit vom Rittersgrüner Meteorit — 43,88 | Kieselsäure aus Fluorsilieium 2 | Berekrystall — EnlEz Hiernach lässt sich annehmen, dass Asmanit und Tridymit gleiche Löslichkeit besitzen, also auch in dieser Hinsicht nicht von einander abweichen. ec. Analyse des Broneits. Die Präparation des in dem Silicatgemenge enthaltenen Broneits war insofern leicht, als dieses Mineral den vorwiegenden Bestandtheil desselben bildet und darin in reinen, hellgrünen, zuweilen mit Asmanit verwachsenen Krystallen auftritt. Das Mineral zeigte beim Erhitzen vor dem Löthrohr in der Pincette sehr geringe Schmelzbarkeit, wurde von Säuren, mit Ausnahme von Fluorwasserstoffsäure, nicht angegriffen und erlitt beim Glühen, selbst Nova Acta XL. Nr. 8. 47 364 Dr. Clemens Winkler. (p. 34) unter Anwendung des Gebläses, keine Gewichtsabnahme, wenn dieses im Kohlensäurestrom vorgenommen wurde. Beim Zutritt von atmosphärischer Luft ging das ursprünglich weisse Pulver in ein hellbraunes über, indem das vorhandene Eisenoxydul sich theilweise oxydirte. Spec. Gew. 3,310. Die qualitative Untersuchung ergab das Vorhandensein von Kieselsäure, Eisenoxydul, Manganoxydul, 'Thonerde, Caleium-Magnesium- und Natriumoxyd, sowie von kaum nachweisbaren Mengen Kupferoxyd. Ausserdem war dem Broneit jederzeit etwas Chromeisenerz beigemengt, welches beim Behandeln desselben mit Fluorwasserstoffsäure und Schwefelsäure ungelöst zurückblieb. Die quantitative Analyse erfolgte derart, dass man das Mineral durch Schmelzen mit Kalium-Natriumcarbonat aufschloss, die Schmelze in Wasser löste und die Kieselsäure durch Abdampfen mit Chlorwasserstoffsäure zur Abscheidung brachte. Aus dem Filtrat wurden Aluminium, Eisen und Mangan durch Schwefelammonium abgeschieden, der Niederschlag wieder aufgelöst, die Lösung oxydirt und Aluminium und Eisen durch essigsaures Natrium vom Mangan getrennt. Hierauf erfolgte, nach vorausgangener Fällung durch Ammoniak, ihre gemeinsame Bestimmung in Gestalt von Oxyden und endlich ihre Trennung dureh Schwefelammonium in weinsäurehaltiger Lösung. Das erhaltene Schwefeleisen ward in Oxyd umgewandelt und gewogen; die 'T'honerde ergab sich aus der Differenz. Das in der essigsauren Lösung ver- bliebene Mangan wurde durch Natriumearbonat abgeschieden und der Nieder- schlag in wägbares Oxyduloxyd übergeführt. In dem vom Schwefelammonium-Niederschlage erhaltenen Filtrat waren nun noch Caleium und Magnesium zu bestimmen. Man erhitzte es bis zum Sieden, um das überschüssige Schwefelammonium zu verjagen, und fügte oxalsaures Ammonium zu. Nach zwölfstündigem Stehen in der Wärme wurde das oxalsaure Caleium abfiltrirt und durch gelindes Glühen in kohlensaures Salz umgewandelt.!) Das Magnesium fällte man sodann aus ammoniakalischer Lösung durch phosphorsaures Natrium. !) Später, nach Abschluss der vorliegenden Arbeit, vorgenommene Untersuchungen haben ergeben, dass das zur Wägung gebrachte kohlensaure Calcium etwas magnesiahaltig war, dass somit der an sich geringfügige Kalkgehalt um eine Kleinigkeit zu hoch gefunden worden ist. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 35) 365 Ein anderer "Theil des Broneits ward mit Fluorwasserstoffsäure be- handelt und hierauf unter Zusatz von Schwefelsäure verdampft. Beim Auf- nehmen des zum schwachen Glühen erhitzten Rückstandes in Salzsäure blieb etwas Chromeisenerz zurück. Die Abscheidung der in Lösung gegangenen Elemente geschah in der vorstehend beschriebenen Weise, nur wurde die Mag- nesia nach dem Verjagen der Ammoniumsalze durch Barytwasser gefällt, nach dem Einleiten von Kohlensäure und Erhitzen zum Sieden filtrirt, das Filtrat durch Schwefelsäure vom Barytüberschuss befreit und das in Lösung verbliebene Natriumsulfat sodann an neutrales Salz übergeführt, welches zur Wägung gelangte. Es enthielt geringe Mengen Kaliumsalz, während andere Metalle speetroskopisch nicht aufgefunden werden konnten. Auf solche Weise wurden mit etwas asmanithaltigem (1) und mit aus- gesucht reinem Material (2, u. 3) folgende Werthe erhalten (vergl. analyt. Be- lege Nr. 7): R 2. 3. Kieselsäure a 56,56 (3) 56,56 T'honerde — 2,28 2,05 2,04 Eisenoxydul — 010,99 10,74 10,09 Manganoxydull — 0,4] 0,42 0,55 Magnesiumoxyd — 24,78 25,13 25,59 Caleiumoxyd — Narezı 2,52 1,66 Natriumoxyd — nicht best. 1,4 Aa) Chromeisenerzz — 0,94 0,95 0,98 (2) 98,44. 99,83. 98,90. Aus den vorstehenden Analysen geht hervor, dass das grüne Mineral des Rittersgrüner Meteorits wirklich Broneit ist. Es stellt sich dasselbe hin- sichtlich seiner Zusammensetzung dem Broneit des aller Wahrscheinlichkeit nach von demselben Fall herrührenden Meteorits von Breitenbach (aufgefunden 1861) zur Seite, in welchem Maskelyne!) fand: Kieselsäure — HM Eisenoxydul — 13,58 Magnesiumoxyd — 30,21 99,89. 1) C. F. Rammelsberg, Handb. d. Mineralchemie II, 384. 47“ 366 Dr. Clemens Winkler. (p. 36) Maskelyne scheint einen sicherlich vorhandenen Thonerdegehalt über- sehen und deshalb eine grössere Menge Eisenoxydul gefunden zu haben, wie wohl auch der angegebene Magnesiagehalt das vorhandene Caleiumoxyd, viel- leicht sogar das Manganoxydul in sich schliesst. Vietor von Lang!) legt dem Broncit des Breitenbacher Meteorits die Bezeichnung Enstatit bei, während doch dessen Eisenoxydulgehalt ein sehr erheblicher ist. Bemerkenswerth ist übrigens die ziemlich nahe Ueberein- stimmung in den specifischen Gewichten beider Vorkommnisse; nach Maske- Iyne beträgt dasjenige des Broneits im Breitenbacher Meteorit 3,23, während Weisbach das specifische Gewicht des Broneits im Rittersgrüner Meteorit zu 3,31 bestimmte. Wie bereits erwähnt, rührt auch der Meteorit von Steinbach (aufgefunden 1751) aller Wahrscheinlichkeit nach vom gleichen Falle her. Der in demselben enthaltene Broneit wurde 1825 von Stromeyer?) analysirt, welcher ihn, trotz seines hohen Kieselsäuregehaltes, als Olivin bezeichnete. Das specifische Gewicht des Minerals war bei 22,50 3,2759, seine Zusammen- setzung ergab sich, wie folgt: Kieselsäure — 61,88 Eisenoxydul = 9,12 Manganoxydull —= 0,31 Magnesiumoxyd — 25,83 Chromoxyd — 0,33 Glühverlust —= 045 97,92. Also auch hier zeigt sich eine unverkennbare Uebereinstimmung mit dem Rittersgrüner Vorkommniss. !) Vietor von Lang, Pogg. Ann. CXXXIX, 315. 2) Pogg. Ann. IV, 195, u. O. Buchner, die Meteoriten, 125. In beiden Quellen ist der Gehalt an Manganoxydul irrthümlich zu 9,31, statt zu 0,31 Proc. angegeben. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 37) 367 C. Gesammtergebniss. Stellt man die Resultate, welche die Analysen der verschiedenen Gemeng- theile des Rittersgrüner Meteorits ergeben haben, zusammen, indem man für Troilit Analyse 3, für Asmanit Analyse 2 und für Broneit Analyse 2 als die vermuthlich richtigsten einsetzt und ausserdem die geringe im Meteoreisen aufgefundene Menge Asmanit den unmetallischen Bestandtheilen zurechnet, so gelangt man zu folgendem Gesammtergebniss: | Nickeleisen (Fe, Ni) — 50,406 Phosphornickeleisen (Fe Ni), P.) — 0,149 51,031 Proc. Phosphoreisen (Fe; P) — 0,274 metallische Silieciumeisen (Fez Si) — 0109 Bestandtheile | Schwefeleisen (Fe S) — 0.015 Kohlenstoffeisen — 7 SPORE | Kupfer —z0.018 48,969 Proc. | iralle im bel unmetallische a oh Bee \ Broneit — 32.908 | Chromeisenerz — 0323 100,00. D. Untersuchung auf einen Gehalt an Wasser und gasförmigen Bestandtheilen. jekanntlich gelang es Th. Graham!) im Verfolg seiner elassischen Arbeiten über den Einschluss von Gasen in Metallen, auch im Meteoreisen von Lenarto einen Gasgehalt nachzuweisen. Diese Entdeckung war eine äusserst wichtige, wie denn das Studium der Beschaffenheit derartiger Gaseinschlüsse insofern noch ganz besondere Bedeutung erhält, als letztere Repräsentanten “ 2) Th. Graham, Compt. rend. t. LXIV, 1067; Pogg. Ann. COXXXI, 151. 368 Dr. Clemens Winkler. (p. 38) derselben Atmosphäre bilden, innerhalb deren sich das Meteoreisen dereinst im glühenden oder flüssigen Zustande befunden haben muss. Graham fand im Lenarto-Eisen das 2,85fache Volumen an gasigen Bestandtheilen, in welchen Wasserstoff in überwiegender, Kohlenoxyd und Stickstoff in untergeordneter Menge vertreten waren. Da Sehmiedeeisen unter dem Druck der Erdatmosphäre nicht mehr als sein gleiches Volumen Wasser- stoffgas zu absorbiren vermag, so zog der englische Forscher den Schluss, dass das Meteoreisen von Lenarto aus einer Wasserstoffatmosphäre stammen müsse, welche die Atmosphäre der Erde an Diehtigkeit übertreife. Das Vor- handensein von Wasserstoff kann an sich nicht auffallend erscheinen, da dieses Element nicht allein im Lichte der Fixsterne nachgewiesen worden ist, sondern nach Secchi auch den Hauptbestandtheil einer zahlreichen Olasse von Sternen ausmacht, von denen « Lyrae (Vega) der "Typus ist. Nächst Graham hat sich namentlich Arthur W. Wright') um die Untersuchung der gasförmigen Bestandtheile der Meteorite verdient gemacht und ebenfalls zumeist Wasserstoff in überwiegender Menge im Meteoreisen angetroffen, während Kohlenoxyd, Kohlensäure und Stickstoff in geringem Maasse vorhanden waren, Kohlenwasserstoffe aber gänzlich fehlten. Eine auf- fallende Ausnahme macht nur das Meteoreisen von Arva, welches sich nicht allein durch einen ausserordentlich hohen, sein 47faches Volumen betragenden Gasgehalt auszeichnet, sondern auch vorwiegend Kohlenoxydgas enthält. Da- gegen finden sich in den gasförmigen Bestandtheilen der Meteorsteine nament- lich Kohlensäure und Wasserstoff, in untergeordneter Menge aber Kohlenoxyd und Stickstoff vertreten, wie dieselben denn auch durch einen fast nie fehlenden Gehalt an Kohlenwasserstoffgas charakterisirt sind. Auch die Steinmeteoriten enthalten ihr mehrfaches Volumen an gasigen Bestandtheilen eingeschlossen, der überhaupt höchst merkwürdige Meteorit von Kold Bokkeveld sogar sein 25faches Volumen, und wir sehen in diesen 93,11 Proe. Kohlensäure und 3,25 Proc. Grubengas auftreten, während der Rest durch Kohlenoxyd, Wasser- stoff und Stickstoff gebildet wird. Dieser Meteorit ist es auch, in welchem neben 1,67 Proc. Kohlenstoff, 0,25 Proc. einer bituminösen, aus Kohlenstoff, 1) Wright, Wochenschr. f. Astronomie 1875, 364 u. 1877, 4 u. 9; Jahrb. d. Erfind. v. H. Gretschel u. 6. Wunder, 1876, 42 u. 1877, 20. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rüttersgrün. (p. 39) 369 Wasserstoff und Sauerstoff bestehenden Substanz aufgefunden wurden und welcher beim Erhitzen etwa 10 Proc. seines Gewichtes Wasser lieferte. So überaus interessant «dieses Ergebniss ist, so kann doch durch solch einen ver- einzelten Fall die Frage, ob der Kohle- und Bitumengehalt meteorischer Massen vielleicht auf organischen Ursprung zurückzuführen sei, nicht entschieden werden, wiewohl sie dadurch sicherlich zu erhöhter Bedeutung gelangt. Denn so lange sich nicht öfters Gelegenheit darbietet, ähnliche Wahrnehmungen, . wie am Meteorit von Kold Bokkeveld an anderen, namentlich frisch gefallenen Meteoriten zu machen, wird die von H. B. Geinitz'!) ausgesprochene Meinung aufrecht erhalten bleiben müssen, dass in jenen kosmischen Gebilden zwar graphitischer und amorpher Kohlenstoff als Urkohlenstoff enthalten sein könne, der Gehalt an Wasser, an humusartigen oder bituminösen Stoffen und an Ammoniak aber terrestrischen Ursprungs sei und dass somit diese Bestand- theile weder auf einen Wassergehalt, noch auf organisches Leben im Weltraum zu schliessen berechtigen. Was den Wassergehalt der Meteoriten anbelangt, so möchte demselben nach den inmittelst gemachten Erfahrungen die Möglichkeit kosmischen Ur- sprungs nicht unbedingt abzusprechen sein. Die zweifellos erwiesene Ocelusion von Wasserstoff und Wasserstoffverbindungen im Meteoreisen, wie in den Meteorsteinen macht das gleichzeitige Vorhandensein von Wasser in manchen derselben sogar in hohem Grade wahrscheinlich und eben so denkbar, wie die Mitführung einer wenn auch beschränkten Atmosphäre, welche während des Passirens durch die Lufthülle der Erde abgestreift wird, oder zur Ver- brennung gelangt. Bei einem kosmischen Gebilde, welches, wie der Rittersgriüner Meteorit, gegen 400 Jahre in einer lockeren Erdschicht gelegen hat, ist selbstverständ- lich die Entscheidung der Frage, ob ihm dereinst ein Wassergehalt zugehört habe, nieht mehr mit Sicherheit möglich. Dagegen schien es vor Allem von Interesse, nachzuweisen, ob derselbe, gleich anderen Meteoriten, Gase ein- geschlossen enthalte. Es geschah dies in folgender Weise: Mehrere Stücken des Meteorits bis zu 1 cbem Grösse wurden 6 Stunden lang bei 150° getrocknet und sodann gewogen. Ihr Gesammtgewicht betrug ) H. B. Geinitz, Jahrb. Min. 1867, 724; Jahresber. f. Chemie 1867, 1046. 370 Dr. Clemens Winkler. (p. 40) 13,6407 g. Man brachte dieselben in das zugeschmolzene Ende einer weiten und ziemlich starkwandigen Verbrennungsröhre aus strengflüssigem Glase, zog diese in hinreichender Entfernung von der Substanz zur Capillare aus und wiederholte dieses Ausziehen an einer zweiten, etwa 25 cm weiter entfernt gelegenen Stelle, worauf das Rohr abgeschnitten und letztgenannte Verjüngung mit einer Sprengel-Weinhold’schen Quecksilber-Luftpumpe in Verbindung gesetzt wurde. Es bestand somit das Rohr aus zwei Theilen, A und B, welche durch die verjüngte Stelle mit einander in Verbindung standen. Der Röhrentheil A enthielt die Substanz des Meteorits, dann folgte die Capillare, hierauf ein längerer 'Röhrentheil B und dieser war am anderen Ende ebenfalls ausgezogen, so dass seine Oeffnung den Ansatz an die Luftpumpe bildete. Nach vollkommenem Auspumpen der Luft schmolz man letztere Verjüngung durch Ausziehen vor der Lampe zu und begann nun die im Theile A der luftleeren Röhre befindliche meteorische Masse sehr allmählich zu erhitzen. Schon nach kurzer Zeit zeigte sich, trotz des vorhergegangenen Trockvens, im kalten Röhrentheile B ein deutlich erkennbarer Wasserbeschlag, während gleichzeitig die unmetallischen Partien des Meteorits tiefschwarze Farbe an- nahmen, die blanken Schlifflächen des Eisens aber ihren vollen Glanz be- hielten. Man steigerte die Hitze allmählich bis zum schwachen Glühen und zum beginnenden Erweichen der Glasröhre. Diese Temperatur unterhielt man zwei Stunden lang, worauf der Versuch unterbrochen wurde. Nun wurde die Verbindungscapillare zwischen A und B vor der Lampe erweicht und durch Ausziehen eine Trennung beider Röhrentheile herbeigeführt, ohne dass Luft einzudringen vermocht hätte. Den leeren Röhrentheil B senkte man jetzt mit dem einen Ende in einen mit Quecksilber gefüllten Cylinder und brach mittelst einer Zange seine untere Spitze ab. Sofort trat das Quecksilber mit Heftigkeit ein und stieg in der Röhre empor, bis es diese fast ganz erfüllt hatte. Die erhaltene Gas- menge betrug nur wenige Cubikcentimeter; um sie zu messen, brachte man beide (uecksilberspiegel in gleiches Niveau und markirte ihren Stand durch Aufkleben eines Papierstreifens, an dessen Stelle man später einen Feilstrich setzte. Sodann entleerte man die Röhre von ihrem Quecksilberinhalt und er- mittelte durch Ausmessen mit Wasser unter Anwendung einer genau getheilten Bürette sowohl das vorhanden gewesene Gasvolumen, als auch den Gesammt- Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 41) 371 inhalt der Röhre B. In gleicher Weise wurde der Inhalt von A bestimmt, nachdem man dieses Rohrstück in der Mitte zerschnitten und vom Unter- suchungsobjeet entleert hatte, welches letztere sofort zur Wägung gebracht wurde. Das im Röhrentheil B angesammelte Gas hatte ein Volumen von 2,40 cbem im feuchten Zustande, was corrigirt 2,08 cbem ergab. Es betrug ferner der Inhalt des Röhrentheils A = 33,1 cbcem. B, 546 02 87,7 cbem. Hiervon ab Volumen der Meteormasse (4,29 sp. G) = 3,1 ” 84,6 ebem. Da in B = 54,6 cbem) 2,08 cbem Gas gefunden worden waren, so mussten in der gesammten Röhre (54,6 cbem) 3,22 cbem Gas enthalten sein, welche von den 3,1 cbem Meteormasse eingeschlossen gewesen waren. Der Rittersgrüner Meteorit hatte also beim Erhitzen sein 1,03faches Volumen an Gasen ergeben. Eine genauere Untersuchung des erhaltenen Gases war bei diesem Versuche leider nicht möglich, doch zeigte dasselbe, als man es unter dem Druck des Quecksilbers aus der abgebrochenen Spitze der Röhre B aus- strömen liess, bei Annäherung einer Flamme deutlich ersichtliche Brennbarkeit. Die Substanz hatte beim Erhitzen in der Luftleere eine Gewichts- abnahme von 0.0322 g — 0,23 Proc. erlitten, welche in der Hauptsache auf Rechnung des entwichenen Wassers zu setzen ist. Ob dieses Wasser dem Meteorit von Anfang an zugehört hat, lässt sich nicht unbedingt behaupten, doch muss darauf hingewiesen werden, dass die zur Untersuchung verwendeten Stücken nicht vom Rande derselben stammten, sondern durchweg von Schnitt- und frischen Bruchflächen begrenzt waren. In Anbetracht des vorherigen sorgfältigen Trocknens der Stücken ist das Auftreten von Wasser eben so auffällig, wie die Gewichtsabnahme, welche der Asmanit beim starken Glühen erleidet. Wenn man aber auch in letzterem das Vorhandensein einer dem Glühverlust entsprechenden Wassermenge annehmen wollte, so bedurfte es doch zu deren Austreibung einer ungleich höheren Temperatur, als diejenige war, Nova Acta XL. Nr. 8. 48 372 Dr. Clemens Winkler. (p. 42) welche beim Erhitzen des Meteorits in der Luftleere in Anwendung kam, und deshalb ist es nicht wohl möglich, dass das entstandene Wasser dem vorhan- denen Asmanit entstammte. Die mässige Erhitzung, bei welcher das Wasser bereits zur Austreibung gelangte, schliesst auch die Möglichkeit aus, dass dieses chemisch auf das vorhandene Eisen einwirkte und dadurch Anlass zur Entstehung von Wasser- stoffgas gab. Es condensirte sich dieses Wasser der Hauptsache nach im kalten Theile der Röhre und überdies hatten die Schnittflächen des Meteor- eisens auch nach zweistindigem Glühen ihren vollen Glanz behalten, was selbst bei ganz oberflächlicher Oxydation nicht möglich gewesen wäre. Höchst auffällig war dagegen die Veränderung, welche die Farbe des unmetallischen Theils des Meteorits bei der Erhitzung im Vacuum erlitt. Ursprünglich braun, ja in einzelnen Partieen fast gelb, färbte sich dieselbe schon weit unter der Glühtemperatur tiefschwarz. Wohl war die gleiche Schwarzfärbung früher schon bei gelegentlichem Erhitzen der Substanz im Kölbehen beobachtet worden, aber damals hatte man sie auf Rechnung einer oberflächlichen Oxydation des Troilits gesetzt. Nun zeigte sich dieselbe auch beim Erhitzen innerhalb eines vollkommenen Vacuums; sie trat, wie weitere Versuche ergaben, ferner ein beim Erhitzen innerhalb einer chemisch indiffe- renten Atmosphäre von Wasserstoff- oder Stickstoffgas und in allen diesen Fällen erwies sie sich durchaus nieht als oberflächlich, sondern bis in den innersten Kern der Stücken gehend. Dabei behielten deren Gemengtheile, so- weit sie von Anfang an durchsichtig gewesen waren, diese Durchsichtigkeit bei, wie man dies mit bewaffnetem Auge deutlich wahrnehmen konnte. Dass aber die beobachtete Farbenveränderung eine thatsächliche sei, ergab die ver- gleichende Betrachtung der ursprünglichen und der erhitzten unmetallischen Masse unter dem Mikroskop. Die vorher fast farblosen Partikel der vorhan- denen Silieate zeigten nach dem Erhitzen ein tiefes, sattes Braun, welches entweder nur local auftrat, oder sich auch durch die ganze Masse der Krystallfragmente zog. Hatte man dagegen den Broneit oder den Asmanit vorher mit verdünnter Chlorwasserstoffsäure behandelt, so erlitt weder der eine noch der andere eine Farbenveränderung. 2 Es ist trotz vielfacher Versuche nicht möglich gewesen, nachzuweisen, welchen Grund diese auffällige mit ganz unbedeutender Gewichtsabnahme ver- Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 43) 313 bundene Schwärzung wohl haben mag. Die Möglichkeit, dass sie auf einer Kohlenstoffabscheidung beruhe, kommt völlig ausser Betracht, da bituminöse Substanzen oder infiltrirte organische Stoffe irdischen Ursprungs überhaupt nicht vorhanden sind. Vielleicht wird sie verursacht durch das Entweichen von Wasser, welches, da es durch fortgesetztes Trocknen bei 150° nicht sondern erst bei beginnender Glühhitze zur Austreibung gelangt, doch wohl chemisch gebunden sein muss. Aber der zunächst auftauchende Gedanke, dass man es in dem die Silicatmasse innig durchsetzenden Troilit vielleicht mit einem wasserhaltigen Sulfid zu thun habe, welches sich bei der Erhitzung unter Wasserabgabe in schwarzes, undurchsichtiges Schwefeleisen verwandele, musste wieder aufgegeben werden. Denn einmal lässt die geringe Menge gefundenen Wassers keine chemische Deutung zu und dann ergab die directe Untersuchung einer sorgfältig präparirten Quantität reinen Troilits, dass man in demselben ein absolut wasserfreies Sulfid vor sich habe. Die Ausführung dieser Untersuchung erfolgte in der Weise, dass man den gewogenen, in einem Porzellanschiffehen befindlichen Troilit in einem Strome von Stickstoffgas zum starken Glühen erhitzte. Der verwendete Stickstoff war nicht allein auf das Sorgfältigste getrocknet, sondern auch dadurch von jedem Rückhalt an Sauer- stoff befreit worden, dass man ihn vor der Verwendung durch eine lange Schicht glühender Kupferdrehspähne führte. Beim Erhitzen in dieser indiffe- renten Atmosphäre erlitt der Troilit keine Gewichtsveränderung, der Eintritt einer Schwärzung war aber auch hier unverkennbar, wiewohl bei genauer Betrachtung der Troilitstückehen, namentlich unter der Loupe, wieder kein wesentlicher Unterschied zwischen dem geglühten und dem ungeglühten Mineral wahrgenommen werden konnte, Eben so resultatlos blieb die Erörterung der Frage, ob die beim Er- hitzen der unmetallischen Masse eintretende Schwärzung vielleicht in einer molekularen Umänderung des Troilits zu suchen sei, wenigstens ergab die Ermittelung des specifischen Gewichts des Troilits vor und nach dem Glühen desselben keinen wesentlichen Unterschied. Herr Bergrath Dr. Weisbach, welcher die Güte hatte, diese Bestimmungen vorzunehmen, fand hierbei Folgendes: 48* 374 Dr. Clemens Winkler. (p. 44) Absolutes Specifisches Gewicht. Gewicht. Temperatur. 1. Troilit, nicht erhitzt — 0,3169 4,123 21,00 2, desel. — 0,4032 4,694 15,00 3. Troilit, im Stickstoffstrom geglüht — 0,2273 4,195 8,00 Bei der Reduction auf 0° Temperatur ergeben sich dann folgende Werthe für die ermittelten specifischen Gewichte: 1 27, A ik 3. yo. Diese geringen Abweichungen, welche in den Grenzen der zulässigen Beobachtungsfehler liegen, berechtigen nicht zu dem Schlusse, dass der Troilit durch die Erhitzung eine Verdichtung erlitten habe. Dagegen möge erwähnt werden, dass es den Anschein hatte, als ob die Körner des geglühten Troilits stärker magnetisch seien, als die des nicht geglühten. Wenn man hiernach — wenigstens vorläufig auf eine befriedigende Erklärung der auffallenden Farbenveränderung, welche der Rittersgrüner Me- teorit beim Erhitzen erleidet, verzichten muss, so ist die Erscheinung an sich doch aller Beachtung wertli, denn sie berechtigt zu Fragen von hoher wissen- schaftlicher Bedeutung. Seiner jetzigen, durch die ganze Masse gleichmässigen Beschaffenheit nach zu schliessen, kann der Rittersgrüner Meteorit unmöglich einem in hoher "Temperatur befindlichen Entstehungsheerde entstammen, wenig- stens kann er wicht dessen unmittelbares Product sein; ebensowenig aber kann er bei seinem Fall auf die Erde eine beträchtliche Erhitzung erlitten haben. Die Frage nach dem Ursprunge des vorliegenden kosmischen Gebildes, wie der Meteoriten überhaupt, entzieht sich beim heutigen Stande unserer Kenntnisse gänzlich der Beantwortung. Dagegen dürften über den Grad der Erhitzung, welchen aus dem Weltraume zu uns gelangende Massen beim Passiren der Erdatmosphäre erleiden, einige Reflexionen vielleicht gestattet sein. Man hat bekanntlich bisher den dünnen, glänzenden Ueberzug, der die Aussenseite der Meteorite charakterisirt, ausschliesslich für ein Product ober- flächlicher Schmelzung gehalten und ihn deshalb als Brandrinde, Schmelz- kruste oder Glasur bezeichnet. Anlass zu dieser Ansicht gab jedenfalls Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 45) 375 zunächst die intensive Lichterscheinung, welche jeden Meteoritenfall begleitet. Wir sehen jene kosmischen Massen schon in den höchsten und dünnsten Zonen der Erdatmosphäre aufglühen, selbst dann, wenn sie diese nur zu kreuzen scheinen, ohne zum wirklichen Niedersturz zu gelangen, und man hat diese Lichtentwickelung auf eine heftige Erhitzung zurückgeführt, welche muthmasslich eintreten muss, wenn solche mit planetarischer Geschwindigkeit dahineilende Gebilde das relativ dichte, körperliche Medium der atmosphärischen Luft passiren. H. Helmholtz!) giebt an, dass ein Meteorit von 4 bis 6 Meilen Geschwindigkeit pro Secunde sich innerhalb der Erdatmosphäre auf 900,000 bis 2,500,000°% erhitzen müsste, falls alle Reibungswärme sich in ihm aufspeicherte und nicht ein grosser Theil derselben an die Luft überginge, wie man denn in der That auch beobachte, dass die Ränder der gefallenen Meteorsteine meist die Spuren beginnender Schmelzung zeigten. Gegen die Ansicht, dass der glänzende, schlackenartige Ueberzug der Meteorite ein Produet oberflächlicher Schmelzung sei, ist zuerst Paul Reinsch?) in Tübingen aufgetreten, welcher durch die mikroskopische Unter- suchung des Krähenberger Meteorits nachwies, dass derselbe sich keines- falls, auch nicht ganz vorübergehend, innerhalb eines sauerstoffhaltigen Me- diums im Glühen befunden haben könne. Zu ähnlichem Schlusse gelangt Stanislas Meunier®) in Paris durch das Studium des Meteorits von Pultusk. Er hält die Bezeichnung „Schmelzkruste“ für unzutreffend und neigt sich der Ansicht zu, dass die Entstehung der äusseren Politur der Meteorite eine Folge des mechanischen Einflusses des Luftwiderstandes sei. Auch der Meteorit von Rittersgrün zeigt die sogenannte Brandrinde in völlig ausgebildeter Weise. Aber dicht an die papierdünne Kruste stösst das Gemenge von Troilit, Asmanit und Broneit mit unveränderter liehtbrauner Farbe, während es sich doch schon wenig über Bleischmelzhitze tiefschwarz färbt! Wie soll man nun annehmen können, dass hier eine oberflächliche !) H. Helmholtz, Populäre wissensch. Vorträge, 3. Heft, 120. 2) Paul Reinsch, Tagebl. d. 45. Vers. deutscher Naturforscher u. Aerzte, 132 u. f.; Hirzel u. Gretschel, Jahrb. d. Erfind. 1873, 22. 3) Stanislas Meunier, Compt. rend. 1872, Aug. 19, Oct. 14; Hirzel u. Gretschel, Jahrb. d. Erfind. 1873, 24. 376 Dr. Clemens Winkler. (p. 46) Schmelzung, eine Art Verglasung, die Weissgluth voraussetzen würde, statt- gefunden habe? Wäre dies der Fall gewesen, so müsste bei der hohen Wärmeleitungsfähigkeit der zur Hälfte aus gleichmässig vertheiltem metalli- schen Eisen bestehenden Substanz des Meteorits eine sich bis unter die Brandrinde hinein erstreckende Veränderung der nichtmetallischen Masse, es müsste eine geschwärzte Zone zu bemerken sein, denn eine haarscharfe Ab- grenzung zwischen einer bei Weissgluth geflossenen Substanz und einer sich schon bei gelindem Erhitzen intensiv schwärzenden Masse ist absolut un- denkbar. Uebrigens lassen sich die Beobachtungen, welche man bei Meteorstein- fällen zu machen Gelegenheit gehabt hat, nicht recht in Einklang bringen mit der Annahme einer oberflächlichen Schmelzung der Aerolithen während ihres Falles auf die Erde. So waren die am 31. März 1875 in Zsadäny in Ungarn, Temeser Comitat, sichtbar zur Erde niedergegangenen Meteorsteine !) völlig kalt und Gleiches wird von anderen Meteoritenfällen berichtet. Wohl hat man die Wahrnehmung gemacht, dass Meteorsteine unmittelbar nach dem Falle heiss erschienen, so heiss, dass man sie nicht in der Hand zu halten vermochte, aber selbst ‘wenn ihr Sturz auf entzündliche Unterlagen, z. B. auf Holz- oder Strohdächer, erfolgte, ist, mit Ausnahme weniger zweifelhafter Fälle, keine Entflammung der letzteren eingetreten. Ausserdem kann die beobachtete Erhitzung nur zum Theil die Folge der Reibung innerhalb der Erdatmosphäre sein; zum anderen Theil hat sie ihren Grund in dem mecha- nischen Stoss, dem Anprall des Meteorits gegen die Erdoberfläche, welcher seine Bewegung mit einem Male hemmt und in Wärme umsetzt. Diese letztere Wärmemenge entwickelt sich aber nicht allein an der Oberfläche des fallenden Körpers, sondern sie entwickelt sich in seiner ganzen Masse, welche mit der niedrigen Temperatur des Weltraumes in das irdische Gebiet eintritt. Sollte wirklich die während eines wenige Secunden andauernden Falles durch die Erdatmosphäre entwickelte Reibungswärme hinreichen, einen nach unseren Begriffen unendlich kalten, in seiner ganzen Masse wärmeleitungsfähigen Körper bis zum oberflächlichen Schmelzen zu erhitzen, oder sollte nicht viel wahrscheinlicher die Entstehung der beobachteten glatten Oberfläche auf ein ») Wilh. Pillitz, Zeitschr. £. analyt. Chemie 1879, 61. Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 47) 377 mechanisches Abschleifen, die Lichterscheinung aber auf die Entzündung einer ihm zugehörigen Atmosphäre von brennbaren Gasen und ein Versprühen des abgeschliffenen Staubes zurückzuführen sein? : Vorstehendes war bereits zum Druck eingesendet, als eine hoch- interessante Publikation A. E. Nordenskiöld’s erschien !), welche den Nieder- gang zweier merkwürdiger Feuermeteore in Schweden schildert und welche hier unmöglich unerwähnt gelassen werden kann. Namentlich war es das eine, am 28. Juni 1873, 11 Uhr 32 Min. Vor- mittags, südlich von der Eisenbahnstation Ställdalen gefallene Meteor, welches sich durch aussergewöhnliche Lichtstärke auszeichnete. Obwohl es an einem sonnenklaren Sommertage auftrat, wurde es doch auf weite Entfernung hin als Feuerkugel sichtbar. In 50 bis 250 km Abstand stellte es sich als eine stark leuchtende, sich nach hinten hin verschmälernde Feuermasse dar, der ein Lichtstreifen folgte, welcher mehrfach länger als der Kern war; dagegen wurde in der Nähe der Fallstätte, trotz des wolkenklaren Himmels, nur ein höchst unbedeutendes oder gar kein Feuerphänomen gesehen. Aus der Ferne erschien die Bahn noch einige Zeit nach der nur wenige Secunden dauernden Er- scheinung durch einen Feuer- oder Rauchstreifen bezeichnet; in der Nähe wurden nur zitternde, dunkle Wölkchen beobachtet, die schnell über den Himmel zogen und aus denen die Detonationen herzukommen schienen. Der Laut wurde in einer Grube 20 m unter der Erdoberfläche gehört. Es deutet dies auf das Vorhandensein eines dunklen Centralfeldes, in welchem die Feuer- erscheinung durch Wölkchen, welche sich vor dem Meteoriten bildeten, dem Auge verborgen blieb, eine Erscheinung, wie sie bei früheren ähnlichen Vor- kommnissen schon bemerkt, aber nicht weiter beachtet worden ist. Aus dieser Erscheinung und aus der bedeutenden Grösse des Phänomens ‚schliesst Nordenskiold, dass die Hauptmasse der kosmischen Substanz, welche das Material für die Lichtentwickelung liefert, nicht aus den nieder- fallenden Steinfragmenten besteht, sondern aus emer brennbaren Substanz, welche keine festen Rückstände hinterlässt. Der leuchtende Kern hatte am 1) A. E. Nordenskiöld, Neues Jahrb. f. Mineralogie, Geologie und Palaeontologie von G. Leonhard und H. B. Geinitz, 1879, 77, aus Verh. d. geolog. Vereins in Stockholm BdsTV,eNTre9rUrS3: 378 Dr. Clemens Winkler. (p. 48) stark durch die Sonne beleuchteten Himmel einen Durchmesser von 150 bis 400 m. (?) An einigen Punkten wird von den Beobachtern mit Bestimmtheit versichert, dass das Meteor aus zwei oder mehreren auf einander folgenden Feuerkugeln bestanden habe, eine Wahrnehmung, die mit der von J. Schmidt in Athen am 18. October 1863 vermittelst des Teleskops gemachten übereinstimmt. Das Zerspringen des Meteors fand etwa in 38 km Höhe statt und die gefallenen Steine verbreiteten sich im der Richtung ONO—WSW. Zur Zeit des Zerspringens war die kosmische Geschwindigkeit schon fast vollständig durch den Luftwiderstand vernichtet und die Temperatur der Steine erwies sich weder als auffallend hoch, noch als auffallend niedrig. Die Erhitzung, welche die schwarze Schmelzrinde erzeugte, war beim Niederfallen also schon wieder verschwunden. Es wurden 11 Steine im Gewichte von 35 k gesammelt. Die harte und schwer zersprengbare Grundmasse setzt sich aus einer grauen und einer schwarzen Substanz zusammen. Beide sind reichlich durch- setzt von schwarzen glänzenden Flächen und enthalten eingesprengt Körner und mikroskopische Krystalle von Olivin, sowie Nickeleisen in Form von Körnern oder als netzförmiges Geäder. Von besonderem Interesse ist die schwarze Rinde des Meteorits von Ställdalen. Dieselbe tritt in wechselnder Ausbildung auf. Bald ist sie so dünn, dass sonst frische Flächen nur wie angerusst oder wie mit einem dünnen Häutchen bekleidet erscheinen, bald bildet sie ziemlich dicke Krusten. Im letzteren Falle verschwinden die ursprünglichen Unebenheiten der Bruchflächen; dieselben erscheinen abgerundet, enthalten aber reichlich die für Meteoriten charakteristischen Höhlungen. Nordenskiöld leitet daher hier, wie bei dem Fall von Hessle, die Rinde von mehreren zu verschiedenen Zeiten eingetretenen Explosionen ab und hebt hervor, dass auch Bruchflächen in der Luft entstehen, die sich nicht mit einer Schmelzrinde bedecken. Nach den Ergebnissen der von G. Lindström vorgenommenen Ana- lysen sind die graue und die schwarze Grundmasse in ihrer Zusammensetzung nahezu gleich. Dabei ist es bemerkenswerth, dass die graue Substanz bei starker Rothgluth, sowohl in oxydirenden, als in reducirenden Gasen schwarz wird. Es liegt somit der Schluss nahe, dass der schwarze Theil der Grund- masse nur einer ungleichmässigen Erhitzung der Steine seine Entstehung ver- dankt. Nimmt man an, die Erhitzung habe erst in der Atmosphäre stattgefunden, Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 49) 379 so beweist einerseits die graue Farbe vieler Steine, dass diese nicht einer starken Temperaturerhöhung ausgesetzt waren; andererseits gestatten diejenigen Steine, welche an einzelnen Stellen bis dicht an die Oberfläche grau, an anderen bis tief ins Innere schwarz sind, den Schluss, dass sie Bruchstücken eines oder mehrerer Meteorite sind. Wären sie ohngefähr in der vorliegenden ‚Grösse in die Atmosphäre gelangt, so würde eine mehr gleichartige Vertheilung der schwarzen Grundmasse an der Oberfläche zu erwarten sein. Dabei bleibt es jedoch immerhin auffallend, dass stellenweise an der Oberfläche fast eine Schmelzung eintreten konnte, ohne dass !/; mm tiefer auch nur Gluthspuren zu bemerken sind. Diese von einem so ausgezeichneten und gerade um das Studium der meteorischen Erscheinungen hochverdienten Forscher, wie Nordenskiöld, ge- machten Wahrnehmungen geben ausserordentlich viel zu denken. Der Fall von Ställdalen macht es nur zu wahrscheinlich, dass die mit ihm verbundene intensive Lichterscheinung und zum Theil sogar die ihn begleitende Detonation auf die Entflammung einer dem Meteorit zugehörigen Atmosphäre von brenn- baren Gasen zurückzuführen ist, bei welcher die beobachtete Wolke durch das Umherschleudern von Staubpartikeln, vielleicht sogar durch eine Ausscheidung von Kohlenstoff aus vorhandenem, unter dem hohen Druck der eomprimirten Luft verbrennendem Kohlenwasserstoffgas hervorgebracht wird. Denn es ist bekannt, dass die klare Flamme der gasförmigen Kohlenwasserstoffe unter beträchtlich verstärktem Druck trübe, qualmend und russend wird, die Wasser- stofflamme aber Leuchtkraft gewinnt. Nicht minder bemerkenswerth ist es ferner, im Meteorit von Ställdalen ‘ein kosmisches Produet vor sich zu haben, welches bei der Erhitzung, ähnlich dem Rittersgrüner Meteorit, eine Farbenveränderung erleidet. Nordenskiöld weist ebenfalls darauf hin, dass es auffallend erscheinen müsse, wie diese Masse oberflächliche Schmelzung erleiden konnte, ohne dass !/; mm tiefer auch nur Gluthspuren zu bemerken sind. So schwer sich hier, wie dort, die oberfläch- liche Schmelzung der Meteorite durch Reibungswärme mit dem Verhalten beim Erhitzen in Einklang bringen lässt und so wenig die verhältnissmässig niedrige Temperatur, mit welcher dieselben, wie auch jüngst wieder der Meteorit von Ställdalen, auf der Erde anlangen, für eine solche spricht, so lässt sich doch die oifenbare Verglasung, wie die Ränder und Risse anderer Meteorite sie auf- Nova Acta XL. Nr. 8. 49 380 Dr. Clemens Winkler. (p. 50) weisen (Bishopville), ja das unverkennbare Ueberfliessen der Kanten in der Richtung, aus welcher der Fall erfolgte (Stannern) gar nicht anders als durch die Annahme einer partiellen Schmelzung erklären. Ausserdem stehen die Arbeiten und Ansichten so ausgezeichneter Phy- siker, wie Ohladni, Joule, Helmholtz, Tyndall u. A. viel zu hoch, als dass man in den oben geäusserten Vermuthungen einen zweifelnden Einspruch gegen dieselben erblicken könnte. Aber möglicherweise ist die charakteristische Rinde, welche die Meteorite bekleidet, nicht in allen Fällen ein Product der Schmelzung, wie denn die Grösse, die chemische Beschaffenheit, das Wärme- leitungsvermögen, ja selbst die Flugrichtung der Meteorite, die ein kürzeres oder längeres Verweilen derselben in der Erdatmosphäre, einen rascheren oder langsameren Niedersturz bedingt, nicht ohne Eimfluss auf deren . Ver- halten beim Niedergange sein kann. Die Beschaffenheit des Rittersgrüner Meteorits und sein auffälliges Verhalten beim Erhitzen, die Mittheilungen Nordenskiöld’s über den Fall von Ställdalen, die begründeten Zweifel, welehe Reinsch gegen die Existenz einer Schmelzrinde am Krähenberger Meteorit und der Einspruch, welchen Meunier gegen das Vorhandensein einer solchen am Meteorit von Pultusk erhoben hat, dies Alles macht den Wunsch rege, den Grad der Erhitzung, welchen ein die Erdatmosphäre mit grosser Ge- schwindigkeit durchschneidender Körper erleidet, experimentell festgestellt zu sehen. In gewissem, freilich nur ganz entferntem Grade und jedenfalls nicht ohne beträchtliche Schwierigkeiten würde dies möglich werden durch Beobach- tungen an Geschossen, deren die heutige Kriegstechnik sich bedient und die nach Angabe Sachverständiger bei schwerem Feldgeschütz eine Maximal- geschwindigkeit von 440 bis 500 m, eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 300 m in der Secunde haben. Steht diese Fluggeschwindigkeit auch weit zurück gegen die planetarische, welche das 60- bis 100fache beträgt, so ist sie doch immerhin erheblich genug, um ein Anhalten über den Grad der ein- tretenden Erhitzung zu gewinnen, umsomehr, als jene Geschosse sich aus- schliesslich im dichtesten Theile der Atmosphäre bewegen, während der Weg der A&rolithen anfänglich durch äusserst dünne und erst zuletzt durch Luft- schichten von gleicher Dichte führt. Bis jetzt hat man dem Vernehmen nach an Geschossen, welche die Strecke von etwa einer Meile in 10 Secunden durchflogen, keine auffällige Erhitzung bemerkt, wenigstens erschienen die um Die Untersuchung des Eisenmeteorits von Rittersgrün. (p. 51) 381 dieselben gezogenen Hartbleiringe, die in die Züge des Rohres einschneiden, vollkommen metallisch glänzend und ohne jede Spur von Oxydation, wie denn auch der zum Vergiessen der Zwischenräume in der Kugelfüllung der Shrapnels dienende Schwefel beim Platzen des Geschosses in Gestalt eckiger, zackiger Stiicken umhergeworfen wird, also keine Schmelzung erlitten hat. Wie ge- sagt, könnten genauere Beobachtungen in der angedeuteten Richtung — etwa die Anwendung von Amalgamen oder die des leichtflüssigen Wood’schen Me- talls an Stelle des Hartbleis —, wenn sie auch keine directen Vergleiche geben, doch zu mancherlei Aufschlüssen führen und die Frage, ob die Meteorite während ihres Falles auf die Erde wirklich eine ausserordentliche Oberflächenerhitzung erleiden, ihrer Lösung näher bringen. 382 Dr. Clemens Winkler. Die Unters. d. Eisenmeteorits v. Rittersgrün. (p. 52) Analytische Belege. Nr. 1. s 2,4835 g Meteoreisen ‚gaben 0,0009 g Rückstand, 3,2016 g Eisenoxyd + Phosphorsäure, 0,0135 g Magnesiumpyrophosphat, 0,2478 g Kobalt + Nickel, 0,2419 g Nickel. Nr. 2. 8,2504 g Meteoreisen gaben 0,0406 g unlösl. Rückstand, aus Schreibersit, Asmanit und amorpher Kieselsäure bestehend. Nach Extraction der letzteren mit Kalilauge erhielt man 0,0288 g Schreibersit, dem etwas Asmanit beigemengt war und welcher gesondert analysirt wurde (Belege Nr. 3). Die Menge der löslichen Kieselsäure betrug demnach 0,0118 g. Das durch das entwickelte Schwefelwasserstoffgas ausgefällte Schwefelblei lieferte bei der Oxydation 0,0088 g schwefelsaures Blei; das aus der Eisenlösung durch Schwefelwasserstoff ausgefällte Schwefelkupfer gab beim Abrösten und starken Glühen 0,0036 g Kupferoxyd. Nr. 3. 0,0233 & des durch Kochen mit Kalilauge von seinem Gehalte an löslicher Kieselsäure be- freiten Rückstandes hinterliessen beim Erwärmen mit Königswasser 0,0036 g Asmanit. Aus der Lösung wurden erhalten 0,0168 g Eisenoxyd —- Phosphorsäure, ferner 0,0092 g Nickel; aus dem phosphorsäurehaltigen Eisenoxyd-Niederschlage endlich 0,0076 g Magnesium- pyrophosphat. Nr. 4. 1) 3,0597 g unmetallische Masse gaben beim Erhitzen im Chlorstrom 2,6472 g Silicate. 2) 0,6185 g unmetallische Masse gaben beim Erhitzen im Chlorstrom 0,5197 g Silicate. Nr. 5. 1) 0,4125 g Troilit aus 3,0597 g unmetallischer Masse (Belege 4. 1.) gaben 1,0295 g schwefelsaures Barium, 0,3882 g Eisenoxyd, 0,0058 g Nickel. 9) Belege fehlen. 3) 0,3133 g Troilit gaben 0,0021 g Kieselsäure, 0,8024 g schwefelsaures Barium, 0,2920 g Eisenoxyd, 0,0032 g Nickel. NT..6. 1) 0,1769g Asmanit, bei 150° getrocknet, gaben beim Rothglühen 0,1754 g, beim Glühen über dem Gebläse 0,1750g. Sie lieferten ferner nach dem Aufschliessen mit Fluor- wasserstoffsäure 0,0056 g Eisenoxyd. 2a) 0,1206g Asmanit, bei 150° getr. und mit Kalium-Natriumearbonat aufgeschlossen, gaben 0,1180 g Kieselsäure, 0,0020 g Eisenoxyd. b) 0,1181 g Asmanit, bei 150° getr., gaben beim Rothglühen 0,1176 g, beim Glühen über dem Gebläse 0,1169 g. Nr. 7. 1) 0,4683 &g Broncit, mit Kalium-Natriumearbonat aufgeschlossen, gaben 0,2682 g Kiesel- säure, 0,0675 g Eisenoxyd -+ Thonerde, 0,0568 g Eisenoxyd, 0,0021 g Manganoxydul- oxyd, 0,0148 g Caleiumearbonat, 0,3220 g Magnesiumpyrophosphat. 2) 0,2436 g Broncit, mit Fluorwasserstoffsäure in Lösung gebracht, gaben als Rückstand 0,0024 8 Chromeisenerz, 0,0341 g Eisenoxyd + Thonerde, 0,0290 g Eisenoxyd, 0,0011 g Manganoxyduloxyd, 0,0101 g Caleiumcarbonat, 0,1699 g Magnesiumpyrophosphat, 0,0071 g Natriumsulfat. 3) 0,1515g Broncit, mit Kalium-Natriumcarbonat aufgeschlossen, gaben 0,0857 g Kiesel- säure, 0,0211g Eisenoxyd + Thonerde, 0,0170 g Eisenoxyd, 0,0009 g Manganoxydul- oxyd, 0,0045 g Caleiumcarbonat, 0,1074 g Magnesiumpyrophosphat. NOVA ACTA der Ksl. Leop.-Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher Band XL. Nr. 9. Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 und die durch dasselbe verursachte Erdbebenfluth im Grossen Ocean. Von Dr. Eugen Geinitz, a. o. Professor der Mineralogie und Geologie an der Universität Rostock. MILES Pateln Nr SEHREVAET SERIE Eingegangen bei der Akademie den 5. November 1878 HALLE. 1873. Druck von E. Blochmaun & Sohn in Dresden Für die Akademie in Commission bei Wilb. Engelmann in Leipzig vn». >» 3 4,17 z TTıTL uR, ns) N E \ FT j AL Bu. ee Han a ee ‘ Yiamkı 5 Fr N ’R v4 £ ‚ 8 } BAR Au « ur KAP Err "> U a de j « Ka I nn; 5 er vs - u l 15 y je 4 e Bis Lihaig, a ah , r Mn i : Tag y Beer er | ıTTTı EIeTIeE serie PETE Ren: \ } u. r I a ea ser Fo ; [2 [3 fi » ’ ° " ’ & rs ‘ v IN P + . i En j i i \ = E Er Dr. er du EN ne fi MOL "Ära ce Tr" ae 4° R Bahr Pas beginne, TAT: ihr PR Y ER Aal Asien Ware 7 Der ers rk rn“ NER Aa am: ner Zu errzCH HO8BBOT a ee cc PO ENT IP. er. | | 4 >19 LA a Dr dal ga Dias ki; m „De Fi N a ‚4 u ni i n w > u u u aM Wo KM f OR. d Hash LE »”.i =fF- Mi [ a M . u) ‚ fr} I I“ al fi | 5 5 » ER; > Ber Pe van) We BE Ar 2 Pr ARE or Er si un Das Erdbeben, welches am 9. Mai 1577 die Westküste Siidamerikas in verheerender Weise heimsuchte und in dessen Gefolge eine grossartige, den gesammten Grossen Ocean bewegende Erdbebenfluth entstand, wurde bereits in einer früheren Abhandlung !) besprochen. Eine Bearbeitung dieses gross- artigen Naturereignisses erschien deshalb von Interesse, als dasselbe das zweite war, über welches verhältnissmässig genaue und vollständige Notizen und Beobachtungen vorlagen, nach denen man einen einigermaassen sicheren Anhalt über die hier anzuknüpfenden Fragen gewinnen konnte. Die Fragen, um die es sich hierbei vorzüglich handelt, sind neben einer genauen Feststellung des Erdbebenphänomens selbst namentlich die Erörterung der Fluth, welche die Natur durch jenes grossartige „Experiment“ hervorrief: nach Feststellung dieser Daten lässt sich endlich noch eine Berechnung aus- führen über die mittleren Tiefen der von den Wellen passirten Theile des Oceans. Es zeigte sich dabei, wie vorauszusehen, eine grosse Uebereinstimmung mit den Resultaten, die F. v. Hochstetter aus dem früheren Phänomen vom 13. August 1865 gezogen hatte.?2) Dieses genannte Ereigniss betraf genau 1) E. Geinitz, das Erdbeben von Iquique ete., in Göttinger gelehrten Nachrichten 1877, S. 558, und Petermann’s Geograph. Mittheilungen 1877, S. 454. ®) Ueber das Erdbeben in Peru am 13. August 1868 und die dadurch veranlassten Fluthwellen im Pacifischen Ocean; Sitzungsber. d. K. Akad. d. Wissensch. Wien: 58. Bd. 2. Abth. 1868. — Ferner: Die Erdbebenfluth im Pacifischen Ocean vom 13. bis 16. August 1868 und die mittleren Tiefen dieses Oceans; ebenda, und Bd. 60. °186%. — Ferner in: Geograph. Mittheil. 1869. S. 222, Tafel 12. 50* 356 Eugen Geinitz. (p. &) dieselben Orte mit gleicher Heftigkeit. Auch damals wurde das heftige Frd- beben, welches sein Centrum in grösster Nähe des diesmaligen hatte, von einer grossartigen Fluthbewegung im Grossen Ocean begleitet. Die Aehnlichkeit beider Ereignisse war auch allen Betroffenen sofort sehr auffallend und in den meisten Berichten findet sich eine Vergleichung mit dem Ereigniss von 1868, oder wenigstens eine Bezugnahme auf dasselbe. Die Berechnungen der Durchschnittstiefen des Grossen Oceans, welche im Allgemeinen ebenfalls ähnliche Resultate lieferten, wie die v. Hochstetter’s, konnten mit einer übersichtlichen Darstellung der neuesten, durch die Expedi- tionen der „Tuscarora“, des „Challenger“ und der „Gazelle“ in diesem Oceane angestellten Tiefenmessungen, von A. Petermann!) verglichen werden. Hierbei ergab sich im Allgemeinen eine Uebereinstimmung der durch Rechnung ge- fundenen Werthe mit den Angaben der Karte, in einigen Fällen zeigen sich Abweichungen, die man indess leicht «durch eine sachgemässe Correetur der Karte ausgleichen wird. Die Daten, welche ich an den genannten Stellen bisher publieirte, waren aus mancherlei Gründen theils unvollständig, theils nieht sehr zuverlässig. Sie sind nun neuerdings durch zahlreiche Berichte vielfach vervollständigt, resp. bestätigt worden, so dass ich es fir angemessen halte, an diesem Orte?) in aus- führlicher. Behandlung alles mir zu Gebote stehende Material zusammen- zustellen und auf Grund desselben nochmals die erwähnten Fragen zu diseutiren. Das wichtigste und wertivollste Material haben mir die amtlichen Be- richte geliefert, welche auf Ansuchen des Herrn Professor v. Seebach in Göttingen und durch Vermittelung des Königlich Preussischen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten das Kaiserlich Deutsche Auswärtige Amt in dankenswerthester Bereitwilligkeit und Liberalität hat sammeln lassen. Ich benutze die Gelegenheit, an dieser Stelle dem Hohen Kaiserlich Deutschen Auswärtigen Amte und einem Hohen Königlich Preussi- 2) Die Bodengestaltung des Grossen Oceans, mit Karte: Geogr. Mitth. 1877, S7 125, Tab 7. 2) Leider hat sich die Publication dieser Abhandlung durch mancherlei Umstände bis zur gegenwärtigen Zeit hinausgeschoben. Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 ete. (p. 5) 357 schen Ministerium der geistlichen ete. Angelegenheiten öffentlich meinen er- gebensten Dank für die liberale Unterstützung auszusprechen. In gleicher Weise kann ieh es nicht unterlassen, der Kaiserlich Deutschen Mission zu Santiago, den Kaiserlich Deutschen Minister-Residenturen zu Lima und Bogotä, sowie allen den Kaiserlich Deutschen Consulaten, welche in dankenswerthester Bereitwilligkeit und Interessenahme nicht nur die übersandten Fragebogen aus- füllten, sondern noch weitere wichtige Notizen sammelten und zur Verfügung stellten, meinen ergebensten Dank auszudrücken. Durch Zusendung von Notizen ete. unterstützten mich ferner sehr wesentlich die Herren C. Anwandter, Valdivia, F. Arnemann, Dresden, Professor Buchenau, Bremen, P. F. Enrich, S. J., Puerto Montt, W. Frick, Valdivia, A. Gildemeister, Bremen, C. Godeffroy, Hamburg, Hofratlı v. Hochstetter, Wien, Consul Mo&sta, Dresden, H. Mohr, Bremen, Professor E. Naumann, Yeddo, Consul Ochsenius, Marburg, H. Reck, Hannover, H. C. Russell, Sydney, Professor v. Seebach, Göttingen, Dr. A. Stübel, Dresden, Consul A. Weis, Dresden, u. A. Zur Sammlung von Notizen wurde von der Regierung der Republik Chile eine besondere wissenschaftliche Commission ernannt. Die Kaiserlich Deutsche Minister-Residentur Lima liess die Fragebogen ins Spanische iüber- setzen und dieselben an die dasigen Hafenämter vertheilen, so dass auch hier die bestmöglichen Berichte erlangt werden konnten. Die „Weserzeitung“, die Valparaisoer „Deutschen Nachrichten“, sowie „El Ferrocarril“ in Santiago nahmen den Fragebogen zur weiteren Verbreitung in ihre Spalten auf. Zu speciellem Danke bin ich Herrn Professor Dr. Freiherın K. v. See- bach in Göttingen verpflichtet, durch dessen gütige Vermittelung ich in den Besitz obengenannter amtlicher Berichte gekommen bin und welcher mich nicht allein im Sammeln von Notizen, sondern auch durch die Mittheilung der spanischen Berichte aufs Kräftigste unterstützte. Die Fragebogen, welche, wie erwähnt, namentlich durch das Kaiser- lieh Deutsche Auswärtige Amt verbreitet wurden, waren in folgender Form abgefasst: 388 Eugen Geinitz. (p. 6) „Zu einer wissenschaftlichen Erforschung des jüngsten Erdstosses und Seebebens vom 9. und 10. Mai dieses Jahres, welche ihrerseits die Berechnung der mittleren Tiefe des erschütterten Theiles der Südsee ermöglichen würde, ist von einer thunlichst grossen Anzahl von betroffenen Orten die Beantwortung nachstehender Fragen wünschenswerth und erforderlich: 1. Ort der Beobachtung: 2. Um welche Zeit haben der, bez. die Erdstösse an der Westküste von Amerika stattgefunden, welchen Grad der Zuverlässigkeit oder Genauigkeit besitzen diese Zeitangaben (Sextanten-Beobachtungen? Zeitball? mittlere Ortszeit?): 3. Aus welchen Richtungen schienen der, bez. die Stösse zu kommen? 4. Um welche Zeit (womöglich wiederum mit Angabe des Grades der Genauig- keit) trat die erste, aussergewöhnliche Fluthbewegung der Südsee ein? 5. Hat diese Fluthbewegung mit einem Ueber- (Aus-) treten oder mit einem Rücklaufen der Südsee begonnen? 6. Wie viele derartige Schwankungen der See haben stattgefunden und in welchen Zwischenzeiten ? . Welche Grösse, bez. Höhe über der Mittelwasser- bez. Hochwassermarke haben dieselben erreicht, und die wievielste war die grösste? 8. Wenn selbstregistrirende Fluthmesser vorhanden sind, wäre eine Copie (bez. Pause) der registrirten, ausserordentlichen Fluthbewegung erwünscht. 9. Besondere Bemerkungen über etwaige begleitende Erscheinungen und ausser- ordentliche Wirkungen. Mineralogisch -paläontologisches Institut der Königl. Preussischen Universität Göttingen. Professor Dr. K. v. Seebach, erster Director. Dr. E. Geinitz, Assistent der geologischen Abtheilung.“ [ 1 Die durch das Erdbeben von Iquique verursachte Fluthbewegung des Meeres verbreitete sich über die gesammte Fläche des Grossen Oceans. Sie wurde längs der Westküste Amerikas auf die Erstreckung von S0 Breiten- graden hin (vom 42.0 S. Br. bis zum 38.° N. Br.), ferner auf den verschie- denen Inseln der Südsee bis an die Ostküsten von Australien und von Japan beobachtet. Im Nachstehenden sind die Nachrichten zusammengestellt, welche mir über das Erdbeben und Fluthphänomen aus den verschiedenen Punkten im Grossen Ocean zugegangen sind. "Trotz der verhältnissmässig nur spärlichen Anzahl der Notizen liefern dieselben doch schon genügendes werthvolles Material, um aus dem grossartigen Naturereignisse allgemeine, nach mehrfachen Richtungen werthvolle Schlussfolgerungen zu ziehen. Dabei wurden die einzelnen Berichte theils ziemlich ausführlich wiedergegeben, weil bei den oft äusserst spärlichen und mangelhaften Beobachtungen ‚auch die scheinbar geringfügigen Detail- Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 etc. (p.Ü 389 bemerkungen oft von besonderem Werthe sein können und auch über den Grad der Zuverlässigkeit der betreffenden Beobachtung Auskunft geben, zum Theil mussten dagegen auch viele Berichte ihrer für die vorliegenden Zwecke unwesentlichen Beigaben entledigt werden. Hoffentlich trägt die folgende Bearbeitung etwas dazu bei, den zahl- reichen Beobachtern derartiger Phänomene nicht nur Interesse an denselben zu erwecken, sondern auch zugleich die Methoden und Prineipien anzudeuten, auf welche es zu einer sachgemässen und nutzbringenden Beobachtung der Ereignisse hauptsächlich ankommt. Wir lassen zunächst die Berichte folgen, die von der amerikanischen Kiste vorliegen, und ‘gehen dabei von dem Punkte aus, der sich durch die Untersuchung als das Centrum (oder der dem Centrum zunächst gelegene Ort) herausgestellt hat, von der peruanischen Stadt Iquique. Von da aus verfolgen wir zunächst längs der Küste die Orte nach Süden und werden dann die Nachrichten aus den nördlich von Iquique gelegenen Punkten sammeln. In Iquique (20° 121/* S. Br., 70° 141/;‘ W.L. Greenw.)!) fand das Erdbeben laut Consulatsbericht „nach ziemlich allgemein festgestellten Beobach- tungen um 8 Uhr 20 Min. Abends des 9. Mai, mittlerer Ortszeit, statt. Die anfängliche Bewegung schien aus Osten zu kommen, im Laufe des Erdbebens veränderte sich die Richtung aber fortwährend und war die Bewegung bald oseillirend, bald trepidirend. Das erste „Aufwallen“ des Meeres fand um S Uhr 50 Min. p. m., also etwa !/; Stunde nach dem Erdbeben statt. Die Bewegung war sanft, der Rücklauf des Wassers aber bedeutend rascher. Man will zwar einen Rücklauf des Meeres vor dessen erstem Anschwellen bemerkt haben, Bestimmtes ist, wie auch bei der Dunkelheit schwierig, nicht darüber festgestellt. Das zweite Austreten der See, schon heftiger als das erste, fand 1) Die im Folgenden angegebenen geographischen Ortsbestimmungen sind theils aus dem Werke von A. G. Findlay, A Directory for the Navigation of the Pacifie Ocean, London 1851, theils den Angaben auf den betreffenden amtlichen Einsendungen, theils ausführlicheren Karten entnommen. 390 Eugen Geinitz. (p. 8) um 9 Uhr statt, darauf folgten in längeren oder kürzeren Pausen nach Einigen weitere 3, nach Anderen 5: das letzte, um 1 Uhr Nachts, nach einem erneuten heftigen Erdstosse, war das schlimmste. Welche Schwankung der See die grösste war, ist noch nicht ganz festgestellt, es ist aber ziemlich sicher, dass es die letzte war. Die Höhe über Mittelwasser war fast genau 16 Fuss. Im Hinterlande, welches 3400—3800 Fuss über dem Meeresspiegel liegt, in einer Entfernung von ca. 35 engl. Meilen von demselben entfernt, hat man in der Nacht und am folgenden Tage blasenförmige Aufwellung des Bodens — es ist derselbe, auf dem die Salpeterminen liegen — wahrgenommen, ausser- dem ist die Heftigkeit der Bewegung der Erde, sei es in schwankender, stossender oder springender Weise, der Formation des Bodens meist gefolgt, der in vielen Richtungen von Höhenzügen durchkreuzt wird, so dass die Wirkung z. B. in zwei nur ca. 500 Schritt auseinander liegenden Salpeter- fabriken in einer schwer, in der anderen leicht gewesen ist. — Das Meer hat mehrere Monate vor dem Erdbeben und noch im December 157% bedeutende und nie gekannte Veränderungen in Strömungen gezeigt, es ist sehr leicht erregt und sein Niveau an einigen Stellen nahe an 2 Fuss höher, als vor dem 9. Mai.“ Das Hafenamt von Iquique meldet, dass um S Uhr 20 Min. p. m.!) (nach den meisten Uhren) einige Secunden lang ein Geräusch mit geringer Bewegung bemerkt wurde, darauf eine starke Bewegung in der Richtung von O. nach W. begann, die mit kurzen und starken Stössen in der senkrechten Richtung: endeten. Die erste Welle, oder besser gesagt, das Uebersteigen des Wassers fand 5 Minuten nach dem Stosse statt (bei halber Fluth). Der Boden der See scheint danach gesunken zu sein, indem viele Klippen im Hafen jetzt auch bei Tiefwasser nicht mehr sichtbar sind. Von den zahlreichen Berichten, welche über die Katastrophe in Iquique Meldungen bringen, seien noch die folgenden, bereits früher 2) grösstentheils mitgetheilten angeführt. Die „South Paeifie Times“, Callao, vom 10. Mai, berichtet: „Gegen 81/, Uhr vergangener Nacht (9. Mai) kündete ein schwaches !) Bekanntlich bedeutet die Abkürzung p. m. die Zeit von 12 Uhr Mittag bis 12 Uhr Mitternacht, post meridiem, und a. m., ante meridiem, die Zeit vor 12 Uhr Mittag. De Eh SR ziel. Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 etc. (p. 9) 391 rollendes Geräusch, begleitet von einer langsamen Bewegung der Erde, das Nahen des schrecklichen Erdbebens an und die furchtbaren Oscillationen von NW. nach SO. verhiessen die Katastrophe, welche folgte. Diese Bewegungen dauerten mehr als 3 Minuten, und neben dem rollenden Geräusch, den Staub- wolken, welche durch die Erderschütterung aufwirbelten, bot das Geschrei der Weiber und Kinder und eine allgemeine Flucht der Bevölkerung nach den Hügeln mit den Rufen: das Meer, das Meer! eine unbeschreibliche Scene, in- mitten deren noch die Glocken traurig ein Feuer im Siden der Stadt an- zeigten.... Die verlängerte Oscillation störte das Gleichgewicht des Meeres, welches bald höher gelegene Terrains überfluthete, das Arbeiterviertel der Stadt zerstörend und wegtragend. Der Verlust an Eigenthum kann auf 21/, Million Soles!) geschätzt werden. Mehrere Schiffe kamen zu Schaden.“ Der kleine Hafen Molle im Süden des Hafens von Iquique ist fast ganz zerstört worden. Nach einer anderen Meldung derselben Zeitung trat das Erdbeben um 8 Uhr 20 Min. p. m. ein und stieg die See 20 Minuten darauf; dieselbe sei während der Nacht achtmal in die Stadt eingebrochen; ihre grösste Höhe be- trug 20 Fuss. Eine Mittheilung des Dr. Watson an die „S. Pac. Times“ besagt: „Ein Erdbeben, das heftigste, welches je in Iquique beobachtet wurde, fand um 8 Uhr 22 Min. vergangene Nacht (9. Mai) statt; seine Dauer war die längste, die man in Peru kennt, es dauerte ohne jede Unterbrechung 4 Minuten und 20 Secunden und war schrecklich heftig, so dass es unmöglich war, ohne Stütze zu stehen. Zwei sehr heftige Fluthwellen folgten nachher und machten aus den unteren Theilen der Stadt einen völligen Trümmerhaufen. Um das Unglück noch zu vergrössern, brach ein Feuer aus, welches aber bald gelöscht wurde, so dass die Zerstörung an Leben und Eigenthum auf die Wuth des Oceans beschränkt blieb. Während der Nacht und heute dauern die Stösse fort, in sehr milder Form.... Der Dampfer „Griminoza“ und ein Schooner liegen hoch im Trocknen auf der Insel.“ — Eine andere Nachricht giebt die Bewegung als von SO. nach NW. gehend an. — Nach dem „Diario oficial de la Repüblica de Chile“, Santiago, Nr. 62, sind in Iquique 30 Menschenleben verloren gegangen. Das Wasser stieg 6 bis 10 Fuss an den Mauern der Duana empor. De] Sol —4"Mark 5 Er. Nova Acta XL. Nr. 9. öl 392 Eugen Geinitz. (p- 10) Eine Privatcorrespondenz aus Iquique an Herrn Gildemeister in Bremen vom 10. Mai meldet folgende Details: „Um 8 Uhr 25 Min. gestern Abend überraschte uns der erste leise Stoss, der zunehmend an Stärke und Lärm, bald oscillando, bald trepidando, wohl reichlich 5 Minuten dauerte und Alles erbeben machte. Man konnte kaum stehen und gehen. Darauf erlosch die Stärke etwas, das furchtbare Geräusch dauerte aber fort. Mitten in dieser Verwirrung brach durch herabstürzende Lampen Feuer aus, die Spritzen fingen an zu arbeiten, als plötzlich der Ruf ertönte: El Mar se retire! Jedermann suchte das Weite, als das Wasser wieder heranbrauste, in rasendem Wirbel Alles verschlingend, unsere unglückliche Stadt meist von Norden her vier bis fünfmal überströmte, Wir brauchen Ihnen die Scenen inmitten des fortdauernden Bebens der Erde und des Donners nicht zu beschreiben.... Wir haben bis 3 Uhr Morgens in der Pampa campirt und sind dann in unser Wohnhaus zurückgekehrt, während noch in diesem Augenblicke die Erde erbebte und egrollte.“ Ein Bericht aus der Salpeter-Offiein San Pedro, 40—50 Kilometer 5000 Fuss gelegen, meldet: südöstlich von Iquique und in einer Höhe von 4 „Die Katastrophe trat am 9. Mai S!/; Uhr Abends ein und begann mit zwei verticalen Stössen, denen eine horizontale wellenförmige Bewegung folgte, die sich allmählich bis zum starken Schütteln, begleitet von einem starken Getöse, steigerte, welches seinen Grund theils im Erdbeben selbst, theils im Einstürzen von Gebäuden hatte. Diese erste starke Erschütterung dauerte 6 Minuten und bewirkte die eingetretenen Zerstörungen. Zwar folgten während der ganzen Nacht viele mehr oder weniger heftige Stösse, welche alle beweglichen "Theile der Maschine zum Klingen brachten, aber keiner derselben hatte einen Ein- sturz zur Folge. Getödtet wurde glücklicherweise Niemand, nur einige Con- tusionen durch herabfallende "Trümmer sind vorgekommen, die langsame Stei- ” gerung der Erschemung gewährte Zeit zum Entfliehen.“ Die im Innern des Landes gelegene, 23 Meilen von Iquique entfernte Stadt Tarapaca, sowie die Dörfer Pica, Matilla, Canchones wurden mehr oder weniger von dem Erdbeben zerstört. Verfolgen wir jetzt die Nachrichten, welche uns über das Phänomen aus den südlich von Iquique gelegenen Orten an der Westküste vorliegen. Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 ete. (p. 11) 393 Das 0° 45° südlich von Iquique gelegene Pabellon de Pica hat gleichfalls ausserordentlich gelitten und liegt zugleich mit den in der nächsten Nähe nördlich und südlich von Iquique belegenen Orten innerhalb des engsten Erschütterungsgebietes. Die „South Pacifie Times“ meldet, dass Pabellon de Pica gänzlich zerstört sei; 5 Schiffe sanken und 27 wurden so schwer beschädigt, dass sie den Hafen nicht verlassen konnten, über 200 Menschenleben gingen verloren; „die Bewegung der See, welche durch das Erdbeben verursacht wurde, war in den Häfen längs der Küste von Callao (Peru) bis Coquimbo (Chile) ähnlich, wenn auch von verschiedener Intensität, am deutlichsten und heftigsten bei Pabellon de Pica, welches als Centrum der Störung genannt werden kann.“ Das Erdbeben soll nach dieser Nachricht um S Uhr p. m. eingetreten sein und 5 Minuten angedauert haben, während welcher Zeit mehr als ein Dutzend Feuer ausbrachen, die durch umgeworfene Lampen entstanden. Um S Uhr 25 Min. brach das Meer herein. Der Bericht des Gouverneurs von Pabellon de Pica nach Lima sagt: Um 8 Uhr 15 Min. Abends des 9. Mai begann ein mächtiges Erdbeben längs der ganzen Küste, welches 5 oder 6 Minuten andauerte, allmählich an Heftig- keit zunehmend und mit dem plötzlichen Ausbruche einer Feuersbrunst endi- gend, welche darauf durch die See wieder gelöscht wurde, die sechsmal ein- brach und grossen Schaden anrichtete. In Pabellon wurden 33 Arbeiter durch einen Erdsturz begraben. Der Bericht des Hafenamtes zu Chanabaya (Chanavaya), (21° S. Br.) bei Pabellon de Pica, an die Kaiserliche Mission zu Lima giebt als Zeit des ersten Stosses 8 Uhr 20 Min. p. m. (gewöhnliche Zeit) an. Der Stoss sei von der Küste her gekommen. Die erste Welle kam 20 Minuten nach dem ersten Stosse. Die Bewegung des Meeres begann mit einem Sinken. Drei Wellen in Intervallen von S—10 Minuten; die zweite Welle war die höchste, sie stieg bis 35 Fuss: die Fluth betrug 4 Fuss über das gewöhnliche Maass. (Drei oder vier 'Tage vor dem 9. Mai wurde ein starker FKrdstoss bemerkt.) — Mehr als 3500 Menschen hilflos. Nach dem „Deber“ No. 550 fand in Chanabaya das schreckliche Erd- beben um S Uhr 30 Min. statt; eine Feuersbrunst brach aus, das Meer trat über. Die Nacht hindurch dauerte das Beben fort in Intervallen von wenigen DS 394 Eugen Geinitz. (p. 12) - Secunden. Noch bis zum 11. Mai wiederholten sich die Erdstösse von 5 zu 5 Minuten. In der Erde zeigten sich mehrere, z. Th. 15 Meter tiefe Spalten. Nach der „South Pac. Times“ kamen über Chanabaya in der Zeit von S Uhr 25 Min. bis 10 Uhr 10 Min. fünf Wellen. Beachtenswerth für die Art und Weise der Fluthbewegung des Oceans innerhalb des stärksten Erschütterungsgebietes ist die Notiz des „Diario ofieial“, wonach Chanabaya durch das Wasser gänzlich „emporgehoben“ worden sei. Dasselbe Phänomen trat in Punta de Lobos (21° 51%‘ S. Br.) ein, wo die Häuser durch das Meer völlig emporgehoben wurden. Nach einem Correspondenten der „South Pac. Times“ wurde hier das Erdbeben um S Uhr 30 Min. p. m. gespürt, und folgten demselben während der ganzen Nacht andere von geringerer Stärke. Unmittelbar nach dem Stosse begann das Meer sich zurückzuziehen und kehrte in weniger als 10 Minuten als Fluthwelle zurück, alles in einer Höhe von wenigstens 35 Fuss über dem Meeresspiegel hinwegspülend. ; Ziemlich übereinstimmend mit diesem Bericht besagt der Hafenbericht aus Punta de Lobos, dass der erste Stoss um 8 Uhr 20 Min. mittlerer Orts- zeit gespürt wurde; alle Stösse gingen von SO. nach NW. Die erste Welle erschien um 8 Uhr 30 Min. p. m., d. i. 10 Minuten nach dem Stosse, Die Bewegung begann mit dem Sinken des Meeres. Zwei Wellen, von denen die zweite die grössere, in Intervallen von 30 Minuten; die erste stieg 20 englische Fuss, die zweite 35 Fuss über das mittlere Niveau. Der Hafenbericht von @uanillos-Guanera del Peru, 21° 10° 8. Br., 70013‘ W.L., besagt, dass hier der Stoss ungefähr um 8 Uhr 15 Min. p. m. (mittlerer Ortszeit) des 9. Mai von Osten, aus den Ebenen des Inneren kom- mend, bemerkt wurde. Ca. 15 Minuten nach dem ersten Stosse, 8 Uhr 30 Min. p. m., fand ein allmähliches Zurückweichen der See statt, und darauf ein Austreten, wobei sie sich unwesentlich über ihr Niveau erhob. Das Austreten fand in bemerkbarer Weise dreimal statt, in Intervallen von ca. !/ Stunde. Die erste Welle stieg 30 Fuss über das gewöhnliche Niveau, die beiden an- deren etwas weniger. Auch hier wurden die Häuser nach dem „Diario ofieial“ durch das Meer emporgehoben. — Vier Schiffe gingen unter, 13 wurden beschädigt, mehrere Menschen kamen um. Das Erdbeben von Iquigue am 9. Mai 1877 ete. (p. 13) 395 Hier wie in Punta de Lobos und Chanabaya soll die Bewegung der See mit einem Sinken des Wassers begonnen haben. In Tocopilla, Bolivien (22° S. Br.), fanden grosse Verwüstungen statt. Der Erdstoss fand nach F. Palma (,„Diario oficial*) um 8'/,; Uhr Abends des 9. Mai statt, nach Anderen um 8 Uhr 5 Min. Unmittelbar nach dem heftigen Erdbeben trat das Meer aus und verwüstete den Ort. Nach dem Berichte des „Eten“ (siehe unten) stieg es 15 Minuten nach dem Erdstosse aus. Von Cobija (22° 34° 8. Br., 70° 21° W. L.) ist mehr als die Hälfte zerstört. Der sehr heftige Erdstoss trat 81/); Uhr Abends ein; er beschädigte oder verwiüstete fast alle Häuser. Darauf trat das Meer aus und richtete grosse Zerstörungen an. Nach der Meldung des „Eten“ (s. unten) stieg das Meer um 30 Fuss, S Minuten nach dem Erdstoss. Caleta erlitt um 8 Uhr 20 Min. p. m. den Stoss, 20 Minuten darauf stieg die Fluth um 60 Fuss. Mejillones de Bolivia (230 61/,‘ S. Br., 70° 35° W. L.) wurde ebenfalls fast gänzlich zerstört. Der Erdstoss trat 8 Uhr 15 Min. p. m. ein und soll 7 Minuten angedauert haben. Die Bewegung der Erde wird zuerst als wellenförmig und langsam geschildert, die sich nach der ersten Minute beschleunigte und schliesslich behielt die Erde eine starke drehende Bewegung. „Wer versuchte, nach Süden zu gehen, wandte sich nach Osten.“ Nach zwei Minuten nahm die starke Bewegung wieder ab. Das Meer drang !/; Stunde nach der Bewegung ein, ohne dass man es vorher merkte. Die verticale Höhe der Welle betrug 35 Fuss. Nach diesem ersten Uebertreten zog sich das Meer ungefähr 2 Cuadras zurück; !/, Stunde nach dem ersten Uebertritt fand das zweite, mächtige Austreten mit einer schwindelerregenden Geschwindigkeit statt, bei welchem die Welle 0 Fuss oder mehr Höhe erreichte und grossen Schaden anrichtete. Ungefähr 3/, Stunden später fand das dritte Austreten statt. — Die Stösse wurden auch auf der See verspürt. In Caracoles soll das Erdbeben 7—8 Minuten angedauert haben, doch hat der Ort wenig gelitten. Nach einer Privatmittheilung des Herrn Dir. C. Baur aus Caracoles fand das heftige und lange andauernde Erdbeben hier um 8 Uhr 27 Min. p. m. des 9. Mai statt, welches alle Oefen ete. umstürzte. Herr Baur war in der Lage, Dauer und Richtung sehr genau beobachten zu können. Das starke 396 Eugen Geinitz. (p. 14) Rütteln dauerte 2 Min. 40 Sec.; nachher etwa S Minuten lang schwächeres Beben, doch auch die ganze Nacht hindurch bebte es mit kurzen Unter- brechungen und selbst 15 Tage lang verging kein Tag, an dem nicht ein bis mehrere Erdbeben statt hatten. Die Richtung in Caracoles war NW. — SO. und muss der Hauptherd der Bewegung nur wenige Leguas von der Küste in der See gewesen sein. Die Erdbebenwelle spielte Antofagasta nur wenig mit, da ja der Morro Moreno gerade in dieser Richtung vorliegt. Calama und Chiuchiu (im Inneren des Landes gelegen) soll vom Erdbeben fast ganz zerstört sein und Chacanche ebenfalls viel gelitten haben. Antofagasta, Bolivia: 230 40° S. Br., 70° 30° W. L. „Diario ofieial“ Nr. 65: Mittwoch den 9. Mai Abends 8!/); Uhr wurde ein lang andauernder Erdstoss empfunden, mit so starken Erschütterungen, dass man sich festhalten musste, um auf den Füssen stehen bleiben zu können. Seine Dauer war nicht länger als 5 Minuten. Da die Häuser dieses Ortes aus Holz gebaut sind, so wurde kein Schaden angerichtet. Unglücklicherweise aber trat bald das Meer aus, drang dreimal in die Häuserviertel und zerstörte die einen Häuser, trans- portirte die anderen von einem Ort zum anderen, manche über ein ganzes Viertel hinweg und richtete in den Magazinen grossen Schaden an. Das Erd- beben wiederholte sich in bald kürzeren, bald längeren Intervallen. „Deber“ Nr. 548: Um S Uhr 32 Min. trat eines der stärksten bis jetzt beobachteten Erdbeben von einer an dieser Küste ungewöhnlichen Heftigkeit auf. Die Bewegung wird wellenförmig, wie auf Wasser, geschildert. Der Erdstoss dauerte mit zunehmender Gewalt 3 Minuten, nach Anderen 5. Bis 11 Uhr Nachts fortdauernde Bewegung des Bodens und des Meeres: um 11 Uhr heftiges Geräusch des Meeres. Die Bewegung ging von N. nach 8. Innerhalb 36 Stunden fanden mehr als S0 Erdstösse statt. Antofagasta hat verhältnissmässig nicht sehr stark gelitten. Nach einer anderen Nachricht begann das Erdbeben um 8 Uhr 35 Min. erst allmählich, dann bis zu dem Grade sich steigernd, dass die Gebäude wie Holz hin und her schlugen. Dem Erdbeben ging keinerlei unterirdisches Ge- räusch voran; die Bewegung war eine plötzliche, sie schien von N. nach 8. zu gehen. Das Erdbeben mag 2'/; bis 3 Minuten in seiner grössten Inten- sität gedauert haben. Das Meer war unbeweglich, obgleich es gewöhnlich sehr bewegt ist, bis die grosse Welle kam. Von Zeit zu Zeit hat es immer Das Erdbeben von Iqwique am 9. Mai 1877 etc. (p. 15) 397 noch gebebt, bald schwächer, bald stärker, und am Donnerstag Abend musste die Bevölkerung wieder in die Berge flüchten, doch fand ein neues Austreten des Meeres nicht statt. Der Consulatsbericht aus Antofagasta meldet nun: Der Hauptstoss war am 9. Mai Abends 81/; Uhr und die Stösse dauerten fast ununterbrochen die ganze Nacht und die folgenden Tage fort. Sie kamen aus ONO., mit scharfer wellenförmiger Bewegung. Die erste Fluthbewegung der See trat ungefähr 10 Minuten nach dem ungefähr 3'/, Minuten andauernden ersten Stosse ein und begann mit starkem Rücklaufen der See. Vom Beginn bis Nachts 12 Uhr bemerkte Herr Bischoff vier starke Schwankungen der See, doch dauerten kleinere die ganze Nacht hindurch und die folgenden zwei Tage in Zwischen- zeiten von 40— 80 Minuten. Die vierte, grösste Welle erreichte eine Höhe von zwei Meter über der Hochwassermarke oder 21/;, Meter über der Mittel]- wassermarke. Während des Phänomens war stark bewölkter Himmel und ungewöhnlich dunkler Abend, mit sehr schwüler Luft. Ein unterirdisches Geräusch ist bemerkt worden. An dieser Stelle seien noch die ‘beiden folgenden Berichte wiederholt: Capt. G. Massey berichtet in der „South Pac. Times“ vom 21. Mai: „Während der Dampfer „John Elder“ von Valparaiso nördlich nach Callao fuhr, wurde am Mittwoch den 9. d. M. Abends um 8 Uhr 20 Min., in der Breite von 230 43° S. und 70° 47° W. L., als er ungefähr 23 Meilen west- lich von Antofagasta war, während das Meer so ruhig wie ein Teich war, plötzlich ohne die leiseste Warnung Jedermann an Bord heftig alarmirt durch eine plötzliche, sehr heftige Erschütterung und Vibration, die im Schiffe von vorn bis hinten gefühlt wurde und die, wie wir nachher erfuhren, durch ein Erdbeben verursacht war. Sondirungen fanden bis 20 Faden keinen Grund. Obgleich das Schift mit voller Geschwindigkeit ging, wurde es durch den “ Stoss volle 4 bis 5 Minuten angehalten....* Capitän Coathupe vom „Eten“ spürte („South Pac. 'Times“, 21. Mai) im seinem Dampfer, der bei Anto- fagasta vor Anker lag, um 8 Uhr 15 Min. p. m. einen scharfen Erdstoss, der das Schiff 2 Minuten lang schüttelte, so dass der Dampfer die Anker lichtete und sich nach Mejillones de Bolivia begab; auf der Fahrt verspürte er während der Nacht mehrere Stösse.... In Caleta hörte er, dass gegen 8 Uhr 30 Min. p. m. die Schiffe im Hafen plötzlich am Stern um 45 Grad 395 Eugen Geinitz. (p. 16) emporgehoben worden seien; ungefähr 20 Minuten nach dem Stosse brach die See ein und stieg 60 Fuss. Caldera, Provinz Atacama, Chile, 270 4° S. Br., 700 52° W.L Hafen nördlich von Copiapo: Neben den früheren Nachrichten liest uns ein genauer, durch Vergleich mit den Beobachtungen des Hafencapitäns des Leuchtthurmes und anderen 8.20 acasınayo. sm 2 .s \Huanchaco, Yzo Santa. 100 [ 1 Kinsma. bo Mora. j0> Islay. | INA rica 200 | 939 |Mejill.Peru. 5 REEL I eg! uique. 8.49 Chanabaya. S.30 „Tocopilla. RE. 83/4 /Mejill. Boliv. be ‚| 9.90 »Chldera. 10.30 /* Cärrizal. / 900 10.30 Chaharal. Zr mi ne Tach 9.39 ‚Constjtucion. 12.4, ‚Talcahudno. Lota. -10 JsCoronel. | L 409 a a Ensenada. \bor: Zr 3] f | 800 W. L. Gr. 709 422 Eugen Geinitz. (p. 40) Aus obigen Angaben lassen sich, unter richtiger Benutzung der wahr- scheinlichsten derselben, folgende Resultate über das Fluthphänomen gewinnen. An den Orten, welche von der stärksten Erschütterung gleichzeitig betroffen wurden, also an den Orten innerhalb des Kreises des ersten und stärksten Stosses, trat auch die Fluthbewegung des Oceans zuerst und ziem- lich gleichzeitig auf. Freilich gehen auch hier die Angaben sowohl betreffs der Zeit, als auch in Bezug auf die Art und Weise der Bewegung, ob sie nämlich mit einer Welle oder einem Rückzug der See begonnen, vielfach aus- einander. Es ist nicht möglich, aus der Combination der Orte, an denen die Fluth gleichzeitig auftrat, durch isorhachische Linien sich das Centrum, von dem die Bewegung ausging, zu construiren. So viel erscheint als sicher, dass das Centrum des Erdstosses, und mithin auch der Fluthwellen, nicht auf dem festen Lande, sondern einige Seemeilen (vielleicht 50?) westwärts von der Küste und zwar südwestwärts von Iquique gelegen war. Die Erscheinungen bei dieser Fluthbewegung waren ziemlich genau die nämlichen, wie bei dem Seebeben, welches durch den Erdstoss von Arica am 13. August 1868 verursacht wurde. Die durch den Erdstoss verursachte Gleichgewichtsstörung im Pacifischen Ocean gab sich in einer sogenannten Hubwelle oder foreirten positiven Welle (Russel) zu erkennen, welche sich in eoncentrischen Ringen allseitig fortpflanzte. Auf diese foreirte Welle folgte ein Wellenthal, diesem eine meist stärkere zweite Welle, und so fort in mehr- fachen Wiederholungen. Je weiter vom Ausgangspunkte, um so leichter konnten diese Wellen Störungen erfahren, sei es durch den Einfluss des Meeresbodens oder Landvorsprünge und Inseln, sei es dann auch durch Inter- ferenz mit Wellen, die, vom Ufer zurückgeworfen, ihnen begegneten. Derartige Vorgänge genauer zu verfolgen, wäre eine äusserst dankbare Untersuchung ; leider ist dies im vorliegenden Falle wegen des ungenügenden Materiales nicht möglich auszuführen. Nur von einzelnen Punkten liegen darüber genaue Be- richte vor, die uns eine detaillirte Vorstellung über die Fluthbewegung in ihren einzelnen Phasen geben; es sei hier auf dieselben zurückverwiesen. — An vielen Orten innerhalb des ersten Fluthkreises wird als Beginn der Bewegung ein Rückzug angegeben, von anderen Punkten dagegen wieder eine Erhebung der See. Möglich, dass der erste Rückzug der Hubwelle am Centrum entsprach. Das Erdbeben von Iqwique am 9. Mai 1877 ete. (p. 41) 423 Um für die folgenden Berechnungen einen festen Ausgangspunkt zu haben, wollen wir als den Beginn der Fluthbewesung S Uhr 25 Min. p. m. des 9. Mai und als Ort dieses Ausganges Iquique festsetzen. Wir sind uns dabei bewusst, dass der eigentliche Beginn mit dem des Erdstosses zusammenfällt, also 8 Uhr 20 Min., und dass das Centrum nicht Iquique selbst, sondern ein etwas südwestlich gelegener Punkt ist, von welchem aus sich die Welle innerhalb 5 Minuten bis Iquique und den benachbarten Orten fort- pflanzte. Beide Daten lassen sich indessen nicht genauer feststellen und der Fehler in Bezug auf Ausgangspunkt und -Zeit ist einmal gegenüber den schwankenden übrigen Angaben und sodann im Verhältniss zu den bedeutenden Entfernungen so gering, dass er für die weiteren Resultate von keinem allzu nachtheiligen Einfluss wird. In Folgendem sind diejenigen Angaben benutzt, welche die grösste Wahrscheinlichkeit zu besitzen scheinen. Allerdings sieht man, wie selbst bei benachbarten Orten die Resultate der Rechnung z. "Th. so bedeutend von ein- ander abweichen, dass die Differenz lediglich ihren Grund in der abweichenden Angaben über die Zeit des Eintrittes der Fluthbewegung haben kann und nicht etwa in örtlichen Verhältnissen begründet ist. So kann die Angabe aus Caldera nicht richtig sein, aus welcher sich eine Fortpflanzungsgeschwindig- keit der Welle von 350 Seemeilen pro Stunde ergeben würde, was einer mitt- leren Meerestiefe des Oceans zwischen Iquique und Caldera von 2130 Faden entspräche. Ein Vergleich mit den Berechnungen für andere Orte der Küste zeigt, dass diese Werthe bedeutend zu gross sind. Bekanntlich lässt sich aus der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle die mittlere Tiefe des durchlaufenen Theiles des Oceans mit Hilfe der Formeln von Airy oder Russel!) berechnen. Dieselben lauten resp. h — +)’ und h = = wobei h die mittlere "Tiefe des Oceans, v die Geschwindigkeit der Welle in engl. Fussen, k die Zahl 5,671 und & — 32,1908 engl. Fuss bedeuten. Wie man aus der Zusammenstellung der Berechnungen ersieht, schwan- ken allerdings die gefundenen Werthe über die mittlere Meerestiefe an der Westküste Südamerikas innerhalb beträchtlicher Grenzen; es ist dies, wie 2) Vergl. v. Hochstetter, a. a. O. S. 40. Nova Acta XL. Nr. 9. 55 424 Eugen Geinitz. (p. 42) oben bemerkt, in den z. Th. nicht genügend genauen Prämissen der Rechnung begründet. Die Differenz, die sich zwischen den Resultaten von Acapulco und San Luis, Opisbo findet, nach denen die Fluth zu dem näher gelegenen Aca- pulco später gelangt ist, als nach dem viel weiter nördlich gelegenen San Luis, ist vielleicht dadurch verursacht, dass die Inselgruppe der Galapagos die Welle vor Acapulco um ein Beträchtliches aufgehalten hat. Vergleicht man die gefundenen Tiefenwerthe (von den S Punkten in Siidamerika im Mittel 544 Faden und nach San Luis, Opisbo 1440 Faden) mit den Angaben auf der Petermann’schen Tiefenkarte des Grossen Oceans, so ergiebt sich, dass nach unseren Resultaten längs der Küste der Rand der ersten Tiefenzone (0—1000 Faden) breiter sein müsste, als auf der Karte angegeben. Ebenso müsste die mittlere Tiefe zwischen Peru und San Fran- cisco eine geringere sein, als bei Petermann angenommen. Allerdings könnten hier die wenigen Inseln von störendem Einflusse sein. Die Berechnungen über die Orte an der amerikanischen Küste sind in folgender Tabelle zusammengestellt. | N Ars “liolkenit || ar B A ne Erae Fluth- | Dar | $ "er Wei nee v- Iquique, NEEIDE: | Reise der |SeemeilenEngl.Fuss| in engl. Fuss, |in Faden, | in See- | Tquique-Zeit. Welle. pro pro Airy’s |Russel’sl im | meilen. ai | Stunde. Secunde. |Formel. | |Formel.| Mittel. Fa FLAT WE TINRE = Til. Im | Coquimbo .| 590 hou-ssM;p. pm. m.Ix 2St. 10M.| 273 | 461.6 | 6625 6620 | 1104 Notar 22 1025 12, 40,,, a.m. 147, 15%,,17241.20940777051.692155166 s6l Coronel . .| 1020 | 2,12,am. X. 5 „47 "| 177.5 | 300 2800 | 2798 467 laBuserada | 1195 | 4, Mn am. X.| 7, 48,| 155 | 262 |2134 | 2132 | 355 Corral . 1195 | 7,— „am. X.| 8 „ 35 „| 140 236.7 | 1742 | 1741 | 290 Callao . ...) 633 11, 30, ‚pm.IX.|3 „ 5,„| 205.5 | 347.5 | 3753| 3751 | 625 Casma... | 800 | 1,— „am. X|4,, 235 „.1161:6..| 27337 21,231 702316.|; . 386 Huanchaco | 892 | 2 ne X.| bean E1BA | 226.6 | 1596 | 1595 ı 266 Acapulco | 2825 |12,, za X.15 | td | 307.5 | 2939 | | 2937 490 Opisbo co. | 4389 10. 0.30 30, „, &M. X.14 u |ilgs | 527.2 | 8642 | | 8636 ı 1440 1) Die hier und später angegebenen directen Entfernungen der verschiedenen Orte von Iquique wurden alle aus den betr. sphärischen Dreiecken berechnet. ® Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1577 etc. (p. 43) 425 Gehen wir nun über zu den Nachrichten, welche von den verschiedenen Punkten in dem Grossen Oceane eingelaufen sind. Der Kais. Deutsche Consul in Papeete, "Tahiti, Herr G. Godeffroy, brachte folgenden werthvollen Bericht: ».... In Bezug auf die Gesellschaftsinseln habe ich nichts zu er- wähnen, nicht der geringste Einfluss des genannten Frdbebens war hier wahrzunehmen. Dagegen hat auf der Marquesasgruppe, vorzüglich auf den Inseln Nuka-Hiva und Hiva-Oa, eine Ueberschwemmung stattgefunden, welche mir wegen der auffallenden Uebereinstimmung der Zeit mit dem an der Westkiiste von Peru stattgehabten Erdbeben in Zusammenhang zu stehen scheint. Nach einer längere Zeit anhaltenden ungewöhnlichen Dürre begann die Regenzeit Mitte März und erreichte ihren Culminationspunkt zwischen dem 10. und 17. Mai. — Alle Flüsse und Bäche traten aus infolge der Regen- fluth, welche über Nuka-Hiva losbrach. Sämmtliche Brücken wurden weg- geschwemmt. — In Taioha@ (auf Nuka-Hiva, 8% 55° 20“ S. Br., 14009 6/ W. L.) fand ein Einbruch des Meeres statt: den 10. Mai gegen 4 Uhr Morgens verliess das übrigens ganz ruhige Meer sein Bett und drang in das feste Land auf ungefähr 40 Meter vor; unmittelbar darauf zog es sich zurück, so dass 50 Meter seines gewöhnlichen Bettes trocken gelegt wurden. Während 10 Minuten verspürte man eine oscillatorische Bewegung; bald stand das Meer sehr niedrig, bald sehr hoch, und dieser Wechsel dauerte den ganzen Tag. Den durchschnittlichen Wechsel des Niveaus kann man auf 4 Meter schätzen. Viel bedeutender war die Meerfluth in Anaho, dem nordöstlichen Theile von Nuka-Hiva. Das Meer drang auf eine Entfernung von 200 Meter in das Innere des Landes vor und mehrere Häuser wurden weggeschwemmt. Die furchtbarsten Verheerungen fanden jedoch in Tahuku, Insel Dominique (Hiva-Oa) statt: diese Bai ist von beiden Seiten von schroff auf- steigenden Felsen begrenzt, weshalb das Meer auf eine sehr beträchtliche Entfernung in das Innere vordrang. Diese ausserordentliche Bewegung des Meeres wurde in der ganzen Inselgruppe beobachtet, jedoch mit verschiedenen Charakteren; so z. B. in Vaitahu und in Puamau fand keine oscillatorische Bewegung statt, doch blieb das Meer auf sehr niedrigem Stande während des ganzen Tages (10. Mai).“ 55° 426 Eugen Geinitz. (p. 44) Zu der Nachricht, welche ich über Apia, auf der Insel Upolu, Schiffer- oder Samoa-Inseln, 13% 49° S. Br., 171° 41° W. L., einer Mittheilung des Herrn J. ©. Godeffroy in Hamburg verdanke, erhielt ich durch das Kais. Consulat in Apia noch folgende bestätigende Notiz: Im Hafen von Apia trat die Fluthbewegung ungefähr um 51/,—5!/, Uhr Morgens mittlerer Ortszeit, d. h. Apia- oder Sydney-Zeit, am 11. Mai ein (d. i. am 10. Mai Greenwich-Zeit); es war nicht mehr festzustellen, ob die Fluthbewegung mit einem Uebertreten oder Rücklaufen der See begonnen hatte. (Bei der Fluthbewegung von 1568 wurde zuerst ein Rücklaufen be- obachtet.) Drei Hauptschwankungen in Zwischenzeiten von 10—15 Minuten waren besonders bemerklich, die vierte war bereits bedeutend niedriger, die Bewegung dauerte aber noch während des ganzen Tages fort, sich allmählich beruhigend. Nach einem Merkmale an dem Pfosten eines am Strande stehen- den Scheuers stieg die See ungefähr 49 engl. Zoll über die gewöhnliche Hoch- wassermarke oder ungefähr 35 Zoll über Hochwassermarke bei Springfluthen. Es ist nicht mehr festzustellen, welche FlJuthwelle die grösste war. Der erwähnte Brief vom 11. Mai = 10. Mai Greenwich-Zeit, an Herrn C. Godeftroy lautet: „Seit diesem Morgen ca. 4'/; Uhr (Eintritt der Ebbe) haben wir hier im Meer den Effect einer Fluthwelle; gegen 6 Uhr war der stärkste An- und Ablauf, wohl ca. 12 Fuss oder mehr. Das Schauspiel wiederholte sich alle 10 Minuten und dauert noch jetzt, S Uhr a. m., fort. Der An- und Ablauf mag noch auf ca. 5 bis 6 Fuss zu schätzen sein, ist im Andrang aber wesent- lich weniger stark und der Wechsel namentlich weniger schnell. — P. S. Das Fluthen dauerte mit stufenweiser Abnahme bis gegen 12 Uhr Mittags (Ein- tritt der Fluth). Unfälle sind hier nicht passirt.“ Bei einer Zeitdifferenz von 6 Stunden 46 Minuten mit Iquique ist somit der Eintritt der Fluthbewegung in Apia 12 Uhr Mittags, resp. 11!/, Vor- mittags des 10. Mai. Ueber die Flutherscheinungen an den Sandwich-Inseln liegen durch die „Hawaiilan Gazette‘ vom 16., 23. und 30. Mai 1877 folgende Berichte vor: Die Fluthbewegung brach über die gesammte Inselgruppe gleichzeitig herein und wurde nur an den verschiedenen Plätzen wegen der frühen 'Tages- zeit nicht zu gleicher Zeit bemerkt. Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 etc. (p. 45) 427 Auf der Insel Hawaii kam die Welle nach Hilo (19% 44° N. Br., 155° 3° W. L.) nach den Beobachtungen von Porter und Capt. Smithers um 43/, Uhr Morgens in der Richtung von ungefähr NNO. in gerader Linie von Waiakea, den grösseren T'heil der Ansiedelung zerstörend, grosse Häuser und eine eiserne Brücke demolirend, hölzerne Gebäude z. Th. !/, Meile von der Küste wegtragend. Namentlich ist der Schaden in dem an der gegenüber- liegenden Seite der Bai gelegenen Waiakea besonders gross; ebenso wurde die Coeoanut-Insel überschwemmt. Die Höhe der Welle wurde auf 30 Fuss geschätzt, nach Severance betrug sie 13,5 Fuss über der Tiefwassermarke und in Waiakea 16—17 Fuss. Nach Herrn Severance wurde die ungewöhnliche Oseillation der See in der Hilo-Bai zuerst schon ungefähr um 4 Uhr Morgens beobachtet, also nahezu 1 Stunde früher, bevor die grosse Welle hereinbrach. Das Meer fiel und stieg den ganzen Tag. Die ausserordentlichen und rasch sich folgenden Schwankungen werden aus den Messungen des Herrn Severance deutlich ersichtlich („Haw. Gaz.“ 23. Mai): Am Morgen gegen { Uhr wurde von Severance eine solche „tide“ be- stimmt. Von ihrer tiefsten Ebbe zu ihrer vollen Fluth vergingen nur 4 Minuten und dabei stieg sie 14 Fuss senkrechter Höhe. Sie stieg und fiel den ganzen Tag über ungefähr alle 3 Minuten. Nachmittags 3 Uhr stellte Herr Severance wieder Messungen an: Die erste tide machte in 10 Minuten eine Höhe von 6 Fuss über der Hochwassermarke, sie fiel in derselben Zeit zu einer Tiefe von 2 Fuss unter der Tiefwassermarke; stieg wieder in 8 Minuten zu 8 Fuss über der mittleren Fluthhöhe und fiel in ca. 12 Minuten zum 'Tiefwasser; stieg alsdann in -15 Minuten zu ungefähr 3 Fuss über Hochwasser und fiel in ungefähr derselben Zeit, drei Mal in einer Stunde steigend und fallend. Noch 12 Stunden nach der grossen Welle, um 4 Uhr p. m., stieg und fiel die See 10 Fuss, am folgenden Tage betrug das Steigen noch gegen 5 Fuss („Haw. Gaz.“ 30. Mai). In Kawaihae, auf der Westseite von Hawaii, betrug der Unterschied zwischen Steigen und Fallen ungefähr 5 Fuss. Im Hafen von Kahului (westlich von der Insel Maui, 20031’ N. Br., 156° 43° W. L.) beobachteten am 10. Mai ungefähr 4°/, Uhr Morgens 428 Eugen Geinitz. (p. 46) Fischersleute in der Bucht einen Rückzug der See, welcher den ganzen Boden des Hafens trocken legte; darauf lief die See durch die Hafenöffnung wie ein Fluss hoch und schnell wieder ein und stieg 4 oder 5 Fuss über die gewöhn- liche Hochwassermarke. Eine zweite Welle war nicht so hoch als die erste, die dritte noch niedriger, aber die vierte erreichte fast dieselbe Höhe, wie die erste. Die See stieg und fiel am 12. Mai noch immer mehr als gewöhnlich, doch wurde die Bewegung ruhiger. — Ein anderer Beobachter giebt ebenfalls 4 Uhr 45 Minuten als die Zeit der ersten Bewegung des Meeres an. Auch an der Insel Kauai wurde die Fluthbewegung beobachtet. Honolulu (auf der Insel Oahu, 210 28° N. Br., 157° 55° W. L.): Am 10. Mai, ungefähr 20 Minuten nach 5 Uhr, bemerkte man auf den Werften, dass die Fluth mit grosser Heftigkeit auslief, und durch genaue Messungen des Piloten Babcock wurde constatirt, dass sie im 5 Minuten um 21 Zoll fiel. Um 6 Uhr kam das Wasser zurück, wobei die See in 10 Minuten 34 Zoll stieg. Ein ähnlicher Zu- und Abfluss der Fluthen setzte sich den ganzen Tag und die Nacht hindurch fort, allmählich an Grösse abnehmend. Die grösste Differenz zwischen Hoch- und Tiefwasser betrug im Hafen am Vormittag 58 Zoll. Der Hafenmeister von Honolulu berichtete an den deutschen Consul in Honolulu: Die Fluthwelle wurde zuerst am 10. Mai um 5 Uhr Morgens be- merkt. Die See stieg und fiel innerhalb weniger Minuten, am niedrigsten war dieselbe um S Uhr 2 Min. a. m., am höchsten um 8 Uhr 32 Min. a. m., und betrug der grösste Fall 4° 10“ Dies Steigen und Fallen des Wassers dauerte bis zum 11. Mai Mittags, wonach die gewöhnliche Ebbe und Fluth wieder einsetzten. Wind am 10. Mai NO. (Stärke Nr. 6), Barometer 30,20, "Thhermo- meter 75°, Hygrometer 73°. Die Differenz zwischen dem höchsten und niedrigsten Wasserstande ist nach der „Haw. Gaz.“ an den verschiedenen Punkten folgende: Hilo, Ostseite von Hawaii, 36 Fuss. Kealakekua Bay, Westseite, 30 F. Kawaihae, do. 5 FE. Kahului, Nordseite von Maui, 22 F. Lahaina, Südseite do. do. 12 F. Honolulu, Südseite von Oahu, 4 F. 10 Zoll. Nawiliwili, Südostseite von Kauai, 3 F. Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 etc. (p. 47) 429 Die „Hawaiian Gazette“ vom 16. Mai 1877 bringt noch folgende Zusammen- stellung der in früheren Zeiten an den Sandwich-Inseln beobachteten ausserordentlichen Fluthungen: Im Jahre 1819. — Im Jahre 1837 am Abend des 7. November plötzlicher Rück- zug der See um 8 Fuss. Darauf eine riesige zerstörende Welle in Hilo und Kahuluı. — 17. Mai 1841 dieselbe Erscheinung, aber weniger heftig, Fall um 3 Fuss. — 13. und 14. August 1868. Differenz zwischen höchstem und tiefstem Stand 5’ 4, Auf den Chatam-Inseln wurde in der Nacht des 11. Mai eine furcht- bare Fluthwelle von Th. Ritchie bemerkt; Old Jamies Platz ist theilweise weggeschwemmt, die Waitangi-Brücke weggewaschen. Nach anderen An- gaben erreichte die Welle nicht die Höhe wie 1868. Genauere Nach- richten fehlen. In den Neu-Seeländischen Plätzen wurden die Fluthbewegungen in allen schiffbaren Häfen und in den im Fluthgebiete liegenden Flüssen an der Ostküste der Nord- und Südinseln beobachtet, in ähnlichem Umfange wie im August 1868; zwar scheinbar weniger heftig, aber ebenso verbreitet und an einigen Punkten deutlicher bemerkbar. Nach Analogie mit der Erscheinung im August 15868 wurden die Fluthbewegungen hier sofort auf eine Erdbeben- erscheinung im Osten zurückgeführt.) Die „Lyttelton Times“ und „Press“, sowie der „Herald“, welchen Zeitungen fast alle folgenden, z. Th. schon früher (a. a. 0. S. 463) publieirten Notizen entnommen sind, berichten, dass die Erscheinungen in folgenden Plätzen beobachtet seien: Poverty Bay, Gisborne, Napier, Lyttelton, Akaroa, Timaru, Oamaru, Port Chalmers und Bluff. Das Phänomen wurde nach 7 Uhr Morgens, Freitag den 11. Mai 1877, beobachtet, das Steigen und Fallen schwankte von 3 bis 8 Fuss (letzteres in der Poverty Bay). Ebbe und Fluth brauchten 15 Minuten bis 1 Stunde. Vom 12. Mai Mittags bis zum 14. Morgens fanden noch viele kleine Schwankungen in un- regelmässigen Zwischenzeiten statt. An der Westküste von Neu-Seeland trat die Erscheinung so schwach auf, dass sie hier überhaupt nur in dem Bullerflusse (41% 45° S. Br., 1720 45‘ !) Dr. Hector gab in der Sitzung der Wellington Philosophical Society vom 21. Juli 1877 nach Analogie des Seebebens von 1868 an, dass die Fluth von einem Erdbeben her- rühren müsse, welches der Berechnung nach gegen 8 Uhr p. m. des 9. an der südamerikani- schen Küste stattgefunden haben muss — eine Vermuthung, welche auf das Evidenteste bestätigt worden ist! 430 Eugen Geinitz. (p. 48) Oe. L.) beobachtet wurde. Leider fehlen gerade von hier die genaueren Zeit- angaben, so dass man die Verzögerung der Wellen nicht constatiren kann. Die einzelnen Plätze der Ostküste in ihrer Reihenfolge von Nord nach Sid sind folgende: In Auckland stieg die Fluthwelle am Morgen des 11. bis zu 9 Zoll. — Ein gefälliger Bericht des Hermn E. B. Diekson in Auckland an das dortige Deutsche Uonsulat besagt, dass an fast allen Plätzen die Fluthbewegung mit einem Uebertreten der See begann, nur zu Mangonui (im Norden der Insel) mit einem Rücklaufen des Wassers. Die Höhe der ersten Fluth betrug 7 bis S Fuss, die Dauer der Fluth gegen 8 Minuten, ebensolang die Dauer der Ebbe; die folgenden Wellen waren nicht über 3 Fuss hoch; in Tauranga die erste Welle über 3 Fuss, in Russell iiber 6 Fuss. In Tauranga (37° 37° S. Br., 176° 11° Oe. L.) fand gegen 8 Uhr Morgens des 11. Mai eine Fluthbewegung statt; das Wasser stieg 3 Fuss höher, als gewöhnlich bei Springfluthen. Darauf plötzliches Fallen m kurzen Zwischenzeiten, was sich den ganzen "Tag fortsetzte. Poverty Bay (38° 40° 8. Br., 178° Oe. L.): In Gisborne fand die ganze Nacht des 11. eine grosse Fluthbewegung statt; am Morgen des 11. um 3 Uhr bei 3/, Ebbe kam eine Fluthwelle über die Bai und stieg S Fuss über die Spitze des Rumpfes „Go-a-head“ und verursachte ein plötzliches Steigen des Flusses um 3 bis 4 Fuss. Um.9 Uhr 30 Min. kam eine zweite Welle in den Fluss, um 9 Uhr 45 Min. eine andere und fast unmittelbar darauf eine vierte. Das Wasser der Bai war sehr bewegt. Nach den Beobachtungen des Hafenmeisters von Gisborne (Bericht des Herrn E. B. Diekson, Auckland, an das K._D. Consulat in Auckland) war die erste Welle um 7 Uhr Morgens (mittlere Wellington - Zeit), die zweite um 9 Uhr a. m., die dritte um 11 Uhr a. m., die vierte um 12 Uhr 40 Min. p. m. und die fünfte um 2 Uhr 30 Min. p. m. Wellington (41° 6 S. Br., 174° 30° Oe. L.): Am Morgen des 11. Mai, kurz vor 7 Uhr, als es ein wenig mehr als 3/, Ebbe war, wurde im Hafen von Wellington eine ungewöhnliche Fluthbewegung beobachtet. Es brach eine grosse Wassermasse plötzlich in die Bai und verursachte heftige Bewegung unter den Schiffen, in Y/, Stunde hatte die Fluth die gewöhnliche Hochwassermarke .überstiegen: darauf zog sie sich mit derselben Geschwindig- Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 etc. (p. 49) 451 keit zurück und in weiteren 15 Minuten war die Tiefwassermarke erreicht. Von dieser Zeit an fuhr die Fluth fort, zu fliessen in Intervallen, die all- mählich von 15 Minuten vor 8 Uhr a. m. bis 10 Minuten vor 10 Uhr a. m. abnahmen. Um S Uhr war der Unterschied nahe 5 Fuss, um 10 Uhr 2 Fuss. Zu Mittag betrugen die Zwischenzeiten zwischen Ebbe und Fluth nur 7 Minuten und das Steigen war 1 Fuss. Die Störungen setzten sich den ganzen Tag fort, in der Zeit von 7 Uhr a. m. bis 3 Uhr p. m. fand einige 20 Male Hoch- und Tiefwasser statt. In der Cookstrasse war die Fluthbewegung besonders bemerkbar, indem die Wellen von SSO. kamen, während die erste nach der Beobachtung von Capt. Lloyd von W. gekommen sein soll. Aus Kaiapoi (nördlich von Lyttelton) wird vom 12. Mai gemeldet: Während des gestrigen Tages verursachte eine Anzahl von Fluthwellen, die sich den Waimakariri hinauf bewegten, obgleich der Fluss sonst ganz ruhig war, kein geringes Aufsehen. Die Stadt ist gegen 3 Meilen von der Mündung entfernt und dort stieg die höchste, mit grosser Gewalt (ca. 6 Meilen pro Stunde) eindringende Welle 2—3 Fuss an der m der Mitte der Stadt befind- lichen Swingbrücke, ohne erheblichen Schaden anzuriehten. Die erste Welle soll um 6 Uhr a. m. gekommen sein und bis S Uhr a. m. waren drei gefolgt; die Bewegung dauerte in längeren Zwischenzeiten bis Mittag fort. Die See war am Morgen in heftiger Bewegung. Auch Sonnabend Mittag sollen in Kaiapoi zwei nachträgliche Wellen im Flusse erschienen und der Fluss noch während des Nachmittags durch Strömung bewegt gewesen sein. Die früheren Nachrichten über die Flutherschenung in Lyttelton (430 37° 8. Br., 172° 45° Oe. L.) wurden durch folgende Mittheilungen durch das K. D. Consulat in Christchurch, N. Zealand, vermehrt. Nach den zu- verlässigen Beobachtungen des Herrn A. R. Webb in Lyttelton wurde die erste Fluthbewegung in Lyttelton um 9 Uhr 5 Min. a. m. des 11. Mai, mittlere Neuseeland-Zeit, beobachtet. Genannter Herr schreibt an Herrn Dr. J. v. Haast in Christehurch: „Die Bewegung begann mit Steigen der Fluthwelle. Die Welle stieg 2 Fuss 9 Zoll um 9 Uhr 5 Min. Um 9 Uhr 10 Min. begann sie zu fallen und fiel in 9 Minuten um 2 Fuss. Vor- und rücktliessend alle 10 Minuten bis zwischen 4 und 5 Uhr Nachmittags, zu welcher Zeit die See sich beruhigte zu einer wenig mehr als gewöhnlichen Bewegung. Bei halber Nova Acta XL. Nr. 9. 56 432 Eugen Geinitz. (p. 50) Fluth, gegen 11, Uhr a. m., war die See am höchsten, 18 Zoll über die gewöhnliche Springfluthmarke; die See stieg 9 Fuss 6 Zoll während der 21/, Stunden zwischen 9 Uhr und 11!/ Uhr a. m.“ Die „Lyttelton Times“ und „Press“ bemerken weiter: Am 11. früh Morgens wurden die Bewohner des Hafens dadurch erschreckt, dass, obgleich Ebbe hätte sein sollen, die Fluth höher war, als bei gewöhnlicher Hochfluth. Wie im Jahre 1868 war das Wetter klar*und leichter SW-Wind. In Lyttel- ton stand am 11. Mai um 2 Uhr p. m. das Barometer 29,75, das '"T’'hermo- meter 39; es wird weiter darauf aufmerksam gemacht, dass am Dienstag vorher das Barometer sehr tief stand, nämlich 28,78. — Um 7 Uhr a. m. (nach der „L. Times“ gegen 7 Uhr 30 Min.) wurde beobachtet, dass das Wasser sehr unruhig und trübe wurde, auf den Hafen mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit hereinstürzte, pro 7 Minuten 18 Zoll steigend. Um 9 Uhr a. m. stieg und fiel das Wasser alle 5 Minuten 3 Fuss, und später 3 Fuss alle 9 Minuten; von 6 Fuss 9 Zoll auf 9 Fuss 9 Zoll. Um 10 Uhr a. m. zur Halbfluth stieg es in sehr kurzer Zeit von 6 Fuss 9 Zoll auf 11 Fuss 9 Zoll; um 10 Uhr 40 Min. war es von 14 Fuss 6 Zoll auf 13 Fuss in 5 Minuten gefallen. Zu Mittag nahm die Störung ab, als beinahe Hochwasser war; das Wasser blieb sehr schlammig. Um 2 Uhr p. m. war Hochwasser. (17 Fuss, d. i. ca. 2 Fuss höher, als gewöhnliches Hochwasser.) Die ungewöhnliche Bewegung dauerte bis in die Nacht fort. Um 4 Uhr p. m., 2 Stunden nach dem Hochwasser, zeigte die Fluth 16 Fuss und fiel dann wieder rasch. In der Pigeon-Bay war die Störung noch bedeutender. Das Ein- fliessen der Fluth, welche nicht weniger als 7 Fuss über dem gewöhnlichen Spiegel betrug, richtete einigen Schaden an. Eine Mittheilung von Capt. Edwin in den (durch das K. D. Consulat zu Wellington gef. übermittelten) Proceedings of the Wellington Philosophical Society, 21. July 1877, besagt, dass man in Manowara, Bay of Islands, am 11. Mai früh um 5 Uhr einen auffälligen Rückzug des Meeres beobachtet habe: „P. MeAlister aus Manowara, in der Bay of Islands, befestigten ihr Boot in der Nacht des 10. an der Bank in einer Bucht. Als sie um 5 Uhr Morgens wieder kamen, fanden sie die Bucht und die Untiefe dabei ganz trocken, obwohl die Fluth längst über Hochwasser sein sollte. Während sie Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 etc. (p. 51) 433 warteten, hörten sie ein lautes, donnerähnliches Geräusch und sahen eine grosse Welle herannahen. ... Nachher fiel das Wasser rasch wieder.“ — Maoris von den Inseln der Bay beobachteten, wie um 5 Uhr Morgens das Wasser in wenigen Minuten über 8 Fuss stieg und es in Intervallen von ca. 20 Minuten mehrmals schwankte bis spät zum Abend. Aus Le Bon’s Bay (Ostseite der Banks Peninsula) wird berichtet: Die ungewöhnlich hohe Fluth um 7 Uhr am Freitag (11.) Morgen gab uns ein deutliches Zeichen irgend einer stattgefundenen Störung. Die Wellen kamen in langen, schweren Wogen und sogleich fand wieder ein rapides Zurückweichen statt. Das Wasser ging gelegentlich so weit zurück, dass man vom Ufer nach dem Hafendamm gehen konnte. Gegen 12 Uhr kam eine Welle mit solcher Gewalt, dass sie zwei 'Tramway-Briücken wegriss und ein Stiick weit fortführte. Während des Tages überflutheten verschiedene Wellen das Land. Bei dem Hochwasser des Nachmittags richtete eine hohe Welle neuen Schaden an. Am Sonnabend fuhr derselbe Zustand der Dinge fort. Aus Akaroa (43° 51° S. Br., 1720 59° Oe. L.) wurde telegraphirt, dass die See den ganzen Tag iiber sehr bewegt sei und die Fluthwellen gegen 1 Uhr a. m. (Mitternacht) begannen, manchmal 7 Fuss in 5 Minuten steigend. Um 3 Uhr p. m. war die Fluth am höchsten, nämlich volle 10 Fuss über Hochwassermarke, alle Häuser an der Kiiste wurden überschwemmt. Um 5 Uhr p. m. liess die Bewegung nach. Das Wetter war windstill. In Timaru wurde die erste Welle kurz nach 7 Uhr Morgens beob- achtet. Von dieser Stunde bis spät in den Nachmittag blieb die See rasch steigend und fallend, das Fallen betrug scheinbar 3—4 Fuss. In Port Chalmers wurde die Fluthbewegung bei 'Tagesanbruch be- merkt, indem das Wasser um einige Fuss an der Kiste schwankte; dies dauerte mehrere Stunden fort. In Dunedin betrug der Unterschied des Steigens und Fallens der Fluthwelle 18 Zoll bis 5 Fuss. Oamaru: Das Wasser fluthete heftig ab und zu in Intervallen von ca. !/, Stunde. Am Morgen, ungefähr bei Tiefwasser, stieg die See plötzlich und in ungefähr 10 Minuten war sie 1 Fuss nahe der Hochwassermarke. Das Fluthen dauerte den ganzen Morgen. — Gegen 12 Uhr Mittag stürzte das Meer mit schrecklicher Gewalt in die Bucht und zerstörte dabei die stark 56* 434 Eugen Geinitz. (p. 52) gebauten Werfte, in wenigen Minuten stürzte das Wasser wieder in wirbeln- den Strömungen aus der Bucht. Um 12'/,; Uhr war die Strömung und der Strudel verschwunden. Auch an der Australischen Küste wurde die Fluth beobachtet und zwar nur an den T'heilen, von denen das vorliegende Neu-Seeland die Fluth nicht abhalten konnte. An den geschützten Plätzen des südlichen Theiles, in der Colonie Vietoria, in Queensland fand keine Fluth statt oder war wenigstens so gering, dass sie nicht beobachtet wurde: hier hatten also die vorliegenden Inselmassen die Wellen gebrochen. So meldet das Consulat in Melbourne: Von dem Director des hiesigen Observatoriums haben wir erfahren, dass an der ganzen Küste der Colonie Vietoria sich keine Einwirkung des Erdbebens bemerkbar gemacht hat. Der telegraphische Bericht von Queenscliff und Wilson’s Promontory besagt: Nichts Aussergewöhnliches an den Fluthen bei Queenscliff bemerkt. Wilson’s Promontory: Keinerlei Veränderung im Steigen und Fallen der Fluth am ll. Mai beobachtet. Das Consulat von Queensland in Brisbane meldet, dass das im Mai v. J. stattgefundene Erdbeben in Peru daselbst in keiner Weise gefühlt worden sei. Dagegen liegen genaue und werthvolle Beobachtungen aus Sydney und Newcastle vor durch die sorgfältigen Notirungen des Govern. Astronoms Herrn H. C. Rusell in Sydney. Genannter Herr hatte die Güte, seine Beobachtungen und genaue Copien der Aufzeichnungen der selbstregistrirenden Fluthmesser in Sydney und Newcastle an das dortige Consulat einzusenden. Ich darf an dieser Stelle meinen besten Dank für diese werthvolle Unterstützung aussprechen. Die Wellen sollen nach Russell an verschiedenen Punkten längs der Ostküste zwischen 29° und 37° Breite aufgetreten sein, doch ohne genau be- obachtet zu sein. Ein Telegramm von Herrn Russell, datirt vom 11. Mai 1877, Sydney astronom. und meterol. Observatorium, sagt: „Schwere Fluthwellen in Neu-Seeland diesen Morgen zwischen Lyttelton und Ost-Cap, um 5 Uhr bis 7 Uhr a. m. Aehnliche Wellen von Neweastle um 5 Uhr a. m. gemeldet; grösster Fall 25 Zoll um 11 Uhr 30 Min. a. m. Aehnliche Wellen begannen in Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 etc. (p. 53) 435 Sydney um 5 Uhr 20 Min. a. m.; grösster Fall 9!/; Zoll um 2 Uhr 45 Min. p. m.“ Alle übrigen Details werden aus den Aufzeichnungen der Fluthmesser vom Fort Denison in Sydney und von Newcastle ersichtlich, welche auf Tafel 2 und 3 in photographischer Verkleinerung genau wiedergegeben sind. Herr Russell giebt zu diesen Fluthmesseraufzeichnungen noch folgende Notizen: „Die Fluthmesser in Sydney und Newcastle sind beide von derselben Construc- tion, nur ist das m Sydney bedeutend grösser, als das von Newcastle und zeigt 1 Zoll Papier auf 1 Stunde, während das von Newcastle nur 3 Zoll pro Stunde giebt.!) In Sydney ist der Fluthmesser-Schwimmer in einem Brunnen, der in dem festen Felsgrund einer Insel im (Sydney-) Hafen eingetrieben ist; das Fluthwasser findet Ein- gang zu dem Brunnen durch eine Röhre, die bei tiefster Ebbe unter Wasser gesenkt worden ist. Der Hafen ist von sehr viel Land eingeschlossen und jede Welle, welche die Küste berührt, ist im Hafen bereits stark gebrochen. Daher registrirt der Fluth- messer in Sydney die Extreme der Wellen nicht so deutlich, als der von Newcastle. Aus demselben Grunde werden in Sydney nicht so viele Wellen notirt, als in Newcastle. Newcastle ist ein Seehafen, welcher durch die Mündung eines grossen Flusses gebildet wird, und der Fluthmesser ist der Einwirkung sämmtlicher Wellen exponirt; selbst die kleinen sich kräuselnden Wellen werden registrirt, so dass die Flutheurve eine breite schattirte Linie wird. Der Schwimmer ist nicht gänzlich ungeschützt, sondern von losen Ballaststeinen umgeben; diese sind zu gross, um vom Wasser bewegt werden zu können, aber dasselbe cursirt frei durch ihre Zwischenräume und da der Hafen nicht von Land geschützt ist, so können die Erdbebenwellen frei in denselben eindringen. Die Uhren beider Instrumente werden nach Sydneyer mittlerer Zeit regulirt durch einen Zeitball. Es mag hier bemerkt werden, dass die atlantischen Untiefen in plötzlicher Nachbarschaft der Ostküste Australiens auftreten. Im Osten vom Sydney-Hafen findet man 100 Faden bis 20 Meilen, nach Norden erstreckt sich die 100 Fadenlinie weiter von der Küste und nach Süden nicht mehr als 14 Meilen.“ „Die Curven etc. bei dem Register von Newcastle sind verkehrt gedruckt (oben nach unten) zur Bequemlichkeit des Hafenmeisters, welcher die Fluthmesser zur jeweiligen Tiefenbestimmung des Wassers benutzt. Das Instrument ist so aufgestellt, dass er es nur von einer Seite betrachten kann.‘ Die 0-Linie des Tiefwassers wird nie erreicht, sie ist nur die 0-Linie für die Messungen; sie ist daher auf den photo-lithographischen Abbildungen der Raumersparniss wegen weggelassen. Newcastle 33° 4° S. Br., 151° 45’ Oe. L. Sydney, Fort Denison, auf der Gardeninsel im Port Jackson, 33° 514%,‘ S. Br., 1510 15° Oe. L. !) Daher natürlich die Curven auf dem Neweastler Register steiler, als auf dem Sydneyer. 436 Eugen Geinitz. (p. 54) Während der Fluthungen war nichts besonders Bemerkenswerthes am Wetter. Eine Betrachtung der Fluthregister ergiebt uns Folgendes: Sydney, Fort Denison: Um 5 Uhr 20 Min. a. m. des 11. Mai (d. i. um 2 Uhr 35 Min. p. m. des 10. mittlerer Iquique-Zeit) wird die regel- mässige Curve der Fluth gestört, indem hier eine plötzliche Welle (also wie im Jahre 1868 Beginn des Phänomens mit einer Hubwelle) auftritt. Dieser folgt nach ca. 40 Minuten, kurz vor 6 Uhr a. m., eine zweite, die erste be- deutend an Grösse übertreffend, und der zweiten eine noch grössere dritte Welle um 6 Uhr 35 Min., mit rasch folgender Ebbe; die vierte nach 45 Minuten ist weniger hoch; ihr folgt eine tiefe Ebbe, welche aber um 7 Uhr 30 Min. von einer schwachen Welle nochmals unterbrochen wird. Diese Fluthungen setzen sich im weiteren Verlaufe in ähnlicher Weise fort, nur dass jetzt von Zeit zu Zeit Störungen durch Interferenzwellen eintreten, z. B. zwischen 12 und 1'/, Uhr Mittags, um 2 Uhr p. m., bei der Fluthwelle um 6 Uhr p. m. u.s.w. All mählich werden die Fluthungen immer schwächer, bis sie am 13. Mai fast ganz verschwunden sind. Alle diese Fluthungen haben sich als Störungen des gewöhnlichen Fluthganges nur insofern gezeigt, als sie die gewöhnliche Flutheurve in rascher Folge ziekzackförmig ausbuchten, ohne jedoch so inten- siv und ausgedehnt aufzutreten, dass sie den allgemeinen Gang der lunisolaren Ebbe und Fluth abzuändern vermocht hätten. Die tiefsten Wasserstände (unter der 2-Fuss-Linie) sind um 21/,; Uhr a. m. des 13., um 2 Uhr p. m. des 13. und 31); Uhr a. m. des 14. verzeichnet. Die höchsten Fluthen (über 6 Fuss) waren um 8 Uhr p. m. des 11., 7Y, Uhr p. m. des 12. und S!/, Uhr p. m. des 13. Diese Stellen des grössten Hochwassers liegen so, dass zwischen je einer derartigen Hochfluth eine lunisolare Fluth lag, welche, mit ihren, durch das Seebeben verursachten ziekzackförmigen Ausbuchtungen (die wir in Bezug auf die allgemeine, lunisolare Hauptbewegung gewissermaassen als „Neben- fluthen“ bezeichnen könnten) die Durchschnittshöhe nicht überstieg. Das Fluthregister von Newcastle zeigt uns den Beginn der Bewegung ebenfalls in Form einer Welle um 5 Uhr 20 Min. a. m. des 11. Nach rascher Ebbe folgt der ersten Welle in 40 Minuten eine zweite, grössere, dieser nach abermals ungefähr 40 Minuten eine dritte noch grössere und in ca. 20—25 Minuten eine vierte, von gleicher Höhe. Darauf nach tiefer Ebbe eine fünfte. Das Erdbeben von Iguwique am 9. Mai 1877 etc. (p. 55) 437 Die sechste Welle nach S Uhr zeigt auf dem Kamm ihrer Curve drei Aus- zackungen, durch drei Interferenzwellen hervorgerufen. Auch viele der folgen- den Wellenthäler zeigen oft noch untergeordnete Erhebungen. Auch hier lassen die beiden grössten Hochwasser (über 6 Fuss), gegen % Uhr p. m. des 11. und S!/; Uhr p. m. des 12., zwischen sich ein Hochwasser, welches die ge- wöhnliche Höhe der täglichen lunisolaren Fluthen nicht übersteigt. Die tiefste Ebbe (nur 11 Zoll über 0) war kurz vor 12 Uhr Mittags des 11. Das Blatt vom 13./14. Mai ist leider nicht in meine Hände gelangt, doch war auch hier das Ende der Bewegung am 13. Die Fluthwellen des Seebebens drangen auch bis an die Japanische Küste. Ein Brief von Professor E. Knipping berichtet in den „Geogr. Mit- theilungen“ von 18%%, 8. 394 Folgendes: „Die Welle scheint hier in Japan am 14. Mai eingetroffen zu sein und an der ganzen Ostküste von Hakodate bis Sagami bemerkt worden zu sein. Vormittags zwischen 9 und 10 Uhr stieg die Fluth in der Bucht von Kamaishi (390 1630“ N. Br., 1419 52° 50% Oe. L.) so schnell, dass die Dörfer zu beiden Seiten der Bucht bald unter Wasser standen und die Bewohner sich schleunigst auf die Hügel flüchteten. Dann sank das Wasser wieder eben so schnell, wie es gestiegen war. Um 12 Uhr Mittags und dann um 2 Uhr Nachmittags wiederholte sich dieselbe Erscheinung in kurzen Pausen, bis zwischen 5 und 6 Uhr Nachmitttags das Meer alle 5 Minuten 10 Fuss hoch stieg und wieder fiel. Die genaue Zeit des Endes wird nicht angegeben, nur bemerkt, dass um Mitternacht die See wieder ruhig war. Innerhalb und ausserhalb der Bucht war das Meer während der Erscheinung spiegelglatt, das Wetter schön...“ Die „Japan Gazette“ und „Hiogo News“ bringen aus Hakodate (41° 50° N. Br., 140° 50° Oe. L.) folgende Nachrichten: Am 11. Mai (Frei- tag; in den meisten Zeitungen ist der 14. angegeben) um 11 Uhr 30 Min. Vormittags fiel die See plötzlich sehr tief, stieg aber nach 10 Minuten über 7 Fuss und fuhr den ganzen Nachmittag fort zu fallen und zu steigen, in Intervallen von 20 Minuten. Zwischen 2 Uhr 30 Min. und 2 Uhr 35 Min. p. m. erreichte die Welle ihre grösste Höhe, und das Wasser überfluthete die niedrig gelegenen Distriete der Stadt. Von 3 Uhr an verminderte sich das 438 Eugen Geinitz. (p. 56) Steigen und Fallen allmählich und gegen Sonnenuntergang hatte sich die See wieder beruhigt. Die grösste Differenz zwischen höchstem und niedrigstem Wasser wird auf ungefähr S Fuss angegeben; jede Ebbe und jede Fluth brauchte ca. 10 Minuten. Herr Professor E. Naumann in Yeddo hatte ausserdem die Güte, mir folgende Uebersetzung aus einer japanischen Zeitung zu senden: „Wir wollen hier eine in neuerer Zeit merkwürdige Neuigkeit erwähnen. Am 11. Mai 1877 sollte die Fluth eigentlich etwas später als 4 Uhr p. m. kommen und als das Meerwasser um ca. 1 Fuss fiel fing es wieder an ge- schwind zu steigen und zwar um ungefähr 2 Fuss. Darüber hatten die am Meere und an den Flussufern wohnenden Leute sich sehr verwundert und das Herannahen des grossen FErdbebens vermuthet. Man war bei dieser Er- scheinung sehr ängstlich gewesen; endlich fiel das Wasser bald darauf. Gegen- über der Brücke Eitaibashi von Fukagawa wohnt ein alter Schiffer, der über 70 Jahre alt ist. Nach seiner Mittheilung hatte er eine solche Er- scheinung vor ungefähr 20—30 Jahren einmal beobachtet. Von Kadsusa (Katsura, 35° 20° N. Br., 140° 40° Oe. L.) hat man Folgendes gemeldet: Am 11. d. M..waren die Fischer über den grossen und erfolgreichen Fischfang voll Jubels. In dieser Zeit kamen plötzlich, um 12 Uhr, an der Kiste grosse Wellen heran und spülten die an der Küste liegenden Netze und Fische mit sich hinweg und dadurch kamen alle Leute in Unruhe. Da das Meer bald nachher ruhig geworden ist, gingen Alle wieder auf das Meer zum Fischfang. Um 4 Uhr p. m. rückten wieder grosse Wellen heran und dadurch kamen die Alten und Jungen, Frauen und Männer, die auf der Kiste herumkrochen, in grosse Verwirrung und Furcht. Plötzlich verwandelte sich die Küste zu einem ebenen Meere. Unter den Leuten wurden Kinder und Alte unter grossem ‚JJammer und Schreien mit den Wellen nach dem Meere hinweggeschleppt und endeten ihr Leben. Einige flohen mit grosser Ge- fahr nach den Hügeln und retteten so ihr Leben. Es war gar traurig, die grosse Zahl Gestorbener und Verwundeter in den Dörfern sehen zu müssen. In dem Dorfe Kitaidzumi verunglückte Niemand. — Am 12. d. M. kam in Yoko- hama wiederum plötzlich die Fluth und Jeder fürchtete, es sei der Vorbote des Erdbebens. Auch in der Nähe von Mori-oka, im Lande Rikuchin, fing Das Erdbeben von Iqwique am 9. Mai 1877 etc. (p. 5%) 439 ein starker Regen an, an demselben Abend zu fallen und die Wassermenge des Flusses Kitagamigawa vermehrte sich. Am 13. überstieg das Wasser die gewöhnliche Höhe um 10 Fuss. — Ein Mann aus Toshu hatte einen Brief geschickt, in welchem Folgendes stand: Vom 11.—15. hatte die Ebbe und Fluth des Meerwassers (tides) eine Veränderung erlitten und von Zeit zu Zeit kamen grosse Wellen.“ — Die wesentlichen Daten von den verschiedenen Punkten im Pacifischen Ocean und die nach den oben bereits mitgetheilten Berechnungen aus denselben sich ergebenden Resultate sind zur besseren Uebersicht in folgender Tabelle zusammengefasst: RR 2. ä Geschwindig- Mittlere Tiefe e 32 Eintritt des Dauer keit des Auch nn Theiles ı ne & ' der Welle i Oceans Ort der Beobachtung. B 3: Fluthphänomens || der Be Sa Bene in er ” E nach der : BE ? f meilen) Fuss | nach der Formel | Faden ä235| lIauique-Zeit. Fluthwelle.| pro Hro von im 8” Stunde) See. || Airy. | Russel. | Mittel. ge .. | Ta Taiohae, Marquesas- | Inselnee „#4... 124. 4086 |8U. 40 M. a.m.X.12St.15M.|333.5| 563.8] 9884 | 9875 | 1647 Apia, Samoa-Inseln 5740| ca. 12 U. m. X. | 153% St. 1361 1610.4111585 111575 | 1930 Hilo, Sandwich-Inseln || 5526 |10 U.24M.a.m.X.| 14 St. 395 667.9113871 113858 | 2310 Kahulu, „ 5628| 103 U. a. m. X. |14St.5 M.| 399.3) 675.2|14175 14163 |2361 Honolulu, ,, 5712110 U.50M.a.m.X.|148t.25M.|396 |669.7113946 13933 | 2319 | Wellington, N.-Seeld. || 5657 |2U. 40 M.p.m.X.|18St.15M.|310 |524.2| 8544.3) 8536.3| 1430 Lyttelton, N 5641 ]2U.48M.p.m.X.18St.23M.| 307.4 519.8) 8401.5) 8393.7| 1400 Neweastle, Austral. | 6800 2U.32M.p.m.X.118$t. 7M.|374.4 633 112459 112447 |2075 Sydney, » [6782 2U.35M.p.m.X. 18St.10M.|373.4 6314/12396 12384 12065 | Kamaishi, Japan . | 87907 U.20M.p.m.X./22St.55M.\383.8|649 13097 13084 |2182 Hakodate, ,„ .|8760|9U.25M.p.m.X.| 25 St. |350.4592.5110916 10906 \1818 Kadsusa, Be . 1 8939) 9U.50M.p. m.X.|25St.15M.|358 |604.911377 11367 |1895 Zum Vergleich mag hier noch die Tabelle angeführt werden, welche die Resultate der Untersuchungen v, Hochstetter's über das Seebeben von 1868 enthält. Nova Acta XI. Nr. 9. 57 440 Eugen Geinitz. (p. 58) ; Geschwindig- : : Weg der ersten Welle. a Pers keit der Welle a Seemeilen. | ersten Welle. | Seemeilen Faden. | | pro Stunde. Arica-Valdivia...... i 1420, | 5St OM.| 7 384 1190 "-Ohatam-Iele me 5520 15 St.19M. 360 1912 „» -Lyttelton 2... 6120 19 St. 18M. | 316 1473 Rapper en 4057 |11St.1LM. 362 | 1933 „ -Neweastle.. ... 7380 |22St.28M. 319.2 1° 2». 1501 a Aa 5760 168t. 2M.| 358 1891 ir Eile ER: | 5400 }148t.25M. 329 | | es Honor 5580 12 St.37M.| 442 Die im Vorigen angestellten Untersuchungen ermöglichen einen Ver- gleich mit den Berechnungen, welche auf Grund der Fluthbewegung im Jahre 1868 angestellt wurden. Es ergiebt sich dabei, abgesehen von den Tiefen- werthen für den Theil des Oceans an der amerikanischen Küste, im All- gemeinen eine befriedigende Uebereinstimmung. Die Fluthwelle durchlief den Grossen Ocean innerhalb von 23 bis 25 Stunden (Japan), resp. von 18!/, Stunden (Neu-Seeland und Australien), und kam an den Zwischenstationen, entsprechend der Entfernung derselben und etwaigen Hindernissen unterwegs, in früherer Zeit an. Dass Sydney und Newcastle eher von der Fluth erreicht sein soll, als die weiter östlich gelegenen Punkte der Neu-Seeländischen Ostküste, ist jedenfalls nicht wahrscheinlich; es ist anzunehmen, dass die Bewegung an Neu-Seeland bereits etwas früher, als angegeben, eingetreten ist. Wegen der Unvollständigkeit der einzelnen Angaben würde eine spe- ciellere Beleuchtung der hierher gehörigen Fragen keinen genügenden Erfolg haben. Wir müssen uns daher begnügen, aus den obigen Detailangaben, welche z. Th. allerdings eine sehr genaue und klare Uebersicht der Er- scheinungen an den betreffenden Orten geben, das allgemeine Resultat zu con- statiren, dass die Fluthbewegung in ihrer Art und ihrer Fortpflanzung mit derjenigen, welche durch das Erdbeben von Arica am 13. August 1868 erzeugt wurde, eine grosse Uebereinstimmung besass. Wie die Fluthwelle des Jahres 1868, so verbreitete sich auch die im Mai 1877 erzeugte durch den Grossen Ocean mit der nämlichen Gescehwindig- Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 etc. (p. 59) 441 keit, wie die lunisolaren Fluthen, und ihr folgten seeundäre Wellen, die, z. Th. interferirend, zwei bis drei Tage zu ihrem allmählichen Ausgleiche brauchten. Wir begnügen uns, betreffs dieser Verhältnisse auf die im Vorher- gehenden aufgeführten Beobachtungen und die wenigen Bemerkungen S. 40 (422), sowie auf die erwähnten Arbeiten v. Hochstetter’s und die Schlussfolgerungen hinzuweisen, welche Schmick!) aus dem Seebeben von 1868 zieht. Die Beobachtungen über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Fluth- welle geben uns ein Mittel an die Hand, die mittleren Tiefen der von der Welle durchlaufenen "Theile des Oceans zu berechnen. Die Tiefen sind auf den beiden Tabellen angegeben, wie sie nach den Formeln von Airy und Russel ermittelt worden sind; in der letzten Colonne finden sich die Durch- schnittszahlen aus den beiden Resultaten, in Faden (@ 6 Fuss engl.) aus- gedrückt. Von Interesse ist hierbei ein Vergleich der aus unseren Beobachtungen gewonnenen Resultate mit der Tiefenkarte des Grossen Oceans, welche A. Petermann?) auf Grund der durch die Expeditionen der „Tuscarora“, des „Challenger“ und der „Gazelle“ angestellten Tiefenmessungen publieirt hat. Man wird auf Grund unserer Resultate längs der amerikanischen Küste, sowohl nördlich als südlich von Iquique, die Zone der geringeren Tiefen, von 0—1000 Fuss und von 1000—2000 Fuss, etwas breiter annehmen müssen, als auf der Karte gegeben. ; Da auf dem directen Wege nach den Sandwich-Inseln der Welle keinerlei Hinderniss in dem Wege liegt, so kann man besonders das hier gewonnene Resultat als ziemlich richtig annehmen. Unser Werth von über 2300 Faden Tiefe entspricht auch der Angabe Petermann's. Dagegen erhalten wir auf der Strecke nach den Marquesas-Inseln eine geringere Tiefe, nämlich ungefähr 1650 Faden. Das Resultat für Apia, Samoa-Inseln, von fast 2000 Faden kann durch die hier im Wege liegenden kleinen Koralleninseln beeinflusst sein. Dagegen würde die Zahl von über 1400 Faden Durchschnittstiefe des Oceans zwischen Peru und Neu-Seeland wieder mehr Berechtigung haben. 1) J. H. Schmick, Das Fluthphänomen. Leipzig 1874. S. 19 £. 2) Geographische Mittheilungen 1877, S. 125, Taf. 7. — * 442 Eugen Geinitz. (p. 60) Allerdings ist hier wohl zu beachten, dass die Zeitangabe vielleicht um Einiges zu ändern sein dürfte. Auch für Australien findet sich eine verhältnissmässig geringe Tiefe, von 2000 bis 2200 Faden. Hier liegen auf dem Wege, wie man aus der Karte ersieht, mehrere Gegenden verschiedener Tiefe, welche das Gesammt- resultat derart beeinflussen müssen, dass obiger Durchschnittswerth erzielt wird. Bei dem Vergleich der Tiefen, die auf dem Wege von Peru nach ‚Japan liegen, zeigt sich, dass unser Resultat (ca. 2000 Faden) nicht mit den Angaben der Karte übereinstimmt; der Durchschnittswerth nach der Karte müsste wegen der verschiedenen, hier in vielleicht allzu willkürlicher Weise begrenzten, grösseren Tiefenbezirke (Belknap-, Ammen-, 'Tuscaroa-Tiefe) ein erheblich grösserer sein.!) Ein überraschendes Phänomen wird noch als Folge des stattgehabten Erdbebens aus einigen 'I'heilen der betroffenen Küstenstriche gemeldet. Es fielen nämlich daselbst einige Tage nach dem Erdbeben heftige Regengüsse, obgleich diese Zeit in der Regel sehr arm an Niederschlägen zu sein pflegt. Eine hierauf bezügliche Privatnachricht aus Arequipa an Herrn Consul Weis, z. Z. in Dresden, sagt: „Einige Tage nach dem Erdbeben hatte die Natur hier ein vollständig verändertes Aussehen. Arequipa erfreut sich bekanntlich im Monat Mai stets eines klaren Wetters, nach dem Erdbeben aber hingen dunkle, schwere Wolken über Arequipa und heftige Regengiüsse fanden mehrere Tage nachher statt.“ Zwei Monate später berichtete Capt. Clampitt vom 28. Juli, dass die ganze südliche Küste auf mehrere Hundert Meilen lang, die sonst stets trocken und ohne alle Vegetation sei, infolge des vielen Regens nach dem Erdbeben in einen förmlichen Blumengarten umgewandelt sei. („S. Pacif. Times“, 13. August 187%.) Auch im Juni fanden in Chile heftige Regengüsse und Ueberschwemmungen statt. Aehnliche Erschemungen wurden auch nach dem Erdbeben im Jahre 1868 an einigen Orten beobachtet. Wir lassen an dieser Stelle den Auszug eines Artikels des Herrn W. Frick in Valdivia folgen, der in der „Patria“ (von Valparaiso) vom 25. Fe- bruar 1869, sowie im „Chilote‘“ (von Ancud) Nr. 26 und 27 unter dem Titel „efectos !) Vergleiche auch hierüber die Ausführungen in der jüngst erschienenen Schrift: O0. Krümmel: Versuch einer vergleichenden Morphologie der Meeresräume. Leipzig 1879. 8. 79f. Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 etc. (p. 61) 443 del terremento del Perü“ veröffentlicht worden ist und von welchem Herr Frick in freundlicher Weise eine Uebersetzung einsandte. Frick hält die übermässigen Regengüsse, die in jenem Frühling und Sommer in Chile und hauptsächlich in den Südprovinzen beobachtet wurden, für Folgen des be- treffenden Eräbebens. Nach den Notizen des Herrn Anwandter war die Regenmenge in Valdivia in den Frühlingsmonaten Septbr., Octbr., Novbr. im Dechbr. im ganzen Jahre 1852 0.553 m. 0.097 m. - 1853 0.527 0.012 2.862 m. 1854 0.398 0.063 2.990 1855 0.278 0.231 2.574 1856 0.330 0.125 2.722 1857 0.649 0.124 3.217 1858 0.470 0.012 2.724 1859 0.305 0.014 2.536 1860 0.500 0.028 3.064 1861 0.339 0.017 2.661 1862 0.685 0.145 3.254 1863 0.206 0.128 1.837 1864 0.464 0.204 2.636 1865 0.656 0.111 2.767 1866 0.417 0.030 2.664 1867 0.394 0.164 2.468 1868 0.668 0.308 3.573 Mittel von 16 Jahren: 448 Mm. | 94 Mm. | 2.732 Met. Es fielen demnach im Frühling 1868 220 mm, also nahezu die Hälfte mehr Regen, als im Mittel, im December 214 mm, im ganzen Jahre S41 mm mehr, als im Mittel. Das regenreiche Jahr 1862, welches sich durch seine übermässigen Regen- güsse auszeichnete, lieferte doch in seinen vier letzten Monaten 146 mm weniger, als die vier letzten Monate des Jahres 1868. Auch in Puerto Montt war die Regenmenge 1868 überraschend gross. Es fielen in den letzten vier Monaten des Jahres 1868 993 mm Wasser, d. i. 17 mm mehr, als in Valdivia und 280 mm mehr, als die Regenmenge in denselben Monaten des Jahres 1862. (Vom September bis December 1862 fielen hier 713 mm, dagegen 1861 nur 447.) Im December 1868 fielen in Puerto Montt 375 mm, 1862 118 und 1861 nur 47 mm. Auch in Ancud war der December 1868 überaus regnerisch, mit über 322 mm. Zur Erklärung dieser Erscheinung führt Herr Frick die ungeheuren Mengen Wasserdampf an, welche bei den Eruptionen aus den Vulkanen entweichen und welche nach ihm die Ursache der Erdbeben sind; während und nach den Erdbeben entweichen diese Dämpfe an der Erdoberfläche oder auch am Meeresboden und liefern in beiden Fällen eine beträchtliche Erhöhung des Wasserdampfgehaltes der Luft. 444 Eugen Geinitz. Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877 .etc. (p. 62) Die Spuren des Seebebens vom 9. Mai 1877 scheinen sich an der Küste Chiles lange Zeit erhalten zu haben. Es sei von den hierauf bezüglichen vereinzelten Nach- richten eine Notiz der „South Pacific Times“ vom 8. Januar 1878 wiedergegeben, wo- nach an verschiedenen Plätzen plötzliche Wellen beobachtet wurden, welche einige Meter über den höchsten Fluthstand gingen; ferner seien heftige Strömungen und plötzliche Bewegungen im Meere entstanden; es wird vermuthet, dass bedeutende Veränderungen des Bettes des Grossen Oceans stattgefunden haben. f Eine Erscheinung, die analog dem grossen Seebeben vom Mai 1877 gewesen zu sein scheint, wird noch in emem Berichte der „Deutschen Nachrichten“, Valparaiso, 12. Januar 1878, gemeldet, den wir hier noch beifügen wollen: Caldera, 6. Januar 1878: „Gegen Ende December bemerkten wir hier ein wenig fühlbares, aber 1 Minute 40 Secunden anhaltendes Schwanken der Erde, das sich in der Nacht vom 1. oder 2. Januar, wenn ich nicht irre, in noch grösserer Dauer, aber schwächer wiederholte, so dass es nur von Wenigen bemerkt wurde. Seit jenem ersten Erdbeben fing der Grosse Ocean an, in eine eigenthümliche Bewegung zu gerathen, die in einer ungewöhnlichen Springfluth endete.“ ... Die regelmässig zur Zeit der Solstitien einsetzenden Springfluthen hatten schon Ende November und Anfang December statt- gefunden. Die gegen Weihnachten beginnenden neuen Fluthen folgten einer ganz ent- schieden westlichen Richtung. ... „Ihren Gipfelpunkt erreichte diese aussergewöhnliche Bewegung der Wassermassen am 2. und 3. Januar, wo das Meer ungefähr 1 Fuss höher stieg, als die Fluthwelle des 9. Mai. ... Gleichzeitig bildeten sich im Meere von Westen nach Land zutreibende Strömungen, die mit einer Schnelligkeit von 6 bis 8 Seemeilen pro Stunde landwärts trieben. ... Im Einklange mit diesen phänomenalen Fluthen stehen die atmosphärischen Schwankungen. Was seit Menschengedenken nicht vor- gekommen ist, geschieht in diesem Sommer. Ende December regnete es über 2 Stunden ganz ordentlich und am 5. und 6. Januar Morgens nebelte es sehr stark. Alle diese Ereignisse haben stattgefunden, ohne dass irgendwie auffallende Stürme vorgefallen wären. Ueberhaupt stand auch die Temperatur des Meerwassers im ganzen verflossenen Jahre, namentlich im verflossenen Winter, zwischen 13, und 2° Reaumur durchschnitt- lich höher, als im vorhergehenden Jahre. Deswegen war der verflossene Winter be- deutend milder, durchschnittlich 4° R., als der vorhergehende.“ se e u Neo desDiarioofieial de la ee de Chile 3. Mai 111. N m==e Pre su u m | 100 90 70 50 30 100 100 200 300 Meter. N a > SS ———; S Tr Dee za NN Duret das Meer zerstört. m c 2 DELL 1 7 / S EN 2.:7c7% Feuersbrunst zerstört. Zn Lith. Anst.v.J.6.Bach, Leipzig. CH ee NG ’ ZZ z Ge DA IE De VON Aagjue UOHR IÄn VAIZa 7 GL BAR L AA [Z DndCSLCEAH Gar. Be) era MM 2 Ir fs ED ee AED EP DR ga I tn Pam Al Ir I A3HÄH, Ia HB Ga... | = 2 fam.2| 3] 4 12 am. 2 ll 10 11 \ 2= Zi Y j£ Sr 12 Ip. 2 | L = y ? ; = S > 2 ) £ PP <> L Y% VPS, Amps: DER ’ FERNER >) RER PABOG]00 CR RAGZHTE 9am.10 11 P » »* £ E 9 /2. hf VAR: 2 Guigur VOR. Photolithoge v.W Hoffmann, Dresden. BIER ALL se [Ta Vans G ee 2 Aa P4 | 2 er 7 7Z Aova Acta dead CL EG. Y 2 VORNEBE IE z MALE. I 27 ) BZ PER e Yan Wo am IR, 9872 72. I7, ls [ am1.Äd4H I | L__ Kt] 6) —E | 2 2 — 1] ı (oJ: © U 7 BB X 5] 9 3 || Key BE el 8 TZam. | == je =. = — J = = - - — R. e - -. in + n a - oo \n + n u _ © ['e} + [52] | gu 5 WEEZE EEG BED, arperbageyps 2 ea >) 2 / I = GG MG. ViLE GG wind, Din GB GE Photolithogr.v.W.Hoffmann, Dresden BR Br VALUE Min PLN - Te 3 2044 07 W, { 1 I BR ER