# ii Hi TERN ART u ie! rar ESRITE Pr x BER en Dee Nah [E Ian BIcHEI3 SEE N um ade ah z NR i an RE EOR-THE BEOP/EE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY Ri een > | au H van: ui VERHANDLUNGEN DER KAISERLICHEN LEOPOLDINISCH-CAROLINISCHEN AKADEMIE DER NATURFORSCHER, DES SECHSZEHNTEN BANDES ZWEITE ABTHEILUNG. MIT 17 TAFELN. BRESLAU uno BONN 1854. Für die Akademie n EDUARD WEBER’S Buchhandlung in Bonn. en AUTOREN PZACADE, [3 sr 2 ARN, ACADEMIAE CAESAREAE TEROBDEDINO - VAROLINAK NATURAE GURIOSORUM Bam n& \ AAN dm VOLUMINIS VICESIMI QUARTI PARS POSTERIOR. CUM TABULIS XVII. VRATISLAVIAE er BONNAE MDCCCLIV. IR ARRRAT N. FRIDERICO GUILELMO TV, BORUSSORUM REGI AUGUSTISSIMO, POTENTISSIMO, ACADEMIAE CAESAREAE LEOPOLDINO-CAROLINAE NATURAE CURIOSORUM PROTECTORI SUPREMO, AMPLISSIMO, CLEMENTISSIMO, HOC VICESIMUM QUARTUM NOVORUM ACTORUM VOLUMEN, NOVAE, QUAE IAM ACADEMIAE EXORITUR, AETATIS QUINTUM, SACRUM ESSE DESPONSUMQUE VOLUMUS unanIoRK ILOMEKEOHOE N ya 7 | ana onaar.enna one ww | OMA un An a a Re | ’ An, } Yehıe AN za rk UNO TR | KINO. Bere Tan „MOTDENZU ' PR Ri an hr m; a TR INDEX COMMENTATIONUM, QUAE IN HAC POSTERIORI PARTE VOLUMINIS VICESIMI QUARTI EXHIBENTUR. EEE Bee p. IX. Ueber falsche Wege, ein Beitrag zur Pathologie der Harn- werkzeuge, von Dr. Oskar Heyfelder ........... p- 497. Tab. XXIV. Beobachtungen und Erfahrungen aus dem Gebiete der Gy- näkologie und Pädiatrik, von Dr. August Burchard p. 549. Tab. XXV—XXVI. Der Vorkeim. Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Moospflanze, von W. Theodor Gümbel.......... p. 975. Tab. XXVII, XXIX. Ueber krankhafte Knochen vorweltlicher Thiere, von Dr. TO a en se ls auhiaiaan oreee p- 671. Tab. XXX. Ueber geologische Configuration, von L. C. H. Vortisch p. 691. Tab. XXX. Ueber die Laukasteine, von E. F. Glocker ........... p. 723. Tab. XXXI, XXX. Ueber die Staarsteine, von Dr. C. G. Stenzel. ....... p- 751. Tab. XXXIV—XL. Beitrag zur Geognosie und Petrefaktenkunde des südöstli- chen Siebenbürgens, vorzüglich der Schichten aus dem Bereich des Hermannstädter Bassins, von M.J, Ackner p. aD > \? Zr u T u rraja dk | e u 2 123 er us, . ve nie ur. Sr vn Ba Ki nr Az, A tg EN, I TE die HR“ Bi Re EUER Zum Vorwort. An das Vorwort, welches die erste Abtheilung begleitete (S.IX—CXLVD), haben wir hier zunächst den Bericht über zwei neue und hoffnungsreiche Institutionen zu knüpfen, welche sich im Schoose der Akademie gebildet haben und dazu beitragen werden, ihren Wirkungskreis, — ihre Thätig- keit zu beleben. Wir bezeichnen von diesen als die zunächst eingreifende I. Die Ernennung der zu Hannover im Verlage von Herrn Carl Rümpler durch zwei geehrte Mitglieder der Akademie, die Herren Wilhelm Seemann daselbst und Dr. Berthold See- mann zu Kew, herausgegebene, zunächst der Botanik im Allge- meinen gewidmete Zeitschrift Bonplandia zum ofliciellen Organ der Kaiserlichen Leopoldinisch - Carolinischen Akademie, Das Bedürfniss eines solchen Organs wurde während der Säcular- feier in Wiesbaden von vielen theilnehmenden Gelehrten, und besonders von Mitgliedern, lebhaft angeregt und beleuchtet: wie ihr ganzes Wir- ken sich jetzt auf die Herausgabe grösserer Abhandlungen in den Bänden Vol. XXIV. P. II. B X der Verhandlungen beschränkt sieht und dadurch jährlich nur einmal und nur im grössern Buchhandel hervortritt, ohne dass man bisher auf ein Or- gan bedacht gewesen wäre, durch welches die wirkende Thätigkeit, die ihr Leben bewegt und eben das Werk der ,„‚Nova Acta“ schafft, auf be- stimmte Weise in diesem seinem Wirken und durch die kleineren Leistun- gen, welche hierbei nicht ausbleiben, sich aber nicht für die Mittheilung in Bänden eignen, zeitweise hervortreten können. Herr Dr. Berthold Seemann, welcher zur Zeit der Feier in Wies- baden zugegen und gerade damals mit der Begründung der Bonplandia beschäftigt war, hat das Verdienst, den gerügten Mangel in der Akademie nicht blos gefühlt, sondern alsbald auch die Hand zur Abhülfe geboten zu haben, indem er dem Präsidenten seine Zeitschrift als officielles Organ darbot, und das Blatt vom 1. Januar 1853, welches den ersten Jahrgang der „‚Bonplandia‘“ eröffnete und ganz dem Bericht über die zweite Säcularfeier der Akademie in Wiesbaden von der Hand des eigenen Be- richterstatters der Redaction gewidmet war, mit der Bezeichnung der Bon- plandia für diese ihre zweite Bestimmung eröffnete, wie solche durch die Schreiben des Präsidenten und des Herrn Redacteurs aus No. 3, S. 24 der „„Bonplandia“ vom 15. Januar 1853, gleichsam als aus der Stif- tungsurkunde dieser Verbindung hervorgeht. Schreiben des Präsidenten an die Redaction. Breslau, den 27. October 1852. Herr Redacteur! Die Kaiserl. Leopoldinisch - Carolinische Akademie der Naturforscher hat in Abrede mit Herrn Berthold Seemann beschlossen, die Zeitschrift „Bonplandia“ für ihr officielles Organ in der Art zu erklären, dass sie um eine ihr gewidmete Spalte bittet, in welcher sie die zur Mittheilung geeigneten Vorgänge zu gehöriger Zeit einrücken lassen kann. Es wer- den in derselben nur die aus dem Bureau des Präsidenten direkt hervor- XI gehenden Mittheilungen eine Stelle finden, ohne dass übrigens Berichte, die Akademie betreffend, an andern Stellen oder in andern Blättern dadurch im geringsten beschränkt oder beeinträchtigt werden sollen. Nur darin werden sich die in der ‚‚Bonplandia‘‘ als amtlich eingerückten Berichte, Berichtigungen und Notizen auszeichnen, dass sie schon durch ihre Stelle Beglaubigung erhalten. Ich verbleibe Herr Redacteur hochachtungsvoll Ihr Dr. Nees von Esenbeck, Präsident der Akademie. Herrn W. E. G. Seemann, verantwortl. Redacteur der „‚Bonplandia‘* in Hannover. Antwort der Redaction. Hannover, den 15. November 1852. Herr Präsident! Ich habe die Ehre, Sie zu benachrichtigen, dass die Eigenthümer der „Bonplandia‘“ die Stellung ihrer Zeitschrift zur Kaiserl. Leopoldinisch- Carolinischen Akademie der Naturforscher, wie Sie in Ihrer Zuschrift vom 27. October d. J. bezeichnet ist und bereits mit Herrn Berthold Seemann besprochen wurde, anerkennen. Ich verbleibe Herr Präsident hochachtungsvoll Ihr Wilhelm E. G. Seemann, verantwortl. Redacteur der „„Bonplandia.‘ Herrn Dr. Nees von Esenbeck, Präsidenten der Kaiserl. Leopoldin.- Carolinischen Akademie der Natur- forscher in Breslau. Xu Hiernach erhält die Akademie eine eigne officielle Spalte der „„Bon- plandia‘“ von beliebigem Umfange für Artikel, welche lediglich durch den Präsidenten zur Aufnahme gelangen und dadurch unter Verantwortlichkeit der Akademie stehen. Sie liefert Mittheilungen zur Geschichte der Aka- demie, Ernennungen neuer Mitglieder, Geschenke, Bekanntmachungen und Erklärungen, vorläufige Hinweisungen auf wichtige Verhandlungen oder grössere Arbeiten der Akademie u. s. w., — und unter der Aufschrift: „Akademische Miscellen,‘‘ kleinere Artikel von Mitgliedern, welche ein naheliegendes Interesse haben und durch ihren geringen Umfang sich nicht für das Erscheinen in den „‚Verhandlungen“ eignen. Diese officielle Spalte, — welche seit dem 15. April 1853 in Nr. 9 mit dem schön gear- beiteten Siegel der Akademie geschmückt ist, — wird auf die liberalste Weise unentgeltlich von der Redaction zur freien Benutzung des Präsi- denten für die Zwecke der Akademie, gleichsam als des Redacteurs der- selben, überlassen. Da die „„Bonplandia‘“ monatlich zwei Mal, nämlich am 1. und 15. jeden Monats, in der Regel zu 17, Bogen gr. 4. stark, erscheint, so hat die Akademie dadurch hinlänglichen Spielraum nicht nur für ihre Mitthei- lungen aller Art, sondern darf auch hoffen, ihren Mitgliedern durch den Präsidenten ein gedeihliches Feld akademischer Besprechungen in der Form der „‚Miscellen“‘ vorzubereiten. Die Vorrede für die laufenden Bände wird jährlich das Inhaltsver- zeichniss der amtlichen Spalte des laufenden Jahrgangs der „‚Bonplandia‘* mit Seitenzahlen, aber ohne weitere Angaben, liefern, weil sie von allen Theilnehmenden erwartet, dass sie wenigstens auf dieses Blatt subseribi- ren werden. X Inhalt des akademischen Theils im ersten Bande und in der ersten Hälfte des [59 a en mm n zweiten Bandes der ‚‚Bonplandia.‘* I. Directe amtliche Berichte und Anzeigen. Tod eines Adjuncten. I. S. 87. Uebersicht der Einnahme und Ausgabe der Kaiserl. L.-C. Akademie in den Jahren 1851 u. 1852. I. S. 111. Finanzielle Angelegenheiten der Akademie. I. S. 119. Erweiterung der „‚Bonplandia‘“ mit Hinweisung auf S. 125 in Nr. 14. I. S. 160 u. 224. Offizielle Berichtigung des in den Programmen früher unrichtig ange- gebenen Austheilungs-Termins der Demidoffs-Preise. II. S. 149. Il. Erklärungen. Erklärung des Präsidenten Nees von Esenbeck an die in Wies- baden anwesenden Adjuncte der Kaiserl. L.-C. Akademie. I. S. 24. Zur Situation des Präsidenten. I. S. 25. II. Neue in die Akademie aufgenommene Mitglieder. Neue Mitglieder vom 21. September 1852. I. S. 15 u. 29. „ en „ 2. Januar 1853. I. 8. 87. he H „ 1. Mai 1853. I S. 159. Adjuneten-Ernennung vom 1. Mai 18553. I. S. 159. Neue Mitglieder vom 15. August 1853. I. S. 217. % I » 15. October 1853. I. S. 262. % Fr „ 1. Dechr. 1853 u. 6. Jan. 1854. II. S. 9. » „ „ 1. Mai 1854. IL S. 160. XIV IV. Ehrenbezeigungen. Dr. B. Seemann’s Rede, betreffend die Adresse der Akademie an den Präsidenten der Linn. Gesellschaft, Hrn. Thomas Bell in London. I. S. 135. Adresse der Akademie an den neuerwählten Präsidenten der „Linnean Society of London,“ Herrn Professor Thomas Bell. I. S. 144. Tiedemann’s Doctor-Jubiläum. I. S. 94. Nees von Esenbeck’s Doctor-Jubiläum. I. S. 106. V. Geschenke. Beschluss der Akademie, die Smithsonian Institution betreffend, mit Verzeichniss der neuen Büchersendungen an die Akademie. I. S. 94. Geschenk des Königs von Würtemberg zu dem naturhistorischen Reiseverein der Akademie. I. S. 110. Geschenk des Königl. Würtemb. Ministeriums an Herrn Professor Dr. v. Glocker. I. S. 124. VI. Preisaufgaben. Erste Nachricht von der Absicht des Fürsten Demidoff, drei natur- historische Preisfragen zu stiften. I. S. 25. Zur Demidofls-Stiftung: Genehmigung der naturhistorischen Preise von Seiten Ihrer Majestät der Kaiserin von Russland. I. S. 67. Programm der botanischen Preisaufgabe aus der Demidolls - Stiftung. 1. S. 157. Actenstücke zur botanischen Preisfrage aus der Demidoffs -Stiftung. I. S. 169. a) Stiftungsbrief, vom 25. October 1852. b) Schreiben Ihro Majestät der Kaiserin von Russland, vom 23. Januar 1853. c) Zur Mittheilung des Preisprogramms für Botanik an ihr geehrtes Mitglied, den Preisspender, vom 23. Mai 1859. d) Antwort und Beleuchtung des Programms von dem Fürsten Demidoff, vom 26. Juni 1853. XV 5. Zum Demidoffs - Preisgeschenk des Fürsten von 1000 Expl. der fran- zösischen Ausgabe des botanischen Preisprogramms und vorläufige Anzeige der geologischen Aufgabe. I. S. 218. 6. Programm der geologischen Preisaufgabe aus der Demidoffs - Stiftung. 1. 8. 68. VII. Verhandlungen des Vereins deutscher Aerzte in Paris. 1. Anschluss des Vereins deutscher Naturforscher und Aerzte in Paris an die Kaiserl. L.-C. Akademie der Naturforscher. I. S. 169. 2. Vertrags-Urkunde der Kaiserl. L.-C. Akademie der Naturforscher mit dem Vereine deutscher Aerzte in Paris, d. d. Paris den 28. Juni und Breslau den 26. Juli 1853. I. S. 218. 3. Statuten des Vereins deutscher Aerzte in Paris, gegründet am 11. Mai 1844. I. S. 218. 4. Glückwunschschreiben des Vereins deutscher Aerzte in Paris zum Jahrestage der Akademie am 2. Januar 1854. IL. S. 54. 5. Antwortschreiben der Akademie vom 20. Januar 1854 auf den Glück- wunsch des geehrten Vereins zum Jahrestage derselben, am 2. Jan. 1554. I. S. 88. VIN. Zur Geschichte der Akademie und Vorschläge zu den Statuten. I. Entwurf der Statuten einer von der Kaiserl. L.-C. Akademie der Naturforscher zu gründenden Bank zur Beförderung der Naturge- | schichte, von Dr. Steudel. I. S. 119. 2. Geschichte der Kaiserl. L.-C. Akademie der Naturforscher, von Pro- fessor Dr. Heyfelder. I. S. 221. 3. Ankündigung der Geschichte der Akademie der Naturforscher im zwei- ten Jahrhundert nach ihrer Gründung, vom G. R. Dr. Neigebaur. 1. S. 244. 4. Gesetze und Privilegien der Kaiserl. L.-C. Akademie der Naturfor- scher, aus Büchner „Historia Acad. Nat. Cur., p. 187— 197; deutsch, von Dr. Neigebaur. I. 8. 38 u. 84. XVI 1 TI Et IX. Akademische Miscellen. Bernstein im Quadersandstein, von Professor v. Glocker. I. S. 111. Der Mesmerische Multiplicator, von Dr. Nees von Esenbeck. 1. S. 112. Nachtrag hiezu. I. S. 189. Die Büchertausch-Agentur des Herrn A. Wattemare in Paris, von Dr. Neigebaur. I. S. 180. Die „Accademia di Filosofia Italiana“ in Genua, von Dr. Neigebaur. I. 8. 204. Einfluss des Lichtes auf die Bewegung der Iris, von Professor Dr. Mayer. I. S. 229. Ueber Bernstein, von Professor Dr. v. Glocker. (Zul. S. 111.) 11.275..8: XV II. Affiliation des Vereins der deutschen Aerzte in Paris mit der Akademie der Naturforscher, Wir haben hier einige Actenstücke mitzutheilen, in welchen der Geist der Wissenschaft den Beweis liefert, dass er keine Abstraclion sei, wie auch ihn die Nüchternheit unserer neuesten redseligen Periode so gern darstellen möchte. Die deutschen Aerzte in Paris, — glücklich in ihren dortigen viel- seitigen Wirkungskreisen, durch den reichen Gebrauch aller in der alten Centralstadt der ärztlichen Wissenschaft versammelten Hülfsmittel, durch die human begründete Gemeinnützigkeit dieser Schätze, womit das gebil- dete Frankreich seinen Namen in aller Welt verherrlicht, — haben doch den eingebornen Zug zum Vaterhause nicht vergessen können: sie haben sich und der Welt, am allerwenigsten aber dem edlen Frankreich, diesen Lebenszug der Menschheit auch nur einen Augenblick wie verschämt ber- gen zu müssen geglaubt, als Umstände eintraten, welche es für sie wün- schenswerih machten, mit der alten deutschen Akademie nicht blos in Ge- danken, sondern in der That und in der Wahrheit nationaler Sympathieen Hand in Hand zu gehen und dem Geiste der Wahrheit durch das nationale Pfund, das jedem Volke nach seiner Weise verliehen ist, mit deutlichem Bewusstsein der gerade in dieser enthaltenen Hülfsmittel und Kräfte voll- ständig zu dienen. Die Akademie ist gern auf den Ruf eingegangen, der ihr von Paris aus zukam und hat freudigen Herzens mit gleicher Sympathie geantwortet. Vol. XXIV. P. IL. C XV Es genügt, die grösstentheils schon in der ‚‚Bonplandia‘“ und in den Sitzungen des Vereins zu Paris hinlänglich ausgeführten Momente dieser Verbindung hier nur in ihrer natürlichen Aufeinanderfolge durch die ent- sprechenden Originalbeläge zu bezeichnen und, um das Bewusstsein des Lebens im Geiste dabei frisch zu erhalten, einen in der neuesten Zeit sich als Erfahrung offenbarenden Gedanken an die Spitze zu stellen, wel- cher so lautet: Der Geist hat überall vor Gott und den Menschen auch sein leibliches Theil, wodurch er erst vollständig und in Wahrheit lebt und da ist als leibliche Macht; aber die Beschränktheit des Verstandes vermag nicht die Vernunft in dieser ihrer Lebendigkeit mit Selbstverleugnung zu erkennen und ihr dadurch in Ebenbürtigkeit sich anzuschliessen. Lieber leistet sie der Schattenwelt in leeren Träumen Sclavendienste. Wir gehen hiermit zu dem Geschichtlichen dieser Vereinigung über. 1. Anzeige durch den Präsidenten. (Bonplandia I. S. 169.) Die Akademie hat auf den Antrag des „Vereins der deutschen Aerzte in Paris‘‘ das Protectorat über diesen Verein in der Art übernommen, dass sie, ausser dem allgemeinen wissenschaftlichen Verkehr mit dem Vereine, auf den Fall seines etwaigen Eingehens, dessen Eigenthum, welches in einer schätzbaren Bibliothek besteht, nach einer unantastbaren Ueberwei- sung von Seiten des Vereinsstatuts, als das ihrige an sich abliefern lässt, zugleich aber die Verpflichtung übernimmt, diese Bibliothek in vollzähli- ger Einheit zusammen zu bewahren, und sobald in Paris die statutenmäs- sige Zahl von Mitgliedern zu einem Vereine nach denselben Statuten wie- der zusammengetreten sein und sich darüber ausgewiesen haben wird, in der früheren Verbindung mit diesem wieder auferstandenen ‚‚Verein der deutschen Aerzte in Paris‘‘ demselben auch das einst auf sie übergegan- gene Eigenthum desselben wieder zurück zu erstatten. XIX Um diese Uebereinkunft in ihrem wohlverstandenen Interesse aufzu- fassen, muss man wissen, dass der ,„‚Verein der deutschen Aerzte in Paris‘* von wissenschaftlichen Aerzten seit 1844 gegründet ist, um den zahlrei- chen jüngeren Aerzten, welche Paris um seiner reichen, auf die humanste Weise den Fremden zugänglich gemachten Bildungsmittel willen besu- chen, einen geislig-geselligen Anhaltspunct und den Gebrauch einer deut- schen naturwissenschaftlichen und medieinischen Bibliothek und Journal- literatur (von welcher alles Politische und sonst der anerkannten Wissen- schaft Fremde statutenmässig ausgeschlossen ist) zu bereiten. Da nun das Publikum, auf welchem dieser Verein beruht, von solcher Beschaf- fenheit ist, dass seine Stärke einem unbestimmbaren Wechsel unterliegt, und möglicherweise (wie schon einmal zu befürchten stand) ein Zeitpunet eintreten könnte, wo alle oder doch fast alle Theilnehmer fehlten, so dass der Verein dann ganz und gar zu erlöschen schiene und sein ganzes Be- sitzthum an Büchern unwiederbringlich zerstreut würde, während nach wenigen Monaten schon sich wieder ein junger Verein würdiger Männer gebildet haben könnte, der den früheren fortsetzen würde, wenn ihn nicht das vorschwebende Beispiel abschreckte, die tantalische Arbeit einer aber- maligen Sammlung von literarischen Hülfsmitteln mit nicht besserer Aus- sicht zum zweiten Male zu beginnen. Wer die Wichtigkeit des Vereins der deutschen Aerzte in Paris für einen nicht geringen Theil unserer ta- lentvollsten deutschen Aerzte während seines Bildungsganges, ja für gar Manchen auch auf spätere Zeiten, zu würdigen weiss, wird, wie wir hof- fen, diesem Vertrage einen guten Wunsch auf seine Wege legen. Die hierauf bezüglichen Actenstücke werden in der Fortsetzung der Vorrede mit der zweiten Abtheilung des XXIV. Bandes der ,„‚Nova Acta,“ einzeln auch in der „„Bonplandia,‘“ erscheinen. Breslau, den 20. Juli 1853. Die Akademie der Naturforscher. Dr. Nees von Esenbeck. XX 2. Vertrags- Urkunde der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher mit dem Vereine deutscher Aerzte in Paris. (Bonplandia I. S. 218.) $ 1. Der Verein deutscher Aerzte steht unter dem Protectorat der Kaiserl. Leopold.-Carolin. Akademie der Naturforscher und seine Statuten sind von derselben anerkannt. $ 2. Er sendet jährlich der Akademie einen Bericht über seine Thä- tigkeit ein, welcher Bericht nebst der Liste der im Jahre erworbenen Bü- chern den ,‚Novis Actis Acad. Leopold. - Carolin. Nat. Curios.‘“ einverleibt wird. $ 3. Die Bibliothek und das bewegliche Eigenthum des Vereins wird für den Fall seines Erlöschens für Eigenthum der akademischen Bibliothek erklärt, wogegen die Akademie für ewige Zeiten einen Revers ausstellt, vermöge dessen in einem späteren Zeitpunct eine genügende Anzahl deutscher Aerzte in Paris, sobald sie sich nach den alten Statuten für constituirt erklärt, wieder als Verein anerkannt und in ihrem alten Recht und Besitz beibehalten werden soll. $ 4. Die Akademie giebt einen Band der „‚Nova Acta“ an den Ver- ein und nimmt eine Abhandlung von 2—3 Bogen nebst 2—3 Steindruck- tafeln in eine der beiden Abtheilungen des Bandes, nach Redaction der Akademie, auf. Der Verein deutscher Aerzte in Paris giebt der Akademie seine Schriften. XXI $ 5. Der Vertrag wird doppelt ausgefertigt, von beiden Theilen unterschrieben und in der Vorrede der „Nova Acta“ abgedruckt. Paris, im Vereinslocale, 24, rue de ’Ecole de Medecine, am 28. Juni 1853. (U) Der Ausschuss des Vereins deutscher Aerzte in Paris. (gez.) Dr. H. L. Meding. Dr. Oscar Heyfelder. Dr. M. Stein. Präsident. Für den Vice-Präsidenten. Dr. M. A. Rust. Dr. G. Simon aus Darmstadt. Dr. W. Erhardt. Für den Cassirer. Breslau, den 26. Juli 1853. (L, S.) (gez.) Dr. Nees von Esenbeck. Präsident der Kaiserl. Leopoldin.-Carolin. Akademie. 3. Statuten des Vereins deutscher Aerzte in Paris. (Bonplandia I. S. 218 ff.) (Gegründet am 11. Mai 1844.) I. Zweck des Vereins. $ 1. Der Zweck des Vereins deutscher Aerzte in Paris ist: a) durch wissenschaftliche Verbindung in Paris lebender deutscher Aerzte einen Mittelpunct für vaterländische Wissenschaft zu bilden; b) zum vergleichenden Studium der deutschen und französischen Leistungen auf dem Gebiete der Medicin und Naturwissenschaften anzu- regen; XXX c) den nur für kurze Zeit in Paris sich aufhaltenden deutschen Aerz- ten in ihren Studien und wissenschaftlichen Bestrebungen mit Rath und Auskunft zu dienen; d) eine deutsche medicinische Bibliothek in Paris bleibend zu grün- den und dieselbe fortwährend mit den neuesten Erzeugnissen des wissen- schaftlichen Fortschrittes in Deutschland zu vermehren. II. Mitgliedschaft. $ 2. Der Verein besteht aus ordentlichen, correspondirenden und Ehrenmitgliedern. $ 3. Aufnahmsfähig als ordentliches Mitglied ist jeder in Paris an- wesende deutsche Arzt, der die Zwecke des Vereins fördern und die Sta- tuten desselben anerkennen will. Durch diese Bestimmung sollen jedoch fremde Aerzte nicht ausge- schlossen sein. $ 4. a) Der Candidat muss durch ein Mitglied des Vereins eingeführt und sein Name auf dem Anschlagbrette im Sitzungssaale bekannt gemacht werden. b) Diese Bekanntmachung erfolgt in Form eines vom Candidaten un- terzeichneten schriftlichen Ansuchens um Aufnahme in den Verein. Das einführende Mitglied unterzeichnet ebenfalls das Gesuch. c) Die Aufnahme geschieht in der nächstfolgenden Sitzung entwe- der durch einfache Genehmigung des Ansuchens, falls keine Abstimmung verlangt wird, oder durch Abstimmung, wenn diese von einem Mitgliede verlangt wird, wobei dann eine Mehrheit von drei Viertheilen der Stimmen nöthig ist. d) Statutenverletzung oder unehrenhaftes Benehmen begründen den Antrag auf Ausschluss, zu dessen Annahme eine Mehrheit von drei Vier- theilen der Stimmen erforderlich ist. $ 95. Die Zahl der zu ernennenden correspondirenden Mitglieder XXI darf in der Regel, nicht mehr als sechs und die der Ehrenmitglieder nicht mehr als drei im Vereinsjahre betragen. 6 6. a) Zum correspondirenden Mitgliede kann jeder nicht in Paris ansässige Arzt ernannt werden, der durch Einsendung einer wissenschaft- lichen Arbeit, oder durch Uebersendung eines von ihm in Druck erschie- nenen medieinischen Werkes die Zwecke des Vereins fördern hilft. b) Die Ernennung geschieht durch geheime Abstimmung und eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen. c) Von correspondirenden Mitgliedern, welche während fünf Jahren zur Förderung der Zwecke des Vereins (nach $ 1, a, d; oder $ 6 a; oder $ 22,b,c,d) in keiner Weise beigetragen haben, wird angenommen, dass sie dem Vereine nicht mehr angehören wollen. $ 7. Jedes austretende ordentliche Mitglied, welches im Vereine durch selbstständige Vorträge oder Berichte wissenschaftlich Ihätig war, kann, auf sein Ansuchen, in der im $ 65 angegebenen Weise, zum cor- respondirenden Mitgliede ernannt werden. Die Beschränkung des $ 5 findet hierbei keine Anwendung. $ 8. In Paris ansässige Aerzte können erst, nachdem sie ein volles Jahr, als wirkliche Mitglieder, dem Vereine angehört, zu correspondiren- den Mitgliedern ernannt werden. $ 9. a) Zu Ehrenmitgliedern können nur Männer von erster wissen- schaftlicher Bedeutung ernannt werden. b) Die Ernennung geschieht auf ein von drei ordentlichen Mitglie- dern unterzeichnetes schriftliches Ansuchen durch geheime Abstimmung und eine Mehrheit von drei Viertheilen der Stimmen. $ 10. a) Nach Erschöpfung der im $5 bestimmten Zahl von Ernen- nungen, können vom Ausschusse, nach den in $ 6 und $ 9 gegebenen Bedingungen, noch andere Männer, die sich um den Verein besonders ver- dient gemacht, zu correspondirenden und Ehrenmitgliedern vorgeschlagen werden. XXIV b) Der Ausschuss muss den betreffenden Antrag einstimmig be- schlossen haben und denselben in der Vereinssitzung durch die geleiste- ten Dienste der Vorgeschlagenen begründen. c) Die Bestimmungen dieses Paragraphen finden auch auf in Paris ansässige Aerzte ihre Anwendung. d) In keinem Falle darf aber hierdurch die im $ 5 bestimmte Zahl mehr als verdoppelt werden. III. Ausschuss des Vereins. $ 11. Der Verein wird durch einen aus fünf Mitgliedern bestehen- den Ausschuss verwaltet. Es sind dies: der Präsident, der Vice- Präsident, der General-Secretär, der Bibliothekar und der Kassirer. $ 12. Die Ausschuss-Mitglieder werden in jeder ersten Sitzung des Vierteljahrs auf drei Monate erwählt und sind wieder wählbar. $ 13. Der Ausschuss leitet im Allgemeinen die Thätigkeit des Ver- eins und hält die Statuten in Kraft. Er führt die Verwaltung und vertritt den Verein nach aussen. $ 14. Der Präsident übernimmt die Hauptleitung des gesammten Vereins und die Wahrung seiner Interessen. Er eröffnet und schliesst die Sitzungen und leitet die Verhandlungen. $ 15. Der Vice-Präsident vertritt den Präsidenten bei dessen Verhinderung. Im Besondern liegt ihm die Berichterstattung über die eingesandten wissenschaftlichen Arbeiten ob. $ 16. Der General-Secretär überwacht die Verwaltungs - An- gelegenheiten, führt die Protocolle über Vereinssachen, beantwortet, in Uebereinstimmung mit den anderen Ausschuss-Mitgliedern, die an den Verein gerichteten Schreiben und Sendungen. Er legt auch den jährli- chen Rechenschafts- Bericht des Vereins vor. 6 17. Der Bibliothekar führt die Aufsicht über die Bibliothek und das Lesezimmer so wie überhaupt über das ganze Vereinslocal. Er XXV hält die eingeführte Ordnung aufrecht und sorgt für die Vermehrung der Bibliothek im Sinne des $ 1d dieser Statuten. Ihm stehen auch haupt- sächlich die Vorschläge zur Anschaffung von neuen Büchern zu. $ 18. Der Kassirer besorgt, in Uebereinstimmung mit dem Ge- neral-Secretär, das Rechnungswesen des Vereins, nimmt die monatlichen Geldbeiträge in Empfang und macht die beschlossenen Ausgaben. IV. Ehrenvorstand des Vereins. $& 19. Der Verein deutscher Aerzte in Paris steht unter dem Schutze der Kaiserl. Leopoldin.-Carolin. Akademie der Naturforscher, und der Prä- sident der Akademie ist statutengemäss erster Ehren-Präsident des Vereins. $ 20. Ausser dem statutengemässen Ehren-Präsidenten können un- ter den Männern von anerkanntem wissenschaftlichen Rufe, die sich um den Verein besondere Verdienste erworben haben, noch zwei Ehren-Prä- sidenten erwählt werden. $ 21. Die zu ernennenden Ehren-Präsidenten werden vom Vereine vorgeschlagen und von der Akademie bestätigt. V. Thätigkeit des Vereins. $ 22. Um seinen Zweck im Sinne des $ 1 dieser Statuten zu be- thätigen hält der Verein: a) ein eigenes Local; b) wissenschaftliche Sitzungen ; c) eine Sammlung von Zeitschriften; d) eine Bibliothek. $ 23. Das Vereinslocal besteht aus einem Lese- und Sitzungs- saal, einem Bibliotheks- und einem Sprechzimmer, und ist den Mitgliedern zur Benützung von Morgens bis Abends geöffnet. $ 24. a) Der Verein versammelt sich im Winterhalbjahr jeden Mon- tag, im Sommerhalbjahr jeden ersten und dritten Montag im Monat, acht Uhr Abends, zu einer öffentlichen wissenschaftlichen Sitzung. Vol. XXIV. P. I. D XXVI b) In diesen Sitzungen werden wissenschaftliche Vorträge gehalten, Beobachtungen aus Spitälern oder der Privatpraxis mitgetheilt und Berichte über eingesandte Bücher und wissenschaftliche Arbeiten erstattet. c) Ueber diese Thätigkeit des Vereins soll zeitweise in geeigneten medicinischen Zeitschriften Bericht erstattet werden. $25. a) Der wissenschaftlichen Sitzung geht in der Regel eine Aus- schuss-Sitzung zurBesprechung vonVerwaltungs-Angelegenheiten voraus. b) In der Ausschuss- Sitzung werden auch die Gegenstände vorbe- reitet, die dem Vereine beim Beginne der Sitzung zur Berathung und Be- schlussnahme vorzulegen sind. $ 26. Alle ausser dem Zweck der Gesellschaft liegende Verhand- lungen, jede Besprechung von Gegenständen, die kein medicinisch - wis- senschaftliches Interesse bieten, sind verboten, und es soll der Präsident hierzu keinem Mitgliede das Wort geben. $ 27. Tag und Stunde der Sitzungen können vom Präsidenten, un- ter Zustimmung des Vereins, abgeändert werden. $ 28. a) Der Verein hält eine Sammlung sowohl von deutschen, als von französischen medieinischen Zeitschriften. b) Politische Zeitschriften bleiben aus dem Vereinslocale ausge- schlossen. c) Eine alleinige Ausnahme kann bei der Augsburger Allgemeinen Zeitung, wegen ihrer wissenschaftlichen Beilage, gemacht werden. 629. Für die Vereins-Bibliothek dürfen nur Werke medieini- schen oder naturwissenschaftlichen Inhalts, im Sinne des $1d, angeschafft werden. $ 30. Die Bibliothek, zunächst für die Mitglieder bestimmt, kann, zur Benützung deutscher Werke, auch von französischen Aerzten besucht werden. Die Erlaubniss hierzu wird, auf schriftliches Ansuchen, vom Ausschusse ertheilt. $31. a) Bücher und Zeitschriften dürfen, sowohl von Mitgliedern als von Fremden, nur im Vereinslocale selbst benützt werden. XXVI b) Die Ausnahmsfälle, welche durch die, seit 1849 bestehende, Vereinsordnung festgesetzt sind, dürfen, so lange diese Statuten in Kraft sind, nicht weiter ausgedehnt werden. VI. Rechnungswesen. $ 32. a) Zur Bestreitung der Vereins-Ausgaben wird von jedem or- dentlichen Mitgliede ein monatlicher Geldbeitrag gefordert, den der Cas- sirer in Empfang nimmt. b) Diese Geldbeiträge werden von jedem Mitgliede bis zu dessen schriftlicher Austrittserklärung erhoben. $ 33. Aller Ueberschuss, der sich nach Bestreitung der Verwal- tungskosten und der beschlossenen laufenden Ausgaben ergiebt, wird zur Vermehrung der Bibliothek im Sinne des $ 1 litt. d verwendet. $ 34. Anträge auf aussergewöhnliche Ausgaben müssen von dem Antragsteller zuerst dem Ausschuss zur Begutachtung übergeben werden. $ 35. Jeder Antrag auf Ausgaben, die nicht im angegebenen Zweck des Vereins begründet sind, ist statutenwidrig. $ 36. Anlehen dürfen von Vereinswegen nicht gemacht werden. Einzelne Mitglieder können der Vereinscasse Vorschüsse machen, ohne jedoch irgend ein Recht auf das Vereinseigenthum hierdurch zu erwerben. VIl. Vereinseigenthum. $ 37. Die Biblio'hek und das gesammte Eigenthum des Vereins ist unveräusserlich und wird für den Fall seines Erlöschens für Eigenthum der Kaiserl. Leopoldin.-Carolin. Akademie der Naturforscher erklärt. 6 38. Sollte der Verein durch innere oder äussere Ursachen in die Lage kommen, sich auflösen zu müssen, oder für einige Zeit zu bestehen aufhören: so sind die letzten drei Vereins-Mitglieder gehalten, das ge- sammte Vereinseigenthum einer vom Präsidenten der Kaiserl. Leopoldin.- Carolin. Akademie bezeichneten Person oder Behörde zu übergeben. XXVII 8 39. Die genannten Mitglieder haben die Verpflichtung, dem Prä- sidenten der Akademie die ihnen zur Ausführung dieser Maassregel geeig- net erscheinenden Vorschläge zu machen. $ 40. Sobald aber in einem spätern Zeitpuncte eine genügende Zahl deutscher Aerzte in Paris wieder als Verein nach den alten Statuten zusammentritt, so wird dieser neu constituirte Verein von der Kaiserl. Leopoldin.-Carolin. Akademie (laut Vertragsurkunde) wieder anerkannt und in sein altes Recht und Besitzthum eingesetzt. VII. Statuten. $ 41. a) Jeder Berathung über Veränderung dieser Statuten muss ein von fünf Mitgliedern unterzeichneter schriftlicher Antrag vorhergehen, der dem Ausschusse zu übergeben ist. b) Nach Uebergabe des Antrages wird derselbe am Anschlagsbrette m Sitzungssaale bekannt gemacht und bleibt daselbst bis über die nächst- folgende Sitzung angehelftet. $ 42. In der zweitfolgenden Sitzung wird der Antrag begründet und über dessen Dringlichkeit berathen. Wird die Dringlichkeit nicht an- erkannt, so darf der gleiche Antrag in demselben Vereinsjahre nicht wie- der vorgebracht werden. $ 43. Wird aber die Dringlichkeit des Antrages anerkannt, so be- stimmt der Präsident die Sitzung, die aber nicht die nächstfolgende sein darf, in welcher über den Antrag entscheidend abgestimmt werden soll. $ 44. Sowohl zur Berathung über die Dringlichkeit als zur Be- schlussfassung ist die Anwesenheit der Mehrzahl der wirklichen Mitglieder erforderlich, und die Annahme wird ausgesprochen, wenn sich bei der Ab- stimmung eine Mehrheit von über drei Viertheilen der Anwesenden für den Antrag ergiebt. $ 45. Schliesslich muss der Antrag, um Gültigkeit zu erlangen, noch von der Kaiserl. Leopoldin.-Carolin. Akademie der Naturforscher und dem betreffenden französischen Ministerium genehmigt worden sein. XXIX Mit dem Jahre 1854 tritt der Verein der deutschen Aerzte in Paris in den Kreis unserer historischen Mittheilungen zur Geschichte der Aka- demie und bildet damit eine Abtheilung unserer Vorrede. Wir beginnen diesen Abschnitt mit dem Berichte über das zweite Quinquennium des Ver- eins aus der „Denkschrift zur Feier des zehnjährigen Stif- tungsfestes des Vereins deutscher Aerzte in Paris. Zugleich als Erinnerung an die vor 25 Jahren stattgefundene erste Vereinigung deutscher Heilkundiger in Paris. Allen ehemaligen Mitgliedern zum An- denken an Paris gewidmet von DDr. H. Meding, F. Ösann, M. Serlo und A. Ziegler, Redactions- Commission. Festsitzung: am 11. Mai 1854 Nachmittags 3 Uhr, im Locale des Vereins, 24, rue de l’Ecole de Medecine. Paris. Buchhandlung von Victor Masson, Place de l’Ecole- de-Medecine, 1854. 4.“ a. Zweites Q@uinquennium des Vereins deutscher Aerzte in Paris. Nachdem der Verein im Sommer 1848 drei Viertel und zwar den besten Theil seiner jedoch zum grössten Theil aus französischen Werken bestehenden Bibliothek verloren hatte, begannen, am Anfange November desselben Jahres, unter Vorsitz des Herrn Dr.Wertheimber, die Herren DDr. Baumgarten, Török und Hirschler aus Oesterreich, A. Vogt, Gerster, Stucky und Kaiser aus der Schweiz, N. Pringsheim aus Berlin, Ruge aus Hannover, Jourdan aus Mainz, F. v. Willebrand aus Schweden, Naoum aus Griechenland, denen sich im Februar und März die DDr. A. Reuss, A. v. Gräfe und R. v. Welz anschlossen, mit neuer Kraft und Lust die Weiterführung und Ausbildung des Vereins. Local, Mobiliar, ja sogar dieselbe Bedienung war beibehalten, und die Siz- zungen nur während drei Wochen ausgesetzt worden. Die Mitglieder- zahl mehrte sich, und in den neu redigirten Statuten wurde der Zweck XXX des Vereins als wissenschaftlich - gesellige Vereinigung deutscher Aerzte in Paris bezeichnet. Man fing wieder an, wissenschaftliche Zeitschriften und ein deutsches Tageblatt zu halten, so wie Protocolle über die wissen- schaftlichen Sitzungen aufzunehmen, die dazumals Sonnabend, Abends um 8 Uhr, Nr. 32, rue Hautefeuille (im Hofe, zweiter Stock) gehalten wurden. Mit und nach Dr. Wertheimber, zeichnete sich Dr. Baumgar- ten als Präsident durch rege Sorge um den Verein aus. Der Anfangs obligate Besuch des Vereins wurde freigestellt, und man hatte sich über die Aufhebung dieser Maassregel nicht zu beklagen. Bei der Discussion über die Wahlgrundsätze bei correspondirenden und Ehren -Mitgliedern wurde festgehalten, dass neben wissenschaftlicher Tüchtigkeit auch per- sönliches und thätiges Interesse für den Verein zu beachten sei. Ende Octobers 1849 erfolgte auf Ansuchen und nach geschehener vertragsweiser Uebereinkunft mit der Gesellschaft englischer Aerzte zu Paris, eine Vereinigung mit derselben, beziehentlich des Locals, so dass zwar die Sitzungen der beiden Gesellschaften an verschiedenen Abenden stattfanden — (die englische Gesellschaft wählte den Freitag, die unserige den Montag, den sie auch seither als den passendsten Tag beibehalten hat), — man sich jedoch gegenseitig den Gebrauch der Zeitschriften und der Bibliothek gewährte. Diese Vereinigung verdankte man der Thätigkeit des Herrn Dr. Robert von Welz aus Würzburg, welcher auch die damals von der Gesellschaft mit Herrn Auzias Turenne unternommenen Inocu- lationsversuche der Syphilis an Thieren leitete. Nach Verlauf eines Jah- res jedoch wurde aus Mangel an Raum für beide Gesellschaften diese Ver- bindung aufgelöst, und der Verein bezog später, nachdem noch ein ver- gnügter Weihnachtsabend in deutscher Weise gefeiert worden war, sein jetziges geräumigeres Local. Schon vorher waren die Statuten einmal, im Winter 1851/52, durch eine Commission, bestehend aus den Herren Dr. Kammerer aus New- York, Dr. Alph. Martini aus Saulgaıı (Würtemberg), Secretär des Vereins, XXXI und Dr. Meding, Präsident, revidirt worden, bis sie endlich durch eine neue Commission, bestehend aus Dr. Meding, Präsident, Dr. OÖ. Hey- felder. Vice-Präsident, und Dr. Rust, Bibliothekar, endgültig revidirt, in ihrer jetzigen Gestalt vom Vereine am 13. December 1852 genehmigt, und im Juni 1853 gedruckt wurden. Hiebei wurde zugleich die durch den Localwechsel gebotene Erneuerung der ministeriellen Autorisation der Gesellschaft durch den Präsidenten nachgesucht und am 29. Juli 1853 erhalten. Das wichtigste Ereigniss des letzten Jahres aber bleibt unstreitig die Affiliation der Gesellschaft an die Kaiserl. Leopoldin.- Carolin. Akademie der Naturforscher, durch welche dem Vereine ein neuer Impuls zur gere- gelten Thätigkeit, Sicherheit des erworbenen wie des zu erwerbenden Eigenthums, und eine ehrenvolle Auszeichnung zu Theil wurde. Ausser dem Protectorat und der Anerkennung der Vereins-Statuten durch die Akademie, erwächst dem erstern aus dieser Verbindung noch der wesent- liche Vortheil, dass seine geistigen wie bibliographischen Acquisitionen jährlich durch den eingesendeten Jahresbericht constatirt, und unter den Auspicien der Akademie in der Vorrede zu den „‚Novis Actis A. L.-C. nat. eur.‘* veröffentlicht werden. Die Bibliothek und das bewegliche Eigenthum des Vereins wird für den Fall seines Erlöschens für Eigenthum der akademischen Bibliothek er- klärt, wogegen die Akademie für ewige Zeiten einen Revers ausstellt, ver- möge dessen in einem spätern Zeitpunct eine genügende Anzahl deutscher Aerzte in Paris, sobald sie sich nach den alten Statuten für conslituirt er- klärt, wieder als Verein anerkannt und in des jetzigen Vereines Recht und Besitz eingesetzt werden soll. Die Akademie giebt ferner einen Band der „Nova Acta‘ an den Ver- ein, und nimmt eine Abhandlung von zwei bis drei Bogen nebst zwei bis drei Steindrucktafeln in einer der beiden Abtheilungen des Bandes nach Redaction der Akademie auf. Nachdem dieser Vertrag am 28. Juni in Paris von den DDr. H. Me- XXXU ding, 0. Heyfelder, M. Stein, M. A. Rust, G. Simon und W. Er- hardt unterzeichnet worden war, ist derselbe endgültig am 26. Juli vori- gen Jahres in Breslau vom Präsidenten der Kaiserl. Leopoldin. - Carolin. Akademie der Naturforscher Herrn Professor Dr. Nees von Esenbeck ratificirt worden. Es wurden hierauf zu Ehren-Präsidenten des Vereins deutscher Aerzte erwählt: Herr Professor Dr. Nees von Esenbeck in Breslau, in der Sitzung vom 3. Juli 1859, Herr Professor Dr. J. F. Heyfelder in Erlangen, in der Sitzung vom 3. Juli 1853, Herr Professor Dr. P. Berard in Paris, in der Sitzung vom 9. Sep- tember 1853. Am 11. August war die Bestätigung dieser Wahlen von Seiten der Akademie brieflich eingetroffen, und am 28. November wurden die betref- fenden Pergamente ausgefertigt. b. Wirksamkeit des Vereins in seiner jetzigen Verfassung. Eine Gesellschaft, deren Mitglieder zum Theil und verhältnissmässig häufig wechseln, und theils praktischer, theils receptiver Thätigkeit oblie- gen, kann aus den angeführten und noch zu erwähnenden Gründen sich nicht der Lösung grösserer Aufgaben der Wissenschaft hingeben. — Den ansässigen Mitgliedern fehlen oft Material und Gelegenheit, selbstständig und experimentell zu forschen, da die Gesetze dem Fremden Lehrstühle und Hospitalarztstellen versagen. Die auf Zeit anwesenden Mitglieder können schwer productiv wirken, da sie selten ihren wissenschaftlichen Apparat und ihre bis dahin gesammelten Materialien auf der Reise mit sich führen. Es scheint somit nur das allerdings weite Feld der Beobachtung, die Vereinsthätigkeit in Anspruch zu nehmen. — Dies ist aber bei weitem nicht der einzige Nutzen der Gesellschaft, obwohl auch hierin die Verglei- XXXII chung und gegenseitige Controle einen wichtigen Grund zur Existenz einer wissenschaftlichen Vereinigung bieten. Letzterer Grund war es auch, der fünfzehn Jahre lang die erste sta- tutenlose, durch Dr. Sichel angeregte und gepflegte freie Vereinigung deutscher Aerzte beisammen erhielt, und wenn auch bisweilen unterbro- chen, doch immer wieder erweckte und bis zum Jahre 1844 fortführte, wo man mit dem Bedürfniss nach erweiterter Thätigkeit auch die Möglich- keit derselben durch die Abfassung der ersten Statuten bestätigend erwies. Durch die verschiedensten durch Zeit und Umstände gebotenen und durch die Persönlichkeit der Mitglieder bedingten Veränderungen geläu- tert, ist endlich nach einem Decennium die Wirksamkeit eine solche ge- worden, wie sie den allseitigsten, aber immerhin bescheidenen Anforde- rungen unbedingt Genüge leistet. Wir wollen versuchen, in nachfolgen- den Zeilen diese Wirksamkeit in kurzen und klaren, sowie streng wahr- heitsgetreuen Umrissen darzustellen. Vereinszweck im Allgemeinen. — Es bildet die Gesellschaft in ihrer jetzigen Form zuvörderst einen Mittelpunet für deutsche Mediein und deutsche Mediciner mitten in dem Theile von Paris, in dem unsere Wissenschaft durch Anstalten und Bewohner am stärksten vertreten wird. Die medicinische Schule, die „.Ecole pratique,‘“ die Museen und Sammlungen sind in ihrer unmittelbarsten Nähe, und die meisten Hospitäler liegen auf demselben Ufer. Jede freie Viertelstunde kann der suchende oder schaf- fende Arzt in dem von früh bis Abend geöffneten Local in Gesellschaft sei- ner Collegen oder guter Bücher und Zeitschriften hinbringen, seine Beob- achtungen und Versuche niederschreiben oder durch Mikroskop, Anwen- dung galvanischer Elemente, Scalpell, Reagentien u. s. w. prüfen. Er findet dort nicht nur als Neuling beständigen und freundlichen Nachweis, wo und wann er seine speciellen Zwecke am besten erreichen kann, und er erfährt auch jederzeit, wenn irgend etwas Neues oder Sehenswerthes vorgehen soll, den Ort und die Zeit der Operation, des Experiments u.s. w., sondern man begiebt sich gewöhnlich auch in Gesellschaft an die betref- Vol. XXIV. P. Il. E XXXIV fenden Stellen, und was dem Einzelnen oft entgeht oder gar zu sehen ver- weigert wird, ist stets dem Besuch Mehrerer zugänglich, wie dies jeder bestätigen wird, der den französischen Charakter kennt. Wissenschaftliche Sitzungen. — Der wissenschaftliche Er- trag einer Woche zur Winterszeit und zweier Wochen im Sommer wird nun in den Montags-Sitzungen zum Gemeingut in dem „„Hospitalum- frage““ benannten Puncte der Tagesordnung, welcher auch unter allen Statuten - Veränderungen immer und fast einzig festgehalten worden ist. Es liegt diese Art des gegenseitigen Beistandes so recht eigentlich im deutschen Charakter begründet; und finden wir von diesem gemeinsamen Zusammenwirken das älteste Beispiel schon in den Gesetzesparagraphen X und XII unserer ehrwürdigen deutschen Akademie, sowie auch in den In- stituten der Local- und Fachsectionen des von den DDr. Prof. J. Vogel, H. Nasse und F. W. Beneke gegründeten Vereins für gemeinschaftliche Arbeiten zur Förderung der wissenschaftlichen Heilkunde. Zu unserem Verein zurückkehrend, muss daher bemerkt werden, dass zwischen den von verschiedenen Ländern herkommenden Aerzten und den seit längerer Zeit Ansässigen gegenseitig die erfreulichste wissenschaft- liche, vorzüglich vergleichende Thätigkeit entwickelt wird. Oft schon war man im Stande, über eine schwebende Frage Gewissheit zu erlangen durch die Anwesenheit von Augenzeugen aus Frankreich, England, Italien, Schweiz, Griechenland, Russland, selbst Amerika. Die Mitglieder der hie- sigen amerikanischen ärztlichen Gesellschaft haben mit der unsrigen ein gegenseitiges Besuchsrecht eingegangen, was zwar bei dem in Frankreich bestehenden Gesetze, dass die Sitzungen aller wissenschaftlichen Gesell- schaften öffentlich sein müssen, in der Form unnölhig ist, jedoch in der That einen regen Eifer des Austausches unterhält. Ein Blick auf das Verzeichniss der ordentlichen Mitglieder wird an- deuten, dass die von uns angenommene Weise des Studiums von den ver- schiedensten Nationen anerkannt wird. Häufig findet der Verein bei dieser „Hospitalumfrage‘* Gelegen- XXXV heit, Priorität oder Autorschaft der vaterländischen Collegen den französi- schen Aerzten gegenüber zu wahren und somit zum Ruhme unseres nur zu oft verkannten Landes beizutragen. Originalarbeiten. — Wenn auch die von den Mitgliedern gelie- ferten Originalarbeiten seltener sind, als bei den grösseren und entweder vom Staate unterstützten, oder kein Gesellschaftslocal unterhaltenden Ver- einen und Akademien, — seltener sagen wir, als wir es wohl wünschen, wegen der exclusiven Stellung der Fremden und unumgänglichen Publi- cationskosten, so sind sie es doch nicht so sehr, um nicht von Zeit zu Zeit, später vielleicht regelmässig periodisch eine Kundgebung der Vereinsthä- tigkeit zu gestatten. So erscheinen denn Originalarbeiten des Vereins und Berichte französisch in der „„Gazette hebdomadaire de medecine et de chirurgie,‘“ jetzt dem besten Blatte Frankreichs, und was unsere ÜÖollegen daheim von hier aus interessiren kann, erschien schon oft in deutschen Blättern briefweise von einzelnen Mitgliedern und seit Kurzem von Vereins- wegen in der „Deutschen Klinik.“ Vereins-Preis. — Es sind von einem correspondirenden und einem Ehren-Mitgliede zwei Preise, für das nächste Vereinsjahr, von je 100 Fr. festgesetzt worden, der erste „für den besten und vollständigsten Bericht über deutsche Leistungen in irgend einem Zweige der medieini- schen Wissenschaften, im Vergleich mit dem Auslande,‘‘ der andere „‚für die beste dem Vereine vorgelesene Originalarbeit.‘“ Unter den Originalarbei- ten sollen vorzüglich am Orte gesammelte Beobachtungsreihen mit Schluss- folgerungen gelten, die mit ähnlichen deutschen Resultaten in verglei- chende Beziehung gebracht sind. Die Arbeiten sind vor dem letzten März mit versiegeltem Namen einzuliefern und der im zweiten Jahrestrimester functionirende Vorstand entscheidet mit den Gebern der Preise bis zum Stiftungsfest über die Zuerkennung. Jeder Preis besteht in einer golde- nen Medaille, die aber auch gegen ein Mikroskop, Bücher oder eine Ver- bandtasche vom gleichen Werthe mit dem Goldabdruck der Medaille ver- sehen, ausgetauscht werden kann, wenn es der Laureat wünschen sollte. XXXVI s Correspondenz und Berichterstattung. — Die Früchte des Vereinslebens zeigen sich am deutlichsten in dem nachhaltigen Streben derjenigen, die, schon im Vereine thätig, bei ihrem Abgange zu correspon- direnden Mitgliedern ernannt, der Gesellschaft werthvolle Druckschriften oder Manuscripte einsenden, welche letztere vorgelesen und diskutirt wer- den, während über erstere, so wie über neue und vorzügliche Werke Be- richt erstattet wird. Sind von den gedruckten Werken zwei Exemplare eingegangen, so kann ein französischer Bericht in der „„Gazette hebdoma- daire‘‘ veröffentlicht werden, und dem Berichterstatter wird das eine Exem- plar überlassen, während das andere der Vereinsbibliothek einverleibt wird. Es wird nur über rein wissenschaftliche und neue Arbeiten berichtet. Die französischen Berichte werden vor der Veröffentlichung der Ver- sammlung nochmals vorgelesen und mit oder ohne Abänderungen geneh- migt. Demonstrationen. — Einen weiteren Gegenstand der wissen- schaftlichen Sitzungen bildet die Vorzeigung von anatomisch - pathologi- schen und mikroskopischen Präparaten, chirurgischen und anderen Instru- menten, die wir ausser den Mitgliedern zum Theil und oft Herrn Ober- häuser und seinem tüchtigen Nachfolger, Herrn Hartnack, so wie Herrn Lüer verdankten und zuletzt, soweit thunlich, die Vorzeigung von Kranken. Allgemein interessante und vorzüglich augenblicklich schwebende Fragen wurden bisweilen den Mitgliedern zum Einzelsiudium vorgelegt und dann in der folgenden Sitzung insgemein diseutirt. Diese proponir- ten Fragen verfehlten denn nie, lange und gründliche Debatten hervorzu- rufen, die oft den Schluss der Sitzung nahe an Mitternacht brachten. Vereins-Sitzungen. — Vor den der Wissenschaft gewidmeten Sitzungen finden am Anfange jedes Monates und sonst nach Bedarf soge- nannte Vereins-Sitzungen statt, in denen die Verwaltungs-Angelegenhei- ten des Vereins, Aufnahmen, Wahlen, Correspondenz und Kassensachen berathen und beschlossen werden. Bibliothek. — Zu allen oben erwähnten Arbeiten bedarf nun der XXXVI Verein ausser der durch Abonnement und Freiexemplare verhältnissmässig nicht unbedeutenden Zeitschriftensammlung einer Bibliothek, die seit 1849, nach einem fast der Vernichtung gleichkommenden Verluste im Jahre 1848, kräftig nach Verhältniss der Mittel gewachsen ist. Die Wiederkehr einer nicht zu rechtfertigenden Maassregel wie im Jahre 1848, ist durch den im Sommer vorigen Jahres mit der Kaiser. Leopoldin.-Carolin. Akademie geschlossenen und im diesjährigen Jahres- bericht erwähnten Vertrag vollständig und auf immer verhindert. Die Bibliothek bleibt vereinigt, und gehört im Auflösungsfalle unserer Gesell- schaft der ältesten und ruhmvollsten wissenschaftlichen Körperschaft des Vaterlandes, dessen Söhne die einzelnen Werke theils schenkten, theils durch ihre fleissigen Spenden ankauften. Ein besonderer Statuten-Paragraph lässt auch Fremde zum Studium der deutschen Werke zu, und die Mitglieder vertreten im Locale selbst und häufig die Stelle des Dollmetschers, wenn die Fremden unserer Sprache nicht mächtig genug sind. Ja es besuchen fremde Aerzte bis- weilen die Gesellschaft, um sich zu wissenschaftlichen Reisen durch Deutschland vorzubereiten, indem der Fremde nur durch das Anhören ver- schiedener Mundarten sein Ohr für das leichte und schnelle Verständniss bilden kann. Von allen diesen Collegen haben wir nur Dank und Erkenntlichkeit geerntet, so wie auch wir sie bisweilen mit Nachweis und Empfehlung für Deutschland ausgerüstet haben. Geselliger Zweck. — Es ist für den Deutschen von Gemüth ein Bedürfniss, mitten in dem Getümmel der Weltstadt ein stilles Plätzchen zum Nachdenken, ein Stück Heimat, einen Abglanz vaterländischer Ge- wohnheiten zu finden. — Diese Befriedigung giebt, so weit es die Um- stände erlauben, der Verein in vollem Maasse. — Der Eingebürgerte hört mit patriotischem und Fachinteresse die Ueberlieferung der lebendigen Sprache der heimatlichen Wissenschaft und reicht mit Vergnügen dem An- kömmling die Hand, um ihn hier schnell zu seinem Ziele zu bringen; so XXXVI erreicht der Pilger „‚eito, tuto und jucunde‘“ seinen Zweck und der Pari- ser deutsche Arzt kann Schritt mit den Resultaten der Heimat halten. Gemeinschaftlicher Besuch der Sammlungen und Museen mit den Ca- talogen des Vereins, Landpartieen oder Mittagsessen nebst periodischen, den deutschen möglichst nachgebildeten Abendunterhaltungen beschliessen den Kreis der Verbindungsmittel unter den Mitgliedern, und es gehen manche der Collegen eben so schwer vom geselligen Kreise, als von dem reichen Material, welches die Hauptstadt bietet, weg; und haben sich häu- fige und dauernde wissenschaftliche Verbindungen unter den einzelnen Mitgliedern angebahnt, so giebt es auch manche Trennung, die später zu einem lebhaften und fruchtbaren Briefwechsel Anlass giebt. Wer Paris allein und ohne Führer durchwandern und studiren will, ist zu beklagen. Zeit- und Geldverlust, Unbehagen und eine schiefe An- sicht über Land und Volk sind die gewöhnlichsten Folgen. Mitglieds-Medaille. — Zur Erinnerung für seine Mitglieder lässt der Verein seit dem diesjährigen Stiftungsfeste eine einfache Medaille schlagen, deren Ertrag nach Deckung der ersten Auslagen für die Biblio- thek verwendet wird. Sie trägt auf der Vorderseite die Worte: Der Verein deutscher Aerzte in Paris, mit der Umschrift: Gegründet am 11. Mai 1844, und auf der Rückseite inmitten eines Eichenkranzes: Seinen Mitglie- dern zur Erinnerung. Das Band des Kranzes zeigt den Wahlspruch der Mutterakademie: „‚Nunquam otiosus.“‘ Sie kostet in Bronce 2 Fr. und in Silber 5 Fr. Die goldene Medaille wird nur als Preis zuerkannt und hat mit dem Futteral den Werth dessel- ben. Die gewöhnlichen Kapseln der anderen Medaillen kosten /, und I Fr. Ueber diese Medaillen wird ein genaues Register geführt, so dass Niemand ausser den Mitgliedern eine solche erhalten kann. Herr Lüer. „‚Place de l’Ecole de Medecine,‘ hat in uneigennülzig- ster Weise den Verkauf und die Versendung derselben nach vorgängiger Benehmung mit dem Präsidenten übernommen. AXXIX ce. Jahresbericht vom 11. Mai 1852 bis 10. Mai 1853. Die Fest-Sitzung wurde im Vereinslocale am 11. Mai 1853 um 3 Uhr Nachmittags, durch den Präsidenten Dr. Meding, mit folgenden Worten eröffnet: „Meine Herren! Indem ich mich des mir zu Theil gewordenen eh- renvollen Auftrages, den Jahresbericht über die Thätigkeit des Vereins deutscher Aerzte abzustatten, entledige, und das, was der Verein im ver- Nossenen Jahre gewirkt hat, überdenke, so drängt sich bei dem befriedi- genden Rückblick auf das Gethane auch die Frage auf: bis zu welcher Grenze kann sich wohl die Wirksamkeit eines Vereins deutscher Aerzte in Paris erstrecken, und welches sind die Pflichten vereinigter Standesgenos- sen in Frankreich? — Erkennen wir zuvörderst an, dass bei einer zum Theile wechselnden Mitgliederzahl schon die Kenntniss und Beobachtung der Satzungen Schwierigkeiten darbietet, dass die persönlichen Verbin- dungen mit den Gelehrten des Landes meist nur vorübergehend sind, dass folglich auch tiefere Studien, theils wegen Mangel an Material, theils we- gen Mangel an Zeit nicht das alleinige oder Hauptziel sein können. Ein grosser Theil der Mitglieder kommt vielmehr hierher, um, ausgerüstet mit dem Wissen oder der Erfahrung, die ihm die heimatlichen Universitäten oder die vaterländische Praxis geboten hat, mit prüfendem und vorzüglich vergleichendem Auge zu suchen, in welcher Art er sein Wissen und seine Erfahrung bereichern könne, um Notiz zu nehmen von allem Brauchbaren und Wissenswürdigen, und es daheim anzuwenden. So viel oder so wenig wir nun von hier mit fortnehmen, ein Jeder nach seinem Zweck oder seiner Neigung, immerhin bleiben uns zwei Ver- pflichtungen zu erfüllen, die eine der Heimat, die andere dem gastfreien Lande gegenüber. Wir sind der Heimat schuldig, eine Spur von unserer Anwesenheit hier zu lassen, ein Andenken, das uns und unser Land ehrt und unseren Nachfolgern nützt. Frankreich dagegen sind wir schuldig, XL ihm die Schätze deutscher Wissenschaft und die Frucht deutschen Fleisses vorzulegen, damit es von denselben Gebrauch machen könne, wie es uns an seinen wissenschaftlichen Schätzen Theil nehmen lässt. Wenn wir Deutschland würdig und wirksam dem Auslande gegenüber vertreten wol- len, so müssen wir mit aller Macht dahin zu streben suchen, die Resultate seiner Arbeiten hier einheimisch und populär zu machen. Da unsere Ge- genwart in Paris dazu nicht hinreicht, und wir auch mit dem besten Wil- len dem Verdachte der Vorliebe für die eine oder die andere der heimat- lichen Persönlichkeiten unterliegen könnten, so müssen es stumme aber beredte, äusserlich bescheidene aber innerlich grossartige Vertreter sein, die wir uns hier schaffen. Sie verstehen mich, meine Herren — eine Sammlung der klassischen medieinischen Literatur Deutschlands ist das Monument, das wir zur Ehre unseres Vaterlandes und aus Dankbarkeit gegen Frankreich hier errichten sollen und zu dessen Errichtung ein Jeder von uns seinen Stein herbeibringt und herbeibringen wird; dies, meine Herren, sind die Pflichten eines Vereins deutscher Aerzte zu Paris — soll ich noch von der Ausdehnung, die dieser nationale Zweck bekommen soll, sprechen? — ich glaube die deutsche klassische Literatur der Mediein ist so reich, dass die Bauleute des Vereins für alle Zeiten Arbeit haben. Lassen Sie mich noch einige Worte hinzufügen von den speciellen Mitteln, diesen Zweck zu erreichen. Ich lege es Ihnen allen an das Herz, tragen Sie die Kunde des Bestehens und der Absichten des Vereins in alle Länder, die Sie durchreisen, erwecken Sie dem Vereine Freunde und Wohlthäter, laden Sie jeden guten Collegen ein, der nationalwissenschaft- lichen Sache seine Hülfe zu schenken, schreiben Sie, reden Sie, überzeu- gen Sie von der Nothwendigkeit einer würdigen Vertretung deutscher Wissenschaft in Frankreich und vorzüglich in Paris, und mit der Hülfe der Eingebürgerten, so wie der wandernden Generation des Vereins wird es nie an Dollmetschern, nie an Beweisführern fehlen dem Auslande darzu- thun, welchen hohen Werth unsere deutschen Forschungen beanspruchen können; und aus dem geistigen Verkehr des genialen und tiefen deutschen XLI Denkers, des gründlichen Beobachters, mit dem praktischen und gewand- ten Franzosen kann nur Gutes, nur Erspriessliches für wissenschaftliche Conception und Ergründung der Wahrheit entspringen. Der Verein deutscher Aerzte in Paris hat vom 11. Mai 1852 bis 10. Mai 1853 47 Mitglieder aufgenommen, von welchen 9 aus Preussen, 5 aus Baiern, 4 aus den Hansestädten, 3 aus Sachsen, 3 aus Baden, 2 aus den sächsischen Herzogihümern, 2 aus Holstein, 2 aus Dänemark, 2 aus Würtemberg, 2 aus Oesterreich kamen; je einen Arzt stellten zum Con- lingent unseres Vereins: Nassau, Hessen, Frankreich und Norwegen. — Bestand: 15 Mitglieder. Die Zahl der Mitglieder ist also der neunjährigen Mittelzahl (50 per Jahr) sehr nahe geblieben. Seit seiner Gründung bis heute zählte der Verein 432 ordentliche Mitglieder. Die Mitglieder vereinigten sich im verflossenen Vereinsjahre in 20 wissenschaftlichen und 23 Vereins- Sitzungen, die jede von 10, 15, 20 und auch mehr Mitgliedern besucht waren. Wir werden später auf die hauptsächlichsten Vorträge, die in denselben gehalten worden, zurückkom- men. In geschäftlicher Beziehung war das Hauptereigniss dieses Jahres der Umzug aus dem alten seit 7 Jahren innegehabten Locale in das neue und geräumigere. Möge der Verein bald auch dieses Local unzureichend für die Anzahl seiner Mitglieder finden und an Thätigkeit so wie an Be- deutung zunehmen, wie es in den letzten 3 Jahren der Fall war!“ Nachdem der Vorsitzende Dr. Meding den zahlteich erschienenen Gästen für ihr Erscheinen gedankt hatte, erfolgte die Proklamirung der Herren Prof. Dr. Halla in Prag, Prof. Dr. Pitha in Prag und Prof. Dr. V. Schneevogt in Amsterdam zu Ehren -Mitgliedern, und der Herren Prof.Dr. Kreutzer inErlangen und Dr. Hingston aus Montreal (Canada) zu correspondirenden Mitgliedern. Vorsitzender dankt im Namen des Ver- eins den beiden erstgenannten Ehren - Mitgliedern für die liberale und dauernde Zusendung der Vierteljahrsschrift der medicinischen Vol. XXIV. P. Il. F XLU Fakultät zu Prag, so wie Herrn Prof. Kreutzer gleichfalls für die Sendung seines Gentralblattes für Veterinärmediein. d. Gegenwärtiger Mitgliederbestand des Vereins deutscher Aerzte in Paris. Ehren- Präsidium. Hr. Prof. Dr. Nees von Esenbeck in Breslau, Präsident der Kaiserl. Leopoldin.-Carolin. Akademie der Naturforscher, Mitglied der medi- einischen Fakultäten zu Prag, Pesth und Wilna. Hr. Prof. Dr. J. F. Heyfelder, Adjunct der Kaiserl. Leopoldin.-Carolin. Akademie der Naturforscher, Director der chirurgischen Universitäts- Klinik zu Erlangen. Hr. Prof. Dr. P. Berard, Mitglied der Kaiserl. Leopoldin.-Carolin. Aka- demie der Naturforscher und der Kaiserl. Akademie der Medicin in Paris. Ehren-Mitglieder in Paris. Hr. Dr. Z. Amussat, A.M. Hr. Dr. Mandl. Hr. Dr. Barth, A. FE. Hr. G. Oberhäuser. Hr. Prof. Öl. Bernard, 7.8. Hr. Dr. Raciborsky. Hr. Prof. A. Brogniart, A. Sc. Hr. Dr. Rayer, A. Be. Hr. Dr. Cazenave, M.H. Hr. Dr. Ch. Robin, A. F. Hr. Dr. Danyau, A. M. Hr. Dr. Ricord, A.M. Hr. Dr. Desmärres. Hr. Dr. Schuster. Hr. Dr. Gruby. Hr. Dr. J. Sichel. Hr. Baron v. Heurteloup. Hr. Dr. Vidal de Cassis. Hr. Dr. Kolb. Hr. Dr. Wertheimber. Correspondirende Mitglieder in Paris. Hr. Dr. Blanche, Passy. Hr. Dr. Beclard, A. F. Hr. Dr. Belin. Hr. Dr. Broca, A. FE. | | XL Hr. Dr. Campbell. Hr. A. v. Hagedorn. Hr. Dr. Caudmont. Hr. Dr. Leudet. Hr. Dr. A. Dechambre. Hr. Hartnack. Hr. Dr. Demarquay. Hr. Lüer. Hr. Dr. Feldmann. Hr. Dr. Olliffe. Hr. Dr. Follin, A. F. Hr. Dr. Otterburg. Hr. Dr. E. Rousseau. Ordentliche Mitglieder in Paris, während des zweiten Trimesters 1854. . Dr. H. L. Meding (Sachsen), Paris, Präsident (seil Novbr. 1851), Mitglied seit 1849. . Dr. A. Martin (Rh.-Pfalz), Paris, Vice-Präsident (seit Januar 1854), Mitglied und Bibliothekar seit August 1853. '. Dr. €. Oelker, Hannover, Secrelär (seit Anfang April 1854), Mit- glied seit December 1853. . Dr. Fr. Osann, Würzburg, Bibliothekar (seit Jan. 1854. Er konnte dieses Amt früher schon antreten), Mitglied seit Februar 1853. . Dr. G. Döderlein, Erlangen, Cassirer (seit Januar 1854), Mitglied seit Januar 1854. ', Dr. Anagnostakis aus Athen, Mitglied seit Juni 1853. '. Dr. Bernhuber aus Passau, Mitglied seit Februar 1854. . Dr. R. Faber, München, ehemaliger Secretär (1853 und 1854), Mitglied seit November 1853. ', Dr. Gehewe aus Dorpat, Mitglied seit April 1854. '. Dr. H. Martin aus München, Mitglied seit Anfang December 1853. '. Dr. Mazzoni aus Rom, Mitglied seit Februar 1854. '. Dr. Morpain aus Strassburg, Paris, Mitglied seit October 1852. . Dr. S. L. Pisani aus Malta, Mitglied seit December 1853. . Dr. Schmauss aus Würzburg, Mitglied seit Mai 1854. XLIV Hr. Dr. Seegen, Wien, ehemaliger Secretär (1850), wieder eingetre- ten April 1854. Hr. Dr. M. Serlo, Salzbrunn in Schlesien, Mitglied seit April 1854. Hr. Dr. A. Ziegler aus Freiburg in Baden, Mitglied seit April 1854. Anmerkung. Ausser diesen Mitgliedern nehmen noch mehrere eorrespondirende und Ehren -Mit- glieder mit gleichen Rechten beständigen und activen Theil an den Sitzungen und Arbeiten des Vereins. XLV Bericht über die Thätickeit des Vereins deutscher Aerzte in Paris seit der Affiliation desselben an die Kaiserl, Leopoldinisch-Carolinische Akademie der Naturforscher. Erstattet von Dr. Meding, Präsident des Vereins. Ein am 27. Mai vom Vorsitzenden des Vereins an den Adjuncten der Akademie und Ehrenmitglied des Vereins, Hrn. Prof. Dr. J. F. Heyfelder zu Erlangen, gerichtetes Schreiben, in welchem vorläufig die Möglichkeit und Ausführbarkeit eines Verhältnisses, wie das hier vorliegende, aus der Vorrede eines früheren Bandes der „‚Nova Acta Acad. ©. Leop.-Carol. Nat. Cur.‘* berührt wurde, fand eine so wohlwollende und günstige Aufnahme, dass in der Antwort bereits die Erlaubniss zur Anbahnung einer officiellen und directen Verbindung mit dem Präsidium der Akademie enthalten war, und nachdem von dieser Erlaubniss Gebrauch gemacht und eine beifällige Antwort von Seiten des Präsidenten Hrn. Prof. Dr. Neesvon Esenbeck erfolgt war, wurde aufGrund der Vorschläge des Vereins und der Modificatio- nen von Seiten der Akademie der oben cilirte, so wie in der „„Bonplandia,‘* dem officiellen Organe der Kaiserl. Leopold.-Carolin. Akademie, vom 19. October 1853, Nr. 21. p. 218 veröffentlichte Vertrag am 26. Juli dessel- ben Jahres durch den Präsidenten der Akademie vollzogen. Bald nachher langte die werthvolle Sendung der im Buchhandel be- findlichen Bände der „Nova Acta‘ an und wurde mit Freude und Dank- XLVI barkeit nicht nur als höchst wichtiger Zuwachs zur Bibliothek, sondern vorzüglich auch als Zeichen der Sympathie der ältesten wissenschaftlichen Körperschaft diesseits der Alpen mit dem Streben einer vaterländischen Gesellschaft von Aerzten diesseits des Rheins begrüsst. Der Verein badischer Aerzte zur Förderung der Staats-Arzneikunde ist ebenfalls und fast in derselben Zeit in Schriftenaustausch mit dem hie sigen Vereine getreten. Wie bei der Akademie so sind auch hier die Mitglieder des Vereins dem jenseiligen Präsidio zu grossem Danke ver- pflichtet, indem zu jener Zeit die Publicationen des Vereins noch in ziem- licher Ferne zu stehen schienen. Wir kommen weiter unten auf die Mit- tel der Veröffentlichung zu sprechen, welche dem Vereine seit Kurzem zu Gebote stehen. Die wissenschaftlichen Vorträge und die sonstigen den Verein be- treffenden Veränderungen bis zum 10. Mai 1853 sind in der, der Kaiserl. Leopold.-Carolin. Akademie, sowie dem Verein Badischer Aerzte und den Ehren- und correspondirenden Mitgliedern (soweit ihre Adresse bekannt war und die Anzahl der Denkschriften zureichte) zugesendeten „‚Denk- schrift zur Feier des zehnjährigen Stiftungsfestes etc. ete. (Paris, Victor Masson. Leipzig, Michelsen’sche Buchhandlung)‘* aufgeführt worden. *) Diese Denkschrift war bestimmt, durch einen geschichtliche und per- sönliche Notizen enthaltenden Rückblick gewissermaassen das Jünglings- alter des Vereins abzuschliessen und durch eine Reihe von kurzen Ab- handlungen darzuthun, einestheils, was man von jetzt an von der Thätig- keit der ordentlichen Mitglieder fordern könne, anderntheils, dass unsere Ehren- und correspondirenden Mitglieder thätigen Antheil an den Arbei- ten des Vereins nehmen, endlich aber auch, dass der Verein die Theil- nahme der verschiedensten Nationen besitzt, wie auch das deutsche Volk wohl das einzige ist, dessen Gelehrte fast jede andere Nation in ihrer ei- genen Sprache anhören können. *) S. Seite XXIX—-XLIV dieser Vorrede, XLVH Man wählte, um die pathologische Anatomie zu vertreten, P. Broca’s „Memoire sur la necrose des cartilages;‘“ der Frankreich zunächst woh- nende Adjunet der Akademie, Dr. ©. H. Schulz Bip., sendete in der Ur- sprache der .‚Nova Acta‘ zwei noch unbeschriebene Fälle von Polypus laryngis; die deutschen Beiträge lieferten über Augenheilkunde Dr. Faber (Xerose des Auges); über medieinische Hydrologie, das neuerdings frisch- bebaute Feld, Dr. Seegen (das Karlsbader Mineralwasser in seiner geo- logischen Bedeutung); über Frauenkrankheiten Dr. Meding (ein Fall von Reiroflexion des Uterus zum Beleg der Brauchbarkeit von Sonde und Hy- sterophor). Italien, in der Person des Dr. Mazzoni aus Rom, gab einen Beitrag zur plastischen Chirurgie (Risecazione delle ossa mascellari supe- riori ed inferiori e relativa anaplastica), und England durch den Malteser Dr. Pisani eine Studie über epidemiologische Hygiene (Faulty hygiene in connection with the mortality from cholera morbus during the epide- mies of 1837 and 1850 at Malta). Diese fünf letzten Abhandlungen sind aus der Feder ordentlicher Mitglieder, während wir die französische einem correspondirenden und die lateinische einem Ehrenmitgliede verdanken. Der Druck dieser Denkschrift war erst am Tage vor der Festsilzung been- digt, und es konnte daher diese Einladungsschrift oder Programm nur den in Paris anwesenden Mitgliedern zugestellt werden. Schon zwei Monate vorher waren die deutschen Universitäten durch gedruckte Anschläge auf das Herannahen unseres Festes, so wie das grös- sere medieinische Publikum durch gleichlautende Anzeigen in der deut- schen Klinik, der Münchener medieinisch-chirurgischen Zeitung, dem Intel- ligenzblatt Bairischer Aerzte und der Augsburger allgemeinen Zeitung auf- merksam gemacht worden, und die eingelaufene Correspondenz nebst den Festgeschenken beweisen, welcher regen Theilnahme der Pariser Verein sich im Vaterlande erfreut. Für Paris hatte der Vorsitzende Kunde von dem Fest durch die Pu- blication der ersten Hälfte seiner „‚Notice historique sur l’Acad&emie impe- riale Leopoldino-Carolina des naturalistes‘‘ in der ‚‚Gazette medicale‘“ ge- XLVIN geben und überreichte den beim Fest Anwesenden das Ganze nebst Zueig- nung an den Verein. Dies auch der Entschuldigungsgrund, warum das Ausland nur die zweite, übrigens vermehrte Auflage erhalten hat. Am 11. Mai 1854 um 3 Uhr Nachmittags begann das festlich mit Kränzen und Guirlanden geschmückte Local Nr. 24, Rue de l’Ecole de medecine, sich zu füllen. Die Bildnisse der Ehrenprösidenten, der Wiener Professoren und der Ehrenmitglieder des Vereins waren mit Blumenguir- landen umgeben, und das Wappender ehrwürdigen ,.Leopoldino-Carolina.“ von einem Jugendfreunde des Präsidenten dem Vereine zum Geschenk in Oel gemalt, prangte mit der Goldumschrift: ‚‚Academia Caesarea Leopol- dino-Carolina Naturae Curiosorum Praesidium Societatis Medicorum Germa- nicorum Parisiensis,‘“ umgeben von einem vollen Blumen- und Epheurah- men. über den Sitzen der Vorstandsmitglieder. /,4 Uhr wurde der Ehrenpräsident des Vereins in Paris, Herr Prof. P. Berard cogn. acad. Sydenham, die erste Medieinalperson Frankreichs, vom Ausschuss an der Thüre empfangen, ihm das Präsidium angetragen, und nachdem derselbe es mit Dank an den Verein abgelehnt und zur Lin- ken des Präsidenten Platz genommen, eröffnete der Letztere die Festsiz- zung mit folgenden Worten: „„Hochzuverehrende Anwesende! Zehn Jahre sind es, seit würdige Vertreter der ärztlichen Kunst in der Weltstadt einen engeren Verband zur Förderung der Wissenschaft gründeten, und schon 25 Jahre sind verflossen, seit unsere deutschen Collegen unter Anregung eines Koryphäen der Mediein sich zu wissen- schaftlichen. durch Geselligkeit gewürzten Vereinigungen zusammen- fanden. Heute, meine Herren, feiern wir diese beiden Erinnerungsfeste und bringen einen innigen und aufrichtigen Dank den geehrten Collegen ent- gegen, denen wir es verdanken, dass wir schon jetzt auf eine Reihe wohl- durchlebter und durch Arbeit verschönerter Jahre zurückblicken können. XLIX Dank also, tiefgefühlten Dank unsern Ehrenmitgliedern, die heute schauen kommen, was aus dem Kindlein geworden, das sie vor so langer Zeit mit Liebe gepflegt haben. Statutenlos, aber durch wissenschaftlichen Eifer zusammengehalten, tagten die Mitglieder in den ersten 15 Jahren; die festere Verbindung förderten sorgfältig berathene und gewissenhaft beobachtete Gesetze in den letzten 10 Jahren, und an Ihnen, meine Her- ren, ist es, nach angehörtem Jahresberichte zu entscheiden. ob nach der jüngst entwickelten Thätigkeit dem Vereine das Zeugniss des erreichten Mannesalters gebührt. Wir haben die geschichtlichen, persönlichen und wissenschaftlichen Beweisstücke in der Ihnen zugestellten Denkschrift niedergelegt, und es liegt mir nun noch ob. Ihnen das Wirken des letzten Jahres, den Schluss des Decenniums, vor Augen zu führen. Dank aber zuvor noch allen geehrten Anwesenden, die durch ihr Er- scheinen das lebhafte Interesse beurkunden, welches Sie am Vereine neh- men. Seien Sie uns Alle herzlich willkommen und bringen Sie uns ein collegiales Urtheil für die Gegenwart, Vertrauen und Glückwünsche für die Zukunft des Vereins. Kommen Sie, so oft es Ihnen möglich sein wird, an unsern Arbeiten Theil zu nehmen, und immer werden Sie eine freund- liche Begegnung und ein aufmerksames Ohr für Ihre Mittheilungen finden. Erhalten Sie dem Vereine Ihre Theilnahme und bleiben Sie unserer auf- richtigen Hochachtung für immer versichert. Lassen Sie mich Ihnen nun in kurzen Worten die nächste Vergan- genheit zeichnen. Jedes Vereinsjahr halte immer seine eigene Aufgabe, die, selten in bestimmten Worten voraus als Ziel hingestellt, mehr aus dem gemeinsam gefühlten Bedürfniss ihre Lösung fand. So war das Jahr 1852 wichtig durch die in demselben vorbereitete neue Constitution, das Jahr 1853 durch die in’s Werk gesetzie Vermehrung der Bibliothek. Die Eröffnungsrede des letztvergangenen Vereinsjahres (Denkschrift Seite 19 ff.) stellte dieses Ziel als wünschenswerth und erreichbar hin, — Vol. XXIV. P. II. G L unser Bibliothekar wird Ihnen in seinem Berichte sagen, wie glücklich wir in dieser Beziehung waren. Die ehrwürdige deutsche Akademie ‚‚Leopoldino - Carolina“ hat im vorigen Jahre den Verein adoptirt (Denkschrift Seite 12 und Seite 17) und ihm die lohnende Anerkennung als Tochterverein zu Theil werden lassen, seine Bibliothek mütterlich freigebig mit den ‚‚Novis Actis A. L.-C. nat. cur.‘‘ ausgestattet und ihm den schützenden Arm von jenseits des Rheines gereicht. Erst heute noch empfing der Verein ein Beglückwün- schungsschreiben vom Präsidenten der Akademie, Herrn Prof. Dr. Nees von Esenbeck, so wie auch der staatsärztliche Verein des Grossherzog- ihums Baden einen nachbarlichen Freundesgruss durch die Hand seines Präsidenten, Herrn Professors und Medicinalraths Dr. Schürmayer, zum Festtage gesendet hat, welche Sendschreiben Ihnen nebst der übrigen eingelaufenen Correspondenz vom Secretär des Vereins mitgetheilt wer- den sollen. Gehen wir nun zu dem eigentlichen Jahresbericht des abgelaufenen Jahres über, so finden wir den Verein vom 11. Mai 1853 bis auf den heu- tigen Tag aus 50 Mitgliedern zusammengesetzt, der gewöhnlichen Mittel- zahl seit 10 Jahren, von denen 41 im Laufe des Jahres eingetreten sind. — Von diesen Mitgliedern gehörten an: Oesterreich 2, Preussen 5, Baiern 11, Sachsen 2, Baden 4, Würtemberg 2, Rom 2, Russland 7, Hessen, Braunschweig, Hannover, Griechenland, Malta und den Hansestädten je ein Mitglied. Man vereinigte sich in 34 wissenschaftlichen und 37 Vereins- (administrativen) oder Ausschusssitzungen. Die grosse Anzahl der letzteren entstand aus den nöthigen Vorbereitungen zu der heute er- schienenen Denkschrift und aus den Berathungen über die am 26. Juli 1853 ratificirte Affiliation der Gesellschaft an die Kaiserl. Leopold.-Carolin. Akademie. In den wissenschaftlichen Sitzungen wurden folgende Vorträge vor oder nach geschehener Hospitalumfrage in deutscher Sprache gehalten: LI Prof. Heyfelder aus Erlangen: Ueber einen Fall von Exarticulation des Oberschenkels wegen fungus haemalodes, aus seiner Praxis. Dr. v. Oettingen, Docent in Dorpat: Ueber die Ursachen der Cho- rioidealcongestion. Dr. Simon aus Darmstadt: Ueber die Radikaloperation beweglicher Leistenbrüche nach Prof. Rothmund in München. Dr. Heyfelder aus Erlangen: Ueber die Specialitäten auf medici- nischem Gebiete in Paris. Dr. Simon aus Darmstadt: Ueber Schusswunden, und seine Erfah- rungen und Versuche hierüber. Dr. Anagnostakis aus Athen: Ueber seinen und die verschiede- nen anderen Augenspiegel. Dr. Beck aus Ludwigsburg: Ueber Kniegelenkentzündung. Dr. Erhardt aus Rom: Ueber den Einfluss des italienischen Klima’s auf Tuberculose und Intermittens. Dr. Simon aus Darmstadt: Ueber einen Fall veralteter Luxation und deren Heilung, aus seiner Praxis. Dr. Meding (Sachsen), Paris: Ueber die schwedische Heilgymnastik. Dr. Schmalz (M.-R.): Ueber einige wichtige Regeln bei Behand- lung der Gehörkrankheiten. Dr. Morawek aus Prag (jetzt Professor in Würzburg): Ueber die krankhaften Folgezustände nach eingeklemmten Brüchen. Dr. Eigenbrodt aus Darmstadt: Ueber seine in Wien gesammelten Beobachtungen über Homöopathie und die Verhältnisse, welche die Exi- stenz derselben möglich machen. Dr. Morawek aus Prag: Ueber die Behandlung der Hydrocele und einige bei der Punction unumgängliche Vorsichtsmaassregeln. Dr. Morpain (aus Strassburg), Paris: Ueber Varicocele bei Wei- bern. Dr. Th. Güntz aus Leipzig: Ueber das englische Irrenwesen (Reise- bericht). Lil Dr. Stephani aus Freiburg (Mannheim): Resultate und Methode der Behandlung der Pneumonie mit Inhalationen von Aether und Chloro- form. Dr. Hammer aus St. Louis (Ver. St.): Ueber seine Behandlungs- weise der Syphilis. Dr. Besser aus Moskau: Ueber paralytischen Blödsinn. Dr. Meding: Ueber weitere und die neuesten Fortschritte in der Heizung und Ventilation Öffentlicher Gebäude. Dr. Hammer aus St. Louis (Ver. St.): Ueber acute Prostatitis und seine Erfahrungen hierüber. Derselbe: Ueber sein neues Urethrotom. Dr. Erdmann aus Leipzig: Ueber die Anwendung des kalten Was- sers bei Conjunctivitis. Dr. Osann aus Würzburg: Ueber Osteotomie und das Mayer’sche Verfahren. Dr. Max Serlo in Salzbrunn (Schlesien): Ueber einen geheilten Fall von Magenfistel, aus seiner Praxis. Dr. Meding: Ueber sein Instrument zur Exploration und Aufrich- tung der Gebärmutter, „‚Explorateur-redresseur‘‘ genannt. Dr. Eckhardt aus Giessen, als Gast: Ueber eine Beobachtung aus dem Gebiete der Nervenphysiologie. (Palliativ gegen künstlich erregten Tetanus.) Prof. Gerlach in Erlangen: Ueber einige Entdeckungen aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie mit mikroskopischen Demonstra- tionen. Prof. Dittrich in Erlangen: Zwei Vorträge über Pneumonie und deren Nachkrankheiten, besonders über Bronchiektasie. Dr. Max Serlo in Salzbrunn: Mittheilungen über seine Versuche über Pockeneinimpfung zwischen Menschen und Thieren, während, vor und nach einer heftigen Pockenepidemie. Lil Von den im verflossenen Jahre gewonnenen Resultaten und Fort- schritten des Vereins erwähnen wir ausser der schon Seite 12 der „„Denk- schrift‘* berichteten Affiliation desselben an die Kaiserl. Leopold. - Carolin. Akademie der Naturforscher, noch die Beziehung, in welche derselbe mit dem staatsärztlichen Verein des Grossherzogthums Baden bezüglich eines Schriftenaustausches getreten ist. Der Verein besass bis vor Kurzem nur einzelne wenige und in ver- schiedenen Zeitschriften zerstreute Publicationen. Um sein Streben zu con- centriren wurde, wie S. 14 der „‚Denkschrift‘“ besagt, mit der Redaction der „Gazette hebdomadaire de medecine etdecchirurgie,‘‘ jetzt unstreilig dem be- sten Blatte Frankreichs, ein Vertrag abgeschlossen, nach welchem Auszüge aus den Vereins- Verhandlungen in diesem Blatte erscheinen und für den Verein fortlaufend separat abgedruckt werden. — Hier ist der Ort, Herrn Dr. Dechambre und seinen Mitredactoren, den Herren DDr. Broca, Beclard und Leudet, so wie Herrn Buchhändler Victor Masson den gebührenden Dank für ihr bereitwilliges Entgegenkommen abzustalten. Auch ist Anstalt getroffen worden, dass die für den Vereinszweck thätigen Mitglieder diese Schriften gratis und postfrei bis Leipzig erhalten können. Ein ähnlicher Vertrag mit der „Deutschen Klinik‘ für Referate aus Frankreich ist dem Abschluss nahe. Ein weiterer Fortschritt im Vereinsleben ist bedingt durch die von einem correspondirenden und einem Ehrenmitgliede erfolgte Aussetzung zweier Preise von je IOOFT. für Berichte und Originalarbeiten im Verein, unter Bedingungen, wie sie Seite 16 der „„Denkschrift‘“ bezeichnet. Herzlichen Dank auch hier den unbekannt bleiben wollenden Gebern der Preise, die ein Beispiel gaben, welches sicher nicht ohne Nachahmung bleiben wird. Endlich hat der Verein noch ein sichtbares Zeichen der Gemeinschaft und ein Andenken an die wissenschaftlich-gesellig in Paris verlebte Zeit LIV für alle seine Mitglieder gründen wollen, in der im Monat April 1854 be- schlossenen und nun ausgeführten Mitglieds - Medaille. Möge sie die Kunde von der Vereinsthätigkeit weiter fördern und eine angenehme Erinnerung für alle ehemaligen und jetzigen Mitglieder sein! Im verflossenen Jahre erwählte der Verein deutscher Aerzte in Paris zu Ehrenmitgliedern die Herren: Med.-Rath Dr. P. Schneider in Offenburg, Ehrenpräsident des staatsärztllichen Vereins in Baden; Med.-Rath Prof. Dr. Schürmayer in Emmendingen, Präsident des staatsärztlichen Vereins in Baden; Hofrath Prof. Dr. Kieser, Director ephemeridum der K. Leopold.- Carolin. Akademie der Naturforscher, und zu correspondirenden Mitgliedern die Herren: Oberamtsarzt Dr. S. Schneider in Oberkirch bei Appenweier, Se- cretär des staatsärzilichen Vereins in Baden; Dr. Bronner aus Wiesloch, jetzt pr. Arzt in Bradford (Yorkshire) ; Dr. Weber, prakt. Arzt in New-York; Dr. Hammer, prakt. Arzt in St. Louis (Missouri). Aus der Zahl der ordentlichen Mitglieder erhielten bei ihrem Abgange das Diplom als correspondirende Mitglieder die Herren: Dr. Beck, Regimentsarzt in Ludwigsburg; Dr. W. Erhardt, prakt. Arzt in Rom; Dr. Stephani, prakt. Arzt in Mannheim; Dr. Morawek, Professor der Chirurgie in Würzburg; Dr. Th. Güntz, zweiter Arzt an der Irrenanstalt Thonberg bei Leipzig; Dr. B. Erdmann, prakt. Arzt in Leipzig; Dr. Pisani, Arzt an der Irrenanstalt auf Malta; Dr. Max Serlo, Badearzt zu Salzbrunn; LV Dr. A. Ziegler, Privatdocent in Freiburg im Breisgau; Dr. C. Mazzoni, prakt. Arzt in Rom.“ Mit vorstehender Mittheilung schloss der Vorsitzende seinen Jahres- bericht. Hierauf sprach Herr Dr. Osann aus Würzburg in längerer Rede über die Frage: In welchen Fällen und auf welche Methode kann Strabismus am besten operirt werden ? worauf die Verlesung eines von Dr. Schinzinger in Freiburg zum Fest eingesendeten Manusecriptes: „Beobachtungen und Versuche über Favus, von ihm selbst angestellt,‘ erfolgte. — Der übrige Theil der wissenschaftlichen Tagesordnung war der Arbeit Dr. Bronner’s in Bradford (Yorkshire): „Ueber mangelhaften und mangelnden Farbensinn,‘“ zugetheilt. Nach Verlesung dieser Arbeiten fand die Mittheilung der Festcorre- spondenz stalt. Durch Beglückwünschungsschreiben, Anzeige oder Uebersendung von Festgaben, bezeigten ihre Theilnahme am zehnjährigen Stiftungstage des Vereins: Die Kaiserl. Leopold.-Carolin. Akademie der Naturforscher durch ein Schreiben ihres Präsidenten, des Herrn Prof. Dr. Nees von Esen- beck, und ein Prachtexemplar des XXIV. Bandes, Abtheilung 1, nebst gedruckter Zueignung an den Tochter-Verein. Der Verein Badischer Aerzte zur Förderung der Staats-Arzneikunde, durch ein Schreiben seines Präsidenten, Herrn M.-R. Prof. Schürmayer, d. Z. in Emmendingen, — und die Herren: G. M.-R. Dr. v. Ammon aus Dresden, nebst Anzeige der Sendung der fünften Auflage seiner Brunnendiätetik. Prof. Blasius aus Halle, nebst Sendung von 60 Dissertationen aus LVI Halle und dem Diplom als ordentliches Mitglied der naturforschenden Ge- sellschaft zu Halle für den Präsidenten. Prof. Valentin in Bern, nebst Anzeige der Sendung der vierten Auflage seines Lesebuchs der Physiologie des Menschen. Hofrath L. Spengler in Bad Ems, durch Uebersendung eines Prachtexemplars mit gedruckter Dedication seiner Uebersicht der Nassaui- schen medicinischen Literatur im Jahre 1853, nebst 50 Expl. derselben und 20 Expl. seiner brunnenärztlichen Mittheilungen. Dr. C. H. Schultz Bip., durch Einsendung seiner lateinisch ge- schriebenen Beobachtungen über zwei Fälle von Larynxpolypen (s. Denk- schrift Seite 31), des completen Hufelandschen Journals von 1795— 1830 nebst Supplementen, 50 Expl. seiner Inaugural-Dissertation und I Expl. seiner Arbeit über die Tanaceteen. Prof. Uhde in Braunschweig, nebst Uebersendung seiner klinischen Berichte. Prof. Mauthner v. Mauthstein in Wien, nebst Prachtexemplaren seiner Schriften: „‚Ueber die Heilkraft des kalten Wasserstrahls, und: Ueber die Gehirn- und Rückenmarkskrankheiten bei Kindern,‘“ und I Expl. seines Berichts: „‚Ueber das Kinderspital in Wien.‘ Dr. Melicher in Wien, nebst ] Expl. der Berichte über sein ortho- pädisch-heilgymnastisches Institut daselbst. Dr. Mastalier in Ischl, nebst seiner Arbeit über die dortigen Bäder. Dr. Oettinger in München, nebst 20 Expl. seiner Schrift über die Adelheidsquelle zu Heilbrunn in Ober-Baiern. Dr. Robert Flechsig in Elster. nebst Exemplaren der offieiellen Schrift .„‚Bad Elster bei Adorf im sächsischen Vogtlande,‘‘ seiner „„Chemisch. Untersuchung‘ dieses Wassers, Exemplar der ersten und J Prachtexpl. der zweiten Auflage seiner Schrift: „„Der Kurort Elster, seine Heilquellen und seine salinischen Eisenmoorbäder.“ Die Hirschwaldische Buchhandlung: in Berlin und die Redaction der Damerow-, Roller- und Flemming’schen Zeitschrift für Psychiatrie, nebst LVH Anzeige der baldigen Uebersendung von zehn Jahrgängen dieser Zeit- schrift. Dr. Erlenmeyer in Bendorf bei Coblenz, nebst der zweiten Auf- lage seiner Schrift über die Gehirnatrophie der Erwachsenen. Dr. Diruf in Neapel, nebst Anzeige der Sendung von Beobachtun- gen eihnologisch-geographischen Inhalts, so wie über den Standpunct der Mediein im Königreich beider Sicilien. Prof. Dr. Hoppe in Basel, nebst Uebersendung von drei seiner medicinischen Briefe. Dr. Meding überreichte dem Vereine und den Anwesenden 100 Expl. in französischer Sprache seiner geschichtlichen Notiz über die Kais. Leopold. - Carolin. Akademie der Naturforscher und über das Verhältniss derselben zum Verein. Weitere Sendungen, Anzeigen oder Beglückwünschungsschreiben gin- gen ein von den Herren Prof. Kieser in Jena, Prof. Morawek in Würz- burg, Prof. Miescher in Basel, Dr. Th. Güntz aus Leipzig, Dr. Er- hardt in Petersthal, Dr. Ziegler in Freiburg. Nachdem diese Briefe nach Wunsche unserer Briefsteller theils ganz, theils auszugsweise der Versammlung vorgelesen worden waren, fand die Proclamation der zur Feier ernannten Ehren- und correspondirenden Mit- glieder durch den Präsidenten statt, nachdem vorher Herr Dr. Osann den Bibliothekbericht und Herr Dr. Döderlein die Finanzlage des Vereins vorgelegt hatte (welche das Vorwort zum XXV. Bande der ,‚Nova Acta‘* liefern wird). Es hatte der Verein deutscher Aerzte bei Gelegenheit des abgelau- fenen Devenniums mehreren um die Wissenschaft hochverdienten und langjährig für den Verein wirksamen Männern die Diplome als correspon- dirende oder Ehrenmitglieder zuerkannt, und zwar sind in Paris die Her- ren DDr. Dechambre, Beclard, Oliffe, Leudet und Hartnack zu correspondirenden, die DDr. Otterburg, Schuster, Feldmann Falret sen. und Danyau zu Ehrenmitgliedern erwählt worden. Vol. XXIV. P. IL. H LVIM Unter den auswärtigen correspondirenden Mitgliedern wurden zu Ehrenmitgliedern ernannt, die Herren: G. R. Prof. Langenbeck und Dr. Albert v. Gräfe in Berlin; Prof. Dr. Arlt; Prof. Dr. Hasner von Artha; Dr. Löschner in Prag; Prof. Dr. Hebra; Prim.- Arzt Dr. Sigmund in Wien; Dr. Szokalsky in Warschau; Dr. E. Stromeyer in Hannover; Prof. Jul. Vogel in Gies- sen; Prof. Scherer in Würzburg, und Prof. Ed. Weber in Leipzig. Aus der Zahl der ehemaligen Mitglieder und der Theilnehmer deı von 1839— 1844 stattgefundenen Vereinigungen deutscher Heilkundigen in Paris wurden zu Ehrenmitgliedern, die Herren: DDr. C. H. Schultze, Bipont., in Deidesheim; Prof. Phöbus in Giessen; Prof. Blasius in Halle; Prof. Seitz in München; Leibarzt Dr. Röser in Athen; Dr. Grosz in Gross-Wardein; Prof. Bardeleben in Greifswalde; Prof. du Boys-Raymond in Berlin; Prof. Sconzoni in Würzburg; zu correspondirenden Mitgliedern, die Herren: Hofrath Dr. Spengler in Ems; Dr. Wittelshöfer und Dr. Me- licher in Wien; Dr. R. Flechsig in Elster; Dr. Erhardt in Petersthal, und Prof. Dr. Herz in Erlangen ernannt. Der Verein hat in seinen Statuten die Zahl der jährlich zu ernennen- den Ehrenmitglieder auf drei und die der correspondirenden Mitglieder auf sechs beschränkt. Nach den Statutenparagraphen über Statutenverände- rung hatte derselbe in legaler Weise für die Ausnahmsfälle besonderer Festlichkeiten die Zahl der Ernennungen dem Ermessen der Versamm- lung anheimgestellt. Der Schluss der Festsitzung fand um 5/, Uhr statt, und nach 6 Uhr vereinigten sich die Mitglieder und Eingeladenen zu einem splendiden Festessen in den Sälen von Vefour im Palais Royal. Der Vorstand empfing die Ankommenden im Salon, und nachdem die Herren Dr. Sichel und Dr. Otterburg erschienen, verfügte man sich in LIX den anstossenden Speisesaal, wo beide genannte Herren zur Rechten und Linken des Präsidenten, gegenüber dem Vicepräsidenten und den franzö- sischen Gästen Dr. Robin, Dr. Broca, Dr. Valleix und Herrn Masson, Platz nahmen. Das Wappen der „‚Leopoldino-Carolina‘‘ prangte in reichem Blumen- schmuck über den Sitzen der Gründer und des Präsidenten des Vereins. Die Speisen und Weine der verschiedensten Länder und das herz- lichste Entgegenkommen Fremder und Einheimischer unterhielten eine still-harmonische und freudige Stimmung bis zum Erscheinen des Sohnes der Champagne, welcher die Rede der Mitglieder und Gäste entfesselte. Dr. Meding begann die Reihe der Trinksprüche mit einer kurzen Rede und einem Lebehoch auf das deutsche Vaterland und die deutsche Wissenschaft. Dr. A. Martin, Vicepräsident, brachte den zweiten Toast auf die Kaiserl. Leopold.-Carolin. Akademie der Naturforscher, das Collegium der Adjuncten und auf die drei Ehrenpräsidenten des Vereins, Prof. Nees von Esenbeck in Breslau, Prof. Heyfelder in Erlangen und Prof. Berard in Paris. Der Vorsitzende als einziges anwesendes Mitglied der Akademie, dankte im Namen derselben und brachte sodann dem Gründer des Vor- Vereins, Herrn Dr. Sichel, so wie dem Stifter des jetzigen Vereins, Herrn Dr. Otterburg g, in Anerkennung ihrer Verdienste um die deutschen Aerzte in Paris, ein Hoch aus, welches wie die vorhergehenden mit ein- stimmig lautem Beifall aufgenommen wurde. Dr. Sichel dankte hierauf im Namen aller, die mit und nach ihm zum Bestehen und Wachsthum des Vereins beigetragen halten. Hierauf brachte Dr. Robin einen Spruch auf die Erfolge, deren sich die Deutschen in der allgemeinen Anatomie und in der Physiologie zu er- freuen haben (französich) und Buchhändler Victor Masson einige deutsche Worte auf das gedeihliche Zusammenwirken deutscher und französicher Mediein. LX Dr. Wertheimber in dankend antwortender Weise, leerte sein Glas auf: ,„‚La France la patrie adoptive de la Societe,‘* worauf Dr. Otterburg gleichfalls in französischer Sprache in längerer wohlgesetzter Rede die französischen Hospitäler und Lehranstalten in der Person des Dr. Valleix, Arzt am Hospital „‚de la Pitie,‘“ und der Herren Broca und Robin, Mit- glieder der Fakultät, feierte. Dr. Valleix antwortete für die Hospitäler und dankte besonders für die Anerkennung seiner klinischen, der deut- schen am ähnlichsten Methode, so wie Dr. P. Broca in längerer Rede die Vortheile des Kosmopolitismus der Wissenschaft und des gemeinschaftli- chen Arbeitens verschiedener Nationen hervorhob. Noch wurde aller auswärtigen correspondirenden und Ehrenmitglie- der Gesundheit von Dr. Döderlein so wie ein feuriges Lebehoch auf die Lieben in der Heimat, und besonders auf die deutschen Damen, von Dr. Oelker aus Hannover ausgebracht. — Den Schluss bildete die Vorlesung eines launigen Capitels aus einem populär -medicinischen Autor des Mit- telalters in Schweinslederband, und die Klänge eines vaterländischen „„Gaudeamus igitur‘‘ vermengten sich mit dem Schlage der Mitternachts- stunde. LXI III. Zu den von dem Fürsten Anatol von Demidoff, Franklin der Akademie, für die Feier des Allerhöchsten Geburtstages Ihrer Majestät der Kaiserin Alexandra von Russland am -.*) Juli 1854, 1855 und 1856 gestifteten Preisen aus der Botanik, Zoologie und Mineralogie. Anknüpfend an S. CXLV der ,„‚Vorrede‘‘ zur ersten Abtheilung die- ses Bandes, wo die Akademie die von Ihrer Majestät allergnädigst ertheilte Genehmigung dieses Huldigungsacts anzeigen durfte, lassen wir nun die Geschichte dieser Preisausschreibungen in ihren Dokumenten folgen, die nur hie und da eines Worts zur Fortleitung bedürfen. 1. Preis für das Jahr 1854. Ueber Botanik. Der Präsident hatte aus dem Kreise der Akademie eine Commission von drei Mitgliedern in Gedanken, in deren Händen der Beruf zur Wahl *) Nicht 17. Juni, wie an einigen Stellen nach einer falschen Tradition angegeben worden. (Man sehe „Bonpl.“ II, S. 149.) LXU einer Aufgabe aus dem Gebiete der Botanik, zur Abfassung des, diese Preiserbietung ankündigenden Programms, endlich zur Beurtheilung der eingehenden Schriften und Zuerkennung des verdienten Preises, wie von der Natur selbst niedergelegt schien: er bat zunächst die Herren Geh.-Rath Alexander v. Humboldt und Herrn Professor Dr. Alexander Braun zu Berlin, dieses Geschäft im Namen der Akademie zu übernehmen. Herr v. Humboldt lehnte aber seine Theilnahme durch die Erklärung ab, dass er seiner übrigen Geschäfte wegen solche Arbeiten selbst bei der Königl. Akademie schon lange her habe ablehnen müssen, hatte aber die Gewo- genheit, selbst Herrn Dr. Klotzsch, Custos des Königl. Herbarii. an sei- ner statt einzusetzen. Es sollten nun nach des Präsidenten Wunsch die beiden vorhandenen Mitglieder zusammen ein drittes Mitglied in die Com- mission wählen, fanden aber für gut, statt der Wahl eines solchen auf den Präsidenten der Akademie zu compromittiren, weil dieser ja auch etwas von Botanik wisse. Die Commission bestand also aus den Herren Braun, Klotzsch und Nees von Esenbeck, welcher Letztere jedoch an der Arbeit selbst nicht unmittelbar Theil nahm, und sich damit begnügte, in gewissenhafter Erwägung dessen, was seine beiden andern Herren Colle- gen ihm mittheilten, sich fähig zu finden, mit sicherem und freiem Urtheil dem ihrigen beizutreten. Das Programm erschien zuerst am 21. Juni 1853 in deutscher Sprache, wurde aber hierauf von Sr. Durchlaucht dem Fürsten selbst in’s Französische übersetzt und am 15. August in einer 1000 Expl. starken Auflage dem Zweck der weitesten Verbreitung freigebig gewidmet. LXIII 1. Preisfrage der Kaiserl. Königl. Leopoldin.-Carolinischen Akademie der Naturforscher. Ausgesetzt von dem Fürsten Anatol von Demidoff, Mitglied der Akademie (Beinamen Franklin), zur Feier des Allerhöchsten Geburtsfestes Ihrer Majestät der Kaiserin Alexandra von Russland, am 13. Juli n. St. 1854. Bekannt gemacht am 21. Juni 1853. Die Akademie der Naturforscher wünscht eine möglichst vollständige Zusammenstellung und Prüfung der in der Literatur vorhandenen Nach- richten über abnehmendes Gedeihen oder völliges Aussterben ursprünglich aus Saamen erzogener, und durch ungeschlechtliche Vermehrung erhalte- ner und vervielfältigter Culturpllanzen, insbesondere aber der Nachrichten über die Lebensdauer der in Europa aus Saamen erzogenen Obstsorten nach Anleitung und in der Ausdehnung des hier beigefügten Programms. Der Termin der Einsendung ist der 1. März 1854. Die Bewer- bungsschriften können in deutscher, lateinischer, französischer oder italie- nischer Sprache abgefasst sein. Jede Abhandlung ist mit einer Inschrift zu bezeichnen, welche auf einem beizufügenden, versiegelten, den Namen des Verfassers enthaltenden Zettel zu wiederholen ist. Die Publication über die Zuerkennung des Preises von 200 Thlr. Preuss. Cour. erfolgt in der ,„„Bonplandia‘‘ mittelst einer Beilage vom 13. Juli des Jahres 1854 und durch Versendung eines von der Akademie an demselben Tage auszugebenden besonderen Blattes, so wie später in dem laufenden Bande der Verhandlungen der Akademie, in welchem die gekrönte Preisschrift abgedruckt werden wird. LXIV Programm. Der von dem Heros der Botanik in der „‚Philosophia botanica‘ aus- gesprochene Satz: „Species tot numeramus, quot diversae formae in principio sunt creatae‘ hat sich durch die Blicke, welche uns die Geologie in Verbindung mit der Palaeontologie in die Geschichte der Pflanzenwelt eröffnet hat, als unhaltbar erwiesen. Bei dem früher auf die kurze Zeit der Menschengeschichte beschränkten Ge- sichtskreise der Naturforschung konnten wohl Gattungen und Arten als die von Anbeginn und für alle Zeiten festgesetzten Formen der organi- schen Natur erscheinen, aber anders müssen sie sich uns jetzt darstellen, nachdem die Verknüpfung der Geschichte der Vorwelt mit der der Jetzi- welt einen neuen Standpunct gegeben hat, auf welchem sich die Bilder der lebenden Natur aus unvordenklichen Zeiten auf früher ungeahnte und die kühnsten Hoffnungen übertreffende Weise immer vollständiger vor unsern Augen entrollen, Bilder, die sich von denen der jetzigen Natur gar sehr unterscheiden, ob wir gleich in ihnen die Vorstufen derselben erkennen. In der grossen Geschichte der Entwicklung der organischen Natur auf der Erdoberfläche, weiche uns auf diese Weise zugänglich geworden ist, erscheinen die Gattungen und Arten als vergängliche Glieder der von Epoche zu Epoche fortschreitenden Schöpfung, als Glieder, die nicht nur ihren bestimmten Anfang im Laufe der Zeiten besitzen. sondern ebenso zu be- stimmter Zeit auch wieder ihr Ende erreichen und aus der Reihe der leben- den Wesen verschwinden können. LXV Wenden wir unsern Blick aus der grossen Geschichte der Zeiten in die Geschichte unserer Epoche zurück, so wiederholt sich dasselbe Schau- spiel, das dort im Wechsel der Gattungen und Arten erschien, im Wechsel der Individuen. Auf dem Wege der Fortpflanzung verwirklicht sich die Art in einer Folge von Gliedern, die eine kürzere oder längere, immer aber nach dem Gesetze der Art geregelte Lebenszeit haben; es sind die Individuen. Wie in der Wechselfolge der Gattungen und Arten, nur in engern Grenzen eingebettet, schafft die Natur auch in der Erzeugung der Individuen fort, immer noch Neues hervorbringend, denn kein Indivuum gleichet vollkommen dem andern, und das mannigfaltige Reich der Varietäten stellt sich in ihnen dar. Allein hier tritt im Pflanzenreich eine Erscheinung ein, welche dem Gesetze der Vergänglichkeit und untergeordneten Lebens- dauer des Individuums zu widersprechen scheint, indem die meisten Ge- wächse ausser der durch geschlechtliche Zeugung vermittelten Fortpflan- zung durch Saamen noch eine andere Vermehrungsweise besitzen, welche, dem Individuum im weiteren Sinne selbst angehörig, diesem eine unbe- srenzte Dauer zu gewähren scheint. Es ist dies die durch Erzeugung und natürliche oder künstliche Ablösung vegetaliver Sprossen (Augen oder daraus erwachsener Zweige, die nach ihrer Besonderheit als Ableger, Stecklinge, Ausläufer u. s. w. bezeichnet werden) vermittelte Fortpflan- zung, welche nach der gewöhnlichen und fast allgemein verbreiteten An- sicht in’s Unbestimmte fortgesetzt werden kann. Das Pflanzenindividuum im weitesten Sinne, im Sinne Gallesio’s, nach welchem alle durch un- geschlechtliche Zeugung bewirkte Vermehrung dem Kreis des Individuums eingerechnet wird, könnte somit, wenn die gewöhnliche Ansicht richtig ist, in’s Endlose fortdauern, d. h. es hätte keine andere Grenzen seiner Lebensdauer, als die der Species selbst. Eine bestimmte Entscheidung, ob es sich wirklich so verhält, oder ob nicht dem Individuum, auch in die- sem weitesten Sinne, eine bestimmte, den Lebensgrenzen der Art unter- geordnete Dauer zukommt, ist von entscheidender Wichtigkeit, in theore- tischer Beziehung nicht nur, indem davon die wissenschaftliche Auffas- Vol. XXIV. P. II. I LXVI sungsweise aller ungeschlechtlichen Vermehrung wesentlich abhängt, sondern auch in ihren Folgerungen für praktische Gartenkunst. Es ist einleuchtend, dass, wenn die im Widerspruch mit der gewöhnlichen An- sicht von der unbegrenzten Vermehrungsfähigkeit mehrfach ausgespro- chene Behauptung sich bestätigen liesse, dass aus Saamen erzogene Pflanzenformen (Varietäten, Sorten, Racen), die in ihrer Besonderheit blos auf dem Wege der Sprossablösung oder vegetativen Theilung vermehrt werden können, wie dies bei den meisten cultivirten Obstsorten der Fall ist, in Beziehung auf kräftiges Gedeihen, Ertragsfähigkeit und andere ihre Vorzüglichkeit bestimmende Eigenschaften nach Erreichung eines gewis- sen Höhepunctes eine allmälige Abnahme zeigen, hieraus für den Cultiva- leur die Aufgabe erwüchse, vielmehr stets rechtzeitig neue Varietäten aus Saamen zu erziehen, anstalt die früheren altersschwach gewordenen mit immermehr abnehmendem Erfolge und vergeblicher Hoffnung weiter zu vermehren und zu pflegen. Da eine solche Abnahme der Lebenskräftigkeit lange Zeit blos auf vegelative Weise vermehrter Culturpflanzen in der That mehrfach beob- achtet wird, so erscheint die Frage nicht müssig, ob solche Erscheinungen in der Ungunst äusserer Verhältnisse, schlechter Pflege und fehlerhafter Behandlung, eine genügende Erklärung finden, oder ob sie als in der Natur des Pflanzenindividuums selbst begründet angesehen werden müs- sen; ergibt sich aus der Untersuchung das Letztere, so entsteht die wei- tere Aufgabe, die Grenzen auszumilteln, bis zu welchen das aus Saamen erzogene Gewächs, je nach Verschiedenheit der Art, seine Lebensdauer bei Vermehrung durch Sprossablegung verlängern kann? Auf dem Wege des eigenen Experiments könnte die Beantwortung dieser Fragen nur in einer Zeil herbeigeführt werden, welche das Leben des einzelnen Forschers weil übersteigt; dagegen ist kaum daran zu zwei- feln, dass die Geschichte der Culturpflanzen, so weit sie in der Literatur niedergelegt oder auch als ungedruckte Tradition an alten und grossarti- gen gärtnerischen Instituten aufbewahrt ist, die Mittel zur Lösung der LXVII Aufgabe bietet, wenn sie nur in ihrem ganzen Umfange möglichst benutzt, das unendlich Zerstreute und Zerstückelte der einzelnen Erfahrungen ge- sammelt und mit kritischer Hand gesichtet wird. Auf diese Betrachtungen gestützt, stellt die mit der Wahl einer bo- tanischen Preisfrage zur Demidoffs-Stiftung für 1854 beauftragte akademische Commission folgende Aufgabe: „Ist die Lebensdauer aus Saamen erzogener und durch ungeschlechtliche Fortpflanzung (Sprossbildung oder Ableger irgend welcher Art) vermehrter Gewächse, d.h. des Pflanzenindividuums im weitesten Sinne (im Sinne Gal- lesio’s), eine unbegrenzte, nur zufällig oder durch äus- sere Ungunst der Verhältnisse vor dem Aufhören der Species selbst erlöschende, oder ist dieselbe eine be- schränkte, der Dauer der Species innerhalb bestimmter Grenzen untergeordnete?“ Zur Lösung dieser Frage wird, ausser etwa anzuführenden noch un- gedruckten Erfahrungen, eine möglichst vollständige Zusammenstellung und Prüfung der in der Literatur vorhandenen Nachrichten über abneh- mendes Gedeihen oder völliges Aussterben ursprünglich aus Saamen er- zogener, nur durch ungeschlechtliche Vermehrung erhaltener und verviel- fältigter Culturpflanzen, insbesondere aber der Nachrichten über die Le- bensdauer der in Europa aus Saamen erzogenen Obstsorten, namentlich der Sorten des Apfel-, Birn-, Quitten- und Mispelbaums, des Pflaumen-, Kirsch-, Aprikosen-, Pfirsich- und Mandelbaums, des Feigen- und Maul- beerbaums, der verschiedenen Orangenbäume, des Oelbaums, des Wall- nussbaums, des Haselnussstrauchs, des Weinstocks, des Stachelbeer- und Johannisbeerstrauchs, so wie der Himbeer- und Erdbeerstaude, unter nä- herer Angabe der Quellen, verlangt. Die näheren Bedingungen des Ge- deihens der abzuhandelnden Gewächse, die climatischen und Bodenverhält- nisse, unter welchen sie cultivirt wurden, so wie Behandlung und Pflege LXVII derselben, sind dabei zu berücksichtigen, inwiefern dieselben von Einfluss auf die Entscheidung der Frage sein können und sich Angaben über die- selben vorfinden. Berlin und Breslau, den 15. u. 23. Mai 1853. A. Braun, Fr. Hlotzsch, Nees v. Esenbeck, als Commission für die Aufstellung und Zuerkennung des Preises. Anhang Zur Geschichte dieser hiermit beginnenden Preisvertheilungen ver- weist die Akademie auf das .‚„Vorwort zum vierundzwanzigsten Bande der Verhandlungen.“ Breslau 1853. S. XCIH—XCVI. u. CXLIH—CXLVI., und auf die „besondere Ausgabe‘“ desselben S. 8J”—88 und 135— 138, aus welchem wir hier die zur Stiftung der DEMIDOFF-PREISE gehörigen Actenstücke wiederholen. I. Stiftungsbrief vom 25. October 1852. *) Breslau, den 25. October 1852. Her Präsident! Mein Secretär, Herr A. Gallet de Kulture, hat Ihnen mein Be- dauern zu erkennen gegeben, dass ich durch mein Unwohlsein verhindert wurde, Ihnen persönlich für das schmeichelhafte Entgegenkommen meinen Dank abzustatten, mit welchem die Akademie mich zum Mitgliede ernannt hat. Er hat Ihnen zu gleicher Zeit meine Absicht zu erkennen gegeben, *) Nov. Act. XXIV. I. Vorw. S. XCIV. (Besond. Ausg. $. 86.) LXIX auf die Zeit von 10 Jahren die jährliche Summe von 25 Thalern beizutra- gen, auf den Fall, dass die Reorganisation der Akademie zur Ausführung kommen sollte. Ich erfahre eben durch den Ritter Neigebaur, unsern verehrten Collegen, dass die von ihm vorgeschlagene Reorganisation auf unbestimmte Zeit verschoben ist. Unter diesen Umständen will ich nicht, dass diese meine Absicht erfolglos bleibe, daher, Herr Präsident! will ich Folgendes ihun. Statt der 250 Thaler, die ich als meinen zehnjährigen Beitrag zum Behuf der Reorganisation anwenden wollte, will ich die Summe von 600 Thalern zur Begründung von drei Preisen bestimmen, jeden zu 200 Thalern, deren Vertheilung in den Jahren 1853, *) 1854 und 1855 stattfinden soll. Diese Preise sollen für die drei Zweige der Natur- wissenschaften verwandt werden. Der erste, 200 Thaler, im Jahre 1853 für die Botanik; der zweite, 200 Thaler, im Jahre 1854 für die Zoologie, und der dritte, 200 Thaler, im Jahre 1855 für die Geologie und Minera- logie. Diese Preise sollen an dem denkwürdigen Geburtstage Ihrer Majestät der Kaiserin Alexandra von Russland, meiner erhabenen Mo- narchin, vertheilt werden. Ich zweifle nicht, dass die Akademie die Gesinnungen, die mich bei dieser Veranlassung leiten, anerkennen und durch ihre gleichgesinnte Mitwirkung dieselben unterstützen wird, und in dieser Erwartung bitte ich Sie, Herr Präsident! auf's Neue die Versicherung der Gesinnungen der ausgezeichnetsten Hochachtung anzunehmen. (gez.) Demidoff. Dem Herrn Nees von Esenbeck, Präsident der Kaiserl. Leopold.- Carolinischen Akademie etc. zu Breslau. *) Die Kürze der Zeit gebot die Verlegung der ersten Preisvertheilung um ein Jahr, wodurch nun diese Acte auf die Jahre 1854, 1855 und 1856 fallen. S. Vorw. S. CXLV. (Be- sond. Abdr. $. 136.) Die Akademie. LXX ll. Genehmigung dieser, der Feier des Allerhöchsten Geburtstages gsewidmeten Stiftung durch Ihre Majestät die Kaiserin Alexandra von Russland. *) Mein Herr! Ihr, unter dem 4. December a. p. an Ihre Majestät die Kaiserin ge- richtetes Schreiben, wegen der von dem Herrn etc. Demidoff in drei Terminen bestimmten, von der Kaiserlichen Leopoldinisch - Carolinischen Akademie zu Breslau auf den Tag der Geburtsfeier Ihrer Majestät zu ver- anstaltenden Preisvertheilung, hatte ich das Glück, meiner Allergnädigsten Monarchin vor die Augen zu bringen. Ihre Kaiserliche Majestät geruhten dem Inhalt desselben Allerhöchstderen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. jedoch mit dankender Anerkennung der freundlichen Gesinnung obiger Akademie den Wunsch derselben, in Betreff der Preisgegenstände, insofern zu genehmigen, als Ihre Majestät deren Wahl dem Preisspender, Hrn. etc. Demidoff, im Kreise der Akademie, Allergnädigst überlassen. Indem ich es mir zur angenehmen Pflicht anrechne, Sie, mein Herr, von dieser Allerhöchsten Resolution zu benachrichtigen, ersuche ich Sie, die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung und Ergebenheit genehmigen zu wollen. (gez.) Hoffmann, Staats-Secretär Sr. Majestät des Kaisers. St. Petersburg, den 23. Januar 1853. Nr. 27. Dem Hrn. Dr. Nees von Esenbeck, Präsidenten der Kaiserl. Leopold.- Carolinischen Akademie etc. *) Nov. Act. XXIV. I. Vorw. $. CXLV und CXLVI. (Besond. Ausg. S. 137, 138.) LXXI II. Zur Mittheilung des Preisprogramms für Botanik an ihr gelehrtes Mitglied, den Preisspender. Sr. Durchlaucht dem Fürsten Demidoff, Mitglied der K. L.-C. Akademie. Ew. Durchlaucht, dem hochgeehrten Mitgliede Franklin unserer Akademie, übersende ich hierbei, nach meinem Früheren vom 16. April c., Abschrift der Ankündigung des Demidoff-Preises aus der Botanik für das Jahr 1854 nebst dem dazu gehörigen Programm mit der Bitte um Ihr Urtheil und resp. hochgeneigte Zustimmung zum Drucke, worauf dieses Blatt alsbald gedruckt und verbreitet werden soll. Der zugleich theoretisch und praktisch für die Pllanzenkunde interes- sante Stoff, — nämlich die „‚Betrachtung des einfachen Verlängerungs- vermögens der Gewächse und dessen in der Erfahrung aufzusuchende Schranken, mit besonderer Beziehung auf die Cultur der sogenannten ver- edelten Obstarten des südlichen wie des nördlichen Europa’s,‘“ — halte, als er mir durch die Herren Professor Braun und Inspector Klotzsch in vorliegender Weise mitgetheilt und ich zugleich aufgefordert wurde, wegen Verhinderung des Herrn Professors v. Schlechtendal in Halle, statt dessen in die Commission einzutreten, für mich so viel Gewicht, dass ich kein Bedenken trug, dem Wunsche der Commission zu entsprechen und dadurch zugleich die Publication zu beschleunigen. Indem ich der geneigten Entscheidung Ew. Durchlaucht entgegen- sehe, erlaube ich mir noch die Bitte, die Erklärung dabei aussprechen zu wollen: ob Ew. Durchlaucht, als Preisspender. Sich Selbst der Zuer- kennung des Preises unterziehen, oder mich ermächtigen wollen, die Com- LXXII mission zur Aufstellung auch mit dem Geschäfte der Zuerkennung desselben zu betrauen. Mit hochachtungsvollster Collegialität beharre ich Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht gehorsamster Diener Der Präsident der Akademie. (gez.) Dr. Nees von Esenbeck. Breslau. den 23. Mai 1853. IV: Antwort und Beleuchtung des Programms von dem Fürsten Demidoff. San Donato, den 16. Juni 1853. Herr Präsident! Ich habe das mir mit Ihrem Schreiben vom 23. Mai übersendete interessante Programm durchdacht und stimme ganz der Wahl einer Preis- aufgabe bei, die, wie diese, so gut geeignet ist, meiner Idee, einen sol- chen Preis zu stiften, Ehre zu bringen. Nichts verdient mehr die Auf- merksamkeit der wissenschaftlichen Botanik, als die durch das lichtvolle Programm Ihrer Akademie geforderte Lösung der aufgestellten Frage im Allgemeinen und die zugleich angeregten besonderen Anwendungen der- selben. Das Feld dieser Forschungen ist zugleich unermesslich und speciell. Es ist noch nicht lange her, dass man das Gesetz gefunden zu haben glaubte: „‚alle Species, d. h. alle Unterabtheilungen einer Pflanzen - Gat- tung, seien von Anbeginn erschaffen, um erst mit dem Untergange unsers Planeten wieder unterzugehen.‘“ — Aber die Fortschritte der Geologie in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts liessen in den Tertiär- und selbst LXXII in den Secundär-Formalionen eine Anzahl fossiler Pflanzen entdecken, die nur Species noch vorhandener Gattungen sind. Etwas später gaben Nachdenken und Erfahrung dem Menschen das wundersame Vermögen, wirklich neue Species durch künstliche Bastard- befruchtung zu erzeugen. Die Wissenschaft musste in Folge dieser Ent- deckungen anerkennen, dass sie ein allzu abstractes Princeip aufgestellt, dass sie gerechnet habe ohne den schaffenden Funken, der die Natur un- aufhörlich belebt. Gott allein kann zum belebenden Keim, wie zum Ocean sprechen: „‚nicht weiter!‘ Wer aber unter uns kann das letzte Schöpfungswort vorauswissen? Ich lebe hier unter einer grossen und zierlichen Pflanzenfamilie, den Orchideen, deren überraschende Herr- lichkeit mir jeden Tag einen neuen Beweis liefert, dass man glückliche Ueberraschungen erwarten darf, wenn man mit verständigem Auge das Arbeiten des Pflanzenlebens begleitet. Ein Theil der Botaniker, — nicht der grössere, wie ich wohl weiss, — hat nicht nur die angeführte Formel in der Uebertreibung, die sie ent- hält, aufgegeben, sondern ein anderes Gesetz aufgestellt, nach welchem „jede Pflanzen- Art nur eine bestimmte Zeit existirt und dann vergeht.‘ Hiernach müssten wir sagen, dass, wenn der Typus einer Pflanze einmal gegeben sei, die Triebe, welche aus seinem Samen hervorgehen, nicht so lange leben, als er. Der Oelbaum z. B., welcher ein patriarchalisches Alter erreicht, würde Abkömmlinge liefern, deren Existenz sich 'von Ge- neralion zu Generation verkürzen würde bis zum Verschwinden und zur Vernichtung der Species. Um ein solches Gesetz aufzustellen, um solche Erscheinungen zu bewahrheiten, müsste unsere menschliche Existenz, die nur ein allerkleinstes Theilchen in der Unendlichkeit der Zeiten ausmacht, wenigstens so lange dauern, als mehrere Generationen langlebiger Bäume. Wenn wir nun in Wahrheit zu kurze Zeit leben, um solche Fragen auf befriedigende Weise zu ergründen, so kann doch unser Geist auf specu- lative Weise die Abgründe der Zeit und des Raumes durchmessen und diese mysteriösen Probleme, wo nicht mathematisch auflösen, doch divi- Vol. XXIV. P. Il. K LXXIV niren, und die Beschäftigung mit solchen Gegenständen gehört unstreitig mit zu den Attributen einer Akademie. Das geistreiche und gelehrte Programm Ihrer Commission verlangt nicht das Unmögliche, d. h. es fordert nicht die förmliche Lösung des vor- gelegten Problems; es begnügt sich mit Thatsachen, welche zu seiner Lösung beitragen können. Dieses Verfahren ist weise. Wir werden also, wie ich hoffe, gute und gewissenhafte Preisarbeiten er- halten, welche hervorgerufen zu haben ich mir wenigstens Glück wün- schen darf, wenn auch die Wissenschaft das Verdienst dieser Anregung Ihrer ausgezeichneten Vorarbeit zuerkennen wird. Es ist von grosser Wichtigkeit, dass dieses Programm so viel wie möglich in den grossen Mittelpuncten der Wissenschaft verbreitet werde, wozu eine gute Uebersetzung in’s Französische erforderlich ist. Diese Arbeit ist schwierig, denn es handelt sich hier nicht blos um einen Lite- raten, der des Deutschen völlig mächtig ist: sondern auch um einen in die Wissenschaft ganz eingeweihten Gelehrten, — mit einem Wort, um einen Uebersetzer gleich dem, welcher uns eine so glückliche Ueber- setzung des grossen Werks von Herrn v. Humboldt: „Cosmos“ ge- liefert hat. Lassen Sie mich hierüber Ihre Meinung wissen! Ich bin übrigens bereit, Ihnen diese Uebersetzung zu erleichtern, sobald ich ein correct gedrucktes Exemplar des Programms in Händen haben werde. Weiteren Nachrichten also entgegensehend, beharre ich u. s. w. (gez.) Demidoff. LXXV I. Berlin und Breslau, den 26. und 28. Mai 1854. Die Commission zur Prüfung der für die erste Preisaufgabe der Fürstl. Demidoff’schen Stiftung für das Jahr 1854, zur Feier des Allerhöchsten Geburtsfestes Ihrer Majestät der Kaiserin Alexandra von Russland am 13. Juli n. St. (1. Juli a. St.) eingegangenen Preisschriften aus der Botanik. Auf die von dem Fürsten Anatol Demidoff ausgesetzte und von der K. Leopoldin.- Carolin. Akademie der Naturforscher unter dem 21. Juni v. J. bekannt gemachte Preisfrage: „Ist die Lebensdauer aus Saamen erzogener und durch ungeschlechtliche Fortpflanzung (Sprossbildung oder Ableger irgend welcher Art) vermehrter Gewächse, d.h. des Pflanzen - Individuums im weitesten Sinne (im Sinne Gallesio’s), eine unbegrenzte, nur zufällig oder durch äussere Ungunst der Verhältnisse vor dem Aufhö- ren der Species selbst erlöschende, oder ist dieselbe eine beschränkte, der Dauer der Species innerhalb bestimmter Grenzen untergeordnete ? * sind bis zum 1. März d. J. vier Beantwortungen eingegangen. Die erste mit dem Motto: „Müsset im Naturbetrachten immer Eins wie Alles achten,‘ ist mehr ein kurzer Aufsatz als eine wissenschaftliche Abhandlung, die bei der Preisbewerbung in Betracht kommen könnte. Indem sie den Unterschied, der zwischen geschlechtli- cher Fortpflanzung durch Saamen und ungeschlechtlicher durch Sprosse obwaltet, unberücksichligt lässt, schreibt sie der „„Knospe‘‘ die gleiche in- dividuelle Bedeutung zu wie dem Sämling, und beiden Fortpflanzungswei- LXXVI sen unbedingt dieselbe ‚‚Unendlichkeit,‘“ zum Beweise einige Beispiele von Gewächsen aufführend, welche seit lange auf ungeschlechtliche Weise vermehrt werden, ohne eine Abnahme ihres Gedeihens zu zeigen. Auch die zweite Schrift mit dem Motto: „Quoad possem‘ ge- langt zu dem Resultate, dass die Lebensdauer aus Saamen erzogener und durch ungeschlechtliche Fortpflanzung vermehrter Gewächse eine unbe- grenzte, nur zufällig oder durch äussere Ungunst der Verhältnisse erlö- schende sei. Sie geht von der Beobachtung aus, dass bei wildwachsen- den Pflanzen die Fortpflanzung durch Saamen zu der ungeschlechtlichen durch natürliche Ableger (Stolonen, Turionen, Bulbille u. s. w.) meist in umgekehrtem Verhältniss steht und die auf die letztere Weise sich ver- mehrenden Gewächse in der freien Natur keineswegs eine irgendwie ein- tretende Abnahme ihres Gedeihens zeigen. In Beziehung auf die Cultur- pflanzen, insbesondere die auf ungeschlechtlichem Wege fortgepflanzten Obstsorten, wird die Nachweisung versucht, dass vermindertes Gedeihen und krankhafte Beschaffenheit derselben, wenn wirklich stattfindend, blos ungeeigneten Culturverhältnissen und schlechter Behandlung zugeschrie- ben werden müsse, und nur solche Obstsorten im Laufe der Zeit verloren gegangen seien, deren Vermehrung, der Schlechtigkeit der Sorte wegen, vernachlässigt und endlich aufgegeben worden sei. Obgleich die ge- nannte Arbeit die gestellte Frage mit tüchtigen botanischen und gärtneri- schen Kenntnissen behandelt, so fehlt ihr doch zur Abwägung der entge- gengesetzten Ansichten und zur Begründung der eigenen die erforderliche Ausführung, so dass sie nicht als genügende Lösung der Aufgabe betrach- tet werden kann. Bedeutender in Beziehung auf Inhalt und Ausführung erscheint die dritte Abhandlung, welche durch den Spruch bezeichnet ist: „Fructi- feras plantas mortalibus dedit alma natura.‘“ Sie behandelt die Frage vorherrschend vom praktischen Gesichtspunet und erklärt die rich- tige Lösung derselben für eine Lebensfrage der Pomologie. Mit der grössten Entschiedenheit und Consequenz vertheidigt sie die unbegrenzte LXXVII Lebensdauer der durch ungeschlechtliche Fortpflanzung vermehrten Ge- wächse, weshalb sie der Cultur der alten bewährten Obstsorten dringend das Wort redet, und die Verdrängung derselben durch in neuerer Zeit aus Saamen gezogene Sorten, als welche nur in sehr seltenen Fällen Besseres lieferten, für ein Verderben der Obsteultur hält. Jedes Pflanzenindividuum hat nach der Darstellung im ersten Theile ein ihm eigenthümliches und charakteristisches Gepräge, welches, wo es entschiedener hervortritt, die Varietät begründet. Diese zeigt im Ver- hältniss zur Mutterart entweder eine erhöhte Lebenskraft und vollkomm- nere Bildung, oder eine geschwächte Lebenskraft und unvollkommnere Bildung. Die Varietäten der letzteren Art sollen meist veränderlich sein, d. h. leicht zum Normalcharakter der Art zurückkehren ; die der ersteren Art dagegen, obgleich durch Aussaat sich nicht wiedererzeugend, durch äussere Einflüsse nicht wesentlich verändert werden. Als solche unver- änderliche Varietäten werden die meisten Obstsorten erklärt, welche durch ungeschlechtliche Vermehrung in ihrem individuellen Charakter für alle Zeiten erhalten werden können, wenn anders die Kunst diejenigen Gesetze beachtet, an welche die Natur das Gedeihen derselben geknüpft hat. Die von Knight und Anderen aufgestellte Behauptung, dass in Folge fortgesetzter ungeschlechtlicher Vermehrung eine allmälige Abnahme des Gedeihens und ein endliches Aussterben der Sorte eintrete, beruhe auf Täuschung, indem man der Natur des Individuums zugeschrieben habe, was blos in den äusseren Verhältnissen, ungünstigem Klima und schlech- ter Behandlung seinen Grund habe. Im zweiten Theile, welcher der Prüfung der Literatur gewidmet isi, wird eine reiche Zusammenstellung, besonders aus pomologischen Wer- ken ausgezogener Stellen sowohl für als gegen die allmälige Abnahme im Gedeihen der älteren Obstsorten gegeben und der Kritik unterworfen. In der ganzen Abhandlung spricht sich ein warmer Eifer für die För- derung des Obstbaues aus, ein durch Erfahrung geschärftes Urtheil und eine ausgedehnte Kenntniss und reiche Benutzung der gärtnerischen, be- LXXVII sonders pomologischen Literatur. Was die Commission vermisst, ist eine gründliche Erörterung der allgemeinen Grundlagen, von welchen die Be- antwortung der Frage nolhwendig ausgehen muss, nämlich des Verhält- nisses der ungeschlechtlichen Vermehrung zur geschlechtlichen Fortpflan- zung, des Individuums zur Art, der Lebensdauer des ersteren u. s. w. Manches in diesen Zusammenhang Gehörige, wie die Ableitung und Ein- Iheilung der Varietäten ist allzu einseitig aufgefasst, die Auslegung und Anwendung der sich vielfach widersprechenden Erfahrungen erscheint oft mehr durch subjeetive Ueberzeugung, als durch objective Beweisführung motivirt. So beachtenswerth daher diese Abhandlung besonders in prak- tischer Beziehung erscheint, indem sie der aus einer extrem entgegenge- setzten Ansicht leicht hervorgehenden Vernachlässigung altbewährter Obst- sorten enigegentritt, so kann die Commission doch eine in jeder Beziehung genügende Lösung der Aufgabe nicht in ihr anerkennen; sie spricht jedoch den Wunsch aus, dass es dem Verfasser gefallen möge, dieselbe der Oef- fentlichkeit zu übergeben, und die Akademie wird bereit sein, sie im näch- sten Bande der „‚Nova Acta‘‘ abdrucken zu lassen. Die vierte Schrift endlich deutet schon durch das gewählte Motto: „Nil aeternum sub divo‘ den Gegensatz an, in welchem sie in Be- ziehung auf die Beantwortung der gestellten Frage zu den vorausgehen- den steht. Von einer allgemeinen Betrachtung des Pflanzenlebens, in welcher die Nothwendigkeit des Todes des Individuums auseinanderge- setzt wird, geht sie über zur Betrachtung der Lebensdauer der Sämlinge, der „hinfälligen‘‘ (nur einmal blühenden) Pflanzen sowohl, als der ,,„peren- nirenden‘‘ (wiederholt blühenden) Gewächse, namentlich der Bäume, welche durchgehends als eine wesentlich begrenzte dargestellt wird. Ebenso führt die Betrachtung der ungeschlechtlichen Vermehrung, welche nicht als eigentliche Fortpflanzung (Erzeugung neuer, einer besonderen Lebensidee gehorchender Wesen), sondern als blosse Vervielfältigung desselben Individuums dargestellt wird, zu dem Schluss, dass das allge- meine Gesetz der Sterblichkeit des Individuums auch hier anzuerkennen LXXIX sei, die „„Sorte,‘“ als blos ungeschlechtlich fortgepflanztes Individuum, da- her gleichfalls dem Altern und dem Tode unterworfen sein müsse. Die Nachweisung, dass die solchergestalt theoretisch abgeleitete Beantwortung der Frage auch erfahrungsmässig die richtige sei, wird im zweiten Kapitel dadurch versucht, dass die Krankheiten der Pflanze einer Untersuchung unterworfen werden, einer Untersuchung, aus welcher das Resultat gezo- gen wird, dass eine grosse Menge von Pflanzen von Krankheiten betroffen werden, für deren Eintreten das Alter einen natürlichen und oft den ein- zigen erkennbaren Grund gibt. So namentlich überall, wo gewisse Sor- ten allein oder vorzugsweise sich ergriffen zeigen. Vom Normaltypus der Art abweichende und durch Cultur erzogene Sorten, zu welchen na- mentlich die angebauten Obstsorten gehören, seien der Erkrankung und dem endlichen Aussterben besonders unterworfen. Im dritten Kapitel endlich werden einige Andeulungen über die Lebensdauer der Obstarten gegeben. Was diese Schrift vortheilhaft auszeichnet, ist das ernste Streben, die morphologischen und biologischen Verhältnisse der Pflanzen, welche bei der Untersuchung der Lebensdauer in Betracht kommen, richtig zu erfas- sen, welche bisher nirgends so gut zusammengestellt worden. Abgese- hen von manchen Ungenauigkeiten im Einzelnen der Ausführung dieser Verhältnisse, die auf einem, von der wissenschaftlichen Botanik noch so wenig cultivirten Felde nicht vermieden werden konnten, bildet nur die ganz übergangene Erörterung der Dauer staudenarliger Gewächse eine Lücke, welche um so mehr hervortritt, als dadurch der Eigenthümlichkeit vollkommener Sprosse, die vermöge ihrer Situation ohne Hülfe der Kunst selbstständig werden, keine Erwähnung geschieht. Ebenso ist die durch das Ergebniss geologischer Forschungen gestützte Ansicht, dass die Dauer auch der Gattungen und Arten der Gewächse eine nur auf Perioden be- schränkte sei, — eine Ansicht, die zur Frage nach der Dauer des Indivi- duums in nächster Beziehung steht, — unberücksichtigt geblieben. Der Prüfung der Krankheiten, an deren Auftreten das abnehmende LXXX Gedeihen mancher Culturpllanzen sich zum Theil in so erschreckender und räthselhafter Weise geknüpft zeigt, ist mit Recht ein besonderer Fleiss ge- widmet, und wir erkennen daran, dass der Verfasser die praktische Rück- sicht, worauf es hier eigentlich ankam, richtig in’s Auge fasste, und ist in dieser Beziehung nur zu bedauern, dass die früheren Nachrichten, die er benutzen konnte, meist wenig Genauigkeit haben und auch die neueren Untersuchungen noch nicht nach allen Seiten hin zum Abschluss gekom- men sind. Diese Schrift hat daher das Verdienst, durch ihr Streben und durch das Hervorheben dessen, was zu wissen Noth thue, einer künftigen Reife zur praktischen Bearbeitung der hier vorschwebenden Fragen den Grund gelegt zu haben. Die Commission will es also auch dem Verfasser nicht zum Vorwurf gereichen lassen, wenn er hie und da wesentlich ver- schiedene und von verschiedenen ursächlichen Momenten abhängige Krank- heitsformen vermischt haben sollte, wie dies in dem Abschnitt über die Weinkrankheit allerdings der Fall zu sein scheint. Die herangezogene Literatur wird durchgehends mit wissenschaftlicher Schärfe beleuchtet, doch wäre der Controverse der Pomologen über das abnehmende Gedei- hen der älteren Obstsorten eine ausführlichere Darlegung zu wünschen. Vor Allem aber wäre es wichtig gewesen, den Beweis für das gänzliche Aussterben älterer berühmter Sorten durch specielle Nachweisung zu lie- fern, wodurch jedenfalls der Glaubhaftigkeit ein wesentlicher Vorschub geleistet worden wäre. Einerseits die Schwierigkeiten, welche sich der Natur des Gegen- standes nach der Beantwortung einer Frage, wie die in Rede stehende, entgegenstellen, andererseits die Kürze des gestellten Termins, welche eine vollständige Durcharbeitung des Gegenstandes kaum als möglich er- scheinen liess. vor Allem aber die Erwägung der, auf dem zu bearbeiten- den Gebiete nicht zu verkennenden Lücken, welche schon eine gute Vor- arbeit als preiswürdig darstellen und fast nur allein eine solche, keines- wegs aber eine vollendete zu erwarten berechtigten, bedingten Rücksich- ten, welche die mit der Beurtheilung der eingegangenen Preisschriften LXXXI beauftragte Commission nothwendig nehmen musste. Sieerkennt daher der zuletzt genannten Arbeit mit dem Motto: „Nilaeternum sub divo,‘‘ ungeachtet der Mängel, welche sie an derselben gefunden hat, den Preis zu, indem sie die Richtung, welche der Verfasser verfolgt, als die naturgemässe betrachtet, die Mittel, welche er zur Beantwortung der Frage angewendet, als die richtigen billigt, und die Ausführung der ganzen Arbeit den Anforderungen, welche unter den erwähnten Umstän- den billigerweise gemacht werden konnten, für entsprechend hält. Die Commissien spricht zugleich die Hoffnung aus, dass der Verfasser durch diese öffentliche Anerkennung veranlasst und aufgemuntert werden möge, auf dem eingeschlagenen Wege theils seine eigenen Untersuchungen fort- zuselzen und weiter auszudehnen, theils fremde einer noch gründlicheren Prüfung zu unterwerfen, als ihm die Kürze der Zeit bei Ausarbeitung sei- ner Schrift erlaubte. Dr. Nees von Esenbeck. A. Braun. Hilolzsch. Mm. Das Resultat dieses Gutachtens, nämlich die Preisertheilung an den Verfasser der mit der Devise: .„‚„Nil aeternum sub divo‘‘ bezeichneten Preisschrift, ward Sr. Durchlaucht, dem Fürsten Preissteller, durch den Präsidenten der Akademie nach St. Petersburg, wo er sich jetzt befindet, gemeldet, und hatte sich seiner Beistimmung zu erfreuen, welche durch die sachkundige Motivirung des erklärten Beitritts in dessen Schreiben vom 2. Juni sich dem Commissions-Gulachten und Ausspruch anschliesst, oder vielmehr in jene so befriedigend eingreift, dass dieses Schreiben schon deshalb hier wiederholt werden muss. Vol. XXIV. P. IL. L LXXXI Schreiben Sr. Durchlaucht des Fürsten Anatol von Demidoff an den Präsidenten Nees von Esenbeck. S. Petersbourg le —- Juin 1854 (pr. den 27. Juni). Monsieur le President! J’ai examine avec un senliment de vive satisfaction le rapport de la Commission chargee de l’examen des dissertalions envoy&es pour le Con- cours de botanique de l’annee presente, el je ne puis que souscrire ä la decision de cette commission qui adjuge le prix fond& par moi ä la qua- Irieme disserlation, portant la devise: „Nil aeternum sub divo.* Il me serait impossible de me charger de la publication de la dissertation de- signee par la devise: „Fructiferas plantas mortalibus dedit alma natura,‘‘ mais j’aurais El& tres-heureux d’apprendre que l’auteur de ce travail a pris en consideration la recommandation de l’Academie et s’est decide a le publier lui-m&me. Je ne doute point que les appercus inge- nieux, ainsi que les observations pratiques contenus dans ce travail ne puissent @tre d’une utilitE r&el pour la lilterature pomologique et je ne puis qu’etre tres-flattE d’avoir efficacement contribue, en proposant mon prix. de botanique, ä provoquer les travaux serieux et consciencieux que l’Academie a juge dignes d’etre portes a la connaissance du monde savant. Je me permels d’esperer, que les autres concours ne seront pas moins heureux et pourront offrir des resultats tout aussi utiles. La Commission de Botanique ayant definitivement fix& son choix, je viens Vous prier, Monsieur le President, de faire connaitre mon assenli- ment ä cette Commission ainsi qu’a l’Academie Leopoldo-Caroline dont j’ai !’honneur d’ötre l’un des Membres, et de prendre ensuite les dispositions necessaires pour decerner le prix fonde par moi, le jour fix& par moi pour ceite solennite, c’est-ä-dire le — Juillet prochain. Vous voudrez bien LXXXIN me faire part de tous les details qui s’y rapporteront, en m’adressant Vos communications ullerieures poste restante, a 8. Petersbourg. J’ai appris avec beaucoup de plaisir par Volre lettre du 28 Mai der- nier que Vous avez dejä regu les 600 exemplaires de l’edition francaise du programme de geologie pour le concours de 1855 et Vous remercie des soins que Vous avez bien voulu prendre po:«r leur distributian. Veuillez agreer, Monsieur le President, l’assurance de ma parfaite consideralion Demidoff. Monsieur le Docteur Nees von Esenbeck, President de l’Academie des Naturalistes a Breslau. Nr. 299. In erlaubter Anspielung auf den 1. Julius, als den, dem Wortlaute nach dem 13. entsprechenden Tage des Russischen Kalenderstils, wurde vor einer Anzahl der in Breslau anwesenden Mitglieder der Akademie, nach Vorlesung des Commissionsausspruchs, der versiegelte Name des Verfas- sers von Nr. 4, dem der Preis zufiel, eröffnet, im Kreise der Akademie mit Beifall proclamirt und darüber ein Protocoll niedergelegt, welches wir hier folgen lassen. Protocoll. Verhandelt Breslau den 1. Juli 1854. Der Präsident der Kaiserl. Leopold.-Carolin. Akademie der Natur- forscher hatte auf heute die in Breslan anwesenden Mitglieder derselben eingeladen, um im Schoosse der Akademie das in Betreff des Demidoff- Preises Erforderliche zu veranlassen. LXXXIV Es hatten sich dazu eingefunden die Herren: Hofrath Dr. Burchard, Dr. Cohn, Prof. Dr. v. Glocker, Dr. Körber, Geh.-Rath Dr. Neige- baur, Dr. Pappenheim und Dr. Stenzel. Der Präsident Dr. Nees von Esenbeck bemerkte zuvörderst, dass die Stiftungs- Urkunde des Fürsten Demidoff vom 25. October 1852 bestimmt, wie die Eröffnung des Namens-Verschlusses des Verfassers der von der akademischen Commission für preismässig erkannten Arbeit die Nothwendigkeit bedinge, dieser Handlung eine gewisse Oeffentlichkeit zu geben, weshalb die Vereinigung so vieler Mitglieder der Akademie, als möglich, nothwendig gewesen sei. Demgemäss wurde von Dr. Stenzel im Auftrage des Präsidenten — da der 1. Juli nach dem Russischen Kalender dem Wortlaute nach dem 13. Juli entspreche — das Gutachten der Commission, unterschrieben von Dr. Nees von Esenbeck. A. Braun und Klotzsch, vorgelesen, nach welchem das Molto: „Nil aeternum sub divo“ die preiswürdige Schrift ist. Der Präsident legte den Anwesenden das versiegeltle Couvert vor, auf welchem dasselbe Motto verzeichnet ist. Alle überzeugten sich, dass das Siegel unverletzt ist; darauf wurde dasselbe erbrochen und fand sich der Name desselben mit dem im Innern wiederholten Motto, wie folgt: Dr. C. Jessen zu Eldena bei Greifswald. Da die Commission gefunden hatte, dass auch die Arbeit mit dem Motto: „fructiferas plantas mortalibus dedit alma natura‘ sehr gut ausgefallen sei, so hatte der Präsident beschlossen, diese Arbeit in den Verhandlungen der Akademie drucken zu lassen, weshalb der un- bekannte Verfasser aufgefordert werden soll, sich darüber zu äussern, ob er diese Veröffentlichung genehmigt. LXXXV Es wurden, da noch ausserdem zwei andere Arbeiten eingelaufen waren, mit den Motto’s: „Müsset im Naturbetrachten Immer Eins wie Alles achten, ‘* und „quoad possem,““ die drei verschlossenen Gouverts verbrannt. Da ein Mehreres nicht zu verhandeln war, wurde die Fassung des vorgelesenen Protocolls genehmigt und von den Anwesenden unterzeichnet. (gez.) Nees von Esenbeck. Glocker. Stenzel. Burchard. F. Cohn. Körber. Dr. Pappenheim hatte sich unterdess entfernt. Neigebaur, als beauftragter Secretär der Akademie. Die gekrönte Preisschrift wird in der ersten Abtheilung des XXV. Bandes der ,‚„Nova Acta‘ abgedruckt und dieser vielleicht auch die Ab- handlung Nr. 3 des Commissions - Gutachtens, wenn der Verfasser der- selben einwilligt, zur Seite gestelli werden. Vor der Hand sind wir ermächtigt, den Verfasser derselben, Herrn Friedr. Jak. Dochnahl, den berühmten Herausgeber der Pomona zu Ka- dolzburg bei Nürnberg, zu nennen, wobei wir die erfreuliche Hinweisung nicht unterdrücken können, dass gerade Männer von solcher Bedeutung ihre Aufmerksamkeit unserem Programm zugelenkt haben. Das Weitere, die Herausgabe auch dieser Schrift betreffend, bleibt vor der Hand unent- schieden. LXXXVI 2, Preis für das Jahr 1855. Ueber Mineralogie. Für das Jahr 1855 sollte, nach der ursprünglichen Disposition, eine Preisfrage aus dem Gebiete der Zoologie aufgestellt werden. Da aber Se. Durchlaucht der Fürst den dringenden Bitten des Prä- sidenten nachgegeben und die Bearbeitung des mineralogischen oder geo- logischen Preisprogramms selbst übernommen hat, so musste Er dazu auch die Tage der Musse benutzen können, deren Er sich vor einer auf den Frühling 1854 festgesetzten Reise nach St. Petersburg noch auf seinen italienischen Besitzungen erfreuen konnte, und ergab sich hieraus von selbst die Folge, dass die Reihe der Preisfragen geänderl und die aus dem (iebiete der Mineralogie an die zweite Stelle für das Jahr 1859 gerückt wurde. LXXXVI Concours de P’Academie Imperiale Leopoldo- Caroline des Naturalistes de Breslau, propos6 par le Prince Anatole de Demidoll, Membre de l’Academie, sous le surnom de Franklin, a l’occasion de la Föte Auguste de Sa Majeste l’Imperatrice Alexandra de Russie le 13 Juillet (n. st.) 1855. Publie le ler Mars 1854. L’Academie des Naturalistes de Breslau mel au concours une classi- fication des roches. Les consideralions pr&sentees ci-dessous indiquent l’esprit dans lequel ce travail pourra Eire entrepris, et les limites dans lesquelles il conviendra de le restreindre. Le terme de l’envoi des Me&moires est fixe au lerMars 1855. Les ouvrages presentes au concours peuvent &lre Eerits en allemand, en fran- gais, en lalin ou en ilalien. Chaque ouvrage devra porter une Epigraphe qui sera repelee sur une feuille signee de l’auteur et renfermee dans un pli cachete. Le resultat du concours pour le prix, qui est de Deux Cents Thalers de Prusse, sera rendu public dans la ,.Bonplandia,‘“ au moyen d’une feuille LXXXVIHN annexee, ä la date du 13 Juillet 1855; puis aussi dans un Bulletin special repandu par l’Academie, ä la m&me date, et enfin, par l’impression du tra- vail couronne dans le volume courant des Actes de l’Academie. Depuis l’epoque oü les faits geologiques ont Ele groupes systemati- quement en un corps de Doctrines, les maitres de la Science. Linne, Haüy, Werner, Alexandre Brongniart etc., ont pos& les bases d’une classification des roches. Apres eux, et jusque dans ces derniers temps, le m@me sujet a ete trait& par plusieurs Savans d’un merile Eminent. Cependant les difficultes que le Geologue Eprouve lorsqu’il veut nom- mer une roche en presence de laquelle il se trouve sur le terrain, ou dans le cabinet, prouvent que ce sujel n’est pas encore Epuise; ei d’un aulre cöte, les progres rapides que l’etude des roches a faits r&cemment, ont, en quelque sorte. ouvert des voies nouvelles vers une classification me- thodique. Une classification des roches doit donc &@tre consideree, dans l’etat actuel de la science, comme une entreprise opportune, necessaire A beau- coup d’egards, et liee d’une maniere intime aux developpemens ulterieurs de la Geologie. Sans pretendre gener en quoi que ce soit l’Emission de vues nouvel- les concernant le sujet mis au concours, et en reservant la libert& la plus absolue aux concurrents, la Commission pense devoir indiquer par quel- ques apergus, la marche qu’il lui paraitrait convenable de suivre pour &ta- blir la classification demandee. En Geologie, de m&me que dans la plupart des autres Sciences d’ob- servation, les premieres elassificalions ont eu un caraclere essentliellement artificiel: on a vu, par exemple, certains auteurs baser exclusivement leur systeme de classement sur un seul caractere exlerieur, celui de la stru- cture, qui offre en effet, pour le classement de plusieurs roches, une in- } LXXXIX fluence pr&ponderante, mais qui, considere dans des roches d’une autre na- ture, n’a plus qu’une influence secondaire. Ainsi, la structure grenue, por- phyrique, compacte, amygdaloide, se retrouve dans diverses roches qui dif- ferent ä la fois par l’Epoque de leur formation et par leur composition mine- ralogique. D’un autre cöte, une m&me roche presente quelquefois des structures tr&s-variees qui liennent aux circonstances dans lesquelles elle s’est solidifi6e, en sorte qu’il n’est guere possible de separer telle roche compacte, de telle autre roche qui est grenue. Il semble donc convenable de baser une classification des roches, non sur un seul caract&re, mais bien sur l’ensemble des caract£res les plus essentiels: parmi ces derniers, apr&s le caractere de la structure, il faut placer en premiere ligne la composition chimique et les caracteres mine- ralogiques. La classification doit avoir &egard a la composition chimique; car l’analyse a montr& que la composition chimique de cerlaines roches offrant des caracteres exlerieurs assez dilferens, reste comprise entre des limites assez constantes. On se trouve donc conduit par la, ä rattacher a un m&me type, des varieles entre lesquelles on aurait pu &tablir, sous d’autres points de vue, une distinction trop tranchee. Enfin il est, en beaucoup de cas, essentiel de tenir compte du ca- ractere mineralogique d’une roche. La reproduction des m&emes mineraux dans des roches differentes, indique, en effet, le retour de certaines cir- eonstances de cristallisation qui sont en quelque sorte definies par ces mi- neraux eux-m&@mes: par consequent, dans une classification methodique, certains types de roches doivent &tre d’autant plus rapproches, qu’ils ont un plus grand nombre de mineraux communs. L’etude de ces mineraux des roches presente assurement de gran- des diffieultes; car si le mineralogiste dispose des mineraux nettement eristallises et dont les formes sont bien definies, le plus souvent les recher- ches du G&eologue ne peuvent s’exercer que sur des cristaux tr&s-imparfaits. Aussi l’analyse chimique de ces mineraux doit-elle necessairement rempla- Vol. XXIV. P. Il. M XC cer l’etude de leurs formes et de leurs proprietes physiques. Cette analyse est le moyen le plus preeis que le Geologue puisse employer pour arriver ä determiner les roches, et de nombreux travaux publies dans ces derniers temps, ont montre tous les services qu’elle est appel&e ä rendre. Il serait tres utile de r&eunir tous ces travaux de maniere A presenter un expose aussi complet que possible de nos connaissances sur la composition mine- ralogique et chimique des roches. Des recherches inedites pourraient d’ailleurs y Etre ajoulees. Apres avoir defini les esp&ces de roches conform&ment ä ces prinei- pes, autant que le comporte l’Etat actuel de nos connaissances, on don- nera la definition de chaque espece dans des termes tels que l’on puisse, aulant que possible, a l’aide de ces definilions, denommer un &chantillon determine a la simple vue ou au moyen de quelques essais expedilifs, sans qu’il soit necessaire de recourir A l’analyse complete ou d’etre renseigne sur les eirconstances du gisement. A la suite de la definition de chaque espece, et comme compl&ment essenliel de cette definition, on signalera dans les termes les plus expliei- tes, et avec les details les plus eirconstancies, le gisement de l’espece, dans les divers points de la Serie geologique, les localites exactes oü elle a ele recueillie, et les relations qui ont El& observees entre cette espece et les autres especes de roches. Ces consideralions ont conduit la Commission chargee du choix d’un programme geologique pour le Concours Demidoff de 1855, ä poser la question suivanle: „Presenter une classification des Roches qui soit basee sur ensemble de leurs caracteres, et surtout sur l’etude de leur structure, de leurs caracteres mineralogiques et de leur composition chimique.* San Donato, — Janvier 1854. Demidoff. XCl Les soussignes, membres de la Commission, adherent au present Programme de Geologie pour le prix ä adjuger le 13 Juillet 1855, Pro- gramme propose, selon leur desir, par leur tr&s honor& collegue le Prince de Demidoff, fondateur du Prix. Breslau, 27 Janvier 1854. Dr. Nees von Esenbeck, President de l’Academie. Vienne, 1 Fevrier 1854. Dr. Wilhelm von Haidinger, Conseiller I. et R. de section et Directeur de Institut I. et R. Ge£ologique. ll. Wir lassen auch unsere Verdeutschung dieses Programms folgen, und zwar um so lieber, da dieses uns Gelegenheit gibt, einige Ausdrücke und Wendungen des deutschen Textes im Sinne unsers scharfsinnigen Herrn Collegen zu ändern. Der Präsident der Akad. XCH Preisfrage der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher, Ausgesetzt von dem Fürsten Anatol von Demidoff, Mitglied der Akademie (unter dem Beinamen Franklin), zur Feier des Allerhöchsten Geburtsfestes Ihrer Majestät der Kaiserin Alexandra von Russland, am 13. Juli n. St. 1855. Die Akademie stellt als Preis- Aufgabe: eine Classification der Gebirgsarten. Die unten folgenden Betrachtungen bezeichnen den Geist, in wel- chem diese Arbeit zu unternehmen wäre, und die Grenzen, innerhalb deren sie sich zu halten hat. Der Termin der Einsendung ist der I. März 1855; die Bewerbungs- schriften können in deutscher, französischer, englischer, lateinischer oder italienischer Sprache abgelasst sein. Jede Abhandlung ist mit einer In- schrift zu bezeichnen, welche auf einem beizufügenden, versiegelten, den Namen des Verfassers enthaltenden Zettel zu wiederholen ist. Die Publication über die Zuerkennung des Preises von zweihundert Thalern Preuss. Cour. erfolgt in der „‚Bonplandia‘‘ vermittelst einer Bei- lage vom 13. Juli 1855, und durch Versendung eines von der Akademie an demselben Tage auszugebenden besondern Bulletins, so wie später in dem laufenden Bande der Verhandlungen der Akademie, worin auch die gekrönte Preisschrift abgedruckt werden wird. XCHl Programm. Seit der Zeit, wo die Thatsachen *) der Geognosie systematisch in ein Lehrgebäude gesammelt wurden, haben die Meister der Wissenschaft: Linne, Werner, Hauy, Alexander Brongniart u. A., auch die Grundsätze einer Ülassification der Gebirgsarten aufgestellt, und dieser Gegenstand ist nach ihnen bis auf die neueste Zeit durch mehrere Gelehrte von hohem Verdienste bearbeitet worden. Aber die Schwierigkeiten, welche dem Geologen noch immer ent- gegentreten, wenn er eine Gebirgsart, sei’s an ihrem Geburtsort oder im Kabinet, benennen will. beweisen, dass diese Aufgabe noch nicht er- schöpft **) sei, und die reissenden Fortschritte, welche das Studium der Gebirgsarten in neuerer Zeit gemacht hat, haben zugleich andererseits neue Wege zu einer methodischen Classification derselben eröffnet. Eine Classification der Gebirgsarten kann also bei dem gegenwärli- gen Stande der Wissenschaft als ein zeitgemässes, in vielen Hinsichten nothwendiges und mit der weiteren Entwicklung der Geologie innig ver- wehtes Unternehmen betrachtet werden. Ohne die Aufstellung neuer Gesichtspuncte über den zur Preis-Auf- gabe gewählten Gegenstand im Geringsten beeinträchligen zu wollen, im Gegentheil vielmehr den Herren Preisbewerbern die vollste Freiheit hierin zuerkennend, glaubt die Commission in einigen Zügen den Gang angeben zu müssen, welcher ihr geeignet erscheint, zu der geforderten Ulassifica- tion zu führen. In der Geologie, wie in den meisten andern Beobachtungswissen- schaften, halten die ersten Anordnungen einen wesentlich artificiellen Cha- *) Vorher: „Gegenstände.“ **) Vorher: nicht „befriedigend gelöst‘ sei. XCIV rakter. So haben z. B. gewisse Autoren ihr Classifications-System aus- schliesslich auf einen einzigen äussern Charakter, nämlich den der Struc- tur, gegründet, welche allerdings für die Classification mehrerer Gebirgs- arten von überwiegender Geltung ist, bei andern Gebirgsarten aber nur von untergeordneter Bedeutung erscheint. So kommt z. B. die körnige, die porphyrarlige, die dichte, die mandelsteinartige Structur bei verschie- denen Gebirgsarten vor, die eben sowohl einer verschiedenen Bildungszeit angehören, als von ganz verschiedener mineralogischer Zusammensetzung sind. Auf der andern Seite zeigt aber auch zuweilen eine und dieselbe Gebirgsart sehr verschiedene Arten von Structur, welche von den Umstän- den herrühren, unter denen sie sich fest gebildet *) hat, so dass z. B. oft eine und dieselbe Gebirgsart bald dicht, bald körnig erscheint. Es scheint daher erforderlich, dass man eine Classification der Ge- birgsarten nicht auf einen einzelnen Charakter, sondern vielmehr auf die Gesammtheit der wesentlichsten Charaktere gründe. Unter die letzteren gehören aber, nächst der Structur in erstem Range: die chemische Zusammensetzung und die mineralogische Beschaffenheit. Die Classification muss Rücksicht nehmen auf die chemische Zu- sammensetzung; denn die Analyse hat gezeigt, dass die chemische Zu- sammenselzung gewisser Gebirgsarten, welche sehr verschiedene äussere Charaktere zeigen, in hinlänglich bestimmte **) Grenzen eingeschlossen ist, so dass man sich dadurch genöthigt sieht, Gebirgsarten als Varietäten zu einem Typus zu vereinigen, die man unter andern Gesichtspuncten scharf von einander trennen könnte. Endlich ist es auch in vielen Fällen wesentlich, auf den mineralo- gischen Charakter einer Gebirgsart Bedacht zu nehmen. Das Wie- derauftreten derselben Mineralien in verschiedenen Gebirgsarten zeigt of- *) Vorher blos: „‚gebildet.‘* **) Vorher blos: „bestimmte.‘* XCV fenbar die Wiederkehr gewisser Verhältnisse der Krystallisation, welche gewissermaassen durch diese Mineralien selbst bezeichnet werden, daher denn auch in einer natürlichen Anordnung gewisse Typen von Gebirgs- arten einander in dem Maasse näher gerückt werden müssen, in welchem sie eine grössere Menge von Mineralien miteinander gemein haben. Das Studium dieser Mineralien der Gebirgsarten bietet allerdings grosse Schwierigkeiten dar; denn während der Mineraloge gut auskrystal- lisirte Mineralien mit deutlich ausgebildeten Formen classifieirt, hat der Geologe bei seinen Untersuchungen häufig nur sehr unvollkommene Kry- stalle, und es muss die chemische Analyse dieser Mineralien nothwendig das Studium ihrer Formen und ihrer physischen Eigenschaften ersetzen. Diese Analyse ist das sicherste Mittel für den Geologen, um die Gebirgs- arten zu bestimmen, und zahlreiche in der neuesten Zeit bekannt gemachte Arbeiten haben die grossen Dienste erwiesen, welche sie hier zu leisten berufen ist. Es wäre sehr nützlich, alle diese Arbeiten zusammenzustel- len, so dass sie eine möglichst vollständige Uebersicht unserer jetzigen Kenntnisse von der mineralogischen und chemischen Zusammensetzung der Gebirgsarten gewährten. Es könnten aber auch neue, noch unedirte Untersuchungen beigefügt werden. Nachdem die Gebirgsarten nach diesen Grundsätzen, so weit es der Zustand unserer Kenntnisse gestattet, unterschieden und bestimmt sind, gebe man die Definition jeder Species in solchen Ausdrücken, dass man aus derselben jedes Exemplar auf den blossen Anblik, oder höchstens mit Hülfe eines leichten Versuchs, möglichst genau benennen kann, ohne dass man zur vollständigen chemischen Analyse seine Zuflucht zu nehmen, oder die Lagerungsverhältnisse zu berücksichtigen braucht. Nach der Definition jeder Art und als wesentliche Ergänzung dieser Definition lasse man in den deutlichsten Ausdrücken und im bestimmtesten Detail eine Schilderung des Vorkommens der Art unter den verschie- denen geologischen Verhältnissen und eine genaue Angabe ihrer Fund- örter und ihrer Beziehungen zu andern Gebirgsarten folgen. XCVI Diese Erwägungen haben die mit der Wahl einer geologischen Frage für den Demidoff-Preis auf das Jahr 1855 beauftragte Commission veranlasst, zur Aufgabe zu machen: „Eine Classification der Gebirgsarten, gegründet auf die „Gesammtheit ihrer Charaktere, hauptsächlich auf das „Studium ihrer Structur, ihrer mineralogischen Beschaf- „fenheit und ihrer chemischen Zusammensetzung.“ San Donato, den —. Januar 1854. 19.7 (gez.) Demidoff. Diesem von unserm hochgeehrlen Herrn Collegen, dem Stifter des Preises, Fürsten Demidoff, auf unsern Wunsch vorgelegten Entwurf der geologischen Preisaufgabe für den 13. Juli 1855, treten, als Com- missions-Mitglieder, bei Breslau, den 27. Januar 1854. Wien, den 1. Februar 1854. (gez.) W. Haidinger, (gez.) Dr. Nees v. Esenbeck, K. K. Sectionsrath und Director der Präsident der Akademie. K. K. geologischen Reichsanstalt. XCVI IV. CONTINUATIO CATALOGI Dominorum Collegarum Academiae C. L.-C. Naturae Öuriosorum a mense Decembris anni 1853 usque ad ultimum Augustii anni 1854 receptorum. Anno 1853. Ordo receplionis. 1554. Dr. Mauritius Augustus RUST, Vindobonensis, Medicinae Pra- cticus Lexingtonensis, rel. rel. rec. d. I. Decembris cogn. Rust. Anno 1854. Ordo receptionis. 1585. Alphonsus Corti de Sancto Stephano BELBO, Marchio, Medicinae in Facultate medica Vindobonensi Doctor, rel. rel. rec. d. 6. Januarii cogn. Rusconi. 1556. I. B. BARLA, Nicaeensis, Plantarum mycetoidearum indagator et illustrator elegantissimus, rel. rel. rec. d. 1. Maii cogn. Corda. 15857. Dr. Henricus BARTH, Africae penitioris indagator strenuus, rel. rel. rec. d. 1. Maii cogn. Sparrmann. 1588. Dr. Henricus Agathon BERNSTEIN, Vratislaviensi Silesius, in Java Insula iam Medicus practicus, rel. rel. rec. d. 1. Maii cogn. Reinwardt. 1589. Dr. Antonius Franciscus BESNARD, Medicus militaris in exer- citu Bavarico et Medicinae Practicus Monacensis, rel. rel. rec. d. 1. Maii cogn. Leopold Gmelin. Vol. XXIV. P. I. N XCVIM Ordo receptionis. 1590. 1591. 1592. 1593. 1394. 1595. 1596. 1597. 1599. Dr. Ioannes Baptista BORELLI, Collegii et Nosocomii chirur- giei, a $. S. Mauritio et Lazaro cognominati Taurinensis Chirurgus, rel. rel. rec. d. I. Maii cogn. Tommasini. Paulus Baro DUBOIS, Medicinae Doctor, in Universitate Litera- rum Parisiensi Medieinae Professor, Imperatrieis Gallorum Archiater, rel. rel rec. d. I. Maii cogn. Naegele. Dr. Carolus Bartholomaeus HELLER, Scientiarum Physicarum in Gymnasio Imperiali et Regio Gracensi Styriae Professor ordina- rius, Societatis I. R. Horticulturae in Styria prospieientis Secretarius, nummo aureo, Scienliarum et Artium praemio Imperiali, condecoratus, rel. rel. rec. d. I. Maii cogn. Las Casas. Dr. Hermannus ITZIGSOHN, Neodamensis, Plantarum, et inpri- mis quidem vascularium, scrutalor eximius, rel. rel. rec. d. I. Mai cogn. Roth. Dr. Georgius Fridericus KOCH, Medicus practicus Wachenhe- miensis in Bavaria Rhenana, Herbarii Soeietatis, Pollichiae dictae, Conservator, Florae Palatinatus cultor eximius, rel. rel. rec. d. 1. Maii cogn. Pollich. Dr. Adolphus MARTIN, in Palatinatu Bavarico Rhenano natus, iam Medicus practicus Parisiensis, Societatis Parisiensis medicorum Germanicorum Vice-Praeses maximeque de hac societate meritus, rel. rel. rec. d. 11. Maii cogn. Weigel. Dr. Fridericus PAULI, Nosocomii Landaviensis Palatini Medicus, Chirurgorum et Medicorum oculariorum Palatinatus princeps, rel. rel. rec. d. I. Maii cogn. de Walther. Dr. Henricus Gustavus REICHENBACH, Botanicen in Univer- sitate Literarum Lipsiensi privatim Docens, rel. rel. rec. d. 1. Maii cogn. L. ©. Richard. Dr. Hermannus SCHACHT, Historiam Plantarum in Universitate literarum Berolinensi privatim Docens, rel. rel. rec. d. 1. Maii cogn. Bonnet. Dr. Theodorus SCHUCHARDT, Landeshutensis, Plantarum scru- tator eximius, rel. rel. rec. d. 1. Maii cogn. Lindenberg. Ordo receptionis. 1600. 1601. 1602. 1603. 1604. XCIX Dr. Eduardus VOGEL, quem Africanum nostrum ex merito suo appellamus, rel. rel. rec. d. I. Maii cogn. Leo Africanus. Dr. Georgius Fridericus WALZ, Pharmaceuta Spirensis in Ba- varia, Societalis Pharmacopaeorum Germaniae Australis Director, An- nalium Pharmaciae practicae Editor, rel. rel. rec. d. 1. Maii cogn. Hildebrand. Gotthardus Augustus Ferdinandus KEBER, Medicinae et Chirurgiae Doctor, cireuli Regni Borussici Insterburgensis Physicus Regius, observationibus novis gravissimisque, et anatomieis et physio- logicis, praeclarus, rel. rel. rec. d. I. Julii cogn. Needham. Carolus Fridericus Guilelmus JESSEN, Philosophiae et Me- diecinae Doctor, Rerum Naturae in Instituto Georgico Gryphyswal- densi Magister, rel. rel. rec. d. 13. Julii cogn. Schauer. H. de DECHEN, Philosophiae Doctor, Tractus metallici ad Rhenum inferiorem summus Praeses, Collegii metallurgiei Rhenani Director, rel. rel. rec. d. 1. Augusti cogn. Leop. de Buch. V. Durch den Tod hat die Akademie in der Epoche, welche dieser Band umfasst, eines ihrer ausgezeichnetsten, sie darf sagen: ihrer berühmtesten Mitglieder verloren, Herrn Leopold von Buch, Mitglied der Akademie der Naturforscher seit dem 28. November 1818, cogn. Lucius. Sein Tod hat abermals gezeigt, dass, wer Theilnahme verdient, sie auch findet. Die Zahl der seinem Andenken gewidmeten Trauerleste ist grösser, als sie in neuerer Zeit einem verstorbenen Gelehrten zu Theil wurde, und mehrere Biographien des Gefeierten sind bei dieser Gelegen- heit erschienen. *) Wir theilen hier mit Erlaubniss des Herrn Verfassers den Vortrag mit, welchen Herr von Dechen am 17. Mai 1853 in der General - Ver- sammlung des naturhistorischen Vereins der Preussischen Rheinlande und Westphalens gehalten hat: *) Ausser der Denkschrift von Herrn Berghauptmann v. Dechen, welche wir hier aufneh- men durften, sind uns noch vier andere nicht minder ausgezeichnete Arbeiten zur Hand, ; welche in dem kurzen Zeitraume vom 19. März bis zum 30. Mai das Leben und die hohen Verdienste Leop. v. Buch’s schilderten: Gedächtnissfeier für Leop. v. Buch, begangen in der Bergakademie zu Freiberg am 19. März 1853. Illustrirte Zeitung Nr. 510. Besonderer Abdruck bei dem Verleger Hrn. J. J. Weber. Mit Leop. v. Buch’s Bildniss und der bildlichen Darstellung seiner Ge- dächtnissfeier am 19. März. Leop. v. Buch. Gedächtnissrede, gehalten am 6. April 1853 in der Versammlung der deutschen geologischen Gesellschaft zu Berlin, von dem stellvertretenden Vorsitzenden (Herrn Geheimen Bergrath v. Carnall). Als Manuscript gedruckt für die Mitglieder der Gesellschaft. Mit dem Bildniss des Verewigten. 4. Gedächtnissrede auf Leop. v. Buch. Gehalten am 23. April 1853 in der Aula der polytechnischen Schule zu Dresden von H. B. Geinitz, Professor an der polytechnischen Schule zu Dresden. Dresden. Arnoldische Buchhandlung. 8. Zur Erinnerung an Leop. v. Buch, von W. Haidinger. Jahrbuch der K. K. geo- logischen Reichsanstalt zu Wien, IV. Jahrgang 1853. 2. Vierteljahr. $. 207. 4. f Cl ‚Leopold von Buch. Sein Einfluss auf die Entwicklung der Geognosie. Von Dr. H. von Dechen, Königl. Preuss. Berghauptmann, Director des Ober-Bergamtes in Bonn und zeitigem Präsidenten des naturhistorischen Vereins der Preussischen Rheinlande und Westphalens. Ein geistvoller Astronom sagte, als er über das Leben von Bessel’s zu reden begann: wer sein Leben beschreiben wolle, müsse die Geschichte der Astronomie während dieses Zeitraumes vortragen. Mit demselben, ja vielleicht mit einem durch die besonderen Verhältnisse der Wissenschaft, welcher Leop. v. Buch seine Thätigkeit gewidmet hat, hervorgerufenen noch höheren Rechte muss man sagen, seine Lebensbeschreibung und die Geschichte der Geognosie in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts sei ein und dasselbe. Ueberall, in allen Zweigen der Geognosie sehen wir seine Arbeiten, als Grundlage weiterer Forschungen, als Blüthen selten erreich - ten Scharlsinnes an die Grenzen des Umfanges gelangt, welche mensch- liche Kräfte noch nicht zu überschreiten vermochten. Wenden wir uns zu den Vulkanen, so ist es Leop. v. Buch, welcher uns ihren Bau, ihre Wirksamkeit entwickelt, welcher mit der feinsten mineralogischen Unter- scheidung ihre Gesteine vergleicht, ihr gegenseitiges Verhalten auseinan- dersetzt und mit dem physikalischen Ueberblick aller Verhältnisse ihre Gruppen über die gesammte Oberfläche unseres Planeten verfolgt. Zie- hen wir die Gebirgsketten in Betrachtung, so ist es Er, welcher in weni- cu gen sicheren Zügen die Grundsteine zu den stereometrischen Erörterun- gen gelegt hat, die ihr Hervortreten in eine historische Reihenfolge brin- gen. Die Sicherheit, mit der die sedimentären Ablagerungen aller Zeiten, von einem Ende Europa’s bis zum anderen, in ihrer Identität, in ihrer Auf- einanderfolge, als Stützen der geographischen und topographischen Geo- gnosie erkannt werden, verdanken wir den mühevollen Arbeiten, welche Er der Vollendung der geognostischen Karte von Deulschland und eines Theiles von Frankreich gewidmet hat. Unmöglich hätte diese Sicherheit erlangt werden können ohne das gründlichste, in die kleinsten Einzelhei- ten dringende Studium der organischen Reste; überall wo die Leitformen geschichteter Ablagerungen untersucht werden, wo es sich um Cephalo- poden, Brachiopoden, Crinoiden handelt, ist Er der Leiler und Gründer, der Methoden erfunden und Wege gewiesen, welche noch lange zu er- weiterter Kenntniss führen werden. ..Nie wird man von dem, was er für „die Wissenschaft that, zu reden vermögen. ohne die Verbindung so vie- „ler seltenen Vorzüge des Verstandes und Herzens zu erwähnen, ohne „von seiner warmen Freundschaft, von seinem Feuereifer für alles Gute „und Schöne zu reden. Denn darin ist sein wissenschalftliches Leben von „dem so vieler anderen grossen Gelehrten gänzlich verschieden. So vor- „züglich, so trefflich auch der Charakter dieser seltenen Männer gewesen „sein mag, ihren Beziehungen zur Wissenschaft war er gewöhnlich durch- „aus fremd. Wie wäre das bei ihm möglich gewesen? Wie hätte er „eine neue Ideenreihe mit Glück verfolgen mögen, ohne nicht zugleich „Freunde und Bekannte mit sich forlzureissen, den neuen Weg mit ihm „zu betreten? Und die Früchte seines Bestrebens haben sich dadurch „schnell und wohlthätig über ganz Europa verbreitet. Sie haben überall „neue und reiche Ernten getragen.“ Das sind die eigenen Worte Leop. v. Buch’s, die er in der Gedächtnissrede auf den Mineralogen Karsten in der Berliner Akademie der Wissenschaften am 3. Juli 1814 sprach. Wie treffend, wie wahr mögen wir dieselben auch auf ihn selbst an- wenden! CHI Alex. v. Humboldt, dem das sicherste Urtheil darüber gebührt, schrieb an seinem Todestage einem gemeinschaftlichen Freunde: .,Er „war nicht blos der Gründer und Reformator einer grossen Wissenschaft, „eine der grössten Illustrationen unserer Zeit, er war auch ein durchaus „edler, hülfreicher, gefühlvoller Mensch, trotz manchen Wechsels im Has- „sen und Lieben, trotz kleiner Verstimmungen, die vielleicht physische „„Ursachen hatten. Ich fand ihn bei Werner, als ich nach Freiberg kam „791! eine Freundschaft von 63jähriger Dauer hat mich mit ihm ver- „bunden, ohne Trübung, obgleich früher uns bisweilen auf demselbem „Boden treffend. Ich stehe jetzt sehr isolirt und sehe heut in ihm mich „sterben. Unser Schmerz ist tief und gerecht.‘ Dem berühmten englischen Geologen Sir Roderick Murchison theilte Humboldt ebenfalls an diesem Tage die Trauerbotschaft in einem Briefe mit, welcher der Oeffentlichkeit übergeben worden ist. In diesem finden sich folgende Worte: „,Er gehörte nicht allein unter die grossen „Berühmtheiten unserer Zeit, sondern besass das schönste, edelste Ge- „müth. Er liess eine leuchtende Spur zurück, wohin er nur zog. Er „durfte sich rühmen, das Gebiet geologischen Wissens am meisten erwei- „tert zu haben, immer im unmittelbaren Verkehr mit der Natur. Mein „Schmerz ist lief, ohne ihn fühle ich mich recht einsam, ihn zog ich als „Meister zu Rathe und seine Zuneigung (wie die von Gay Lussac und „Arago. welche auch seine Freunde waren) unterstützte mich in meinen „Arbeiten.“ So urtheilt Alex. v. Humboldt, weithin der berühmteste unter allen lebenden Forschern, denen die Naturwissenschaften ihre heutige Blüthe verdanken, nicht blos von dem Schmerze seines Verlustes tief berührt, sondern auch in ruhiger wissenschaftlicher Betrachtung, denn er schliesst die Schilderung der Vulkane im Cosmos mit den Worten: „,Sie gründet „sich theilweise auf meine eigenen Beobachtungen, in der Allgemeinheit „ihrer Umrisse aber auf die Arbeiten meines vieljährigen Freundes Leop. „v. Buch, des grössten Geognosten unseres Zeitalters, wel- CIV „‚cher zuerst den inneren Zusammenhang der vulkanischen Erscheinungen „und ihre gegenseitige Abhängigkeit von einander nach ihren Wirkungen „und räumlichen Verhältnissen erkannt hat.“ Leopold v. Buch, geboren am 26. April 1774 zu Stolpe, dem elter- lichen Gute bei Angermünde in der Uckermark, genoss in der ländlichen Stille eine sorgfältige Ausbildung. Mit den glücklichsten Geistesanlagen, von dem eifrigsten Streben nach Wissen beseell, war er, erst 16 Jahre alt, reif genug, um die Freiberger Bergakademie zu beziehen (10. Mai 1790). Die Mutter entliess ihn mit den besten Erwartungen. Der Mi- nister v. Heinitz, den Friedrich des Grossen Scharfblick ausersehen hatte, um in seinem Staate die unterirdischen Schätze zum Wohle des Ganzen zu heben, um dem bis dahin ganz vernachlässigten Bergbau neues Leben zu verleihen, zog die ausgezeichnetesten Geister herbei. Carl v. Stein, Alex. v. Humboldt. Leop. v. Buch widmeten sich dem Berg- bau. Buch wurde dem hochgefeierten Lehrer der mineralogischen Wis- senschaften, Werner, anvertraut; er wohnte in seinem Hause, und im späten Alter redete er noch von dem mächtigen Eindrucke, welchen die Schärfe des Geistes, die Eigenthümlichkeit dieses Mannes auf ihn gemacht hatten. Schon im Jahre 1792 überreichte er dem Minister v. Heinitz die Tagebücher einer Reise nach Seiffen im oberen Erzgebirge (August 1792); nach Waldheim, Nossen, Rosswein (September 1792); einen Grubenbericht von Christbescheerung Erbstollen bei Gr. Voigtsberg, als die ersten Früchte seiner geognostischen und bergmännischen Studien. In demselben Jahre wurde seine erste Arbeit: „ein Beitrag zu einer mineralogischen Beschreibung der Carlsbader Gegend“ in dem bergmännischen Journal abgedruckt (Jahrg. V, 2. Bd., S. 383). Sie ist anonym, bezeichnet: L. €. v. B., datirt: Freiburg den 8. Oct. 1792. Begleitet von Joh. Carl Freiesleben, mit dem er bis zu dessen Tode (1846) in der engsten Freundschaft verbunden blieb, setzte er seine Studien in Halle for. Von hier sandte er seine bekannte Abhandlung über den Kreuzstein an den Minister v. Heinitz (1795). Er verfolgte CV seine bergmännische Laufbahn, wurde am 24. März 1796 zum Refe- rendar bei dem schlesischen Ober-Bergamte ernannt und dasselbe wurde angewiesen, „ihm die Bearbeitung der in die Gebirgskunde und mineralo- gische Untersuchung einschlagenden Gegenstände und bei vorkommender Gelegenheit desfallsige Commissionen zu übertragen.“ Er widmete sich nun ganz der geognostischen Untersuchung von Schlesien. Seine Arbei- ten werden noch in der Handschrift in den Archiven der Bergwerks-Ver- waltung aufbewahrt; einzelne Aufsätze: Geognostische Bemerkungen von Niederschlesien, mit einer Karte; Geognostische Bemerkungen über Ober- schlesien, mit einer Karte; Geognostische Uebersicht von Neuschlesien ; Verbreitung des Steinkohlengebirges in dem Leobschützer Kreise. Die beiden letzteren sind oft in Carl v. Deynhausen’s Beschreibung von Oberschlesien angeführt. Aus dieser Beschäftigung ging auch die erste Arbeit hervor, welche selbstständig von ihm im Druck erschien: „Mine- ralogische Beschreibung von Landeck“ (Breslau 1797), ferner der Entwurf einer geognostischen Beschreibung von Schlesien, welcher den ersten Abschnitt der geognostischen Beobachtungen auf Reisen durch Deutschland und Italien bildet, aber erst später im Jahre 1802 erschien. Unter diesen Arbeiten in Schlesien hatte sich der Geognost bereits voll- ständig ausgebildet. Das Lebensgeschick Leop. v. Buch’s war entschie- den. Er gehörte der Wissenschaft an, welche Werner begründet und den übrigen Naturwissenschaften als ihren Knotenpunect und gemeinsamen Sammelplatz hinzugefügt hat, der Geognosie. Die Erforschung der Verhältnisse, unter denen die verschiedenen Gebirgsarten die feste Rinde unseres Planeten zusammensetzen, das war die Aufgabe seines Lebens ge- worden, welcher er sich mit dem ganzen Umfange seines Geistes, mit dem bewunderungswürdigsten Scharfsinne, mit der Ausdauer und der Energie des Charakters widmete, die Friedrich der Grosse durch sein überwäl- tigendes Beispiel in so vielen der Edelen seines Volkes zu erwecken ge- wusst hat. Seine Lehrjahre lagen bereits hinter ihm, als er sich im Jahre 1797 Vol. XXIV. P. Il. 0 CVI mit Alex. v. Humboldt den Alpen zuwendete und den durch so viele physikalische Arbeiten desselben berühmt gewordenen Aufenthalt in Salz- burg bis zum Jahre 1798 mit ihm theilte. In allen Arbeiten, die er von jener Zeit an veröffentlicht hat, ist der gründliche gewissenhafte Forscher zu erkennen, keine Mühe, keine Anstrengung ist ihm zu gross, um die Geheimnisse der Natur zu ergründen. Es gilt ihm nur, die Wahrheit zu erforschen, die Wissenschaft zu fördern. So ist er geblieben bis an sein Lebensende. Das Verhältniss zum Staatsdienste, welches er angestrebt, löste sich von selbst. Er konnte unabhängig leben und er hat diese Un- abhängigkeit auf eine Weise benutzt. wie nur wenige Menschen. Rast- lose und angestrengte Thätigkeit gehörte zu seinem Leben als nothwen- dig; der sich gehen lassende, an der Oberfläche schöpfende Dileltantismus schien ihm in jeder Beziehung eines Mannes unwürdig. Alles, was er auf seinen fortdauernden Reisen, in den Sammlungen der grossen Resi- denzen, wie der einzelnen Forscher in den entlegensten Orten sah, beob- achtete, was ihm aus dem lebendigsten Verkehre mit den Gelehrten aller Nationen entgegentrat, verarbeitete er in sich, bis er den bestimmtesten und klarsten Ausdruck für die Beobachtung, für die Erscheinung gefun- den. Mit der Lebendigkeit eines bis an’s Lebensende jugendlichen Gei- stes schildert er den ersten, unmiltelbarsten Eindruck seiner Wahrneh- mungen. Wunderbar, diese eindrucksvolle Darstellungsgabe, die seine oft begeisterte Rede in dem Kreise hingebender Zuhörer ebenso wie seine Briefe, wie alle seine Schriften auszeichnet, hat sich in einem Zeitraume von 55 Jahren nicht geändert. Vergleichen wir den Aufsatz: .,von der Uebergangsformation mit einer Anwendung auf Schlesien.‘ den er in Salzburg am 13. December 1797 niederschrieb, mit seiner letzten Vorle- sung in der Berliner Akademie am 16. December 1852 „über die Jura- formation auf der Erdfläche,‘““ wer würde nicht sofort dieselbe Eigenthüm- lichkeit der Auffassung, der Darstellung, des Stils wiedererkennen! Aber wie sich das geognostische Wissen aus den ersten Anfängen sorgfältiger Beobachtungen nach den Lehren und Methoden von Werner CVll herausgebildet hat. zu der Sicherheit und Allgemeinheit, in welcher es ge- genwärlig über den Mangel der Juraformation in Amerika, sogar in der ganzen südlichen Hemisphäre abspricht, das tritt in diesen beiden Abhand- lungen auf eine so schlagende Weise hervor, dass sie recht füglich als das Maass der Fortschritte betrachtet werden können, welche die Geogno- sie in diesem Zeitraume gemacht und wir können mit Stolz sagen, unter Leop. v. Buch’s kräftiger Führung gemacht hat. v. Moll, welcher den Aufsatz von der ‚‚Uebergangsformation‘‘ in seine Jahrbücher ‚‚der Berg- und Hüttenkunde‘‘ aufnahm, sagt: „Buch, Schroll, Ployer sind be- kannte Namen, sie bedürfen keiner Empfehlung. Ich besinne mich nicht, dass bis jetzt Jemand von der Uebergangsformation mit der Autopsie ge- sprochen hätte, welche die Schriften des Hrn. v. Buch vorzüglich schätz- bar macht.‘“ In diesem Aufsatze ist das gesammte Uebergangsgebirge, welches sich in dem versteinerungsleeren Thonschiefer den ersten Anfän- gen mechanischer Ablagerungen unserer Erdrinde anschliesst, bis herab zur Steinkohlenformation in seinen allgemeinsten Zügen geschildert. Die klare Uebersicht vieler einzelner, von ihm selbst beobachteter Thatsachen, das Zusammenhalten unter allgemeine Gesichtspuncte, die genaueste Kennt- niss Alles dessen, was bis dahin über diesen Gegenstand bekannt war, zeichnen diese Arbeit eben so sehr aus, als die gleichmässige Anerken- nung des verehrten Lehrers Werner und dessen kundigen Gegners Voigt, „‚dessen grosse Verdienste um die Geognosie,‘“ wie sich Buch ausdrückt, „,jetzt zu sehr verkannt zu sein scheinen.“ Wie merkwürdig ist nicht die Hervorhebung der Wichtigkeit chemischer Analysen, ‚‚deren Reform seit den wichtigen Entdeckungen unseres grossen Klaproth fast nothwendig geworden,‘‘ der Krystallographie, mit der er sich bereits sehr ernstlich beschäftigt hatte. Diesen Gegenstand verfolgte er mit grossem Eifer. Das Jahr 1798 hatte ihn nach Italien geführt; Anfangs 1799 ge- langte er nach Neapel. Auf dem Rückwege besuchte er Paris. Am Ende des Jahres (3. December 1799) schreibt er von dem väterlichen Gute CVIMI aus: „ich habe in Paris Hauy kennen gelernt, er hat mich mit Güte und Freundschaft überhäuft.““ Er giebt nun eine ausführliche Nachricht über die wesentlichsten Grundsätze der Hau y’schen Krystallographie und trägt die leitenden Ideen vor, welche er so oft in späteren Jahren in mündlicher Rede mit durchdringender Klarheit über das Wesen der Krystalle, über die innere Verbindung ihrer Gestalten, über Mineralogie und ihr Verhält- niss zur Chemie dem erstaunten Zuhörerkreise auseinandersetzte, der in ihm nur den viel gewanderten Geognosien zu kennen gewohnt war. Die geognostischen Studien, welche er in Frankreich, Italien und der Schweiz bis zum Jahre 1806 fortsetzte, vollendeten seinen wissen- schaftlichen Ruf als Geognosten. Einen Theil seiner Untersuchungen aus diesem Zeitraume hat er in dem zweiten Bande seiner geognostischen Beobachtungen auf Reisen durch Deutschland und Italien bekannt gemacht, der bereits 1806 fertig gedruckt, doch erst 1809 erschienen ist. Italien, der klassische Boden der Vulkane, hat ihn veranlasst, die Erscheinungen derselben auf das gründlichste kennen zu lernen. Schon im Jahre 1801 erschien in v. Moll’s Jahrbüchern der Aufsatz: „„Bocche nuove,‘‘ Frag- ment aus einer Reihe von Briefen über den Vesuv, der von der Begeiste- rung zeugt, mit der ihn seine Beschäftigungen damals erfüllten; von der Sicherheit, mit der seine Ansichten sich entwickelten. Rom mit den zwei- felhaften Verhältnissen einer alten Vulkanität hatte ihn, den treuen Anhän- ger der Werner’schen neptunischen Theorie, in nicht geringe Zweifel und Spannung versetzt. Von Rom aus schrieb er an v. Moll: „Ich suche „mich hier so viel als möglich zu entschädigen und streife in den Gegen- „den umher. Aber jeden Tag fühle ich mehr, dass ich nur halbe Beob- „achtungen mache. Ich verwirre mich in Widersprüche, die hier die „Natur mit sich selbst zu machen scheint, und gewiss, es ist kein ange- „nehmes Gefühl, ein Gefühl, welches meine körperliche Constitution an- „greift. am Ende gestehen zu müssen, man wisse nicht, was man glauben „solle; oft, ob es erlaubt sei, seinen eigenen Augen zu trauen.“ Die ängstliche Sorge, zur Wahrheit zu gelangen, verbindet sich in ihm mit CIX der aufrichtigsten Pietät gegen seinen Lehrer Werner. Die Zueignung des ersten Bandes der geognostischen Beobachtungen auf Reisen aus Neufchatel vom 16. November 1800 giebt davon einen gar schönen Be- weis. Er sagt: „,‚Sie werden oft die Worte und die Ideen — wie sehr „wünschle ich hinzufügen zu können — auch den Geist des Lehrers wie- „„dererkennen. Denn wie könnte der Schüler seine Dankbarkeit lebhaf- „ter äussern, als durch das Bestreben. der Schöpfung des Lehrers weitere „Verbreitung, neue Ausdehnung, neue Festigkeit zu verschaffen? Und „wenn es in diesem Falle auch immer sein Schicksal sein muss, seine „„Lehrsätze mit den Irrthümern des Schülers durch einander geworfen zu „sehen, so leitete ja von jeher der Weg zur Wahrheit über Irrthümer hin.“ So gründlich auch seine vulkanischen Studien gewesen waren, so konnte doch selbst der Aufenthalt in der Auvergne im Frühjahr 1802 (April und Mai), deren erloschene Vulkane er mit einer Sicherheit und Deutlichkeit beschreibt. welche die Briefe an Karsten noch heut zum vortrefflichsten Führer in jenen Gegenden macht, seine Ansichten über die neplunische Entstehungsweise deutscher Basalte im Allgemeinen noch nicht umstossen. Am 7. Mai 1802 schreibt er noch von Clermont: „Es „st doch unmöglich, an eine partikuläre Formation, an ein Fortfliessen des „‚Basaltes zu glauben, wenn man mit seinen Verhältnissen in Deutschland „bekannt ist! Wenn man weiss, wie so viele Gebirgsarten dort des Ba- „‚saltes wesentliche Begleiter sind; wie sie mit ihm zu einem grossen, all- „.gemeinen Ganzen gehören, dessen Entstehung mit vulkanischen Ideen gar „nicht vereinbar ist.‘‘“ Nachdem er in gedrängtester Kürze und mit ge- wohnter Lebendigkeit nochmals die Gründe für und gegen die neptunische Entstehung des Basaltes angeführt, schliesst er: „.So stehen wir bestürzt und verlegen über die Resultate, zudenen uns „die Ansicht des Montdor nöthigt. — Ist der Porphyr am Puy de Dome, „am Sarcouy, am Puy de la Nugere aus dem Granit entstanden, so mögen „auch wohl die Schichten des Montdor der Veränderung (nicht der CX „Schmelzung) des Granits ihre Entstehung verdanken und der Basalt „könnte von diesen Gesteinen ein geflossenes Product sein. — Aber auch „„die eifrigsten Vulkanisten sollten es nicht wagen, dies Resultat als ein „allgemeines zu betrachten und es auf deulsche Basalte anwenden zu „wollen. Stehen die Meinungen im Widerspruch, so müssen neue Beob- „achtungen den Widerspruch lösen.“ Im Anfange des Jahres 1806 wurde er zum Mitgliede der Berliner Akademie der Wissenschaften gewählt, zu deren thätigsten Mitarbeitern, zu deren glänzendsten Zierden er beinahe während eines halben Jahrhun- derts gehört hat. Seine Antrittsrede ist vom 17. April 1806: „‚Ueber das Fortschreiten der Bildungen in der Natur.“ Die ersten Worte geben ein treues Bild des Mannes, den wir zu schildern versuchen: „„Wenn auch „„der wissenschaftliche Forscher durch den inneren Zweck seiner For- „schungen in seiner eigenen Welt lebt, und was ihn umgiebt als eine „neue und fremde Welt ansieht, was kann doch dagegen dem fühlenden „Menschen wichtiger sein, als die Theilnahme, die Beweise des Beifalls „und der Zufriedenheit seiner Mitbürger? Denn diese erst wecken den „„Muth, dem betretenen Wege sicherer und schneller zu folgen, und durch „sie ermuntert, wird man fester und mit grösserem Selbstvertrauen die „Wahrheit ergreifen.“ Er giebt eine allgemeine Uebersicht der Ausbil- dung der Erdoberfläche, der organischen Wesen bis zum Menschen herab. Die Wichtigkeit dieser Untersuchungen konnte damals bei der geringen und unvollständigen Kenntniss der in den Erdschichten enthaltenen orga- nischen Reste kaum geahnet werden. Dem Geiste Leop. v. Buch’s war dieselbe klar, wenngleich er kaum voraussetzen mochte, dass er selbst dereinst noch diesen Studien einen grossen Theil seiner Thätigkeit zu- wenden und die glücklichsten Fortschritte in denselben machen würde. „Mitten unter diesem Hervorbringen ist endlich im grössten Entge- „genwirken der Kräfte — so schliesst er — die Bildung des Menschen „erschienen; des künstlichsten, des höchsten, des freiesten Wesens! Ein „grosser Conflict von physischen Ursachen war zu seinem Dasein noth- ER EEE CXI „wendig. Durch innere Kraft reisst er sich los und erhebt sich über die „physische Natur. Er allein umfasst von Pol zu Pol den ganzen Erdball. „Was aber mit physischem Hervortreten begann, mit dem Drängen nach „Freiheit, das ergreift und erhöht die sittliche Cultur des Menschenge- „schlechtes, und wer vermag ihr die Grenzen zu ziehen? „Gelingt es der Geologie, dieses grosse Fortschreiten vom formlosen „Tropfen bis zur Herrschaft des Menschen durch bestimmte Gesetze zu „führen, so scheint auch sie nicht unwürdig, in den grossen Verein der „Wissenschaften zu treten, die in einander wirkend sich bestreben, das „angefangene Werk der Natur zu vollenden. — Und jede Thatsache zur „näheren Entwickelung geologischer Gesetze wird Männern von Werth „sein, die sich das Recht erworben, sie als die Repräsentanten der Wis- „senschaften zu betrachten.‘ Bis dahin hatte Leop. v. Buch Deutschland, die Schweiz, Frank- reich, Italien kennen gelernt. Seine wichtigsten Studien waren auf die Eigenthümlichkeiten der krystallinischen Gebirgsarten vom Granit anfan- gend bis zu den eben aus dem Flusse erstarrten augilischen Laven gerich- tet gewesen. Das Feld dieser Untersuchungen bis zur Nordspitze Eu- ropa’s auszudehnen, schickte er sich im Sommer 1806 zu einer Reise nach Schweden und Norwegen an. Er schrieb am 24. Juni 1806, im Begriff nach Kopenhagen zu gehen. darüber an v. Moll in scherzhafter Weise. Doch mochte ihn noch ein anderer Grund forttreiben. Bei der Lebendigkeit seines Gefühles, bei seiner Vaterlandsliebe konnte er nicht Zeuge der Katastrophe bleiben, welche unaufhaltsam über Preussen da- mals hereinbrach. Weit in den eisigen Norden zog er sich zurück. um die Schmach des Landes, den Uebermuth der Feinde nicht zu sehen; durchwanderte Schweden und Norwegen mit grösstem Eifer und kehrte erst am 27. November 1808 nach Berlin zurück, als der Feind das Land geräumt und ein neuer energischer Geist unter äusserm Druck sich zu entwickeln begann. Die Resultate seiner Forschungen sind in zwei kleinen Bänden: CXU „Reise durch Norwegen und Lappland, 1810,‘ bekannt gemacht; und wie wichtig sind sie nicht! Das Uebergangsgebirge von Christiania bot ganz neue und unerwartete Thatsachen dar; da gab es einen Uebergangs- granit, und die Werner’sche Lehre von der Uranfänglichkeit dieses weit verbreiteten Gesteins war erschüttert. Wie genau sind nicht die Beob- achtungen über die Reihenfolge der Schichten von Thonschiefer und schwarzem Kalkstein, von Kieselschiefer und Sandstein, auf denen Por- phyr bei Krogskoven, Granit am Sannesis und der Zirkonsyenit des Wä- ringskullen aufruht. Wie gross ist das Erstaunen, diesen prachtvollen krystallinischen Gesteinen ein jugendlicheres Alter zuschreiben zu müssen, als den weit verbreiteten Versteinerungen; wie vorsichtig und zurückhal- tend sind alle Schlussfolgerungen, welche er daraus zieht. Denn ihm war es klar, dass sie zu einer gänzlichen Umgestaltung der herrschenden An- sichten in der Geologie führen mussten. Immer kommt er wieder darauf zurück. Bei Holmestrand liegt der Nadelporphyr auf schwarzem Kalkstein, auf Sandstein; die Felsenreihe ist Porphyr, aber dieser Porphyr wird zum Basalt, durch unendliche Abstufungen und Veränderungen von Gesteinen, an denen Auvergne so reich ist. So entwickelt sich allmälig die Kennt- niss des Augitporphyrs, welche Leop. v. Buch später zu einer der glän- zendsten seiner Arbeiten führen sollte. Mit der eindrucksvollsten Lebendigkeit giebt er Nachricht von dem scheinbaren Sinken des Meeresspiegels am bothnischen Meerbusen bei In- nerviken, Geffle und Calmar; „gegen die Anwohnenden am ganzen Golf „herunter darüber Zweifel zu erregen, hiesse wahrlich sich bei ihnen lä- „cherlich machen.““ Er beweist in wenigen treffenden Worten, dass ganz Schweden sich langsam in die Höhe hebt, von Frederikshall bis Abo; auch Norwegen. Möglich wäre es doch, dass Schweden mehr stiege als Norwegen, der nördliche Theil mehr als der südliche. Niemand ahnete die Wichtigkeit dieser Entdeckung. Nach wenigen Jahren entwickelte sie sich zu einem der Grundpfeiler in der Lehre von den Vulkanen, der Entstehung der Gebirge. zu der allgemeinsten Ansicht über die Ausbil- CXIII dung der festen Erdrinde, bewiesen durch das, was unter unseren Augen noch heut sich zuträgt. Der hohe Norden führte Leop. v. Buch zu den pflanzengeographischen und meteorologischen Studien, die ihn in der Al- penwelt so lebhaft ergriffen hatten. Ueberall sind die wichtigsten und geistvollsten Bemerkungen über diesen Gegenstand eingewebt, überall sind die schätzenswerthesten Materialien gesammelt. In diesem Werke zeigt sich der Meister der Wissenschaft, der Führer, der an ihrer Spitze steht und der von nun an diese Herrschaft nicht wieder abgiebt, durch immer neue Siege, neue Eroberungen sie mehr und mehr befestigt. Seine wissenschaftliche Stellung fand nun auch ihre Auszeichnung im äusseren Leben durch seine Ernennung zum Königl. Kammerherrn im Jahre 1812, eben so bezeichnend für die Achtung, welche der König den Wis- senschaften zollte, als für die Hingebung, welche ihn in schlimmen wie in guten Tagen für die edle, damals tief gebeugte Regentenfamilie durchdrang. Die grösste seiner Reisen war der Erforschung der vulkanischen Er- scheinungen auf den kanarischen Inseln gewidmet. Am 31. März 1815 schiffte er sich in Spithead mit dem Botaniker Christian Smith aus Dram- men in Norwegen ein und am 8. December desselben Jahres kehrle er nach Portsmouth zurück, nach den erfolgreichsten und glücklichsten Un- tersuchungen. Einzelne Abhandlungen in den Schriften der Berliner Aka- demie: Allgemeine Uebersicht der Flora auf den kanarischen Inseln (6. No- vember 1817); über die Zusammensetzung der basaltischen Inseln und über Erhebungs-Kratere (28. Mai 1818); über einen vulkanischen Aus- bruch auf der Insel Lanzerote (4. Februar 1819) ; über den Pic von Tene- riffa (23. November 1820); einige Bemerkungen über das Klima der ka- narischen Inseln (29. März 1821), verkündeten zuerst die Resultate seiner dortigen Arbeiten. Dieselben sind in dem umfangreichsten Werke ge- sammelt, welches er hinterlassen hat: ‚Die physikalische Beschreibung der kanarischen Inseln. Berlin 1825.“ Neu ist darin die Einleitung, welche die Reise in den lebhaftesten Worten, die Eingebung des frische- sten Eindrucks schildert, worin er dem auf der Congo-Expedition zu früh Vol. XXIV. P. II. E CXIV dahingerafften Reisegenossen Chr. Smith (gestorben am 22. September 1816) ein schönes Denkmal freundschaftlicher Hingebung setzt; ferner die statistische Uebersicht, die Höhenmessungen, der grössere Theil der geognostischen Beschreibung der kanarischen Inseln, die Geographie der Vulkane, endlich der prachtvolle Atlas, welcher die Form der Inseln so schön erläutert. Schon im Jahre 1813 hatte Leop. v. Buch in der Ab- handlung: ,‚von den geognostischen Verhältnissen des Trapp - Porphyrs“ (25. März 1813) gezeigt, dass es drei Dinge seien, durch welche die Theorie der Vulkane seit Dolomieu’s Zeiten und durch ihn einen nicht geringen Fortschritt gethan hat: die Entdeckung des Trapp-Porphyrs als einer allen Vulkanen gemeinschaftlichen Gebirgsart durch Alex. v. Hum- boldt; die Ueberzeugung, dass die vulkanischen Wirkungen nicht aus oberen Schichten der Erdfläche, sondern unter dem Granit hervorgehen; die Beobachtung der grossen Rolle, welche der Eisenglanz in den vulka- nischen Phänomenen spielt. Auf den kanarischen Inseln hatten sich seine Ansichten über das Verhältniss trachytischer und basaltischer Gesteine zu den vulkanischen Erscheinungen, über die Bildung von Erhebungs-Inseln und von Erhebungs-Krateren in dem Gegensatze zu einzelnen Vulkan- Eruptionen vollständig ausgebildet. Die Uebersicht von Central - Vulka- nen und Reihen-Vulkanen in dem Abschnitte: Geographie der Vulkane, ist durch ihn selbst in der französischen Ueberseizung vervollständigt, von nun an ein nothwendiger Bestandtheil jeder physikalischen Geographie ge- worden. Die Ansicht über die Erhebungs-Kratere, welche blasenförmig in er- weichter Masse aus dem Inneren durch die Kraft eingeschlossener Dämpfe emporsteigen, bersten und den Rand der grossen inneren Vertiefung bil- den, in den geistvollen Terrainzeichnungen von Teneriffa und Palma dar- gestellt, hat zu nicht minder heftigem Streite in der Wissenschaft Veran- lassung gegeben, als Werner’s neptunische Lehre der Basalt- Entste- hung. Die Ansichten Leop. v. Buch’s walten in den berühmten Be- schreibungen der französischen Gelehrten Elie de Beaumont und Du- CXV frenoy vom Aetna, Vesuv, Cantal, Montdor. Sir Ch. Lyell bekämpft sie in den sich über die ganze Erde verbreiteten den „Principles of Geology.‘* Auch Frdr. Hoffmann, nachdem er die Insel Ferdinandea aus dem Meere hatte auftauchen sehen, vertheidigte die Ansicht der Entstehung durch Aufschüttung und gerieih dadurch während der letzten Jahre seines Le- bens in ein sehr gespanntes, unerfreuliches Verhältniss zu Leop. v. Buch. Doch benutzte dieser die Gelegenheit, um durch eine glänzende Anzeige „der geognostischen Beobachtungen auf einer Reise durch Italien und Si- eilien“ in den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik (Jahrgang 1840, Nr. 25, S. 193) die Verdienste Fr. Hoffmann’s auf eine Weise hervor- zuheben, welche seiner wissenschaftlichen Unparteilichkeit eben so viel Ehre macht, als seinem Charakter und seinem Gemüthe. Es ist die ein- zige Bücheranzeige, welche Leop. v. Buch jemals verfasst hat. Er sagt: „So haben wir ein Werk erhalten, welches offenbar das wichtigste ist „von allen, die sich mit den geognostischen Verhältnissen von Italien be- „schäftigt haben; und die darin enthaltene ganz vollständige Beschreibung „von Sicilien wird noch in langer Zeit nicht übertroffen werden.“ Er fährt alsdann fort: „‚Fr. Hoffmann vereinigte viele Talente, welche ihm „nothwendig sehr bald den Rang unter den ersten Geognosten erwerben „mussten; eine seltene Lebendigkeit in Auffassung und Zusammenstellung „der Erscheinungen mit einer grossen Besonnenheit im Urtheil vereinigt; „eine fortdauernde Unermüdlichkeit und Beweglichkeit, die ihn doch nie- „mals verhinderte, jeden Punct bis in die kleinsten Einzelheiten zu unter- „suchen, um Nichts zurück zu lassen, was zur Kenntniss des Ganzen bei- „tragen konnte; eine Einbildungskraft, welche alle Erscheinungen, die er „oder Andere beobachtet halten, stets um ihn her versammelt erhielt.“* Indess die Herausgabe des grossen Werkes über die kanarischen Inseln durch den Stich der herrlichen Karten sehr verzögert wurde, hat- ten oft wiederholte Reisen in den Alpen und in vielen anderen Theilen von Deutschland während der Jahre 1822 bis 1824 die Ansichten immer mehr zur Reife gebracht, welche bereits in ihren Anfängen bei der Betrachtung CXVI der Porphyre von Christiania hervorgetreten waren. Eine Reihe von Ar- beiten wurde im Jahre 1824 als Theil des Jahrbuches von €. v. Leon- hard herausgegeben, von denen einige bereits früher in Briefen an Alex. v. Humboldt, Pfaundler, Brochand de Villiers, v. Schlotheim, Freiesleben, Nöggerath und an v. Leonhard selbst erschienen wa- ren. Wie verdienstlich ist nicht diese Sammlung, in der das Zusammen- gehörige, sich gegenseitig erläuternd, neben einander tritt! Dieser rei- hen sich an die beiden Abhandlungen: über Dolomit als Gebirgsart (31. Ja- nuar 1822 und 6. Februar 1823); über einige geognostische Erscheinun- gen in der Umgebung des Luganer See’s (9. Februar 1826). Die Wir- kungen des schwarzen oder Augit- (Pyroxen-) Porphyrs auf das Hervortre- ten der Gebirgsketten in den Tyroler Alpen, wie im Thüringer Walde; das Verhalten gegen den rothen oder Quarz-Porphyr, der ganze Conti- nente mit sich aus der Tiefe in die Höhe führt; der Zusammenhang der augilischen Gesteine mit jenen merkwürdigen mauerartigen Felsenreihen des alpinischen Dolomits ist der wesentlichste Inhalt derselben. Die Beobachtungen, auf denen diese Resultate beruhen, sind auf den oft wiederholten mühevollsten Gebirgswanderungen errungen, sie brechen hervor, wie die Blüthen, die lange eingeschlossen sich endlich nach einem warmen Regen in ganzer Pracht entfalten. Aber wie lange sie auch schon in dem Geiste geruht, die Beobachtungen selbst treten uns entgegen mit der Lebendigkeit, mit der Unmittelbarkeit der ersten Anschauung; so er- klärt sich denn auch der Eindruck, den diese Briefe bei ihrer Bekanntma- chung überall hervorbrachten. Unendlich viel ist seitdem über „Buch’s Dolomit-Hypothese‘‘ gestritten worden. Geognosten und Chemiker haben auf diesem Felde hin und wieder gekämpft. Wenn das, was L. v. Buch darüber gesagt, und für mehr kann man ihn nicht verantwortlich halten, genau erwogen wird, so zeigt sich, dass die meisten Einwände, welche dagegen erhoben wurden, ihn gar nicht treffen, sondern Ansichten, welche nur bei ihm vorausgesetzt worden sind. So geht es oft in der Wissen- schaft. Wie aber auch endlich die Bildung des Dolomits in den verschie- CXVI densten Lagerungen erklärt werden möge, bei erweiterter Beobachtung der Natur, bei vervollständigter Entwicklung der chemischen Verhältnisse, so wird das anerkannt werden müssen: was Leop. v. Buch über den Do- lomit in Tyrol, in dem geognostischen Gemälde von Süd-Tyrol, in den Arbeiten über Predazzo und Fassa gesagt, hat einen neuen Anstoss in die Geognosie gebracht, zu neuen Untersuchungen aufgefordert, eine Wir- kung geäussert, die jetzt nach 30 Jahren, in ihren Schwingungen noch nicht erloschen, fortwirkt und als Träger des gegenwärtigen Zustandes der Wissenschaft erscheint. Sehr charakteristisch steht am Schlusse dieser Sammlung der Brief an C. v. Leonhard über die geognostischen Systeme von Deutschland. Welch’ ein tiefes Studium hatte nicht dazu gehört, um in diesen wenigen Worten das wichtige Resultat des Parallelismus zusam- mengehöriger Gebirgserhebungen, Schichtenaufrichtungen und ihrer Stö- rungen zusammenzudrängen. In grossen und allgemeinen Zügen tritt das geognostische Bild von ganz Deutschland in den verschiedenen Rich- tungen hervor, welche jede in tausend Formen diesen Parallelismus in ih- rem Gebiete wiederholen lässt. Weit über die Grenzen von Deutschland reicht schon diese kurze Betrachtung. Höchst fruchtbringend war die- selbe. In ihr liegt der Kern aller Hebungssysteme, welche linienartig die Rinde der ganzen Erde in grössten Kreisen durchfurchend nachgewiesen sind. Die weitere Ausführung dieser Gedanken gehört Elie de Beau- mont an, dessen Genie und edlen Charakter Leop. v. Buch nicht auf- gehört hat, in der wärmsten Freundschaft und treuesten Hingebung zu schätzen. Alle bisherigen Arbeiten Leop. v. Buch’s von der ersten Abhand- lung an hatten gezeigt, dass er graphische Darstellungen, die horizon- tale Projection der Verbreitung der verschiedenen Formationen und Ge- birgsarten, selbst bei der lebendigsten örtlichen Beschreibung für nothwen- dig erkannte, um die Verhältnisse sowohl dem Beobachter, wie dem Leser klar zu machen. Er pflegte wohl zu äussern: ,‚wer keine Karten zeich- net, ist kein Geognost.““ So hatte er denn auf allen seinen Wanderungen CXVIM durch Mittel-Europa ein ungeheures Material gesammelt, in dem die gründ- lichste und genaueste Kenntniss von der Verbreitung der Formationen ent- halten war. Im Jahre 1826 erschien „‚die geognostische Karte von Deutschland und den anliegenden Staaten, in 42 Blättern nach den vor- züglichsten mitgetheilten Materialien; herausgegeben von S. Schropp und Comp.;‘“ obgleich nicht mit dem Namen des Verfassers geziert, ist sie dennoch ganz allgemein als „Buch’s Karte von Deutschland“ bekannt. Sie hat unendlich viel dazu beigetragen, die Kenntniss von der geognosti- schen Beschaffenheit unseres Vaterlandes zu bereichern, auszudehnen, zu verbreiten; sie hat dem vereinzelten Beobachter Anknüpfungspuncte gebo- ten, ihm die Region nachgewiesen, in der er sich bewegte. Die Beschäftigung mit den geschichteten Ablagerungen, die Entwick- lung der zahlreichen Glieder, welche Werner als Uebergangs-, Flötz- und aufgeschwemmtes Gebirge zusammenfasste und die Unterscheidung derselben durch ihre organischen Einschlüsse hatte Leop. v. Buch schon längst zu einer eifrigen und gründlichen Beschäftigung mit den Versieine- rungen geführt. Die erste Abhandlung. welche er über diese Gegen- stände in der Berliner Akademie der Wissenschaften vortrug (28. Februar 1828), handelte von der „Silicification organischer Körper“‘ nebst einigen anderen Bemerkungen über wenig bekannte Versteinerungen. .,Einige Bemerkungen über die Alpen in Baiern‘‘ folgten (am 27. März desselben Jahres). Hier wendete er schon die bereits erworbenen Kenntnisse wich- tiger fossiler Gattungen auf die Bestimmung der Formationen an. Er sagt: „„Der glückliche Eifer, mit welchem man seit etwa 15 Jahren die Verstei- „nerungskunde bearbeitet, vorzüglich seitdem Lamark’s treffliches, in „echt naturhistorischem Geiste abgefasstes conchyliologisches Werk diesem „Eifer eine sehr verständige Richtung gegeben hat, ist der Geognosie von „so grossem Nutzen gewesen, dass seitdem viele, fast nicht gekannte „Formationen deutlich hervorgetreten und in allen Ländern aufgefunden „worden sind. Dadurch ist es geschehen, dass in Europa nur wenige Ge- „genden von niederen Gebirgen, in Hinsicht der Formationen, welche sie CXIX „bilden, räthselhaft blieben. Aber die Alpen stellen sich immer noch „dieser Entdeckung hartnäckig entgegen, und so viel auch zur Aufklärung „ihrer Natur geschehen ist, so steht es in keinem Verhältniss zu dem, was „noch zur richtigen Kenntniss dieser Natur fehlt.‘ Seine Aufmerksamkeit musste sich besonders den Mollusken, denje- nigen Meeresthieren zuwenden, welche in grösster Zahl und in grösster Verbreitung ihre festen Reste, ihre Kalkschalen, in den Schichten zurück- gelassen haben, weil sie ihre Verfolgung durch ganze Länder verstatten, weil ihre Aufeinanderfolge mit der der Schichten am bestimmtesten ver- glichen werden kann. So beschäftigte er sich vorzugsweise mit Formen, welche bis dahin ganz vernachlässigt waren und die wichtigsten Folge- rungen in dieser Beziehung darzubieten versprachen. Schon im Jahre 1828 machte er in den „‚Annales des sciences naturelles‘“ die hauptsäch- lichsten Beobachtungen über Ammoniten bekannt. Weitere Fortschritte liefert die Abhandlung: ‚‚über die Ammoniten in den älteren Gebirgs- schichten‘ (1. April 1830); „‚über Goniatiten““ (15. December 1831); denen sich noch hinzugesellte: „über Goniatiten und Clymenien in Schle- sien“ (1. März 1838) und „‚über Ceratiten‘‘ (20. Januar 1848). Er fand den wesentlichen Charakter dieser Cephalopoden - Familie — als solche von Cuvier erkannt — in der dorsalen Lage des feinen hornartigen Sipho und in dem vielfach gezackten, die eingeschniltenen Umrisse von Blättern nachahmenden Verlaufe der Nähte, mit denen die Kammerwände sich der Innenseite der spiralen Röhre anschliessen. Er erkannte die strenge Gesetzmässigkeit in den sechs Loben dieser gezackten Nähte (Su- turen) — früher als regellos, unentwirrbar verlaufende Linien betrachtet — und darin die bedeutsamsten und beständigsten Merkmale für die Son- derung in bestimmte Gruppen und der einzelnen Arten. Die Gruppen, welche Leop. v. Buch nach der Gestaltung der Loben unterschied, zeig- ten sich von einer überraschenden Wichtigkeit bei ihrer unmittelbaren An- wendung auf geognostische Unterscheidung der Gebirgsschichten, indem jede eine besondere Schichten-Abtheilung charakterisirt; oder die Lebens- CXX dauer einer jeden dieser Gruppen fällt mit der Zeit der Ablagerung einer bestimmten Reihenfolge von Schichten zusammen. Eben so glücklich gewählt und erfolgreich sind die Monographien über die Abtheilungen der „‚Brachiopoden;‘* über „‚Terebrateln‘‘ (7. März 1833) ; über „‚Delthyris‘“ oder „‚Spirifer‘* und „‚Orthis“ (7. Januar 1836) ; über ‚„‚Productus“ oder ‚‚Leptaena‘“* (28. October 1841) für die Sonde- rung und Verfolgung der Schichten geworden. Diese Thiergestalten übertreffen an Formenreichthum und vertikaler Verbreitung die Ammoni- ten. Alle hat er in natürliche Gruppen getheilt, und bei scharfer specifi- scher Unterscheidung zeigen sie sich als wahre „‚Leitmuscheln.“ Die nur sehr unvollkommen gekannten Crinoiden der untersten paläozoischen Schichten fasste er unter der Benennung „‚Cystideen‘‘ als besondere Fa- milie zusammen, bestimmte inre Unterschiede von den echten, armtragen- den Crinoiden, entwickelte die Eigenthümlichkeit ihres Baues, in einem wahren Muster paläontologischer Monographie, die scharfsinnigsten Beob- achtungen in gedrängtester Kürze: „‚über Cystideen, eingeleitet durch die Entwicklung der Eigenthümlichkeiten von Caryocrinus ornatus Say.“ (14. May 1844). In einer anderen Reihe von Arbeiten zeigt Leop. v. Buch auf die geistreichste Weise die Anwendung der Paläontologie auf eigentlich geo- gnostische Forschungen, so wie er dasselbe in den Bemerkungen über die Alpen in Baiern bereits angedeutet hatte. Zu diesen ist vorzugsweise zu rechnen: „‚über den Jura in Deutschland‘ (23. Februar 1837); ..die von Alex. v. Humboldt und von Carl Degenhardt in Amerika gesammel- ten Versteinerungen“ (1839); ,.die Bäreninsel nach Keilhau‘ (14. März 1846). Allgemein umfassend und ganz den gegenwärtigen Standpunet der Wissenschaft bezeichnend sind die drei Arbeiten: „Betrachtungen über die Verbreitung und die Grenzen der Kreidebildungen‘‘ (dadurch für unseren Verein besonders wichlig, dass sie Leop. v. Buch in der Ver- sammlung Bonn 20. Mai 1849 vorgetragen hat); „Lagerung der Braun- kohlen in Europa“ (20. November 1850); der sich eine botanische Age CXXI Abhandlung ‚über Blattnerven und ihre Vertheilung‘‘ anschliesst (19. Ja- nuar 1852) und endlich die letzte seiner in der Berliner Akademie der Wissenschaften vorgetragenen Abhandlungen: ‚über die Juraformalion auf der Erdfläche‘‘ (16. December 1852). Bestimmte Formationen nach ih- rer Lagerung und nach der in ihnen eingeschlossenen Fauna und Flora über ganze Continente, ja über die gesammte Erdfläche mit der Sicherheit zu verfolgen, wie eine Flötzlage durch ein Bergrevier, das ist die Auf- gabe, welche sich der Forscher hierin gestellt und mit dem glücklichsten, alle Bedenken überwindenden Erfolge löst. Die vielen Arbeiten, welche die physikalische Geographie, die Meteo- rologie der Beobachtungsgabe Leop. v. Buch’s verdankt, kann ich ebenso wenig Ihnen vorführen, als irgendwie einen Begriff von dem ungemesse- nen Schatz seiner nicht veröffentlichten Arbeiten liefern. Mit welcher un- ermüdlichen Ausdauer er Gegenstände verfolgte, die er einmal in den Kreis seiner Thätigkeit gezogen, davon liefert die Karte ‚.der Carlsbader Ge- birge‘‘ (1848) einen Beweis, welche sich an seine Erstlingsschrift (1792) anschliesst; davon zeigt die Reise in die Eifeler Vulkane im letzten Früh- jahre, nachdem er unserer Versammlung in Münster beigewohnt halte, und der Besuch der Vulkane im Velay noch im Spätherbst, von dem er nach seinem gewöhnlichen Wohnorte, Berlin, erst gegen den Winter hin zu- rückkehrte. Die lange Reihe dieser Arbeiten, welche ich Ihnen aus diesem rei- chen, nur der Wissenschaft geweiheten Leben vorzuführen mich bemüht habe, giebt doch, ich fühle es tief, kaum eine Anschauung von dem We- sen und der Art des ausserordentlichen Mannes. Auf fortgesetzten Rei- sen während des grössten Theiles des Jahres stand er mit den ausgezeich- neisten Gelehrten in ganz Europa in dem lebendigsten persönlichen Ver- kehr; er kannte ihre Ansichten, er wusste von ihren Arbeiten; in allen Sammlungen von Edinburgh bis Neapel hatte er Beobachtungen angestellt. Ueberall war er zu Hause, die kleinsten Umstände waren ihm gegenwär- tig. Das aussergewöhnlichste Gedächtniss unterstützte er noch durch Vol. XXIV. P. Il. 0 CXXI eisernen Fleiss. Sein Tagebuch war eine unversiegbare Quelle von Auf- zeichnungen der seltensten Art. So war er überall, wo er hinkam, ein wahres Orakel für die begierigen Jünger der Wissenschaft, wer ihm na- hete, musste lernen. Ueberall spendete er sein Wissen und verbreitete die Kenntnisse, welche sich auch selbst jetzt noch so oft dem gewöhnli- chen Bücherverkehr entziehen. Ueberall, wo er wahre Liebe zur Wis- senschaft fand, die sein Heiligthum war, konnte Niemand heiterer, mitthei- lender, belehrender sein als er. Sein reicher Geist entwickelte die An- siehten in anziehendster, schnellster Folge. Er besass die feinste, in den höchsten Kreisen des Lebens, in den mannigfachsten Verhältnissen der Reisen erworbene Bildung, wie sie sich in einem so reinen und freien (remülhe zur schönsten Blüthe menschlichen Adels entwickelt. Sein Geist beherrschte nicht allein die Kenntnisse seines Faches und der verwandten Naturwissenschaften, die ausgedehnte Kenntniss der lebenden Sprachen vom Süden bis zum Norden Europa’s, die Vertrautheit mit der Geschichte, mit der alten und neueren Literatur verliehen ihm jene Sicherheit, jenen Ueberblick, der so wohlthuend in allen seinen Gesprächen sich kund gab. Seine Achtung vor der Wahrheit konnte es nicht dulden, wenn er Täuschung irgend einer Art zu erblicken wähnte; darin mochte er aber bisweilen zu weit gehen. Wer die Wissenschaft nur als»Mittel zu ande- ren selbstischen Zwecken nutzen wollte, den schlug er mit harten, selbst verletzenden Worten. Er war empört. Eitelkeit verfolgte er mit Ironie, wenn es sein musste, mit scharfem Spott. Mittelmässigkeit, welche sich breit machte und den ersten Platz einnehmen wollte, hielt er fest in Schranken. So war er denn verehrt, geliebt und gefürchtet, je nach der Eigenthümlichkeit derer, welche sich ihm naheten. Er war aber immer einer und derselbe, in Sprache und Schrift, aus einem Gusse, durch und durch. Wie milde, wie zart im Wohlthun, wie unerschöpflich in reichen Gaben er sich bewiesen, das werden gewiss Viele mit innigstem Danke bezeugen, die dies erfahren haben. Die Tiefe seines Gemüthes offenbarte er in dem innigen Verhältnisse zu seinen Geschwistern. Mit welcher Hin- CXXM gebung begleitete er seinen blinden Bruder jährlich nach Carlsbad! Die Lebendigkeit seines Gefühls trat gleich mächtig in der Treue und Anhäng- lichkeit für unser erhabenes Herrscherhaus, wie in der Liebe und Begei- sterung für die Person des Königlichen Herrn hervor, der seinen Verdien- sten die gerechtesten und ehrenvolisten Auszeichnungen hatte zu Theil werden lassen. Er fühlte tief und warm für Alles, was dem edlen Men- schen theuer zu sein verdient. Er hatte eine Geistesfrische bis zu seinem Ende bewahrt, die aus seinen letzten Arbeiten Jeden anspricht, die immer von Neuem Jeden überraschte, der ihn erst in den letzten Jahren seines Lebens kennen lernte. Wohl ihm, dem fortdauernde Thätigkeit Leben war, der immer gegen sich selbst ankämpfte, der seinen Arbeiten mit im- mer neuer Anstrengung oblag; wohl ihm, dass die Vorsehung ihm einen schnellen Uebergang in das Jenseit bereitet hat, wo er jetzt in tieferen Zügen aus dem Borne der Wahrheit und der Erkenntniss schöpfen möge! Ungewöhnliche Gaben des Geistes, einen seltenen Scharfsinn, eine Beobachtungsgabe und Auffassung, wie sie wenigen Sterblichen verliehen ist, hat er durch Ausdauer, durch Selbstverleugnung erhöhet und zum Ruhme seines Vaterlandes für die Fortschritte der Wissenschaft verwen- det. Jene Kräfte gehören uns nicht mehr an. Wir haben viel verloren, unser Schmerz ist, wie Humboldt sagt, tief und gerecht. Aber können wir anders, als im Hinblick auf diesen seltenen Mann den Vorsatz fassen, ihm im Fleisse, in der Ausdauer, in der Hingebung für die Wissenschaft nachzueilern und so der Bahn zu folgen, welche er vorgezeichnet hat; die schönste, die einzig seiner würdige Feier seines Andenkens. Ueber das Allen unerwartete Ende des rastlos thätigen Mannes durch eine plötzlich hervortretende, in ihren Ursachen räthselhafte Krankheit Fol- gendes. Am Sonnabend den 26. Februar dieses Jahres hatte er seiner Gewohnheit nach die Humanitäts - Gesellschaft besucht. Poggendorff und Alex. Braun begleiteten ihn nach Hause, ohne durch irgend einen Umstand von einer nahenden ernsten Krankheit auch nur eine Ahnung zu erhalten. Sie verliessen ihn scheinbar heiter. Doch muss er sich schon CXXIV sehr unwohl gefühlt haben. Am Sonntag früh stand er noch auf, legte sich aber von Schmerzen überwältigt bald wieder nieder, um sein Bett nicht wieder zu verlassen. Am Sonntag und Montag hat er heftig gelit- ten, die Schmerzen gingen von den Füssen aus; Frostbeulen, welche die Zehen verunstalteten, hatten ihn schon seit 8—9 Jahren gezwungen, eine eigene Art von Fussbekleidung zu tragen, und machten seinen Muth, im- merfort Berge zu erklimmen, doppelt bewunderungswürdig. Diesem Uebel. das plötzlich sehr schmerzhaft wurde, schrieb er, so sagt seine treue Pflegerin, Frau Baumgarten. den Fieberanfall zu, welcher die Kräfte rasch dahin zehrte. Am 2. März fand ihn Beyrich, der ihn be- suchte, sehr matt, aber geistig klar und selbst noch aufgeweckt, doch wurde ihm das Sprechen etwas beschwerlich. Er sprach von Nebrasca, von texanischer und Missouri-Kreide. Auf seinem Schreibtische lag ein Bogen, wo er am Sonnabend noch den Anfang eines „.Nebrasca‘ bezeich- neten Aufsatzes niedergeschrieben hatte; aber nur wenige Zeilen folgten der Aufschrift. Es ist das letzte Thema, das er mit ungeschwächtem Geiste zu verarbeiten sich vorgenommen hatte. Beyrich verliess ihn nach kurzem Verweilen, noch nicht sehr besorgt. Bis dahin hatte kaum Jemand von seiner Erkrankung erfahren oder gar gedacht, dass sie ein so schnelles, schlimmes Ende nehmen könne. An demselben Abend fand eine Sitzung der geologischen Gesell- schaft statt, und nun verbreitete sich die Nachricht von seiner Krankheit in dem ihm nahestehenden Kreise. Am 3. stand es schon am Vormittage schlimm, doch muss es ungleich gewesen sein; er sah freundlich aus, hörte aber theilnahmlos, was ihm von der gestrigen Sitzung der geologischen Gesellschaft erzählt wurde. An diesem Tage schrieb noch einer seiner Freunde: „ich habe ihn zwar recht schwach und durch Schmerzen an- gegriffen gefunden, aber es scheint mir doch die beste Aussicht zur Bes- serung vorhanden zu sein. Die heftigen Schmerzen der vorhergehenden Tage müssen wohl eine nervöse Alfection verursacht haben, die sich schnell durch den ganzen Körper verbreitete und ein Fieber veranlasste, OXXV welches nach der Meinung des Arztes bereits im Abnehmen begriffen ist. Wir können hiernach eher das Bessere, als das weniger Gute erwarten. Wären nicht die bösen Jahre mit in Berechnung zu ziehen, so würde ich ganz frei von aller Besorgniss sein, wie ich es jetzt allerdings nicht sein kann, obgleich der Arzt versichert, dass alle Symptome zur Besserung neigen.“ Seit dem 3. früh verliessen Alex. Braun, Beyrich, Ewald die Wohnung des Kranken nur mit geringen Unterbrechungen. Am Abend scheint er gefühlt zu haben, dass sein Ende bevorstehe. Am 4. früh hat er noch einzelne verständliche Worte gesprochen, von I1 Uhr an sind weder geistige noch körperliche bestimmte Empfindungen oder Wahrneh- mungen vorhanden gewesen. Das Auge hatte kein Leben mehr, keine Richtung. Das Ende erfolgte ohne Kampf. Der Athem wurde schwä- cher und /, vor 2 Uhr standen Beyrich und Ewald vor der Leiche des Mannes, den Viele von uns so hoch verehrt haben, der uns so lieb und so theuer war. Wie wahr sind die Worte geworden, mit denen Er die Gedächtniss- rede auf Karsten schloss: „Mögen wir einst beweint werden, wie er es geworden! Mögen „unsere Ansprüche auf den Dank der Nachwelt den seinigen gleichen!“ CXXVI v1. Zum Schluss dieser Mittheilungen müssen wir noch eines Vor- schlags unsers Collegen, des Herrn Professors Dr. Heyfelder, Mit- glieds des Adjuncten-Collegii, gedenken, welcher davon ausgeht, dass die Akademie neben ihren der Naturkunde im ganzen Umfange gewidmeten „Verhandlungen,“ des ursprünglichen ärztlichen Berufes eingedenk und im besonderen Interesse ihrer ärztlichen Mitglieder, eine Reihe me- dieinischer Werke, mitunter auch andere von ganz allgemeinem Interesse, in freier und selbstständiger Folge herausgeben und inso- fern als Kinder ihrer Theilnahme und ihrer Anerkennung bezeichnen solle. Er ist nicht bei dem blossen Rathe stehen geblieben. sondern hat so- gleich der Akademie das Manuscript seines grossen Werkes: „Ueber Resectionen und Amputationen“ übergeben, welches, mit Unterstützung des Fürsten von Demidoff und zum Emolument der Akademie im Laufe des Jahres 1854 erscheinen und gegen JO Bogen im Formate und Drucke der akademischen „‚Verhand- lungen‘ füllen wird. Daran soll sich im nächsten Jahre ein zweites Werk aus derselben Reihe anschliessen, nämlich: „Geschichte der Kaiserl. Leopoldin.-Carolin. Akademie der Naturforscher im zweiten Jahrhundert nach ihrer Gründung. Aus den Quellen und mit wörtlichem Abdruck der Haupt-Documente von Dr. J. F. Neigebaur, Königl. Preuss. Geh. Justizrath. Marco Polo der Akademie.‘ OXXVI Die Akademie darf hoffen, dass sie für die Kosten der Herausgabe dieses Werkes, welche sie zu ermitteln suchen wird, in dem für Alle gleichen Interesse der Mitglieder die Bürgschaft sicherer Deckung be- silze. Breslau, den 1. Juli 1854. Der Präsident der Akademie Dr. Nees von Esenbeck. er a 2; La, e Wa # Re, u a A N Bing, ING hin: F re vr she OR: bier {N Au BNAIR a l Dana ah “ Ro 5. Aal BRUT IR ÜBER FALSCHE WEGE, EIN BEITRAG ZUR PATHOLOGIE DER HARNWERKZEUGE. VON Dr. OSCAR HEYFELDER, M. d. A.d. N. MIT 1 STEINDRUCKTAFEL. DER AKADEMIE ÜBERGEBEN DEN 29. OCTOBER 1853. Vol. XXIV. P. II. 03 4 Pe pen , : h Wr ex Er in ira RE ü RESET. Ur ES: NE: NE BEN EIE Nah ER R" PT er BR en A a br Seit der Aufnahme der Lithotripsie in die Reihe der chirurgischen Ope- ralionen wandte sich die Aufmerksamkeit der Aerzte mehr als früher der normalen wie der pathologischen Anatomie des uropoetischen Systems zu. Trotz so viel Trefflichem, was in den letzten 30 Jahren über Krankheiten der Harnorgane erschien, ist doch nicht zu verkennen, dass in diesem Gebiete noch Lücken bestehen, welche ausgefüllt werden sollten. Ich erinnere nur an die falschen Wege, welchen von keiner Seite her die Aufmerksamkeit gewidmet wurde, welche für diesen wichtigen Gegen- stand gefordert werden kann. Die deutsche medicinische Litteratur ist in dieser Beziehung wahrhaft arm zu nennen, und es mag dies darin seinen Grund haben, dass verhältnissmässig in Deutschland die Krankheiten der Harnwege weniger häufig angetroffen werden, als in England und Frank- reich, daher bei uns die darauf bezügliche Litteratur überhaupt weniger reich als dort. Chelius und v. Walther begnügen sich in ihren Handbüchern die falschen Wege nur als eine der Gefahren des Katheterismus zu nennen. Kaum etwas ausführlicher äussert sich Rust, obwohl er in seinem Handbuch der Chirurgie in alphabetischer Ordnung diesem Gegen- stand wenigstens eine Seite widmet. Rokitansky führt die falschen Wege unter den Zusammenhangstrennungen der Harnröhre nur an; auch Roser und Hyrtl erwähnen derselben blos vorübergehend. Letzterer theilt wenigstens einige interessante Fakta mit. In dem Journal für Chi- rurgie und Augenheilkunde, herausgegeben von Gräfe und Walther, in der Prager Vierteljahrsschrift und andern deutschen Zeitschriften finden 500 O0. Heyfelder, sich hin und wieder hierherbezügliche Notizen in Abhandlungen über ver- wandte Themata. Anders ist es in England, wo in den zahlreichen Monographien über Krankheiten der Harnorgane auch der falschen Wege gedacht wird und namentlich viele gehaltreiche Krankengeschichten mitgetheilt sind. Ich erinnere dabei an die Schriften von Benjamin und Charles Bell, Everard Home, Strafford, J. Hunter, Guthrie, Coulson und Andere. In Frankreich, wo die Krankheiten des Urogenitalsystems eine der beliebtesten Specialitäten abgeben, wird ihnen in allen Lehrbüchern der Chirurgie und topographischen Anatomien eine verdiente Aufmerksamkeit gezollt, und ebenso fehlen in den Specialwerken über Strikturen, Kathe- terismus, Prostatakrankheiten etc. niemals einige Betrachtungen über die „fausses routes‘‘, bei den Neuern meist ein Excerpt oder eine Bearbei- tung dessen, was Civiale darüber sagt. Civiale hat nämlich in seinem dreibändigen Werke (Traite pratique sur les maladies des organes genito- urinaires, Paris 1842) dem Gegenstande ein eigenes Kapitel gewidmet, freilich mehr eine Zusammenstellung interessanter Krankengeschichten und Erfahrungen, als eine erschöpfende Darstellung dieses Themas. Dass die Lehre von den falschen Wegen ein wenig bearbeitetes und gesichte- tes Gebiet ist, dass wir selbst an Versuchen, dasselbe aufzuklären, arm sind, beweist sich durch nichts schlagender, als durch den Mangel einer bündigen und den Begriff erschöpfenden Definition der falschen Wege. In ihrer Grundbedeutung genommen, passt die Bezeichnung auf jeden abnormen Communikationsweg der neben einem normalen Ausführungs- gang oder Kanal besteht, und man könnte ebenso gut den widernatürli- chen After, die Mastdarmfistel etc. mit diesem Namen benennen. Der traditionelle Gebrauch aber hat sich dafür entschieden, nur die abnormen Communikationsgänge der Urethra als falsche Wege zu bezeichnen, und in dieser ausschliessenden Bedeutung finden wir den Ausdruck von den Schriftstellern älterer und neuerer Zeit und der verschiedenen über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 301 Nationen gebraucht. (Falscher Weg, false way oder new passage, fausse route.) Keineswegs aber erscheinen die Schriftsteller darin einig, welche Veränderungen in der Harnröhre als falsche Wege bezeichnet werden sollen, und zwar ziehen die meisten in ihren Definitionen die Grenze zu eng. Wenn z.B. Rokitansky (Handbuch der speciellen pathologischen Anatomie, III. p. 463) dieselben als „‚die Durchbohrungen der Harnröhre in verschiedener Richtung bei gewaltsamem Katheterismus‘“ definirt, so ist diese Begriffsbestimmung offenbar zu eng, indem, wie wir später sehen werden, bei Erkrankung der Gewebe oder Veränderungen der anatomischen Verhältnisse selbst ein noch so schonend eingeführter Katheter Verletzung der Harnröhre zur Folge haben kann. Erweitert man aber auch die Definition durch Weglassung des Prädikats, „‚gewaltsa- men‘, wie das Rust *) geihan hat, so erscheinen noch immer die fal- schen Wege als ausgeschlossen, welche als Folge von Bougiebehandlung, von Cauterisation, von Verletzung durch andere fremde Körper u. s. w. entstanden. Benjamin Bell **) ignorirt in seiner Definition vollständig, dass falsche Wege auf andere Weise als durch Bougiebehandlung hervorgeru- Me Dr Chäch fen werden können. Civiale ***) umgeht die Definition geschickt. Ebenso John Hunter +), welcher jedoch bei Erzählung einer Kran- kengeschichte seine ausgedehntere Auflassung von der Bedeutung des Worts beweist, indem er einen ohne vorausgegangenen Katheterismus entstan- denen abnormen Communikationsweg der Harnröhre einen „falschen Weg‘ nennt. Ueberall vermisse ich die klare Darlegung der Thatsache, dass falsche Wege nichts Primäres, nichts Einfaches sind, nicht z. B. die unveränderten Kanäle, welche der Katheter in den Geweben gebildet, *) Rust: Theoretisch- praktisches Handbuch der Chirurgie. Berlin u. Wien 1831. »*) B. Bell: Lehrbegriff der Wundarzneikunst. Aus d. Englischen. Leipzig 1809. ”®#) Civiale: a. a. 0. +) J. Hunter: The works of J. H. edited by J. F. Palmer. Vol. I. London 1835. 502 0. Heyfelder, sondern dass sie in ihrer Entstehung und in ihren Ausgängen, wie uns diese an Lebenden und in der Leiche zur Beobachtung kommen, ein ge- mischtes Resultat von Gewebserkrankungen und Verletzungen sind. Bei so wenig festgestellten Anschauungen in der Lehre von den falschen Wegen, bei ihrem häufigen Vorkommen und ihrer unläugbaren chirurgischen Wichtigkeit, ist es vielleicht nicht ganz verdienstlos, diesen Gegenstand einer speciellen Bearbeitung zu unterwerfen, wobei mir die Zusammenstellung der zerstreuten fremden Beobachtungen, wie eigene Untersuchung an zahlreichen Präparaten und auch an Lebenden das Mate- rial liefern sollen. Ehe wir an die Behandlung des Gegenstandes selbst herantreten. nimmt die Anatomie der Harnröhre, als des Bodens, auf dem jene Verän- derungen vor sich gehen, unsere Aufmersksamkeit in Anspruch. Die Anatomen theilen bekanntlich die Harnröhre nach ihren anato- mischen Verhältnissen in pars spongiosa oder bulbocavernosa, membra- nacea und prostatica, die Chirurgen nach Civiale’s Vorgang in beweg- liche und unbewegliche Partie. Sicher ist für descriplive, für patholo- gisch-anatomische Zwecke die erste Eintheilung als die genauere auch die passendere. Für den praktischen Standpunkt des Chirurgen aber ist das Prinzip der zweiten Eintheilung das maasgebende. Der Chirurg hat mit Instrumenten den wechselvollen Weg der Urethra bis zur Blase zu pas- siren, für ihn kommt es also in Betracht, dass die Eine Hälfte der Harn- röhre, wie auch die Blase, dem Instrument eine gewisse Freiheit der Be- wegung gestalten, dass der bewegliche Theil der Harnröhre sogar in sei- ner Richtung geändert werden kann, dass demzufolge der Weg durch dieselbe ein einfacherer wird — dass dagegen zwischen beiden beweg- lichen Theilen die fixe Strecke der Harnröhre vom Bulbus bis zum Bla- senhals liegt, wo keine Aenderung, keine Erleichterung erzielt werden kann, sondern der Chirurg den vorgeschriebenen Weg suchen und finden muss. Daher ist aber auch diese Strecke die gefährlichste für die Anbah- über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 303 nung falscher, künstlicher Wege und hat sehr häufig diese durch Kunst- hilfe hervorgebrachten pathologischen Veränderungen aufzuweisen. Die Länge ihrer einzelnen Theile werden ebenso verschieden ange- geben als die der ganzen Harnröhre. Am grössten geben Boyer und Sabatier die Länge der Urethra zu 1— 12 Zoll an; dann folgt Leroy d’Etiolles, der sich klug in einer bedeutenden Breite der Möglichkeiten hält, mit 7— 12, und Lisfrane mit 9— 10; hierauf Phillips mit seiner kleinlich genauen Berechnung von 8” 4, ; dann in auffallender Ueber- einstimmung Whately, Ducamp und Lallemand mit 7, — 9%, Ca- zenave und Heyfelder mit 7. Hyrtl mit 6— 7, Civiale mit 6% 5, Velpeau mit 6; Roser und Malgaigne mit 9 /, sind die niedrigsten. Mag bei diesen Messungen noch so vielfacher Irrthum und Unzulänglich- keit der Untersuchungsmethoden mit unterlaufen, so erhält man doch eine approximative Wahrheit durch Berechnung der Durchschnittszahl. Sie ist 8%. Harnröhren von einer Länge von 15”, wie die jenes spanischen Offiziers, von welcher Hyrtl *) berichtet, gehören zu den Monstrositäten. Ebenso ist die Durchschnittszahl, welche sich aus den verschiedenen Messungen der pars fiea ergiebt 20% — 2, wovon auf die pars pro- statica 10 — 1, auf die pars membranacea 9— 11’ kommen. Die durchschnittliche Länge der pars spongiosa beträgt I— 6". Sowohl die Gesammtlänge der Urethra als das Verhältniss der ein- zeinen Theile zu einander erleidet in Folge von Steinleiden, Hypertrophie oder Atrophie der Prostata und anderer pathologischen Zustände wesent- liche Veränderungen. Der Breitendurchmesser wechselt während des Verlaufs der Harn- röhre mehrere Male seinen Kaliber und zwar nach den Untersuchungen vonHome, Wilson, Lisfranc, Phillips und Civiale zwischen 3 und 5 Linien. Die engste Stelle ist das orificium cutaneum. Da sie zugleich sehr wenig ausdehnbar ist, so wird zuweilen ihre blutige Erweiterung *) Hyrtl; Handbuch der topographischen Anatomie. Bd. II. Wien 1847. 504 0. Heyfelder, nölhig, um eingekeilte Steinfragmente herauszubefördern, oder um litho- triptische Instrumente einzuführen. Aus der Enge der äusseren Mündung folgt für die Praxis der wichtige Erfahrungssatz, dass wenn ein Instrument von durchweg gleichem Kaliber durch die äussere Oeffnung der Harnröhre gedrungen ist, es ohne Anstand bis in die Blase gelangen muss, wenn keine anderweitigen Veränderungen vorliegen. Dicht hinter dem orifi- cium culaneum befindet sich die als fossa navicularis bekannte Erweiterung. Sie fehlt nur in den seltenen Fällen, wo der Endtheil der Ureihra an einer angeborenen Missbildung leidet (Hypospadiäus, breite trichterförmige Mündung der Harnröhre). Ihre Gefährlichkeit für den Katheterismus ist ganz gering. Hinter der kahnförmigen Grube kehrt die Harnröhre auf ein etwas geringeres Lumen zurück, welches sie unverändert beibehält, bis zum Bulbus. Hier erweitert sich ihr unterer Theil wieder und trägt die Einmündungsstellen der Cowperschen Drüsen, welche weder für die Pathologie noch für die Chirurgie von irgend einer Bedeutung sind. Der Anfang der pars membranacea, wo sie vom ligamentum trian- gulare umgeben wird, ist nach dem orificium cutaneum die engste und zugleich die wenigst ausdehnbare Stelle, was für die Einführung von In- strumenten besondere Wichtigkeit hat. Der Unterschied zwischen dem Durclimesser dieser Stelle und der benachbarten Theile beträgt jedoch nur halbe Linien. Wenn dagegen E. Home, Leroy d’Etiolles und Piegu bei ihren Injectionen mit Wachs und Gips im Anfang des häutigen Theils einen um mehrere Linien geringeren Durchmesser fanden als an den übrigen Parlieen, so erklärt sich das hinreichend dadurch, dass die anderen Par- lieen vermöge ihrer Elastieität dem Druck der Injektionsmasse mehr nach- gegeben haben. Keineswegs aber ist man zu dem Schlusse berechligt, den sie darauf gründen, dass nämlich das Lumen dieser Stelle absolut um 2— 3 Linien enger sei als die übrigen Abschnitte der Urethra. Die Frage nach der Länge, nach der Weite und Erweiterbarkeit der Harnröhre ist keineswegs eine müssige. Theils bestimmt die Weite der- selben das Kaliber der Bougies und Katheter, theils geben die erweiterten über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 505 oder verengerten Partieen Anlass zur Bildung falscher Wege. In glei- cher Weise dient die mittlere Länge der Harnröhre als Maassstab für die nothwendige und brauchbare Länge der Instrumente. Wenn ferner der Katheter, gemäss der mitlleren Länge der Urethra, in der Blase ange- kommen sein sollte und kein Harn fliesst, so kann das zwar in einfacher Verstopfung des Instrumentes seinen Grund haben, es kann aber auch Folge davon sein, dass die Blase leer oder der Katheter in einer falschen Richtung eingedrungen ist. In beiden Fällen wird eine rechtzeitige Erkenntniss den Chirurgen veranlassen, sein Instrument zurückzuziehen und ihn dadurch vor der Gefahr einer bedeutenderen Verletzung bewah- ren. Die annähernde Feststellung des Längenverhältnisses der einzelnen Theile untereinander dient theils als Wegweiser bei der Einführung von Instrumenten, theils als Anhaltspunkt, um Ort und Stelle eines etwaigen Hindernisses zu diagnosticiren. Die Harnröhre macht bekanntlich zwei Krümmungen in ihrem Ver- lauf, welche von allen Schriftstellern mit einem liegenden nn verglichen worden sind. Die Convexität der ersten ist nach oben gekehrt und ihr höchster Punkt befindet sich da, wo die frei hängende Partie der corpora cavernosa angeheftet ist, um auf der anderen Seite wieder abwärts stei- gend sich unter die Symphyse zu begeben. Die zweite Biegung mit der Convexität nach unten entsteht, indem sich die Harnröhre unter die symphysis ossium pubis herumbiegen muss, um sich dann wieder zum Blasenhals zu erheben. Die erste Krümmung wird dadurch ausgeglichen, dass man den Penis parallel der Bauchwand erhebt, was für die Introduk- tion der Instrumente von grosser Wichtigkeit ist. Die zweite Krümmung dagegen kann, da sie gerade in der fixen Partie der Harnröhre liegt, durch kein Manöver verändert werden. Die Instrumente müssen daher eine Krümmung besitzen, welche der der Harnröhre mehr oder weniger entspricht, oder wenn sie geradlinig sind, müssen sie mit besonderer Vorsicht eingeführt werden. Vol. XXIV. P. II. 64 506 0. Heyfelder, Für den Chirurgen ist der Beginn der pars membranacea der wichtig- ste Punkt der Harnröhre. Erstens bietet sie als erste fixe, nicht aus- dehnbare und zugleich eine der engsten Stellen in der Urethra dem Ka- theterismus die grössten Schwierigkeiten dar. Ferner ist sie durch die- selben Eigenschaften die häufigste Stelle für Strikturen; eine Beobach- tung, in welcher Civiale, Leroy d’Etiolles, A. Cooper, B. Bro- die genau übereinstimmen. Unter mehr als 40 Präparaten von Striktu- ren, welche ich in den englischen Museen genauer zu sehen Gelegenheit hatte, waren elwa die Hälfie an dieser Stelle, während die andere Hälfte . auf den ganzen übrigen Verlauf der Harnröhre kam. Endlich aber folgt aus den Schwierigkeiten, welche der Isthmus schon bei normalen Ver- hältnissen bietet, und weiter aus den häufigen anatomischen Veränderun- gen dieser Stelle, dass sie nach der pars prostatica am gelährlichsten für die Entstehung falscher Wege ist. Die Struktur der Harnröhre gab zu lange dauernden und zahlreichen Coniroversen Anlass. Jetzt haben wiederholte mikroskopische Untersu- chungen einen Thatbestand ergeben, welcher mit dem Resultate der Erfahrung congruirt. Das Innere der Harnröhre wird von einer sehr zar- ten, mit geschichtetem ÖOylinderepithelium bekleideten Schleimhaut gebil- det, welche am Blasenhals in die mit Uebergangsepithelium bedeckte Bla- senschleimhaut, an der Eichel aber in eine Membran übergeht, welche ihrer Struktur und Funktion nach die Mitte hält zwischen Epidermis und Mukosa. Im gewöhnlichen Zustande bildet sie longitudinale, ganz zarte Falten, und liegen ihre beiden Seitenflächen aneinander. Sie ist der Entzündung und Geschwürsbildung fähig, als deren Folgen narbige Ein- ziehung,. Excrescenzen, Exsudatablagerung unter dieselbe auftreten und Strikturen bedingen können. In dem Prostatatheil erhebt sie sich zu einer Erhöhung, Saamenhügel oder Schnepfenkopf (veru montanum), welche bald mehr bald weniger ausgebildet ist und die beiden Ausmün- dungspunkte der ductus eiaculatorü wägt. Während diese Punkte meist 1—2’% von einander entfernt rechts und links von der Mittellinie des über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 507 Schnepfenkopfes gelagert sind, befindet sich auf seiner Höhe eine unpaare Oellnung von etwa 7,‘ Weite. Sie ist die Mündung der vesicula pro- statica oder des sogenannten uterus masculinus, welcher von dem mittle- ren, hinteren Lappen der Prostata umgeben, an deren unterer Seite gela- gert ist und mit einer verengerten, halsarligen Fortsetzung nach unten und vorn in die Harnröhre mündet. Sei es nun, dass dieses Bläschen nur Rudiment eines dem weiblichen Uterus analogen ÖOrganes sei (Huschke), sei es, dass es eine physiologische Funktion habe (van Deen): für uns hat es eine andere Bedeutung. Während näm- lich die Prostataflasche sehr oft als eine kaum sichtbare Spalte zwischen der Mukosa des Saamenhügels mündet, so bildet in anderen Fällen ihre rundliche Oeffnung eine Art von Trichter im caput gallinaginis. Dazu kommt, dass die vesicula prostatica einer bedeutenden Erweiterung fähig ist (Ackermann, Petit, Maret). an welcher auch der Ausführungs- gang und dessen Mündung Theil zu nehmen pflegt. In beiden Fällen bietet die Oeffnung, und zwar um so mehr, als sie gegen das orificium cutaneum penis gerichtet ist, einem kleinen Katheter Raum genug, um in dasselbe einzudringen und dadurch einen falschen Weg hervorzurufen. Lisfrane *) gibt an, im Besitz von zwei Präparaten zu sein, bei welchen diese Oeffnung weit genug sei, um die Spitze eines Katheters aufzuneh- men. Rechts und links vom Schnepfenkopfe befinden sich Furchen, wel- che gewöhnlich nur seicht sind und nach oben und unten allmälig auf- hören. In einigen wenigen Fällen sah ich diese Furchen nach dem Vesikelende der Urethra zu durch quere Falten begrenzt, vor welchen sie in Form einer mehr oder weniger ausgebildeten Tasche endigen. Diese Abnormität kann ebenfalls ein Hinderniss für den Katheter bedingen. Noch als der Schleimhaut angehörig sind die /acunae Morgagni zu erwähnen. Bekanntlich kommen in der ganzen Urethra zahlreiche Schleimfollikel vor, deren Mündungen gegen das orificium externum penis *) Lisfranc: Des retreeissements de l’uretre. Paris 1824. 508 0. Heyfelder, gerichtet und von kleinen Schleimhautfältchen umgeben sind. Diese Mündungen sollen einer so bedeutenden Vergrösserung fähig sein, dass sie den Katheter aufzuhalten und Anlass zu Harnröhrenverletzungen zu geben vermöchten. Solche Erweiterungen werden lacunae oder sinus Mor- gagni genannt. Den Beweis, dass sie einer so bedeutenden Ausbildung und dadurch einer gewissen Gefährlichkeit fähig seien, habe ich weder in den betreffenden Werken, noch an Präparaten gefunden. Dicht hinter der Schleimhaut befindet sich eine zweite Schichte, be- stehend aus elastischen Fasern und verdichtetem Bindegewebe, wozu noch am Isthmus eine ungefähr I Linie dicke eirculäre Schichte von querge- streiften Muskelfasern kommt. Diese elastischen und muskulösen Fasern erklären die Erweiterungsfähigkeit der Ureihra, deren Collapsus nach dem Tode, die unwillkürliche Contraktion bei Einwirkung eines Reizes auf die Harnröhre. Nach wiederholten, heftigen Trippern sehen wir oft die Blastieität der Harnröhre in ihrem ganzen Verlauf der Art gemindert, dass die Einführung von Instrumenten und Bougies, ohne ein bestimmtes Hinderniss zu finden, sehr schwer von statten geht. In solchen Fällen ist in Folge wiederholter heftiger Entzündung Exsudat unter die Schleim- haut gesetzt worden, welches die Wandungen der Urethra verdickt und die Wirkung des elastischen und Bindegewebes aufhebt. Die Harnröhre verläuft anfangs, durch Bindegewebe an denselben geheftet, in ihrem eigenen Schwellkörper, welcher zwar auch der Erection fähig ist, jedoch nie denselben Grad von Härte erreicht, wie die caver- nösen Körper des Penis und daher stets einige Elasticität beibehält. Derselbe bildet an seinem Ende eine Anschwellung, Bulbus genannt, welcher keine andere practische Wichtigkeit besitzt, als dass man ihn von aussen deutlich fühlen kann und dadurch einen Anhaltspunkt gewinnt zur Beurtheilung, wo sich die Spitze des Katheters oder ein anderer fremder Körper befinde. Aus dem Bulbus herausgetreten, durchbohrt sie das tiefliegende Blatt der fascia profunda perinei, welche die zwischen Harn- röhre und Symphyse 7, Zoll lange Entfernung ausfüllt und jene an den über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 509 Knochen fixirt ( Ligamentum triangulare urethrae). An ihrer oberen con- caven Seite befindet sich ferner Zellgewebe und die Gefässe und Nerven des Penis. Mit der unteren convexen Seite ruht sie auf den mit Zellge- webe bedeckten musculis Iransversis perinei und dem bulbocavernosus. An dem von Wilson, Guthrie, J. Müller und Giviale stets wieder verschieden beschriebenen constrictor isthmi wrethrae lassen sich 1) wirkliche Ringfasern unterscheiden, welche die Urethra umschliessen und zu derselben gerechnet werden müssen. 2) Ausserdem wird die Harnröhre an gleicher Stelle von Muskelfasern umgeben, welche theils von der inneren Fläche der Symphyse darauf herabsteigen, theils vom ramus ascendens ossis ischil entspringend sich unter und über die Harn- röhre begeben. Die pars prostatica verläuft, wie das ihr Name sagt, innerhalb der Prostata, welche entweder ganz oder nur von hinten und beiden Seiten die Harnröhre umgiebt und fixirt. In den Fällen. wo der vordere Theil der Harnröhre frei ist, trennt denselben nur etwas Bindegewebe von der Schoossbeinfuge. Die Prostata gehört ihrer Struktur nach zu den von Henle traubenförmig genannten Drüsen, jedoch haben ihre Acini nicht Einen oder wenige gemeinsame Ausführungsgänge von grösserem Kali- ber, sondern münden in zahlreichen, sehr feinen Kanälchen um den Saa- menhügel herum in die Harnröhre. Durch die Feinheit dieser Kanälchen ist es unmöglich gemacht, dass sie dem eingeführten oder einzuführenden Instrument ein Hinderniss darbieten. Uebrigens macht nach Kölliker *) die eigentliche Drüsensubstanz nur /, der Prostata aus, während die übri- gen 7 auf Zwischenwände und Umhüllung kommen. Diese enthalten eine grosse Menge glatter Muskelfasern. Da der detrusor vesicae ein- zelne Fasern an die Prostatahülle abgiebt, so erklärt sich daraus leicht der Zusammenhang der Prostatahypertrophie mit grosser Anstrengung *) Kölliker: Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Leipzig 1852. 510 0. Heyfelder, der Blase zur Entfernung des Urins. Auch findet man in der grösseren Mehrzahl der Fälle Hypertrophie der Vorsteherdrüse mit Verdickung der muscularis vesicae gepaart. Durch Hypertrophie, Atrophie und neue Lappenbildung der Drüse kann die pars prostatica in ihrer Länge, Richtung und Gestalt so man- nigfaltig verändert werden, dass Urinverhaltungen, schwieriger Kathete- rismus und falsche Wege die Folge davon sind. Der bedeutendste Höhendurchmesser einer hypertrophischen Vorsteherdrüse und somit die längste pars prostatica, die mir vorkam, beträgt fast 2/,. Das Präpa- rat befindet sich im Hunterschen Museum. Die Gestaltveränderungen dieser Drüse influenziren übrigens auch auf die Gestalt des Blasenhalses, welcher im normalen Zustande trichterförmig sich an die Harnröhre an- schliessen sollte. Wenn nun die ganze Prostata gleichmässig hypertro- phirt, so wird der Blasenhals nach innen mit einem Wulst umgeben; wenn dagegen ein Lappen vorwiegend vergrössert oder neue Lappen gebildet sind, so ragen Tumoren von Grösse und Gestalt einer Bohne, einer Kirsche und darüber mehr oder weniger frei vom Hals her in das Cavum der Blase und geben ein Hinderniss ab für die Harnexcretion, wie für die Einführung von Sonden und Bougies. Die weibliche Harnröhre, dem einfachen Zweck der Harnexeretion dienend, reicht nur von der Blase bis an die Oberfläche des Körpers, entbehrt der Prostata, ist 17, Zoll lang und entspricht in ihrer Struk- tur, an Kaliber und Verlauf so ziemlich der pars membranacea; nur ist sie in höherem Grade der Erweiterung fähig. Vermöge ihres kurzen Verlaufs, ihrer Weite und Elastiecität bietet sie weder für die In- troduktion von Instrumenten, noch für den Austritt von Gries, ‘die Heraus- beförderung von Steinfragmenten eine erhebliche Schwierigkeit. Zugleich ist sie einer Verengerung durch Prostatakrankheiten niemals, durch Strikturen nur ganz ausnahmsweise ausgesetzt. Daraus ergiebt sich schon a priori, dass falsche Wege in derselben höchst selten vorkommen. see ee über falsche Wege der Harnwerkzeuge. sll Auch habe ich weder in der Litteratur, noch in irgend einer Sammlung ein Beispiel davon gefunden. Bei so komplicirten, anatomischen Verhältnissen der Harnröhre und den vielfachen Veränderungen, namentlich traumatischen Einflüssen, denen sie ausgesetzt ist, kommen begreiflicher Weise Zusammenhangs- trennungen derselben nicht selten vor, und zwar entstehen sie: I. Von Innen, d.h. indem sie vom Lumen der Urethra aus durch deren Wände nach aussen geschehen. Hierbei unterscheiden wir eine spontane und eine durch den Reiz eines fremden Körpers hervorge- brachte Durchbohrung. 1) Die spontane kann durch jeden Process herbeigeführt werden, der auf der Schleimhaut der Harnröhre beginnend eine solche Verände- rung der Gewebe hervorruft, dass eine mehr oder weniger ausgedehnte Zerstörung derselben daraus folgt. Es ist sehr zweifelhaft, ob man zu diesen Processen den exsuda- tiven und den pustulösen rechnen darf, welche beide nur sehr selten auf der Harnröhrenschleimhaut auftreten, ersterer als Aphihen und Erosio- nen in Begleitung benachbarter, ausgebreiteter Vereiterungen, letzterer in Gestalt von Variolapusteln bei zahlreicher Eruption dieses Exanthems auf der Haut. Dass aber aus diesen Formen eine Zusammenhangstren- nung der Harnröhre entstehe, ist weder anzunehmen, noch giebt es Bei- spiele, welche dafür sprechen. Eher könnte in Folge des tuberkulösen oder krebsigen Pro- cesses, wenn sie von benachbarten Organen forischreitend auf der Harn- röhrenschleimhaut auftreten, ein Substanzverlust in derselben gesetzt werden. Namentlich aber ist hier zu nennen der katarrhalische Process und in Sonderheit der Tripperkatarrh, welcher sich ebenso oft über die ganze Harnröhre ausbreitet, als er einzelne Stellen vorzugsweise betrifft 512 0. Heyfelder, (Rokitansky) *). Macht der Process an solchen Stellen Fortschritte, so entsteht das Trippergeschwür; geht er noch weiter, so tritt Perforation ein, in Folge deren häufig Fisteln zurückbleiben. Hieran schliessen sich die Ulcerationen, welche nicht selten hinter Strikturen Platz greifen, über deren Entstehung man noch keineswegs im Klaren ist, deren Vorkommen aber sowohl durch Präparate, als auch durch mitgetheilte Krankengeschichten ausser Zweifel gesetzt wird. Leichter lässt sich erklären, wie sie, einmal gesetzt, sich bis zur Perforation entwickeln können. Einerseits erweitert sich bei zunehmen- der Verengerung und Schwierigkeit. den Harn zu entleeren, die ganze hinter der Striktur gelegene Partie der Harnröhre, wodurch die Gewebe verdünnt und einer Zusammenhangstrennung Vorschub geleistet wird. Andererseits drängt der Urin, indem er durch die Striktur aufgehalten wird, auf die benachbarte Geschwürsfläche und befördert durch Druck die Perforation der Gewebe. Im anatomischen Museum von Guys-hospital zu London sah ich ein Präparat, wo hinter einer sehr engen Striktur im Beginn des Isthmus die Schleimhaut im Umfang von mehr als Bohnengrösse aufgelockert und an drei Stellen perforirt ist. Die Krankengeschichte und der Sections- befund ergiebt, dass kein Katheterismus in Anwendung gebracht, sondern dass der Kranke durch Urininfiltration in Folge spontanen Durchbruchs einer hinter der Striktur befindlichen Ulceration gestorben sei. In Civiale’s Privatpraxis in Paris hatte ich Gelegenheit, einen ana- logen Fall zu beobachten. Ein Mann von 69 Jahren, der schon seit Jahren an einer Striktur in der pars bulbosa litt, bekam einen eiterigen Ausfluss aus der Harnröhre. Nach einigen Tagen zeigte sich eine Ge- schwulst am Perineum, welche eröffnet, Harn und Eiter entleerte. C. führte eine Bougie in die Urethra, fand die Wände des Kanals vor der Striktur gesund, hinter der Striktur erweitert, sehr empfindlich, und die *) Rokitansky: a. a. O0. über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 513 Schleimhaut uneben. Da keine Harnsteine vorhanden waren, keine äussere Gewalt, namentlich kein Katheterismus eingewirkt hatte, so begrün- dete Civiale auf die oben genannten Erscheinungen die Annahme eines hinter der Striktur bestehenden Geschwüres, welche er häufig nach sol- chen Erscheinungen während des Lebens in der Leiche gefunden zu haben angab. 2) Der Reiz eines fremden Körpers ist der bei weitem häufigere Anlass zu einer Durchbohrung der Urethra. Ein später abge- hender kleiner Harnstein und ein Steinfragment, welches nach vollbrach- ter Lithotripsie durch den Harn in die Urethra getrieben wird, können sich an irgend einem Punkte des Harnröhrenkanals einkeilen, namentlich bei einer kantigen Gestalt oder rauhen Oberfläche, und Entzündung, Ulce- ration und Perforation zur Folge haben. Civiale *) erwähnt eines Kranken, der ohne besondere Beschwerden einen Stein während 10 Jahren in der Harnröhre gehabt, bei dem sich aber plötzlich eine Geschwulst am Mittelfleisch mit rasch sich ausbreitender Harninfiltration und Gangrän einstellee Man machte einen Einschnitt im Perineum, worauf es ohne Mühe gelang, einen Stein von bedeuten- dem Umfang aus der pars membranacea zu entfernen. Am dritten Tag darnach starb der Kranke. In einem andern Fall ging bei einem 4 Monat alten Kinde ein Harnstein durch einen Abscess am Mittelfleisch ab und es blieb eine mit der Urethra communicirende Fistel zurück. **) Ganz ähnlich wie eingekeilte Harnsteine wirken zufällig in die Harn- röhre eingeführte fremde Körper, wie Kornähren, Halme, abgebrochene elastische Katheter etc. Die häufigsten und für uns wichtigsten Durchbohrungen der Harn- röhre sind die in Folge angewandten Katheterismus ent- *) Civiale: a. a. 0. **) Bartholin: Hist. anat. cent. 4. hist. 8. p. 227 Vol. XXIV. P. I. 65 514 0. Heyfelder, standenen, daher wir diesem eine genaue Betrachtung später widmen werden. Dem Katheter analog wirkt das Bougie auf die Wände der Harn- röhre; doch ist der Vorgang zur Bildung eines falschen Weges durch Bougies nicht selten ein eiwas modificirter. Das Bougie, täglich in einer falschen Richtung eingelegt, wird nach und nach eine Ausstülpung der Schleimhaut und des dahinter liegenden mehr oder weniger elastischen Gewebes in dieser Richtung hin bewirken. Die Fasern der Harnröhre, der Schwellkörper, die Bündel der eiwa beiroffenen Muskeln, der lockere Zellstoff in den Interstitiien weichen vor dem allmälig vermehrten Druck auseinander und lassen die Schleimhaut zwischen sich durchdringen, so dass dieselbe einen förmlichen Blindsack darstell. Mehrere Präparate haben mir zur Untersuchung vorgelegen, an welchen Ausstülpungen von 2— 6 Länge in Folge von fehlerhafter Bougiebehandlung bestanden. Ist der Grad der Ausdehnung erreicht, welchen die Schleimhaut ertragen kann, so entzündet sie sich bei Fortgebrauch der Bougies, erleidet eine Zusammenhangstrennung, und so entsteht ein falscher Weg, der seiner Ausdehnung und gefährlichen Eventualiiäten nach einem mittelst des Katheters gebildeten völlig gleich steht. Hyrtl *) erzählt von einem Offizier, der während längerer Zeit wegen einer Harnröhrenstriktur Bou- gies gebrauchte. Das Resultat dieser Behandlung war, dass Hyrtl, wegen üblerem Befinden des Patienten hinzugerufen, das Bougie 7 über dem After in den Mastdarm ragend fand. Aehnliche Fälle berichten J. Hunter **), Civiale ***), Lallemand +). An die Bougies, als äusseren Reiz für das Innere der Harnröhre, schliesst sich die Cauterisation an, welche als mechanischer und *) Hyrtl: Topographische Anatomie. Bd. I. p. 61. **) Hunter: a. a. 0. 2) Giviale:n.a. a2. 0. +) Lallemand: Clinique medico-chirurgicale. Tom. I. Paris 1845. über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 515 chemischer Reiz zugleich wirkt. Schon im XV. Jahrhundert gegen Strikturen der Urethra angewandt, neuerdings von Amussat, Leroy d’Etiolles u. A. empfohlen und in Gebrauch gezogen, hat sie eben das gegen sich, dass man die Fortschritte und das Uebermaass der hervorge- rufenen Entzündung nicht bemeistern, meist nicht einmal bemessen kann, und daher Gefahr läuft, die Wände der Uretihra der Perforation auszu- setzen. Wiewohl alle Gegner der Cauterisation ihr diese Gefahr entge- gen halten, so scheint hierin ein falscher Weg doch selten seinen Grund zu haben. Ein derartiges Präparat wurde mir wenigstens nicht bekannt. Alle bisher besprochenen Ursachen der Harnröhrenperforation wirk- ten vom Lumen derselben aus nach aussen. Im Gegensaiz dazu haben wir nun IH. die von aussen nach innen gehenden Zusammenhangs- trennungen der Urethra, die wir ebenfalls in spontane und trauma- tische scheiden. 1) Die spontanen können ihren Ursprung dem entzündlichen, dem tuberkulösen und krebsigen Processe verdanken, wenn diese nämlich von der Umgebung beginnend, erst auf die äussere Bedeckung, dann auf die Innenfläche der Urethra fortgepflanzt werden. Möglicherweise könnte auch ein auf der unteren Seite der Eichel sitzendes syphilitisches Ge- schwür die Perforation der Harnröhre von aussen nach innen zur Folge haben. Besonderer Erwähnung verdienen die Abscesse der Prostata, sowohl einfache als tuberkulöse, wenn sie sich in die pars prostatica öffnen. Einen solchen Fall beschreibt H. Lafargue in ausführlicher Weise in den Arch. gen. de med. Sept. 1542. Während hier bei einem 24 Jahr alten Kranken ein Abscess in der Vorsteherdrüse sich durch fünf kleine Öeffnungen einen Weg in den Prostatatheil der Harnröhre bahnte, erwähnt Ch. Bell *) eines Kranken, bei dem sich der Eiter eines *) Ch. Bell: & trealise on Ihe diseases of the urethra, vesica urinaria, prostata and rectum. London 1822. >16 0. Heyfelder, Prostata- Abscesses durch eine grössere Oeffnung in die Urethra ergoss. 2) Traumatische, von aussen die Urethra treffende Einflüsse sind Stich-, Schnitt-, Schuss- und Quetsch- Wunden der Harnröhre, Berstung durch Fall auf’s Perineum, Verletzung durch Fraktur der Bek- kenknochen. Stich- und Schnittwunden treffen zufällig oder zum Zweck eines chirurgischen Eingriffs die Urethra; letzteres z. B., wenn ein Abscess am Perineum, an der unteren Seite des Penis geöffnet, wenn die Harn- röhre zur Entfernung eines fremden Körpers oder einer Striktur (Syme’ sche Methode) *) eingeschnitten wird. Als Beispiel einer Schussver- letzung führe ich jenen auch von Hyrtl **) erwähnten Fall an, in wel- chem Dieffenbach die zurückgebliebene Fistel durch Transplanta- tion heilte. Ein russischer Offizier war nämlich durch eine Kartätschenkugel an der unteren Fläche des eben erigirten Penis so verletzt worden, dass eine Fistel entstand, durch welche Harn und Saamen ausfloss, bis Dieffen- bach die Heilung gelang. Einen Fall von Perforation der Harnröhre durch scharfe Fragmente gebrochener Beckenknochen beobachtete ich vorigen Winter in Stela- tons Klinik zu Paris. Berstung durch Fall auf’s Mittelfleisch ohne Fraktur der Beckenkno- chen ereignet sich ebenfalls. Namentlich ist es bekannt, dass Matrosen, welche im Tackelwerk des Schiffes stürzen und dabei reitend auf ein Querholz auffallen, häufig eine Verletzung der Urethra erleiden. Ganz entsprechend ist jener Fall von einem Kutscher, der bei’m Aufsteigen auf den Bock ausglitt und mit dem Perineum auf den Rand eines Rades fiel. *) Syme: Ueber Harnröhrenverengerungen und Darmfistel. Edinburgh. a. d. Engl. v Schrö- der. Leipzig 1850. **) Hyril: a. a. O. über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 517 In Folge davon entstand ein Abscess von Hühnereigrösse, der jedoch zeitig geöffnet wurde und bei fortgesetztem Gebrauch des Katheters inner- halb 4 Wochen heilte (Hyrtl) *). Einen ausgezeichneten Fall von Verletzung der Urethra durch Quet- schung hatte ich in Roux’s Klinik, im Hötel Dieu, zu sehen Gelegenheit. Ein gesunder Mann, mittleren Alters, erlitt eine bedeutende Quetschung der ganzen unteren Beckengegend, in Folge deren sogleich ein starker Bluterguss aus der Harnröhre, wie unter die Haut der betroffenen Theile, und im Verlauf von 3 Monaten eine sehr enge Striktur entstand. Wie schon aus den angeführten Beispielen erhellt, gehen diese traumatischen Verletzungen der Harnröhre mit Blutungen, Harnverhal- tungen, Urinaustritt, Abscessbildung einher und können ausgebreitete Gangrän und den Tod, zurückbleibende Fistelgänge, in anderen Fällen eine die Harnröhre verengernde Narbenbildung zur Folge haben. Indem die primär und secundär auftretenden Harnverhaltungen den Katheteris- mus nöthig, die Wunde aber, und später die Verengerung ihn gefährlich machen, haben sie noch eine besondere Bedeutung für das jetzt ausführ- licher zu behandelnde Kapitel der mittelst des Katheters gebildeten fal- schen Wege. Häufiger als irgend etwas anderes giebt der Katheterismus Anlass zu Verletzungen der Harnröhre und Bildung abnormer Gänge, die nach Sitz, Richtung, Ausdehnung so wie nach ihren Folgen differiren. Die Ursachen, welche Harnverhaltungen oder Harnbeschwerden bedingen und dadurch den Katheterismus nöthig machen, bieten zugleich mittelbar oder unmittelbar Anlass zur Verletzung der Urethra. Am ungefährlichsten sind in dieser Beziehung diejenigen Ursachen der Harnverhaltung, welche ohne organische Veränderungen des Kanals auftreten, als Blasen- lähmung, krampfhafte Kontraktion des Blasenhalses oder der Urethra; während anatomische Veränderungen den Katheterismus schwieriger und *)«Eyrdl;axa, 0: 518 0. Heyfelder, die Gefahr der Verletzung grösser machen. Und zwar nimmt die Dispo- sition zur Bildung eines falschen Weges zu, je mehr die Veränderung des Lumens der Urethra eine Accomodation des Katheters nach derselben schwieriger oder unmöglich macht. 1) Sei die Blasenlähmung lokales Leiden oder Folge einer centralen Lähmung, so wird sie an und für sich dem einzuführenden Ka- theter keine Schwierigkeit bieten, also auch keine Veranlassung zu Ver- letzungen der Harnröhre geben. Sie könnten in einem solchen Falle nur durch die Fehler des Manövers selbst hervorgerufen werden. Zwei Hauptfehler nämlich bei der Einführung des Katheters sind zu frühes und zu spätes Erheben des Instrumentes. Ist die Katheterspitze bis zum Anfang des Isthmus eingedrungen, und soll nun durch Erhebung des Griffes um die Symphyse herumgeführt werden, so drängt man sie bei zu frühem Erheben gegen das ligamentum triangulare oder gegen den Knochen an. Wartet man dagegen zu lange mil der Erhebung des Griffes, so presst man die Spitze des Instrumentes gegen die untere Wand und gefährdet diese. Handelt es sich um die Einführung eines geraden Insirumentes, so kommt zu den besprochenen beiden Punkten ein dritter hinzu, auf welchen die Aufmerksamkeit des Chirurgen sich richten muss. Das Instrument muss nämlich nach erfolgter Hebung gegen die unteren Extremitäten des Patienten zu so tief gesenkt werden, bis es in der Richtung der aufwärts steigenden pars prostatica steht; dann erst darf dasselbe auch wieder vorwärts bewegt werden. Geschieht diese Voranbewegung bei nicht vollständiger Senkung des Griffes, so steht die Spitze des Instrumentes in einem Winkel auf der hinteren Wand der Harnröhre und kann zu einer Verletzung derselben führen. Genaue Be- kanntschaft mit dem Verlauf der Harnröhre, häufige Uebung des Verfah- rens und besonders eine schonende Führung des Katheters werden vor diesen Fehlern und der dadurch möglichen Beschädigung der Harnröhre bewahren. über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 519 2) Ist die Harnverhaltung durch krampfhafte Verschliessung der Harnröhre oder des Blasenhalses bedingt, so findet der Ka- theter schon ein wirkliches Hinderniss vor. Da dieses aber nur Symptom und zwar nicht eines vorübergehenden krankhaften Zustandes ist, so muss sich die Behandlung gegen diesen richten. Sie bleibt sich im Gan- zen gleich, ob die Kontraktion rein krampfhaft oder eine Folge von Ent- zündung der Blase oder der Harnröhre ist. Da solch krampfhafte Zusam- menziehung oft als bloser Reflex, hervorgerufen durch den Reiz des fremden Körpers auf der Innenfläche der Harnröhre, entsteht, so wirkt Alles, was diesen Reiz bei der Einführung vermindert, als Mittel gegen die Kontraktion. Daher wohl zu berücksichtigende Vorsichtsmaassregeln bei’m Katheterismus sind: sorgfältiges Erwärmen des Instrumentes, d amit die Kälte nicht den Reiz vermehre: Einölen desselben, um die Friktion auf den Wänden der Urethra zu vermindern. Findet der mit solcher Vorsicht eingeführte Katheter den Isthmus oder den Blasenhals krampfhaft verschlossen, so genügt es zuweilen, ihn ein wenig zurückzuziehen und zu warten, bis sich die Urethra gleichsam an den Kontakt des fremden Körpers gewöhnt hat. Alsdann lässt der Krampf nach und das Instrument gleitet ohne Schwierigkeit in die Blase. Bei hartnäckigeren Fällen werden Opiate und andere Narkotika theils innerlich oder in Klystieren gegeben, theils in Salbenform auf die Spitze des Katheters aufgetragen und so in unmittel- bare Berührung mit der krampfhaft verengerten Stelle gebracht. Man fomentirt Perineum und Genitalien, verordnet Einreibungen und Getränke, namentlich den als specifisch gerühmten Thee von herba wae ursi, giebt Sitz- und Vollbäder, und fügt, wenn Entzündung vorhanden, die unter dem Namen „‚antiphlogistische‘‘ zusammengefassten Mittel hinzu. Als wirklich von Erfolg begleitet erweisen sich nur diejenigen, welche nicht zugleich Reiz und Entzündung vermehrend wirken. Allgemeine Bäder und narkotische Klystiere sind wirksam, werden aber da, wo sie nicht den gewünschten Erfolg haben, bei der Art ihrer Einwirkung auch nicht 520 0. Heyfelder. schaden. Die warmen und schleimigen Getränke aber werden im Fall sie ihre Wirkung verfehlen, die Ausdehnung der Harnblase, somit die Beschwerden des Patienten und die Schwierigkeit der Operation vermeh- ren. Örtliche Blutentziehung und energische Anwendung der Kälte bei Entzündung der Harnorgane ist doppelt indieirt sowohl gegen die Ent- zündung selbst als gegen den Schmerz. Eine ganz einfache als Volks- mittel häufig angewandte Procedur leistet zuweilen gute Dienste, nämlich das Bespritzen der Genitalien und der Unterbauchgegend mit kaltem Wasser. Ein anderes sehr wirksames Mittel ist die Chloroformanästhese, für welche schon die günstigen Erfolge beim Augenlidkrampf in der Augenentzündung scrophulöser Individuen, so wie bei eingeklemmten Hernien sprechen. 3) Bedingt Verstopfung der Harnröhre, durch zufällig ein- geführte fremde Körper, Harnsteine, Pfröpfe von Blut, Schleim ete., das Hinderniss für den Katheter, so müssen diese fremden Körper mit instru- mentaler Hülfe auf dem natürlichen Wege oder, wenn das nicht gelingt, durch einen von aussen auf dem Hinderniss in der Urethra angelegten Ein- schnitt entfernt werden. Versucht man den Katheter mit Gewalt an dem Hinderniss vorbei zu schieben, so läuft man Gefahr, durch übermässige Ausdehnung eine Berstung der Urethra zu bewirken. 4) Wenn das Hinderniss, welchem der Katheter in der Harnröhre begegnet, in einer bleibenden anatomischen Veränderung seinen Grund hat, so beruht die Möglichkeit in die Blase zu gelangen auf dem Wechsel des Instrumentes, der Wahl der Methode, auf dem ganzen manuellen Verfahren. Die anatomischen Veränderungen können in Erweiterung und Verengerung, Zusammenhangstrennung, Deviation oder in Texturerkrankung bestehen. Eine allgemeine Erweiterung der Harnröhre kommt hier nicht in Betracht, weil sie der Einführung eines Instruments kein Hinderniss dar- bieten würde. Partielle Erweiterungen nun treffen entweder einen über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 521 Theil der Urethra in seiner ganzen Circumferenz, wie z. B. die vor oder hinter einer Striktur gelegene Partie, die theilweis erweiterte pars pro- statica bei Prostatahypertrophie, (wie sie oben besprochen); oder die partiellen Erweiterungen betreffen nur eine Wand. In diesem Falle bilden sie kleine Blindsäcke, wie sie spontan oder in Folge von Bougie- behandlung vorkommen, oder Vertiefungen vor der wulstförmig vergrös- serten mittleren Partie der Prostata. Die abnorme Vergrösserung einmündender Kanäle, so wie die klap- penförmige Erweiterung von gewissen im normalen Zustande nur ange- deuteten Schleimhauffalten sind zwar eigentlich nicht als Erweiterungen des Kanals anzusprechen, mögen aber doch aus verschiedenen Rück- sichten hier ihre Stelle finden, namentlich wegen der ähnlichen Wirkung auf den Katheterismus. Man hat dabei an die vergrösserte Einmündungs- stelle des Prostatabläschens, an die /acunae Morgagni, an jene Klappen der seitlich vom Saamenhügel verlaufenden Furchen zu denken. In jede abnorme Oeffnung, in jeden Blindsack des Harnröhrenkanals kann sich der Katheter verirren und durch denselben aufgehalten oder zum Verfol- gen einer falschen Richtung veranlasst werden. In solchem Falle muss das Instrument zurückgezogen und vorsichtig mit Vermeidung des Hin- dernisses wieder eingeführt werden. Vermag man dessen Sitz zu erkennen, so hält man sich an die entgegengesetzte Wand der Urethra. Ein Katheter von starkem Kaliber wird sich weniger leicht verirren als ein schwächerer. Bei dem Versuche hingegen, das Hinderniss durch Gewalt zu überwinden, führt man Verletzungen, selbst Durchbohrungen der Harnröhre herbei, und erreicht überdiess häufig den Zweck der Ope- ration. in die Blase zu gelangen, nicht. Dieselbe Gefahr für den Katheterismus, wie die eben besprochenen Veränderungen, bieten auch Zusammenhangstrennungen des Kanals dar, seien sie nun von aussen oder von innen gesetzt, neu entstandene oder als Fisteln schon länger bestehende. Sie zu vermeiden ist dasselbe Ver- fahren erfordert, wie dort. Auf Civiale’s Abtheilung im Neckerspital Vol. XXIV. P. I. 66 522 0. Heyfelder, in Paris katheterisirte ich einen Patienten beinahe täglich, der einen zur Fistel umgestalteten falschen Weg im Isthmus hatte. Es bedurfte nichts weiter, als den Katheter sich möglichst selbst zu überlassen, so drang er, statt in der Harnröhre weiter zu gleiten, in den Fistelgang ein und bis zu dessen Perinealende vor. Wollte ich ihn vermeiden, so musste ich mein Instrument hart an der oberen Wand der Harnröhre fortführen. Verengerung und Deviation der Harnröhre werden so ziem- lich durch dieselben anatomischen Veränderungen hervorgerufen: durch Druck von andringenden grossen Afterbildungen, von dislocirten oder vergrösserten Nachbarorganen, z. B. frakturirten Beckenknochen, grossen Leistenbrüchen etc. und besonders durch Vergrösserung der Prostata. Die Verengerungen der Harnröhre beruhen aber auch auf Veränderungen, welche ihren Sitz in den Wänden der Harnröhre selbst haben. Wenn Äfterbildungen, vergrösserte Beckenorgane etc. die Harn- röhre comprimiren oder ihren Verlauf abändern, und noch eine gewisse Beweglichkeit besitzen: so versucht man mittelst der Finger von aussen oder vom Mastdarm aus dieselben in der Art zu bewegen, dass dadurch die Urethra in ihren natürlichen Verhältnissen wieder hergestellt wird. Dabei wählt man einen Katheter von möglichst starkem Kaliber, welcher im Stande ist, vom Lumen des Kanals aus die Dislokation der Tumore zu unterstützen, ohne jedoch die Wandungen selbst der Gefahr der Perfora- tion in gleichem Grade auszusetzen, wie es ein spitzer Katheter thun würde. Ist das Hinderniss dagegen ein unbewegliches, so gilt es, das- selbe zu umgehen, ein Instrument zu wählen, welches sich dem verän- derten Verlauf und den Raumverhältnissen möglichst anpassen kann. Hier ist der elastische Katheder von Vortheil, dem man durch seinen Führer jede beliebige Gestalt geben kann, und der, ohne Führer eingebracht, so geschmeidiger Natur ist, dass er nach vielfachen vergeblichen Versuchen mit andern Instrumenten häufig den Weg zur Blase findet und dabei die Wandungen des Kanals kaum gefährdet. über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 323 Die durch Erkrankung der Vorsteherdrüse bedingten Anomalien der Harnröhre sind mannigfaltig, oft vereinigt und in einander übergehend, so dass sie weder unter den Verengerungen, noch unter den Deviationen einzuschalten sind, sondern für sich besprochen werden müssen. Durch Cystenbildung, Fibroide, tuberkulöse und kreb- sige Infiltration, Prostatasteine, Entzündung und deren Ausgänge, und vor Allem durch Hypertrophie der Prostata, wer- den die Veränderungen der pars prostatica hervorgerufen. Die hypertrophische Vorsteherdrüse zeigt entweder gleich- mässige Vergrösserung beider Seitenlappen, in welchem Fall der Prostatatheil seitlich comprimirt und in eine Spalte verwandelt ist; oder Ein Lappen ist vorzugsweise vergrössert. In Folge davon ist die Harnröhre verengert, und überdies weicht sie nach der ent- gegengesetzten Seite ab, wodurch der vorwiegend hypertrophische Lap- pen Verletzungen bei’m Katheterismus ausgesetzt ist. Getheilt, mehrfach gespalten, abgelenkt und selbst geradezu okturirt wird der Prostatatheil dann, wenn die Hypertrophie der Drüse mit Bildung neuer Lappen ver- bunden ist. Findet der Katheter sich im Vordringen durch die vergrösserte Vor- steherdrüse aufgehalten, so ziehe man ihn etwas zurück und führe ihn mit geringen Seitenbewegungen, mit etwas stärkerer Hebung und Sen- kung des Stiels auf’s Neue ein, wodurch es zuweilen gelingt, das ver- schobene Lumen des Kanals aufzufinden oder einen neuen Lappen etwas zur Seite zu drängen. Zuweilen ist der Mercier’sche Katheter mit kurzem, rechtwinkligem Querast von Nutzen. In vielen Fällen genügt es, an die Stelle eines stärkeren Instruments ein dünneres zu setzen, oder den metallischen Katheter gegen den elastischen zu vertauschen. Die Finger, in den Anus eingeführt, unterstützen das Verfahren zuweilen mit Erfolg. Bei mehrfacher Gestaltveränderung des Kanals gelingt der Katheterismus entweder gar nicht, oder doch nicht ohne Verletzungen. Entweder verfolgt das Instrument den vielfach veränderten und verenger- 5324 0. Heyfelder, ten Prostatatheil mit Misshandlung seiner Wände, oder es gleitet von der Drüse ab und bahnt sich unterhalb oder zur Seite derselben einen neuen Weg durch das umgebende, weniger widerstandsfähige Zellgewebe. Der dritte und seltenste Fall ist der, wo der Katheter, die gerade Fortsetzung des normalen Theils der Urethra bildend, die Substanz der Prostata durchbohrt. So wenig solche Durchbohrungen der Drüse selbst mit der Consistenz ihres Gewebes und der Straffheit ihrer fibrösen Umhüllung in Einklang zu stehen scheinen, so ist doch ihr Vorkommen sowohl durch Präparate als durch Beobachtungen verschiedener Schrift- steller bewiesen *). Jedoch sind sie eher denkbar bei der von Roki- tansky **) unterschiedenen Hypertrophie mit „‚aufgelockertem, sukku- lentem Gewebe von schwammig-elastischer Consistenz‘‘, als bei jener, wo die Drüse ‚‚derber lederartig zähe‘“ erscheint. Auch kommen sie, wie schon bemerkt, bei weitem seltener vor, als die anderen Formen von Verletzung, eine Beobachtung, mit welcher Hyrtl’s Ausspruch (Topo- graph. Anat. Bd. 2. S. 80) vollkommen übereinstimmt. Als Beleg für die beiden ersten, häufigeren Arten der Verletzung diene ein Präparat, welches ich in der Klinik des Herrn Professor Dittrich zu sehen Gele- genheit hatte. Durch bedeutende, ungleichmässige Hypertrophie der Prostata mit vielfacher Neubildung von Lappen ist in dem bezeichneten Fall der Prostatatheil der Harnröhre allseitig comprimirt, verschoben und vielfach gespalten, so dass er den Charakter eines Kanals ganz verloren hat. Vor dem verengerten Eingang in die pars prostatica befinden sich mehrere falsche Wege, welche unter der Drüse in verschiedener Richtung und Ausdehnung verlaufen. Die Wände des Prostatatheils aber, durch welchen der Katheter oftmals mit Mühe durchgeführt wurde, sind der- *) Cruveiller: Anatomie pathologique du corps humain, Paris 1835 — 1842. Civiale: a. a. O. Lallemand: a. a. O. *”*) Rokitansky: a. a. 0. über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 325 maassen misshandelt, dass man kaum die Ausdehnung der Schleimhaut mit Bestimmtheit nachweisen und das vielfach verletzte caput gallinaginis auffinden kann. Den Beweis für die Verletzungen der Drüse selbst liefern folgende Beispiele. Im Thomasspital in London befindet sich ein Präparat, wo der rechte Prostatalappen in höherem Grade hypertrophisch ist als der linke, und die Prostata in einem Winkel, der einem Rechten nahe kommt, nach links abweicht. Durch die Mitte dieses Lappens geht als gerade Fort- setzung des normalen Theils der Urethra ein falscher Weg vom Kaliber eines mittleren Katheters und mündet 4— 5’ weit von der halbmondför- mig verzogenen Mündung des natürlichen Kanals mit einer runden Oell- nung in die Blase. ÜCruveiller beschreibt in seiner pathologischen Anatomie des Menschen einen Fall, wo bei Prostatahypertrophie der Katheter mit Gewalt in die Blase geführt worden war, und sich in der Leiche folgende Verletzungen fanden. Im Anfang des Prostatatheils waren in einer 2—3 breiten Brücke die Wandungen der Harnröhre aufgehoben. Nahe am Blasenhals aber zeigte die hintere Wand des Kanals eine runde Oeffnung, welche durch einen falschen Weg in die Blase führte. Die wulstförmig hervorragende mittlere Portion der Prostata, welche eine Abweichung des Kanals nach vorne verursachte, war nämlich von dem Instrument geradezu durchbohrt, und so der kürzeste Weg nach der Blase wieder hergestellt worden. Die Beschreibung des Befundes ist von Abbildungen begleitet, welche die Veränderungen von verschie- denen Seiten und auf’s evidenteste zur Anschauung bringen. Mehrere ähnliche Präparate habe ich in den Londoner Museen vorgefunden. In dem an pathologischen Präparaten übrigens nicht allzureichen Musde Dupuytren zu Paris finden sich zwei Stücke, wo ein gerade am orificium vesicale aufsitzender Lappen vollständig durchbohrt ist, der eine in seiner Mitte, der andere an seiner mit breitem Stiel aufsitzen- den Basis. 526 OÖ. Heyfelder, Nächst den Abnormitäten der Prostata gehören die Strikturen zu den häufigeren und zugleich hartnäckigeren Hindernissen des Katheteris- mus. Man versteht unter Strikturen diejenigen Verengerungen des Kanals, welche in den Wandungen desselben ihren Sitz haben und durch Entzündung mit Exsudatsetzung hervorgerufen sind. Das Exsudat, theil- weise organisirt, bildet entweder einen kallösen, in das Lumen hervorra- senden Wulst, oder durch Schrumpfung eine narbige Einziehung der Gewebe. Die krampfhafte Verengerung, die wir schon oben abgehandelt haben, schliessen wir aus. Nur das sei bemerkt, dass sie zur anatomi- schen Striktur hinzukommen kann und dann mit denselben Mitteln be- kämpft wird, wie bei alleinigem Auftreten. Der wahren Strikturen kom- men in einer Harnröhre eine oder mehrere vor; ja das Lumen des ganzen Kanals kann durch nahe aneinander liegende Verengerungen in eine rosenkranzähnliche Reihenfolge von Erweiterungen und Abschnürungen verwandelt werden (Bell und Rokitansky). Was den Grad der Ver- engerung betrifft, so kann sie so beträchtlich werden, dass kaum eine Borste mehr durchdringt. Ihr Sitz kann im ganzen Verlauf der Urethra sein, ist aber in einer grossen Mehrzahl der Fälle im Anfang des Isthmus und dem zu Folge sind die durch sie veranlassten falschen Wege häu- figer im Bulbus als an einer andern Stelle. Wird der Katheter nun durch eine Striktur aufgehalten, so gilt es, wenn irgend wo, vorsichtig und langsam zu Werke zu gehen, denn hier am allerwenigsten überwindet man die Schwierigkeit mit Gewalt. Wo möglich verschaffe man sich zuerst durch Untersuchung von aussen und Einführung eines weichen Wachsbougies eine genaue Kenntniss von dem Sitz und der Beschaffenheit der Striktur. Statt des anfänglich ange- wandten Katheters versucht man schwächere Nummern, wodurch man häufig zum Ziele kommt. Namentlich erinnere ich mich eines mit Strik- tur behafteten Kranken, wo nach 24stündiger Harnverhaltung und ver- geblichem Gebrauch örtlicher und allgemeiner Mittel endlich ein äusserst feiner metallischer Katheter leicht durch die Striktur hindurch und bis in u en ee Dr a un a über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 327 die Blase drang. Bekannt ist jenes Verfahren, nach welchem man das Katheterende während einiger Minuten unbeweglich gegen die Striktur angepresst hält. Es gelingt dadurch zuweilen, das Instrument in.das verengerte Lumen einzuführen und bei fortgesetztem Verfahren hindurch- zuführen. Sind alle Versuche, die Striktur mit einem Katheter zu passiren, vergeblich, so bleibt als weiteres Mittel die Einführung einer feinen Bougie. Häufig erfolgt, wenn das gelang und man sie nach eini- gen Minuten wieder entfernt, eine Urinentleerung. Ja es ist eine eigen- thümliche Erfahrung, dass nach einer einmaligen solchen Erweiterung der Striktur dieselbe auch für Instrumente von bedeutenderem Kaliber durch- gängig wird (Malgaigne) *). Die tour de maiätre, von J. L. Petit angegeben, ist zwar ebenfalls zuweilen von Erfolg begleitet, ist aber gleichwohl zu verwerfen, weil in der Geschwindigkeit des Handgriffs eine gewisse Gewaltthätigkeit liegt, deren Grad und Richtung man gleich wenig controliren kann, welche daher leicht bedeutende Verletzungen zur Folge hat. Derselbe Vorwurf trifft die von Boyer **) angegebene, von Mayor ***) modifieirte Methode des catheterisme force. Die Boyer- sche Methode sah ich von Roux, einem ihrer wenigen Lobredner, 3mal in einem halben Jahr mit glücklichem Erfolg ausüben. Es wurde näm- lich die Urinretention, die durch kein anderes Mittel zu beseitigen gewe- sen, gehoben und zugleich die Wegsamkeit der Urethra wieder hergestellt, welche in zwei Fällen durch eine Tripperstriktur, im dritten Fall durch eine traumatische Striktur aufgehoben war. Nur in einem der drei Fälle entstand nach einiger Zeit ein Urinabscess, welcher in der Verletzung der Harnröhre durch den gewaltsamen Katheterismus seinen Grund hatte, der aber eröffnet ohne weitere üble Folgen verlief. So glücklich wie bei diesen drei Kranken waren die Erfolge der Operation selten, und Roux *) Malgaigne: a. a. O. ”*) Boyer: Traite des maladies chirurg. Vol. IX. p. 232. ***) Mayor: Sur le catheterisme simple et force etc. Paris 1836. 528 0. Heyfelder, hatte schon mehrere Male den Tod eines so Operirten zu beklagen. Ein- mal war sein Kollege Velpeau glücklich genug, einen derselben, der in Folge eines falschen Weges zahlreiche Urinabscesse bekommen hatte und gestorben war, zu seciren (Velpeau nouv. elem. de med. operat. T: 1722569): Verfährt man bei Strikturen in dieser Weise absichtlich oder aus Mangel an Vorsicht gewaltsam mit dem einzuführenden Katheter, so er- eignel es sich nicht selten, dass statt der unnachgiebigen Striktur die Wandungen des Kanals vor derselben auseinander weichen und dem In- strument vorzurücken gestatten. Zahlreiche Beispiele in der Litteratur und den anatomischen Sammlungen geben die Belege dafür, obgleich die falschen Wege bei Strikturen weit seltener sind als die bei Prostatahyper- trophie. Im Thomasspital in London sah ich ein Präparat. wo das Ende der pars bulbosa durch eine Striktur verengert wird. Vor derselben ist die Schleimhaut in der ganzen Circumferenz des Kanals aufgeschlitzt und abgestossen, indess nach links von der Urethra ein falscher Weg in den Bulbus führt. An seinem Ende befindet sich eine Abscesshöhle von Bohnengrösse, die durch einen engen Kanal auf der rechten, vorderen Seite des Scrotums nach aussen mündet. Im Guys-hospilal zeigt eine Urethra zwei Strikturen: vor der ersten ist ein. vor der zweiten sind zwei falsche Wege gebildet. Noch sind Texturerkrankungen in den Wänden der Harnröhre als ein wichtiges prädisponirendes Moment für deren Verletzung mittelst des Katheters zu bezeichnen. Ist an irgend einer Stelle der Urethra das (sewebe erweicht, verdünnt, theilweise zerstört, so bedarf es kaum einer Gewalt, oft nur eines mässigen Drucks, um in demselben eine wirkliche Zusammenhangstrennung hervorzurufen. Alle jene Processe, welche schon spontan eine Perforation der Harnröhre bewirken können (vergl. l., 1 und Il., 1). werden um so eher dazu führen, wenn sie die Einwir- kung eines fremden Körpers unterstützt. Namentlich prädisponiren die durch einen schon gebildeten falschen Weg verursachten Veränderungen über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 529 in hohem Grade zu neuen Verletzungen. Wo sich demnach in der Leiche Abscesse und andere Spuren von Entzündung neben falschen Wegen finden, da lässt sich oftmals nicht entscheiden, ob die falschen Wege durch spontane oder künstliche Perforation gebildet wurden, ob die Texturerkrankung dem Katheterismus vorhergegan- sen oder durch ihn bedingt sei. Beispiele mögen die Art und Weise der Verletzung bei vorhandener Texturerkrankung, den Ort, wo sie vorkommt, und die Folgen näher darlegen. In dem schon früher erwähnten Falle, den Charles Bell *) beob- achtete, verirrte sich der Katheter in dem aufgebrochenen Abscess der Prostata und gelangte durch die in den Entzündungsprocess hineingezo- genen benachbarten Gewebe bis in die Blase. Einige Analogie hat der hier beobachtete Fall. Nachdem in Folge der ersten Verletzung der Harnröhre in dem häutigen Theil und der pars prostatica Entzündung der Schleimhaut und des submukösen Zellgewebes dieser Partieen und der Blase entstanden war, durchbohrte der Katheter ohne Schwierigkeit die aufgelockerten Gewebe in allen Richtungen. Daher denn mehrere sehr ausgedehnte falsche Wege entstanden, deren Bildung von keinen auffallenden Erscheinungen, kaum von Blutung begleitet waren, eben weil das Instrument nicht nöthig hatte, gesunde Gewebe gewaltsam zu zerreissen, sondern nur in erweichte, halb macerirte einzudringen. Beide Fälle finden sich ausführlicher am Ende der Abhandlung mitgetheilt. Endlich muss ich noch eines ganz vereinzelt dastehenden Falles erwähnen, in welchem weder eine Striktur, noch Prostatavergrösserung, noch irgend eine der bekannten Ursachen, sondern ein diverticulum vesi- cae Harnverhaltung hervorrief, den Katheterismus nöthig machte und Anlass zur Bildung eines neuen künstlichen Kanals gab. Das Präparat wird im Thomasspital in London aufbewahrt. An der linken, hinteren Wand der Harnblase befindet sich ein Divertikel von Kindskopfgrösse, *) Ch. Bell: a. a. ©. Vol. XXIV. P. II. 67 530 0. Heyfelder, der durch eine Oeffnung von /,* Durchmesser mit der Blase communieirt. Die Ausbuchtung, allmälig zu grösserer Ausdehnung angewachsen als die Blase und mit Harn angefüllt, veränderte dem Gesetz der Schwere folgend seine Lage und senkte sich nach dem tiefsten Punkt im Becken, zog also die Communicalionsöffnung, welche in der linken hinteren Wand der Blase liegt, mit nach unten, so dass sie tiefer und in die Mittellinie zu stehen kam. Dadurch war die Blase um ihre Achse gedreht, während die pars membranacea als fixer Theil sich nicht bewegt hatte. Der Bla- senhals war durch die Drehung zugeschnürt, die durchaus normal grosse Prostata war der Drehung etwas gefolgt, so dass der obere Theil der pars prostatica ebenfalls verschlossen erschien; die spiraligen Falten der Schleimhaut reichten bis in den Isthmus. Urinretention trat ein, der Katheter wurde eingeführt, fand keinen Weg, verliess vor dem Isthmus die Harnröhre und ging an deren unterer Seite bis in das unter dem Diverti- kel gelagerte Zellgewebe, wo er etwa 9 lang blind endigt. Nachdem wir bisher die Veranlassungen und Entstehungsweisen der sogenannten falschen Wege kennen gelernt, haben wir zunächst ihren Sitz, ihre Zahl und Ausdehnung, später ihre Folgeerscheinungen zu betrachten. Wie das schon aus dem bisher Gesagten sich ergeben hat, so haben die Verletzungen der Harnröhre mittelst des Katheters ihren Sitz meist vor dem Hinderniss, welches dieser im Kanal begegnet, demgemäss sind sie in der pars bulbosa und am Ende der pars membranacea am häufig- sten. Unter etwas mehr als 100 Präparaten, die ich unter diesem Ge- sichtspunkt verglichen, fand sich, dass etwa 7, der falschen Wege auf jene beiden Stellen kommen, und zwar treffen davon /; auf das Ende des Isthmus und den Anfang der pars prosiatica, und etwa /, auf den Bulbus. Die Verletzungen der Harnröhrenwände sind bald nur Einrisse und Aus- stülpungen, bald brückenartig aufgehobene Partieen, rinnenartige Vertie- über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 531 fungen, bald förmliche Hohlgänge, deren an einem und demselben Präparate sich mehrere befinden können. Ihrer Ausdehnung nach variiren sie nicht weniger. Als einen der längsten falschen Wege nennt Ch. Bell einen von #; ich habe deren zwei von fast 5° Länge gesehen. Nach der Verschiedenheit ihres Verlaufs und ihrer Endigung lassen sich die fal- schen Wege eintheilen in: 1) blind endigende; 2) solche, die in die Harnwege zurückführen; 3) solche, die nach aus- sen oder in ein anderes Organ münden. Ihr blindes Ende liegt entweder in den Schwellkörpern, besonders im Bulbus, in dem Zellgewebe, welches die Beckenorgane umgibt, in der Substanz der Prostata, in den Perinealmuskeln. Als Seltenheit kann jener falsche Weg betrachtet werden, der im submukösen Zellgewebe der Blase zwischen Muscularis und Mucosa verläuft, ohne eine von beiden Membranen zu verletzen. Nicht ganz selten kehrt der Katheter und demnach der durch den- selben gebildete falsche Weg wieder in die Harnröhre zurück, wenn er sie ganz verlassen, oder wenn er nur die innere Wand durchbrochen. Nr. 2573 im Hunter’schen Museum zeigt eine Harnröhre, die von drei falschen Wegen durchbohrt ist. Der erste verläuft 17, in gerader Richtung und kehrt dann in die Harnröhre zurück, ebenso der zweite nach einem längeren Verlauf. Der dritte endlich verlässt zweimal die Urethra, kehrt zweimal in dieselbe zurück und mündet, nachdem er die pars mem- branacea noch einmal verlassen, schliesslich in dem Prostatatheil in die Harnröhre. Beispiele von Einmündung falscher Wege in die Blase finden sich im Verlauf der Abhandlung schon mehrere angegeben. Ebenso sind Fälle erwähnt, in welchen Perforation des Mastdarms statthatte. Ein ganz ausgezeichneter Fall der Art wird von Giviale *) erzählt und besteht darin, dass ein gerader Katheter erst Harnröhre und Mastdarm durchbohrte und dann wieder in die Blase zurückkehrte. *) Civiale: a. a. 0. 532 0. Heyfelder, Als höchste Seltenheit darf wohl betrachtet werden, dass falsche Wege bis in die Saamenbläschen fortgesetzt werden, wovon ich ein Bei- spiel im Hunter’schen Museum gefunden habe. (Ganz undenkbar ist, dass bei gesunden Geweben der Katheter der- gestalt in einer falschen Richtung fortgedrängt werden könnte, dass er an der äusseren Haut zu Tage käme; auch ist kein Fall der Art bekannt geworden. Dagegen dringt er, besonders bei schon vorhandener Er- krankung der Gewebe. bis in die Nähe der allgemeinen Decke vor, und Entzündung mit ihren Ausgängen vollendet die Perforation. So erklären sich zahlreiche Fälle von falschen Wegen, die als Perineal- oder Serotal- Fisteln fortbestehen. Die Diagnose einer Verletzung der Harnröhre durch den Katheter ist durchaus nicht leicht, indem weder die augenblicklich, noch die consecu- tiv auftretenden Erscheinungen constant sind. Wenn der Katheter die Wand der Urethra durchbohrt und in die umgebenden Gewebe eindringt, so gibt sich das nach der gewöhnlichen Annahme zu erkennen durch ruckweises Vorwärtsdringen des Instrumentes, grossen Schmerz für den Patienten, durch Blut- erguss aus der Urethra und dadurch, dass kein Urin entleert wird. Alle diese Zeichen aber können bei wirklicher Durchbohrung fehlen, oder wenig ausgesprochen sein, oder können bei’m Katheterismus eintreten, ohne durch Perforation der Wandungen bedingt zu sein. Ruck- weises Vordringen des Katheters unter lebhafter Schmerzempfindung des Kranken kann bei Ueberwindung jedes Hindernisses, namentlich der Strikturen, eintreten. Der Schmerz namentlich kann bei der Empfind- lichkeit der Harnröhre überhaupt, und dem hohen Grad dieser Empfind- lichkeit bei einzelnen Individuen gar keinen Maasstab abgeben. Ein star- ker Bluterguss muss allerdings auf die Möglichkeit einer Perforation auf- merksam machen, aber er begleitet nicht immer die Bildung eines fal- schen Weges, namentlich wenn derselbe in jauchig oder eiterig zerstör- ten Geweben verläuft. Andererseits kann auch eine normal verlaufende über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 333 Introduktion des Katheters von einer mässigen Blutung gefolgt sein. Der Grad des Blutergusses hinwiederum ist bedingt durch den Sitz der Ver- letzung ; so wird sie bei einer Zerreissung der corpora cavernosa bedeu- tender sein, als in andern Fällen. J. J. Guthrie (Ueber die Krankheiten der Harnröhre, der Prostata und des Blasenhalses, S. 89, 91) erzählt mehrere Fälle von bedeutender Blutung, in Folge von Verletzungen durch den Katheter, und Cruveiller (Anat. path. du corps hum. T. Il.) be- richtet sogar, dass er einen Kranken beinahe verloren durch eine 8 Tage lang währende Blutung, in Folge eines falschen Weges. Nur ganz im Vorübergehen sei es gesagt, dass man gegen solche Blutungen Kälte und Compression vom Perineum aus anwendet. Das Nicht - Austreten des Urins aus dem Katheter kann ebenso gul Folge von Verstopfung des Instrumentes oder Leerheit der Blase sein, als es in andern Fällen beweist, dass der Katheter gar nicht in die Blase gelangt ist. Ein falscher Weg kann andererseits gebildet sein und doch Urin ausfliessen, wenn nämlich der Katheter wieder in die Harnwege zurückgekehrt ist. Es geht daraus hervor, dass diese Symptome nur in ihrer Gesammt- heit die Perforation der Harnröhre diagnostieiren lassen. Um sich Ge- wissheit zu verschaffen, untersucht man mit den auf dem Mittelfleisch ruhenden oder in den After eingeführten Fingern. Die weiteren consecutiven Erscheinungen richten sich nach der Art und Ausdehnung der Verletzung, nach den örtlichen Ein- flüssen und dem allgemeinen Zustand des Organismus. In manchen Fäl- len tritt sogleich Urininfiltration ein, welche sich schon im Verlauf der nächsten Stunden, ja der ersten halben Stunde, als umschriebene Ge- schwulst oder als diffuse Infiltration der ganzen Umgebung zeigen und die ganze untere Bauchgegend, ja selbst die obere innere Schenkelpartie einnehmen kann. Diese Form von Urininfiltration pflegt dann einzutre- ten, wenn eine ausgedehnte Verletzung der Urethra dem Harn einen un- sehinderten Austritt gestattet und derselbe auf wenig resistentes Gewebe, 534 0. Heyfelder, z. B. eine grössere Zellgewebsansammlung trifft. Die Urininfiltration hat Gangrän der befallenen Theile zur Folge, welche zum Tode führen, als deren Residuen zahlreiche Fisteln zurückbleiben können. Chopart, Civiale, Dessault *) haben Fälle beobachtet, wo in Folge von Urin- Infiltration und Gangrän am Perineum, Scrotum und oberer Schenkel- partie die allgemeinen Decken sammt Zellgewebe zerstört und die darun- ter liegenden Muskeln und Organe, sogar die Hoden, und in einem Fall ein Theil der Prostata blos lagen. Doch selbst solche Fälle kommen erfah- rungsgemäss zur Heilung. Tritt die Urininfiltration nur langsam ein, oder trifft sie auf resisten- tere Gewebe, so bilden sich Urinabscesse, welche sich gegen die äussere Haut senken und spontan oder mit dem Bistouri geöffnet, Eiter und Urin entleeren. Ueberhaupt gilt es bei Urininfiltration und ihren Folgen, mög- lichst bald dem Urin freien Abfluss aus den Geweben zu verschaffen, was durch ergiebige Einschnitte bewirkt wird. Während Urininfiltration bei unbedeutenden Verletzungen der Harn- röhre ohne sichtbare Nothwendigkeit eintritt, so erfolgt sie hinwiederum in anderen Fällen nicht, während die Umstände sie zu begünstigen schei- nen. Jedoch gibt es Verhältnisse, welche den Urinaustritt durch die Wunde hindern, nämlich freier Abiluss des Urins durch den normalen Kanal, nach Wegräumung des Hindernisses, oder durch einen liegen ge- bliebenen Katheter, Kleinheit der Wunde und sehr schiefe Richtung der- selben (Hyrtl). Hat keine Urininfiltration statt, so unterliegt die Ver- wundung der Harnröhre und ihrer Umgebung denselben Gesetzen, wie eine andere Wunde. Es erfolgt Entzündung und Exsudat- setzung. Dass diese zu einer Heilung per primam intentionem führe, ist nicht anzunehmen, weil die Wunde eine grössere, unreine und über- diess dem Contakt des Urins ausgesetzt ist. Dagegen kann sie durch gutartige Eiterung und Granulationenbildung zur Heilung tendiren, *) Civiale: Bd. I. S. 395 — 397. FI En AM U A a m über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 35 wodurch entweder Verschliessung des falschen Weges oder Organisation desselben als Kanal erfolgt. Letzteres wird bei den in die Harnwege zurückkehrenden falschen Wegen begünstigt, wenn ein im Wundkanal liegen gebliebener Katheter oder der täglich einige Male dadurch fliessende Urin das Aneinanderlegen und Verwachsen der Seitenwände verhindern, wenn andererseits die Entzündung keinen zu hohen Grad erreicht und die umliegenden Weichtheile nicht durch Eiterung zerstört werden. Natürlich tritt ein so günstiger Ausgang der Verwundung und Ent- zündung in einzelnen Geweben, namentlich in dem der Prostata leichter ein, als in anderen; leichter bei Gesundheit derselben, als wenn sie schon vorher erkrankt waren; bei kräftigen, jüngeren Individuen eher, als bei alten, marastischen; auch ist die Prognose günstiger bei einer einzigen Verwundung, als wenn durch zahlreiche Verletzungen die ganze Umge- bung an der Entzündung Theil nimmt. Der neugebildete Kanal hat mehr oder weniger glatte Wände, je nachdem die Entzündung mit oder ohne Substanzverlust einhergegangen. Die Wände werden dann durch eine firo-cellulöse, glatte, härtliche Narbensubstanz ausgekleidet; von den Mündungen, besonders von der Eingangsöffnung her, legt sich die Schleimhaut auf die Wunde an und wird bei der narbigen Zusammenzie- hung immermehr hineingezogen. Dass aber eine Neubildung von Schleimhaut in dem organisirten falschen Wege stattfinde, wie einzelne Schriftsteller behaupten, ist weder bewiesen, noch wahrscheinlich. Gewiss dagegen ist, dass ein ziemlich regelmässiger Kanal entstehen kann, der Monate und Jahre statt der unwegsamen Partie der Harnröhre funktionirt. Der Engländer Strafford *) theilt die Krankengeschichte eines 82jährigen Mannes mit, den er nach 48stündiger Urinretention kathete- risirte. Durch einen hierbei entstandenen künstlichen Gang flossen *) Strafford: An essay of the treatement of some affection of the prostate gland. Lon- don 1840. 536 0. Heyfelder, 2 Quart blutigen Harnes ab. Der Katheter blieb 3 Tage in dem Gange liegen, wurde 2 Wochen lang mehrere Male täglich eingeführt. Später konnte der Operirte von selbst den Urin entleeren und zwar bis zu seinem mehrere Monate später unter apoplektischen Erscheinungen erfolgten Tode. Die Harnwerkzeuge mit der bedeutend vergrösserten Prostata werden im Hunter’schen Museum No. 2511 aufbewahrt. Der mitt- lere mit breitem Stiel aufsitzende Lappen ist an seiner Basis von einem mit glatten Wandungen und regelmässigen Oeffnungen versehenen fal- schen Wege durchbohrt, durch welchen nach der Krankengeschichte das Instrument wiederholt eingeführt wurde und später der Urin ausfloss. Obgleich ähnliche Beispiele sich bei verschiedenen Autoren finden und ähnliche Präparate in den anatomischen Sammlungen bestehen, so ist doch im Ganzen die Organisation des entzündlichen Exsudats selten. Häufig tritt Abscessbildung ein mit Durchbruch nach aussen, in den Mast- darm und die Harnwege selbst. Im Hunter’schen Museum zeigt ein Präparat ausser mehreren anderen weniger ausgebildeten falschen Wegen einen Wundkanal, der in der pars cavernosa beginnend unterhalb der Urethra und vor dem Recium verläuft und in die Blase zurückführt. Im Verlauf dieses ganzen Kanals befinden sich Abscesshöhlen von Bohnen- bis Taubeneigrösse, die an mehreren Stellen in die Urethra, in andere falsche Wege und nach Aussen aufbrechen, so dass die Gewebe vielfach zerklüftet und durchbrochen sind und kaum angegeben werden kann, was Verwundung mit dem Katheter, was spontane Perforation sei, was falscher Weg und was Fistel. Die Entzündung kann sich von den verwundeten Stellen auf alle benachbarten Gewebe und Organe fortpflanzen: von der Schleimhaut der verletzten Partie auf die der ganzen Urethra, der Blase, selbst der Urethe- ren und derNieren: vom submukösen Zellgewebe auf alles benachbarte Zell- gewebe, so dass Periproctitis und Perieystitis. — auf das Peritoneum, so dass Peritonitis entsteht, — auf die Prostata und andere Drüsen. Eine so aus- gedehnte Entzündung und Eiterung kann durch Entkräftung und Blutver- über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 537 giftung den Tod herbeiführen und das um so mehr, wenn das Exsudat nicht in guten Eiter, sondern in Jauche umgewandelt wird. Bezüglich der Behandlung der falschen Wege steht der Satz fest, dass sie leichter zu vermeiden sind, als sie, wenn einmal entstanden, in ihren Folgen beherrscht oder radikal geheilt werden können; daher ich mich bei ihrer Entstehung länger als an irgend einem andern Punkt verweilt habe. Ist eine Verwundung der Harnröhre und ihrer Umgebung gesche- hen, so gilt es in allen Fällen, die Unwegsamkeit des natürlichen Kanals. als die erste Ursache der Verletzung, aufzuheben. Weiter aber kehrt man seine Aufmerksamkeit der Verletzung selbst zu und sucht Urininfiltration oder Reizung der frischen Wunde durch den Urin möglichst zu verhüten, indem man einen Katheter in der Urethra liegen lässt oder häufig einführt. Bei Urininfiltration, in welcher Gestalt sie sich zeige, beeile man sich, durch bald und in ausgedehnter Weise gemachte Einschnitte dem Urin Ausfluss zu verschaffen, wodurch eine ausgebreitete Gangrän ver- mieden werden kann. Ist Gangrän eingetreten, so wird sie nach den allgemein geltenden Regeln behandelt. Falsche Wege, welche in den Mastdarm und nach aussen am Peri- neum und Scrotum münden, werden nach den von der Chirurgie bei allen Fisteln angewandten Grundsätzen behandelt. Ich erinnere hierbei an den von Dieffenbach durch Hautverschiebung geheilten Patienten. Lallemand, Civiale und Hunter haben günstige Erfolge vom Durch- schneiden der Fistel gehabt. Doch schliessen sich auch manche Fisteln schon in Folge von wieder hergestellter Wegsamkeit des Kanals, wovon ich ein eclatantes Beispiel zu sehen Gelegenheit hatte. Zwei Fälle er- zählt Hunter, in welchen nach Herstellung des normalen Ausführungs- Vol. XXIV. P. II. 68 538 0. Heyfelder, gangs eine Harnröhrenmastdarmfistel heilte. Der eine von diesen beiden Kranken hatte während 17, Jahren, wo er mit der Mastdarmfistel behaftet war, seinen Urin in der Weise entleert, dass er sich niedersetzte und den Urin in einem kräftigen Strahle aus dem After austreten liess. Auch blindendigende Wege können als unvollständige Fistelgänge angesehen und demgemäss operirt werden, indem man von der äusseren Oeffnung der Harnröhre ein gefurchtes Instrument in dieselben einführt und darauf ihrer ganzen Länge nach einschneidet. Besteht etwa eine Striktur in der Harnröhre, welche zu der Verletzung Anlass gab, so ist durch den Schnitt die Syme’sche *) Operation schon angebahnt und man vollendet sie zur radikalen Heilung der Striktur. Natürlich findet das Verfahren, nach welchem man die falschen Wege aufschneidet, seine An- wendung nur dann, wenn sie am Perineum, am Scrotum, am Penis selbst verlaufen, und muss auch in der Nähe des Hodensacks mit besonderer Vorsicht geschehen. Nach dem Gesagten haben die sogenannten falschen Wege fü den Chirurgen ein mehrfaches Interesse. Sie werden für’s Erste bei wei- tem häufiger durch den Katheterismus als durch irgend etwas Anderes veranlasst. Es ist demnach ihre Entstehung oder Verhütung mehr oder weniger in die Hand der Chirurgen gelegt, die sich bei dem anscheinend so einfachen Verfahren der Kathetereinführung nicht genug durch Einüben der Operation selbst, durch vertraute Kenntniss der betreffenden anatomi- schen Verhältnisse und durch eine genaue Feststellung des jedesmaligen Sachverhaltes vorbereiten und gegen üble Folgen wahren können. Es geben zweitens die Folgekrankheiten und Ausgänge der Harn- röhrenverletzungen zu neuen chirurgischen Operationen Anlass und drit- tens wird die nähere Kenntniss von dem Verlauf und den Gefahren der *) Syme: ‘a. a. 0. über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 539 falschen Wege zur Entscheidung der Frage beitragen, ob der gewaltsame Katheterismus als chirurgische Operation zu statuiren sei oder nicht. Aus dem Verlauf der Abhandlung geht weiter hervor, dass die gewöhn- lich so genannten „‚falschen Wege“ nur eine Folgeerscheinung und zwar von ganz verschiedenen Texturerkrankungen und Verwundungen sind, unter denen freilich die mit dem Katheter gemachten Verletzungen den grössten Raum einnehmen. Da aber die Erscheinungen und Ausgänge bei den Verwundungen mit dem Katheter wie bei anderen Erkrankungen der Harn- röhre in einander übergehen und einander gegenseitig veranlassen helfen, so besteht nicht ganz unberechtigt eine halb - populäre Gesammtbezeich- nung dieser Veränderungen in den Harnwegen. Der Chirurgie bleibt es überlassen, dieselben nach ihrer verschiedenen Entstehung und ihren Folgen zu trennen, und der pathologischen Anatomie, die anatomischen Veränderungen in ihrer Mannigfaltigkeit auseinander zu halten. 540 0. Heyfelder, Krankengeschichten. I. Fraktur der Beckenknochen, Verwundung der Harnröhre, Urinretention, Blasenstich, Tod. Ein kräftiger Mann, mittleren Alters, stürzte von einem mässig hohen Baume herab und zwar auf das Perineum. In dem Augenblick als er sich von der Erde erhob, beobachtete er einen krachenden Ton im Innern des Beckens und gewahrte gleich darauf, dass er Blut aus der Urethra verliere. Nachdem er sein, einige hundert Schritte entferntes Haus zu Fuss erreicht hatte, stellte sich Harnverhaltung ein, welche die Applikation des Kathe- ters nöthig machte. Am folgenden Tag jedoch entleerte er den Harn ohne Kunsthilfe. Erst nach Verlauf einer Woche begann die Harnreten- tion auf’s Neue und nahm zugleich mit der Schwierigkeit, den Katheter einzuführen, von Tag zu Tag zu. Nach etwa 4 Wochen trat er in Ste- latons Klinik ein. Man constatirte eine Fraktur des ramus descendens ossis pubis, dessen oberes Bruchende nach vornen ragte und von einer mässigen Anschwellung der Weichtheile umgeben war. Durch die Kno- chenfragmente war die Harnröhre verletzt worden und in Folge der Ver- wundung eine harte Striktur in dem Isihmus entstanden. Da vollständige Urinretention schon seit 36 Stunden bestand und die Einführung eines Katheters absolut unmöglich war, so wurde am Tage nach der Aufnahme die Punktion der Blase über der Symphyse mittelst eines Troikarts gemacht, hierauf eine elastische Kannüle eingelegt. Es floss eine grosse Menge Urins aus und die stark ausgedehnte Blase collabirte. Dadurch kam die Punktions- über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 541 öffnung in der Blase tiefer zu stehen als die in der äusseren Haut, der Urin floss nicht mehr nach aussen, sondern in die Bauchhöhle; schon nach we- nigen Stunden traten alle Zeichen einer heftigen Peritonitis ein und in der Nacht starb der Kranke. Die Sektion ergab allgemeine Peritonitis in Folge von Urinaustritt, fractura ram. descend. ossis pub. und Obliteration der Harnröhre in der pars membranacea durch harte Narbenmasse. II. Verengerung der Harnröhre in Folge einer Quetschwunde. Gewaltsamer Katheterismus, nach Boyer. Heilung. Leonhard Charnait, 47 Jahr alt, Tagelöhner, bisher stets gesund, namentlich noch nie mit einer Gonorrhöe behaftet, erlitt im Februar eine Quetschung der ganzen unteren Beckengegend und der oberen Partie der Oberschenkel, indem er zwischen einem Schiff und dem Balken eines Ge- rüstes eingeklemmt wurde. Gleich nach dem Unfall zeigte sich ein star- ker Bluterguss unter der Haut des Mittelfleisches, des Hodensacks und des Penis und es trat Blutharnen auf, welches während voller 8 Tage anhielt. Die Harnexcretion war schmerzhaft und ging nur langsam von statten. Entsprechend der pars bulbosa hatte der Kranke einen fixen Schmerz, welcher ungefähr vom 10ten oder 12ten Tage ab zunahm, worauf sich eine Geschwulst am Perineum zeigte. Die Geschwulst brach auf und entleerte Harn und Eiter. Eine Fistelöffnung blieb zurück, aus welcher ebensoviel Harn austrat, als auf dem normalen Wege. Im Ver- lauf der nächsten Wochen entstanden nach und nach mehrere Abscesse in der nächsten Umgebung des ersten, welche ebenfalls aufbrachen und neue Fistelgänge zurückliessen. Ende Mai trat der Kranke in die Abthei- lung des Herrn Roux im Hötel Dieu ein. Die Haut am Perineum war uneben, an manchen Stellen narbig eingezogen und von mehreren Oeff- nungen durchbohrt. Durch diese Fistelgänge floss der Harn aus, wäh- 542 0. Heyfelder, rend kaum einige Tropfen am vorderen Ende der Harnröhre hervordran- gen. Es war unmöglich, einen Katheter weiter als bis in die pars bul- bosa einzuführen, wo sich eine Verengerung dem Weiterdringen dessel- ben entgegenstellte. Herr Roux führte den konischen Katheter nach dem Boyer’schen Verfahren durch die verengerte Stelle bis in die Blase und liess das Instrument 24 Stunden lang liegen. Den folgenden Tag ward an seiner Stelle ein elastischer Katheter eingeführt. Indem man täglich eine stärkere Nummer in Anwendung brachte, gewann der Kanal der Harnröhre immer mehr Durchgängigkeit, so dass der Urin in dickem Strahl durch das vordere Ende der Harnröhre entleert wurde; die Fisteln am Mittelfleisch verengerten sich in dem Maasse, als der Harnausfluss aus denselben abnahm. Nach 2%, Monat verliess der Kranke das Spital, indem er ohne alle Beschwerden uriniren konnte, und die Fistelgänge, bis auf Einen, geschlossen waren. I. Striktur in Folge von Gonorrhöe. Katheterismus, falsche Wege, Perinealfistel. Heilung. Beausoleil, ein gesunder Mann mittleren Alters, der in seiner Jugend mehrere Male an Gonorrhöen gelitten hatte, trug als Residuum eine Striktur an der Grenze des beweglichen und unbeweglichen Theils der Harnröhre, in Folge deren Harnverhaltungen eintraten und Katheteris- mus häufig nöthig wurde. Anfangs leichter, dann mit mehr Schwierig- keit vollführt, hatte die Operation zuweilen heftige Blutungen und Schmer- zen zur Folge. Es waren dabei ein oder mehrere falsche Wege nach dem Perineum hin gebildet worden, in denen sich der Katheter zuweilen verirrte. Am Perineum und Scrotum bildeten sich Abscesse, welche auf- brachen und in direkter Communikation mit der Harnröhre standen, und zwar mit der vor und hinter der Striktur gelegenen Partie derselben. Als über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 343 der Kranke im Anfang Aprils jenes Jahrs in Ci viale’s Abtheilung im Hospital Necker aufgenommen wurde, waren zwei Fisteln zurückgeblieben, von welchen die eine am Perineum, die andere an der hinteren Wand des Hodensacks nach aussen mündete. Harte, unregelmässige, verdichtete Zellgewebsmassen umgaben die Fistelöffnungen. Ein gewöhnlicher Kathe- ter drang, indem sich seine Convexilät allmälig nach oben kehrte, in den am Perineum mündenden falschen Weg ein und beinahe bis zu seinem Endpunkte vor; die Striktur dagegen liess selbst ein Bougie Nr. 2 nur mit Mühe durchdringen. Durch eine schonende Bougiebehandlung war schon nach 3 Wochen die Striktur so erweitert, dass nur der Urin durch die- selbe durch und zum normalen Harnröhrenende herausfloss; gleichzeitig ging aber stets noch etwas Urin durch die Fistelöffnungen ab. Die Ver- engerung ward nun mittelst Bleisonden erweitert, und in dem Grade, als sie durchgängiger wurde, floss weniger Harn aus den Fisteln.. Das ver- härtete Zellgewebe um die Oeffnungen derselben erweichte unvermerkt, die Infiltration schwand. Mitte Juni waren beide Fistelöffnungen ge- schlossen und ging der Harn in einem kräftigen, ungetheilten Strahl aus der Urethra, so dass der Kranke in seine Heimath entlassen werden konnte. IV. Abscess der Vorsteherdrüse. Aufbruch in die Urethra. Falscher Weg in die Blase. Tod. *) Ein Kranker, der schon seit längerer Zeit an Urinbeschwerden ge- litten hatte, wurde von einer vollständigen Harnverhaltung befallen. Der Katheter wurde eingeführt, gelangte aber nicht bis in die Blase, indem er *) Der Fall wird von Charles Bell in seinem: Treat. of the deas. of the prost. gl. etc. mitgetheilt. Ich gebe ihn hier in externso, weil er wirklich interessant, und weil ich mich zweimal auf denselben im Texte der Abhandlung bezog. 544 0. Heyfelder, ein Hinderniss in der pars prostatica nicht zu überwinden vermochte und der Operateur keine Gewalt anwenden wollte. Nach etwa 24 Stunden fühlte der Kranke, dass ihm etwas in der Nähe des Blasenhalses aufbrach, und sogleich floss eine Menge Eiter aus der Harnröhre, auch gelang es, einen dicken Katheter bis in die Blase zu führen und den Urin zu entlee- ren. Als den nächsten Tag der Katheterismus wiederholt werden sollte, wurde das Instrument in der pars prostatica aufgehalten, und nach ver- geblichen Bemühungen, es frei zu machen, drang es durch die Abscess- öffnung in die Prostata und von da in die Blase. Urin mit Eiter gemischt wurde entleert, aber nach einigen Stunden entstand Peritonitis und der Kranke starb am dritten Tage. Die Muskelhaut der Blase fand sich ver- dickt, die Schleimhaut etwas aufgelockert, geröthet, die Röthe gegen die Perforationsstelle hin zunehmend, wo sie missfarbig wird und die Schleim- haut theilweiss durch Eiterung zerstört ist; in der Prostata ein bedeuten- der Abscess, der auch nach hinten durchgebrochen und sich gegen Blase und Mastdarm hin erstreckt hatte. Er communicirte mit der Blase durch eine dem Kaliber des Katheters entsprechende Oeffnung. Hält man Krankengeschichte und anatomischen Befund zusammen, so war Entzündung der Prostata mit Abscessbildung das Primäre; der Aufbruch erfolgte spontan, wahrscheinlich jedoch durch den Katheterismus befördert. Bei der zweiten Einführung verirrte sich aber das Instrument in die Abscessöffnung und gelangte leicht durch die durch Entzündung und Eiterung aufgelockerten, theilweiss zerstörten Gewebe in die Blase. Ob die Cystitis und Peritonitis als fortgepflanzte Entzündung die Prostatitis, oder als traumatische Entzündung die mit dem Katheter gemachten Ver- letzungen begleitete, ob das Instrument die Oeffnung in die Blase neu gebohrt oder ein vorhandenes kleines Loch erweitert hat, lässt sich nicht entscheiden. Nur das scheint sicher, dass es in seiner jetzigen Weite von dem Katheter herrührt. über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 545 m. Hypertrophie der Prostata, falsche Wege. Tod. Ein 76jähriger Mann von marastischem Aussehen, seit einigen Jah- ren mit Gicht und Hämorrhoiden behaftet, wurde vor d Jahren zum ersten Mal von Urinretention in Folge einer Erkältung befallen. Sie ward durch einen mit Leichtigkeit eingeführten Katheter gehoben. Als im folgenden Jahr dasselbe Uebel auftrat, versuchte ein Bader vergeblich das Instrument einzuführen, während Herr Doktor Herz, dem ich die Krankengeschichte verdanke, den Patienten wiederholt und ohne Schwierigkeit katheterisirte. Schon damals wurde eine mässige Vergrösserung der Vorsteherdrüse constalirt. Am 16. Oktober 1. J. hatte ein etwas stärkerer Biergenuss augen- blicklich Harnverhaltung zur Folge. Ein Bader versuchte mit einem dünnen Katheter in die Blase zu gelangen, sah aber keinen andern Erfolg seiner Bemühungen, als den, dass sie heftige Schmerzen und einen nicht unbedeutenden Erguss von reichlich mit Coagulis gemischtem Blut ver- ursachten. Als der behandelnde Arzt in der Nacht zu dem Patienten gerufen ward, stand die Blase etwa in der Mitte zwischen Symphyse und Nabel. Die Untersuchung durch den Mastdarm ergab eine so bedeutende Ver- grösserung der Prostata, dass deren Ende mit dem Finger nicht erreicht werden konnte. Bei Einführung des Katheters nahm man wahr, wie der- selbe in einen in der pars membranacea befindlichen falschen Weg ein- drang. Daher wurde das Instrument zurückgezogen, und dessen Spitze an die obere Wand der Harnröhre haltend, gelang es, den falschen Weg zu vermeiden und zur Prostata vorzudringen. Hier aber traf es nach allen Seiten auf Hindernisse. Nach mehr als halbstündigen Versuchen ohne alle Anwendung von Gewalt, gelang es, den Katheter bis in die Blase zu führen, worauf eine grosse Menge von Urin ausfloss, dem nur einige Tropfen Blut beigemischt waren. Nachdem der Harn entleert, wurden Vol. XXIV. P. II. 69 546 0. Heyfelder, lauwarme Injektionen gemacht, der Katheter aber wegen des Reizes, den er verursachte, nicht liegen gelassen. Der Kranke fühlte sich sehr er- leichtert, verlangte aber schon nach zwei Stunden abermals die künstliche Entleerung der Blase. Er konnte von da an den Urin nicht mehr ohne Hilfe lassen und wurde deshalb täglich zwei- bis dreimal katheterisirt. Zuweilen dringt das Instrument nach wenigen Versuchen, oft erst nach mehrstündigem Bemühen bis in die Blase; immer aber gelingt es, den Urin mittelst des Katheters zu entleeren. Diese Versuche, sowie die endliche Einführung des Katheters sind schmerzhaft, zuweilen von ganz geringer Blutung begleitet, niemals aber ist die Operation mit auffallend gesteigertem Schmerz oder bedeutendem Bluterguss verbunden. Nach dem 4ten bis äten Tage stellte sich ein leichtes Frösteln ein, der Puls wurde frequent und klein, die Kräfte des Kranken verfielen zusehends. Gehirnerscheinungen zeigten sich nicht, dagegen trat zuletzt Husten und Schleimrasseln auf. Der Tod erfolgte unter diesen Erschei- nungen am 24. Oktober. Die Sektion ergab ausser den Veränderungen in den Harnorganen mehrere kleine lobuläre pneumonische Heerde in den Lungen. Die Diagnose einer bedeutenden Hypertrophie der Prostata bestätigte der Befund, indem der Umfang dieser Drüse beinahe Faustgrösse betrug. Der mittlere und linke Lappen sind gleichsam zu einem einzigen Lappen verschmolzen; eine seichte Rinne zwischen beiden deutet die Trennung an. Auf der Höhe des mittleren Lappens und etwas nach rechts sitzen zwei neugebildete Läppchen auf, beide von Bohnengrösse und von der Consistenz des normalen Drüsengewebes. Der rechte Lappen ist weni- ger gross als der linke; von seiner oberen Partie hängt an einem durch Verletzung bedingten langen, dünnen Stiel ein neuer Lappen von Kir- schengrösse in die zwischen ihın und den beiden andern Lappen befindli- che Rinne. In Folge von dieser Gestaltveränderung der Vorsteherdrüse weicht die pars prostatica nach rechts ab, ist sie seitlich comprimirt, durch den hereinhängenden neugebildeten Lappen obturirt und gespalten, über falsche Wege der Harnwerkzeuge. 347 so dass hier alle nur möglichen Hindernisse für den Katheterismus zusam- mentreffen. Theils in Folge der später gesetzten Verletzungen lässt sich der Verlauf des Prostatatheils kaum mit einiger Bestimmtheit verfolgen. Entsprechend dem Anfang des häutigen Theils befindet sich ein fal- scher Weg, welcher die untere Wand der Harnröhre sehr schräg durch- bohrt und parallel mit derselben etwa 6’ weit verläuft. Er erscheint durch öfteres Einführen des Instrumentes erweitert, aus seiner Tiefe lässt sich etwas missfarbige Jauche auspressen. Am Ende des Isthmus ist die Schleimhaut vielfach zerrissen und aufgeschlitzt. 3—4 längere schmale Fetzchen dieser Membran hängen um den Eingang der pars prostatica, indess zahlreiche schmale Brücken derselben zu den verschiedenen Abschnit- ten der Prostata gehen. Die Schleimhaut ist auch in der Rinne zwischen beiden Prostatalappen vielfach zerschlitzt, das caput gallinaginis durch seit- liche Compression und starke Verletzung beinahe unkenntlich gemacht. Unterhalb des rechten Lappens befindet sich ein falscher Weg von etwa 27,“ Länge, der hinter der Vorsteherdrüse herum und in die Blase führt. Seine Eingangsöffnung erscheint durch öfteres Einführen des Katheters bis über Bohnengrösse erweitert, ihre Ränder ungleich. Aus dem Innern des Kanals dringt Jauche. Die Ausgangsöffnung ist kreisrund und entspricht einem Katheter mittleren Kalibers. Das submuköse Zell- gewebe, welches um diese Oeffnung her gelockert und jauchig zerstört ist, gestattet dem Katheter, in verschiedenen Richtungen unter der Blasen- schleimhaut vorzudringen. Der linke Lappen ist an seiner Basis mehrfach unterminirt, ein falscher Weg führt von da in einem 4— 5 langen Ver- lauf hinter der Prostata unter der mucosa vesicae bis gegen den fundus der Blase. Die Blasenschleimhaut selbst zeigt lokale, zerstreute Hyperämien und Entzündungsheerde. Die Muskelhaut ist mässig hypertrophisch. 548 Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. 0. Heyfelder, über falsche Wege der Harnwerkzeuge. Erklärung der Tafel. Tafel XXIV. Senkrechter Durchschnitt des Beckens und der Harnorgane. orificium culaneum urethrae. Symphysis ossium pubis. Ureter. Vesicula seminalis. Harnorgane mit mässiger Hypertrophie der Vorsteherdrüse. Wage- rechter Durchschnitt durch die Blase, Prostata und Harnröhre. Am Ende der pars bulbosa ein mehrere Linien langer falscher Weg ab, welcher innerhalb der Harnröhrenwandungen verläuft; weiter nach vorn eine zweite, schmälere Brücke a‘ b’, unter welcher durch ein falscher Weg verläuft. Durch beide ist ein Glasstäbchen ed durch- geführt. Senkrechter Durchschnitt, seitlich von der Mittellinie geführt, durch eine Harnblase und hypertrophische Prostata. Der mittlere Lappen P° sitzt mit breitem Stiele auf und ist an seiner Basis von einem geradeverlaufenden falschen Wege ab durchbohrt. V. Vesica urinaria, R. Rectum. P. Prostata. B. Bulbus. U. DUrethra. p. pars prostatica. b. — bulbosa. ce. — cavernosa. 0. S. u. v. Tab.24. Vol.2&.P.2. v N N BEOBACHTUNGEN UND ERFAHRUNGEN AUS DEM GEBIETE DER GYNÄKOLOGIE UND PÄDIATRIK VON Dr. AUGUST BURCHARD IN BRESLAU, M. d. A.d. N. MIT DREI TAFELN. BEI DER AKADEMIE EINGEGANGEN DEN 3. NOVEMBER 1853. nd Pe 147 ea: maraasa « an: En DE ERTL eh wu ER | ITOHREIRR RR SER 77777. >°, Ka - ur a) j Br E n = r ) RN { y E ide De R 1 oh f . ö ER ı en 4 All IP LIEH Part, N : BE RR A “ L , h . U Y I : a r 1 l 5 Er DR a vos l j ee | rn \ y I ® ” fi m FR jan 5 r r „ SAUER 1% | st ee ee ve: ag ea Wr f j a L Ps Br DT er a0, Alu ee E Vorbemerkung. Indem ich aus der Zahl meiner Beobachtungen über Schädelblutge- schwülste der Neugebornen, welche sich gegenwärtig schon auf 97 Fälle beläuft, nur einen einzigen, und zwar mit den DDr. Valentin, Leopold Burchard und v. Gonziorowsky beobachteten und anatomisch unter- suchten Fall beschreibe, enthalte ich mich absichtlich des Urtheils über das Wesen dieses Krankheitszustandes, die Ursachen, den Verlauf und Aus- gang desselben. Ein Jeder wird daraus von selbst entnehmen, was für seine Ansicht spricht. So viel nur möchte ich hinzufügen, dass dieser unter jenen 97 ein ganz individueller Fall ist, und dass er in Bezug auf die erwähnten Momente einen besondern Platz einnimmt. Bei künstlich angeregter Frühgeburt im regulären aber einfach zu engen Becken, durch die alleinigen Kräfte der Natur unter entsprechen- dem Geburtsmechanismus innerhalb 18 bis 20 Stunden geboren, brachte das Kind eine umschriebene fluktuirende Geschwülst auf dem linken Schei- telbein zur Welt, welche aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso, wie die Sugillationsgeschwulst auf dem rechten Scheitelbein während der Geburt entstanden war. An Gestalt und Grösse von andern Fällen nicht unter- schieden, zeichnete sich diese Geschwulst bald durch ihre dunkle, roth- violette Färbung aus. Die Temperatur war nicht erhöht, auch Pulsation nicht wahrzunehmen. Im Verlaufe der Krankheit stieg die Geschwulst empor, wurde hart und empfindlich. Auch die Ränder veränderten sich. 52 A. Burchard, Der Schädel, seine äussern und innern Bekleidungen wurden der Heerd einer krankhaften Metamorphose. Eine Menge Blut drängte sich ebenda- hin. Das Gehirn nahm Theil, und consensuell die Leber und Bauch- Eingeweide eines an sich vollblütigen Kindes, daher sich auch der hohe Grad von Gelbsucht erklären lässt. Die Ursache des Schädelrisses von dem Sagittalrande des linken Scheitelbeines bis zum Tuber parietale, bei spontaner Geburt, dessen Zu- sammenhang mit der Schädelblutgeschwulst, dessen Einfluss, Mitwirkung oder Ursache lasse ich, ungeachtet der Wichtigkeit des Ereignisses, hier ebenfalls unberührt, weil ich an einem andern Orte davon zu reden ge- denke. Ob aber das Kind, trotz alledem, bei glücklicher diätetischer Pflege, z. B. an der Mutterbrust, bei rascher Entleerung des Blutes aus der Geschwulst mittelst des Schnittes, nicht hätte hergestellt oder erhal- ten werden können? mag einstweilen mit Stillschweigen übergangen werden. Seit jener Zeit habe ich die zertheilende Methode verlassen und darauf gedrungen, dass bis zur Heilung das Kind an der frischen Mutter- brust genährt werde. Nr. 32. Geschichte einer Schädelblutgeschwulst auf der hintern obern Hälfte des linken Scheitelbeines bei einem vorzeitig gebornen Kinde männlichen Geschlechts. Das Kind war die Zweitgeburt einer 24jährigen, unverehlichten Dienstmagd, Namens Rosina Molz aus Rothsürben bei Breslau, welche vor 2 Jahren mittelst rigoröser Zangen-Applikation von Seiten der ambu- latorischen Klinik unter meiner Leitung, und zwar von einem todten Kna- ben entbunden worden war. Sie war ungewöhnlich klein, untersetzt, vollblütig und stark von Knochenbau. Von Rhachitis ihrer Kinderjahre war keine Spur vorhanden. Die Geburt ihres ersten Kindes war theils durch die absolute Enge ihres sonst regelmässig gestalteten Beckens, über Gynäkologie und Pädiatrik. 553 theils durch die abnorme Grösse des Kindes erschwert, und die Folge davon war, dass der Schädel am Vorberg einen Einbruch erlitt, die Ge- schlechtstheile der Mutter aber sehr gequetscht wurden, daher sie an einer heftigen Entzündung der gesammten Geschlechtstheile litt, und ihre Wie- derherstellung der sorgsamen Wochenbettpflege verdankte. Diese Person meldete sich am 5. März 1835 abermals schwanger. Ich schlug ihr zum Zweck der künstlich einzuleitenden Frühgeburt die Aufnahme in die stabile Gebäranstalt des hiesigen Hebammen-Instituts vor. Am 9. März wurde sie aufgenommen und zur Operation vorbereitet. Anfangs Juli 1834 war sie zum letztenmal menstruirt, und am 15. Juli geschwängert worden. Diesen Termin konnte sie um so bestimm- ter angeben, als sie die Begattung nur ein einzigesmal zugelassen hatte. In den ersten Tagen des Monats December will sie die ersten Kindesbe- wegungen wahrgenommen haben. Ihr Schwängerer war von miltlerer Grösse. Sie war gesund bis auf einen Schmerz in der Schoossfuge, welchen sie aus ihrem ersten Wochenbett behalten hatte, und bis auf allgemeine Vollblütigkeit. Die räumlichen Verhältnisse ihres Beckens einerseits, sowie die vorausgegangene schwere Entbindung andererseits rechtfertig- ten die Anregung der Frühgeburt, um mit grösserer Wahrscheinlichkeit dem Kinde das Leben zu erhalten und der Mutter die Geburt zu erleich- tern, welche auch am 17. März 1835, Nachmittags 1 Uhr, mittelst des Pressschwammes, eingeleitet wurde. Wiewohl die sorgfältigste und zu verschiedenen Zeiten angestellte geburtshülfliche Untersuchung niemals Kindestheile am Eingange des Beckens wahrnehmen liess, so behinderte uns dieser Umstand, trotz der Einwendungen, welche man dagegen erhe- ben mag, nicht an der Ausführung unseres Vorhabens. Schon in den Abendstunden begann die Geburt. Die austreibenden Kräfte gestalteten sich normal und förderten bis 2 Uhr des folgenden Morgens den Wassergeburtsabschnitt. Es traten energische Druckwehen ein, und die Blase drängte sich bei vollkommen geöffnetem Muttermunde Vol. XXIV. P. I. 70 554 A. Burchard, bis an den Ausgang des Beckens. Jetzt konnte man dicht hinter der Schoossfuge den Scheitel des Kindes fühlen. Die Eihäute wurden künst- lich gesprengt. Eine reichliche Quantität Fruchtwasser ging dem Kopfe voraus, welcher sich nun in der ersten Scheitellage zur Geburt anbot. Die kleine Fontanelle drängte sich vorn und links an dem Boden der lin- ken Pfanne herab, die grosse nach hinten und rechts in der rechten Kreuzdarmbeinverbindung; die allgemeinen und örtlichen austreibenden Kräfte steigerten sich, und in weniger als einer Stunde war der Kindes- geburtsabschnitt durch die alleinige Thätigkeit der Natur beendet, indem der Geburtsmechanismus normal von statten ging. Der Nachgeburts- abschnitt dauerte 7, Stunden. Die Geburt war am 18. März 1835, Nach- mittags 2/, Uhr beendet, und hatte, wenn wir die Zeit vom Beginn der Geburt in Berechnung bringen, 18 bis 20 Stunden gedauert. Da uns so viel an dem günstigen Erfolge dieser künstlich angereg- ten Geburt gelegen war, so beobachteten wir den ganzen Verlauf dersel- ben mit ungetheilter Aufmerksamkeit, und verwendeten keinen Blick von dem Geburtsmechanismus des Kindes im kleinen Becken. Wir hatten uns unmittelbar nach dem Blasensprung von der eben angegebenen Lage des Kindeskopfes, von der so viel für dessen günstige Entwickelung abhing, überzeugt; wir sahen also, wie bei'm Durchschneiden des Kopfes die Pfeilnath der übereinandergeschobenen Scheitelbeine beinahe im geraden Durchmesser des Beckenausganges stand, und das Hinterhaupt unter dem Schoossbogen fixirt war, wie bei'm Durchschneiden das Gesicht nach dem rechten Schenkel der Mutter, das Hinterhaupt nach links gedreht wurde, und wie endlich die Schultern, nebst dem kegelförmigen Rumpfe, so nach- folgten, dass der letztere, um seinen Längendurchmesser gewendet, mit seiner vorderen Fläche nach oben gerichtet war. Bei dem Stande des Kindeskopfs am Beckeneingange beobachteten wir noch keine bedeu- tende Anschwellung des vorliegenden Segmentes; ein Umstand, auf welchen wir um so aufmerksamer sein zu müssen glaubten, als das zarte Leben dieses frühzeitligen Kindes einen starken und langwierigen Druck über Gynäkologie und Pädiatrik. 555 auf das Gehirn nicht ausgehalten, und eine starke Kopfgeschwulst uns würde aufgefordert haben, die Geburt des Kindes zu beschleunigen; dage- gen bemerkten wir schon bei’m Ein- und Durchschneiden an dem vor- ausgehenden Hinterhaupte eine ziemlich dunkle Färbung der Kopfhaut. Ungeachtet die Nabelschnur nicht umschlungen war und der Kindeskopf im Beckenraume unter heftigen Wehen keineswegs lange verharrte, so kam das Kind doch apoplektisch scheintodt zur Welt und erheischte die gewöhnlichen Rettungsmittel zu seiner Wiederbelebung. Bei dieser Gelegenheit wurden wir gewahr, dass das Kind zwei besondere Geschwülste auf der Scheitelgegend hatte, die sich in ihrer Form und ihren Eigenschaften wesentlich von einander unterschieden. Da nun der ganze Kopf mehr als gewöhnlich gedunsen, und der Habitus des Kindes ein apoplektischer war, so wurde dadurch die Aufmerksamkeit der anwesenden klinischen Aerzte in hohem Grade beschäftigt. Auf dem rechten Scheitelbeine nämlich befand sich eine diffuse, jedoch mässig erhöhte Sugillationsgeschwulst, die sich über das Hinterhaupt erstreckte, und vielleicht dadurch noch erheblicher wurde, dass das rechte Scheitel- bein als das vorausgehende bei der Geburt über das linke emporragte. Auf dem linken Scheitelbeine erhob sich dagegen eine umschriebene, ovale Geschwulst, von der Gestalt eines halbirten Hühnereies. Diese war ziemlich prall, fluktuirend und hatte einen ungleichen, theils abgebroche- nen, theils erektilen Knochenrand; die Kopfschwarte war über derselben beweglich, wir konnten weder Pulsation, noch erhöhte Temperatur daran erkennen. Gleichwohl war diese separate Geschwulst von der diffusen gleichsam umhüllt, auch ebenso dunkel, und, wie die benachbarten Theile, indigoblau gefärbt. Dadurch erhielt der Kopf, und namentlich dessen ganzer hinterer Theil, eine sonderbare Verunstaltung, und erschwerte den Anwesenden die Diagnose. Während sich so auf beiden Scheitelbeinen Geschwülste erhoben, wurde in der Richtung der Pfeilnath eine breite Furche gebildet. Nichtsdestoweniger waren beide Geschwülste zu unter- scheiden, und wir erklärten die letzt beschriebene Geschwulst für eine * 556 A. Burchard, Schädelblutgeschwulst (Tumor cranii sanguineus), und die erstere für eine Schädelsugillationsgeschwulst (caput succedaneum), was auch der folgende Tag bestätigte. Das Kind war männlichen Geschlechts, hatte ein Fötusalter von 34—35 Wochen, war gut genährt, auffallend roth und vollblütig, und gab durch kräftiges Schreien allerdings gegründete Hoffnung seiner Lebensfähigkeit. Der Kopf, reichlich mit Haaren besetzt, schien jedoch am meisten bedroht. Sein Längendurchmesser betrug 4 3%, der Querdurchmesser 3 7/4, der diagonale Durchmesser 4 9%. Das Gewicht des Kindes überhaupt betrug 8 Pfund 8 Loth Medizinalgewicht. Der Längendurchmesser desselben 17%, Die Beschaffenheit der Nachgeburtstheile war normal und ihr Abgang ohne Schwierigkeit. Die Mutter des Kindes war von der Geburtsanstren- gung zwar angegriffen, allein sie erholte sich bald. Die Rückbildung ihres Sexual-Apparates ging rasch von statten, aber leider blieben die Brüste, nnd namentlich die Brustwarzen, unentwickelt. Sie war unfähig, ihr Kind zu stillen. Es ist einleuchtend, dass bei anderweiter Ernährung ein so zartes Wesen nicht gedeihen konnte; und so sehr wir bemüht waren, sein schwaches Leben durch die Zeit seines Aufenthaltes in der Anstalt zu fristen, so schnell war es verloschen, nachdem das Kind aus derselben entlassen war. Nach 24 Stunden war die äussere örtliche Beschaffenheit dieser Geschwülste wesentlich verändert. Unter der Anwendung eines Arnika- Aufgusses war die Sugillationsgeschwulst auf dem rechten Scheitelbeine, so wie die Turgescenz und ihre dunkle Färbung auf dem ganzen Scheitel beinahe verschwunden; das rechte Scheitelbein stand höher als das linke. Desto reiner hatte sich die umschriebene Ge- schwulst auf dem linken Scheitelbeine herausgestellt. Die indigoblaue Farbe war an einigen Stellen bedeutend, im Allgemei- nen aber dahin verändert, dass sie um einen Schein lichter und mehr dun- kelroth oder violett geworden war. Der Sitz dieser Geschwulst | über Gynäkologie und Pädiatrik. 957 war auf der oberen und hinteren Hälfte des linken Scheitelbeines, so dass der fuber parietale frei blieb, obschon die Geschwulst ihn zum Theil um- gab. Wenn man den Spuren des oberen konvexen Randes der Geschwulst mit der Spitze des Fingers behutsam nachging, so konnte man diesen von dem vorderen oberen Winkel, angulus frontalis, ab, bis zum hintern un- tern Winkel, angulus lambdoideus, verfolgen. Dadurch bekam die Ge- schwulst eine mehr nierenähnliche als eine ovale Gestalt, ob- gleich die Gegend auf der Schädelhöhe, da nämlich, wo sie am breitesten war, immer am meisten ausgedehnt und entwickelt erschien, und bei oberflächlicher Betrachtung die Eiform repräsentirte. Die Geschwulst erhob sich gegen die Kranznath, den Scheitel und das Hinterhaupt hin, also an ihrem konvexen Rande beinahe vertikal, während sie nach dem Tuber hin, also an ihrem konkaven Rande, allmälig flacher wurde. In ihrer Längenausdehnung erstreckte sie sich in schräger Richtung der obengenannten Winkel 2% 6% lang. Ihre Breite vom fuber parietale bis gegen die Pfeilnath betrug 1 2%. Bei fortgesetzter äusserlicher Betrachtung und weiterer Beobachtung dieser Geschwulst erschienen zunächst die Ränder von abweichender Beschaffenheit. Am meisten entwickelt war der konvexe, mit der Pfeilnath und Hinterhauptisnath paral- lel laufende Rand; am wenigsten erhob sich der konkave untere Rand. Jener ragte über die konvexe Fläche des Scheitelbeines, vielleicht mehr als eine Linie empor. ging in die obere Kapsel der Geschwulst, wahr- scheinlich das Perieranium, über und war pallisadenförmig zugespitzt, und also zackig anzufühlen. Der konkave Rand dagegen glich einem abge- brochenen Knochenrande. Es erhoben sich hier keine pallisadenförmi- gen, über die Schädelfläche hervorragenden Spitzen. Ueber dem abge- brochenen Knochenrande, nach der Höhle der Geschwulst hineindringend, konnte der untersuchende Finger auch keinen Grund erreichen, sondern er bekam die Empfindung einer tiefen Knochenlücke. Anders verhielt sich der Rand nach der Kranznath hin; auch hier erhob sich der Knochen- saum mässig, der Erhebung dieser Geschwulst folgend, allein er war 558 A. Burchard, wallartig gestaltet. Erst nach dem vertikal emporsteigenden Gipfel der Geschwulst hin abgebrochen und scharf, nach der Nath hin allmälig diffus, liess er sich überhaupt bei stärkerem Drucke mit der Fingerspitze niederdrücken, gleichwie wenn das Scheitelbein in eine obere und eine untere Lamelle gespalten wäre und die obere sich von der unteren erhöbe, nach dem Centrum der Geschwulst aber abgebrochen wäre. Der hintere, untere, dem Schläfenbein genäherte Rand hingegen war nur sehr schwach markirt. So wie nach dieser Gegend hin die Geschwulst sich allmälig abdachte, so verschwand der Saum bei sorglicher Berührung unter den Fingern, so dass die obere Kapselfläche der Geschwulst ein Continuum mit dem Knochen auszumachen schien. Aehnlich verhielt es sich auch mit dem vordern, dem Stirnbein zugewendeten Rande. Nach dem Gipfel hinauf wurde die Farbe der Geschwulst allmälig etwas lichter, die Temperatur war nicht erhöht, Pulsation nicht wahrzunehmen. Der Kopf war asymmetrisch und ziemlich verunstaltet. Das Kind befand sich scheinbar wohl und seine natürlichen Verrichtungen gingen normal von statten. Es schlief auffallend viel. Wir beschlossen, die Entwickelung des Krankheitszustandes abzu- warten, und während für das diätetische Wohl Sorge getragen wurde, verordneten wir örtlich zertheilende Mittel. Im Allgemeinen wurde das Kind nach den diätetischen Regeln des Hauses gepflegt. Der Zustand vom 19. bis 22. März blieb ziemlich derselbe, ausser dass binnen dieser Zeit der blaue Hof um den Areal-Raum der Ge- schwulst verschwunden, die Geschwulst höher gestiegen und prall geworden war. Die Form und der Umfang hatten sich nicht geändert, dagegen schien die Stelle eine erhöhte Temperatur anzunehmen; das Kind äusserte bei’m Druck Angst und Schmerz, welchen es bei längerer Betastung der Geschwulst durch abwendende Bewegungen des Kopfes andeutete. Setzte man den Druck fort, so erhob es ein lautes Geschrei. Das Kind bekam allmälig ein gelbsüchtiges Aussehen, sein Fleisch wurde welk, seine Lebensäusserungen weniger energisch. über Gynäkologie und Pädiatrik. 559 Es schlief viel. Der Versuch, das Kind an eine andere Mutterbrust zu bringen, schlug fehl, daher es künstlich genährt werden musste; die örtliche Behandlung blieb dieselbe. Vom 22. bis 25. März war die Geschwulst noch praller, 9— 11 Linien Pariser Maass über die Grundfläche emporragend, jedoch in ihrem Umfange nicht ausgedehnt; die Ränder nicht verän- dert, die Kopfschwarte darüber leicht zu verschieben, die violette Farbe auf der Geschwulst etwas heller. In dem Maasse nun die Geschwulst gestiegen, war das Allgemeinbefinden des Kin- des gesunken. Es war in einem hohen Grade gelbsüchtig geworden, brach viel, mochte gar nichts zu sich nehmen und schrie laut auf, sobald es erwachte. Ausserdem schlief es viel. Ich liess heute durch den Lithograph Neumann eine kolorirte Zeichnung von dem Kopfe des Kindes und der Geschwulst entwerfen, welche Taf. XXV. en profil von der linken Seite dargestellt ist. Das Kind war schon etwas abgemagert, Nase und Kinn sehr spitz. a. h.b.f. c. d ist der Umfang der Geschwulst. Von a bis ce die grösste Länge, von 5 bis d die grösste Breite. A.b.f.c der konvexe, mit der sutura sagittalis und der Hinterhauptsnath parallel laufende Rand. i. d. k der konkave, um den tuber parietale g nieren- förmig ausgeschnittene konkave Rand. A. der vordere kompressible, c. k der untere diffusible Rand. m der Gipfel der Geschwulst. Die Hautfarbe ist erdfarben gelb; die Geschwulst allein ist violett; die Behandlung des Kindes war dieselbe. Vom 25. bis 29. März nahm man in dem Allgemeinbefinden keine Veränderung wahr, ausser dass das Kind täglich mehr abmagerte. Die Geschwulst wurde welk, fing an zu sinken und flacher zu werden, weshalb in der Hoffnung der Zertheilung die zertheilende Methode fortgesetzt wurde. Vom 29. bis 31. März war die Kopfgeschwulst bis auf we- nigen Inhalt, der sich, wie in einem leeren Beutel, hin und her bewe- gen liess, verschwunden. Desto beträchtlicher waren die Ränder 560 A. Burchard, hervorgetreten. Sie liessen sich nicht nur durch das Gefühl, sondern auch durch das Gesicht wahrnehmen, und schienen im Allgemeinen noch dieselbe Beschaffenheit des ersten Tages zu haben, nur dass sie etwas abgerundeter und an manchen Stellen ausgeglichen zu sein schienen. Das Kind war zwar runzlig, im Gesicht und faltig am Leibe, aber weniger gelb. Die Farbe an der Geschwulst der allgemeinen Hautfarbe ziemlich gleich, die Geschwulst kühl und schmerzlos, das Verhältniss zwischen Wachen und Schlafen ausgeglichen, das Kind verrieth sogar einige Munterkeit und wurde heute. als am l14ten Tage seiner Geburt, nebst der Mutter, aus der Anstalt entlassen. Sie.begab sich zu ihren Eltern nach Rothsürben bei Bohrau, ohne vor ihrem Abgange nähere Verhaltungsregeln für sich und ihr Kind einzuholen. Ich kann nicht läugnen, dass mir an dem ferneren Schicksale des Kindes viel gelegen war. In dieser Absicht wendete ich mich an den dort praktizirenden Wundarzt Seibt, welcher nach einigen Tagen bei seiner zufälligen Anwesenheit in Breslau die Güte hatte, mich zu besuchen und mich zu benachrichtigen, dass das Kind in Folge von Erkältung und unpassender Ernährung sehr schwer erkrankt sei. Am 7. April 1835 kam die Rosina Molz mit dem Leichname ihres Kindes nach der Stadt, welches am 6. April, Nachmittags um 4 Uhr, gestorben war. So sehr mich natürlich das Ableben des Kindes schmerzte, so will- kommen war mir die Gelegenheit, mich durch die Sektion eines von mir sehr genau beobachteten Krankheitsfalles belehren zu können. Ich habe während der Sektion eine Zeichnung von der krankhaften Seite abnehmen und letztere in Kupfer stechen lassen, um der Beschreibung, zu welcher Worte nicht immer ausreichen, zu Hülfe zu kommen. Hierbei will ich keineswegs die Behauptung aussprechen, dass die pathologische Verände- rung ganz ebenso wiedergegeben ist, wie sie sich bei der Sektion ergab, ungeachtet die Zeichnung der Natur ziemlich ähnlich war. über Gynäkologie und Pädiatrik. 561 Die Sektion wurde im Beisein der DDr. v. Gonziorowsky und Leopold Burchard, so wie einiger der dabei interessirt gewe- senen Kommilitonen am 7. April 1835 Nachmittags vollzogen, die Zeich- nung unter unseren Augen gefertigt und folgende Bemerkungen nieder- geschrieben. Die Schwere des Kindes betrug 7 Pfund M. G., die Länge 17%, Pariser M. Der Längendurchmesser des Kopfes 4 2%, der Querdurchmes- ser 3. Der Diagonaldurchmesser 4 844, Das Gewicht und alle Durchmesser, ausser dem Längendurchmesser des Kindes, waren etwas verringert. Das Kind war seit den wenigen Tagen seiner Abwesenheit aus der Anstalt ungeheuer abgemagert, wie wenn es erhungert wäre. Knochen und Knorpel waren durch die sehr magere und welke Haut sichtbar. Die Knochen des Kopfs, ihre Nähte und Fontanellen waren von der Ober- haut wie von trockenem Pergament überzogen. Die Blutgeschwulst, so hoch und prall vor kurzer Zeit, war jetzt fast ganz planirt. Die Haut, mit bleigrauen Schummerflecken, liess nur den Knochensaum und die Begren- zung dieser krankhaften Metamorphose erkennen. Wir machten durch die äusseren Hautdecken in der Richtung des Querdurchmessers einen Schnitt von einem Ohre zum anderen, Taf. XXVII, und zogen sie in den entgegengesetzten Richtungen nach Stirn und Hin- terhaupt (a und 5) zurück. Die Schädeldecke, umkleidet mit dem Pericranium, lag jetzt mit den schönsten Zeichnun- gen prachtvoll gemalt vor unseren Augen, der ganze Scheitel, vorzugsweise aber das Hinterhaupt, erschien in glänzendem Purpurroth, hier und da in ein helles Violett übergehend. Auf diesem Purpurteppich erblickte man linkerseits, gleich einer Insel, die Reste der Blut- kopfgeschwulst, die sich, in dunkles Grau gehüllt, aus dem pur- purglänzenden Kolorit der umgebenden Knochenhaut erhoben und den Vol. XXIV. P. IL 71 562 A. Burchard, beginnenden Verknöcherungsprozess, in Gestalt von Knochenschuppen und divergirenden Knochenfasern, ankündigten. Von diesem Phänomen waren die Stirnbeine fast ausgeschlossen; selbst unterhalb der Scheitel- und des Hinterhauptshöckers bemerkte man davon nichts. Fast mit jeder Minute veränderte sich dieser Zustand. Es quoll aus vielen kleinen, mit der Kopfschwarte verbundenen Gefässchen (emissarii Santorini) dunkles, dickes Blut in ziemlicher Menge hervor. Von dem fuber parietale aus verliefen strahlenförmig, in excentrischer Richtung, eine unzählige Menge kleiner Blutkanälchen. Man fand diese zwischen dem Pericranium und dem Schädelknochen verlaufenden Blutkanälchen dendritenförmig ineinan- der übergehend, nach der oberen Hälfte des Scheitelbeines erweitert, und stärker mit Blut angefüllt als an der unteren Hälfte. Dasselbe wurde auch auf dem andern Scheitelbeine bemerkt. Nach der unteren Hälfte des linken Scheitelbeines hinab waren sie äusserst fein, so dass man die mei- sten mit unbewaffnetem Auge nicht distinguirte. Diese Kanälchen ver- loren sich theils nach oben in der ebengenannten, zwischen Knochenhaut und Schädel abgelagerten Purpurschicht, theils gingen sie in die Membran der Geschwulst über, doch so, dass sie in einer Diversion oder Krümmung den Knochensaum überstiegen, hierselbst etwas angeschwollen waren und alsdann büschel- oder strahlenförmig sowohl am konvexen als am konka- ven Rande in der Kapselmembran der Geschwulst eine Strecke lang und besonders da, wo einige Knochenkerne oder Knochenfasern vorhanden waren, sichtbar wurden. Am oberen Rande des linken Scheitelbeines (margo sagittalis) be- merkte man auch durch die Knochenhaut hindurch eine Lücke, die man zwar für einen Schädelriss erklärte, die man aber vorläufig nur bis an den Rand der Geschwulst verfolgen konnte und in deren Umfange viel ergos- senes Blut angehäuft war. Die Blutkopfgeschwulst selbst, umgrenzt und einge- schlossen in eine feste Kapselmembran, lag in Gestalt eines Füllhorns (Taf. XXVIl. Fig. 1.d.c.c.c.c.e.g) gekrümmt um den iuber pa- über Gynäkologie und Pädiatrik. 563 rietale (0) des linken Scheitelbeines; die äussere Kurvatur erstreckte sich von dem vorderen über den oberen bis zu dem hinteren Rande des Schei- telbeines. die innere Kurvatur umlagerte den Scheitelhöcker, der im vor- liegenden Falle nicht wenig prominent war. Ungeachtet die krankhafte Metamorphose des Knochens und der Knochenhaut an der oberen Hälfte des Scheitelbeines sich dem Tuber näherte, so erreichte sie ihn doch nicht; noch weniger war er davon mit affizirt, sondern es befand sich von der äussersten Grenze @ bis o noch ein vollkommen normaler gesunder Raum, von welchem aus die obengenannten Blutkanälchen excentrisch nach der Geschwulst hinaufstrebten. Ausserdem kam noch ein vorderer Rand cd, und ein hinterer Rand ce in näheren Betracht. Jetzt konnte man sehen, was man bei Lebenszeiten des Kindes ge- fühlt hatte: nämlich dass der konvexe Rand ccce sich wirklich in verlikaler Richtung über die Schädelfläche erhob, der konkave aber nur ein abgerissener Saum von Knochenfaserung der obern Lamelle des Scheitelbeins war, welcher sich mit dem Finger verstreichen liess, bei oberflächlicher zarter Berührung aber nur einem abgebrochenem Rande glich. Noch mehr war diese Beschaffenheit in dem unteren Rande ce, auch ziemlich ebenso bis eg hin ausgeprägt, woselbst man das Contentum der Geschwulst unter der Kapselmembran wegstreichen und die glatte konvexe Fläche des Schädelknochens fühlen konnte. Ganz anders ver- hielt sich’s mit dem vorderen Rande dek. Ungeachtet man bei zarter Berührung in der punktirten Richtung cgq%k einen Rand fühlte, so war doch eigentlich die Grenze, und also auch der Knochenrand der Ge- schwulst schon bei cd bis k vorhanden, und cqk war nur die Fortsetzung dieses Randes, welcher durch beginnende Knochenbildung eine obere Knochenlamelle herzustellen bestimmt war. In dem vorliegenden Zu- stande des Präparats erhob sich diese Lamelle einige Linien von dem Bo- den oder dem Heerde sss der Schädelblutgeschwulst, und die hier ste- hengebliebene Partie cdkg sah einer sehr feinen Knorpellamelle ähnlich, in welcher feine Knochenschuppen und Knochenstrahlen die beginnende >. ” 564 A. Burchard, Ossifikation der oberen Schädellamelle nachwiesen. Dagegen ist es der konvexe Rand cccc, welcher sich massiv, fest und vertikal erhebt, kei- nesweges aber glatt wie ein Knochenring ist, sondern durch das Pericra- nium, i. e. die Kapselmembran der Geschwulst hindurch, gleichsam als wenn Pyramiden oder zackige Pallisaden dicht nebeneinander stehend ihre Spitzen präsentirten. Auch von hier aus konnte man feine Knochen- strahlen und Schuppen durch die purpurglänzende Knochenhaut schim- mern und nach dem Centrum der Geschwulst hinstreben sehen. Die grösstentheils noch membranöse obere Kapsel der Geschwulst war schlaff und liess bei sorgfältiger Untersuchung eine kleisterartige Masse wahr- nehmen, welche man, gleichwie in einem halbleeren Beutel, hierhin und dorthin bewegen konnte, und welche sich nirgends anders als zwischen dem Schädelknochen und der Kapselmembran der Schädelblutgeschwulst aufzuhalten schien. Gleichwohl fühlte man durch diese zarte Decke keine rauhe Knochenfläche auf dem Grunde der Geschwulst, sondern alles war eben und glatt. An der inneren Kurvatur und zwar mehr nach vorn hin, erblickte man, wie gesagt, halbinselförmig einige abgerissene Splitter, die der äusseren Lamelle anzugehören scheinen, sich ganz ähnlich in das Centrum der Geschwulst erstreckten, wie die Knochenränder des Schei- telbeines, wenn sie sich durch die Hautlamellen zur Nath verbinden. Die übrigen Knochen der Schädeldecke waren, eine gewisse Voll- blütigkeit abgerechnet, gesund. Auf der inneren Fläche der Galea, viel- leicht bis in die Kopfschwarte hinein, bemerkte man ein reichliches, tief- gelbes Pigment, welches hier und da in einzelne Gruppen aufgehäuft war. Das rechte Scheitelbein und Stirnbein standen etwas höher als dieselben Knochen linkerseits, die Pfeilnath war noch ziemlich beweglich, die grosse Fontanelle normal, die kleine fast geschlossen. Ebenso war die Kranz- und Hinterhauptsnath der Vereinigung sehr nahe. Nach solcher Betrachtung der Schädeldecke, in Verbindung mit der Knochenhaut, den Näthen und Fontanellen, schritten wir zur Unter- suchung des Periecranii. über Gynäkologie und Pädiatrik. 565 Zuerst wurde das Pericranium von beiden Stirnbeinen, Taf. XXVII. w. v. t, gelöst, indem man sie in der Richtung der Kranznath u. t und längs der Stirnnath w. v, unweit der Ränder desselben, bis auf den Knochen durchschnitt, nach der Galea a. Z hin lospräparirte und hier entfernte. Hierbei fand man nichts Krankhaftes vor, ausser dass aus eini- gen emissarüs Santorini viel Blut hervordrang und der obere Theil der pars frontalis des Knochens v. u Taf. XXVII. sehr blutreich war. Bei demselben Vorhaben auf dem rechten bei der Geburt vorausgegangenen Scheitelbeine fanden wir das Pericranium mit dem Schädelknochen inniger und fester verbunden, wie auf den Stirnbei- nen, und wie durch einen rothen Kitt verklebt. Dieser rothe Kitt, welchen wir unter dem Mikroskope zu untersuchen keine Gelegenheit hatten, schien wenig Aehnlichkeit mit Blutkruor zu haben, ungeachtet er aus diesem hervorgegangen sein muss. Er hat ein ganz eigenthümliches plastisch - gelatinöses zähes, beinahe membranöses Wesen, sieht aus wie rothes Wachs oder Sulze; durch’s Licht betrachtet, ist er halbdurchsichtig, liegt besonders fest auf dem siebähnlichen Gewebe des Schädelknochens und scheint mit ihm innig durchwebt zu sein, so dass man ihn nicht los- schaben konnte, sondern mit der Schärfe des Messers losschneiden musste. Mittelst der Loupe konnte man die blutigen Poren auffinden, in welchen diese Schicht gleich wie mit Fäden wurzelte. Dieser gelatinöse plastische Ueberzug bedeckte sehr reich- lich die obere und hintere Fläche des rechten Scheitelbeines, und lagerte sich in fast gleicher Gestalt und ähnlicher Masse um den tuber parietale der rechten Seite, wie die Schädelblutgeschwulst ececegd um den Tu- ber o linkerseits, ohne den Tuber zu überschreiten. Hierauf wurde das rechte Scheitelbein in der rechten Hälfte der sutura lambdoidea, squa- mosa und coronaria getrennt, um zuerst die rechte Hirn -Hemisphäre herauszunehmen und zu untersuchen, ohne die Form des Schädels zu zerstören. Man fand zwischen der Arachnoidea und dura mater einen sulzigen saffrangelben Ueberzug, durch welchen die überfüllten und aus- 366 A. Burchard, gedehnten Blutgefässe der pia mater durchschimmerten. Nach Hinweg- nahme dieses Ueberzuges konnten wir die einzelnen grösseren und eben- falls sehr überfüllten Gefässe bis nach dem sinus long. hin verfolgen. Die pia mater war wie ein dichtes Adernetz über das Gehirn verbreitet und gab demselben ein dunkles Ansehen. Nach dem tentorium cerebelli hin wurde eine Quantität geronnenen Blutes zwischen der dura mater und pia mater angetroffen, welches aus dem sinus occipitalis posterior ergossen zu sein schien. Sodann wurde das linke Stirnbein in der sutura frontalis und coronaria ebenfalls getrennt, so dass man die ganze linke Hemisphäre ohne Verletzung herausheben konnte. Auch hier fand man dieselbe abnorme Beschaffenheit. Auch die Substanz beider Hirnhemisphären war sehr blutreich, die Hirnhöhlen gesund. Auf dem tentorium cere- belli befand sich auch auf dieser Seite eine Kruorschicht. Das kleine Gehirn war ebenfalls von dunklem Blut überfüllt. Die pia mater gab ihm einen violetten Ader-Ueberzug, und selbst die Schnittflächen waren von ähnlicher dunkler Färbung; das Tentorium, lebhaft violett gefärbt, brachte im Perlenmutterglanz eine auffallend glänzende Farbenmischung hervor. An der inneren, so wie auch an der äusseren mit dem Schädelkno- chen im Zusammenhang stehenden Fläche der dura mater fand man eine grosse Menge eines gelben saffranähnlichen Pigmentes, welches einen bitteren galligen Geschmack hatte. Endlich schritt man zur Untersuchung der inneren und äusseren Fläche des linken Scheitelbeines und insbesondere der Schädelblutgeschwulst selbst. Zu diesem Zwecke wurde die Knochenhaut (Pericranium) in dem ganzen Umfange des Scheitelbei- nes oxyy durchschnitten und vorsichtig von der Peripherie nach dem Centrum, nämlich von den Rändern des Scheitelbeins nach dem Rande der Geschwulst hinan, losgetrennt. Ungeachtet sie auch hier in einem weit innigeren Zusammenhange mit dem Knochengewebe stand, als im normalen Zustande, so gelang es, sie bis an den Saum der Geschwulst über Gynäkologie und Pädiatrik. 67 loszupräpariren. Hier jedoch fand sich eine noch weit innigere, organi- sche Adhäsion, die man gewaltsam lostrennen, ja an einigen Orten, namentlich an dem konvexen Rande, mit dem Skalpel losschneiden musste. Der bereits oben erwähnte Knochenriss schien sich bis in die Geschwulst hinein zu erstrecken. Wir glaubten, nachdem wir das Pericranium von der Peripherie nach dem Centrum getrennt haben würden, in die Höhle der Geschwulst zu gelangen, fanden aber, dass die obere Kapselmembran derselben aus zwei Lamellen bestand, von welchen die obere unmittelbar das Pericranium ausmachte, und die untere ein Continuum der oberen Knochentafel zu sein schien. Die Entscheidung der Frage. ob die ge- sammte obere Kapselmembran der Geschwulst bloss aus dem Pericranium bestehe, ob dasselbe aus zwei Lamellen gebildet und die untere bloss ganz innig mit dem Knochenrande der Geschwulst verwachsen sei, oder ob die Geschwulst eine eigene, für sich bestehende Lamelle ausmache, ist wichtig, konnte aber für den Augenblick nicht entschieden werden. Genug, wir vermochten das gesammte, in dem Umfange wxyy des linken Scheitelbeines getrennte Pericranium von der Geschwulst zu entfernen und diese, einige kleine Verletzungen abgerechnet, blank zu legen. Um nun hierauf in die Höhle der Geschwulst selbst einzudringen, wurde ein Kreuzschnitt in die untere Lamelle gemacht und die sehr zarte Membran zurückgeschlagen. Diese war an ihrer äusseren Fläche glatt, an der inneren aber rauh und theils mit grösseren, theils mit kleineren Knochenkernchen, in Form von Schuppen und Strahlen besetzt, welche, von der äusseren Fläche betrachtet, ein regulirtes, oben beschriebenes Aussehen hatten. Ich besitze das Präparat in getrocknetem Zustande und kann Zeugniss geben, wie diese strahlenfasrigen, schuppenähnlichen Kno- chenkonkremente sich zu der Lamelle verhalten. Den Inhalt dieser Geschwulst anlangend, wie weit er mit unbe- walfnetem Auge beurtheilt werden konnte, so glich er keineswegs dem- jenigen aus einer frischen, in der Entwickelung begriffenen Schädelblut- geschwulst, wenn sie vielleicht am Tten oder 9ten Tage mittelst des 568 A. Burchard, Schnittes operirt wird; auch nicht dem Kruor des aus einer Vene geflos- senen Blutes, sondern es hatte derselbe ein eigenthümliches plastisches Wesen von gelatinöser, kleisterartiger Beschaffenheit, ungeachtet das Blut immer die Grundlage war; der Inhalt hatte aber keine dunkle, sondern eine lichtrothe Färbung, rother Sulze gleich, halb durchsichtig, und betrug zusammen ungefähr 1—1/, Kaffeelöffel. Nach sorgfältiger Entfernung dieser Masse kam man auf einen die- ser Substanz zwar ähnlichen, aber noch mehr plastischen, zähen, beinahe membranösen Ueberzug, welcher bereits ein organisches Gefüge anzu- nehmen schien und mit der Basis der Geschwulst, nämlich dem Schädel- knochen, in einem innigen Zusammenhange stand, ungefähr so, wie die eben beschriebene purpurrothe Masse zwischen Knochen und Perieranium der übrigen Schädelknochen, und welche die sonst rauhe Fläche des Knochens gleichsam mit einer jungen Haut überkleidend, diesen weich und glatt anfühlen machte. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, dass manche Aerzte den Knochen nach Eröffnung der Geschwulst mittelst des Schnittes glatt gefunden haben, andere aber, nach der Anwendung des Haarseils, nach dem Gebrauch des Aetzmittels u. s. w. (wodurch natür- lich der Bildungsprocess ein pathologischer wird), rauh und uneben. Die Beschaffenheit der Ränder dieser Schädelblutgeschwulst war folgende: am meisten charakteristisch war der mehrmals genannte konvexe Rand cccc, welcher sich ,—1-—-1/, Linie über die Fläche des Scheitelbeines erhob, an seiner Basis eine Linie breit war und seinen Gipfel in spitzen, isolirten Fasern ungefähr auf ähnliche Weise kund gab, und im Verlauf der oberen Lamellen gegen den Gipfel der Geschwulst ungefähr so ausstreckte, wie sich von dem Rande eines Scheitelbeines zu dem andern die Vereinigung der Knochen durch die Nath gestaltet. Ich habe mich bemüht, Taf. XXVII. Fig. 2. a. diesen Rand im Durch- schnitt darzustellen, bei dessen genauer Betrachtung man die ausgekehlte Stelle in der Höhle und die wallartige Erhebung an der äussern Fläche der Geschwulst deutlich wahrnehmen kann. Der vordere Rand ed war über Gynäkologie und Pädiatrik. 569 seicht und reichte mit seinen knochenfaserigen Fortsätzen gleich einer sehr dünnen und fein konstruirten Lamelle bis in die Gegend egk, so dass man mit dem Spatel zwischen die Knochenlamelle des Schädelbeins sss und diese Lamelle der Kapselmembran cedgk bis nach dem Rande cd gelangen konnte; der untere Rand dAkge dagegen war nur äusserst ge- ringfügig und kaum über die Fläche erhaben. Zur anschaulichen Demon- stration habe ich einen Versuch gemacht, den krankhaften Zustand so treu als möglich nach der Natur durch den Universitäts - Kupferstecher Weitz darstellen zu lassen. Ich habe zu dem Zweck die der Geschwulst ange- hörige membranöse obere Lamelle, an deren inneren Fläche theils die Össifikationsfortsätze der Ränder, theils andere kleinere Knochenkerne und Schuppen zu erkennen waren, im Umfange der Ränder entfernt und an dem vorderen Rande nur im Verfolg der Ossifikation ein Stück der Lamelle, Taf. XXVII. cgk, stehen lassen, auch bei kn gezeigt, dass dieselbe Beschaffenheit des Knochens sich unter die Lamelle cqkd bis gegen den Rand cd fort erstreckt. Ich will hierbei keinesweges die Behaup- tung wagen, dass ich im Stande gewesen wäre, den Gegenstand so auf- zufassen und zu erschöpfen, wie ihn die Natur selbst gezeichnet hat, was schon darum unmöglich ist, weil ein jedes organische Präparat durch die Dauer seiner Konservation fast mit jedem Tage verändert wird, aber der, wie ich es eben deutlich fühle, mangelhaften Beschreibung, glaubte ich durch jene Abbildungen in etwas aufhelfen zu müssen. Wenn daher Taf. XXVl. ein schwaches Bild der Ränder und des Heerdes der Geschwulst angelegt worden, so habe ich die Ränder Taf. XXVI. Fig. 2. @ und ce noch besonders darzustellen gesucht, wovon weiter unten die Rede ist. Was den Heerd der Geschwulst und die Beschaffenheit des erkrank- ten Knochens anbelangt, so verdiente sie unsere grösste Aufmerksamkeit und hälte im frischen Zustande miltelst anderer Hülfsmittel untersucht werden sollen, als womit wir damals ausgerüstet waren. Um diese Theile jedoch von allen Seiten, so gut es anging, betrachten zu können, Vol. XXIV. P.. 72 570 A. Burchard, trennten wir den Knochen aus seinem Zusammenhange und untersuchten auch das Verhalten der dura mater zur innern Fläche. Von dem unte- ren Rande dieses Scheitelbeines (margo temporalis) liess sich die harte Hirnhaut, wie gewöhnlich, leicht entfernen, von der Gegend des Tuber an war sie inniger mit dem Knochen verbunden, und an der oberen Hälfte bemerkte man, dass sich die dura mater von dem Schädelknochen erhob und eine fluktuirende Geschwulst bildete, welche umgrenzt und einge- schlossen zu sein schien. Denn wenn man mit dem Finger einen Druck auf diese Geschwulst ausübte, so bemerkte man, dass aus dem Schädel- sprunge mn eine blutige Flüssigkeit hervordrang, welche mit der, in der äussern Schädelblutgeschwulst enthaltenen miltelst dieses Schädelrisses in Verbindung gestanden haben muss, dass aber diese Flüssigkeit nach der Basis auswiche, konnte man nicht wahrnehmen. Diese innere Schä- delblutgeschwulst war rund, gleichmässig, aber nicht begrenzt durch einen Knochenrand, sondern allmälig verschwindend. Man konnte nicht, wie Unger von dem Extravasat unter aponeurotischen Gebilden behaup- tet, einen scharfen Rand durch die dura mater hindurch erkennen. Nach Eröffnung derselben fand man ungefähr einen Kaffeelöffel voll Blutkruor, von dunkler Farbe und dicker, schmieriger Beschaffenheit. Die harte Hirnhaut war auch hier in dem Umfange dieser Geschwulst inniger und fester adhärirt und das ergossene Blut gleichsam abgesperrt. Nachdem das Scheitelbein einige Tage hindurch in frischem Wasser macerirt und eine grosse Menge Blut daraus entfernt war, löste sich der plastische Ueberzug in dem Umfange der äusseren Schädelblutgeschwulst beinahe vollkommen. Ebenso entfernte sich der blutige Ueberzug auf der inneren umschriebenen Fläche des Knochens. Wir bemerkten jetzt, dass der mehrerwähnte Knochensprung durch die ganze Dicke des Schei- telbeines hindurchging, von dem Sagittalrande bis zum tuber parietale reichte, einen Zoll zehn Linien Pariser Maass lang war, etwas klaffte und ein frischer Schädelriss genannt werden musste. Ungeachtet der Kno- über Gynäkologie und Pädiatrik. 571 chen selbst, wie schon früher erwähnt, sehr vollblütig war, so ist es doch vorzugsweise die Stelle, auf welcher sich die Blutgeschwulst befand, und ganz insbesondere der Ort, wo, in dem Umfange eines Zweigroschen- stückes, das Blut von innen und aussen abgelagert war. In diesem Umfange erscheint der Knochen angeschwollen, und ungeachtet der ge- sunde Theil des Scheitelbeines, wie gewöhnlich, ziemlich blutleer ist, war diese Stelle nicht allein äusserlich, sondern auch innerlich, so wie sein ganzes Gewebe, dunkelroth gefärbt. In diesem macerirten und von allem Blut und anderen plastischen Gebilden gesäuberten Zustande habe ich das linke Scheitelbein, Taf. XXVI. Fig. I und 2, linearisch von der Seite und im Durchschnitt zeichnen las- sen. Betrachtet man das Gewebe des linken Scheitelbeines auf Taf. XXVI, so findet man die Struktur des Knochens bis hart an den Rand der äussern Schädelblutgeschwulst fast ganz normal, und nur durch eine allgemeine Blutanhäufung in dem Gewebe des linken Scheitelbeines, wie auch der übrigen Knochen, welche die Schädeldecke bilden, ausgezeichnet. Be- trachtet man dagegen mit einiger Aufmerksamkeit den Heerd der Schädel- blutgeschwulst sammt ihren Rändern, so ist eine auffallende Veränderung sowohl in der Form, wie in der Struktur, auf der äussern und auf der innern Fläche wahrzunehmen. Eine gewisse dünne und zarte Beschaffenheit der Schädelknochen, eine Blutüberfüllung der feinsten Knochenkanälchen, eine grosse Weich- heit der Knochenfaser selbst, zeichneten die gesammten Schädelknochen aus. Besonders reichlich ward die Blutmasse (noch am 20sten Tage nach der Geburt!) zwischen Cranium und Pericranium auf der obern Hälfte beider Scheitelbeine angetroffen, und ähnlich auf dem rechten vorausgehenden, wie auf dem linken vom Promontorium gedrückten, nachfolgenden Schei- telbein in Form der umschriebenen Geschwulst nierenförmig, oder besser füllhornähnlich um den Höcker der Scheitelbeine gelagert. — Auffallend 572 A. Burchard, gering war der Verknöcherungsprocess vorgeschritten. Ungeachtet das Kind 20 Tage gelebt hatte, war der obere Knochenrand nur um eine Linie vorwärts geschoben, die übrigen Ränder haben sich bei dem Ossifikationsgeschäft noch weniger betheiligt, wovon die Ursachen theils in der mangelnden Lebenskraft des Kindes, theils in der Ernährung desselben ohne die erste Muttermilch zu suchen sein dürften. über Gynäkologie und Pädiatrik. 3753 Erklärung der Tafeln. Tafel XXV. stellt das Profil des Kindes am 9ten Tage nach der Geburt von der kranken Seite dar. a.h.b. f.c.d. der Umfang der Schädelblutgeschwulst. a. c. die grösste Länge. b.d. die grösste Breite. h.b.f.c. der konvexe Rand. i.d. k. der konkave Rand. g. der nierenförmige Ausschnitt um den iuber parietale. h.i. der vordere, kompressible Rand. e.k. der untere, diffusible Rand. Tafel XXVI. stellt die linke Seite des Schädels dar, entblösst von der galea aponeu- rotica und dem pericranium. Tafel XXVII. Erklärung zu Tafel XXVl. Fig. 1. Die vordere Fläche der linken Schädelhälfte. a.b.z. die galea aponeurolica. t.u.v. das linke Stirnbein. w.x.y.y. das linke Scheitelbein. t.u. der Rand des stehengebliebenen pericranium am Stirnbein. w.x.y.y. der Rand des stehengebliebenen pericranium am Schei- telbein. d.c.c.c.c.e.g. der Umfang und die Grenze der Schädelblut- geschwulst. o. der tuber parietale. 574 A. Burchard, über Gynäkologie und Pädiatrik. c.c.c.c. der konvexe Rand der Schädelblutgeschwulst. e.g. k.d. der konkave Rand. c.d. der obere vordere Rand. c. e. der untere hintere Rand. c. q. k. d. ein Ueberrest der Kapselmembran der Schädelblutgeschwulst. c.q.k. der abgeschnittene Rand dieser Kapselmembran oder Lamelle. k.n. ein vorspringender Zipfel dieser Lamelle. s.s.s. die rauhe Schädelfläche und Basis der Geschwulst. m.n. der Schädelriss am linken Scheitelbein. Fig. 2. a.d.c.b. Ansicht des linken Scheitelbeins im seitlichen Durchschnitt. a.d.c. die grösste Höhe der Geschwulst. a. der konvexe Rand. c. der konkave Rand. a. c. der Schädelknochen an der Basis der Geschwulst. Vol. XXI. P 2 InbXXT nn Acum Tage nach der Geburt u un 7 2 VIEOCHEPL 7 lg Ha0a ‚- EIER % I, DREI A > I unge mach DN AIRE — r Dearseoh at ro. ) co cdeca e £ /F ir ae. mn r 3 x u x Order DER VORKEIM. BEITRAG ENTWICKELUNGSGESCHICHTE DER MOOSPFLANZE. VON W. THEODOR GÜMBEL, K. B. REKTOR AN DER GEWERBESCHULE ZU LANDATU, M..d. A.d. N. MIT 2 STEINDRUCKTAFELN. DER AKADEMIE ÜBERGEBEN DEN 14. AUGUST 1853. a Da A u SMATRTROON AG. KERRNEDEDEA BaaTıTa = A KO ‚aaa 9d oa MW . en = R Zt sin Wake. RC NATUR EM. 2a 2er TEHOEA SH, WRITE ER A ER - Mi Hedwig begann gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts eine neue Epoche für die Entwickelungsgeschichte kryptogamer Pflanzen, indem derselbe mit den Sporen von Lebermoosen Keimversuche anstellte. Die Ansicht Hedwig’s, als seien die aus den keimenden Sporen ent- standenen Gebilde, welche G. W. Bischoff Vorkeim nannte, die Coty- ledonen phanerogamer Pflanzen, hat durch Schleiden’s Lehre von der Befruchtung des Samens der Phanerogamen eine besondere Bedeutsamkeit erhalten. Als ein Vierteljahrhundert später der seelige Friederich Nees von Esenbeck seine ausführlicheren Keimversuche an den Spo- ren von Pellia epiphylla bekannt machte, geschah dies noch in einer Zeit, in welcher weder die Hülfsmittel, wie solche uns heute in den so klar gewordenen Mikroskopen zu Gebote stehen, noch solche Resultate über den Bau und das Leben der einfachen Pflanzenzelle gegeben waren, wie letztere uns aus den Werken H. v. Mohl’s, G. W. Bischoff’s, Alex. Braun’s, Nägeli’s, Schleiden’s u.a. m. vorliegen. Der in der Mooskunde so viel erfahrene Meister Bruch in Zwei- brücken hatte auch seine volle Aufmerksamkeit dem Keimen der Moos- sporen zugewendet, und mir war das schöne Loos zu Theil geworden, in den Jahren 1839 bis 1842 durch täglichen Umgang auf die liebevollste Weise in die Mooskunde von demselben eingeführt zu werden. Mein besonderes Augenmerk war auf das ganze Moospflänzchen gerichtet, so vorzugsweise noch auf die Wurzeln desselben, und es ergaben sich mir Resultate über die Verjüngung der Moospflanze aus dem Wurzelgebilde, welche ich in dem Kreise der „‚Pollichia‘‘ zu wiederholtenmalen und in Vol. XXIV. P. II. 73 578 W. Th. Gümbel, Fortsetzungen öffentlich behandelte. Ich darf es wohl freimüthig beken- nen, dass ich selbstständig die Untersuchungen über die Art und Weise, wie die Wurzel der Moose in Fällen ganz jene confervenartigen Fäden treibt, Brutknospen ansetzt, und eine Verjüngung durchführt, machte, dass diese den seligen Bruch bestimmten, seine früheren Keimversuche in Gemeinschaft mit mir einer Revision zu unterwerfen, resp. die Frage zur Entscheidung zu bringen, ob aus Einer Spore sich auch nur Ein Saat- pflänzchen entwickle. In Folge dieser Untersuchungen liess der sel. Bruch seine Ansicht fallen, nach welcher die Zelle der Spore die einzige sei, aus welcher sich eine junge Pflanze entwickle, indem es klar vorlag, dass aus dem Vorkeim einer einzigen Spore sich eine Summe von Saatpflänzchen entwickelte. Schon hatte ich im Jahre 1843 meine Erfahrungen zusammengestellt und stand im Begriffe, dieselben zu veröffentlichen, als Herr Professor Bischoff in Heidelberg, dessen Freundlichkeit mich demselben zu dem wärmsten Danke in stets erneuerter Weise verbunden hält, mir die Linnaea von 1842 überschickte, in welcher Dr. H. Koch diesen Gegenstand der Aufmerksamkeit der Forscher bereits unterbreitet hatte. Nicht aber, weil Dr. H. Koch den Gegenstand erschöpft hätte, sondern weil mir in dieser Zeit das Glück zu Theil geworden war, an dem Werke der „‚Bryologia europaea‘ mitzuarbeiten, hielt ich meine Mittheilungen zurück: ich konnte meine Beobachtungen in den Darstellungen für die „‚Bryologia europaea‘* niederlegen. Mittlerweile hatte ich auch den physiologischen Theil die- ses Werkes in’s Auge gefasst, und ging auch zurück auf schon in der „Bryologia europaea‘‘ früher gegebene Familien, ob auch an diesen meine laufenden Beobachtungen Bestätigung fänden. Mit vieler Freude über- gab ich meinem Freunde Schimper in Strassburg meine Resultate und glaubte, der Wissenschaft, wenn auch nicht grossen, doch einigen Dienst geleistet zu haben, als in dessen „‚Recherches sur les mousses, Strassbourg 1848°* ich von der Wahrheit und Treue meiner Beobachtungen überzeugt wurde. Da einmal diese „Recherches“ vorliegen, und da auf dem Gange der Vorkeim der Moospflanze. 579 einer weiter geführten Untersuchung sich stets neue Resultate herausstel- len, konnte ich für meinen Theil es nicht unterlassen, eine erweiterte Zusammenstellung der bisher gewonnenen Resultate zu machen und sol- che im Kreise wissenschaftlicher Männer zu besprechen. Ich fand dazu in der letzten Versammlung der Naturforscher zu Wiesbaden eine passende Gelegenheit. Nur in Folge eines so lebendigen Interesses, das meine kurzen Zei- len über den Aufbau der Moospflanze fanden, und anderweiligen, selbst ernsten Aufmunterungen folgend, habe ich mich entschliessen können, den Vorkeim zum Thema nachstehender Besprechung zu machen. Indem ich aber mein Thema mit dem Vorkeim überschreibe, möchte ich ganz allgemein die Ideen auf die Bildungen hinlenken, welche spätern Entwickelungen als Vorstufen vorausgingen, oder auf deren Achseln hö- here Stufen getragen werden, welche höheren Stufen, während sie nach aufwärts ihrer höchsten sexuellen Bestimmung entgegenreifen, selbst wie- der nach abwärts ihre eigene Vorstufe verjüngen, damit sich auf dieser eine kommende Generation gleicher höheren Stufen entwickeln könne. Ich erinnere hier an die Entwickelungsgeschichte der Orchideen, und obgleich der Wurzelstock zu den wenigst untersuchten Pflanzentheilen gehört, so kann ich doch annehmen, vor einem Forum zu sprechen, welchem die denkwürdigen Aufeinanderfolgen der vorbereiteten und vorbereitenden Gebilde von Colchicum autumnale, Arum maculatum, Gladiolus commu- nis bekannt sind. Damit erhält der Vorkeim unserer Moose zugleich eine weitere Bedeutsamkeit für die Entwickelungsgeschichte phanerogamer Pflanzen. Für mich selbst soll die Wahl dieses Titels die Bedeutung haben, dass ich das Thema zur Zeit noch nicht erschöpfend besprechen kann, dass ich darin Grund und Ursache finde, auf’s Neue das bereits gewonnene Resultat einer Revision zu unterstellen, um bis jetzt noch unbeachteten Beziehungen nachzuforschen, welche zwischen den ver- schiedenen Gliedern des Organismus unserer Moose obwalten mögen. * .- 580 W. Th. Gümbel. Die Akten über diese Untersuchungen werden lange noch nicht für geschlossen erklärt werden können!! — Im 6ten Stück der botanischen Zeitung von 1853 beschränkt G. W. Bischoff den Begriff eines Vorkeims nach dem ursprünglichen Sinne des Wortes auf die primitiven Gebilde, welche aus einer keimenden Spore hervorgehen; Hofmeister aber, in seinen vergleichenden Unter- suchungen der Keimung höherer Kryptogamen, nennt Vorkeim das Pro- tonema der Moose, mag es von der Keimung einer Spore, oder von selbsi- ständiger Entwickelung einzelner Zellen der blättertragenden Pflanzen herkommen. Um von den vielen Beispielen nur eins zu nennen, so hat der Vorkeim von Orthotrichum obtusifolium, wie derselbe aus einer Spore entstanden ist, so viel Uebereinstimmendes mit den Gebilden auf den Blät- tern dieser Pflanze, wie sich dieselben in confervenähnlichen Fäden wei- ter entwickeln. Deshalb nehme auch ich den Begriff von einem Vorkeime in dem erweiterten Sinne Hofmeister’s. Will man einen Unterschied machen, so kann man von einem Saatvorkeim, von einem Wurzelvorkeim ete. reden, sobald man nur die Brutpflanze im Auge behält, welche aus dem- selben erwächst. Die allgemeine Entwickelungsgeschichte des Saatvorkeimes ist in Schimper’s „Recherches‘ niedergelegt, ohne aber, dass auf eine etwaige Verschiedenheit in den einzelnen Gliedern desselben Bedacht genommen wurde. Hofmeister dagegen unterscheidet Hauptverzweigungen mit zahlreichen Chlorophylikörnchen und mit einem unbegrenzten Wachsthum in die Länge und seitliche Verzweigungen mit einem begrenzten Wachs- tihum und weiterer vielfacher Verästelung. Mancher Ausspruch hochge- stellter Forscher ist früher oder später in Zweifel gezogen worden, sobald man das Object aus den Augen verlor, welches den Ausgangspunet eines betreffenden Ausspruches bildete. Wie anders lassen sich die Ansichten Nees von Esenbeck’s beurtheilen, und wenn man die Zeit ihrer der Vorkeim der Moospflanze. 581 Entstehung zu würdigen weiss, sobald die vielzellige Spore von Pellia oder Fegatella als Ausgangspunct derselben erkannt ist, und wie anders, wenn statt eines solchen wirklichen Ausgangspunctes die Spore eines unserer Laubmoose substituirt ist, welche aus einfacher Zelle besteht. Ich kenne das betreffende Präparat nicht, von welchem Hofmeister obige Unterschiede ableitete. In Fig. 16. Taf. XXVII. habe ich aber an Ephemerum pachycarpum und in Fig. 19. Taf. XXVIH. an Dieranum __montanum Beispiele, auf welche sich diese Unterschiede gründen können. Das Präparat von Ephemerum serratum, Fig. 15. Taf. XXVIIH, hindert uns aber, eine solche Unterscheidung zu einer Allgemeinheit zu erheben. Ein Theil des Präparates von Ephemerum serratum in A und B möchte wohl eine weitere Ansicht Hofmeister’s rechtfertigen, nach welcher blos die seitlichen Verästelungen fähig wären, Keime und beblätterte Achsen zu erzeugen; allein C desselben Präparates könnte ein Beweis- stück für eine andere, gerade der von Hofmeister ausgesprochenen entgegengesetzte liefern, welche von Schacht in dessen Untersuchun- gen über die Pflanzenzelle, S. 400, dahin ausgesprochen ist, dass der aus der Spore entstandene confervenartige Faden oft längere Zeit als solcher umherkriecht, sich verzweigt, später an seinem Ende anschwillt und ein junges Pflänzchen bildet. Ich habe in Fig. 15. Taf. XXVIN. allerdings nur einen kleinen Theil eines Präparates gegeben, das einen weit grös- sern Complex von Brutpflanzen umfasst; doch reichen die gegebenen Stücke hin, um nachzuweisen, dass beide eben besprochene Unterschiede in den verschiedenen Gliedern eines Vorkeimes keine allgemeine Giltig- keit haben. Es lässt sich auf eine andere Weise ein Unterschied in den einzel- nen Gliedern des Vorkeims auffinden, welcher schon an der keimenden Spore auftritt. — Um diesem Unterschiede nachzuspüren, erlaube man mir, auf bereits schon bekannte Beobachtungen hinzudeuten, dabei mich einer heiligen Verpflichtung zu entledigen, welche die Manen des seligen Bruch mir auferlegen. Indem Bischoff in dem schon erwähnten 582 W. Th. Gümbel, Stücke der bot. Zeitung in den Bemerkungen zur Entwickelungsgeschichte der Equiseten in Fig. 1. Taf. II. den Keimversuch des verewigten Gross- meisters der Bryologen an Equisetum palustre veröffentlicht, kann ich es nicht unterlassen, ein weiteres Stadium desselben Keimversuches Bruch’s in Fig. 1. Taf. XXVIU. hier niederzulegen. Bis zu a geht Bischoff’s Mittheilung: in 5 und e ist dargestellt, wie, nachdem die primitive Zelle der Spore nach unten ein Wurzelhaar entlässt und nach oben sich einfach vermehrt, dann die zerplatzte Sporenhaut abgeworfen hatte, nach oben sich in gedrungene Zellen verjüngt, einem dünnen Wurzelspitzchen ge- genüber ein mehrzelliges Köpfchen bildet. Bei dieser Gelegenheit lege ich in Fig. 2. Taf. XXVIH. einen weiteren Keimversuch Bruch’s mit Osmunda regalis nieder. Während die keimende Spore nach unten vor- erst ein dünnes Wurzelhaar entlassen hatte, fand nach oben eine gehäufte Zellenvermehrung statt. Das weitere Wachsthum eines solehen Wurzel- haares ist aber sehr schwach, ss dass in c der Fall vorliegt, in welchem die Bildung eines solchen ganz unterbleibt und die Zellenvermehrung blos zu einem einseiligen Vorkeim fortgeht, der später erst Wurzelhaare entlässt (d). Ein entschiedener Gegensatz zwischen den aus der keimenden Spore zuerst hervorgetretenen Wurzelhaaren und einem hierauf entstandenen laubarligen Vorkeim ist von Bischoff a. o. St. (Fig. 4+—8), an Pellia epiphylla, Fig. 4—8, und Fegatella conica, Fig. 15—18, auf das deut- lichste gegeben. An der keimenden Spore unserer Laubmoose ist ein derartiger Gegensatz weniger entschieden ausgedrückt, dennoch aber schon angedeutet, namentlich an der keimenden Spore der Sphagnen in Schimper’s „„Recherches“, Taf. I. Fig.25, wo einer einfachen Zellenreihe gegenüber sich eine vereinte Zellenmasse bildet. Ueberblicken wir eine nur kurze Reihe von Keimversuchen, wie ich auf Taf. XXVII. in Fig. 3. an Pottia Heimü, in Fig. 3bis an Plagiothecium piliferum, in Fig. 4. an Mnium cuspidatum, in Fig. 5. an Bartramia pomiformis, in Fig. 6. an Bryum inclinatum und in Fig. 7. an Phascum bryoides einige Beispiele der Vorkeim der Moospflanze. 383 gebe, so wird man auf das deutlichste sehen, dass der Verlauf der Kei- mung kein blos einseitiger ist, dass die einzelnen Keimfäden nach ver- schiedenen Richtungen hin einerseits in ein dünneres Ende auslaufen, andererseits am Ende etwas angeschwollen sind. Dieser Unterschied ist aber kein bleibender; auch die anfangs dünn endenden Fäden werden bald eylindrisch, bilden sich selbst kuglig angeschwollene Glieder, von denen aus, wie von neugewonnenen sekundäreren Centra, eine neue Ver- ästelung ausgeht. Ich weiss kein instructiveres Präparat zu wählen, als das von Potlia truncata, Fig. 8. Taf. XXVIIL, welches ich zur Zeit mei- nem Freunde Schimper zur Verfügung stellte, und welches derselbe für würdig achtete, es Fig. 15. Taf. I. in seine „‚Recherches‘‘ aufzunehmen. Dieses Präparat zeigt nach dem Verschwinden des ersten Gegensatzes eine andere Verschiedenheit in den einzelnen Gliedern des Vorkeimes. Nicht blos, dass hier länger gestreckte eylindrische Zellen mit kuglig angeschwollenen in ihrer Aufeinanderfolge wechseln ; stellenweise gingen blos kurze und angeschwollene Zellen unmittelbar auseinander hervor, während andrerseits auf centrifugale Weise Fäden sich bilden, deren Zel- len langgestreckt sind und hie und da eine kuglige Zelle zwischen sich nehmen. Wenn wir in dem vorliegenden Stadium des Vorkeimes von Pottia truncata das Uebergewicht auf Seiten der kugligen Zellen finden, so liegt mir in Bruch’s Schätzen an Bryum inclinatum, Fig. 14. Taf. XXVIII, ein Beispiel vor, in welchem die langgestreckten ceylindri- schen Zellen über die kugligen vorherrschen. Die cylindrischen bilden hier die Hauptmasse des Vorkeims, während die Anschwellungen mehr an das Ende der einzelnen Fäden gerückt sind und dadurch einen neuen Ausgangspunct für die Metamorphose des Pflanzenlebens unserer Moose geben, indem sich hier eine Brutknospe bildet. In dem Stadium, in wel- chem der Vorkeim von Pottia truncata reil geworden ist, Brutknospen zu erzeugen, sehen wir in Fig. 9 und 10, welche von einem gemeinschaft- lichen Centrum (m) genommen sind, in den einzelnen Fäden einen noch öftern Wechsel zwischen erweiterten und verengerten Zellen, und dadurch 584 W. Th. Gümbel, die Möglichkeit gegeben, dass ein solcher Vorkeim ausserordentlich frucht- bar an Brutknospen ist. Wenn ich in Fig. 13 durch Bruch’s Beob- achtung an Hypnum rutabulum L. nachweise, dass die Zellen sich gegen das Ende der Vorkeimfäden verkürzen und häufen, und dadurch die Basis für eine Brutknospe geben, so habe ich für diese Species dadurch keinen Charakter geben wollen, zumal da in Fig. 12 eine andere Beobachtung Bruch’s von demselben Moose gegeben ist, welche nachweist, wie die Brutknospe a allerdings in einem Sinne endständig von den Vorkeimfäden überwachsen wird. Die seitlichen Verästelungen eines Vorkeimes kön- nen in Fällen ein begrenztes, in andern Fällen ein unbegrenztes Wachs- thum haben, deshalb erscheint mir Hofmeister’s Aeusserung, als dürf- ten vielleicht die Hauptverzweigungen des Vorkeims mit Stengeln und die seitlichen Verästelungen, die ein begrenztes Wachsthum haben, mit Blät- tern verglichen werden, um so weniger gerechtfertigt, als die seitlichen Verästelungen oft schon nach einem sehr kurzen Verlaufe in eine Brut- knospe enden. So viele Keimversuche mir auch vorliegen, so kann ich mich zu keiner allgemeingültigen Angabe bestimmt fühlen, an welcher Stelle des Vorkeims die Brutknospen charakteristisch entstehen müssten, und muss es mit Meyen den Beobachtungen weiter überlassen, nachzu- weisen, an welchen Stellen die Keimfäden (der Vorkeim) zu Moospflänz- chen anschwellen. Sind die ersten Brutknospen entstanden, so geht von diesen aus eine neue Bildung von zelligen Fäden, welche man Haarwurzeln nennen könnte, dadurch von den wahren Vorkeimfäden unterschieden, dass die einzelnen Zellen einander nicht gerade, sondern schräg angesetzt sind. In Fig. 10 ist 5 das Bild einer solchen Wurzel, welche von dem Brut- pflänzchen a ausgeht. In der Regel sind diese Wurzelhaare gegen die Vorkeimfäden sehr dünne, und soweit ich auch die ersten Resultate der Keimung an Pottia truncata und vielen andern Moosen verfolgte, konnte ich nie den Fall beobachten, dass solche Wurzelhaare entstanden wären, ehe sich eine Brutknospe angesetzt hatte. An dem Präparate von Potlia der Vorkeim der Moospflanze. 585 truncata, Fig. 8, war es nicht möglich, jene Zelle herauszufinden, welche die primäre der Spore war; glücklicher war Schimper mit seinem Keimversuche an Funaria hygrometrica und Weissia rubella Hüb., indem er fand, dass auch von der primären Zelle der Spore eine Keimpflanze ausgehen konnte (sehe dessen Erklärungen zu Taf. I. Fig. 6 und 8, „Recherches‘‘); dort sehen wir denn auch gleich aus der Zellenhäufung, welche aus der primären Zelle der Spore zu einer Brutknospe hervorging, die eben besprochenen dünnen, schräg gegliederten Haarwurzeln auslau- fen. In einer gewissen Beziehung liesse sich die Bemerkung machen: Was die schon zusammengesetzte Spore von Pellia z. B. an sich ist, das hat sich bei der Moosspore erst nachträglich, erst in Folge eines Vorkeim- gebildes erzeugen können. Dies auf dreifache Weise: 1) gleichsam im Centrum des Vorkeims, unmittelbar von der primären Zelle der Spore aus, — nach Schimper’s Beobachtungen —; 2) an der Peripherie des Vorkeims, resp. an Enden der Hauptverzweigungen desselben, und 3) an der mehr sekundären Verästelung, also gleichsam zwischen Centrum und Peripherie. Inwiefern der eine oder andere Fall bei den verschiedenen Familien der Moose der vorherrschende ist, selbst, ob sich in dieser Beziehung ein Resultat herausstellen wird, wage ich kaum auch nur mit einer Frage zu berühren, dies um so weniger, als Pottia truncata Beweise für die zweite wie für die dritte Art liefert, Fig.9 u. 10. Die letztere Art in Fig. 10 kann sich wieder als ein sekundäres Centrum verhalten, von wo aus, nach verschiedenen Richtungen hin, der Vorkeim sich weiter verjüngt. Hat sich einmal der Vorkeim durch Entwickelung einer oder der andern Brutknospe als fruchtbar erwiesen, so kann die weitere Verjüngung des Vorkeims auf mehrfache Weise vor sich gehen. Einmal wachsen die bereits vorhandenen Fäden des Vorkeims direct weiter und treiben gleich- artige Verästelungen, oder aber die schräg gegliederten Wurzeln, welche von Brutknospen auslaufen, sind, wie Fig. 10, weniger haardünn, als cylindrisch, und mit den cylindrischen geradegliedrigen Zellen des Vor- keims mehr von gleichem Durchmesser. Diese, durch ihre Dicke von Vol. XXIV. P. II. 14 586 W. Th. Gümbel, feineren Haarwurzeln, wie wir bald näher werden kennen lernen, unter- schiedenen Wurzeln zeigen sich sehr lebenskräftig, treiben rasch ihre Zellenglieder weit hinaus, und bald sehen wir die schräge Gliederung wieder in die gerade abgesetzte des ursprünglichen Vorkeims übergehen. Damit haben diese Wurzeln zugleich ganz die Natur des Vorkeims ange- nommen, verästeln sich auch in wahre Vorkeimfäden und setzen Brut- knospen an. Fig. 11 stellt ein weiteres Stadium des Keimversuches mit Pottia truncata dar und zeigt, wie die Wurzel b des früheren Stadiums von Fig. 10 weit ausgewachsen ist, allmälig gerade abgesetzte Gliederung annimmt, in Keimfäden d auswächst, eine Brutpflanze a erzeugt, welche nun haardünne Würzelchen ce treibt, wohl aber auch dickere schräggegliederte Wurzeln entlassen könnte. Wir treffen in diesem Stadium die Wurzel- bildung sehr entwickelt an, so dass dieselbe die Verjüngung des Vorkei- mes und durch dessen Vermittlung auch die Verjüngung der Brutknospen übernehmen kann. Gehen wir aber zu bereits schon fertig ausgebildeten Rasen dieser Pottia truncata über, in denen zwischen älteren Pflänzchen jüngere auf- gewachsen sind, so liefert uns eine Untersuchung des Wurzelwerkes ein Präparat, wie Fig. 17 ein solches darstellt, und zeigt, dass man es mit mehreren Generationen nach einander entstandener Pflänzchen zu thun hat, ohne dass eine Vorkeimbildung von den Wurzeln aus den einzelnen Brutpflänzchen vorausgehen musste. Die ältere Pflanze A, wie sie von der Wurzel m einer noch ältern Pflanze selbst ausgegangen ist, hat die Wurzel n getrieben, aus welcher die junge Pflanze B erstand; während diese sich entwickelte und selbst sogar an ihrer Basis neue Wurzeln 5 entlässt, hat sich aus A die Wurzel o entwickelt, sich einerseits in die Wurzel 0’ verzweigt, an der sich ein zelliges Knöllchen c ansetzt, und andrerseits sucht, in ihrem Hauptgliede centrifugal vom Rasen weit weg- zukommen und, einem Ausläufer vergleichbar, den Umfang des Rasens zu vergrössern. Offenbar haben in diesem letzten Stadium die bereits aus- gebildeten und blüthentragenden Pflanzen die Stelle des Vorkeims in den der Vorkeim der Moospflanze. 587 frühern Stadien der Keimversuche vertreten. Damit möchte ich jedoch nicht gesagt haben, dass die Blätter ein verwachsenes Vorkeimgebilde wären. Unter den Phanerogamen haben wir ja präparalive Gebilde, wel- che auf gleichen Zweck hinzielen, aber deshalb nicht für morphologisch gleich angesprochen werden können. Wie bei Allium cepa L. fleischig verdickte Blattscheiden Vorräthe für künftige Gebilde in sich aufbewah- ren, das thut bei Colchicum auctumnale L. ein knollig verdickter Stamm- theil; während Sedum Telephium L. an den kriechenden unterirdischen Stengeln eine reiche Menge von rübenförmig verdickten Wurzeln trägt, hat Sedum acre L. nur dünne Wurzelzäserchen, dagegen eiförmig dick angeschwollene Blätter. Darf ich für die so eben besprochenen Wurzeln, wie solche in den fertigen und nur sich noch erweiternden und sich selbst verjüngenden Rasen angetroffen werden, eine bezeichnende Benennung in Vorschlag bringen, so möchte ich dieselben Strebewurzeln nennen. Diese Strebewurzeln sehen wir im Präparat Fig. 17 vielfach seitlich in bald einfachere, bald wieder verzweigte dünne, nicht weit hin sich verlän- sernde, oft bogig gekrümmte Zäserchen verästelt, welche Zäserchen, da sie auch unmittelbar aus dem Pflänzchen A,a auswachsen, und somit als selbstständiges Wurzelgebilde auftreten können, ich Haftwurzeln nen- nen möchte. Es können ganze Glieder von Strebewurzeln sich jedoch in eine Menge Haftwurzeln verzweigen, und dadurch in den letztern voll- ständig aufgehen, Fig 17. 0°. Umgekehrt lässt es sich dann auch beob- achten, dass solche Haftwurzeln sich stellenweise nicht blos rosenkranz- ähnlich verdicken und grössere Knöllchen tragen, sondern auch den Strebewurzeln sich gleich verhalten und Brutknospen tragen. Fig. 16 stellt dies in B an Ephemerum pachycarpon deutlich dar. Indem ich dieses Präparat vorlege, gehen wir bei m von einem rei- nen Vorkeime aus und gelangen von gerade abgegliederten Zellen allmälig zu einer schrägen Gliederung der Zellenreihe hin, d. h. der Vorkeim schreitet unmittelbar in die Bildung einer Strebewurzel über, die sich als > 388 W. Th. Gümbel, solche verjüngt, um wieder an seinen Enden Vorkeime entstehen zu lassen. So nahe der Uebergang der Glieder der Strebewurzeln in Glieder des Vorkeims hier liegen mag, so sind beide Formen dadurch leicht zu unter- scheiden, dass letztere nie sich in Haftwürzelchen verzweigen, während die Strebewurzelglieder sehr geneigt sind, sich in solche seitlich zu ver- ästeln. Hierdurch werden wir zu Gliedern der Wurzeln geführt, welche selbst einander gerade angesetzt sind und alswirkliche Uebergangs- oder Mittelformen zwischen Wurzel und Vorkeim auftreten. Ohne der Beobachtung Nägeli’s nahe treten zu wollen, welche Hofmeister eitirt und nach welcher die Fäden des Vorkeims oft ver- hältnissmässig weite Strecken unter der Erdoberfläche zurücklegen und alsdann eine schräge Gliederung zeigen, muss ich auf das Präparat Fig. 15 zu sprechen kommen, welches ich hier von Ephemerum serratum mit- theile. Die Verjüngung des Rasens erfolgt hier auf eine entschiedene Weise blos dadurch, dass die unterirdisch fortlaufenden Wurzeln durch Verästelung sich selbst verjüngen und an der Oberfläche des Bodens Vor- keimfäden auswachsen lassen, welche bei der Anlage der Brutknospen einen allmäligen Uebergang aus dem einfachen Vorkeimfaden in das wirk- liche Moosblatt zeigen, B,b. So wenig scharf ist hier die Stufe der fadi- gen Verzweigung des Vorkeims von der höhern Stufe der Blattbildung geschieden! Dabei kann, wie in A, die Stufe der Fadenbildung ganz übersprungen werden, und es erscheint eine Pflanze, kaum gestielt, ähn- lich einer Strebewurzel aufgesetzt, wie wir es in Fig. 17 an Pottia truncata haben kennen gelernt. Was die Vegetationsweise des Ephemerum ser- ratum Charakteristisches hat, liegt darin, dass die selbst fertigen Pflänzchen blos Haftwürzelchen treiben und nicht, wie bei Ephemerum pachycarpon, Strebewurzeln entlassen, um durch solche die Rasen zu verjüngen. Auch konnte ich es niemals beobachten, dass die Haftwurzeln von Ephemerum serratum sich weit hin verlängerten und anderntheils in einfacher, theils in verästelter Weise als in dünnen Spitzen endeten, was bei Ephemerum pachycarpon nicht immer so der Fall ist, wie wir schon oben gesehen der Vorkeim der Moospflanze. 589 haben, dass bei letzterem Moose Brutknospen das Ende der Haftwurzeln sein können, und wie Fig. 16 in ce nachweist, dass es von den Haftwür- zelchen zu verschiedenen Stufen von Knollenbildungen gebracht werden kann, ohne dass jedoch jedes dieser Knöllchen befähigt wäre, eine Brut- knospe zu werden. Die Sterilität soleher Knollen, die wie an D selbst eine erhebliche Ausdehnung erhalten können, ist bei Ephemerum pachy- carpon oft so gross, dass an grössern Knollen sich eher kleinere seitlich entwickeln, als dass sich eine Brutknospe weiter ausbilden würde. Bei Ephemerum serratum dagegen scheinen mir alle solche Knollen wirkliche Brutknospen werden zu können. Bei Ephemerum pachycarpon können die aus dem Grunde der bereits entwickelten Pflänzchen, welche, wie bei Pottia truncata angedeutet wurde, in ihren Blättern die Function des Vor- keims übernommen haben, ausgewachsenen Strebewurzeln wohl zu Brut- knospen führen, und es kann ein älteres Pflänzchen dadurch gleichsam Tochterpflänzchen erhalten, während bei Ephemerum serratum die jungen Brutpflanzen von demselben Wurzelgebilde abstammen, auf welchem die ältern Pflänzchen fussten. Indem ich diese beiden Schemata zwischen Ephemerum serratum und Ephemerum pachycarpon absichtlich etwas streng auseinander halte, möchte ich darauf hindeuten, dass es Räschen von verschiedenen Gattungen gibt, in denen die einzelnen Pflänzchen durch ein solches gemeinschaftliches Wurzelwerk zusammenhängen, wie bei Ephemerum serratum, und wieder andere, in denen die einzelnen Pflänzchen mehr und näher in das Verhältniss einer seitlichen Verzwei- gung zu einander kommen. Als Beispiele der ersten Art können Acau- lon triquetrum, Discelium nudum, als Beispiele der zweiten Art Acaulon mulicum, Dicranum varium gelten. Wollte man für die Vegetationsweise von Ephemerum serratum einen anderweitigen Vergleich gelten lassen, so könnte man etwa eine Krustenflechte nehmen, deren Lager stets an den Rändern von dem sogenannten Hypothallus umsäumt wird, welcher, wie Bischoff bemerkt, streng genommen nichts anderes ist, als ein bleiben- der, zugleich mit dem Lager sich fortwährend verjüngender Vorkeim. 590 W. Th. Gümbel, Bridel’s Ansicht über den Bau des Räschens von Ephemerum serratum, als seien die Fäden Ausläufer, auf denen die Pflänzchen mit ihren getrenn- ten Blüthen wie Aeste aufsitzen, stimmt dann auch damit zusammen, soweit dies nach dem Bridel’schen Sinne blos von zwei getrennt ge- schlechtigen Pflänzchen gelten kann. Al. Braun bezeichnet in seiner Schrift ‚über die Verjüngung in der Natur‘‘ die Blätter als diejenigen Theile, in deren wiederholter Bil- dung sich die Selbstverjüngung im Pflanzenleben vorzugsweise ausspricht, durch deren successives Auftauchen die Metamorphose ihren Stufenbau erhält. Wir könnten an die Stelle der Blätter die Fäden des Vorkeims setzen, um den Kreis der Metamorphose bei den Moospflanzen zu eröffnen, und, wie wir weiter unten noch sehen werden, auch zu durchlaufen. Haben wir uns einmal zu Unterscheidungen zwischen den einzelnen Gliedern eines Vorkeimfadens, zwischen Wurzel und Vorkeim und zwi- schen verschieden gebauten Wurzeln trotz der so nahe liegenden und unmittelbaren Uebergänge bestimmt gefühlt, so dürfen wir uns auch nicht von noch weiteren Unterscheidungen abhalten lassen, da wo es gilt, nach dem Sinne von Al. Braun, den Stengel als den Boden zu betrachten, auf dem sich der Wellenschlag der Metamorphose fortbewegt. Wir sehen bei Hypnum rutabulum, Fig. 13. Taf. XXVIII, der Brut- knospe eine längere Reihe von gedrungen gestellten Zellen vorausgehen, während Fig. 12 aus demselben Keimversuch die Brutknospe sich mehr un- mittelbar aus normal gebildeten Keimfäden erhebt. An Ephemerum serra- tum sehen wir in C’ eine Brutknospe, deren erstes Blatt gleichsam ein ein- facher Vorkeimfaden ist, während die Pflanze A von einem starken Knollen ausging und gleich ein voll endetes Blättchen als erstes seitliches Gebilde trägt. Ich darf mich wohl mit Recht auf die Darstellung der ersten Sten- gelanfänge bei Grimmia funalis in der „‚Bryologia europaea‘ beziehen, woselbst eine Brutpflanze sich auf einem nur mässigen Knollen erhebt, neben einer andern, die es erst zu den Blattanfängen hat bringen kön- nen. nachdem gleichsam Knollen über Knollen in deutlichen Absätzen der Vorkeim der Moospflanze. 591 aufgesprosst waren, ganz unter einem ähnlichen Verhalten, wie ich es an Hedwigia ciliata für die „„Bryologia europaea‘ darstellen konnte. Diese Beispiele zeigen einen allmäligen Uebergang von schwächeren zu selbst sehr zusammengesetzten Stengelanfängen, nicht aus einer Saat, sondern aus dem Wurzelfilze erhalten, dessen Untersuchung mir besonders oblag und von dem weiter unten noch mehreres gesagt werden soll. Bei einer sorgfältigen Untersuchung des Wurzelfilzes von Dieranum scoparium an einer Stelle, wo derselbe, wie auf dem brennenden Berge bei Sulzbach, unter dem Einflusse feucht-warmer Luft, ohne zu fruktifici- ren, üppiges Wachsthum und auch reichliche Brutbildung zeigte, konnte es mir nicht entgehen, dass sich statt eines Brutknollens ein Blattgebilde fand, wie ich es hier in Fig. 20 a wiedergebe. Gewiss könnte hier die Erklärung nahe liegen, dass ich es mit einem flach gewordenen Brutknol- len zu thun hätte, und eine solche Erklärung würde gerechtfertigt erschei- nen, wenn dieses Gebilde, statt in mehrere Vorkeimfäden sich weiter zu entwickeln, eine Anschwellung bekommen hätte, von welcher aus eine Brutknospe ausgegangen wäre. Dieses wirkliche Blattgebilde, ohne. auf einem, wenn auch nur kurzen Stämmchen aufzusitzen, bildet den ent- schiedensten Gegensatz zu den gehäuften Knollen an Hedwigia ciliata oder an Grimmia funalis, oder auch zu den an Dieranum Grevillianum und Dieranum Schreberi in Masse zu beobachtenden und grösstentheils steril bleibenden Wurzelknollen, welche letzteren sich im Boden entwik- keln, ohne dass die sie tragenden Wurzeln besonders geneigt sind, Vor- keimfäden zu entwickeln. — Der Wurzelknollen ist, an sich betrachtet, durchaus noch nicht der Ausgangspunct des Stengels; er kann es aber werden, sobald seine Scheitelzelle in sich selbst sich verjüngt und deren pheripherisch gelegene Nachbarzellen in successiver Aufeinanderfolge eine lebendige Fortbildung in die Blattform erfahren. Unterbleiben die Anregungen, unter denen er Stengel werden könnte, es nun aber nicht wird, so fällt er auf die einfache Bedeutung einer Brutbildung, selbst auf die Bedeutung der Spore zurück, d. h. er kann Vorkeim treiben und es 592 W. Th. Gümbel, versuchen, auf einem indirecten Wege es zu einem Pflänzchen zu brin- gen. So ist das an Dieranum scoparium beobachtete Gebilde nur blatt- ähnlich und würde mit Recht ein Blatt genannt werden können, wenn es etwa noch in Gesellschaft mit seinesgleichen so einem Stengel angehören würde, wie wir ganz ähnlich gebaute Blätter an Buxbaumia aphylla, Fig. 21, besitzen, welche auch von einfachen Zellengliedern aus die Ver- jüngung der Zellen in die Breite treiben, um später an dem Umfange vor- keimähnliche Fäden zu treiben, welche Fäden in Fällen sich wie echte Vorkeime verhalten und den Rasen verjüngen. Für sich ist das Gebilde an Dicranum scoparium nichts anderes als ein Brutgebilde, das auch Vor- keimfäden treiben kann, um auch auf einem Umwege Brutknospen zu erzeu- gen.Tritt dagegen ein Vorkeimfaden an der Stelle eines Blattes auf, so müs- sen wir denselben auch als Blatt ansprechen. Nur die Stellung, welche das Einzelglied am Gesammtorganismus einnimmt, gibt demselben seine Bedeutung und lässt es morphologisch richtig ansprechen. In diesem gewiss allgemein gültigen Satze finden wir den Schlüssel zu vielen Erscheinungen, welche die Untersuchung der jüngsten Zeit an der Moos- pflanze kennen lehrte. Derselbe lehrt uns aber auch Maass zu halten, wenn wir die Forschungen unserer Vorgänger kritisch beleuchten wollen, von denen wohl anzunehmen ist, dass sie gleich uns redlich bestrebt wa- ren, der Natur der Dinge nachzuspüren. Wir finden nach dem Vorste- henden Bridel’s Ansprache der Fadengebilde bei Burbaumia aphylla in dessen „‚Bryologia universalis‘‘, wenn er sagt: „Burbaumia vulgaris caule brevissimo bulbiformi, foliis confervoideis etc.‘ gerechtfertigt. Das Präparat, Fig. 21. Taf. XXVII, stellt uns in seinen schimmelähnlichen Fäden, welche sich vielfach verschlingen und einen verworrenen Wur- zelfilz bilden, einen entschiedenen Gegensatz zu dem Wurzelgebilde, das wir in Fig. 17 an Pottia truncata finden, indem hier von Strebewurzeln kaum die Rede sein kann. Zugleich finden wir an diesem Präparate Gelegenheit, eine Parallele zu ziehen zwischen den sterilen Wurzelknol- len € des Präparates Fig. 17, und den nackt, ohne vorangegangene der Vorkeim der Moospflanze. 5393 Blattbildung den Wurzelzäserchen kurz gestielt aufsitzenden Antheridien von Buxbaumia aphylla, Fig. 21. c. Dabei kann es allerdings der Fall sein, dass die knollenähnlichen Antheridien nahe an dem Stämmchen ste- hen, so dass man sie in Fällen für blattachselständig ansprechen kann. Es hat dies viel Uebereinstimmendes mit den Wurzelknollen, welche wir in Fig. 18 an Pleuridium alternifolium nicht blos fern von dem Stämm- chen sich bilden, sondern demselben gleichsam durch nur wenige Wur- zelzellen gestielt ansitzen, selbst stiellos als eine Anschwellung des Sten- gels auftreten und am Stämmchen in die Blattachseln heraufrücken sehen. Wenn in dem Präparat Fig 21 die Blättchen auf Stielchen, von blos einer Zellenreihe gebildet, stehen, so könnte die Möglichkeit gedacht werden, dass sie sich erst wie das erwähnte Laubgebilde bei Dieranum scoparium, Fig. 20, aus dem Wurzelfilze gebildet hätten, welcher von dem Stämm- chen erst sekundär ausgegangen wäre; allein die „„Bryologia europaea““ weist nach, dass es auch Blätter gibt, welche eine junge Knospe bilden, aus der erst die Blüthe zu einem Stämmchen sich herausbildet, wobei sich ein Theil der Blättchen, von den untern geschieden, zu Perichätialblätt- chen erhebt, ob man gleich bei Buxbaumia von Stengelblättern gar nicht reden darf, weil kein anderes Stammgebilde da ist, als eine, gleich- sam knollige Bildung, die das sogenannte Perichätium gibt. Anders ist es schon bei Diphyscium foliosum, welches den Gipfel seines oft auch nur äusserst kurz entwickelten ersten Stämmechens zu einem angeschwollenen Perichätialaste werden lässt. Hier lassen sich denn auch wirkliche Sten- gelblätter und andere, den Blättern von Buxbaumia vergleichbare, Perichä- tialblätter unterscheiden. An Diphyscium foliosum, in dessen Perichätialblättern, wäre demnach das nächste Analogon mit den Blättern von Buxrbaumia aphylla gegeben, welchem man noch andere, wie z. B. von Hedwigia ciliata oder auch von Thujidium tamarisceinum, beigeben könnte. Auf der andern Seite wird ‚das Blattgebilde von Ephemerum serratum, wie solches grosse Neigung zeigt, an den Spizen sowohl, als am Rande der Blätter, den gemeinschaft- Vol. XXIV. P. II. 75 594 W. Th. Gümbel, lichen Verband der Zellen zu lösen, resp. in Zellenreihen auszuwachsen, als eine Mittelform angesprochen werden können, um solche gewimperte Blätter von Buxbaumia einen längern Stengel von Fabronia pusilla bekleiden zu sehen. Von dem Blatte von Ephemerum serratum kommen wir durch die Blätter von Ephemerum tenerum, Ephemerum cohaerens zu Ephemerum pachycarpon, und namentlich zu Ephemerum sessile, damit zu einer gleichsam fleischigen Blattbildung, indem sich nicht blos eine starke Blatt- rippe ausbildet und eine doppelte Zellenlage den breitesten Theil der Blattfläche einnimmt, sondern auch die Berandung des Blattes gleichsam selbstständig um das übrige Zellgewebe des Blattes sich ausbildet. Die beiden Arten Ephemerum serratum und Ephemerum pachycarpon bilden daher einen weitern denkwürdigen Gegensatz in Bezug auf die Consistenz des Blattes, welche von entschiedener Blattrippe aus auf die mannigfal- tigste Weise Modifikationen zeigt, welche einerseits bis zum völligen Ver- schwinden der Blattrippe, andrerseits bis zur rippenähnlichen Verdickung des Blattrandes und selbst bis zur blattähnlichen Zellenvermehrung auf weitere oder kürzere Strecke über die Blattrippe hin verlaufen. Es kann nicht in dem Plan dieser wenigen Blätter liegen, alle die vielen und mannigfaltigen Blattformen hier in einem morphologischen Zusammenhange und wieder in ihren entschiedenen Gegensätzen zu be- handeln. Indem ich aber einstweilen hindeute auf eine massenhafte Zel- lenvermehrung, auch vom Grunde älterer Gebilde aus, wie bei Ephemerum pachycarpon in Uebereinstimmung mit dem Massenhaften in der Blattbil- dung im Gegensatze zu dem Mangel der Strebewurzelbildung älterer Pflänzchen, von Ephemerum serratum in Uebereinstimmung mit dem so zarten Zellenbaue in den Blättern und der grossen Verjüngungsfähigkeit des sich stets reprodueirenden Vorkeims, kann ich es hier nicht unterlas- sen, wenigstens auf jene Streitfrage hinzudeuten, ob das Blatt von der Spitze oder vom Grunde aus fortwachse. Ich werde Gelegenheit finden, bald weiter unten davon zu reden. f der Vorkeim der Moospflanze. 395 Bekannt sind die so auffallend verschiedenen Blätter von Diphyscium foliosum, und es könnten dieselben zum Ausgangspuncte gewählt werden, wenn es sich um einen plötzlichen Uebergang aus dicken, gleichsam fleischigen Blättern in zartgebaute etc. handelte. Wir wollen hier nur auf die erstern hindeuten, um auf andere fleischige Blattgebilde überzu- gehen, welche wir bei Tetrodontium Brownianum antreffen, und deren Verhältniss zu den wirklichen Blüthenpflänzchen noch nicht gehörig erör- tert ist. Fig. 22 stellt ein instructives Präparat dieser interessanten Pflanze dar. Bridel sagt von den Gliedern € und C’ dieser Pilanze: „An propagationes illae foliaceae a basi vera sunt folia aut cotyledones nutritiae plantae naturae peculiaris?‘ In dieser Frage liegt eine Analogie ausgesprochen mit dem Vorkeimgebilde der Lebermoose und dem Lager der Flechten, eine einleitende und präparative Bildung, welche, seitlich sowohl wie an ihren Enden, Auswüchse treiben, oder auch grüne Vor- keimfäden austreten lassen, selbst knollige Anschwellungen C’ erhalten und daselbst Würzelchen treiben kann. (Seit der Zeit, als ich dieses instructive Präparat erhielt, war es mir unmöglich, die Localität dieser Pflanze in einer feuchten Waldschlucht bei Zweibrücken wieder zu be- nutzen, um die Gewissheit zu erhalten, ob diese Laubgebilde und wie die- selben das Ihre zur Verjüngung der Rasen und der fruchtbaren Pflänzchen beitragen. Meine Exemplare sind alle in der Zeit der Fruchtreife aufge- nommen.) Vergleicht man diese Gebilde von Tetrodontium Brownianum mit den entsprechenden von Tetrodontium repandum, so finden wir an letzteren allerdings noch solche, die aber weit geringere Ausbildung erfahren haben; ausser denselben finden sich aber schlanke und wirklich beblätterte Triebe, welche im Laufe der Vegetation sich niederlegen und an den Stellen, wo sie Wurzeln treiben, junge Pflänzchen entwickeln. Die ‚‚Bryologia europaea‘‘ hat daher allen Grund, das Laubgebilde von Tetrodontium Brownianum als Aeste anzusprechen, an denen die Blätter zu keiner entschiedenen Entwickelung haben gelangen können. Die Blätter bilden mit dem Stengel gleichsam noch eine verchmolzene Masse, 596 W. Th. Gümbel, aber mit einer deutlich ausgeprägten Mittellinie, die eine Rippe bildet. Durch die seitlichen, freilich noch nicht regelmässig gewordenen Aus- wüchse erhalten diese Gebilde das Ansehen eines Wedelchens, von dem wir nur einen kurzen Schritt weiter gehen dürfen, um zu den so zierli- chen Wedeln von Schistostega osmundacea, Fig. 23, zu gelangen. Bei Schistostega osmundacea hat sich die Mittellinie auf eine ziemliche Höhe herauf zu einem blattlosen Stengel abgeschlossen, und erst weiter auf- wärts nach rechts und links in regelmässiger Fiederlheilung das zarte Zellennetz wie in Blättchen ausgespannt, welche bald in ununterbroche- nem Zusammenhange und starker Ausbildung sterile Triebe bilden, bald von einander abgegliedert sind, sich in Spiralen ordnen, klein bleiben und zu Blüthenknospenbildung führen. Letzteres kann so gut geschehen nach vorausgegangener Wedelbildung, als ohne eine solche. Der Durchgang unserer Betrachtung durch die beiderlei Laubgebilde an Tetrodontium Brownianum und Schistostega osmundacea, welche sich in einer gewissen Beziehung mit den Stengel- und Perichätialblättern von Diphyscium foliosum und auch wieder mit den Blättern von Ephemerum pachycarpon und Ephemerum serratum in einen Parallelismus bringen liessen, ist gewiss nicht ohne Bedeutsamkeit für die physiologische An- sprache des Moosblattes im Allgemeinen. Allerdings kann von dem Blatte der Moose gesagt werden, dass dasselbe ein einfaches sei, dass zerlappte und fiederspaltige Blätter nicht vorkommen. Dessenohngeachtet kann es uns nicht entgangen sein, wie so manches Blatt, z. B. von Acaulon muti- cum, „‚Bryologia europaea, Fasc. XLIl.“, einen seitlichen Ansatz macht, als wollte sich hier eine secundäre Blattfläche bilden. Die entschieden- sten Fälle, in denen wirklich gelappte Blätter, als sehr denkwürdige Sel- tenheiten, vorkommen, hat der selige Bruch einmal an einem Blatte von Barbula subulata und dann an Bryum capillare beobachtet, und ich gebe in Fig. 24 und Fig. 25. Taf. XXVII. deren Abbildung. Das erstere kann für Schistostega, das zweite für Tetrodontium Brownianum einen Anhaltspunct geben. um das Moosblatt wirklich zur Individualität erheben der Vorkeim der Moospflanze. 397 zu können. Dabei glaube ich auch wieder auf Fig. 20. « zurückgehen zu dürfen, wo wir in dem Wurzelfilze von Dieranum scoparium, gleich- falls als eine grosse Seltenheit, eine Blattbildung sehen, die eine entschie- dene Selbstständigkeit und damit die Fähigkeit besitzt, einer Spore es nachzumachen: einen Vorkeim zu bilden. In einer Entwickelungsge- schichte haben wir einen etwas anders gewählten Standpunet einzuneh- men, als wir einen solchen wählen dürfen, wenn uns die Aufgabe gestellt ist, die Diagnose naturgetreu von vollendet ausgebildeten und fertig ge- wordenen individuellen Wesen zu stellen; wir haben ein Recht, auf einen Zustand .,in ovo‘‘ gleichsam, was in einem gewissen Sinne die Chemie als „Status nascens‘‘ bezeichnet, zurückzugehen, in welchem erst die stren- gen Unterschiede sich aus einer gleichsam verschmolzenen Homogeneität herausentwickeln, und diese werden es, sobald der Keim der individuellen Gestaltung erwacht ist. Wir dürfen hier, wo das Ungestaltete zur Gestal- tung strebt, auch uns des einen oder andern kühnen Griffes bedienen. Wie wir bei der allerstrengsten blos objectiven Forschung als rein be- schreibender Darstellung nicht sicher sind, dass dasselbe Object durch spätere Beobachtungen anders hat angesprochen werden müssen, als wir es ansprechen zu dürfen glaubten; ebenso dürfen wir nicht ängstlich vor Gefahren zurückschrecken, in welche die Verfasser der „‚Bryologia ger- manica‘ sich begaben, wenn sie den Gedanken aussprachen, als könne ein und dasselbe confervenartige Gebilde, wie der Moosvorkeim ein sol- ches ist, bald eine Conferve bleiben, bald zu einer Flechte, bald zu einer Moospflanze sich weiter entwickeln. Die Analogie hat dieselben wieder aus ihrer Gefahr gerettet. Die Untersuchungen des Vorkeims sind heute noch nicht ein allgemeines objectives Mittel geworden, um durch dasselbe jeden vorkommenden Fall auch individuell ansprechen zu können, und daher die Täuschung noch leicht möglich, wo Vorkeimgebilde verschie- dener individueller Entwickelungen untermischt vorkommen, wie oft ver- schiedene Moosarten in einem und demselben Räschen vorkommen. So wäre es Kützing einigermaassen verzeihlich, wenn er in seinen „‚Algen 598 W. Th. Gümbel, Deutschlands‘‘ von einem Uebergange der Wurzeln von Botrydium argil- laceum in eine Moospflanze spricht. Die Antwort aber müsste er sicher schuldig bleiben, wenn er um die Moos- Art würde gefragt werden,- in welche und in welch keine andere dieser Uebergang stattgefunden hätte, Vor der Hand ist es nur dem selbst erfahrenen Auge möglich, den Vorkeim von Ephemerum serratum scharf und charakteristisch von dem Vorkeime von Ephemerum serratum, um die Allgemeinheit nur in einem Beispiele zu belegen, zu unterscheiden, und so sind auch wir noch in grosser Ge- fahr, Verwechselungen ohne unsre Schuld machen zu können und auch wirklich zu machen. Haben wir aber das Bewusstsein in uns, Vorsicht gebraucht zu haben, wo die Mittel dazu uns gegeben sind, und haben wir uns in der Beurtheilung früherer Leistungen von den schönen Regeln der Humanität und des echten Liberalismus leiten lassen, so wagen wir auch manchen kühnen Griff, ohne aber in selbstgefälliger Ueberschätzung von solchen erwarten zu wollen, dass ihnen eine wissenschaftliche Sanction anders zu Theil werde, als dass sie blos als anregend, vorbereitend. zu neuen Ausgangspuncten der Forschung führend betrachtet werden möchten. Die blattähnliche Bildung, die ich an Dieranum scoparium beobach- tet habe, war uns schon einmal eine Brücke, um von der zusammenhän- senden Zellenvermehrung blos in die Länge und Breite zu der allseitigen überzugehen, wodurch sich Knollen bilden, und damit die ersten Stengel- anfänge gegeben werden können. Schleiden überlässt es den Con- fervenfäden des Vorkeims. sich an einem bestimmten Puncte zu einem Knötchen rundlicher aneinander gedrängter Zellen zusammenzuziehen. Wenn freilich jeder morphologische Unterschied zwischen Vorkeim und Wurzeln negirt wird, wie Schleiden in seinen „Grundzügen, I. S. 99°" sagt: „Bei der schematischen Unklarheit des Wortes „,,, Wurzel‘ “*, wie es sich bei den meisten Botanikern, statt eines klaren Begriffes, findet, ist es ihnen denn auch entgangen, dass Moose und Lebermoose gar kein Analogon der Wurzel haben; dass die aus dem confervenartigen Geflechte des Vorkeims sich erhebende Knospe, nur nach oben morphologisch abge- der Vorkeim der Moospflanze. 599 schlossen, sich in bestimmte Gestalten, Stengel und Blätter, entwickelt, nach unten aber sich eben in die Confervenfäden des Vorkeims auflöst, und daher in dieser Richtung gar keiner Entwickelung in morphologisch bestimmter Weise fähig ist‘; so haben wir doch schon in dem Vorkeim- gebilde manches „‚punctum vegetationis‘“ kennen gelernt, von wo aus entweder eine Verjüngung des Vorkeims ausging, oder von wo aus die ersten Anfänge eines Knollens es zu einem wirklichen Stengel gebracht haben, ohne an ein Sichzusammenziehen von Confervenfäden da denken zu dürfen, wo es sich um Ausführung eines in einer Keimzelle, als wel- che der feste Ausgangspunct eines Knöllchens wohl auch betrachtet wer- den kann, liegenden, von Innen nach Aussen wirkenden Lebensprincipes handelt. Ich glaube in den gemachten Unterschieden zwischen den Zel- len des echten Vorkeims und zwischen den Strebe- und Haftwurzeln eine Metamorphose in Anspruch nehmen zu dürfen, wie die ganze Moospflanze von Stufe zu Stufe von einer solchen weiter aufgebaut wird, so zwar, dass höhere Organe, wie sie etwa nicht durch Zusammenziehungen nie- derer, sondern ,‚ex ovo‘“ in sehr selbstständiger Weise entstanden sind, die Fähigkeit haben, niedere Stufen aus sich herausbilden zu lassen, wie uns ja gegenwärtig so viele Fälle bekannt sind, dass die Stengel der Moose nicht blos an ihrem Grunde wie hier in sehr verschiedener Zeit- folge, sondern auch weit oben, selbst unmittelbar unter dem Fruchtansatze, noch solche Wurzeln treiben, welche Brutknospen aus sich entstehen lassen. Wir werden später noch das Weitere über die Natur dieser Erscheinung besprechen. Wir müssen den Schleiden’schen Satz, „‚dass der Sten- gel nach unten sich in Confervenfäden auflöse,‘“ umschreiben und sagen, dass der Stengel an seinem Grunde (und auch anderswo noch) Wurzeln bilden kann. Gehen wir aber einen Schritt weiter, zu den Polytrichen, so möchte es scheinen, als habe Schleiden seine ebenerwähnte Aus- sage auf etwaige Beobachtungen an diesen Pflanzen gegründet, und noch diejenigen unterirdischen Gebilde als Stengel angesprochen, welche in der „Bryologia europaea‘‘ als unterirdischer Stock, als Rhizom, bezeichnet 600 W. Th. Gümbel, sind, in Schimper’s ‚‚Recherches‘ aber wirkliche Wurzeln genannt werden. Diese nicht mehr aus einer einzigen Zellenreihe bestehenden Hauptäste der Wurzel zeigen. dass man von einer Achse reden kann, um die sich das secundäre und seitliche Wurzelgebilde im strengen Sinne des Wortes so herumwindet, dass Dr. H. Koch die Polytrichenwurzel mit einem schlecht gedrehten Stricke vergleichen konnte. Wenn man für diese Wurzeln den Ausdruck Rhizom gelten lassen will, so müssen auch jene Wurzeln phanerogamer Pflanzen als Rhizom angesprochen werden, welche wir in so vielen Fällen, ausgezeichnet aber bei Euphorbia eypa- rissias L., in ihren stärkeren, aber auch in den feinern zäserigen Veräste- lungen noch befähigt finden, Adventivknospen in Masse zu erzeugen und die älteren Stengel mit einer Menge von wahren Wurzelausschlägen zu umstellen. Wenn ich mich hier Koch’s Vergleich der Polytrichenwur- zel mit einem schlecht gedrehten Stricke bediente, so konnte ich nicht die Vorstellung haben, als bilde sich dieselbe erst aus vorher ferlig gewese- nen einzelnen Fäserchen, oder als löse sich ein stärkerer Ast im Laufe der Verzweigung in einzelne Drähte wieder auf. Diese zusammenge- setzten Wurzeln der Polytrichen, wie sie einerseits in ihren jüngsten peripherischen Endgliedern im Einflusse der Atmosphärilien, sobald sie an die Oberfläche des Bodens hervortreten, büschelweise Vorkeime bilden und eine massenhafte Verjüngung der Stöcke in’s Leben rufen, wie ich in Fig. 29 solches an Polytrichum urnigerum darstelle, andrerseits aber wirklich die Grenzen nicht scharf bestimmen lassen, wo diese Gebilde auf- hören, Wurzeln zu sein, und wo wir wirklichen Stengel haben, offenbaren die in so vielen Fällen im Pflanzenreiche deutlich ausgesprochene Spiral- tendenz in Entwickelung und Anordnung der seitlich an der Hauptachse sich entwickelnden Organe. Durch dieses ist jedoch keineswegs gesagt, dass die einzelnen seitlichen Wurzelzäserchen in einer Spirale um die Haupt- achse der primitiven Wurzel herumstehen, sondern blos dem windenden Stengel mancher phanerogamen Pflanzen etwa vergleichbar herumliegen oder herumgeschlungen sind, wie wir es an den einzelnen Zäserchen der der Vorkeim der Moospflanze. 601 Haftwurzeln sehen, dass dieselben nicht schlaff und gerade gestreckt sind, sondern bogig und oft wickelrankenähnlich gekreiselt im wahren Sinne des Wortes Haftorgane sind, mit denen Theile des Bodens umschlungen werden, damit die Pflanze einen festen Halt in demselben habe. Wollte man an den einzelnen Wurzelzäserchen nach irgend einer regelrechten Verästelung mit einigem Erfolge suchen, so läge etwa eine Zweizeiligkeit dem verworrenen Bilde der Wurzelverästelung zum Grunde, welche Zweizeiligkeit jedoch bald in eine einseitige übergeht und bogige Krümmungen zur Folge hat. Gehen wir nun von den rhizomartigen Wurzeln der Polytrichen zu dem Stengelgebilde über, so hat dasselbe im Allgemeinen das Blüthen- leben vorzubereiten, und,:wie wir sehen werden, entweder um am Gipfel mit einer Blüthe unmittelbar zu enden, oder aber diese Blüthen auf secun- dären Achsen zu tragen, während im letzteren Falle der primäre Stengel in Blättchen endet, die oft nur auf einem Minimum in ihrer Entwickelung stehen geblieben sind. Mit dem Begriffe Stengel ist die Beblätterung nothwendig und auf das Innigste verbunden. — Den ersten Anfang des Stengels hat man in den Brutknollen, deren Wachsthum in die Länge von der Scheitelzelle aus weiter so lange in reines Stengelgebilde erfolgt, als noch keine Blättchen auftreten. An den Polytrichen haben wir solche noch blattlose junge Stengelanfänge in der „‚Bryologia europaea“ abge- bilde. Nägeli und mit diesem Hofmeister haben dies Verhältniss richtig erkannt. Um an beblätterten Stengeln die jüngern Glieder des Stengels zu erkennen, bedarf es blos der einfachen Beobachtung, dass die in noch gedrungenen Rosetten oder in Knospenform gestellten jün- geren Blältchen durch das weitere Fortwachsen des Stengels auseinander gerückt werden. Haben wir durch diese ganz naturgemässe An- schauungsweise schon ein Argument zur Beantwortung der Frage, wel- cher Theil auf gleicher Höhe des Stengels der ältere sei, das Blatt oder das entsprechende Stengelglied, so werden wir durch die Untersuchung einer Blattknospe auf ihrem Gipfel zu der Antwort geführt, dass die Vol. XXIV. P. II. 76 602 W. Th. Gümbel, scheitelig gestellten jüngsten Zellen in der Knospe wieder einem Blätt- chen angehören, das in derselben den ersten Ausgangspunct hat. Der beblätterte Stengel wächst daher an seinem Gipfel weiter dadurch, dass er einen auf seinem Scheitel gebildeten Blattanfang in die Höhe hebt und etwas ältere, in der Ausbildung schon weiter geschrittene, Blättchen auf die Seite schiebt, ähnlich, wie wir bei vielen Phanerogamen, namentlich bei Phytolacca decandra L., Vitis vinifera L., Solanum nigrum L. u. a., gipfelständige Blüthen auf die Seite geschoben sehen, oder auch, wie bei den Polygoneen, wo die jüngeren Triebe den Scheidentheil älterer Blätt- chen zu durchbrechen haben, um entweder in einem Blättchen das ganze Wachsthum zu schliessen, oder dieses gleichfalls wieder in seinem Schei- dentheile zu einer weitern Knospenhülle werden zu lassen. Das Wachs- thum des Stengels an seinem Gipfel geht demnach nicht sowohl von einer blos einfachen Zellenvermehrung am Scheitel, als vielmehr von einer lebendigen Zellenvermehrung im Innern des Stengels selbst aus. Die innere Zellenmasse des Stengels, als ein selbstständiges und gleichsam abgeschlossenes Gebilde betrachtet, welches der selige Bruch mit Mark- strang bezeichnet, Schimper in seinen „‚Recherches‘‘ näher beleuchtet, und Schacht sogar mit Gefässen verglichen hat, lässt die gipfelständige Zellenvermehrung in ununterbrochener Folge vor sich gehen, ohne aber, dass es demselben immer gelinge, zum wirklichen Scheitel des Stengels zu werden. Indem ich auf Fig. 33, 34 und 35, Taf. XXVII. hindeute, lege ich die Beobachtung des seligen Bruch vor, welche derselbe Fig. 33, 34 an Bryum capillare gemacht und die wir überall nachmachen können. Sie zeigen, dass, wo der Markstrang zum Scheitel des Stengels wirklich durchbricht, Archegonien stehen, während unter dem Boden der Antheridien der Markstrang in der Tiefe endete. An Nnium hornum, Fig. 35, setzt der Markstrang in die Seten selbst noch fort.. Indem ich diese, sonst unbekannt gebliebene, Beobachtung Bruch’s mir um keinen Preis selbst aneignen möchte, obgleich die Möglickeit gegeben ist, dass das, was den so umsichtigen Forschungen eines Bruch objectiv vorlag, der Vorkeim der Moospflanze. 603 auch das Object der ersten Beobachtung eines Andern hätte sein können, so kann ich nicht umhin, die beiderlei Blüthenorgane unserer Moose im Zusammenhange mit dem Bau des Stengels, die Archegonien mit Mark- blüthen, und die Antheridien mit Rindenblüthen, zu bezeichnen. Sehen wir, dass der Markstrang des Stengels in inniger Beziehung zu der Fruchtbildung steht, so zeigen Längsschnitte, dass keine Verzwei- gung desselben seitlich gehe und in den Seitensprossen ihre Fortsetzung fände. Dass die secundären Achsen von der primären unabhängig sind und von der Oberfläche des Mutterstengels ihren Ausgangspunct haben, damit stimmt auch die leicht zu machende Erfahrung überein, indem die seitlichen Sprossen oft einen, kaum merklichen, Zusammenhang mit dem Mutterstengel haben, ohne besondere Mühe davon weggenommen werden können. Pleuridium alternifolium, Fig. 18, zeigt z. B., wie die Brut- knollen auf längeren und kürzeren Wurzelstielchen dem Stengel ange- wachsen sind, bis dieselben zuletzt unmittelbar dem Stengel aufgewach- sen und in die Blattachseln heraufgerückt erscheinen. Wohl ist die Anordnung der Blätter, aus dem Grunde der wechsel- weisen Blattanfänge und nachfolgenden Stengelverlängerung und Ver- dickung des Stengels, eine cyklisch geordnete, und fällt mit den bekann- ten Blatistellungsverhältnissen phanerogamer Pflanzen zusammen. An- ders ist es aber mit der später auftretenden Verästelung, in welcher man an keine bestimmte Ordnung denken kann, ebenso wenig wie die Adven- tivknospen an der Wurzel von Euphorbia cyparissias nach Cyklen geord- net stehen. So hat die Vegetationsweise von Trematodon brevicollis, Fig. 40, ein etwaiges Schema, wenn aus einer Wurzel unseres Stein- Obstes wiederholt von Adventivknospen aus junge Schossen aufspros- sen. Verschiedene Pflanzen aus einem und demselben Rasen, ja selbst Glieder einer und derselben Pflanze, zeigen in ihrer Verästelung nichts mehr als eine entfernte Aehnlichkeit, nicht aber jene Uebereinstimmung, dass Al. Braun, S. 43 seiner schon erwähnten Schrift, sagen konnte: „Hier mögen auch die eigenthümlichen Fälle Erwähnung finden, wo bei >, AR 604 W. Th. Gümbel, „mehrseitiger Richtung der Blätter die Zweige doch in zweizeiliger An- „ordnung erscheinen, indem nicht alle, sondern nur gewisse Blätter „Zweige in ihren Achseln entlassen, wie bei Thuja und mehreren Ast- „moosen, z. B. Hypnum tamariscinum, H. abietinum, H. delicatulum.“* Wenn dieser Satz auf Thuja anwendbar ist, indem zwei verschiedene Aestlein, in ihrer weiteren Verästelung mit einander verglichen, gleich- sam congruent sind in Anordnung und Zahl, so hat Thujidium in seiner, nur entfernt mit Thuja vergleichbaren, Aehnlichkeilt in seinen einzelnen Aesten keine solche Bestimmtheit, dass sich zählen liesse, wie viele Sei- tenzweige und an welchen Stellen und auf welchem Grade der Ausbildung eins dieser Moose Aestchen haben müsse, da nicht zwei Exemplare des- selben Rasens mit einander vollkommen gleich verästelt sind. Wenn man einmal den Vergleich aufgenommen hat, der die Ver- zweigung der Moospflanzen mit unterirdischen, aus Adventivknospen der Wurzel phanerogamer Pflanzen entsprossenen Trieben zusammen- stellt, so kann die, nach oben dicker werdende Keulengestalt nicht unbe- achtet bleiben, welche unsere fruchtbaren Moosstengel gleichfalls so sehr charakterisirt, und dies im Gegensatze von jenen Moosstengeln, welche weniger unbegrenzt fortwachsen, aber steril enden und gegen ihr Ende, statt anzuschwellen, mehr geisselförmig verdünnt auslaufen. Der innere Markstrang fällt in letzterem Falle auf ein Minimum zurück, sowie der- selbe auch in seiner Lebenskräftigkeit herabsinkt, sobald die Stengel älter werden. Der nahe Bezug, in welchem der Scheitel dieses Markstranges zu dem Blüthenleben steht, lässt es daher auch nicht zu, dass, sobald der Scheitel einmal in eine Fruchtbildung direct eingegangen ist, eine zweite Fructification aus demselben stattfinden könne. Wohl kann dies im All- gemeinen auch dann noch gesagt werden, wenn der Markstrang unter der Rindenschichte des Gipfels zurückgeblieben ist, und der Gipfel dann auch blos Antheridien trägt. C. Müller sah einen denkwürdigen Fall an Leucobryum giganteum, dass an der Stelle der Archegonien ebenso viele zarte Aesichen gebildet wurden, deren Blättchen derselbe als umgebildete der Vorkeim der Moospflanze. 605 Paraphysen anspricht. Dieser Forscher steht nicht an, in seinem jüng- sten Werke: „‚Deutschlands Moose,‘* die Archegonien als umgewandelte Aestchen zu betrachten. Ob derselbe mit gleichem Rechte diess auch von den Antheridien sagen kann? — Die „‚Bryologia europaea“ zeigt bei den Polytrichen einen ganz besonders denkwürdigen Fall, indem bei Oligotrichum hereynicum, Pogonatum aloides, Pog. urnigerum, Pog. alpi- num, Polytrichum piliferum etc. der Stengel mitten durch die Antheridien- blüthe unmittelbar fortsprosst, um eine zweite Antheridienblüthe der erste- ren aufzusetzen. Bei Atrichum undulatum ist dieses aus dem Centrum der Antheridienblüthe unmittelbare Fortsprossen die Art und Weise, wie die Archegonienblüthe gleichsam die centrale Entwickelung mitten in und aus einer Antheridienblüthe werden kann. In der ganzen Entwicke- lungsgeschichte der Moosfrucht liegt der Charakter klar ausgesprochen, dass es sich in derselben um die Herausbildung innerer Organe handelt, welche Hüllen zu durchbrechen haben, so dass die Moospflanze in dem Acte ihrer Fruchtbildung einen Act der Vegetalionsweise phanerogamer Pflanzen ausübt, um die höchste Stufe einer aus der innersten Natur her- vorgegangenen Metamorphose zu erreichen. Sind wir hier auch nicht auf dem Puncte unserer Betrachtungen angelangt, von welchem aus wir schon einige Blicke in die Entwicke- lungsgeschichte der Frucht selbst werfen können, so kann ich hier, wo der enge Bezug zwischen dem inneren Markstrange und dem Archego- nium berührt ist, mit Bezugnahme darauf, dass in der „‚Bryologia europaea‘* in dem Bau des Stengels der Polytrichen eine Anspielung auf Rinde, Holz und Mark der höheren Pflanzen erkannt ist, und dass eine Parallele gezo- gen werden konnte, zwischen den verschiedenen concentrischen Zellen- schichten im Fruchistiele der Polytrichen und zwischen dem Säulchen, zwischen dem um den Sporensack liegenden leeren Raum und der Kap- selwand, Hofmeister’s Auseinandersetzung nicht unbeachtet lassen. Derselbe sagt in seiner schon erwähnten Schrift, S.67: „‚Das andauernde „Längenwachsthum der Fruchtanlage drückt in Folge des Widerstandes, 606 W. Th. Gümbel, „welchen die Wölbung des Archegoniums derselben entgegensetzt, ihr „unteres Ende immer tiefer in das Gewebe des untern Theils des Arche- „goniums, bis es endlich das Parenchym der Vaginula erreicht, in die hinein „bis zu ihrem Grunde es sich bohrt, bis das Gewebe des Stengels selbst dem „„ferneren Vordringen der unteren Spitze der Fruchtanlage widersteht.‘ Die Fruchtanlage erscheint demnach als ein dem Stengel gleichsam Fremdartiges und nicht als ein organisch aus demselben Herausentwickel- tes. Unwillkürlich tritt uns bei einer solchen Betrachtungsweise das Bild eines auf einem jungen Zweige keimenden Mistelsaamens vor die Augen, wie der Keim gleichsam einen Kampf führt mit der Rinde, durch die seine Würzelchen sich durchzuarbeiten haben, bis ihnen in dem lebendigen Parenchym der Boden gewonnen ist. — Nicht allenthalben ist die Grenze zwischen Stengel und Scheidchen scharf angegeben, und in dem Frucht- ästchen ist vollkommen immer Markstrang und der Basilartheil der Sete eins: es ist weniger von einem Eindringen von Oben nach Unten, als vielmehr von einer Zellenvermehrung der peripherischen Gebilbe, wo- durch sich auch das Scheidchen heranbildet, von einem Bildungstriebe von Unten nach Oben die Rede. Wir werden noch Fälle genug kennen lernen, die uns nöthigen, genau, aber immer auf eine naturgemässe und ungezwungene Weise Bil- dungen zu unterscheiden, welche mehr der Oberfläche des Stengels an- gehören, als solche bis jetzt angesprochen werden; dagegen müssen wir aber auch den inneren Bildungen ihr volles Recht zukommen lassen, wo es sich nicht unmittelbar um die Ausbildung einer Frucht handelt, wo der Stengel nach angelegten Scheitelgliedern in sich selbst zurückgreift und frühere Scheitelanlagen, selbst auf Stiele, oder aber auch auf eine brei- ter gewordene Basis aufstellt. Ein solcher Standpunct, den wir nun gewonnen haben, lässt uns auch mit Erfolg wieder zu dem Blattgebilde zurückgehen, wo wir es in Tetrodontium Brownianum und auch zum Theile noch an Schistostega osmundacea in einer Gestalt verlassen haben, in welcher wir dasselbe als der Vorkeim der Moospflanze. 607 Laub (frons) bezeichnen dürfen. Die Beobachtungen an dem Blatte, Fig. 24, hat uns ferner ein Recht eingeräumt, den Ausdruck Laub auch auf das Blatt selber auszudehnen und die Blatirippe einigermassen mit einer Stengelbildung zu vergleichen. Wir sehen diese Ansprache von der Natur auf das vollkommenste gerechtfertigt: Das Laub der Moose ist reproductiv. Dieser Satz war das Resultat einer Reihe von Untersuchungen, die ich in den Jahren 1841 und 1842 in Zweibrücken anstelle. Verarge es mir Niemand, wenn ich mich in jene Zeit zurückversetze, in welcher ich die Freundlichkeit und das Wohlwollen des seligen Bruch durch strenge Untersuchung habe vergelten wollen, selbst auf die Gefahr hin, dass mancher Satz des bis dahin fertig gewordenen Textes der „‚Bryolo- gia europaea‘* müsste umgeschrieben werden. Die echte Wissenschaft kennt keine Priorität, und so gab ich denn meine Erfahrungen mit Freu- den und aus Dankbarkeit denen hin, die mir in dieser Beziehung am nahesten standen. Ich kann mich daher mit Recht auf alle die Fälle beziehen, welche in der „Bryologia europaea‘ die Reproductivität des Moosblattes beweisen. — Ich könnte dieses Kapitel gänzlich überschla- gen und auf die schöne Zusammenstellung Schimper’s in dessen „„Recherches etc.‘ hindeuten, allein dieses Thema lag mir in seiner Wiege so nahe, dass ich dasselbe hier nicht ganz überschlagen kann; es bleiben mir ohnediess noch Lücken genug übrig, die sich bis jetzt noch in der allgemeinen Entwickelungsgeschichte der Moose eingestellt haben, so dass absichtliche Lücken am unrechten Orte sind. Die confervenähnlichen Auswüchse auf den Blättern von Orthotrichum obtusifolium und Lyellii gaben mir den ersten Anlass, das Blattgebilde überhaupt auf seine Reproductionsfähigkeit zu untersuchen. In Fig. 26 gebe ich in a,b, c, d,e gerade die Blattauswüchse von Orthotrichum obtusifolium, wie solche, statt auf dem Mutterblaite sich in die bekannten Confervenfäden entwickelt zu haben, solche Fäden durch einen selbst- ständigen Keimvorgang treiben, um dadurch Brutpflanzen zu erzeugen. 608 W. Th. Gümbel, In f derselben Figur geht eine Keimung direct von einem kleinen Blätt- chen aus, und in g geht ein Wurzelästchen in ähnliche spindelförmige gedrungene Zellenhäufung über, wie dergleichen auf den Blattflächen entstehen und wie solche an Orthotrichum phyllanthum an den Blattspitzen in Büscheln massenhaft vorkommen. Durch diese keimfähigen Gebilde, wo dieselben in Masse vorkommen, mag allerdings der Lebenssaft der Pflanze sich mehr den peripherischen Organen zuwenden müssen, als dass die Blüthenorgane sich hätten vollkommen ausbilden können. Dabei stimme ich jedoch nicht mit der Ansicht von ©. Müller überein, welcher auf S. 32 seiner schon erwähnten neuen Schrift die Sterilität mancher Moose von den ebenbesprochenen Blattauswüchsen abhängen lässt. Wenn diess auch bei Orthotrichum phyllanthum der Fall ist, so hat man an dem oft reichlich fructifieirenden Orthotrichum obtusifolium einen entschiedenen Gegenbeweis. Die Blüthenbildung kann blos ganz unterbleiben und den- noch die Bäume von ihrem Grunde bis hoch in den Gipfel hinauf sich mit Vorkeim überdecken und ausgedehnte Rasen von Brutpflänzchen tragen. Das keimfähige Blättchen, Fig. 26. f, führt uns in unmittelbarer Weise auf die bis zur damaligen Zeit meiner Untersuchungen so räthselhaften Pseu- dopodien von Aulacomnium. In Schimper’s „‚Recherches“ ist bereits auf Bridel’s Aeusserung in dessen „‚Bryologia universalis‘“ hingewiesen, nach welcher Hedwig und Andere in den Pseudopodien Antheren sehen, während Haller und wieder Andere in diesen Gebilden unausgebildete Knospen erkennen. Zur Zeit konnte die „‚Bryologia europaea“ noch sagen, dass diese Gebilde keine Bulbillen seien, da die einzelnen Blätt- chen, die so leicht nach ihrem Erscheinen von der Achse sich trennen und schnell abfallen, durchaus keine Keimfähigkeit besitzen. An Aulacomnium androgynum war es mir möglich, die einzelnen Blättichen der Pseudopo- dien in verschiedenen Stadien des Keimens zu beobachten, von denen ein erstes in Fig. 27 gegeben ist. Der brennende Berg bei Sulzbach, wo Aulacomnium palustre im Einflusse feuchtwarmer Dünste üppige Pseudo- podien bildete, gab mir Gelegenheit, auch an diesem Moose die Blättchen der Vorkeim der Moospflanze. 609 der Pseudopodien durch verschiedene Stadien des Keimens es bis zu Brut- knospen bringen zu sehen. Einen besonderen denkwürdigen Fall gebe ich in Fig. 28. c, welcher nachweist, dass sich Brutknospen unmittelbar auf den Blättchen der Pseudopodien entwickeln, dass in allen diesen Gebil- den eine Vorkeim-Mutter gleichsam in der Gestalt eines Blättchens gege- ben ist. Die Pseudopodien bilden einen jener Kreuzwege, an dem wir vol- ler Zweifel stehen bleiben, welche Richtung wir einschlagen sollen, um in der Ansprache derselben nicht fehl zu gehen. Forscher, welche vor uns an dieser Erscheinung vorüberkamen, mussten hier sich trennen, weil die einen glaubten, es mit männlichen Blüthenorganen zu ihun zu haben, während die andern monströs remorphirte Früchte sahen. Nun kommen aber die Pseudopodien an den beiderlei Pflanzen dieses zweihäusigen Mooses vor, und es bildete sich eine dritte Ansicht, welche diese Gebilde durch Vergeilung der Stengel entstehen liess. Ich glaube, zwei Fragen hier scharf auseinander halten zu müssen. Die erste kümmert sich um nichts, als um das vorgelegte Object, als um ein von einer Vegetation fertig Gewordenes. Die Antwort auf diese Frage gibt uns eine eigen- thümliche Blattbildung, mit welcher der Stengel zwar fertig geworden ist, so dass er dieselbe leicht abfallen lässt, welche aber mit sich selbst noch nicht fertig ist, indem die abgefallenen Blättchen zwar nicht selbst Brut- knospen sind, aber doch solche durch ein Keimen entstehen lassen. Eine andere Frage aber kann die Analogie in’s Auge gefasst wissen wollen, wel- che zwischen den Gebilden der Pseudopodien und denen der gewöhnlichen als normal angesprochenen Pflanzenglieder etwa bestehen möchte. Zur Beantwortung dieser Frage spüren wir dem Zusammenhange nach, in welchem etwa das gewöhnliche Stengelblatt zu den Brutblätichen, wie man die einzelnen Blättchen der Pseudopodien wohl nennen kann, stehe. Bei Aulacomnium palustre findet man einen allmäligen und gleichsam unmerklichen Uebergang aus dem normalen Blatte in das Brutblatt und aus diesem weiter noch in eine einfache Zellenreihe, in einen Brutfaden, Fig. 28. a. An Aulacomnium androgynum trennen sich die Stengel- Vol. XXIV. P. IL 717 610 W. Th. Gümbel, blätter von den Brutblättchen durch ein rasch und blattlos aufgeschosse- nes Stengelglied, das an seinem Gipfel die Brutblättchen in einem Kopfe zusammengedrängt trägt. Die Brutblättchen fallen auch hier zuletzt auf die einfache Form eines Brutfadens zurück, der aber. im Gegensatze mit Aulacomnium palustre, von einem dünnen Stieltheile aus, oben in stark angeschwollene Zellen endet, Fig. 27. a. Fände sich eine Pseudopo- dienbildung, in welcher die letzten Brutfäden von Aulacomnium palustre mit denen von Aulacomnium androgynum wuntermischt wären, so ist gewiss die Ansicht sehr natürlich, als habe man ein Analogon mit einer Antheridienblüthe vor sich. Um eine solche Mischung von verschieden gebauten, an sich gleichartigen Gliedern vornehmen zu können, bedurfte es einer weit tiefer in die Blattbildung eingreifenden Metamorphose. Das Bild davon gibt uns Teiraphis pellucida, indem dieses Moos an der Stelle der mit so auffallend rosettenähnlich gebildeter Antheridienblüthe enden- den schlanken Innovationen aus einer unfruchtbar gebliebenen Archego- nienblüthe solche Triebe bildet, welche in einem kelchartigen Köpfchen enden und darin runde, plattgedrückte Körperchen, untermischt mit para- physenartigen Fäden enthalten. Die „‚Bryologia europaea‘“ glaubte in den plattgedrückten Antheridien dieser Pseudopodienbildung eine Rück- kehr zur Blattform zu erkennen. Dieselbe hat auf dem Boden der Ana- logie vollkommen recht. In Wirklichkeit haben wir aber Brutblätter und Brutfäden, allerdings denkwürdig genug! unter der Form, gleichsam unter der Maske einer Blüthe. Wenn die „‚Bryologia europaea‘“ auf dem Boden der Analogie eine Rückkehr der Antheridien zur Blattform anzu- sprechen alles Recht hat, so muss umgekehrt auch ein Fall wirklich sich der Beobachtung unterstellen, in welchem das Blatt in die Antheridie übergeht. Da wir später auf diesen Gegenstand specieller zu reden kom- men, so weise ich hier blos in Fig. 31. Taf. XXVII. auf die Glieder einer Antheridienblüthe von Pterygophyllum lucens hin. Die Reihe der Pseudopodienbildungen ist allerdings nicht besonders lang. Wir können dieselbe aber nicht verlassen, ohne auf jene Köpfchen der Vorkeim der Moospflanze. 611 von Brutbildungen hinzudeuten, welche wir an einzelnen aufgerichteten Aestchen von Homalothecium sericeum (Leskea sericea Hedw.) antreffen. An Leucodon sciuroides (sehe Abbildung davon in der „‚Bryologia euro- paea“) gehen die Brutgebilde an den Gipfeln der gerade nicht immer sterilen Pflanzen, wohl aber deren einzelnen Stengeln, in ein neues Sta- dium, indem wir es daselbst nicht mehr mit Brutblättichen, sondern wirk- lich mit Brutknospen zu ihun haben. Die Bemerkung, als seien diese kleinblättrigen Auswüchse durch Insectenstiche oder durch Infusorien hervorgebracht, kann ich um so weniger mir aneignen, als mit dieser Erscheinung an Leucodon sciuroides jene an Platygyrium repens so innig zusammenhängt, und als die zahlreichen Bruiknospen wirklich einen so organisirten Bau haben, dass wir von ihnen zu dem Auftreten von anderweitigen Brutknospen in dem Wurzelfilze zwischen den Blättern bald überzugehen Gelegenheit finden werden. Diese Knospen waren es, welche mich zu den Brutknospen mit Antheridienblüthen führten, wo es sich um die Möglichkeit handelte, dass z. B. Hypnum aureum Lagasc. fruclifieiren konnte, ohne dass männliche Pflanzen noch je sind beobachtet worden. Ich hätte auch sagen können, dass Hypnum lutescens Dill. aus demselben Grunde fructificiren würde, wenn wir auch die ausgedehntesten Rasen dieses so gemeinen Mooses vergeblich auf selbstständige männliche Pflanzen untersuchten. Sind auch diese eben bezeichneten Moose in der „‚Bryologia euro- paea‘‘ noch zur Stunde nicht erschienen, so ist doch namentlich bei den Dieranen das Verhältniss bereits auseinander gesetzt und in den Tafeln allein schon sprechend genug niedergelegt, in welchem Brutknospen des Wurzelfilzes vollkommen den Mangel selbstständiger Antheridienpflanzen erselzen. Da es aber in einem so neuen Werke, wie ©. Müller’s „Deutschlands Moose“ ist, S. 44 heisst: „„Es gibt eine Menge zwei- „häusiger Arten, die sich an die fehlenden Antheridien nicht kehren „und dennoch, wenn oft nicht reichlich, doch immer ihre Früchte bilden,‘‘ so ist diess mir ein Beweis, dass ich hier ganz besonders nochmals auf das 3 Du 612 W. Th. Gümbel, aufmerksam machen muss, was in der „‚Bryologia europaea‘‘ namentlich von Dieranum undulatum und anderen gegeben ist. Hätte sich C. Mül- ler blos auf Barbula latifolia beschränkt, so wäre es nicht allzu befrem- dend gewesen, von diesem Manne obige Erklärung zu vermehmen, eine Erklärung, welche die Nothwendigkeit der Antheridienblüthe zur weiteren Entwickelung der Archegonien in Frage stellt. Ich werde noch einmal Gelegenheit finden, auch auf Barbula latifolia wieder zurückzukommen. Es stellt sich uns bei’m Vergleich der einzelnen Brutblättchen der Pseudopodien mit den letztbetrachteten Brutknospen von Leucodon sciu- roides einigermassen wieder das Verhältniss heraus, welches zwischen dem Laubgebilde von Tetrodontium Brownianum und Tetrodontium repan- dum stattfindet. Wenn ich auch jetzt noch den Satz nicht aussprechen darf, dass die ganze Pflanze der sogenannten astfruchligen Moose als ein bald einfaches, bald vielfach gefiedertes resp. verzweigtes Laub angesprochen werden kann, das erst seine Blüthenpflänzchen zu entwickeln habe, so muss ich hier wenigstens diesen Gedanken niederlegen. Die Erschei- nungen, welche wir nun an den einzelnen Gliedern dieses zusammenge- setzten Laubes zu besprechen haben, kommen durch denselben in einen innigen Zusammenhang. Wenn wir in den einzelnen Gliedern der Pseudopodien Brutblätter ansprechen konnten, so ist die Frage nahe gelegt. ob denn auch die Sten- gelblätter, sobald sie in dieselbe Lage kommen, gleich den Brutblättern sich verhalten und Vorkeime bilden, wurzeln würden. Nie werden mir jene Stunden aus der Erinnerung kommen, in denen ich von einer Erfah- rung über die Verjüngung der Moose, auch ohne dass dieselben weit und breit fructifieirten, zu einer neuen geführt wurde! Oncophorus glaucus war gerade da der Gegenstand meiner Nachforschung, wo ich weithin keine fruchtbaren Rasen fand, und dennoch auf abgefallenen Baumblättern und dergleichen Brutpflänzchen aufnehmen konnte. Die Untersuchung gab mir bald die Gewissheit, dass abgelallene Blätter Wurzeln entlassen halten, die der Ausgangspunct von Brutknospen wurden. Bald war mir der Vorkeim der Moospflanze. 613 die Freude zu Theil geworden, einmal den seligen Bruch auf das sicherste zu überzeugen, dass die Ansicht aufgegeben werden müsse, als seien die vorzugsweise auf dem Gipfel der Perichätialblätter oft in Masse vorkommenden Brutpflänzchen die Folge einer hier sich entwickelnden Sporensaat; andrerseits sah ich, dass dieser Gegenstand mit dem lebendig- sten Interesse aufgefasst ward und zu eigens angestellten Keimversuchen führte, wie Schimper in seinen „Recherches‘‘ solche mittheilt, die an Bryum pseudotriquetrum und an Funaria hygrometrica gemacht wurden. Wir hätten aber auch wieder zu unserer Potlia truncata, Fig. 17, zurück- gehen können, um zu sehen, wie an der lebenden Pilanze selbst weder am Rande, noch an dem Ende der Blattrippe, noch auf derselben, sondern aus dem einfachen Zellennetze der Blattfläche eine starke Strebewurzel ausläuft. Vielfach sind unter der Hand die Beispiele geworden, welche zeigen, dass es eine sehr häufige und für manche Arten sogar einiger- massen diese charakterisirende Erscheinung ist, dass Blätter selbst im lebendigen Verbande mit dem Mutterstocke Wurzeln treiben. Indem ich auf die seither in der „„Bryologia europaea‘‘ bekannt gegebenen Fälle hin- weise, möchte ich für den durchlaufenen Kreis die Acten nicht für geschlossen erklären, und binde wieder das Ende dieser Andeutungen an die Blättchen von Buxbaumia aphylla an, um von hier aus wieder zu dem fleischigen Blatte am Stengel von Diphyscium foliosum, als zu einer Brücke zu gelangen, welche uns zu einigen bereits bekannten Bildungen auf der Blattrippe hinführt. Da ich dem bereits Bekannten nichts von besonderer Bedeutung zuzusetzen habe, so will ich nur, um auch hier keine allzuweite Lücke zu lassen, mich mit einer kurzen Andeutung der secundären Bildungen auf der Blattrippe begnügen. Die einfachsten secundären Bildungen, welche auf der Blattrippe ihren Ausgangspunct, gleichsam ihren Boden haben, sind den Brutfäden vollkommen ähnliche Zellenreihen, welche an Barbula rigida, B. ambigua, B. aloides und B. brevirostris in massiger Weise die innere Blattlläche besetzen, dass ein Querschnitt des Blattes 614 W. Th. Gümbel, entfernt einem halben Kapseldurchschnitte gleicht, dem nur das Sporan- gium und das Mittelsäulchen genommen wäre. Diese luxuriöse Zellen- fadenbildung verbreitet sich namentlich über die innere Blattfläche der oberen Blatthälften und nimmt gegen den Basilartheil des Blattes allmälig ab, um zuletzt am Grunde des Blattes ganz zu verschwinden. Bei Barbula membranifolia ist das Vorkommen dieser Zellenfäden beschränkter, und die Blattrippe bekommt unterhalb der Blattispitze ein kolbenähnliches Ansehen. In den Blättern der Antheridienblüthe darf die Blattrippe fast ganz ver- schwunden sein, ohne dass damit auch diese Zellenfäden auf der innern Blattfläche hätten ganz unterbleiben müssen. Bei den Polytrichen treten statt solcher Zellenfäden zusammenhängende, gleichsam selbst wieder blatt- ähnliche Gebilde als sogenannte Lamellen auf, welche von der Blattrippe aus auch in eine Höhlung hineinreichen, die von der obern Blatthälfte gebildet wird. In den letzten Perichätialblättern erst sind diese Lamellen auf ihr Minimum redueirt. Bei einigen Polytrichen, wie an Pogonatum urnigerum z. B., ist der Saum der einzelnen Lamellen auffallend verdickt, gleichsam als habe sich etwas blasig Hohles bilden wollen, wie wir an Poltia subsessilis, an Pottia cavifolia an beiden Seiten der Blattrippe in der Jugend geschlossene Säcke liegen sehen, welche, einer Frucht ver- gleichbar, eine Reife zu erfahren haben, um zu platzen und einen grün- lichen, schleimig körnigen Inhalt zu entleeren. Diese Erscheinungen, wie sie vorzugsweise der obern Blatthälfte als secundäre Bildungen eigen sind und dadurch das Blatt in zwei verschiedene Regionen theilen, müssen als eine Vorstufe von einer Fruchtbildung angesprochen werden, wenn wir auch den Vergleich nicht allzuweit führen wollen, um die Fruchtbil- dung auf dem Wedel eines Farrnkrautes damit in Zusammenhang zu brin- gen, oder selbst, um in dem Blatte von Pottia conifolia ein rohes Schema für die Antherenbildung phanerogamer Pflanzen zu sehen, wie Wydler in der „‚Flora 1852, Nr. 47° die Antherenbildung mit der Verdoppelung der Blattspreite in Zusammenhang bringt, und dabei auch auf diese an Pottia subsessilis eben besprochene Erscheinung hindeutet. der Vorkeim der Moospflanze. 615 Da bei Oligotrichum hereynicum auch auf dem Rücken der Blattrippe Andeutungen von secundär auftretender Lamellenbildung vorkommen, so könnte man allerdings zuletzt auch auf vier Säcke einen Schluss machen, von denen zwei als Grössere vor der Blattrippe und zwei als Kleinere hinter derselben liegen. Doch führte dies uns zu weit. Auf der andern Seite aber wird es keine allzugewagte Sache sein, wenn die sonderbare Bildung des Blattes der Fissidenteen mit dem Blatte von Oligotrichum hercynicum in Vergleich gezogen würde. Indem wir aber das Blatt der Fissidenteen in seiner Entwickelung näher betrachten und dasselbe auf das Minimum seiner Ausbildung redu- eiren, haben wir wieder das Laub von Schistostega osmundacea vor Augen. Gehen wir allerdings von den ersten Blättchen einer jungen Fissidentenpflanze aus, so möchte es scheinen, als sei nach der Ausbil- dung der untern scheidenartigen Blatthälfte der obere Blatttheil dadurch entstanden, dass die Blattrippe nach vorn und nach hinten auf secundäre Weise sich mit einer Blattlamelle besetzt habe. Wir finden an dem Blatte der Fissidenteen eine gar schöne Gele- genheit, die so verschieden beantwortete Frage, welcher Theil des Blattes der ältere sei, etwas näher in’s Auge zu fassen. Indem Schleiden die Blattspitze als den ältern Theil des Blattes anspricht, ist Nägeli der Ansicht, dass das Blatt ausschliesslich nur an der Spitze und an dem Rande wachse. Schimper spricht in seinen „‚Recherches‘‘ von der grossen Schwierigkeit, die betreffende Beobachtung ungetrübt machen zu können. Dem Satze: ,‚Les preparations de jeunes pousses de Poly- trichum formosum, de Diphyscium foliosum et de Fontinalis antipyretica m’ont bien fourni des donndes interessantes sur l’origine et la multipli- calion des cellules foliaires, mais je ne suis pas encore parvenu ä en suivre l’evolution complete. Le contenu mucilagineux et grumeux de ces cellules empeche de voir distinctement les nouvelles parois, qui se for- ment‘, folgt bald ein anderer, welcher über die Klarheit dieses Vorgangs auch den geringsten Zweifel nicht mehr zuzulassen scheint. In diesem 616 W. Th. Gümbel, Satze heisst es: „‚La feuille nait lat&ralement au sommet de la tige sous la forme d’une cellule simple, sortie sur le cöt& d’une cellule secondaire; cette cellule a environ une hauteur de , mill. sur une longueur de /, mill. Elle se divise en deux cellules, separ&es par une paroi oblique a l’axe; la cellule superieure ou cellule primaire du second degr& se divise a son tour de la m@me maniere par une paroi placde en sens inverse de sa paroi basilaire. Cette sous-division de la cellule terminale se continue de la m@me maniere jusqu’a ce que la feuille ait atteint la longueur quelle doit avoir.‘* Ich kann dieser Auseinandersetzung meines Freundes nicht bei- pflichten. Die Untersuchung gab mir an Blättern, welche in einer Haar- spitze enden, die volle Gewissheit, dass das Wachsthum des ersten Blatt- anfanges von der jedesmaligen Endzelle aus nur eine Zeitlang fort- geht, dann unterbleibt, um von der am Grunde des jungen Blattes weitergehenden Zellenvermehrung getragen und aufwärts geschoben zu werden. An Politrichum piliferum haben wir ein sehr lehrreiches Beispiel. Bruch weist dieses Wachsthumsverhältniss an Orthotrichum diaphanum nach und verweist von hier auf viele andere Arten. An dem Fissidentenblatt weist auch Hofmeister nach, dass, wenn ein solches Blatt eine Länge von / Linie erreicht hat, die Vermeh- rung der Scheitelzelle erlischt und eine fernere Vermehrung seiner Zellen ausschliesslich durch die andauernde Theilung der Zellen des untern (scheidigen) Theils erfolg. Hofmeister erkennt eine nachträgliche Zellenvermehrung der Blattbasis, nachdem die Theilung der jedesmaligen Scheitelzelle aufgehört hat, an vielen Moosen, z.B. Phascum, Bryum ete.; nur lasse sich an dem Sphagnumblatt keine nachträgliche Vermehrung der Zellen der Blattbasis nachweisen. Schacht aber stellt gerade von dem Sphagnumblatt die entgegengesetzte Behauptung auf, welcher ich nun gerade nicht direct beistimme, wohl aber derselben mich eher als der An- sicht von Hofmeister und meines Freundes Schimper anschliesse, als nach erster scheitelwüchsigen Blattanlage das weitere Wachsthum des der Vorkeim der Moospflanze. 617 Blattes wie bei Fissidens erfolgt. Durch eine solche Vermehrung der Zellen an dem Basilartheile des Blattes kann auch die innige Beziehung zwischen dem Blatte und dem während dessen Entwickelung auch weiter sich ausbildenden Stengel erst einigermassen begriffen werden. Es lassen sich hieraus nicht blos eine allgemeine Hohlflächigkeit mancher Blätter, wie namentlich bei den Sphagnen, sondern auch locale, streifenweise vor sich gehende Erweiterungen, in Folge deren Falten u. dergl. entstehen, vollkommen erklären. In der Bildung von einfachen, wie von doppelten Rippen, sowie,auch in der Bildung eines gleichsam rippigen Randes nimmt das Blatt dann auch lebendigen Antheil an der Stengelbildung, resp. es ist durch diese massigere Zellenvermehrung in und an der Blattfläche in das Blatt selbst etwas Stengelartiges gekommen, in Folge dessen jene Bildungen ermöglicht wurden, welche wir unter anderen an Pottia coni- folia eitirt finden. Dabei dürfen wir es nicht übersehen, dass der Satz, der Stengel wachse von seinem Gipfel weiter, ein ganz allgemeiner ist, der es nicht ausschliesst, dass die unter dessen unmittelbarem Scheitel liegenden Zellen auch nachträgliche Zellenvermehrung eintreten lassen können, um die bereits angelegten Blätter auseinander zu rücken, wobei denn die Blätter sich dem Brutblatte von Aulacomnium palustre, Fig. 28. c, analog verhalten, an ihrem Grunde in Gemeinschaft mit dem Stengel einen Brutknollen ansetzen, der jene Innovation beginnt, welche wir, eine achselständige nennen können, und deren erste Entwickelungsperiode noch in die Zeit der Entwickelung des Stengels selbst fällt, daher in Masse sehr innig mit dem Stengel verwachsen ist. Fig. 32 stellt dies an Amblyodon dealbatus dar. Wenn die achselständigen Knospen und Inno- valionen so rein der Blattbildung in Gemeinschaft mit den peripherischen Zellenschichten des Stengels angehören, lässt sich daraus noch nicht auf eine ähnliche Stellung derselben schliessen, wie an phanerogamen Pflan- zen. Die Innovationen müssen sich erst selbst ihren Markstrang bilden und müssten ceyclisch gestellt sein, wenn der Markstrang des Stengels sich in dieselben verzweigen würde. Vol. XXIV. P. II. 78 618 W. Th. Gümbel, Indem die Blätter an ihrem Basilartheile in einer lebendigen Zel- lenvermehrung begriffen sind und dabei ihre Zeit auch in zwei mehr oder weniger ungleiche Theile theilen, lassen sich an vielen Blättern die obern Blatthälften als diejenigen unterscheiden, wozu der Stengel sehr thätig mitwirkt, während die untere Hälfte des Blattes einer Zeit angehört, in welcher der Stengel mehr für sich thätig war und sich streckte. So ist die obere Hälfte des Blattes massigerer Natur, während die untere Hälfte ein zarteres Zellgewebe zeigt, bis wieder eine Zeit eintritt, in welcher Blätter und Stengeloberfläche zusammen arbeiten, um seeundäre Gebilde der Stengeloberfläche zu erzeugen, zu denen die Filzwurzeln und namentlich die Paraphyllien gehören. Eine Folge hiervon ist, dass man- che Blätter an ihrem letzten Grunde ein vollkommen wurzelfarbiges Anse- hen haben; die unteren Zellenreihen sind Glieder des Wurzelfilzes, oder wenn man auch will, von der Stengeloberfläche abgetretene Zellen. Hierbei kann ich nicht umhin, darauf hinzudeuten, dass wir an vielen Blättern gleichsam ein Oehrlein unterscheiden, wo das Zellennetz auffal- lend verschieden ist von den gewöhnlichen langgestreckten Zellen des Basilartheiles. Unter den vielen Beispielen beziehe ich mich blos auf Dieranum Sauteri, ‚„‚Bryologia europaea“. An dieser Ohrstelle sehen wir in Fällen auch, wie bei Bryen und Mnien, das Blatt am Stengel herablau- fen, oder aber Wurzelzäserchen treiben, wie Thujidium Blandowä, wel- che schon dem Charakter der Paraphyllien nahe kommen, wie solche an Thujidium delicatulum u. a. mit dem Blatte abgenommen werden. Dass das Blattgebilde sich mit wirklichen Wurzelgliedern eint, sich mit densel- ben mischt, ist eine nicht so ganz undenkbare Idee, welche einigermassen im Stande ist, alle die verschiedenen Blattbildungserscheinungen in einen etwaigen Zusammenhang zu bringen. Bevor ich jedoch weiter gehe, muss ich noch einmal der Berandung erwähnen, die wir an den verschie- densten Moosblättern finden, und welche an sich schon der weiter gehen- den Zellenvermehrung von der Blattspitze aus die Möglichkeit abschneidet, es müsste denn diese Ringmauer stets abgetragen oder geöffnet und aufs | der Vorkeim der Moospflanze. 619 Neue stets wieder geschlossen werden. Dagegen ist es sehr natürlich, dass der einmal gebildete Blattrand unverrückt derselbe bleiben kann, wenn er sich von seinem Basilartheile resp. von dem Stengel aus ver- grössert und bei gleichzeitiger Zellenvermehrung des eingegrenzten Blattnetzes sich auch erweitert. In mehr denn als in nur wenigen Fäl- len sehen wir die Blattrippe, statt über die Blattfläche hinausreichend, unter der Blattspitze verschwinden, gleichsam, als hätte sie sich in die Zellenwände des Blatinetzes verzweigt resp. vertheilt. Die ‚„‚Bryologia europaea‘‘ hat dies an Mnium cuspidatum u. v. A. als constant, an Bryum erythrocarpon u.v.A. als variirend dargestellt. In so vielen Fällen sehen wir, dass die ersten Blättchen einer jungen Pflanze keine Rippe haben, dass die Rippe in den, später sich entwickelnden Blättern, wenn auch der Stengel selbst eine kräftige Ausbildung erfährt, auftritt und zuletzt wieder in den Blüthenhüllen auf ein Minimum zurücktritt. Auf eine ähnliche Weise verhält es sich mit der oft selbst rippenähnlichen Berandung des Blattes, sowie mit dem Auftreten einer zweischenkligen Rippe an der Stelle einer einfachen, wobei deutlichst zu ersehen ist, dass eine solche zweischenklige Rippe aus zwei ungleichen Schenkeln besteht. Wir kön- nen es als grosse Allgemeinheit ansprechen, dass das Moosblatt aus zwei ungleichen Hälften, auch der Länge nach, besteht: Eine Erscheinung, von welcher der Grund wieder tief in dem Blattgebilde von Schistostega liegt. Wir sehen dort den fiederspaltigen Flügel des Stengels nach oben seine einzelnen Glieder aneinander stellen, spiralig ordnen und dabei solche gleichsam in umgelegter Stellung dem Stengel aufsetzen. Die Insertion dieser Blättchen ist nicht vollkommen horizontal, sondern schwach schief geneigt. Hätte das Blätichen an Schistostega die Fähig- keit gehabt, nach erlangter Ausbildung des Spitzentheils nachträglich im Einverständniss gleichsam des Stengels am Basilartheile nach rechts und links eine Zellenvermehrung eintreten zu lassen, so würde dasselbe auch in zweizeiliger Stellung geblieben sein; es wäre das Blatt von Fissidens, von denen je zwei eine junge Knospe des Gipfels vollkommen einschliessen 620 W. Th. Gümbel, können. Aber auch am Blatt von Fissidens besteht die Basilarhälfte aus zwei ungleichen Flügeln, von denen der grössere weiter am Stengel herabreicht als der kleinere. Denken wir uns am Blatt von Fissidens den Kammtheil auf ein Minimum redueirt, so haben wir an dem Basilartheile desselben ein weitreichendes Schema für die gewöhnliche Blattform, und es erscheint die vollkommen horizontale Insertion der Blätter als eine Ausnahme von der Regel, und nicht umgekehrt. Es erklären sich aus diesem einseitigen Verhalten eines Moosblaltes eine Menge von speciel- len Erscheinungen, die der Einseitswendigkeit, des scheinbar zweizeili- gen Blattstandes, z.B. bei Neckera, die Sichelform einzelner Blättchen etc. Diese Einseitigkeit des Blattes tritt besonders deutlich durch die Quer- schnitte hervor. In dem Querschnitte des Blattes liegt uns ausserdem noch das Eine und Andere, was wir hier einer nähern Beachtung zu würdigen haben. An Pterygophyllum lucens, wie solches in der ,‚Bryologia europaea‘‘ dar- gestellt ist, liegen zwischen den grossen Blattzellen dunklere Stellen, welche man als kleinere von Holzsubstanz vollkommen ausgefüllte Zellen ansehen kann. An Anomodon attenuatus und Anomodon longifolius zeigt die Blattfläche nach Innen und Aussen körnige Erhabenheiten, als eine etwas zusammenhängende secundäre Zellenschicht, in einiger Ueberein- stimmung mit der an den Polytrichen bereits besprochenen Lamellenbil- dung. Besonders lehrreich erweisen sich die Querschnitte an den Blät- tern mancher Dicranaceen, so namentlich von Campylopus. Die Blatt- rippe nimmt hier bei fast allen Arten den breiteren Theil der Blattfläche ein und besteht aus zweierlei Zellen, von denen die auf der Innenseite den gewöhnlichen Blattzellen conform gebildet sind, während der Rücken der Rippe von engeren und dickwandigen Zellen bald in einfacher, bald in doppelter Lage gebildet wird. Wie an Mnium cuspidatum die Blattrippe unter der Blattspitze sich gleichsam zwischen die Wände der Blattzellen verliert, so zeigt sich ein ähnlicher, seitlich gerichteter Verlauf der Blattrippe in die Blattfläche an der Vorkeim der Moospflanze. 621 Campylopus densus, indem die Grenze zwischen Blattfläche und Blattrippe gleichsam von einer grossen, in mehrere kleinere zerlegten Zelle gebildet ist. Im Zusammenhange damit steht der, gefaltete Zellenwände zeigende Bau an den Blattzellen von Campylopus turfaceus, als hätten an der Stelle der grösseren Zellen mehrere kleinere sich bilden sollen, ein Schema, das wir an Oncophorus glaucus weiter geführt sehen, in dem sich die selbstständige Rippenbildung bald verwischt hat und sich eine aus 2 bis 3 Zellenlagen bestehende Blattfläche bildet, welche sehr an das Blatt von Sphagnum erinnert. Die Rippenzellen werden hier von den so weichen und aufgetriebenen Blattzellen in die Mitte genommen, verdeckt, so dass man dieselben erst wieder in dem Querschnitte erkennt. Die Vertheilung der Rippenzellen zwischen die Zellen der Blattfläche hat hier ihr Maximum erreicht, indem die einzelnen Zellenreihen derselben wurzelähnlich zwischen die Blattzellenreihen zerstreut sind, ohne dass ihnen die Möglichkeit zu anastomosiren und selbst wieder nach der Aussenfläche des Blattes her- vorzutreten, genommen wäre. Auf letztere Weise können dieselben den Ausgangspunet der aus dem Blatte hervorgehenden Wurzeln bilden, wel- che an diesem Moose die einzigen sind, wo der Stengel wurzellos ist. Die Blätter vertreten hier vollkommen die Stelle der Wurzeln. Dächten wir uns diese Wurzeln aus Vorkeimzellen gebildet, wie solche an denselben auch entstehen, und dass diese Vorkeimfäden nach- barlich ihre gegenseitigen Verzweigungen zusammenneigen, der Vegeta- lionsweise von Hydrodictyon entfernt ähnlich, wo die netzartige Kolonie in der Weise sich weiter ausbildet, dass die in einem Puncte zusammen- treffenden Zellenenden verwachsen, so stellt sich uns ein Bild dar, wel- ches für den Bau des Blattes der Sphagnen gelten kann. Den so herr- lichen Bau dieses Blattes finden wir in Schimper’s „Recherches“‘ treff- lich behandelt. In Uebereinstimmung mit vorstehendem Schema erklärt Schimper die in die Zwischenräume unseres Netzes fallenden Zellen- bildungen für secundär gebildet, für Zwischenzellen, — vesicules inter- cellulaires, — obgleich sie an Grösse die einzelnen Zellen des primären 622 W. Th. Gümbel, Netzes übertreffen. Es liegt in der That die Idee sehr nahe, als habe man es in diesen ausfüllenden secundären Zellen mit Brutknollen zu ihun mit sehr zarten Zellenwänden, in denen neue Zellenbildungen auftreten, um die bereits bekannt gewordene innere Umgestaltung durchzuführen, um das Bild zur letzten Vollendung zu bringen, als liege in den Maschen des Blattnetzes eine spiralig gekräuselte Haftwurzel. Damit kommt auch die rindenartige und secundär aufgetretene Ueberkleidung des Stengels der Sphagnen auf die Bedeutung des Wurzelfilzes zurück, oder besser gesagt, das Gebilde der Filzwurzeln erfährt an der Sphagnumpflanze eine höhere Ausbildung. Wie wir nun einige Züge aus der Entwickelungsgeschichte des Blattes behandelt haben, um auf den Gang aufmerksam zu sein, den das- selbe einschlägt, sich zur morphologisch bestimmten Form und Gestalt zu erheben, ohne aber den Charakter eines reproductiven Laubes aufgeben zu wollen und den innigen physiologischen Zusammenhang mit dem Vor- keim zu verläugnen, so erscheint uns in dem Blattgebilde der Vorkeim auf den Stufen eines Stengels zur höheren Ausbildung aufgestiegen, auf welchen verschiedenen Höhen es demselben noch möglich ist, auf sich selbst zurückzukommen, d.h. sich und den Rasen zu verjüngen, ohne dass es der Moospflanze noch gelingen musste, die höchste Stufe der Metamorphose durch Ausbildung sexueller Organe zu erreichen und den allerersten Ausgangspunct aus einer Spore auf’s Neue zu gewinnen. Bevor wir aber direct zu den Organen des sexuellen Lebens über- gehen, zu welchen allerdings der Stengel mit seinen Blättern die allge- meine Vorstufe darstellt, erscheint es nothwendig, einige Bildungen einer noch näheren Betrachtung zu unterbreiten, welche als eine speciellere Einleitung in das Blüthenleben betrachtet werden können. Ich rede zuerst von den Paraphyllien, und muss dies um so mehr, als Schimper in seinen „‚Recherches‘“ sagt: .‚Dans un petit nombre de mousses, tels que dans les Racopilum, les Hypopterygium et les Cyathophorum, il ya, comme dans beaucoup d’Hepatiques, deux especes de feuilles, dont der Vorkeim der Moospflanze. 623 chacune occeupe une ligne verticale particuliere; les feuilles plus petites ne sont pas des paraphyllia, comme dans les Jongermannes, car elles alternent sur la möme spire avec les feuilles plus grandes, dont, par con- sequent, elles ne sont nullement des accessoria, comme Bridel les appelle.‘“ Da ferner der selige Bruch für die grosse Reihe der Hypnen in den fehlenden oder vorhandenen Paraphyllien einen Grund zu finden glaubte, darauf hin Abtheilungen machen zu können, so war es mir eine besondere Aufgabe, diesen Gebilden meine Aufmerksamkeit zuzuwenden, und dies um so mehr, als ich deren Vorkommen auch an andern soge- nannten astfrüchtigen Moosen aufgefunden hatte, an denen dieselben bis dahin waren übersehen worden. Indem ich mich auf die Darstellungen in der „‚Bryologia europaea‘“ beziehe und nur die eine Gattung Thujidium namhaft mache, kann ich nur der Angabe Bridel’s volle Gültigkeit zusprechen, und meinem Freunde Schimper in seiner Angabe, dass die Paraphyllien mit den Blättern auf derselben Spirale. ständen, durchaus nicht beipflichten, es sei denn in dem einen Falle, in welchem wir schon gesehen haben, dass der Blattrand der Basilartheile am Stengel herabläuft und selbst in paraphyllienähnliche Wimpern auswächst (Thujidium Blan- dowü). Bei der Menge, in welcher die Paraphyllien oft zwischen den Blättern vorkommen, verbunden damit, dass solche in verschiedenen Gra- den der Ausbildung gemischt angetroffen werden, war es mir möglich, nachzuweisen und darzustellen, dass die Paraphyllien von der Oberfläche des Stengels in secundärer Weise ausgingen, mit den untrüglichsten Uebergängen in die Filzwurzeln einerseits und in die schon abgeschlos- sene wirkliche Blattform andrerseits, oft unter dem Bilde der Blätt- chen an Buxbaumia aphylla, von denen ich keinen Augenblick anstehe, zu sagen, dass dieselben die Paraphyllien in das Recht der eigentlichen Blätter eingesetzt haben. Indem ich diesen Satz nur in Bezug auf Bux- baumia aphylla ausspreche, ist es mir vollkommen unmöglich, etwas Bestimmtes über die Stellung und Verbreitung dieser Paraphyllien zu sagen, wie an der Stengeloberfläche nicht die Zellen angegeben werden 624 W. Th. Gümbel, können, welche in eine Filzwurzel weiter auswachsen, sobald die Bedin- gungen dazu eingetreten sind. Dass demnach die Paraphyllien auch gleichsam achselständig auftreten können, ist ein leicht möglicher und auch wirklicher Fall. Wenn nun auf der einen Seite die Paraphyllien mit dem Filzgebilde in gestaltlichem Zusammenhange stehen, so führt uns die weitere Unter- suchung zu einer Bildung, die einfache, mehr gerade gestreckte Zellen- reihen sind, und in der „‚Bryologia europaea‘‘ an Platygyrium repens kurzweg für Paraphysen angesprochen sind. An Pseudoleskea atrovirens findet man noch breite wirkliche Paraphyllien neben einzelnen solchen paraphysenähnlichen Zellenreihen. Ich glaube für diese Paraphyllien den Ausdruck Filzblättehen wählen zu dürfen. Dadurch, dass wir von Filzblättchen reden, muss der Filz zum Gegenstande einer nähern Betrachtung gemacht werden. Wir haben schon einmal Gelegenheit gehabt, von einer andern Seite her, auf den Wurzelfilz gekommen zu sein, als wir von den Brutblättchen der Pseudopodien auf die Brutknospen von Platygyrium repens zu spre- chen kamen, und wir konnten hier wieder von den Filzblättchen zu den- selben Brutknospen aufsteigen, wenn wir sahen, dass der Grund einzelner Brulknöspchen an dieser Pflanze von Filzblättchen auf ähnliche Weise gebildet wird, wie wir an Ephemerum serratum den Vorkeimfaden zum ersten Blätichen der jungen Pflanze werden sehen. Es ist uns aber noch ein dritter Weg offen und bereits an Pleuridium alternifolium schon ange- bahnt. Dieser letztere war es, auf dem ich zur Zeit in meinen Untersu- chungen über Reproductionsfähigkeit der Wurzel, über die Keimfähigkeit der Brutblättchen an den Pseudopodien u. s. w. auch die Frage mir vor- legte, ob sich die weiter herauf an den Stengeln sich vorfindenden Filzwur- zeln denen gleich verhielten, welche ich an dem Grunde der Stengel schon näher kennen gelernt hatte. Ein gar schönes und lehrreiches Bei- spiel von der Reproduetivität der Wurzeln, gleichsam aus dem Gipfel des der Vorkeim der Moospflanze. 625 Stengels, fand ich an Dieranum varium, welches bis über den Kopf in Schlamm eingebettet war und an seinem Gipfel nun einen freudig ent- wickelten Vorkeim mit Brutknospen trug. Was bei Dieranum varium geschah in Folge einer Verschültung, das sah ich bald als eine allgemeine Erscheinung an dichten und lockeren Rasen. Es konnte mich nicht mehr in Erstaunen setzen, wenn ein auf- gebrochener oder verwundeter Rasen, wie solche von Cynodontium Brun- toni oft weithin verbreitet vorkommen, ohne zu fructificiren, an der Wundfläche, aus dem Wurzelfilze heraus, eine grüne Rinde von Vorkeim- gebilden und Brutpflänzchen bekam, gleichsam als sollte die wunde Stelle des Rasens wieder zuheilen. Da ich mich zur Zeit des Bildes bediente, als liesse sich dieser Vorgang mit jenem vergleichen, in Folge dessen die Stelle eines von einem Baume abgeschnittenen Astes in kürzerer oder längerer Frist wieder zugeheilt erscheint, so möge man demselben auch hier eine Stelle gönnen. Indem ich nur die wenigen Moose, wie Dicra- num montanum, Dier. flagellare, Dier. interruptum und selbst Dier. sco- parium nenne, weise ich auf eine lange Reihe von verschiedenen Arten hin, an denen sich dieselbe oder eine ähnliche Beobachtung machen lässt. Es musste nothwendig die Ansprache sich ändern, als habe man es in den an den Wurzeln, z. B. von Barbula muralis, schon vorher beobachteten Wurzelknöllchen mit Haftbläschen zu thun, welche Ansprache noch ge- macht wurde, nachdem die in den Blattachseln sowohl als auf Wurzel- zäserchen vorkommenden Knöllchen an Bryum annotinum und Bryum Ludwigii schon als Bulbillen galten, von denen aus sterile, wie fruchttra- sende Pflänzchen sich verjüngen, während ähnlichen Gebilden an Bryum erythrocarpon eine Verjüngungsfähigkeit abgesprochen wurde. Schim- per sagt selbst in seinen ‚‚Recherches‘‘ von letzteren noch: „‚Quoique la destination de ces productions ne saurait @tre douleuse, je nai cepen- dant pas Ei assez heureux, pour en constater la faculte reproductrice, malgr& les nombreux essais que j’ai faits.“ Vol. XXIV. P. II. 19 626 W. Th. Gümbel, Denkwürdig musste mir die. Beobachtung werden, an Pottia Wilsonii sowohl, als an Pottia erinita, Fig. 32, auf einem kürzeren oder längeren Würzelchen die Antheridienblüthe aufsitzen zu sehen. Damit fand ich bald im Zusammenhange stehend, dass bei einigen Dieranen, wie Diera- num palustre, D. Schraderi, D. undulatum, D. Muehlenbeckü, trotz der sorgfältigsten Nachforschungen, noch keine selbstständige männliche Pflanze hat aufgefunden werden können, wie solche wohl in den Rasen von Dieranum scoparium, D. congestum u. a. in zartem und schlanken Bau gefunden werden. Statt der vermissten männlichen Pflanze fand ich bald in dem Wurzelfilze jene denkwürdigen Brutpflänzchen, welche die Antheridienblüthe trugen, von denen die Fructification der Rasen ermöglicht wurde. Es war durch diese Beobachtung die für die betreffenden Moose geltende Zweihäusigkeit, ähnlich wie bei den klei- nen Phascen, zur Einhäusigkeit zurückgeführt, oder, besser gesagt, es ergibt sich aus diesem Verhältnisse der Ausgangspunet von dem ein- häusigen Blüthenstand in den zweihäusigen. An Dieranum undulatum können wir sehen, dass ein erstes Brutpflänzchen aus dem Wurzelfilze mit Antheridienblüthe, statt abzusterben, seitlich innovirt und es zu schlan- ken Trieben bringt, ohne aber, dass diese am Gipfel mit einer neuen Antheridienblüthe endete, wie sich solches an Dieranum scoparium wohl nachweisen lässt. Schlanke männliche Pflänzchen sind hier von einem Brutpflänzchen aus dem Wurzelfilze ausgegangen, und dürfen nur den so zarten Verband mit der Mutterpflanze gelöst erhalten, um als selbststän- dige Pflänzchen angesprochen zu werden. Noch sind jedoch hier nicht alle Rätlsel gelöst, und wenn bei Dieranum scoparium der Ausgangs- punct sehr zarter und schlank gebauter Antheridienpflänzchen in einer Brutknospe. gefunden wurde, so könnten die oft sehr robust gebauten männlichen Pflänzchen auch wohl einen andern Ausgangspunct haben. Dass dies aber keine absolute Nothwendigkeit ist, geht daraus hervor, dass in weithin sterilen, aber doch kräftigst entwickelten und robusten Rasen robuste sterile Stengel dem Wurzelfilze entspringen. Es kann daher die u. der Vorkeim der Moospflanze. 627 robustere männliche Pflanze, z. B. von Dieranum scottianum, ebensowohl als die weit zarter und schlanker gebaute von Dieranum Sauteri einen gleichen Ausgangspunct haben. Um diese wissenswerthen Beobachtungen, deren ersten Ausgangs- punet ich in den Phascen fand, auch durch die ganze Reihe der Moose verfolgen zu können, will ich die Hypnen etwas näher in’s Auge fassen und mit dem so gemeinen Hypnum lutescens Dill. beginnen. Dieses Moos wird von Bridel in „‚Bryologia universalis‘“ einhäusig genannt, während der selige Bruch in seinen .,Scripten‘“ dasselbe als zweihäusig anspricht. So viele Rasen ich auch an diesem Moose auf die männliche Pflanze untersuchte, konnte ich keine solche finden. Dagegen konnte es mir nicht lange vorenthalten bleiben, die Antheridienblüthe in Gestalt kleiner Brutknospen aufzufinden, welche dem Wurzelfilze entsprossen. Von Hypnum aureum, das dem ersigenannten so nahe steht, sagt Bruch in seinen „,‚Scripten‘‘, dass die männliche Pflanze unbekannt sei. Doch die Antheridienblüthe konnte leicht aufgefunden und auch dargestellt werden, wie diess die nächsten Lieferungen der „‚Bryologia europaea‘ zeigen wer- den. Hypnum longirostrum Ehrh., welches Bruch als streng zweihäu- sig anspricht, machte mir gar viel zu schaffen, und trotz der aufmerksam- sten Untersuchung musste ich abstehen, eine selbstständige männliche Pflanze abbilden zu wollen. Dagegen fand ich gegen den Gipfel: der vor- jährigen Zweige zwischen den Blättern ganz gleiche Brutknospen, wie bei Hypnum lutescens und H. aureum, als Antheridienblüthen. Wie an man- chen andern Stellen, so habe ich auch hier Gelegenheit für die Richtigkeit mancher in Zweifel gezogenen Bridel’schen Angaben einzustehen. Mit vollem Rechte sagt Bridel in seiner „Bryologia universalis‘“ von Hypnum longirostrum: Flos dioieus, rarius monoicus, cauligenus etc., ohne dass derselbe zwei verschiedene Arten in unvollständiger Unter- scheidung zusammengefasst haben muss. Trotzdem, dass Rhynchostegium rusciforme (Hypnum riparioides Hedw.) in der „‚Bryologia europaea‘“ als einhäusig angesprochen werden musste, lässt die nähere Untersuchung 628 W. Th. Gümbel, auch die Bridel’sche Angabe der Zweihäusigkeit rechtfertigen; denn ist auch die Stammform entschieden einhäusig, so finden wir an der Form Prolivxum neben Aestchen, an denen die beiderlei Blüthen vorkommen, solche, welche entweder nur ÄArchegonien-, oder nur Antheridienblüthen tragen, so dass der Fall denkbar ist, Bridel könne ganze Pflänzchen vor sich gehabt haben, welche als zweihäusig haben angesprochen wer- den müssen. Sind diese Resultate jeder Beachtung werth, so erscheinen die Beobachtungen an Heterocladium Kurrü, Fig. 45. Taf. XXVIIL, wie ich solche auch in die ,‚Bryologia europaea‘‘ niederlegte, von einem ganz besonderen Interesse. Wir sehen eine, zuerst aus dem Wurzelfilze her- vorgegangene Knospe mit Antheridienblüthe seitlich in eine zweite inno- viren, und diess in wiederholter Weise, so dass das Schema von Dieranum hergenommen, für diesen Fall gilt, in welchem wir nicht gewohnt sind, von einer gipfelständigen Blüthe zu sprechen: Ein achselfrüchtiges Moos hat eine gipfelblüthige männliche Pflanze! Treten die Stengel der Innovationen auf ein Minimum zurück, so können gehäufte Antheridienblüthenknospen entstehen, deren einzelne Glieder aber selbst wieder Brutknospen sein können, welche aus den Würzelchen der primä- ren Antheridienknospe hervorgehen. An Hypnum apieulatum Brid., Hypnum strigosum Hoffm. treffen wir solche Häufchen an; an Aypnum hamulosum Fröl. bedarf es aller unserer Aufmerksamkeit, um überhaupt die so sehr kleinen Blüthenknöspchen aufzufinden, wie solche einzeln und in Häuflein aus dem Wurzelfilze hervorgegangen sind. Gehen wir einen Schritt weiter zu Plagiothecium pulchellum, Fig. 44. Taf. XXVIII, so sehen wir, dass die Archegoniumblüthe selbst eine Innovation aus einer, dem Wurzelfilze entwachsenen Antheridien- &, welche sich uns bei den Funaria- 0) ceen zeigt und darin besteht, dass die aus dem Vorkeime zuerst erwach- blüthe ist, jener Erscheinung analo sene Antheridienblüthe innovirt, um eine Archegonienblüthe zu tragen; nur dass die Stengelglieder verkürzt sind und uns zu der Vegetations- der Vorkeim der Moospflanze. 629 weise der Phascen zurückführen: Was den kleinen Phascen der Vorkeim macht, das sehen wir hier von einer beblätterten und verästelten Moospflanze ausgehen. Was wir demnach an den achselfrüchtigen Moosen, nach Abzug der Blüthenknospen, also in steriler Weise, zu einer oft stark entwickelten, mit Haupt- und Nebenzweigen versehenen Pflanze geworden sehen, ist gleichsam der Vorbau, den die Phascen mit dem Vorkeimgebilde schon geschlossen haben. Zwischen diesen beiden Extremen liegen verschiedene und mannig- faltige Zwischenformen, ohne dass wir im Stande sind, eine solche Grenze scharf zu bestimmen, welche man zwischen Ast- und Gipfelfrüchtigkeit aufstellte. Oft sehen wir diese Ast- und Gipfelständigkeit bei einer und derselben Gattung wechseln. Ein Blick auf die Gattung Dieranum wird dies nachweisen. An Mielichhoferia gehören die Blüthenknöspchen, die wir auch Blüthenzweiglein nennen können, dem Wurzelfilze an, und es erscheint ein gedrungener Bryum-Rasen, der seine Achselfrüchtigkeit unter die Maske der Gipfelständigkeit versteckt hat. Auf eine ganz ähn- liche Weise ist in Anoectangium der Vegetationstypus nur äusserlich dem etwa von Gymnostomum curvirostre zu vergleichen, während in Wirklich- keit Achselfrüchtigkeit anzusprechen ist, wie auch Bridel unser schon oft genanntes Pleuridium alternifolium mit anderen Gattungen den achsel- früchtigen Moosen beigesellt hat. Wir werden auf dem Wege dieser Betrachtung zu einem andern Unterschiede hingeführt, den wir machen müssen zwischen blüthetragen- den Zweigen und zwischen steril endenden, blos beblätterten Trieben und solcher Verästelungen, demnach zwischen Blüthentrieben und Laubtrieben oder Blüthenzweigen und Laubzweigen. Dabei können die Stengel die- ser verschiedenen Glieder bald stark entwickelt sein, so dass die Blüthen- triebe zum Theil, oder auch ganz, die Rolle der Laubtriebe durchzuführen haben, oder ihr Längenwachsthum ist auf einem Minimum stehen geblie- ben, wie an den Hypnaceen die Blüthentriebe es den gross und stark 630 W. Th. Gümbel, entwickelten Laubtrieben überlassen, auf sich fortzusprossen, damit zufrie- den, dass sie sich blos mit der' Entwicklung einer Frucht zu befassen brauchen, indem sie den Stoff verarbeiten, der in reicher Menge von dem Laube bereitet werden konnte. Was die Stoffe betrifft, welche durch die Moosvegetation bereitet und weiter wieder verarbeitet werden, :so ist uns allerdings, ausser eini- gen allgemeinen Angaben von Oel, Stärkemehlkörnchen, von einem pro- teinähnlichen Stoffe in den Antheridien noch gar kein fester Anhaltspunet gegeben. Wir können daher auch hier blos bei den äussersten Ent- wickelungserscheinungen stehen bleiben, wenn wir fragen, welche For- malion der Ausgangpunel für eine zweite sein möge, und auf welche Weise die Entwickelung der einen durch die andere theils bedingt, theils weiter geführt werde. Dies gilt vorzugsweise von den beiderlei Blüthen, welche bald weit auseinander gerückt, bald in einer und derselben Blü- thenhülle vereint vorkommen. An Ephemerum serratum sehen wir von dem Vorkeim aus die Vor- bereitung für das Blüthenleben soweit gediehen, dass eine Archegonien- blüthe sich anlegte, während die Antheridienblüthe nachkommt, um die Befähigung zur wirklichen Fruchtbildung zu geben, vielleicht aber auch, um selbst etwas zur weitern Verjüngung und Blüthenbildung des Vor- keims beizutragen? Es verdient gewiss unsere volle Aufmerksamkeit, dass in vielen Fällen, wie bei den Funariaceen, die erste Blüthe, welche aus der Vorkeimbrut auswächst, eine Antheridienblüthe ist, nach deren Aus- bildung seitliche Innovationen erst die Archegonienblüthe tragen. Ein ähnliches Verhalten zeigen die Sprossen von Atrichum undulatum. An Fissidens taxifolius, Fig. 42, hat es sich herausgestellt, dass eine aus Brui entstandene Antheridienblüthe einerseits in eine Archegonienblüthe innovirte, während andrerseits ein reich beblätterter und steril endender Trieb entsprosste. Wenn es nun Charakter von diesem Moose ist, dass die Fruchtästchen stets gleichsam am Grunde der längeren Laubtriebe ste- hen, so ist ein solcher Laubtrieb bei Fissidens adianthoides der Boden, der Vorkeim der Moospflanze. 631 auf dem sich achselständig Antheridien- wie Archegonienblüthen ent- wickeln. Anders ist es wieder bei Fissidens incurvus, an dem das erste Blüthchen von Fissidens taxi gestengelt und beblättert ist, eine gesten- gelte und beblätterte Archegonienblüthe trägt, ohne dass die Bildung steriler Triebe hier nothwendig wäre. Bei Fissidens exilis ist dies Verhältniss wieder in der Weise geändert, dass die beblätterten und gestengelten Triebe am Gipfel in die Archegonienblüthe enden, wäh- rend die Antheridienblüthen in den Blattachseln schön geordnet auf- treten. Bei Fissidens osmundaceus haben wir reichbeblätterte Triebe mit gipfelständigen Blüthen, welche zweihäusig übereinander fortspros- sen. So haben wir an der einen Gattung Fissidens alle die verschie- denen Blüthenstände, welche man an den Moosen zu sehen gewohnt ist, bis auf jenen repräsentirt, der Antheridien und Archegonien in einer gemeinschaftlichen Blüthenhülle zeigt. In Octodiceras Julianum, welches in der „‚Bryologia europaea‘‘ so ausführlich behandelt ist, haben wir ein Moos, welches in bald einfacher, bald in sehr vervielfältigter Verästelung und in steriler Weise fortsprosst. Die in den Achseln der Blätter auftre- tenden Blüthentriebe können neben junge Pflänzchen von Fissidens taxifolius gehalten werden, um eine gewisse Uebereinstimmung damit zu zeigen. Wenn einzelne Fruchttriebe sehr kurz und armblätterig bleiben, so finden wir aber auch solche, welche dem längeren fruchttragenden Triebe von Fissidens exilis oder von Fissidens osmundoides vergleichbar sind, Fig. 43. Taf. XXVIH. Abgesehen davon, dass die Blüthentriebe an ihrem Grunde von einer Antheridienblüthe ausgehen können, finden wir oft unmittelbar am Grunde des Scheidchens eine weitere Antheridien- blüthe auf einem bald merklichen, bald zum Verschwinden kleinen Stiel- chen aufsitzen. Nicht blos, dass die junge Archegonienblüthe dadurch mit einer Antheridienblüthe gleichsam in einer gemeinschaftlichen Hülle liegt, dass die Archegonien nur durch ein Hüllblättchen der zweiten Blüthe von den Antheridien getrennt sind; es ist mehr denn wahrscheinlich, dass Schwägrichen hier von einer hermaphroditischen Blüthe nicht blos 632 W. Th. Gümbel, sprechen, sondern solche auch wirklich hat abbilden können, ohne dass der so umsichtige Forscher ein junges Archegonium für ein Antheridium angesprochen hätte. Die allgemeine Entwickelungsgeschichte zeigt es uns öfters, dass einzelne Arten und Gattungen mit den Grenzen gleichsam ein loses Spiel treiben und in diesem Spiele zu charakterisiren sind, während die Grenzpuncte ähnlicher Schwankungen, wie bei Octodiceras Julianum, im Blüthenzustande sich zu speciellen und unverrückbaren Cha- rakteren ausbilden. Um nur einigermassen diese Idee zu fixiren, wollen wir den Fissidenten einige Dieranen folgen lassen, von denen wir schon so Charakteristisches in der Art kennen gelernt haben, dass an der Stelle von selbstständigen, mehrstockwerkigen männlichen Pflänzchen blos Antheridienblüthen aus dem Wurzelfilze gebildet werden. Vergleichen wir die beiden einander so nahestehenden Dieranum Schreberi, das in der „Bryologia europaea‘‘ ein Miniaturbild von Dieranum squarrosum genannt ist, und Dicranum Grevilleanum, so scheinen dieselben in der reichen Bildung von Brutknollen im Wurzelwerke einander wirklich vertreten zu können. Sehr verschieden aber sind die aus der Wurzelbrut hervorge- gangenen Pflänzchen. Bei Dieranum Schreberi treten die Antheridien- blüthen in kurzstengligen selbstständigen Pflänzchen auf, die seitliche Innovationen ansetzen, in der Regel aber mit der einfachen Antheridien- blüthe auch ihr Leben beschliessen, während an Dieranum varium, D. cer- viculatum u. a. diese Antheridienpflänzchen mehrstöckig werden und nur einen Schritt weiter nöthig machen, um nicht blos einfache Zweihäusig- keit, sondern selbst eine Zweirasigkeit zu erhalten, wie wir dies nicht selten an Dieranum rufescens, Dicranum heteromallum, Ceratodon purpureus, namentlich an den Polytrichen und vielen Bryen zu sehen gewohnt sind. Was aber Dicranum Grevilleanum so sehr von Dieranum Schreberi unterscheidet, ist der einhäusige Blüthenstand und die stark beblätterte gipfelständige Antheridienblüthe, von welcher starke Innovationen ausge- hen, um die Archegonienblüthen zu tragen. An Dieranum gracilescens, der Vorkeim der Moospflanze. 633 Fig. 38. Taf. XXVII, innovirt der Stengel unter der gipfelständigen Antheridienblüthe einerseits stark, um gleichsam eine hochstockwerkige Antheridienpflanze zu bilden; andrerseits tritt eine nur kurze Innovation am Grunde der Antheridienblüthe auf, um die Archegonienblüthe mehr in die Nähe der Antheridien zu bringen. Hier schon, noch mehr bei Diera- num polycarpon und namentlich bei Dieranum virens, kommen beiderlei Blüthenknospen schon in unmittelbarste Nähe, so dass wir, von Dieranum virens aus zu Distichium inclinatum übergehend, nur einen kleinen Schritt weiter gehen dürfen, um bei Distichium capillaceum die Antheridien frei in den Achseln der obern Schopfblätter zu finden. Wir finden diesen Blüthenstand wieder bei Bryum polymorphum, Br. elongatum, Br. nutans. Es wird von da nicht weit sein, um zur wahren hermaphroditischen Blüthe von Bryum pyriforme, Br. intermedium, Br. torquescens u. a. zu gelangen. Um eine solche Reihe von wechselnden, aber für die einzelnen Arten streng charakteristischen Blüthenständen zu verfolgen, hätten wir auch zu andern Gruppen greifen können. Die in den Biattachseln frei sich fin- denden Antheridien, z. B. an Pottia Wilsonü, P. crinita, Fig. 32, führen uns, zumal bei der an diesen beiden Arten nachgewiesenen Reproducti- vität der Wurzeln, leicht über die Brücke seitlich gestellter Antheridien- blüthen, Pottia subsessilis, Fig. 37, zu solchen wieder zurück, die dem Wurzelfilze entsprossen sind. Als nächster Uebergang zu solchen kann uns Barbula subulata, Fig. 39, dienen, welche die Antheridienblüthen auf sehr zarten Stielchen trägt, die entschieden den Charakter secundärer Entwickelung unmittelbar von den Zellen der Stengeloberfläche aus an sich tragen. Es finden sich nun hier wirklich solche Antheridienblüthen, die vollkommen denen von Dieranum undulatum gleich entsanden sind, und welche an Barbula latifolia bis jetzt noch übersehen blieben. Ich darf es wohl als ein Kriterium für die Richtigkeit irgend einer Betrachtungsweise ansehen, wenn sich die Fälle der Ausnahmen in die verschiedenen Entwickelungsstufen auf eine naturgemässe Weise einstel- Vol: 33V. Pi. so N 634 W. Th. Gümbel, len und, statt eine allgemeine Gültigkeit zu stören, getrennt liegende Glie- der verbinden. Ein solches Kriterium liegt denn auch nothwendiger- weise vor, wenn es uns möglich geworden ist, irgend die Kette zu berühren, um von jedwedem Gliede derselben ausgehen und zu allen übrigen gelangen zu können. Ich glaube, für meine eben dargelegte Behandlung des Blüthenstandes zugleich ein solches Kriterium niederge- legt zu haben. Wollte man aber diese Auseinandersetzung für die soge- nannten achselfrüchtigen Moose noch irgend in einen Zweifel ziehen, so könnte ich den eben verlassenen Faden wieder da aufnehmen, wo wir eben die Aniheridienblüthe von Barbula latifolia in Zusammenhang mit der von Dicranum undulatum, und weiter wieder mit der von Hypnum lutescens und Heterocladium Kurrü finden. Wie wir früher von Hypnum lutescens aus durch Rhynchostegium rusciforme zur Zweihäusigkeit über- gegangen sind, so bleibt uns noch die andere Richtung zu verfolgen übrig, um an den Hypnen zu hermaphroditischen Blüthen zu gelangen. Es mag die einfache Erklärung, dass es hier einen solchen Blüthenstand, als eine denkwürdige Ausnahme, gebe, in Hypnum androgynum nicht aus- reichen; wir können an einer sehr polymorphen Art, wie Hypnum ripa- rium Hedw. eine ist, an die schon erwähnten Hypnaceen leicht anbinden. Wie an Rhynchostegium rusciforme die beiderlei Blüthen zur Zweihäufig- keit auseinander rücken, so finden wir an Hypnum riparium Hedw. an einer Form die beiderlei Blüthen gleichseitlich vertheilt, an einer andern Form aber, welche Bridel proligum und Bruch tenerum nannte, fast regelmässig am Grunde der Fruchtästchen die Knospen mit Antheridien- blüthen. Sonderbar nun, dass ich in den Sümpfen bei Zweibrücken ein Moos aufnahm von besonders robustem Wesen, welches Bruch als eine weitere Varietät von Hypnum riparium ansprach, dessen Natur mir aber erst genauer bekannt wurde, als ich die betreffenden Darstellungen für die „„Bryologia europaea“ entwarf. Bei diesen nähern Untersuchungen stellte sich denn auch unter andern constanten Charakteren ein herma- phroditischer Blüthenstand heraus, so dass ich diese Art zum Unterschiede | der Vorkeim der Moospflanze. 635 von Hypnum androgynum als Hypnum gynandrum bezeichnete und darstellte. Die Stufe, auf welcher die Getrenntblüthigkeit zur gemischten Blüthe übergeht, finden wir in der polyanthen Blüthe, wo wir es bald mit einer reinen Antheridien-, bald mit einer reinen Archegonien -Blüthe, bald mit einer Mischung von beiden zu ihun haben. Um ein recht treffendes Beispiel von solchen Vorkommnissen auszuwählen, gehen wir sicher nicht irre, wenn wir nach einer nur arm vertretenen Gattung fragen, wie Amblyodon dealbatus eine solche Art ist, die in ihrem Gattungscharakter bald zu Bryum, bald zu Meesia, bald zu Funaria und bald wieder zu Splachnum hinneigt. Wir sehen Fig. 32 die Blüthen hier bald strenge geschieden, bald Antheridien und Archegonien in einer Blüthenhülle, und dies in der Weise, dass die Archegonien im Centrum und die Antheridien im Um- kreise stehen. Einer mechanischen Erklärungsweise, als sei aus getrenn- ten Blüthen eine gemischte dadurch entstanden, dass an der Seite einer Antheridienblüthe der Ast einer Archegonienblüthe verkümmert, liesse sich eine andere ebenso gut entgegenstellen, nach welcher eine Innova- tion mit Archegonienblüthe an der Seite einer Antheridienblüthe einen Theil der letzteren mit in die Höhe gerissen habe. Der centrale Stand der Archegonien mitten in Antheridien widerstreitet der einen und andern Ableitungsweise, und deutet auf mehr denn eine mechanische Entste- hungsweise einer solchen charakteristischen Schwankung im Blüthen- stande. Uebrigens wäre es der Morphologie nicht gelungen, das Feld ihrer Forschung so erfolgreich zu bebauen, dass sie uns schon so man- ches schöne Resultat hat vorlegen können, das, einer Frucht vergleichbar, mechanisch die harte Hülle hat sprengen müssen, um den lebenskräftigen innern Kern uns als etwas wirklich lebendiges zu offenbaren, wäre es der Wissenschaft nicht erlaubt, um die Ideen zu fixiren, da und dort vorerst zu einer mechanischen Erklärungsweise zu greifen, um dadurch gleichsam auch eine harte Rindenschale zu zerschlagen und zu einer tiefer liegen- den Erkenntniss gelangen zu können. 636 W. Th. Gümbel, Unterwerfen wir den Blüthenbau von Amblyodon dealbatus einer nähern Betrachtung, so kann es uns nicht entgehen, dass wir neben den in den ausgebildeten Blüthen vorkommenden, nach oben keulenförmig verdickten Paraphysen c, eine paraphysenähnliche Bildung d haben, wel- che wir auch bei den Splachnaceen an dem Stengel unterhalb der Blüthe mehr oder weniger genau in den Achseln der Blätter wiederfinden. Eine ähnliche Bildung haben wir schon in der Blüthe von Pferygophyllum lucens gleichsam als einen ersten Versuch, die Paraphysen in ihren Endzellen langgestreckt zu erweitern und in dieser Endzelle eiwa eine grössere Masse irgend eines Stoffes abzuscheiden. Diese Gebilde stehen mit jenen Paraphysen in einem entschiedenen Gegensalze, welche in der Antheri- dienblüthe der Polytrichen, Fig. 30, nach oben eine blattähnliche Zellen- vermehrung eingegangen sind. Bringt man mit diesen beiden Erschei- nungen jene in Zusammenhang, welche Schimper an den Paraphysen von Diphyscium foliosum beobachtet und in seinen „‚Recherches‘‘ s, !, m abgebildet hat, nach welcher letzteren innerhalb der Zellen einer jungen Paraphyse neue Zellenwände sich in der Weise ausbilden und der Länge nach ausdehnen, dass die älteren Zellenhäute zerrissen, die untere Hälfte davon gleichsam als ein Scheidchen, und die obere gleichsam als eine Haube auseinander gerückt werden; lesen wir ferner in Schimper’s „„Recherches‘: ,‚L’origine des antherides est celui des feuilles; c’est une cellule simple, qui s’eleve sur le receptacle, mais qui, au lieu de se diviser par des parois obliques, se divise par des parois horizontales et verlicales; cette division se fait en tous sens‘‘; vergleichen wir zuletzt das Vorkom- men dieser Gebilde mit dem Vorkommen der Antheridien unterhalb dem Gipfel in den Blattachseln: so kann sicher die Analogie nicht übersehen werden, welche diese Gebilde als eine Vorstufe zur Antheridienbildung mit den Antheridien selbst haben. Auf der andern Seite führen uns diese eigenthümlichen Modificationen der Paraphysenbildung, wie sie unterhalb der Blüthe am Stengel in abnehmender Grösse vorkommen, wieder zu dem Filzgebilde, ja selbst zu dem Basilartheile der Stengelblätter, von dem der Vorkeim der Moospflanze. 637 in Fällen auf das Bestimmteste gesagt werden kann, dass sich an dessen Bildung die Stengeloberfläche auf das Entschiedenste betheiligt hat, so dass der Grund des Blattes gleichsam identisch ist mit den Zellen der Stengeloberfläche, und damit mit den Filzwurzeln. Damit mag es in einem weitern Zusammenhange stehen, dass die Zellen der Blatibasis in Fällen nicht blos die Farbe der Wurzeln angenommen, sondern auch bedeutende Erweiterungen zeigen, wie dies unter andern an Plagiothecium Muehlenbeckiü in der Weise der Fall ist, als habe man es am Grunde des Blattes mit einer verwachsenen Lage von Paraphysen zu thun. — Sehe die betreffende Abbildung in „‚Bryologia europaea“.— Solche am Grunde der Blätter zu deren vollendeter Ausbildung vom Stengel aus in die Blatt- fläche nachgeschobene Zellenreihen weten in andern Fällen als selbst- ständige Bildungen auf, oder stehen wenigstens damit in einem Zusam- menhange, dass in den Achseln der Blälter von Bryum cyclophyllum, Encalypia streptocarpa Zellenreihen vorkommen, welche bald einzeln, bald auf eine weitere Strecke mit einander verbunden, eine Zwischen- form geben zwischen Filzblättchen, Paraphysen und Brutfäden. Wenn wir hier ein weites Feld geöffnet finden, um für die Entwicklungsge- schichte denkwürdige Resultate zu erhalten, so muss ich, nachdem hier der Faden wieder an die als Paraphysen an Platygyrium repens angespro- chenen Paraphyllien angeknüpft ist, noch einen Blick werfen auf den Uebergang der Paraphysen in Filzwurzeln oberhalb ihrer normalen Stelle. Es ist allerdings allgemeine Regel, dass die Paraphysen das letzte und höchste Nebengebilde der Blüthen sind. Diese Paraphysen rücken oft bis auf den obern Rand des Scheidchens, so z. B. bei Anomodon viticu- losus. In gar vielen Fällen aber werden die Paraphysen, statt gerade gestreckt zu bleiben, wellig gebogen und erscheinen an Anomodon atte- nuatus am obern Rande des Scheidchens wirklich als wahre Filzwurzeln. Damit ist eine Stufe angedeutet, über welche hinaus die Filzbildung zur Haube aufsteigt und diese bei den Polytrichen in den bekannten Schopf von langen und vielen Filzzöserchen verstecken, über welche hinaus aber 638 W. Th. Gümbel, diese Würzelchen keine Fähigkeit zeigen, in Vorkeimbildungen auszulau- fen und Brutpflänzchen zu erzeugen. Die Metarmophose hat eine Stufe erreicht, auf welcher dieselbe sich dem innern Leben der letzten Scheitel- zelle des Markstranges zugewendet hat, um eine Frucht zu bilden und diese zur Reife zu bringen. Es sind die letzten Glieder des Vorkeims zu einem Schlusse gekommen. Indem ich diesen letzten Satz schreibe, bin ich in die Nothwendigkeit versetzt, mich zu fragen, welche Bildungen auf dieser Stufe entstehen müssten, wenn wir das Präparat, Fig. 8. Taf. XXVIIL, von der gekeimten Spore von Pottia truncata zu einem geschlossenen Ganzen werden liessen; da an diesem Präparate deutlichst die Neigung erkannt werden kann, wie nach Rechts, so nach Links, Zellenreihen auszusenden und diese selbst wieder zunächst zweischenklig werden zu lassen; da zugleich ein Vorn und Hinten sich unterscheiden lassen, welche nun in der Idee des oben angesprochenen Schlusses dem Rechts und Links sich gleich verhalten würden, selbst daher wieder zur Zweischenkligkeit hinstreben müssten, so liesse sich auf eine einfache und ungesuchte Weise der Kreis, in wel- chem sich die weitere Zellenvermehrung eines so eingeschlossenen leben- digen Vorkeimes einstellt, von einem Kreuze durchzogen denken. In Folge der successiven Zellenvermehrung müssten sich aber zu verschie- denen Zeiten verschiedene concentrische Kreislinien bilden und zwar auf die Weise, dass die erste, um den Mittelpunct liegende, vier Zellen ein- schlösse, welche entstanden gedacht werden können, nachdem eine pri- märe Zelle sich halbirte, und diese beiden Hälften nach der Richtung senk- recht auf die erste Theilungslinie sich wieder halbirten. Streben diese hierdurch entstandenen 4 Zellen sich nach Aussen zu verjüngen, was durch eine Theilungslinie in der Richtung einer Sehne im ersten Kreise ge- schieht, so finden die dadurch gegen die Peripherie geschobenen Hälften Raum, der dadurch ausgefüllt werden kann, dass in ihnen eine radiale Theilung eintritt, wodurch sich 8 Zellen um die 4 am Centrum herumle- gen. Sireben diese 8 Zellen selbst wieder nach der Peripherie hin der Vorkeim der Moospflanze. 639 auszulaufen, so tritt in ihnen auch wieder die Theilung in tangentialer oder in der Richtung der Seiten eines Achteckes ein, und die äussern Hälften füllen gegenseitig den nebenliegenden Raum aus, indem sie sich radial theilen. Es entsteht dadurch ein Kreis mit 16 Zellen. Auf ganz gleiche Weise kann ein weiterer Kreis entstehen, der aus 32, und wieder ein weiterer, der aus 64 Zellen gebildet wäre. Taf. XXIX. Fig. 24 habe ich das Schema für diese Zellenvermehrung noch nachträglich gegeben. Ich konnte dies um so weniger unterlassen, als die Zahlen 2, 4, 8, 16, 32, 64, und allgemein 2" in dem Bau der Moosfrucht eine so wichtige Rolle spielen, und an welche die einzelnen Arten sich weit constanter und unverrückt festhalten, als es in dem Blüthenbaue an phanerogamen Pflan- zen der Fall ist. Darnach läge der Entwicklungeschichte der Moosfrucht gleichsam die concentrische Bildung eines Thallus zu Grunde und hätte ein Schüsselchen der Flechten als ein Vorbild. Ehe wir jedoch zu der Fruchtbildung speciell übergehen, müssen wir die aus dem rein vegetali- ven Leben der Moose genommenen Resultate noch einmal überblicken. Eines dieser Resultate bezeichnet uns zwei, weitest von einander ent- fernt liegende Vegelationstypen. Den einen dieser Typen können wir durch Ephemerum serratum vepräsentiren, Fig. 15. Taf. XXVIH, den andern durch Plagiothecium pulchellum, Fig. 44. Taf. XXVIH. Als einen Typus, welcher so ziemlich zwischen innen liegt, können wir den von Amblyodon dealbatus, Fig. 31”, nehmen. Was wir bei dem ersten als ein Pflänzchen anzusprechen gewohnt sind, sind die Blüthenästchen, welche sich in einfacher Form aus einem fortsprossenden und sich thallusähnlich verjüngenden Vorkeime stets neu entwickeln, so dass eine Generation der andern folgt, wie die Früchte eines Baumes, im vorigen Herbste reif abgefallen, durch neue Früchte aus der Blüthenknospe des diesjährigen Frühlings wieder ersetzt sind. Was wir aber bei dem Vegetationstypus, namentlich der Hypnaceen, im Allgemeinen als Pflanze anzusprechen gewohnt sind, das ist die hohe Stufe eines vorbereiteten Bodens, auf dem sich die Blüthenästchen ansetzen, oft, als seien diese die Frucht an 640 W. Th. Gümbel, wirklichen Bäumchen, unter deren Bild manche der sogenannten pleuro- carpen Moose erscheinen. Was in den beiden so enigegengeseizten Typen als Brutpflänzchen dem Wurzelfilze oder dem Vorkeime entsprosst, sind Blüthenpflänzchen. Bald aber sehen wir den ersten Typus in jenen übergehen, wo der Stengel der Blüthenpflanze höher wird, sich reicher beblättert, eigene Wurzeln treibt, von denen eine Verjüngung der Pflänz- chen ausgeht, so dass die erste Verjüngungsart blos aus dem ursprüngli- chen Vorkeime unterbleibt. Als Repräsentant haben wir Pottia truncata, Fig. 17, kennen gelernt. Es beginnt damit eine lange Reihe von Ver- jüngungserscheinungen und dies nicht blos aus den Wurzeln vom Grunde der einzelnen Stengel, sondern auch aus den Wurzeln weiter am Sten- gel aufwärts, zugleich auch aus Blattauswüchsen und Brutblättchen. Damit ist die ursprünglich einfache Gestalt des Blüthenpflänzchens auf sich selbst verjüngt, d. h. junge Pflänzchen erscheinen als Innovationen, und man hat es schon mit einer Verästelung zu thun. Die Art, wie diese Innovationen den älteren Stengeln entsprossen, ist eine mannigfaltige; entweder geht dieselbe mehr vom Grunde der stets einfachen älteren Stengel aus, und die ausdauernden Rasen behalten dadurch, wie an Trichostomum pallidum, Fig. 41, gleichsam die Tracht, als habe man es wieder mit einstöckigen Pflänzchen zu ihun, oder aber die Innovationen gehen vom Gipfel aus, unmittelbar unter der gipfelständigen Blüthe, und es bilden sich hochstockwerkige Rasen, wie an Dieranum gracilescens, Fig. 38. Zwischen diesen beiden letztern liegen wieder Zwischen- formen, wie eine solche an Trematodon brevicollis in Fig. 40 darge- stellt ist. Nehmen wir zugleich auf das Verhältniss Rücksicht, in welchem die beiderlei Blüthen zu einander stehen, so kommen wir zu dem Typus von Amblyodon dealbatus, an welchem es das Ansehen hat, als seien die Innovationen gleichsam aus dem Innern des ältern Stengels hervorgegan- gen. Dieselben haben sich schon zur Zeit angesetzt, als der Hauptsten- gel noch nicht vollkommen ausgebildet war, und ein Wachsthum desselben der Vorkeim der Moospflanze. 641 in die Dicke die Basis der Innovation in eine gleichsam gemeinschaftliche Zellenvermehrung einschloss. Haben wir hier die Fälle, in denen alle Glieder einer durch Innova- tion zusammengesetzten Moospflanze mit einer Blüthe am Gipfel enden, so wird es nicht schwer sein, auf das Verhältniss aufmerksam zu werden, in welchem die älteren Glieder zu den jüngeren stehen. Wir finden bald, dass während die Frucht auf der vorletzten Innovation ihrer Reife entge- gengeht, die letzte Innovation schon die Blüthe trägt für eine künftige Frucht, und dass neben dieser Blüthe auch schon wieder eine künftige Innovation angelegt ist. — Haben nun einmal die reicher beblätterten Stengel mehr oder weniger die Verjüngung der Triebe selbst übernom- men, so haben wir von dem ebenbesprochenen Verhältniss zwischen alten Früchten, jungen Blüthen und jungen Innovationen nur einen kurzen Schritt weiter zu thun, um die eine oder andere Blüthe durch Blattgebilde vertreten zu sehen und steril endende Triebe zu erhalten. Die denkwür- digen Bildungen von Aulacomnium bekommen hierdurch eine nalurge- mässe Stellung angewiesen. Von diesen aus können wir nun zu Typen übergehen, in welchen wir bald längere, bald kürzere, bald aufwärtsge- richtete, bald niedergebogene und oft weithin strebige sterile Triebe fin- den. Als eines der lehrreichsten Beispiele eines solchen kann ich kein anderes wählen, als jenes von Nnium undulatum, einer Pflanze, von der Bridel sagt: „‚pulchrae gentis pulcherrima,‘‘ eine Pflanze, in der die Moospflanze einen Triumph feiert, sich von den vielen Misshelligkeiten frei zu wissen, denen die Brutbildungen ausgesetzt sind, da diese Pflanze statt einzelne zarte Wurzelzellen in dem Boden auszusenden, starke Triebe durch das Erdreich hinzieht und diese bald wieder zu jenen zierlichen Bäumchen erhebt, die am Gipfel eine reichblätterige Rose tragen, aus deren Mark die vielen Früchte sich erheben, und an deren Rand sich eine schöne Krone von sternförmig gestellten Aestlein bildet. Siehe „‚Bryolo- gia europaea““ Nehmen wir auf das Rücksicht, was wir bei Betrachtung der Fissidenten schon erfahren haben, so glaube ich dadurch der Vegeta- Vol. XXIV. P. II. sl 642 W. Th. Gümbel, tionsweise der Moospflanze einen bessern Dienst erwiesen zu haben, als würde ich einfache Striche gezogen haben, die wie nach Rechts so nach Links in streng symmetrischer Weise Schemata darstellen, die wohl für Entwickelungstypen phanerogamer Pflanzen, aber nicht für die ungebun- denen Formen unserer Moose gelten können. Wir entschlagen uns hier- durch zugleich der Verlegenheit, mehr denn einmal ungewiss sein zu müssen, ob wir mehr Recht haben, eine Acrocarpie oder eine Pleurocar- pie anzusprechen, und haben nicht nöthig, eine sogenannte Cladiocarpie zwischen einzuschieben. Fassen wir die Bedeutung der sterilen Triebe in dem Sinne auf, wie wir solches versucht haben, so bekommt Al. Braun’s tiefsinnige Auffassungsweise in dessen ‚‚Verjüngung in der Natur, Seite 113,“ wonach die Metamorphose der Pflanze als ein Generationswechsel zu be- trachten ist, durch welchen nach zahlreichen vorbereitenden und ge- schlechtslosen Individuen die Generation endlich in der Blüthe zur Bildung der die Reihe schliessenden geschlechtlichen Individuen gelange, für un- sere Entwickelungsgeschichte eine besondere Bedeutsamkeit. Wenn bei höheren Pflanzen die Blätter als diejenigen Theile bezeichnet werden kön- nen, in deren wiederholter Bildung sich die Selbstverjüngung vorzugs- weise ausspricht, durch deren successives Auftauchen die Metamorphose ihren Stufenbau erhält, so geht bei den Moosen die Metamor- phose durchweg im Sinne einer Vorkeimbildung ihren Gang. Wenden wir uns dem Blüthenleben der Moospflanze näher zu, so müssen wir die Befähigung der Pflanze, die Metamorphose zu den ver- schiedenen Organen der Blüthe durchzuführen, in dem vegetativen vorbe- reitenden Leben liegend annehmen. Wir können allgemein sagen, dass es die Moospflanze durch blosse Vegetation zu Antheridien und Archego- nien bringe. Soll aber ein Archegonium sich weiter zu einer Moosfrucht entwickeln, so ist es eine allgemeine Erfahrung, dass dies nur dann der Fall ist, wenn sich neben den Archegonienblüthen auch Antheridienblü- then finden. der Vorkeim der Moospflanze. 643 Ich glaube keine fühlbare Lücke hier eintreten zu lassen, wenn ich mich auf das bereits Bekanntgegebene über den Bau der Archegonien und Antheridien von Seiten Schimper’s, Hofmeister’s und namentlich von Seiten der „„Bryologia europaea‘‘ beziehe. Die Resultate aus den verschie- denen Untersuchungen haben für den Act der Einwirkung der Antheridien auf die Archegonien die Ansichten gleichsam als Lehrsätze hinstellen las- sen: 1) die Reife der Antheridien gehe der weiteren Entwickelung des Archegonium zur Frucht voraus; 2) die Antheridien platzen, lassen einen aus Schwärmfädenzellen bestehenden schleimigen Inhalt austreten; 3) die Schwärmfädenzellen selber öffnen sich, um die Schwärmfädchen selbst frei werden zu lassen, sobald die Masse auf die narbenähnliche offene Spitze des Archegoniums gelangt; 4) der befruchtende Stoff, welcher in den Schwärmfäden liegt, gelangt durch den offenen Hals zu der innern Frucht- anlage in dem Bauchtheile des Archegoniums, wo eine grosse Zelle im obern Ende liegt, welche die Befruchtung zu erfahren hat. Das Wie dieser Befruchtung aber ist noch sehr in’s Dunkle gehüllt. Al. Braun hat bereits auf die irrige Darstellung Suminski’s hingewiesen, nach welcher sich der Embryo des neuen Individuums in der Centralzelle des Archegoniums durch Eindringen eines Spermatozoidienschwanzes bilde. — Trotzdem, dass es einmal gelang, auf der Narbe des Archegoniums Veränderungen des Antheridieninhaltes zu beobachten, wie dies in Fig. 36 an Barbula muralis dargestellt ist, und das Miniaturbild von einem Spo- renvorkeim giebt. so kann ich dennoch aus diesem einzelnen Falle, der keine Vergleichung zulässt, keine allgemeine Folgerung ziehen. Bei dem Vorgange der Befruchtung an der Moospflanze kann eigent- lich von der Bildung eines Embryo gar nicht die Rede sein, da sich die ersten Anfänge der einzelnen Moospflänzchen erst als secundäre Gebilde des Vorkeimes verhalten. Dagegen lässt sich doch von einer Befähigung sprechen, welche das Archegonium von Seiten der Antheridien erfahren haben muss, um in dem Bauchtheile eine lebendige Zellenvermehrung ein- treten zu lassen, wodurch der Narbentheil als ein älteres Gebilde in die 644 W. Th. Gümbel, Höhe geschoben wird. Der erste Act in dem Entwickelungsvorgange des Archegoniums endet mit Resorption, in Folge deren ein zwischen Ober- fläche und Kern liegendes Gewebe verschwindet, und die Kalyptra ent- steht, welche gegen ihren Basilartheil hin eine Zeit lang gleich dem Batte weiter wächst. Mittlerweile bildet sich der mit dem Markstrange des Sten- gels zusammenhängende centrale Kern zur Sete aus und wächst zu einer verschiedenen Höhe aufwärts, wobei die Kalyptra in ihrem weitern Wachs- thum unterbrochen wird undan der Stelleihren Zusammenhang mit den Gipfel- zellen des Stengels oder des Scheidchens aufgiebt, wo die jüngste Zellen- vermehrung stattfand. In Folge einer solchen organischen, nicht aber ge- waltsamen Trennung der Kalyptra von ihrem Grunde, bildet sich der un- tere Rand derselben oft noch zu regelmässigen Gebilden aus, wie z. B. die Wimpern an der Haube von Eucalypta ciliata. Hat die Sete ihre Höhe erreicht, so bildet sich unter dem Schirme der gehobenen Kalyptra am Scheitel der Sete die Kapsel selbst aus, wobei der aus dem Stengel in die Sete fortsetzende Markstrang das Organ ist, von welchem die Ernäh- rung, als von Innen kommend, ausgeht. Nach einer massigen Zellenver- mehrung durchläuft die Kapsel verschiedene Stadien ihrer Ausbildung, in- dem Resorptionen und Neubildungen einander folgen, Columella, Sporan- gium und Kapselwand gebildet, in dem Sporangium die Sporenmulterzel- len endlich auch resorbirt werden und die Sporen frei in der reif gewor- denen Kapsel liegen. Die Verflüssigung umgebender Medien spielt in der Entwickelungs- geschichte der Moosfrucht, wie überhaupt durch die Natur weithin, eine wichtige Rolle. So drängt sich uns hier bei dem Blick in die Vorgänge der Kapselbildung auch die Vorstellung auf, als habe man es da, wo der befähigende Einfluss von Seiten der Antheridien auf das Archegonium stattfindet, mit einer solchen Resorption, resp. mit einer Art von Ver- dauung zu thun. Mit Bezugnahme auf Mulder’s Auseinandersetzung in dessen physiologischer Chemie, nach welcher die Zellenmembran befä- higt sei, Stoffe, mit denen sie in Berührung kommt, nicht sowohl in unver- der Vorkeim der Moospflanze. 645 ändertem Zustande, sondern in organisch neu gebildeter Weise aufzuneh- men, wird uns der Satz von Al. Braun in dessen ‚‚Verjüngung in der Na- tur“ Seite 242, von ganz besonderer Bedeutung. Dieser Satz lautet: „Durch den Auflösungs- und Entbildungsprocess in den Zellen wird ein neuer Bildungsprocess vorbereitet; je schwächer und unmerklicher der Auflösungsprocess ist, um so mehr wird die Neubildung als blosse Fort- bildung erscheinen; je stärker und durchgreifender er eintritt, um so ent- schiedener wird die Neubildung als solche hervortreten, wie dies am mei- sten bei der Bildung der Fortpflanzungszelle der Fall ist.‘ Bekannt sind die seit Schleiden’s denkwürdigen Beobachtungen über die Befruchtung an phanerogamen Pflanzen weiter geführten Unter- suchungen, ohne aber, dass noch gesagt werden könne, welche von den beiden sich streng entgegengesetzten Ansichten die allein allgemeingül- tige sein müsse. Ist es doch auch Erfahrung, dass die Narbe der Frucht- blätter nicht bei allen Phanerogamen allein den befruchtenden Einfluss von Seiten des Pollens aufzunehmen hat, wie die Haare am Pistille der Cam- panulaceen sich mit daran haftendem Pollen einstülpen können, welche Einstülpung weniger erfolgt. um den an den Haaren hängen gebliebenen Pollen abzustreifen, als vielmehr denselben erst recht fest zu nehmen. Es bietet der Bart auf den Blumenblättern von Iris vielleicht noch mehr eine Gelegenheit, die Frage zu erörtern, inwieweit die peripherischen Gebilde ausser der Narbe des Pistilles sich an der Befruchtung betheiligen. — Wie die Dinge gegenwärtig liegen, so kann eine Ansicht sich rechtferti- gen lassen, welche neben der unmittelbaren Befruchtung des Eies von Seiten der Pollenschläuche aus auch noch eine mittelbare zu erkennen glaubt, welche durch ein vermittelndes Parenchym peripherisch aufgenom- men und den centralen Organen zugeführt wird, dass auch von Innen her- aus die Metamorphose Stoff habe, ihre höchsten Stufen anzulegen und wei- ter auszubauen. Die weitergeführten Untersuchungen, welche wir bereits schon auf den verschiedenen Grad der Reife der Antheren in einer und derselben Blüthe in’s Auge gefasst haben, werden auch vielleicht den 646 W. Th. Gümbel, Beweis zu liefern im Stande sein, dass es Fälle gebe, in denen die mit- telbare Befruchtung die alleinige ist, indem die unmittelbare auf Null zu- rükgetreten erscheint. — Bei den Sporenpflanzen ist eine mittelbare Be- fruchtung bereits schon zur wissenschaftlichen Wahrheit erhoben. Bei den Farnen nämlich liegt zwischen den Antheridienblüthen und der Spo- renbildung eine weit ausgebildete Vegetation. Al. Braun sagt in seiner wiederholt erwähnten Abhandlung, Seite 328: ,.Die Uebergangsstelle, welche durch den Eintritt der Befruchtung bezeichnet ist, ist bei den Far- nen und Moosen eine verschiedene. Bei den Moosen geschieht der Ueber- gang von dem algenarligen Vorkeim zum blattbildenden Stamm vor Ein- tritt der Befruchtung, welche nur die Entwickelung der sporenbildenden Kapsel bedingt; bei den Farnen dagegen reicht der Vorbau nicht weiter als bis zum blattlosen Vorkeim, und schon der Fortschritt zum blattbilden- den Stamm ist durch die Befruchtung bedingt.“ Wollte man auch sagen, dass bei den Farnen die Befruchtung vor der Sporenbildung fehle, dass der Wedel in sich selbst die Befähigung zu deren Erzeugung trage, und dass erst nach dem Beginne der Keimung die Befruchtung gleichsam da- durch nachgeholt werde, dass sich auf dem Vorkeim die Antheridien erst bilden, und jetzt die zum Vorkeime gewordene Spore befähigen, weiter in eine Brutknospe und aus dieser in die fertige Pflanze auszuwachsen, so ist immer die Wirkung des Antheridieninhaltes zunächst auf ein vegetati- ves und damit Stoffe verarbeitendes und neue Organe erst ausbildendes Leben gerichtet. Stellt man die Frage auf, ob sich wohl deshalb eine Spore der Farnen in eine Vorkeimbildung einlasse, weil ihr eine nachträgliche Befruchtung in Aussicht gestellt sei, so könnte man auch anders kurz die Antwort geben, dass die Spore ihre Keimfähigkeit von Haus aus mitbrachte. Hugo v. Mohl sagt in Wagner’s Handb. d. Phys. IV, Seite 277, dass bei der Keimung der Spore eben so wenig als zu ihrer Entstehung eine von den Antheridien ausgehende Befruchtung noihwendig sei; allein ich glaube hier auf eine Beobachtung aufmerksam machen zu dürfen, dass bei fast allen Keimversuchen, die ich sowohl mit Moossporen als mit Pollen- der Vorkeim der Moospflanze. 647 körnern vornahm, nicht alle die einzelnen Körnchen Schläuche trieben, einen Vorkeim zu bilden; die wirklich keimenden Sporen und Pollenkör- ner waren mit solchen untermischt, welche theils freiwillig platzten, theils dies thaten, sobald sie dem Druck eines Glasblättchens ausgesetzt wurden. Dabei entleerten sie einen schleimigen körnigen Inhalt, der in lebendiger Molekularbewegung begriffen war. Da mein Mikroscop, ein sogenanntes mittleres von Schieck, zu solchen Vergrösserungen nicht aufsteigen kann, um diese Schleimkörnchen weiter auf ihre Analogie von den von Naegeli an Pilularia und von Mettenius an Jsoötes beobachteten Mi- erosporen zu untersuchen, so kann ich hier es auch nur als eine Möglich- keit bezeichnen, dass ein Theil der ausgestreuten Sporen im Einfluss des andern Theils derselben gleichsam durch einen Act der Befruchtung erst befähigt werde, einen Vorkeim zu treiben. Dieser Unterschied in den Sporen einer und derselben Kapsel beim Acte des Keimens, welcher wohl nicht lediglich auf einem verschiedenen Grad der Reife beruhen mag, kann bei näherer Untersuchung vielleicht manches Zwischenglied auffinden las- sen, das für die Entwicklungsgeschichte aller höhern Kryptogamen von Bedeutsamkeit ist. Die Fäden einer in diesem Sinne fortgeführten Unter- suchung können sich aber zugleich inniger verbinden und unmittelbar aus- einander hervorgehen, sobald Glieder, welche sich hier noeh von einander trennten, dort in organischem Verbande verharren und unmittelbar einen materiellen Stoffwechsel mit einander durchführen. Es treten dadurch verschieden gebaute und ungleich alterige Organe in ein Verhältniss der gegenseitigen Bestimmung und Befähigung, wie auf den Stufen der Me- tamorphose aufwärts zu steigen, so aber zugleich wieder auf die niederen zurückzutreten. Für die Dauerbildungen phanerogamer Pflanzen lie- gen in dieser Andeutung Momente, welche zu benützen sind, um den Vorwurf zu beseitigen, dass die Wurzeln und Wurzelstiöcke zu den, bis jetzt am wenigsten untersuchten Pflanzentheilen gehören. Gehen wir nun zu den ersten Vorkeimfäden aus der Moosspore zu- rück, so haben wir schon auf die gestaltliche Verschiedenheit in den ein- 648 W. Th. Gümbel, zelnen Gliedern derselben aufmerksam gemacht. In ihnen ist die Meta- morphose schon eingeleitet; dieselbe wird weitergeführt durch den Ver- kehr, welchen jüngere Zellen und Zellenreihen mit den ältern treiben, in- dem sich jüngere füllen, ältere leer werden, bis statt eines Fadengebildes eine Keimknospe entstanden ist, oder bis vielleicht in dem einen und an- dern sterilgebliebenen kolbig verdickten Fadenende ein Analogon gegeben ist zu den Antheridien an dem Vorkeim der Farnen. Indem ich diesen Satz niederschreibe, ist wiederum ein neues Feld eröffnet, auf dem noch die Frage unbeantwortet liegt, welche Blüthenknospe zuerst ausdem Vorkeim erwachsen ist. Die Keimversuche, wie deren Resultate bereits vorliegen, müssen nicht sowohl einer abermaligen Revision, als vielmehr einer Wei- terführung unterworfen werden. Ohne dass ich aber in diesem Augenblicke erst die etwaigen Resultate abwarten müsste, ist in der ‚„‚Bryologia euro- paea“‘ bereits nachgewiesen, dass bei Fissidens taxifolius eine Antheri- dienblüthe der Ausgangspunct einmal von einem Zweige mit Archegonien- blüthe, dann von einem Laubtriebe ist. Ebenso ist es bereits in den Cha- rakter der Funariaceen eingetragen, dass das erste Stockwerk der Pflänz- chen in eine Antheridienblüthe endet, während die nachkommenden Inno- vationen Archegonienblüthen tragen. Bei Atrichum undulatum können wir wohl die Frage uns erlauben, ob die vor der Prolification schon ge- bildeten und zum Theil reifen Antheridien nicht etwa einen ähnlichen be- fähigenden Einfluss auf das Centrum des Stengels ausgeübt haben, wie die Antheridien am Vorkeime der Farne, dass sich der Markstrang über den Scheitel des Stengels mitten durch die Antheridienblüthe erhebe, um erst den Boden der Archegonienblüthe zu bilden? Ich kann diese eben gestellte Frage aus zwei Gründen nicht überge- hen. Einmal treten die Moose dadurch in einen innigeren physiologischen Zusammenhang mit den Farnen; dann aber ist es, sobald das Ja erfolgt, auch klar, wie der Antheridieninhalt, durch Resorption und Aneignung von Seiten des Stengelgebildes in dessen innerstes Mark aufgenommen, nicht blos den ersten Anlass zur Archegonienblüthe geben, sondern diese in der Vorkeim der Moospflanze. 649 nachhaltiger Fortwirkung, die etwa von später reif gewordenen Antheri- dien erfolgt, zur Kapselbildung fortführen kann. Bis zu diesem Abschnitte in der Entwickelungsgeschichte der Moos- pflanze habe ich im Kreise der „‚Pollichia‘‘ zu wiederholten Malen und fort- selzungsweise die Hauptmomente besprochen. Vor zwei Jahren wurde mir die Frage daselbst vorgelegt, ob es unter den Moosen auch Bastarde gebe, als welche solche Vorkommnisse vielleicht betrachtet werden könn- ten, welche weithin verbreitet angetroffen werden, aber steril bleiben. Auf den Grund meiner hier eben ausgesprochenen Ansicht über den Be- fruchtungsvorgang, glaubte ich eine Bastardbildung bei den Moosen negi- ren zu dürfen. Meines Wissens hat auch Niemand im Ernste von einem wirklichen Bastarde sprechen können. Um so mehr musste es mir auffal- len, in Al. Braun’s erw. Schrift, Seite 330, eines Moosbastardes erwähnt zu finden, welchen Bayrhoffer beobachtet haben wollte, und welcher sich auf Physcomitrium fasciculare, Ph. pyriforme und Funaria hygrometrica bezöge. Zwar habe ich den betreffenden Bastard Bayrhoffer’s nicht selbst gesehen, kann aber vielleicht aus meinen Erfahrungen einigen Auf- schluss geben. Die Lieferung, in welcher die ,„‚Bryologia europaea‘* die Gattung Physcomitrium erwähnt, erschien 1841, zu welcher Zeit die für den Bau des Peristom’s so instrucliven Längsschnitte der Kapseln noch nicht ausgeführt wurden (Fig. 29— 36. Taf. XXIX.). Aus diesem Grunde blieb auch eine Kapsel mit einem blos in der ersten Anlage fertig gewordenen Peristom als nacktmündig angesprochen, wie Ph. fasciculare noch unter diesem Charakter gegeben ist. 1842 fand ich auf dem Donnersberge ein Physcomitrium, das, mir auf ein Peristom verdächtig, nach meinen Schnitten behandelt auch wirklich ein sehr kurzes Peristom zeigte. Ich glaubte da- mals selbst ein Entostodon gefunden zu haben, oder wenn ich an einen Bastard gedacht hätte, einen solchen von Physcomitrium fascieulare und Funaria hygrometrica vor mir zu haben. Die vergleichende Untersuchung mit dem wahren Physcomitrium fasciculare stellte bald heraus, dass dieses so gut, wie mein vermeintlicher neuer Fund, ein schwach entwickeltes Vol. XXIV. P. I. s2 650 W. Th. Gümbel, Peristom hatte. Wie ich nun zu meinem Fund schrieb: Physcomitrium fasciculare, so glaubte ich die Ueberzeugung haben zu dürfen, den Ba- stard von Bayrhoffer ebenfalls als Physcomitrium fasciculare ansprechen zu können. Damit wäre denn wirklich das einzige nur bekannte Beispiel eines Moosbastardes durchgestrichen. Ich kann diese Blätter nicht schliessen, ohne noch in einigen Sätzen die Aufmerksamkeit der Moosfrucht selbst zugewendet zu haben, obgleich der Bau derselben in so ausgezeichneten Specialabhandlungen, wie Schim- per’s „.Recherches,‘“ Lantzius Beninga’s „‚Analysen,‘“ Hofmeister’s „Untersuchungen,‘‘ auch in unserer „‚Bryologia europaea‘‘ als hinlänglich bekannt und gewürdigt erscheinen mag. Vorerst muss ich nun auf das in Fig. 24. Taf. XXIX gegebene Schema der simultanen und allseitig abgeschlossenen Zellenvermehrung hinweisen. Dieses Schema lässt sich auf eine einfache Weise aus einer Ebene in die Gestalt einer Düte bringen, welche nach dem Schema 2" gestreift oder der Länge nach gefältelt sein kann. Bereits haben wir schon den Er- folg der Befruchtung bis dahin kennen gelernt, wo das Ende der Sete einen neuern Cyklus innerer Gestaltung einzuschlagen beginnt, um eine Kapsel auszubilden. Nennen wir diesen Vorgang die eigentliche Frucht- bildung, so stehe ich nicht an, mit Bridel und Hedwig die Kalyptra als eine Blüthenhülle zu betrachten, unter deren Schirm die Frucht sich erst ausbildet, den Scheiden der Dolden- und Knoterichblätter vergleichbar. Im vollkommen reifen Zustande wirft die Frucht diese ihre Blüthenhülle ab. Das gemeine Leben spricht von Moosblüthen, wenn es die Rasen mit Seten und Früchten besetzt sieht! Sehen wir noch einmal auf die Entstehungsweise der Blätter zurück, wie es schwer hält, zu entscheiden, ob die erste Zelle der jüngsten Blatt- anlage nicht jedesmal scheitelständig war und erst später auf die Seite ge- schoben wurde; bringen wir ferner mit in Anschlag, dass das Blatt nach dem ersten Stadium seiner Ausbildung weniger dadurch wächst, dass das- selbe blos an der Spitze eine Zellenvermehrung durchführt, sondern da- der Vorkeim der Moospflanze. 651 durch seine Hauptausbildung erreicht, dass dasselbe ein basilares Wachs- ihum hat; nehmen wir weiter Bedacht auf die Neigung des Blattes, in Fäl- len eine nicht blos massenhafte secundäre Zellenvermehrung, sondern eine solche eintreten zu lassen, welche auf Sackbildung hinzielt; lässt man ferner nicht unbeachtet, dass es auch Doppelblätter giebt, und erkennt man in den Wimpern einiger Haubenkeime blos mechanisch durch Los- reissen entstandene Zerschlitzung, so liegt eine Ansicht nicht allzufern, welche in der Kalyptra eine Blattbildung zu erkennen glaubt, ohne gerade strenge die Anzahl der Blättichen angeben zu wollen, welche verwachsen wären. Die Modificationen, unter welchen die Haube in verschiedenen For- men und Gestalten und mit verschiedenen secundären Bildungen überklei- det vorkommt, sind allbekannt und in Schimper’s „„Recherches‘‘ zusam- mengestellt. Ist es auch eine allgemeine Erfahrung, dass unter einer Kalyptra sich blos eine einzige Kapsel entwickelt, so sind doch auch denkwürdige Fälle vom seligen Bruch beobachtet worden, die mitzutheilen ich hier Gelegenheit finde, und welche nachweisen, dass die an den meisten Moos- früchten leicht erkennbare Zweiseitigkeit zu Doppelfrüchten führen kann, deren beide Glieder jedes für sich wieder den Kreis ihrer vollständigen Ausbildung durchlaufen. Gehen wir auf das Schema, Fig. 24. Taf. XXIX. zurück, nach welchem sich unter der jungen Haube eine Sete ausbildet, so liegt uns in Fig. 1. Taf. XXIX. ein Fall vor, in welchem an Polytrichum Juniperinum zwei Seten sich entwickelten und später zwei Früchte unter einer gemeinschaftlichen Haube steckten. Diesem Beispiele lassen sich mehrere beigeben, welche aber darin etwas abweichen, dass eine der bei- den Früchte von der andern früher oder später zurückgelassen und da- durch nackt wurde, dabei aber auch nur kümmerlich sich ausbilden konnte. In andern Fällen trat in der Sete erst später eine Zweitheiligkeit ein, und es werden zwei Früchte gleichsam von zwei verwachsenen Seten getra- gen. Von Hypnum pseudoplumosum, Fig. 2. Taf. XXIX., hat Bruch einen * 652 W. Th. Gümbel, solchen Fall abgebildet. In andern Fällen, wie an der Zwillingskapsel von Mnium serratum, Fig. 3. Taf. XXIX., ist die gemeinschaftliche Sete bis zu dem Grunde der beiden Kapseln einfach. In Fig.4. Taf. XXIX. hat uns Bruch eine erstsspäter eingetretene Zwei- theiligkeit kennen gelehrt, indem an Bryum argenteum zwei Kapseln einen gemeinschaftlichen Kapselhals besitzen. In b. ist der Längsdurchschnitt dieses Zwillings mitgegeben. Einen analogen Zwilling beobachtete Bruch an Splachnum vasculosum, Fig.d. Taf.XXIX. Für die abnorme Bildung des einmal an einer Kapsel von Meesia uliginosa, Fig. 8. Taf. XXIX., beobachteten cylindrischen Deckelchens geben die beiden Beobachtungen einmal an der Kapsel von Homalothecium sericeum, Fig. 6. und von Hypnum lutescens, Fig. 7, lehrreichen Aufschluss. Diese beiden letzten Abnormitäten sind deshalb von so entschiedener Bedeutsamkeit, weil beide in ihrem ganzen Bau solche Uebereinstimmung zeigen, als sei etwas Normales dadurch ausgesprochen. Deshalb wollen und müssen wir auch diese Bildung et- was fester in’s Auge fassen. Das Erste, was wir an diesen beiden Bei- spielen zu sehen glauben, ist, als habe sich einer untern, vollständig aus- gebildeten Kapsel eine obere umgekehrt aufgesetzt, so dass die beiden, diesen Kapseln zukommenden Deckelchen als gemeinschaftliches Zwi- schenglied zu betrachten wären, Fig. 7. d. Das Peristom der obern Kap- sel, b., ist dem Peristom der Hauptkapsel ec. gerade entgegengerichtet. Durch die wiederholte Peristombildung zeichnet sich die Region d. offen- bar von dem eigentlichen Kapselraum der Hauptkapsel aus, d.h. in der Peristombildung liegt für die Entwicklung der Moosfrucht eine besondere Stufe der Metamorphose, ein selbstständiger Punct, von dem aus neue Bil- dungen wieder und vorzugsweise nach dem Schema Fig. 24 ausstrahlen. Gehen diese Strahlen nach Oben einmal über ihre normalen Grenzen, so hat ein solcher Ueberschritt seine natürliche Folge; derselbe gewinnt, um sich eben vollkommen herauszustellen, eine gewisse Selbstständigkeit, und führt zu seinem eigenen lebendigen Gegensatz, zu dem Versuche, die Bil- dung eines weiten Kapselraumes zu veranlassen. Diesen Versuch sehen der Vorkeim der Moospflanze. 653 wir in beiden Abnormitäten gleich gelungen. Die verschiedenen Bildun- gen während der Entwicklung einer mit vollkommenem Peristom verse- henen Kapsel bekommen dadurch zwei verschiedene Höhenpuncte. — Ist der Gipfel oder die Spitze angelegt, so haben wir schon wiederholt unter diesem Puncte die Bildungsstätte für eine weitergeführte Organisa- tion entstehen sehen. Der obere Punct kann in normaler Weise nur in dem Gipfel des Deckelchens liegen, und führt die von ihm abhängenden Organe von dem einfach Scheibenförmigen, in das Schaalen-, Napf- und Trichterförmige weiter; während das unter demselben erwachte Leben von markigem Zellengewebe ausgeht, nach Oben seinen Wirkungskreis ge- schlossen sieht und deshalb in die Gebilde sich einlassen muss, welche die blasige Kapsel geben. Es entstehen demnach zwei Regionen, von denen die untere der Sporenbildung dient, während die obere als Deckelchen auftritt, das unter seinem Dache statt der lebensfähigen Sporen Zellenrei- hen blos holzig werden lässt. Diese holzigen Zellenreihen geben unter den mannigfaltigsten Modificationen das Peristom. Wenn wir in den beiden zuletzt betrachteten Abnormitäten nach Oben die Grenze der normalen Bildungen überschritten sehen, so liegt die Frage nicht fern, ob nicht auch Abnormitäten angetroffen werden, in denen die Regionen des Deckels sich nur unvollständig ausbildeten. Diese Frage hat Bruch gleichfalls dadurch mit Ja beantwortet, dass in seinen Zeich- nungen das Bild einer Kapsel von Mnium hornum gegeben ist, und worin kaum eineSpur von einem Deckelchen liegt, Fig. 9. Taf. XXIX. In Fig. 10 derselben Tafel hat Bruch eine Kapsel von Barbula membranifolia ab- gebildet, an welcher sich keine Grenzen zwischen Kapsel und Deckel an- geben lässt. Noch mehr mit dem Charakter einer wahren Phascum- Kapsel giebt Bruch in Fig. I1 das Bild von einer abnorm gebildeten Kapsel an Orthotrichum stramineum. Dagegen hatte eine abnorme Kapsel von Orthotrichum patens zwar ein Deckelchen; allein die normale Aus- bildung des Peristoms war unterblieben, Fig. 12. Diese Abnormitäten, wie solche im Allgemeinen für eine betreffende Entwicklungsgeschichte 654 W. Th. Gümbel, von den lehrreichsten Folgen geworden sind, geben uns Anhaltspuncte, wenn wir einen nur flüchtigen Blick auf die Reihe der in verschiedenen Typen gebauten Moosfrüchte werfen wollen. Da die äusseren Gestaltun- gen der Mooskapsel bereits so vielfach und erfolgreich besprochen sind, können wir unsere Aufmerksamkeit mehr dem innern Bau und hier den Beziehungen zuwenden, in welchen die einzelnen Organe an der Moos- frucht zu einander stehen. Bevor wir jedoch specielle Fälle vornehmen, muss ich noch einmal auf jene zwei Puncte aufmerksam machen, von de- nen der eine der Deckelregion, der andere der Sporenregion zu Grunde liegen. Beide in entgegengesetzter Richtung sich bewegend, haben eine gemeinschaftliche Grenze, wo die Gebilde der einen Region sich in die Gebilde der andern, soweit es angeht, einschieben und damit verwach- sen. An dieser Grenze finden wir nach Innen jene Stelle, an welcher das Peristom dem Kapselrande fest aufsitzt; nach Aussen aber liegt an die- ser Grenze ein oft selbstständig ausgebildetes Organ, das für die reifge- wordene Kapsel von grosser Bedeutsamkeit ist, der Ring. Ich fühle mich genöthigt, ein besonderes Gewicht auf meine Längs- schnilte zu legen, welche ich an den Kapseln vornahm, und welche mir an Anacamptodon splachnoides, Fig. 21bis sowohl, als an der Gattung Neckera, z. B. N. pumila, Fig. 36. Taf. XXIX., zeigten, in welchem Ver- hältniss das Peristom zu den innern Wandungen in der Sporenregion der Kapsel stehe. Schimper’s Erklärung in seinen ‚‚Recherches“‘ ist zu bestimmt, als dass ich hier von derselben Umgang nehmen könnte. Der- selbe sagt Seite 68: ‚Apres la chute de l’opercule on voit, dans un grand nombre de mousses, l’orifice capsulaire couronne par une ou par deux ran- gees de lanceres lanceoldes ou de cils plus ou moins allongees, d’une forme reguliere, d’une couleure souvent tres-vive et d’un nombre toujours determine; la reunion de ces appendices porte le nom de peristome. Le peristome est simple ou double; dans le premier cas il prend presque tou- jours son origine du tissu läche, qui tapisse la fage interne de l’une; et ce n’est que dans un tr&s-petit nombre de cas qu’il forme la der Vorkeim der Moospflanze. 655 eontinuation directe du sporange; quand il est double, la rangee exterieure apparlient toujours A la membrane capsulaire et la rangee inte- rieure au sac sporophore.“* Haben wir in den vorhin erwähnten Längsschnitten auf eine instruc- tive Weise das Verhältniss erkannt, in welchem die Bildung des Peristoms zu der innern Kapselwand und zu dem Sporangium steht, wie dieselbe unmöglich eine directe Fortsetzung des Sporangiums da sein kann, wo eine Höhlung in der Deckelregion scharf abgeschlossen ist von der Höh- lung, in welcher das Sporangium sich ausbildet, so wird man sich auch in den Fällen leicht zurechlfinden, in welchen eine Scheidewand zwischen Deckel- oder Peristomregion und zwischen Sporenregion schon frühzeitig resorbirt worden ist. Das durch die Deckelregion fortsetzende Mittelsäul- chen, welches hier mehr oder weniger sich verdickt, bekommt durch un- sere Ansicht für die Ausbildung des Peristoms eine besondere Bedeutung, indem vom Gipfel desselben die Strahlen, vorzugsweise des innern Peri- stoms, eher auslaufen, als dass dieselben darin erst zusammenlaufend ge- dacht wären. Diese Aenderung in der Ansicht über das Verhältniss des Peristoms zu den tiefern innern Kapselwandungen ist aus objectiver An- schauung hervorgegangen, findet aber in der allgemeinen Entwicklung auch einen Anhaltspunct, von welchem dieselbe a priori hätte abgeleitet werden können. Dabei ist es nicht ausser Acht zu lassen, dass an der Grenze zwischen beiden unterschiedenen Kapselregionen Neubildungen entstehen können, welche unter andern die Bildung des Ringes mit der Bildung der Stomatien in Analogie bringen. Diese hier niedergelegte An- sicht nöthigt uns, die bereits bekannt gewordenen Darstellungen der Pe- ristombildung einer Revision zu unterstellen, bei welcher Linien in’s Auge gefasst werden müssen, die als unwesentlich bei Seite liegen blieben und der Darstellung entgingen. Um nur ein Beispiel zu erwähnen, beziehe ich mich auf das Verhältniss zwischen dem Kopf der Columella in der Pe- ristomregion zu dem Peristom, wie solches in der „Bryologia europaea‘‘ an Anomodon viticulosus durch Fig. 19 und 20 der betreffenden Tafel 656 W. Th. Gümbel, gegeben ist. Eine solche Revision wird dann den Zusammenhang nach- weisen, in welchem beiderlei von Schimper unterschiedene Peristom- bildungen zu einander stehen, jene nämlich, bei welcher das unter dem Deckel liegende Parenchym senkrecht, und jene, bei welcher im Innern bestimmter Zellenreihen holzige Ablagerungen zum Kerne der einzelnen Glieder des Peristoms werden. Zur Gewinnung eines kurzen Ueberblickes über die Verschiedenhei- ten, welche der Bau der Moosfrucht zeigt, könnten wir von der einfach- sten Form ausgehen und zu dem zusammengesetzteren Bau aufsteigen. Ich glaube aber gerade von der Frucht ausgehen zu können, welche der Mooskunde den Namen „‚Bryologia“ gab. Dies ist die Kapsel von Bryum, und ich wähle die von unserm so gemeinen Bryum caespiticium, Fig. 19. A. im Längsschnitte und in ihrer natürlich überhängenden Stellung. Ich habe dieses Beispiel um so lieber gewählt, einmal, weil ich dem Längsdurch- schnitte A. einen Querdurchschnitt B., vom seligen Bruch ausgeführt, und in C. einen Theil des Längsschnittes beigeben kann, welcher letztere in a. zu zeigen scheint, dass die zwischen der Wandung des Sporangiums und zwischen der peripherischen mehrzelligen Kapselwandung verlaufen- den sogenannten Spannfäden von dem Sporangium auslaufen und demnach Gebilde sind, welche von Innen nach Aussen gehen, dem Entwicklungs- organe der Vorkeimfäden vergleichbar. Diese Fäden erscheinen demnach als ein Gebilde, durch welches das Sporangium, zu einer gewissen Selbst- thätigkeit gekommen, in dem peripherischen Parenchym der Kapsel seine Wurzeln liegen hat. Diese Spannfäden kommen dadurch in eine Analogie mit den saftigen, chlorophyllreichen Fäden des Vorkeims. Um aber die Richtung des Wachsthums dieser Fäden recht zu verstehen und deren secundäre Formationen richtig ansprechen zu können, muss man auf die Zeit zurückgehen, in welcher die erste Scheidung zwischen Kapselwand und Sporangium stallfand. In dem Maasse, als diese Scheidung allmälig zu einem Luftraume zwischen Sporangium und Kapselwandung geworden, blieben die dadurch getrennten Organe durch die gleichzeitig sich verlän- ED. der Vorkeim der Moospflanze. 657 sernden Faden in unmittelbarem lebendigen Zusammenhange. Dabei kann die primitive erste Spannzelle, wie sie gegen die Kapselwandung hin sich verzweigt, auch in ihrem Ausgangspuncte zweischenklig werden. Es entstehen die Anastomosen. Diese Anastomose führt aber vorzugsweise gegen die Kapselwandung hin allmälig zu einer wandartigen Auskleidung von gleichsam brutknollenähnlich verdickten Zellen, welche ich nicht an- stehe, als Brutparenchym anzusprechen. Hat dieses Brutparenchym eini- gen Grad von Ausbildung erfahren und ist der Luftraum einmal entstan- den, so geben uns die bereits an verschiedenen Mooskapseln nachgewie- senen Stomata einen Fingerzeig, wie wir das Verhalten der Spannfäden zu der aufgenommenen Luft etwa anzusprechen haben. — Haben wir ein- mal an Bryum die Bedeutung der so saflig grünen innern Wandung des Kapselparenchyms erkannt, so kann diese Wandung ihren direcien Ver- band mit dem Sporangium lösen, und die lebendige Vermittlung geht durch die Basis des Sporangiums, da wo sich die Sete in die Columella fortsetzt. Als ein Beispiel könnte ich in Fig. 19bis Encalypta vulgaris angeben. An dieser Stelle sehen wir sogar bei Funaria hygrometrica, Fig. 20, den lebendigen Verkehr zwischen Columella und dem Kapselgrunde von einer Menge saftiger Spannfäden besorgt, gleichsam als wäre hier das ganze Sporangium mit seinem Mittelsäulchen erst ein secundäres, aus der Verei- nigung von vielen Spannfäden entstandenes Gebilde. Ich habe aber aus einem andern Grunde noch die Kapsel von Bryum gewählt. Dieser Grund liegt in der deutlich ausgebildeten Apophyse. Schimper nennt in sei- nen „„Recherches‘‘ die Sete einen integrirenden Theil der Frucht, der aus dem Markstrange des Stengels Nahrung schöpft, einmal, um die Kapsel zu ernähren, dann aber, zur Bildung der Sporen mitzuhelfen. Für einen grossen Theil von Moosfrüchten, welche einfach gebaut sind, mag die Sete allerdings auch in einfacher Weise ausreichen, die Sporenbildung zur Reife zu bringen; da aber, wo es eine Moosfrucht in der Anlage eines zusammengesetzten Baues zu einer gewissen Selbsiständigkeit und damit zu einer mehr von sich selbst abhängigen Reife, gleichsam zu einer Nach- Vol. XXIV. P. II. 83 658 W. Th. Gümbel, reife gebracht hat, wird diese Nachreife einmal abhängig sein von dem Brutparenchym in unmittelbarer Umgebung des Sporangiums, wie wir es an derKapsel von Bartramia pomiformis, Fig. 18. Taf. XXIX, sehen, — dann aber wird eine solche Nachreife abhängig gemacht von der Parenchym- masse, welche unter dem Grunde des Sporangiums liegt und als eine Vor- rathskammer gelten kann, aus welcher das Sporangium seine Nahrungs- stoffe erhält. Wir könnten die Apophyse deshalb auch den Boden oder Nährgrund des Sporangiums nennen, der sich an vielen Kapseln als eine dritte Zone bemerkbar macht und das Gegenspiel der Deckelzone giebt, welche letztere auch die Trocken- und Zehrstufe der Moosfrucht genannt werden könnte. — An Physcomitrium fasciculare, Fig. 17, um nur bei einem unter den vielen Beispielen stehen zu bleiben, sehen wir die Apo- physe einen grossen Theil der Kapsel bilden. An der Kapsel der Poly- trichen erscheint diese Apophyse gleichsam als eine Vorkapsel. Bei den Splachnen aber hat die Apophyse eine Ausdehnung erhalten, dass dieselbe nicht blos gleiche Grösse mit der eigentlichen Kapsel hat und das Bild von zwei übereinandergesetzten Kapseln entwirft, unserer oben betrachteten Abnormität von Hypnum lutescens, Fig. 7, entfernt vergleichbar, sondern in ihrer Ausdehnung die Grösse und Weite der Kapsel um das Vielfache übertrifft. In Fig. 21 habe ich den Längsschnitt der Kapsel und deren Apophyse von Splachnum vasculosum gegeben. Indem ich gerade dieses Beispiel wähle, möchte ich auf einen entschiedenen Gegensatz zwischen hier und der Kapselbildung an Funaria hindeuten. Wir sehen das Mark der Sete in dieser kuglig erweiterten Apophyse massig verdickt und von Spannfäden und Brutparenchym umgeben, so dass dadurch eine entfernte Aehnlichkeit dieser Apophyse eiwa mit der Kapsel von Bartramia, Fig. 18, entsteht. Sind wir durch einen Vergleich, wie der letztgezogene kaum zu umgehen ist, einer Analogie auf die Spur gekommen, welche die einzel- nen Regionen einer gleichsam mehrstockwerkigen Moosfrucht unter ein- ander haben können, so gewinnt der Vergleich, welcher in der ‚‚Bryolo- der Vorkeim der Moospflanze. 659 gia europaea‘ zwischen dem innern Bau der Sete mit der Kapsel im All- gemeinen aufgestellt wurde, nach welchem der innere Zellenstrang der Sete als Columella, die um diesen Strang liegende Schichte saftiger Zel- len als ein Sporangium und die Rinde der Sete als Kapselwand erschei- nen, eine besondere Bedeutsamkeit für den Bau der Frucht von Polytri- chum. Sehen wir von der kapselähnlichen Apophyse an Splachnum va- sculosum aus auf die Apophyse an Splachnum rubrum, so liegt ein Schirm- sack vor, den wir, etwas zusammengefaltet, in eine Kapsel versetzt denken können, um das Schema für das gefaltete Sporangium in der Kapsel von Polytrichum, Fig. 23, zu erhalten. Die Region, welche an den Splachnen die Sporen trägt, wäre an der Frucht von Polytrichum sehr verkürzt und erschiene etwa als der von dem so ganz absonderlich gestalteten Peristom gebildete Ring, welcher, zum Theile in Fig. 26 und Fig. 27. Taf. XXIX gegeben, sich mit Fig. 25 vergleichen liesse, wo das in der „‚Bryologia europaea‘ von einer stark verwitterten Kapsel von Encalypta rhabdocarpa entworfene Bild vorgelegt ist. Mag es auch allerdings etwas gewagt er- scheinen, in der Kapsel von Polytrichum die Apophyse zu einer solchen Stufe der selbstständigen Ausbildung erheben zu wollen, dass in ihr der Schirm von Splachnum rubrum als das Sporangium erscheint, so konnte ich doch diese Idee nicht unausgesprochen bei Seite liegen lassen. Ich konnte dies um so weniger, als schon oben in der Deckelregion im Allge- meinen die Kapselbildung statt zur Entwicklung von Sporen zur Ausbil- dung trockener Wandungen schreitend angesprochen wurde. Dieser hier niedergelegten Idee liegt das Object zum Grunde, welches als Längsschnitt der verschiedenen Kapseln zeigt, dass in jeder Region ein eigener Aus- gangspunct liegt, der seine peripherischen Entwicklungen von den ent- sprechenden der andern scharf begrenzt. Haben wir einmal das richtige Verhältniss erkannt, in welchem die Wandungen in der Sporenregion zu einander selbst stehen, und wie das Peristom in der Deckelregion keine unmittelbare Fortsetzung der Wandungen aus der Tiefe des Sporangiums sein kann, und nur in anderer Weise als analog mit solchen zu betrachten “ 660 W. Th. Gümbel, ist, so sind wir auch jetzt noch nicht auf dem Puncte angekommen, von welchem aus der morphologische wie physiologische Zusammenhang aller Glieder der Moosfrucht in deren mannigfaltigen Modificationen klar zu über- schauen wäre. Indem ich die obige Idee wirklich aussprach, wollte ich nicht mehr als einen Höhenpunet andeuten, welcher eine schöne Aussicht verspricht, sobald die Analyse ihr Augenmerk diesen Linien zuwenden wird. Ohne dies Thema hier vollkommen erschöpfen zu können, und um nur einen wichtigen Punct weiter fester in’s Auge zu fassen, lege ich neben das Schema Fig. 24 die Querschnitte der Kapseln von Encalypta vulgaris, 19bis, von Bryum caespiticium, Fig. 19. B, den Durchschnitt in der Deckel- region von Hypnum velutinoides, Fig. 37, ferner den Verschluss der ent- deckelten Kapsel von Hymenostomum, Fig. 28. — Liegen diesen Quer- schnitten noch einige Längsschnitte bei, wie solche von Anoectangium aestivum, Fig. 30, von Stylostegium caespiticium, Fig. 31, von Grimmia anodon, Fig. 29, von Dieranum spurium, Fig. 32, von Dieranum pellu- cidum, Fig. 35, von Racomürium fasciculare, Fig. 33, von Leucodon sciuroides, Fig. 34, von Neckera pumila, Fig. 36, und zuletzt von Ptery- gophyllum lucens, Fig. 22, so mag wohl eine Analogie zwischen den se- eundären Bildungen, welche in der Deckelregion zu dem Peristom führen, und zwischen den Wandgebilden in der Sporenregion zu erkennen sein; ohne aber, dass von einer unmittelbaren Fortsetzung der letztern in das Peristom die Rede sein kann. Was aus der Sporenregion in die Deckel- region fortisetzt, ist eine gemeinschaftliche Mittellinie, das Säulchen. Von der hochorganisirten Frucht des Bryum caespitiecium sind wir durch einige Glieder der mannigfaltigen Modificationen hindurchgegangen, um zu erfahren, wie die einzelnen Entwicklungsknoten, welche in der Sete liegen, den Stufenbau der Moosfrucht durchführen. Wie wir zu complieirten Formen aufsteigen konnten, so könnte auch von Bryum cae- spilicium aus herabgestiegen werden zu der so einfachen Frucht der Pha- scaceen. Eine bei einem solchen Gange gezogene Linie könnte über der Vorkeim der Moospflanze. 661 Physcomitrium fasciculare, Fig. 17, Gymnostomum curvirostre, Fig. 16, Hymenostomum phascoides, Fig. 15, Voitia nivalis, Fig. 14, Acaulon tri- quetrum, Fig. 13, zuletzt zu Ephemerum serratum, Fig. 12, führen. In Ephemerum serratum ist uns eine Moosfrucht vorgelegt, welche das Sporangium als eine einfache Blase zeigt. Was wir an diesem Spo- rangium noch als eine Columella erkennen, ist der stielartige Fortsatz in den Scheitel der äussern Kapselhaut: im Innern desselben ist jede Spur eines etwa früher dagewesenen Mittelsäulchens verschwunden; man sagt, dies sei in Folge stattgehabter Resorption geschehen. Es bleibt uns aber auch noch erlaubt, die Frage zu stellen, ob ein solches Mittelsäulchen in der ersten Jugend hat vorhanden sein müssen. Dabei hindert uns nichts, die Frucht auf das Stadium des Archegoniums zurückversetzt zu denken. Das Mark der aus dem Archegonium entstandenen jungen Frucht kann sich dann von dem Innersten aus in Mutterzellen ausgebildet haben, ohne dass eine centrale Zellenmasse vorerst eine Mittelsäule hätte bilden müs- sen. Bei Funaria hygrometrica sehen wir ja auch an der Stelle eines Mittelsäulchens unterhalb des Sporangiums ein lockeres Zellgewebe von Brutparenchym. Ist der Bau der Kapsel von Ephemerum serratum höchst einfach, so ist die Kapsel von Archidium phascoides in der Weise noch einfacher, dass die Kapselhaut unmittelbar die so auffallend grossen Spo- ren einschliesst, ohne dass ein eigenes Sporangium vorhanden ist. — Die Frucht von Archidium phascoides ist noch in einer andern Beziehung ausgezeichnet. Während es eine allgemeine, durch die Beobachtung nach- gewiesene, Thatsache ist, dass sich in den Mutterzellen regelmässig vier Sporen ausbilden, entwickelt sich an Archidium phascoides in jeder Mut- terzelle blos eine einzige, aber auch eine ausserordentlich grosse Spore. Wenn ich gerade nicht sagen will, dass das Innere einer Archidium- Kapsel aus einer Menge einsamiger Sporangien gebildet wäre, so kann ich dennoch die Idee nicht so ganz zurückdrängen, als habe man es in der Archidium-Spore mit einer Bulbillenbildung zu thun. Angestellte Keimversuche mit diesen Archidium-Sporen sind, meines Wissens, noch 662 W. Th. Gümbel, zu keinem positiven Resultate gekommen, und es scheint, als müsste die ganze Kapsel erst auf dem freien Grunde eine Nachreife ihrer Sporen durchmachen, bevor diese wirklich keimen. Es liegt die Möglichkeit noch vor, dass die Archidien-Spore in sich erst eine Zellenverjüngung durch- mache und mehrzellig werde, ehe die Keimfäden auslaufen. In den Er- scheinungen der keimenden Spore von Phascum bryoides, Fig. 1. Taf. XXVII, haben wir einen, wenn auch nur schwachen Anhaltspunct für diese Ver- muthung, als müsse die Spore von Archidium zuerst, der aus mehreren Zellen bestehenden Spore von Pellia epiphylla ähnlich, im Innern mehr- zellig werden, bevor sie die ersten Haarwürzeichen treibt. Die Bedin- gungen zu dieser innern selbstständigen weitern Ausbildung der Archi- dium-Spore, ehe sie wirklich zu keimen beginnt, mögen schwer durch Kunst zu geben sein, da der Austritt aus der Frucht der Spore erst dann naturgemäss erfolgt, wenn die Kapselhaut durch Fäulniss zerstört worden ist. Wenn an der Frucht von Ephemerum serratum höchstens nur von einem rudimentären Mittelsäulchen die Rede sein kann, so haben wir an Acaulon triquetrum, Fig. 13. Taf. XXIX, ein sehr stark entwickeltes Mittel- säulchen. Die noch blos aus einer einfachen und geschlossenen Sporen- region bestehende Moosfrucht ist dadurch schon von etwas zusammenge- seizterer Organisation. An der Gattung Astomum haben wir dem äussern Ansehen nach schon eine Deckelregion, und namentlich ist dies an Pha- scum bryoides der Fall, wie sich die Kapsel von Bruchia vogesiaca nach oben in ein scheinbares Deckelchen zuspitzt, oder wie die Kapsel von Voitia nivalis, Fig. 14. Taf. XXIX, eine Grenze hat zwischen Deckel- und Sporenraum. Mit der Kapsel von Hymenostomum tritt eine wirkliche Trennung der Deckelregion von der Sporenregion ein, die Sporenregion ist aber noch die bestiimmende und nach abgeworfenem Deckel noch durch ein Häutchen geschlossen, Fig. 15 u. 28. Taf. XXIX, während ein solcher Schluss bei Gymnostomum curvirostre, Fig. 16, von dem Deckelchen mit- genommen wird, sobald dasselbe von der reifen Kapsel sich loslöst. Bei der Vorkeim der Moospflanze. 663 Physcomitrium fasciculare, Fig. IT, hat sich ein höher organisirter Schluss an dem Kapselmunde auszubilden begonnen, wie zuletzt das Peristom überhaupt nach abgeworfenem Deckelchen die reife Frucht so lange noch geschlossen hält. als die feuchte Luft es hindert, die Sporen dem Winde preiszugeben, damit fern von dem Mutterstocke aus einer Saat eine junge Generation erwachse, während der Mutterrasen in seinen vegelativen Glie- dern und durch Brutgebilde von mancherlei Art befähigt ist, eine junge Generation in mehr unmittelbarer Nähe zu erziehen. Indem ich diese kurzen Linien schliesse, welche ich durch die Ent- wicklungsgeschichte der Moospflanze zu ziehen versucht habe, welchen Linien der Vorkeim auf so verschiedene Weise innig verwebt ist, muss ich es mir vorbehalten, den Vergleich weiter zu ziehen, sobald es mir ermög- licht sein wird, die angedeuteten und nothwendig gewordenen Revisionen vorzunehmen und die Untersuchungen auch auf Typen auszudehnen, welche der europäischen Flora fehlen und mir auch nicht zu Gebote stehen. Ich würde es sogar nicht unternommen haben, diese Blätter dem Publikum vorzulegen, wenn ich nicht von Männern der Wissenschaft auf- gefordert worden wäre, diese kurze Zusammenstellung zu machen, welche noch so unendlich Vieles unerörtert lassen und da zurückbleiben muss, wo es stärkeren Kräften bereits gelungen ist, tiefer in den Geist und Sinn der wahren Wissenschaft einzudringen. Wenn ich bei dieser Gelegen- heit einige so denkwürdige Beobachtungen des seligen Bruch zur Sprache brachte, so geschah dies, um öffentlich vor aller Welt zu bekennen, dass ich wisse dankbar zu sein, und dass ich um keinen Preis von Erfahrungen hätte sprechen wollen, die von diesem Manne zuerst ausgingen und dann auf eine bequeme Weise sich bestätigen lassen. 664 Fig. Fig. Fig. Fig. "gu. 11 W. Th. Gümbel, Erklärung der Tafeln. Tafel XXVIH. Keimversuche Bruch’s an Equisetum palustre. In b und e nach ab- geworfener Sporenhaut verjüngen sich die Zellen in gedrungener Weise. Keimversuche Bruchs’s an Osmunda regalis bis zur Bildung eines laubartigen Vorkeims in d. Keimende Sporen von Pottia Heimii nach einer doppelten Richtung, welche die Keimfäden einschlagen. . bis Keimende Sporen von Plagiothecium piliferum in zwei verschiedenen Stadien der entwickelten Keimfäden. Keimende Sporen von Mnium cuspidatum. Eine keimende Spore von Bartramia pomiformis. Keimende Sporen von Bryum inclinatum. Keimende Sporen von Phascum bryoides, welche unter der Sporen- haut schon eine Zellenvermehrung eintreten lassen. Der Vorkeim von Pottia truncata, bestehend aus zweierlei Zellen- gliedern. 10. Glieder eines weiter bis zu Keimpflänzchen fortentwickelten Vor- keims desselben Mooses. In Fig. 10 entlässt das Keimpflänzchen «a eine Wurzel. zeigt einmal den Uebergang aus schräggegliederten Fäden in gerad- gegliederte Vorkeimfäden, dann das Brutpflänzchen mit dünnen Wür- zelchen. 12 u. 13. Zwei Keimversuche Bruch’s an Hypnum rutabulum L, von 14. denen der erste das Brutpflänzchen seitenständig, der zweite ein sol- ches am Ende einer gedrungenen Zellenreihe trägt. Ein Keimversuch Bruch’s, welcher zeigt, wie die Endzellen ein- zelner Fadenglieder kuglig anschwellen an Bryum inclinatum. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. der Vorkeim der Moospflanze. 665 Ein aus einem grössern zusammenhängenden Ganzen genommener Theil einfacher Pflänzchen von Ephemerum serratum, in welchem mehrere solche sowohl Antheridien- als Archegonienpflänzchen unterirdisch zu- sammenhängen. A ein Pflänzchen mit schon reifer Frucht, B eine Antheridienblüthe, C eine Archegonienblüthe, « Haftwürzelchen, b Vorkeimfäden, welche in B und C die Stelle von Blättchen einneh- men, d Brutknollen; m die Stelle, wo der Verband mit einem grös- sern Complex gelöst ist. Der fruchtbare Vorkeim von Ephemerum pachycarpon. A fertiges Pflänzchen mit vollkommen ausgebildeter Kapsel, B Antheridienpflanze, C büschelig gestellte Vorkeimfäden, D eine in einen sterilen, blos Haftwürzelchen und wieder kleinere Knöllchen tragenden Brutknollen endende Vorkeimwurzel, welche, als secundär, von dem Grunde des Pflänzchens A ausläuft; «a Haftwürzelchen, b Strebewurzeln, c kleine Brutknöllchen; m die Stelle, an welcher der Verband mit einem grös- sern Complex gelöst ist. Der Wurzelstock eines sich verjüngenden schon älteren Rasens von Pottia truncata. A ein altes Pflänzchen, welches auf einer von einem noch ältern Pflänzchen kommenden Wurzel m gestielt aufsitzt, die Wurzel n entlässt, um auf dieser eine jüngere Pflanze B entstehen zu lassen, zugleich aber auch eine neue Strebewurzel o entlässt, welche sich in 0’ verzweigt, um daselbst einestheils einen mit Haft- würzelchen versehenen Brutknollen zu tragen, anderntheils sich in Haft- würzelchen (a) aufzulösen; b Strebewurzeln aus dem Grunde des Sten- gels der jüngeren Pflanze B, b’ eine Wurzel aus dem Rücken eines Blattes dieser jungen Pflanze, welche in ihrem Höhenwuchs nicht ausgezeichnet ist. Wurzelstock von Pleuridium alternifolium aus einem älteren Rasen. Die von einem alten Pflänzchen kommende Wurzel m erzeugt eine junge Pflanze, welche Strebewurzeln und Haftwurzeln entlässt. Erstere gehen entweder indirect in die Bildung von Brutknollen ein, oder erzeugen diese unmittelbar auf ihrem Gipfel, werden blos kurze Stiele. Fehlen diese Stiele, so erscheinen die Brutknollen dem Stengel un- mittelbar aufsitzend und erscheinen selbst in den Blattachseln. Eine Wurzelbrut von Dieranum montanum. Vol. XXIV. P. Il. 54 666 W. Th. Gümbel, Fig. 20. Ein Theil der Filzwurzel von Dicranum scoparium; a ein Laubge- bilde, das sich in Vorkeimfäden b weiter entwickelt; ce bogig ge- krümmte feine eigentliche Wurzelfilz-Zäserchen. Fig. 21. Der Stock von Buxbaumia aphylla mit seinem Schimmelfäden ähnli- chen Wurzelfilze d, welcher stellenweise Vorkeimfäden b treibt und nackte kuglige Antheridien (ec) trägt. Fig. 22. Der Stock von Tetrodontium Brownianum mit der Fruchtpflanze A, Antheridienpflanze B, dem laubigen Blattgebilde C, von welchem das eine Glied in der Mitte zu einem Knoten verdickt ist, der Wurzel- zäserchen treibt. In D erscheinen Brutknollen auf den Wurzeln. Fig. 25. Ein Stock von Schistostega osmundacea mit fruchtbaren und sterilen Trieben. Fig. 24. Ein gelapptes Blatt von Barbula subulata und Fig. 25 ein zweispitzi- ges Blatt von Bryum capillare. Beide vom seligen Bruch beob- achtet. Fig. 26. Blatibrut von Orthotrichum obtusifolium in verschiedenen Graden der Entwicklung und Bildung eines Vorkeims; f ein keimendes kleines Blättchen dieses Mooses; g ein Wurzelglied, welches ähnliche Brut- gebilde erzeugt, wie solche auf den Blättern entstehen. Fig. 27. Brutblättchen an den sogenannten Pseudopodien von Aulacomnium androgynum. Fig. 28. Solche Brutblättchen von Aulacomnium palustre von denen ce Wurzeln getrieben hat, Brutknollen und ein Brutpflänzchen trägt. Fig. 29. Das Stück einer Wurzel von Polytrichum urnigerum, in dessen ober- flächlicher Verzweigung Vorkeim und Brutpflänzchen in natürlicher Grösse. Fig. 30. Die Antheridie von Polytrichum mit blattähnlich endenden Paraphysen. Fig. 31. Aus der Antheridienblüthe von Pferygophyllum lucens der Uebergang der Hüllblättchen in Paraphysen und deren Annäherung zur Gestalt eines Antheridiums. Fig. 31bis Blüthenbau von Amblyodon dealbatus, welcher einen Wechsel zeigt von getrennten und vereinten Antheridien- und Archegonienblüthen. Neben den eigentlichen Paraphysen erscheinen unterhalb der Blüthen am Stengel paraphysenähnliche Fäden, welche in dem Maasse an Grösse abnehmen, als sie tiefer unter den Blüthen vorkommen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. : Fig. Fig. Fig. 32. 38. 34. 36. 19 der Vorkeim der Moospflanze. 667 Pottia erinita mit Antheridien am Stengel und Antheridienblüthen auf den Wurzeln. Eine Antheridienblüthe von Bryum capillare, vom seligen Bruch dar- gestellt, um das Verhältniss zu zeigen, in welchem der Markstrang des Stengels zu den Antheridien steht. Die Archegonienblüthe desselben Mooses, gleichfalls vom seligen Bruch, um das Verhältniss zu zeigen, in welchem der Markstrang des Stengels zu den Archegonien steht. . Ein Längsschnitt an Mnium hornum vom seligen Bruch, um den unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Markstrange des Stengels und der Sete zu zeigen. Die Narbe von Barbula muralis, bedeckt mit einer schleimig körnigen Materie, in welcher einzelne kleine grüne Zellenreihen eine Art Vor- keimbildung darstellen, bei 500maliger Vergrösserung. . Die Vegetationsweise von Pottia subsessilis. 38. . Die Vegetationsweise von Barbula subulata. Die Vegetationsweise von Dicranum gracilescens. . Die Vegetationsweise von Tremalodon brevicollis. . Die Vegetationsweise von Trichostomum pallidum. . Brutpflanzen von Fissidens tazxifolius. . Ein Stück des Hauptstengels von Octodiceras julianum. . Von Plagiothecium pulchellum ein entblätterter Stengel, der die Blü- thenknospen als Brutpflänzchen aus dem Wurzelfilze trägt. . Ein aus dem Wurzelfilze erwachsenes gleichsam gipfelblüthiges Anthe- ridienpflänzchen von Heterocladium Kurri. Tafel XXIX. Zwei Kapseln mit eigenen Seten unter einer Haube von Polytrichum Juniperinum, vom seligen Bruch beobachtet. Eine Zwillingskapsel von Hypnum pseudoplumosum; Fig. 3 eine solche von Mnium serratum; Fig. 4 eine solche a mit Längsdurchschnitt b von Bryum argenteum; Fig. 5 eine solche von Splachnum vascu- losum, alle vom seligen Bruch beobachtet und abgebildet. Eine merkwürdige Zwillingsbildung an der Frucht von Homalothe- cium sericeum. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. W. Th. Gümbel, Eine solche von Hypnum latescens, a; b stellt die der Hauptkapsel (e) gleichsam umgekehrt aufgesetzte zweite Kapsel dar, und d ist das Mittelstück. Es sind dies Copien von Bruch’s Zeichnungen. Eine abnorme Kapsel von Meesia uliginosa mit cylindrischem Dek- kelchen. Eine abnorme Kapsel von Mnium hornum, mit kaum einer Spur von einem Deckelchen. . Eine solche von Barbula membranifolia. . Eine vollkommen deckellose Kapsel von Orthotrichum stramineum. . Eine Kapsel von Orthotrichum patens mit unvollkommen ausgebildetem Peristom. Diese mit allen vorhergehenden vom seligen Bruch beob- achtet und abgebildet. Eine reife Kapsel von Ephemerum serratum aufgeschnitten, zeigt das Sporangium die Sporen entleerend. . Durchschnitt der Kapsel von Acaulon triquetrum mit starkem Mittel- säulchen. . Durchschnitt der Kapsel von Voitia nivalis. . Durchschnitt der Kapsel von Hymenostomum phascoides. . Durchschnitt der Kapsel von Gymnostomum curvirostre. . Durchschnitt der Kapsel von Physcomitrium fascieulare. . Durchschnitt der Kapsel von Bartramia pomiformis. . Die Kapsel von Bryum caespiticium im Längsschnitte A, im Quer- schnitte B, in denen a Fäden des Brutparenchyms zwischen Sporan- gium und Kapselwand, b die Auskleidung der Kapselwand mit chloro- phyllreichen Brutparenchymzellen, e den Raum der Sporen und d die Columella darstellen. C stellt einen Theil des Längsschnittes der Kapsel in stärkerer Vergrösserung dar. 19bis Längs- und Querschnitt der Kapsel von Encalypta vulgaris. 20. 21. Der Längsschnitt der Kapsel von Funaria hygrometrica. Der Längsschnitt der Kapsel von Splachnum vasculosum. 2Ibis Der Längsschnitt der Kapsel von Anacamptodon splachnoides. 22. 23. 24. Der Längsschnitt der Kapsel von Pterygophyllum lucens. Der Längsschnitt der Polytrichum- Kapsel. Das allgem. Schema der Zellenvermehrung in concentrischen Schichten nach den Zahlenverhältnissen 2, 4, S, 16, 32 etc. überhaupt nach ?n. Tab. 26 Lithnst AKL.CAc.dNv Henry& Cohen m Bonn. m nn en rum nihel.. gez. von. Th. Gi nach derNatın. &. auf Stem - | Tab. 29, N I) yes REF Enr a naar nach derNate.ız. auf Item. Sez.v. Th. Crwhel k 4 U NAT HIST.N.S | RT VEREIN . 29. der Vorkeim der Moospflanze. 669 . 25. Eine verwitterte Kapsel von Encalypta rhabdocarpa. . 26 u. 27. Bildungen des Peristoms an der Kapsel der Polytrichen. . 28. Die entdeckelte Kapsel von Hymenostomum. Längsschnitt der Kapselmündung von Grimmia anodon, mit einem nur erst kaum einzelligen Ansatz . Ein solcher Längsschnitt von . Ein solcher Längsschnitt von . Ein solcher Längsschnitt von Ein solcher Längsschnitt von . Ein solcher Längsschnitt von . Ein solcher Längsschnitt von . Ein Längsschnitt des Kapselmundes von Neckera pumula, mit der zur Peristombildung. Anoectangium aestivum. Stylostegium caespiticium. Dieranum spurium. Racomitrium faseiculare. Leucodon sciuroides. Dieranum pellucidum. Trennung des untern Kapselraumes von dem Deckelraume. velutinoides Br. . Der Querschnitt durch den Deckel einer jungen Kapsel von Hypnum u sornhuwwoll ab into ob memsubdnde ala sag nov' Issdhl Aalmalliurı9r sold Re ‘ T darin ab, laandl 1b ie emolerıaT aob naganbidl IE odEi; ” “ emolanmil nor lsageil Biladsobinn. id BE Bi ums Kin nohsem nimm) aov ganbaimlongail ob Hinlsaugakl 2e E ‚aenblidmolsiısT. ir. sau A ogillosuis mund la swunilean mmimems bh, muy I isılategn I ssdslos al ‚6 es he er ar i ddamsgnü.l ll wi ie \ aur Nindseaunnd mdalor Bid ER hirur une wi or Hinkiksunnt asıfnloa id BE heine wübersedk may 1itdeeiguu Telalon ni SEE: well ai vv tiiddnezaned ndoloe il AR a re ee nrden uhr ig Ih j ner. % arımlarae il il 2b sauer 7 | ter lokal u dos ideen) a ‚sb u sohn » ÜBER KRANKHAFTE KNOCHEN VORWELTLICHER THIERE. MIT 1 STEINDRUCKTAFEL. DER AKADEMIE ÜBERGEBEN DEN 22. MÄRZ 1854. Indem ich die Beschreibung krankhafter Knochen sowohl von Höhlenbären (Ursus spelaeus) aus dem anatomischen Museum der Universität Bonn, als auch von einigen andern vorweltlichen Thieren, welche in den mir zu- gänglichen anatomischen Sammlungen vorgefunden worden sind, zu einem Ganzen zusammenzufassen suche, glaube ich hiermit keinen ganz unwill- kommenen Nachtrag zur Paläontologie zu liefern. Die Gegenden, in welchen die hier zu besprechenden fossilen Thier- knochen sich vorfinden, sind bekanntlich die Kalksteinhöhlen verschiedener Länder. Die Knochen des Höhlenbären unserer Sammlung sind aus der Höhle zu Sundwich, bei Iserlohn in Westphalen, entnommen und ur- sprünglich mit mehreren gesunden Knochen des Höhlenbären, der Hyäne etc. daselbst von einem eifrigen Geologen, Herrn Sack, aufgefunden worden. Zähne, insbesondere vom Bären und der Hyäne, waren in gros- ser Anzahl vorhanden, was leicht erklärlich ist, weil sie theils der Ver- witterung unter allen Knochen am meisten widerstehen, theils weil sie nicht, wie diese, von den spätern Bewohnern dieser Höhlen benagt und verzehrt werden konnten. Das Nähere über die paläontologischen Ver- hältnisse der Höhlen von Westphalen überhaupt sehe bei Nöggerath, in Karsten’s und v. Dechen’s Archiv 1846. S. 328. Eine andere ausser der Sundwicher Höhle an solchen fossilen Kno- chen sehr reiche Höhle ist bekanntlich die von Muggendorf, früher von Rosenmüller und Goldfuss beschrieben. Letzterer erwähnt in seiner Beschreibung der Knochen der Muggendorfer Höhlen folgendes, zur patho- logischen Anatomie Gehörendes (s. d. Schrift: Die Umgebungen von Mug- Vol. XXIV. PL. 85 674 Mayer, gendorf. Erlangen 1810. S. 276): „Dass diese Thiere vom Raube lebten, zeigen die zuweilen abgeschliffenen Flächen der Backenzähne und die öfters abgebrochenen Spitzen der Fangzähne. Auch geben die ge- fundenen pathologischen Knochen zu erkennen, dass sie bei heftigen Kämpfen oder andern Zufällen verwundet wurden. Esper giebt (Tab. 14. F. 2) die Abbildung eines Hüftknochens, welcher Spuren eines Bru- ches zeigt, den ein Callus wieder verband. Ich besitze einen Schädel, bei welchem die rechte Hälfte des Hinterhauptbeines und besonders des Knochenwulstes der Lambdanaht dermaassen zusammengedrükt ist, dass sich an dieser Stelle eine Vertiefung zeigl und der Knochenwulst mehr an das Hinterhauptloch herabgeschoben ist.‘ Ueber diese kurze Erwähnung eines pathologischen fossilen Kno- chens, welche beiEsper (s. dessen: „‚„Ausführliche Nachrichten von neuent- deckten Zoolithen unbekannter vierfüssiger Thiere. Nürnberg 1774)“ sich findet, noch Folgendes. Esper beschreibt an der untern grössern Hälfte des Oberschenkel- beines vom Höhlenbären und zwar an dessen oberem abgebrochenen Ende ein Osteosarcoma des Knochens. Es scheint hier aber blos eine nicht ge- heilte Fractur des Oberschenkelbeines mit Nekrose stattgefunden zu haben. In den ‚Phil. Transactions, 1794. 1.2.‘ werden von John Hunter („,‚Observations on the fossile Bones.‘“) zwei Schädel aus der Gailenreuther Höhle beschrieben, die aber ohne bemerkbare krankhafte Beschaffenheit waren. In den „‚Phil. Transactions, 1823. S. 78° befindet sich die Beschrei- bung der fossilen Knochen, gefunden in den Höhlen von Creston, verfasst von Whidby und Clift (,,‚On some fossile Bones discovered in caverns in the Limstone-Quarries of Creston‘‘). Whidby glaubt, dass keine dieser 7—9 Höhlen das Ansehen habe, jemals eine Oeffnung nach der Oberfläche des Bodens gehabt zu haben. Es finden sich vor: 1) Knochen von Carnivoren, insbesondere denen der Hyäne, sodann denen des Wolfes und Fuchses. Merkwürdig hatte aber jedes dieser Raubthiere eine be- über krankhafte Knochen vorweltlicher Thiere. 675 sondere Höhle, wie es auch noch jetzt geschieht, für sich eingenommen und bewohnt, die ganz entfernt, obwohl damit in offener Verbindung, lag von der Höhle, worin die Knochen beider andern vorkamen. In der Höhle der Hyänen waren auch Knochen an den Wänden angeheftet. Letzteres möchte daher gegen Whidby auf eine frühere Oeffnung dieser Höhle nach oben schliessen lassen. Auch sagt ja Whidby selbst .‚The top of this cavern is closed up with stone rubble.‘“ 2) Knochen von pflanzen- fressenden Säugethieren, welche überall zerstreut liegen. 3) Zähne von beiden, und 4) einige Muscheln aus der Familie der Ostracea (Ausnahme?). Von krankhafter Beschaffenheit der Knochen wird blos erwähnt: der Metacarpus eines Ochsen, welcher durch vorhergehende Entzündung auf- getrieben und mit Exostosen besetzt war; und der Unterkiefer eines jun- gen Wolfes, in welchem ein Abscess auf beiden Seiten grosse Sinus und Veränderung des Gewebes hervorgebracht hatte. (S. ‚‚Phil. Transact. 1823. Plat. VII. Fig. 1, 2 u. 3.“) Bei Cuvier, in dessen „‚Recherches sur les ossemens fossiles und sur les ossemens du genre de l’ours. Mus. d’hist. nat. T. VII. p. 301“ scheint nur ein Fall eines krankhaften oder vielmehr blos fracturirten und wieder schief geheilten Knochens vorzukommen, welchen Cuvier aber selbst nicht als solchen hervorhob. Es ist ein Oberschenkelbein von Ano- plotherium commune, Fig. 94. Tab. XXV, an welchem ein Bruch in der Gegend von h, wo auch der gebrochene Knochen wegen schiefer Heilung vorsteht, stattfand. Sömmering hat uns in den „‚Nova Acta Acad.L.-C. P. VIH. Heft 1“ die Abbildung des Schädels einer Hyäne mitgetheilt, an welchem eine Wunde vollkommen geheilt erscheint, was um so interessanter ist, da grössere Schädelwunden selbst unter günstigern Umständen, als solche der Aufenthalt in dergleichen Kalk- und Tropfsteinhöhlen darbietet, öfters ungeheilt und Zeitlebens offen bleiben. Unser paläontologisches Museum zu Poppelsdorf enthält ebenfalls einen pathologischen Schädel der Hyaena spelaea aus der Sundwicher 676 Mayer, Höhle. Am Arcus supereiliaris der rechten Seite ist der Processus juga- lis ossis frontis zerstört, cariös und in eine Exostose aufgetrieben. Einen reichen Fund von fossilen Knochen, insbesondere auch von pathologischen des Höhlenbären und der Hyäne, hat uns Dr. Schmer- ling grösstentheils aus den Höhlen von Goffontaine bei Lüttich aufbe- wahrt in seinem reichhaltigen Museum fossiler Knochen, wovon ich nach- her die merkwürdigsten Stücke besonders anführen und beschreiben will. Von andern in neuerer Zeit entdeckten Knochen ähnlicher Höhlen in Frankreich, England (Hirkland) und Amerika ist mir keine Notiz, in Betreff des Fundes pathologischer Knochen, zu Gesichte gekommen. Ich gehe nun zur nähern Angabe der fossilen pathologischen Kno- chen des Höhlenbären unseres anatomischen Museums zu Bonn über. Beschreibung der Abbildungen Taf. XXX. Alle Abbildungen sind 4, der natürlichen Grösse. Die auf dieser Tafel (Tab. XXX) dargestellten pathologischen Knochen beziehen sich auf Knochenkrankheiten des Höhlenbären. Aus unserer Sammlung krankhafter fossiler Knochen habe ich die bemerkenswertheren Fälle ausgewählt. Die Sammlung selbst ist, wie erwähnt, von Herrn Sack, dem damaligen Bergwerks-Eleven in Bonn, welcher dieselben in den Gruben Westphalens, besonders in der Höhle von Sundwich hat aus- graben lassen, von mir für unser Museum erworben worden. Es sind diese Knochen, die Zeugen einer vorsündfluthlichen Zeit, so wie ein von Herrn Sack aus passenden Knochen zusammengesetztes Skelett von Herrn v. Walther, meinem mir unvergesslichen früheren Collegen, und von mir damals sogleich näher untersucht worden. Nach Austausch unserer Mei- nungen über die Natur und Ursache der krankhaften Beschaffenheit (Osteo- dysmorphosis) dieser Knochen, gab mein hochberühmter College in seiner und v. Gräfe’s Zeitschrift („,v. Walther’s und v. Gräfe’s Journal für Chirurgie im VII. Bande, S. 1—16. Ueber das Alterthum der Kno- chenkrankheiten‘‘) eine mit geistreichen Bemerkungen verbundene Be- "01. 24.P.2. Tab. 30. Lilli Inst AK LE. Acd N v Henry& Cohen m Bontı über krankhafte Knochen vorweltlicher Thiere. 677 schreibung dieser Knochen, welche nachzulesen wir den geneigten Leser bitten müssen. Phil. v. Walther, ein Mann, welcher über mein Lob erhaben da- steht, zuerst mein verehrter Lehrer, dann als Amtsgenosse mein Freund, war unter Chiron’s Nachfolgern vielleicht einer der Vorzüglichsten und er war nicht minder zugleich ein Verehrer Plato’s. Ich beklage noch immer, dass er, für uns und die Wissenschaft zu früh, ein Opfer der Unsi- cherheit und Ungewissheit unserer ärztlichen Kunst, einer heimtückischen Krankheit erlegen ist. Friede seiner Asche! Die Beschreibung solcher anatomischen Präparate bleibt jedoch ohne beigefügte Zeichnungen immer mangelhaft und dunkel. Zuerst will ich nun die hier gezeichneten Fälle unserer pathologisch - fossilen Knochen beschreiben, dann auch über die übrigen krankhaften fossilen Knochen unserer Sammlung reden; endlich kann ich nicht umhin, auch einen der- artigen krankhaften Knochen von Ursus spelaeus aus der Collection des Prof. Schmerling in der sechsten Figur in einer Abbildung beizufügen. Fig. 1. Diese Abbildung stellt den Oberschenkel eines erwachsenen und starken Höhlenbären dar, welcher etwas unter der Mitte einen schiefen, fast geheilten Bruch zeigt und eine der schönsten Nekrosen darbietet, die man sehen kann. Es ist die Sequester- und die Cloakenbildung, so wie die Exfoliation, in Folge des krankhaften Processes nach der Fractur, nicht zu verkennen. Die Heilung war ihrem Ende nahe. Der Oberschenkel ist deshalb etwas kürzer wie gewöhnlich; er ist I Fuss und 5 Zoll lang, in der Mitte 2 Zoll dick. Die untere Extremität ist durch den Bruch ge- gen das Kniegelenk hin ein wenig nach innen gedreht. Die Länge des Bruches beträgt 47, Zoll; er ist an der Vorderseite des Schenkels fest und ziemlich glatt; an der hintern Seite aber von zwei Canälen durchdrun- gen, in deren einem der sogenannte Sequester sich noch befindet. Die- ser Bruch zeigt uns also alle Symptome, welche Knochenbrüche bei le- 678 Mayer, benden Thieren uns darzubieten pflegen. Ob der Bruch durch einen Fall, oder durch einen Biss, oder endlich durch einen Schlag entstanden sei, müssen wir noch zweifelhaft lassen. a—b Vorderseite des schiefen Schenkelbruches; c oberer Canal der Hinterseite. Fig. Il. Mittlerer abgetrennter Theil desselben Oberschenkels. Die beiden Canäle an der hintern Seite von vorne gesehen; c der obere, d der untere Canal; e der im untern Canale erscheinende Sequester. Fig. IM. Es ist dieses die Abbildung der linken Hälfte des Unterkiefers von einem Ursus spelaeus von schon vorgerücktem Alter. Die äussere Fläche des Knochens ist ziemlich glatt und glänzend, der untere Rand etwas ab- geschliffen und ebenfalls glatt, bis zum Angulus maxillae hin. Der Hunds- zahn ist entweder durch Gewalt oder durch Krankheit zerstört; der erste Backzahn ist noch unversehrt, nur etwas gehoben, der zweite und beson- ders der dritte Backzahn sind schon abgeschliffen und letzterer cariös bis zum Alveolus hin. Die Alveoli der hintern Zähne sind theils durch Kno- chenmasse ausgefüllt, theils durch Caries zerstört, mit keilförmigen Exo- stosen und knotigen Auswüchsen besetzt. Im Grunde der noch geblie- benen Zahnhöhlen sieht man keine Oeffnung für Gefässe und Nerven mehr. A vorderer, B hinterer Theil des Knochens. a Alveolus des Hundszahnes; b erster ganz erhaltener Backzahn; c zweiter, d dritter Backzahn; e Alveolus des vierten Backzahns; f Exo- stose an der Stelle des Alveolus des fünften Backzahns; g hinteres Fora- men alveolare; A grössere hintere Exostose; © zerstörter Processus con- dyloideus; A, %k, k Foramina canalis alveolaris anteriora seu mentalia. Fig. IV. Diese Figur stellt, als treffliches Beispiel, einen Lendenwirbel dar, ohne Zweifel den letzten, welcher mit Arthritis behaftet und von arthriti- über krankhafte Knochen vorweltlicher Thiere. 679 schen Knochengeschwülsten angeschwollen ist. Die Exostosen, welche man an der obern Fläche sieht, erstrecken sich bis zur untern Fläche des Körpers des Lendenwirbels. Fig. V. Diese Abbildung stellt eine Anchylosis zweier Rückenwirbel oder eine Verwachsung derselben dar, indem durch Verknöcherung der Bänder beider Wirbel gleichsam eine Knochenmasse am vordern Theile der Wir- belkörper sich gebildet hat. Es ist, wie es scheint, eine Anchylosis des 9. und 10. Rückenwirbels. Die Längen-Fascia hat sich in Knochenla- mellen umgestaltet. Dass der Knorpel zwischen den beiden Wirbelkör- pern nicht von der Knochenbildung ergriffen worden sei, lehrt der leere Raum. Vielleicht sind diese Knochenauswüchse nicht von Arthritis, son- dern vom Alter des Bären, welcher wohl fortwährend in gekrümmter Stel- lung in der Höhle leben musste, herzuleiten. Fig. VI. Einen ähnlichen, vielleicht noch seltneren Fall stellt uns diese Figur dar. Es ist eine Anchylosis des 2. und 3. Halswirbels, welche ich, wie gesagt, aus der Sammlung des berühmten Prof. Schmerling habe abbil- den lassen. Auch diese Anchylosis des 2. und 3. Halswirbels ist durch Verknöcherung der Faseia longitudinalis und des Zwischen-Wirbel-Liga- ments zu Stande gekommen, wohl aus derselben Ursache, die ich oben auseinandergesetzt habe. Ausser den hier abgebildeten vier Fällen von krankhaften fossilen Knochen des Höhlenbären, befinden sich noch einige andere in unserer anatomischen Sammlung zu Bonn. Sie sind: 9) Der Radius des Höhlenbären mit einer sehr schönen Exostose, mit mehreren Zacken und cavernösen Auswüchsen an dessen innerm, re- spective äusserm Rande der untern Hälfte desselben. Das Gewebe des Knochens ist in der Umgebung aufgetrieben. 680 Mayer, 6) Eine linke Kinnlade eines jüngern Höhlenbären. Der zweite Backzahn ist ausgerissen oder ausgebissen und in Folge davon der Alveo- lus cavernös und mit drei kleinen Exostosen besetzt. 7) Die Unterkieferhälfte mit Hyperostose, Caries und Knochenauf- treibung im Umfange des Alveolus. 8) Ein ähnliches Stück, wo Resorptien und Caries des 1., 2. und 3. Backzahns vorhanden ist. Der 4. Backzahn ist da, aber abgeschliffen. 9) Exfoliation am Angulus maxillae inferioris eines jungen Thieres. 10) Auftreibung des linken Humerus eines Höhlenbären an der Stelle der Tuberositas für den Musculus deltoides. Dieses Stück wird unrichtig von Walther für eine Rippe gehalten. 11) Arthritische Exostosen an der vordern Fläche eines Halswirbels. Aus der reichhaltigen Sammlung fossiler Knochen namentlich vom Höhlenbären, so wie von der Hyäne und dem Löwen, welche sich in Dr. Schmerling’s Sammlung befinden, sind die wichtigsten pathologischen Knochen nachfolgende: 1) Die Anchylose des Epistropheus und dritten Halswirbels vom Höh- lenbären, welche wir in Fig. VI unserer Tafel abgebildet und beschrieben haben. 2) Der vordere Theil des Unterkiefers der rechten Seite von dem- selben, mit Caries daselbst. 3) Der untere Theil des Oberarmknochens vom Höhlenbären, schief gebrochen mit cariöser Exostose. 4) Ein Stück vom Oberschenkelbein eines jungen Bären, worauf eine Exostose in Form einer ovalen zwei Zoll langen Platte sich befin- det, in deren Mitte eine runde Sequesteröffnung sich zeigt. Wahrschein- lich ist diese krankhafte Bildung dadurch entstanden, dass auf die Stelle der Verletzung ein fortwährender Druck ausgeübt wurde, wodurch die neue Knochenexsudation erfolgte. über krankhafte Knochen vorweltlicher Thiere. 681 5) Das Femur eines jungen Höhlenbären gebrochen, und der Stumpf ein wenig resorbirt. 6) Das Wadenbein eines Höhlenbären mit geheiltem Querbruch. 7) Der untere Theil des Oberschenkelbeins desselben mit einer sehr breiten Exostose, welche ausser der Verletzung auf eine innere krankhafte Ursache hinweist. 8) Der linke Theil des Unterkiefers von demselben. Ein spitzer Knochenfortsatz (Exostose) geht von dem Kronenfortsatze zum Gelenk- fortsatz mit einem miltlern Canal. 9) Ein Astragalus mit rhachitischer Auftreibung. 10) Die Mittelfussknochen der vordern Extremität vom Höhlenbären mit Caries und Necrose. 11) Das Femur eines jungen Bären aufgetrieben und gekrümmt, leicht, ohne Substantia spongiosa. Es scheint hier Rhachitis mit Necrose verbunden zu sein. 12) Ein Rückenwirbel vom Höhlenbären mit Necrose und Exostose. 13) Ein Lendenwirbel ebenso. 14) Ein grosser Schädel vom Höhlenbären, 14 Zoll lang, 67, Zoll hoch, ohne Unterkiefer mit vielen cariösen Stellen. 15) Fusswurzelknochen der Hyäne mit Caries und Necrose. 16) Phalangen vom Bären ebenso. 17) Ebenso vom Löwen. S. „Recherches sur les ossemens fossiles par le Dr. Schmerling IIde Partie, pag. 180 et Planches 38, 39 und 40. Fassen wir die pathologischen Producte an sämmtlichen hier beschrie- benen krankhaften Knochen vom Höhlenbären zusammen, so sind sie ent- weder Folgen von äussern Verletzungen und anderen schädlichen Einwir- kungen, oder Folgen einer innern krankhaften mehr oder minder durch jene äussere Schädlichkeiten hervorgerufenen Dyscrasie. Die Knochen- brüche, die Caries, die Zahnzerstörungen sind äussern Gewaltthätigkeiten, durch Stoss, Fall, Verwundung, Anfressung etc.. zuzuschreiben. Die Vol. XXIV. P. Il. S6 682 Mayer, Heilkraft der Natur war hier, wie in späteren Perioden der Thierschöpfung, thätig, selbst bei schiefen Brüchen der Knochen, und war hierbei ebenfalls die Heilung rein und vollständig oder unrein, unvollständig, d. i. noch mit Necrose und Exostose verbunden. Bei den Verwachsungen, Anchylosen der Knochen ist noch zu be- merken, dass sie blosse Folgen des Alters sein können. Sie können aber auch Folgen des Druckes sein, sowie, wenn Exostosen damit verbunden vorkommen, Folgen eines inflammatorischen Processes mit krankhafter Ex- sudation. Anchylosen und Exostosen kommen häufig bei Menschen. bei unsern Haussäugethieren aus derselben Ursache vor. Anchylosen, na- mentlich aus Alter, von anstrengender Muskelbewegung, mehr oder minder mit Exostosen oder Ossificationen der Bänder, der Gelenke, der Knochen verbunden, von Erkältungen, durch Zurücktreten der Transspiration, finden am häufigsten bei Pferden an der Wirbelsäule insbesondere, und auch an den Knochen der Extremitäten statt. — Eine natürliche Verwachsung sämmtlicher Halswirbel kommt bekanntlich bei den Cetaceen vor, wohl theils wegen der horizontalen Richtung des Kopfes, theils wegen der Kürze des Halses. Ausserdem theilweise nur noch bei den Edentaten (Dasypus und Chlamidophorus) und unter den Nagern bei Dipus. Die wichligern pathologischen Veränderungen unserer fossilen Kno- chen sind daher wohl die, welche wir als die Producte einer innern Dys- crasie oder eines innern krankhaften Processes ansehen müssen; dahin gehören die meisten Exostosen, welche man als krankhafte Exsudation nach vorausgegangener Entzündung oder rheumatischer und arthritischer Inflammation der fibrösen Umhüllung der Knochen, des Periostes und der Ligamente der Gelenke zu betrachten hat. Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, dass der lange Aufenthalt dieser Thiere, auch der robuste- sten, in den von Wasser triefenden Höhlen, rheumatische und arthritische Affectionen, diese letztern vielleicht durch den Genuss des von Kalksinter angeschwängerten Wassers, erzeugen musste, welche an den gesunden und verwundeten kranken Knochen zum Vorschein kamen. Dies bewei- über krankhafte Knochen vorweltlicher Thiere. 683 sen die arthritischen Auswüchse an den Wirbeln insbesondere und an an- dern Knochen. Auch die Beispiele von Anchylosen der Wirbel gehören wenigstens theilweise hierher, obwohl sie auch theilweise als Folge des Alters angesehen werden müssen. Die Anchylose des 2. und 3. Hals- wirbels bei einem Höhlenbären (Fig. VI.) möchte vielleicht, wie erwähnt, schon von einer fortwährend gebückten Stellung in einer niedern Höhle entstanden sein. Dass diese Raubthiere in fortwährendem blutigen und mörderischen Kampfe, theils aus Neigung, theils aus Hunger, unter sich und mit andern in dieselben Höhlen eingedrungenen Thieren, die sie auch todt dahin ge- schleppt haben mögen, lebten, beweisen die Zerreissungen und fürchter- lichen Zerstörungen der Kiefer und der Zahngebilde. Blosse Anfressun- gen und Annagungen der Knochen konnten auch noch nach dem Tode der Thiere vorkommen. Herr v. Walther legt ein grosses Gewicht auf den aus den Beob-- achtungen über krankhafte fossile Thierknochen gezogenen Schluss, dass sie für ein so hohes Alter, ja für eine Periode der Krankheit vor der Ent- stehung des Menschengeschlechtes Zeugniss geben. Wenn die letztere Angabe geologisch sich nicht erweisen lässt, so ist doch das Alter dieser Knochen in die frühesten Tage der Diluvialzeit zu versetzen. Aber ein so grosses und merkwürdiges Ereigniss darin zu sehen, dass schon da- mals, also in der der Alluvialzeit vorhergehenden Periode, Krankheiten bei den Thieren sich zeigten, scheint mir nicht gerechtfertigt zu sein. Wenn wir genauer analysiren was Krankheit ist, so werden wir nichts Ausserordentliches in diesem Vorkommen von Knochenkrankheiten in den frühesten Perioden der Erde sehen. Die Krankheit involvirt zuerst eine nicht normale Veränderung in der flüssigen und festen Masse und so- dann eine Schwäche oder ein Leiden der dynamischen Kräfte des Körpers und Geistes. Zur Krankheit gehört nicht nur die nicht normale Mischung und Cohäsionsstase, sondern auch ein Gefühl des Krankseins, von Ueber- reizung oder von Schwäche, Hypersthenie und Asthenie der Brown’schen 684 Mayer, Schule. Häufig geschieht es, dass man Thiere mit voller Lebensenergie und Wohlbefinden öffnet und auf die grössten Zerstörungen in den inneren Theilen, auf Geschwülste, Eiterungen, Ausschwitzungen, Verknöcherun- gen, Concretionen etc. stösst, welche man gar nicht vermuthet hat. Auch bei kräftigen, sonst gesund sich fühlenden Menschen kann man dasselbe bei der Section nach dem Tode beobachten, und der Arzt erstaunt, dass ein Mensch mit solchen Desorganisationen im Innern seine Kunst ver- schmäht oder vielmehr gar nicht bedurft hatte. Die volle Kraft der Natur liess in solchen Fällen beim Menschen und häufiger bei den Thieren, be- sonders wenn beide in dem Naturzustande näheren Verhältnissen lebten, ein Krankheitsgefühl gar nicht aufkommen. Und ist es ja bekannt, dass man oft nicht wegen Krankheit, sondern wegen Krankheitsgefühl den Arzt herbeiruft! So lange also die Lebenskraft den äussern und innern, den Körper angreifenden, Einflüssen entgegenwirken kann, findet kein Krank- heitsgefühl, keine Krankheit, die die Heilkraft der Natur nicht neutralisiren könnte, statt. Der Mensch und das Thier sind ursprünglich gesund und werden erst krank durch die Einwirkung mächtiger, äusserer Einflüsse, denen die Kräfte des Körpers nicht lange Widerstand leisten können. Alle Krankheiten sind Folgen der schädlichen Einwirkung der Nahrung, der Atmosphäre, des Wassers, der Wärme und des Lichtes, vielleicht auch einigermaassen des elektrischen Fluidums der Erde. Die dadurch erzeug- ten krankhaften Ummischungen in den flüssigen und festen Theilen des Körpers gehen sodann auf die zweite und fernere Generation über oder werden erblich. Ursprünglich ist jede Krankheit endemisch und wird so- dann durch Ansteckung über die Grenze verbreitet. Jedes Klima hat seine Pest. Mangel und schlechte Nahrung, Sonnenhitze, faulige Effluvien der Pflanzen und Thiere, wasserstoffreiche Atmosphäre (Sumpfluft), grosse Kälte und Hitze mit Feuchtigkeit und Trockenheit der Umgebungen er- zeugen krankhafte Mischung im Körper. Da solche Einflüsse in dem Wechsel desselben gerade in der frühe- ren Entwicklungsperiode der Erde in weit grösserem Maassstabe — und über krankhafte Knochen vorweltlicher Thiere. 685 wir konnten eben die Krankheiten der fossilen Höhlenthiere auf solche Ein- flüsse zurückführen — stattfanden, so mussten, trotz der etwa grössern oder selbst riesenhaften Heilkraft der Natur dieser Geschöpfe, die Krankheiten ehedem an Stärke und Bösartigkeit die Krankheiten der Thiere unserer Tage übertroffen haben, bei welchen letztern ein durch häusliche Einsperrung | verwöhntes und durch Stallfütterung verweichlichtes Thiergeschlecht oft, | aber meist geringern Krankheiten unterliegt. Ich erinnere hier noch an | die schrecklichste der Krankheiten, an die Hydrophobie, welche als ein Erzeugniss der Hitze und der Kälte, welche Extreme bekanntlich in ihrer Wirkung sich berühren, bei Ueberanschoppung der Gefässe mit Sperma, aus der Zersetzung dieser höchst animalischen Flüssigkeit hervorgeht. Ist aber das Blut und die Säftemasse einmal zersetzt, so entstehen die Folgekrankheiten, die Eruptions- und Auswurfskrankheiten, die Exantheme aller Art, die Abschuppungen, Mauserungen, Profluvien und Pararhöeen. Man hat die Krankheit fälschlich eine Mauserung genannt. Diese letztere ist für sich selbst keine Krankheit bei gesunden und nicht einge- sperrten Vögeln oder Thieren. Sie ist der natürliche und ohne Krankheit im Naturzustande vor sich gehende Wechsel der reproductiven Wachs- thumsgebilde. Nehmen wir zum Beispiel das Zahnen an. Bei kräftigen Kindern und bei Thieren geht dieser Process unmerklich von statten; bei kranken Schwächlingen geht er mit Schmerzen, Fieber, Delirien vor sich. Alle Heilkunst ist also unnützbeim gesunden und nöthig dem schwächlichen, verdorbenen, vergiftelen Menschen. Und alle Heilkunst soll dahin gehen, den Naturzustand des Menschen herbei- und zurückzuführen, wodurch eine Harmonie und ein Gleichgewicht zwischen den äussern Einflüssen und der Lebenskraft erzielt wird. Die Krankheiten unserer Diluvial- Thiere haben also eine und die- selbe natürliche Ursache, und konnten ebensogut vor wie nach dem Sün- denfall des vielleicht, wie man annimmt, später auftretenden Menschen stattfinden. Es ist wohl anzunehmen, dass sich diese Höhlen auf zwei oder drei 686 Mayer, verschiedenen Wegen mit Knochen angefüllt haben. Es können erstens heftige Regengüsse die Thiercadaver oder ihre Skelete und einzelne Kno- chen durch früher vorhandene, später durch Alluvion geschlossene Oeff- nungen von oben in die Höhle gespühlt; vielleicht auch der Wellenschlag übertretender, periodischer Meereserhebungen und Flussaustretungen solche animalische Reste durch seitliche, etwa in der Richtung der Sturm- fluthen der Gewässer liegende Oeffnungen in das Innere der Cavernen getrieben haben. Zweitens mögen diese fossilen Thiere immer zu ihrem Aufenthalte, oder nur in Perioden grosser Hitze diese wasserreichen Höh- len zur Kühlung und Löschung ihres Durstes aufgesucht haben; die Wie- derkauer wohl zu ihrem verderblichen Asyl. Selbst die vorgebliche Eis- zeit mag die Thiere zum Refugium darin gezwungen haben, wo sie wohl die sogenannten Reibungen der Gletscher ungefährdet abwarten konnten! Dass bei diesem Zusammenflusse reissender Thiere und Wiederkauer aus Trieb und Hungersnoth die grässlichsten Kämpfe untereinander statl- fanden, dies beweisen die zermalmten und zerrissenen Kiefer und die Zer- trümmerungen der Zahngebilde. Dass diese Kämpfe lange währten und dass überhaupt der Aufenthalt der reissenden Thiere daselbst von Dauer war, beweisen die ganzen Skelete, die Skelete und ihre Theile von jun- gen Thieren, die hier ihre Geburtsstätte und später ihr Grab fanden; die gefundenen Coprolithen (Kirkdale). Ich erwähne bei dieser Gelegenheit, dass ich die Substanz eines Coprolithen der Hyaena spelaea aus Kirkdale in England, mikroskopisch und vergleichend, mit dem Album graecum un- seres Haushundes untersucht habe. Dort waren die rundlichen und vier- eckigen Kalkkrystalle grösser, isolirter, also mehr verdaut, durch Präeipi- tation der sauren Magen- und Darmsäfte. Hier waren sie kleiner, mehr verbunden und mit Schleim und mit Gallenconcrementen gemischt. Kno- chenkörperchen nirgendmehr wahrzunehmen u. s. f. Es dürfte aber noch eine Erscheinung in Betreff der Art des Vor- kommens der fossilen Knochen in diesen Höhlen zu berühren sein, näm- lich ihr Vorkommen seitlich hoch an und in den Wandungen der Höhlen ki über krankhafte Knochen vorweltlicher Thiere. 687 und in der Decke derselben. Liegen hier ganze Skelete von reissenden Thieren, Wiederkauern und Pachydermen, auf gleiche Weise geschichtet oder in einzelnen Straten, wie anderwärts die Thierknochen im Diluvium oder in frühern Schichten vorkommen, so wäre vielleicht anzunehmen, dass diese geschichteten Knochenablagerungen in diesen Höhlen auf ähnliche Art bei der Schöpfung schon entstanden sind, wie wir dieses bei Säuge- thierknochen der übrigen Schöpfungsperioden finden. Es wären diese sodann hier nicht blos Reste in die Höhlen eingedrungener und gellüch- teter Bewohner der Höhlen, oder Reste blosser Alluvionen, welche über- haupt nur einzelne zerstreute Knochen, nicht wohl aber ganze Skelete und so enorme Kalksteinmassen durch die meist engen Oeffnungen der Höhlen eintreiben konnten, sondern es sind diese Ablagerungen in der Diluvial- periode auf gleiche Weise entstanden, wie die der frühern Perioden, der Kreidezeit etc. Für solche Ansicht spricht auch, dass in diesen Höhlen ein ähnlicher Wechsel von Meeresstraten und Süsswasserschichten be- merkt wurde. Ich muss gestehen, der Theorie der Entstehung der Ablagerungen der einzelnen Strata der Erdrinde durch öftere und periodisch wiederkeh- rende Uebertretungen des Meeres überhaupt nicht geneigt zu sein, wenn sie, wieallgemein geschieht, dahin ausgedehnt wird, dass man die Pflanzen- und Thierwelt aus einem in seiner Mischung alle Mineralien und Organi- sationen enthaltensollenden Urocean entspringen lässt. Es sollen, sagt man, immer neue Meeresfluthen mit anderen neuen Ablagerungen stlaltge- funden haben. Es ist aber gegen alle Erfahrung, anzunehmen, dass ein Meer so viele und so vielerlei Keime von Wesen, geschweige geborene thierische und Pflanzenorganisationen, hätte enthalten können und enthal- ten habe. Ich will nicht davon reden, dass man hierbei zum Aufbau der Erd- schichten oder zur Schöpfung derselben Millionen von Jahren wegen der grossen Zahl von Schichten anzunehmen gezwungen ist, und so dem Wortlaute der Schöpfungs- Tradition keine geringe Gewalt anthut. Eine 688 Mayer, andere Erklärung würde diesen Zwang, eine Anleihe von Aeonen von Jahren, möchte ich sagen, zu machen, beseitigen. Es tritt nämlich die alte einfache Frage immer wieder in den Kreis der Untersuchung, ob der Humus früher als die Pilanze, die aus ihm erwächst, oder diese früher als jener, in den sie zerfälll, oder auch ob das Ei oder die Henne zuerst ge- wesen sei; die, um einen wissenschaftlichen Nimbus zu erhalten, so ge- stellt werden kann: ob das organische Wesen früher als sein Saamen oder umgekehrt gewesen oder geschaffen worden sei? Dass die Eier von Thieren, welche harte Schaalen besitzen, im Meere längere Zeit ziemlich ungefährdet herumschwimmen und bei der Ebbe zum Auskriechen der Jungen etwa an’s Ufer gesetzt werden könnten, lässt sich noch annehmen; aber mit Oken den Thierfötus und den Menschen, im Amnion eingeschlos- sen, im Meere herumschwimmen zu lassen, bis er etwa im Schilfe sich aus den Eihäuten loswindet und herumschwimmt, dieses möchte doch zu be- denklich und der sonst so vorsichtigen Natur nicht angemessen sein, es sei denn, dass das Meer auch gleich damals die Bestandtheile der Mutter- milch enthielte, wie es die der Erden und Metalle nach der Theorie der Geologen in sich getragen haben müsste. — Es scheint mir daher angenom- men werden zu können und zu müssen, dass die verschiedenen Schichten der Erdkruste, so wie sie jetzt sind, aus der Hand des Schöpfers hervor- gingen und nicht erst in Millionen von Jahren aus einem problematischen Meere nach und nach angeschwemmt worden sind; wofür auch die suc- cessive mineralische und organische Metamorphose der Schichten, Gesteine und Geschöpfe von unten nach aufwärts spricht, so dass die höhern Schichten die Zwecke der untern, diese die Mittel von jenen, wobei Un- tergang der Letztern als durch Naturgesetz geboten erscheint, der Mensch aber als Endzweck der Schöpfung der ganzen Erdkruste, die für ihn ge- schaffen, obenansteht und Alles zu seinem Mittel benutzen kann und darf. Dafür spricht auch, dass jede Schichte der Erdrinde ihre eigenthümlichen Pflanzen und die ihnen entsprechenden, von und auf ihnen lebenden Thiere zeigt, für welche jene erschaffen sind, wie dieses ältere und insbesondere | über krankhafte Knochen vorweltlicher Thiere. 689 die neuesten schönen geologischen Untersuchungen der Saarbrücker Stein- kohlenflötze von Goldenberg darthun. Wie vage wäre es, anzunehmen, die Meereswelle hätte bald diese, bald jene Pflanzen- und correspondirende Thierkeime enthalten oder solche gleichsam zum Absetzen in’s Trockene ausgewählt. Ich möchte ferner als Fundamentalsatz der Schöpfungsgeschichte aufstellen: die Organisationen, Pflanze, Thier und Mensch, sind im Culmi- nationspuncte ihres Seins entstanden oder geschaffen worden, was auch mit der Tradition der Schöpfungsgeschichte übereinstimmt, — in der Zeit der Fruchtreife der Pflanzen und der Zeugungskraft der Thiere und des Menschen, nicht als Saamen, Eier oder Wickelkinder. Es ist die Henne mit für alle Zukunft eingeschachtelten Eiern geschaffen worden. So ste- hen also alle Wesen in ihrer vollkommenen Entwicklung, in ihrer Blüthe- zeit und Geschlechtsreife am Frühlings- Sommertage der Schöpfung da. Dieses stimmt auch mehr mit der Mythe des Buches der „‚„Genesis‘‘ überein. Ich bin übrigens weit entfernt, eine wörtliche Auslegung dieser hebräi- schen Erzählungen anzunehmen, und verzichte nimmer auf meine mir von Gott verliehene Vernunft, den Köhlerglauben Andern überlassend. Auch in unsern Kalkhöhlen werden erwachsene Thiere mit ihren Jangen in vol- ler Lebenskraft und Energie gefunden, wie selbst in den tiefern und tief- sten Schichten nur zeugungskräftige Thiere, blühende Palmen und Riesen- Farren mit ihren Früchten zu Tage treten. N =? Vol-XXIV. PB. IE Yh Sntald alone Hab none If ‚tomlonisae ‚es raw ser Dia RR obnaıtbrogesttos bp tosaallf snafbihf" ea anslaoıT anti naiaadA iur imma ailotalg oaloh‘ So ee re in e El lotıloesgagaulgdd „Bob Nteelargemkbense el ara) Brio ü info) mi bada Maas ML har nie zer ‚mohrewr naltsılaasg 1560 abend eta ee igR 1ab ni — umtrenigısdh Siege Hab Re srl ab Ne ae Eh nr War -arroe See ya RT ja 00 ‚wol Bo Ba PRELCKLBTE HELLES U 520 2 Ahlers j ARTEN daran Te Ba 20). enter - ae ik PIERPAR INNEN. I bes ara eltiie Lit) 23 D day rayauı a3 ey y! sad) vansih winwslrak itstinöe aa Yrihes HELL re aamasiit silaiats7 Dan „Aannanene Rhkil 2. fugsir rs gb H sih je af -tahnidlaner M4sho SRT . R 6 nor 1m anianı Ton dan. „basazohtsdh msbnA nsdbelie alla a rer .. it ENCIIN anFarde | ‚79 haha aha Ag br melalı nab ai edlen arm“ ENTE ERNEST LI braten Iurir Hari Shrrhnd PER BT SRLE NE ELLE io ‚Holst vort u“ Was re sr i ig -lor ni nannte mornt Not « + q u u0a 22 125 RE OS 4! BIT ÜBER GEOLOGISCHE CONFIGURA TION. VON L. C. U. VORTISCH, M. d. A.d. N. MIT EINER KARTE. BEI DER AKADEMIE EINGEGANGEN DEN 9. MAI 1853. DEE. haar | eg RN Lei 2 ee Pr WERNE DEE Een, De 4 a“ 2 wö en. Arc TEE yadh a PR a Nr NZ = Er ia & ee eepemii & BER 2 a y 4 er. ‚HORTAOT Ft a ab wer Be a Se a | f & 4 b Pe € [/ 4 - F w ar j » Ua u Ve £ R « [1 are EN man As TR, j i N ‚ h * Äemn daR AR ae y u Per £ we Ir heit " er £ wer Frust er nallesa her or iz Rn Ir ir N N 2; Raibe; 342 7 EN DR \2 Pa Li: rY f RN, ln " Pr " Mn A l_ % N i er } 1 P r \ Y [y u I N /} ’ er ) ae 2 m zit ‚ u" { i AN f v f ic p u ei bahn; J f 7 Bann vry “ , N R ’ a v D du v "1 ’ x l Wie regellos auch beim ersten Anblick die Gestalt der Continente, die Vertheilung zwischen Land und Meer auf der Erdoberfläche zu sein scheint, man gelangt bei einer nähern Betrachtung derselben doch bald zu der Ueberzeugung, dass in der Form und Vertheilung der Massen eine gewisse Gesetzmässigkeit sich nicht verkennen lasse. Francis Bacon, Johann Reinhold Forster, Heinrich Steffens unter Andern weihten diesem Gegenstande ihre Aufmerksamkeit; das Ursachliche in der Erschei- nung blieb gleichwohl in tiefes Dunkel gehülll. Wo man sich inzwischen mit der Umschau nach den fraglichen Gesetzen befasste, da war es das physische Moment, worauf man die Blicke richtete. ,,Diese Ursachen,‘* sagt Forster, ,‚getraue ich mir nicht mit Gewissheit anzugeben; nur muthmaassen möchte ich, dass jene Aehnlichkeit in der Gestalt der Länder einer gewaltigen Ueberschwemmung von Südwest her ihr Dasein zu ver- danken habe, wenn gleich der Zeitpunct dieser mächtigen Veränderung, und die nähere Bestimmung ihrer Art zu wirken, unerforschlich bleiben müssen.‘‘ Was den Einfluss physischer Kräfte auf die Configuration der Erdoberfläche betrifft, so habe ich in meiner kleinen Schrift: „‚Die jüngste Katastrophe des Erdballs‘‘ den Versuch gemacht, nachzuweisen, wie sich das Charakteristische in den Länderformen des Erdballes aus einer Ursache ableiten lasse. Immer aber wollte es mir scheinen, als sei der Rekurs allein auf das physische Moment ungenügend zu einer gehörigen Auffas- sung und Würdigung der Verhältnisse. Allerdings gelangen wir, wie ich glaube, durch Anwendung der Gravitation zu einem Motiv für die abnorme Bewegung flüssiger Massen, und durch Anwendung bewegter Massen zur 694 L. C. H. Vortisch, Einsicht des Erfolgs ihrer dynamischen Wirkung unter gegebenen Bedin- gungen. Allein es giebt ein zweites Moment, welches um so weniger übersehen werden darf, als man sich zur Annahme gedrungen sieht, dass die Resultate der physischen Kräfte in einem bestimmten Maasse von ihm abhängig waren. Der Umstand, dass die starre Erdrinde, welche der flüssigen Masse des Erdinnern zur Kuppel, der flüssigen Materie der Erd- oberfläche zur Unterlage dient, und von welcher beide, sowohl bei ihren normalen als abnormen Bewegungen, Notiz zu nehmen sich gezwungen sehen, ein, nach mathematischen Regeln construirter Körper ist; der Um- stand ferner, dass alle Theile dieses Sphäroids in unausgesetzter, gleich- mässiger Bewegung verharren; der Umstand, dass die Richtungslinie die- ser rolirenden Bewegung für alle Theile immer eine und dieselbe ist; end- lich der Umstand, dass, bei aller Gleichmässigkeit des Umschwungs des Ganzen, das Maass der zu durchlaufenden Räume für bestimmte Theile ein sehr verschiedenes ist, und sich sowohl nach dem Abstand von der Rota- tionsachse, als nach dem Abstand vom Aequator richtet — dies Alles weist, wie es mir scheint, zur Genüge darauf hin: dass der Configuration der Erdoberfläche neben dem physischen ein mathematisches Moment zum Grunde liege. Als ich mich mit der Abfassung der eben genannten Schrift beschäf- tigte, sah ich mich veranlasst, diesen Gegenstand einer näheren Berück- sichtigung zu unterziehen. Obgleich das Resultat meiner desfallsigen Untersuchung mir keineswegs als ganz unfähig erschien, Interesse zu er- wecken, so nahm ich doch Anstand, es dort abzuhandeln. Wie mir aber später A. v. Humboldt’s „‚Kosmos‘‘ zu Gesichte kam und ich daraus er- sah, dass dieser sinnige Forscher, dessen Blick eben so tief eindringend, wie seine Gelehrsamkeit Staunen erregend ist, zu ähnlichen Contempla- tionen geführt wurde *): da fühlte ich mich im Vertrauen zum Ergebniss meiner Untersuchungen gestärkt. Sollte nun aber meine Arbeit gleich- *) Kosmos, Thl. I. Seite 308 und Anmerkung 10, Seite 471. über geologische Configuration. 695 wohl nicht etwa eine verfehlte sein, so dürfte ich mich dann vielleicht der Hoffnung hingeben: durch sie die beregte Configuration in ihrem Bestande weiter dargeihan, das Bewusstsein von der, ihr zum Grunde liegenden, Gesetzmässigkeit erhöht, ihr Maass nachgewiesen und dem, von mir auf- gestellten, Erklärungsgrunde für die jüngste Katastrophe des Erdballes ein Element der Beglaubigung hinzugefügt zu haben. Wir werden es hier nun zunächst mit einem mehrfachen Kreissystem zu ihun haben; indem ich diese geometrischen Linien näher bezeichne, schicke ich die Bemerkung voraus, dass überall. wo von geographischen Längen die Rede ist, man darunter östliche Länge von Ferro zu ver- stehen hal. Der Gedanke, von dem ich in meiner Untersuchung ausging, war der: dass es für die Vergleichung der Verhältnisse fester Anhaltspuncte bedürfe und es darum nothwendig sei, sich, wenn ich mich so ausdrücken darf, nach geologischen Meridianen und Parallelen umzusehen. Was die Längenkreise betraf, so schien es mir von Wichtigkeit, für ihre Position Orte zu wählen, welche zwei Bedingungen erfüllten: einmal mussten sie von hervorragender geologischer Bedeutung sein, und zweitens eine Be- schaffenheit haben, welche für die Ermittelung der aufzusuchenden Posi- tionspuncle einen genügenden Anhalt darböten. Geleitet von den Ansich- ten, welche ich in meiner kleinen Schrift ‚Die jüngste Katastrophe des Erdballs‘“ entwickelt habe, konnte es mir nicht schwer fallen, die nöthigen Puncte aufzufinden. Auf der Nordhemisphäre waren es, nach meiner Mei- nung, das Cap Siewero- Wostotschnoi oder das Nordostcap und die Beh- ringsstrasse. An der ersten Stelle ward der Fluthstrom des Polarmeeres gespalten und nach Ost und West abgelenkt; an der andern Stelle fand der entgegengesetzte Process statt, von Ost und West wurde der Fluth- strom hierher gelenkt, um seinen Lauf nach Süden vollbringen zu können. Die geologische Bedeutsamkeit dieser Puncte war mir also ausser allem Zweifel: und wie geeignet sie mir in dieser Beziehung zu Positionspunc- ten schienen, so geeignet erschienen sie mir dazu in Rücksicht der zwei- 696 L. €. H. Vortisch, ten Bedingung. Das Nordostcap läuft in eine Spitze aus und bezeichnet also mit Genauigkeit die Stelle, auf welche es hier ankommt ; die Behrings- strasse dagegen gewährt der Ungewissheit ebensowenig einen bedeuten- den Spielraum, denn, nach einer Karte in Cooks dritter Reise zu urtheilen, erstreckt sich ihre Breite von 20803 bis 209026 und beträgt mithin nicht mehr als 1023. Ich legte demnach zuvörderst einen Längenkreis durch das Nordostcap und einen zweiten durch die Behringsstrasse, und zwar letztern in der Art, dass er die westlichste und grösste der, in der Beh- ringsstrasse liegenden, Diomedes-Inseln berührte. Dies Kreissystem will ich das erste nennen und mich nun zu seiner nähern Beschreibung wenden. Erstes Kreissystem. Das Nordostcap hat eine geographische Länge von = 118); der Kreis, welcher durch dasselbe und die Pole gelegt wird, fällt also zusam- men mit den Meridianen von 118%," und 298Y,°; der Kreis durch die Beh- ringsstrasse ist dagegen zusammengeselzt aus den Meridianen von 2087," und 28%. Der erste Kreis läuft vom Nordostcap durch Asien und schnei- det auf der andern Seite des Erdballes den Isthmus von Panama; der zweite läuft von der Behringsstrasse durch den Grossen Ocean, und kehrt auf der andern Seite des Erdballes durch Afrika, Europa und die nord- westliche Spitze Spitzbergens zum Pol zurück. Beim Verfolg ihres Lau- fes will ich auf der Südhemisphäre beginnen. Erster Kreis, bestehend aus den Meridianen von = 298", und 118%°. An der Südspitze Amerikas, unter dem 46° südlicher Breite, hat die Linie dieses Kreises von der Westküste des Continents einen Abstand von 3',°. Sie läuft durch den Grossen Ocean in der Nähe dieser Küste hin- auf, bis sie unter dem 8° südlicher Breite das Meer verlässt und gleich oberhalb der Stadt Truxillo in’s Festland eintritt. In der Nähe von Guaya- quil legt der Scheitel der Curve, welche die Cordilleren von 18° südlicher bis zum 11° nördlicher Breite bilden, sich genau an diese Linie an; nach- über geologische Configuration. 697 dem sie die vulkanische Region Quitos durchlaufen, verlässt sie unter 1o nördlicher Breite wiederum das Festland und tritt in der Nähe der Stadt Esmeraldas in’s Meer, läuft in einer Strecke von etwa 40 geogr. Meilen parallel mit der Küste, bildet die Längenachse des Golfs von Panama, durchschneidet den gleichnamigen Isthmus an der schmalsten Stelle, be- rührt die Westspitze des Golfs von St. Blas und tritt sodann in’s caraibi- sche Meer. Wir müssen hier im Verfolg der Kreislinie einen Augenblick innehalten, um einen Rückblick zu thun. Der Contour der Westküste Süd- america’s durchschneidet in schlangenförmiger Linie wiederholt diesen Kreis; aber ebensoweit, wie am Gap Blanco das Festland nach Westen über ihn hinaustritt, soweit zieht am Cap ÜCorientes das Ufer von ihm nach Osten sich zurück. Unter 21° südlicher Breite hat die östliche Ausbie- gung ihr grösstes Maass erreicht, aber von hier an läuft die Küste nach Süden in einer Linie, die gegen die Kreislinie dergestalt convergirt, dass das Südende der Küste nahebei denselben Abstand von ihr erreicht, den die Küste am Nordende, am Busen von Panama, besitzt. Verfolgen wir nun wieder den Lauf des Kreises von seinem Eintritt in’s caraibische Meer nach Norden. Nachdem die Linie desselben die westliche Grenze der Pedro-Bank berührt hat, trifft sie auf die Insel Cuba und durchschneidet sie in so bemerkenswerther Weise, dass sie dieselbe in zwei fast genau gleich lange Hälften zerlegt; sie bezeichnet sodann, und zwar auf eine Strecke von ungefähr 30 geogr. Meilen. die Nordwestgrenze der grossen Bahama-Bank, berührt die Westgrenze der kleinen Bahama-Bank, geht in der Entfernung eines halben Grades an der Spitze der Ostküste Florida’s vorüber und tritt sodann, oberhalb Charleston, in’s Festland Nordamerica’s. Weiter nördlich berührt sie. und zwar auf einer kurzen Strecke, die End- spitzen von vier Seen, des Erie, Ontario, Simeoe und Iroquois; unter 1° der Breite tritt sie sodann in die südliche Verlängerung der Hudsonsbai, in die Jamesbai, und durchläuft dieselbe dergestalt, dass sie auf einer Strecke von ungefähr 30 geogr. Meilen parallel mit der Ostküste dersel- ben bleibt. Sie durchsetzt nun die Hudsonsbai und die Foxstrasse, so Vol. XIV. PN ss 698 L. €. H. Vortisch, dass sie von der Südspitze der Jamesbai bis zum südlichen Ufer der Cock- burn-Insel einen Weg von nicht weniger denn 19 Breitengraden zurück- legt, ohne das Meer zu verlassen. An der nördlichen Grenze des Baffins- landes tritt sie in die Barrowstrasse und läuft nun am Westufer der Baf- finsbai in die Höhe, bis sie durch die nördlichste Spitze derselben, beim Cap Isabella, in’s Land eintritt, um von hier zum Nordpol zu gehen. Wir wollen auch hier einen Augenblick verweilen, um einen Rückblick zu thun. War es in Südamerica der Gebirgszug der Cordilleren, welcher ein so auffallendes Bestreben zeigte mit der Linie dieses Kreises in Berührung zu treten, so sind es in Nordamerica die Gewässer, denen dasselbe Stre- ben innezuwohnen scheint. Von Westen her drängen sich der Erie, der Iroquois, die James- und die Hudsonsbai an diese Linie heran; von Osten her der Ontario, der Simcoe und die Baffinsbai. Und wie in Südamerica die Küste am Golf von Panama einen auffallenden Parallelismus des Strei- chens mit dieser Linie beobachtet, so geschieht dies in noch viel hervor- ragenderem Maasse bei diesen Küsten, von der Südspitze der Jamesbai an bis zur Nordspitze der Baffinsbai. Jenseits des Pols trifft die Linie dieses Kreises in ihrem nunmehri- gen Laufe von Norden nach Süden zuerst auf den Punct, der mir von so grosser geologischer Bedeutung zu sein scheint, auf das Cap Siewero- Wostotschnoi, durchläuft Sibirien, geht an der Westseite des Baikals vor- über, durchschneidet die Wüste Gobi, China, Hinterindien, tritt durch die Nordspitze des Meerbusens von Siam in denselben ein, durchschneidet die Halbinsel Malacca und die gleichnamige Meerstrasse, tritt in die vulkani- sche Region Sumatra’s ein, zerlegt auch diese Insel in zwei fast genau gleich lange Hälften und geht endlich durch’s indische Meer zum Sücdpol. Zweiter Kreis, bestehend aus den Meridianen von = 28, und 2087,°. Beginnen wir mit der Betrachtung auch dieses Kreises auf der Südhemisphäre. Nachdem die Linie dieses Kreises, unter 18° südlicher Breite, sich der Westküste Africa’s bis auf die Distanz von 1° genähert hat, tritt sie, über geologische Configuration. 699 unter 6° südlicher Breite, in dies Festland ein. Sie durchschneidet die Sahara und in ihr die Oasen Agades und Ahir, tritt durch das Cap Bon in’s mittelländische Meer, berührt, unter 46 /,° nördlicher Breite, die Küste von Italien, geht durch die Nordspitze des Gardasees, durchläuft Deutschland, berührt das Südwestende der Ostsee bei Travemünde, streift die Ostküste Fünens, durchschneidet die nördlichste Spitze des Meerbusens bei Chri- stiania und bezeichnet somit in höchst bemerkenswerther Weise die Linie der grössten Ausdehnung desjenigen Meerbeckens, dessen Ostufer die Westküste Schwedens, dessen Westufer die Ostküste Jütlands, Schles- wigs und Holsteins ist. Nachdem diese Linie an einer Stelle der norwe- gischen Küste in die Nordsee getreten ist, wo jene in ihrem Laufe nach Süden beginnt eine stärkere Richtung nach Westen zu nehmen, durch- schneidet sie die Insel Röst und bezeichnet somit sehr charakteristisch den südlichen Endpunet der Lofoden-Reihe. Von hier setzt sie ihren Lauf fort durch’s Eismeer und geht, nachdem sie die nordöstliche Spitze Spitz- bergens durchschnitten hat, zum Nordpol. Jenseits des Nordpols tritt sie in die Behringsstrasse, durchläuft dieselbe, indem sie die Westküste der grössten von den, in der Behringsstrasse liegenden, Diomedes-Inseln be- rührt, geht zwischen den Inseln St. Laurent und Nuniwok durch, berührt die westliche Spitze der Insel Unmak und durchschneidet den Grossen Ocean dergestalt, dass sie die Linie seiner grössten Breite unter dem Aequator, von der Ostküste Sumatra’s bis zur Westküste America’s, fast genau halbirt. Die Bedingungen zur Construction des vorstehenden Kreissystems hatten die geologischen Verhältnisse der Nordhemisphäre des Erdballes geliefert; es waren nun auch diejenigen der Südhemisphäre einer ähnli- chen Berücksichtigung zu unterziehen. Aber auch hier boten sich die nölhigen Anhaltspuncte für ähnliche Combinationen gleichsam von selbst dar. Die geologische Bedeutsamkeit zweier. nach Süden keilförmig aus- laufender, Continente war zu hervortretend, als dass sie hätte unberick- 700 L. ©. H. Vortisch, sichtigt bleiben können. Wie das asiatische Continent nach Norden in eine scharfe Spitze ausläuft, so läuft das americanische Continent nach Süden spitz aus. Die Südspitze America’s inzwischen biegt sich nach Osten und endet hier in drei Vorgebirgen, dem Cap St. Vincente, das nach Norden, dem Cap St. Diego, das nach Osten, und dem Cap Good Success, das nach Süden streicht. Hier glaubte ich den Positionspuncet für einen neuen Kreis gefunden zu haben, und ich legte denselben nun dergestalt, dass er durch die Nordspitze des Cap St. Vincente und durch die Süd- spitze des Cap Good Success ging, und somit aus den Meridianen von 3127, und 132%, zusammengesetzt war. Schwieriger ward aber die Ermittlung des africanischen Positionspunctes. Das Südende Africa’s nämlich ist abgestumpft und bildet eine Küstenlinie, die durch einen Raum von 8 Graden in der Richtung von Ost nach West hinstreicht, ohne eine Stelle darzubieten, welche für die Bestimmung eines Positionspunctes in besonderer Weise maassgebend sein könnte. Dieser Umstand veranlasste mich, von der Küstenlinie selbst abzusehen, und dagegen die Linie des Wendekreises des Steinbocks für die bezweckte Ermittelung grundleglich zu machen. Ich halbirte deswegen unter diesem Wendekreis die Brei- tendimension des Continents und zog den betreffenden Kreis durch den Mittelpunet, so dass derselbe mit den Längengraden von = 42%," und 222," zusammenfiel. Als dies geschehen war, verglich ich die Lage die- ses Kreises mit dem vorigen und fand zu meiner grössten Ueberraschung, dass dieser Kreis ganz genau dieselbe Distanz vom zweiten Kreise des ersten Systems habe, als der vorige vom ersten Kreise des ersten Systems. Diese Distanz beträgt 14°. Nachdem ich den Leser mit den Motiven nä- her bekannt gemacht habe, welche mich bei der Construction auch dieses zweiten Kreissystems leiteten, will ich nun dasselbe näher beschreiben. über geologische Configuration. 701 Zweites Kreissystem. Erster Kreis, bestehend aus den Meridianen von = 312%, und 132)". Die Linie dieses Kreises geht, wie bemerkt, durch das Cap Good Success und durch das Cap St. Vincente der Südostspitze America’s. Durch die Bai del Desenganno, unter 43° südlicher Breite, tritt sie in das americanische Festland und durchläuft dasselbe, bis sie an der cumanischen Küste, bei Piritu, in’s caraibische Meer tritt. Hier streicht sie an der Ost- küste Tortuga’s und an der Westküste von St. Croix und St. Thomas vor- über, trifft zuerst wieder bei Neu-Schottland auf das Continent, durch- schneidet die merkwürdige Fundybai, den Lorenzbusen, die Hudson-, Fro- bisher-, Cumberlandsstrasse, verlässt nördlich vom Cap Dyers das Baffins- land, durchschneidet den nördlichen Theil der Baffinsbai und die nordöst- liche Spitze derselben zwischen dem Cap York und dem Cap Melville, und geht durch das nördliche Grönland zum Nordpol. Jenseits des Pols be- rührt diese Linie, in ihrem Laufe vom Nord- zum Südpol, die sibirische Küste am östlichen Ufer des Busens von Anabar, läuft an der Ostseite des Baikal’s vorüber, durchschneidet den östlichen Theil der Wüste Gobi und China’s. Durch den Meerbusen Wheytscheu tritt sie in’s chinesische Meer, das sie, zwischen der Küste von Cochinchina und der Insel Luzon, fast genau in der Mitte durchschneidet. Nachdem sie Borneo fast genau in der Linie seiner grössten Dimension von Nord nach Süd durchsetzt hat, geht sie durch den indischen Ocean, durchschneidet die Ostküste Neuhol- lands und läuft endlich durch die Südsee zum Südpol. Zweiter Kreis, bestehend aus den Meridianen von = 42%," und 2227. Die Linie dieses Kreises tritt durch die St. Franziscusbai in’s Festland von Africa, halbirt unter dem Wendekreise des Steinbocks die Breitenlinie des Continents, durchschneidet die Iybische Wüste, tritt durch das Cap Luko in’s mittelländische Meer, theilt die Insel Candia und Andros fast genau in zwei gleiche Hälften, durchschneidet das ägäische Meer der Länge nach, berührt die Spitze desselben in gleichem Abstande von den “ 1702 L. €. H. Vortisch, Endspitzen des, nach Westen sich erstreckenden, Busens von Salonik und des, nach Osten in’s Land eindringenden, Busens von Saros. Von hier nimmt sie ihren Lauf durch die Türkei, streicht dicht am östlichen Ufer des rigaischen Meerbusens vorüber, durchschneidet sodann den finnischen Meerbusen zwischen Reval und Helsingfors, Finnland, die Insel Carlö im bottnischen Meerbusen, die nordöstliche Spitze des letztern, die südliche Spitze des Pasanger Fjords, die nördliche Spitze des europäischen Conli- nents, die norwegische Insel Masöe, unter 71° nördlicher Breite, und geht nun durch das Eismeer zum Nordpol, nachdem sie hart an der Ostküste Spitzbergens vorübergestrichen ist. Jenseits des Pols trifft sie, in ihrem Laufe vom Nord- zum Südpol, auf das americanische Festland in der Nähe der nordöstlichen Hervorragung desselben, der Barrowspitze, streicht durch das russische America, geht dabei durch den See Ilamna und die Halbinsel Alaska, durchschneidet am Fusse des 13,800 Fuss hohen Ber- ges Mowna Koah die Ostspitze Owaihis und läuft durch den Grossen Ocean zum Südpol. Es ist nicht meine Absicht, bis in’s Kleine alle Combinationen zu ver- folgen, wozu die eben construirten Kreissysteme die Anhaltspuncte liefern dürften; ich beschränke mich darauf, nur in grossen Zügen die Eigen- schaften derselben zu zeichnen. Eigenschaften der beiden Kreissysteme. Kehren wir denn zur Betrachtung des ersten Kreissystems wieder zurück. I) Wir haben unter dem Aequator und auf den entgegengesetzten Seiten des Erdballes zwei Puncte grösster Vulkanilät.*) Der eine liegt bei Quito der andere auf Sumatra. Beide werden durch einen und den- selben Kreis dieses Systems mit einander verbunden. Es scheint derselbe *) Jüngste Katastrophe des Erdballes Seite 80 — 82. über geologische Configuration. 103 mithin in einer gewissen Relation zur Bewegung der feuerflüssigen Ma- terie des Erdballes zur Zeit der jüngsten Katastrophe zu stehen. 2) Wir haben unter dem nördlichen Polarkreis, und zwar gleichfalls auf den enigegengesetzten Seiten des Erdballes, zwei Communicalions- strassen des Nordpolarmeeres.*) Die Breite der einen erstreckt sich von der Ostküste Grönlands bis zur Küste von Nowaja Semlja, die zweite vom Ostcap bis zum Cap Prinz Wales. Beide Meerstrassen werden durch einen und denselben Kreis dieses Systems mit einander verbunden, und zwar in so bezeichnender Weise, dass derselbe fast genau durch die Mit- telpuncte ihrer Breiten geht. Es scheint mithin dieser Kreis in einer ge- wissen Relation zur Bewegung der tropfbar flüssigen Materie der Erd- oberfläche zur Zeit der jüngsten Katastrophe zu stehen. 3) Wir haben auf der Nordhemisphäre des Erdballes, aber an den entgegengesetzten Seiten desselben, zwei Meere, welche in der Gestalt langgestreckter Meerbusen von Südost nach Nordwest in die betreffenden Continente eindringen. Es ist dies die Baffinsbai in America und der Meerbusen von Siam in Asien. Beide werden durch einen und denselben Kreis dieses Systems mit einander verbunden, und zwar in so bemerkens- werther Weise, dass die Endspitzen beider unter diese Kreislinie fallen. 4) Wir haben auf den entgegengesetzten Seiten des Erdballes zwei Inseln, wovon jede zu einem Archipel gehört, worin sie sich durch ihre lange schmale Gestalt vor den übrigen Inseln auszeichnet. In America ist dies Cuba, in Asien Sumatra. Beide Inseln werden durch einen und denselben Kreis dieses Systems mit einander verbunden, beide durch- schneidet der Kreis in so bemerkenswerther Weise, dass er jede von ihnen in zwei Theile zerlegt, welche fast genau von gleicher Länge sind. 9) Wir haben in der Sahara ein Sandmeer, das von Ost nach West fast die ganze Breite des Continents einnimmt; wir haben im Grossen Oceane ein Meer, dessen Breite von der Ostküste Malaccas bis zur West- *) Ebendaselbst Seite 119 — 121. 704 L. ©. H. Vortisch, küste America’s sich erstreckt. Die Sahara wird fast genau durch den einen der Kreise dieses Systems in der Mitte durchschnitten, der Grosse Ocean durch den andern. 6) Was endlich im besondern Maasse bei Betrachtung dieses Kreis- systems das Interesse in Anspruch zu nehmen scheint, ist der Umstand, dass die Kreise, woraus es besteht, den Aequator in vier gleiche Theile zerlegen und dass mithin die vier Meridiane, woraus jedes System zusam- mengesetzi ist, unter einander einen Abstand haben, der genau 90 Graden gleich ist. Wenden wir uns nun zum zweiten System. Die Kreise dieses Sy- stems bezeichnen uns die Linien der grössten Längenerstreckungen der Continentalmassen. 1) Der erste von ihnen verbindet erstlich den nördlichsten Punct des americanischen Festlandes mit der südwestlichen Spitze desselben in einer Distanz, die im Minimo gleich ist 55° + 78° = 133°; zweitens verbindet er das sibirische Ufer am Eismeer mit dem Westufer Neuhol- lands in einer Distanz, welche gleich ist 74° + 34° = 108°. 2) Der zweite Kreis verbindet dagegen die Nordspitze Europa’s mit der Südspitze Africa’s in einer Distanz, die gleich ist 71° + 34° = 105°. 3) Vergleicht man nun die Lage dieser Kreise mit einander, so ge- langt man auch hier zu dem auffallenden Resultate, dass sie den Aequator in vier gleiche Theile zerlegen und untereinander einen Abstand von genau 90 Graden haben. Was nun die Längendimensionen der Continente betrifft, so tritt al- lerdings gegen diese Combinationen die Längendimension Asien’s, vom Nordostcap bis zur Südküste Sumatra’s, sehr zurück; denn während Nord- und Südamerica 133, Europa und Africa 105. Asien und Neuholland 108 Breitengrade zählen, beträgt die grösste Länge Asien’s nur 80 Grade. Dennoch ist es überraschend. wie genau die Verhältnisse sich ausgleichen. Summirt man nämlich die Zahl der Breitengrade von Europa und Africa mit derjenigen von Asien und Neuholland, so erhält man eine Summe von über geologische Configuration. 705 213 Graden, und das Mittel daraus ist 106%; summirt man dagegen die Zahl der Breitengrade von America mit derjenigen von Asien, so ist die Summe wiederum 213°, und mithin das Mittel 106),°, eine Zahl, der zwei jener Grössen, welche die Längendimension der Continentalmassen aus- drücken, in so auffallender Weise sich nähern. Vergleicht man endlich die Lage beider Kreissysteme zu einander, so ergiebt sich, dass die Linien des ersten Systems denen des zweiten so nahe liegen, dass ihr Abstand von einander nicht mehr als 14 Grade beträgt, und sie gleichsam zusam- men 4 Linienpaare bilden. Es ist nicht ohne Interesse, wie es mir scheint, sie in dieser Beziehung einer Betrachtung zu unterwerfen. Richten wir den Blick zuerst auf dasjenige Linienpaar, welches durch America läuft. Es ist doch aber gewiss ein bemerkenswerther Umstand, dass der ungeheure Gebirgszug der Anden, der nicht weniger denn 65 Breitengrade durchstreicht, welche gewaltige Bogen er auch macht, den- noch genau die Grenze dieser beider Linien innehält. In der Silla de Ca- raccas, nahe am östlichen dieser Kreise beginnend, wendet er sich in einem grossen Bogen von ihm ab nach Westen, bis er den westlichen die- ser Kreise erreicht. Hier biegt er wieder nach Osten um und geht in dieser Richtung fort, bis er ungefähr die Mitte zwischen beiden Linien er- reicht, von wo an er nun zwischen beiden Linien nach Süden dahin läuft, jedoch mit dem Bestreben, sich nun wiederum mehr und mehr dem west- lichen dieser Kreise zu nähern. Ein zweiter bemerkenswerther Umstand scheint der zu sein, dass auch die grössern weslindischen Inseln in die Grenze dieses Linienpaares fallen, wie Portorico, Haiti, Jamaica und die Hälfte von Cuba. Innerhalb des zweiten Linienpaares, welches Europa und Africa durchsetzt, liegt zuvörderst Spitzbergen, welches gleichfalls in bemer- kenswerther Weise diese Grenze innehält. Hatten wir bei dem vorigen Linienpaare ein Gebirge, das sich von seiner südlichsten Spitze bis zu sei- nem nördlichsten Ende genau nach dem Laufe dieser Linie zu richten scheint, so geschieht dasselbe hier von Seiten eines langgestreckten Vol. XXIV. P. II. 59 1706 L. €. H. Vortisch, Meeres, der Ostsee, welche in ihrem nördlichsten Ende, der Spitze des bottnischen Meerbusens, sich an die östliche, und in ihrem südwestlichsten Ende an die westliche Linie angelegt und mithin, trotz ihrer bedeutenden Länge und ihres Streichens von Südwest nach Nordost, dennoch die Grenze dieser Linien genau innehält. Zu gleicher Zeit verdient erwähnt zu wer- den, dass die beiden grossen Halbinseln des mittelländischen Meeres, Ita- lien und Griechenland, in den Zwischenraum dieser Linien fallen. In die Grenze des dritten Linienpaares, das Asien durchschneidet, fällt die Lage des Baikals, welcher, der Ostsee gleich, sich zwischen die- sen Linien von Südwest nach Nordost erstreckt. Und wie endlich das Linienpaar, welches durch America läuft, die grössern Inseln Westindiens einschliesst, so fallen die grössten Länderpartien des asiatischen Archipels, als ganz Java, der grösste Theil Borneos, der grösste Theil Malaccas und die Hälfte von Sumatra, zwischen diese beiden Kreise. Das vierte Linien- paar übergehe ich, da es bei seinem Laufe durch den Grossen Ocean nur vom Meere erfüllt ist. Drittes Kreissystem. Den beiden obigen Systemen von Längenkreisen scheint ein System von Breitenkreisen zugeordnet werden zu müssen, wovon dem einen etwa 28° nördlich, dem andern vielleicht ebensoweit südlich vom Aequator seine Stelle anzuweisen ist. Das System dieser Kreise begrenzt eine Zone, worin die flüssige Materie des Erdballes oberhalb des Erdgewölbes einem besondern und dabei stetigen Gesetze der Bewegung unterworfen ist. Die elastisch flüssige Materie der Luft und die tropfbar flüssige des Meeres umkreisen innerhalb dieser Zone, jene in den Passatwinden, diese in der Aequatorialströmung, in ewig gleicher Richtung von Ost nach West, den Erdball. Und wahrscheinlich ist es nicht zufällig, dass mit dem nördli- chen dieser Kreise eine Linie nahe zusammenfällt, welche bei nicht weni- ger als vier, und zwar der merkwürdigsten, Meerbusen, die grösste Ent- über geologische Configuration. 1707 fernung angiebt, bis zu welcher die, von Süden nach Norden in die be- treffenden Festländer eindringende, Wassermasse tropischer Meere im Verlauf der jüngsten Katastrophe des Erdballes vorzudringen vermochte. Der Golf von Californien, der von Mexico, das Rothe Meer, der persische Meerbusen, alle halten eine Grenze, welche mit dem 30° der nördlichen Breite zusammenfällt, und zwar die letztern drei mit auffallender Genauig- | keit, inne. Bezieht sich demnach das zweite Kreissystem vielleicht auf | einen Zustand der Dinge vor der jüngsten Umwandlung der Erdoberfläche; | steht das erste Kreissystem in Relation zu der abnormen Bewegung endo- gener und exogener Flüssigkeiten zur Zeit der jüngsten Katastrophe des Erdballes: so bezieht sich das dritte Kreissystem dagegen auf eine Kate- gorie der Bewegung derselben, die nicht aufhört, die heute, wie früher, dieselbe ist; die aber, einmal verstärkt, eben hier in mächtigster Wirkung auftreten wird. Man fragt mithin billig: sollte denn ein Gesetz, das die Bewegung der flüssigen Materie oberhalb des Erdgewölbes in so gross- arliger Weise beherrscht, unterhalb desselben wirkungslos sein? Ist es ohne Bedeutung für unsern Fall. dass die Cordilleras de los Andes ihre Richtung von Süden nach Norden plötzlich verlassen und nach West um- biegen, sobald sie in die Region gekommen sind, wo Luft und Meer nach Westen strömen? Sollte es ohne Bedeutung sein, dass auch der Scheitel derjenigen Curve, welche der gewaltige Gebirgsrücken des Himalaja bil- det, gerade zum Durchbruch kam, als er die Grenze dieser Region be- rührte? Sollte es ohne Bedeutung sein, dass fast die ganze ungezählte Schaar von Eilanden, womit der Grosse Ocean wie übersäet ist, innerhalb dieser Zone liegt? Oder wäre am Ende Platon’s Intuition doch mehr ge- wesen als ein leeres Phantasiegebilde, und rauschten wirklich unterhalb des Erdgewölbes, in des Kreislaufs vollkommener Bewegung, des Pyriphle- gelhons glühende Wogen dahin, nur dem Ohre des Geistes vernehmlich? Ob nun zwischen diesen Kreissystemen und den isothermischen und magnelischen Verhältnissen irgend eine Beziehung stattfinde, darüber wage ich nicht zu entscheiden. Doch dürfte es scheinen, als ob beide Kältepole N 108 L. C. H. Vortisch, eine gleiche Distanz vom Kreise der Behringsstrasse besitzen. Ausser- dem befinden sich die Mittelpuncte des americanischen, africanischen und sibirischen Isodynamensystems an Stellen, welche von den nahegelegenen Kreisen des ersten Configurationssystems denselben Abstand zu haben scheinen, der ungefähr 21° beträgt; wie denn auch die Mittelpunete der beiden Isogenensysteme, das der Marquesas-Inseln und jenes der Mand- schurei, einen gleichen Abstand, der etwa 14° beträgt, von den entspre- chenden Linien des zweiten Kreissystems zu haben scheinen. Doch verlassen wir nunmehr das Feld dieser Betrachtung, um zu anderweiligen Untersuchungen überzugehen. Configurationsmaass und Configurationsdistanzen. Wie man nun auch das Resultat dieser Combinationen betrachten mag, ich will es nicht verhehlen, dass es mich überraschte; und wie ge- ring der Gewinn auch anzuschlagen sein mag, er war dennoch grösser, als ich erwartet hatte. Um zu geometrischen Intuitionen zu gelangen, war ich von einem rein physischen Standpuncte ausgegangen; ich hatte ganz verschiedenartige Momente zum Ausgangspunct derselben gewählt; ich hatte an den entgegengesetzten Puncten des Erdsphäroids experimentirt, vom Nord- und vom Südpol aus den Lauf meiner Linien dirigirt, und der Er- folg war überall derselbe, nämlich ein mathematisches Resultat. Die er- langten Aufschlüsse waren der Art, dass sie mir, nicht allein die Configu-. rationen selbst in ein helleres Licht stellten, sie wiesen ausserdem sehr vernehmlich auf ein Maass hin, woran jene gebunden waren. Die Confi- guralionen der Communicationsstrassen des Nordpolarmeeres, der Puncte grösster Vulkanität unter dem Aequator, der benannten Meerbusen und Inseln, sie haben untereinander alle eine Distanz, welche 180 Längen- grade beträgt, mithin genau gleich ist dem halben Umkreis der Erde. Dem zur Seite steht der auffallende Umstand, dass die Linien des ersten Kreissystems, deren Position nicht willkürlich erwählt, sondern an gege- bene physische Verhältnisse geknüpft worden war, ’einen gleichen Abstand | über geologische Configuration. 1709 untereinander haben, der genau 90 Längengrade beträgt und mithin dem vierten Theile des Erdumkreises gleich kommt, sowie die gleichfalls auf- fallende Erscheinung der Congruenz des zweiten Kreissystems in dieser Beziehung mit dem ersten. Das waren Momente von zu hervortretender Bedeutsamkeit, als dass sie hätten übersehen werden können. Ich sah mich subjectiv überzeugt, dass in diesen Beobachtungen eine Wahrheit aus- gesprochen sei, die, wenn sie zur Grundlage neuer Combinationen gemacht würde, die Aussicht auf neue Resultate mit Wahrscheinlichkeit hofffen liess. In Grundlage des Systems von Längenkreisen fing ich nun an, her- vorragende Puncte der Gestaltung der Länder in Bezug auf Längendistan- zen zu messen. Da die Karte von Africa eben vor mir lag, und der West- contour dieses Continents eine so auffallende Curve nach Westen macht, so maass ich die Distanz desjenigen Küstenpunctes von der africanischen Linie des zweiten Kreissystems, welcher die grösste westliche Auswei- chung hat. Die Distanz des Gap Verde von der bezeichneten Linie ergab sich als eine Grösse von nahe 42), ein Zahlenwerth, der mich in meiner Ansicht bestärkte, da er dem Ausdruck vom Zahlenwerth eines halben Erdquadranten so nahe stand. Ich unterwarf nun den Contour America’s einer gleichen Messung, wobei ich die erste Linie des ersten Kreissystems zur Normallinie wählte. Ein ähnliches Hervortreten der Küste in’s Meer, wie bei Africa, fand ich auch hier, und zwar nach entgegengesetzten Sei- ten. In Südamerica tritt die Ostküste keilförmig in’s atlantische Meer und hat bei Pernambuco den Punct ihrer grössten östlichen Ausweichung; in Nordamerica ragt die Westküste Nordamerica’s bogenförmig in den Gros- sen Ocean hinein und hat im Cap Orford den Punct ihrer grössten westli- chen Ausweichung. Die Küste von Pernambuco hat eine Länge von 342%; eine Vergleichung derselben mit der gewählten Normallinie (= 298',) ergab eine Distanz von 44 /,", eine Grösse, welche der Grösse eines halben Erdquadranten bis auf %° nahe kommt. Aber auch diese geringe Differenz sah ich schwinden, als ich die Distanz des Cap Orford von der Normallinie untersuchte. Das Cap Orford hat eine Länge von 710 L. ©. H. Vortisch, — 253,,°, seine Distanz von der Normallinie beträgt mithin genau 45° und ist also der Hälfte des Erdquadranten gleich. In der Vermuthung bestärkt, dass für die Configuration der Erdober- fläche das Maass eines halben Erdquadranten, also das Maass von = 45", ein bedeutungsvolles sei, unlerzog ich nun Meere und Continente einer Messung in Grundlage dieses Configuralionsmaasses. Ich will die Ergeb- nisse hier folgen lassen, indem ich zu bemerken mir erlaube, dass ich die Lage der gemessenen Distanzpuncle grösstentheils nach dem Handatlasse von A. Stieler zu ermitteln gesucht habe, und dass somit die betreffen- den Angaben keine grössere Genauigkeit beanspruchen können, als auf diesem Wege zu erreichen ist. Wo es sich aber um Distanzen von so grossem Belrage, wie hier, um Distanzen zum Theil von tausenden von Meilen handelt, da wird es auf Differenzen im Betrage von einigen Bogen- minuten nicht ankommen können. Auch ist nicht wohl denkbar, dass die Congruenz der Erscheinungen mit dem beanspruchten Gesetze sich als eine solche erweisen werde, die sich immer und überall bis auf aliquote Theile eines Grades erstrecke, was um so weniger zu erwarten ist, als eine solche Annahme auf der unrichligen Voraussetzung beruhen würde, dass mit der Gestaltung der Contoure keine Veränderung vorgegangen sei. Nichtsdestoweniger halte ich sie für der Art, dass man billig über den Grad der Genauigkeit erstaunt, welchen die Resultate gewähren. A. Messung der Meere. I. Der Grosse Ocean. 1) Dass an der nördlichen Spitze des Grossen Oceans, in der jüng- sten Katastrophe des Erdballes, grosse Conflicte des Meeres mit dem Fest- lande müssen stattgefunden haben, suchte ich in der mehrfach erwähnten Schrift theoretisch zu begründen. Eine Betrachtung der zerrissenen Kü- sten und der nackten, schroffen Felsmassen der dortigen Gegend, wie wir sie zum Beispiel im Prinz Williamssund, beim Cap Prinz Wales und beim Ostcap finden, unterstützt jene Ansicht in einem nicht geringen Maasse. über geologische Configuration. zıı In der Nähe der Behringsstrasse befinden sich nun zwei Puncte, welche eine auffallende Aehnlichkeit haben in Bezug auf die Configuration der Verhältnisse; im Osten der Behringsstrasse ist dies der Prinz Williams- sund und im Westen derselben ist dies der Meerbusen von Oliutorsk. Beide nämlich haben einen gleichen Abstand von der zweiten Linie des ersten Kreissystems, welche durch die Behringsstrasse geht; bei beiden drang das Meer gleich weit in’s Land, nämlich bis zum 61° nördlicher Breite; jeder von ihnen liegt an der Ostseite einer Halbinsel, die freilich von sehr verschiedener Grösse, aber von einer merkwürdigen Aehnlichkeit der Form sind. Misst man nun die Distanz der östlichen Spitze des oliu- torsker Meerbusens, die eine Länge von — 186° hat, von der westlichen Spitze des Prinz Williamssund, unter = 231° der Länge, so beträgt die- selbe genau 1 x 45°. 2) Nach der Ansicht, welche ich in meiner oben bezeichneten kleinen Schrift ausgesprochen habe, verdanken das ochozkische Meer und jener grosse Meerbusen, welcher der Westküste America’s, zwischen 45—60° nördlicher Breite, die bogenförmig gekrümmte Gestalt giebt, ihr Dasein dem Andrange des Grossen Oceans in der secundären Fluth zur Zeit der jüngsten Erdkatastrophe. Hatte ich nun oberhalb dieser Meerbusen eine Distanzmessung vorgenommen, so lag mir daran, zu erfahren, wie sich gleich unterhalb derselben die Verhältnisse herausstellen möchten. Ich wählte demzufolge eine Region, welche sich durch die Spuren stattgehab- ter grosser Zerstörungen auszeichnet, nämlich die japanische Küste. Jesso, das einige Aehnlichkeit der Form mit Neufundland hat, besitzt, wie dieses im Cap Race, so im Cap Broughton eine nach Osten hin vorgeschobene Landspitze. Ich machte diese zum Ausgangspuncte einer Messung bis zur gegenüberliegenden americanischen Küste unter gleichem Parallel. Das Cap Broughton fand ich = 164° der Länge, die gegenüberliegende Küste im Cap Gregory = 254° der Länge. Die Distanz beider Puncte beträgt also 90° und ist mithin genau — 2 x 49°. 3) Einen dritten Anhaltspunct für eine neue Messung schien mir die 712 L. ©. H. Vortisch, Gegend in unmittelbarer Nähe des Wendckreises des Krebses zu gewäh- ren. Ich wählte den 24° nördlicher Breite dazu. Dieser Parallel berührt die chinesische Küste in der Mitte zwischen der Bai Emuvi und dem Meer- busen von Tschautscheu, unter 135," der Länge; der ihm gegenüberlie- gende Punct der americanischen Küste, am östlichen Ufer des Meerbusens von Californien, hat eine gleiche Breite mit der, in seiner Nähe gelegenen, Stadt Cossala und eine Länge von = 270/,°. Die Distanz der chinesi- schen Küste von der americanischen, in der Nähe des Wendekreises, er- gab sich demnach als = 135° und ist mithin gleich 3 x 45°. 4) Es war nun die grösste Breitendimension des Grossen Oceans einer Messung zu unterwerfen. Seine grösste östliche Ausweichung er- reicht derselbe im Meerbusen von Choco, unter 4° nördlicher Breite; der ihm gegenüberliegende Punct befindet sich an der Ostküste Malacca’s. Ersterer hat eine Länge von = 301”, letzterer deren eine von = 121°. Die grösste Breite des Oceans umfasst also eine Länge von 180° und ist mithin genau = 4 x 45°. 5) Auf der Südhemisphäre bedingen die Küsten von Neuholland und America die Breite des Oceans. Die grösste östliche Ausweichung hat Neuholland im Cap Byron. Das Cap Byron liegt auf 29° südlicher Breite, und hat eine Länge von = 171°; die ihm gegenüberliegende chilenische Küste, nördlich von La Serena, hat eine Länge von = 306°. Die Distanz zwischen beiden Puncten beträgt also = 135° und ist mithin genau = 3x 4°. ll. Der indische Ocean. 6) Fangen wir auch hier, wie beim Grossen Ocean, die Messung am Nordende an. Von geologischer Bedeutung scheint hier der Golf von Aden, als Mündung des Rothen Meeres, zu sein. Messen wir von hier an, über die ostindische Halbinsel hinaus, bis zur gegenüberliegenden sia- mesischen Küste, an der Mündung des Meerbusens von Martaban. Ras Fartak, am nördlichen Ufer des Eingangs des Golfs von Aden, hat eine über geologische Configuration. 713 Länge von = 70, die Ostküste am Eingange des Golfs von Martaban hat eine Länge von = 115°. Die Distanz beider Puncte ist also genau =1x49). Es verdient hierbei bemerkt zu werden, dass die Westküste Vorder- indiens, unter 69° der Breite, bis auf eine Differenz von 45 Minuten eine Distanz von Ras Fartak hat, welche gleich ist = %, x 45°. 7) Die Breite des indischen Oceans unter dem Aequator erstreckt sich von der Ostküste Africa’s bis zur Westküste Sumatra’s. Die Ostküste Africa’s, unter dem Aequator, hat eine Länge von 60)”, die Westküste Sumatra’s von = 117°. Die Distanz beträgt demnach 117° und ist mit- hin, bis auf eine Differenz von etwa 15 Minuten, genau = 1/, x 49°. 8) Messen wir endlich den indischen Ocean, gleichsam an seiner Mündung, zwischen der Südwestspitze Neuhollands und der Südspitze Africa’s. Die Südwestspitze Neuhollands hat eine Länge von = 132,, das Cap St. Franciscus hat eine solche von 42%. Die Breite des indi- schen Meeres zwischen beiden Puncten beträgt mithin 90° und ist also genau = 2 x 49". Il. Der atlantische Ocean. 9) Beginnen wir auch hier unsere Untersuchung im Norden; stellen wir unsere Messung gleich unterhalb der Lofoden, auf dem 67° nördlicher Breite, an. Die grönländische Küste hat unter diesem Parallel eine Länge von = 346°, die norwegische eine Länge von = 31°. Die Distanz zwischen beiden Ufern beträgt 1 x 45". 10) Der westlichste Punct Irlands liegt unter 52° nördlicher Breite, der ihm gegenüberliegende Punct des americanischen Ufers ist die nörd- liche Spitze Neufundlands. Jener hat eine Länge von 7%, dieser von 322%. Es ist mithin die Distanz = 1 x 459°. 11) Ein dritter Punct von geologischem Interesse ist Barbadoes, die östlichste Insel des westindischen Archipels. Barbadoes hat eine Länge von 318°, die ihr gegenüberliegende africanische Küste hat, im Cap Mavie, Vol. XXIV. P. II. 9 714 L. €. H. Vortisch, deren eine von 27%°. Die Distanz der africanischen Küste von der näch- sten westindischen Insel beträgt mithin 44), und ist also nur um 30 Mi- nuten kleiner, als das Maass von 1 x 45°. 12) Legt man eine Linie von der Südostspitze Africa’s bis zur Mee- resküste von Chili und misst die Distanz des östlichen Ufers des atlanti- schen Meeres bis zum gegenüberstehenden Ufer des Grossen Oceans, so ist Folgendes das Ergebniss. Das Cap der guten Hoffnung hat eine süd- liche Breite von = 34° und eine Länge von 36°; die unter demselben parallel liegende Küste Chili’s, an der Mündung des Maypo, hat eine Länge von 306°. Die Distanz beträgt mithin genau 90° und ist somit =2>x49". B. Messung der Continente und Binnenmeere. Il. America. 13) Die grösste Breite hat das americanische Continent im hohen Norden, in der Nähe des Polarkreises. Die westlichste Spitze desselben ist das Cap Prinz Wales, an der Behringsstrasse, unter 109° der Länge. Die Länge der grönländischen Ostküste unter dem Polarkreise ist = 344". Die Distanz beider Puncte beträgt also = 135° und ist somit = 3 x 49. 14) Die östlichste Ausweichung der nordamericanischen Küste findet statt im Cap Orford, unter 2537," der Länge. Die Distanz des Cap Or- ford vom Cap Prinz Wales beträgt also 447," und ist mithin nur um 30 Minuten kleiner, als das Maass von 1 x 45°. 15) Setzen wir die Länge der Querachse vom Isthmus von Panama — 298/,, so ist ihre Distanz vom Cap Prinz Wales = 897, also nur 30 Minuten kleiner, als das Maass von 2 x 45°; ihre Distanz dagegen vom Cap Orford genau = 1x 45. 16) Die östliche Spitze des südamericanischen Continents bildet die Küste von Pernambuco, unter 342%, der Länge. Die Distanz dieses Punctes vom Cap Prinz Wales beträgt mithin 133°%° und ist somit nur um 17," kleiner, als das Maass von 3 x 45°; die Distanz desselben vom Cap Orford beträgt 89," und ist also nur um 45 Minuten kleiner, als das Maass über geologische Configuration. 715 von 2x 45°; seine Distanz endlich von Panama beträgt 447," und ist mil- hin nur um 30 Minuten kleiner, als das Maass von 1 x 45°. I. Europa, Asien und Africa. 17) Auch das Alte Continent hat seine grösste Breite in der Nähe des Polarkreises. Sein westlichster Punct ist hier die Insel Röst, die süd- lichste der Lofoden, sein östlichster Punct ist das Ostcap, an der Behrings- strasse. Röst hat eine Länge von 28, das Ostcap von 208°. Die Brei- tenausdehnung des Alten Continents, zwischen Röst und dem Östcap, be- trägt demnach 179° und ist mithin nur 30 Minuten kleiner, als das Maass von 4 x 45°. 15) Wir haben ein charakteristisches Hervortreten des europäischen Continents nach Westen auf beiden Seiten des englischen Canals. Der westlichste Punct der Landspitze von Bretagne in Frankreich liegt ober- halb der Stadt Brelles, in einer Breite von 48/,0. Ziehen wir von diesem Puncte der atlantischen Meeresküste, unter gleichem Parallel, eine Linie durch ganz Europa, Asien, das ochozkische Meer, bis zur Inselreihe der Kurilen, den Ueberresten der frühern Meeresküste von Asien, so erreicht diese Linie die Insel Ketoy unter 170%° der Länge. Die Westspilze der Bretagne hat eine Länge von = 13°. Die Distanz der atlantischen Mee- resküste von der Meeresküste des Grossen Oceans beträgt mithin 157%, und ist also genau = 3% x 45°. 19) Stellen wir eine ähnliche Messung von der Südwestspitze Por- tugals, dem Cap St. Vincente, unter 37° nördlicher Breite, an durch ganz Europa und Asien bis zur Ostküste Korea’s. Das Cap St. Vincente hat eine Länge von 9°, die Westküste Korea’s, der Stadt Han yang tsching gegenüber, hat eine Länge von 144°. Die Distanz ist also = 135°, mit- hin genau 3 x 45°. 20) Betrachten wir die nordöstliche Spitze des Meerbusens von Iskenderun, unter 54° der Länge, als das östliche Ende des mittelländi- Sn CL 716 L. €. H. Vortisch, schen Meeres, so ergiebt sich die Distanz desselben von Cap St. Vincente = 1x 45°. 21) Fast in gleicher Breite liegen die nördliche Spitze des adria- tischen Meeres und der grosse Busen, den der Aralsee in Nordost bildet. Das nordöstliche Ufer des Aralsee’s liegt unter 76° der Länge, die nörd- liche Spitze des adriatischen Meeres unter 31°. Die nördliche Spitze des adriatischen Meeres hat also eine Distanz vom nordöstlichen Ufer des Aral- see’s von 1x 45°. Fast genau dieselbe Distanz hat die Nordspitze des Golfs von Genua von der nordöstlichen Spitze des Caspisee’s. 22) Wählen wir uns, in der Nähe des Wendekreises des Krebses, zum Anhaltspunct für eine neue Messung die Stelle an der africanischen Westküste, welche hier am weitesten nach Westen vorgeschoben ist, und ziehen von hier aus nach Osten durch ganz Africa und Asien eine Linie bis zur Küste des Grossen Oceans. Der östlichste Punct in der Nähe des Wendekreises, der seine Lage zwischen dem Cap Blanco und El Gazie hat, besitzt eine Länge von = 7; der Punct, wo der Wendekreis an der chinesischen Küste den Grossen Ocean berührt, hat eine Länge von 135).°. Die Breite der beiden Continente, von einem Meerufer zum andern, beträgt also 135° und ist mithin genau = 3 x 45°. 23) Messen wir nun auch den Abstand der Spitze des Rothen Mee- res vom atlantischen Ocean, unter 30° nördlicher Breite. Die Spitze des Busens von Akaba hat eine Länge von 927,, die Westküste des africani- schen Continents, unter der gleichen Breite, von 77/%°. Die Entfernung des östlichen Busens des Rothen Meeres von der Küste des atlantischen Meeres ist demnach = 1 x 45°. 24) Africa hat seine grösste Breite unter 12° nördlicher Breite. Der westliche Endpunct des Continents ist hier das Cap Roxo in Senegambien, der östliche Endpunct ist dagegen das Cap Guardafui. Das Cap Roxo liegt unter 2° der Länge, das Cap Guardafui unter 69°. Die Distanz zwischen beiden Puncten beträgt 67°; es ist somit die grösste Breite Africa’s nur um 30 Minuten geringer, als das Maass von 1%, x 45°. über geologische Configuration. 717 25) Es giebt drei Stellen, wo der Canal von Mozambique eine gleiche Breite hat, welche zugleich die grösste unter seinen verschiedenen Breiten ist; von diesen liegt eine am Nordende Madagaskars, die andere am Südende, in der Nähe der Insel Barraceuta, die dritte zwischen der Mündung des madagassischen Flusses Para-ceyla und dem gegenüberlie- genden africanischen Meerufer, unter 197, südlicher Breite. Messen wir an dieser letzten Stelle, also unter 19), südlicher Breite, die Breitendi- mension Africa’s, das sich hier von 30%, bis zu 93° der Länge erstreckt, so erhalten wir 227," zum Resultat. Es ist mithin an dieser Stelle die Breite des Continents genau = % x 49°. Es mag hiermit genug sein. Das vorstehende Viertelhundert von Belägen wird ausreichen, das Gesetzmässige in der Configuration von Län- dern und Meeren anschaulicher und uns mit dem Maassstabe der Conligu- ration vertrauter zu machen. Zur bequemern Uebersicht der gemessenen Distanzen will ich inzwischen ein Verzeichniss derselben folgen lassen, bei welchem die Gleichheit des Maasses für die Zusammenstellung zum Grunde gelegt ist. Es haben das Maass von genau oder nahe: a) Unter gleicher Breite: /),><45°. 1. Die Breite Africa’s unter 19/," südlicher Breite; 2. die Breite des indischen Meeres zwischen Ras Fartak und der Westküste Vorderindiens. a) Unter gleichem Parallel: 1x 45°. ci . Die Breite des atlantischen Oceans unterhalb der Lofoden; 2. die Breite desselben zwischen Neufundland und Irland; 3. die Breite desselben zwischen Barbadoes und der africa- nischen Küste; 4, die Breite des Grossen Oceans zwischen dem Busen von Oliutorsk und dem Prinz Williamssund ; 718 Es haben das Maass von genau oder nahe: 1><45°. 5. 6 r/ 8 9 10. 11. 12. 1%, 49%. 1: 11%, 49°. 1. 2 x45°. 1. 2 3 4 bi) 6 L. €. H. Vortisch, die Breite des indischen Meeres zwischen Ras Fartak und der Westküste Siam’s; . die Breite des mittelländischen Meeres vom Busen von Iskenderun bis zum Cap St. Vincente; . die Distanz zwischen der Nordspitze des adriatischen Meeres und dem westlichen Punct des Aralsee’s; . die Distanz der Nordspitze des Golfs von Genua von der nordöstlichsten Spitze des caspischen Meeres; . die Distanz der nordöstlichen Spitze des Rothen Meeres von der Ostküste des atlantischen Meeres. b) Unter verschiedenen Parallelen: Die Distanz des Cap Prinz Wales vom Cap Orford; die Distanz des Cap Orford von Panama; die Distanz Panama’s von der Küste bei Pernambuco. Die Breite des indischen Oceans zwischen Africa und Sumatra unter dem Aequator. Die grösste Breite Africa’s unter 12° Latit. a) Unter gleichem Parallel: Die Breite des Grossen Oceans zwischen Jesso und America; . die Distanz des Vorgebirges der guten Hoffnung von der chilenischen Küste. b) Unter verschiedenen Parallelen: . Die Distanz der Behringsstrasse vom Nordostcap ; . die Distanz der Behringsstrasse von Panama; . die Distanz der Behringsstrasse von der Mitte Cuba’s; . die Distanz der Behringsstrasse von der Mitte Sumatra’s; Es haben das Maass von genau oder nahe: 245°, 7. 8. 9. 10 11 12. 13 14. 15. 2450. über geologische Configuration. 719 die Distanz der Behringsstrasse von der Vulkangruppe Quito’s; die Distanz der Behringsstrasse von der Vulkangruppe Sumatra’s; die Distanz der Behringsstrasse von der Nordspitze der Baffinsbai ; . die Distanz der Behringsstrasse von der Nordspitze des Meerbusens von Siam; *) . die Distanz des Nordostcaps von der Insel Röst (Lofoden); die Distanz der Spitze Norwegens von der Südwestspitze Neuhollands; . die Distanz der Südspitze Africa’s (Cap Francesco) von der Südwestspitze (Cap St. Vincente) America’s; die Distanz der Südspitze Africa’s von der Südwestspitze Neuhollands; die Distanz des Cap Orford in Nordamerica von der Küste bei Pernambuco in Südamerica. a) Unter gleichem Parallel: Die Breite des Grossen Oceans in der Nähe des Wende- kreises des Krebses; die Breite des Grossen Oceans zwischen dem Cap Byron und der Westküste America’s; *) Alle hier von 3—10 aufgeführten, und auf die Behringsstrasse bezogenen, Distanzen blei- ben dieselben für alle Puncte des ganzen Längenkreises, der durch die Behringsstrasse geht, und können mithin auf alle Puncte, sowohl des Meridians von 208", °, als des von 281, ®, mit demselben Erfolge bezogen werden. 720 Es haben das Maass von genau oder nahe: 3%x45". 2. 4, SE 3%, x 45%. 1. 445% 1 2 3. 6. L. C. H. Vortisch, die Breite des americanischen Continents unter dem Polar- kreise; die Breite des europäischen und asiatischen Continents von der Südwestspitze Portugals bis zur Westküste Korea’s; die Breite des africanischen und asiatischen Continents in der Nähe des Wendekreises des Krebses. Die Breite Europa’s und Asien’s von der französischen Küste bis zum Archipel der Kurilen unter 48), derBreite. a) Auf gleichem oder fast gleichem Parallel: . Die Breite des Grossen Oceans unter 4° nördlicher Breite; . die Breite des europäischen und asiatischen Continents zwischen Röst (Lofoden) und dem Ostcap, an der Beh- ringsslrasse. b) Auf verschiedenen Parallelen: Die Distanz der beiden Communicationsstrassen des Po- larmeeres; die Distanz der Vulkangruppen von Quito und Sumatra; die Distanz der Mittelpuncte Cuba’s und Sumatra’s; die Distanz der Nordspitze der Baffinsbai von der Nord- spitze des siamesischen Meerbusens. Ich habe mich darauf beschränkt, das Gesetzmässige in der Configu- ration der Länder und Meere an ihren Breitendimensionen nachzuweisen; es liegt aber die Vermuthung nahe, dass es auch an ihren Längendimen- sionen erkennbar sein dürfte. Den bemerkenswerthen Umstand erwähnte ich schon, dass die Linie, welche die Nordspitze Europa’s mit der Süd- spitze Africa’s verbindet, fast dieselbe Länge hat, welche die Linie besitzt, die Neuhollands Südwestspitze mit der Nordküste Sibiriens verbindet, und über geologische Configuration. 121 dass die Linie der grössten Längendimension Asien’s mit jener America's, wie gross unter ihnen die Differenz auch sei, zusammengenommen den- noch eine Gesammtlänge habe, welche der Gesammtlänge der beiden er- sten Linien gleich ist. Ebenso erwähnte ich oben, dass die nördliche Grenze von vier bedeutenden Meerbusen, die von Süden nach Norden in die betreffenden Continente eindringen, in einem Abstande vom Aequa- tor liegen, der bei allen fast genau derselbe ist. Es möge denn hier noch folgende Bemerkung eine Stelle finden. Die Spitze Norwegens hat einen Abstand vom Aequator, der 71°be- trägt, die südlichste Spitze Africa’s dagegen hat, im Cap Agulhas, eine südliche Breite von 35°. Die Distanz des ersten Puncts vom Aequator ist mithin, bis auf eine Differenz von ungefähr 30 Minuten, doppelt so gross, als die Distanz des zweiten Puncts. An jeder Seite des nordame- ricanischen Oontinents sondert sich eine Landmasse vom Continentalkörper ab und tritt entweder als Insel oder Halbinsel in’s nahe Meer hinaus. Auf der Westseite ist dies Californien, auf der Ostseite Neufundland. Es ist aber auch hier wieder die Distanz des Cap Race, auf Neufundland, vom Aequator sehr nahe doppelt so gross, als die Distanz des Cap St. Lucas von ihm. Das Nordostcap, die äusserste nördliche Spitze des asiatischen Continents, hat eine Breite von 78),°, das Cap Horn, die äusserste süd- liche Spitze des americanischen Festlandes, hat eine Breite von 99°,°. Der Abstand des Nordostcaps vom nördlichen Polarkreise ist = 78%" — 66," — 11%, mithin nahe /, x 45°; die Distanz des Cap Horn vom Wende- kreis des Steinbocks ist = 55%, — 23, = 22)/,", mithin vollkommen genau = % x 49°. Will man übrigens, wie hier eben geschieht, das Maass von 45° auch in Bezug auf Abstände vom Aequator in Anwendung bringen, so dürften folgende Angaben nicht ganz ohne Interesse sein. Vom Aequator haben einen Abstand von /% x 45°: die Nordspitze des Meerbusens von Benga- len und die Südspitze Californiens; von % x 45°: die Südwestspitzen von Africa, Neuholland und Corea; von 145°: die Nordspitze des mit- Vol. XXIV. P. II. 9 122 L. C. H. Vortisch, über geologische Configuration. telländischen Meeres, im Golf von Genua; von 1), x 45°: die Nordspitze des Baikals, die Südspitze Südamerica’s und die südlichste Insel der Insel- reihe Long Island; von 1% x 45°: die südlichste Insel der Lofoden; von 1%, > 45°: das Nordostcap und die Nordspitze der Baffinsbai. Die grösste Differenz, welche zwischen dem hier gegebenen und dem wirklichen Maasse stattfindet, übersteigt nicht den Betrag von 39 Minuten. Die Natur ist nichts anders, als eine Gottesoffenbarung in Stoff, Be- wegung, Form und Farbe. Alle Naturforschung bereichert deswegen die Weisheit nur dann, und nährt nur dann die Seele zum ewigen Leben, wenn sie durchdrungen ist vom Gottesbewusstsein, wenn sie getragen wird von der Sehnsucht, das Unveränderliche und Ewige auch in Dem zu schauen, dessen Existenz gebunden ist an Zeit und Raum. Jeder Berg überdies heisst uns aufschauen vom Thal zur Höhe; das rauschende Meer nicht minder wie die stille strahlende Sternenwelt erwecken in der Seele des Pilgers dieser Erde Gedanken der Ewigkeit, sehnsüchtige Hoffnungen eines glücklichen Jenseits, einer lichterfüllten Zukunft; jedes Blümchen der Flur zeigt uns die Fussspur der wandelnden Gottheit. Was bist du, und was vermagst du, wenn der Strom deiner Gedanken im Sande des irdischen Lebens versiegt? Mit Goethe zu reden: „‚die Oede verschlingt dich!‘ Das fühlte schon das Herz des alten Normanns, da er zum könig- lichen Sohne die Worte sprach: „Die Götter, Helge, wohnen im Disarsaal, Doch nicht wie Schnecken wohnen in enger Schaal’; Soweit das Tagslicht dringet und Stimmen schallen, Soweit Gedanken fliegen, die Götter wallen.“ Verbesserungen Seite 699, Zeile 15 von oben lese statt: nordöstlich — nordwestlich. u ae! ER An „ südwestlichen —- südöstlichen. TEN LO PR - Er » Isogenensysteme — Isogonensysteme. ”„ 109), 4 von unten, 25 ES — 441,°. y rn0 . n0 „1135. © .b von.oben‘,, ER: 15) 18% Vol. 4. 2.2 4 Tat nal 32t 298% sql 40% | fr __ —— U — — meer zum — Eee on m u see —e : ZZ ————eeene- Sphiakorgen Arche Eee 2S Mc er Ri B Te ER un 1 N Gröntand ! ww : N P- Neu Sibirion 0 N Fir Ar % er fe a Meer von Kamtschalka | 14 d x 10 Y dance | | zoll | a 40 soll | Li} . 6“o To — | N Die rothen hinien bezeichnen: ces erste, che blauen | all Alan umweide Airssfipotem und die\schmarziy Auerlinien — dir gemessenen Distanzen. Die XApe des dirhtten Adeis- |) IB N ÜBER DIE LAUKASTEINE. VON E. FF GLOCKER, M. d. A.d. N. MIT 2 STEINDRUCKTAFELN. BEI DER AKADEMIE EINGEGANGEN DEN 29. SEPTEMBER 1853. D:s allgemeinste Gestaltungsgesetz in der Natur ist bekanntlich dasjenige der Kugel; alles Flüssige, sich selbst überlassen, strebt nach dieser Form, daher auch Kugelbildungen und andere, welche auf solche zurückzuführen sind, in so grosser Menge und Mannigfaltigkeit überall vorkommen. Am häufigsten jedoch sind solche Bildungen im Gebiete des Mineralreichs und zwar hier von einer zweifachen wesentlich verschiedenen Art, krystalli- nisch und unkrystallinisch, und diesemnach von ganz verschiedener innerer und zum Theil auch äusserer Beschaffenheit. Theils von der einen, theils von der anderen Art dieser Bildungen sind die kugligen und kugelähnli- chen Kalk- und Mergelgebilde, weiche in verschiedenen älteren und jün- geren Gebirgsschichten, aber unter übereinstimmenden oder wenigstens einander sehr ähnlichen Verhältnissen in der Erde angetroffen werden. Zu den merkwürdigsten Erscheinungen dieses Gebietes gehören die kugligen, sphäroidischen und cylindrischen kalkigen und mergeligen Ge- bilde, welche in einem Mergellager in dem Waldgebiete Sucha Lauka, /, Stunde von Olamuözan unweit Blansko in Mähren schon vor einer Reihe von Jahren entdeckt und auch in neuerer Zeit wieder erschürft worden sind, Gebilde, welche durch ihre schönen glatten, häufig fein gestreiften, sogar zum Theil wie gedrechselt aussehenden Formen sogleich bei ihrer Ent- deckung die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben und leicht für Kunst- 726 E. F. Glocker, producte gehalten werden können. Der Kürze wegen will ich diese Ge- bilde Laukasteine nennen, wie man ähnlich geformte Steine in Russ- land Imatrasteine und in Schweden Marlekor genannt hat. *) 1. Form und physische Beschaffenheit der Laukasteine, Die in Sucha Lauka vorkommenden Gebilde erscheinen zwar unter abweichenden Formen, denen aber allen die Kugelform zu Grunde liegt. Sie zeigen oft eine bewundernswürdige Regelmässigkeit und dieses eben- sowohl in ihren einfachen als in ihren zusammengesetzten Gestalten. Manche derselben sind vollkommene Kugeln oder nur sehr wenig von der regelmässigen Kugelform abweichend. (Taf. XXX. Fig. 1.) Andere und zwar die Mehrzahl sind mehr oder weniger flachgedrückt-kuglig oder sphäroidisch (Fig. 2 und 3), zuweilen in so hohem Grade zu- sammengedrückt, dass sie eine Linsenform darstellen, d. h. aus zwei aufeinander gesetzten sehr flach-convexen Kugelsegmenten oder aus sehr kleinen Segmenten grosser Kugeln bestehen, so dass durch das Zusam- menstossen dieser Segmente um die Mitte des Sphäroids herum ein ziem- lich scharfer Rand entsteht. (Fig. 4.) Selbst in’s ganz Platte und beinahe Scheibenförmige gehen diese Sphäroide manchmal über, wenn die flache Convexität an beiden einander entgegengesetzten Enden dem Ebenen schon sehr nahe kommt. Häufig sind sie von vollkommen kreisrundem Umrisse, zuweilen aber auch von unregelmässig-runder Form, d. i. nach verschie- denen Richtungen etwas ungleich ausgedehnt, oder auch mit schwachen Einbiegungen am Rande versehen. Manche Sphäroide zeigen an ihrer Oberfläche in gewissen Entfer- nungen von einander bald schwache, bald starke concentrische Ein- *) Kurze Notizen über diese Gebilde finden sich in Dr. C. Reichenbach’s geologischen Mittheilungen aus Mähren; Wien 1834, S. 142 f., und in Dr. G. Fr. Jäger’s Beobach- tungen und Untersuchungen über die regelmässigen Formen der Gebirgsarten, mit Hinwei- sung auf ihre technische Benützung etc.; Stuttgart 1846, 9. 6. über die Laukasteine. 127 senkungen oder Einschnürungen, oder ihr Durchmesser nimmt von der Mitte aus nach beiden Enden zu successiv so ab, dass diese Abnahme äus- serlich durch sich wiederholende, mit einander parallellaufende Absätze sich zu erkennen giebt. Ein Sphäroid von einer solchen Form hat das Ansehen, als wenn es aus mehreren auf einander aufgesetzten, von der Mitte aus nach beiden Enden zu immer kleiner werdenden Kugelsegmen- ten zusammengesetzt wäre. (Fig. d und 6.) Zuweilen sind die Hervor- ragungen dieser Sphäroide so stark, dass sie das Ansehen ringförmiger Wülste erhalten. (Fig. 7.) Noch eine andere Form der Laukasteine ist die flachgedrückt- ellipsoidische; diese ist jedoch viel seltener als die sphäroidische Form, wie sie denn auch überhaupt im Allgemeinen bei Mineralien eine der seltensten Formen und von solcher Regelmässigkeit wie bei den Lau- kasteinen mir nur vom thonigen Sphärosiderit der Beskiden bekannt ist. Entweder ist es ein einfaches flaches Ellipsoid, unter welchem sich die Laukasteine zuweilen darstellen (Fig. 8, Ansicht von oben), und dieses ist dann oft ausserordentlich platt gedrückt, ebenso wie die sehr plattge- drückten Sphäroide; oder auf ein grösseres flaches Ellipsoid ist ein klei- neres ebenfalls sehr flaches wie eine Kappe aufgesetzt, so dass beide durch starke Vertiefungen von einander getrennt sind (Fig. 9); oder es ist end- lich ein kleiner flach-ellipsoidischer Kern von einem grösseren ellipsoidi- schen Wulst wie von einem Mantel umgeben, aus welchem er hervorragt. (Fig. 10.) Ziemlich gleich häufig mit den kugligen und sphäroidischen Formen kommt eine diek-cylindrische, an beiden Enden flach-hemi- sphärisch begrenzte Form vor, die schönste und interessanteste von allen und meines Wissens so ausgezeichnet und von solchem Volumen bis jetzt nur bei den Laukasteinen beobachtet. *) (Taf. XXXIH. Fig. 11.) *) Nur lange dünne und unregelmässig-eylindrische Formen finden sich auch bei anderen Mer- gelgebilden und sehr dünn-cylindrische Formen zuweilen, aber selten, beim Markasit (Strahl - 728 E. F. Glocker, Diese im Verhältnisse zu ihrer Dicke stets niedrigen Cylinder haben in der Regel ein so gefälliges sanftes Ansehen, eine so gleichförmige glatte oder sehr wenig rauhe oder zart concentrisch - gestreifte Oberfläche, dass sie wie gedrechselt aussehen. Wenn sie sehr niedrig werden, nähern sie sich der Kugelform und gehen auch in diese oder in eine sphäroidische Form über. Nicht immer sind jedoch die Seiten dieser Cylinder vollkom- men gleichförmig und ohne Unterbrechung, vielmehr haben sie zuweilen um die Mitte herum, zuweilen auch etwas weiter nach oben oder nach un- ten eine ziemlich tiefe Furche, wodurch der Cylinder in zwei grosse Ku- gelsegmente getrennt wird, die entweder einander gleich oder von unglei- cher Grösse sind. Der Cylinder erhält dadurch das Ansehen, als wären zwei grosse Kugelsegmente oder Halbkugeln auf einander aufgesetzt, (Fig. 12.) Manchmal bemerkt man eine Wiederholung der concentri- schen Mittelfurche durch schwach angedeutete mit ihr parallel gehende Vertiefungen und Streifen, welche entweder auf beiden Hälften des Cylin- ders, oder auch auf einer derselben, oder auf der einen nur ganz vereinzelt und sparsam, auf der anderen in grösserer Anzahl ausgedrückt sind. Nicht selten findet man unter den Laukasteinen Verbindungen oder Gruppirungen von Kugeln und Sphäroiden. Der einfachste Fall dieser Art ist eine Verwachsung zweier Kugeln oder Sphäroide mit einander, wobei an der Verwachsungsstelle, welche gewöhnlich in der Mitte ist, eine bald mehr, bald weniger starke Einbuchtung entsteht. (Fig. 13, Ansicht von oben.) Es ist dieses eine ganz ähnliche Form wie die- jenige der sogenannten Äugensteine, welche Ehrenberg in der ober- ägyptischen Wüste bei Dendera fand.*) Ist die Einbuchtung zwischen den mit einander verbundenen Sphäroiden oder Kugeln nur sehr schwach, kies), faserigen Rotheisenerz und faserigen Brauneisenstein,. nie aber solche regelmässige dick-eylindrische Formen, wie bei den Laukasteinen, *) Bericht über die Verhandlungen der Königl. Akad. d. Wissensch. zu Berlin aus d. J. 1840, S. 136 f. über die Laukasteine. 129 so nähert sich ein solches Bisphäroid einem Ellipsoid und geht beim allmäligen Verschwinden der Bucht in ein solches über. Wenn drei Sphäroide oder Kugeln sich mit einander verbin- den, so können sie sich entweder in linearer Richtung oder so gruppiren, dass sie die Totalform eines Dreiecks annehmen. Eine Gruppe der letz- teren Art ist in Fig. 14 dargestellt, wobei sämmtliche drei Sphäroide von ziemlich gleicher Grösse und von fast ganz regelmässig - kreisförmigem Umrisse sind. Die Sphäroide dieses Trisphäroids haben an beiden Enden eine ziemlich starke Convexität. Ein Beispiel der Verbindung von fünf Sphäroiden (Penta- sphäroid) zeigt Fig. 15. Hier sind fünf flache Sphäroide so mit einan- der verwachsen, dass man nur vier derselben an den äusseren Einschnü- rungen deutlich erkennt, das fünfte Sphäroid aber in das vierte sich so verliert, dass die Stelle, wo beide sich vereinigen, nur noch durch eine kaum merkliche Einsenkung und ebenso die ganz flachen Gipfel der con- fluirten Sphäroide durch eine etwas blässere Färbung schwach angedeutet sind. Auch noch verschiedene andere Formen entstehen durch die Verbin- dung mehrerer Kugeln oder Sphäroide mit einander. So besitze ich ein grosses dickes etwas in die Länge gezogenes Sphäroid (27, par. Zoll breit, 27, Zoll hoch) mit unregelmässig wellenförmig gebogenen hervorragen- den Querleisten und schmalen Furchen, am oberen Ende mit einer unun- terbrochenen flach-convexen Wölbung, am unteren Ende mit drei neben- einander stark hervorragenden kleineren, aber ungleich grossen Kugeln. (Fig. 16.) Solche und ähnliche Formen gehen oft auch in’s unregel- mässig Knollige über. Als seltenere Gebilde fand ich unter den Laukasteinen einige mit ver- einzelten wellenförmigen oder fast zickzackförmigen mehr oder weniger scharfen unterbrochenen Hervorragungen, welche der Länge nach von oben nach unten über die Oberfläche einer Kugel herablaufen, so dass sie die concentrischen Querstreifen oder Querfurchen, wo derglei- Vol. XXIV. P. I. 92 1730 E. F. Glocker, chen vorhanden sind, rechtwinklig durchschneiden. Eine Kugel dieser Art ist in Fig. 17 abgebildet. Was an dieser Kugel am meisten in die Augen fällt, ist eine stark hervorragende, etwas über eine pariser Linie (an einigen Stellen 1Y, L.) breite abgerundete Querleiste, welche um die Mitte der Kugel herumläuft und sie in ein oberes und unteres grosses Ku- gelsegment abtheilt. Parallel mit dieser breiten Leiste gehen auf dem un- teren Segmente noch einige sehr schmale, nur schwach hervorragende Leisten, worauf dann die gewöhnliche, mit eben diesen Leisten parallele concentrische Querstreifung folgt, welche sich bis an das untere Ende fortsetzt. Die Oberfläche des oberen Kugelsegments besitzt dagegen keine solche ununterbrochene durchgängige deutliche Querstreifung, son- dern nur stellenweise einige unbedeutende Einsenkungen und schwach angedeutete kurze Streifen parallel der dicken Mittelleiste, wie es Fig. 17 darstellt. Ueber dieses obere Segment laufen aber von dem obern Gipfel aus einige kurz-wellenförmig gebogene scharfkantige Leisten wie ein Wall der Länge nach gegen die Mittelleiste herab, wo sie sich nahe oberhalb derselben verlieren. Mehrere andere weniger hervorragende unregel- mässig-gebogene Linien durchziehen in gleicher Richtung die Felder zwi- schen den stärkeren Leisten. Ebendiese Kugel hat an der Basis mehrere kleine flach-knollige und unregelmässig-sphäroidische Excrescenzen, welche übereinander hervorragen und in der Richtung der Breite der Kugel ausgedehnt sind, auch zum Theil noch eine undeutliche Streifung haben, welche der Querstreifung der grossen Kugel parallel ist; es sind dieses nur kleine sich wiederholende Sphäroide, nach demselben Gesetze wie die grosse Kugel gebildet und durch den gegenseitigen Druck, den sie bei ihrer Bildung auf einander ausübten, unregelmässig geworden. Die Oberfläche sowohl der kugligen, sphäroidischen, ellipsoidi- schen als der cylindrischen Gebilde ist gewöhnlich mehr oder weniger fein concentrisch-gestreift, doch wird diese Streifung auch manchmal unmerklich oder verliert sich ganz. An solchen Kugeln und Cylindern, welche durch eine Mittelfurche oder Querleiste in zwei Hemisphären abge- über die Laukasteine. 7131 theilt erscheinen, ist zuweilen die eine Hemisphäre ganz auffallend, die andere gar nicht oder schwach oder unterbrochen und nur stellenweise gestreift, wie in Fig. 17. Stärkere Streifen gehen oft in schmale Fur- chen und Leisten über. Zuweilen wechseln Furchen und feine Streifen mit einander ab. Bei den diekeren Cylindern folgen meistens auf eine ganze Reihe sehr feiner, oft kaum merklicher concentrischer Streifen eine, zwei oder drei sehr schmale und wenig hervorragende Leisten mit dazwi- schen liegenden breiteren sehr flachen Vertiefungen, welche auch durch eine dunklere Farbe sich auszeichnen und die Oberfläche in Zonen abthei- len oder ihr ein gebändertes Ansehen ertheilen. (Fig. 12.) Bei den Kugeln und Sphäroiden mit starken concentrischen Einschnürungen, wie in Fig. $ und 6, ist natürlich der Contrast der Hervorragungen und Ver- tiefungen viel grösser. Die feineren concentrischen Streifen sind es haupt- sächlich, welche den Kugeln und Cylindern ein Ansehen geben, als wären sie gedrechselt. Wer insbesondere die Cylinder, nachdem sie von dem ihnen ursprünglich anhängenden lettenartigen Mergel durch Abwaschen gereinigt worden sind, wodurch sie erst ihr gefälliges reinliches Ansehen erhalten, zum erstenmale zu sehen bekommt, ohne von der Art ihres Vor- kommens etwas zu wissen, kann ohne nähere Prüfung sehr leicht verleitet werden, sie für gedrechselte Cylinder zu halten. Was die innere Beschaffenheit der Laukasteine betrifft, so sind sie immer durch und durch mit Masse ausgefüllt; niemals habe ich in ihnen auch nur die geringste Höhlung angetroffen. Häufig besitzen sie eine excentrisch-strahlige Structur und zugleich eine dünnstäng- lige Absonderung; die erstere ist meistens unvollkommen, die letztere oft sehr deutlich. Die strahlige Structur geht durch das Schmalstrahlige in das Faserige über und Beides oft durch ein völliges Verschwinden des Krystallinischen in eine dichte Masse mit unebenem Bruche. Manche Kugeln zeigen in ihrem Innern unmittelbar unter der Oberfläche eine deut- liche zartfaserige Structur, welche weiter nach innen zu undeutlicher wird und sich gegen das Centrum zu oft ganz verliert. (Taf. XXX. Fig. 18.) or m 132 E. F. Glocker, Andere Kugeln und Sphäroide bestehen im Innern ganz aus einer sehr feinkörnigen matten und gleichfalls in’s Dichte übergehenden Masse, in welcher jedoch stellenweise, besonders gegen aussen zu, nahe unter der Oberfläche, feine glatte glänzende Blättchen hervortreten, welche sich durch ihre Härte und ihr starkes Brausen mit Säuren als Kalkspath zu erkennen geben. Auch ganze Partieen von klein- und feinblättrig-kör- nigem glänzendem blass graulichgelbem und blass ziegelrothem, in’s Graue fallendem Kalkspath fand ich im Inneren mehrerer Kugeln und Ellipsoide nahe unter der Oberfläche, und an einem Ellipsoid auch eine 1 bis 2 par. Linien dicke krustenartige Umhüllung von graulichweissem und gelblich- weissem kleinblättrigem Kalkspath, welche Hülle leicht absprang. Die zuerst genannten kleinblättrigen Kalkspathparlieen unmittelbar unter der Oberfläche mancher Kugeln sind oft zugleich stänglig abgesondert. Dass die kleinblättrigen Partieen sich vorzugsweise oder fast nur nach aussen zu gegen die Peripherie der Kugeln, Sphäroide und Ellipsoide zeigen, während weiter im Inneren bis in’s Centrum hinein die Masse feinkörnig oder dicht ist, beweist, dass die krystallinische Tendenz bei der Bildung dieser Concretionen viel mehr nach aussen zu als im Inneren wirksam war. — Endlich giebt es auch Kugeln und Sphäroide, welche einen von der äusseren Hülle ganz abgesonderten Kern besitzen, beide von verschiede- ner Beschaffenheit. Von dieser Art ist eine in meinem Besitze befindliche Kugel, deren Durchschnitt in Fig. 19 abgebildet ist. Dieselbe hat in ih- rem Inneren einen unregelmässig-rundlichen unkrystallinischen Kern, zum Theil mit kleinknolliger und unvollkommen -traubiger Begrenzung; scharf davon getrennt ist eine ziemlich dieke concentrische krystallinische Hülle mit excentrisch-dünnstängliger Absonderung und strahliger Structur. Hülle und Kern sind hier von ziemlich gleicher Dieke; doch können die Dimensionen beider auch ungleich sein. Ausser der eben erwähnten Bruch- und Structurbeschaffenheit zei- gen manche dieser Kugeln, Sphäroide und Cylinder in ihrem Inneren auch eine dünn- und geradschaalige Absonderung, welche bei den über die Laukasteine. 133 Sphäroiden der grössten Durchschnittsebene und bei den Cylindern, diese in aufrechter Stellung betrachtet, der jener Durchschnittsebene entspre- chenden horizontalen Durchschnittsebene parallel ist. Zuweilen erscheint diese geradschaalige Absonderung so vollkommen, dass die Kugeln oder Cylinder beim Zerschlagen in dünne kreisrunde tafelartige Stücke zerfallen und die beiden Enden in Form flacher Kugelsegmente abspringen. (Fig. 20, a und 5.) Mit dieser dünnschaaligen Absonderung steht die äussere concentrische- Streifung und Furchung in der genauesten Beziehung; denn die Streifen und die dünnen Leisten, welche mit Furchen abwechseln, wer- den hauptsächlich durch die mehr oder weniger hervorragenden Ränder der horizontalen dünnschaaligen zahlreich über einander liegenden Abson- derungsstücke hervorgebracht. Indessen ist andererseils auch nicht zu läugnen, dass sich oft im Inneren der Kugeln und Sphäroide alle Spur von schaaliger Absonderung verliert. Die herrschende Härte der Laukasteine ist ein Mittel zwischen Kalk- spath- und Gypshärte, sie geht aber auch in die letztere über, so dass die Masse sich leicht mit dem Nagel ritzen lässt. Nur die strahligen Partieen sind an weniger gemengten Stellen, ebenso wie die zwischen den matten feinkörnigen Massen oder als deren Umhüllung hin und wieder vorkom- menden glänzenden klein- und feinblättrig-körnigen Partieen, von Kalk- spathhärte. Das specifische Gewicht der Laukasteine ist im Durchschnitte — 2,6, in den kleinblältrigen und stängligen Massen auch etwas höher. Die Farbe der Laukasteine ist theils gelblichgrau, in’s Graulichgelbe übergehend, theils und besonders häufig blass graulichroth, unrein Neisch- roth und ziegelroth, welche rothe Farben von dem herrschend rothen schiefrigen Mergel herrühren, in welchen die Gebilde eingelagert sind. Doch haben auch manche derselben, während sie im Inneren roth sind, eine graulichweisse, gelblichweisse oder blass röthlichgraue Oberfläche. Die grösseren Cylinder und Kugeln zeigen an ihrer Oberfläche zuweilen zweierlei oder dreierlei Farben, in concentrischen bandförmigen Streifen 734 E. F. Glocker, mit einander abwechselnd, oder auf herrschend einfarbigem Grunde anders gefärbte schmale Streifen, besonders auf hellrothem Grunde dunkelrothe oder hellgraue. auch blass graulichgrüne concentrische Streifen oder eben- so gefärbte breitere Bänder. Manchmal zieht sich ein Kreis von schwar- zen Mangandendriten an einzelnen Stellen ringförmig um eine Kugel oder einen Cylinder herum, wie in Fig. 11. Die unkrystallinische Masse der Laukasteine ist durchaus matt, so- wohl im Aeusseren als im Inneren; doch sind nicht selten höchst zarte Glimmerschüppchen eingemengt, welche ihr ein schimmerndes Ansehen ertheilen. Auch die strahligen und stängligen Abänderungen sind ge- wöhnlich matt oder nur von einem sehr geringen Glanze. Dagegen sind die kleinblättrigen Partieen, welche zuweilen die sehr feinkörnigen oder dichten Massen umgeben, glänzend von Glasglanz, welcher sich in Perl- multerglanz zieht. Die Grösse der Laukasteine variirt von 7% bis 2%, par. Zoll im grössten Durchmesser der Kugeln und Sphäroide, so wie im horizontalen oder Querdurchmesser der Cylinder; die Höhe der letztern steigt nur von 1 bis 2/, Zoll, woraus erhellt, dass die Cylinder stets dick und niedrig sind. Die Sphäroide werden, indem sie sich in der Richtung der Haupt- axe ausdehnen, zu Cylindern, daher diese letzteren, wie schon oben be- merkt wurde, stets an ihren beiden Enden durch flache Hemisphären be- grenzt sind. Beim Anhauchen geben alle diese Gebilde einen sehr merklichen Thongeruch von sich, welcher jedoch bei manchen, namentlich den thonreicheren, welche beim Auflösen in Salzsäure einen grösseren Rück- stand lassen, slärker ist als bei anderen. 2. Chemische Beschaffenheit der Laukasteine, Die Laukasteine sind, wie schon eine flüchtige Betrachtung dersel- ben lehrt, mergelige und nur an manchen krystallinischen Stel- len ziemlich rein kalkige Gebilde, welche meistens höchst feine, über die Laukasteine. 135 mit dem blossen Auge oft nicht erkennbare Sandtheilchen, so wie hin und wieder höchst zarte weisse glänzende Glimmerschüppchen ein- gemengt enthalten. Mit concentrirter Salzsäure braust sowohl die strah- lige als die feinkörnige und dichte Masse dieser Gebilde stark, aber schnell vorübergehend, die kleinblättrige am stärksten. Das Pulver derselben löst sich in concentrirter Salzsäure unter sehr starkem Brausen schnell, aber nur theilweise auf, es bleibt ein bald grösserer, bald geringerer unaufge- löster Rückstand in der Form des angewandten Pulvers. Aus diesem Umstande ist auf eine ungleiche Thon- und Sandeinmengung zu schliessen. Schon im November des Jahres 1846 hat Herr Professor Dr. Duflos die feinkörnige blass gelblichgraue Masse der Laukasteine einer Analyse unterworfen. Dieser zu Folge ergaben sich, nach Abschwemmung des eingemengten sehr feinen Sandes, welcher 9 Proc. betrug, als chemische Bestandtheile folgende: 72,0 kohlensaurer Kalk, 20,0 Thon, 8,0 Eisenoxydhydrat. In den rothen dieser Gebilde kann die Ursache der Farbe nur in einem Antheile von Eisenoxyd gesucht werden. Die Laukasteine bestehen also, wenigstens grösstentheils, aus einem an kohlensaurem Kalk sehr reichen Mergel. Da jedoch in der feinkör- nigen oder dichten Masse derselben zuweilen einzelne sehr deutliche fein- blättrige glänzende Partieen von Kalkspath enthalten sind, so ist die Masse in diesem Falle wirklich als feinblättriger, mit Thon innig durchmengter Kalkspath anzusehen, mithin als ein feinblättriger und feinkörniger Mergel. Auch sondert sich zuweilen reiner graulich- und gelblichweis- ser, klein- oder feinblättrig- körniger glänzender Kalkspath.besonders aus und überzieht zum Theil die Kugeln und Sphäroide in Form einer Y, bis 2 Linien dicken Kruste. Noch häufiger zeigt die Masse der Laukasteine, wie schon erwähnt, eine excentrisch-strahlige Structur und zugleich dünn- stänglige Absonderung und stellt in diesem Falle einen mit Thon durch- 736 E. F. Glocker, mengten strahlig-stängligen Kalkspath dar,*) oder mit anderen Worten strahligen und stängligen Mergel. Die strahlige sowohl als klein- und feinblättrige Structur der Laukasteine beweist also, dass nicht allein, welches bekanntlich der häufigste Fall ist, der dichte und erdige, sondern auch der krystallinische kohlensaure Kalk durch Aufnahme einer grösseren oder geringeren Menge von Thon und durch innige Imprägnation mit dem- selben mergelartig werden kann, wovon übrigens auch der sogenannte Tutenkalk oder Tutenmergel (auch Nagelkalk genannt) ein ganz ähnliches Beispiel liefert, nur von anderen äusseren Formen und neben der strahli- gen Structur und stängligen Absonderung zugleich von conisch gebogen- schaaliger Absonderung. Sehr selten scheint bei anderen krystallinischen Mineralien eine solche Mengung mit Thon vorzukommen. Einen Fall die- ser Art fand ich bei einem kleinkugligen excentrisch-strahligen Eisenspath oder Sphärosiderit, welcher in schwarzgrauem Schieferthon unter Quader- sandstein und im Liegenden eines Moorkohlenflötzes an dem Berge Na Wrschich bei Kochow unweit Lettowilz im Sommer 1852 zu Tage geför- dert worden ist. An ihrer äusseren Oberfläche sind die kleinen Kugeln dieses Eisenspaths, welche gedrängt nebeneinander liegen, mit wenig her- vorragenden schmalen Rändern versehen, wie viele Laukasteine, und in ihrem Centrum zeigen alle, ebenso wie manche der letzteren, einen sehr kleinen dichten Kern von blässerer Farbe, welcher unmerklich in die strahlige Masse übergeht. 3. Art des Vorkommens der Laukasteine, Die Kugeln, Sphäroide und Cylinder der Laukasteine liegen in einem ziemlich mächtigen Lager von horizontal geschichtetem schiefrigem theils lichte rothem (ziegelrothem oder graulichrothem), theils aus abwechseln- *) Dass die strahlig-slänglige Bildung hier dem Kalkspath und nicht dem Aragonite angehört, beweist die nahe Uebereinstimmung des specifischen Gewichts der Masse mit dem Gewichte des Kalkspaths und die an vielen Stellen zum Vorschein kommende deutlich-blättrige rhom- bo@drische Kalkspathstructur. über die Laukasteine. 137 den rothen, grauen und blass graulichgrünen Lagen bestehendem weichem zähem, auf der Lagerstätte feuchtem, ein wenig fetlig anzufühlendem fein- erdigem, in’s Dichte übergehendem, im Bruche mattem, im Striche glän- zend werdendem Mergel, welcher in dem Raume zunächst um die Ein- schlüsse herum grösstentheils frei von Sandkörnern, aber oft voll von höchst zarten Glimmerschüppchen ist, sich im feuchten Zustande sehr leicht kneten lässt und mit Salzsäure im Allgemeinen ziemlich stark, nur an ein- zelnen Stellen schwächer (aber stets weniger stark als die Laukasteine selbst) und schnell vorübergehend braust. Der ziegelrothe Mergel ist meistens so intensiv roth gefärbt, dass er sogar abfärbt und theilweise fast wie Röthel schreibt. Die eingeschlossenen Gebilde erscheinen darin ein- zeln zerstreut, aber in gleicher und zwar in aufrechter Stellung, d. h. so, dass ihre geradschaaligen Absonderungen mit den Schichtungsebenen des Mergels parallel sind, also die Axen der Sphäroide und Cylinder die Mer- gelschichten rechtwinklig schneiden. (Fig. 21.) Das Mergellager befin- det sich an einem Abhange in dem Walde Sucha Lauka, 7, Stunde von Olamuözan unweit Blansko im Brünner Kreise und ist auf Grauwacken- kalkstein gelagert, welcher einige hundert Schritte tiefer an dem Fusse des Abhanges in einer engen Schlucht hervortritt. Dieser Walddistrict gehört noch zu dem Olamutzaner Plateau, welches sich oberhalb Olamuczan sowohl gegen Josephsthal als gegen Jedownitz zu ausdehnt und auf der Höhe aus Jurakalk besteht, welcher den Grauwackenkalk bedeckt, selbst aber von weissem Sand mit häufigen sogenannten Butzenwerken von Braun-, Roth- und Thoneisenstein, untermengt mit Kugeln und Knollen von Chalcedon, Hornstein und Feuerstein überlagert ist. Die zuletzt ge- nannten Kugeln und Knollen sind oft von beträchtlicher Grösse, im Innern hohl und mit Bergkrystallen und Amethystkrystallen ausgedrust oder auch mit nierenförmigem und traubigem Cacholongopal ausgekleidet. In dem weissen Sande kommen bei Ruditz und Olamuczan locale Ablagerungen von sehr feinem weissem Thon vor, welcher zur Fayencefabrication be- Vol. XXIV. P. II. 95 138 E. F. Glocker, nutzt wird. Der weisse Sand und das die Laukasteine führende Mergel- lager scheinen von gleicher Formation zu sein. In dem rothen schiefrigen Mergel fand ich in eben dem Gebiete, in welchem die Mergelgebilde vorkommen, auch einzelne grosse und kleine Stücke von demselben grauen dichten Grauwackenkalkstein, welcher am Fusse des Abhanges, dessen obere Lage der Mergel bildet, anstehend her- vortritt, so wie auch Stücke eines schönen weissen starkglänzenden gross- blättrigen Kalkspaths, welcher mit dem jenen Grauwackenkalkstein in Gang- form durchsetzenden identisch ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das zerstreute Vorkommen dieser Stücke von Kalkstein und Kalkspath in dem Mergellager nur auf einen kleinen Raum beschränkt. 4. Bildung der Laukasteine. Die oben erwähnte Lage der Sphäroide und Cylinder der Lauka- steine in dem horizontal geschichteten Mergel, wonach ihre Axe senkrecht gegen die Schichten der letzteren steht, wird durch ihre Entstehungsweise bedingt. Da die Sphäroide und Cylinder in dem Mergel, während er noch im flüssigen oder halbflüssigen Zustande sich befand, oder mit andern Wor- ten aus einer Flüssigkeit, welche kohlensauren Kalk mit Eisenoxyd und vielen suspendirten thonigen und feinsandigen Theilchen enthielt, durch Ausscheidung des kohlensauren Kalks sich gebildet haben, so konnte die Tendenz zur Schichtung des in der Ablagerung begriffenen Mergels nicht ohne Wirkung auf diese Gebilde bleiben, sondern musste sich ungeachtet der starken krystallinischen Kraft des kohlensauren Kalks durch die Masse des mit diesem vermengten Thones geltend machen, wodurch eben die dünnschaalige Absonderung der Mergelgebilde entstand, welche demnach nothwendig in die Richtung der Schichtung des Mergels fallen musste. Wie überall die Möglichkeit zur Kugelbildung vorhanden ist, wo sich eine Materie, welche ihrer eigenen Cohäsionskraft folgt, um einen Punet herum zusammenziehl, mag sie nun krystallinisch oder unkrystallinisch sein, so über die Laukasteine. 139 lässt sich auf diese Weise auch die Entstehung der Kugeln, Sphäroide und Cylinder von Sucha Lauka begreifen. Diese Formen konnten nur entstanden sein durch eine Zusammenziehung des kohlensauren Kalks, welcher Thon- und Eisenoxydtheilchen mit sich in seine Masse hineinzog, um einen centralen Punct oder um eine Reihe solcher Puncte, die in einer gewissen Richtung gegen einander lagen. Die Zusammenziehung selbst schritt in dem Maasse fort, als die Flüssigkeit allmälig verdunstete. Der Ansatzpunct für die Kugelbildung kann ein Sandkorn gewesen sein und da möglicherweise eine Anzahl zerstreuter Sandkörner vorhanden war, so konnten an vielen Stellen gleichzeitig oder nach einander solche kuglige Concretionen entstehen. Bei der Zusammenziehung um einen Punct her- um musste die Kugelform, und wenn zugleich ein Druck vorzugsweise nach einer Richtung ausgeübt wurde, die Sphäroidform entstehen. Dieses Letz- tere war nun in der Regel der Fall; denn da die Flüssigkeit in Folge der fortschreitenden Verdunstung immer mehr dickllüssig oder schlammig wurde, so mussten durch den Druck, den die in horizontalen Lagen sich absetzenden schlammigen Theile auf die in der Bildung und fortschreiten- den Vergrösserung begrilfenen Mergelkugeln ausübten, diese flachge- drückt, also mehr oder weniger sphäroidisch werden und zwar natürlich in der Richtung der sich absetzenden Materie, so dass die breiten Durch- schnittsebenen der Sphäroide den sich niederschlagenden Mergelschichten parallel, also horizontal wurden. Je stärker der Druck der sich absetzen- den Mergelschichten wurde, welcher Druck mit der steigenden Verdun- stung gleichen Schritt hielt, indem ebendamit die Mergelmasse immer mehr dickschlammig wurde und dem Festwerden näher rückte, desto mehr wur- den auch die Sphäroide zusammengedrückt, also desto flacher, woraus sich begreift, dass nicht allein die Mehrzahl der Laukasteine sphäroidisch ist, sondern unter ihnen sich auch so ausserordentlich flache linsenförmige Sphäroide finden. Durch dieselbe Wirkung konnten, wenn noch Neben- umstände hinzutraten, z. B. irgend ein Seitendruck, auch flachgedrückte Ellipsoide entstehen. 740 E. F. Glocker, Wenn viele Centralpuncte, um welche sich die Materie zusammenzog und herumlegte, in einer geraden Linie senkrecht übereinander sich be- fanden, so konnte bei gleichzeitiger Wirksamkeit an allen solchen Punc- ten sich ein Cylinder bilden. Waren nämlich die Puncte nahe übereinan- der liegend, so musste durch die um jeden derselben sich ansetzende Ma- terie wegen des Druckes, den die nach der Kugelform strebenden Theil- chen der Materie in verticaler Richtung auf einander ausüblen, um jeden Punct herum ein flaches Sphäroid entstehen und die nun nahe übereinan- der liegenden zahlreichen Sphäroide konnten, wenn sie gedrängt genug waren und so stark senkrecht zusammengedrückt wurden, dass sie nicht zur selbstständigen Ausbildung gelangen konnten, durch ihren Verein einen an beiden Enden mit flach-convexen Flächen begrenzten Cylinder bilden, dessen Axe in die in einer geraden Linie übereinander liegenden Anziehungspuncte fiel. Je nach der Anzahl der übereinander sich gestal- tenden, aber nicht zur Ausbildung gelangenden Sphäroide mussten die Cylinder höher oder niedriger werden. Da der Ansatz der Materie um einen Punct oder um eine durch zahl- reiche Puncte gebildete Axe herum nur langsam vor sich gehen konnte, so kann man sich leicht vorstellen, dass während dieses langsamen An- setzens oder Herumlegens der Materie, indem sie allmälig solideseirte, die Mergelflüssigkeit sich um die in der Gestaltung begriffenen Kugeln, Sphä- roide und Cylinder herumbewegte und dadurch nicht allein die feine glatte Oberfläche dieser Gebilde hervorbrachte, sondern auch die concentrische Streifung und Furchung derselben durch Auflösung und Fortführung der feineren Theilchen beförderte, wenn auch die ursprüngliche Veranlassung dieser Erscheinung, wie oben bemerkt wurde, in der dünnschaaligen hori- zontalen Absonderung zu suchen ist. Lagen Sandkörner als Centralpuncte für die Anziehung der Kalkma- terie in ganz geringen Entfernungen neben einander oder um einander herum. so mussten combinirte Sphäroide entstehen, wie die in Fig. 13, 14 und 15 abgebildeten sind. Solche Sphäroide konnten sich um so in- über die Laukasteine. 741 niger mit einander verbinden, je näher die Ansatzpuncte bei ihrer Bildung einander lagen. In den krystallinischen unter diesen Mergelkugeln ist die Wirkung der Krystallisationskraft des kohlensauren Kalkes ganz dieselbe, wie sie sich auch bei vielen anderen krystallinischen Kugelbildungen darstellt, z. B. beim Markasit (Strahlkies), strahligen Sphärosiderit, fasrigen Braun- und Rotheisenstein, Prehnit, Wawellit, Malachit u. a. Der kohlensaure Kalk strebte nach Individualisirung, d. h. vorzugsweise nach Ausbildung langer und dünner linearer säulen- oder pyramidenförmiger Krystalle von einem Centralpuncte aus, und da die nach Ausbildung strebenden Indivi- duen durch ihren gegenseitigen Druck auf einander die Auskrystallisirung hinderten, wobei auch der mit dem kohlensauren Kalk innig gemengte Thon und Sand durch ihre blosse Moles Widerstand leisteten, so konnte sich die krystallinische Tendenz des kohlensauren Kalks nicht anders als durch die Bildung der excentrisch-strahligen oder faserigen Structur und der stängligen Absonderung zu erkennen geben. Wo die Thon- und Sandeinmengung zu gross oder die Menge des kohlensauren Kalks zu ge- ring, mithin die unkrystallinische Masse überwiegend war, da vermochte die Kraft des kohlensauren Kalks auch nicht einmal die strahlige oder fa- serige Structur hervorzubringen, höchstens eine schwache Spur davon, daher manche der so entstandenen Laukagebilde im Innern kaum merklich krystallinisch sind. Aber auch abgesehen von den Einmengungen verliert sich beim krystallinischen kohlensauren Kalk im höchst feinkörnigen Zu- stande oft allmälig das krystallinische Gefüge, und er geht zuletzt in eine dichte oder feinerdige Masse über, daher manche Laukasteine im Innern wirklich diese Beschaffenheit haben, wenn sie auch nach aussen zu kry- stallinisch sind. Ausser der bald deutlichen, bald undeutlichen krystallini- schen Bildung mussten übrigens viele dieser Gebilde auch auf ganz un- krystallinischem Wege, durch blossen mechanischen Absatz im Wasser aufgelöster, mit Thon innig vermengter feiner schlammartiger Kalktheichen um gewisse Oentralpuncte herum entstanden sein, wie man bei denjenigen 742 E. F. Glocker, Laukasteinen annehmen muss, welche gar keine Spur von krystallinischer Structur in ihrem Innera wahrnehmen lassen. Ungeachtet also diese leiz- teren als ganz mechanische Bildungen von den krystallinischen zu unter- scheiden sind, so ist doch nicht in Abrede zu stellen, dass wegen der schon erwähnten Uebergänge des krystallinischen kohlensauren Kalks in den unkrystallinischen Zustand sich keine scharfe Grenze zwischen beiden ziehen lässt. 5. Vergleichung der Laukasteine mit den russischen Imatrasteinen, den schwedischen Marlekor, den diesen ähnlichen Gebilden aus Grönland, Steiermark und Nordamerica und mit den ägyptischen sogenannten Morpholithen, Die am Fusse der Katarakten des Wuoxaflusses bei Imatra im südli- chen Finnland vorkommenden, unter dem Namen Imatrasteine bekann- ten Gebilde sind flach -sphäroidische und flach - ellipsoidische dichte, zum Theil auch etwas schiefrige mergelartige Massen, welche nach einer che- mischen Untersuchung von Parrot aus ungefähr 49 Proc. kohlensauren Kalks, 19 Kieselerde, 9 Thonerde, 13 Eisenoxyd und ausserdem auch noch aus ungefähr 4 Proc. Schwefel bestehen. *) Manche derselben zei- gen an ihrer Oberfläche wulstförmige oder ringförmige Hervorragungen. Sie schliessen zuweilen eine zerreibliche „‚gelbe Erde‘‘ oder auch, wie es ohne nähere Bestimmung heisst, „kieselige Concretionen‘ ein und sitzen oft zu mehreren nebeneinander mit ihrer flachen Basis auf Gneiss- oder Granitblöcken auf. Was ihre Entstehung betrifft, so wurde gewöhnlich angenommen, dass sie von dem Wuoxaflusse herbeigeschwemmt worden seien und ihre Form durch rollende und wirbelnde Bewegung in den Ka- tarakten erhalten haben. Diesem widerspricht aber ihre Anheftung auf *) Memoires de l’Acad. imp. des sciences de St. Petersbourg. Vleme Serie, sc. naturelles. Tom. III. 1840. S. 297 ff. Erdmann’s Archiv für wissensch. Kunde von Russland etc. 1841. Heft 3. S. 534 fl. über die Laukasteine. 743 anderen Gesteinmassen. E. Hoffmann erklärte sie für Kalk- und Mer- gelconcretionen, die durch Zusammenziehung aus einer sie umgebenden heterogenen Masse entstanden seien und Anfangs in den Sandschichten gelegen haben, welche unterhalb der Wasserfälle des Wuoxa die Gneiss- felsen bedecken. Parrot hält sie für versteinerte schaalenlose weich- häutige Mollusken von einer unbekannten ausgestorbenen Gatlung und glaubt, dass durch diese Annahme ihr Anhängen an senkrechten Felswän- den erklärt werde.*) Ehrenberg macht sich die Erklärung ihrer Bil- dung am leichtesten, indem er mikroskopisch kleine unorganische und un- krystallinische Grundkörperchen annimmt, welche er Morpholithe oder Krystalloide nennt, durch deren blos mechanische Verbindung mit einan- der die Imatrasteine entstanden seien.**) Mit Recht staunt man über die beiden letzteren künstlichen Erklärungen. Aus der allerdings etwas ober- flächlichen Schilderung der Imatrasteine von Parrot scheint, wenn wir ihre Natur mit derjenigen der Laukasteine vergleichen, wenigstens so viel hervorzugehen, dass sie im Wesentlichen mit den letzteren übereinstim- men und daher auch wahrscheinlich eine ähnliche Entstehung haben wie diese. E. Hoffmann’s Ansicht, dass sie sich in den Sandschichten am Ufer des Wuoxaflusses, welche wahrscheinlich auch lehmiger oder merge- liger Natur sind und vielleicht auch mit Lehm- oder Mergelschichten ab- wechseln, durch Zusammenziehung kalkig-thoniger Theilchen gebildet haben, erscheint hiernach als die einfachste und wahrscheinlichste. Mit dem Namen Marlekor belegt man in Schweden gleichfalls ku- gelähnliche und scheibenförmige Thon- und Mergelgebilde, welche so- wohl in Flussbetten als an der Meeresküste sich finden und gemeiniglich für Naturspiele gehalten wurden. Schon der alte schwedische Mineralog *) C. C. v. Leonhard’s und Bronn’s neues Jahrb. f. Mineralogie, Geognosie und Petrefac- tenkunde. Jahrg. 18540. S. 716 f. *) Bericht über die Verhandlungen der Königl. preuss. Akademie der Wissensch. zu Berlin, aus d. J. 1840. 5. 138 f. 744 E. F. Glocker, Magnus v. Bromel erwähnt derselben,*) indem er von ihnen sagt: Durch die Bewegung der Meereswellen auf dem Meeresgrunde werde aus Thon und Sand „‚eine Art Thonsteine formirt, welche allerhand gedrech- selten Dosen, Deckeln, Pfropfen, Ringen und Münzen gleichen und des- wegen vom gemeinen Manne Marlekor, Malrikor und Neckebröd (Meer- spiele) genannt werden.‘‘ Neuerlich hat Axel Erdmann**) die schwe- dischen Marlekor beschrieben, welche bei der Fadamühle im Kirchspiele Tuna in der Gegend von Nyköping in Südermannland in einem Alluvial- thon an dem Ufer des kleinen Baches, welcher jene Mühle treibt, in gros- ser Anzahl gefunden worden sind. Diese Gebilde haben, wie man aus den auf Taf. I. in v. Leonhard’s neuem Jahrbuche a. a. 0. abge- bildeten Umrissen derselben ersieht, zum Theil gleiche, zum Theil wenig- stens sehr ähnliche Formen wie die Laukasteine und zeigen auch eben- solche Zwillings- und aus mehreren Sphäroiden zusammengesetzte For- men wie manche der letzteren. Auch darin stimmen sie mit diesen über- ein, dass sie nach Erdmann eine mehr oder weniger deutliche schiefe- rige (oder geradschaalige) Beschaffenheit zeigen, d. i. aus parallelen La- mellen von verschiedener Dieke und abwechselnd dunklerer und hellerer Farbe bestehen. Ihre Substanz ist nach Erdmann ein Mergel, welcher 47 bis 57 Proc. kohlensauren Kalk und ausserdem entweder reinen oder mit Sand gemengten Thon enthält. An den aus einigen oder mehreren Sphäroiden, welche einander einschliessen, zusammengesetzten Marlekor fand Erdmann, dass diese Sphäroide einen ungleichen Kalkgehalt be- sitzen und dass namentlich das mittelste Sphäroid am kalkreichsten zu sein pflegt. Das Thonlager, worin sich diese Gebilde befinden, enthält nach Erdmann keine Spur von kohlensaurem Kalk. Seine Ansicht in Betreff ihrer Entstehung ist, dass sie ebensowohl auf mechanischem Wege als *) Mineralogia et Lithographia Suecana etc. In’s Deutsche übersetzt von Mikrander. Stock- holm, 1740. S. 49. *) C.C.v.Leonhard’s und Bronn’s neues Jahrb. f, Mineralogie etc. Jahrg. 1850. S. 34 f. über die Laukasteine. 745 durch eine elektrochemische Wirkung gebildet worden seien. Die An- nahme dieser letzteren ist jedoch zu ihrer Erklärung gar nicht erforderlich, da ihre Bildung auf die erste Weise allein befriedigend erklärt wird. Ob jedoch die Formen, unter denen die Marlekor in dem Thon vorkommen, ihre unveränderten ursprünglichen Formen seien, oder ob sie durch äus- sere Einwirkungen später Veränderungen erfahren haben, lässt Erdmann unbestimmt. Auch in Grönland finden sich nach Hausmann*) sphäroidische Ge- bilde, welche mit den schwedischen in der Form und Masse übereinstim- men. Sie bestehen aus grauem sandigem Thonmergel und sind oft ziem- lich regelmäsig. M. J. Ackner**) fand ebenfalls ganz ähnliche Gebilde wie die Mar- lekor in weichen Mergel- und lockeren Sandsteinlagen in den Waldgrä- ben von Thalheim und Szakadat in Siebenbürgen. Manche derselben ha- ben die Form flacher Sphäroide oder Scheiben mit scharfem Rande, wel- cher durch Waschen sich abrundet, bestehen aus Mergel mit lamellenarti- gen Absonderungen und sind zum Theil von beträchtlicher Grösse. An- dere sind aus vorherrschendem Sand bestehende Kugeln. Edw. Hitchcock ***) hat Concretionen aus dem diluvischen Thon von Massachusetts beschrieben, welche zum Theil ebensolche Formen wie die schwedischen Marlekor, aber noch von grösserer Mannigfaltigkeit dar- bieten. Er führt sie unter dem Namen Claystones (Thonsteine) auf; es sind jedoch Mergelgebilde, wie die von ihm angeführten chemischen Analysen beweisen, indem sie aus einem abweichenden Gehalte (49 bis 56 Proc.) von kohlensaurem Kalk, aus einem beträchtlichen Antheile (im *) Untersuchungen über die Formen der leblosen Natur. Bd. I. Göttingen, 1321. 4. S. 115. **) Verhandlungen und Mittheilungen des siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften zu Hermannstadt. II. Jahrg. Hermannstadt, 1852. 8. S. 43 f. *r%* ) Final Report on the Geology of Massachusetts etc. Amherst and Northampton, 1841. 4. Ss. 406 I Vol. XXIV. P. Il. 94 746 E. F. Glocker, Durchschnitt 43 Proc.) von Kieselerde und Thonerde mit Eisenoxyd be- stehen und zum Theil auch etwas kohlensaure Talkerde und Spuren von phosphorsaurem Kalk und organischer Materie enthalten. Sie erscheinen in Form von Kugeln, Sphäroiden, Linsen, Ringen und in langen dünnen unregelmässig-eylindrischen Formen, welche letzteren aber von den schö- nen regelmässigen dicken Cylindern der Laukasteine ganz verschieden sind, ausserdem auch in mannigfaltigen zusammengesetzten Formen von den sonderbarsten Umrissen, welche oft Aehnlichkeit mit thierischen For- men haben. Sie finden sich an mehreren Orten im Thale des Connecti- cutflusses in Massachusetts, besonders am östlichen Ufer dieses Flusses in der Nähe des Dorfes Hadley, so wie auch am Hudsonflusse. Hitchcock glaubt, dass sie von einer der Krystallisation ähnlichen Bildung seien, wahrscheinlich entstanden durch die Wirkung des Wassers auf in weichem Zustande befindlich gewesenen Thon. Doch hält er diese Erklärung nicht für befriedigend, setzt vielmehr hinzu: „I freely confess, that the subject of concretions is involved in great obscurity.‘* *) Die in Oberägypten vorkommenden, von Ehrenberg im Jahre 182] bei Dendera in der Wüste entdeckten kugligen und scheibenförmigen Ge- bilde, welche in einem horizontalen Mergellager mitten in einem zur Krei- deformation gerechneten Kalkstein sich finden und zuweilen eine beträcht- liche Grösse bis zu einem Fuss im Durchmesser erreichen, sind ebenso wie die Imatrasteine und Marlekor dichte unkrystallinische Massen und in Säuren auflöslich, also kalkiger oder mergeliger Natur. Sie stellen theils regelmässige Kugelformen, theils einfache flache kreisrunde Scheiben dar, theils sind sie mit concentrischen Wülsten umgeben oder haben einen wie ein Augapfel hervorragenden convexen Kern (sogenannte Augensteine), theils endlich bestehen sie aus zwei mit einander verbundenen Doppel- scheiben, welche Bildung zu der Benennung Brillensteine Anlass gab. **) ") Aa. 102, 8.7400. **) Bericht über die Verhandlungen der Akademie der Wissensch. zu Berlin aus dem J. 1840. S. 136 f. über die Laukasteine. 747 Nach Ehrenverg’s Ansicht sind diese ägyptischen Gebilde, ebenso wie die Imatrasteine, aus einer Menge sehr kleiner mikroskopischer Grundkör- perchen zusammengesetzt, von ihm Morpholithe oder Krystalloide genannt, übereinstimmend mit denjenigen, welche er auch in der Porzel- lanerde und Kreide fand, über deren Form und Beschaffenheit er aber nichts Näheres angiebt, sondern nur so viel bemerkt, dass sie sich zu Glie- derstäbehen, Ringen und Spiralen mechanisch anordnen. Die ägyptischen Kugel- und Scheibengebilde haben nach ihm auch die Form jener mikro- skopischen Grundkörperchen, stellen sie nur in einem viel grösseren Maassstabe dar und werden daher von ihm gleichfalls Morpholithe oder Krystalloide genannt. *) Ihre Entstehung erklärt er durch ‚eine in Kreisen und Spiralen mehr oder weniger abschliessend wirkende oder durch eine ringförmig ordnende Kraft.“ Man sieht jedoch nicht ein, was hier zur Annahme einer solchen besonderen Kraft berechtigt, da die ägyp- tischen Gebilde, welche nach Ehrenberg durchaus unkrystallinische Massen sind, ebenso wie die unkrystallinischen unter den Laukasteinen, durch das allgemeine Gesetz der Zusammenziehung und mechanischen Ab- setzung unkrystallinischer Theilchen um einen Centralpunct herum sich ganz einfach und befriedigend erklären. *) Ueberseizen wir den Namen Morpholithe, so erhalten wir das Wort Formsteine. Wie kann man aber diesen Namen nur einer bestimmten kleinen Anzahl von Steinen ertheilen, da er doch auf alle Mineralien Anwendung findet! Er ist vollkommen bedeutungslos. Wenn vollends ebendieselben dichten ägyptischen Kugelgebilde, welche gar keine Spur einer kry- stallinischen Beschaffenheit an sich tragen, Krystalloide genannt werden, so ist dieses eine Benennung wie lucus a non lucendo. Höchstens würde diese Benennung solchen Kugelgebilden ertheilt werden können, welche, wie viele Laukasteine, eine excentrisch-strah- lige oder auch eine kleinblättrige Structur besitzen, also wirklich krystallinisch sind. — Uebrigens muss daran erinnert werden, dass Hausmann den Namen krystalloidische Gebilde schon früher von gewissen unvollkommenen Krystallen gebraucht hat, welche nicht zur Ausbildung gelangt sind, wie z. B. vou krystallinischen Körnern, von zähnigen, haar- förmigen, schaumartigen Mineralien u. dgl., so wie auch von solchen Formen, welche mit gruppirten Krystallen Aehnlichkeit zeigen, wie die gestrickten, blumigen und manche den- dritische Gebilde. (Untersuchungen über die Formen der leblosen Natur. I. S. 658.) S% ur 148 E. F. Glocker. Eine Vergleichung aller dieser Gebilde, wie sie aus der bisherigen Darstellung sich ergiebt, führt zu dem Resultat, dass sie alle sowohl in ihren äusseren Formen und selbst in den mannigfaltigen Abänderungen dieser Formen. als in ihren Absonderungsverhältnissen und in ihrer Massenbeschaffenheit im Wesentlichen mit einander übereinstimmen, so wie auch, dass sie entweder ein gleiches oder doch ganz ähnliches Vorkommen zeigen. Was dieses letztere betrifft, so stammen die Ima- trasteine nach E. Hoffmann aus Sandschichten, welche wahrschein- lich auch lehmiger oder mergeliger Natur sind, die Marlekor von Ny- köping liegen nach Axel Erdmann in einem Thonlager, die sieben- bürgischen Gebilde nach Ackner in Mergel- und Sandlagen, die nord- amerikanischen in diluvischen Thonschichten und die ägyptischen soge- nannten Morpholithe nach Ehrenberg in einem horizontalen Mergellager, ganz ebenso wie die mährischen Laukasteine. Aus dieser grossen Ueber- einstiimmung in der Form, Absonderung, Massenbeschaffenheit und in der Art des geognostischen Vorkommens ist man gewiss berechtigt, auch auf eine gleiche oder ganz ähnliche Entstehungsweise dieser Gebilde zu schliessen. Insbesondere kann ich nicht einen Augenblick daran zwei- feln, dass die ägyptischen Mergel- oder Kalkgebilde, ihrer von Ehren- berg selbst gegebenen Beschreibung zu Folge, dieselbe Entstehung ha- ben, wie sie oben von den nichtkrystallinischen unter den Laukasteinen angegeben wurde, dass also nicht eine ganz neue besondere Kraft zur Er- klärung ihrer Bildung anzunehmen ist. Diese Ehrenberg’sche „ring- förmig ordnende Kraft‘“ geht vielmehr völlig auf in dem allgemeinen Ge- setze der concentrischen mechanischen Ablagerung feiner Theilchen um einen materiellen Mittelpunct herum, wobei auch (gegen A. Erdmann’s Ansicht) eine elektrochemische Wirkung ganz und gar auszuschliessen ist. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5 Fig. 7, Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 19. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. über die Laukasteine. 749 Erklärung der Tafeln. (Die Figuren 2, 8, 18 und 21 sind etwas verkleinert, alle übrigen in natürlicher Grösse.) Tafel XXX. Eine ziemlich vollkommene Laukakugel. Ein dickes Sphäroid. Ein mehr flachgedrücktes Sphäroid. Ein sehr flaches Sphäroid mit scharfem Rande. u. 6. Sphäroide mit concentrischen Absätzen. Ein Sphäroid mit ringförmigen Wülsten. Ein einfaches flachgedrücktes Ellipsoid.. Ansicht von oben. Ein flaches grösseres Ellipsoid mit aufgesetztem kleinerem. Ein ellipsoidischer Kern, von einem grösseren ellipsoidischen Wulste umgeben. Tafel XXX. Eine dickeylindrische, an beiden Enden flach-hemisphärisch begrenzte Form mit gleichförmigen Seiten ohne Unterbrechung; am obern Ende mit einem Kranze schwarzer Dendriten. Ein Cylinder mit concentrischer Mittelfurche. Ein Bisphäroid (Augenstein). Ansicht von oben. Ein Trisphäroid. Ansicht von oben. Ein Pentasphäroid, an welchem zwei der mit einander verwachsenen 5 Sphäroide nur durch eine kaum merkliche Einsenkung angedeutet sind. Ansicht von oben. Ein dickes Sphäroid mit wellenförmig gebogenen Querleisten und am untern Ende mit 3 stark hervorragenden kleineren Kugeln. Eine Kugel mit stark hervorragender breiter concentrischer Querleiste um die Mitte herum, das obere Kugelsegment mit vom Gipfel aus der Länge nach herablaufenden wellenförmigen oder zickzackförmi- 750 E. F. Glocker, über die Laukasteine. gen Leisten, das untere Segment mit zahlreichen, der Mittelleiste pa- rallelen Querstreifen und einigen schmalen Querleisten. An der Basis mit kleinen flachknolligen und unregelmässig-sphäroidischen Excre- scenzen. Fig. 18. Mitteldurchschnitt einer Kugel mit excentrisch-faseriger Structur, welche im Centrum in eine dichte Masse übergeht. Fig. 19. Durchschnitt einer Kugel mit einem scharf abgesonderten unkrystalli- nischen Kern und einer krystallinischen excentrisch -strahligen und stängligen Hülle. Fig. 20, au. b. Flache Kugelsegmente, welche sich parallel den geradschaa- ligen Absonderungsflächen von einer Laukakugel abgelöst haben. Fig. 21. Stellung der Sphäroide und Cylinder in dem sie einschliessenden ho- rizontalgeschichteten Mergellager. Vol.24.P.2. Tab. 32. Fig.1. LE WTENE Litk Inst. d.KL.C.Ac.d.N.v Henry & Cohen in Bonn W0L9472,. : | Tab.33. Bi. ; f ” Glocker del Litk. Jnst.d. K.LC.Ac d.N.v.Henry & Cohen inBonn ÜBER DIE STAARSTEINE. Dr. €. 6. STENZEL, MIT 7 STEINDRUCKTAFELN. DER AKADEMIE ÜBERGEBEN DEN 18. APRIL 1854. i . . Pos j k y ‘ . j* E Ep d j | 5; | u N SUINTeNAATe TmIi@ 5. , 3 AUUEBEE.T ; +6 pr? ' BL, x“ a & : - 2 | | BR. oe u 6 SANKT DIA ahaaN VE RE LAERATASRORETE PR 4 uerle M ac was anakär Fall In ger Umgegend von Chemnitz liegen theils auf den Feldern, theils einen oder mehrere Fuss tief im aufgeschwemmten Lande zahlreiche Kie- selgeschiebe von sehr verschiedener Grösse umher. Unter diesen finden sich nicht selten Stücke, welche angeschliffen helle Flecke auf dunklem Grunde gleichmässig vertheilt zeigen und desshalb schon früh mit der schwarzen weissgefleckten Brust des Staars verglichen und Staarsteine, Psarolithen, genannt wurden. *) Wir verdanken die erste Nachricht über dieselben dem Licentiaten Erz £L Schultze zu Dresden. **) Er liess sie in verschiedenen Richtungen durchschneiden und fand so, dass die Grundmasse von neben einander lie- *) Schultze (kurze Betrachtung derer versteinerten Hölzer, Halle 1770, S. 21) und Schrö- ter (vollständige Einleitung in die Kenntniss der Steine und Versteinerungen, Altenb. 1778, II., S. 220) geben an, der Bergrath Joh. Friedr. Henkel habe den Namen Staarsteine zuerst gebraucht. In seinen Schriften findet sich nichts davon, wie schon Sprengel (com- mentatio de psarolithis, S. 19) bemerkt, und selbst die Bezeichnung Sternsteine braucht Henkel (kleine mineralog. und chym. Schriften, herausgeg. von Zimmermann, 1744, $.322 f.) nur von thierischen Resten im Feuersteine. Sprengel vermuthet daher, Hen- kel möge den Namen Staarensteine in seinen Vorlesungen gebraucht haben. Ich bin nicht abgeneigt, die ganze Sache für ein Missverständniss zu halten. Diese Ansicht scheint auch Presl zu theilen, wenn er (Suppl. tent. pteridogr., S. 29) sagt: ,‚Nomine vulgari Staarstein i. e. Sternstein idonee comprehendunlur,‘“ wonach Staarstein der im Munde des Volkes verdorbene Ausdruck für Sternstein wäre, welchen man später ganz verkehrt von der schwarzen hellgefleckten Brust des Staars hergeleitet hälte.e Das Aussehen der Staarsteine musste dazu passen so gut es ging. **) Dresdener Magazin, 1. Bd. 1760, Ss. 179 — 180, über Sternsteine; ebd. 2. Bd. 1762, S. 260— 281, über Staar- und Sternsteine. — Kurze Betrachtung derer versteinerten Hölzer. Halle 1770. Vol. XXIV. P. II. 95 754 C. G. Stenzel, genden hohlen oder mit Chalcedon, Carneol u. s. w. erfüllten Röhren von der Dicke eines Strohhalmes bis zu der eines starken Federkiels durchzo- gen sei. Wird der Stein nach dem Durchmesser dieser Röhren zerschnit- ten, so zeigen sich neben einander liegende runde oder längliche Flecke, jeder einer dieser Röhren entsprechend, denen er seinen Namen verdankt. Sind diese Flecke rund, so pflegt man die Versteinerung als Staar- stein zu bezeichnen, sind sie länglich, als Augenstein, liegen endlich die Röhren horizontal, so dass man ihre gewundenen Seitentheile sieht, als Wurmstein. Doch bemerkt Schultze ganz richtig, dass diese keine verschiedenen Arten seien, da in der Mitte eines Stückes oft Wurm- stein, nach aussen Staar- und Augenslein sich zeige. „Einige, fährt er fort, haben sie zu den Korallen gezählt, allein, da man an verschiedenen Stücken nicht nur eine runde stammförmige Gestalt, sondern auch eine Kernröhre, ingleichen einige wurzel- und astförmige Theile beobachtet, so kann man dieselben wohl für nichts anderes, als für eine besondere Art eines versteinerten Holzes ansehen.‘ Auch solle der Rektor Clodius in Zwickau ein Holz besitzen, welches mit dem Staaren- holze die grösste Aehnlichkeit habe. Die Sternsteine (Starry-stones, Asterolithen) zeigen statt der rund- lichen oder länglichen Flecke sternförmige Zeichnungen, die Querschnitte von gefurchten Säulen, welche unregelmässig oder gleichlaufend den Stein durchsetzen. Wiewohl solche Sternsäulen sich auch in Staarsteinen zu- ‚weilen finden, hält Schultze sie doch für thierischen Ursprungs. Denn wenn sie zum pflanzlichen Bau gehörten, würden sie nicht den meisten Staar- und Augensteinen ganz oder grösstentheils fehlen; auch könnte dann der Stern nicht bald vier-, bald fünf-, sechs-, sieben- und mehr- strahlig an verschiedenen Stellen desselben Stückes sein. Er vermuthet, dass Seethiere sich in das im Meere faulende Holz nach Art der Bohrmu- scheln eingebohrt hätten und darin versteinert seien. Am ähnlichsten seien die Sternsäulen den Encrinitenstielen. Dieser treffliche Aufsatz, begleitet von guten Abbildungen von Staar- über die Staarsteine. 155 und Siternsteinen, enthält fast Alles, was sich an denselben mit blossem Auge wahrnehmen lässt. Alle bis auf Anton Sprengel’s ‚‚Commentatio de psarolithis ( 1828)‘ erschienene Schriften, welche der Staarsteine über- haupt Erwähnung thun, begnügen sich, das hier in wenige Zeilen Zusam- mengedrängle zu wiederholen, und während sie unsere Kenntnisse nur in höchst unwesentlichen Puncten bereichern, bleiben viele noch hinter ihrem ältesten Vorgänger zurück. Die .‚wurmförmigen‘“ Bündel werden noch von Walch *) und Schröter **) für horizontal liegende Röhren erklärt, während ein einzi- ger Längsschnitt das Irrige dieser Auffassung ergeben hätte; die Frage nach dem Ursprunge der Röhren wird ebenfalls aufgeworfen, ohne eine naturgemässere Lösung derselben auch nur zu versuchen. Walch hält sie zuerst (1769) für Fungiten-Röhren ; ** felhaft, ob sie von Thieren oder Pflanzen herrühren, +) zuletzt erklärt er *) später lässt er es ganz zwei- sie für Encrinitenstiele. +7) — Schröter Fr) hält sie wegen ihrer pa- rallelen Lage und gleichmässigen Vertheilung, wie wegen ihrer besonde- ren Färbung für Pflanzentheile, wie Schultze, verwirft aber doch die Meinung Anderer, dass sie thierischen Ursprungs seien, nicht entschieden. Parkinson +*) unterwarf alle vor ihm über die Staarsteine geäus- serten Ansichten einer genauen Prüfung und zeigte die Unhaltbarkeit der für jede derselben angeführten Gründe, auch der, allerdings schwachen, von Schultze für die pflanzliche Natur wenigstens der eigentlichen Staar- steine geltend gemachten. Er spricht es bestimmt aus, dass gegen jede dieser Meinungen sich gegründete Einwendungen machen lassen. So ) Walch: Naturgesch. d. Verstein. 1771, S. 13. *) Schröter: Vollst. Einleit. II. 1778, S. 220. ) Walch: Das Steinreich, 2. Aufl. 1769, S. 195. +) Walch: Naturgesch. d. Verstein. 1771, II., S. 14. ++) Walch: Suppl. zur Naturgesch. d. Verstein., S. 227. +44) Schröter: Vollst. Einleit. 1778, IL., S. 221. +*) Parkinson: Organic remains of a former world 1804, 2. Ausg. 1833, S. 401— 410. t. vIM. f. 13; 5—7. 756 C. G. Stenzel, bestehen die sternförmigen Korallen aus feinen Blättchen, welche, wie die Blätter einer Blume, mit der Spitze nach der Mitte, mit dem stumpfen Ende nach dem Umfange zu gekehrt sind, während bei den Sternsteinen ganz im Gegentheile die Spitze stets nach aussen gewendet ist; so sind die Eneri- nitenstiele stets gegliedert und fünfkantig, während die Sternsäulen der Sternsteine nie eine Spur von Gliederung wahrnehmen lassen und mit fünf, sechs, sieben, ja acht Strahlen auf einem spannenlangen Stücke bei einander angelroffen werden. Gleichwohl findet er es am wahrscheinlich- sten, dass die Sternsäule von einem Zoophyten herrühre, welcher von al- len lebenden und fossilen Zoophyten ganz verschieden gewesen sei und sich in morsches, in’s Meer gerathenes Holz nach Art der Bohrwürmer eingebohrt habe. Noch 1807 erklärt sie Voigt *) für Röhren von Seepolypen, ein Irrthum, welchen er freilich schon ein Jahr darauf**) zurücknimmt. Etwas weiter gingen Hoff und Schlotheim. Der erstere***) giebt, nach einer trefflichen Schilderung der Lagerung der Steinkohle und des Rothliegenden am Thüringer Walde, die erste und, soweit mir bekannt ist, genaueste Nachricht von dem Vorkommen der Staarsteine in der Stein- kohlenformation, auf welche wir weiter unten noch einmal zurückkommen. „Als eine besondere Seltenheit haben sich unter den kieseligen Schwülen der Manebacher Steinkohlenflötze auch grosse Stücke von Holzstein ge- funden und zwar von einer Art von Holz, die aus Röhrchen und nicht aus Jahrringen zusammengesetzt ist, zu den Monokotyledonen zu gehören scheint und unter dem Namen der Staarsteine den Mineralogen bekannt ist.“ Dieselbe Meinung spricht ohne alle nähere Begründung Schlot- heim-+) aus: ,‚Das Staarenholz aus der Gegend von Chemnitz und aus Böhmen soll nach Einiger Vermuthung von Palmenarten herrühren.‘* *), Voigt in Leonhard’s Taschenbuch: 1. Jahrg. 1807, S. 12. **) Ders. ebend.: 2. Jahrg. 1808, S. 385. **) Hoff in Leonhard’s Taschenbuch: 8. Jahrg., 2. Abth. 1814, S. 349 f. +) Schlotheim: Die Petrefactenkunde 1520, S. 384. über die Staarsteine. 157 Sternberg *) bringt die ‚‚Staarsteine‘* als Palmacites mieroporus und P. macroporus ebenfalls unter die Palmen; doch versteht er darunter nicht die eigentlichen Staarsteine (Psaronius Cotta), wie aus der Angabe der Fundorte (Hainichen in Sachsen, Uebergangsformation von Landshut in Schlesien und die Tertiärformationen vieler Länder), so wie aus der An- führung von Rhode (Beiträge zur Pflanzenkunde der Vorwelt t. 9, f. 5—8) hervorgeht, da dieser weder an der angegebenen noch an einer anderen Stelle seines Werkes Staarsteine erwähnt oder abbildet. Die erste Untersuchung mit der Lupe führte Anton Sprengel **) dazu, sie für fossile Farne zu erklären. Die dunkelbraune oder schwarze Röhre schien ihm gleichbedeutend mit der braunen prosenchymatischen Scheide der Gefässbündel der meisten Farne; die in ihnen enthaltenen fei- nen Röhren erkannte er für Gefässe ohne Beimischung von Saftröhren oder Zellgewebe, was seine Annahme unterstülzte. Die runden Röh- ren der Psaronien, in welchen er häufig auch Sternsäulen fand, verglich er mit den rundlichen Gefässbündeln der krautigen, die wurmförmigen, welche er zuerst richtig als die Querschnitte breiter bandförmiger Bündel erkannte, mit den ähnlichen Gefässbündeln der Baumfarne, wobei er sich zunächst auf die von Sternberg abgebildeten Cyatheen - Stämme bezieht. Die von Sprengel gefundenen Thatsachen bestätigt Bernhard Cotta ***) nach vielen, wie er angiebl, mit dem zusammengesetzten Mi- kroskope angestellten Untersuchungen, welche jedoch nichts enthalten, was sich nicht mit der Lupe erkennen liesse. Er bereicherte dieselben noch durch Auffindung der zelligen Scheide um das sternförmige Gefäss- bündel der Asterolithen und des lückigen Gewebes ausserhalb dieser Scheide, welches er jedoch für grössere, von kleineren kranzförmig um- *) Sternberg: Versuch e. Flora d. Vorw., Heft IV., S. XXXIV. *) A. Sprengel: Commentatio de psarolithis. Halle 1528. **) Cotta: Die Dendrolithen, 1. Ausg. 1832, S. 27 — 36. 758 C. G. Stenzel, gebene Zellen hielt. Noch weniger glücklich war er in der Deutung der einzelnen Theile. Schon früh beschäftigte, wie wir sahen, die Frage nach dem Ursprunge und der Bedeutung der zahlreichen gleichlaufenden Röh- ren, welche von der Dicke eines Strohhalmes, ja, wie schon Schröter *) angiebt, einer Stecknadel, bis zu der einer starken Gänsefeder die Staar- steine und den äusseren Theil der sogenannten Wurmsteine durchziehen. Für Saftröhren **) konnte man sie nur zu einer Zeit halten, in welcher man vom inneren Bau der Gewächse kaum eine Ahnung hatte. Spren- gel hatte nun zwar nachgewiesen, dass sowohl die eylindrischen Röhren im Umfange, wie die bandförmigen Bündel in der Mitte der Stämme Ge- fässbündel seien. Er hatte angenommen, dass bei diesen Stämmen die breiten Gefässbündel der Baumfarne mit den rundlichen der krautigen Farne vereinigt seien; doch fehlte dafür jede Analogie in der lebenden Pflan- zenwelt. Eine solche glaubte Cotta in den Mittelstöcken (Rhizomen) der krautigen Farne zu finden, „‚welche aus einzelnen selbstständigen Theilen bestehen. Diese Theile mögen die Blattstiele der lebenden Pflanze ge- wesen sein, welche zu einem Stamme vereinigt in die Höhe wuchsen und sich oben zu Blattwedeln ausbreiteten.‘“ **® für „unausgebildete Blattstiele, welche nur scheinbar zur Gestalt eines *) Ja die ganze Masse hält er Stammes vereinigt sind.‘ +) ‚Das Vorhandensein der röhrenförmigen Gefässbündel, sagt er an einer anderen Stelle, wird vielleicht durch die Höhe bestimmt, in welcher der Stamm durchschnitten wird. Dies ist mir um so wahrscheinlicher, da dicke Stämme verhältnissmässig mehr solcher Gefässbündel enthalten, als dünne, weshalb ich glaube, dass diese run- den Gefässbündel den Stamm besonders am unteren Theile umgaben, *) Schröter: Vollst. Einleit. III, S. 220, *) Walch: Naturgesch. d. Verstein. IU., S. 14. ***, Cotta: Dendr., S. 12. +) Cotta: Dendr., S. SO. über die Staarsteine. 159 während die bandförmigen, wie bei den Cyatheen. innerlich in die Höhe wuchsen.‘ *) Dass Cotta zu dieser unklaren, dem Wesen der Mittelstöcke der Farne so wenig entsprechenden Ansicht kam, beruht auf seiner unvollkom- menen Kenntniss vom Bau dieser Theile. Er sah in den Rhizomen nur Anhäufungen von Blattstielen ohne einen eigentlichen Stamm, welcher sei- ner geringen Dicke wegen, wie an dem von ihm abgebildeten Querschnitte von Aspidium filie mas, allerdings leicht übersehen werden konnte. Seine darauf gegründeten Ansichten vom Bau der Baumfarne und Staarsteine musste eine nur etwas genauere Kenntniss derselben beseitigen. Das geschah durch Adolphe Brongniart. **) Dieser erkannte zuerst die stets in der Mitte stehende Masse bandförmiger, oft gefalteter Gefässbündel (Wurm- oder Madenstein, helmintholithus) als die Axe eines Stammes, in dessen dieker parenchymatischer Rindenschicht mehr oder weniger zahlreiche Nebenwurzeln (die Röhren der Staarsteine, Stern- steine) der Stammaxe parallel herabsteigen, um erst nahe am Boden aus dem Stamme auszutreten und in die Erde einzudringen. Die Untersu- chung der Gewebe mittelst der starken Vergrösserungen des zusammenge- setzten Mikroskops zeigte ihm, dass die bandförmigen Gefässbündel der Axe aus langgestreckten, Treppengefässen ähnlichen, aber an beiden En- den geschlossenen Zellen bestehen, ohne alle Holzzellen und ohne eine Spur einer radialen Anordnung, ganz wie die Gefässbündel der Farne und Bärlappe; dass die dunkle Scheide um die Sternsäulen und die ähnliche, die Axe mancher Arten umziehende Schicht aus prosenchymatischen Zel- len bestehe, wie die braune Scheide um die Gelfässbündel der Farne und Bärlappe. Zu einer dieser beiden Familien mussten daher die Staarsteine gehö- ren. Nun sind die Farnstämme bezeichnet durch einen Kreis plattenför- *) Cotta: Deudr., S. 33. *) A. Brongniart: Histoire des vegetaux fossiles. Paris 1837, IL, Ss. 57—67. 760 C. G. Stenzel, miger, regelmässig anostomosirender Gefässbündel nahe an der Aussen- fläche des Stammes. In einem solchen Kreise stehen die ähnlichen Ge- fässbündel der Staarsteine nie. Bei den Bärlappen dagegen sind mehrere plattenförmige Bündel unregelmässig zu einer Gefässaxe in der Mitte des Stammes vereinigt, umgeben von einer dicken parenchymatischen Rinden- schicht, in welcher oft zahlreiche, denen der Staarsteine ziemlich ähnlich gebaute Wurzeln herabsteigen. Dies bestimmte Brongniart, die Staarsteine für die Basen von Stämmen vorweltlicher Lycopodiaceen zu halten, welche entweder oben den abweichenden Bau der Lepidodendren annähmen, oder, während diese als baumartige Gewächse von der Form der Psiloteen zu betrachten seien, die eigentlichen Lycopodiaceen unter den Bäumen der Vorzeit vertreten. Gegen diese Deutung erklärte sich August Joseph Corda.*) Ge- stützt auf die von Brongniart und Meyen bekannt gemachten Quer- schnitte von Angiopteris-Stämmen und die eigene Untersuchung einer jun- gen Marattia, bringt er die Staarsteine zu den Marattiaceen, in die Gruppe der Angiopteriden. Die Stämme dieser Familie der Farne sind nämlich, ganz abweichend von denen der Polypodiaceen, von zahlreichen, ohne Ordnung im Parenchyme zerstreulen Gefässbündeln durchzogen, welche bei Marattia, nach den Angaben Corda’s, deren Werth wir später einer genaueren Prüfung unterziehen werden, breitgedrückt und nur aus Ge- fässzellen ohne regelmässige Anordnung zusammengesetzt sind wie die der Polypodiaceen, dagegen keine prosenchymatische Scheide haben, wie diese. Noch auffallender stimmen die Wurzeln überein, welche bei den Staarsteinen, mil Ausnahme des stark entwickelten Parenchyms innerhalb der prosenchymatischen Scheide, ganz wie die von Marattia und Angio- pteris gebaut sind. *) Corda: Beiträge z. Flora d. Vorw. Prag 1845, S. 67 f. — Die früher (in Sternb. Vers. Il. Skizzen zur vergl. Phyt., S. XLII.) von ihm aufgestellte Vergleichung der Staarsteine mit den Cyatheen erklärte er später selbst für unhaltbar. Da sie meines Wissens keine An- hänger gefunden hat, genügt diese kurze Erwähnung. über die Staarsteine. 761 Der eben berührten Ansicht Corda’s über die Stellung der Staar- steine im natürlichen Pflanzensysteme ist seitdem noch Mougeot *) ge- folgt, und selbst Unger hat seine früher gehegte Meinung, dass die Psa- ronieae eine zwischen Lycopodiaceen und Farnen in der Mitte stehende Gruppe bilden, **) neuerdings aufgegeben und sie zu den Marattiaceen ge- rechnet, ***) während Brongniart für seine mit so vielem Scharfsinne entwickelte und noch vor kurzer Zeit wiederholt ausgesprochene--) An- sicht, so viel mir bekannt geworden, keinen Anhänger gefunden hat. Uebrigens bestätigte Corda durchweg die Beobachtungen Brong- niart’s über die Beschaffenheit der einzelnen Gewebe, und in der Deu- tung der einzelnen Organe stimmt er seinem ausgezeichneten Vorgänger überall bei. Ausserdem fand er bei mehreren Arten Gefässbündel oder Gelässbündelpartieen im Umfange der Axe, welche sich von dieser abson- dern, um nach aussen zu gehen, wie sie vor ihm schon Gutbier -r) an den von ihm entdeckten Stämmen von Caulopteris (Psaronius) Freiesle- beni beschrieben und abgebildet hatte. Ueberblicken wir noch einmal die Reihe der Forschungen auf diesem Gebiete, so tritt es uns deutlich entgegen, dass wenn auch die Fortbildung aller Erfahrungswissenschaften in hohem Grade von der Anwendung rich- tiger Methoden und neuer oder vervollkommneter Hülfsmittel abhängt, und die Geschichte der Botanik im Grossen wie im Einzelnen viele Belege für diese Thatsache darbietet, das doch ein einzelner Fall nicht bald so deut- lich zeigt, wie die stufenweisen Fortschritte in der Erkenntniss der Staar- steine. Hier lassen sich drei Zeiträume unterscheiden. Anfangs wurde nur mit blossem Auge untersucht, und alle Beobachter vor Anton Spren- *) Mougeot: Essai d’une flore du nouveau gres rouge des Vosges. Epinal 1852, S. 10—18; Note sur les veg. foss. du gres rouge, S. 2—). *) Unger: In Endlicher gen. plant. suppl. I. p. 4 — synops. plant. foss., S. 144. **) Unger: Genera et species plant. foss. 215. +) Brongniart: Tableau des genres des veg. foss. 1849, S. 44 f. ++) Gutbier: Ueber e. foss. Farnstamm, 1842, S. 7. Vol. XXIV. P. Il. 96 1762 C. G. Stenzel, gel brachten uns in der Erkenntniss der Staarsteine kaum weiter, als der erste tüchtige Forscher, Schultze, durch seine trefflichen Aufsätze im Dresdener Magazine. Sprengel nahm die Lupe zu Hülfe, und Cotta, welcher zwar das zusammengesetzte Mikroskop gebrauchte, aber doch nur so schwache Vergrösserungen, wie sie eine gute Lupe giebt, wusste nur wenig hinzuzufügen, bis endlich in der neueren Zeit zuerst Ad. Brong- niart durch Anwendung starker Vergrösserungen die unsicheren Vermu- Ihungen früherer Forscher auf diesem Felde sicher begründete oder als unhaltbar für immer verwarf. Nun erst konnte durch sorgfältige Verglei- chung des inneren Baues mit dem der grösseren und kleineren Gruppen der lebenden Pflanzen ein fester Grund gelegt werden für die Beurthei- lung der Verwandtschaft der Psarolithen mit den Familien und Gattungen der jetztweltlichen Pflanzen, und dadurch allein können wir wieder auf die Beschaffenheit der wichtigen, uns ganz verlorengegangenen Blatt- und Fortpflanzungsorgane schliessen und zur Einsicht in die Bedeutung dieser Gruppe für die Geschichte der Pflanzenwelt gelangen. Wenn trotzdem die Ansichten über diesen Punct noch weit genug von einander abwei- chen, so liegt dies hauptsächlich in der mangelhaften Kenntniss der leben- den Pflanzen, mit welchen die Psarolithen verglichen werden können, und in der verschiedenen Schätzung des Werthes der dabei in Betracht kom- menden Merkmale. Dies war in kurzen Umrissen der Stand der Frage, zu welcher Fa- milie und Gruppe der Pflanzen die Gewächse zu rechnen seien, deren Ueberreste uns in den sogenannten Staarsteinen erhalten sind, als ich meine Untersuchungen über diese noch immer ziemlich streitigen Gebilde begann. Mit einer vielen Anderen wie mir schon oft bewiesenen Bereitwillig- keit gewährte mir zuerst Herr Professor Dr. Göppert die freieste Be- nutzung seiner reichen Bibliothek und der sehr zahlreichen Staarsteine seiner Sammlung. Durch gütige Vermittlung des Herrn Präsidenten un- serer Akademie, Nees v. Esenbeck, war es mir vergönnt, die interes- über die Staarsteine. 163 santen Staarsteine der K. K. geologischen Reichsanstalt und des K. K. Hofmineralienkabinets zu Wien untersuchen zu können, welche mir von Herrn Sectionsrath im Ministerium Haidinger und Herrn Kustos Partsch mit hoher Bereitwilligkeit zu diesem Zwecke auf einige Zeit überlassen wurden. Auch erhielt ich durch die Güte des Herrn Professors Glocker die Staarsteine des Königl. Mineralienkabinets der Universität Breslau ge- liehen. Sei es mir erlaubt, allen diesen Männern für ihre mir so zuvorkom- mend gewährte hülfreiche Unterstützung meinen wärmsten Dank auszu- sprechen. So ist es mir möglich geworden, den grössten Theil der bisher be- kannten, so wie einige noch nicht beschriebene Arten, viele derselben in zahlreichen Stücken, einer genauen mikroskopischen Untersuchung zu un- terwerfen. Hinlänglich dünngeschliffene Platten, um sie, wie feine Schnitte aus lebenden Pflanzen, mit starken Vergrösserungen bei durchfallendem Lichte beobachten zu können, haben mir zwar nicht zu Gebote gestanden; doch lassen Quer- und Längsschliffe, von oben beleuchtet, die feinsten Umrisse von Zellen und Gefässen, wie die Beschaffenheit ihrer Wandun- gen trefflich erkennen, wenn sie gut polirt oder mit einer sehr dünnen Schicht von kanadischem Balsam überzogen sind. Gewöhnlich genügte dabei Lampenlicht, nur bei sehr dunkler Färbung des Gesteins bediente ich mich des Sonnenlichts, welches ich durch eine Linse auf einen Punct sammelte. Die äussere Form der Staarsteine ist gewöhnlich ohne alle Beziehung zu der Gestalt der Theile, welchen sie ihren Ursprung verdanken, allein abhängig von der zufälligen Beschaffenheit derselben zur Zeit ihrer Ver- steinerung oder von den äusseren Einwirkungen, welche sie nachher er- fahren haben. Gewöhnlich bilden sie Stücke von ganz unregelmässiger Form mit verwitterter Ausseniläche, und nur selten zeigen besser erhaltene Stücke die ursprüngliche Stammform, selbst dann meist mehr oder minder 764 C. G. Stenzel, gequetscht und breitgedrückt. So waren fast sämmtliche Staarsteine, welche ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, aussen abgerundet, wie grosse Geschiebe, oder scharfkanlig, wenn sie später zerschlagen worden, oft ohne ihre Natur aussen im geringsten zu verratihen. Zuweilen zeigen dagegen selbst Bruchstücke deutlich die Form von Stammstücken und las- sen, selbst wenn sie ganz unvollständig sind, noch aus der Krümmung ihrer Aussenfläche auf den Durchmesser des Ganzen einen freilich nur un- sichern Schluss machen. Nur selten finden sich grosse walzige Blöcke, wie der in der K. K. geolog. Reichsanstalt in Wien befindliche, von welchem Taf. XXXIV. Fig. I einen Querschnitt in natürlicher Grösse darstellt. Ein vollständiges Stück dieser Art lässt sogleich zwei wesentlich verschiedene Theile erkennen, eine mittelständige Axe (AA?) und eine dieselbe in grösserer oder gerin- gerer Dicke umgebende Masse (ww). Die etwas plattgedrückte, ursprünglich wohl walzrunde, Axe (AA’) ist der Länge nach durchzogen von sehr breiten, gefalteten oder flachen Bändern, welche hier mit den breiten Seiten nahe aneinander liegen. Diese Bänder lassen im Querschnitte schon mit blossen Augen in der grauen Grundfarbe feine Puncte erkennen, und bei starker Vergrösserung zeigen sich dicht aneinander gelagerte scharfkantige Vielecke, mit weisser oder schwarzer structurloser Steinmasse erfüllt. Kleinere und grössere stehen regellos untereinander, weder in radialer noch in einer anderen Richtung reihenförmig geordnet. Dadurch zeigt dies Gewebe die grösste Aehnlich- keit mit dem, welches die Gefässbündel der Farne und Bärlappe zusam- mensetzt, nur dass bei diesen zerstreute Partieen sehr kleiner langge- streckter Parenchymzellen hin und wieder zwischen den Gefässen liegen, während die Gefässe im Stamme der Staarsteine überall eng aneinander schliessen, wie die mancher krautigen Farne, z. B. Polypodium persica- riaefolium, incanum u. a.*) Diesen gleichen sie auf dem Längsschnitte *) Mohl: In Martius icones plant. erypt. t. XXXVIL. f. 13. 16. über die Staarsteine. 165 fast ganz. Ihre Wandungen sind mit parallelen Querspalten versehen, welche gewöhnlich als feine Querstreifen erscheinen, sehr stark vergrös- sert aber als lang-lanzettliche Querspalten, *) ganz wie die an den Gefäs- sen der Marattiaceen, **) während bei den übrigen Farnen und den Lyco- podiaceen die beiden Ränder der Spalten ganz parallel und sehr genähert ‘*) Die Länge dieser Spalten hängt von der Breite der Fläche ab, mit welcher die nebeneinander liegenden Gefässe aneinanderstossen, und wechselt daher von der Punctform bis zu der langer Streifen. Dieses, so wie die treppengefässähnliche Beschaffenheit der Wandungen über- haupt, ist auf einem Längenschnitte schwer nachzuweisen, da eine Gefäss- zelle sich nicht isolirt darstellen lässt und feine Längsschliffe nicht leicht zu erlangen sind, auch oft nicht die gehoffte Aufklärung geben. Zuweilen ersetzen diesen Mangel Querschnitte, an denen man die Gefässwandung hell sieht, wo Gefässe und Zellen mit den breiten Flächen aneinanderstos- sen, dunkel, wo die Kanten derselben zusammentreffen. Hier entsprechen die breiten hellen Streifen (Taf. XL. Fig. 12 99, Fig. 13 9%) den breiten Spalten in der Wand der Gefässe, wo diese an andere Gefässe grenzen, die schmalen hellen Flecke (Taf. XL. Fig. 122, Fig. 13) den schmalen Spal- ten oder Poren in der Gefässwand, wo diese an den sie umgebenden Pa- renchymzellen anliegt. Entscheidend für die Beurtheilung der natürlichen Verwandtschaft der Staarsteine ist es, dass diese Gefässe nicht, wie die der Phanerogamen, durch Verschwinden der Querscheidewände lange Röhren mit ununterbrochener Höhlung bilden, sondern langgestreckte, aber rings- geschlossene, an beiden Enden kegelförmig zugespitzie Zellen sind. Umgeben sind diese Gefässbündel mit einer Lage sehr kleiner dick- wandiger und dunkelgefärbter Zellen. Die Dicke dieser besonderen Scheide, welche vielen Arten ganz fehlt, ist jedoch nicht bedeutend. Gewöhnlich besteht sie nur aus wenigen Zellreihen. *) Brongniart: Hist. d. veg. foss. II. p. 61. *) Harting und Vriese: Monogr. d. Maratliaceen t. 7. f. 7. **) Mohl: In Mart. t. XXXV. £ 1. 766 C. G. Stenzel, Sie geht nach aussen über in ein dünnwandiges Parenchym, wel- ches durch die Fäulniss bei der Versteinerung meist ganz oder bis auf wenige Spuren zerstört ist, also wohl von ausserordentlicher Zartheit ge- wesen sein muss. Wo es erhalten ist, lässt es niedrige, rundliche oder polyedrische Zellen erkennen. Der Zerstörung dieses Gewebes ist es höchst wahrscheinlich zuzu- schreiben, dass die Gefässbänder unseres Stammes mit den breiten Seiten nahe aneinander gerückt sind und daher der ganze Stamm breitgedrückt erscheint. Die Gesammtmasse dieser Gefässbänder, die Stammachse, ist umge- ben von einer Y,%—1’' dicken Schicht sehr langgestreckter und lang zu- gespitzter, diekwandiger Prosenchymzellen, welche an vielen Stellen deut- lich in radialen Reihen stehen und in der Richtung dieser Reihen oft von schmalen Rissen unterbrochen sind. Diese prosenchymaltische Scheide der Axe ist an dem vorliegenden Stücke an mehreren Stellen zerbrochen und die Stücke mit ihren Rändern weit übereinander gescho- ben, was offenbar daher rührt, dass der Anfangs walzenrunde Stamm nach Ausfaulen seines zarteren Gewebes durch eigene Schwere zusammensank, wobei die seinen Umfang einnehmende Scheide entweder in Falten gebo- gen, oder wenn sie schon durch langes Liegen im Wasser aufgeweicht war, zerreissen und zusammengeschoben werden musste. Damit zugleich mögen auch die beiden seitlichen Theile der Axe (Taf. XXXIV. Fig. 1 AB, A/B’) breitgedrückt und etwas verschoben worden sein, indem sie an der lebenden Pflanze wohl nur schwache rundliche Vor- sprünge an der Stammaxe bildeten. Nach innen (A,4’) stehen sie mit dieser in unmittelbarer Verbindung; nach den drei äusseren Seiten sind sie von der Fortsetzung der die Stammaxe umgebenden Prosenchym- Scheide eingeschlossen, welche an dem einen auffallend dünner ist, als sonst überall. In dem von dieser Scheide umschlossenen Raume liegen mehrere (3—6) sehr breite Gefässbänder von ganz derselben Zusammen- über die Staarsteine. 167 seizung, wie die der Hauptaxe, nur sind sie viel dünner und sehr unregel- mässig gefaltet. Doch ist die convexe Seite ihrer Krümmung stets nach aussen gewendet und mehrere sind klammerförmig, in ziemlich spitzem Winkel nach innen gefaltet. Das zwischen ihnen befindliche Gewebe ist bis auf wenige Partieen eines sehr kleinzelligen Parenchyms zerstört. Auf den ersten Anblick ziemlich verschieden, wesentlich aber gleich gebaut, ist der von Sternberg entdeckte Psaronius musaeformis (Taf. XXXIV. Fig. 2). Zu beiden Seiten von einem, im spitzen Winkel gefal- teten, mittelständigen Bande liegen einander paarweise gegenüber je vier nach innen gebogene Gefässbänder (gg), einander bogenförmig umfassend. Sie können als Bogen von vier concentrischen Kreisen betrachtet werden, die äusseren grösser, als die inneren. Umzogen ist ihre Gesammtmasse von einer im Umrisse vielleicht ursprünglich cylindrischen Scheide (bb), welche jedoch an dem vorliegenden Stücke in den einen der von den Ge- fässbändern freigelassenen Kreisausschnitte (%k) hineingebogen ist, wäh- rend in dem gegenüberliegenden, von der Scheide im weiten Bogen um- zogenen, ein oder zwei Gefässbänder (a) liegen, welche offenbar den seitlichen von Ps. scolecolithus (Taf.XXXIV. Fig. LAB, A/B’) entsprechen. Ob der zwischen ihnen und den bogenförmigen Gefässbändern des Stam- mes befindliche Streifen (Fig. 2 A) von einem Gefässbündel oder einer Prosenchymschicht herrühre, lässt sich nicht mehr entscheiden, da er, wie die übrigen Streifen (gg, h, a) ein mit einer structurlosen kohlen- ähnlichen Masse angefüllter feiner Riss ist. Wenn wir trotzdem jene Koh- lenstreifen theils als Gefässbänder (gg, a), theils als prosenchymatische Scheide deuteten, so stützen wir uns hierbei auf die in die Augen sprin- gende Aehnlichkeit in der Form und Lagerung derselben mit den Gefäss- bändern und der prosenchymatischen Scheide des Ps. scolecolithus, wobei wir begreiflicher Weise von den Verschiedenheiten absehen müssen, welche eine Folge der unter verschiedenen Verhältnissen stattfindenden Versteinerung sind. Noch bestimmter lässt sich daher diese Deutung auf 168 C..G. Stenzel, eine Vergleichung mit den folgenden Arten gründen, welche in der Haupt- sache gleich gebaut sind, sich jedoch durch den Mangel der prosen- chymatischen Scheide um die Axe auszeichnen. Die eine derselben, Ps. chemnitziensis (Corda, Beitr. z. Flora d. Vorw. Taf.43. Fig. 1), zeigt die grösste Aehnlichkeit mit Ps. scolecolithus (Taf. XXXIV. Fig. 1): wie bei diesem liegen 9— 10 sehr breite fast gerade Gefässbänder parallel. ziemlich nahe an einander; an den beiden Seiten, nach welchen ihre Enden gerichtet sind, zeigen sich mehrere schmalere von denen der Axe abgesondert — nur die Prosenchymscheide fehlt. Die andere, Ps. simplex (Cotta, Dendr. Taf. 6. Fig. 1, 2), gleicht mehr dem Ps. musaeformis, indem ihre Axe nicht breitgedrückt, sondern in ihrer walzenrunden Gestalt erhalten ist, wesshalb auch die einzelnen festeren Theile nicht so eng aneinander gerückt, wie bei Ps. scolecolithus, sondern in der ursprünglichen Stellung geblieben sind, wie bei Ps. musae- formis, ohne jedoch wie bei diesem in structurlose Kohle umgewandelt zu werden. Ein gerades oder hufeisenförmig-gebogenes Mittelbündel hat zu beiden Seiten paarweise einander gegenübergestellte breitere Gefäss- bänder, nur sind mehrere Paare derselben an einer Seite durch eine bo- genförmige Verlängerung verbunden und zu einem einzigen verschmol- zen, welches die weiter nach innen liegenden klammerförmig umfasst. An den beiden einander gegenüberliegenden Seiten, an welchen die Gefäss- bündel, oder doch der grösste Theil derselben, offen sind, liegt entweder, wie bei Psaronius musaeformis, ein abgesondertes Bündel, oder hufeisen- förmige Ausbiegungen der die Axe durchziehenden Bänder zeigen den Beginn einer solchen Lostrennung an. Die eigentliche Bedeutung dieser kleineren, einzeln oder zu mehre- ren von der Axe sich lostrennenden Gefässbündel erkennen wir an dem höchst interessanten Stamm von Caulopteris (Psaronius) Freieslebeni, welchen Gutbier aufrechtstehend im Schieferthone zwischen den oberen Flötzen der Zwickauer Steinkohle gefunden hat (Taf. XXXIV. Fig. 3, Quer- über die Staarsteine. 769 schnitt; % der nat. Gr.), *) und den wir, als den Vertreter der zweiten Hauptform der Staarsteinaxen, ausführlicher betrachten. Der ziemlich walzenförmige, 3— 4 dicke Stamm ist mit einem fei- nen Schieferthone erfüllt, welchen seiner ganzen Länge nach sehr feine, aber breite, nach innen gefaltete und oft an den Rändern eingerollte Bän- der (gg) durchziehen. Dieselben bestehen aus structurloser Kohle, doch lässt eine Vergleichung mit den Kohlenstreifen der von Corda gefunde- nen und als Ps. pulcher beschriebenen Stücke, welche im Längsschnitt deutliche Treppengefässe zeigen, keinen Zweifel über ihre Natur. Sie umfassen einander gewöhnlich so, dass jedes äussere vor dem Zwischen- raume zwischen je zwei inneren Gefässbändern steht. Nach aussen son- dern sich von dieser gefässreichen Axe drei starkgekrümmte Gefässbänder (aaa) ab, um, wie ein Längsschnitt zeigt, schräg nach oben und aussen bis an den Umfang des Stammes zu verlaufen und hier in schildförmige Narben zu enden, deren je drei ziemlich in gleicher Höhe am Stamme ste- hen. In den drei Zwischenräumen zwischen diesen Gefässbändern sehen wir drei andere (nn.m), welche bereits tiefer unten sich von der mittleren Gelfässbündelaxe getrennt und den Umfang des Stammes erreicht haben. Wir sehen daher hier die Querschnitte von drei im Wirtel um den Stamm stehenden Blattnarben vor uns, von denen zwei (nn) gut erhaltene Ge- fässbündel zeigen, während die dritte (m) ausgebrochen ist. Diese zollgrossen eirunden Narben, mit der Längsaxe von unten nach oben, zeigen, wenn man die sie bedeckende Kohlenrinde entfernt, mehrere etwas nach der Mitte gekrümmte Längsfalten, wahrscheinlich die Austriltsstellen der eben erwähnten Gefässbänder (Taf. XXXIV. Fig. 3 aaa, nn). Desshalb, so wie ihrer Form und ihrer gleichmässigen Verthei- lung an der Aussenfläche des Stammes wegen können sie nur als Narben *) Ich habe aus den von Gutbier (über einen foss. Farnstamm, Caul. Freieslebeni, aus dem Zwickauer Schwarzkohlengebirge, 1842) gegebenen Querschnitten denjenigen gewählt, wel- cher die am regelmässigsten gestellten, daher wohl am wenigsten veränderten Gefässbänder enthält (a. a. O. Taf. II. Fig. 1). Val. XZIV. PIE. 7 770 C. G. Stenzel, betrachtet werden, welche von abgefallenen Blättern oder Aesten herrüh- ren. Nun haben die Farne und Bärlappe, zu welchen die Staarsteine nach der Zusammensetzung ihrer Gefässbündel aus ganz regellos ge- stellten, eckigen, Treppengefässen ähnlichen Zellen allein gehören kön- nen, einen einfachen oder einen gabeltheiligen (dichotomen) Stamm; bei ihnen kann die Stellung von Aesten in abwechselnden dreigliedrigen Wir- tela um die Hauptaxe nicht vorkommen. Wir können daher jene ellipti- schen Narben nur für Blattnarben halten. Das Austreten der Gefässbän- der in Linien ist freilich bei den Farnen seltener als das in Puncten, in- dem die nach den Blättern verlaufenden meist drehrund sind, aber keines- wegs ungewöhnlich, wie sich mit Sicherheit aus den von Presl bekannt gemachten Querschnitten von Farn-Blattstielen schliessen lässt, in welchen gar nicht selten auch bandförmige Gefässbündel angetroffen werden. Bei Aspidium filix femina und Asp. Oreopteris zeigen (nach Gutbier) die Blattnarben zwei halbmondförmige Gefässbündel, und bei Osmunda ein fast zum Kreise geschlossenes. Nehmen wir den gerade in Beziehung auf die Bandform der Gefässbündel so sehr von allen lebenden Farnen ab- weichenden Bau der Axe der Staarsteine dazu und die bestimmte Beob- achtung, dass von dieser Axe breite, bandförmige Bündel nach jenen Nar- ben verlaufen, so wird sich kaum ein gegründeler Zweifel gegen die Deu- tung derselben als Narben abgefallener Blätter erheben. Von hier aus wird uns nun auch eine Deutung der kleineren Gefäss- bänder möglich, welche von der Axe der zuerst betrachteten Stämme sich ablösen (Taf. XXXIV. Fig. 1 AB, A/B’; Fig. 2a. Cotta Dendr. Taf. 6, Fig. 1 (oben), Fig. 2). Eine Vergleichung mit denen im Stamme von Ps. Freieslebeni macht es höchst wahrscheinlich, wenn nicht gewiss, dass sie ebenfalls in die Blätter einzutreten bestimmt sind. Zugleich tritt uns hier ein wesentlicher Unterschied entgegen. Bei der ersten von uns betrachteten Gruppe von Stammaxen gingen diese klei- neren Gefässbündel steis von zwei einander gegenüberliegenden Seiten derselben ab; hier müssen die Blätter zweizeilig gestanden haben; und über die Staarsteine. 7171 als eine unmittelbare Folge davon ist es zu betrachten, dass die Gefäss- bänder der Axe in zwei, dem mittelsten parallele Reihen, also ebenfalls zweizeilig, gestellt sind, so dass die Ränder aller dieser Bündel nach den Seiten hinliegen, an welchen die Gefässbänder in die Blätter abgehen. Bei der zweiten Hauptform standen die Blätter in drei- oder mehrgliedrigen Wirteln oder in Spiralen; denn hier sind die selten in geringer, öfter in sehr bedeutender Anzahl einander bogenförmig oder klammerförmig um- fassenden Gefässbänder der Axe mit dem Rücken nicht, wie vorher, nach zwei gegenüberliegenden, sondern nach verschiedenen Seiten gerichtet. Doch nur selten lässt sich der Zusammenhang zwischen der Blattstel- lung und der Anordnung der Gelässbänder in der Axe so deutlich erken- nen, wie bei den bisher besprochenen Arten. Bei Ps. infarctus (Cotta Dendr. Taf. 6. Fig. 3; Corda, Beitr. Taf. 34. Fig. 1) erklärt sich daraus, dass an 14, paarweise genäherten Stellen der Austritt von Gefässbündeln stattfindet, die grosse Menge derselben in der Axe, und aus der geringen Entfernung dieser zahlreichen Austrittsstellen von einander die geringe Breite der Bündel. Bei Ps. arenaceus (Corda, Beitr. Taf. 28. Fig. 5, 6) dagegen ist in der Anordnung der unregelmässig verworfenen Gefässbündel nicht der geringste Zusammenhang mit der Stellung der Blätter in viergliedrigen Wirteln (?) zu erkennen. Spiralig gestellte Blätter hatten vermuthlich diejenigen Stämme, deren Querschnitt immer nur an einer Stelle zu den Blättern abgehende Gefässbündel trifft, wie Ps. helmintholithus (Corda, Beitr. Taf. 32. Fig.1), und bei denen die Gefässbänder der Axe nach verschiedenen Seiten ge- wendet sind, ohne dass mehrere derselben in gleichen Abständen von ein- ander nach aussen treten. Unter diesen finden sich Stämme mit überra- schend wenigen, aber selbst dann nicht in einen Kreis geordneten Gefäss- bändern, was darauf schliessen lässt, dass die Blatistellung bei diesen Ar- ten sehr einfach gewesen sein muss. So hat die Axe bei Ps. Cottae (Taf. XXXV. Fig. I) nur vier Gefässbänder, bei Ps. Gutbieri 8—12, mit einer 172 C. G. Stenzel, Hinneigung zu zweizeiliger Anordnung; wenig zahlreicher sind sie bei Ps. helmintholithus und Ps. Putoni. An diese schliesst sich die Axe von Ps. asterolithus (bei Corda, Taf. 44. Fig. 1, als Ps. speciosus), bei wel- cher der Querschnitt zwei gegenständige nach den Blättern abgehende Gefässbündelpaare triffi. Auch sind die zwei mittleren Gefässbänder pa- rallel gefaltet, darum aber stehen mehrere andere ohne Regel zerstreut, woraus wir schliessen müssen, dass die Blätter nicht einfach zweizeilig standen, — zumal, da die nach ihnen abgehenden Bündel nicht nach dem Rande, im Gegentheil vielmehr nach der breiten Fläche der Mittelbündel hinsehen, — sondern vielleicht vierzeilig in wechselständigen Paaren. Bei allen bisher betrachteten Arten sind die einzelnen Gewebe ganz ähnlich beschaffen wie bei Ps. scolecolithus, wo darüber ausführlich ge- sprochen worden ist. Die Gefässbänder, die sie eng umgebende Scheide kleiner Zellen, das zwischen ihnen liegende Parenchym, die prosenchyma- tische Scheide um die Axe sind wie dort zusammengesetzt. Das Paren- chym zwischen den Gefässbändern ist jedoch bei einigen nicht dicht, son- dern lückig. Hiernach und nach dem Vorhandensein oder Fehlen der prosenchymatischen Scheide und der grösseren oder geringeren Entwick- lung des Parenchyms der Axe lassen sich die Arten der zweiten Haupt- form, wie die der ersten, in kleinere Gruppen zusammenstellen. Nicht weniger wichtig, wenn auch vielleicht weniger mannigfaltig, ist der zweite Haupttheil des Stammes, die Rinde, welche die Axe in sehr verschiedener Dicke von allen Seiten umgiebt. Die prosenchyma- tische Scheide der Axe oder, wo diese fehlt, das Parenchym zwischen den Gefässbändern derselben, geht nach aussen in eine oft mehrere Zoll dicke Rindenschicht über, welche selbst da oft trefflich erhalten ist, wo das Pa- renchym der Axe spurlos verschwunden und durch structurlose Steinmasse erselzt ist. An die sehr langgestreckten Zellen der prosenchymatischen Rinde schliessen sich kürzere, an diese noch kürzere an, welchen nach aussen bald ganz niedrige, in radialer Richtung gestreckte fast viereckige Parenchymzellen folgen, welche daher im Längsschnitte fast das Ansehen über die Staarsteine. 173 von mauerförmigem Zellgewebe haben. Dies ist das Gewebe der Rinde. Es wird durchzogen von zahlreichen rundlichen oder etwas breitgedrück- ten Röhren, welche der Axe gleichlaufend eine oft mehrere Zoll dicke Schicht um dieselbe bilden, und im Gegensatze zu dieser, die man als Wurmsteine, Helmintholithen, bezeichnete, vorzugsweise unter dem Na- men der Staar- (und Augen-) Steine, Psarolithen, verstanden wurden. Viel häufiger, als in Verbindung mit dieser Axe, finden sich Anhäufungen solcher Röhren allein, als kleinere, seltener bis 8% dicke Bruchstücke, und es dauerte daher lange, bis man erkannte, dass beide nothwendig zu einander gehörten und nur verschiedene Theile derselben Pflanzen seien. Schon Schultze freilich hatte aus dem Zusammenvorkommen von Wurmröhren und eigentlichem Staarsteine geschlossen, dass man beide nicht als ver- schiedene Arten von einander trennen könne. Gleichwohl geschah das noch fast neunzig, Jahre nach ihm von Anton Sprengel, und erst nach Auffindung zahlreicher vollständigerer Stücke liess sich das Verhältniss beider Theile zu einander feststellen. Stets nimmt die Gefässbänder füh- rende Axe die Mitte ein, und um sie ist eine dickere oder dünnere Schicht von Röhren gelagert. So zeigt der Querschnilt von Psaronius scolecoli- thus (Taf. XXXIV. Fig. 1) die plattgedrückte Axe (AA), umgeben von einer Anhäufung von Ringen (ww); dasselbe sehen wir bei den von Corda abgebildeten Stämmen von Ps. carbonifer (s. Ps. musaeformis), Ps. in- farctus, Ps. Gutbieri, Ps. chemnitziensis, Ps. helmintholithus, bei Ps. simplex (Cotta, Dendr. Taf. 6. Fig. 1), und selbst bei unvollständigen Stücken ist die Gefässaxe von einer oder mehreren Seiten von diesen Röhren um- schlossen; nie findet man umgekehrt die Masse der Röhren von bandför- migen Gefässbändern umzogen. Untersuchen wir diese Röhren mit Hülfe stärkerer Vergrösserungen, so zeigen sie bei mannigfachen Verschiedenheiten im Einzelnen doch einen wesentlich ganz übereinsiimmenden Bau, indem dieselben Gewebe in glei- cher Reihenfolge als eben so viele Schichten, oder wenn man will, Schei- den das mittelständige Holzbündel umschliessen. 17174 C. G. Stenzel, Den Umfang nimmt die festeste von Allen, die prosenchymati- sche Scheide (Taf. XXXVI. Fig. 155) ein, welche oft allein erhalten ist, wenn das ganze Innere durch Einwirkung des Wassers zerstört und an seiner Stelle nur ein hohler oder mit Chalcedon, Carneol u. a. vollge- laufener oder mit Bergkrystall auskrystallisirter Raum zurückgeblieben ist. Von diesem, meist hellblau, weisslich oder hellroth erfüllten Raume sticht dann die oft dunkelbraun oder schwarz, seltener weiss oder grau, gefärbte Scheide sehr ab, und gab Veranlassung zur Bezeichnung des Ganzen als einer „„Röhre.‘‘ Es besteht diese Scheide aus kleinen dickwandigen lang- gestreckten und zugespitzten Prosenchymzellen, ohne regelmässige An- ordnung, welche nach aussen stetig aber rasch in das sie umgebende Rin- denparenchym des Stammes (aa) übergehen, das sich ununterbrochen bis in die benachbarte prosenchymatische Scheide fortsetzt. In der Scheide liegt ein lockeres Gewebe von grossen, polyedrischen oder rundlichen Parenchymzellen, das Innenparenchym (Taf. XXXVI. Fig. 19), welches hier an vielen Stellen stark zusammengedrückt ist. Die Mitte nimmt eine, hier fünfkantige, Säule ein, das Holzbündel, deren Querschnitt innerhalb einer nicht sehr deutlichen Scheide (s) die Figur eines fünfstrahligen Sterns erkennen lässt. Dieser besteht aus gros- sen eckigen oder rundlichen, Treppengefässen ähnlichen, langgestreckten, aber an beiden Enden geschlossenen Zellen von derselben Beschaffenheit, wie die in den Gefässbändern der Axe. Nur an der nach aussen gekehr- ten Spitze jedes Strahls stehen einige Gefässe von sehr geringem Durch- messer, wahrscheinlich Spiralgefässe, doch ist es mir weder auf schrägen noch Längsschliffen gelungen, die Beschaffenheit ihrer Wandungen be- stimmt zu erkennen. Das Gewebe zwischen diesen Gefässen und um sie herum bis zu der Scheide des Holzbündels (s) ist fast stets zerstört. Nur bei sehr wenigen der Tausende von Gefässsternen, welche ich untersucht habe, war hier ein äusserst zartes Parenchym zu erkennen, dessen breitgedrückte Zellen bei einem trefflich erhaltenen Stück von Ps. asterolithus (Taf. XL. Fig. 13) über die Staarsteine. 175 strahlig um die Gefässe geordnet waren, während sonst nur unregelmäs- sige kleine Zellen ohne bestimmte Ordnung zu erkennen waren (Taf. XXXVI. Fig. 3—8z, Taf. XXXVI. Fig. 2q, Fig. 4pz, Taf. XXXVIN. Fig. 2, 4). Wie wir eben gesehen haben geht die prosenchymatische Scheide stetig in das Rindenparenchym über; es stehen also diese eylindrischen Stränge im organischen Zusammenhange mit dem Stamme und lassen sich nur entweder als Gefässbündel betrachten, welche zu den Blättern verlau- fen, oder als Nebenwurzeln, welche in dem Rindenparenchym herabsteigen. Nun bilden sie, aus dem Stamme austretend, mit einer dünnen, nach aus- sen scharf abgegrenzten Rindenschicht umkleidet, oft ganz regellos durch- einandergewundene Geflechte, welche den Anhäufungen von gleichlaufen- den, schwach gebogenen Blattstielen um die Stämme der lebenden Farne nicht im mindesten gleichen, wohl aber den Wurzelgeflechten an dem un- teren Theile derselben. Zudem verlaufen bei Ps. Freieslebeni unzweifel- haft breite, bandförmige Gefässbündel nach den Blättern, und höchst wahr- scheinlich auch bei den meisten anderen Arten, wie Ps. scolecolithus, mu- saeformis, helmintholithus, chemnitziensis u. a., während aussen am Stamme sich eine Schicht von Röhren findet, welche nach Grösse und Gestalt, nach Richtung und Lage ganz den eben betrachteten entsprechen und offenbar von den in die Blätter gehenden Gefässbündeln ganz verschieden sind. Diese beiden Verhältnisse setzen es ausser Zweifel, dass die „‚Röh- ren“ im Umfange des Stammes nicht Blattstiele, wie Cotta annahm, son- dern Wurzeln angehören, welche, an der Gefässaxe entspringend, mit der- selben fast gleichlaufend in der Rinde herabsteigen, um tiefer unten aus derselben auszutreten und, oft noch unten um den Stamm ein dichtes Ge- flecht bildend, in den Boden einzudringen. Eine Vergleichung mit dem Bau der Wurzeln der Farne und Bärlappe führt zu derselben Ansicht. Diese haben aussen eine dicke Scheide von Prosenchymzellen, darin zar- tes Farenchymgewebe und in dessen Mitte ein bei manchen Farnen, wie bei Aspidium exaltatum u. a., am ausgezeichnetsten aber bei Angiopteris, 716 C. G. Stenzel, sternförmiges Gefässbündel aus grossen stumpfeckigen Treppengefässen, an welche sich an den vorspringenden Spitzen oder Ecken kleinere Ge- fässe anlegen. Eine Wurzel in ihrem ganzen Verlaufe zu verfolgen, würde bei der geringen Länge der meisten Bruchstücke oft, ohne deren Zerstörung im- mer, unausführbar sein. Dafür bietet jeder grössere Querschnitt einigen Ersatz. Da nämlich alle Wurzeln von der Stammaxe, an der sie entsprin- gen, nach unten und aussen gehen, so trifft ein Querschnitt in der Nähe der Axe Wurzeln in ihrem oberen, weiter nach aussen in ihrem mittleren Verlauf, gegen den Umfang hin endlich näher an ihrem unteren Ende. In der That sind die Wurzeln unmittelbar um die Axe sehr klein, und daher wohl als die ersten Anfänge zu betrachten, während die weiter nach dem Umfange eines Querschnitts liegenden, von demselben also in ihrem wei- teren Verlaufe getroffenen, fast stets weit grösser sind; oft ist das festere Innenparenchym und Holzbündel dieser letzteren erhalten, während sich in den der Axe nahen Wurzeln innerhalb der prosenchymatischen Scheide keine Spur mehr von Zellen und Gefässen findet, was offenbar von der grossen Zartheit dieser Gewebe herrührt. Diese kleinen Anfänge der Wurzeln stehen immer nahe an den Gefässbändern der Axe und, wo diese von einer prosenchymatischen Scheide umgeben sind, oft innerhalb der- selben (Taf. XXXIV. Fig. 1, bei A u. a.). Schon hier ist ihr Holzbündel umgeben von dem Innenparenchym und dies wieder von der prosenchy- matischen Scheide. Andere findet man gerade in der Prosenchymscheide der Axe, in welche die der Wurzel nicht übergeht, wenn sie auch durch keine besondere Gewebsschicht von ihr getrennt ist. Wir schliessen daraus, dass das Gefässbündel der Wurzel unmittel- bar von den Gefässbündeln der Axe ausgeht und das sie umgebende Pa- renchym von dem gleichen Gewebe zwischen diesen Gefässbündeln, dass dagegen die prosenchymatische Scheide der Wurzel nur als eine Modifi- calion der äusseren Lage dieses Parenchyms zu betrachten sei und nicht mit dem Prosenchym der Scheide um die Axe zusammenhänge. Auch bei über die Staarsteine. Fin den Arten, denen diese letztere bestimmt fehlt, wie bei Ps. Cottae (Taf. XXXV. Fig. 1s), haben die Wurzeln eine ganz entwickelte Prosenchym- scheide (Taf. XXXVI. Fig. 155). Nachdem die Wurzeln von den Gefässbündeln der Stammaxe ent- sprungen sind und die prosenchymatische Scheide, wo eine solche vor- handen ist, durchbrochen haben, steigen sie, langsam dicker werdend, in der Rindenschicht herab, im Allgemeinen der Axe parallel, nur wenig nach aussen gerichtet, bis sie die Aussenfläche des Stammes erreichen. Wäh- rend dieses ganzen oft sehr langen Verlaufes stehen sie mit der sie um- gebenden Rindenschicht im organischen Zusammenhange, ihre prosenchy- matische Scheide geht stetig in dieselbe über, sie können mithin hier noch nicht als eigentliche Wurzeln betrachtet werden. Ich habe sie als Wur- zelanfänge (processus radicales, Unger) bezeichnet. Als solche zu erkennen sind sie nächst dem Mangel einer eigenen parenchymatischen Rinde an ihrem fast ganz parallelen Verlauf, der rundlichen oder wenig breitgedrückten Form und dem gänzlichen Fehlen aller Verästelung. Aus dieser Beschaffenheit der in ihr verlaufenden Wurzelanfänge lässt sich daher oft ein Schluss machen auf die Dicke der Rindenschicht des Stammes, auch wo deren Gewebe zerstört und ihre Aussenfläche ver- loren gegangen oder unkenntlich geworden ist. Eine Dicke von vielleicht kaum einer Linie hatte sie bei Ps. Freieslebeni, wo die wenig zahlreichen Wurzeln nahe der Aussenfläche von den Gefässbändern ihren Anfang zu nehmen und nach einem ganz kurzen Verlaufe durch das Rinden- gewebe auszutreten scheinen, um aussen am Stamme herablaufend ein 1—2// dickes Geflecht um ihn zu bilden. Schon bestimmter. wenn auch nur /, dick, tritt sie bei Ps. musaeformis (Taf. XXXIV. Fig. 2) hervor, nach innen durch die prosenchymatische Scheide (5b), nach aussen durch den Umfang des Stammes begrenzt. Das gänzliche Fehlen von Wurzeln und Wurzelanfängen macht es wahrscheinlich, dass das vorliegende Bruch- stück vom oberen Theile eines Stammes herrührt, während uns in Ps. car- bonifer Corda Stücke vom unteren Theile eines ähnlichen Stammes er- Vol. XXIV. P. Il. 98 178 C. 6. Stenzel, halten sind, da hier mehrere kleine Wurzelanfänge innerhalb, zahlreiche ausserhalb der prosenchymatischen Scheide in der Rindenschicht angetrof- fen werden. Die der meisten übrigen Staarsteine ist in der eben beschrie- benen Weise von Wurzelanfängen dicht durchzogen; einen Zoll und dar- über dick bei Ps. radiatus, Ps. scolecolithus (Taf. XXXIV. Fig. 1 ww), gegen einen halben Fuss dick bei Ps. Cottae (Taf. XXXV. Fig. L I!,m,r), einen Fuss und darüber bei Ps. helmintholithus, nach den Angaben von Corda und Cotta. Die bisher betrachteten Verhältnisse der Rinde, ihre Zusammensez- zung aus mauerförmigem Parenchyme, ja selbst das fast senkrechte Her- absteigen zahlreicher Nebenwurzeln in ihr sind nicht ohne Beispiel bei den lebenden Pflanzen und bieten daher keine besondere Schwierigkeit dar. Unerklärlich dagegen, oder wenigstens äusserst auffallend ist es, dass wir in derselben keine nach den Blättern verlaufende Gefässbündel antreffen. Wohl sahen wir solche Gefässbänder bei Ps. Freieslebeni (Tal. XXXIV. Fig. 3aa) von der Axe nach der Aussenfläche des Stammes gehen und konnten sie hier bis an die Blattnarben verfolgen; auch bei Ps. musaefor- mis erreichten die für die Blätter bestimmten Gefässbündel (Taf. XXXIV. Fig. 2a) fast die Aussenfläche des ganzen Stückes, — hier ist aber die Rindenschicht sehr dünn. Wo sie dagegen stärker entwickelt und von Nebenwurzeln in grösserer Anzahl durchzogen ist, wie bei fast allen an- deren Arten, ist die Aussenfläche nicht nur stets unkenntlich, sondern es lassen sich auch in der ganzen Ausdehnung der Rindenschicht keine nach ihr verlaufenden Gefässbündel entdecken. Psaronius Cottae und Ps. Gutbieri gleichen durch den Mangel einer prosenchymatischen Scheide, und besonders die ersie Art durch die klam- merförmig nach innen gefalteten Gefässbänder der Axe einigermaassen dem Ps. Freieslebeni. Aber in dem weiten Raume zwischen dieser und der Oberfläche des Stammes ist nicht eine Spur von einem nach den Blättern gehenden Gefässbündel anzutreffen, während bei Ps. Cottae das Paren- ehymgewebe sich bis auf eine Entfernung von. 1—4 nach den verschie- über die Staarsteine. 179 denen Seiten der Axe deutlich zwischen den dichtgedrängten Wurzelan- fängen hindurch verfolgen lässt. Fast noch auffallender ist dieser nämliche Umstand bei den Arten, von deren gefässbänderführender Axe sich einzelne oder je mehrere klei- nere Gefässbänder lostrennen, entweder von der prosenchymatischen Scheide der Axe umfasst, wie bei Psaronius scolecolithus (Taf. XXXIV. Fig. 1AB, A’B'), oder durch eine Einbiegung derselben bereits von der Axe getrennt, wie bei Ps. helmintholithus (Corda), Ps. infarctus, Ps. asterolithus (speciosus Corda), ohne dass man in grösserer Entfernung von derselben in der Rindenschicht irgend eine Spur von dem weiteren Verlaufe dieser Bündel nach aussen aufzufinden im Stande wäre. Dass hier wirklich ausserhalb der erwähnten Fortsätze um die Axe eine dicke Rindenschicht vorhanden, und die Aussenfläche des Stammes einen oder selbst mehrere Zolle weit von denselben entfernt ist, davon überzeugt uns nicht nur, wie bereits erwähnt, die rundliche Gestalt und der einfache, unverästelte, fast parallele Verlauf der sie durchziehenden Wurzelanfänge, sondern die, freilich selten deutliche, Erhaltung des Rindenparenchyms zwischen denselben, wie ich es besonders an einem trefflich erhaltenen Stücke von Ps. infaretus (aus der Sammlung des Herrn Prof. Göppert) bestimmt gefunden habe. Es lässt sich, wie ich glaube, diese Thatsache nur dadurch erklären, dass man annimmt, nach dem Abfallen der Blätter am unteren Theile des Stammes, und diesen haben wir, nach der starken Entwickelung von Ne- benwurzeln zu urtheilen, hier überall vor uns, sei das Rindenparenchym zugleich mit und durch die Neubildung der zahlreichen Wurzeln zu der Dicke angewachsen, welche uns bei vielen Arten in Erstaunen setzt. Die zu den Blättern durch sie hindurch gehenden Gefässbündel, nach dem Abfallen der Blätter unfähig, sich zu verlängern, seien dabei durch das immer dicker werdende Gewebe der Rinde von deren Aussenfläche ge- trennt worden und von derselben immer dieker überwachsen nur noch in der unmittelbaren Nähe der Axe aufzulinden. 780 C. G. Stenzel, Wir wollen versuchen, die beiden Einwände zu entkräften, welche sich gegen diese Erklärung machen lassen. Man kann zunächst bezwei- feln, dass das Rindenparenchym am Grunde eines alten Stammes noch einer bedeutenden Fortentwickelung fähig sei. Gleichwohl ist sie nicht ohne Beispiel. Der Stamm der den Staarsteinen jedenfalls nahe verwandten Lycopodien ist an seinem Grunde verdickt, wenn zahlreiche Luftwurzeln in seinem Rindenparenchyme herabsteigen. *) In noch höherem Grade zeigt der Stamm alter Palmen, Dracaenen u. a. Monocotylen am Grunde eine bedeutendere Dicke als weiter oben, während er in seiner Jugend ziemlich regelmässig walzenrund war. Ja bei alten Palmen ist er in der Regel dicht über dem Boden fast kegelförmig verdickt, was Martius **) gewiss mit vollem Rechte der starken Entwickelung von Nebenwurzeln zuschreibt, welche am Holzkörper entspringen und im organischen Zusam- menhange mit dem Rindenparenchyme durch dieses verlaufen. Ebenso durchbrechen die Wurzeln der Staarsteine die Rinde nicht mechanisch, als eine ihnen fremde Masse, wie etwa die Rinde dikotyledonischer Sträucher oder die eng anschliessenden Blattscheiden vieler Monokotyledonen von Luftwurzeln durchwachsen werden, sondern sie bleiben im organischen Zusammenlhange mit ihr, und die Zellen in ihrem Umfange wenigstens ha- ben sich offenbar aus den sie umgebenden der Stammrinde gebildet, diese ist daher unstreitig noch fortgewachsen, lange nachdem die unteren Blät- ter abgefallen waren. Bedenkt man dabei die bedeutende Masse der Wur- zelanfänge, zwischen denen das Rindenparenchym sich nur in schmalen Streifen hindurchzieht, so ist eine so gar umfangreiche Neubildung dessel- ben nicht nothwendig gewesen, um es an Umfang bedeutend zunehmen zu lassen. Gleichwohl kann man einwerfen, dass auch dann noch die vom Holz- *) Brongniart: Hist. des veget. foss. I. p. 23, t. 8, f. 1—4. 8. 9. — Observ. sur la struct. du Sigillaria elegans, t. $ (XXXID, f. 1—4. 8. 9. *) Martius: Genera et spec. Palmarum I. cap. III.: de formatione Palmarum, $ 30. über die Staarsteine. 181 körper nach den Blättern verlaufenden Gefässbündel sich durch die ganze Rindenschicht bis in die Blattnarben müssten verfolgen lassen. In dem etwas verdickten Stengelgrunde der Lycopodiaceen, wie von Lycopodium Phlegmaria *), ist dies allerdings der Fall, hier sind jedoch die Blätter noch nicht abgefallen. Wie sich die Sache bei den viel stärker verdickten Stämmen der eben erwähnten Monocotyledonen verhält, kann ich aller- dings nicht bestimmt entscheiden, da mir keine zur Untersuchung zu Ge- bote standen; doch glaube ich kaum, dass die nach den Narben längst ab- gefallener Blätter hingehenden Gefässbündel noch einer bedeutenden Aus- dehnung in die Länge fähig sind. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sie, wenn die Aussenfläche des Stammes durch Nachwachsen der Rindenschicht sich vom Holzkörper entfernt, zurückbleiben, und von der Rinde mit ihren Nebenwurzeln überwachsen werden, in welchem Falle man ihre Reste nur noch in der unmittelbaren Nähe der Gefässbündel führenden Axe antreffen kann. Das ist bei den oben erwähnten Staarsteinen der Fall. Ganz unvereinbar mit den eben besprochenen Verhältnissen ist die Annahme von Corda, welcher die an der Aussenseite der Axe in die Rindenschicht hineinragenden Gefässbündel oder Gefässbündel -Partieen für die knollenförmig verdickten Basen der Blattstiele hält, welche nach Art der Marattiaceen nach dem Abfallen des übrigen Blattes stehen bleiben und sich noch vergrössern. Dieser knollige Blattstielgrund steht stets an der Aussenseite der Rinde, von welcher er nie überwachsen wird. Zu- dem sprechen die zolllangen, eiförmigen Narben an der Aussenfläche der walzenrunden Stämme von Ps. Freieslebeni und Ps. arenaceus entschie- den dafür, dass die Staarsteine grosse, ganz abfallende Blätter gehabt ha- ben, wie die Baumfarne der Jetztwelt. Nachdem wir so die Rindenschicht des Stammes nach allen Richtun- sen betrachtet haben, zuletzt ihr Anwachsen in die Dicke im engen Zu- *) Brongniart: Hist. d. veg. foss. II, t. 8, f. 2. — Observ. sur la str. du Sigillaria ele- gans, t. 8 (XXX), f. 2. 1782 C. G. Stenzel, sammenhange mit der späten Entwickelung zahlreicher Wurzelanfänge. verfolgen wir diese letzteren auf ihrem weiteren Verlaufe. Von der Axe des Stammes bis an dessen Aussenfläche bleiben die Wurzelanfänge wesentlich unverändert; nur an Dieke nehmen sie, oft sehr bedeutend, zu. So wie sie aber aus der Rindenschicht des Stammes her- austreten, um an dessen Aussenfläche, oft zu dickem Geflechte untereinan- der geschlungen, herabzusteigen, verändern sie sich rasch so bedeutend, dass wir uns durchaus nicht darüber wundern, dass früher Bruchstücke von freien, durcheinander geflochtenen Wurzeln für die Reste ganz ande- rer Arten gehalten wurden als ihre Anfänge innerhalb der Rindenschicht. Leider kommen beide nur äusserst selten an einem und demselben Stücke vor, was die Ermittelung des Zusammengehörigen in vielen Fällen gera- dezu unmöglich macht. Es ist dies sehr zu bedauern, da Geflechte freier Wurzeln von bedeutendem Umfange und ausserordentlicher Schönheit, deren Stamm gänzlich unbekannt ist, zu den häufigsten Vorkommnissen dieser Art gehören. Ueberall, wo die Axe mit einer einigermaassen dik- ken Rinde umgeben ist, ist diese gegen den Umfang hin, theils durch Ver- witterung des Gesteins, theils auch schon in Folge des Versteinerungspro- zesses ganz unkennllich und zerstört, die in ihr enthaltenen Wurzelanfänge bis auf undeutliche Spuren aufgelöst und wie verwischt. die Aussenfläche des Stammes stets verschwunden. Nur an einem einzigen der zahlreichen von mir untersuchten Stücke, einem Rindenbruchstük von Ps. asterolithus, in der Sammlung des Herrn Professors Göppert, liess sich der Uebergang bestimmt nachweisen. Die Axe fehlt; die mehrere Zoll dicke, von zahllosen Wurzelanfängen mit lük- kigem Innenparenchym durchzogene Rindenschicht jedoch, von deren Um- fange Taf. XXXIV. Fig. 4 einen Theil darstellt, macht es unzweifelhaft, dass wir ein Bruchstück von Psaronius speciosus Corda vor uns haben. Das dichte, in radialer Richtung gestreckte Rindenparenchym geht stetig in die dicken, dunkelbraunen oder schwarzen prosenchymatischen Schei- den der Wurzelanfänge (mm) über, welche bis auf das bei einigen deut- über die Staarsteine. 183 lich erhaltene lückige Innenparenchym ganz ähnlich gebaut sind. wie die von Ps. Cottae (Taf. XXXVI. Fig. 1). Das Gefässbündel ist sternförmig fünf- bis achtstrahlig. Gegen den Umfang hin hört das Rindengewebe, wie bei den meisten Arten, ohne [este Grenze auf; die Aussenfläche des Stammes ist also nicht mehr erhalten; die weiter nach aussen liegenden Wurzeln (r, s, u), zum Theil wenigstens, recht gut. Schon dem blossen Auge erscheinen sie ganz verschieden von den Wurzelanfängen (mm). Von viel bedeutende- rer Dicke, sind sie nicht, wie diese, rundlich oder rundlich-stumpfkantig, locker im Parenchymgewebe zerstreut, sondern ihr Umfang ist vielfach nach innen und aussen gebogen und dabei stehen sie so nahe bei einan- der, dass die Vorsprünge der einen sich in die Buchten der anderen drän- gen. Nicht minder abweichend ist ihr innerer Bau. Ihre viel ausgedehn- tere, aber fast in demselben Verhältnisse dünnere, hier und da nur wenige Zellen mächtige, prosenchymatische Scheide geht auswärts über in eine nicht viel diekere, nach aussen ringsum scharf abgegrenzte parenchyma- tische Rindenschicht, das einzige nie fehlende sichere Kennzeichen der aus dem Stamme herausgetretenen Wurzeln im Gegensatz zu den noch in der Rindenschicht befindlichen Wurzelanfäingen. Am bedeutendsten an Umfang zugenommen hat das Innenparenchym, welches zugleich lockerer und grosslückiger geworden ist. Das mittelständige Holzbündel dagegen ist wenig verändert, etwas grösser und die Strahlen des sternförmigen Ge- fässbündels wenig zahlreicher und länger. In ähnlicher Weise scheint dieser Uebergang auch bei anderen Arten staltzufinden. wiewohl er sich bis jetzt bei keiner derselben unmittelbar hat nachweisen lassen. Stets finden wir die freien Wurzeln grösser, wiewohl sie nicht selten die rund- liche Form der Wurzelanfänge beibehalten und selbst noch schärfer au s- prägen; stets sind sie näher aneinander gelagert zu einem dicht gedräng- ten Geflecht und durch die nach aussen abgegrenzte Rindenschicht ganz bestimmt bezeichnet; gewöhnlich endlich ist das Innenparenchym viel stär- ker entwickelt, und umgiebt im weiten Kreise das Holzbündel, welches bei 184 C. G. Stenzel, den Wurzelanfängen oft fast den ganzen Raum innerhalb der prosenchy- matischen Scheide ausfüllt. Bei vielen Arten gesellt sich dazu noch ein zwar nicht allgemeines, aber, wo es vorkommt, ganz sicheres Merkmal, die Verästelung der Wur- zeln. Die Wurzelanfänge sind ziemlich parallel und durchaus einfach *), daher an jeder Stelle ziemlich gleich grosse gleichmässig im Rindenparen- chyme vertheilt. Wo dagegen eine rings abgegrenzte Rindenlage zeigt, dass wir aus dem Stamme ausgetretene Wurzeln vor uns haben, sehen wir fast immer zwischen den dickeren dünnere, oft äusserst feine fadenförmige Würzelchen (Taf. XXXIX. Fig. low; Taf. XL. Fig. 155), welche sich auch durch grössere Einfachheit des inneren Baues von jenen unterschei- den und für nichts anderes, als für deren Verzweigungen gehalten wer- den können. Den strengen Beweis hierfür lieferte mir eine Wurzel von Psaronius Zeidleri, in deren, an dieser Stelle sehr verdickter, Rinden- schicht ein sehr kleines Würzelchen lag, dessen prosenchymatische Scheide nach aussen stetig in das Rindenparenchym der Hauptwurzel überging, als deren Verästelung sie unbedenklich betrachtet werden kann. In Hinsicht auf ihren inneren Bau wiederholen diese Wurzelfasern im Allgemeinen die Gewebe der Wurzeln in derselben Ordnung, nur das mit- telständige Gefässbündel zeigt im Querschnitt nicht die für die Wurzeln der Staarsteine so bezeichnende Sternform, sondern die Gefässe sind in eine dichte rundliche Masse vereint, an welche sich nach aussen an meh- reren (2—4) Stellen einige kleinere Gefässe anlegen und so einen schwa- chen Anfang zur Bildung besonderer Strahlen machen. So sehen wir es bei Ps. Haidingeri (Taf. XXXIX. Fig. 49), bei Ps. asterolithus (Taf. XL. Fig. 29) und bei Ps. Zeidleri. Das überhaupt sehr schwach entwickelte Innenparenchym (Taf. XL. Fig. 29) um dieses Holzbündel ist meist zer- *) Die scheinbar entgegenstehende Angabe Brongniart’s (hist. d. veg. foss. II., S. 64), sie seien einfach oder selten gabeltheilig, bezieht sich vielleicht auf bereits ausgetretene Wurzeln, welche er überhaupt von den Wurzelanfäugen nicht unterscheidet. Ich habe diese letzteren stels einfach und unverästelt gefunden. über die Staarsteine. 185 stört und durch structurlose Gesteinsmasse ersetzt; die prosenchymatische Scheide besteht aus sehr kleinen dickwandigen (Taf. XL. Fig. 2b) oder aus grösseren dünnwandigen Prosenchymzellen (Taf. XXXIX. Fig. 45), und ist hie und da noch von deutlich erkennbarem Rindenparenchyme umgeben (Taf. XXXIX. Fig. 4a). Es ist höchst wahrscheinlich, dass das Gefässbündel der Wurzeläste von dem der Haupiwurzel seinen Ursprung nimmt; daher kann es durch- aus nicht befremden, wenn wir in vielen Wurzeln des Psaronius Zeidleri innerhalb der prosenchymatischen Scheide kleinere und grössere Würzelchen, einzeln oder zu zweien, dreien und selbst vieren antreffen, welche wir trotzdem für Aeste der Wurzel ansprechen, in welcher sie ent- halten sind. Fällt es schon auf, dass in diesem Falle die Hauptwurzel gewöhnlich im Zustande grosser Auflösung gefunden wird, so wird doch dadurch nicht die Unrichtigkeit unserer Deutung dieser Erscheinung be- wiesen, worauf wir ein besonderes Gewicht legen, da sie uns zum Ver- ständniss eines ähnlichen, aber viel auffallenderen Vorkommens den Schlüs- sel giebt. Ich meine die (von Corda) so genannten durchwachsenen Wurzeln von Psaronius asterolithus. Bei dieser Art findet man nämlich ausser den zahlreichen sehr dünnen Wurzelästen (Taf. XL. Fig. 15», Fig. 2) zwischen den dicken Wurzeln noch innerhalb dieser leizten in dem lückigen Innenparenchym eine bis drei starke, zuweilen halb so dicke, ja fast ebenso dicke Wurzeln genau von demselben Bau, wie die sie um- schliessende (Taf. XL. Fig. 1a, Fig. 10, 11), durch das deutlich stern- förmige Gefässbündel wie durch ihre Dicke ganz bestimmt von den dünnen Wurzelästchen unterschieden. Das sternförmige Gefässbündel der um- schliessenden Wurzel ist dabei stets noch erhalten, wenn auch ganz nach der Seite gedrängt und sehr verdrückt, während die prosenchymatische Scheide derselben an einer oder mehreren Stellen zerbrochen und häufig ganz unvollständig ist, wie überhaupt auch hier die umschliessende Wur- zel sich nicht selten in einem Zustande beginnender Auflösung befindet. Dieser Umstand hat Corda auf die Meinung gebracht, dass in ältere ver- Vol. XXIV. P. Il. 99 786 C. G. Stenzel, modernde Wurzeln kräftigere, später nachwachsende sich hineingedrängt hätten, weil sie in dem dichten Wurzelgeflechte keinen freien Raum fan- den, in dem sie herabsteigen konnten. *) Aber selbst abgesehen davon, dass mir kein Beispiel von einem ähn- lichen Vorgange bei einer lebenden Pflanze bekannt ist, machte mich schon die ausserordentliche Häufigkeit dieser Erscheinung irre, indem ich Stücke fand, bei welchen fast um jede Wurzel mehr oder minder vollständige und zusammenhängende Ueberreste anderer sich bei genauerer Nachsuchung entdecken liessen. Ausserdem lässt die gleichförmige Vertheilung der Wurzelanfänge in der Rindenschicht des Stammes darauf schliessen, dass die jüngeren Wurzeln nicht zwischen den älteren, sondern höher am Stamme, als diese, enispringen, bei ihrem Austritte aus demselben daher über die anderen fortwachsen. Ganz unwahrscheinlich aber wird jene Erklärung, wo die in einer grösseren enthaltene kleinere Wurzel wieder eine enthält, was durchaus nicht selten vorkommt. Alles dies bestimmt mich, diesen Vorgang als einen in den Wachs- Ihumsgesetzen der Wurzeln selbst begründeten anzusehen. Ich betrachte nämlich die inneren Wurzeln als starke Aeste der sie umschliessenden, von deren Holzbündeln sie entspringen und dann eine Strecke weit in dem diese umgebenden lockeren Gewebe herabsteigen, ehe sie, die prosenchy- matische Scheide durchbrechend, nach aussen treten. Während bei den Pflanzen, bei welchen die Wurzeln auf dem kürzesten Wege aus dem Stamme austreten, auch die Wurzeläste unter rechtem oder nahezu rechtem Winkel von ihrer Wurzel abgehen, wie bei den lebenden Farnen, Palmen u. a., können die Wurzeläste wohl auch ein Stück lang in der Wurzel herabsteigen, wo diese einen langen Weg innerhalb des Stammes zurück- legen, ehe sie in’s Freie gelangen. In ganz ähnlicher Weise endlich *) Ich habe die Ansicht Corda’s hier weiter ausgeführt. Er sagt ganz kurz: Sehr häufig findet man dickere und ältere Wurzeln von jüngeren durchwachsen, so dass sie gleichsam in. einander gesehachtelt erscheinen. über die Staarsteine. 187 sahen wir oben kleine Wurzelanfänge innerhalb der prosenchymatischen Scheide des Stammes herablaufen, ehe sie diese in sehr spitzem Win- kel durchbrechen, um in die Rindenschicht desselben einzutreten. Der im Vorhergehenden geschilderte äussere und innere Bau kommt den Nebenwurzeln aller Arten der Staarsteine mit so geringen Abänderun- gen zu, dass man die vieler Arten durchaus nicht von einander mit Sicher- heit zu unterscheiden im Stande ist. Bei allen kehren dieselben Gewebe in derselben Ordnung wieder, und fast nur die stärkere oder schwächere Entwickelung des einen oder des anderen begründet eine Mannigfaltigkeit der Formen, welche aber eben desshalb schwer und oft gar nicht scharf gegen einander abzugrenzen sind. Der einzige ganz bestimmt hervortre- tende Unterschied ist die bei einigen Arten dichte, bei anderen lückige Be- schaffenheit des Innenparenchyms; diese ist überall zu erkennen, selbst da, wo die Grösse der Lücken sehr ungleichmässig ist und dieselben an einzelnen Stellen des Gewebes ganz fehlen. Es bildet diese Gleichförmigkeit einen auffallenden Gegensatz zu dem viel mannigfaltigeren Bau des Stammes, in noch weit höherem Grade aber zu den ausserordentlich grossen Verschiedenheiten, welche verschiedene Wurzeln desselben Stückes, ja dieselben Wurzeln an verschiedenen Stel- len ihres Verlaufes zeigen. Doch können wir darauf erst später, bei Er- mittelung des Werths der einzelnen Merkmale für die Systematik, näher eingehen. Wir fassen die Ergebnisse des bisher Gesagten kurz zusammen, um die Vergleichung der Staarsteine mit den lebenden Pflanzen zu erleichtern und so ein Urtheil über die Stellung dieser Gewächse im natürlichen Systeme und somit über die Bedeutung derselben für die fortschreitende Entwickelung der Pflanzenwelt möglich zu machen. Die einzigen uns erhaltenen Theile der Staarsteine sind Bruch- stücke von Stämmen, häufig eingehüllt in ein Geflecht von Wur- zeln, welches den Grund derselben wahrscheinlich als dicke kegelförmige Masse umgab, weiter oben aber dünner war oder ganz fehlte. 188 C. G. Stenzel, Der Stamm selbst besteht aus einer mittelständigen Axe, der Länge nach durchzogen von breiten bandförmigen Gefässbündeln, welche fast stels nach innen gefaltet und an den Rändern eingerollt oder etwas ver- dickt sind. Sie stehen eniweder zu beiden Seiten eines mittleren, gera- den oder hufeisenförmig gebogenen Bündels, oder nach allen Seiten mehr oder weniger regelmässig um die Mitte vertheilt. Die erste Anordnung entspricht einer zweizeiligen Blattstellung, die andere wirtelig oder spira- lig gestellten Blättern. Die eiförmigen, zollgrossen Narben der abgefal- lenen Blätter lassen sich zuweilen noch an der Aussenfläche des ursprüng- lich wohl stets walzenrunden *) Stammes erkennen; ebenso auch die von der Gefässaxe sich trennenden, nach ihnen hin verlaufenden Gefässbänder, von denen bei anderen Arten nur noch die Anfänge in der Nähe der Axe erhalten sind. Die Gefässbündel bestehen allein aus sehr langgestreckten Ge- fässzellen, deren Wandungen ganz wie die der Treppengefässe beschaf- fen, nur sind die Querspalten nicht lineal, sondern lang-lanzettlich und die Wandung ringsum geschlossen, oben und unten kegelförmig zuge- spitzt. Diese Gefässe oder Gefässzellen sind ganz unregelmässig, ohne jede Spur einer radialen oder kreisförmigen Anordnung, grosse und kleine eng aneinander gestellt, daher scharfkantig, drei- bis siebenkantig, ohne alle Beimischung von parenchymatischen oder Holzzellen. Diese Gefässbündel sind bei manchen Arten umgeben von einer sehr dünnen Schicht kleiner, diekwandiger, etwas langgestreckter Zellen, welche nach aussen in das grosszellige, zarte und daher meist zerstörte dichte oder lückige Parenchym der Axe übergehen. Diese letztere ist entweder umgeben von einer dicken Schicht lang- gestreckter, schwarz, braun oder grau gefärbter, dickwandiger Prosen- *) In Folge der Fäulniss erscheint er oft breitgedrückt. Das in der Mitte eingedrückte Stamm- stück von Psaronius arenaceus Corda stammt wahrscheinlich von der Stelle eines wal- zenrunden Stammes, wo dieser sich eben gabelig zu theilen beginnt. Wir werden später bei Betrachtung dieser Art diese Vermuthung näher begründen. über die Staarsteine. 189 chymzellen oder nicht. Im letzten Falle geht das zwischen den Ge- fässbändern befindliche Parenchym unmittelbar in die parenchymatische Rindenschicht über, welche bei einigen Arten kaum nachzuweisen ist, bei anderen eine Dicke von 3—6 und darüber erreicht; im ersten Falle ist sie durch die erwähnte prosenchymatische Scheide von dem Gewebe der Axe getrennt. Die Rinde wird durchsetzt von zahlreichen, am Umfange der Axe entspringenden, parallel an derselben herablaufenden Nebenwurzeln, die Anfangs, in der Nähe der Axe, sehr klein sind, im weiteren Verlaufe an Grösse zunehmen und beim Austritte aus dem Stamme um diesen unregel- mässige Geflechte bilden. Diese Wurzeln wiederholen im Kleinen den Bau des Stammes. Ihre Mitte nimmt eine, im Querschnitt sternförmige, Gefässsäule mit vorspringenden Kanten ein. In der Mitte derselben liegen grosse eckige oder rundliche, Treppengängen sehr ähnliche, Gefässzellen, an welche sich an den äussersten Kanten je mehrere sehr kleine Gefässe anlegen. Zwi- schen diesen Gefässen und um sie ist kleinzelliges, äusserst zartes Paren- chym, nach aussen begrenzt von einer, die Gefässsäule ziemlich eng um- schliessenden, zelligen Scheide. Diese Theile zusammen bilden das Holzbündel, welches von einem grosszelligen, dichten oder lückigen Ge- webe, dem Innenparenchyme, umgeben ist. Diesem folgt nach aus- sen eine Schicht prosenchymatischer, meist brauner oder schwar- zer, dickwandiger, langgestreckter Zellen, welche entweder bei den Wur- zelanfängen in das Rindenparenchym des Stammes eingesenkt, oder, bei den freien Enden der Wurzeln, von einer dünnen, nach aussen scharf ab- gegrenzten Schicht polyedrischer Zellen umkleidet ist. Suchen wir hiernach zu bestimmen, zu welcher Pflanzenfamilie die Staarsteine gehören, oder doch, mit welcher sie die meiste Verwandtschaft zeigen, so leuchtet zunächst ein, dass, bei dem gänzlichen Fehlen der Fort- pflanzungs- und Blattorgane, die äussere Form uns keinen hinreichenden Anhalt für eine derartige Bestimmung bietet. Wir sind daher an erster 790 C. G. Stenzel, Stelle auf den inneren Bau des Stammes und der ihn durchwachsenden oder umgebenden Nebenwurzeln angewiesen. Zunächst schliesst der gänzliche Mangel an Holzzellen in den Gefäss- bündeln jeden Gedanken an eine monokotyledonische oder dikotyledonische Pflanzenfamilie aus; die Zusammensetzung derselben nur aus langgestreck- ten ringsgeschlossenen Gefässzellen weist ihnen im Gegentheile ganz be- stimmt ihre Stelle unter den Gefässkryptogamen oder Gymnospermen an; und da der gänzliche Mangel jeder Spur einer radialen Anordnung dieser Gefässzellen auch die letzte dieser beiden Abtheilungen ausschliesst, so bleibt uns nur die Wahl zwischen Farnen und Lycopodiaceen, *) und in der That sind sie zu den letzten von Brongniart, zu den ersten von Sprengel, Cotta und Corda gezogen worden. Der Stengel der Lycopodiaceen, besonders der zahlreichen Arten der Gattung Lycopodium, auf den es hier zunächst ankommt, besteht aus einem centralen Holzkörper, in dessen zartem Gewebe von langgestreckten klei- nen Parenchymzellen mehrere aus einer oder wenigen Reihen von Gefäss- zellen bestehende Gefässbündel in Form gefalteter Bänder oder Platten liegen. Diese verschmelzen vielfach mit einander und trennen sich wie- der, so dass jeder Querschnitt sie anders vertheilt zeigt. Es sind diese Gefässzellen lange scharfkantige, an beiden Enden zugespitzte und rings- geschlossene Zellen, deren Wandungen mit Querspalten versehen sind, in Allem ganz wie die der Farne und Staarsteine. Umgeben ist diese Axe von einer dicken Rindenschicht, welche entweder ganz aus weichem Par- enchyme, oder nach aussen aus diekwandigen langgestreckten Prosen- chymzellen besteht, die bei manchen Arten auch einen festen Ring um die Axe bilden. Dieser parallel verlaufen, oft ziemlich hoch oben an ihr ent- springende, Nebenwurzeln in dem Rindengewebe bis an den Grund des Stengels, wo sie aus demselben austreten, um in den Boden einzudringen. *) Mit den Equisetaceen stimmt weder der äussere noch innere Bau, wesshalb sie hier ganz ausser Betracht gelassen sind. über die Staarsteine. 791 Sie haben im Kleinen den Bau des Stengels: in der Mitte ein hier im Querschnitte meist mondförmiges Bündel Gefässzellen, die denen der Sten- gelaxe gleichen, darum eine dicke Schicht dickwandiger Prosenchymzellen, welche nach aussen von einer parenchymatischen Rindenschicht umhüllt ist. Dieser Bau des Stengels und der Wurzeln zeigt sich, abgesehen von der geringen Grösse der Lycopodiaceen, in vielen wesentlichen Puncten übereinstimmend mit dem der Staarsteine. Darin stimmen wir A. Brong- niart bei. Beide bestehen aus den ganz ähnlichen Elementartheilen; eine zellige, von bandartigen Gefässbündeln durchzogene Axe ist umgeben von einem dicken Rindengewebe, dessen innerste Schicht zuweilen eine pros- enchymatische Scheide um die Axe bildet, in dessen äusserer, gewöhn- lich parenchymatischer, Schicht zahlreiche Nebenwurzeln parallel der Axe oder wenig schräg nach unten gehen. Auch diese Wurzeln zeigen von einer prosenchymatischen Scheide umschlossenes, polyedrisches Zellge- webe, in dessen Mitte ein Bündel Gefässe liegt. Dass dieses im Querschnitte nicht sternförmig ist, kann allein nicht Grund genug sein gegen die Vereinigung der Psaronieen mit den Lycopo- diaceen; denn die verschiedenen Gattungen der Farne zeigen ein im Quer- schnitte bald mondförmiges, bald mehreckiges Gefässbündel mit vorsprin- genden Ecken, also der Sternform sich nähernd, wie Aspidium exaltatum und mehrere verwandte Arten, bald diese Sternform selbst in ausgezeich- neter Weise, wie mehrere Arten von Angiopteris und vielleicht alle Ma- ralliaceen. Es könnten also die gleichen Verschiedenheiten sehr wohl verschiedenen Arten oder Gattungen der Familie der Lycopodiaceen zu- kommen. Bestimmter dagegen müssen wir uns gegen Brongniart’s Ansicht von der Gleichartigkeit der Stammaxe beider Gruppen erklären. Meiner Meinung nach entspricht nämlich die ganze Stengelaxe der Lycopo- dien einem einzigen Gefässbündel des Farnstammes; die bei vielen Arten vorhandene prosenchymatische Scheide dieser Axe der ähn- lichen um die Gefässbündel der meisten Farne; das darin enthaltene Par- 192 C. G. Stenzel, enchym dem kleinzelligen Gewebe innerhalb der braunen Scheide der Farne, und die vielfach mit einander verschmolzenen und wieder auseinan- der tretenden Gefässbänder in diesem Parenchyme den auch bei den mei- sten Farnen und allen Baumfarnen durch Blätter kleiner Parenchymzellen von einander getrennten Gefässparlieen, welche zusammen ein einziges Gefässbündel ausmachen. Allerdings ist das Zellgewebe zwischen den Gefässen der Lycopodien viel stärker entwickelt, als zwischen denen der Farne, bei welchen die einzelnen durch dasselbe getrennten Gefässpartieen auf jedem Querschnitte zusammenhängen; doch gehen auch bei manchen Baumfarnen, z. B. Balantia antarctica *) die Zellblätter durch die ganze Masse der Gefässe hindurch und zerlegen diese in stellenweise ganz ge- trennte Bündel, wie bei Lycopodium phlegmaria, **) L. vertieillatum ***) u. a., während umgekehrt bei den Lycopodien oft die meisten dieser Ge- fässpartieen auf jedem Querschnitte zusammenhängen. Während daher Brongniart, welcher die einzelnen Gefässpartieen für selbstständige Gefässbündel hält, der Meinung ist, dass bei einem baumartigen Lycopodium die Stammaxe aus einem centralen Holzkörper bestehen würde, in welchem die Gefässe in grösseren und dickeren in sich abgeschlossenen Bändern vereinigt wären, wie bei den Staarsteinen, glaube ich mit Sicherheit annehmen zu können, dass bei einem baumarti- gen Lycopodium entweder die Gefässe in einem centralen Bündel, ganz wie bei den krautigen Stengeln, in kleinen, nur viel zahlreicheren Partieen vertheilt sein würden, ebenso ohne alle Regel und ebenso anastomosirend und daher in jedem Querschnitte anders erscheinend; oder dass stait des einen centralen Bündels mehrere ähnlich gebaute auftreten würden, ähn- lich wie bei den nahe verwandten und im inneren Bau sehr übereinstim- menden Farnen in sehr langgezogenen dünnen Stämmchen, z. B. von Hymenophyllum, Trichomanes, Gleichenia, die Gefässe alle in ein centrales *) Corda: Beitr. z. Flora d. Vorw., t. 51, f. 3s. *) Brongniart: Hist. des veg. foss. II., t. 8, f. 5. =, Ebas I HLOMTENE über die Staarsteine. 193 Bündel vereinigt sind, während sie bei den stärkeren krautigen und bei den Baumfarnen in einen Kreis gestellt sind, und zum Theil noch in der Mitte desselben als zahlreiche kleine Gefässbündel auftreten. Entscheidend spricht endlich gegen Brongniart’s Annahme, dass die Staarsteine die Basen von Lycopodiaceen-Stämmen seien, der Verlauf der Gefässbänder nach den Blättern und die Grösse und Form der Blatt- narben. Die Blätter der Lycopodiaceen sind stets einfach und ganzrandig oder feingezähnt und selbst die breitesten immer nur von einem einzigen Mit- telnerv durchzogen. Das Gefässbündel dieses Mittelnervs geht von der centralen Axe durch das dicke Rindenparenchym nach der Aussenfläche des Stengels, hat aber nie die Bandform der Gefässparlieen in der Axe selbst, sondern ist im Querschnitte rundlich. Bei Psaronius Freieslebeni dagegen gehen unzweifelhaft breite, gefaltete Gefässbänder (Taf. XXXIV. Fig. 3aa) nach den Blattnarben (nn) hin, deren Stellung in alternirenden dreigliedrigen Wirteln es unmöglich macht, sie für Astnarben zu halten, da die Aeste der Lycopodiaceen und Farne nichts anderes sind, als schwä- cher entwickelte Theile des dichotomen Stammes und daher nie im Wirtel stehen können. In derselben Weise sahen wir bei vielen anderen Arten einzelne oder je zwei oder mehrere breite Gefässbänder sich von der Axe trennen. um in die Blätter einzutreten. Ausser der Breite dieser Gefäss- bänder überzeugt uns auch die Grösse der zollhohen elliptischen Blattnar- ben von der mächtigen Grösse der unstreitig viele Fuss langen Blätter, und die elliptische Form der Blatinarben, deren grösserer Durchmes- ser der Längsrichtung des Stammes parallel ist, nähert die Staarsteine ebenso sehr den Baumfarnen, als sie dieselben von den Lycopodiaceen entfernt. Der letzte Grund, welchen man für die Verwandtschaft der Staar- steine mit den Lycopodiaceen anführen kann, ist der Verlauf der Wurzeln innerhalb des Parenchyms der Rinde parallel oder fast parallel der Axe, während dieselben bei den Farnen stets auf dem kürzesten Wege die Vol. XXIV. P. II. 100 794 C. G. Stenzel, Aussenfläche des Stammes zu erreichen suchen, um dann erst an dieser herabzulaufen. In der trefflichen Abhandlung über die allgemeinen Ver- hältnisse der Staarsteine im zweiten Bande der „Histoire des vegetaux fossiles‘‘ legte Brongniart selbst kein grosses Gewicht auf diesen Um- stand, welchen er in dem später (1849) erschienenen „‚Tableau des genres des vegetaux fossiles, S. 45, in gleicher Reihe mit den aus dem Baue des Stammes selbst hergenommenen Gründen aufführt. Er führte dort selbst an, *) dass Gaudichaud in Chile Bromeliaceen-Stämme beobach- tet habe, welche diese Erscheinung in noch auffallenderem Maasse zeigen, indem zahlreiche Wurzeln von der Dicke eines Federkiels an der ganzen Oberfläche des Gefässkörpers entspringen, fast von der Spitze des Stam- mes bis zum Grunde desselben in dem äusseren Zellgewebe zwischen dem Gefässkörper und der Aussenfläche des Stammes herabsteigen und erst gegen den Grund desselben aus ihm heraustreten. Er fügt hinzu, dass diese Erscheinung in ganz ähnlicher Weise bei Kingia vorzukommen scheine, daher kein ausschliesslicher Charakter der Lycopodiaceen sei. Es bleibt uns daher nur noch übrig zuzusehen, ob die Staarsteine zur Familie der Farne gehören. Das Wenige, was wir von der äusseren Form wissen, ist dem nicht entgegen. Walzenrunde Stämme mit zollgrossen eiförmigen Blattnarben in drei- oder mehrgliedrigen Wirteln, unten über- kleidet von einem mehrere Zoll dicken Wurzelgeflecht, kommen auch bei den Baumfarnen vor, und selbst die bei manchen Arten der Psaronieen vermuthlich zweizeilige Blattstellung würde dem Charakter der Farne nicht schlechthin entgegen sein. Wichtiger ist der bei den Staarsteinen oft in ausserordentlicher Schönheit bis in die kleinsten Einzelnheiten erhaltene innere Bau. In Rücksicht auf diesen unterscheiden wir bei den Farnen, abgesehen von der oben berührten einfachsten Form bei Hymenophyllum , Trichomanes und Gleichenia, zwei Hauptformen. *) Brongniart: Hist. des veg. foss. II., S. 66. über die Staarsteine. 195 Bei den Baumfarnen aus der Abtheilung der Polypodiaceen und Cya- theaceen liegt nahe unter der Aussenfläche ein Kreis von breiten, an den Rändern anastomosirenden und so einen fast geschlossenen, hohlen Cylin- der bildenden Gefässbündeln, welche ein Mark umschliessen, in dem viele kleinere rundliche Gefässbündel verlaufen. Mit diesen Stämmen verglich Corda die Staarsteine in seinen „‚Skiz- zen zur vergleichenden Phytotomie,‘‘“ wobei er, wie ihm das auch sonst begegnete, über der mühsamen Vergleichung oft ganz unbedeutender Ein- zelnheiten die leitenden Gesichtspuncte ganz aus den Augen verlor. Spä- ter, in seinen Beiträgen zur Flora der Vorwelt, verliess er selbst den von ihm eingeschlagenen Weg, da sich ein solcher einfacher Kreis platter oder bandförmiger Gefässbündel bei keiner Art der Staarsteine findet. Er lenkte dagegen die Aufmerksamkeit auf die zweite Hauptform der Farnstämme, welche sich bei den Marattiaceen findet und da- durch ausgezeichnet ist, dass lauter rundliche Gefässbündel, zu ei- nem nach allen Seiten gleichförmigen Netze verbunden, in der Axe verbreitet sind. Leider ist unsere Kenntniss vom inneren Baue der Stämme dieser höchst interessanten Gruppe der Farne noch sehr unvollständig, indem wir bisher nur von einer Art der Gattung Angiopteris eine genaue anatomische Untersuchung durch Harting besitzen,*) welche allerdings zu den treffl- lichsten Arbeiten auf dem Gebiete der Phytotomie gehört, aber nur um so mehr bedauern lässt, dass dem eben so gründlichen Beobachter, wie scharfsinnigen Denker nicht wenigstens eine Art aus jeder Gattung der Marattiaceen zu Gebote gestanden hat. In allen Puncten, in welchen ich Gelegenheit hatte, seine Beobachtungen zu wiederholen, an einigen Stammstückchen und einem frischen Blatistiele einer Angiopteris, welche ich der Güte des Herrn Professors Göppert verdanke, konnte ich diesel- *, P. Harting: Recherches sur l’anatomie, l’organogenie et l’histiogenie du genre Angiopteris (4. Teysmanniana) in Vriese et Harting, Monographie des Marattiacdes, Leiden u. Düssel- dorf 1853, mit 9 Tafeln in Folio, wovon die Hälfte für die Anatomie. 796 C. G. Stenzel, ben bestätigen, bis auf wenige leichte Abweichungen, welche höchst wahr- scheinlich in der Artverschiedenheit der von mir untersuchten Theile ihre Erklärung finden. Nach Harting erreicht der knollig verdickte Stamm von Angiopteris so wenig, wie der einer anderen Marattiacee, je eine baumartige Höhe, sondern behält, indem er sich nach oben immer mehr verdickt, bei seinem ohnehin schwachen Längenwachsthume, stets eine umgekehrte Eiform. Er ist dabei nach allen Seiten umgeben von den lange ausdauernden, knol- lenförmigen Blattstielresten (perules), nach oben von frischen Blättern und an der Spitze von der endständigen Knospe begrenzt. Der Stamm besteht aus einer äusseren Rindenschicht und einer Axe, in deren lockerem dünnwandigen Parenchyme zahlreiche walzenrunde, viel- fach anastomosirende Gefässbündel ein nach allen Richtungen gleichmässi- ges Netz bilden, von dessen Umfang Gefässbündel durch die Rindenschicht in die Blätter, wie in die Wurzeln abgehen. Diese, immer nur in sehr geringer Anzahl (bei dem einen der untersuchten Stämme sieben), dringen aus dem unteren Ende des Stammes, theils zwischen den Blattstielresten. theils durch sie hindurch, in die Erde ein. Es zeigt daher der Quer- wie der Längsschnitt des Stammes im stark entwickelten Parenchymgewebe ohne Ordnung zerstreute, iheils quer durchschnittene und dann kreisrunde, theils schräg oder der Länge nach getroffene Gefässbündel, deren Durchschnitt länglich- rund oder langge- streckt erscheint. Diese Formen stehen daher mit der stets stielrunden der Gefässbündel nur in dem eben angegebenen zufälligen Zusammen- hange und lassen keineswegs auf breitgedrückte oder gar bandförmige Gefässbündel schliessen, wiewohl besonders die oft auf lange Sirecken ihres Verlaufs von einem Durchschnitte getroffenen Nebenwurzeln bei oberflächlicher Betrachtung leicht einen derartigen Irrihum veranlassen können. Die Mitte dieser Gefässbündel nimmt eine Gefässsäule mit stark vor- springenden Kanten ein, welche im Querschnitte einen Stern mit vielen über die Staarsteine. 197 (hier 14) Strahlen zeigt. Sie besteht fast ganz aus grossen dicht ge- drängten, daher scharfkantigen Gefässzellen, welche an beiden Enden zu- gespitzt sind und auch sonst ganz die Beschaffenheit der Gefässzellen der übrigen Farne haben, nur dass die Querspalten in den Wandungen nicht lineal, sondern lang-lanzettlich sind.*) Nach aussen werden die Gefässe kleiner, und an der Spitze der Strahlen liegen Spiralgefässe von sehr kleinem Durchmesser. Zwischen diesen Gefässen liegen zerstreut kleine Partieen eines zar- ten langgestreckten Parenchymgewebes, welches auch den Raum zwischen den Strahlen und um sie herum einnimmt. Dann folgen nach aussen |] bis 2 Reihen grösserer rundlicher Zellen, welche eine Art von cylindri- scher Scheide um den Gefässstern bilden. Auf diese folgt eine dicke Schicht derbwandiger prosenchymatischer Zellen, welche in Form einer dicken Röhre den mittelständigen Gefässbündel mit seinem Parenchyme um- giebt. In diesem Prosenchym sieht man grosse unverästelte Intercellu- largänge, mit einem trüben gelben Safte erfüllt, das Gefässbündel von einem Ende bis zum anderen parallel der Axe desselben durchlaufen. Geringe, für unseren Zweck ganz unwesentliche Abweichungen in der Beschaffenheit der prosenchymatischen Scheide abgerechnet, haben die, als unmittelbare Fortsetzung einzelner Bündel des Gefässretzes er- scheinenden Wurzeln genau dieselbe Zusammensetzung. Mit der trefflichen, durch die genauesten Zeichnungen erläuterten und unterstützten Darstellung Harting’s stimmen nun freilich die weni- gen, vor ihm bekannt gemachten, Untersuchungen über den Stammbau der Marattiaceen nicht ganz überein. So giebt Ad. Brongniart in seiner Abhandlung über die Sigillaria elegans an, **) die Gefässbündel des Stam- mes seien nicht eingehüllt in eine Art Scheide von hartem und festem Fa- sergewebe, wie das gewöhnlich bei den anderen Farnen sich zeige, noch AyöHurting:,A. a. O., t. 7, 107. *) Ad. Brongniart: Observations sur la structure interne du Sigillaria elegans etc., im Archive du Museum d’hist. nat. Par. 1839, S. 439 Anmerk. 198 C. 6. Stenzel, von jener Lage zarten Zellgewebes, welche bei eben diesen Pflanzen die Faserscheide von den Gefässbündeln trenne; bei Angiopteris evecta und bei Danaea seien die Gefässbündel unmittelbar umgeben von dem allge- meinen Zellgewebe des Stammes, nur seien einige der dieselben unmiltel- bar umgebenden Zellen angefüllt mit einer rothen oder schwärzlichen dich- ten Masse, welche diese Bündel sofort erkennen lasse. Entweder rührt diese so ausdrücklich hervorgehobene Abweichung von der unzweifelhaft richtigen Darstellung von Angiopteris Teysmanniana bei Harting daher, dass diese Art verschieden von Angiopteris evecta und Danaea nodosa gebaut ist, oder, und dies ist viel wahrscheinlicher, es hat Brongniart die prosenchymatische Schicht mit ihren weiten, einen trü- ben Saft enthaltenden Intercellulargängen nicht von dem umgebenden Pa- renchyme mit seinen zerstreuten dunklen Zellen unterschieden. Es spricht für diese Vermuthung, dass die Zellen der prosenchymatischen Schicht zwar etwas dickwandig, aber nur wenig gestreckt sind und oft mit kaum schrägen und selbst horizontalen Querwänden übereinander liegen. Sie entfernen sich dadurch von den ausserdem auch braungefärbten Zellen der Scheide der übrigen Farne und nähern sich einem etwas langgestreckten Parenchyme, für welches man sie halten könnte, wenn nicht ihre scharfe Abgrenzung gegen das polyedrische Parenchym des Stammes für die Auf- fassung derselben als eines besonderen Gewebes spräche. Dieses würde dann doch der braunen prosenchymatischen Scheide der Farne am meisten entsprechen und zwar um so mehr, als diese letzte auch bei verschiedenen Arten sehr verschieden ausgebildet ist und oft statt ihrer wenig gestreck- tes Parenchym auftritt. *) Fügen wir hinzu, dass Brongniart nicht frische Stämme, wie Harting, sondern nur trockene zu Gebote standen, so wird man es erklärlich finden, dass er die kleinzellige Umhüllung des Gefässbündels übersehen konnte. Mit den übrigen Angaben Harting’s stimmen die von Brong- *) H. Mohl: Vermischte Schriften, S. 116. über die Staarsteine. 1799 niart überein, oder widersprechen denselben wenigstens nicht, namentlich geht weder aus seinen Worten, noch aus seinen Figuren, wie Corda an- zunehmen scheint, hervor, dass die Gefässbündel nicht rund, sondern breit- gedrückt oder gar plattenförmig seien. Dem Bilde, welches wir uns nach den kurzen Angaben Brong- niart’s von dem Bau der Danaea und Angiopteris machen, entspricht un- gefähr die von Corda gegebene Abbildung eines Querschnitis vom Stamme der Danaea Sellowiana, *) nur dass in der Zeichnung noch manche Ver- schiedenheiten bestimmt hervortreten, von welchen in Brongniart’s sehr kurzer Beschreibung nichts steht. Kleine rundliche Gefässbündel liegen unmittelbar in dem allgemeinen Parenchyme des Stammes ohne be- sondere Scheide. Die Gefässe, oder richtiger Gefässzellen, sind nicht in sternförmige, sondern in rundliche Bündel, ohne Beimischung von anderen Zellen, geordnet. Dasselbe fand Corda bei einer jungen Marattia, deren Gefässbündel aber aussen von einer Scheide kleiner dünner und diese von einer Reihe langer, prosenchymatischer Zellen umgeben waren, welche der sonst so stark entwickelten braunen Scheide der Farne entsprechen sollen. Nach Zeichnung sowohl, wie nach Beschreibung stimmen diese Ge- fässbündel in allen wesentlichen Stücken so genau mit denen im Blatt- stiele und dessen knollig verdicktem ausdauernden Grunde bei Angiopte- ris Teysmanniana **) und einer von mir untersuchten Art derselben Gat- tung überein, dass ich keinen Augenblick zweifle, dass Corda beide Male Blattstielbündel statt eigentlicher Stammgefässbündel untersucht habe, und dass mithin für die Beurtheilung dieser letzteren seine Beobachtungen ganz ausser Acht gelassen werden müssen. Die einzige bedeutendere Verschiedenheit ist die viel grössere Zahl von Gefässen in den von Corda abgebildeten Bündeln; doch ist dies kein hinreichender Grund gegen un- *) Corda: Beitr. z. Flora d. Vorw., t. LI., f. 20. 2) Hanline: Ama Ost. Go AIHlSef: 800 C. G. Stenzel, sere Annahme; ebenso wenig der Umstand, dass statt der von ihm gefun- denen Reihe prosenchymatischer Zellen eine Reihe von Zwischenzellen- Röhren (canaux intercellulaires) um die Gelässbündel der Blattstiele lie- gen, was sich aus der oft unverantwortlichen Flüchtigkeit erklärt, mit wel- cher Gorda beobachtete und noch öfter zeichnete, wofür wir weiter unten die Beweise anführen werden. Wenden wir uns nun zur Beantwortung der Frage, ob die Staarsteine als vorweltliche Vertreter der zweiten Hauptform der lebenden Farne be- trachtet werden können, welche der Familie der Marattiaceen zukommt, so finden wir, dass ihrer Vereinigung mit dieser Familie so vieles entgegen- steht, dass wir dieselbe geradezu als naturwidrig bezeichnen müssen. Sämmtliche Arten der Marattiaceen haben nämlich einen niederge- drückten kuchen- oder eiförmigen Stamm, welcher sich wahrscheinlich nie bis zu baumartiger Höhe erhebt. *) Der 3° hohe Stamm von Marattia pellucida und Angiopteris angustifolia, so wie der 2’ hohe von Eupodium Kaulfussi, ist unstreitiig umgekehrt eiförmig und krautartig wie der der übrigen Arten. So unzuverlässig nun auch die bisher bekannt ge- wordenen Angaben über die Länge der Psaronien-Stämme sind, so errei- chen sie doch bei manchen Ärten höchst wahrscheinlich eine Länge von 10° und darüber; **) und was viel wichtiger ist und sich bestimmt bei den *) Corda giebt an, dass Angiopteris evecta eine Höhe von 14—20’ erreiche (Beitr. z. Flora d. Vorw., S. 93), während sie sich in der That nur wenig über den Boden erhebt. **) Diese Angaben über die Länge der Staarsteinstämme scheinen mir auf sehr unsicherer Grund- lage zu ruhen. Die bei weitem meisten derselben verdanken wir Corda, meist ohne alle nähere Anführung ihrer Lagerung, ihres Aufbewahrungsortes u. s. w. Die längsten Stücke sind nach ihm vorgekommen von Psaronius radiatus (Ps. intertextus Corda), 10—20’ L. bei 10— 14° Dicke; dann von Ps. helmintholithus, 1O—15’ L. bei I—1'/,‘, ja nach Cotta (Dendr. S. 35) bis 2, Dicke (am Kyffhäuser); von Ps. musaeformis (Ps. carbo- nifer Corda) hat er Stämmehen von 3—5’ L. und 2—3” Dicke gesehen. — Fusslange Stücke fand auch Mougeot von Ps. hexagonalis (Ps. helmintholithus Corda), und halb so lange Gutbier von Ps. (Caulopteris) Freieslebeni. Ich selbst habe nur Stücke von wenigen Zollen Länge gesehen, deren ganz gleicher Durchmesser an beiden Enden aber doch auf eine nicht unbedeutende Länge und ganz walzige Form des Stammes schliessen liess. über die Staarsteine. s01 von mir untersuchten Stücken herausgestellt hat, ihre Form war walzen- rund und nie eiförmig oder gar kuchenförmig niedergedrückt. Während ferner der Stamm der Marattiaceen stets dicht mit den stehenbleibenden, knollig verdickten Resten des Blattstiel- srundes bedeckt ist, sehen wir an der Aussenfläche der Staarstein- Stämme, wo sie überhaupt erhalten ist, ziemlich entferntstehende, schildförmige, glatte Blattnarben, und wo diese Aussenfläche zerstört ist. entsprechen die sich von der Axe ablösenden Gefässbündel- parlieen, wie wir eben gesehen haben, durchaus nicht polsterförmigen Hervorragungen irgend einer Art an der Aussenseile des Stammes. Man kann hier nicht einwenden, dass bei den Polypodiaceen die krautigen Stöcke mit den stehenbleibenden Blattstielbasen umkleidet sind, während von den baumartigen Stämmen die Blätter ganz abfallen; denn jene Blatt- stielbasen sterben nur langsamer ab, als das übrige Blatt; die knollenför- migen Blattstielbasen der Marattiaceen dagegen wachsen nach dem Abfal- len des eigentlichen Blattes fort, was, nach Martius, gerade bei den über die Erde sich erhebenden Stämmen in ausgezeichneterer Weise stattfindet, als bei den unterirdischen. Auch bei eigentlich baumartigen Marattiaceen würde daher kaum eine Blattnarbenbildung unmittelbar an der Aussen- fläche des Stammes stattfinden, wie bei den Staarsteinen. Dieser Verschiedenheit der äusseren Form entspricht eine nicht ge- ringere im inneren Bau. Bei den Staarsteinen sind die Gefässbündel der Axe parallel, nur hier und da an den Seiten anastomosirend; im Stamme der Marattiaceen dagegen bilden sie ein nach allen Richtungen gleichmäs- sig verzweigtes Netz. Ihre dünnen runden Bündel lassen ferner mit den breiten platten- oder bandförmigen der Staarsteine durchaus keinen Ver- gleich zu, und dies um so weniger, da sie aus einem sternförmigen Ge- fässbündel mit kleinen Parenchymzellen untermischt bestehen, während die der Staarsteinaxe nur aus eng aneinander gereihten, unregelmässig-ecki- gen Gefässzellen bestehen, ohne alle Beimischung anderer Gewebe. Schon hierin liegen so tiefgreifende Verschiedenheiten, wie wir sie Vol. XXIV. P. I. 101 802 C. G. Stenzel, innerhalb einer und derselben Gruppe der Farne sonst nicht finden. Eine genauere Prüfung der Wurzeln endlich, auf welche Corda das Hauptge- wicht legt, führt zu dem gleichen Ergebnisse. Bei den Staarsteinen finden wir dieselben in grosser Anzahl theils in der Rindenschicht, theils als ein dickes Geflecht aussen um den Stamm. Ein einziger Querschnitt z. B. trifft bei Psaronius Cottae (Taf. XXXV. Fig. 1) weit über tausend Wurzelanfänge, und mehrere Hunderte dersel- ben umgeben selbst bei den Arten den Stamm, wo derselbe eine viel ge- ringere Stärke hat. Die Marattiaceen haben dagegen stets nur eine geringe Anzahl zerstreut hie und da hervorbrechender Wurzeln. An dem starken Stamme von Angiopteris Teysmanniana fand Harting deren sieben, und nicht viel zahlreicher sind sie bei Angiopteris evecta *) und Danaea **), Al uw so wie bei Gymnotheca (Marattia) cicutaefolia. * *) Bei allen diesen gehen sie ferner von den Gefässbündeln der Axe unmittelbar nach aussen und dringen hier in die Erde ein, während sie bei Psaronius in der dik- ken Rindenschicht eine lange Strecke nach unten verlaufen, ehe sie die Aussenfläche des Stammes und die freie Luft oder den Boden erreichen. Es haben diese beiden Merkmale nur insofern einen Werth, als sie, und zwar vorzugsweise das erstere, in unmittelbarer Beziehung und Ab- hängigkeit von der dicken und niedrigen Form der Stämme der Marattia- ceen und der hohen walzenrunden der Psaronien zu stehen scheinen. Ein grösseres Gewicht lege ich hier auf den inneren Bau. In Hinsicht auf diesen stimmen die Wurzeln der Angiopteris und wahrscheinlich aller Ma- rattiaceen mit denen der übrigen Farne überein, nur hat das bei diesen im Querschnitt mondförmige oder eckige Gefässbündel hier eine ausgebildete Sternform. Gerade darin gleichen ihnen die Wurzeln der Staarsteine auf- *) Brongniart: Observations sur la structure interne du Sigillaria elegans, t. 9, f. 1. *) Ebd. t. 9; £..2..3. —. Corda, Beitr. :z. Flora d. Vorw., t. LI, f. 15,.16 (Danaea alata, D. nodosa). **) Martius: Icones plant. erypt., p. 119. Die Abbildung des Stockes t. LXXIa zeigt gar keine Wurzeln. über die Staarsteine. 803 fallend, ja die Zusammensetzung dieser Sternsäule innen aus grossen trep- pengefässartigen Langzellen, unterbrochen hie und da von kleinen Par- tieen kleiner gestreckter Parenchymzellen, an den vorspringenden Kanten aber aus sehr kleinen Spiralgefässen ist bei beiden ganz dieselbe, und bei beiden Gruppen ist dieses Gefässbündel umgeben von einer zelligen Scheide. An diese aber schliesst sich bei allen, mir bekannten, lebenden Farnen und Lycopodiaceen unmittelbar die dicke prosenchymalische Scheide an, während bei den Staarsteinen zwischen dieser letzteren und der zelli- gen Scheide des Holzbündels das immer stark ausgebildete rundzellige Ge- webe liegt, welches wir mit dem Namen des Innenparenchyms bezeichnet haben, und welches bei vielen Arten den grössten Theil der ganzen Wur- zelmasse ausmacht. Die Gesammtheit der bisher angeführten Gründe nöthigt uns, die Staarsteine nicht nur von den Polypodiaceen, zu denen sie Sprengel, Cotta und früher Corda gebracht hatte, sondern auch von den Marattlia- ceen zu trennen, zu welchen sie später von Corda und nach ihm von Unger und Mougeot gerechnet worden waren, und sie als eigene Gruppe — Psaronieae — hinzustellen, wie dies bereits früher von Unger geschehen war. Wir betrachten sie aber nicht, wie dieser, als eine Mittelbildung zwi- schen Farnen und Lycopodiaceen, sondern stellen sie als eine be- sondere Familie oder Gruppe zu den ersteren, in die Nähe der Polypodiaceen. Zunächst der äusseren Form nach stimmen die Stlaarsteine fast ganz mit den Baumfarnen aus der Familie der Polypodiaceen, zu denen wir mit Endlicher die Cyatheaceen rechnen, überein; sie haben walzenrunde, mit grossen, eilörmigen, olt wirtelig gestellten Blattnarben bezeichnete Stämme, am Grunde von einer häufig mehrere Zolle dicken Masse von Nebenwur- zeln eingehüllt. Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied darin, dass diese bei den Staarsteinen eine lange Strecke innerhalb des stark entwickelten 804 C. G. Stenzel, Rindengewebes herabsteigen, während sie bei den übrigen Baumfar- nen rasch aus dem Stamme austreten, um aussen an demselben herabzu- steigen, eine Verschiedenheit, welche jedoch, wie wir oben (S. 794) ge- sehen haben, recht wohl innerhalb einer grossen Familie oder Ordnung stattfinden kann. Der Entwickelung zahlreicher Wurzeln innerhalb der Rinde ist allein deren grosse Dicke zuzuschreiben, welche daher von kei- nem besonderen Gewicht für die Beurtheilung der natürlichen Verwandt- schaft ist. Der innere Bau dieser Wurzeln gleicht am meisten dem der Marattiaceen, ist aber durch die stark entwickelte Parenchymschicht zwi- schen der zelligen Scheide des Holzbündels und der prosenchymatischen Scheide der Wurzel, welche allen Farnen und den Bärlappen fehlt, von diesen bestimmt verschieden. Entscheidend aber ist hier der innere Bau des Stammes, welcher nicht nur für die Stellung der Psaronieae bei den Gefässkryplogamen hin- reichend sichere Merkmale abgiebt, sondern auch für ihre Einordnung in oder zwischen die einzelnen Gruppen derselben. Die breiten bandförmigen, nach innen gefalteten und oft an den Rän- dern eingerollten Gefässbündel sind nicht wie die ganz ähnlichen im Stamme der Polypodiaceen gegen den Umfang desselben in einen Kreis gestellt, sondern durch die ganze Masse der Axe gleichmässig vertheilt. Sie schicken ferner nicht dünne rundliche Zweige nach den Blättern, son- dern treten selbst in diese ein, oder geben doch ihnen ganz ähnliche, we- nig schwächere, breite Bündel nach ihnen hin ab. Sie scheinen mir nach diesen wesentlichen Merkmalen den im Marke der baumartigen Polypodiaceen, besonders mancher Cyatheen, zerstreuten Gefässbündeln zu entsprechen, *) deren Lage, Veriheilung, Verlauf und Zusammensetzung sie mit der Plat- * Mohl: Verm. Schr. S. 113; und in Martius icones plant. erypt., t. XXX., f. 2 (Aiso- phila phalerata); f. 4 (Cyathea vestita) u.a. Noch ausgezeichneter, als letzte Art, zeigt diese mittleren Bündel eine Cyathea, von der Brongniart, observ. sur la struct int. du Sigillaria elegans t. 9 einen Querschnitt abgebildet hat. über die Staarsteine. 805 ten- oder Bandform der breiten, den Umfang einnehmenden Bündel vereinigen. Die den letzten gewöhnlich zu beiden Seiten folgende prosenchyma- tische Scheide gehört durchaus nicht nothwendig zu ihnen. Sie fehlt im Allgemeinen den Staarsteinen und findet nur bei einigen Arten in der die Gesammtheit der Gefässbündel der Axe umziehenden Lage prosenchyma- tischer Zellen nach Lage, Dicke und Zusammensetzung eine nicht ganz vollständige Vertretung. Dass die bandförmigen Bündel der Staarsteine nur aus treppenge- fässartigen Zellen ohne alle Beimischung anderer Formen bestehen, be- fremdet Anfangs, indem vielleicht bei keinem Baumfarn der Jetztwelt ein Gleiches vorkommt. Aber gerade bei den Polypodiaceen finden wir in den Stämmchen krauliger Arten, wie Polypodium incanum, *) P. persica- riaefolium, **) bandförmige, nur aus Gefässzellen bestehende Bündel, und die gleiche Zusammensetzung haben die im Marke der Baum- farne. ***) So erinnern die Staarsteine durch die gleichmässige Vertheilung der Gefässbündel in ihrer Stammaxe, so wie durch den inneren Bau ihrer Wur- zeln an die Marattiaceen, von denen sie sich durch die Zusammensetzung, die bandartige Form und den parallelen Verlauf ihrer Gefässbündel, ihre walzige Stammform, die nach dem vollständigen Abfallen der Blätter zu- rückbleibenden grossen, eiförmigen, wirtelig oder spiralig gestellten Nar- ben, so wie endlich durch die Masse ihrer Nebenwurzeln eben so sehr un- terscheiden, als sie sich den Polypodiaceen annähern, deren bandförmige Gefässbündel wiederum nie, wie bei den Staarsteinen, gleichmässig durch die ganze Stammaxe vertheilt, sondern stets in einen Kreis nahe der Aus- senfläche gestellt sind. *) Mohl: In Martius icones pl. erypt., t. XXVI., f. 12, 16. #5 Ebd., ‚#2.XXVL.,, £ 10, 13. *#) Mohl: Verm. Schr. S. 113. 806 C. 6. Stenzel, Nicht geringere Schwierigkeiten, als dem Versuch, die Stellung der Psaronieen zu den lebenden Pflanzen aufzufinden, stellen sich der Fest- stellung der zahlreichen Arten dieser interessanten, aber noch immer ziem- lich räthselhaften Gewächse entgegen. Wie wir dort bald erkannten, dass dieselben zu den Gefässkryptogamen gehören, bei ihrer Einordnung unter die Farne aber schon die Ansicht eines der ersten Kenners fossiler Pflan- zen, Adolf Brongniart’s, gegen uns hatten, und bei Ermittelung ihres Verhältnisses zu den einzelnen Gruppen dieser Familie, trotz der von uns ausführlich dargelegten Gründe, mit einer kühnen Vermulhung uns begnü- gen mussten, so ist auch jetzt der erste Schritt leicht: die verschiedenen Hauptformen bieten sich dem aufmerksamen Beobachter bald dar, aber in- nerhalb derselben zeigen sich dann wieder Abweichungen, welche zu vernachlässigen oft ebenso bedenklich ist, als besondere Arten auf sie zu gründen. Nach Allem, was wir von der Flora der Vorwelt wissen, haben sich die Pflanzen derselben ganz nach denselben Gesetzen entwickelt, wie die, welche wir um uns sehen und welche nur eine Stufe in der Reihe aufein- ander folgender Schöpfungen bilden. Die Individuen, welche diese Schö- pfungen zusammensetzen, müssen daher nach denselben Gesetzen zu Är- ten, die Arten zu Gattungen zusammentreten u. s. f., wie die der lebenden Flora. Wenn man es oft aussprechen hört, dass der Artbegriff für die fossilen Pflanzen eine ganz andere Bedeutung habe, als für die lebenden, so müssen wir dem entschieden entgegentreten. Verschieden kann nur der Weg sein, auf welchem wir zur Erkenntniss der in der Jetztwelt nieht mehr vorhandenen Arten, Gattungen und Familien gelangen, weil die an vollständigen Pflanzen allein bestimmenden Merkmale fast nie an den uns erhaltenen Ueberresten der vorweltlichen zu erkennen sind. Wir sind desshalb gezwungen, die Arten derselben auf Merkmale zu gründen, welche an sich schon weniger geeignet zur Artbestimmung sind und deren Anwendung noch dadurch sehr erschwert wird, dass ihr Werth in dieser über die Staarsteine. 807 Beziehung bei den lebenden Pflanzen sehr wenig untersucht und daher nur selten festgestellt ist. Besonders gilt dies von den, vom inneren Baue hergenommenen Kennzeichen, auf welche wir bei den Staarsteinen fast allein angewiesen sind, da die äussere Gestalt uns nur bei sehr wenigen Arten bekannt ist. Hier sind die bezeichnenden Eigenthümlichkeiten der grossen Abtheilun- gen des Pflanzenreichs und mehrerer Familien ziemlich festgestellt, und wir kennen daher auch den Werth der wichtigsten anatomischen Merk- male; welche der weniger bedeutenden aber zur Begründung der Gattun- gen und Arten dienen können, darüber giebt es noch keine allgemein an- genommenen Regeln. Jeder ist dabei auf die Erfahrungen angewiesen, welche er bei Untersuchung der lebenden Pflanzen gemacht hat. Aber was für eine Richtschnur können uns diese Erfahrungen an die Hand geben, wenn es sich um Artbestimmung in Gattungen und in Fami- lien handelt, welchen keine unter den lebenden auch nur einigermaassen entspricht? Welchen Werth sollen wir dem Vorhandensein, der Anord- nung oder der Beschaffenheit von Geweben beilegen, welche in den le- benden Arten der nächst verwandten Familien keine sichere Analogie finden? Hier müssen wir uns, glaube ich, zunächst auf ähnliche Erscheinun- gen an genauer bekannten, wenn auch systematisch und organologisch sehr verschiedenen Pflanzen stützen, und erst, wo dies nicht ausreichen will, dürfen wir uns auf jenes unbestimmte Gefühl verlassen, welches eben so oft rasch das Rechte trifft, als es völlig irre leitet. Es würde uns ganz von unserem Ziele entfernen, wollten wir hier- nach versuchen, die Grundsätze zu entwickeln, nach welchen bei der Art- bestimmung nach anatomischen Merkmalen verfahren werden muss. Un- sere Erfahrungen sind dazu noch viel zu lückenhaft, und wir begnügen uns, mit wenigen Worten die Sätze darzustellen, von welchen wir uns dabei haben leiten lassen. In jeder höherstehenden Pflanze bilden sich eine solche Menge der 808 C. G. Stenzel, mannigfaltigsten Zell- und Gefässformen aus, dass aus der Beschaffenheit einer einzelnen Zelle oder eines einzelnen Gefässes nur in den seltensten Fällen ein Schluss auf die Pflanze wird gemacht werden können, von wel- cher sie herstammt, wie dies z. B. allerdings mit den Gefässzellen der Gymnospermen und Gefässkryptogamen, den Faserzellen mancher Cactus- Arten u. a. der Fall ist. In weit höherem Grade wird ein solcher Schluss möglich sein nach den, durch das Zusammentreten gleichartiger Zellen gebildeten Geweben, welche da, wo wir beim Mangel besserer Kennzei- chen gezwungen sind, nach der anatomischen Zusammensetzung allein zu urtheilen, das wichtigste Bestimmungsmiltel an die Hand geben. Bei ihrer Schätzung habe ich, um auf diesem schwanken Boden we- nigstens so sicher zu gehen wie möglich, die trefflichen Vorschriften auf die Phytotomie angewendet, welche De Candolle *) für die Schätzung des relativen Werthes einzelner Organe für die Classification der Gewächse giebt. Maassgebend wird darnach zunächst für die Betrachtung sein, ob ein bestimmtes Gewebe vorhanden ist oder fehlt; dann wird die Lage des- selben gegen die anderen Gewebe und an dritter Stelle erst die Zahl der Partieen, in welchen es auftritt, deren Form und Ausdehnung berücksich- tigt werden können. Die Erwägung dieser Beziehungen bei den einzelnen Geweben des Stammes wird uns daher zunächst leiten müssen. Diese letzteren sind aber offenbar von sehr ungleichem Werthe. Hier können wir nur ermit- teln, dass die beständig vorhandenen, das Parenchym der Axe und der Rinde wie die Gefässbänder der letzteren, den nur bei gewissen Arten auftretenden, wie der allgemeinen prosenchymatischen Scheide der Axe und der kleinzelligen der einzelnen Gefässbänder, vorangehen müssen, und die letzten nur einen bedeutenden Werth dadurch erhalten, dass sie nach der höchsten Beziehung, dem Dasein oder Fehlen, in die Waagschaale fallen. *) De Candolle: Theorie elementaire de la botanique in: Fuhlrott’s, Jussieu’s und De Candolle’s natürliche Pflanzensysteme, 1829, S. 92. über die Staarsteine. 809 Eine Vergleichung von Querschnitten des Stammes in verschiedener Höhe kann uns zugleich zeigen, inwieweit bei derselben Art Anordnung und Form der Gefässbündel wechseln kann. Leider besitzen wir solche Querschnitte nur von zwei Arten, Psaronius Freieslebeni und Psaronius musaeformis (Ps. carbonifer Corda), doch können uns dieselben, ganz abgesehen von den bei der Versteinerung selbst eingetretenen Verände- rungen, zeigen, dass die Mannigfaltigkeit in der Anordnung dieser Bündel bei den Arten mit wenigen Gefässbändern sich fast nur auf das Verschmel- zen oder Auseinandertreten je zweier beschränkt, während sie bei denen mit zahlreicheren und weniger einfach gestellten einen ziemlich weiten Spielraum hat. Es muss uns das warnen, sonst ähnliche Stücke nicht we- gen unbedeutenderer Unterschiede dieser Art für verschiedene Arten zu halten. So zeigt sich die im Querschnitte geradlinige oder hufeisenför- mige oder im spitzen Winkel gebrochene Form des mittelsten Gefässbün- dels nur als leichte Abänderungen derselben Grundform, je nachdem die mittelsten Bänder an den Rändern zusammenhängen oder sich gerade ge- trennt haben, um von ihrer Kante ein Bündel in die Blätter abgehen zu lassen. Ein besseres Mittel, um über die Artbeständigkeit anatomischer Ver- hältnisse Gewissheit zu erhalten, bietet sich uns in der grossen Zahl der in der Rindenschicht des Stammes herabsteigenden oder denselben einhül- lenden Nebenwurzeln dar. Während wir bei zwei verschiedenen Stäm- men immer erst aus der Gleichartigkeit ihres Baues darauf schliessen kön- nen, ob sie einer oder verschiedenen Arten angehören, so haben wir oft an einem Stücke mehr als tausend Wurzeln, von denen wir von vornher- ein wissen, nicht nur, dass sie einer Art, sondern dass sie einem Indivi- duum angehören. Eine sorgfältige Vergleichung derselben untereinander zeigt uns, in welchen Merkmalen sie sich gleichen, und diese sind dann als die wesentlichen zu betrachten. Schon früher (S. 7821f.) haben wir gesehen, dass die Wurzeln mit ihrem Holzbündel, dem dasselbe umhüllenden Parenchyme und der pros- Vol. XXIV. P. II. 102 810 C. G. Stenzel, enchymatischen Scheide von der Axe des Stammes als kleine Anfänge entspringen, dann, an Dicke zunehmend, durch die Rinde herabsteigen und sich endlich beim Austritt aus dem Stamme mit einer dünnen parenchyma- tischen Rinde umkleiden; dass die bisher rundlichen Wurzeln dabei oft eng an einander rücken und sich gegenseitig in unregelmässige Formen drük- ken; dass man endlich alle diese Zustände auf dem Querschnitte eines mit seiner Wurzelumhüllung vollständig erhaltenen Stammes verfolgen kann, wenn man von der Axe nach dem Umfange fortschreitet. Stücke aus ver- schiedenen Entfernungen von der Axe zeigen daher oft ein ungemein ver- schiedenes Ansehen, was in besonders hohem Maasse von den Wurzelan- fängen und den freien Enden der Wurzeln gilt, ohne dass wir berechtigt wären, beide für verschiedenen Arten angehörig zu betrachten. Wir wer- den bei Besprechung der Arten mit lückigem Gewebe sehen, zu wie gros- sen Missgriffen die Nichtbeachtung dieser Verhältnisse geführt hat. Aber selbst ausserdem zeigen die Wurzeln in Grösse, Gestalt und innerem Bau bei derselben Art eine so grosse Mannigfaltigkeit, dass es äusserst schwer wird, Artunterschiede auf sie zu gründen. Bei demsel- ben Stücke, z. B. Taf. XXXIV. Fig. 1, Taf. XXXV. Fig. 1, finden sich nahe der Axe Wurzeln, wenig dicker als eine Stecknadel, und weiter nach aussen bis zur Dicke mehrerer Linien; ihre Form ist im Allgemeinen rund- lich, gewöhnlich etwas breitgedrückt, die schmale Seite der Axe zuge- kehrt; nur wenn das Innenparenchym zerstört ist, ist die fast stets erhal- tene prosenchymatische Scheide ganz zusammengedrückt. Selbst gut er- haltene Wurzeln sind dagegen oft, theils durch gegenseitigen Druck, theils ohne dass ein solcher sich nachweisen lässt, eckig und verbogen. Ziemlich beständig ist dagegen bei jeder Art die Dicke der Prosen- chymscheide bei den Wurzelanfängen und das Verhältniss des Gefässbün- dels zu dem Innenparenchyme, vor allem aber die dichte oder lük- kige Beschaffenheit dieses letzteren, welche vom ersten Anfange bis in die freien Enden der Wurzeln sich gleich bleibt. Auffallend unbeständig ist wieder die Beschaffenheit des Gefässbün- ih über die Staarsteine. sıl dels, welches auf den ersten Blick die allerbezeichnendsten Merkmale ab- zugeben scheint. Beständig ist, aber auch allen Arten gemeinsam, dass die grössten Gefässe in der Mitte der einzelnen Strahlen, die nächsten ge- gen die Mitte des ganzen Bündels, sehr kleine endlich an der Spitze der Strahlen stehen. Diese letzteren sind indess in sehr verschiedener Zahl vorhanden oder fehlen ganz, und zwar nicht allein in Folge der Verwe- sung bei der Versteinerung, wie ein trefflich erhaltenes Bündel von Psa- ronius asterolithus beweist (Taf. XL. Fig. 13 und Fig. 12). Sehr schwankend ist der Zusammenhang der einzelnen Strahlen des Gefässsterns. Dieser hängt zum Theil von dem Grade der Erhaltung ab. Bald sind in Folge der Fäulniss die einzelnen Gefässe und Gefässstrahlen auseinander getreten, bald wieder alle in ein lockeres Ganze zusammen- gerückt. Nicht selten aber sieht man dieselben Gegensätze bei derselben Art in treiflich erhaltenen Wurzelanfängen oder Wurzeln; z. B. bei Psa- ronius Cottae (Taf. XXXVI. Fig. 3—8), Ps. Zeidleri (Taf. XXXVIM. Fig. 1—5), und in geringerem Grade auch bei anderen Arten. In demselben Maasse wechselt auch die Menge des Parenchyms zwischen den Gefäss- strahlen und den einzelnen Gefässen, welches bald fast ganz fehlt, bald stark entwickelt ist. Die Zahl der Strahlen des Gefässsterns würde eine so genaue Art- unterscheidung möglich machen, wie kaum ein anderes Merkmal, wenn sie nicht gerade dem allergrössten Wechsel unterworfen wäre. Ich habe die- ses Verhältniss bei den meisten Arten verfolgt, und überall ein grosses Schwanken, wenn auch innerhalb sehr verschiedener Grenzen, gefunden. Bei Psaronius Göpperti fand ich in den wenigen Wurzeln, welche der Querschnitt Taf. XXXVI. Fig. 1 zeigt, Gefässbündel mit vier, fünf (Fig. 2) und sechs (Fig. 3) getrennten oder seltener am Grunde ver- schmolzenen Bündeln oder Strahlen. An einem nicht viel grösseren Stücke von Psaronius Zeidleri zeigien zwei Wurzeln dreieckige Gefässbündel (Taf. XXXVIN. Fig. 1) mit drei nahe aneinander liegenden Bündeln; die meisten hatten 4—5 ganz ge- 812 C. G. Stenzel, trennte Bündel sehr kleiner Gefässe (Taf. XXXVII. Fig. 2—3), während einige fünfstrahlige Gefässsterne aus grossen, in fünf, zu zweien oder dreien am Grunde zusammenhängende, Bündel geordneten Gefässen bestanden (Taf. XXXVIN. Fig. 4) und die beiden grössten Wurzeln sechsstrahlige Sterne zeigten (Taf. XXXVII. Fig. 5), welche nach Gesammtumfang und nach der Grösse ihrer einzelnen Gefässe die kleinen Gefässbündel (Fig. 2,3) viele Male übertrafen, so dass man sie, einzeln betrachtet, schwerlich für einer Art angehörig halten würde. Psaronius Haidingeri hatte vorwiegend siebenstrahlige Gefässbündel (Taf. XXXIX. Fig. 6), doch auch viele sechs- (Fig. 2) und achtistrahlige. Zu einem solchen bildet das sechsstrahlige (Fig. 2) einen Uebergang, in- dem von einem Strahl sich zwei kleine Bündel von Gefässen seitlich los- irennen. Am ausgezeichneisten ist in dieser Beziehung Psaronius asterolithus. Ein kleines Stück (Taf. XL. Fig. 1) enthält auf einem Flächenraume von kaum zwei Quadratzollen Wurzeln mit sechs, sieben, acht, neun, zehn und eilf Strahlen (Taf. XL. Fig. 3—9). Diese sind meist nach innen zusam- menhängend, zuweilen aber auch (wie der achtstrahlige in Fig. 6) ganz getrennt, so dass sie in der Mitte zwischen sich einen freien Raum lassen. Eine ähnliche Ungleichheit in der Zahl, der Grösse, der Zusammen- selzung und der gegenseitigen Stellung der Strahlen des Gefässbündels zeigen die Wurzeln aller von mir untersuchten Staarsteine, ja jedes Stück, wo eine grössere Anzahl noch den inneren Bau erkennen lässt. Hat uns bisher die Vergleichung von Wurzeln desselben Stückes ge- zeigt, mit wie grosser Vorsicht und vielfacher Beschränkung die von ihrer Grösse und Form, wie von der Beschaffenheit ihres Gefässbündels herge- nommenen Merkmale zu Artunterschieden benutzt werden können, so er- giebt sich andererseits daraus die Zuverlässigkeit von Merkmalen, welche an sich höchst untergeordnet zu sein scheinen. Zeigen nämlich sämmt- oe, z. B. in der liche Wurzeln eines Stückes eine grosse Uebereinstimmung, Form und dem Umrisse der Prosenchymscheide, so kann man ein davon über die Staarsleine. 813 entlehntes Kennzeichen in die Artbeschreibung aufnehmen, und oft lässt diese sich an solchen Kennzeichen am leichtesten erkennen. So ist die dicke Prosenchymscheide von Psaronius Haidingeri ‚ft zerbrochen, aber sonst fast stets sanft gebogen (Taf. XXXIX. Fig. 1), selbst an Wurzeln, deren Inneres ganz ausgefault ist (Fig. 9), während die am besten erhal- tenen Wurzeln von Psaronius asterolithus (Taf. XL. Fig. 1) immer eckig hin und her gebogene Umrisse zeigen; so giebt die scharfe Abgrenzung der grosszelligen, nach innen allmälig in die prosenchymatische Scheide übergehenden Rindenschicht schon bei einem flüchtigen Blicke in’s Mikro- skop den Psaronius Zeidleri zu erkennen; so sind endlich die in einander geschachtelten Wurzeln ein sicheres Kennzeichen für die freien Wurzel- enden von Psaronius asterolithus. Alle bisher geltend gemachten Grundsätze für die Artbestimmung der Staarsteine erleiden jedoch mannigfache Abänderungen durch die grosse Ungleichheit in der Erhaltung der einzelnen Theile, worüber sich freilich wenig allgemeine Regeln aufstellen lassen. Die sorgsame Erwägung der jedesmaligen Verhältnisse muss das Meiste thun. Die bis jetzt aufgefundenen Staarsteine stammen sämmtlich aus den oberen Schichten der Steinkohlenformation oder aus dem sie bedeckenden Rothen-Todtliegenden. Die aus der Steinkohlenformation sind meistens nicht eigent- lich versteinert. Ihre zarteren Gewebe sind zerstört, der dadurch entstandene leere Raum ist mit feinem Sandsteine oder Schiefer- thone angefüllt, die festeren Theile sind zwischen diesen erhärtenden Massen verkohlt und lassen nur äusserst selten noch unvollkommene Spuren des inneren Baues erkennen. Dann sind die Zell- oder Gefäss- wandungen verkohlt und ihr Hohlraum mit Versteinerungsmasse angefüllt, und die Gewebe nehmen einen fast ebenso grossen Raum ein, wie im fri- schen Zustande, während sie im ersten Falle oft ganz zusammengesunken sind und dicke Gefässbänder z. B. nur als feine Kohlenstreifen erscheinen. Von dieser Beschaffenheit sind: der von Sternberg entdeckte Psa- 814 C. 6. Stenzel, ronius musaeformis (Taf. XXXIV. Fig. 2), zu welchem wir die vonCorda gefundenen und als Ps. carbonifer beschriebenen Stämme rechnen; ferner Corda’s Ps. arenaceus, Ps. pulcher, Ps. radnicensis, sämmtlich aus dem Kohlensandsteine von Radnitz in Böhmen, und der von Gutbier im Schie- ferthon der Zwickauer Steinkohle gefundene Psaronius (Caulopteris) Freieslebeni. Hier ist überall der innere Bau ganz oder fast ganz zerstört, die äussere Form dagegen und zum Theil auch die Oberfläche des Stam- mes erhalten. Diese letztere ist, gerade umgekehrt, bei den folgenden Arten stets unkenntlich, während die, Stamm und Wurzeln bildenden, Ge- webe in einer Schönheit erhalten sind, welche die genaueste Untersuchung mittelst starker Vergrösserungen möglich macht. Es sind das die ver- kieselten Stämme und Wurzelgeflechte. Nur Wenige derselben stammen, wie die vorigen, aus der Steinkoh- lenformation, und zwar aus kieseligen Schwülen in den Lagern der Stein- kohle selbst. Bei diesen, wenigstens bei den Stücken, welche ich unter- suchen konnte, ist die kieselige Grundmasse noch fast überall von feinen Kohlentheilchen durchdrungen und so dunkel, oft tief schwarz, gefärbt, dass man nur bei der hellsten Beleuchtung die Umrisse der Zellen und Gefässe zu erkennen im Stande ist; ja zuweilen waltet die Kohle so vor, dass das Gestein eine weiche, leicht zerbröckelnde Masse bildet. Von die- ser Art sah ich ein Wurzelfragment, an welchem die allein erhaltenen klei- nen Prosenchymzellen der Scheide ganz bestimmt zu erkennen waren. Ungleich wichtiger sind die verkieselten Staarsteine aus dem Rothen- Todtliegenden. Hierher gehören nämlich ausser den oben genannten alle bekannten Arten. Die Gesteinsmasse ist hier nie gleichförmig, sondern verschiedenartlig gefärbt; die Gefässbänder der Axe und die Gefässsterne der Wurzeln auf- fallend häufig weiss oder doch von lichten Farben, so dass man die Wan- dungen der Gefässe deutlich auf dem hellen Grunde erkennen kann. Die prosenchymatischen Gewebe dagegen zeigen sich in den meisten Fällen dem blossen Auge als dunkelbraune Streifen, was daher rührt, dass die über die Staarsteine. 815 dicken Wandungen tiefbraun oder schwarz gefärbt sind, während die Hohl- räume mit hellbrauner oder grauer Masse erfüllt sind. Höchst wahrschein- lich rührt diese schwarze Färbung von Kohle her, welche bei der Verkie- selung in den dicken Wänden zurückblieb, während sie aus den dünneren der Parenchymzellen verschwand. Wo dasselbe mit dem Prosenchymge- webe geschehen ist und dies daher weiss oder grau aussieht, zeigt es auch ausserdem die Spuren längerer Einwirkung des Wassers in der Verrot- tung der Zellwandungen. Seltener endlich sind diese gelb oder ziegel- roth gefärbt, in welchem Falle sie auch bei schwacher Beleuchtung ihre Umrisse genau erkennen lassen. Immer aber ist das Gefäss- und Pros- enchymgewebe anders gefärbt als das umgebende Parenchym oder die seine Stelle einnehmende Gesteinsmasse. Die nach gänzlicher Zerstörung des Zellgewebes entstandenen Lük- ken sind seltener noch als hohle Räume mit Luft erfüllt oder mit Quarz auskrystallisirt, öfter mit Chalcedon vollgeflossen, dessen schichtenweise Ablagerung man deutlich erkennt. Die meist helle, milchweisse, licht- blaue oder graue Farbe desselben sticht dabei von dem übrigen Gesteine auffallend ab und erhöht nicht wenig das bunte Ansehen der Staarsteine, deren bald hornstein-, bald kieselschiefer-, bald jaspis- oder karneolartige Beschaffenheit in allen Schattirungen von schwarz, braun, gelb, roth, grau und weiss ohnehin ein mannigfach geschecktes und buntes Aeussere bewirkt. Dass die uns erhaltenen Stücke während ihrer Durchdringung mit Kieselerde, welche an ihren verschiedenen Theilen sich in so verschiede- nen Abänderungen niederschlug, in kieselerdehaltigem Wasser gelegen haben, ist unzweifelhaft. Dadurch allein erklärt es sich, dass die zarteren Gewebe durch Fäulniss zerstört worden sind, und nur die derberen sich erhalten haben. Je nach der Länge der Zeit, welche von der ersten Durchdringung des Bruchstücks mit Wasser bis zu dessen völliger Ver- kieselung verging, müssen die Gewebe in verschiedenen Abstufungen ver- ändert sein, und in der That zeigt fast jedes Stück einen verschiedenen Grad der Erhaltung. 816 C. G. Stenzel, Am leichtesten litt das Parenchym zwischen den Gefässbändern der Axe und zwischen den Gefässen und Gefässstrahlen im Holzbündel der Wurzeln, nächst diesem das Innenparenchym der letzteren; daher sind jene Gefässbänder sehr oft aneinander gedrückt und verbogen und die ganze Stammform dadurch aus der walzigen zur platigedrückten geworden. Einen recht augenfälligen Beweis für diese fast überall sich wiederholende Erscheinung liefert der von mir abgebildete Querschnitt von Psaronius scolecolithus (Taf. XXXIV. Fig. 1), indem die prosenchymatische Scheide um die Axe hier mehrfach zerbrochen und die Ränder weit übereinander geschoben sind. Das kann nur daher rühren, dass die Stammaxe früher einen grösseren Umfang hatle. Die anderweite Aehnlichkeit mit den in dieser Beziehung besser erhaltenen Stämmen von Psaronius musaeformis u. a. macht es höchst wahrscheinlich, dass die Axe mit Einschluss der bei- den Vorsprünge (AB, A/B’) eine walzenrunde Form hatte, deren Mitte die . breiten Gefässbänder einnahmen, aber zu beiden Seiten für die Gefässpar- tieen jener Aussprünge einen Ausschnitt freiliessen. Eben daher stammt die oft ganz breitgedrückte Form der prosenchy- matischen Scheide vieler Wurzeln, deren Inneres ausgefault ist. In Folge dessen sank die aufgeweichte Umhüllung von selbst zusammen. Wo das Innenparenchym erhalten ist, haben die Wurzeln einen mehr rundli- chen Umriss. Merkwürdiger Weise ist das lückige Gewebe hier öfter er- halten als das dichte, welches daher eine geringere Festigkeit besessen zu haben scheint. Die parenchymatische Rindenschicht der Wurzeln wie des Stammes wurde demnächst von der Verwesung ergriffen. Sie ist oft erhalten, wo die vorigen Gewebe spurlos verschwunden sind, und eben so oft zerstört, wo die folgenden noch deutlich zu erkennen sind. Gefässe und Prosenchymzellen haben am längsten dem zersetzenden Einflusse des Wassers widerstanden, sie sind daher nicht selten fast allein übrig geblieben, wie z. B. bei dem mehrerwähnten Stücke von Psaronius scolecolithus, dessen Querschnitt Taf. XXXIV. Fig. 1 darstellt. über die Staarsteine. 817 Die Prosenchymzellen hängen entweder noch fest zusammen, oder, wo sie schon etwas gelitten haben, lassen sich dunkle Trennungs- linien zwischen den Wandungen je zweier benachbarten erkennen. Das- selbe zeigt sich fast stets bei den Gefässen, welche auch häufig, besonders in den Wurzeln, ganz von einander getrennt sind. Noch ausgezeichneter lässt sich der Einfluss der beginnenden Zersetzung an den Gefässbändern mancher Stämme nachweisen. Hier sind die Gefässe, wo sie mit ihren Kanten zusammenstossen, noch fest verbunden, die breiten Flächen dage- gen weichen mehr oder weniger auseinander. Am auffallendsten sah ich dies bei einem Bruchstücke von Psaron. infarctus (Taf. XXXVIMN. Fig. 6), wo dieses Auseinanderweichen in so hohem Grade stattfand, dass das ganze Gewebe dadurch ein ganz fremdartiges Ansehen erhielt. Dieses wird noch dadurch erhöht, dass sich um die meisten Wandungen eine durchsichtige, bei auffallendem Lichte dunkel erscheinende Steinmasse niedergeschlagen hat, während das Innere des Hohlraumes mit einem milchweissen Chalce- don erfüllt ist. Wo das Gefäss noch an den Seiten geschlossen war, hat die, wohl von oben oder unten eindringende, Steinmasse nur die Mitte des- selben erfüllt (Taf. XXXVIN. Fig. 69); gewöhnlich aber setzt sie sich durch zwei (Fig. 6a) oder mehrere derselben ununterbrochen fort, offen- bar, weil ihre Hohlräume, wohl durch Resorption der die Spalten der Wan- dung verschliessenden ursprünglichen Zellhaut, in offener Verbindung stan- den und ihre gemeinsamen Hohlräume dann ganz in derselben Weise er- füllt wurden, wie sonst der eines einzelnen Gefässes. Daher ist es ge- kommen, dass der grössere Theil der Wandungen und fast alle Stellen, wo drei Gefässe mit ihren Kanten zusammenstossen, von der durchsichti- gen Masse umgeben sind, einige breite Gefässwandungen aber die milch- weisse Masse quer durchsetzen. Ich habe dieses auch an sich nicht uninteressante Vorkommen doch nur darum hier so ausführlich besprochen, weil es meiner Meinung nach das ganz mechanische Eindringen der Versteinerungsmasse unwiderleglich beweist. Vol. XXIV. P. Il. 103 818 C. G. Stenzel, In anderen Fällen endlich ist die Mitte der Gefässe mit einem von der Grundmasse verschieden gefärbten Gestein erfüllt, die Gefässwandun- gen dagegen verschwimmen mit der sie unmittelbar umgebenden Masse. Dann können wir aus der Form und Lage der inneren Gesteinstheile wohl einen Schluss machen auf Lage, Form und Grösse der unkenntlich gewor- denen Gefässe, nur ist nicht zu übersehen, dass ihr Durchmesser viel grös- ser ist, als der der Ausfüllungen, welche weit auseinander liegen, wo die Gefässe einander berührten. Kleine dreieckige Flecke, die Zwischenräume je dreier Gefässe. deuten dann die Umrisse derselben bestimmter an; so bei Psaronius Putoni Moug. und Psaronius Haidingeri (Taf. XXXIX. Fig. 2), wo mil b, g die Gefässe, mit © die Zwischengefässräume bezeich- net sind. Alle diese von mir hervorgehobenen Umänderungen, welche die Staarstein-Bruchstücke bei ihrer Verkieselung erfahren haben, müssen bei der Artbestimmung derselben genau erwogen werden. Was dem Ein- flusse des Wassers, des Druckes und anderer der Pflanze fremder Kräfte zugeschrieben werden kann, darf nicht als ein Merkmal zur Bezeichnung der Art betrachtet werden, wenn man nicht aus dem Verhalten der Pflanze dagegen auf eine besondere Eigenthümlichkeit derselben schliessen kann, z. B. aus dem Grade der Veränderung oder Zersetzung eines Gewebes auf dessen Festigkeit oder Derbheit. Aber auch ein solcher Schluss darf nur mit grosser Vorsicht gemacht werden, da, wahrscheinlich in Folge ver- schiedener Einflüsse an verschiedenen Stellen, an demselben Stück hier ein sonst festeres Gewebe zerstört, dort ein zarteres gut erhalten ist. So überflüssig es Manchem scheinen mag, vieles aus dem eben Ge- sagten besonders zu erwähnen, so ist doch unter diesen Bemerkungen keine, welche nicht hie oder da vernachlässigt worden wäre, und wir wer- den weiter unten sehen, dass unsere abweichende Meinung über die Um- grenzung der Arten sich oft gerade auf die Nichtbeachtung derselben durch die früheren Schriftsteller stützt. über die Staarsteine. 819 Von diesen hat zuerst Schultze *) die Staarsteine als eine Galtung fossilen Holzes beschrieben und durch bestimmte Merkmale von anderen unterschieden. Er führt zwar an, dass man die Stücke, wo die von den quer durchschnittenen Röhren (den Wurzelscheiden) herrührenden Flecke rund sind, vorzugsweise Staarsteine, wo dieselben gezogen und läng- lich sind, Augensteine, wo die Röhren (wie er irrig glaubte) horizon- tal liegen, so dass man ihre Seitentheile sieht, Wurmsteine nenne; doch fügt er ganz richtig hinzu, es seien das keine besonderen Arten, da manche Stücke in der Mitte Wurmstein, aussen Sternstein und Augen- stein zeigen. Auch fand er in den Röhren der Staarsteine zuweilen Sternsäulen. — Davon trennt er die Sternsteine bei denen zahlreiche Sternsäulen von vier, fünf, sechs, sieben und mehr Strahlen das Gestein durchsetzen. Er setzt dieselben unter die Thierpflanzen oder Seepolypen. Die von ihm abgebildeten Stücke **) sind zwar nicht ganz sicher zu be- stimmen, doch gleicht das in Fig. 1 und 3 auffallend unserem Psaronius scolecolithus (Taf. XXXIV. Fig. 1), und das in Fig. 4 ziehen wir unbe- denklich zu Ps. Haidingeri. Alle folgenden Schriftsteller bis auf Anton Sprengel haben hierin nichts gefördert. Sie begnügen sich entweder mit der Erwähnung oder Beschreibung der Staarsteine im Allgemeinen, oder unterscheiden deren zufällige Formen als Arten und Unterarten. 10 N Anton Sprengel,’ brachte sie zur Gattung Endogenites, welche Brongniart für die Stamm- reste von phanerogamen Monokotyledonen aufgestellt hatte, da er in den parallelen Wurzelanfängen ein Analogon der zerstreuten Gefässbündel der Monokotyledonen erblickte. Er unterschied Staarsteine (Endogenites psa- * Schultze: Im Dresdener Magazin, 1. u. 2. Band (s. oben S. 753). *) Ebd., Bd. 2, Tafel zu S. 260. Kr ) A. Sprengel: Commentatio de psarolithis, Halae 1828. 820 C. G. Stenzel, rolithus), Sternsteine (E.asterolithus) und Wurmsteine (E. helmintholithus) als besondere Arten. *) Cotta **) legte den ersten festen Grund für die systematische Be- zeichnung der Staarsteine. Mit Ausscheidung aller fremden, bisher mit ihnen vermenglten Fossilien, stellte er sie als eigene Gattung, Psaronius, hin und die beiden Hauptformen als zwei Arten: Ps. helmintholithus (Wurm- und Staarstein) und Ps. asterolithus (Sternstein). Seine Abbil- dungen wie seine Beschreibung setzen es ausser allen Zweifel, dass er unter dem letzten Namen alle Wurzelmassen mit lückigem Innenparenchym versland, unter dem ersten alle Arten mit dichtem Parenchym, von denen allein ihm Stücke mit Stammaxen bekannt waren, wesshalb er sie aus- schliesslich als Helmintholithen oder Wurmsteine bezeichnete. Brongniart”***) unterscheidet, ohne sie zu benennen, von der letzten Form zwei Arten, eine mit, eine ohne prosenchymatische Scheide um die Stammaxe, deren erste er aus Deutschland und von Autun erhal- ten hatte, deren letzte er für den eigentlichen Psaronius helmintholithus Cotta erklärt. Im 2. Bande von Sternberg’s „Flora der Vorwelt,‘ fügte A. J. Corda den beiden von Cotta aufgestellten Arten vier neue hinzu, Psa- ronius intertexlus, Ps. dubius, Ps. parkeriaeformis und Ps. cyathiformis, mit der Bemerkung: dass er die Artcharaktere weggelassen, weil sie aus dem anatomischen Gefüge hergenommen werden müssten, daher sehr schwer in einen bestimmten Ausdruck zu bringen seien. *) Unter der ersten Art, E. psarolithus, verstand er ausser eigentlichen Staarsteinen, wie seine 3. Figur und seine Beschreibung beweist, auch ganz fremdartige Pflanzenreste, wie aus der Anführung von Sternberg’s Palmacites macroporus und P. mieroporus als gleichbe- deutend mit seinem E. psarolithus hervorgeht und aus der 2. Figur. Die letzte scheint Cotta allein im Auge gehabt zu haben, wenn er E. psarolithus Spr. ganz von Psaronius trennt (Dendrol. S. 43). *) Cotta: Dendrol. S. 27M., t. 4—7. **) Brongniart: Hist. d. veget. foss. II., S. 53-—59, t. 31, 32 (nicht erschienen). über die Staarsteine. 821 Franz Unger that daher einen doppelt entscheidenden Schritt, in- dem er erstens die Staarsteine als eine eigene Familie, die Psaronieae, betrachtete, welche er zwischen Farne und Lycopodiaceen stellte; indem er zweitens in der einzigen Galtung derselben, Psaronius, 12 Arten, von denen sieben neue, durch genaue Angabe von Kennzeichen unterschied, welche vom inneren Bau hergenommen sind. Diese Bestimmun- gen gingen dann fast unverändert aus dem zweiten Supplemente von End- licher’s ‚‚Genera plantarum‘* in Unger’s „Synopsis plantarum fossi- lium‘ über. Sie stehen mit den von Corda späler für dieselben Arten gegebenen oft entschieden im Widerspruch; da aber Unger diese letzten fast unverändert in seine „‚Genera et species plantarum fossilium‘ aufge- nommen und somit seine früheren Bestimmungen selbst wieder aufgege- ben hat, so glauben wir nicht die älteren, sondern die später von dem Ver- fasser selbst berichtigten den unserigen zu Grunde legen zu müssen. Zu diesen Arten fügte Corda in seinem mit 60 Tafeln in Folio aus- gestalteten Werke „‚Beiträge zur Flora der Vorwelt‘““ 15 Arten, von de- nen zwei bereits früher beschrieben, aber unter andere Gattungen gebracht worden waren: die oft erwähnte Caulopteris Freieslebeni, eine der inter- essanlesten Entdeckungen auf diesem Gebiete, und Seitaminites (Psaro- nius) musaeformis. Die übrigen Arten Gorda’s sind zum Theil nichts weniger als hinlänglich begründet. Auch hier liess sich Corda nicht selten durch die unwesentlichsten Einzelnheiten zur Aufstellung neuer Ar- ten verleiten, ohne deren Werth durch Untersuchung und Vergleichung zahlreicher Stücke festzustellen. Seine stets schematischen, nicht selten in den Hauptsachen ganz ungenauen Zeichnungen konnten diese Mängel nicht heben, sondern nur befestigen. Auch die Anordnung der Arten lässt viel zu wünschen übrig. Gleichwohl enthält sein Werk eine Menge von Beobachtungen und brauchbaren Zeichnungen, welche es zur schätz- barsten Quelle für die Kenntniss der deutschen Staarsteine machen. Sämmtliche Arten mit den von Corda gegebenen Bestimmungen und Citaten hat Unger, mit geringen Abänderungen, in seine ,„‚Genera et spe- 822 C. G. Stenzel, cies plantarum fossilium‘‘ aufgenommen. Die grosse Anerkennung und Verbreitung, welche dieses Werk mit Recht gefunden hat, macht es uns doppelt zur Pflicht, dieselben einer genauen Prüfung zu unterwerfen. Dasselbe haben wir mit den von Mougeot, dem Monographen der Flora des bunten Sandsteins, im Rothen-Todtliegenden der Vogesen auf- gefundenen Staarsteinen gethan, welche er als drei neuen Arten angehörig betrachtet. Die genaue Prüfung aller bisher aufgestellten Arten, von denen ich die meisten in vielen Stücken untersuchen konnte, schliesse ich der Be- sprechung der einzelnen Arten an. Classis: Filices. Ordo 1: Polypodiaceae. Ordo Il: Psaronieae, Unger. Character emendatus. Trunei arborei, eylindriei, foliorum eicatricibus elliptieis, verticillatis v. spiraliter positis insigniti. — Axis parenchyma fasciculis vasorum latis, fasciaeformibus, parallelis percursum, qui, per totum axim dispersi, solis vasis scalariformibus, angulatis, irregulariter ne constant. Frons et fructificatio latent. Unger, in Endl. Gen. plant. Suppl. II., S. 4. — Synopsis plant. foss. S. 144. Brongniart, Tableau des genres des vegel. foss. S. 44. Die ausführliche Begründung dieses Familiencharakters habe ich im ersten Theile meiner Abhandlung zu geben versucht. Er enthält alle wesentlichen Merkmale der Staarsteine; die, welche mir nicht wesentlich schienen, habe ich weggelassen. Einer besonderen Rechtfertigung be- darf dies nur bei den, von Unger oder Brongniart in die Charakteristik der Psaronieae aufgenommenen. über dıe Staarsteine. 823 Die Vegetatio terminalis habe ich desshalb nicht erwähnt, weil ich, so viel als möglich, alle Merkmale ausgeschlossen habe, welche sich nicht unmittelbar beobachten lassen, wir aber über die Wachsthumsverhältnisse der Staarsteine nichts mit Bestimmtheit wissen, so wahrscheinlich auch die Aehnlichkeit mit den lebenden Pflanzen Eines und das Andere machen mag. Anders ist dies mit dem Herabsteigen der Nebenwurzeln in der Rin- denschicht. Dies lässt sich an den meisten Arten bestimmt nachweisen und hat vielleicht auch bei denen nicht gefehlt, wo die Wurzeln nicht er- halten sind, wie bei Psaronius arenaceus. In der That aber sind an den bis jetzt bekannten Stücken dieser Art, wie an dem von Stern- berg gefundenen von Ps. musaeformis, noch keine Wurzeln gefun- den worden, und bei Ps. Freieslebeni laufen dieselben nur eine sehr kurze Strecke in der Rinde herab, aus der sie bald austreten, um aussen am Stamme nach unten zu gehen. Endlich kann ich das Herab- steigen der Nebenwurzeln in der Rinde des Stammes nicht für die noth- wendige Eigenthümlichkeit einer Familie halten, da sie bei den lebenden Pflanzen innerhalb der Familien der Lycopodiaceen und Bromeliaceen ge- wissen Gattungen zukommt, anderen dagegen fehlt. Die einzige Gattung der Familie ist: Psaronius Cotta. Character emendatus: Trunci erecli, eylindriei, foliorum eicatricibus elliptieis magnis, ver- ticillatim seu spiraliter dispositis, remotis, insignili saepissime radicibus adventitiis tecti. Trunei axis eylindricus seu angulatus parenchymate tenero conslat et faseiculis vasorum latis fasciaeformibus per totum axim dissipatis, incur- vis, marginibusque saepe inflexis, nudis seu vagina propria, e cellulis mi- nimis conflata, einctis, compositis e solis cellulis elongatis scalariformibus, 824 C. G. Stenzel, angulatis irregulariter congestis, absque cellulis prosenchymatosis aut par- enchymatosis. Circumdatur axis cortice saepe crassissimo, parenchymatoso, a quo in nonnullis speciebus strato cellularum prosenchymatosarum separalur. Percurritur cortex in plerisque processibus radicalibus nume- rosissimis a tota superficie axis ortis, per corticis parenchyma descenden- tibus, quod demum relinquentes in radices adventitias transeunt truncum tegenles. Processus radicales vel exordia radicum per cortieis parenchyma de- currentes prosenchymatoso einguntur strato, extrorsum in parenchyma cor- tieis transeunte, introrsum parenchyma vastum includente fasceiculumque ligni centralem, qui e vagina propria constat parenchyma tenerrimum ve- lante et fasciculum vasorum centralem, profunde sulcatum, transverse scis- sum stellam referentem 3—11 radiatum. In radices demum adventitias transeunles extrorsum strato cor- ticali parenchymatoso einguntur. Psaronius Cotta, Dendrol. p. 27, Taf. 4—7. Endogenites psarolithus, E. asterolithus und E. helmin- tholithus: A. Sprengel, comment. de psarolithis, S. 28 f. Staarstein, Augenstein, Wurm- oder Madenstein, Sternstein. — Starry-stone. Unger, in Endl. Gen. plant. Suppl. I., p. 4. — Synopsis plant. foss., p. 144. Genera et species plant. foss., p. 216. Corda, in Sternb. Flora der Vorw. II. (Heft VI.), S. 173. — , Beitr. z. Flora d. Vorw., S. 94. Presl, suppl. tentaminis pterid., S. 28. Brongniart, hist. d. veget. foss. Il., S. 57. — Tableau des genres des veg. foss., S. 44. Mougeot, essai d’une flore du nouveau gres rouge des Vosges, S. 10. — Note sur les veget. foss. du gres rouge, S. 2—5. über die Staarsteine. 825 Fundort. Die bis jetzt bekannten Arten dieser Galtung stammen zum kleineren Theile aus den oberen Schichten der Steinkohlenformation, zum grösseren aus dem dieselbe bedeckenden Rothen-Todtliegenden. Bei den Staarsteinen der Steinkohlenformation ist alles zar- tere Gewebe zerstört, der dadurch entstandene leere Raum mit Schiefer- thon oder Sandstein erfüllt, in welchem die Gefässbänder und die Pros- enchymscheiden der Axe und der Wurzel als dünne Kohlenstreifen er- scheinen; so der von Sternberg entdeckte Psaronius musaeformis und Corda’s Ps. carbonifer, Ps. arenaceus, Ps. pulcher und Ps. radnicen- sis, sämmtlich aus dem Kohlensandstein von Radnitz, im Pilsener Kreise in Böhmen, und der von Gutbier in Sachsen, im Schieferthone der Zwickauer Steinkohlenformation noch aufrecht stehend gefundene Ps. Freieslebeni. Gutbier*) bemerkt ausdrücklich, dass die letzte Art im Schieferthon zwischen den oberen Kohlenflötzen von Ober-Hohndorf bei Zwickau gefunden sei, und ebenso führt Brongniart **) nur die oberen Kohlenschichten als Fundstätte der Staarsteine an. Seltener sind in der Steinkohlenformation verkieselte Stücke dieser CRRTIRT Kacharhı Gattung. Die beste Nachricht über dieses Vorkommen hat Hoff’ geben, in seiner Beschreibung des Trümmergebirges und des ältesten Flötzgebirges, welche den Thüringer Wald umgeben. Nach einer trefflichen Darstellung der Lagerungsverhältnisse der Steinkohle und des Todtliegenden in diesen Gegenden führt er an, dass der bedeutendste Steinkohlenbergbau auf der ganzen Nordseite des Thüringer Waldes sich im Ilmthale bei den Dörfern Manebach und Kammerberg finde, wo vier Steinkohlenflötze beiderseits von Schieferthon begleitet und durch Kohlen- sandstein getrennt sind. Der Schieferthon und selbst der Sandstein haben *%) Gutbier: Ueber einen fossilen Farnstamm, Caulopteris Freieslebeni, aus dem Zwickauer Schwarzkohlengebirge, 1842, S. 5. *) Brongniart: Tableau des genres des veg. foss., S. 44. **) Hoff: In Leonhard’s Taschenbuch f. d. gesammte Mineral., 8. Jahre., 2. Abth., 1814, S. 349. VOLSRXIV. BI. 104 826 C. G. Stenzel, zahlreiche Blatt- und Stengelabdrücke. Die Steinkohle ist gewöhnlich gegen I’ mächtig. Sind die Flötze mächtiger, so finden sie sich sehr mit Kieselschiefer verschwült. ,‚Als eine besondere Seltenheit haben sich unter den kieseligen Schwülen der Manebacher Steinkohlenflötze auch grosse Stücke von Holzstein gefunden, und zwar von einer Art von Holz, die aus Röhrchen und nicht aus Jahrringen zusammengesetzt ist und unter dem Namen Staarstein den Mineralogen bekannt ist,‘“ Allerdings ist hier nicht ausdrücklich bemerkt. dass diese Kiesel in den oberen Schichten vor- kommen, ich glaube aber, dass alle vier erwähnten Flötze, da sie unmit- telbar vom Rothen-Todtliegenden überlagert werden, den oberen Lagen der Hauptsteinkoklenformation überhaupt entsprechen. Besonders merk- würdig ist, dass eine von mir im Kammerberger Kohlenkiesel beobach- tete Art mit einer des Rothen-Todtliegenden von Chemnitz ganz überein- stimmt, was noch entischiedener, als das Vorkommen der Gattung Psaronius für das Zusammengehören beider Formationen und für den allmäligen Uebergang der Flora der älteren von beiden in die der jüngeren spricht. In Nordamerika endlich hat Dr. Newberry *) an den Kohlen- becken von Ohio und Pensylvanien vergleichende Untersuchungen über die Verschiedenheit der Pflanzen in den verschiedenen Kohlenschich- ten angestellt und dabei gefunden, dass die Staarsteine ausschliesslich den oberen Lagen dieser Formation angehören. Das sie unmittelbar überlagernde Rothe-Todtliegende enthält nun die bei weitem meisten Arten unserer Gattung, theils noch an ur- sprünglicher Lagerstätte. Der reichste Fundort in dieser Formation ist unstreitig das böhmische Kesselland, wo auf der Prämonstratenser- Herrschaft Mühlhausen, im Gebiete der oberen Moldau, und vor allem bei Neu-Paka, im oberen Elbgebiete, in dem dort weit verbreiteten rothen Sandsteine Kiesel von sehr verschiedener Grösse Stamm- und Wurzel- *) Newberry: On the characteristies of the carboniferous flora of Ohio in: Annals of science being record of the inventions and improvements in applied science, conducted by Hamilton Smith. 15. Nov. 1853. Cleveland in Ohio, 1853. über die Staarsteine. 827 reste von Psaronien enthalten. Von hier stammen ausserdem gewiss viele als Geschiebe in Sachsen, im Gebiete der mittleren Elbe gefundene Stücke. Die reichste Fundstätte Sachsens ist die Gegend von Chemnitz, wo besonders um Hilbersdorf viele Arten gefunden werden, alle aber be- reils von ihrer ersten Stätte fortgeführt, als Geschiebe und Gerölle von der verschiedensten Gestalt und Grösse. In Frankreich finden sich in den Schichten des Rothen-Todtlie- genden der Vogesen in der Nähe von Faymont bei Val d’Ajol *) ver- kieselte Hölzer, unter ihnen zwei Arten von Staarsteinen, von denen die eine, Psaronius Putoni, diesem Fundorte eigenthümlich ist; dann bei Au- BORN Dir tun **) und an anderen Orten zahlreiche Stücke des Psaronius augusto- dunensis Unger und eine noch nicht bestimmte Art bei Mellier a Sauvigny im Departement des Allier. ***) Auch in England +) und in Brasilien ++) kommen schöne Staar- steine vor, ohne dass wir bis jetzt etwas Näheres von ihrer Lagerstätte wüssten; doch scheinen sie verkieselt zu sein und aus dem Rothen-Todt- liegenden herzustammen. Alle Arten dieser letzten Formation sind, zum Theil ausserordentlich schön, verkieselt. Die Angabe Walch’s, -r-+r) dass der, unter Kaiser Franz l., aus der Donau gezogene Pfeiler der Trajansbrücke aus einem dem Staaren- holze ganz ähnlichen Holze bestanden habe, was Schröter -F*) ohne wei- tere Prüfung nachschreibt, bedarfkeiner Widerlegungmehr, seitUnger-+**) *%) Mougeot: Essai d’une flore du nouveau gres rouge des Vosges, S. 2. — Note sur les veget. foss. du gres rouge, S. 2-5. *) Unger: In Endl. gen. plant. suppl. IL, S. 5. — Synopsis plant. foss., S. 147. — Genera et species plant. foss., S. 223. — Brongniart, hist. d. veget. foss. II., S. 59. Brongniart: Tableau des genres des veget. foss., S. 45. +) Corda: Beitr, z. Flora d. Vorw., S. 100. ++) Brongniart: Tableau, S. 45. — Corda, Beitr., S. 93, 100. +++) Walch: Naturg. d. Verst. IIl., S. 228. +*) Schröter: Vollst. Einl. in die Kenntniss d. Steine u. Verst., S. 222. * *) Unger: Versuch e. Gesch. d. Pflanzenwelt, S. 72. 828 C. G. Stenzel, die überall nacherzählte Ausgrabung eines solchen Pfeilers überhaupt in das Reich der Sagen oder der Missverständnisse verwiesen hat. Um die Uebersicht über die zahlreichen Arten zu erleichtern, hat Corda die Gattung in zwei Untergattungen getrennt, je nachdem das In- nenparenchym der Wurzel dicht (Eupsaronius) oder lückig (Trimatopte- ris) ist. Ich halte ein solches Merkmal, welches höchst wahrscheinlich nur vom Standorte abhing, indem sicher zu vermuthen ist, dass die Arten mit lückigem Gewebe Wasser- oder doch Sumpfpflanzen waren, nicht für geeignet, eine Untergattung zu begründen. Mit wenig mehr Recht würde man, glaube ich, hierzu die Anordnung der Gefässbündel in der Stamm- axe wählen, da diese, wie wir früher nachzuweisen versucht haben, von der Blattstellung abhängig ist, welche, bei dem grossen Einflusse auf die innere wie äussere Bildung der ganzen Pflanze, schon mehr Gewicht für die Trennung der Gattung hat, immerhin aber kein ausreichendes. Auch das Vorhandensein oder Fehlen der allgemeinen prosenchymatischen Scheide um die Axe des Stammes kann ich nicht für ein Merkmal von sol- cher Bedeutung halten, um darauf Untergaltungen zu gründen, da inner- halb jeder derselben Arten stehen würden, welche derselben in der Ge- sammtheit ihrer übrigen Merkmale viel ferner stehen, als manche aus der anderen Untergattung. Wir geben es daher am besten auf, bei dem Mangel an besseren, von Blatt- und Fortpflanzungsorganen hergenommenen Unterschieden, eine solche Trennung vorzunehmen, und begnügen uns damit, für die leich- tere Auffindung der Arten brauchbare Unterabtheilungen zu machen, welche einer Anordnung der Arten nach der Gesammtheit ihrer wichtige- ren Merkmale nicht hinderlich sind. Hier kommt es uns zunächst darauf an, dass das zur ersten Theilung benutzte Merkmal sich, wo möglich, an allen Arten erkennen lasse, und da scheint denn die, von Corda zur Aufstellung seiner Untergattungen benutzte dichte oder lückige Beschaffenheit des Wurzel- und Stammpar- enchyms am geeignetsten, denn auch bei den Wurzeln, deren Innenpar- über die Staarsteine. 829 enchym bei der Verkeselung oder Verkohlung zerstört worden ist, lässt sich mit ziemlicher Sicherheit aus dem grösseren oder geringeren Umfange des leeren Raumes um das Holzbündel im Verhältnisse zur Stärke der Wurzel überhaupt auf die Beschaffenheit dieses Gewebes schliessen. Ist der Raum zwischen Holzbündel und prosenchymatischer Scheide gross, so ist zu vermuthen, dass lückiges Parenchym, ist er klein, dass ein dichtes Gewebe seine Stelle eingenommen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Raum für das Innenparenchym bei Wurzelanfängen immer bedeutend weniger umfangreich ist als bei den freien Enden derselben. Innerhalb der ersten, sehr artenreichen Abtheilung mit dichtem Ge- webe lassen sich Unterabtheilungen nach dem Vorhandensein oder Fehlen der prosenchymatischen Schicht um die Gefässaxe des Stammes und der besonderen kleinzelligen Scheiden um die einzelnen Gefässbänder dersel- ben, sowie nach der dichten oder entfernten, zweizeiligen oder nach meh- reren Seiten hin gleichmässig vertheilten Stellung dieser Gefässbänder bilden. Auf diese Art erhalten wir Gruppen von Arten, welche unter einan- der in allen wesentlicheren Stücken übereinstimmen, während sie von allen anderen sicher verschieden sind, was die Unterscheidung der bekannten, wie die Bestimmung und Einreihung neuer Arten gleich sehr erleichtert. Danach ordnen sich dieselben am natürlichsten so: I. Innenparenchym der Wurzeln und Parenchym der Axe dicht (Psaronius helmintholithus Gotta). A. Axe mit prosenchymatischer Scheide. a. Gefässbänder gedrängt. a. Gefässbänder mit besonderer Scheide. .. 2... "is ee), Be Ds: infarctus. b. Gefässbänder ohne besondere Scheide .. neue. [edle Ani nnadiatus: b. Gefässbänder entfernt. a. Gefässbänder unregelmässig zerstreut, 830 C. G. Stenzel, * Gefässbänder ohne be- sondere Scheide . . . 3. Ps. Putoni. ‘* Gefässbänder mit beson- derer Scheide . . . 4. „ helmintholithus. b. Gefässbänder zweizeilig. * Gefässbänder gefaltet . 5. ,„, scolecolithus. ** Gefässbänder sanft gebo- ven 2. ee, musaeformis: B. Axe ohne prosenchymatische Scheide. a. Gefässbänder entfernt. a. Gefässbänder zweizeilig, * je ein Gefässband geht nach jedem Blatte ab . 7. „ simplex. ** je zwei oder mehr Gefäss- bänder gehen nach jedem Blatte ab. . 2.2.2.8 „ chemnitziensis. b. Gefässbänder unregelmässig, * Blattnarben vierzelig . 9. „, arenaceus. “= Blattnarben sechszeilig . 10. ,, Freieslebeni. b. Gefässbänder gedrängt. a. Gefässbänder mehr als sechs, fast zweizeilig . . . . „. 121. „, Gusbieri. b. Gefässbänder wenigerals sechs, unregelmässig . . . . . 12. ,„ Coitae. Anhang : . wiolansad.iwenbardaiehn,; (iGoeppenk. n EN LE. 14. „, Zeidleri. Il. Innenparenchym der Wurzeln und Parenchym der Axe lückig (Psaronius asterolithus Cotta). A. Prosenchymscheide der Wurzeln dick, sanft gebogen oder rund. a. Um das Holzbündel ein Kreis von Röhrenzellen. Lücken klein. . 19. Ps. bohemicus. über die Staarsteine. 831 b. Um das Holzbündel dichtes Paren- chym. Lücken ungleich, gross . 16. Ps. Haidingeri. B. Prosenchymscheide der Wurzeln dünn, eckig. a. Wurzelscheide sehr dünn, wenig Beueonenın n n0e0.0 0 7... Mganieus. b. Wurzelscheide dünn, sehr eckig . 18. ,, asterolithus. Ich brauche kaum noch zu bemerken, dass hier nur einige hervor- stechende Merkmale angeführt sind, alle anderen aber zum Theil nicht un- wichtigen erst in der folgenden umständlichen Beschreibung der einzelnen Arten ihren Platz finden können. I. Innenparenchym der Wurzeln und Parenchym der Axe dicht (Psaronius helmintholithus Cotta). A. Axe mit prosenchymatischer Scheide umgeben. a. Gefässbänder der Axe dicht aneinander gestellt. a. Gefässbänder mit besonderer Scheide. l. Psaronius infarctus Unger. (Taf. XXXVIN. Fig. 6.) Truneci crassi axis subeylindricus, 7—8 angularis, vagina pros- enchymatosacinctus, fasciis vasorum numerosissimis, confertis, latis vel abbreviatis, vaginis propriis involutis repletus. Cortex pol- licaris, processibus radicalibus, lineam crassis, percurritur, e strato prosen- chymatoso crasso, parenchymate parco et fasciculo vasorum centrali pen- tagono composilis. Psaronius infarctus Unger, in Endl. gen. plant., suppl. II., S. 4. — Synopsis plant. foss., S. 145. — Genera et species plant. foss., S. 219. Corda, Beitr. z. Flora d. Vorw., S. 99, Taf. 34. Presl, suppl. tent. pteridogr., S. 30. 832 C. G. Stenzel, Psaronius helmintholithus Cotta, z. Th. Dendrol. S. 31, Taf. 6. Fig. 3. Taf. A. Fig. 2. Im Rothliegenden von Chemnitz, Neu-Paka, dem Kyffhäuser. Die amerikanischen und südfranzösischen Staarsteine sind nach Corda*) dem Ps. infarctus Unger wohl verwandt, der Art nach aber bestimmt verschieden. Der mit einer zolldicken Wurzelschicht umhüllte Stamm ist walzig, gewöhnlich etwas breitgedrückt. Die Axe hat einen mittleren Durchmesser von etwa 4, der längere beträgt aber oft über 5, der kürzere nur 27,4 — 3”. Sie zeigt daher einen länglich runden Umriss. Dieser wird einigermaassen gestört durch mehrere, sieben bis acht, Vorsprünge, welche eben so vielen Gefässpar- tlieen entsprechen, die sich von der Axe trennen, um in die Blätter ein- zutreten. Umgeben ist dieselbe von einer 1” dicken prosenchymatischen Scheide, welche an der Stelle der erwähnten Vorsprünge eben so viele Einbiegungen zeigt und in die dadurch entstandenen Buchten die bereits ausserhalb der Stammaxe befindlichen, zu den Blättern abgehenden Gefäss- bündel-Parlieen aufnimmt. Die Vorsprünge der Axe selbst liegen also zwischen je zwei Vorsprüngen der gesammten Gefässbündelmasse. Erfüllt ist die Axe fast ganz von den dicht gedrängten, ,—1’# dik- ken, zum Theil, besonders nach der Mitte hin, sehr schmalen, zum Theil aber, besonders nach dem Umfange zu, bis 2 breiten, meist schwach nach innen gebogenen Gefässbändern, welche als kürzere oder längere Bogen concentrischer Kreise um den Mittelpunct gelagert sind, und nur wenig Raum für das bald zerstörte bald ziemlich gut erhaltene Parenchymgewebe der Axe zwischen sich frei lassen. Sie sind an den Rändern abgerundet und nicht selten etwas verdickt, bestehen aus grossen scharfkantigen, oft trefflich erhaltenen Gefässen, und sind umgeben von einer dünnen Schicht *) Corda: Beitr. z. Flora d. Vorw., S. 100. über die Staarsteine. 833 kleiner, diekwandiger, dunkelgefärbter Zellen, welche sie von dem Paren- chyme der Axe trennt. Gewöhnlich liegen die Wände der Gefässe ganz eng an einander, nur selten, wo das Holz sehr lange im Wasser gelegen hat, sind sie in der Mitte auseinander gewichen und hängen nur noch an den Kanten fest zusammen (Taf. XXXVIM. Fig. 6). Die in den tiefen Buchten der Axe liegenden, für die Blätter be- stimmten Gefässbänder gleichen im Allgemeinen denen der Axe selbst, nur sind sie weniger dick, kaum /,, und unregelmässiger gebogen. Die Zellen der, 1 dicken, prosenchymatischen Scheide der Axe, sind hellgrau oder braun, radial geordnet und oft von weissen Strei- fen in derselben Richtung unterbrochen, wie wir dies auch bei Psaronius radiatus finden. Ausserhalb derselben liegen die Wurzelanfänge in dem dichten, wenigstens hie und da noch deutlich erhaltenen Parenchyme der Rinde; doch ist von ihnen nur die prosenchymatische Scheide noch vorhanden. Innenparenchym und Holzbündel fand ich bis auf undeutliche Reste stets zerstört. Das leizte giebt Unger als fünfstrahlig an, und dass das erstere dicht gewesen sei, ist, nach der gleichen Beschaffenheit des Axenparen- chyms, wie nach der Enge des Raumes innerhalb der prosenchymatischen Wurzelscheide zu urtheilen, kaum zweifelhaft. Das ebenfalls dichte Gewebe der etwa zolldicken, die Axe rings um- sebenden Rindenschicht ist zwischen den Wurzelanfängen an einzelnen Stellen noch deutlich zu erkennen und von einer prosenchymatischen Wurzelscheide bis zu den benachbarten im stetigen Zusammenhange zu verfolgen, was unwiderleglich beweist, dass die eben erwähnten zu den Blättern abgehenden Gefässbündelpartieen innerhalb des Stammes selbst lagen und durchaus nicht als Andeutungen knollig verdickter Blatistielreste betrachtet werden können. So sind die von mir untersuchten Stücke, besonders der Querschnitt eines halben Stammes, in der Sammlung des Herrn Prof. Göppert, ge- VoRRAIV. Pi: 105 834 C. G. Stenzel, baut, in welchem noch drei der vorspringenden Gefässbündelpartieen voll- ständig zu erkennen sind. In der Zeichnung des schönen von CGorda abgebildeten Stückes *) lässt sich die seiner Angabe nach dicke, schwarzbraune, prosenchymatische Scheide nirgends deutlich erkennen, noch viel weniger in ihrem Verlaufe verfolgen. Dasselbe gilt von den von Cotta abgebildeten Stücken, **) welche ich leider nicht selbst habe vergleichen können. Sollte es sich herausstellen, dass bei diesen Stücken die Stammaxe keine derartige Scheide hätte, so würden sie als Psaronius helmintholithus Cotta aufzu- führen und diese Art Ps. medullosus Unger zu nennen sein. Das letzte würde ich schon jetzt ihun, wenn ich es nicht für Pflicht hielte, den alten, von Sprengel und Cotta aufgenommenen Namen (Ps. helmintholithus) wenigstens einer der von ihm darunter zusammengefassten Arten zu las- sen, wiewohl er mit dem besten Rechte dem eben beschriebenen Ps. infarctus beigelegt werden würde. b. Gefässbänder ohne besondere Scheide. 2. Psaronius radiatus Unger. Trunei crassi axis strato cellularum prosenchymatosarum atro, crasso, cinctus. fasciis vasorum evaginatis confertis reple- tus. Cortex erassus. Processuum radicalium vagina prosenchy- matosa crassa, fasciculus lignosus $— 6 angularis, parenchymate parvo, denso circumdatus. Psaronius radiatus Unger, Ps. intertextus und Ps. cyatheaeformis Corda. Unger, in Endl. gen. plant. suppl. I., S. 5. — Synopsis plant. foss., S. 146 — 148. Psaronius intertextus und Ps. cyatheaeformis Corda, in Sternb. Vers. I., S. 173. Taf. LX. Fig. 1, Taf. LXI. Fig. 1-4 (Ps. intert.), und S. 174. Taf. LX. Fig. 3, Taf. LXIL, Taf. LXIU. (Ps. eyath.). *) Corda: Beitr., t. 34, f. 1. **). Cotta: Dendr.,'t. A, f. 2, t. VL 1298. über die Staarsteine. 835 Psaronius radiatus Unger, Ps. intertextus, Ps. cyatheaeformis und Ps. elegans Corda, Beitr. z. Flora d. Vorw., S. 101, Taf. XXXVI. (Ps. radiat.), S. 99, Taf. XXXIU. (Ps. intert.), S. 100, Taf. XXXV. XXXVI. (Ps. cyath.), S. 106, Taf. XLII. Fig. 5—7 (Ps. elegans). Unger, genera et spec. plant. foss., S. 218 ff. Presl, suppl. tent. pterid., S. 30, 31. Im Rothliegenden von Neu-Paka und Mühlhausen in Böhmen. Der walzenförmige Stamm erreichte eine Länge von 10— 20° bei 10 — 14° Dicke. *) Wenn man nach Bruchstücken urtlheilen darf, deren regelmässige Krümmung es wahrscheinlich macht, dass sie vom lebenden Stamme un- verändert herrühren, war seine Axe 4—6 dick und von walzenrundem Umrisse. An vollständigeren Stücken ist sie oft sehr verdrückt (Ps. in- tertextus Corda). Ihr Mark ist kleinzellig, meist zerstört. Darin breite oder schmalere, gerade oder umgebogene, an den Rändern abgerundete, scheidenlose Gefässbänder, aus grossen, eckigen Treppengefässzellen zu- sammengesetzt; selten recht gut erhalten. Umgeben ist die Axe von einer 1 dicken, schwarzen Scheide dickwandiger Prosenchymzellen, welche von aussen nach innen reihenför- mig geordnet. oft in derselben Richtung von einer Reihe grösserer Zellen unterbrochen sind. Auch zeigt die Scheide nicht selten Risse. Die sehr langen und langzugespitzten Zellen derselben gehen durch wenige kürzere in die niedrigen, im Längsschnitte fast mauerförmigen Zel- len der Rinde über, **) welche in radialer Richtung gestreckt, oft vier- eckig, die Räume zwischen den Wurzelanfängen erfüllen. *) Corda: Beitr., S. 99. *) Corda, Beitr., t. 37, f. 6, zeichnet beide Gewebe ohne allen Uebergang schroff neben einander, wie sie kaum in der Wirklichkeit vorkommen. Ich sah überall einen raschen, aber stetigen Uebergang durch Kürzer- und Breiterwerden der Zellen des Prosenchyms. 836 C. G. Stenzel, Diese verlaufen in der Rinde, fast parallel der Axe, nach unten, we- nig nach aussen, und zwar auf dem Querschnitte in radiale Reihen geord- net, so dass oft 8S— 10 und mehr eine ununterbrochene Reihe von innen nach aussen bilden. Diese Anordnung, welcher die Art wohl ihren Namen verdankt, rührt daher, dass die Wurzelanfänge über einander in senkrech- ten Reihen entspringen. Die äusseren sind gewöhnlich dicker als die inneren, welche noch näher an ihrem Anfange von der Stammaxe sind, wo sie nicht selten in der prosenchymatischen Scheide selbst angetroffen werden. Die Prosenchymscheide der Wurzelanfänge ist oft stellenweise un- terbrochen durch wirkliche Risse oder durch Stellen, welche mit dünn- wandigen lockeren Zellen erfüllt sind. Beides ist meiner Meinung nach eine Folge des auflösenden Einflusses des Wassers und steht mit Astbil- dung und sonstigen organischen Verhältnissen der Wurzel nicht in irgend einer Verbindung. Sie ist von mittler Stärke, meist rundlich und enthält ein nur äusserst selten gut erhaltenes Gefässbündel mit $—6 Strahlen, welche entweder getrennt und mit einer zelligen Scheide umgeben, oder, und dies ist der gewöhnlichere Fall, in ein fünf- bis sechseckiges oder ganz unregelmässiges Bündel zusammengeflossen sind. Nur selten sind die kleinen, zwischen je zwei Strahlen grösseren, Zellen um die Gefässe noch deutlich erhalten (Ps. elegans Corda). Das Parenchym in dem schmalen Raume zwischen dem Holzbündel und der Prosenchymscheide besteht aus dichtgestellten, polyedrischen oder rundlichen Zellen. Ge- wöhnlich ist es zerstört, und statt seiner finden sich wieder 3—10 rund- liche Zellen in der Ausfüllungsmasse zerstreut, welchen kaum eine beson- dere Bedeutung zuzuschreiben ist. Sie mögen durch zufällig grössere Festigkeit oder wegen eines schwerlöslichen Inhalts länger der Verwesung widerstanden haben, als ihre Umgebungen. Diese Beschreibung ist fast ganz nach einigen Stücken der K. K. geologischen Reichsanstalt zu Wien gemacht, welche mir von dem Direc- tor derselben. Herrn Sectionsrath Haidinger, zur freiesten Benutzung über die Staarsteine. 837 überlassen wurden, und welche mit dem von Corda (Beitr. Taf. XXXVI. Fig. 1) abgebildeten Ps. radiatus Unger so genau übereinstimmen, dass die Gleichheit beider Arten unzweifelhaft ist. Rings abgegrenzte Wurzeln freilich sind in der gleichmässig 17,” dieken Wurzelschicht nirgends zu sehen, indem das Rindenparenchym sich bis an den äusseren Umfang des Stückes fortsetzt. Bei der Flüchtigkeit von Corda’s Zeichnungen nehme ich keinen Anstand, sie in diesem Puncte für ungenau zu erklären. Es bleibt mir noch übrig, die Vereinigung von Psaronius interte.ctus, Ps. cyatheaeformis und Ps. elegans Corda mit Ps. radiatus Unger zu rechifertigen. Psaronius cyatheaeformis unterscheidet sich von der letzteren Art durch einen dünneren Stamm und zwischen den Gefässbündeln des- selben zerstreute Streifen schwarzen Prosenchymgewebes, von derselben Beschaffenheit, wie das der prosenchymatischen Scheide. Nun ist die Dicke des Stammes ein Merkmal, welches nur bei sehr auffallenden Unter- schieden einigermaassen in’s Gewicht fäll. Der einzige bekannte Stamm von Ps. cyatheaeformis ist aber nur theilweise erhalten und lässt nach sei- ner Gestalt gar keinen Schluss auf seinen früheren Umfang zu. Die zwi- schen den Gefässbändern der Axe zerstreuten Prosenchymstreifen können aber nicht maassgebend sein, da sie nur an dem einzigen von Corda wie- derholt abgebildeten Stücke dieser Art *) beobachtet worden sind; da sie ferner bei der völligen Regellosigkeit ihrer Form und Vertheilung mehr einer zufälligen Ursache ihr Entstehen oder ihren gegenwärtigen Ort zu verdanken scheinen. keineswegs aber den Ausdruck eines beständigen Artmerkmals tragen. Selbst die zufällig tiefere Färbung dieser Streifen mag zu ihrer Beachtung nicht wenig beigetragen haben. Aehnlich ist es mit den zerstreuten Lücken im Rindenparenchyme des Ps. intertextus. Dieselben sind so unregelmässig vertheilt und von so ungleicher Gestalt und Grösse, dass sie mehr zufällig entstandenen, viel- *, Corda: In Sternb. Vers. II., t. 60, f. 3. — Beitr. z. Flora d. Vorw., t. 35, F. 1. 838 C. G. Stenzel, leicht selbst durch die der Verkieselung vorangehende theilweise Fäulniss veranlassten Höhlungen im Zellgewebe gleichen. Auch finden sie sich nur an solchen Stellen, wo die Wurzeln weniger gedrängt, als gewöhn- lich stehen, und daher in den weiten Zwischenräumen in dem ohnehin lok- keren Parenchyme leicht Lücken entstehen konnten. Da, wo die Wurzeln dicht bei einander stehen, wie gewöhnlich bei Ps. radiatus, wird das Ge- webe zwischen ihnen kaum Lücken zeigen. Der zweite Unterschied liegt in den zehn Röhrenzellen um das Holzbündel bei Ps. intertextus, während bei Ps. radiatus dieselben entweder ganz fehlen oder in geringerer Anzahl vorhanden sind. Es erklärt sich das einfach aus dem verschiedenen Grade der Zerstörung, welcher das Innenparenchym unterworfen war, in welchem diese Röhrenzellen lagen. Ich bemerke hierbei. dass die Natur derselben als Röhrenzellen von Corda weder durch Beschreibung noch Zeichnung nachgewiesen ist, und dass ich ähnliche zerstreute Zellen um das Holzbündel der Wurzeln bei den verschiedensten Arten und in sehr ungleicher Zahl gefunden habe, ohne mich über ihre eigentliche Beschaffenheit vergewissern zu können, da mir nur ausnahmsweise Längsschliffe zu Gebote standen. Wo bei Ps. radiatus das Parenchym in der Wurzel erhalten ist, konnte ich keine be- sonderen Gänge in demselben erkennen. Da ausserdem die sogenannten Röhrenzellen ganz mit denen des Innenparenchyms übereinstimmen, so vermuthe ich, dass sie nichts weiter als einzelne zufällig dauerhaftere Zel- len des Innenparenchyms sind. Zur Artunterscheidung sind sie nach allem dem nicht anwendbar. Psaronius elegans endlich gleicht sowohl seinem allgemeinen An- sehen nach wie in allen Einzelnheiten dem Ps. radiatus so genau, dass ich vergebens in der Beschreibung sowohl wie in der Abbildung von Corda nach irgend einem auch nur einigermaassen haltbaren Unterschiede zwischen beiden Arten gesucht habe. Die fünf ein wenig nach Innen vor- tretenden Zellen am Innenrande der prosenchymatischen Wurzelscheide, über die Staarsteine. 839 auf welche Corda ein besonderes Gewicht legt, sind eine zufällige ganz bedeutungslose Bildung. Von Psaronius infarctus ist unsere Art vielleicht noch mehr als durch den Mangel der besonderen Scheide um die Gefässbänder der Axe durch den gleichförmig runden Umriss der letzteren verschieden. Nirgends zeigt dieselbe Vorsprünge oder Einbiegungen, um nach den Blättern ab- gehende Gefässbänder aufzunehmen. Die Unvollständigkeit oder schlechte Erhaltung der bis jetzt bekannten Stämme dieser Art macht eine Erklärung dieser auffallenden Erscheinung für den Augenblick noch nicht möglich. b. Gefässbänder der Axe entfernt. a. Sie sind unregelmässig zerstreut. 3. Psaronius Putoni Moug. Truncus crassus ceylindricus. Axis vagina prosenchymatosa eincti fasciae vasculares lalae, curvatae, evaginatae distiantes, irregulari- ter per medullam amplam dispersae. Üortex crassiusculus, proces- sus radicales tenues, quorum inter stratum prosenchymatosum et fasci- culum ligni centralem corona ductuum atrorum aut lacteorum conspicitur. Psaronius Putoni und Ps. Hogardi, Mougeot, essai d’une flore du nouveau gres rouge des Vosges ou description des vegeteaux Si- lieifi6s, qui s’y rencontrent. Epinal 1852, S. 14, Taf. 1, Fig. 1, 2 (Ps. Putoni), und S. 16f, Taf. 1, Fig. 3, 4 (Ps. Hogardi). — Desselben Note sur les vegetaux du gres rouge suivi de leur comparaison avec ceux du gres bigarre, 8. 9. Im Rothliegenden von Faymont bei Val d’Ajol in den Vogesen (Museum in Strassburg). Der Stamm war wahrscheinlich walzenrund; nur die Hälfte ist er- halten. Nach ihr zu urtheilen, war die Axe etwa 4,—5 %,, also durch- schnittlich 9 dick, von nicht gar regelmässigem Umrisse, umgeben von einer starken Schicht diekwandiger, schwarzer Prosenchymzellen, welche in radialer Richtung in gerade Reihen geordnet sind. In dem hie und 840 C. 6. Stenzel, da als lockeres Parenchym erhaltenen Marke liegen ohne Ordnung zer- streut unregelmässig gekrümmte, 1—1 7, dicke, 9I—13’ breite Gefäss- bänder ohne eigene Scheide. Zwischen ihnen sieht man gewöhnlich re- gellos zerstreut, bei besser erhaltenen Stücken rings um die einzelnen Gefässbänder geordnet, schwarze Puncte, ganz entsprechend denen, welche wir weiter unten in den Wurzeln kennen lernen werden. Zwischen den Gefässbändern liegen im Marke hie und da zerstreut, besonders an Stel- len, wo die Prosenchymscheide der Axe zerbrochen ist, zahlreiche kleine Wurzelanfänge, ganz denen ähnlich, welche die Rindenschicht des Stam- mes in grosser Menge durchziehen. Viele dieser Wurzelanfänge sind wohl erst bei der Versteinerung des Stückes und der damit verbundenen Erweichung und theilweisen Zerstörung seiner Gewebe, welche hier be- sonders die prosenchymatische Scheide an mehreren Stellen getroffen hat, in die Axe hineingeralhen. Manche mögen auch, nachdem sie an den Ge- fässbändern ihren Anfang genommen, noch nicht die Scheide der Axe durchbrochen haben. Dass sie innerhalb derseiben herabsteigen, nur weil ihnen das lockere Gewebe des Markes wenig Widerstand entgegensetzt, wie Mougeot meint, ist mir weniger wahrscheinlich. Um die Axe liegt eine Rindenschicht von mässiger Dicke, aus radial gestrecktem Parenchym bestehend, welches in die Prosenchymschei- den der kleinen Wurzeln stelig übergeht. Diese besteht aus ebenso dickwandigen und schwarzen, aber kleineren Zellen, wie die der Axe. In der Mitte derselben steht das Holzbündel, umgeben von einer Scheide sehr klei- ner, im Querschnitte viereckiger, Faserzellen, welche jedoch oft ganz oder zum Theile zerstört ist. Auch das von ihr eingeschlossene Gefässbündel besteht meist nur aus einer regellosen Anhäufung grösserer und kleinerer Gefässe, welche da, wo die Scheide des Holzbündels fehlt, auch wohl ganz zerstreut sind. Der Raum zwischen dem Holzbündel und der Prosenchym- scheide ist mit structurlosem Chalcedon angefüllt. In ihm bemerkt man, in der Nähe der letzteren, schon mit blossem Auge einen Kreis schwarzer Puncte, welche sich bei stärkerer Vergrösserung auf einem Längsschnitte über die Staarsteine. 841 als die Oeffnungen langer Gänge erweisen, deren Bedeutung und ur- sprüngliche Bestimmung uns völlig unbekannt ist, welche jedoch in allen nur einigermaassen erhaltenen Wurzeln beständig vorhanden sind, daher ein gutes Artmerkmal abgeben, wo andere Unterscheidungsmittel fehlen. Die im Querschnitte runden, ovalen oder vieleckigen Gänge sind mit einer dicken Haut umgeben, ihr Inneres ist durch mehrere Längsscheidewände getheilt, mit braunen oder schwärzlich grünen Körnern, von denen Mou- geot vermuthet, dass sie vielleicht von früher in diesen Gängen, die man dann für eigene Gefässe ansehen könnte, enthaltenem Milchsafte herstammen. Es erinnern diese Gänge auffallend an die, welche bei Ps. Cottae, Ps. Gutbieri und Ps. Goepperti an denselben Stellen vorkommen, wo wir über ihre Beschaffenheit einiges Nähere mittheilen, ohne freilich einen be- stimmten Aufschluss über ihre eigentliche Bedeutung zu erhalten. Von Psaronius Hogardi sind nur zwei kleine, längsgeschnittene Plättchen vorhanden; das einzige vollständigere Exemplar ist verloren ge- gangen. Sie gleichen ganz dem eben beschriebenen Ps. Putoni, nur sind, statt der bei diesem besprochenen schwarzen, noch einmal so weite, milch- weisse Gänge vorhanden. Wie wenig Werth auf diese Verschiedenhei- ten zu legen ist, werden wir bei Besprechung von P’s. Cottae noch beson- ders erörtern, wo an einem und demselben Stücke schwarz, weiss, grau und roth versteinerte Gänge derselben Art von sehr verschiedenem Durchmesser beobachtet werden. In einer kleinen oben angeführten Schrift: ,.Note sur les vegdtaux fossiles du gres rouge,‘“ bespricht Mougeot noch einmal die in dem Ro- then-Todtliegenden der Vogesen gefundenen Staarsteine, und fügt hinzu (S. 5. Anm.), Psaronius Putoni und Ps. Hogardi müssten ohne Zweifel eine eigene Gatlung bilden, da die Gefässe in der Wurzel nicht, wie bei allen Staarsteinen, sternförmig geordnet, sondern unregelmässig zerstreut sind. Das oberflächlichste Studium von Corda’s Beiträgen zur Flora der Vorwelt, welche er in der Einleitung anführt, würde ihn gelehrt haben, dass schlecht erhaltene Stücke bei vielen Arten dieselbe Erscheinung zei- Vol. XXIV. P. 1. 106 842 C. G. Stenzel, gen, welche sich auch so höchst einfach erklärt, dass es wahrhaft unbe- greiflich ist, wie auf einen solchen, rein zufälligen Umstand nicht eine Art, nein, eine besondere Galtung gegründet werden soll. Auf diesem Wege würde es freilich ein Leichtes sein, die Arten der Staarsteine zu verdrei- fachen ; was aber damit für die Wissenschaft gewonnen wäre, ist leicht zu ermessen. 4. Psaronius helmintholithus Cotta, z. Th. Trunci subteretis axis 2—3 pollices crassus; fasciculi vasorum lati flexuosi distantes, per medullam amplam irregulariter sparsi, vagina propria amicti. Vagina axis prosenchymatosa dura. Cortex crassus, processibus radicalibus mediocribus, vagina pros- enchymatosa inclusis, medulla parca, fasciculo lignoso 4—6 angulari, crasse vaginato, fasciculos vasorum quatuor ad sex gerente. Psaronius helmintholithus Cotta z. Th., Dendrolithen, S. 32, Taf. 5, Fig. 1—3 (excl. ceteris). Corda, in Sternb. Vers. I., S. 173. Psaronius helmintholithus und Ps. medullosus Unger, in Endl. gen. plant. suppl. H., S. 4, 5. — Synopsis plantarum fossilium, S. 145, 146. — Genera et spec. plant. foss., S. 218, 220. Corda, Beitr. z. Flora d. Vorw., S. 97—99, Taf. 32 (Ps. helm.), und S. 102, Taf. 39 (Ps. medull.). Presl, suppl. tent. pterid., S. 30, 31. Psaronius helmintholithus und Ps. hexagonalis Mougeot, Essai d’une flore du nouveau gres rouge des Vosges, 1852, S. 17, 18, Taf. 2, Fig. 1—3. — Note sur les veg. foss. du gres rouge, S. 2—4. Endogenites helmintholithus Sprengel, comment. de psarol., S. 37, Fig. 5 (und E. psarolithus (?). S. 28, Fig. 2, 3). Im Rothen - Todtliegenden von Neu-Paka in Böhmen, Chemnitz und a. O. in Sachsen, von Ilmenau, am Kyffhäuser und von Faymont bei Val d’Ajol in den Vogesen (Ps. hexagonalis). über die Staarsteine. 843 Mit Recht bemerkt Corda, dass keine der Beschreibungen und Ab- bildungen der Schriftsteller vor Anton Sprengel sich mit Sicherheit auf diese Art beziehen lasse, mit Unrecht dagegen schliesst er CGotta’s Figg. 2 u. 3 auf Taf. 5 der Dendrol. aus, welche zu Fig. 1 gehören. Man könnte recht wohl auch Figg. 4+—6 hierher ziehen; sie lassen sich wenigstens eben so gut auf diese wie auf eine andere Art beziehen. Der Stamm ist unregelmässig walzig, über 9” dick. Am Kyffhäu- ser sollen sich sogar Stücke von 1—2’ Dicke und 10—15’ Länge finden, oft fast nur aus Wurzelmassen bestehend, nur selten mit eingeschlossener Stammaxe. Diese ist fast walzenrund, umgeben von einer starken Schicht von Prosenchymgewebe, welche da eine tiefe Einbiegung zeigt, wo die zwei /Sförmig gegen einander gekrümmten Gefässbänder sich von der Axe trennen, um in die Blätter abzugehen, ähnlich, wie wir dies bei Psa- ronius infarctus gesehen, nur dass dort die Blätter wahrscheinlich sehr dicht aneinander in sechs- bis achtgliedrigen Wirteln, hier in Spiralen sehr weit von einander entfernt standen, da der Querschnitt nur eine nach den Blättern abgehende Gefässbündelpartie trifft. Bei anderen Stücken erlei- det die prosenchymalische Scheide der Axe keine solche Einbiegung, die ausserhalb an derselben liegenden, nach den Blättern abgehenden Gefäss- bündelpaare bilden dann Vorsprünge aussen an der Axe. Corda hält diese letzte Stellung für die natürliche und glaubt, dass die erste nur durch Eindrückung der äusseren Gefässbündel in den Stamm bei dessen Erwei- chung erfolgt sei. Ich bin entgegengesetzter Meinung und stütze mich dabei, ausser auf das vorhin beschriebene Stück, auf das ähnliche Verhält- niss bei Psaronius infarctus, Ps. asterolithus *) und Ps. musaeformis (Taf. XXXIV. Fig. 2), wo das Blattgefässbündel (a) in einem Ausschnitte der Stammaxe ausserhalb der nach innen gebogenen prosenchymatischen Scheide (b,h,k) liegt. Im Gegentheile halte ich dafür, dass die über den *) Ps. speciosus Corda: Beitr. t. 44, f. 1. 844 C. G. Stenzel, Umfang der Axe heraustretenden Bündel erst durch Zusammensinken des Stammes aus der Axe desselben herausgedrängt worden seien. *) Erfüllt ist die Axe mit einem lockeren, aus dünnwandigen polyedri- schen Zellen bestehenden Parenchyme, in welchem sehr breite hin- und hergebogene, an den Rändern häufig nach innen gekrümmte Gefässbänder ohne Ordnung zerstreut sind und zwischen ihnen einzelne schmale und fast stielrunde. Sie sind etwa 1% dick und bestehen aus grossen, kanti- gen Treppengefässzellen, wie die aller Staarsteine. Die beiden ausser- halb der prosenchymatischen Scheide an der Axe liegenden / Sförmig ge- krümmten Bündel sind nur etwa halb so dick, als die der Axe selbst, und grenzen nach aussen unmittelbar an die über sie herabsteigenden Wurzel- anfänge. Die Zellen der starken, bis 1/ dicken Prosenchymscheide sind in radialen Reihen geordnet und gehen nach aussen rasch in das in dieser Richtung gestreckte Rindenparenchym über, in welchem die Wurzelan- fänge herabsteigen. Ihre Prosenchymscheide ist rundlieh, oft etwas breitgedrückt, aus 8—10 Reihen diekwandiger, oft trefflich erhalte- ner Zellen gebildet. Das Parenchym innerhalb derselben ist dagegen meist zerstört, und nur aus dem engen Raume, auf welchen es beschränkt war, schliessen wir, dass es dicht und nicht lückig war. Das Holzbündel ist oft recht gut erhalten, viel häufiger freilich sehr verändert oder ganz zerfallen. Es hat eine sehr dicke Scheide, welche eine dünnere braune äussere und eine dicke heller gefärbte innere Schicht unterscheiden lässt. An beiden ist keine Structur mehr zu erkennen, doch erinnert das Ganze sehr an die kleinzellige Scheide um das Holzbündel bei manchen Wurzeln von Ps. Cottae (Taf. XXXVI. Fig. 7). Das Gefässbündel darin ist vier- bis sechsstrahlig; seine Gelässe sind oft so trefflich erhalten, dass die Quer- spalten als hellere Stellen in ihrer Wandung auf dem Querschliff bestimmt zu erkennen sind. *) 8. oben S. 766. über die Staarsteine. 845 Die prosenchymatische Scheide der Wurzelanfänge geht in das Rin- denparenchym stetig über, und nur bei den näher am Umfange des Stückes liegenden, aus dem Stamme bereits ausgetretenen Wurzeln ist sie noch nach aussen mit einer scharf umgrenzten Parenchymschicht umhüllt; doch tritt dies letzte Verhältniss bei weitem nicht so oft ein, wie Corda an- giebt, welcher die organische Verbindung benachbarter Wurzeln durch das Rindengewebe irriger Weise für eine Verwachsung der Wurzeln hält. Dass ich Psaronius medullosus Unger mit Ps. helmintholithus vereinigt habe, wird, wie ich glaube, nicht gemissbilligt werden. Ich habe das von Corda abgebildete, *) von Unger als Vertreter seines Ps. me- dullosus anerkannte **) Stück selbst verglichen. Gleichwohl konnte ich die Abgrenzung der Wurzelanfänge gegen- einander nirgends finden, wie sie nach Corda’s Abbildung wenigstens den äusseren Wurzeln zukommt, und wie die Angabe „‚Radices corlice parenchymatosa amictae‘“ bei Corda (Beitr. S. 102) und Unger (Genera et spec. pl. foss., S. 220) für alle Wurzeln anzudeuten scheint. Wo das Parenchym erhalten ist. verbindet es dieselben wie bei anderen Arten. Als einziger Unterschied bleibt dann das Fehlen der sechs bei einigen Wurzeln von Ps. medullosus um die Holzbündelscheide in dem Raume des zerstörten Parenchyms bemerkbaren ‚‚Röhrenzellen.‘““ Ich habe mich be- reits bei Besprechung des Ps. radiatus (S. 100, 102) über die geringe Bedeutung dieses Merkmals ausgesprochen, und hier fehlen dieselben dreien unter vier von Corda abgebildeten Wurzeln! Weniger zu rechlfertigen würde es sein, dass ich Psaronius helmin- tholithus Unger, in Endl. Gen. plant. suppl. U., S. 5, hierher gezogen habe, da er dort ausdrücklich den Stamm „‚evaginatus‘‘ nennt, wenn er nicht diese Stelle selbst bei dem übereinstimmend mit unserer Art um- grenzten Ps. helmintholithus anführte. Er hatte jene frühere Angabe wohl *) Oorda: Beitr. t. 39, f. 1. *) Unger, Gen. et spec. plant., S. 22, führt Corda’s Abbildung an. 846 C. 6. Stenzel, auf die ebenda angezogene Figur von Öotta (Dendrol. Taf. 5, Fig. 1) gegründet, welche eine allgemeine prosenchymatische Scheide so wenig, wie die von Sprengel (Comment. de psar., Fig. 5) erkennen lässt. Einer genauen Untersuchung der Originale beider Figuren bleibt es vor- behalten, ob sie wirklich fehlt, oder nur vom Zeichner nicht ausgedrückt worden ist. Psaronius hexagonalis Mougeot endlich stimmt so ganz mit Ps. helmintholithus überein, dass selbst Mougeot die nahe Verwandt- schaft beider Arten anerkennt, und wenn er für die Selbstständigkeit von Ps. hexagonalis die verschiedene Anordnung der Gefässe und die daraus hervorgehende Form des Gefässbündels anführt, so bezieht sich das wohl auf die Vereinigung der Gefässe zu einem sechsstrahligen Bündel, wäh- rend das des Ps. helmintholithus gewöhnlich fünf, der als Ps. medullosus beschriebenen Stücke vier oder fünf Strahlen hat. Die Unwichtigkeit die- ser Abweichung haben wir früher dadurch erwiesen, dass wir zeigten, wie an demselben Stücke oft viel bedeutendere Schwankungen sich wahrneh- men lassen. Die Gefässe des Ps. heragonalis sind schlecht erhalten; die Wan- dungen sind unkenntlich, und nur aus der Lage, Gestalt und Grösse der dunklen, den inneren Theil ihres Hohlraumes erfüllenden Massen, lässt sich auf ihre Lage, Gestalt und Grösse schliessen. Die dreieckigen, ebenfalls dunklen Zwischengänge zwischen den abgerundeten Ecken der Gefässe erleichtern uns dies. Nur muss man sich hüten, sie für kleine Gefässe zu halten, wozu eine so ungenaue Zeichnung derselben, wie sie Mougeot giebt, leicht verleiten kann. | Von Ps. Putoni unterschieden ist Ps. helmintholithus ausser der star- ken Scheide um die Gefässbänder auch durch den Mangel der schwarzen oder weissen Flecke um das Holzbündel der Wurzel und um die Gefäss- bänder des Stammes. über die Staarsteine. 847 b. Die Gefässbänder der Axe zweizeilig. 9. Psaronius scolecolithus Unger. (Taf. XXXIV. Fig. 1.) Truncus subcylindrieus crassus. Axis vaginali fasciae va- sorum paucae, latissimae, plicatae, fasciis mediis utrinque parallelae distichae, vagina propria cinctae, fasciis minoribus compluribus ab utro- que axis latere discedentibus. Processus radicales crassiusculi e strato prosenchymatoso crassissimo et fasciculo lignoso 4— angulari composili. Psaronius scolecolithus Unger, in Endl. Gen. plant. Suppl. H., S. 9. — Synopsis plant. foss., S. 145. — Genera el spec. plant. foss., S. 219. Corda, Beitr., S. 102, Taf. 38. Presl, suppl. tent. pterid., S. 31. Staarstein in der Mitte Wurmstein, Schultze im Dresdnischen Maga- zin, 2. Band, 1762, 5. Stück, S. 261, 272, f. 1, 3. Im Rothen-Todtliegenden von Neu-Paka in Böhmen. Die Stammaxe war ursprünglich wahrscheinlich walzenrund. An dem von mir abgebildeten Stücke aus der K. K. geologischen Reichsanstalt zu Wien, welches ich der Güte des Directors derselben, Herrn Sections- rath im Ministerium, Haidinger, verdanke, ist der mittlere Haupttheil der Axe (Taf. XXXIV. Fig. 1A-A’) 2 breit und nur 7, dick; die ihn um- gebende prosenchymatische Scheide an mehreren Stellen zerbrochen und mit den Rändern so weit übereinander geschoben, endlich sind die beiden nach den Blättern abgehenden Gefässbündelpartieen so weit aus der Axe herausgetreten und zur Seite gebogen, dass wir nicht zweifeln können, dass die Axe ursprünglich nahezu walzenrund war und dass die erwähn- ten Gefässbündelpartieen nur wenig aus derselben hervorragten. *) Die *) Ich habe alle, zum Theil getrennten, Stücke zusammengerechnet, und dadurch für die Ge- sammtlänge der Prosenchymscheide, d.h. für den ursprünglichen Umfang der Axe, 13‘ ge- funden, was einem walzenrunden Stamme von 4° Durchmesser entspricht, während der mitt- lere Durchmesser der Axe in ihrer jetzigen Form nur 2Y,” beträgt; dadurch wird ein Zusammenfallen derselben klar bewiesen. 848 C. G. Stenzel, jetzt ziemlich nahe an aneinander gerückten Gefässbänder lagen dann in dem stark entwickelten Parenchyme der Axe zerstreut; in ihrer gegenseitigen Lage dürfte jedoch das Ausfaulen dieses Gewebes und das danach von selbst erfoigte Zusammensinken des Stammes übri- gens nur wenig geändert haben. Die Gefässbänder sind ausserordentlich breit, das mittlere gefaltete 27/,, die äusseren nicht viel weniger. Sie liegen zu beiden Seiten der zwei mittelsten, welche sich im Querschnitte fast zu einer langgezogenen Ellipse ergänzen, in der Hauptsache parallel aber entweder der ganzen Länge nach oder an den Rändern eingefaltet. In ihrer Zusammenselzung aus scharfkantigen langgestreckten Gefässzellen gleichen sie ganz denen von Ps. helmintholithus u. a. Sie sind von einer dünnen, aber deutlichen Schicht kleiner dickwandiger Zellen umgeben, welche trotz der gänzlichen Zerstörung des umgebenden Parenchyms überall erhalten ist. An den beiden Seiten der Axe (A,4A’), nach welchen die Ränder der Gefässbänder hingekehrt sind. erweitert sich dieselbe in zwei breitge- drückte, daher über zollweit aus der Axe heraustretende Fortsätze (AB, A'B'). Dieselben enthalten in einem mit structurlosem Gesteine erfüllten Raume mehrere sehr breite Gefässbänder, welche aber nur halb so dick sind, wie die der Axe, und mit denselben nicht in unmittelbarem Zusammenhange stehen. Es sind diese Fortsätze von der Prosenchym- scheide der Axe im weiten Bogen umzogen. Sie ist an der einen Seite nur halb so diek als an der Axe, hellgrau versteinert, und aus diekwandi- gen, oft in deutliche radiale Reihen geordneten Prosenchymzellen zusam- mengeselzi. Theils innerhalb dieser Scheide im Parenchymgewebe der Axe (bei A’ und rechts davon) und der Fortsätze (A’/-B’), theils in der Prosen- chymscheide der Axe selbst (bei A/, B) liegen einige kleine rundliche Wurzelanfänge, welche, offenbar von den Gefässbändern entsprungen, im ersten Theile ihres Verlaufs nach der Aussenfläche und dem Grunde des Stammes begriffen sind. Ausserhalb der prosenchymatischen Scheide bil- über die Staarsteine. 849 den die unteren Theile der Wurzelanfänge ein ,—2 dickes Geflecht um die Axe des Stammes, in deren Nähe die dünnsten angetroffen werden, die dickeren erst in einiger Entfernung davon, weiter nach dem Umfange zu. Ursprünglich lagen sie wohl hier überall noch in dem Parenchymge- webe der Rinde, dasselbe ist aber spurlos verschwunden, und selbst die prosenchymatischen Scheiden der Wurzelanfänge sind von der langen Ein- weichung in Wasser so angegrilfen, dass sie an vielen Stellen, besonders gegen den Umfang hin, zerrissen und ihre einzelnen Stücke oft weit von einander getrennt sind (Taf. XXXIV. Fig. 1). Es bestätigt diese That- sache die von uns ausgesprochene und durch ähnliche Erfahrungen be- gründete Behauptung, dass die Versteinerung zuerst in der Mitte des Stammes sich vollendet habe, und während diese dadurch vor fernerer Zer- setzung geschützt war, die äusseren Theile noch fortdauernd der auflösen- den Einwirkung des Wassers ausgeselzt gewesen seien. Von den Wurzelanfängen sind nur die prosenchymatische Scheide und in wenigen undeutliche Reste von Gefässen erhalten; in den bei weitem meisten sind diese, in allen das sie umgebende Zellgewebe und das Innen- parenchym zerstört. Der geringe Umfang des Raumes innerhalb der pros- enchymatischen Scheide lässt jedoch vermuthen, dass kein lückiges, son- dern dichtes Zellgewebe denselben ausgefüllt hat. Ziemlich genau mit dieser Beschreibung, welcher das Taf. XXXIV. Fig. I abgebildete Stück und mehrere von demselben Blocke gemachte Längsschnitte zu Grunde liegen, stimmt die Abbildung und Beschreibung des von Unger selbst bestimmten Ps. scolecolithus bei Corda, (Beitr. Taf. XXXVIM. Fig. 1). Die nicht sehr zahlreichen (etwa wie bei unserem Stücke: neun) breiten, zum Theil gefalteten Gefässbänder liegen ebenfalls ziemlich parallel. In der, ihren Rändern zugewendeten Seite der Axe ist ein, von Wurzelanfängen fast entblösster freier Raum, welchen wahrschein- lich die nach den Blättern abgehende Gefässbündelpartie eingenommen hat; die prosenchymalische Scheide ist mehrfach zerbrochen und stark ge- krümmt; die nicht viel besser erhaltenen Wurzelanfänge umgeben in einer Vol. XXIV. P. I. 107 850 C. G. Stenzel, 1— 2’ dicken Schicht die Stammaxe; ihre Form und Dicke stimmt, wie alles übrige, mit unserem Stücke überein. Einige Wurzelanfänge dage- gen in der Nähe der Stammaxe zeigen innerhalb der auch sonst erhalte- nen, aber meist leeren Prosenchymscheide noch deutlich erhaltene Gefäss- bündel. Bei zweien fand ich es vier-, bei mehreren anderen fünfstrahlig. Corda hat diese Wurzeln ganz übersehen, und selbst Unger giebt das Gefässbündel nur als fünfstrahlig an. Der einzige wesentlichere Unterschied beider Stücke besteht in der nach Corda’s Abbildung und Beschreibung fehlenden besonderen Scheide um die Gefässbänder der Axe, welche dagegen in dem von mir abgebilde- ten Stücke vorhanden ist. Ich lege hierauf keinen grossen Werth. Wo die Axe so schlecht erhalten ist wie in den vorliegenden Stücken, kann über das Vorhandensein oder Fehlen dieses überhaupt untergeordneten und ziemlich zweifelhaften Gewebes leicht Zweifel entstehen. Zudem giebt Unger in seiner späteren Diognose *) abweichend von Corda aus- drücklich an, die Gefässbänder seien mit einer Scheide versehen. Wenn endlich in seiner früheren Bestimmung ”**) die Axe selbst als scheiden- los bezeichnet wird, so kann das wohl nur auf einer abweichenden Be- zeichnungsart oder auf einer Verwechselung beruhen, da das erwähnte, von ihm selbst später als Ps. scolecolithus anerkannte Stück diese Scheide ganz deutlich zeigt. 6. Psaronius musaeformis Corda. (Taf. XXXIV. Fig. 2.) Truncus teres, nudus. Axis vaginatus; fasciceuli vasculares pauei distantes, medius aut medii duo inflexi aut hippocrepici, laterales latiores arcuati subparalleli, distichi. Cortex mediocris, interdum radiculis minutis percursus. *) Unger: Genera et spec. pl. foss., S. 219. *) Unger: In Endl. gen. plant. suppl. IL, S. 5. über die Staarsleine. 851 Psaronius musaeformis und Ps. carbonifer Corda, Beilr. z. Flora d. Vorw., S. 94, Taf. 45, Fig. 3 (Ps. musaef.) und S. 94, Taf. 20, Fig. 1—4 (Ps. carbonifer). Unger, Genera et spec. plant., S. 216. Presl, Suppl. tent. pterid., S. 29. Scitaminites musaeformis Sternb. Vers. I., 1. Heft, S.20, Taf. 5, Fig. 2a,b, 4. Heft. S. 36. Cromyodendron radnicense Presl, in Sternb. Vers. II., S. 193. Im Sandstein der Steinkohlenformation von Radnitz und Swina in Böhmen (Corda), im gelben Schieferthon ebend. (Sternberg). Der walzenrunde Stamm hat 2— 3 im Durchmesser und wird nicht selten in Stücken von 3— 9’ Länge angetroffen. Seine Masse ist gelbli- cher Kohlenschiefer (nach Sternberg) oder Sandstein (nach CGorda). Diese durchsetzen der Länge nach dünne schwarze oder graue Blätter, welche eben so wenig wie das zwischen ihnen befindliche Gestein irgend eine organische Structur wahrnehmen lassen. Nach ähnlichen Erschei- nungen bei den verkieselten Staarsteinen zu urtheilen, bei denen das Par- enchymgewebe oft ganz zerstört und spurlos verschwunden ist, an seiner Stelle sich structurloser Chalcedon, Jaspis, Quarz u. a. findet, während die Gefässe und die prosenchymatischen Zellen noch mehr oder weniger gut erhalten sind, lässt sich vermulhen, dass der von Sandstein oder Schie- ferthon ohne alle organische Reste erfüllte Raum in der lebenden Pflanze von lockerem Parenchymgewebe eingenommen wurde, während die der Fäulniss länger widerstehenden Gefäss- und Prosenchymgewebe durch das sie umschliessende Gestein vor gänzlicher Zerstörung geschützt und in eine kohlige Masse umgewandelt wurden. Wo die gröbere Gesteins- masse nicht in’s Innere der Gefässe und Zellen eindrang, blieb nur eine geringe structurlose Kohlenmasse als Ueberrest des organischen Stoffes zurück. Da in diesem Falle die Hohlräume der Gefässe und Zellen ganz verschwanden und nur ein Theil des Kohlengehalts ihrer Wände zurück- blieb, so finden wir es begreillich, dass aus einem dicken Gefässbande ein 852 C. G. Stenzel, feines Blätichen der kohligen Masse werden konnte; wo dagegen die Hohl- räume von der Gesteinsmasse erfüllt wurden, behielt die Kohle auch die allgemeine Form der Elementartheile, aus deren Verwesung sie hervorge- gangen, wie wir dies bei Psaronius radnicensis und Ps. pulcher finden, und hier zeigen die verkohlten Gewebe wenigstens annähernd denselben Umfang, wie die der lebenden Pflanze. Die grosse Uebereinstimmung des Ps. musaeformis (Taf. XXXIV. Fig. 2) mit Ps. scolecolithus (Taf. XXXIV. Fig. 1) bestimmt uns, wie wir bereits oben erörtert haben (S. 767), die breiten, bandförmigen, kohligen Schichten der ersten Art (Fig. 2gg) für Gefässbänder, die scheidenförmig das Ganze derselben umschliessende Kohlenlage (Fig. 2bb,h,k) für die prosenchymatische Scheide der Axe zu halten. Von den zwei von mir hierher gerechneten Formen gehört der von Sternberg abgebildete Stamm, von welchem wir einen Querschnitt in % der natürlichen Grösse vor uns haben (Taf. XXXIV. Fig.2), unzweifelhaft hierher; auf ihn ist diese Art gegründet worden. In der Mitte der fast 3 dicken Axe liegt ein im spitzen Winkel ge- faltetes Bündel, zu beiden Seiten desselben, einander paarweise gegen- über, je vier flachrinnige Gefässbänder (gg) mit dem Rücken nach aussen gewendet, im Querschnitie bogenförmig einander umfassend. Sie können hier als Bogen vier unvollständiger concentrischer Kreise betrachtet wer- den. Umzogen ist ihre Gesammitmasse von einer (prosenchymatischen) Scheide (bb), welche in den einen der beiden von den Gefässbündeln der Axe freigelassenen Kreisausschnitte hineingebogen ist (k), vielleicht auch in den anderen gegenüberliegenden (h), welchen sie nach aussen im wei- ten Bogen umzieht. In diesem liegen 1—2 Gefässbündel (@) von denen der Axe getrennt, um in ein Blalt einzutreten. Die zwischen der (prosenchymatischen) Scheide (bb) und der Aus- senfläche des Stammes liegende Rindenschicht ist mit structurloser Masse erfüllt, und nicht, wie gewöhnlich, von Wurzelanfängen durchsetzt. Von Wurzeln ist überhaupt an dem Stücke nichts zu sehen. über die Staarsteine. 853 Fast ganz ebenso gebaut ist der Stamm von Ps. carbonifer Corda, die zweite hierher gehörige Form; nur hat derselbe, seiner geringeren Dicke von nur 2° entsprechend, nur drei Gefässbündel an jeder Seite des miltel- sten, und die zwei, diesem zunächststehenden sind immer an der Seite ver- schmolzen, an welcher die Gefässbündel nach dem Blatte abgehen, und um- fassen so hufeisenförmig das mittelste nach dieser Seite offene Bündel. Beide Verschiedenheiten scheinen mir nicht wesentlich genug, um eine besondere Art auf sie zu gründen, da wir von dem von Sternberg ent- deckten Stamme von Ps. musaeformis nur einen einzigen Querschnitt ken- nen, und das Verschmelzen einzelner Gefässbänder mit anderen auch bei anderen Arten nicht ganz selten bemerkt wird; im vorliegenden Falle ist es von der Lage des Querschnittes zu den nach den Blättern abgehenden Gelfässbändern abhängig. Noch weniger fällt der Umstand in’s Gewicht, dass hier ein 3— 4 dickes Wurzelnetz die Axe umhüllt. Um dieselbe zieht sich nämlich auch hier eine (prosenchymatische) Scheide, ausserhalb deren, ganz wie bei anderen Arten, zahlreiche Wurzelanfänge die Rindenschicht durchziehen. Dieselben sind verkohlt und nur noch der Umriss der Scheide zu erken- nen. An vielen Stellen liegen sie so nahe an der (Prosenchym-) Scheide der Axe, dass diese sich von ihnen nicht unterscheiden lässt. Hier und da jedoch tritt sie ganz deutlich hervor, und zwar stets gegenüber den in die Blätter abgehenden Gefässbündeln, wo sie, wie bei dem von Stern- berg abgebildeten Stamme, nach Innen gebogen ist. Ausserdem sieht man sie auch zuweilen an anderen Stellen. *) Es nimmt dieses Wurzelgeflecht genau dieselbe Stelle ein wie die etwa 3% dicke Rindenschicht an dem von Sternberg aufgefundenen Stamme, und die regelmässig walzenrunde, fast glatte Aussenfläche dieser Wurzelumhüllung setzt es ausser Zweifel, dass wir hier eine von Wurzel- anfängen durchzogene Rindenschicht vor uns haben. *) Corda: Beitr., t. 28, f. I (links), f. 3 (rechts). 854 ©. G. Stenzel, Bei den Baumfarnen der Jetztwelt entspringen die Wurzeln oft in grosser Menge an den unteren Theilen des Stammes, und umhüllen diesen mit einem dicken Geflecht, während weiter oben wenige oder gar keine zu finden sind. Aehnlich mag es bei den Staarsteinen gewesen sein, und nichts steht entgegen, die mit Wurzelanfängen umgebenen, von Corda als Ps. carbonifer beschriebenen Bruchstücke als untere Stammtheile dersel- ben Art anzusehen, von denen der Sternberg’sche Ps. musaeformis ein oberer Theil eines sehr kräftigen Stammes ist. Es hat diese Art seit ihrer ersten Bekanntmachung sehr verschiedene Deutungen erfahren. Sternberg *) brachte sie zu den Scitamineen, als Seitaminites musaeformis, indem er die einander bogenförmig umfassenden Kohlenstreifen mit den zu einem Scheinstamme vereinigten Blattscheiden der Musa verglich. Presl**) verwarf diese Ansicht. Nach ihm wird der Stamm von sechs dicken, nicht gegenständigen, sondern wechselständigen Blattschei- den gebildet, deren äusserste den grössten Theil des Stammes umfasst. Die nach den Blättern abgehenden Gefässbündel nimmt er für einen Ast, das Ganze für eine stammbildende, baumartige Zwiebel mit einer Brutzwie- bel und bringt es daher als Cromyodendron (Zwiebelbaum) radnicense zu den Liliaceen. Diese Deutung scheint mir noch weniger glücklich, als die Sternberg’s. Es wird durch dieselbe gar nichts gewonnen, da die bestimmt gegenständigen oder doch zweizeiligen Streifen mit der Blattstel- lung der Zwiebeln nicht besser vereinbar sind als mit der der Musen (Ra- venala madagascariensis), und die baumartige Grösse bei einer Zwiebel noch dazu ganz den jetzigen Bildungsgeselzen derselben widerspricht, da die jeder ächten Zwiebel eigenen Nährblätter kaum je an einem langdau- ernden, vielweniger an einem baumartigen Stamme sich bilden, welcher schon ohne sie Nahrungsstoffe genug bergen kann. Ganz unerklärlich *) Sternberg: Vers. 1. Heft, S. 20, 4. Heft, S. XXXM. *) Presl: In Sternb. Vers. II., S. 193. über die Staarsteine. 855 endlich würde es bleiben, wie aussen an den Blattscheiden eine Brut- knospe sich finden sollte, wo kein Stammtheil mehr zwischen ihnen zu be- merken ist. Cotta *) machte zuerst auf die Analogie in der Stellung der bandar- tigen Gefässbündel bei Ps. helmintholithus (Dendr. Taf. 6, Fig. 1, 2, Ps. simplex Ung.) mit der Stellung jener Linien bei Scitaminites musaefor- mis, welche Sternberg für die Grenzlinien unentwickelter, nach Art der Musen um einander geschlungener, Blätter halte, aufmerksam. CGorda trennte, durch diese Analogie geleitet, den Seitaminites mu- saeformis von den Monokotyledonen und brachte ihn zu den Staarsteinen, indem er die feinen Kohlenbänder für Gefässbänder erklärte, während ich in dem äussersten, die Axe ringsumfassenden, die prosenchymatische Scheide derselben zu erkennen glaube. Ps. musaeformis, von den früheren Arten durch die geringe Zahl und die Stellung der Gefässbänder der Axe verschieden, weicht auch von der letzten derselben, Ps. scolecolithus, durch die im Querschnitte schwach bogenförmige Gestalt der äusseren Gefässbänder ab, während bei Ps. sco- lecolithus alle entweder der ganzen Länge nach oder an den Rändern ein- gefaltet sind, so wie dadurch, dass bei dieser Art immer mehrere, bei Ps. musaeformis nur je ein (bisweilen vielleicht zwei [?]) Gefässbänder nach den Blättern abgehen. Die entferntere Stellung der Gefässbänder in der Axe, beruht, wie wir sahen, auf der verschiedenen Art der Versteinerung. Anhang. Psaronius radnicensis Corda. Ps. trunco arboreo, strato radieularum crasso involuto „‚fasciculis li- gnosis tenuissimis, latis, margine inflexis, radieibus tenuibus, corlice cras- siuscula, lacunosa, libro tenui, vagina propria spuria, fasciculo vasorum centrali stellato radiis quinque inaequalibus‘‘ Corda, Beitr., S. 97, Taf. *) Cotta: Dendrol., $S. 33, Anm. 1. 856 C. G. Stenzel, 31. — Unger, Gener. et spec. plant. foss., S. 218. — Presl, Suppl. tent. pterid., S. 30.- Im Kohlensandstein von Chomle bei Radnitz in Böhmen. Die Stämme dieses in Gemeinschaft mit Ps. musaeformis (Ps. mu- saeformis und Ps. carbonifer Corda) im Kohlensandstein von Chomle bei Radnitz entdeckten Staarsteins sind so zerdrückt und zerstört, dass man sie unmöglich als eine besondere Art betrachten kann, so lange nicht Merk- male gefunden sind, welche sie sicher von den übrigen unterscheiden. Im Ganzen scheinen sie mit Ps. musaeformis die meiste Aehnlichkeit zu ha- ben. Wenige breite Gefässbänder ohne eigene Scheide zwischen dünn- wandigem meist zerstörtem Parenchym durchlaufen die Axe, welche von einer sehr dicken, regellos ausgezackten Prosenchymscheide umgeben ist. Die Gefässe erscheinen im Längsschnitte fein quergestreift. Das zuweilen 2—9° dicke Wurzelgellecht um dieselbe besteht aus dünnen Wurzelanfängen von kaum 1’ Durchmesser. Das kleinzellige lückige Gewebe, von welchem die Prosenchymscheide derselben umgeben ist, ist mir äusserst zweifelhaft. Die letztere ist nicht sehr dick und ent- hält ein fünfstrahliges Gefässbündel, mit theils langen dünnen, theils kur- zen, aus wenigen Gefässen gebildeten Strahlen. Um dieses deutet ein Kreis dunkler Flecke die zellige Scheide des Holzbündels an. Alles verträgt sich recht wohl mit Ps. musaeformis, von dem wir hier vielleicht den sehr schlecht erhallenen untersten Stammtheil vor uns haben, um welchen das Wurzelgeflecht sehr dick ist, und dessen äusserste Wurzeln bereits aus dem Rindenparenchyme ausgetreten, daher grösser, mit dünnerer prosenchymalischer Scheide und weiterem Innenparenchyme ausgestattet sind. Die Undeutlichkeit der Anordnung der Gefässbänder der Axe, welche eine Trennung dieser Stücke von den verwandten Arten unthunlich er- scheinen lässt, macht es eben so bedenklich, sie zu einer derselben zu zie- hen. Am besten thut man ohne allen Zweifel, so mangelhafte Bruchstücke ganz unberücksichtigt zu lassen. über die Staarsteine. 857 B. Die Axe ohne prosenchymatische Scheide. a. Gefässbänder derselben entfernt. a. Dieselben sind zweizeilig gestellt. 7. Psaronius simplex Unger. Trunecus teres, mediocris. Axis evaginati fasciculi vasorum pauei distichi, sparsi liberi aut bini a medio recto aut plicato aeque distantes modo hine modo illine coaliti. Faseiceuli singuli in folia abeunt. Cortex mediocris. processibus radicalibus minutissimis percur- ritur. Psaronius simplee Unger, in Endl. Gen. plant. suppl. I., S. 5. — Synopsis plant. foss., S. 147. Psaronius simplex und Ps. Ungeri Corda, Beitr. z. Flora der Vorw. S. 9. Unger, Gen. et spec. plant. foss., S. 217. Presl, Suppl. tent. pterid., S. 29. Psaronius helmintholithus Cotta z. Th., Dendrolithen, S. 33, Taf. 6, Fig. 1 (Ps. simplex) und Fig. 2 (Ps. Ungeri). Im Rothen-Todtliegenden Sachsens (Chemnitz nach Cotta). Der mehrere Zoll dicke Stamm scheint unregelmässig walzig gewe- sen zu sein, doch ist sein äusserer Umriss aus den zwei einzigen bekann- ten Stücken, welche Cotta (a. a. O.) abgebildet hat, nicht mehr mit Si- cherheit zu bestimmen. Die Axe ist fast walzenrund, 2— 3 dick, ohne Scheide. Die Gefässbänder derselben liegen, ähnlich wie bei den beiden vorigen Arten, dem mittelsten entweder einfachen geraden (Ps. simplex Corda) oder hufeisenförmig gebogenen (Ps. Ungeri Corda) zu beiden Seiten parallel, nach aussen breitere als innen. Die äusseren sind an den Rändern eingerollt. Je zwei gleich weit vom mittelsten abstehende Bün- del sind zuweilen an einer Seite mit ihren Rändern verschmolzen und so zu einem einzigen vereinigt, welches im weiten Bogen die weiter nach Innen liegenden umfasst. Die aufeinander folgenden sind stets an den Vol. XXIV. P. II. 108 858 C. G. Stenzel, enigegengesetzten Seiten des Stammes vereinigt. Bei dem einen von Cotta abgebildeten Stücke (Dendrol. Taf. 6, Fig. 1) sind vier Gefäss- bündel durch einen Bogen mit einander verbunden, eine jedenfalls unge- wöhnliche Erscheinung, welche eine nähere Untersuchung verdiente und zu sehr das Gepräge der Abnormität trägt, um zur Artunterscheidung be- nutzt zu werden. Aehnliches Zusammenhängen einzelner Bänder mit an- deren findet sich ohne alle Regel und überhaupt selten auch bei anderen Arten. Von diesen Verbindungsbogen trennen sich die einzelnen nach den Blättern abgehenden Gefässbänder, deren auf einer Höhe nur eines steht, zuweilen an der entgegengesetzten Seite noch eines im ersten Beginne der Absonderung, woraus sich der sichere Schluss ziehen lässt, dass diese Art wechselständige zweizeilige Blätter hatte. Ein Querschnitt trifft diese einzelnen Gefässbänder entweder noch mit denen der Axe zusammenhän- send, und nur im grossen Bogen oder selbst hufeisenförmig nach aussen gekrümmt, oder schon von derselben getrennt als ein breites, nach innen gefaltetes und an den Rändern eingerolltes Bündel. Die Wurzelanfänge entspringen in unmittelbarer Nähe der Ge- fässbänder, nicht, wie bei den vorigen Arten, durch eine prosenchyma- tische Scheide von denselben getrennt. Sie sind bei der vorliegenden Art sehr klein, wohl dünner, als an irgend einem anderen Staarsteine, von einer zarten prosenchymatischen Scheide umgeben. Corda hat beide von Unger unter Ps. simplex zusammengefasste Formen als besondere Arten unterschieden. Der einzige bedeutendere Unterschied besteht in dem bei Ps. simplex einfachen geraden, bei Ps. Ungeri dagegen hufeisenförmig gefalteten Mittelbündel. Diesen an sich sehr unbedeutenden Unterschied kann ich jedoch nicht für gewichtig ge- nug zur Artentrennung halten, und zweifle nicht, dass eine genaue Unter- suchung und Vergleichung zahlreicherer Stücke diese Meinung bestätigen würde. über die Staars “ine. 359 8. Psaronius chemnitziensis Corda. Truncus subeylindricus, crassus. Axis evaginati faseiculi vasorum lati, fasciculo medio utrinque paralleli, distichi, pauci, di- stantes, vagina propria tenuissima eincti, fasciis minoribus complu- ribus ab utroque axis latere discedentibus. Processus radicales teretes, compressi, mediocres, strato prosenchymatosı imo fascicu- lum vasorum quadrilobatum includente. Psaronius chemnitziensis Corda, Beitr. z. Flora d. Vorw., S. 105, Taf. 43, Fig. 1—4. Unger, Genera et spec. plant. foss., S. 220. Presl, Suppl. tent. pter., S. 31. Im Rothen-Todtliegenden bei Chemnitz in Sachsen. Die Axe des ursprünglich wohl walzigen, etwas zusammengedrück- ten Stammes ist ganz breitgedrückt. Ihr längerer Durchmesser beträgt 17,*, ihr kürzerer kaum %”. Nach der grossen Uebereinstimmung mit Ps. scolecolithus (Taf. XXXIV. Fig. 1), von dem unsere Art sich fast nur durch den Mangel der Prosenchymscheide um die Axe unterscheidet, zu schliessen, ist diese früher auch walzenrund oder wenig zusammengedrückt gewesen, und die Gefässbänder derselben haben nicht nahe, wie jelzt, son- dern in mässiger Entfernung von einander gelegen. Das ziemlich gut erhaltene Parenchym der Axe besteht aus kleinen, dünnwandigen, polyedrischen Zellen, bildet aber nur schmale Streifen zwi- VALL schen den ziemlich nahe aneinander gerückten, ,—17%’ breiten, 7 dicken Gefässbändern. Die unregelmässig zerstreuten schwarzen Flecke, welche Corda in diesem Gewebe bemerkte und für verkohlte Harzkrypten hielt, lassen keine sichere Deutung zu. Die Gefässbänder sind weniger lief gefaltet, sonst aber ganz ähn- lich gestellt, wie bei Ps. scolecolithus. Die mittelsten sind schmäler und ganz flach, zu beiden Seiten derselben breitere, nach innen gefaltete in geringer Zahl, so dass die ganze Axe von 1O—11 einander parallelen Gefässbändern durchzogen ist, welche von einer ganz dünnen, schwarzen, 860 C. G. Stenzel, structurlosen Scheide eng umschlossen sind und aus drei- bis siebenecki- gen Gefässen ohne Holz- oder Parenchymzellen bestehen, wie die aller Staarsteine. An jeder der beiden, den Rändern der Gefässbänder entsprechen- den Seiten der Axe liegen mehrere kleinere Gefässbänder, zu einem aus der Axe heraustretenden Ganzen vereinigt, um in die Blätter abzugehen, welche, nach dieser Anordnung zu schliessen, zweizeilig gestanden haben müssen. Bei dem vollständigsten und am besten erhaltenen Stücke die- ser Art *) sind an einer Seite drei solche Gefässbänder, wenig gekrümmt, einander parallel und der Axe mit ihren Rändern zugekehrt. Der aus der scheidenlosen eigentlichen Axe und diesen Fortsätzen bestehende Mittelkörper des Stammes ist umhüllt von einem 1—1 7, dik- ken Wurzelgeflecht. Das zwischen den Wurzelanfängen ursprünglich wohl vorhandene Rindengewebe des Stammes ist gänzlich zerstört und auch von diesen ist fast nie mehr vorhanden, als die dicke prosenchyma- tische Scheide. Diese ist stielrund oder etwas breitgedrückt, und hat in der Nähe der Axe — 1’, weiter nach aussen bis 2/ im Durchmesser, bei den breitgedrückten Wurzeln oft 1/ und 3. Der enge, von dieser Scheide umgebene Raum ist stets mit Chalcedon vollgeflossen, in welchem man hie und da structurlose Reste von Innenparenchym und Holzbündel findet. Nur einmal fand ich ein aus wenigen Gefässen zusammengesetz- tes, im Querschnitte deutlich vierlappiges Gefässbündel. Bei weniger gut und vollständig erhaltenen Stücken dieser Art ist die Anordnung der Gefässbänder in der Axe nicht so regelmässig, wie wir oben angegeben; doch rührt das sicherlich von den bei der Versteinerung und der ihr vorhergehenden theilweisen Zerstörung der Gewebe eingetre- tenen Verschiebungen dieser Theile her. Von dieser Art ist das von Corda abgebildete kleinere und das im K. K. Hof-Mineralienkabinet in Wien befindliche Bruchstück, welches zu vergleichen ich durch die Güte *. Corda: Beitr., t. 48, £ ]. über die Staarsteine. 861 des Herrn Custos Partsch in den Stand gesetzt wurde. Dasselbe ist dadurch ausgezeichnet, dass eine Wurzel noch ein wohlerhaltenes vierlap- piges Gefässbündel enthält, so wie dadurch, dass die nach den Blättern ab- gehenden Gefässbänder sehr dünn sind (etwa 7) und aus sehr kleinen Gefässen bestehen. Die geringe Zahl der breiten, immer ziemlich parallelen zweizeiligen Gefässbänder und der gänzliche Mangel einer prosenchymatischen Scheide um die Axe unterscheiden diese Art von den meisten übrigen; von Ps. simplex der Umstand, dass nicht, wie bei dieser Art, je ein, sondern stets mehrere Gefässbänder nach jedem Blatte abgehen. b. Die Gefässbänder sind ohne erkennbare Ordnung in der Axe ver- theilt. 9. Psaronius arenaceus Corda. Truncus compressus, crassiusculus, foliorum cicatricibus ma- snis, elliptieis, tetrastichis ornatus. Axis evaginatus, fasciis vaso- rum irregulariter dispersis, vaginatis percursus. | Psaronius arenaceus Corda, Beitr. z. Flora d. Vorw., S. 95, Taf. 28, Fig. 5—9. Unger, Genera et spec. plant. foss., S. 217. Presl, Suppl. tent. pterid., S. 29. Im Kohlensandstein von Chomle bei Radnitz in Böhmen. Der Stamm dieser von Corda aufgefundenen Art ist so stark zusam- mengedrückt, dass sein längerer Durchmesser 37, der kürzere nur 1 beträgt. Er ist aussen bedeckt mit grossen eirunden, zolllangen und über halb so breiten Blattnarben, welche in vier senkrechten Reihen stehen, an denen je zwei an einer flachen Seite viel näher aneinander stehen, als die zwei benachbarten von verschiedenen Seiten. Dadurch wird es ausser Zweifel gesetzt, dass der Stamm schon im Leben plattgedrückt war. Nun ist er aber in der Mitte am stärksten zu- sammengedrückt, und dadurch eine Trennung in zwei, allerdings noch zu- sammenhängende Theile angedeutet; die Blattnarben eines jeden dieser 862 C. G. Stenzel, Theile stehen nicht auf gleicher Höhe mit denen des anderen und doch auch nicht genau auf der Höhe der Zwischenräume zwischen denselben. Alles dies lässt mich vermuthen, dass das nur drei Zoll lange Bruchstück von einer Stelle herrühre, an welcher der Stamm sich eben dichotomisch zu theilen anfing. Dann hatte jeder Theil, wie wohl der übrige Stamm auch, zweizeilige Blattnarben, deren unsymmetrische Stellung ohne diese Annahme schwer zu erklären ist. Der innere Bau ist zu schlecht erhalten, als dass aus ihm eine Bestä- tigung oder Widerlegung dieser Ansicht hergeleitet werden könnte. Das ganze Stück ist mit gelbem Sandsteine erfüllt, in welchem feine Kohlen- streifen die Lage der dauerhafteren Gewebe vermuthen lassen, während die weicheren spurlos verschwunden sind. Die Gefässbänder sind so ver- worfen, dass man auf ihre frühere Stellung keinen Schluss wagen kann. Sie sind meist in structurlose Kohle verwandelt. Nur an wenigen Stellen sind bei sorgsamer Behandlung zerstreute Partieen von Gefässzellen zu erkennen, umgeben von einer dieken schwarzen Scheide. Einzelne Ge- fässzellen lassen im Längsschnitt bei starker Vergrösserung selbst noch Querstreifen wahrnehmen. Eine allgemeine Scheide um die Axe ist nicht vorhanden und, nach der glatten Aussenfläche des Stammes zu urtheilen, war derselbe nicht mit Wurzeln bekleidet. 10. Psaronius Freieslebeni Corda. Truncus cylindricus crassus, foliorum eicatricibus elliptieis magnis hexastichis insignitus et strato radicularum tenui velatus. Axis evaginatus medius fasciis vasorum numerosis latis plus minus pli- catis, alterä alteram amplectentibus percursus; ternis in folia decurrentibus. Psaronius Freieslebeni und Ps. pulcher Corda, Beitr. zur Flora der Vorw., S. 96, Taf. 29, Fig. 1—7, Taf. 30, Fig. 1—4 (Ps. pulcher). über die Staarsteine. 863 Unger, Gen. et spec. plant. foss., S. 217. Presl, Suppl. tent. pterid., S. 30. Caulopteris Freieslebeni Gutbier, über einen fossilen Farnstamm a. d. Zwickauer Schwarzkohlengebirge, 1842. Im Schieferthone zwischen den oberen Kohlenflötzen der Hauptstein- kohlenformation von Ober-Hohndorf bei Zwickau in Sachsen (Ps. Freiesl.) und im Kohlensandstein von Chomle bei Radnitz in Böhmen (Ps. pulcher Corda). Im Schieferthone zwischen den oberen Kohlenflötzen der Zwickauer Steinkohlenformation finden sich aufrechtstehende 3—4 dicke Stamm- stücke von 1%,—3 Länge und fast walzenrundem Umrisse. Sie sind überzogen mit einer 1— 2% dicken Kohlenschicht, nach deren Wegräu- mung man an der Aussenfläche des Stammes eirunde, zolllange Blattnar- ben bemerkt. Je drei stehen auf einer Höhe rings um den Stamm, mit drei anderen tiefer- und drei höherstehenden abwechselnd. Die Blätter haben danach in sechs senkrechten Reihen und zwar in dreigliedrigen alternirenden Wirteln gestanden. *) Innen ist der Stamm erfüllt mit feinem Schieferthone. Darin liegen sehr dünne Blätter von structurloser, kohliger Masse, welche nach Form und Lage so sehr mit den Gefässbändern in der Axe der übrigen Staar- steine übereinstimmen, dass wir sie unbedenklich als verkohlte Gefässbün- del ansehen können. Ja, im Kohlensandsteine finden sich sonst weniger gut erhaltene Stücke, bei welchen die Gefässe dieser Bündel noch im Quer- und Längsschnitte bestimmt als solche zu unserscheiden sind (Ps. pulcher). Um die Mitte des Stammes sieht man zahlreiche Gefässbänder, welche nach aussen von breiteren, klammerförmig eingekrümmten, vor die Lücken zwischen den inneren gestellten, umfasst werden. Von dieser Masse, *) Nicht, wie Corda (Beitr. S. 96) und nach ihm Unger (Genera et spec. plant. foss., S. 217) angeben, mit Y/, (2?) Divergenz. 864 C. G. Stenzel, welche die Mitte des Stammes einnimmt, gehen je drei, stark nach innen gefaltete Gefässbänder schräg nach aussen, um, wie der Längsschnitt zeigt, in die Blattnarben einzutreten. Die Längsrunzeln der letzteren können wohl von den hier austretenden Gefässbündeln herrühren. Aussen ist der Stamm bedeckt mit einer 1—24 dicken Kohlenrinde, welche im Querschnitte hie und da kleine Ringe zeigt, offenbar von dün- nen Wurzeln. Die geringe Zahl derselben innerhalb des Stammes be- weist, dass sie bei unserer Art nicht eine so lange Strecke, wie bei den meisten übrigen Staarsteinen innerhalb der Rindenschicht herabsteigen, sondern nach kurzem, wahrscheinlich schrägem, Verlauf durch dieselbe austreten, um aussen am Stamme herabzulaufen, ähnlich den Nebenwurzeln der lebenden Baumfarne aus der Gruppe der Polypodiaceen und Cya- Iheaceen. Psaronius pulcher Corda unterscheidet sich nach Corda’s eigener Angabe nur durch die viel bedeutendere Dicke der ganz verworfenen und daher ohne erkennbare Ordnung in dem mit Sandstein erfüllten Stamme zerstreuten, 2— 3 breiten Gefässbänder. Die einzelnen Gefässe, aus denen sie bestehen, sind noch wohl erhalten, ihre Wandungen verkohlt, ihr Hohlraum mit Steinmasse erfüllt. Es scheint daher nichts natürlicher, als dass die Bündel einen grösseren Durchmesser haben, als bei Psarorius Freieslebeni Gutbier, deren verkohlte Wandungen zu einer dichten Masse zusammengedrückt sind; nichts ist aber unnatürlicher, als einen in der Art und Weise der Versteinerung allein begründeten Unterschied zum Art- merkmal zu machen. Auffallend bleibt dabei, dass gerade bei den Stücken mit innerlich besser erhaltenen Gefässbändern deren Umriss und gegensei- tige Stellung ganz gestört ist, während umgekehrt die noch vielmehr in ihrer ursprünglichen Anordnung befindlichen Gefässbündel keine Spur von ihrem inneren Bau mehr zeigen. Dem entsprechend kann man gerade bei den von Corda als Ps. pul- cher beschriebenen Stücken noch die sechseckigen, diekwandigen Zellen der prosenchymatischen Wurzelscheide erkennen, welche nach aussen über die Staarsteine. 865 unmittelbar in die dünnwandigen viel grösseren Parenchymzellen der Rinde übergehen. Der innere Raum ist sehr klein, daher das ihn erfüllende Ge- webe wohl nicht lückig, sondern dicht war; doch ist Innenparenchym und Holzbündel stets zerstört. Unter den bisher beschriebenen Arten nähert sich Ps. Freieslebeni durch seine entfernten, nach mehreren Seiten gleichförmig veriheilten Ge- fässbänder dem Ps. Putoni und helmintholithus, von welchen der Mangel der prosenchymatischen Scheide der Axe ihn bestimmt trennt, wie von den folgenden die grössere Anzahl und die lockere Stellung der Gefässbänder. b. Gefässbänder der Axe gedrängt. 11. Psaronius Gutbieri Corda. Trunecus eylindricus. Axis tenuis paullum compressus evagi- natusfasciisvasorum 10—12 confertis, latis, obtuse-plicalis, mar- gine incurvis, vagina propria tenui einclis percurritur. Processus radica- les mediocres, vagina crassa, fasciculum lignosum pentagonum includente. Psaronius Gutbieri Corda, Beitr. z. Flora d. Vorw., S. 105, Taf. 42. Unger, Gen. et spec. plant. foss., S. 220. Presl, Suppl. tent. pterid., S. 31. Psaronius helmintholithus Gutbier, über einen fossilen Farnstamm, S.9, 15, Taf. 4, Fig. 5 (nach Corda). Im Rothen-Todtliegenden Sachsens. Der Stamm mit der ihn umgebenden Wurzelschicht ist fast walzen- rund; da jedoch das Rindenparenchym zerstört ist, lässt sich nicht entschei- den, wie weit es sich zwischen die Wurzelanfänge erstreckt hat und wie dick der eigentliche Stamm gewesen ist. Die Axe ist etwas plattgedrückt, der längere Durchmesser 1, der kürzere kaum /,. Sie wird durchzogen von ziemlich zahlreichen, 10-12, nahe aneinander gerückten ziemlich breiten Gefässbändern, deren mittlere einander fast parallel sind und von den äusseren von allen Seiten klammer- förmig umfasst werden. Diese letzteren sind an den Rändern etwas ver- Vol. XXIV. P. Il. 109 866 C. 6. Stenzel, dickt und eingerollt. Die Gefässbänder bestehen aus vieleckigen Gefäss- zellen, deren Wände nach innen unregelmässig ausgezackt und angenagt erscheinen, doch glaube ich, dass dies nur von der dunklen, die Wände innen als dünnere oder dickere Schicht überkleidenden Versteinerungs- masse herrührt, während das Innere der Gefässe mit lichtem Chalcedon erfüllt ist, ähnlich, wie ich dies bei Gefässen von Ps. infaretus (Taf. XXXVIN. Fig. 69) beobachtet habe, wo der dunkle Ueberzug dicker ist und keine Verwechselung mit der Gefässwand selbst zulässt. Eine structurlose dunkle Scheide von mässiger Dieke umgiebt die Gefässbänder. Das Mark ist in eine gleichförmige Modermasse zerfallen, in welcher zahlreiche rundliche helle Flecke liegen, welche ich für gleich- bedeutend mit den ähnlichen hellen oder dunklen Flecken im Parenchyme der Axe von Ps. Cottae (Taf. XXXV. Fig. 2hh) halte. Da die Axe nicht von einer prosenchymatischen Scheide umgeben ist, so liegen aussen, nahe an den Gefässbündeln derselben, die innersten kleinen Wurzelanfänge, denen weiter nach aussen grössere folgen und mit ihnen ein 1, — 2 dickes Geflecht um die Axe bilden. Nur die Aehnlichkeit freilich mit der folgenden Art, die Gestalt und Vertheilung, wie der Mangel an Veräste- lungen lässt uns darauf schliessen, dass wir hier nicht freie Wurzeln, son- dern Wurzelanfänge in der Rindenschicht des Stammes vor uns haben, da das Gewebe dieser selbst ganz verschwunden ist. Auch von den Wurzelanfängen ist nichts als die mässig dicke Pros- enchymscheide und das fünfeckige Holzbündel mit fünfeckigem, seltener fünfstrahligem Gefässbündel in dicker structurloser Scheide erhalten. Nach den bei den übrigen Arten gemachten Erfahrungen ist es mir unzweifelhaft, dass das Gefässbündel ursprünglich im Querschnitte überall sternförmig war, und dass da, wo die Fäulniss die einzelnen Gefässe von einander trennte, diese in ein eckiges oder ganz formloses Bündel zusam- menfielen. Immerhin ist das Zusammenvorkommen beider Formen an dem- selben Stücke lehrreich und kann einen Maassstab für die Beurtheilung des Werthes derselben für die Artbestimmung abgeben. über die Staarsteine. 867 Auf die Verwandtschaft dieser Art mit der folgenden kommen wir bei dieser zurück. 12. Psaronius Cottae Corda. (Taf. XXXV und XXXVI.) Truncus crassus. Axis excentricus, tenuissimus, cylindricus evaginalus, fasciae vasorum paucissimae (4), latae bis terve plicatae, irregulariter dispersae. Cortex crassissimus, proces- sibus radicalibus innumeris percursus, e vagina prosenchymatosa, par- enchymate stricto, ductus proprios gerente et fasciculo lignoso composilis, cuius vasa 4—6 radiata parenchymate tenero aequabili velantur. Ra- dices crasse corlicatae. Psaronius Cottae Corda, Beitr. z. Flora d. Vorw., S. 104, Taf. 41, Unger, Gen. et spec. plant., S. 220. Presl, Suppl. tent. pterid.. S. 31. Im Rothen-Todtliegenden von Chemnitz in Sachsen. Der Stamm war, nach dem vorliegenden Bruchstücke (Taf. XXXV. Fig. 1) zu urtheilen, wenigstens 7 Zoll dick. Ueber seinen Gesammtum- riss lässt dasselbe keinen sicheren Schluss zu; wahrscheinlich etwas breitgedrückt und stumpfeckig. Ziemlich weit von der Mitte desselben, von der einen Seite der Aussenfläche kaum 1/,”, von der anderen über 6” entfernt, liegt die rundliche, unverhältnissmässig dünne Axe (Fig. 1s) von kaum Y, Durchmesser. Sie wird durchzogen von vier, verhältniss- mässig breiten, mehrfach nach innen gefalteten Gefässbändern, welche ein- ander theilweise umfassen, aber ohne erkennbare Ordnung gestellt sind. Das Parenchym der Axe (Fig. 2p) ist zerstört und der Raum zwi- schen den Gefässbändern mit dunkelbrauner Gesteinsmasse erfüllt, in wel- cher wir zahlreiche schwarze oder graue rundliche Flecke bemerken, ohne strenge Ordnung zwar, meist aber in Reihen die Gefässbänder begleitend. Vielleicht war das früher mit allen der Fall und erst bei der Auflösung des Gewebes, in welchem sie lagen, wurden sie hierhin und dorthin zerstreut. 868 C. G. Stenzel, Die Gefässbänder (gg) bestehen allein aus vieleckigen Treppen- gefässzellen von sehr verschiedener Grösse, ohne Regel eng zusammen- gestellt. Sie sind umgeben von einer dunklen, nach aussen in die Ge- steinsmasse allmälig übergehenden Schicht (bb), welche jedoch von zu ungleichmässiger Dicke und zu wenig scharf begrenzt ist, um sie mit Zu- versicht für den Rest einer besonderen Scheide der Gefässbänder zu er- klären. Die Axe ist ohne Scheide, daher reicht die Rindenschicht des Stammes bis nahe an die Gefässbänder; während aber das Parenchym zwi- schen den letzteren völlig zerstört ist, besteht das der Rinde aus deutlich erkennbaren, oft trefflich erhaltenen Parenchymzellen, welche in radialer Richtung gestreckt und fast viereckig sind. Und gerade die Rinde war der zersetzenden Einwirkung des Wassers weit länger ausgesetzt, als die Axe, wie die Zerstörung aller Gewebe, selbst der dicken, prosenchymati- schen Wurzelscheiden nahe am Umfange des Stückes, beweist. Diese Verschiedenheit in der Festigkeit des Axen- und Rindenparenchyms zeigt, dass beide Gewebe wesentlich verschieden waren, auch wo sie nicht durch eine, die Axe umgebende, prosenchymatische Scheide von einander ge- trennt sind. Dieses radial gestreckte Gewebe umgiebt die Axe in einer, den Durchmesser derselben an den verschiedenen Seiten drei- bis zwölf- mal übertreffenden Dieke und wird in dieser Ausdehnung durchsetzt von ungemein zahlreichen Wurzelanfängen, welche, aussen an den Gefässbän- dern entspringend nach unten und wenig nach aussen gerichtet, der Axe des Stammes fast parallel laufen. In der Nähe derselben sind sie meist ausserordentlich klein, }; /,„'4 dick; weiter nach aussen folgen grössere und die nach dem Umfange des Stückes hin sind 1, — 2° dick. Die Prosenchymscheide dieser Wurzelanfänge (Taf. XXXVI. Fig. 155) geht nach aussen stetig in das Rindenparenchym des Stammes (aa) über, nach innen dagegen ist sie scharf gegen das Innenparenchym (p) abgegrenzt. Sie besteht aus d5— 10 Reihen grösserer und kleinerer etwas dickwandi- ger Prosenchymzellen, deren Wandung meist schwarz, hie und da aber über die Staarsteine. 869 weiss oder ziegelroth gefärbt ist, in welchem Falle sie von dem dunkleren Inhalte so scharf absticht, dass man selbst bei schwacher Beleuchtung ihren Umriss, ihre Dicke und die Trennungslinien der aneinanderslossen- den Zellen mit grösster Schärfe erkennt. Da das Innenparenchym ge- wöhnlich und oft das Holzbündel zerstört ist, hat die Scheide selten ihre ursprüngliche rundliche Form behalten, sondern sie ist fast stels mehr oder minder breitgedrückt, so, dass sie eine schmale Seite der Axe des Stam- mes zuwendet. Recht auffallend beweist den Ursprung der breitgedrück- ten Form eine Wurzel (Taf. XXXV. Fig. lw, Fig. 3), deren Scheide sich um das noch erhaltene rundliche Holzbündel herumgelegt hat. Das Innenparenchym ist in radiale Reihen um das Holzbündel geord- net (Taf. XXXVI. Fig. 2a, Fig. 1p), dicht, aus grossen, dünnwandigen, vielkantigen, nicht selten fast viereckigen Zellen zusammengesetzt. In ihm liegt gegen die prosenchymatische Scheide hin ein Kreis von runden oder eckigen, gewöhnlich schwarzen, oft aber milchweissen, hell- oder dunkelgrauen, gelben oder ziegelrothen Puncten, ungefähr von der Grösse der um sie herumliegenden Zellen (Taf. XXXVI. Fig. 2 c,d, Fig. ld,e,f). Auf einem Längsschnitte zeigen sie sich als lange, der Wurzel- axe parallele Gänge. Wir kommen darauf bei der folgenden Art zurück. Die grösste Mannigfaltigkeit zeigen die Holzbündel der Wur- zelanfänge, sowohl ihrer Form als ihrer Zusammensetzung nach. Die Scheide ist entweder ganz dünn und erscheint im Querschnitte nur als eine feine oder stärkere Linie (Taf. XXXVI. Fig. 1—6 ss), oder als eine ein- fache Reihe grösserer Zellen (Fig. 8s), oder endlich als eine aus mehre- ren Zellenlagen bestehende dicke Schicht (Fig. 7s) von rhombischem, quadratischem oder fünf- bis siebeneckigem Querschnitte. Den von der- selben umschlossenen Raum nimmt fast ganz das Gefässbündel ein, wel- ches gewöhnlich aus fünf, mehr oder weniger gesonderten Einzelbündeln besteht (Taf. XXXVI. Fig. 1, 5, 6). Doch zeigen auch die Wurzelan- fänge desselben Stückes sowohl in der Grösse der Gefässbündel und ein- zelnen Gefässe (Fig. 1, 6), wie in der Zahl (Fig. 1, 6) und Anordnung 870 C. G. Stenzel, (Fig. 1. 5) der letzteren nicht unbedeutende Verschiedenheiten. Bald nehmen grosse Gefässe die Mitte ein, bald ist diese frei, und die grössten Gefässe stehen paarweise in der Mitte jedes Einzelbündels (Fig. 5). Eine erstaunliche Mannigfaltigkeit lassen hierin die Wurzeln verschiedener grös- serer und kleinerer Bruchstücke wahrnehmen, welche in Form und Stärke der Wurzeln, der Scheide und des Kreises schwarzer oder weisser Puncte um das Holzbündel dem Ps. Cottae so gleichen, dass wir sie unbedenklich als dieser Art angehörig betrachten, umsomehr, als wir bei verschiedenen Wurzeln eines grossen Stückes von Ps. Zeidleri noch bedeutendere Ab- weichungen gerade im Bau des Gefässbündels gefunden haben. So sind bei manchen Stücken die Gefässe vieler Wurzelbündel in eine dichte Masse zusammengestellt, dass fast keine Parenchymzellen zwischen ihnen liegen (Fig. 3), während solche bei anderen zwischen den einzelnen ganz ge- trennten Strahlen überall zerstreut sind (Fig. 7, 8). Ferner haben manche kleine Bruchstücke fast ausschliesslich viereckige oder vierstrahlige (Fig.#), nur wenige fünfstrahlige Gefässsterne, bei anderen fand ich unter 33 Wur- zeln 15 mit sechs- (Fig. 8), 11 mit fünf-. 7 mit vierstrahligem Gefäss- bündel (Fig. 7). Das kleinzellige Gewebe zwischen den Gefässen und der Scheide des Holzbündels ist fast nie mehr zu erkennen. Einzelne Reste dessel- ben finden sich (Taf. XXXVI. Fig. 32 und Fig. 8) als zartes Gewebe an der Innenseite der Holzbündelscheide. Die Zellen zwischen je zwei Strah- len sind etwas grösser als die übrigen. Im Umfange grosser Stücke und häufiger noch an kleinen Bruchstük- ken findet man auch wohl freie Wurzelenden, den Wurzelanfängen in der Rinde des Stammes gleichgebaut, nur mit einer sehr dicken, eigenen Rin- denschicht umkleidet, welche nach aussen bestimmt abgegrenzt ist. Mit Psaronius Gutbieri ist Ps. Cottae so nahe verwandl, dass ich nur mit Zweifeln beide als besondere Arten aufgeführt habe. Die zahlreichen hellen Flecke im Axenparenchyme des ersten entsprechen so sehr den hellen oder dunklen Flecken bei Ps. Cottae (Taf. XXXVI. Fig. 2), dass über die Staarsteine. 871 wohl auch im Innenparenchyme der Wurzeln sich derselbe Kreis beson- ders gefärbter Puncte finden würde wie bei diesem, wenn dasselbe nicht so ganz zerstört wäre; denn auch viele schlecht erhaltene Wurzeln von Ps. Cottae haben nur einen mit structurlosem Gestein erfüllten Raum um das Holzbündel. Auch die Lage und Form der Gefässbänder der Axe bei- der Arten gleichen sich sehr, nur die grössere Zahl derselben bei Ps. Gutbieri und die dem entsprechende grössere Dicke der Axe entfernt ihn von Ps. Cottae. Dieser Unterschied bleibt gross genug, auch wenn sich bei genauerer Untersuchung herausstellen sollte, dass mehrere der von Corda gezeichneten Gefässbänder zu einander gehörten und deren Ge- sammtzahl dadurch auf 8S— 10 zurückgeführt würde. 13. Psaronius Goepperti Stenzel. (Taf. XXXVIL) Truncus..... Processus radicales crassiusculi, plus minus compressi, cinguntur vagina prosenchymatosa crassa, coronam ductuum propriorum et fasciculum lignosum includente. Fasciculi lignosi teretis vagina cellulosa 4—6 fasciculos vasorum medios cingit et tolidem fasciculos cellularum permagnarum periphericos. Fundort unbekannt. Wahrscheinlich aus dem Rothen-Todtliegenden Sachsens. (Im K. K. Hof-Mineralienkabinet zu Wien.) Das leider nicht sehr vollständige Bruchstück, auf welches diese Art gegründet ist (Taf. XXXVI. Fig. 1), ist in eine schwach durchscheinende schwarze Kieselmasse verwandelt, welche nur da, wo sie an die Aussen- fläche des Stückes grenzte, von dem es abgeschlagen worden ist, in eine hellgelbe undurchsichtige Masse übergeht. Vom Stamme enthält es nichts als etwas radialgestrecktes Rindenparenchym mit etwa SO grösseren und kleineren Wurzelanfängen. Die stärksten derselben sind am besten erhalten, 2 — 3 dick, um- geben von einer ziemlich starken Prosenchymscheide (Taf. XXXVI. Fig. 25b), welche nach aussen in das Rindengewebe des Stammes übergeht. 872 C. G. Stenzel, Das Innenparenchym (Taf. XXXVI. Fig. 2p) ist bis auf undeutliche Spu- ren durch structurlose Kieselmasse ersetzt. In dieser bemerken wir, theils näher an der prosenchymatischen Scheide (Fig. 2a, bei p), theils an dem mittelständigen Holzbündel, um dasselbe in einen einfachen, hie und da doppelten Kreis geordnet, zahlreiche dunkle oder helle scharf umgrenzte Flecke von dem Durchmesser eines der grösseren Gefässe. Dieselben sind theils stumpfeckig, theils rund, mit einer undurchsichtigen (Fig. 2 a) oder durchsichtigen (Fig. 2 dd) Masse erfüllt, wo dann ihr Rand einer dik- ken Zellwand ähnlich erscheint. Im Längsschnitte (Fig. 3) *) sieht man, dass diese Flecke die Querschnitte langer, durch die ganze Wurzel paral- lel der Längenaxe derselben sich erstreckender, unverästelter Röhren sind, welche in ziemlich regelmässigen Zwischenräumen, gleich ihrem doppel- ten bis dreifachen Durchmesser, von Querscheidewänden unterbrochen sind. Corda, welcher auf diese Gebilde, die er als Röhrenzellen, ductus, bezeichnet, **) zuerst bei Ps. Cottae aufmerksam gemacht hat, sprach es offen aus, dass er die Bedeutung derselben ebensowenig kenne, wie die der kleinen zuweilen in denselben von ihm bemerkten Zellchen. Diese letzteren halte ich nur für zufällige Zeichnungen des Inhalts. Die Röhren selbst scheinen mir am meisten den unverästelten weiten Intercellulargän- gen zu vergleichen, welche in der Prosenchymschicht der Wurzeln von KOT Q Angiopteris verlaufen. den weiten Peciingänge sind verästelt und der Längsaxe der Wurzel nicht parallel, können also nicht in Betracht kommen. Ganz ähnlich sind die besonders (meist schwarz) gefärbten Gänge im Innenparenchyme der *) Der Längsschliff ist etwas schräg gegen die Axe der Wurzel geführt, daher jede Röhre am einen Ende scharf hervortritt, am anderen allmälig unter dem halbdurchsichtigen Gesteine verschwindet. *) Corda: Beitr., S. 104. Harting: In Vriese’s und Harting’s Monogr. des Maratliacdes, S. 38, t. 7, f. 3, 499, und S. 40, t. 4, f. 25. über die Staarsteine. 873 Wurzel und zwischen den Gefässbändern der Axe von Ps. Putoni Moug., Ps. Cottae Corda und wahrscheinlich auch von Ps. Gutbieri. Während in allen bisher erwähnten Stücken unsere Art ganz mit Ps. Cottae übereinstimmt, zeigt sie dagegen ein von dieser Art wesentlich ver- schiedenes, sehr ausgezeichnet gebautes Holzbündel. Dieses ist bei Ps. Cottae eine vier- bis siebenkantige, oft ziemlich tief gefurchte Säule, bei Ps. Goepperti dagegen ein regelmässiger Cylinder, umgeben von einer oder zwei Reihen grösserer Parenchymzellen (Fig. 2, 3ss), in welchem sich das grosse, aus 4—6 getrennten oder am: Grunde wenig zusammen- hängenden Bündeln (Fig. 2, 399) zusammengesetzie Gefässbündel befin- det. Jedes einzelne, nach innen aus grossen eckigen Gefässen bestehende Bündel trägt an der nach aussen gewendeten Spilze ein oder mehrere sehr kleine Gefässe. Zwischen diesen Gefässen ist hie und da bei gün- stiger Beleuchtung, und selbst dann nur schwer, ein sehr kleinzelliges Gewebe (Fig. 2q, 3p) zu erkennen, in welchem zwischen je zwei Theil- bündeln oder Strahlen des Gefässbündels ein Bündel sehr grosser, dünn- wandiger Zellen (Fig. 2, 323) liegt. Diese Zellbündel sind auch der Grund, dass die Scheide des Holzbündels nicht in die Zwischenräume zwi- schen den Gefässstrahlen sich hineinzieht, sondern eine regelmässig wal- zenrunde Gestalt hat. Diese Form zeigt sich hier in so ausgezeichneter Weise, dass sie mit Recht als ein Artmerkmal betrachtet werden kann, welches bei keinem anderen Staarsteine angetroffen wird; denn das wal- zenrunde Holzbündel, welches Corda bei Ps. giganteus abbildet, habe ich an demselben Stücke vergebens gesucht, und auch bei den übrigen For- men von Ps. asterolithus ist es stets zwischen den Gefässbündelstrahlen eingebogen. 14. Psaronius Zeidleri Corda. (Taf. XXXVIN. Fig. 1—9.) Prameus .... .. Radices magnae, ramos tenuissimos emiltentes. Vagina prosenchymatosa mediocris extrorsum in corlicem crassum e Vol. XXIv. P. I. 110 874 C. G. Stenzel, cellulis permagnis constantem bene circumscriptum transit, intror- sum parenchyma vastum includit, fasciculo lignoso 3—6 angulari crasse vaginato percursum. Fasciculi vasorum 3—6 liberi aut basi coaliti. Psaronius Zeidleri Corda, Beitr., S. 103f, Taf. 40. Unger, Genera et spec. plant. foss., S. 220. Presl, Suppl. tent. pterid., S. 31. Im Rothen-Todtliegenden Böhmens (Corda) und bei Chemnitz in Sachsen (K. K. Hof-Mineralienkabinet in Wien). Trotz des bedeutenden Umfanges der von Corda und mir untersuch- ten Stücke — eines derselben war 4 breit und 7” lang — ist es bis jetzt noch nicht gelungen, den Stamm dieser Art aufzufinden, und doch lässt die grosse Verschiedenheit der allein erhaltenen Wurzeln von denen der übrigen Staarsteine sie auf keinen derselben mit Sicherheit, nicht ein- mal mit Wahrscheinlichkeit beziehen. Wurzeln von sehr ungleicher Grösse liegen frei im Gestein, nicht verbunden durch Parenchym, also bereits aus der Rindenschicht ausgetre- ten. Sie sind gewöhnlich ohne alle Regel gestellt und zeigen weder die bei Wurzelanfängen so häufige Anordnung in radiale Reihen, noch eine Zusammendrückung in dieser Richtung; im Gegentheile ist ihr Umriss im Querschnitte ziemlich unregelmässig-rundlich, bald hier-, bald dorthin stär- ker ausgedehnt. Bei anderen Stücken wieder findet man zahlreiche, in gleicher Richtung breitgedrückte oder endlich dieke Wurzeln von kreis- rundem Querschnitte. Gewöhnlich sind sie 2—3 dick, dazwischen lie- gen einzelne, deren grösserer Durchmesser 4— 5 beträgt, und dünne kaum %— 7% dicke Fasern. Alle aber sind ausgezeichnet durch eine starke, aus grossen, dünnwandigen, polyedrischen Zellen bestehende Rindenschicht, welche, nach aussen scharf abgegrenzt, die Wurzeln ringsum in gleicher Stärke umgiebt, und nach innen allmä- lig in die prosenchymatische Scheide übergeht, indem ihre Zellen kleiner, dickwandiger und länger werden. Diese Scheide. von 5—8 Reihen kleiner, meist trefllich erhaltener über die Staarsteine. 875 Prosenchymzellen ist nach innen scharf abgegrenzt. Sie umschliesst das sehr ausgedehnte Innenparenchym, ein dünnwandiges grosszelliges polye- drisches Gewebe, das fast stets zerstört und durch eine structurlose, oft blaugraue, deutlich geflossene Chalcedonmasse ersetzt ist. In der Mitte desselben liegt das verhältnissmässig kleine Holzbündel, dessen Umfang jedoch ebenso grossen Schwankungen unterworfen ist, wie der der gan- zen Wurzel. Ich fand es bei einer Wurzel von mittlerer Stärke 7, bei den grössten über ,‘“ dick. Es ist umgeben von einer, aus mehreren Zellreihen bestehenden Scheide (Taf. XXXVIH. Fig. 1, 3, 5 ss), welche nach aussen in das grosszellige Parenchym (Fig. 1. 4p), nach innen in das sehr kleinzellige zwischen den Gefässen (Fig. I, 4m) übergeht. Wo die Scheide nur aus einer Reihe grösserer Zellen zu bestehen scheint (Fig. 4s), mögen die an sie nach aussen grenzenden Lagen mit zu ihr zu rechnen sein, welche sich von ihr nur durch etwas dunklere Färbung unterscheiden. In der Scheide liegt das Gefässbündel (Fig. 1—5gg), welches in Grösse, Form und Zusammensetzung eine Mannigfaltigkeit zeigt, wie kaum bei einer anderen Art. Selten besteht es aus drei, sehr genäherten (Fig. 1), öfter aus 4—5 oft ganz getrennten (Fig. 2, 3), seltener am Grunde zu- sammenhängenden Bündeln; bei den stärksten Wurzeln finden wir deren 6—7. Fast noch mehr schwankt die Zahl und Grösse der Gefässe; wäh- rend die kleineren Theilbündel nur 4—5 Gefässe enthalten, bestehen die grossen aus 10—14, von denen die kleinen nach aussen, die grossen mehr nach der Mitte zu liegen. Dicht neben Wurzeln, deren grösste Gefässe kaum Y,‘ Durchmesser haben, liegen andere mit Gefässen von 7,’ D. Die zum Theil sehr kleinen Wurzeln zwischen den grossen sind Aeste dieser letzten, wenigstens fand ich im Rindenparenchyme einer der- selben eine sehr kleine, deren prosenchymatische Scheide nach aussen ste- tig in das Rindengewebe der grossen Wurzel überging. Ausserdem sieht man innerhalb der Prosenchymscheide mancher Wurzeln 1—4 kleinere; die grösseren sind dann meist zerbrochen oder überhaupt im Zustande be- ginnender Auflösung begrilfen. Ich kann mir diese Erscheinung nur da- 876 C. 6. Stenzel, durch erklären, dass ich die kleineren Wurzeln als Verästelungen der grös- seren betrachte, welche eine Strecke lang im Gewebe der Mutterwurzeln herabsteigen, ehe sie als selbstständige Fasern sich unter die anderen Wurzeln mischen. Der bezeichnendste Unterschied des Ps. Zeidleri von den übrigen Arten mit nicht -lückigem Gewebe liegt in der scharfen Abgrenzung der sehr grosszelligen Rindenschicht nach aussen, dem sehr allmäligen Ueber- gange derselben in die Prosenchymscheide, so wie in der starken Entwik- kelung des ausgedehnten Parenchyms zwischen dieser und dem Holzbün- del. In dem letzten Puncte nähert er sich wie schon Ps. Cottae und Ps. Goepperti den Arten mit lückigem Parenchyme. Da aber gewöhnlich das Innenparenchym beim Austritt der Wurzeln aus dem Stamme an Umfang bedeutend zunimmt, ist es immerhin nicht undenkbar, dass unsere Art nichts anderes ist, als die freien Wurzelenden eines sonst nur als Stamm mit Wur- zelanfänge gefundenen Staarsteins. II. Innenparenchym der Wurzeln und Parenchym der Axe lückig (Psaronius asterolithus Cotta). Die zweite grosse Gruppe der Staarsteine, die mit lückigem Gewebe, bietet in Beziehung auf die Umgrenzung der Arten weit grössere Schwie- rigkeiten dar, als die erste. Schon bei den letzten Arten mit dichtem Ge- webe hatte der Mangel der Stammaxe oder des ganzen Stammes die Art- bestimmung erschwert und unsicher gemacht. Von den Arten der zwei- ten Hauptabtheilung ist nur bei einer der Stamm bekannt. Die von den Wurzeln hergenommenen Merkmale sind gerade hier so grossen Schwan- kungen unterworfen; zahlreiche Uebergänge einer Form in die andere an demselben Stücke machen eine Feststellung der Arten so unsicher, dass ich von den zehn von Unger und Corda aufgestellten Arten nur zwei als zuverlässig verschiedene Grundformen betrachten kann, den Ps. aste- rolithus und Ps. Haidingeri, welchen sich die anderen als verschiedene Stammtheile oder leichte Spielarten unterordnen. Unter jeder derselben über die Staarsteine. 877 lassen sich dann noch zwei Formen unterscheiden, welche ich, wenn auch nur mit Zweifeln, als besondere Arten hinstelle. 15. Psaronius bohemicus Corda. Druncus is... Radices crassae vagina prosenchymatosa cinctae. Parenchyma amplum, lacunis, cellulas adjacentes magnitudine vix superanlibus, instructum. Fasciculus lignosus 6—7 angularis strato parenchymalis continui, 12—16 ductus cylindricos gerentis, eircumdatur. Fasciculus vasorum 6— 7 radiatus. Psaronius bohemicus und Ps. macrorhizus Corda, Beitr., S. 108, Taf. 45, Fig. 1, 2 (Ps. boh.) und S. 110, Taf. 47, Fig. 7, 8 (Ps. macrorh.). Unger, Genera et spec. plant., S. 221, 222. Presl, Suppl. tent. pterid., S. 32. Im Rothen-Todtliegenden von Neu-Paka in Böhmen selten (Ps. boh.), in dem von Mühlhausen sehr selten (Ps. macrorh.). Der Stamm ist unbekannt. Die zum Theil umfangreichen W urzel- fragmente scheinen aus Wurzeln zu bestehen, welche bereits aus dem Stamme ausgetreten waren, da sie keine Spur eines sie verbindenden Ge- webes zeigen. Sie sind 2—6/ dick, einzelne von noch geringerem Durchmesser. Im Umrisse fast stets walzenrund oder stumpfkantig, um- geben von einer starken Scheide aus 7—11 Reihen prosenchymatischer Zellen, welche aussen unmittelbar von structurlosem Gesteine begrenzt ist, nach innen von dem ausgedehnten Innenparenchym. In diesem liegen kleine Lücken, kaum grösser, als die Zellen um sie herum, mehr oder we- niger dicht aneinander, bald nur durch eine (Ps. bohemicus Corda), bald durch mehrere Zellreihen (Ps. macrorhizus Corda) von einander ge- trennt. In der Mitte dieses lückigen Gewebes liegt das Holzbündel, um- geben von einer ziemlich dünnen Schicht dichten, lückenlosen Parenchyms, welches von 12— 16, mit einer weissen Masse erfüllter walzenrunder 878 C. G. Stenzel, Röhren von grösserem oder kleinerem Durchmesser, als die umgebenden Zellen, durchzogen wird. Das mit einer sehr zarten Scheide umgebene sechs- bis siebeneckige Holzbündel führt einen ebenso vielstrahligen Ge- fässbündel, dessen einzelne Strahlen getrennt sind oder am Grunde zusam- menhängen. Psaronius macrorhizus Corda unterscheidet sich von Ps. bohemicus durch die nicht so nahe aneinander, sondern mehr zerstreut im Parenchyme stehenden Lücken. Nach den vielen von mir untersuchten Staarsteinen mit lückigem Wurzelgewebe muss ich jedoch die Angaben und Zeichnungen von Gorda für ungenau und schematisch halten. Niemals fand ich ein nach allen Seiten so regelmässig lückiges Gewebe, wie bei den von ihm abgebildeten Ps. macrorhizus, Ps. bohemicus, sondern immer hier klei- nere, dort grössere, entfernter oder dichter gestellte Lücken, oft in der- selben Wurzel einzelne Partieen dichten Gewebes. Ferner enthält das Holzbündel des Ps. macrorhizus sechs getrennte, im Querschnitte pfriem- liche Gefässbündel, während die sieben von Ps. bohemicus am Grunde zum Theil zusammenfliessen. Die ersteren sind jedoch offenbar ganz ungenau gezeichnet, wie die ähnlichen von Ps. asterolithus beweisen; die verschie- dene Zahl der Theilbündel ist, wie wir oft gesehen haben, unwesentlich. Ich habe daher Ps. macrorhizus mit zu dem vollständiger bekannten Ps. bohemicus gezogen. Sorgfältigere Untersuchung der vorhandenen oder Auffindung neuer hierher gehöriger Stücke kann erst darüber Auf- schluss geben, ob beide überhaupt als selbstständige Arten zu betrachten, oder mit der folgenden zu vereinigen sind. 16. Psaronius Haidingeri Stenzel. (Taf. XXXIX.) Troteusi. ty. Processus radicales et radices crassae, cy- lindricae v. obtuse curvatae, ramos tenues emittentes. Paren- chyma amplum lacunis minoribus majoribusve instructum. Fa- über die Staarsteine. 379 seiculus lignosus 6—8 angularis, strato crasso parenchymalis continui cinctum. Fasciculus vasorum 6—8 radiatus. Sternstein, Schultze im Dresdnischen Magazin, 2. Bd., S. 261 ff., 274 f., Fig. 4. ® Im Rothen - Todtliegenden von Neu-Paka (K. K. Hof-Mineralienka- binet zu Wien) und von Chemnitz in Sachsen (Schultze a. a. O0. und Mineralienkabinet der Universität Breslau). In Kieselschwülen der obe- ren Flötze der Steinkohlenformation von Kammerberg bei Ilmenau in Thü- ringen (Sammlung des Herrn Prof. Göppert). Der Stamm ist unbekannt. Nur ein in schwarze, von Kohle durch- drungene Kieselmasse verwandeltes Stück aus der Steinkohle vom Kam- merberg, welches nach allen übrigen Merkmalen zu dieser Art gehört, ent- hielt dicke Wurzeln, deren schwache prosenchymatische Scheide nach aussen stetig in ein nicht lückiges, aus sehr dünnwandigen grossen Paren- chymzellen bestehendes radialgestrecktes Gewebe überging, welches zwi- schen den Wurzelanfängen eine ununterbrochene Verbindung herstellt. Es ist dies unstreitig das lockere Rindenparenchym des Stammes, in wel- chem die Wurzelanfänge herabsteigen. Die übrigen von mir untersuchten Stücke sind Geflechte freier Wurzeln, von 1—8° Durchmesser und enthalten Wurzeln von sehr ver- schiedener Dicke. Die stärkeren sind bald nur 2— 2%, bald 3— 54 dick, obwohl der längere Durchmesser sehr breitgedrückter Wurzeln nicht selten 6— 7° übersteigt. Im Querschnitte sind sie alle fast kreisrund; bei anderen Stücken sind einige rundlich (Taf. XXXIX. Fig. Irr), andere mehr oder weniger breitgedrückt (bb), und wo das Innere ausgefault und nur die prosenchymatische Scheide mit der Rindenschicht übrig geblieben ist, ganz zusammengesunken und vielfach verbogen und zerbrochen (F. 5). Dadurch erhält das Ganze ein so verschiedenes Ansehen, dass man es nicht für derselben Art angehörig betrachten würde, wie die erst erwähnten Stücke, wenn nicht viele Wurzeln derselben (Fig. 15b) einen Uebergang zu den noch weniger verdrückten der letzteren (Fig. dc) bildeten. 880 C. 6. Stenzel, Die Wurzeln sind umgeben von einer, aus $—8 Reihen dickwandi- ger schwarzer Prosenchymzellen bestehenden Scheide (Fig. 35), welche nach aussen rasch in eine etwa ebenso dicke, zuweilen aber auch fast 1° stark@ Schicht dünnwandiger, etwas plattgedrückter Parenchym- zellen (Fig. 3a) übergeht, die nach aussen mehr oder weniger scharf ab- gegrenzt sind. Ein die Wurzeln verbindendes Zellgewebe ist hier nir- gends wahrzunehmen. Nach innen geht die prosenchymatische Scheide rasch in grössere, vieleckige Parenchymzellen über, welche eine ziemlich dicke Schicht ohne Lücken bilden. Weiter nach innen folgen noch grössere durch kleine, dann durch grössere Lücken unterbrochene, rundliche oder doch nach den Lücken hin abgerundete Parenchymzellen (Fig. 2, 3pp). Die- ses lückige Gewebe erfüllt den weiten Raum zwischen der prosenchyma- tischen Scheide und dem Holzbündel. Nur um dies selbst liegt eine Lage von viereckigen, in radiale Reihen von 6— 10 geordneten dünnwandigen Zellen (Fig. 23), zwischen denen weder Lücken, noch besondere walzen- runde Röhren zu entdecken sind, wodurch diese Art sich am bestimmtesten von der nächststehenden, dem Ps. bohemicus, unterscheidet. Das Holzbündel selbst ist sechs- oder sieben-, seltener vier- bis fünf- oder achteckig, umgeben von einer Scheide (Fig. 2s), welche an manchen Stellen aus einer bis drei Reihen kleinerer Zellen zu bestehen scheint. Sie enthält das im Querschnitte fünf- bis sieben-, selten vier- oder achtstrahlige Gefässbündel mit langen, oft nur aus einer Reihe von Gefässen bestehenden Strahlen, welche ganz getrennt sind, oder am Grunde zu 2—3 ein wenig zusammenhängen (Fig. 2g, Fig. 69). Gegen das Ende eines Strahles legt sich selten an einer oder an beiden Seiten eine Partie kleinerer Gefässe an (Fig. 299), welche als beginnende Bildung zweier neuer Strahlen anzusehen sind. Das Zellgewebe um die Gefässe ist zerstört, und auch von diesen ist nicht selten nur die hellere oder dunklere Ausfüllung erhalten, so dass man den eigentlichen Umfang der- selben nur an den dunklen Zwischengefässräumen (Fig. 2i) erkennen ° über die Staarsteine. ss1 kann. Ergänzt man danach die Gefässe zu ihrem muthmaasslichen Um- fange, so sieht man, dass sie nahe aneinander gelegen haben, auch wo sie jetzt ziemlich weit von einander entfernt scheinen. In den zusammengefallenen regellos verbogenen Wur- zeln, wie sie oft ganze Bruchstücke erfüllen (Fig. 5). ist gewöhnlich nur die Prosenchymscheide (Fig. 65) und deren nach aussen scharf abge- grenzte Rindenschicht (Fig. 6pp) deutlich zu erkennen, das ganze Innen- parenchym aber, die Scheide und das Zellgewebe des Holzbündels sind zerstört und nur das Gelfässbündel (gg), wenn auch oft sehr in die Breite gedrückt, doch sonst gut erhalten. Die an vielen Stellen zwischen den eben betrachteten grösseren lie- senden sehr kleinen Wurzeln (Fig. lıew) sind unstreitig als dünne Zweige der ersten zu betrachten. Ihr Bau (Fig. #) ist viel einfacher, ganz ähnlich dem, welchen wir bei den dünnen Wurzelästen von Psaro- nius asterolithus (Taf. XL. Fig. 2) gefunden haben (vergl. S. 784). Ein unregelmässig begrenztes Rindenparenchym (Fig. 4s) geht nach innen in eine aus dünnwandigen Zellen gebildete Prosenchymscheide (5b) über, welche das grosse Gefässbündel ziemlich nahe umschliesst. Das jeden- falls wenig umfangreiche Innenparenchym ist überall durch structurlose Chalcedonmasse ersetzt. Das Gefässbündel selbst besteht aus einer fast walzenrunden Anhäufung grosser, im Umfange kleinerer Gefässe, von de- nen die kleinsten an zwei oder vier Stellen des Umfangs zusammentreten, die ersten schwachen Anfänge zur Bildung eines strahligen Gefässbündels. Durch die starke, zwar häufig zerbrochene, aber selbst bei ganz aus- gefaulten Wurzeln nie eckig gefaltete, sondern mehr sanft gebogene Prosenchymscheide und Rindenschicht lässt sich diese Art auch ohne mikroskopische Untersuchung von den freien Wurzeln des Ps. asterolithus unterscheiden, nähert sich dagegen dem Ps. bohemicus Corda, von dem sie mit Sicherheit nur durch den Mangel der grossen runden Röhren um das Holzbündel verschieden ist. Die Grösse und Form der Lücken im Innenparenchyme wechselt nämlich nicht nur bei verschiedenen Wurzeln, Vol. XXIV. P. I. 111 882 C. G. Stenzel, sondern auch an verschiedenen Stellen derselben Wurzel so ausserordent- lich, dass hier ganz kleine liegen, wenig grösser als die umgebenden Zel- len und von diesen oft kaum zu unterscheiden, dort ganz grosse, von zwölf und mehr Zellen umgebene. So vereinigt ein Stück die bezeichnendste Eigenschaft von Ps. macrorhizus Corda und Ps. bohemicus mit der des Ps. asterolithus oder giganteus. 17. Psaronius giganteus Corda. Mrundussame ii Radices crassissimae (4— 10), vagina prosenchymatosa et cortice tenuissimis obtuse angulatis aut curvatis cinctae. Parenchyma amplum, lacunis maximis. Fasei- culus vasorum 7 —8 radiatus. Psaronius giganteus Corda, Beitr., S. 109, Taf. 46. Unger, Genera et spec. plant. foss., S. 221. Presl, Suppl. tent. pterid., S. 32. Der Stamm ist unbekannt. Die Wurzeln sind nicht mehr in der Rinde desselben enthalten, sondern bereits ausgetreten. Sie sind äusserst regellos durch einander geflochten, von ausserordentlicher Stärke, oft fast zolldick, und dem entsprechend von einer sehr dünnen prosenchyma- tischen Scheide von wenigen Zellreihen und einer ebenso dünnen Rindenschicht umgeben, welche meist im grossen Bogen gekrümmt, selten eckig und dann stumpfeckig sind. Das umfangreiche Innenparenchym ist mit grossen, durch einzelne Zellreihen getrennten Lücken erfüllt. Das Holzbündel ist vielkantig, nur das sieben- bis achtstrahlige Gefässbündel besser erhalten, ähnlich dem von Ps. asterolithus (Taf. XL. Fig. 5). Wie bei diesem sind oft mehrere Wurzeln wie ineinander geschachtelt. So gleicht die vorliegende Art fast ganz der folgenden, und fast nur die nicht scharfkantige, sondern sanfter gerundete Form und die bedeuten- dere Dicke der Wurzeln lässt darauf schliessen, dass dieselben einer be- sonderen Art angehören mögen. Wenn man freilich das von Corda a. a. O. abgebildete, seiner Beschreibung und Artbestimmung zu Grunde über die Staarsteine. 883 gelegte Gefässbündel, eine runde Gefässmasse mit acht, durch je ein et- was vorspringendes Gefäss gebildeten Ecken, mit denen des Ps. aste- rolithus vergleicht, so sollte man trotz der mannigfaltigen Schwankungen, welchen die Form und Zusammensetzung des Gefässbündels in der Wur- zel der Staarsteine unterworfen ist, meinen, dass beide Formen nicht bei einer Art vorkommen könnten. Als ich nun die von Corda abgebildete Wurzel selbst untersuchte, war ich erstaunt, in deren Mitte ein langstrah- liges Gefässbündel zu finden, ganz wie die von Ps. asterolithus (Taf. XL. Fig. 5), nur etwas verzogen, weil der Schnitt die Wurzel schräg trifft. Dasselbe zeigten die übrigen. Eine solche Leichtfertigkeit im Zeichnen und Untersuchen, welche wir, wenn auch nicht in so hohem Maasse, durch viele andere Beispiele belegen könnten, wird auch entschuldigen, wenn ich hie und da die Genauigkeit anderer Angaben oder Figuren in Zweifel gezogen habe, was eher zu selten als zu oft geschehen ist. 18. Psaronius asterolithus Cotta, z. Th. (Taf. XXXIV. Fig. 4. Taf. XL. Fig. 1— 13.) Truneci axis crassus vaginatus, fasciis vasorum evaginatis la- tis, plicatis v. margine involutis distantibus per parenchyma lacu- nosum sparsis. Cortex crassus processibus radicalibus nume- rosis subleretibus percurritur fasciculo lignoso $—8 angulari instruciis. Radices crassae angulosae, vagina prosenchymatosa tenui einetae. Parenchyma amplum lacunis magnis, cellulas adjacentes pluries magnitudine superantibus instructum. Fascieuli lignosi 6—11 angularis vagina propria tenuis, fasciculus vasorum 6—11 radiatus. Psaronius asterolithus z. Th. Cotta, Dendrol., S. 30, Taf. 4, Fig. 1-4. Taf. A, Fig. 1. Psaronius asterolithus, Ps. dubius und Ps. parkeriaeformis Corda, in Sternb. Vers. Il., S. 173, Taf. 60, Fig. 2; Taf. 61, Fig. 5-10 (Ps. dubius) ; Taf. 60, Fig. 4; Taf. 61, Fig. 11-14 (Ps. park.). 854 C. G. Stenzel, Psaronius asterolithus, Ps. augustodunensis Ung., Ps. dubius Corda und Ps. parkeriaeformis Corda (?), Unger, in Endl. Genera plant. suppl. II., S. 5. — Synops. plant. foss., S. 146— 148. Psaronius asterolithus, Ps. speciosus, Ps. dubius und Ps. parkeriae- formis Gorda, Beitr. z. Flora d. Vorw., S. 106, Taf. 44, Fig. 1—4 (Ps. speciosus), und S. 108, Taf. 30, Fig. 5— 12 (Ps. dubius): Stammaxe und Rindenschicht mit Wurzelanfängen, — S. 109, Taf. 47, Fig. 1, 2 (Ps. asterol.), und S. 110, Taf. 47, Fig. 3—6 (Ps. parkeriaef.): Freie Wurzeln. Psaronius speciosus, Ps. augustodunensis, Ps. dubius (Stamm- und Wurzelanfänge), Ps. asterolithus und Ps. parkeriaeformis (freie f / Wurzeln). Unger, Genera et spec. plant. foss., S. 221 — 223. / Presl, Suppl. tent. pterid., S. 31, 32. / f Im Rothen-Todtliegenden von Chemnitz in Sachsen, Neu-Paka und f theilen 8” und darüber; wenigstens sind die Geflechte von Wurzelanfän- | Mühlhausen in Böhmen und Autun im südlichen Frankreich. Der Stamm ist dick, nach den unvollständigen Bruchstücken zu ur- gen innerhalb der Rindenschicht zuweilen allein über 4 dick. Die Axe des Stammes hat 2— 3 im Durchmesser und ist breitge- drückt (Ps. speciosus Corda). Sie enthält ein grosslückiges, stellenweise undeutlich lückiges oder dichtes Parenchym, durchzogen von wenigen brei- ten gefaltelen oder an den Rändern eingeschlagenen Gefässbändern, welche weit von einander entfernt und ohne Ordnung in dem lockeren Parenchyine zerstreut sind. Nur die mittleren sind dem hufeisenförmig gebogenen Mittelbündel parallel. Die Gefässbänder sind 4 — 1% dick, ohne Scheide, nur aus eng aneinandergedrängten Gefässen zusammengesetzt. Umzogen ist die Axe von einer 7, dicken prosenchymatischen Scheide, welche an zwei gegenüber liegenden Seiten der Axe tief ein- gebogen ist und in die dadurch entstandenen beiden Buchten je zwei nach innen gekrümmte Gefässbänder aufnimmt, welche offenbar nach den Blät- \ \ | \ über die Staarsteine. 885 tern bestimmt sind. Doch zeigt nicht jeder Querschliff diese Bildung. Zuweilen umgiebt die Scheide im weiten Bogen einzelne nach aussen Ire- tende Gefässbänder, welche wohl weiter oben erst aus ihr heraustreten. Ausserhalb der Scheide liegt die aus radialgestreckten dünnwandigen Par- enchymzellen locker gewebte Rindenschicht des Stammes. Lücken sind in demselben bestimmt nicht vorhanden, ganz ähnlich der Rindenschicht der Wurzeln, welche selbst bei den Arten mit lückigem Innenparenchym aus dichtem Zellgewebe besteht. Die Rindenschicht erlangt nicht selten einen Durchmesser von 1I—4 an den verschiedenen Seiten des Stammes. In ihr verlaufen zahlreiche Wurzelanfänge, nahe an der Axe ganz dünn, oft kaum 1%, weiter nach aussen, wo sie der Querschnitt in ihrem weiteren Verlaufe trifft, 2— 3’ dick, walzenrund oder wenig breitgedrückt. Ihre prosenchymatische Scheide ist mässig stark, aus 6—10 Zell- reihen bestehend, und geht nach aussen stetig in das Rindengewebe des Stammes über. Darin sieht man, wenn auch sehr selten gut erhalten, das weite Innenparenchym, dessen Lücken die umliegenden Zellen meh- rere Male an Grösse übertreffen und gewöhnlich von 8—12 derselben umgeben sind. Das Holzbündel ist fünf- bis achteckig, von einer ganz dünnen kleinzelligen Scheide umgeben, weiche über der Spitze der ein- zelnen Strahlen des Gefässbündels mehr oder weniger nach aussen vor- springt, zwischen denselben nach innen gebogen ist. Das Parenchym des Holzbündels ist selten noch vorhanden; an einigen Wurzelanfängen jedoch fand ich es so trefflich erhalten, wie an keiner anderen Art (Taf. XL. Fig. 13). Die sehr dünnwandigen, vier- bis sechseckigen Zellen (pp) sind strahlenförmig um die einzelnen Gefässbündel (gg) geordnet; der äus- sere Umriss ihrer Gesammtmasse folgt in aus- und einspringenden Bogen den Gefässstrahlen und ihren Zwischenräumen, und beweist dadurch, dass das Holzbündel nicht walzenrund, sondern schon ursprünglich tief gefurcht war; die Gefässe selbst sind in $—-8 selten getrennte, fast immer am Grunde zusammmenhängende Theilbündel zusammengestellt, so dass die grössten in der Mitte eines jeden der Einzelbündel liegen, daran nach 886 C. G. Stenzel, aussen und nach innen die nächst grossen sich schliessen und die klein- sten endlich an den nach aussen gekehrien Spitzen der einzelnen Strahlen stehen. Schon im Querschnitte erkennt man nicht selten diese Gefässe als Treppengefässe, indem ihre Wandung hell ist, wo die breiten Flächen der Gefässwandungen aneinander (Fig. 12gg, Fig. 13g/) oder an den be- nachbarten Zellen (Fig. 12 zz, Fig. 139g) liegen, dunkel dagegen, wo die Kanten der Gefässe oder Zellen zusammenstossen. Eine bedeutende Veränderung geht mit diesen Wurzelanfängen vor sich, sobald dieselben aus dem Rindenparenchym des Stammes austreten. Ihr Durchmesser, welcher schon während ihres Verlaufs von der Axe bis zur Aussenfläche des Stammes fortwährend zugenommen hatte, doch hier selten 3 überschreitet (Taf. XXXIV. Fig. 4mm), wächst rasch bis auf 4— 7’! an (Taf. XXXIV. Fig. 4r,s,u; Taf. XL. Fig. 1. Cotta, Dendrol. Taf. 4, Fig. 3). Dabei geht die vorher rundliche oder stumpfeckige Ge- stalt derselben in eine unregelmässige, vielfach ausgebuchtete mit stumpfe- ren oder schärferen aus- und einspringenden Kanten und Ecken über; die innerhalb der Rinde fast parallelen, gleichmässig von einander entfernten Wurzeln treten ihrer vergrösserten Dicke wegen eng an einander, so dass die Vorsprünge der einen in die Einbiegungen der anderen sich drängen (a. a. 0.). Oft biegen sie sich unregelmässig hin und her und senden endlich zahlreiche kleine Aeste und Fasern aus (Taf. XL. Fig. 155), welche als ganz kleine rundliche Wurzeln sich zwischen die grossen drängen. Dem entsprechend ändert sich auch der innere Bau. Die nicht sehr umfangreiche, aber starke Prosenchymscheide der Wurzelanfänge (Taf. XXXIV. Fig. 4mm) geht in eine, aus nur 3—5 Zellreihen bestehende dünne aber ausgedehnte Wurzelscheide über und umkleidet sich aussen mit einer etwa eben so dicken Rindenschicht (Taf. XXXIV. Fig. 4r,s,u; Taf. XL. Fig. 1). Das Innenparenchym nimmt an Umfang um das Dop- pelte oder Dreifache zu, seine Lücken vergrössern sich, ebenso das wie vorher von einer dünnen zelligen Scheide umschlossene Holzbündel, des- sen Gefässstern aus einem fünf- bis acht-, zu einem sechs- bis eilfstrah- über die Staarsteine. 887 ligen wird (Taf. XL. Fig. 3—9);; wobei zwar nicht die Grösse, wohl aber die Zahl der Gefässe bedeutend zunimmt. Die Strahlen der Theilbündel hängen entweder am Grunde zusammen und bilden so ein einziges, sechs- bis eilfstrahliges Gefässbündel (Taf. XL. Fig. 3— 95, 8, 9), oder sie sind getrennt und um einen kleinen (Fig. 7), oder grösseren (Fig. 6) mittle- ren Raum sternförmig angeordnet. An den nach aussen gekehrten Spiz- zen trägt jeder Strahl mehrere kleinere, mitunter sehr kleine Gefässe (Fig. 3—5, 11, 12). Die fadenförmigen Wurzeläste zwischen den grossen Wurzeln (Fig. 1bb, Fig. 2), von %—/ Durchmesser, sind viel einfacher gebaut. Eine verhältnissmässig starke, prosenchymatische Scheide (Fig. 25) um- schliesst einen ziemlich engen Raum (p), in dessen Mitte ein aus wenigen grossen Gefässen gebildetes Gefässbündel (g) liegt, mit mehreren, ge- wöhnlich 2—4, Bündeln sehr kleiner Gefässe, welche sich an seinen Um- fang anlegen und so die Bildung besonderer Strahlen wenigstens andeu- ten (S. oben S. 784 f.). Fast noch öfter finden sich in den grossen Wurzeln andere fast ebenso grosse (Taf. XL. Fig. 1a, Fig. 10, 11), welche den inneren Raum der- selben fast ganz erfüllen und deren Holzbündel ganz zur Seite drängen. So sind oft mehrere ineinander geschachtelt (Fig. 10, 11). Die fast al- lein übriggebliebene Prosenchymscheide und Rindenschicht der äusseren ist dann gewöhnlich halb aufgelöst und stets zerbrochen. Innere und äus- sere Wurzeln sind übrigens gleich gebaut, wesshalb wir hierin die Bildung starker Wurzeläste erblicken, welche weiter unten erst die Hauptwurzel verlassen sollen. (Vergl. oben S. 785.) Die verschiedenen Theile unseres Psaronius asterolithus sind früher als besondere Arten unter verschiedenen Namen beschrieben worden. Während Cotta alle Arten mit lückigem Gewebe unter dem Namen Ps. asterolithus zusammenfasste, trennte Corda acht verschiedene Formen derselben als ebenso viele selbstständige Arten. Fünf von diesen habe 888 C. 6. Stenzel. ich unter dem alten Namen des Psaronius asterolithus vereinigt. Das bedarf einer kurzen Rechtfertigung. Den Stamm mit seiner dicken Rindenschicht, in welcher zahlreiche, rundliche, 1— 3 dicke Wurzelanfänge herabsteigen, hat Corda als Ps. speciosus bezeichnet. Ein grosses, fast 7” breites und langes Stück mit halber Axe, umgeben von einer an den verschiedenen Seiten 1, 4 und 2” dicken, mit Wurzelanfängen durchzogenen Rindenschicht, *) so wie ein Rindenbruchstück von mehreren Zollen Dicke, von welchem Taf. XXXIV. Fig. 4 einen Theil des Umfangs darstellt, **) haben mich überzeugt, dass Ps. dubius Corda zu Ps. speciosus zu ziehen ist. Die Röhrenzellen um das Holzbündel finden sich in Wurzeln desselben Stückes in sehr ver- schiedener Zahl (Ps. dubius), anderen fehlen sie ganz (Ps. speciosus) ; die Wurzeln sind nach aussen scharf abgegrenzt, wenn sie bereits aus der Rindenschicht ausgetreten sind (Ps. dubius). ***) oder gehen in das Ge- webe der letzten über (Ps. speciosus). Die anderen Unterschiede, wie die Grösse der Lücken, die Dicke der Scheidewände u. a., sind noch we- niger bedeutend. Die Veränderungen der Wurzelanfänge beim Austritie aus dem Stamme, welche wir oben bereits verfolgt haben (S. 886 u. 782 ff.), zeigen ferner, dass Ps. asterolithus Cotta nichts anderes ist, als ein Geflecht freier Wurzeln, deren Anfänge Corda als Ps. speciosus beschrieben hat, indem die im Umfange grosser Stücke des letzteren liegenden freien Wurzelen- den (Taf. XXXIV. Fig. 4r,s,u) in äusserer Gestalt wie im inneren Bau ganz denen des Ps. asterolithus Cotta (Taf. XL. Fig. 1) gleichen. Es erklärt das zugleich die sonst auffallende Thatsache, dass die letzte Art nie in unmittelbarer Verbindung mit der Stammaxe angetroffen wird, da zwi- *) Im K. K. Hof-Mineralienkabinet zu Wien. **) In der Sammlung des Herrn Professors Göppert. **) Nach der von Corda in natürl. Grösse gegebenen Zeichnung gleicht sein Ps. dubius un- serem Stücke (tl. 34, f. 4) so sehr, dass ich dies Vorhandensein so scharf umgrenzter Wurzeln darin bezweifle. über die Staarsteine. / 889 schen beiden nothwendig noch die dicke Rindensg‘cht mit den abwei- chend gebauten Wurzelanfängen liegt. Psaronius parkeriaeformis endlich hat Corda von Ps. astero- lithus getrennt, 1) weil den Wurzeln des ersten die Rindenschicht fehlt. Corda bemerkte früher selbst, *) dass auch diese Wurzeln eine zarte Rin- denschicht umkleide, welche jedoch oft zerstört sei; 2) weil die Lücken des ersten grösser und unregelmässiger gestaltet seien als die kleinen eiför- migen bei Ps. asterolithus. Seine eigenen Zeichnungen zeigen hier Ueber- gänge, wie sie überall angetroffen werden und die gänzliche Unbrauch- barkeit solcher Verschiedenheiten zu Artmerkmalen beweisen; 3) weil das Gefässbündel des Ps. parkeriaeformis nur siebenstrahlig, das von Ps. aste- rolithus achistrahlig ist, beides Verhältnisse, die ich für ganz unwesentlich halten muss, da an einem kleinen Stücke (Taf. XL. Fig. 1) sechs- bis eilf- strahlige Gefässbündel angetroffen werden, an denen bald kleine Gefässe stehen (Taf. XL. Fig. 13x), bald nicht (Fig. 13y). Auch der von Unger zuerst benannte und unterschiedene Ps. augu- stodunensis scheint von unserer Art nicht verschieden zu sein. Seine ei- gene Diagnose (a. a. 0.) giebt uns keinen hinreichenden Unterschied von Rindenstücken des Ps. asterolithus mit Wurzelanfängen (wie Taf. XXXIV. Fig. 4) an die Hand. Dass er das Rindenparenchym des Stammes als lückig angiebt, kann leicht in einer Täuschung von seiner oder von mei- ner Seite seinen Grund haben. Wo die Lücken nicht gross und regel- mässig sind, kann man sie oft nicht erkennen, oder umgekehrt Zellen für Lücken ansehen. Die wenigen Bemerkungen Ad. Brongniart’s **) über die bei Autun gefundenen Staarsteine, deren Axe nach ihm von zer- streuten, ohne Ordnung gestellten Gefässbändern durchzogen und von einer Schicht prosenchymatischer Zellen rings umgeben ist, stimmen ganz mit dem von Corda abgebildeten Stamme seines Ps. speciosus, welchen ich zu Ps. asterolithus gezogen habe überein. *) Corda: In Sternb. Vers. II. *) Brongniart: Hist. des veget. foss., II., S. 59. Vol. XXIV. P. I. 112 890 C. G. Stenzel, Endlich sagt Corda, welcher Wurzelstücke des Ps. augustodunensis untersucht hat, dass diese Art seinem Ps. dubius ganz ähnlich sei und sich von demselben durch die Anordnung der Gefässe unterscheide, worauf ich eben nicht viel gebe, im Gegentheil glaube, dass nach alledem Ps. augu- stodunensis unbedenklich mit Ps. asterolithus vereinigt werden könne. Es bleibt mir nun noch übrig, zwei von Corda und Unger aufge- stellte Arten der Staarsteine mit lückigem Gewebe zu besprechen, den Ps. alsophiloides Corda und Ps. lacunosus Unger. Beide scheinen mir so mangelhaft bekannt zu sein, dass man sie nicht als selbstständige Arten aufführen, noch einer anderen mit Sicherheit beizählen kann. Psaronius alsophiloides Corda, Beitr., S. 107, Taf. 44, Fig. 5—10. Vom Stamme ist nur ein kleines Bruchstück bekannt, mit einem schlecht erhaltenen, durch nichts ausgezeichneten breiten Gefässbande und halb verfaultem kleinlückigen Parenchymgewebe, welches um das Gefäss- band zu einer Art dunkler Scheide verdichtet ist. Die Wurzeln ausser- halb der prosenchymatischen Scheide der Axe sind rundlich, aber die Ge- webe derselben bereits so aufgelöst, dass alle Zellen von einander getrennt und rundlich geworden sind. Kein irgend haltbarer Unterschied von Rin- denbruchstücken mit Wurzelanfängen und Axenstücken von Ps. asteroli- thus ist in Zeichnung und Beschreibung aufzufinden. Psaronius lacunosus Unger, in Endl. Gen. plant. suppl. U., S. 3. — Synopsis plant. foss., S. 174. — Genera et spec. plant. foss., S. 223. — Presl, Suppl. tent. pterid., S. 32. Diese unter Geschieben von Ernstibrunn in Oesterreich gefundene Art hat kleine, ovale Wurzeln mit dünner Rinde, weites, lückiges, aus merenchymatischen Zellen bestehendes Innenparenchym, ein rundliches Holzbündel mit Scheide und fünf- bis sechsstrahlige Gefässbündel. Der Stamm ist unbekannt. Auch hier suchen wir vergeblich nach einem be- stimmten Unterschiede von Rindenstücken mit Wurzelanfängen aus der Nähe der Axe des Ps. asterolithus. . Für das letzte spricht die Kleinheit über die Staarsteine. 891 der Wurzeln, welche zu allgemein angedeutet ist, um sie in den Artcha- rakter mit Nutzen aufnehmen zu können. Die merenchymatische Form der Markzellen habe ich nicht selten sehr ausgezeichnet an freien Wurzeln des Ps. asterolithus (Taf. XXXIV. Fig. 4r, s) gefunden, wo andere ganz eckige Zellen mit nach innen gebogenen Wänden hatten. Vielleicht giebt eine nochmalige Durchforschung dieser Arten haltbare Merkmale zu ihrer Begründung. Unvollständig bekannte Arten. Psaronius Zwickawiensis Corda, briell. „„Zzerstreute walzige weissgelärbte Schläuche, z. Th. hohl, setzen durch eine dunklere Hornsteinmasse.‘ „Aus Geschiebelagern, welche beim Eisenbahnbau zwischen Zwickau und Werdau durchfahren wurden. Hr. Gustos Corda erkannte das Exem- plar bei mir als etwas neues und nahm es zur Bestimmung mit nach Prag.“ (Geinitz und Gutbier, die Versteinerungen des Zechsleingebirges und Rothliegenden in Sachsen. Heft 2, S. 19.) Das ist Alles, was von dieser Art bekannt ist, wobei ich nur noch bemerke, dass das erwähnte Werk von Geinitz und Gutbier im Jahre 1849, also nach Corda’s Beitr. z. Flora d. Vorw., erschienen ist, mithin keine der dort angeführten Arten als Psaronius Zwickawiensis betrachtet werden kann. Psaronius brasiliensis Brongn. Von Martius in Brasilien, in der Provinz Piauhi gefunden. Unger, in Martius „‚Genera et species Palmarum Tom. ].,‘“ in der Erklärung der Tafeln zu seiner Abhandlung ,‚De palmis fossilibus.‘“ Das hier Tab. geol. I., Fig. 4 abgebildete Stück ist mehrere Zoll lang und dick, dem Anscheine nach ein Rindenbruchstück, von ziemlich parallelen starken, 892 C. G. Stenzel, rundlichen, unverästelten Wurzelanfängen durchzogen. Der Mangel der Stammaxe, so wie jeder Nachricht über den inneren Bau dieser Wurzel- anfänge lässt weder ihre Aufstellung als eigene Art, noch ihre Vereinigung mit einer anderen thunlich erscheinen. über die Staarsteine. 893 Erklärung der Tafeln. (Die unter den Figuren stehenden Zahlen geben die Stärke der linearen Vergrösserung an.) Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 1. Tafel XXXIV. Psaronius scolecolithus Unger (S. 764 u. 847). Querschnitt des Stam- mes (K. K. geologische Reichsanstalt zu Wien). AA’: Axe; AB, A’B': Gefässbündelpartieen, welche nach den Blättern abgehen. — ww: Wurzelanfänge. — x: Ergänzung des fehlenden Stückes. Psaronius musaeformis Corda (S. 767, 850). Querschnitt des Stammes (7, d. nat. Grösse), nach Corda, Beitr., Taf. 45, Fig. 3. — a: Ge- fässbündel, welche nach den Blättern abgehen. — g: Gefässbündel der Axe. — mm: Blattnarben. Psaronius Freieslebeni Corda (S. 768, S62). Querschnitt des Stammes (7, d. nat. Grösse), nach Gutbier, über einen fossilen Farnstamm, Caulopteris Freieslebeni. Taf. 2, Fig. 1. — a: Gefässbündel, welche nach den Blättern abgehen. — g: Gefässbündel der Axe. — m,nn: Blattnarben. Psaronius asterolithus Cotta z. Th. (S. 782, 885). Querschnitt aus dem Umfange der Rindenschicht des Stammes (Sammlung des Herrn Prof. Göppert). — mm: Wurzelanfänge in der Rindenschicht. — r,s,4: Wurzeln ausserhalb derselben. Tafel XXXV. Psaronius Cottae Corda. (S. 867.) Querschnitt des Stammes (Sammlung des Herrn Prof. Göppert). — l,m: Rindenschicht des Stammes mit Wurzelanlängen. — s: Axe des Stammes. 894 C. G. Stenzel, Fig. 2. Querschnitt aus der Axe (Fig. 15). — bb: Besondere Scheide der Gefässbänder. — gg: Gefässbänder. — hh: Besondere Gänge. — p: Parenchym (zerstört). Fig. 3. Querschnitt der Wurzel Fig. lw (vergr.). Tafel XXXVl. Psaronius Cottae Corda. (8. 774, 868.) Fig. 1. Querschnitt eines Wurzelanfangs v. Taf. 35, Fig. 1. — aa: Rinden- parenchym des Stammes. — bb: Prosenchymatische Wurzelscheide. — d,e,f: Besondere Gänge. — g: Gefässe. — p: Innenparenchym. — s: Scheide des Holzbündels. Fig. 2. Querschnitt eines Wurzelanfangs z. Th. (K. Mineralienkabinet der Universität zu Breslau). — «a: Innenparenchym. — b: Prosenchym- scheide. — c,d: Besondere Gänge. — p: Rindenparenchym des Stam- mes. — s: Scheide des Gefässbündels. Fig. 3—8. Querschnitte von Wurzel-Gefässbündeln. — g: Gefässe. — s: Scheide. — z: Zellgewebe des Holzbündels. Tafel XXXVI. Psaronius Goepperti Stenzel. (8. S71.) (K. K. Hof-Mineralienkabinet zu Wien.) Fig. 1. Querschnitt eines Theils der Rindenschicht mit Wurzelanfängen. Fig. 2. Querschnitt eines Wurzelanfangs. — bb: Prosenchymscheide. — d,e: Besondere Gänge. — g: Gefässe. — p: Innenparenchym. — q: Par- enchym des Holzbündels. — s: Scheide desselben. — z: Bündel grosser Zellen. Fig. 3. Längsschnitt aus einem Wurzelanfange. — gg: Besondere Gänge (Fig. 1d,e). Fig. 4. Querschnitt des Holzbündels eines Wurzelanfangs. — gg: Gefässe. — p: Parenchym des Holzbündels. — s: Scheide des Holzbündels. — z: Bündel grosser Zellen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. über die Staarsteine. 895 Tafel XXXVIH. 1—5. Psaronius Zeidleri Corda (S. 874). Querschnitte der Holzbündel en) einiger Wurzeln (Sammlung des Herrn Prof. Göppert). — gg: Ge- fässe. — m: Parenchym des Holzbündels. — p: Innenparenchym. — s: Scheide des Holzbündels. Psaronius infarctus Unger (S. S17, 833). Querschnitt aus einem Ge- fässbündel der Axe. Tafel XXXIX. Psaronius Haidingeri Stenzel. (S. 879.) (K. Mineralienkabinet der Universität zu Breslau.) Querschnitt einer Wurzelmasse. — bb: Breitgedrückte, — rr: rund- liche Wurzeln. — ww: Wurzeläste. Querschnitt aus der Mitte einer Wurzel. — b,gg: Gefässe. — i: Zwi- schengefässgänge. — p: Lückiges Innenparenchym. — s: Scheide. — 3: Dichtes Parenchym um das Holzbündel. Querschnitt aus dem Umfange einer Wurzel. — a: Rindenparenchym. — b: Prosenchymatische Scheide. — p: Lückiges Innenparenchym. Querschnitt eines Wurzelastes (Fig. 1 ww). — b: Prosenchymatische Scheide. — g: Gefässe. -— s: Aeussere Umgrenzung des Wurzelastes. Querschnitt einer Masse weniger gut erhaltener Wurzeln. — b: Wur- zel mit schräg durchschnittener prosenchymatischer Scheide. — cc: Weniger verdrückte Wurzeln. Querschnitt einer Wurzel (Fig. 5a) z. Th, — bb: Prosenchym- scheide. — gg: Gefässe. — p: Rindenparenchym. Tafel XL. Psaronius asterolithus Cotta z. Th. (S. 812, 885.) Querschnitt einer Wurzelmasse (Sammlung des Herrn Prof. Göppert). — a: In einandergeschachtelte (sich theilende) Wurzeln. — bb: Kleine Wurzeläste. 896 C. G. Stenzel, über die Staarsteine. Fig. 2. Querschnitt eines kleinen Wurzelastes (Fig. 1b). — b: prosenchy- matische Wurzelscheide. — g: Gefässe. — p: Raum des Innenpar- enchyms. Fig. 3—9. Querschnitte von Gefässbündeln (aus Fig. 1). — ce: Einzelne Zellen des Innenparenchyms. — s: Scheide des Holzbündels. Fig. 10— 11. Querschnitt mehrerer Wurzeln (K. K. Hof-Mineralienkabinet in Wien), (S. 785). Fig. 12. Querschnitt eines Einzelbündels. — gg: Breite. — zz: Schmale Spal- ten (Poren) in der Gefässwand. Fig. 13. Querschnitt von ”, eines Gefässbündels aus einem Wurzelanfange (K. K. Hof-Mineralienkabinet zu Wien). — gg: Grosse Gefässe. — g': Breite Spalte in der Gefässwand. — p: Parenchym des Holzbün- dels. — x: Kleine, — y: grössere Gefässe. Bol2r.P.2. i Tab. 54. F ı 43 ar m. en N ge KR 5 e x een “ N 008 & BR Seal Senn Er a Bi 0 ) A Be KEN Si n 1) a Sn a ee IR > dag U aTae USA N IR or RL Ko OR IITE IA [o\ RA S SD a) 2% on 19 > I DOSMD a Ina Y S \D N a N IN Lith. Inst. 4.KL.C.Ac d.N.v Henry & Cohenı.Bonn G. Srenvel % /. Psaronius soolecolithus Tag. ?. Ps. musaelormis Corda. IPs. Freieslebeni Corda F.13. asterolithus Cotta. Vol.2#.P.2. Dr ‚ Tab. 39. 4.3. Psaronius lottae Corda NoLBEP.2. Tab. 36. G ‚Stenzel gez Iith. Inst. d.K.L.C,Ac.d.N. Henry & Cohen ı. Bonn Id. Psaromius (oltae (orda Tab. 37. Vol. 24.P.2. \_e I \ ı | I | | N / [8 / Fa Pp Henry & Cohenä. Bonn C.Ac.d.} Lith. Inst. KL G.Stenzel gez. 7A. Psaronüus (oppert Stenzel, Mol: 2#.P.%. G.Stenzel gez. 1-5. Psaronius Zadleri_ Corda. Tab. 38. Laith. Inst.d.K.L.C.Ac. IN Henry &Coheni. Bonn. 6b H Ps. intarchus Ung. 3). Tab. Vol.24.P.2. &) Lith Inst.d.K.L.C.Ac.d.N.v.Henry & ( Sez. Bz enzel B onri. ohernı = 1-6. Psaronüus Haidingeri Stenzel. Wal 94.2.2. Tab.40. Lifh. Inst. IKL.C.Ac.dNv Henry & CohenıBonn. G. Stenzel ge 2 1-13. Psaronius asterolithus (olla. BEITRAG ZUR GEOGNOSIE UND PETREFAKTENKUNDE DES SÜDÖSTLICHEN SIEBENBÜRGENS, VORZÜGLICH DER SCHICHTEN AUS DEM BEREICH DES HERMANNSTEDTER BASSINS. VON M. JJ ACKNER, M. d. A.d. N, BEI DER AKADEMIE EINGEGANGEN DEN 12. NOVEMBER 1851. Vol. XXIV. P. I. 113 ANEAI N Hi ITERRTÄRAE ie eh HNATAH Kan an \ 5: aan‘ TRITTERDIR GE am: > AndarbENEUR nanaaarabaßa Fr; A or wo es aa Poren u ER. PTEn, D \ d ‚Met ie gi De Mo - 1 . { . x wn aan adE (N Ei A aan Y > j = 5 PR a l BD 1 RR Er Ye ” ; i E ar Auch ee: ’ I er Pages a ’ { a N 3 n ' 2 1 y » Ih By f An u . a ne i wet I ' N [9 Ma i ’ II} w I x Vorwort. Aıs vieljähriger Anwohner des äussersten südöstlichen Winkels des öster- reichischen Kaiserstaates, hat namentlich im Cibinbassin und dessen näch- stem Bereiche der Verfasser bereits seit vier, vorzüglich aber seit drei Decennien, wo amtliche Verhältnisse ihm freiere Bewegung und auch mehr Musse zu wissenschaftlichen Nebenarbeiten gestatteten, von Hermannstadt und Hamersdorf aus viele kleine und grössere vaterländische Reisen in allen Richtungen Siebenbürgens unternommen, wobei in wissenschaftlicher Hinsicht überhaupt und naturhistorischer insbesondere sich an verschiede- nen Stellen manches Neue, oder wenigstens bis jetzt nicht Bekannte, In- teressante und des Aufzeichnens Werthe darbot. Die nahe Umgebung wurde oft mit gleichgestimmten Freunden und oft auch vom Verfasser allein wie- derholt besucht und ausgeforscht, indem dazu die leicht und bequem zu erreichende Nähe derselben ebenso wie die lieblichsten Partieen der schö- nen, reizvollen Natur, welche sie vor vielen andern auszeichnet, einluden. Der Verfasser glaubt aus diesen nächst gelegenen Besuchen und Beobach- tungen, während er sich das Ergebniss seiner entferntern wissenschaftli- chen Exkursionen im Vaterlande vorbehält, einige Resultate ziehen zu dür- fen, und bietet dieselben in Nachfolgendem dar. Zu den wenigen literarischen Vorarbeiten, welche etwa in einiger Beziehung mit gegenwärtigem Versuche stehen, zum Theil auch be- nutzt wurden, könnten von ältern und neuern Verfassern folgende gezählt werden: 900 M. J. Ackner, S. Koeleseri, auraria Romano Daeica, Cibinii 1717. Neue Auflage. Posonii 1780. 8. Joh. Ehrenr. v. Fichtel, Beitrag zur Mineralgeschichte von Siebenbürgen. Nürnberg 1780. 4. — Beschreibung der Karpathen. Joh. Binder, Reise auf den Surul, Prov.-Blätter, 1. Bd. 180%. Mich. Bielz, Beiträge zur geologisch-geognostischen Kenntniss Siebenbürgens. Transsilvania, 1. Bd., 1. H. 1859. M. J. Ackner, Reisebericht über einen Theil der südlichen Karpathen im J. 1535 im Schuller’schen Archiv. 1841. — Bericht über geognostische Wanderungen in Siebenbürgen, Kronstädter Blätter etc. 197. 1845. — Monographie des Götzenberges bei Heltau und Michelsberg, in den naturwiss. Verhandlungen des Hermannstädter Ver. 1850. — und J. K. Schuller, der Hermannstädter Stuhl im Grossfürstenthum Siebenbürgen, pittoreskes Oesterreich. 1840. 4. Jos. v. Hauer, Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geogn. u. Petref. von Leon- hard und Bronn. 1836. Ludw. Neugeboren, die Fischzähne von Portschescht. Archiv des Ver. für siebenb. Landk. IV., 11. H. 1850. Karl v. Zehentmayer, über Siebenb. Salzlager. Naturwissenschaftl. Verhdl. in Hermannstadt. S. 90. 1550. Ludw. Reissenberger, Höhenmessungen. Daselbst. Aeusserer Umriss. Mit dem Namen des Hermannstädter Bassins und dessen Umgebung bezeichnen wir ein Terrain, dessen Grenzen ebenso durch Hoch- als Mit- telgebirge von der Natur selbst mit hinlänglicher Schärfe angedeutet sind. Die Richtung dieser drängt sich verflächend näher gegen die Mitte des Beckens heran. Entfernter umschliessen dasselbe jene, die Ur- und Hoch- gebirge, indem sie einerseits von Süd nach Ost, andererseits von Ost nach Zur Geognosie u. Pelrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 901 Westen laufen, und befolgen auch im Allgemeinen ein gleiches Streichen mit der Hauptrichtung der Ketten. Man unterscheidet daher hier vorzugs- weise einen südwestlichen und südöstlichen Rand des Gebirges, dessen schroffe Kämme und mit dunkeln Urwäldern umschattete Riesen, welche das an sich schon reizvolle Bild einer der anmuthigsten Landschaften noch mehr erhöhen. Die ellipsoidische Fläche, in der die deutsche Hauptstadt Siebenbürgens liegt, erreicht in ihrer Breitenausdehnung zwei und in der Länge über drei deutsche Meilen, ihre durchschnittlich über das adria- tische Meer erhöhte Lage beträgt 1370 Fuss. Aus den diese Ebene umgebenden Gebirgen erheben sich über die Meeresfläche südlich als er- habenste Puncte der Präsbe, Jäser und die Fromoassa 000 bis über 7000 F.; südöstlich die Häupter des Tatar, Surul, Budislav und die Ker- zer Spitze (Negoi) 7000 bis über 8200 F. Bei den von Hermannstadt nördlich gelegenen Diluvial-, zum Theil aus den obern und mittlern Ter- tiärschichten bestehenden Bergreihen fanden wir Kuppen von 800, 1000 bis 2000 F. über der Thalsohle bei Hamersdorf. Das Hermannstädter Bassin gehört zum Stromgebiet des Altflusses. Der sonst sehr hervorge- hobene Unterschied zwischen Längen- und Querthälern, der bei Gebirgs- zügen oder Kellengebirgen, die ein Hauptjoch haben, von Bedeutung sein mag, ist hier in der südlichen Verkettung der Gebirgsjoche schwieriger zu bestimmen, wenigstens kann darauf, wie es scheint, keine Abtheilung der Thäler gegründet werden. Jedoch glauben wir unsere diesfälligen Fluss- systeme des Zibins und Zodflusses, des Schebesch, des Michelsberger oder Heltauer Wassers, wenn auch in beschränkterem Sinne, zu den Län- genthälern zählen zu müssen, indem ihre klaren herrlichen Fluthen zwi- schen parallellaufenden Felsen und Gebirgszügen eingeengt hindurchstür- zen und das offene Land begrüssen. Dasselbe ist der Fall mit mehreren aus den von Hermannsladt nördlich gelegenen Bergen sich öffnenden Thä- lern des Reissbachs, Krummbachs, Vinzelgrabens, Harrbachs, deren Wasser südlich mündet. Der südöstliche grossartige Höhenzug des Urgebirges wendet mehrere seiner pitoresken Querthäler, mit reichen, krystallklaren 902 M. J. Ackner, Gewässern, vorzüglich von Ober- wie von Unter-Schebisch und Port- schescht, dem Westen, somit dem Hermannstädter Bassin zu. 1: Schichten von Salzburg, Tetscheln und Grabendorf (Vallye). Die specielle Darstellung des Hermannstädter Bassins beginne am hügelichen westlichen Rande und im Verfolge gegen Süden. Obgleich die Schichten von Tetscheln und Salzburg grösstentheils in das Flussge- biet des Mieresch gehören und hineinreichen, so müssen wir doch der- selben hier insoweit gedenken, inwieweit sie das Cibinthal begrenzen, zumal ersteres durch einen vor nicht langer Zeit entdeckten bedeutenden fossilen Fund zu herostratischer Celebrität gelangte, und letzteres durch seine K. K. Aerarial- Salzgruben von Wichtigkeit ist. Der Salzstock kommt hier gewöhnlich in einer Tiefe von 50— 70 F. verschiedener Erd- lagen vor. Durch das Ergebniss der Untersuchungen bei der Anlegung von neuen Gruben, welche mit dem Bergbohrer angestellt wurden, fanden sich ziemlich constant von oben nach unten folgende horizontale, oder ge- gen den Horizont nur wenig geneigte, Schichten. 1) Dammerde 1 bis 1, F.; 2) gelber zäher Thon 6— 10 F.; 3) mit Sand und Ocker ver- mischter oder gefleckter gelber und grauer Thon, eben so mächtig; #) graublauer, stellenweise in das grünliche ziehender Thon, welchen dünne Schichten von feinem weissen Sande begleiten, über 7 F.; 5) ein felter dunkelblauer bis schwarzer Thon von starkem bituminösen Geruche, 7 bis 10 F. mächtig, zugleich die unmittelbare Decke des Salzes. Dieses er- reicht in Salzburg eine Tiefe von 480 F., wo dann, bei weiterem und tie- ferem Bau, die Arbeiten, wegen Einbruch des Wassers aus der Gruben- sohle, — das wenigstens einmal der Fall hier gewesen, — eingestellt und sämmtlliche Salzhauer eilig, ihr Leben zu reiten, aus dieser Grube flüchten und den Ausgang suchen mussten. Die Streichungslinie des Steinsalzes hierselbst lässt sich kaum ermitteln; wenn man indessen die von hier ent- Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 903 fernteren im Bau stehenden Salzgruben von Maroschuivar, Thorda, Kolosch, Szek und Desakna berücksichtigen wollte, so dürfte sie von Süden gegen Norden anzunehmen sein. Noch habe ich, ausserhalb der Salzhallen, in liefer eingeschnittenen Wassergräben, im Orte Salzburg selbst, Sandsteine von feinerem und gröberem Korne, Sandstein-Conglomerate und graue bläuliche Mergelschichten, mit Spuren von unbestimmbaren Conchylien, bemerkt. Der Salzstein selbst ist, im Vergleiche mit dem sehr reinen von Thorda und Marosch - Ujwar, nicht der vorzüglichste zu nennen, indem Adern von dem ihn bedeckenden schwarzen Thon in manchen Richtungen denselben durchziehen und das Salz häufig verunreinigen. Doch bietet dafür, vor allen andern siebenbürgischen Salzgruben, unsere die schön- sten. wasserhellsten und merkwürdigsten Salzkrystalle; merkwürdig durch grosse, ausgezeichnete Hexaederkrystalle, seltener durch Octaeder und durch Combinationen des Hexaeders mit den Octaederflächen u. s. w. Die wasserklaren Würfel schliessen manchmal gleichdurchsichtige pfeilarlige Selenitkrystalle, Strahlgyps, dunkele Thontheilchen und auch andere Ge- genstände in sich ein. Sehr merkwürdig ist die in diesen hellen Krystal- len eingeschlossene Flüssigkeit zu nennen, die, wenn sie ihren Raum nicht ausfüllt, beweglich, oder, wenn sie denselben ganz ausfüllt, unbeweglich erscheint. Ich besitze in meiner Sammlung von Salzburg einen schönen grossen Salzwürfel, welcher in sieben abgesonderten, rechtwinkligen Pa- rallelepipeden eine Flüssigkeit einschliesst, deren Volum bei dreien etwas leer und mit Luftblasen geblieben, die beim Umwenden immer emporstei- sen. Bei den vollgefüllten Räumen ist keine Bewegung wahrnehmbar, ausser die Flüssigkeiten enthalten ein Erdtheilchen, welches dann bei je- der Bewegung und Richtung des Krystalls sich rührt, immer aber nieder- sinkt. Die wandelbare Luftblase in diesen Salzkrystallen ist manchmal entweder goldgelb oder braun gefärbt; weil diese Farbe sich aber mit dem eingeschlossenen Wasser niemals vermischt oder zu Boden sinkt, sondern immer mit der Luftblase, je nach der Bewegung, hin- und herzieht, und auch die Luft in so beschränktem Raume keine Färbung haben kann, so 904 M. J. Ackner, musste man nolhwendig darauf kommen, dass diese Substanz aus Oeltheil- chen besteht, die auf der Oberfläche des Wassers schwimmen, wovon sich noch unser wackerer alter Fichtel, bei der Eröffnung einiger dieser kleinen Wasserbehälter, durch den starken bituminösen Geruch des Erdöls überzeugte. Die Straten von dem westsüdlich von Salzburg liegenden Tetscheln bestehen aus 30—40 F. mächtigen, theils lockeren, theils zusammenhän- genden und festen Diluvialsand-, gelben fetten Thon- und blaugrauen Mer- gellagern, in welchen, wie es scheint, blos Spuren, selten vollständige Conchylien wahrnehmbar sind. Grabendorf oder Vallye liegt südlich von Tetscheln, drei Stunden von Hermannstadt entfernt, am nördlichen Fusse der von Osten nach Westen sich erstreckenden Urgebirge, im Thalgrunde, der in das Hermannstädter Bassin ausläuft. Zunächst hinter diesem Orte erblickt man an dem hier sehr hohen Vorgebirge ungeheure Wasserrisse von 300— 400 F. Tiefe, welche fortwährend gegen das Gebirge sich verlängern und erweitern. Diese Diluvialbildung besteht, wie es die steilen Wände der gedachten Risse zeigen, theils aus weisslichem, theils aus grauem, oft auch aus gel- bem, grobem Sande, der mit Kieseln von kleiner und mittlerer Grösse an- gefüllt ist. Hie und da bemerkt man auch grauen, gelblichen und grünen Thon in Schichten, Kugeln und Nestern; noch sind einige grosse Sand- steinbänke mit schaaligem oder kugeligem Thoneisenstein (Adlerstein, Ei- sennieren), innen hohl oder mit einer Ausfüllung von gelbem Ocher, zu bemerken. Petrefakten der Schichten von Salzburg, Tetscheln und Grabendorf (Vallye). a. Pflanzen. Als eine Seltenheit sind manchmal in Salzburg Moose, Gräser, Halme unbestimmter Arten im Krystallsalze eingeschlossen vorgekommen. Häu- figer finden sich im Salzstock Braun- und Steinkohlen vom Salz umgeben Zur Geognosie u. Pelrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 905 und durchdrungen; und sogar grössere Stämme mit Aesten und Zweigen, welche nicht selten in hohem Grade petrifieirt und nicht selten verkieselt — alle aber von Farbe braun oder schwarz erscheinen. In den Sandschichten von Vallye ist sowohl die Menge als auch die Grösse des Vorkommens von fossilen Holzstämmen bedeutend und schon von Fichtel erwähnt, welcher die betreffenden „Lithoxyla‘ für Erlen-, Buchen- und Eichenstämme erklärt; indessen habe ich darunter auch an- dere Holzgattungen, nämlichConiferen und zwar verschiedene Pinusarten, ge- funden. Die Färbung derselben wechselt zwischen dem Röthlich-, Schwarz-, meist Gelbbraunen, selten Violbraunen, und sind sie in Jaspis umgewandelt. b. Conchylien. Von Conchylien sind blos einige unbestimmbare Bruchstücke und Spuren von Bivalven und Univalven in den Mergeln von Salzburg und Tetscheln, wie schon bemerkt worden ist, vorhanden. c. Wirbelthiere, Säugethiere. Dass bei Vallye ,‚versteinerte Schafknochen und Zähne vierfüssiger Landthiere sich finden,‘“ sind Nachrichten von Ehrenr. Fichtel; ich konnte bis jetzt keine finden, obschon ich den Ort und dessen Umgegend wieder- holt durchforschte. — Der neuen Zeit gehört die Entdeckung bei Tetscheln an, wo in sandigem Berge, bei Grundgrabung eines herrschaftlichen, adeli- gen Wirthschaftsgebäudes und Kellers, die Arbeiter zufällig auf ein riesi- ses Mammuth-Skelet trafen, welches sie mit Staunen und Entsetzen be- trachteten, doch leider bald auch dessen Vernichtung beschlossen. Der zum Robothdienst herbeigetriebenen Walachen waren viele beisammen; einer derselben hegte den unglücklichen Gedanken, dass diese Knochen als Arzneimittel zur Heilung allerlei Gebrechen und krankhafter Zustände anwendbar und nützlich, und, in einzelne Stückchen verkleinert, theuer verkauft werden könnten. Der Gedanke und Vorschlag fand Beifall; ohne viel Bedenken ward sofort Hand angelegt; kein Sachverständiger war in Vol. XXIV. P. II. 114 906 M. J. Ackner, der Nähe, und der kolossale, vollständig erhaltene Thierschädel, klafter- lange Schenkelbeine u. dgl. wurden in wenigen Minuten in hundert Stücke zerschlagen, die Bruchtheile unter die Menge Walachen gleichmässig ver- theilt, und viele Säcke und Taschen, welche sie inzwischen herbeige- holt, mit den fossilen Brocken und Splittern angefüllt. Diese unbarmher- zig zerstörten und verkleinerten Ueberreste, kaum kenntlich mehr, was sie ursprünglich gewesen, boten in der Folge diese Thoren zum Verkaufe an, und indem sie manchen Dummen ihrer Brüder und Schwestern täuschten und um’s Geld betrogen, wurden sie vom Verständigen mit verdientem Verweise abgewiesen oder verlacht. II. Schichten von Orlat, Gurarun, Poplaka und Reschinar, Hinter den genannten vier Ortschaften beginnt im Allgemeinen das Urschiefergebirge, welches aus Thon- und Glimmerschiefer, Hornblende und Gneis besteht. Gewöhnlich ist zwischen dem Thon- und Glimmer- schiefer in weiter Erstreckung Urkalk eingelagert, weicher bei Orlat und Poplaka mächtig hervortritt, bei Reschinar und weiter gegen Osten hin mehr zurückgedrängt ist. Er wird von den Anwohnern fleissig als tech- nisch wichtiger Erwerbszweig zur Kalkbrennerei benutzt und damit Her- mannsladt und die ganze Umgegend versehen. Der Granit, von grobem Korn, seltener von feinerem, kommt tiefer im Gebirge und höher, sowohl gangarlig, als auch in Lagern und Stöcken, vor; je höher, desto häufiger; aber auf den Höhen und erhabensten Kuppen fast allemal von Gneis oder Glimmerschiefer bedeckt oder umlagert, woselbst letzterer von Granaten ganz übersäet ist. Diese von Hermannstadt südlich nahe gelegenen Ge- birge, welche den Hermannstädtern auch von jeher zugehört haben, sind ungemein veräslet und verzweigt und bilden mehrere Knoten, so dass es äusserst schwierig ist, deren Streichen und Fallen im Einzelnen mit Sicher- heit zu bestimmen. Im Allgemeinen ist wohl die Streichungslinie des Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 907 ganzen Gebirgszuges, wie Eingangs erwähnt, von Osten nach Westen an- zunehmen und bald stärkeres, bald sanfteres Fallen nach Norden oder Nord- osten. Als untergeordnete, jedoch ziemlich ausgebreiltete Lager und Stöcke sind die Serpentin-, Gabbro- und Smaragditgebilde in den Gebirgsschluch- ten von Reschinar zu betrachten, welche Tropfstein, Asbest, Bromit, Dial- lage enthalten. Von Mineralien kommen übrigens noch vor: brauner Ei- senslein, silberhaltige Eisen- und Arsenikkiese, auf welche neulich ge- schürft, früher ein regelmässiger Bergbau auf silberhaltiges Blei betrieben wurde, von dem die sogenannte, jetzt ganz verschültete Theseogrube nur noch sichtbar ist; ausserdem Graphit oder graphitisches Gestein, Kyanit, aber selten, in milchweissem Quarzgestein (eine neue Entdeckung) von schöner himmelblauer Farbe; derselbe im Granit bei Gurarun, von dunkel- blauer in’s Grüne spielender Farbe (neue Entdeckung). Ein von Poplaka herabkommendes und gegen Neppendorf in den Cibin mündendes Flüss- chen führt Magneteisensand, Silimaniten, Titan, Granaten, kleine Rubinen und wahrscheinlich auch Goldsand mit sich. Denn die genannten Mine- ralien sind in Siebenbürgen die gewöhnlichen, und man kann behaupten, die beständigen Begleiter des Waschgoldes; und in der That zieht sich das reiche Goldflötz von Walachisch-Pien (Olahpian), wo das ergiebigste Goldseifen unseres Vaterlandes ist, am Gebirgsfuss, über Petersdorf, Szaszt- schor, Kelling bis Hermannstadt; im Hermannstädter sogenannten jungen Walde hat man früher wirklich Gold gewaschen. Die B. Bruckenthalische Mineraliensammlung bewahrt zum Beweise dafür ein hübsches Quantum daselbst gewaschenen Goldes von der reinsten Gattung. Diese Gebirge der südlichen Urketten liefern aus wildzerrissenen pit- toresken Abhängen das krystallreinste Trinkwasser, welches vorzüglich von Gurarun und Reschinar wunderschönen Felsenthälern entströmt und durch die letztern Orte in die offene Fläche tritt; aber die zahllosen nach- barlichen Mühlen, Papierfabriken, Mastställe u. s. w., welche auf seiner Wanderung mit ihm buhlen und es entweihen, rauben dem dürstenden Hermannstädter ein Lebenselement, den reinen erquickenden Labetrunk. 908 M. J. Ackner, Von Petrefakten ist in diesem Abschnitt bis jetzt wenig gefunden; eigentlich blos Bruchstücke von Ihonigem Sandsteinschiefer mit Dicotyle- donen-Blättern, welcher Schieferthon zwar nur als Geschiebe bei Poplaka von uns aufgelesen, allein daselbst doch irgendwo, vielleicht durch die dort üppig wuchernde Vegetation bedeckt und verborgen, anstehen muss; ferner finden sich hie und da schwache Spuren von Muschelbruchstücken und Schneckenabdrücken in den in beschränkter Weise auftretenden Mer- gellagern; endlich gedenken wir hier noch der zarten Knochenüberreste wahrscheinlich von kleinen Vögeln, Fledermäusen u. dgl., welche manch- mal die engen Höhlungen und Spalten der Kalkfelsen, bei Poplaka brec- cienarlig, ausfüllen. Die bindende Masse, Kalktuff, Kalktropfstein, ist ge- wöhnlich in Kalkspath übergegangen, oft auch in Aragonit. IM. Schichten von Michelsberg, Heltau und Zod, Obschon in den „‚Verhandlungen und Mittheilungen des Siebenb. Vereins für Naturwissenschaften zu Hermannstadt““ eine kurze Monogra- phie der geognostisch-paläontologischen Verhältnisse der Straten von Mi- chelsberg und Heltau zu entwerfen versucht worden ist, *) so ist es doch nöthig, hier des Zusammenhanges wegen, wenn auch nur kurz, jedoch wie man hofft, verbessert, mit einigen erforderlichen Zusätzen und Nach- trägen die Sache zu recapituliren; denn inzwischen sind auch die Besuche dieser reizvollen, schönen Gegend erneuert, und selten findet ein Ausfiug hierher statt, ohne zugleich in irgend einer Hinsicht mit etwas Neuem den Forscher zu überraschen. Ueberhaupt fordern die ungemein mannigfalli- gen Verhältnisse der Michelsberger Felsgebilde jeden Kenner, je öfterer er sie begrüsst, zu einem desto anziehendern und ernstern Studium auf; und welcher Eingeweihte dürfte wohl diese Erfahrung nicht schon an sich *) Verhandlungen und Mittheilungen, 1. Jahrg. 5. Heft, 1850. Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 909 erprobt gefunden haben? Wiewohl auch hier, wie in den Hochgebirgen unseres Vaterlandes überhaupt, Gneis- und Glimmerschiefer vorherrschend zu sein scheinen, so nimmt man dennoch am sogenannten Götzenberg bei Michelsberg und Heltau bis Zod einen höchst mannigfaltigen Wechsel verschiedener Felsgebilde wahr. Wenn auf der Westseite des Gölzen- berges der Granit, welcher zwar nicht bis zu Tage streicht, *) jedoch sein Dasein durch mächtige, aus liefen Schluchten herausgewaschene Geschiebe beurkundet, die Schichten des Glimmer-, Chlorit-, Talk- und Kalkschiefers und die weit sich erstreckenden Massen der älteren Grauwacke und endlich die älteren und jüngeren Flötzgebilde in Bewegung setzte und emporhob, so scheinen auf der Ostseite des Götzenberges der Grünstein (Diorit), die Hornblende und der Syenit die Stelle und die Funclionen des Granits übernommen, mit ihm gemeinschaftlich gewirkt, oder ihn wenigstens in seiner Thätigkeit unterstützt zu haben. Die von unten nach oben mehr oder weniger aufgerichteten Schich- ten stellen sich unserm Blicke auf nachfolgende Weise dar. Ueber den Granit, der in geheimer Tiefe seine Wirksamkeit entwik- kelte. kann hier natürlich Weniges mit Bestimmtheit gesagt werden. Das Ansehen der aus ihm zu Tage geförderten, mehrere Gentner schweren Ge- schiebe ist von grobkörniger Beschaffenheit. Der krystallinische gross- blättrige, meist röthliche, selten weisse Feldspath ist darin vorherrschend, mit lichtem, durchschimmerndem Quarz und grauen oder silberweissen Glim- merblättchen vermischt und verbunden. Der Gneis ist von grobflaserigem Gefüge und mit vielen Abänderun- gen, häufig mit porphyrartig eingemengten, rundlichen Feldspath-, Feld- stein- oder Quarzstücken. Er geht östlich in granitartigen Gneis, in Grün- stein (Diorit), in Hornblendegesteine und Hornblendeschiefer, westlich bei *) In der Abbildung auf der Tafel des idealisirten Profils vom Götzenberge in der angeführten Schrift ist der Granit fehlerhaft vom Lithographen bis zu Tage streichend angegeben. Der- selbe hält sich unter dem Glimmerschiefer und Gneis verborgen und vom letztern durchaus bedeckt. 910 M. J. Ackner, Michelsberg in Talk-, Chlorit- und Glimmerschiefer über, und letzteres am häufigsten. Der Gneis zeigt hie und da schwarzen Schörl und öfters ihn durchziehende Quarzgänge mil Schörl, wie auf dem Heltauer Pfade zum Götzenberge. Der dem Glimmerschiefer sich nähernde Gneis zeichnet sich vorzüglich gegen Osten am Zodflusse durch eine zahllose Menge einge- schlossener Granaten, Staurolithe, Hornblende- und Turmalinkrystalle aus, und sind letztere in einem Talkschieferlager sehr vollständig auskrystallisirt. In derselben Felsart findet man auf verschiedenen Puncten den Strahlstein, bald grobkörnig, bald feinstrahlig, büschel- und säulenförmig, von gras- grüner Farbe. Vollständige und gut erhaltene Krystalle der angeführten Mineralien sind um so leichter zu gewinnen und zu sammeln, je weiter der Zerstörungsprocess der Steinart vorgeschritten, welches hier an mehreren schieferigen und feinkörnigen Felsgebilden der Fall ist. Die Uebergänge des Gneises in Glimmerschiefer, und umgekehrt, sind kaum bemerkbar und selten östlich, häufiger westlich, bei Michelsberg zu sehen, woselbst der Wechsel des Glimmerschiefers mit Kiesel-, Talk-, Chlorit-, Kalk- und Thonschiefer, und selbst mit der älteren Grauwacke stattfindet oder in Berührung kommt. Augenscheinlich bildet in der Re- gel der Gneis die niederen Abhänge, die tiefen Thäler und zum Theil den Fuss des Gebirges; aus Glimmerschiefer und aus dem ihm ähnlichen Schie- fer bestehen die Höhen, welches Verhalten besonders im Michelsberger Thalgrunde nachweisbar ist. Das Aussehen des Glimmerschiefers deutet häufig auf graphitischen Anflug und führt er mitunter in dünnen Schichten schuppigen und derben oder dichten Graphit. Auch findet er sich in dem, dem Glimmerschiefer sich nähernden Gneise auf Lagern, wiewohl noch in geringen Mengen. Der Uebergangssandstein oder die ältere Grauwacke besteht aus ecki- gen Stücken und Geschieben ungleicher Grösse, von Quarz, Kiesel-, Glim- mer- und Thonschiefer. Der verkittende Teig des Gesteins scheint Quarz zu sein, und in quantitativer Hinsicht den verbundenen Theilen sehr nach- zustehen. Mit dem Gneise, dem Glimmerschiefer und anderen Schiefern Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 911 tritt diese von Farbe schwärzlichgraue, übrigens versteinerungsfreie Fels- art nicht nur in Berührung, sondern oft in nahe Verbindung und Wechsel- lagerung. Ihr Abfall gegen das Thal, dessen Sohle sie bildet und sich weit hinauf bis in die Gebirge hinter Reschinar erstreckt, ist, je nach der grössern und geringern Erhabenheit der Massen, bald mehr, bald weniger sanft, hin und wieder schroffe, prallige Gehänge, überhängende Felswände und Klippen darstellend. Die Schluchten und Querthäler sind tief, felsig und oft sehr enge, selbst nicht ohne dunkle Spalten und Höhlen. Dies wären beiläufig die primären und älteren Felsarten. Von den jüngeren zeichnet sich als merkwürdig und wichtig nachfolgende dadurch aus, dass sie zahlreiche organische Ueberreste, welche der Kreide- und Juraformation angehören, einschliesst, deren Vorkommen man bis jetzt nicht geahnet, vielmehr bezweifelte, dass sie auch nur irgend in Siebenbürgen vorkommen dürften. Der Fels ist grauwackenartiger Sandstein oder sand- steinarlige Grauwacke, meist thonig, weniger kalkig, aus vielen kleinen glänzenden Glimmerblättichen zusammengesetzt, von bläulich grauer Farbe. Die Mächtigkeit über der Thalsohle beträgt 30—40 F., vielleicht noch mehr; denn Reschinar zu, wo sie sich erhebt und hinstreift, ist sie mit Bäumen und dichtem Strauchwerke bedeckt. Wie weit sie in die Teufe geht, ist auch nicht bekannt. Aber fast an der Mitte des Gebirges, im so- genannten Bärenbach, sahen wir noch bedeutende Geschiebe desselben Ge- steins von viel dichterer und härterer Beschaffenheit, und auch nicht ohne organische Einschlüsse. Das Gestein, welches übrigens an vielen Stellen Reibungsflächen und Verwicklungen bemerken lässt, verräth nicht minder auch ein verschobenes und gedrücktes Ansehen seiner CGonchylien. Da jedoch die Felsart im Ganzen sich durch Feinkörnigkeit dem Dichten nä- hert, splitterig und, überhaupt mit mehr Anlage zum Körnigen als Schiefe- rigen, ungemein fest und schwer zersprengbar ist, so könnte sie ein über- aus wichtiger Gegenstand der Gewinnung von Baustücken und von anderm Material zu Steinhauerarbeiten werden, zumal der Stein nicht weit von 912 M. J. Ackner, Hermannstadt entfernt ansteht, durch seine Festigkeit und Dauerhaftigkeit sich auszeichnet, und, was am Empfehlendsten, leicht zu gewinnen und zu bearbeiten ist. Auch der Naturforscher und besonders der Petrefaktensammler wür- den unstreitig aus diesfälligen Vorarbeiten, bei der Eröffnung eines regel- mässigen Steinbruches, sehr gewinnen und wissenschaftlichen Nutzen zie- hen. Dass diese Felsart bereits von unsern Vorfahren benutzt worden, davon geben mehrere von den älteren Gebäuden Hermannstadts den deul- lichsten Beweis, indem noch häufig aus dieser Steingatlung gefertigte Fen- ster- und Thürstöcke, Treppen und Galerien, Säulen und Platten zu sehen sind. Die grobe weisse Kreide zeigt sich blos in beschränkter Weise oder doch nicht aufgedeckt und sichtbar: bei Michelsberg unter und nächst der durch ihre überhängende Gestalt sehr auffallenden Breccie (Conglomerat) und des von den anwohnenden Michelsbergern sogenannten „.Halben- steins ;‘“ mächtiger erscheint sie bei Heltau und Zod, und ist theils weich und leicht, mergelartig, theils verhärtet und grob, tripelartig, anzufühlen und allemal weiss von Farbe. Die erstgenannte ist in einigen Schichten pisolithartig, enthält Fischreste, namentlich Rückenwirbel von Fischen. Mit der Kreide stehen Sandsteine, welche Kohlenspuren und dünne Kohlenlagen bemerken lassen, in Berührung, und Conglomerate, bestehend aus kleineren und grösseren Geschieben abgerollter älterer Felsarten, die mit dem Sandsteine von gleicher Entstehung und mit demselben und zugleich auch mit dunkeln, bläulichen Mergeln wechsellagern. Derglei- chen Sandsteine und auch Anzeigen der Nagelfluhe treten an der Höhe, von welcher man nach Zod bergabsteigend sich hinwenden muss, hervor. Auf verschiedenen Puncten des Michelsberger Hauptthales wurde mit Erfolg, aber ohne Nachdruck (wie es vom einzelnen Privatmanne nicht anders zu erwarten) auf Steinkohlen geschürft. Die Schürfung lässt übrigens ver- muthen, dass in der Tiefe mit nachhaltiger Kraftanstrengung bedeutende Kohlenflötze von der besten Gattung aufgeschlossen werden könnten. Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 913 Die in aufsteigender Ordnung folgende Breccie bei Michelsberg mag 50—60 F. mächtig sein. Sie besteht, wie es scheint, aus Bruchstücken von einer grossen Austern- und Hippuritenart und Röhrenknochen einer unbekannten Thiergattung, so wie aus scharfkantigen Quarz-, Glimmer- und Chloritstücken, mit thonigem oder kalkigem Bindemittel, das durch Eisen- oder Manganoxyd einen röthlichen Anstrich erhalten hat. Wo das Cement vorwaltet, bilden sich, so viel man wegen der üppigen Vegetation wahrnehmen kann, Flötze von Kalk, Mergel oder Stinkstein. Die Breccie ist gleich bei dem Eingange des Michelsberger Thales deutlich und gross- arlig aufgeschlossen und scheint hier in Verbindung des isolirten hohen Gneiskegels, dessen Bestandtheile quarzreicher in Gneis übergehender Glimmerschiefer ist, und auf welchem die alte Burg mit gothischer Kirche steht, einen Riesendamm von einem Alpensee, der in die Gebirgsschluch- ten sich weit hineinverlor, gebildet zu haben. Die Spuren dieser Breceie sind auch auf der Heltauer Seite am bekannten Bärenbach hinauf bis zur Mitte des Götzenberges, und sogar auf 3—4 Stunden Entfernung in gross- mächtigen Geschieben und Blöcken unter Talmatsch zerstreut, bemerkbar. Ebenso zieht sie sich über die Berge nach Westen gegen Reschinar, wo sie aber von dichtem Walde, Weingärten, Kirsch- und andern Obstbäu- men bedeckt ist. Von einer jüngern Tertiär- oder Tegelbildung — der miocenen Formation Lyell’s und Deshayes — bleibt es relativ unentschieden, ob sie vor, oder nach, oder zugleich mit der Breccie von Michelsberg entstan- den ist. Wir entdeckten dieselbe oberhalb Heltau, eine halbe Stunde von Michelsberg nordöstlich entfernt. Die Conchylien kommen unter ähnli- chen Verhältnissen, wie jene bei Szakadat, und viele auch von identischer Art, jedoch nicht in so grosser Anzahl, wie dort und auch viel hinfälliger als jene, vor. Die Muschellager bestehen theils in losem Gebirge, theils in blauen Thonlagern und schwärzlich grauen Mergeln, welche, wie die Schichten der voranstehenden Felsarten, gegen den Götzenberg aufgerich- let sind. Vol. XXIV. P. I. 115 914 M. J. Ackner, Petrefakten der Schichten von Michelsberg und Heltau, a. Pflanzen. Bei Michelsberg kommen, wie oben erwähnt, zwischen den Sandstein- schichten Steinkohlenlager vor, welche in der Tiefe mächtig und ziemlich ausgebreitet zu sein scheinen. Von Pflanzenresten finden sich blos ver- kohlte Grashalme, Pflanzenstengel, Holzstückchen und unbestimmbare Fruchtgattungen, deren einige Wallnüssen ähnlich sind. In dem Tegel- gebilde von Heltau sind Spuren von der Braunkohle häufig, und Pflanzen- abdrücke, namentlich Blätter von Laurus, Platanus, Corylus, u. a. m. nicht selten. b. Strahlenthiere. 1. Cidarites variolaris Goldfuss. 2. Cidarites-Stacheln. 3. Nucleolites sinuatus Bronn. 4. Galerites depressus Lamark. 5. Spatangus intermedius Münster. 6. == carinatus Goldfuss. 7. Enerinites-Säulenstücke einer unbekannten Species. c. Zweischalige Muscheln. 1. Ostrea, unbestimmt. 2. Mytilus plicatus Goldfuss. 3. Congeria spathulata Partsch, v. Hauer. 4. Venus dissita Eichwald. 5. Cardium, unbesimmt. 6. Venericardium, dergl. 7. Venus gregaria v. Hauer. S. Mactra triangula Goldfuss. Vorstehende von 1 bis S gehören zur Tegelformation bei Heltau. 9. Terebratula. 10. Ostrea. 11. Pecten. "2; 13. 14. 15. 1} a ze See nonponn Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 915 Inoceramus dubius Sow., annähernd. Posidonomya Becheri Bronn. Atrypa galeata Dalm. (findet sich blos in den höheren Schichten). d. Einschalige Conchylien. Melanopsis Martiniana Fer. = Dufourü Fer., Bronn. — Bouei Fer. _— neue Art, sehr gross. — neue Sp., äusserst klein. Limnaea longiovata Brongn. Paludina, unbekannt. Neritina picta (sehr elegant gezeichnet) v. Hauer. Cerithium baccalum Brongn. —_ pictum Bronn. (Von 1 bis 10 aus dem Tegel von Heltau.) e. Cephalopoden. Belemnites mucronatus Schloth. Ammonites Rhotomagensis v. Buch. — Coupei A. Brongn. Scaphites aequalis Deshayes. — Yvanüi Sow. Hamites rolundus Sow. Turrilites costalus Deshayes. Baculites anceps Lmk. Voranstehende Nummern von I bis 8 sind vergleichungsweise blos annähernd bestimmt. 0 Kische. Wirbel von Fischen und Schuppen. g. Reptilien. Schildkrötenüberreste, bestehend in Panzerbruchstücken. 916 M. J. Ackner, IV. Schichten von Talmatsch, Portschescht und Schebesch oder Schmoisch. Diese Schichten des äussersten und tiefsten Winkels vom Hermann- städter Becken sind durch die zum Theil gewaltigen Fluthen des Cibin- und Zodflusses bei Talmatsch und Portschescht am meisten aufgeschlossen und für den Forscher zugänglich und anschaulich gemacht. Vorzüglich gilt dies von der Nagellluhe, die hier bei Talmatsch aus Bestandtheilen der mannigfaltigsten Steinarten, mit Sandanhäufungen und Sandsteinschichten wechsellagert und sich am linken Cibinufer hinab und am rechten Altufer hinauf, in verticalen Wänden, oben mit hohem Eichenwalde geschmückt, weithin erstreckt. Sie ist unter einem Winkel von 30—40° gegen die südöstlichen nahen Urgebirge aufgerichtet, mit westnördlichem Falle, wo sie unter Diluvial-Hügelreihen, welche an der Grenze der Ebene sich er- heben, verschwindet. An den unter dem Landeskronberge vom Cibin- flusse unterwaschenen, mehr oder weniger verhärteten Sandsteinlagern be- merkt man mitunter dünne Schichten von Braunkohlen und Massen von weisser tripelarliger Kreide, deren Lagerung überstürzt zu sein scheint. Auf der rechten Seite des Cibin- und Zodufers kommen die unter- sten Schichten des Grobkalkes, zum Theil, wo das Zodwasser tiefer ge- waschen, Nummulithenkalk, vor, jedoch von der Dammerde, üppigem Strauch- werk und vom Grase stark überwuchert. Neulich noch wurde an der Fuss- lehne des Berges, auf dessen Gipfel die Ruinen der Landeskrone ruhen, der Grobkalk aus der Tiefe gehoben und abgebaut und als vortreffliches technisches Material zur Anfertigung verschiedener architektonischer Ge- senslände, Quadern, Platten, Staffeln, zierlicher Grabmonumente u. s. w. benützt. Auch deuten die in der Nähe daselbst sichtbaren häufigen Ver- tiefungen mit Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass auch in früheren Zeiten hier Steinbrüche im Grobkalke gewesen und die Felsart zu denselben Zwecken verwendet worden ist. Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 917 Deutlicher und freier stellt sich uns bei Portschescht der Grobkalk dar, den wir noch im Jahre 1830 zuerst mit seinem merkwürdigen Reich- Ihume von Versteinerungen auffanden, dessen Wichtigkeit erkannten und im Jahre 1838 kurz anzeigten und öffentlich bekannt gaben. Die neptu- nischen Bildungen von Portschescht: Grobkalk, mit Sandschichten und Con- glomeraten und kalkigem Sandstein wechselnd, dunkelgrünlicher Mergel und Thon (vielleicht der plastische Thon) und verhärtete weisse Kreide, welche im Allgemeinen in gleicher Ordnung, wie sie hier genannt werden, von Osten nach Westen, von dem nahen krystallinischen Hochgebirge ge- gen das Ufer des vorüberströmenden Altflusses hinab aufeinander folgen, sind grösstentheils entblösst und von mehreren Gebirgswässern durch- schnitten, zum Theil auch, und zwar näher dem Rothenthurmpasse zu, durchaus weggeschwemmt. Die Höhe des Grobkalkes beträgt von der Thalsohle am obersten walachischen Wohnhause, unserem gewöhnli chen gastlichen Absteigequartier, 450—500 Fuss und erstreckt sich bis Unter-Schebesch. Unsere diesfällige Felsart zeichnet sich nicht nur durch Marine-, sondern auch durch Süsswasser-Muscheln und Landschnek- ken aus, welche zum Theil der Kreide und Juraformation, die meisten aber den untersten Schichten des Grobkalkes angehören. Daher bei Port- schescht die Erklärung und Behauptung Elie de Beaumonts ganz pas- send und anwendbar erscheint, welcher die Ablagerungen so unterschei- det: erst die neuen Zwischenräume mit gemischten Conchylienarten, nun die Schichten unter dem plastischen Thone zwar mit einigen Tertiär-Con- chylien, aber aus niedriger Meeresbedeckung mit Ufer-Muscheln, als noch in der Kreide-Periode und vor der heftigen Bewegung der neuen Meeres- wogen, welche die früheren Schichten aufwühlten und durch ihre Zer- störungen den Anfang der Tertiär- Periode bezeichneten. Wenn demnach die Lager bei Portschescht nicht zur Kreide gezählt werden können, so steht doch erstlich fest, dass diese Schichten den An- fang der Tertiär-Periode bezeichnen; zweitens, dass Kreide und Tertiär- Schichten, wenn auch nicht in einander übergingen, doch nahe aneinander 918 M. J. Ackner, grenzien. Die Schalen der Landschnecken deuten allerdings an, dass die Küste von ihrem jetzigen Ablagerungsort nicht ferne gewesen sein könne. Alle in der Folge zu nennenden Conchylien, welche mit den wirklichen Seemuscheln durcheinander vorkommen, deuten daher auf ein zwar, viel- leicht von seiner Emporhebung her, noch mit Salzwasser versehenes, aber wenigstens in späterer Zeit vom offenen Meere abgeschlossenes ruhiges Becken hin, welches wahrscheinlich durch die beständigen Zuflüsse von Süsswasser aus den erhobenen Alpenhöhen und dessen Ausflüsse in Ver- mischung mit dem Süsswasser sich allmälig aussüsste, wie solches auch sonst von den Naturforschern vermuthet wird, und sich auf diese Weise am natürlichsten erklären lässt, und durch Niederschläge den Boden auffüllte, während vielleicht zu gleicher Zeit sein Spiegel durch tieferes Einschnei- den der Altflussschwelle am Rothenthurm sich senkte und das Becken sich nach und nach trockenlegte. Die letzten Seeconchylien mussten nun zu Grunde gehen. Kleine Inseln erhoben sich anfänglich aus dem Was- ser, welche allmälig immer mehr zusammenflossen — und die Flüsse re- gelten sich in manchen Reihen von Jahren bis zu ihrem gegenwärtigen Laufe. Bei der versuchsweisen Erklärung der Verhältnisse der Straten von Talmatsch und Portschescht und der bei letzterm häufig vorkommenden fossilen organischen Ueberreste entsteht in dem nachdenkenden Forscher unwillkürlich die Frage über das relative Alter dieser Schichten und Alpen- aufthürmungen. Unwiderlegliche Erfahrung lehrt, dass das relative Alter des Gebirges nur nach den neptunischen Schichten, die in ihm gehoben und verworfen erscheinen, bestimmt werden könne, und wir werden durch augenfällige Betrachtung überzeugt, dass ein Gebirgszug um so älter ist, je weniger neptunische Schichten er hebt, und im umgekehrten Falle, er um so viel jünger sein muss, je mehr neptunische Straten er bewegt und gehoben hat. Die grosse Grenzkette unseres von Südwest gegen Nordost laufenden majestätischen Hochgebirges ist, wenigstens vom Ro- thenthurmpass angefangen, eine namhafte Strecke Weges mit ihren wol- Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 919 ‚kentragenden Kämmen und ihrem himmelanstrebenden Damm jüngeren Ur- sprungs, als die älteren Tertiärschichten von Portschescht und die Molas- sengebilde von Talmatsch. Sowohl der Grobkalk mit seinen mannigfachen Einschlüssen, als auch die Nagelfluhe mit ihren mächtigen Geschieben und Schichten, mussten bereits auf dem Grunde des Meeres niedergeschlagen und in ihren Straten verkittet, verhärtet und vollendet worden sein, als sich jenes in der Tiefe formte und die letztern hob und aufrichtete. Die Hebungen und Aufrichtungen der in Rede stehenden Felsarten konnten ferner demnach natürlich nur stattgefunden haben nach der Erstarrung und Erhärtung der Schichten, und zwar nachdem sie fest genug waren, um sich weder zu trennen noch zu biegen, wovon an den Schichten des Grob- kalkes zu Portschescht keine Spur bemerkbar ist, oder doch nur selten ausnahmsweise ein dergleichen Fall eintritt. Da endlich der Schichtenfall der Karpathen hier 48—50° beträgt, so kann auch schon aus diesem Grunde der Grobkalk sich in dieser Steilheit nicht abgesetzt haben, son- dern musste schon, wie gesagt, im verhärteten Zustande gehoben worden sein, nachdem jedoch bereits die Karpathenhöhen selbst zum Theil schon aus dem Wasser hervorgetreten — man muss es daher entweder als ein eigenes Gebilde zwischen der Kreide- und der Tertiärformation oder als die unterste Abtheilung (Eocene) der letzteren ansehen — und zugleich von ihren Abhängen die vielen Landschnecken oder Süsswasser - Conchylien durch die Gebirgswässer herabgespült und mit den noch zahlreichen mari- nen organischen Ueberresten vereinigt niedergeschlagen worden waren. Die steile Schichtenstellung des mehrgenannten Grobkalkes zeigt also, dass die äussere Hebung und Ausbildung der vom Rothenthurmpass in nordöst- licher Richtung laufenden Karpathen in verschiedenen Epochen stattgefun- den und noch bis zu den Eocenenbildungen und bis zum Ende der unter- sten Grobkalkabtheilung fortgedauert haben muss. 920 M. J. Ackner, Petrefakten der Schichten von Talmatsch, Portschescht und &Schmoisch. a. Pflanzen. Spuren von Braunkohlen erscheinen häufig an diesen drei Orten: bei Talmatsch im Sandstein in dünnen Lagen und Schnüren; bei Portschescht in verkohlten Holzarten, die manchmal ganz von Würmern und Serpuliten durchdrungen und sammt dem Holze in Kalkstein übergegangen sind; bei Unter-Schmoisch in den hohen Ufern des von den nahen Höhen des Su- ruls herabstürzenden Gebirgswassers. Diese Ufer bestehen oben aus klei- nen und grössern Geschieben des nächsten Urgebirges, tiefer unten aus kreideartigen verhärteten Mergeln und Sandsteinschichten, welche ziemlich grosse Bruchstücke von einer in Braunkohle umgewandelten Holzart ent- halten. Nicht selten entreisst der vom Regen angeschwollene Wildbach den Ufern auch ganze verkohlte Stämme mit Aesten, Zweigen und Früch- ten einer Pinusart, deren Zapfen noch gut erhalten sind. b. Korallen. Astraea geminata Goldfuss, — radiata — Portschescht. EDEN Caryophyllia Anthophyllum Goldfuss, Turbinolia cuneata Goldfuss, — elliptica Lmk., Portschescht und Unter- Schmoisch. ee ae — appendiculata Brongn., c. Radiarien. Apiocrinites ellipticus Goldfuss. Ananchites ovata Lmk. Discoidea albogalera Agass. Micraster cor testudinarium Agass. ie Spatangus cor anguinum Goldfuss. Cidaris Blumenbachiü Goldfuss (blos Stacheln). en Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 921 7. Cidaris vesiculosus Goldf., Münst. (Stacheln). 8. — coronalus -— —_ —_ 9. — _ claviger — — zus 10. Eine unbestimmte Echinusart von bedeutender Grösse. d. Zweischalige Muscheln. 1. Terebratula lata Sow. 2. _ vulgaris Schlotheim. 3. _ semiglobosa Sow. 4. — plicatilis — 9. Ostrea callifera Lmk. 6. — latissima Goldfuss. 1. — dilwiana Lmk. S. — unbestimmte Species, sehr breit und dick. 9. Pachimia gigas Sow. 10. Pecten quinquecostatus Sow. 11. — laticostatus Lmk. 12. — aequicostatus Lmk. 13. — serratus Nilss. 14. Lithodomus lithophagus Brongn., Sow. 15. Arca diluvü Lmk. 16..1 di Itat socardia exaltata Goldfuss (Steinkern). i7. — venlricosa 18. Venericardia louanetti Bast. (Steinkern). 13: — planicosta Lmk. (Steinkern). 20. Venus parva Sow. 2l. — (grosser Steinkern). 22. Cardium porulosum Lmk., gewöhnlich als Steinkern, oder als hohler, leerer Raum, den einst die Schaale einnahm, der Muschel ent- sprechend. 23. Lucina squamulosa Lmk. 24. Corbula crassa Bronn. 25. Ericina sp. indeter. 26. Mactra triangula Eichw. (Steinkern). 27. Pholadomya Murchisoni, ähnlich. Vol. XXIV. P. Il. 116 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 0. 31. 92. 59. 54. 59. 56. 97. 8. 59. M. J. Ackner, Pholadomya donacina (Steinkern). Donacites Alduini Brongn. (schwarz lackirt). Lima antiqua Conyb. e. Einschalige Muscheln. Vermetus intortus Bronn. Siliguaria anguina Lmk. Serpula carinata — Geranae An Münster. — monilifera Capulus cornucopiae Defr. (Trachelipoden.) Helix viminalis Luk. — (Steinkern). Ampullaria (Steinkern). Tornatella gigantea Bronn. Nerita conoidea Lmk. Neritina (Steinkern). Natica, unbestimmt. Trochus, unbestimmte Species, Steinkern. Turbo cyclostoma Zielen. Nerinea grandis Volz. — DBruckenthalü v. Hauer. — cylindrica Volz, Steinkern. — ns. Cerithium erenatum v. Hauer. Pleurotoma cingillata Goldfuss. Fusus rostratus Brouhi (blos annähernd). Tritonium corrugatum Bronn, Var. Strombus ohne Knoten. — neue Art. Rostellaria Burmeisteri Goldfuss. Cassidaria, 4 hoch und 3” breit. Cassis nodulifera Partsch. Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 923 60. Mitra scrobiculata Defr. 61. Volvaria bulloides Lmk. 62. Terebellum convolutum Lmk. 63. Conus deperditus Bronn. 64. — giganteus Quenstedt (13 Pfund im Gewicht). f. Cephalopoden. I. Nummulina laevigata D’Orbigny. 2. — perforata Ficht. 3. — lenticularis — B; _ granulosa = N rn 9. — granulosa radiata \ 6. Nummulites placentula Forskal, dünn und sehr gross, ähnlich jenen im Kreidekalk der egyptischen Pyramiden. 7. Siderolites calcitrapoides Lmk. S. Nautilus Aturi Bast. 9. Spirulaea nummularia Bronn. g. Crustaceen. Scheeren von einer kleinen Krebsart, ähnlich der Glyphea modestifor- mis Münst. h. Fische. Gewöhnlich nur Zähne derselben, selten Rippen und andere Ueberreste; von den erstern fanden sich folgende nach Agassiz bestimmte Genera: 1. Notidanus 2 Species. 2. Galeocerd 2 — 3. Sphyrna ll — 4. Carcharodon 0 — 9. Otodus I. — 6. Oayrhina 10 — 7. Lamna I. — Ss. Odontasps 7 — 9. Gyrodus. 10. Placodus. 11. Squalus. 924 M. J. Ackner, 12. Halianassa (Bruchstücke von Rippen und andern kleinern Bein- überresten). i. Reptilien. 1. Nothosaurus Bronni Münst. 2. Mastodonsaurus Jaegeri v. Mayer. 3. Megalosaurus Bucklandi Mant. 4. Ichthyosaurus communis Bronn. Auch von diesen Reptilien finden sich blos Zähne, selten kleine Stück- chen von Beinüberresten. W, Schichten von Girelsau, Szakadat und Thalheim. Bei der geognostisch-paläontologischen Kreiswanderung und Durch- forschung unsers Bassins bieten gegen Westen Molasse- und Diluvial- berge sich dar, während die Hochgebirge, welchen sich der südliche und östliche Rand des Hermannstädter Beckens anschliesst, zurückbleiben. Zuerst begegnet der Blick bei Girelsau einem kreidearligen versteinerungs- leeren Gebilde von hellweisser Farbe, welches schon oberhalb Michelsberg (hier mit organischen Resten) beginnt, nächst Heltau und Zod fortsetzt, bei Talmatsch, Portschescht und Unter-Schebesch sich zeigt, am deutlich- sten und mächtigsten bei Girelsau und Rakowitz, jedoch vom Altfluss in- mitten durchschnitten und theilweise durch die Fluthen weggeschwemmt, ansteht. Endlich kommt dasselbe im Thalheimer Walde auf der rechten Seite der Berglehne des obern tiefen Thalgrundes und Baches wieder, und zwar in grosse Quadrattafeln zerklüftet und geschichtet. zum Vorschein. Mit der Kreide kommen auch Sandschichten und thonartige oder kalkige Mergellager mit Nestern Walkererde vor. Bei Szakadat, am rechten Alt- ufer, gewinnen die nächsten Ortsbewohner vorzüglich bei niederem Was- serstande aus einem grauen Sandsteinschiefer schöne, breite Steinplalten, denen einige Geognosten eine Stelle als Zwischenglied zwischen der Jura- Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 925 und Kreideformation anweisen und die in leicht spaltbaren Zwischenlagen verschiedene diesem Fundort eigenthümliche Pflanzen-Ueberreste enthal- ten, unter welchen Graf Sternberg Fucoiden (Cistoseirites) erkannt hat. Diese Schichten mit Pflanzen kommen auch unter Szakadat in einer ver- borgenen, tiefen Bergschlucht vor, setzen unter einem ziemlich hohen mit Eichenwald bedeckten Berge, der Wasserscheide zwischen dem Alt- und Harrbachthal, durch, und bieten auf dem westlichen Abhange in aus- gewaschenen Schluchten und Wassergräben aufgedeckte ähnliche graue Sandsteinschiefer dar, die jedoch mit verhärteten Mergelschichten, Schie- ferthon, Braunkohlen und breccien- oder conglomeratartigen Gesteinen abwechselnd auftreten und ausser Fucoiden zugleich dicotyledonische Blät- ter liefern, welche auf ein jüngeres Alter hindeuten, wie denn auch Partsch diesen Schieferthon, welchen derselbe persönlich besucht hat, der Molasse unterordnet. Häufiger fanden wir in Gesellschaft der genannten Pflanzen- abdrücke in dem angrenzenden Thalheimer Waldgraben grössere und klei- nere Fische und auch Insecten. Die Fische kommen bei Thalheim in meh- reren parallel übereinander liegenden Schichten und sehr verschieden dar- gestellt vor; in Schichten, die nicht immer gleich ruhigen Niederschlag, sondern mitunter heftige Katastrophen erlitten haben; denn einige von denselben bieten Darstellungen von Fischen mit ausgebreiteten Flossen, gleichsam im Momente des Schwimmens, als sie ihr Schicksal ereilte; an- dere Straten enthalten dieselben in gekrümmter, unnatürlicher Lage: — zerrissene Theile, zerdrückte Köpfe, zerstreute Schuppen, Gräten, Kopro- lithen; — noch andere zeigen blos Gerippe, die knorpeligen, fleischigen Theile sind verschwunden, nur Knochenreste blieben zurück. In einigen Zwischenlagen glaubt man blos Abdrücke zu sehen, aber genauere Unter- suchungen lassen glänzende Schuppen erkennen, so wie Köpfe und Flossen. Nicht Fischskelette nur, auch die Fleischtheile waren, als der Uebergang in den fossilen Zustand erfolgte, noch so ziemlich vollständig erhalten, dass sie, obschon bei der Gesteinbildung meist zerstört, die Formumrisse der Körper mehr oder weniger getreu in der Felsart wiedergeben. Noch: 926 M. J. Ackner, muss der merkwürdigen Thatsache gedacht werden, wo die Fische, und zwar Fische von gleicher Grösse, in einigen Schichten auf ebener Fläche in zahlloser Menge zusammengedrängt, den Tod fanden, und so als Abdrücke vorkommen; etwa ebenso, wie diese Erscheinung der berühmte Monte Bolca am südlichen Alpengehänge, unfern Verona und Vicenza, wahrneh- men lässt. Die Fische oder Fischabdrücke des Thalheimer Sandsteins oder Schie- ferthons sind eine neue Entdeckung unserer Forschungen, und verdienen, als ein höchst interessanter Gegenstand, die besondere Aufmerksamkeit und eine nähere genauere Untersuchung der Naturforscher. Wir fanden die Fische, so wie auch die Pflanzen, gewöhnlich in den wagerechten Plat- ten des leicht zerspaltbaren Sandsteinschiefers liegend; die Fische meist mit ihrer grössten Fläche, Seite oder Bauch, den Schichten parallel, daher man schliessen muss, dass die Absetzung derselben im Allgemeinen nicht mit grosser Gewalt stattgefunden habe, indem auch die Bildung der Schich- ten nach der obwaltenden Regelmässigkeit mehr ruhig und nach und nach, als plötzlich und gewaltsam geschah, sonst müsste man die Fischkörper in sehr verschiedenen Lagen gewendet und festgestellt sehen, welcher Fall, wie oben bemerkt, wohl auch eintrifft, aber selten und in andern, gewöhn- lich tiefer liegenden Schichten. Wir fanden in diesfälligen, und zwar in den am tiefsten gelegenen, Zwischenstraten bei unserm letzten Besuche endlich ganze oder halbe Abdrücke, deren Länge von 1— 10 Zoll wech- selt. Die Fische fanden sich hier seltener und nicht in allen Schichten, auch nicht in gleicher Menge. Hier in diesen untersten Schichten liegen sie meistens auf dem Rücken oder den Seiten, viele kreuzweise überein- ander, widernatürlich gekrümmt, woraus auf plötzlichen gewaltsamen Tod derselben zu schliessen, der eintrat, bevor sie noch auf den Grund des Wassers sanken, in dem sie lebten und erst nach ihrem Tode durch die darüber ahgelagerten Felsarten bedeckt wurden. Ihre Reste, Rückenwir- bel, Gräten, Schuppen u. dgl., erscheinen, wie auch sonst gewöhnlich, als eine durchsichtige bernsteinartige Substanz. Viele schöne Exemplare wur- Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 927 den sowohl aus den höhern, als tiefern Thalheimer Schichten für meine Petrefakten-Sammlung glücklich formatisirt, viele schöne Stücke aber auch beim Zerspalten und Formen der Handstücke unglücklicherweise zerschla- gen und verdorben. In dem breccienarligen Gestein entdeckten wir einige Wirbelbeine und ein Bruchstück von einem Schädel mit zahnbesetztem Kiefer, beide unbestimmten Sauriern oder krokodilartigen Geschöpfen angehörend. Die in losem Gebirge nahe hinter Szakadat vorkommenden Conchy- lien stammen, wie auch Herr Präsid. Ritter v. Hauer bemerkt, welcher mit dem Verfasser zusammen an Ort und Stelle war, aus blauem Thone oder Mergel, der vorzüglich neben einem Bache zu Tage geht, jedoch nicht minder in der Richtung gegen Glimboaka längs des rechten Altufers hinauf, nach viertel- oder halbstündliger Entfernung, in Wasserrissen und auf den Aeckern wieder als solcher und mit denselben Muscheln sichtbar wird. Petrefakten der Schichten von Girelsau, Szakadat und Thalheim. a. Pflanzen. 1. Cystoseirites nutans v. Sternberg, Thalheim. 2 — Partschü — Szakadat. B) — spicalus — 4. — kliformis —- Thalheim. 3. — var. var., sehr häufig öndeter., Thalheim. 6. Chondrites intricatus Münster; Thalheim. 7. Verschiedene Pinusarten, Zapfen, Früchte; Thalheim. S. Ausserdem findet man im angegebenen Schiefer von Szakadat und Thalheim Holzstücke, Zweige, Blätter, Kätzchen, Blüthen, Nüsse u. s. w. von Laurineen, ÖOleineen, Myrtaceen, Juglandeen und von mehreren anderen Strauch- und Baumarten. b. Bivalven. 1. Congeria spathulata Partsch, Szakadat. ıD — var. — 928 a DD ee je ee pad STR RE In 21. u wu =Ssrnenpuv. M. J. Ackner, Venus gregaria v. Hauer, Szakadat. — _ dissita Eichwald, _ — Yar. oblonga — Cardium dubium Geinitz, — c. Univalven. Limnaea longiscata Brongn., Szakadat. — nova sp. sehr klein. — — etwas grösser, Neudorf und Hamersdorf. Melanopsis Martiniana Fer., - Dufourü — — Bouei — ) Szakadat. = buccinoides var. — n. Sp. Paludina lenta v. Hauer, Szakadat. — pigmaea Fer. — — ns. — Neritina fluviatilis Eichwald, Szakadat. — picta — — — p. deter. . — — Trochus conicus 7 — — .n. sp. perlmutterglänzend, Szakadat. — var. a Murex imbricatus v. Hauer, — — var. vel sp. n. = Buccinum baccatum Bast. = Cerithium Doliolum — — d. Insecten. Musciden; drei besondere Arten in Gesellschaft von Fisch- und Pflan- zenabdrücken in Zwischenschichten des Schieferthons im Thalheimer und Szakadater Walde. Sie sind aus Mangel an Hülfsmitteln bis jetzt noch nicht bestimmt worden. Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 929 e. Fische. Die Fische von Szakadat und Thalheim kommen mit den Abbildungen der Fische und deren Beschreibung von Heckel (Beiträge zur Kenntniss der fos- silen Fische Oesterreichs von Joh. Jak. Heckel, 1. Abhandl., Wien 1850) so ziemlich überein, obschon sie mit ihnen denn doch nicht durchaus identificirt werden können. Die von Szakadat scheinen am meisten annähernd zu I. Chirocentricus Coronini, 2. = gracilis, 9. — mierodon, zu gehören. | Jene von Thalheim dagegen zu 4. Clupea Haidingeri. >. Lepidopides leptospondilus, 4 und 5 sind Zähne. Von grösster Aehnlichkeit, beinahe identisch, sind aus den Wald- gräben von Thalheim einige nachfolgende mit Meletta sardinites. — longimana. Jiodeus amarus (?) letzterer einstweilen von August Kubinyi und Salomon Petenyi, den Kustoden des Pesther National -Museums, also bestimmt, woran jedoch mit Recht zu zweifeln ist. Das kleine Fischlein ist nur 1 Zoll lang und halb so breit, ovalförmig gebil- det, mit zugespitziem schnabelarligen Maule, mit verhältnissmässig grossen stacheligen Seitenllossen und sehr kleiner, kurzer und gleichsam abgestutzter Schwanzilosse. je Pa Bi =) v1. Schichten von Hamersdor! (Hahnenbach, Neudorf und Rothbers). Die Darstellung des letzten Segmentes am Rande des Hermannstädter Bassins ist noch zurück; eines Terrains, auf dem der Verfasser 30 Jahre gelebt und gehaust, und wo dasselbe kennen zu lernen und durch und durch zu erforschen sich Gelegenheit und Musse genug darboten. Er hat sein Möglichstes gethan. Nichtsdestoweniger könnte sich auch hier bewähren, dass oft gerade das Nächste und vor Augen Liegende übersehen Vol. XXIV. P. II. 117 930 M. J. Ackner, und unbemerkt bleibt; doch ward (dessen ist man sich bewusst) keine Mühe gescheut, und Fleiss und Aufmerksamkeit in dieser Hinsicht durch eine gewisse Passion, eine enthusiastische Liebe zur Sache, noch mehr gesteigert. In der That ist auch das Unternehmen wissenschaftlicher Erfor- schung dieses Theils in mehrfacher Hinsicht interessant, wichtig und reiz- voll. Nebst einer höchst anmuthigen parkähnlichen Landschaft, die dem Naturfreunde aus hübschen Thälern, quellenreichen Schluchten und wald- umschatteten Berghöhen entgegenlacht, findet der Pflanzenkenner hier den botanischen Garten von Hermannstadt, dessen reichhaltige Flora noch nicht ausgebeutet ist. Ebenso wird der Alterthumsfreund überrascht, bei dem häufigen Auffinden und Ausgraben antiker Dach- und Mauerziegel, ge- hauener Steine, Münzen, Waffen, dann einer Menge dergleichen theils ganzer, theils zerbrochener Urnen, Vasen und verschiedenerlei Schalen und Gefässe, welches Alles auf eine nahe römische Niederlassung hindeutet. Vorzüglich merkwürdig erscheint der Ort endlich als Fundgrube fossiler Ueberreste vorweltlicher, zum Theil ausgestorbener Thierarten, welche in den Bachkrümmungen eines oben bei Hamersdorf mündenden Thalgrundes auf eigenthümliche Weise blossgelegt werden. Die längs der Bachufer angrenzenden Aecker und Wiesen, unter denen die Fossilien vergraben sind, gehören Privateigenthümern an, welche Nachgrabungen auf ihrem Grunde anzustellen nicht gestalten; allein das kleine Flüsschen mit starkem Falle spielt manchmal, von plötzlichen wolkenbruchähnlichen Regengüs- sen angeschwellt und unterstützt, man könnte sagen Geniestreiche, unter- wäscht und zerreisst, Niemandes Eigenthum schonend, mit schäumender Woge die Thalsohle und die beiderseitigen Bachufer und bringt die ver- borgenen, längst verschütteten Gegenstände an das Tageslicht. Nach sol- chen Katastrophen ward nicht gesäumt, gleich nach Ablauf der Fluth hin- auszueilen, um die zerstreut umherliegenden tausendjährigen fossilen Ueber- reste sorgfältig zu sammeln und aufzuheben. Ein Verzeichniss derselben soll folgen, nachdem zuerst eine übersichtliche Andeutung diesfälliger Schichtenverhältnisse vorausgegangen. Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 931 Was übrigens von dem Schichtenverhältnisse bei Hamersdorf zu sa- gen, indem es in bedeutendem Umfange ziemlich constant bleibt, gilt be- sonders, mit wenig Ausnahme, einerseits bis Neudorf, Rothberg und Thal- heim (zum Theil), andererseits bis Hahnenbach, Gross- und Kleinschnu- ren. Der Thalgrund bei Hamersdorf aber, als am besten aufgeschlossen und unfehlbar auch am genauesten durchforscht, verdient allerdings einige Beachtung. Die Seitenwände dieses Thalgrundes und der Nebenschluch- ten erheben sich, aus niedrigen Anhöhen sanft hinansteigend, bis zu ziem- lich hohen Kuppen, deren einige beiläufig 1800 F. über der Thalsohle messen. Der obere Theil der Berge besteht grösstentheils aus mächtigen Sandbänken und aus ebenso mächtigen Lagern von Geschieben uranfäng- licher und späterer Gebirsgarten, als Syenit, Granit, Gneis, Glimmerschie- fer, Sandstein, Porphyr, Feuerstein mit gewundenen Schnecken, verschie- denen Chalcedon- und Jaspisarten. Jeder plötzliche Gewitterregen trägt dazu bei, dass von Zeit zu Zeit, ausser jenen organischen Ueberresten, auch von den letztern oft wunderschöne Exemplare zum Vorschein kom- men, worunter sich ein Festungsachat, ein Heliotrop und andere auszeich- nen. Von der Mitte der Berge herab wechsellagert der Mergel mit Sand- bänken, mit gelbem und blauem Thon. Und wo sich der Bach tiefer ein- srub — das ist an mehreren Stellen der Fall — dort wird ein ausgedehn- tes, wie es scheint, sehr mächtiges Thonlager sichtbar, welches sich durch seine zähe Consistenz und blau-grünliche Farbe auszeichnet. Das talk- arlige Anfühlen und chloritische Ansehen dieses Gebildes lässt übrigens vermuthen, dass dasselbe hier die oberen Theile der Kreide repräsentiren könnte. Die Mergelschichten enthalten Schnecken- und Muschelabdrücke von Marinen und Süsswasserarten. Uebersichtlicher und leichter kann der Mergel auf der entgegengesetzten östlichen Seite dieses Berges beob- achtet werden; hier erscheint er in grosser Ausdehnung, gegen 80 F. hoch, beinahe senkrecht abgeschnitten. Er bildet gegen die Teufe mäch- lige massige Stratlen; nach oben sehr dünne, manchmal den Blättern eines 932 M. J. Ackner, Buches gleichende horizontale Lagen und scheint überhaupt das Resultat eines regelmässigen und ruhigen Meeresniederschlages zu sein. Spuren von Schaalthieren, Fischen, Fischschuppen und Zähnen, Insecten und Ab- drücken von Blättern besonderer Holzarten enthalten alle diese Schichten; häufiger finden sie sich in den tiefer liegenden. Ein Lager, das die Cor- bis lamellosa, Cardium, Petrieula, Planorbis, Limnaea und vorzüglich zahlreich zusammengedrängt die Lingula mytiloides enthält, stellt sich als ziemlich ausgebreitet dar. Die sehr gedrückten Conchylien, von welchen die meisten ganz klein und nur wenige grösserer Art sind, haben zwar ihre eigenthümliche Form und Farbe, aber von äusserst zartem und zer- brechlichem Zustande und gleichsam nur den dünnen Glanzüberzug von altem Gehäuse behalten. Merkwürdig ist es, dass von Zeit zu Zeit aus diesen Mergellagern ausgewaschene, vererzte Fichten- und Tannenzapfen und auch Früchte ganz fremder Baumarten gefunden werden. Dieselben haben ihre ur- sprüngliche Gestalt noch, aber durch die Verwandlung in Schwefelkies und Eisenvitriol eine bedeutende Eigenschwere bekommen. Der alte Fichtel glaubte zu seiner Zeit (1780), dass dieselben aus den entfernten Tannen- waldungen der südlichen Gebirge von den Fluthen des Cibin’s herabge- schwemmt und herbeigebracht worden. Genauer kennt man jetzt ihre Heimat. Aus den nahen Mergelstraten und aus einer Tiefe von 70—80 Fuss rollen sie auf die Sandinseln des hier vorüberströmenden Cibinflus- ses herab. Derselbe Fichtel erwähnt vor 70 Jahren in seiner „„Nach- richt von siebenbürgischen Versteinerungen‘‘ auch einer „ungewöhnlich grossen Kinnlade eines mächtigen unbekannten Thieres,‘“ die bei Hamers- dorf ausgegraben worden. Seitdem ist, nach Aussage hiesiger älterer Männer, noch Vieles durch stattgefundene Wasserfluthen zum Vorschein gekommen, aber, weil die Wissenschaft schlief, unbeachtet geblieben oder muthwilliger Zerstörung anheimgefallen, Vieles auch von den Wässern in den nahen Cibin, aus diesem in den Altstrom *) geführt und versenkt, bis *) Nur im letztverflossenen Jahre fand sich in einer Windung des Altes in der Nähe des Rothen- Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 933 endlich den Verfasser vor 30 Jahren die Wahl zur Bekleidung des erle- digten Pfarramtes traf und ihn zugleich zum nächsten Anwohner und Auf- sichter der gedachten Fundgrube bestimmte. Bald erregten neue Vorkomm- nisse der Art die Aufmerksamkeit; sein Eifer bei den Nachforschungen und die Freude bei dem Auffinden bewirkten unter sämmtlichen Ortsbe- wohnern solche Theilnahme, dass dem naturforschenden Geistlichen zu Liebe, gegen mässige Vergüligung, in dieser Hinsicht Alles überliefert oder wenigstens die Anzeige davon gemacht wurde, so dass in der Folge nicht leicht etwas zerstört werden und verloren gehen konnte. Petrefakten der Schichten von Hamersdorf (HHahnenbach, Neudorf und BRothberg). a. Pflanzen. Fossile Holzstäimme kommen bei Hamersdorf ähnliche wie bei dem voranbeschriebenen Vallye vor, jedoch nicht so häufig. Die kleinen Bäche der verschiedenen Thäler liefern dieselben, so wie die höhern Abhänge der Sandhügel und die daranstossenden Aecker bei ihrer Bearbeitung mit- telst Spaten und Pflug. Kleinere und grössere Bruchstückchen von Braun- kohlen, dergleichen Aeste, Blätter, Früchte, Coniferen und Zapfen enthai- ten, wie schon erwähnt, die Zwischenlagen des weitläuflig ausgebreiteten Mergelgebildes. b. Zweischalige Muscheln. 1. Venus. 2. Cardium. 2. E 4. — 9. Giycimeris colorata. thurmpasses ein riesiger Stosszahn von einem Mammuth, der jedoch schon in der Auflösung war. 934 Be OO Ein enPpun- o@ 10. M. J. Ackner, c. Einschalige CGonchylien. Planorbis Lens, Sow., häufig in Mergeln. Planorbis pseudo-am monius,in Hornsteingeschieben. Limnaeus — in Feuerstein. Paludina. Limnaea longiscata. d. Insecten. unbestimmtes spinnenarliges Inseet mit langen Füssen in Mergel von Hamersdorf (Einsiedel). e. Fische. Zwei verschiedenartige Fisch-Skelete und Schuppen in den Mer- geln von Hamersdorf (Einsiedel und Wartberg). Schuppen von Fischen in den Mergeln von Neudorf. f- Säugethiere. (Wiederkäuer, Hornthiere.) Bos priscus Schloth., mehrere Backen- und untere Schneidezähne. — — ein Horn. — — Hornbruchstück, woran noch ein Theil der Hirnschale. — — mehrere Hornfragmente. — — vollständiger rechter Unterschenkel (Tibia). — — unteres Bruchstück des linken vordern Unterschenkels. — — vollständiges Schulterbein (Humerus). — — von einem Femur der untere Theil. Cervas Elaphus fossilis Goldfuss, mit vollständigem Hinterkopf und Geweihestangen, deren Aeste zum Theil abgebrochen, so wie der Vorderkopf. Cervus Elaphus fossilis Goldfuss, Geweihestange mit vier Sprossen, aus einem Torflager bei Hamersdorf. ae z. mn Au i0. 11. Zur Geognosie u. Petrefaktenk. d. südöstl. Siebenb. 935 Cervus Elaphus fossilis Goldfuss, mehrere Bruchtheile von Ge- weihen. Cervus Dama priscus, mehrere Schaufelbruchstücke. _ — Zähne mit dem Unterkiefer. Cervus Capreolus Linn., (Rehe) Geweihestangen sammt Hinter- becken. Cervus Capreolus, eine Geweiheslange. (Einhufer.) Equus primigenius v. Mayer (mehrere Backen- und Schneidezähne. Hippetherium gracile Kaup, Zähne. (Vielhufer, Diekhäuter.) Rhinoceros tichorhinus Cuv., fünf Backzähne, von Hamersdorf und Hahnenbach. Rhinoceros tichorhinus Cuv., Bruchstücke vom Hirnbecken. _ — — Fragment eines Unterkiefers mit Zähnen. — — — Wirbelbein vom Halse. — ge — Oberarmbein (Humerus), stark beschäd. — _ — dergleichen von Rothberg. — — — Rückenwirbel. — = — Rippenbruchstück. Elephas priscus Goldfuss, grosser Stosszahn, 7’ lang, 20” am stärk- sten Ende im Umfange. Elephas priscus Goldfuss, vier Stosszahn-Fragmente, von 28—39” Länge und verhältnissmässiger Dicke. Elephas priscus Goldfuss, ein ziemlich vollständiger kleiner Stoss- zahn eines jungen Elephanten oder Mammuths sammt Spitze; von Hahnenbach. Elephas priscus Goldfuss, 20 Backen- oder Mahlzähne, von wel- chen 9 zum Theil sehr gross, vollständig an Wurzel und Krone erhalten, die andern mehr oder weniger beschädigt sind. Elephas priscus Goldfuss, mehrere Bruchstücke des Schädels. — - — Bruchstücke der Kinnlade. — — _ Rückenwirbel. . -— ein Oberarmbein (Humerus), stark be- schädigt. 936 17% 18. 19. M. J. Ackner, Zur Geognosie u. Petrefaktenk. ete. Elephas priscus Goldfuss, rechtes hinteres Oberschenkelbein (26 lang, 7 durchschnittlich dick), an den Enden beschädigt. Elephas priscus Goldfuss, vom obern Theile eines Unterschenkel- beines (Tibia). Elephas priscus Goldfuss, eine Menge schwer zu bestimmender Bruchstücke. 937 INDEX. Die erste Abtheilung schliesst mit Seite 492. (Die römischen Ziffern beziehen sich auf das Vorwort.) Acaulon triquetrum 589. 661. Achlya 149. — capitulifera 154. 157. — fe- rax 153. — prolifera 225. Adular 453. Afflliation des Vereins deutscher Aerzte in Paris mit d. K. Leop. Akademie 1. XV. Akademischer Inhalt des ersten Bandes und der ersten Hälfte des zweiten Bandes der Bonplandia 11. Xi. Albit 484. Albitdiorit 462. Allerhöchste Genehmigung d. Demidoffs-Preise durch Ihre Majestät die Kaiserin Alexandra von Russland 1. LXX. Ambliodon 616. 635. 639. Amphileptus 141. Ampullaria 922. Anacamptodon 654. Anamesit 470. Angiopteris 872. Anguillula 125. Anoectangium 629. Anomodon 655. — attenatus 620. 637. — longifolius 620. — viticulosus 637. Anoplotherium commune 675. Anthophysa Muelleri 110. 111. 114. 115. 138. 158. Antimonglanz 489. Aorta 10. Apatit 485. Aphanit 466. Archegonium 65. Archidium 662. Arctomys Bobac 298. 305. — Marmotta 297. 298. — primigenius 297. 298. — spelaeus 305. Artocarpus 31. Arum maculatum 579. Vol. XXIV. P. I. Ascidium 149. Aspidium exaltatum 775. — Filix femina 770. — Oreopteris 770. Astoma Anentera 206. Astraea 478. Atrichum undulatum 605. 630. 648. Atrypa 477. Augenstein 759. Augit 483. Aulacomnium 608. 609. 617. Bacterium 117. 119. 121. 122. 123. 130. Balantia antaretica 792. Barbula aloides 613. — ambigua 613. — brevirostris 613. — latifolia 612. 633. — membranifolia 653. — rigida 613. Bartramia pomiformis 658. 582. Bausch, Beitrag zu dessen Geschichte von v. Segnitz I. LXXV. Beggiatoa 124. Beitrag, Ein, zur Kenntniss fossiler Ueberreste aus der Gattung Arctomys, von Dr. H. Hensel 295. Beitrag zur Geognosie und Petrefaktenkunde des südöstlichen Siebenbürgens, von M. J. Ackner 897. Beleuchtung des Preisprogramms über den botanischen Preis durch d. Stifter 1. LXXU. Beobachtungen u. Erfahrungen aus dem Ge- biete der Gynäkologie und Pädiatrik, von Dr. A. Burchard 549. Bericht an die Akademie über die Thätigkeit des Vereins deutscher Aerzte in Paris seit der Affiliation desselben, von Dr. Meding, Präsident des Vereins Il. XLV. Bericht über das zweite Quinquennium des Vereins der deutschen Aerzte in Paris 11. XXIX. 118 938 Bodo saltans 148. Bonplandia, das officielle Organ der Aka- demie 1. IX. Bos priscus 934. Botrydium 153. Botryoeystis 184. 209. Bryopsis 149. — plumosa 626. Bryum annotinum 625. — argenteum 652. — caespiticium 656. 660. — capillare 602. — cyelophyllum 637. — elongatum 633. — erythrocarpon 625. — inclinatum 583. — intermedium 633. — Ludwigii 625. — murale 625. — nutans 633. — polymorphum 633. — pyriforme 633. — torquescens 639. Buceinum baccatum 928. Bursaria viridis 10. 18. Buxbaumia 592. 613. 623. Calamoporen 476. Campanularia 166. Campylosus 620. Capulus cornucopiae 922. Caput gallinaginis 507. 525. Carcharodon 923. Cardium 935. — dubium 928. — porulosum 921. Carica 8!. Cassidaria 922. Cassis nodulifera 922. Catalogus Collegarum, continuatio a Nr. 1519 — 15853. I. CXLVII sq. et a Nr. 1584— 1604. II. XCVM. Catenipora 476. Caulopteris 761. 768. — Freieslebeni 821. 863. Cecropia peltata, Ueber den Bau der, von Dr. H. Karsten 79. 81. 95. 98. 99. — digi- tata 81. — nivea 81. Cephalopoden 923. Ceratodon purpureus 639. Cerithium erenatum 922. — Doliolum 928. Cervus Capreolus, Dama priscus 955. Chaetomorpha aörea 223. Chaetophora elegans 243. Chalcedonquarz 479. Chamaephyceae 242. Chionyphe 109. Chirocentricus Chironini, gracilis, mierodon 929. Chirosaurus I. XLV. Chirotherium I. XLV. Index. Chlamidococeus pluvialis 104. 139. 164. 167. 189. 208. 215. Chlamydomonas 137. 139. 141. 165. 169. 188. 208. Chlamidophorus 682. Chlorit 485. Chloritgranit 439, 442. Chondrites intrieatus 927. Chroolepus 106. Chroococeus 109. Chrysolith 481. Chytridium 142. 149. 150. 151. 223. Cidaris claviger, coronatus, vesiculosus 921. Cladophora 204. — glomerata 216. 225. 226. Closterium 148. 150. 151. 214. Clupea Waidingeri 929. Coceonema 113. Coelastrum 210. Colchieum autumnale 579. 587. Confervaceae 209. Confervinae 242. Configuration, über geologische, von Vortisch 691. Configurationsdistanzen 708. Configurationsmaass 7V8. Congeria spathulata 927. Conjugatae 209. Conus deperditus, giganteus 923. Corbula crassa 921. Cordierit A481). Cromyadendron radnicense 851. 854. Crustaceen 923. Cryptococeus 122. 123. 141. Cryptomonaden 141. Cyanit 482. Cyathophylien 476. Cyelidien 141. Cylindrospermum 243. Cymbella 113. Cystoseirites liliiformis, nutans, Partschii, spicatus 927. Danaea nodosa 798. 802. — Selloviana 799. Daphnia pulex 156. Darmkanal 3. Dasypus 682. Demidoff’sehen Preise, Die, I. XCIll. CXLIN. I. LXI f. Desmidien 108. Detrusor vesicae 509. Dichroit 480. Index. 939 Dieranum congestum 626. — flagellare 625. Equus primigenius 935. — gracilescens 633. 640. — Grevilleanum Erieina sp. indetermin. 921. 59]. 632. — heteromallum 632. — inter- Euglena 204. 231. ruptum 625. — montanum 581. 625. — Euphotid 473. Muehlenbeckii 626. — palustre 626. — Kuplotes 141. rufescens 632. — Sauteri 618. 627. — FEupodium Kaulfussii 800. Schraderi 626. — Schreberi 591. 632. — Eupsaronius 828. Scottianum 6 7. — scoparium 592. 593. Exococeus 109. 597. 625. 626. — spurium 660. — squar- rosum 632. — undulatum 612. 633. 634. — varium 589. — virens 693. Diorit 462. Dioritporphyr 465. Diphyscium 636. 649. — foliosum 593. 596. 613. 615. Discelium nudum 589. Distichium inelinatum 6932. Diverticulum vesicae 529. Dolerit 469. Donacites Alduini 922. Ductus ejaculatorii 506. Duplieität des grössten Theils des Körpers, beobachlet bei einem jungen Hasen, von Dr. L. Neugebauer 15. Echinusart 921. Ectocarpus firmus 223. Elephas priscus 935. 956. Encalypta eiliata 644. — rhabdocarpa 659. — streptocarpa 637. Endogenites 819. — asterolithus 824. — helmintholithus 824. 842. — psarolithus 824. Endorina 204. 209. Enterodela 206. Enteromorpha clathrata 226. Entoparasiten 161. Entwickelungsyeschichte, Untersuchungen über die, der mikroskopischen Algen und Pilze, von Dr. F. Cohn WI. Ephemerum pachycarpum 581. 587. 594. — serratum 581. 588. 589. 594. 624. 630. 638. 661. 668. Epidot 482. Epistylis 110. 113. 166. Epitelialgewebe, das, des menschlichen Kör- pers, von Dr. F. Günsburg 257. Equisetum arvense 72. 74. 75. — fluviatile 72. — inundatum 73. 75. — limosum 72. — palustre 582. — pratense 72. 74. 75. — riparium 72. — Teimateja 65. 67. 75. variegatum 72. 74. Fascia profunda perinei 508. Fegatella 581. 582. Feldspath 483. Feldspathporphyr 427. 454. Fenestrella 477. Feuerstein 480. Fische 923. Fischabdrücke 926. Fischskelette und Schuppen 934. Fissidens 620. 630. 631. 648. Flora von Schweinfurt 1. XXX. Fossa navicularis 504. Funaria 584. 657. 661. Fusus rostratus 922. Gabbro 473. Galeocerdo 923. Gefässsystem des Doppelhasen 27. — Ge- schlechtstheile, männliche, desselben 11. 26. Gegenwärliger Mitglieder- Bestand des Ver- eins deutscher Aerzte in Paris I. XL. — Gegenwärtige Wirksamkeit des Vereins 1. XXX1. Geschiebe, nordische, über die der Oderebene um Breslau, von E. F. Glocker 409. Gladiolus communis 579. Glasguarz 479. Gleichenia 792. 794. Glenodinium 204. Glimmer 484. Glimmerschiefer 427. 453. Glycimeris colorata 933. Gneiss 427. 448. Gomphonema 113. 114. Gonium 165. 169. 177. 185. 186. 215. — pectorale 163. Granat 481. Granit 427. Granulit 427. 446. Graptolithus 477. Grauwackenkalkstein 475. Grimmia funalis 590. 940 Gutachlen der Commission über die Preis- schriften: 1. LXXV. 1. Müsset im Naturbetrachten ete. LXXV. 2. Quvad possem LXXVI. 3. Fructiferas plantas mortalibus LXXVI. 4. Nil aeternum sub divo LXXVIM. Gymnostomum ceurvirostre 629. 661. 662. Gymnotheca 802. Gyrodus 923. etc. Halianassa 924. Haligenia bulbosa 223. Harn-Organe 9. 26. Hedwigia ciliata 591. Helicotrichum 143. Helierella 171. Helmintholithus 759. Helix 922. — viminalis 922. Herz 10. Heterocladium Kurrii 628. 634. Hippotherium gracile 935. Homalothecium sericeum 652. 611. Hornblendgestein 460. Hornblende 482. Hornblendschiefer 461. Hornstein 459. A80. Hyaena spelaea 675. 686. Hydra 166. — viridis 108. Hydrodietyon 203. 209. 210. Hygrocrocis 108. 116. 134. Hymenophyllum 792. 794. Hymenostomum phascoides 659. 662. Hypnum abietinum 604. — androgynum 634. — aureum 611. 627. — delicatulum 604. — lutescens 611. 627. 634. — riparium 630. — rutabulum 584. 590. — pseudo- plumosum 652. — tamariscinum 604. — velutinoides 659. Ichthyosaurus communis 924. Ikan Lopis, Kapirat 61. Isocardia exaltata, ventricosa 921. Jahresbericht vom 11. Mai 1852 bis 10. Mai 1853, von Dr. Meding I. XXXIX. Kalkspath 485. Kieselschiefer 480. Knochen, krankhafte, vorweltlicher Thiere, von Dr. Mayer 671. Knochengerüst des Doppelhasen 19. Krystalloide 747. Index. Labrador 484. Laukasteine 726. Lecidea 106. Leopold v. Buch, v. Dechen’s Gedächtniss- schrift auf denselben II. ©. Lepidopides leptospondilus 929. Leptothrix 124. 134. Leucodon 661. — sciuroides 611. Ligamentum triangulare 518. Lima antiqua 922. Limnaea longiscata 928. — nova 928. — nova major 928. j Limnaeus 934. Lithodomus lithophagus 921. Lithoxyla 905. Lituiten 477. Lucina squamulosa 921. Lungen 11. Lycopodium Phlegmaria 781. 792. — verti- eillatum 792. Mactra triangula 921. Madenstein 759. Magneteisenerz 486. 487. Magnetkies A486. Mammuth-Skelett 905. Marattia 760. 802. — pellucida 800. 802. Marlekor 742. 743. Mastodonsaurus Jaegeri 924. Meding, Bericht u. s. w. Il. XLV. Meesia 635. — uliginosa 652. Megalosaurus Bucklandi 924. Melanopsis buccinoides, Bouei, Dufourii, Mar- tiniana, indeterm. 928, Meletta longimana, sardinites 929. Merismopedia 170. Mesocarpus 241. Messung der Continente und Binnenmeere 714. Messung der Meere 710. Micraloa 122. 123. Mielichhoferia 629. Mikrogonidien 190. 220. Mitra scrobiculata 923. Mnium cuspidatum 620. — hornum 653.602. — serratum 653. — undulatum 641. Monaden 141. Monadiens 111. Monas prodigiosa 131. Morpholith 742. Mougeotia 241. Murex imbricatus, var. vel sp. n. determ. 928. Musciden 928. Index. Muscheln, einschalige 922. — zweischalige 921. Mycocoelium 109. Mycophyceae 106. 108. 122. 139. 142. Nachträge, weitere, zur Kenntniss der Equi- seten, von J. Milde 63. Natica 922. Nautilus Aturi 923. Navicula 166. — viridis 150. Neckera 654. — pumila 661. Nerinea Bruckenthalii, eylindrica, grandis922. Nerita conoidea 922. Neritina 922. — fluviatilis, pieta, p, determ. 928. Nervensystem des Doppelhasen 41. Nitella flexilis 215. Nostoc 106. — verrucosum 243. 244. Nothosaurus Bronnii 924. Notidanus 923. Notopterus Bontianus 5l. 56. — borneensis ö1. 53. 57. — Buchanani 51. 60. 61. — hypselonotus 51. 59. 61. — Kapirat 51. 53. 55. — Lopis 5l. 54. 60. — maculo- sus öl. 53. 58. — Pallasii 5l. — Sy- kesii 51. Notopterus, Over enige nieuwe Soorten van, von Dr. P. Bleeker 49. Nummulina granulosa, granulosa radiata, lae- vigata, lenticularis, perforata 923. Nummulites placentula 923. Ocean, der allanlische 713. — der indische 712 Octodiceras Julianum 632. Odontaspis 923. Oedogonium 150. 222. 224. 229. 230. Offteielle Rubrik der Akademie in der Bon- plandia II. XI. Oligoklas 484. Oligoklasgranit 437. Oligotrichum hercynicum 605. 615, Oncophorus glaucus 621. Orificium penis cutaneum externum 507 et internum. — urethrae cutaneum 509. Orthis 477. / Orthoceratiten 476. Orthoklas 483. Orthotrichum diaphanum 616. — Lyellii 606. 607. — obtusifolium 580. 606. — patens 652. — stramineum 652. Oseillaria 109. 125. 941 Osmunda regalis 582. Ostracea 675. Ostrea callifera 921. — diluviana 921. — latissima, unbest. Spec. 921. Otodus 923. Oxyrhina 923. Pachimia gigas 921. Palmella 120. 121. 122. 166. Palmellaceae 209. Paludina 934. — lenta 928, — pigmaea 928. Pandorina 184. 209. Paramecium Aurelia 201. Parmelia 106. Pars bulbi urethrae cavernosa, membranacea 502. — prostatica 502. 509. 523. 524. 529. — spongiosa 502. Pecten aequicostatus, laticostatus, quinque- costatus, serratus 921. Pediastrum 115. 180. 185. 209. 225. Pellia 581. 582. 662. Peranema 141. Petrefakten der Schichten von Girelsau, Sza- kadat und Thalheim 927. 933. Petrefakten der Schichten von Hamersdorf (Hahnenbach, Neudorf und Rothberg) 939. Phaeonema 116. Phaeosiphonia 116. Phascum bryoides 582. 662. Pholadomya donacina 922.— Murchisoni 921. Phragmidium 143. Phragmoceratiten 477. Phycastgum 166. Physcomitrium fasciculare 649. 650. 658. 661. 663. — pyriforme 649. 650. Phytozoidia 119. Pinusarten 927. Pinus silvestris 97. Pilzalgen 106. Placodus 923. Plagiothecium 636. 639. — piliferum 582. — pulchellum 628. 638. Planorbis Lens 934. — pseudoammonius 934. Pleuridium alternifolium 593. 624. Pleurococeus 166. Pleurotoma eingillata 922. Pogonatum aloides, alpinum 605. — urnige- rum 605. 614. Polypodium incanum 805. — persicariaefo- lium 805. Polytoma 138. 139. Polytrichum 659. — formosum 615. — pi- liferum 616. —- urnigerum 606. 942 Pottia cavifolia 614. — crinita, Wilsonii 626. 633. — subsessilis 614. 633. — truncata 583. 584. 585. 586. 588. 592. 638. Preisaufgaben über Botanik 1. LX1. Preisprogramm über Mineralogie, franz. und deutsch 11. LXXX VI. Programm der botan. Preisfragen 11. LAIV. Protococcaceae 209. Protococeus pluvialis 104. Protocoll der Preisertheilung für d. Botanik I. LXXXIN. Protoplasma 215. Psaronieae 761. 822. Psaronius alsophiloides 890. — arenaceus 771. 781. 814. 823.830.861.— asterolithus 772. 774. 779. 782. 784. 811. 812. 820. 831. 843. 873. 576. 881. 882. 833. 887. 888. 889.890.891. — augustodunensis 827. 884. 890. — brasiliensis 891. — carbonifer 773. 777. 809. 814. 851. 854. — chemnitziensis 768. 773. 830. 859. — Cottae 771. 777. 778. 78». 811. 830. 841. 841. 867. 870. 872. 873. 876. — eyathiformis 820. 834. 837. — dubius 820. 885. 855. 890. — elegans 835. 836. 837. — Freieslebenii 770. 775. 777. 781. 809. 825. 830. — giganteus 831. 873. 882. — Goepperti sll. 850. 841. 871. 873. 876. — Gut- bieri 771. 830. 841. 865. 870. 873. — Haidingeri 812. 813. 818. 831. 876. 878. — helmintholithus 771. 772. 775. 778. 820. 829. 830. 832. 834. 842. S45. 846. — hexagonalis 842. 846. — Hogardi 839. 841. — infaretus 779. 817. 829. 831. 843. 866. — intertextus 820. 834. 837. 838. — lacunosus 890. — maecrorrhizus 877. 878. — medullosus 834. 842. 845. — musaeformis 768. 773. 775. 777. 778. 809. S14. 816. 823. 830. 843. 850. 859. 854. — parkeriaeformis 820. 883. 889, — pulcher 769. 814. 852. 862. 869. 865. — Putoni 818. 827. 830. 839. 846. — radiatus 778. 829. 839. 837. 838. 845. — radnicensis 814. 852. 855. — simplex 768. 773. 830. 857. 858. — scolecolithus 768. 772. 773. 779. 758. 816. 830. 847. 849. 85". 852. 859. — speciosus 772. 779. 782. 884. 888. 589. — Ungeri 857. — Zeidleri 784. 785. 811. 823. 850. 870. 873. 876. — Zwickawiensis 891. Pterygophylium lucens 610. 620. 636. 660. Quarzfels 458. Index. Racomitrium 661. Ravenala madagascariensis 854. Reptilien 924. Respirationsorgane 3. 25. Rhinoceros indieus, zur Anatomie des, von Dr. Mayer 1. Rhinoceros tichorhinus 955. Rhynchostegium rusciforme 627. 634. Rodeus? 929, Rostellaria Burmeisteri 922. Sücularfeier, zweite, der Akademie I. Li. — Vorbereitung zu derselben 1. XVII ff., mit Beilage von Marco Polo I. XXVI. Zuga- ben zu derselben: a. Bereicherungs- und Erweiterungsgedanken 1. XLVIl. b. Vor- schläge zu einem Denkmal f. Oken 1. CM. c. Jüger und Lehmann, neue Vorschläge l. EIX. d. Steudel über naturhistorische Reisen ]. CXIll. e. Meteorol. Gesellschaft in Frankreich 1. CXXXIV. Sahlitgestein 483. Sandstein 4753. Saprolegnieae 159. 158. Saussurit 484. Schädelblutgeschwulst 552. Schichten von Girelsau, Szakadat und Thal- heim 924. Schichten von Hamersdorf (Hahnenbach, Neu- dorf und Rothberg) 929. Schiefer, im, enthaltene Pflanzenabdrücke 927, Schistostega osmundacea 596. 606. 615. 620. Schwärmsporen 103. Schwefelkies 486. Scitaminites 821. 851. 854. Sedum 'Telephium 587. Serpentin 472. 483. Serpula carinata, Geranae, monilifera, py- gmaea 922. Siderolites caleitrapoides 923. Sigillaria elegans 797. Siliquaria anguina 922. Speckstein 485. Speisekanal des Doppelhasen 23. Speiskobalt A87. Sphaeroplea 216. Sphärosiderit 487. Sphaerosira 209. Sphaerotilus 122. Sphenella 113. Sphyrna 923. Splachnum rubrum 659. — vasculosum 652. 639. Index. Spinnenartige Insekten 934. Spirifer 477. Spirillum 117. 125. 130. Spirochaete 117. 125. 127. 129. Spirodiscus 117. Spirogira 229. 235. — crassa, jugalis 160. Spirostomum 141. Spirulea nummularia 923. Spirulina 125. 127. 128. 129. 150. Squalus 923. Staarstein 759. Staarsteine, über die, von Dr. Stenzel 751. Statut der Verbindung deutscher Aerzte in Paris mit der Akademie Il. XX. Statuten des Vereins der deutschen Aerzte in Paris 1. XXI. Stephanosphaera 115. 139. Stereonema 109. 112. 115. Stiftung der Demidoffs-Preise 1. LXVIN. Stigeoclonium 121. Stomatoda 206. Stromatopora 476. Strombus ohne Knoten 922. Stylostegium 661. Süsswasserpilze 104. Syenit 427. Syenitgranit 442. Synedra 141. Systole 195. Terebrateln 476. Terebratula lata Sow., plicatilis, semiglobosa, vulgaris 921. Terebellum convolutum 923. Tetraspora 120. 203. Tetrodontium Brownianum 595. 611. 612. — repandum 595. 612. Thujidium Blandowii 618. — tamariscinum 593. 618. Tinea marina 56. Tornatella gigantea 922. Trachelius trichophorus 141. Trematodon brevicollis 603. 640. Triboliten 477. Trichodina Grandinella 148. Trichomanes 792. 794. Triehostomum pallidum 640. Trimatopteris 828. Tritonium corrugatum 922. PSCADLINES Age „Ur a ARYı 943 Trochus conieus, n. sp., var. 928.— indeter. 922. Turbo 477. — cyclostoma 922. Turmalin 481. Turritella 477. Uebergangskalkstein 475. Ulothrix 204. 216. 222. 223. 226. Untersuchungen über d. Wirkungen des Was- sers, von Dr. Böcker 307. Uredo 149. Urella 111. 112. 114. Uroglena 209. Ursus spelaeus 673. 677. Uterus masculinus 507. Vaucheria 227. Vaucherieae 141. 155. 204. 214, Venericardia Jouanetti, planicosta 921. Venus 933. — dissita, gregaria 925. — parva 921. — var. oblonga 928. Vermetus intortus 922. Veru montanum 506. Vesicula prostatica 507. Vibrio 116. 117. 118. 119. 123. Vibrionia 116. Volvaria bulloides 923. Volvox 165. 203. — vegetans 110. Vorkeim, Der, Beitrag zur Entwicklungsge- schichte der Moospflanze, von W. Th. Gümbel 574. Vorticella 141. 166. Vorwort 1. IX. — Zum Vorwort Il. IX. Wasserpilze 108. Wege, Ueber falsche. Ein Beitrag zur Pa- thologie der Harnwerkzeuge, von Dr. O. Heyfelder 497. Weissia rubella 584. Wismuth 487. Worte des Präsidenten bei der zweiten Säcu- larfeier 1. LXXXV. — Bei dieser Feier ernannte Mitglieder I. XC. Wurmstein 759. Zoogalactina 132. Zoogloea 123. 150. 132. Zunge 3. Zygnema 235. — cruciatum 161. Zygnemeen 215. « I >02 scıenC“ Druck von GRASS, BARTH & COMP. (W. FRIEDRICH) in Breslau. Anweisung für den Buchbinder zu Bd. XXIV. Abth. I und I. Be hs Vin kommen nach Seite 14 N N nn komnt nach - 48 SENDER -... kommen nach - 62 ner... 2... = = = 78 AU mERIV 3,8%... wu - - - 100 RNVEDISPER, onen: - - - 256 N steht nach - 294 ZEN his ER 2 5. kommen nach - 305 EN ea en kommt zu - 548 SEERN BE XIVH ...2.%.% kommen nach - 574 Z RN und XIX ..... ..: - zwischen - 668 u. 669 a kommt nch - 676 3 0 EN - - = 722 - XXXII und XXXIN ...... kommen nach - 750 EERZFN Die RU... - - - 896 Vol. XXIV. P.I. 119 obniddonl asb sin aueisu u baut .didA VIRK.bE us d h E ' iR ei } +1, 21198 dann noikmod „nn snaceenen. Ya Di Si = > - rt a HL El :1: 76) ARNREE RE Er £9 no MOON DONMON rs nenn ‚Zeidie u er . - wer, II7. ba IX OO: änpnnhien } ns wine sn Khan N ee aA er ns IR ad Mic IH BLITT Be 1) 1.7 > NEE | © 0 FR Ge = Han au: ae» IA HER IE n Bu - u a. en VIAZ Br | 70. Home mol... ur MYRX aid VS 00) ın BAD = molar > 20.22 AIR bi HIV er es Did, =: Insk Inu a ee ASCHE iu: 3 DEF Se TEE TER > 2 4 08T den mo .. MIZZ bus WIZE ur . 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