HUGO DE VRIES OPERA E PERIODICIS COLLATA NOL V HUGO DE VRIES OPERA E PERIODICIS COLLATA HUGO DE VRIES OPERA E PERIODICIS COLLATA VOL. V. UTRECHT — A. OOSTHOEK — MCMXX, INHOUD VAN DEEL V. Bldz. G. Onderzoekingen over variabiliteit en erfelijkheid. Intracellulare Pangenesis. Jena 1889. . . . . . . . l Over steriele Mais-planten. Botanisch Jaarboek, uitgege- ven door het kruidkundig genootschap Dodonaea, Bnd. I, E A A AR N a E T ADEN a LAAG Ueber die Erblichkeit der Zwangsdrehung. Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft, Jrg. 1889, Bnd. VII, SE NEN AE at a en cree) A Be. thc ue Bae Ueber abnormale Entstehung secundärer Gewebe. Prings- heim’s Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, Bnd. 22, a VN AE EEE EDELEN CCC EO GTZ Steriele Mais als erfelijk ras. Botanisch Jaarboek, uitgege- ven door het kruidkundig genootschap Dodonaea, Bnd. II, ERDE AN Me Kee NE a NOEM ennn Toads AO Eenige gevallen van klemdraai bij de Meekrap. Botanisch Jaarboek, uitgegeven door het kruidkundig EE Do- donaea Bast 1891 Ep, 74.18 sents de 20 Sur un spadice tubuleux du Peperomia maculosa. Archives Neerlandaises des Sciences exactes et naturelles, T. XXIV, EN ANNE aA OLEN ete E a N NE TE N AE Monographie der Zwangsdrehungen. Pringsheim’s Jahr- bücher für wissenschaftliche Botanik, Bnd. XXIII, 1892, p. 13. 232 Bijdragen tot de leer van den klemdraai. Botanisch Jaar- boek, uitgegeven door het kruidkundig en Dodo- Bea Bad: IV m602% Do, TAO zapte) EE. . 407 Over verdubbeling van phyllopodiën. Botanisch pe uitgegeven door het kruidkundig genootschap Dodonaea, Bnd. PAS OS AD LOS: MND A T 1 de, OTE Over de erfelijkheid der fasciatiën. Botanisch Jaarboek, uit- gegeven door het kruidkundig genootschap Dodonaea, Bnd. TP ONS RE ott UE ROM 2! oh ENGEN INDER EE 5 27 Eine Methode, Zwangsdrehungen aufzusuchen. Berichte Bldz. der Deutschen Botanischen Gesellschaft, Jrg. 1894, Bnd. Au, p. 25 RENE EN GEND EO | EN Les demi-courbes galtoniennes comme indice de variation discontinue. Archives Néerlandaises des Sciences exactes et naturelles, T.: XXVI 1895P ABIT er ot SES Over de erfelijkheid van synfisen. Botanisch Jaarboek, uit- gegeven door het kruidkundig genootschap Dodonaea, Bnd. 478 VIE, 1895570: 9120 MU AGREE Eon AEU Sr e A Eine zweigipflige Variationscurve. Archiv für Entwicke- lungsmechanik der Organismen, Bnd. Il, 1895, p. 52. . . 558 Sur les courbes galtoniennes des monstruosités. Bulletin scientifique de la France et de la Belgique, T. XXVII, 1896, EL Ha ist EUR 570 INTRACELLULARE PANGENESIS. INHALT. Einleitung . : ers Erster Theil. a ; Abschnitt I. Die gegenseitige Unabhängiekeit der erblichen Eigenschaften. x OENE Re. |: St. Die ioe ae ca aus den erblichen Eigenschaften : § 2. Die Uebereinstimmung in den Unterschieden zwi- schen Arten und Organen. $ 3. Die Uebereinstimmung zwischen den secundären Sexualcharakteren und den Artmerkmalen S 4. Das Variiren der einzelnen erblichen Eigenschaften, unabhängig von einander . . 5. Die Mischung der erblichen Eigenschaften : 6. Kreuz- und Selbstbefruchtung DT urn 7. Schlussfolgerungen . Abschnitt II. Herrschende Ansichten über an Träger el erblichen Eigenschaften . Erstes Kapitel. Die chemischen Molekile des Polos in ihrer Bedeutung für die Theorie der Erblichkeit S 1. Einleitung S 2. Protoplasma und Eiweiss À $ 3. Elsberg’s Plastidule . Zweites Kapitel. Die A Trage da N charaktere . NEEN ENECO 4. Einleitung 5. Spencer's physiologische Einheiten . 6. Weismann’s Ahnenplasmen 7 8 CO UN SN Nägeli’s Idioplasma . . Allgemeine Betrachtungen . Drittes Kapitel. Die hypothetischen Träger de EE erblichen Eigenschaften . $ 9. Einleitung , R 10. Darwin’s Pangenesis . $ 11. Kritische Ber S 12. Schluss Zweiter Theil. WRT A he s Abschnitt I. Zellularstammbäume. UN UN Sh IN AN INTRACELLULARE PANGENESIS. Erstes Kapitel. Das Auflösen der Individuen in die Stammbäume ihrer Zellen . § 1. Zweck und Methode x $ 2. Die Zellularstammbäume der “Homoplastiden $ 3. Der Zellularstammbaum von Equisetum . $ 4. Die Hauptzüge in den Zellularstammbäumen Zweites Kapitel. Spezielle Betrachtung der einzelnen Bahnen . 5. Die Ean E TA ; 6. Die Nebenkeimbahnen . 7. Die somatischen Bahnen EEE 8. Ueber den Unterschied zwischen somatischen Bahnen und Keimbahnen . . $ 9. Phyletische, somatarche und somatische Zelltheilung Drittes Kapitel. Weismann’s Theorie des Keimplasmas . § 10. Die Bedeutung der Zellenstammbäume für die Lehre vom Keimplasma . S 11. Die Ansichten der Botaniker. 3 $- 12. Entscheidung durch das Studium der ‘Gallen Abschnitt II. Panmeristische Zelltheilung . ; Erstes Kapitel. Die Organisation der Protoplaste $ 1. Die sichtbare Organisation Zweites Kapitel. Historische und kritische Betrach- tungen UN UN UN IN 8 2. Die neogenetische und die nr Auf- fassung der Zelltheilung 3 $ 3. Die Zelltheilung nach dem Typus Mohl's $ 4. Regeneration der Protoplaste nach Verwundung . Drittes Kapitel. Die Autonomie der einzelnen Organe der Protoplaste. ; § 5. Zellkern und Tone § 6. Die Vacuolen . § 7. Die Beziehung zwischen Hautschicht und Körner- plasma . . § 8. Die fragliche Autonomie der "Hautschicht Abschnitt III. Die Funktionen der Zellkerne Erstes Kapitel. Historische Einleitung . $ 1. Historische Einleitung Zweites Kapitel. Die Befruchtung. $ 2. Die Kopulation der Zygosporeen $ 3. Die Befruchtung der Kryptogamen . $ 4. Die Befruchtung der Phanerogamen Seite 55 55 57 58 62 65 65 66 70 73 76 77 77 80 83 86 86 86 88 88 92 96 100 100 105 110 113 117 117 117 119 119 121 125 INTRACELLULARE PANGENESIS. Drittes Kapitel. Die Uebertragung der erblichen Eigen- schaften aus den Kernen auf die übrigen Organe der Protoplaste. $ 5. Die Hypothese der Vescles ; § 6. Beobachtungen über den Einfluss des Kernes in der Zelle Abschnitt IV. Die Hypothese nee ERARE SARA Erstes Kapitel. Pangene in Kern und ER? S 1. Einleitung S 2. Aufbau des ganzen Protoplasma aus Pangenen § 3. Aktive und inaktive Pangene. S 4. Ueber den Transport der Pangene. $ 5. Vergleichung mit Darwin's Transporthypothese $ 6. Ueber die Vermehrung der Pangene . ; Zweites Kapitel. Zusammenfassung . $ 7. Zusammenfassung der Hypothese der le Pangenesis . here 1* 132 . 182 134 137 138 142 146 148 . -148 EINLEITUNG. Im Jahre 1868 hat Darwin, im zweiten Bande seines berühmten Werkes The variation of animals and plants under domestication, die provisorische Hypothese der Pangenesis aufgestellt. Der Er- örterung dieser Hypothese geht eine meisterhafte Uebersicht über die zu erklärenden Erscheinungen voran. Durch diese, so wie durch die klare Auffassung des ganzen Problems, hat dieser Ab- schnitt seines Buches die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ge- zogen. In fast allen Werken, welche allgemeine biologische Fragen berühren, finden wir ihn besprochen. ‘Während aber der allgemeine Theil des Abschnittes bis jetzt die Grundlage für alle wissenschaft- lichen Betrachtungen über die Natur der Erblichkeit geblieben ist, hat sich die Hypothese selbst einer so allgemeinen Anerkennung nicht erfreut. Darwin geht davon aus (Variation II S. 369), dass allgemein an- genommen werde, dass die Zellen sich durch Theilung vermehren und dass sie dabei im Wesentlichen dieselbe Natur behalten. Dieser Satz bildet für ihn die Grundlage der Erblichkeit. Aus ihm lassen sich aber nicht sämmtliche, von Darwin zusammengestellte Gruppen von Erscheinungen erklären. Namentlich nicht die Wirkungen von Gebrauch und Nichtgebrauch, die direkte Einwirkung des männ- lichen Elementes auf das weibliche und die Eigenschaften der Propfhybride. Um diesen Erscheinungen Rechnung zu tragen, nimmt Darwin an, dass neben der Zellteilung noch eine andere Art der Uebertragung erblicher Eigenschaften bestehe. Jede Ein- heit des Körpers gebe kleinste Theilchen ab, welche sich in den Keimzellen und Knospen ansammeln. Diese Theilchen seien die Träger der Eigenschaften derjenigen Zellen, von denen sie stammen, und bringen diese somit auf die Keimzellen und Knospen über. In den Eizellen, Pollenkörnern, Spermazellen und Knospen seien somit die sämmtlichen erblichen Eigenschaften des Organismus durch kleinste Theilchen vertreten. Diese haben sie theils durch ihre Abstammung aus früheren Keimzellen, also auf direktem Wege, theils aber durch spätere Zufuhr aus den Zellen und Organen des INTRACELLULARE PANGENESIS. 5 Körpers erhalten. Diese kleinsten Theilchen sind nicht die che- mischen Moleküle, sie sind viel größer wie diese und eher mit den kleinsten bekannten Organismen zu vergleichen. Darwin giebt ihnen den Namen gemmules, Keimchen. Die Annahme dieser Keimchen warf auf eine Reihe von bis dahin vollständig dunklen Thatsachen ein unerwartetes Licht. Und wenn man Darwin’s Auseinandersetzungen aufmerksam liest, so sieht man immer deutlicher ein, dass für ganze grosse Gruppen von Er- scheinungen die Uebertragung der Keimchen bei der Zelltheilung, von der Mutterzelle auf ihre Tochterzellen völlig ausreicht. Nur einzelne Gruppen von Thatsachen fordern daneben die Transport- Hypothese. Namentlich die Lehre von den latenten Eigenschaften und vom Atavismus wird durch Darwin’s Hypothese aus ihrem früheren Dunkel hervorgerufen, und seine Besprechung dieses Gegenstandes (S. 368) zeigt klar, welche grosse Bedeutung er diesem Umstande beilegte. Sie fordert aber offenbar nur die Uebertragung der Keimchen bei der Zelltheilung, nicht den Transport aus den wachsenden und erwachsenen Organen nach den Keimzellen. Mir hat es immer geschienen, dass die meisten Schriftsteller diese beiden Seiten der Hypothese nicht hinreichend auseinander gehalten haben, und dass ihre Einwürfe gegen die Annahme eines Trans- portes sie dazu verführt haben, die prinzipielle Bedeutung der Keimchenlehre zu übersehen. Für mich besteht Darwin’s provisorische Hypothese der Pan- genesis aus den beiden folgenden Sätzen: 1. In jeder Keimzelle (Eizelle, Pollenkorn, Knospe u. s. w.) sind die einzelnen erblichen Eigenschaften des ganzen Organismus durch bestimmte stoffliche Theilchen vertreten. Diese vermehren sich durch Theilung und gehen bei der Zelltheilung von der Mutterzelle auf ihre Töchter über. 2. Ausserdem werfen die sämmtlichen Zellen des Körpers zu ver- schiedenen Zeiten ihrer Entwickelung solche Theilchen ab; diese fliessen den Keimzellen zu und übertragen auf diese die ihnen etwa fehlenden Eigenschaften des Organismus (Transporthypothese). Die zweite Annahme hatte auch für Darwin bei Pflanzen und Korallen nur eine beschränkte Tragweite, indem er einen Transport von Keimchen aus dem einen Aste in den andern nicht für möglich hielt. Auf die Arbeiterinnen der Ameisen und Bienen hatte sie keine Anwendung. Ebensowenig auf die von Darwin mehrfach bespro- chenen gefüllten Levkojen, welche ja selbst keine Staubfäden und Fruchtanlagen besitzen und deren Eigenschaften somit durch die 6 INTRACELLULARE PANGENESIS. ungefüllten, fertilen Exemplare der Rage von der einen Generation auf die andere übertragen werden müssen. Und die Thatsachen, für deren Erklärung die fragliche Annahme aufgestellt wurde, haben in den zwanzig Jahren seit dem Erscheinen des Darwin’schen Buches weder an Zahl noch an Sicherheit gewonnen. Zweifel an ihrer Nothwendigkeit sind somit wohl erlaubt. Es ist ein Hauptverdienst Weismann’s, diese Zweifel wiederholt betont und die ziemlich allgemein angenommene Lehre von der Erblich- keit erworbener Eigenschaften erschüttert zu haben). Lässt man aber mit diesem Forscher die zweite Annahme fallen, so ist damit noch kein Grund gegeben, auch den andern Theil der Hypothese der Pangenesis anzuzweifeln. Im Gegentheil, es scheint mir, dass dadurch seine prinzipielle Bedeutung nur klarer zu Tage tritt. Auch sind überzeugende Einwände gegen diesen ersteren Satz bis jetzt nicht vorgebracht worden, und keine andere Hypo- these über das Wesen der Erblichkeit trägt den Thatsachen in so einfacher und klarer Weise Rechnung als diese. Dennoch haben die meisten Schriftsteller mit der Transport- hypothese auch jene von den stofflichen Trägern der einzelnen erb- lichen Eigenschaften als von selbst widerlegt betrachtet und ihr kaum eine besondere Besprechung gewidmet. Leider hat dadurch Darwin’s Ansicht nicht diejenigen Früchte für die Entwickelung unseres Wissens getragen, welche ihr Urheber mit vollem Recht davon erwartet hatte. Es soll nun im vorliegenden Aufsatz meine Aufgabe sein, den Grundgedanken der Pangenesis, abgeschieden von der Transport- hypothese, auszuarbeiten und mit den neuen Thatsachen, welche die Lehre von der Befruchtung und die Anatomie der Zelle zu Tage gefördert haben, zu verbinden. Als Richtschnur betrachte ich dabei den Gedanken, dass die Physiologie der Erblichkeit, und namentlich die Lehre von der Variabilität und dem Atavismus die zu erklärenden Erscheinungen anweisen, während die mikroskopische Erforschung der Zelltheilung und der Befruchtung uns das morphologische Substrat jener Vor- gänge kennen lehren. Nicht die morphologischen Einzelheiten jener Vorgänge soll man zu erklären suchen, dazu ist unsere Kenntniss ı) Die Bezeichnung „erworben“ ist nicht grade glücklich gewählt. Es handelt sich um die Frage: ob Eigenschaften, welche in somatischen Zellen entstanden sind, den Keimzellen mitgetheilt werden können. Diese Möglichkeit wird von Weismann abgewiesen. Man vergleiche den letzten Abschnitt des zweiten Theiles $ 5. INTRACELLULARE PANGENESIS. 7 noch viel zu beschränkt. Aber im Einzelnen das stoffliche Substrat der physiologischen Prozesse aufzufinden, das sei, nach Darwin’s Vorgang, unsere Aufgabe! Als wichtigstes Ergebniss der Zellenforschung der letzten Jahr- zehnte betrachte ich den Satz, dass im Zellkern alle erblichen An- lagen des Organismus vertreten sein müssen. Ich werde zu zeigen versuchen, dass dieser Satz uns dazu führt, einen Transport von stofflichen Theilchen anzunehmen, welche Träger der einzelnen erblichen Eigenschaften sind. Jedoch nicht einen Transport durch den ganzen Organismus, oder auch nur von einer Zelle zur andern, sondern beschränkt in den Grenzen der einzelnen Zellen. Vom Kerne aus werden die stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften den Organen des Protoplasten zugeführt. In den Kernen sind sie zu- meist inaktiv, in den übrigen Organen der Protoplaste können sie aktiv werden. Im Kerne sind alle Eigenschaften vertreten, im Proto- plasma jeder Zelle nur eine beschränkte Zahl. Die Hypothese wird somit zur intracellularen Pangenesis. Und die kleinsten Theilchen, welche je Eine erbliche Eigenschaft ver- treten, werde ich, weil mit der Bezeichnung ,,Keimchen‘‘ die Vor- stellung eines Transportes durch den ganzen Organismus verbunden ist, mit einem neuen Namen belegen und Pangene nennen. ERSTER THEIL. PANGENESIS. Abschnitt I. Die gegenseitige Unabhängigkeit der erblichen Eigenschaften. 8 1. Die Zusammensetzung der Artcharaktere aus den erblichen Eigen- schaften. Unter den vielen Vorzügen, welche der Descendenzlehre für die Erforschung der lebenden Natur eine so hervorragende Bedeutung verliehen haben, nimmt die Erschütterung des alten Artbegriffes einen wichtigen Platz ein. Früher betrachtete man jede Art als eine Einheit und die Gesammtheit ihrer Artmerkmale als ein einheitliches Bild. Und sogar die neuesten Theorien der Vererbung nehmen dieses Bild als eine der weiteren Zerlegung nicht bedürftige Grösse an. Betrachtet man aber die Artcharaktere im Lichte der Abstam- mungslehre, so zeigt es sich bald, dass sie aus einzelnen, von einander mehr oder weniger unabhängigen Faktoren zusammengesetzt sind. Fast jeden dieser letzteren findet man bei zahlreichen Arten, und ihre wechselnde Gruppirung und Verbindung mit den seltneren Faktoren bedingt die ausserordentliche Mannigfaltigkeit der Or- ganismenwelt. Sogar die einfachste Vergleichung der verschiedenen Organismen führt, unter diesem Lichte, zu der Ueberzeugung von der zusammen- gesetzten Natur der Artmerkmale. Das Vermögen, Chlorophyll zu erzeugen und mittelst dieses am Lichte die Kohlensäure zu zer- setzen, ist offenbar als eine Einheit zu betrachten, welche zu einem grossen Theile dem Pflanzenreich das eigenthümliche Gepräge ver- leiht, welche aber manchen im Systeme zerstreuten Gruppen fehlt, und somit keineswegs unzertrennlich mit den übrigen Faktoren der Pflanzennatur verbunden ist. Andere Faktoren sind die Anlagen, welche manchen Arten das Vermögen verleihen, bestimmte chemische ‘Verbindungen zu er- zeugen. In erster Linie den rothen und blauen Blumenfarbstoff, INTRACELLULARE PANGENESIS. 9 dann die verschiedenen Gerbsäuren, die Alkaloide, ätherische Oele und zahlreiche andere Produkte. Nur wenige unter diesen sind auf eine einzelne Art beschränkt, viele kehren bei zwei oder mehreren, oft systematisch weit entfernten Arten zurück. Es liegt kein Grund vor, in jedem einzelnen Falle eine andere Entstehungsweise für dieselbe Verbindung zu vermuthen, vielmehr liegt es auf der Hand anzunehmen, dass demselben Prozesse überall, wo wir ihn finden, der Hauptsache nach, derselbe chemische Mechanismus zu Grunde liegen wird. In ähnlicher Weise müssen wir auch eine Zerlegung der mor- phologischen Merkmale der Arten als möglich annehmen. Freilich ist die Morphologie bis jetzt noch bei weitem nicht so weit vor- angeschritten, dass sie eine solche Analyse in jedem einzelnen Falle durchführen kann. Aber dieselbe Blattform, dieselben gröberen und feineren Einschneidungen des Blattrandes kehren bei zahl- reichen Arten zurück, und schon die gewöhnliche Terminologie lehrt, dass die Bilder sämmtlicher Blattformen aus einer verhältniss- mässig geringen Zahl von einfacheren Eigenschaften zusammen- gesetzt sind. Es wäre überflüssig, die Beispiele zu häufen, sie sind einem Jeden leicht zugänglich, und es kommt nur darauf an, sich in diese Ge- danken so vollständig einzuleben, dass man überall die Zusammen- setzung des Bildes aus seinen einzelnen Theilen klar durchschaut. Es zeigt sich dann, dass der Charakter jeder einzelnen Art aus zahl- reichen erblichen Eigenschaften zusammengesetzt ist, von denen weitaus die meisten bei fast unzähligen anderen Arten wiederkehren. Und wenn auch zum Aufbau einer einzelnen Art eine so grosse Zahl derartiger Faktoren erforderlich ist, dass wir fast vor den Konse- quenzen unserer Analyse zurückschrecken, so ist es doch anderer- seits klar, dass zum Aufbau sämmtlicher Organismen eine im Ver- hältniss zur Artenzahl geringe Anzahl von einheitlichen erblichen Eigenschaften ausreicht. Jede Art erscheint uns bei dieser Be- trachtungsweise als ein äusserst komplizirtes Bild, die ganze Or- ganismenwelt aber als das Ergebniss unzähliger verschiedener Kom- binationen und Permutationen von relativ wenigen Faktoren. Diese Faktoren sind die Einheiten, welche die Wissenschaft von der Vererbung zu erforschen hat. Wie die Physik und die Chemie auf die Moleküle und die Atome zurückgehen, so haben die bio- logischen Wissenschaften zu diesen Einheiten durchzudringen, um aus ihren Verbindungen die Erscheinungen der lebenden Welt zu erklären. 10 INTRACELLULARE PANGENESIS. Phylogenetische Betrachtungen führen zu denselben Schlüssen. Die Arten sind allmählig aus einfacheren Formen hervorgegangen, und zwar dadurch, dass zu den vorhandenen Merkmalen nach einander neue und immer weitere hinzugekommen sind. Die Fak- toren, welche den Charakter einer einzelnen Art zusammensetzen, sind also in diesem Sinne von ungleichem Alter; die Merkmale der grösseren Gruppen im Allgemeinen älter als die der kleineren syste- matischen Abtheilungen. Aber grade die Ueberlegung, dass die Merkmale einzeln oder in kleinen Gruppen erlangt worden sind, zeigt uns wiederum von einer andern Seite ihre gegenseitige Unab- hängigkeit. Es ist eine auffallende, aber bei weitem nicht hinreichend ge- würdigte Thatsache, dass oft in entfernten Theilen des Stammbaumes dieselbe Eigenschaft von ganz verschiedenen Arten entwickelt worden ist. Solche „parallele Anpassungen“ sind äusserst zahl- reich, und fast jede vergleichende Behandlung einer biologischen Eigenthümlichkeit weist uns davon Beispiele auf. Die insekten- fressenden Pflanzen gehören den verschiedensten natürlichen Fa- milien an, dennoch besitzen sie alle das Vermögen, aus ihren Blättern das zur Auflösung von Eiweisskörpern erforderliche Gemenge eines Enzymes und einer Säure hervorzubringen. Die von Darwin her- vorgehobene Uebereinstimmung dieses Gemenges mit dem Magen- saft der höheren Thiere berechtigt sogar zu der Annahme von erblichen Eigenschaften, welche jenen Pflanzen und dem Thierreich gemeinschaftlich sind. Die einheimischen rankenden und schlingenden Gewächse, die tropischen Lianen, die Knollen- und Zwiebelpflanzen, die fleischigen, blätterlosen Stämme der Cacteen und Euphorbiaceen, die Pollinien der Orchideen und Asclepiadeen und zahllose andere Beispiele weisen uns solche parallele Anpassungen auf. Sehr schöne Bilder liefern einerseits die Wüstenpflanzen, welche sich alle in irgend einer Weise gegen die Nachtheile der Verdunstung zu schützen suchen, und deren anatomische Verhältnisse von Volkens so eingehend ge- schildert worden sind*). Andererseits die Ameisenpflanzen, in deren Anpassungen an schädliche und nützliche Ameisenarten uns Schimper einen Einblick eröffnet hat?). Ueberall sehen wir, wie eine und dieselbe erbliche Eigenschaft, 1) G. Volkens, Die Flora der Aegyptisch-Arabischen Wüste. 2) A. F. W. Schimper, Die Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen und Ameisen im tropischen Amerika, in dessen Botan. Mittheilungen aus den Tropen, Band I, Heft 1. 1888. INTRACELLULARE PANGENESIS. ` 11 oder wie eine bestimmte kleine Gruppe von solchen mit den ver- schiedensten anderen erblichen Eigenschaften verbunden werden kann, und wie durch diese äusserst variirten Verbindungen die ein- zelnen Artcharaktere zu Stande kommen. $ 2. Die Uebereinstimmung in den Unterschieden zwischen Arten und Organen. Zu ganz ähnlichen Folgerungen, wie die Vergleichung der Arten unter sich, führt uns auch die Vergleichung der Arten mit den Organen eines einzelnen Individuums. Denn die Verschiedenheiten zwischen diesen letzteren können wir in derselben Weise auf die verschiedenartigen Kombinationen der einzelnen erblichen Eigen- schaften zurückführen. Schon die einfachste Betrachtung lehrt uns dieses. Wie das Chlorophyll manchen Arten fehlt, so fehlt es auch in den höheren Gewächsen einzelnen Organen und Geweben. Der rothe Blumen- farbstoff ist auf bestimmte Pflanzenspezies, und in diesen auf be- stimmte Organe beschränkt. Gerbsäure, ätherische Oele und der- gleichen pflegen, wo sie vorhanden sind, eine lokale Verbreitung aufzuweisen. Der oxalsaure Kalk fehlt den meisten Farnen und Gräsern, und andererseits den Wurzeln vieler kalkreicher Arten. Dasselbe gilt, wie der Augenschein lehrt, von den morphologischen Merkmalen; davon brauche ich keine Beispiele anzuführen. Denn man wird mir wohl zugeben, dass eine sehr grosse Uebereinstimmung obwaltet zwischen der Weise, in der sich die Organe einer einzelnen Pflanze von einander unterscheiden, und den Unterschieden zwischen zweien differenten Arten. Beide beruhen offenbar auf wechselnden Verbindungen und wechselnder Auswahl aus einer grossen Reihe gegebener Faktoren. | Eine Reihe von Erscheinungen, welche wir unter dem Namen der Dichogenie zusammenfassen können, führt zu ähnlichen Schluss- folgerungen. Ich meine alle jene Fälle, wo die Natur eines Organes während seiner ersten Anlage noch nicht entschieden ist, sondern noch durch äussere Einflüsse bestimmt werden Kann. So bilden die Ausläufer der Kartoffelpflanze unter normalen Verhältnissen an ihrer Spitze die Knollen, am Lichte aber, oder wenn der Haupt- stengel abgeschnitten worden st, wachsen sie zu grünen Trieben aus. Durch Abschneiden des Stengels kann man die Rhizome von Mentha, Circaea und vielen anderen Pflanzen zu aufgehenden Stengeln werden lassen, und merkwürdig sind die Umbildungen, 12 INTRACELLULARE PANGENESIS. welche die dicken, fast ruhenden Rhizome von Yucca nach solcher Behandlung aufweisen. Auf ähnliche Weise gelang es Göbel die An- lagen von Bracteen zu grünen Blättern werden zu lassen’), und Beyerinck beobachtete sogar die Umbildung junger Knospen von Rumex Acetosella in Wurzeln?). Es ist klar, dass in solchen Fällen in den jungen Anlagen das Vermögen ruht, sich in zwei verschiedenen Richtungen zu ent- wickeln. Grade deshalb möchte ich auf diese Erscheinung den Namen Dichogenie anwenden. Und es hängt offenbar von äusseren Einflüssen ab, welche Richtung eingeschlagen wird. Es muss somit unter den vorhandenen erblichen Eigenschaften der Art eine Wahl getroffen werden, und auf diese Wahl können wir durch Künstliche Eingriffe einen Einfluss ausüben. Für die Lehre von den erblichen Eigenschaften sind solche Versuche also vom höchsten Interesse. Hier schliessen sich in einfacher Weise die Erscheinungen der Knospenvariation an. Zahlreiche unter ihnen sind Fälle von Atavis- mus. Wählen wir ein Beispiel. An buntblättrigen Pflanzen beob- achtet man häufig einzelne grüne Zweige. Da die bunte Pflanze von grünen Vorfahren abstammt, so betrachtet man diesen Fall als Rückschlag. Das bunte Individuum besass offenbar die Eigen- schaften der grünen Vorfahren noch im latenten Zustande; durch Knospenbildung spaltete sie ihren ganzen Charakter aber derart, dass in dem einen Zweige die bunte Mischung, im andern die grüne Farbe zur Oberherrschaft gelangte. Als ein weiteres Beispiel von Knospenvariation möchte ich noch die Nectarinen anführen. Diese sind unbehaarte Pfirsiche, welche auf mehreren Sorten, und auf einzelnen dieser zu wiederholten Malen durch Knospenvariation entstanden sind. Es lässt sich diese Thatsache nur so auffassen, dass man sagt, es könne das Vermögen behaarte Früchte zu bilden, leicht und unabhängig von allen anderen Eigenschaften in einzelnen Zweigen verloren gehen, oder doch latent werden. Die durch Knospenvariation entstandenen Merkmale pflegen bei der Vermehrung durch Propfen, Stecklinge u.s.w. erhalten zu bleiben, und sind sogar in einzelnen Fällen samenbeständig. Neue Varietäten können somit auf diese Weise gezüchtet werden. Und ı) K. Göbel, Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Blattes. Botan. Zeitung 1882 S. 353. 2) M. W. Beyerinck, Beobachtungen und Betrachtungen über Wurzel- knospen und Nebenwurzeln. Veröffentl. d. d. k. Akad. d. Wiss. Amsterdam 1886 S. 41—43. Vergl. auch Tafel I Fig. g. INTRACELLULARE PANGENESIS. 13 da wir die Varietäten als beginnende Arten betrachten, spricht auch diese Ueberlegung für die Uebereinstimmung zwischen den Unterschieden von Arten und Organen. An die Knospenvariationen schliesst sich nun weiter ungezwungen die Betrachtung monoecischer Gewächse an. Denn sie stimmen mit jenen darin überein, dass verschiedene Zweige verschiedene Eigenschaften zur Entfaltung gelangen lassen. In der jungen Pflanze sind die Geschlechter noch nicht getrennt; sie behält, oft durch lange Zeit, das Vermögen, beide hervorzubringen. Schreitet sie aber dazu, so thut sie dieses durch eine Art von Entmischung: die eine Knospe wird zu einer männlichen, die andere zu einer weiblichen Blüthe. Oder es werden männliche und weibliche In- florescenzen hervorgebracht, oder ganze Aeste sind vorwiegend weiblich und andere männlich. Der Artcharakter war in der jungen Pflanze also als Ganzes, aber im latenten Zustande vorhanden, um sich zu äussern, musste er sich erst in seine beiden Haupttheile spalten. Organbildung, Knospenvariation und die Produktion männ- licher und weiblicher Zweige an monoecischen Gewächsen beruhen also auf einer Art Entmischung. Die in der jungen Pflanze vereinigten Anlagen trennen sich von einander, um zur Entfaltung gelangen zu können. Und die Gruppirung der erblichen Eigenschaften in den einzelnen Zweigen und Organen zeigt eine sehr grosse Ueberein- stimmung mit der Zusammenfügung solcher Eigenschaften zu den verschiedenen Artmerkmalen verwandter Organismen. $ 3. Die Uebereinstimmung zwischen den secundären Sexualcharakteren und den Artmerkmalen. In ähnlicher Weise wie im vorigen Paragraphen weiter gehend, wollen wir jetzt die secundären Sexualcharaktere in den Kreis unserer Betrachtungen hereinziehen. Denn sie führen zu genau derselben Auffassung des Artcharakters. Man sieht dies am klarsten in jenen Fällen, wo die beiden Sexen derselben Art bei ihrer ersten Entdeckung als verschiedene Arten beschrieben worden sind. Doch auch sonst sind die secundären Unterschiede zwischen den Individuen der beiden Sexen von der- selben Ordnung wie die Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten in derselben und in verwandten Gattungen. Aehnlich verhält es sich mit jenen Pflanzen, welche auf ver- schiedenen Individuen Blüthen tragen, deren Geschlechtsorgane 14 INTRACELLULARE PANGENESIS. konstante Differenzen aufweisen, den sogenannten Fällen der Heterostylie. Bei den Primeln unterscheidet man die langgrifflige und die kurzgrifflige Form, bei Flachsarten kommen drei verschie- dene Blüthenformen auf verschiedenen Individuen vor. Obgleich hier die zwei oder drei verschiedenen Gruppen von derselben Art angehörigen Individuen weder im Geschlechte, noch der Generation nach verschieden sind, unterscheiden sie sich doch durch Merkmale, welche ebenso konstant und von derselben Ord- nung sind wie die denselben Organen entnommenen Artmerkmale in verwandten Gattungen. Anhangsweise soll hier auch der Generationswechsel betrachtet werden. Denn auch hier sind die Unterschiede zwischen den phy- siologisch ungleichwerthigen Individuen, welche hier den ver- schiedenen Generationen angehören, von derselben Ordnung wie Artmerkmale. Dieses lehren uns die Uredineen und die Cynipiden und alle jene Fälle, wo das Vorhandensein eines Generationswechsels erst entdeckt wurde, nachdem die einzelnen Formen als Arten be- schrieben und verschiedenen Gattungen und Familien im Systeme eingereiht worden waren. Und noch heute ist es unmöglich, die Zusammengehörigkeit zweier Formen auf morphologischer Grund- lage. zu beweisen: nur der Kulturversuch bringt die Entscheidung. Die aufeinander folgenden Wechselgenerationen sind nicht auf die- selbe Grundform zurückzuführen, jede setzt ihre Merkmale durch eine andere Auswahl aus den vorhandenen erblichen Anlagen der Art zusammen. | Fassen wir nun das Ergebniss dieses und der beiden vorigen Pa- ragraphen zusammen, so zeigt sich, dass jede eingehende Betrach- tung des Artcharakters und jede Vergleichung mit anderen Merk- malen dazu führt, ersteren als ein zusammengesetztes Bild auf- zufassen, dessen Komponenten in den verschiedensten Weisen mischbar sind. § 4. Das Variiren der einzelnen erblichen Eigenschaften, unabhängig von einander. Die vergleichende Betrachtung der Organismenwelt führte uns zu der Ueberzeugung, dass die erblichen Eigenschaften einer Art, wenn auch auf verschiedenen Weisen mit einander zusammen- hängend, doch prinzipiell selbständige Einheiten sind, aus deren Vereinigung der Artcharakter hervorgeht. Wir wollen jetzt unter- suchen, ob diese Folgerung durch das Experiment bestätigt wird, oder nicht. INTRACELLULARE PANGENESIS. 15 Dazu wenden wir uns zu den Versuchen über Varietätenbildung, namentlich zu denjenigen, welche von Pflanzenzüchtern im Grossen angestellt worden sind. Diese lehren uns nun, dass fast jede Eigen- schaft unabhängig von den anderen variiren kann. Zahlreiche Varietäten unterscheiden sich nur in einem Merkmal von ihren Stammformen, wie z. B. die weissen Spielarten rothblüthiger Spezies. Die rothe Farbe geht in der Krone in allen Abstufungen in Weiss über, sie kann nicht nur in den Blüthen, sondern auch in den Stengeln und Blättern fehlen oder vorkommen, überhaupt in jedem denk- baren Grade entwickelt sein, ohne dass irgend eine andere erbliche Eigenschaft notwendigerweise mit in Variation gebracht würde. In derselben Weise können die Behaarung, die Bewaffnung mit Dornen und Stacheln, die grüne Farbe der Blätter, jede für sich allein variiren und sogar ganz verschwinden, während alle übrigen erb- lichen Eigenschaften völlig unverändert bleiben. Oft variiren zu- sammengehörige Merkmale gruppenweise, ohne auf die übrigen Gruppen einen Einfluss auszuüben. So geht eine Vermehrung der Zahl der Blumenblätter nicht selten mit blumenblattähnlicher Entwickelung des Kelches oder der Hochblätter zusammen, während sonst die Pflanze normal bleibt. Ich kultivire einen Dipsacus sylvestris, welcher in der Blattstellung alle denkbaren Abwechs- lungen aufweist, sonst aber in Tausenden von Exemplaren kon- stant ist. Das Papaver somniferum polycephalum weicht nur in der Umbildung zahlreicher Staubgefässe in Fruchtblätter ab, ebenso das kultivirte Sempervirum tectorum. Solcher Beispiele giebt es, so- wohl im Pflanzenreich als wie im Thierreich, so zahlreiche, dass das unabhängige Variiren einzelner Merkmale Regel, das Zusammen- variiren mehrerer aber Ausnahme ist. Allerdings lässt sich meist nicht entscheiden, ob das betreffende Merkmal durch eine einzelne, oder durch eine kleine Gruppe von erblichen Eigenschaften be- stimmt wird. Andererseits lässt sich eine Häufung mehrerer Variationen in einer Rage leicht bewirken, und kommt solche sowohl in den Kul- turen als in der freien Natur ganz gewöhnlich vor. Aber in den hinreichend genau kontrolirten und beschriebenen Fällen pflegt sich dann zu zeigen, dass die einzelnen Variationen nicht gleich- zeitig, sondern nach und nach aufgetreten sind, und dieses reicht hin, um ihre Selbständigkeit zu beweisen. | Eine derart von den übrigen isolirte erbliche Eigenschaft kann nun Gegenstand experimenteller Behandlung werden. Durch ge- eignete Zuchtwahl lässt sie sich allmählig stärken oder schwächen, 16 INTRACELLULARE PANGENESIS. und je nach der Willkür des Züchters in ein bestimmtes Verhältniss zu den übrigen unveränderten Merkmalen bringen. Die rothe Farbe der Blutbuche ist so weit verstärkt worden, dass sogar der Zellsaft in den lebendigen Zellen des Holzes lebhaft roth wurde, die Füllung der Blüthen geht mehrfach bis zum völligen Schwinden der Ge- schlechtsorgane. Und in zahlreichen Fällen werden nur die der Wahl unterworfenen Organe verändert, die übrigen bleiben davon unbetroffen. Die Anpassung der landwirthschaftlichen Kultur- pflanzen an die Bedürfnisse des Menschen und der Gartengewächse an sein Schönheitsgefühl zeigt uns dies in klarster Weise. Die experimentelle Behandlung führt weiter zu dem Studium des Einflusses äusserer Umstände auf die Entfaltung der erblichen Eigenschaften. Auch dabei erweisen sich diese als Faktoren, deren jede unabhängig von den anderen variiren kann. Gegenstand des Studiums sind namentlich junge Varietäten und alle solche, welche noch nicht hinreichend fixirt worden sind, wo also äussere Einflüsse noch eine bedeutende Rolle spielen bei der Beantwortung der Frage, ob aus einem gegebenen Keime ein echtes oder ein ata- vistisches Individuum hervorgehen wird. Rimpau und Andere haben gelehrt, dass Störungen und Unterbrechungen des Wachs- thums einen hervorragenden Einfluss üben auf die Anzahl der einjährigen, durchschiessenden Exemplare auf einem Rübenacker, bei gegebenem Samen?). Und in der gärtnerischen und terato- logischen Literatur finden sich zahlreiche Angaben zerstreut, aus denen die Bedeutung äusserer Einflüsse im Ganzen und Grossen klar hervorgeht. Der experimentellen Forschung aber eröffnet sich hier ein weites, fast unbetretenes Feld. In theoretischer Hinsicht wird es auf diesem die Hauptaufgabe sein, die Variationen in den erblichen Eigenschaften soviel wie möglich zu isoliren, um auf diesem Wege zur Erkenntniss der einzelnen Faktoren des be- treffenden Artcharakters zu gelangen. Die Variationen, welche wir in der freien Natur beobachten, erscheinen uns häufig wie plötzlich entstanden, und dasselbe gilt von Kulturen im Kleinen oder bei unvollständiger Kontrole der einzelnen Individuen. Die Erfahrung an Kulturpflanzen in den ersten Jahren nach dem Anfange der Kultur lehren aber, dass die Abweichungen nur langsam und allmählig sich entwickeln, und dass die abgeänderten Einflüsse in der Regel mehrere Generationen 1) A. W. Rimpau, Das Aufschiessen der Runkelrüben, Landwirtschaft]. Jahrbücher 1880 S. 191. INTRACELLULARE PANGENESIS. 17 hindurch wirken müssen, bevor sie ihren Effekt derartig häufen können, dass er sichtbar zu Tage tritt!). Die diesbezüglichen von Darwin zusammengestellten Thatsachen machen ganz den Ein- druck, als ob die neuen Charaktere erst nur im latenten Zustande entstehen, und in diesem allmählig an Stärke gewinnen, bis sie endlich denjenigen Grad erreichen, der zum Sichtbarwerden er- forderlich ist. Auch hier muss man also «annehmen, dass jede erb- liche Eigenschaft in jedem Grade mit den übrigen mischbar ist. Die Selbständigkeit der erblichen Eigenschaften zeigt sich am schönsten beim Atavismus. Durch zahlreiche Generationen kann eine Eigenschaft latent bleiben, während sich alle übrigen in nor- maler Weise entfalten. Von Zeit zu Zeit zeigt sie sich dann wieder, meist ohne dabei irgend einen Einfluss auf die sonstigen Merkmale auszuüben. Welche äussere Umstände dieses Wiederauftauchen bedingen, wissen wir nicht; aller Wahrscheinlichkeit nach wirken diese nicht einfach auf die atavistischen Individuen, sondern muss man sich vorstellen, dass die betreffende Anlage in den übrigen zwar stets latent, aber in ihrer Stärke doch sehr fluktuirend ist. Aber nur die Gipfel der höchsten Wellen werden uns sichtbar. Allem Anscheine nach können solche Charaktere durch äusserst lange Reihen von Generationen vom einen Geschlecht auf das andere übertragen werden. Nach Jahrtausenden rechnet ihre Existenz in jenen Fällen, wo sie offenbar mindestens so alt sind, wie die Art selbst. Ich meine die Fälle von Rückschlägen auf die Vor- fahren der Spezies, von denen die Zebra-ähnlichen Streifen des Pferdes ein so bekanntes Beispiel abgeben?). Ein ähnliches Bei- spiel ist die Primula acaulis var. caulescens, welche im Freien unter Tausenden von schirmlosen Primeln von Zeit zu Zeit in ganz vereinzelten Exemplaren auftritt, dann aber eine ähnliche Inflores- cenz bildet, wie die nächstverwandten, schirmtragenden Arten. Die Kultur hat sich dieser reicher blühenden Varietät bemächtigt und sie in zahlreichen Farbennüancen in den Handel gebracht. Ich möchte diesen Paragraphen nicht abschliessen, ohne auf eine Erscheinung hingewiesen zu haben, welche das Studium der erb- - lichen Eigenschaften in hohem Grade komplizirt. Es ist dies der bereits mehrfach erwähnte Umstand, dass sie ganz gewöhnlich zu kleineren und grösseren Gruppen vereinigt sind, welche sich wie ı) Vergl. hierüber Darwin, The Variations of animals and plants under Domestication 2. Aufl. 1875 I S. 39. 2) Darwin L c. I S. 59. 18 INTRACELLULARE PANGENESIS. Einheiten benehmen, indem die einzelnen Glieder der Gruppe ge- wöhnlich zusammen in die Erscheinung treten. Wir sehen dieses in den männlichen und weiblichen Blüthen und Inflorescenzen ein- häusiger Gewächse, in den erwähnten Fällen von Knospenvariation und von Dichogenie. Die Sexualcharaktere verschiedener Individuen und die Unterschiede zwischen den Wechselgenerationen derselben Spezies lehren uns das Nämliche. Diese Verbindung der einzelnen Eigenschaften zu Gruppen ist somit ganz allgemein, wenn sie auch in fast allen Abstufungen vorkommt, und wenn auch einige erbliche Eigenschaften, wie z. B. das Vermögen, rothe Farbe anzunehmen, sich in der Regel nicht mit bestimmten anderen zu Gruppen vereinigen. Man erkennt sie in klarster Weise in jenen durch Aphiden, Phytopten und andere Parasiten verursachten Vergrünungen, wo der Reiz eine ganze Reihe von sonst in anderen Theilen der Pflanze zur Entwickelung gelangenden Eigenschaften hervorruft. Mit dieser Verbindung der erblichen Eigenschaften zu grösseren und kleineren Gruppen hat jede Theorie der Vererbung Rechnung zu halten, und verschiedene Schriftsteller, wie Darwin und Nägeli, haben diesen Punkt klar hervorgehoben. Doch dürfte gerade hierin eine grosse Schwierigkeit gelegen sein, welche sich einer in’s Ein- zelne gehenden Ausarbeitung der Theorie entgegenstellt. Denn offenbar wird es in vielen Fällen äusserst schwierig sein, zu ent- scheiden, ob man es mit einer einzelnen erblichen Eigenschaft, oder mit einer kleinen Gruppe von solchen zu thun hat. Es liegt hier, für die morphologische Analyse, noch ein weites Feld, das der Bearbeitung harrt. $ 5. Die Mischung der erblichen Eigenschaften. Die erblichen Eigenschaften sind in jedem Grade und Verhältniss mischbar. Dieses sehen wir an bunten Blättern und gestreiften Blumen, wo das Ergebniss dieser Mischung, nach entsprechender Entmischung, uns fast direkt vorgeführt wird. Fast unendlich ist die Abwechslung in der Zeichnung der bunten Blätter, oft auf derselben Pflanze, oder doch auf den verschiedenen Individuen einer selben Aussaat. Gestreifte Blumen entstehen nach Vilmorin durch partiellen Atavismus aus alten weissblüthigen Varietäten rother oder blauer Arten!); die jungen Varietäten pflegen sprung- 1) L. Lévêque de Vilmorin, Notices sur l'amélioration des plantes par le semis. 1886. p. 39—41. INTRACELLULARE PANGENESIS. 19 weise zur Stammform zurückzukehren, die älteren aber stufenweise, durch das Auftreten einzelner Streifen der ursprünglichen Farbe auf dem weissen Grunde. Es ist, als ob die Farbenanlage bereits zu sehr abgeschwächt wäre, um noch mit einem Male die ganze Krone zu färben. Die Nachkommen der ersten gestreiften Blumen bilden aber bald breitere Streifen und gehen dann nach wenigen Generationen wieder in die gleichmässige Farbe der Stammform über. Aeusserst merkwürdig sind jene Fälle, wo erbliche Anlagen im latenten Zustande mit einander zusammen vorkommen, welche im aktiven Zustande einander nothwendig ausschliessen. Statt einer langen Aufzählung vieler Fälle möchte ich dafür hier ein be- kanntes Beispiel aus der Lehre von der Variabilität anführen, und wähle dazu die Blattstellung in Wirteln. Zweigliedrige Wirtel, deren Blätter an den aufeinander folgenden Knoten kreuzweise über einander stehen, gehören zu den besten und konstantesten Merkmalen ganzer natürlicher Familien. Seltner sind Fälle von drei- und mehrgliedrigen Wirteln. Nicht selten schlägt aber eine Art aus ihrem normalen Typus in eine andere Wirtelform über, und bei zahlreichen Pflanzen mit dekussirten Blättern sind einzelne Zweige mit drei- oder mehrgliedrigen Wirteln beobachtet worden. Die Fuchsien und Weigelien unserer Gärten bilden gewöhn- liche Beispiele. Die Uebergänge von der einen Wirtelzahl auf die andere finden meist sprungweise statt, derart, dass der ganze aus einer Knospe hervorgehende Spross sich selbst in dieser Beziehung gleichbleibt; aus seiner Endknospe oder seinen Seitenknospen gehen dann aber häufig Zweige mit anderer Wirtelzahl hervor. Seltener geht ein Spross während seiner Entwickelung von der einen Zahl in die andere über, wie solches z. B. bei Lysimachia vulgaris Regel ist. Zwischenformen zwischen zwei- und drei- oder drei- und viergliedrigen Wirteln sind äusserst selten, obgleich sie nach unserer jetzigen Kenntniss ganz leicht entstehen könnten, und thatsächlich bei den meisten Pflanzen mit wirtligen Blättern von Zeit zu Zeit beobachtet worden sind!). Ich meine jene Wirteln, in denen Ein Blatt an seinem Gipfel mehr oder weniger tief gespalten ist, während der Hauptnerv sich gabelig verzweigt. Es kommt diese Spaltung in allen denkbaren Graden vor und führt durch jene Blätter, welche auf gespaltenem Stiel zwei Spreiten tragen, zur vollen Verdoppelung des Blattes hinüber. Die Betrachtung zahlreicher Beispiele macht ı) Vergl. F. Delpino, Teoria generale della Fillotassi in Atti della R. Università di Genova. Vol. IV Part. II 1883 p. 197. 2* 20 INTRACELLULARE PANGENESIS. den Eindruck, als ob die einzelnen Wirtelformen sich abstossen, und als ob jede danach strebt die andere auszuschliessen. Nur selten gelingt dies nicht, und dann entstehen die erwähnten Blätter mit gabelig getheilten Hauptnerven, deren vollständige Uebergangs- reihe von Einem Blatte zu zweien von Delpino abgebildet und be- schrieben worden ist!). Auch solche Eigenschaften, welche in der entfalteten Pflanze einander ausschliessen, sind also im latenten Zustande, anscheinend ohne Schwierigkeit, mischbar. Im Grunde verhält es sich wie in unserem Beispiel so auch in den Erscheinungen der Monoecie und Dioecie, ferner des Di- und Trimorphismus der Blüthen und eigent- lich in der ganzen Organbildung. Ueberall findet man Merkmale, welche gleichzeitig in demselben Organe nicht existiren können, und dennoch während der Jugend im latenten Zustande gemischt vorkommen müssen. Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so sehen wir, dass Ver- suche und Beobachtungen über das Entstehen und das Fixiren von Variationen uns die erblichen Eigenschaften als Einheiten kennen lehren, mit denen man experimentiren kann. Sie lehren uns ferner, dass diese Einheiten fast in jedem Verhältniss mit einander mischbar sind, indem weitaus die meisten Experimente im Grunde nur auf eine Veränderung dieses Verhältnisses hinauslaufen. In schlagender Weise werden die bisher angestellten Betrach- tungen bestätigt durch die Versuche über Bastardirung und Kreu- zung. Nirgendwo tritt so klar wie hier das Bild der Art gegenüber seiner Zusammensetzung aus selbständigen Faktoren in den Hinter- grund. Dass im Bastarde die erblichen Eigenschaften vom Vater und von der Mutter durcheinander gemischt sind, weiss ein Jeder. Und die ausgezeichneten Versuche zahlreicher Forscher haben uns gelehrt, wie in den Nachkommen der Bastarde eine fast unendliche Abwechslung zu beobachten zu sein pflegt, welche wesentlich auf einer in mannigfach verschiedener Weise stattfindenden Ver- mischung der väterlichen und der mütterlichen Merkmale beruht. Die Bastarde der ersten Generation haben für jedes Paar von Arten ganz bestimmte Merkmale. Erzeugt man einen Bastard von zwei Arten, deren Kreuzung bereits frühern Forschern gelungen ist, so kann man sich darauf verlassen, dass die von ihnen gegebene Beschreibung in der Regel genau auf die neu erworbene Mittelform passen wird. Ist der Bastard ohne Mithülfe seiner Eltern fruchtbar, 1) Le. S.206, Taf. IX Fig. 60. INTRACELLULARE PANGENESIS. 21 und zieht man seine Nachkommenschaft in einigen Generationen in Tausenden von Exemplaren, so beobachtet man fast stets, dass kaum zwei einander gleich sind. Einige kehren zu der Form des Vaters, andere zu jener der Mutter zurück; eine dritte Gruppe steht in der Mitte. Zwischen diesen stellen sich die übrigen in buntester Abwechslung väterlicher und mütterlicher Merkmale, und fast in jedem Grade gegenseitiger Mischung. Von zahlreichen und hervorragenden Schriftstellern ist auf die Bedeutung der Bastarde für die Ergründung des Wesens der Be- fruchtung hingewiesen. Mit demselben Rechte dürfen wir sie an- wenden, um in das Geheimniss des Artcharakters einzudringen zu versuchen. Und dann beweisen sie uns klar, dass dieser Charakter im Grunde kein einheitliches Gebilde ist. Denn die Merkmale eines Bastardes (erster Generation) sind ebenso scharf und ebenso kon- stant, und überhaupt von derselben Ordnung wie jene der reinen Arten, und der häufige Speziesname hybridus!) dürfte beweisen, dass auch die besten Systematiker diese Uebereinstimmung ge- fühlt haben. Zwei, drei und mehr Arten sind von Kölreuter, Gärtner und An- deren in einem Bastard vereinigt worden. Und es ist nicht einzu- sehen, dass dieser Zahl eine andere als eine rein praktische Grenze gesteckt wäre, und dass im Grunde nicht Merkmale in einem Bastarde gemischt werden könnten, welche einer unbegrenzten Reihe von verwandten Arten entlehnt wären. Doch darauf kommt ja wenig an, Hauptsache ist der Satz, dass der Charakter reiner Arten, genau so wie der der Bastarde, zusammengesetzter Natur ist. Kreuzungen von Varietäten einer selben Art gehören, namentlich in der gärtnerischen Praxis, zu den gewöhnlichsten Operationen. Häufig ist dabei der Zweck einfach der, Mittelformen zu erzeugen. Nicht selten aber wünscht man einer gegebenen Varietät einzelne bestimmte Eigenschaften mitzutheilen, und entlehnt diese dann einer anderen Varietät, bisweilen sogar einer anderen Art. Härte gegen Winterfröste wurde mehrfach in dieser Weise von der einen auf die andere Form übergeführt. Carriere citirt Beispiele von Begonien, welche durch Kreuzung mit einer buntblättrigen Varietät einer anderen Art bunt gemacht worden sind, ohne dabei sonst in ihren Eigenschaften geändert zu werden?). Ueberhaupt ist in der 1) Z. B. Papaver hybridum L., Trifolium hybridum L. 2) E. A. Carrière, Production et Fixation des Variétés, 1865 S. 22. Andere Beispiele bei Verlot, Sur la production et la fixation des variétés, 1865 S. 46 und 65. Vergl. auch Darwin, I. c. Il S. 73. 22 INTRACELLULARE PANGENESIS. gärtnerischen Praxis die Ueberzeugung allgemein, dass man die Eigenschaften der Varietäten bei Kreuzungen nach voller Willkür mit einander mischen, und seine Racen sowohl in vielen, als auch in einzelnen ausgewählten Punkten nach Bedürfniss verbessern kann. § 6. Kreuz- und Selbstbefruchtung. In Anschluss an die im vorigen Paragraphen behandelten Ar- gumente, welche uns die Ergebnisse der Kreuzungs- und Bastar- dirungsversuche bieten, wollen wir jetzt die normale Befruchtung behandeln, und zusehen, inwiefern auch auf diesem Gebiete die Thatsachen unsere Vorstellung von der gegenseitigen Unabhängigkeit und Mischbarkeit der erblichen Eigenschaften stützen. Die Bedeutung der Befruchtung zu ergründen, gehört zu den schwersten Aufgaben der Biologie. Die zahllosen Anpassungen dieses Prozesses an die verschiedensten Lebensbedingungen, und der mächtige Einfluss, den er auf die Differenzirung der Arten, namentlich durch Ausbildung der sekundären Sexualitätscharak- tere geübt hat, drohen immer uns irre zu leiten, und uns durch die später erlangte Bedeutung das eigentliche Wesen verkennen zu lassen. Hier, wie in so vielen Fällen, liegen die Verhält- nisse im Pflanzenreich klarer und einfacher als im Thierreich, in welchem namentlich die ausschliessliche Beschränkung der Fort- pflanzung der höheren Thiere auf den sexuellen Weg nur zu leicht die Bedeutung dieses Vorganges überschätzen lässt. Dazu kommt, dass für das Pflanzenreich durch das eingehende vergleichende Studium über die Bedeutung von Kreuz- und Selbstbefruchtung, welches wir Darwin verdanken, ein ganz unerwartetes Licht auf das Wesen dieses Vorganges geworfen worden ist. Darwin’s Versuche haben gelehrt, dass das Wesen der Befruch- tung in der Vermischung der erblichen Eigenschaften zweier ver- schiedener Individuen besteht!). Selbstbefruchtung, welche im Pflanzenreich so leicht stattfindet, und experimentell so bequem auszuführen ist, hat bei Weitem nicht dieselbe Bedeutung. Aus den auf letzterem Wege erhaltenen Samen gingen in Darwin’s Ver- suchen stets schwächere Individuen hervor als aus der Ernte ge- kreuzter Blüthen. Die ersteren waren kleiner, weniger reich ver- zweigt, weniger üppig und anhaltend blühend, und trugen dem- entsprechend auch weniger Samen. Kreuzung von zwei Blüthen ı) Darwin, Origin of species, 6. Aufl. S. 76—79 und Cross- and Selffertilisation of plants, 1876. INTRACELLULARE PANGENESIS. 23 derselben Pflanze war eher nachtheiliger als Befruchtung der Blüthen mit ihrem eigenen Pollen. Sogar die Kreuzung von verschiedenen Individuen reichte nicht aus, die Art normal zu erhalten, wenn diese alljährlich auf dem- selben Beete gezogen und vor der Befruchtung durch Exemplare anderer Herkunft geschützt wurden. Die ganze Kolonie kam im Laufe einiger Jahre stetig und deutlich herunter; die Pflanzen wurden dabei nicht nur kleiner und schwächer, sondern ihre in- dividuellen Unterschiede nahmen derart ab, dass sie einander fast völlig gleich wurden. Eine einzige Kreuzung einer solchen Kolonie mit Individuen anderen Ursprunges stellte aber die ursprüngliche Kraft wieder her. Der Befruchtungsprozess besteht somit in seinem Wesen nicht in der Vereinigung der beiden Geschlechter, sondern in der Ver- mischung der erblichen Eigenschaften zweier Individuen von ver- schiedener Herkunft, oder doch von solchen, welche verschiedenen äusseren Bedingungen ausgesetzt gewesen sind. Eine Verschieden- heit in den erblichen Eigenschaften ist somit offenbar Bedingung für die Erreichung des vollen Nutzens der Befruchtung; diese Ver- schiedenheit muss aber in letzter Instanz durch das Leben unter abweichenden Einflüssen erlangt worden sein. Denken wir uns die einzelnen erblichen Anlagen als selbständige Einheiten, welche in verschiedenen Verhältnissen mit einander zu dem individuellen Charakter einer Pflanze verbunden werden können. Nehmen wir weiter an, dass ihre relative Zu- oder Abnahme von äusseren Einflüssen abhängt. Offenbar besteht dann eine grosse Aussicht, dass unter gleichen äusseren Bedingungen in verschiedenen Individuen dieselben Anlagen zurückgehen werden, während unter verschiedenen Bedingungen dieses Loos in jedem Individuum andere Anlagen treffen wird. Kreuzen wir also nur die Pflanzen desselben Beetes, so werden die gleichsinnigen individuellen Abweichungen verstärkt, die geschwächten Anlagen also noch schwächer gemacht werden. Kreuzen wir aber Individuen aus möglichst verschiedenen Kulturen, so werden die Unterschiede in den einzelnen Anlagen offenbar, wenigstens zum Theil, ausgeglichen werden. Und zwar um so mehr, je zahlreicher die von einander abweichenden und zur Kreuzung benutzten Exemplare sind. Ueberhaupt ist es den Pflanzenzüchtern wohl bekannt, dass üppige und möglichst abgewechselte Bedingungen zur Häufung und Vermehrung der individuellen Unterschiede führen, während einfache und einförmige Umstände diese nach und nach ver- 24 INTRACELLULARE PANGENESIS. schwinden lassen und also die Gleichförmigkeit aller Exemplare befördern. Erstere Methode wird beim Verbessern der Ragen, letztere beim Fixiren der neu gewonnenen Varietäten angewandt. Für die Erhaltung der Art mit allen ihren erblichen Anlagen in dem erforderlichen Verhältnisse ist nur gelegentlich eine Kreuzung erforderlich. Nicht jeder Generation braucht solche voranzugehen. Wo geschlechtliche Generationen mit ungeschlechtlichen abwechseln, wie unter den Gallwespen, und wo letztere sogar in der Mehrzahl vorkommen, wie bei vielen Aphiden, ist dieses ohne weiteres deutlich. Bei den Bienen werden die befruchteten Eier zu Weibchen, die unbefruchteten zu Männchen. Da aber jedes Männchen nothwendig von einem durch Befruchtung entstandenen Weibchen abstammt, wird es der Vortheile gelegentlicher Kreuzung offenbar in hinreichen- der Weise habhaft. Dass wir es hier nicht mit prinzipiellen Ver- hältnissen, sondern nur mit besonderen Anpassungen zu thun haben, lehren uns die Aphiden, bei denen sowohl Männchen wie Weibchen auf parthenogenetischem Wege entstehen. Die sich nie öffnenden, sogenannten cleistogamen Blüthen, die zahlreichen Einrichtungen zur Sicherung der Selbstbefruchtung in Blumen, für den Fall, dass Insektenbesuch ausgeblieben ist, und die fast unbeschränkte Anwendung der Vermehrung auf vegetativem Wege im Pflanzenreich lehren uns alle, dass nur gelegentlich eine Befruchtung zur normalen Erhaltung der Arten erforderlich ist. Dass bei den höheren Thieren jedes Individuum auf geschlecht- lichem Wege entsteht, ist also offenbar nur eine besondere An- passung. ‘Fassen wir das Ergebniss dieser. Betrachtungen zusammen, so dürfen wir sagen, dass das eigentliche Wesen der Befruchtung in der Vermischung der erblichen Eigenschaften der verschiedenen Individuen einer Art besteht. Wie man sich diese Vermischung vorstellen muss, das lehrten uns die Bastarde. Denn es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Vorgang der Vermischung im Prinzip in beiden Fällen derselbe sein wird. Und wie es Wichura gelang, Bastarde aus sechs verschiedenen Weidenarten zu erzeugen!), so müssen auch durch Kreuzung die erblichen Eigenschaften mehrerer Individuen in Einem gemischt werden können. Im vorigen Paragraphen haben wir gesehen, wie die einzelnen erblichen Eigenschaften als selbständige Einheiten in den Bastar- dirungs- und Kreuzungsversuchen auftreten, und wie sie fast in ı) Max Wichura, Bastardbefruchtung der Weiden. 1865. 4°. Lo or INTRACELLULARE PANGENESIS. allen Graden erreichbar sind. Auf dieselbe Weise müssen wir uns offenbar auch beim gewöhnlichen Befruchtungsprozesse jene Ein- heiten als selbständig denken. § 7. Schlussfolgerungen. Anscheinend einheitlich ist der Artcharakter in Wirklichkeit ein äusserst zusammengesetztes Ganzes. Er ist aus zahlreichen einzelnen Faktoren, den erblichen Eigenschaften oder Anlagen, aufgebaut. Je höher die Art differenzirt ist, um so grösser ist die Zahl der zu- sammensetzenden Einheiten. Weitaus die meisten dieser Einheiten kehren bei zahlreichen, viele bei zahllosen Organismen zurück, und bei verwandten Arten ist der gemeinschaftliche Theil des Charakters offenbar aus denselben Einheiten aufgebaut. Versuchen wir es, die Arten in diese einzelnen Faktoren zu zer- legen, so werden wir von deren Zahl, welche bei höheren Pflanzen und Thieren wohl in die Tausende geht, verwirrt. Betrachten wir dagegen die ganze Organismenwelt als den Vorwurf unserer Analyse, so wird die Gesammtzahl erblicher Eigenschaften, welche zum Auf- bau aller Lebewesen erforderlich ist, eine zwar an sich grosse, im _ Verhältniss zur Artenzahl aber kleine. Auf jenem beschränkten Gebiete führt unsere Betrachtungsweise anscheinend nur zu Kom- plikationen, im Grossen aber bahnt sie offenbar den Weg zu einer ganz bedeutenden Vereinfachung der Probleme der Erblichkeit. Die erblichen Anlagen, von denen die erblichen Eigenschaften die für unser Auge sichtbaren Merkmale sind, sind selbständige Einheiten, welche zeitlich getrennt von einander entstanden sein, und unabhängig von einander auch wieder verloren gehen können. Sie sind fast in jedem Verhältnisse mit einander mischbar, indem jede einzelne Eigenschaft von völliger Abwesenheit an durch alle Stufen zur höchsten Entwickelung gelangen kann. Häufig sind sie nur in so ungünstigem Verhältnisse da, dass sie überhaupt nicht in die Erscheinung treten, sondern latent bleiben. Und in diesem Zustande können sie entweder Tausende von Generationen ver- harren, oder daraus in jeder Generation, während der Entwickelung des Individuums aus der befruchteten Eizelle, in welcher sie fast sämmtlich latent sind, hervorgehen. Die erblichen Anlagen stellen den ganzen Artcharakter zusammen, es bleibt nach ihrer Abscheidung nicht etwa eine anderweitige Grundlage über, der sie eingefügt wären, Obgleich in dem Grade selbständig, dass sie jede für sich schwächer 26 INTRACELLULARE PANGENESIS. werden und sogar völlig verschwinden können, sind sie doch für gewöhnlich zu kleineren und grösseren Gruppen vereinigt. Und zwar derart, dass, wenn äussere Eingriffe, wie ein Gallenreiz, eine bestimmte Eigenschaft zum Vorherrschen bringen, in der Regel die ganze Gruppe, zu der diese gehört, mit in erhöhte Thätigkeit gesetzt wird. Selbständigkeit und Mischbarkeit, das sind also die wesentlichsten Eigenschaften der erblichen Anlagen aller Organismen. Eine Hypothese zu finden, welche diese Eigenschaften unserem Verständniss näher führt, das ist nach meiner Ansicht die Haupt- aufgabe einer jeden Vererbungstheorie. Abschnitt II. Herrschende Ansichten über die Träger der erblichen Eigen- schaften. Erstes Kapitel. Die chemischen Moleküle des Protoplasma in ihrer Be- deutung für die Theorie der Erblichkeit. § 1. Einleitung. Die wunderlichen Erscheinungen der Erblichkeit müssen nach unserer jetzigen Auffassung der ganzen Natur eine stoffliche Grund- lage haben, und diese Grundlage kann keine andere sein, als das lebendige Protoplasma. Jede Zelle entsteht durch Theilung aus einer bereits vorhandenen, die lebendige Substanz der Mutterzelle vertheilt sich auf die einzelnen Töchter, und geht auf diese mit allen ihren erblichen Eigenschaften über. Die mikroskopische Er- forschung des Zellenleibes und die Kunst der Züchter, bis vor kurzem so weit von einander entfernt, reichen sich immer mehr die Hand. Denn nur durch das Zusammenwirken dieser beiden grossen Richtungen des menschlichen Denkens kann es gelingen, die Grund- züge für eine Theorie der Vererbung zu schaffen. Die Chemie lehrt uns, dass das lebendige Protoplasma, wie jede Substanz, aus chemischen Molekülen aufgebaut sein muss, und dass eine endgültige Erklärung der Lebenserscheinungen nur dann er- reicht werden wird, wenn es gelingt, die Vorgänge im Protoplasma aus der Gruppirung seiner Moleküle und aus der Zusammensetzung dieser letzteren aus ihren Atomen abzuleiten. INTRACELLULARE PANGENESIS. 27 Aber von diesem Ziele sind wir noch weit entfernt. Die Che- miker studiren vorwiegend reine, d. h. aus gleichartigen Molekülen aufgebaute Körper; das Protoplasma aber ist offenbar eine Mischung zahlreicher, wenn nicht gar nahezu zahlloser verschiedener che- mischer Verbindungen. Und weitaus die meisten dieser letzteren sind, auch in chemischer Hinsicht, nur äusserst lückenhaft er- forscht worden. + Allerdings darf uns diese Rücksicht nicht davon abhalten, die grossen Sätze der Chemie auf die Erklärung der Lebensvorgänge anzuwenden. Haeckel und viele andere Forscher nach ihm haben darauf hingewiesen, welche grosse Bedeutung für eine solche Er- klärung das Vermögen des Kohlenstoffes besitzt, sich in den ver- schiedensten Verhältnissen mit anderen Elementen zu verbinden. „Diese in ihrer Art einzige Eigenschaft des Kohlenstoffes müssen wir als die Grundlage aller Eigenthümlichkeiten der sogenannten organischen Verbindungen bezeichnen‘). ‚Die Verschiedenheiten, welche sich im Wachsthum der organischen und der anorganischen Individuen finden, sind in der verwickelteren chemischen Zusammen- setzung und der Imbibitionsfähigkeit vieler Kohlenstoffverbindungen begründet‘) u. s. w. Auch von chemischer Seite ist diese Bedeutung des Kohlen- stoffes hervorgehoben worden. In seinen Ansichten über die orga- nische Chemie sagt van’t Hoff®): „Aus den chemischen Eigen- schaften des Kohlenstoffes erhellt, dass dieses Element, mit Hülfe zweier oder dreier anderer, im Stande ist, die zahllosen Körper zu geben, die für die so verschiedenen Bedürfnisse eines lebenden Wesens nothwendig sind; aus der fast gleichen Neigung, sich Wasser- stoff und Sauerstoff anzulegen, folgt die Fähigkeit der Kohlenstoff- verbindungen, sich abwechselnd für Reduktions- und Oxydations- vorgänge zu eignen, wie sie die gleichzeitige Existenz einer Pflanzen- und Thierwelt erfordert“. Und nach der Besprechung des Einflusses der Temperatur auf die Veränderung der chemischen Beschaffen- heit des Kohlenstoffes fährt er fort: „Man geht also nicht zu weit mit der Behauptung, dass die Existenz der Pflanzen- und Thierwelt die enorme Aeusserung der chemischen Eigenschaften sei, welche das Kohlenstoffatom bei unserer Erdtemperatur hat“. 1) E. Haeckel, Generelle Morphologie 1866, I S. 121. 2) l. c. S. 166 und E. Haeckel, Die Perigenesis der Plastidule 1876 S. 34. 3) van’t Hoff, Ansichten über die organische Chemie 1878 Bd. I S. 26. 28 INTRACELLULARE PANGENESIS. Zieht man noch die zahllosen Isomerien in Betracht, welche namentlich die komplizirteren Verbindungen des Kohlenstoffes, wie die Eiweisskörper, nach den jetzigen chemischen Theorien auf- zuweisen im Stande sein müssen, so kann es wohl keinem Zweifel unterworfen sein, dass es einmal gelingen wird, die erblichen Eigen- schaften aller Organismen auf chemische Verschiedenheiten ihrer protoplasmatischen Grundlage zurückzuführen’). Aber so sehr auch solche allgemeine Betrachtungen im Stande sind, unserem Bedürfniss nach einer einheitlichen Auffassung der ganzen Natur entgegen zu kommen, so sind sie doch noch weit davon entfernt, uns bereits jetzt als Grundlage für eine Theorie der Vererbung dienen zu können. Der experimentellen Physiologie der Pflanzen und der Thiere ist es gelungen, manche Prozesse des Lebens auf die chemischen Wir- kungen der betheiligten Verbindungen zurückzuführen, sie theil- weise ausserhalb des Organismus zu wiederholen, theils aber auch ihren Verlauf im lebenden Körper, als durch die allgemeinen Gesetze der Chemie beherrscht, nachzuweisen. In die Erkenntniss der Vor- gänge der Athmung, der Ernährung und des Stoffwechsels sind wir von zahllosen Forschern in geradezu erstaunlicher Weise eingeführt worden, und auch die rein mechanischen Kraftäusserungen, welche Wachsthum und Bewegungen begleiten, sind zu einem wesentlichen Theile zergliedert und auf allgemeine Gesetze zurückgeführt worden. Aber das Hauptergebniss aller dieser Studien ist, dass im lebendigen Körper Vorgänge zweierlei Art stattfinden. Einmal solche, welche von der lebendigen Substanz trennbar sind, und also auch künstlich nachgeahmt, oder sogar genau wiederholt werden können. Dann aber solche, welche von jenem Substrate untrennbar sind, welche in den Lebensprozessen dieses Substrates selbst ihr Wesen finden. Jene Vorgänge sind rein physikalische oder chemische, mit einem Worte aplasmatische Prozesse; diese aber müssen wir als plas- matische, d. h. in den Molekülen des lebendigen Protoplasma selbst stattfindend bezeichnen. Jene gehören der physiologischen Chemie und Physik an, diese aber bilden den eigentlichen Gegenstand der Physiologie. Aber grade zu ihrer Erkenntniss haben wir noch erst die ersten Schritte gethan. Weder durch allgemeine Betrachtungen, noch auf experimenteller Grundlage können wir also schon jetzt in die Beziehungen zwischen ı) Vergl. z. B Haeckel, Generelle Morphologie I S. 277 und Shigetaké Sagiura, Nature 1882. Vol 27 Nr. 683 S. 103. INTRACELLULARE PANGENESIS. 29 den Eigenschaften der chemischen Moleküle des Protoplasma und den Erscheinungen der Erblichkeit eindringen. Es kann sich also nur darum handeln, durch Hypothesen zu versuchen, uns eine Einsicht in diese Beziehungen zu eröffnen. Die Berechtigung eines solchen Versuches liegt auf der Hand. Auch wird sie wohl allgemein anerkannt, denn mehrere hervor- ragende Forscher haben ihre Ansichten hierüber veröffentlicht, einige haben sogar ihre Hypothesen, durch logische Ausarbeitung der sich daraus ergebenden Konsequenzen, der kritischen Würdigung Anderer zugänglich gemacht. Und dass diese Hypothesen, so sehr sie auch jetzt noch auseinandergehen, in hohem Grade das wissen- schaftliche Interesse an diesen Fragen wachgerufen haben, daran kann augenblicklich wohl Niemand zweifeln, Die Richtungen, in welchen sich diese Hypothesen bewegen, lassen sich meiner Ansicht nach in drei Gruppen zusammenfassen. Einige Schriftsteller gehen direkt auf die chemische Zusammen- setzung des Protoplasma zurück, und versuchen es, aus dieser die Lebensvorgänge abzuleiten. Andere aber nehmen an, dass die chemischen Moleküle zunächst zu grösseren, aber noch unsichtbar kleinen organischen Einheiten verbunden sind, und betrachten diese Einheiten als die eigentlichen Träger der Erblichkeit. Dabei stellen Einige sich vor, dass diese Einheiten je den ganzen Artcharakter vergegenwärtigen, und dass somit die einzelnen Träger der Erblich- keit in derselben Zelle einander, wenigstens bis auf geringfügige Unterschiede, gleich sind. Grade entgegengesetzt endlich ist die Meinung derjenigen Forscher, welche für jede einzelne erbliche Eigenschaft eine besondere Art von stofflichen Trägern annehmen; für welche also das Protoplasma aus unzähligen einander ungleichen hypothetischen Einheiten aufgebaut ist. Diese drei verschiedenen Prinzipien sind es nun, welche wir in diesem und den beiden folgenden Kapiteln einer eingehenden ver- gleichenden Prüfung unterziehen wollen. Vorher müssen wir aber noch die Beziehung zwischen Eiweiss und Protoplasma einer kurzen Kritik unterwerfen. § 2. Protoplasma und Eiweiss. In der letzten Zeit hat sich bei manchen Schriftstellern eine Verwechslung der Begriffe Protoplasma und Eiweiss eingebürgert!). ı) Bereits Haeckel spricht das Protoplasma als einen. Eiweisskörper an: Generelle Morphologie 1 S. 278. 30 INTRACELLULARE PANGENESIS. Diese hat sogar zu der hypothetischen und durch nichts berechtigten Annahme von lebendigem Eiweiss geführt. Auch auf die Theorie der Erblichkeit hat diese Gewohnheit ihren Einfluss ausgeübt, und deshalb darf sie hier nicht unerwähnt bleiben. Denn ohne diese Verwechslung hätte die Ansicht, welche die chemischen Moleküle des Protoplasma als Träger der erblichen Eigenschaften betrachtet, wohl nie Eingang gefunden. Eiweiss ist ein chemischer, Protoplasma ein morphologischer Begriff. Die Chemie ist im Stande manche Eiweisskörper rein dar- zustellen, das Wesen des Protoplasma ist aber durch seine sehr heterogene Zusammensetzung bedingt. Viele Eiweisskörper können in Lösung übergehen, eine Protoplasmalösung in einem Reagenz- röhrchen zu haben, wird aber Niemand für möglich halten. Eiweiss- körper sind zwar Produkte des Lebens, aber nicht dessen Träger, sie bieten uns im chemischen Laboratorium keine wesentlich anderen Eigenschaften wie die übrigen komplizirteren Verbindungen. Das Protoplasma aber ist der Träger des Lebens, es unterscheidet sich von allen chemischen Substanzen durch das Vermögen der Assi- milation und der Vermehrung. Diese beiden Vorgänge werden ohne Zweifel einmal in ihrem Wesen erkannt werden, bis jetzt aber liegen sie noch im vollsten Dunkel, und selbst den kühnsten Denkern ist es nicht gelungen, auch nur eine Ecke des Schleiers zu heben, welcher sie verhüllt. Für die Bezeichnung des Protoplasma als einen Eiweisskörper oder als ein Gemenge von solchen stützt man sich auf chemische Analysen und mikrochemische Reaktionen. Die letzteren weisen ohne Zweifel die ganz gewöhnliche Anwesenheit von Eiweiss im Protoplasma nach. Aber die Erklärung dieser Thatsache liegt auf der Hand: das Eiweiss kann im Imbibitionswasser des Protoplasma ebenso gut gelöst sein, als es im Zellsaft nachweislich häufig im gelösten Zustande vorhanden ist. Auch ist es nicht unwahrschein- lich, dass beim Tödten der Protoplaste oft Eiweisskörper gebildet werden. Um eine Identität von Protoplasma und Eiweiss behaupten zu können, sollte aber doch wenigstens nachgewiesen sein, dass Eiweissreaktionen keinem Protoplasten, und auch keinen einzelnen ihrer Organe fehlen. Und solches scheint doch keineswegs der Fall zu sein!). Zellkern, Trophoplaste und Körnerplasma sind wohl, in gut ernährten Zellen, nie ohne Eiweiss beobachtet worden. Aber ı) Vergl. Zacharias, Botan. Zeitung 1883 S. 209. INTRACELLULARE PANGENESIS. 31 ob die Wand der Vacuolen und die Hautschicht eiweisshaltige Ge- bilde sind, dürfte noch sehr fraglich sein’). Die chemischen Analysen haben ohne Zweifel wichtige Schlüsse auf mehrere, aus dem Protoplasma dargestellte Verbindungen an’s Licht gefördert. Aber ob diese Verbindungen im lebendigen Proto- plasma als solche vorhanden, oder erst beim Sterben oder durch den Einfluss der Reagentien als Zersetzungsprodukte entstanden sind, das ist eine andere Frage. Hauptsache für die Theorie der Vererbung ist aber, dass das Protoplasma uns stets, ausser physikalischen und chemischen Merk- malen, noch gewisse historische Eigenschaften bietet. Diesen ver- dankt es grade seine Eigenthümlichkeit. Eine synthetische Dar- stellung der Eiweisskörper betrachtet wohl Niemand mehr als ein Ding der Unmöglichkeit. Aber ob es je gelingen wird lebendiges Protoplasma auf anderem als auf phylogenetischem Wege ent- stehen zu lassen, dieses wird begründeten Zweifeln noch wohl lange ausgesetzt bleiben. Die historischen Eigenschaften verlangen einen molekularen Bau von so komplizirter Natur, dass die jetzige Chemie uns bei unseren Erklärungsversuchen ganz im Stiche lässt. Die Theorie muss somit einstweilen sich damit begnügen, eine Zusammensetzung des Proto- plasma aus morphologischen Einheiten anzunehmen. Diese müssen selbstverständlich selbst wieder aus chemischen Molekülen auf- gebaut sein, und unter den letzteren mögen Eiweisskörper eine hervorragende Rolle einnehmen. Daraus aber ableiten zu wollen, das Protoplasma sei selbst ein Eiweisskörper, scheint mir durchaus unberechtigt. Jene unsichtbaren morphologischen Einheiten sind aber hypo- thetischer Natur, und wir wollen diesen Gegenstand an dieser Stelle somit nicht weiter verfolgen. Ich wollte nur zeigen, wie uns auch diese Betrachtung zu jener Annahme von Pangenen leitet, welche wir in den beiden letzten Kapiteln dieses Abschnittes zu behandeln haben werden. § 3. Elsberg’s Plastidule. Der Versuch, die Erscheinungen der Erblichkeit aus den Eigen- schaften der Moleküle der lebendigen Materie zu erklären, wurde am gründlichsten von Louis Elsberg und Ernst Haeckel durchgeführt. Elsberg, welcher die Zellen Plastide nannte, wählte für die kon- ı) Vergl. Pringsheim’s Jahrb. Bd. XVI S. 5ı2. 32 INTRACELLULARE PANGENESIS. stituirenden Theilchen den Namen Plastidmoleküle oder durch Abkürzung Plastidulet). Haeckel hielt diesen Ausdruck statt des vielsilbigen Protoplasmamolekül für eine kurze und passende Be- zeichnung?), und wusste dem Begriffe in seiner Perigenesis der Plastidule allgemeine Berücksichtigung zu verschaffen). Nach Elsberg besteht die lebendige Materie also ganz aus Plasti- dulen, welche sich durch Ernährung, Assimilation und Wachstum derart vermehren, dass immer neue Moleküle mit denselben Eigen- schaften wie die bereits vorhandenen entstehen. Bei jeder Zell- theilung gehen diese auf die Tochterzellen über. Die Aehnlichkeit der Kinder mit ihren Eltern, Grosseltern und Vorfahren wird in einfacher Weise dadurch erklärt, dass sie im Wesentlichen aus gleichartigen Plastidulen aufgebaut sind, welche sie ja von ihren Vorfahren her geerbt haben. Alle Individuen einer Art bestehen im Grossen und Ganzen, und abgesehen von etwaigen Varietäten, aus denselben Plastidulen; jede Art aber enthält die Plastidule seiner ganzen Ahnenreihe, besteht also aus mindestens so vielen verschiedenen Plastidulen, als in dieser Ahnenreihe verschiedene Arten vertreten waren. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Arten sind durch ihre Abstammung gegeben und somit stofflich in der Verschiedenheit der Plastidule begründet. Systematische Verwandtschaft beruht auf dem Besitze derselben Plastidule, systematische Differenzen auf dem Vorhandensein verschiedener Moleküle neben der Hauptmasse gleichartiger. Haeckel, der in seiner Generellen Morphologie noch nicht auf .die Bedeutung der Moleküle für die Erblichkeitslehre eingegangen warf), hat in seiner oben genannten Schrift den Gedankengang Elsberg’s weiter ausgeführt. „Die Summe von physikalischen und chemischen Prozessen, welche wir mit einem Worte „Leben“ nennen, ist offenbar in letzter Instanz durch die Molekularstruktur des ı) Louis Elsberg, Regeneration, or the preservation of organic mole- cules; a contribution to the doctrine of evolution. Proceed. Assoc. f. the Advancement of Science, Hartford Meeting, August 1874 und Louis Els- berg, On the plastidule- hypothesis. Ibid. Buffallomeeting, August 1876. 2) E. Haeckel, Jenaische Zeitschrift f. Med. u. Naturw. VII, Heft 4, 1873 S. 536. 3) E. Haeckel, Die Perigenesis der Plastidule, Berlin 1876 p. 35. 4) Nur ganz im Allgemeinen weist Haeckel hier auf die Bedeutung „der zahlreichen und feinen Verschiedenheiten in der atomistischen Kon- stitution der Eiweissverbindungen, welche das Plasma der Plastiden zu- sammenstellen“, hin. Gen. Morphol. I S. 277. INTRACELLULARE PANGENESIS. 33 Plasson bedingt‘). Im kernlosen Plasson (oder Protoplasten) sind . die Plastidule überall gleichartig; in den kernhaltigen sind sie derart differenzirt, dass man zwischen Plasmodulen und Coccodulen (Kern- molekülen) unterscheiden muss. Die Differenzirung des Organismus in Organe und die dadurch erreichte Arbeitstheilung führt Haeckel auf eine Arbeitstheilung der Plastidule zurück. Denn diese sondern sich dabei mehr oder weniger, und bringen so die verschiedenen Protoplasmaarten hervor. Die Befruchtung besteht in der Mischung zweier Protoplaste, welche sich durch weitgehende Differenzirung ihrer Plastidule in verschiedenen Richtungen entwickelt haben?). Wir wollen uns auf diesen Theil der Plastidulenlehre beschränken und namentlich nicht auf die Spekulationen über die Wellenbewegung dieser Theilchen eingehen. Unterwerfen wir aber jenen Theil einer Kritik, so können wir in den Vordergrund stellen, dass die Theorie aus zwei Hypothesen besteht: 1. Das Protoplasma besteht aus zahllosen kleinen Einheiten, welche die Träger der erblichen Eigenschaften sind. 2. Diese Einheiten sind den Molekülen gleich zu stellen. Die erste dieser beiden Hypothesen hat offenbar sehr grosse Vorzüge. Sie erklärt die Haupterscheinungen der Erblichkeit in einfacher Weise, und giebt namentlich von der Selbständigkeit und Mischbarkeit der einzelnen erblichen Eigenschaften in genügendem Grade Rechenschaft. Sie ist identisch mit dem ersten Satze der Darwin’schen Pangenesis, wie wir im dritten Kapitel noch des weiteren sehen werden. Ihre ausführliche Besprechung wollen wir also bis dahin verschieben, namentlich auch weil Elsberg sie um mehrere Jahre später, und auch bei weitem nicht in so scharfer Weise ausgesprochen hat, wie Darwin. Wir wenden uns also jetzt zur Kritik der zweiten These. Elsberg spricht sich nirgendwo klar über die Identität seiner Plastidule mit den chemischen Molekülen aus. Er definirt sie als die kleinsten Theilchen, in denen die erblichen Eigenschaften einer Zelle ver- borgen liegen*). Diese Theilchen müssen grösser sein als die Mole- küle der gewöhnlichen Eiweisskörper, das gehe aus ihren so viel komplizirteren Eigenschaften hervor. Haeckel widmet dieser Iden- tität aber eine ausführliche Besprechung*). „Die Plastidule besitzen 1) Perigenesis, S. 34. ale 9:52: 3), Espere L.e.S$. 0. 4) Perigenesis, I. c. S. 35, 36. 34 INTRACELLULARE PANGENESIS. zunächst alle die Eigenschaften, welche die Physik den hypothe- tischen Molekülen oder den zusammengesetzten Atomen überhaupt zuschreibt. Mithin ist jedes Plastidul nicht weiter in kleinere Plasti- dule zerlegbar, sondern kann nur noch in seine konstituirenden Atome zerlegt werden“ u. s. w. So lange es sich nur um die Erklärung der chemischen Prozesse im Zellenleben handelt, reicht diese Hypothese allerdings in hohem Grade aus. Die Produktion von verschiedenen Verbindungen, wie z. B. von dem rothen Blumenfarbstoff, kann man sich als eine Funktion bestimmter Moleküle des Protoplasma vorstellen. Etwa in derselben Weise, wie die Wirkung der Enzyme oder chemischen Fermente. Sogar die Abscheidung der Cellulose kann man nach deren Analogie zu erklären suchen. Sobald es sich aber um mor- phologische Vorgänge handelt, lässt uns die Hypothese völlig im Stich, denn die oft versuchte Vergleichung mit der Kristallbildung giebt ja nur eine entfernte Aehnlichkeit. Völlig unbrauchbar ist aber die Hypothese gegenüber dem eigent- lichen Attribute des Lebens, dem Wachsthum durch Assimilation. Es leuchtet ein, dass jeder Versuch, die Lebensvorgänge aus den Eigenschaften der chemischen Moleküle zu erklären, diese Erschei- nung in erster Linie zu berücksichtigen hat. Aber im grossen Reiche des Leblosen giebt es dafür keine Analogie. Die chemischen Mole- küle wachsen nicht derart, dass sie nachher in zwei, dem ursprüng- lichen gleiche Moleküle zerfallen können. Sie assimiliren nicht, und sind einer selbständigen Vermehrung in diesem Sinne nicht fähig. Sie besitzen überhaupt keine Eigenschaften, aus denen man schon jetzt das Wachsthum durch Assimilation auch nur hypo- thetisch erklären könnte. Hier liegt die grosse Schwierigkeit der Plastidulenhypothese. Allerdings sagt Haeckel: „Ausser den allgemeinen physikalischen Eigenschaften, welche die heutige Physik und Chemie den Mole- külen der Materie im Allgemeinen zuschreibt, besitzen nun die Plastidule noch besondere Attribute, welche ihnen ausschliesslich eigenthümlich sind, und das sind, ganz allgemein gesagt, die Le- benseigenschaften, durch welche sich überhaupt das Lebendige vom Todten, das Organische vom Anorganischen in der hergebrachten Anschauung unterscheidet.‘ Es leuchtet aber sofort ein, dass durch eine solche Hülfshypothese die Bedeutung der ganzen Hypothese umgeändert wird. Denn mit demselben Rechte könnte man sagen, die Plastidule seien keine Moleküle im Sinne der Physik, sondern sie unterscheiden sich von ihnen grade durch die Lebenseigenschaften. INTRACELLULARE PANGENESIS. 35 Es wäre leicht, die Plastidulenhypothese in dieser Richtung weiter zu kritisiren. Sie führt zu reinen Spekulationen. Den Atomen müssen wir nach Haeckel Empfindung und Willen beilegen!). Die Plastidule besitzen nach seiner Theorie Gedächtniss; diese Fähigkeit fehle allen anderen Molekülen?). Auch auf die Wellenbewegung der Plastidule wollen wir nicht eingehen. Uns kommt es nur darauf an, zu zeigen, dass der Versuch, schon jetzt die Lebenserscheinungen auf die Eigenschaften der Moleküle der lebendigen Materie zurückzuführen, mindestens verfrüht ist. Man muss sich entweder mit Elsberg auf solche Folgerungen be- schränken, welche sich auch aus der Keimchenhypothese Darwin’s ableiten lassen, oder man ist gezwungen, an Stelle von Erklärungen überall Hülfshypothesen aufzustellen. Wählen wir aber den ersteren Weg, so gelangen wir von selbst zu der Annahme unsichtbarer Einheiten von höherer Ordnung als die Moleküle der Chemie und von so komplizirter Zusammensetzung, dass jede aus einer grossen Anzahl von chemischen Molekülen zusammengesetzt sein muss. Diesen Einheiten müssen wir Wachsthum und Vermehrung als bis jetzt unerklärliche Eigenschaften zuschreiben. In gleich unerklärter Weise müssen wir weiter annehmen, dass sie das stoffliche Substrat der erblichen Eigenschaften sind. Lassen wir das unerklärt, so können wir vieles Andere uns klar machen. Auf die Moleküle der Protoplasma zurückgehen können wir dann aber nicht. Somit können für uns die stofflichen Träger der erblichen Eigen- schaften nicht mit den Molekülen der Chemie identisch sein, sie müssen als aus diesen aufgebaute, viel grössere, wenn auch unsicht- bar kleine Einheiten aufgefasst werden. Auf diese Einheiten den Namen Moleküle oder lebendige Mole- küle anzuwenden, scheint mir nicht erlaubt. Solches kann nur zu Verwirrungen und Missverständnissen führen, und geschieht that- sächlich auch wohl nur aus Mangel an einer einfachen Bezeichnung. Als solche dürfte sich aber der in der Einleitung vorgeschlagene Name ,,Pangene* empfehlen. 1) Haeckel, 1. c. S. 38. 2) L'e.S. 40. 36 INTRACELLULARE PANGENESIS. Zweites Kapitel. Die hypothetischen Träger der Artcharaktere. § 4. Einleitung. Weitaus die meisten Forscher nehmen an, dass die stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften Einheiten sind, deren jede, aus zahlreichen chemischen Molekülen aufgebaut, überhaupt ein Ge- bilde anderer Ordnung ist als diese. Wachsthum durch Assimilation und Vermehrung durch Theilung nimmt man für sie stets an. Aus diesem Grunde sind sie, wie bereits Darwin bemerkte, eher den kleinsten bekannten Organismen, als den wirklichen Molekülen an die Seite zu stellen. Auf die Erklärung dieser Eigenschaften wird nicht eingegangen; sie werden einfach als Thatsache hingenommen. Die Theorie der Vererbung bedarf dieser Erklärung auch nicht; sie kann einstweilen als Aufgabe für eine spätere Theorie des Lebens hingestellt werden. Eine zweite Annahme über die Natur jener hypothetischen Ein- heiten ist noch erforderlich. Sie bezieht sich auf ihre Beziehung zu den erblichen Eigenschaften. In welcher Weise diese durch den Aufbau der Träger bestimmt werden, darüber werden bis jetzt keine Annahmen gemacht, denn auch dieser Ausarbeitung bedarf die Theorie der Vererbung vorläufig nicht. Es handelt sich nur um die Frage, ob die Einheiten Träger der ganzen Artcharaktere oder der einzelnen erblichen Eigenschaften sind. Spencer und Weismann sind die Hauptvertreter der ersteren Ansicht, Darwin’s Pangenesis nimmt die letztere an. Wir haben jetzt diese verschiedenen Meinungen einer vergleichen- den Kritik zu unterwerfen. Es handelt sich dabei vorwiegend um die Frage, inwiefern die Hypothesen selbst, wie sie soeben geschildert wurden, und ohne weitere Hülfshypothesen zu einer Erklärung der Erscheinungen der Erblichkeit führen können. § 5. Spencer’s physiologische Einheiten. In seinem berühmten Systeme der synthetischen Philosophie hat Herbert Spencer wohl zum ersten Male den Versuch gemacht, eine stoffliche Vorstellung der Erblichkeit zu schaffen. Seine Prin- zipien der Biologie, welche den zweiten und dritten Band jenes Systemes bilden, erschienen 1864 und 1867, also noch vor der Ver- öffentlichung von Darwin’s Pangenesis (1868). Sein Gedankengang ist im Wesentlichen der folgende. INTRACELLULARE PANGENESIS. 37 Die Knospenbildung aus Blättern u. s. w. lehrt uns, dass die lebendigen Theilchen dieser Organe das Vermögen der Reproduktion besitzen, und dasselbe zeigt bei Thieren der Ersatz verlorener Glieder. Diese Theilchen können nun nicht die Zellen selber sein, denn auch manche Zellen können verlorene Theile ersetzen. Ebenso wenig können es die chemischen Moleküle sein, da diese viel zu einfach gebaut sind für die Erklärung aller morphologischen Differenzen. Es müssen also Einheiten sein, welche zwischen jenen beiden Grössen stehen, unsichtbar kleine, aber aus zahllosen Molekülen zusammen- gesetzte Einheiten. Spencer nennt diese physiological units‘). Jede solche Einheit vergegenwärtigt den ganzen Artcharakter; kleine Verschiedenheiten in ihrem Baue bedingen die Differenzen zwischen verwandten Arten (S. 183). Eine Schwierigkeit empfindet Spencer bei der Erklärung der Befruchtung. Diese hat ja keinen Sinn, wenn zwischen den beiden sich mischenden Gruppen von physiologischen Einheiten nicht irgend eine Differenz obwaltet. Somit nimmt er an, dass auch die Einheiten verschiedener Individuen in geringem Grade ungleich sind. Es folgt dann aber, dass in dem Kinde die beiden Arten von Einheiten der beiden Eltern gemischt sind, im Kleinkinde die vier verschiedenen Einheiten seiner Grosseltern u.s.w. Auf diesem Wege würde man grade zu dem Gegentheile gelangen von dem, was man anfangs angenommen hat, nämlich die Gleichartigkeit aller Einheiten in demselben Individuum (S. 253, 254 und 267). Um sich aus dieser Schwierigkeit zu retten, weist Spencer auf die Bastarde. In diesen sind die physiologischen Einheiten zweier Arten gemischt. Aber die Bastarde pflegen in folgenden Gene- rationen nicht konstant zu bleiben, sondern in die elterlichen Formen zurückzukehren. Die ungleichartigen physiologischen Einheiten setzen sich der Mischung also entgegen, sie stossen einander ab, und suchen jede mit Ausschluss der andersartigen das ganze In- dividuum zu bilden (S. 268). In derselben Weise schliessen nun auch bei der normalen Befruchtung die ungleichen physiologischen Einheiten einander aus, und in dieser Weise wird die Gleichförmigkeit innerhalb jeden Individuums in hinreichender Weise gesichert. Die physiological units vermehren sich auf Kosten der Nähr- stoffe (S. 254), und erzeugen dabei in der Regel völlig gleiche neue Einheiten. Unter dem Einflusse äusserer Umstände erleiden sie aber bisweilen geringe Aenderungen bei dem Vorgange der Ver- 1) H. Spencer, Principles of Biology. Vol. I, 2. Aufl. S. 180—183. 38 INTRACELLULARE PANGENESIS. mehrung, und dieses ist die Ursache der Variabilität (S. 287). Durch die Befruchtung wird das in dieser Weise gestörte Gleichgewicht aber wieder hergestellt (S. 289). Auf dieser Grundlage lässt sich die Erblichkeit leicht erklären, sie beruht darauf, dass dem Kinde vom Vater und von der Mutter die, seine Eigenschaften bedingenden stofflichen Einheiten mit- gegeben werden. Vorherrschende Aehnlichkeit des Kindes mit einem seiner beiden Eltern beruht auf dem Vorwalten der betreffen- den physiologischen Einheiten; Atavismus auf dem Vorhandensein der von dem betreffenden Vorfahren ererbten Einheiten. Viele andere Erscheinungen werden von Spencer in ähnlicher einfacher Weise erklärt. Spencer’s Theorie hat ohne Zweifel die Vorzüge eines klaren, in sich abgeschlossenen Systemes. Aber dem in unserem ersten Ab- schnitte entwickelten Gedankengange trägt sie keine Rechnung. Geht man von jenen allgemeinen Betrachtungen aus, so kann sie somit nicht befriedigen. Namentlich die Organdifferenzirung kann sie nicht in genügender Weise erklären, und der Versuch, sie mit dieser in Uebereinstimmung zu bringen, würde ihre Grundlage als unberechtigt erkennen lassen. Da solches aber auch von Weis- mann’s Theorie der Ahnenplasmen gilt, so verweise ich den Leser in Bezug hierauf auf den Schluss des nächsten Paragraphen. § 6. Weismann’s Ahnenplasmen. In einer Reihe von gedankenreichen Schriften hat August Weis- mann in dem letzten Jahrzehnte die allgemeine Theilnahme des wissenschaftlichen Publikums für die prinzipiellen Fragen der Erb- lichkeit rege zu machen gewusst. Er basirt sich dabei auf die neuesten Errungenschaften auf dem Gebiete der Zellenlehre und des Be- fruchtungsprozesses. Ausgehend von der Ueberzeugung, dass die Entstehung der Kinder aus stofflichen Theilchen ihrer Eltern die Ursache der Erb- lichkeit ist und dass im molekularen Bau des Protoplasma im Grunde die Lösung des grossen Räthsels zu suchen sei, sucht er sich von diesem Baue eine bestimmte Vorstellung zu machen. Er geht davon aus, dass bei niederen Organismen, welche noch keine geschlechtliche Differenzirung besitzen, das Keimplasma eines jeden Individuums noch völlig gleichartig sein muss. Bei der Be- fruchtung muss aber eine Mischung der beiden elterlichen Keim- plasmen stattfinden, und so finden sich im Kinde zwei, im Klein- INTRACELLULARE PANGENESIS. 39 kinde vier Arten von Keimplasma gemengt!). In den Kindern der ersten geschlechtlich erzeugten Generation werden die beiden Arten von Keimplasma jedes nur in halber Menge enthalten sein, in den Kleinkindern nur in einem Viertel der ursprünglichen Menge, In jeder folgenden Generation wird das Keimplasma also aus einer grösseren Zahl von unter sich ungleichen Einheiten, den soge- nannten Ahnenplasmen, bestehen. Dieses kann aber nur so lange zunehmen, bis die Zahl der Ahnenplasmen die der kleinsten Ein- heiten der ganzen Vererbungssubstanz erreicht. Diese Einheiten, anfänglich unter sich ganz gleich, sind es jetzt nicht mehr, sie tragen aber jede in sich die Tendenz, unter gewissen Verhältnissen die gesammten Eigenschaften der betreffenden Ahnen auf den neuen Organismus zu übertragen. Wenn nun bei Arten mit derart zusammengesetztem Keimplasma geschlechtliche Fortpflanzung stattfindet, — und alle lebenden sexuell differenzirten Arten müssen offenbar dieses Stadium längst erreicht haben, — so kann eine weitere Vermehrung der Ahnen- plasmen im Keimplasma nicht mehr stattfinden. Es muss somit von Zeit zu Zeit die Zahl der Ahnenplasmen reduzirt werden. In der Abtrennung der Richtungskörperchen von dem Eie vor der Befruchtung erblickt er einen Prozess, dessen Aufgabe grade diese Reduktion ist?). Diese Verminderung der Erbstücke im Ei, wie sie Weismann nennt, ist offenbar eine nothwendige Folge von der ursprünglichen Annahme der Gleichförmigkeit des Keimplasmas. Es ist sehr lehr- reich, dass zwei so hervorragende Denker wie Spencer und Weis- mann, von derselben Hypothese ausgehend, zu einer im Prinzipe gleichen Hülfshypothese gelangt sind. Man darf daraus wohl schliessen, dass, wer die letztere nicht annehmen will, auch das Prinzip der Gleichförmigkeit des Keimplasmas aufgeben muss. Weismann hat seine Theorie in klarer Weise mit den Resultaten der Zellenforschung in Verbindung gebracht. Er nimmt an, dass der Kern das Wesen seiner Zelle beherrsche und bestimme, und dass also für sämmtliche Funktionen der Zelle die stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften im Kerne liegen müssen. Er nimmt weiter an, dass diese letzteren in dem chromatischen Faden des Kernes reihenweise angeordnet sind, und weist darauf hin, wie bei dieser Annahme durch die Längsspaltung der Kernschleifen die erblichen ı) A. Weismann, Ueber die Zahl der Richtungskörperchen, 1887 S. 30. LS 328 40 INTRACELLULARE PANGENESIS. Anlagen alle getheilt, und jede den beiden Tochterzellen zugewiesen werden müssen. Auf diesen und ähnlichen Vorstellungen fussend, behandelt er auch die Frage nach der Ursache der Verschiedenheiten zwischen den einzelnen Organen eines Individuums. Es ist klar, dass diese Frage eine grosse Schwierigkeit der Theorie bildet. Denn die An- nahme von den Ahnenplasmen, deren jedes die gesammten Eigen- schaften eines Individuums vergegenwärtigt, kann an sich eine Antwort nicht geben, namentlich in Verbindung mit der soeben erwähnten These, dass die Natur des Kernes die Eigenschaften seiner Zelle bestimmt. Sehen wir zu, welche Hülfshypothese Weismann wählt. Die Theorie der Vererbung fordert, dass auf den Keimbahnen!) die Vollständigkeit des Keimplasmas gewährt bleibe. Denn jede Eizelle und jede Knospe erhält im Grunde dieselben erblichen Anlagen, wie die Keimzellen der vorherigen Generationen. Auf allen Ge- nerationsfolgen von Zellen, welche von einer Eizelle zu den nächst- folgenden Keimzellen führen, und das sind ja die Keimbahnen, muss also das Keimplasma dasselbe bleiben. In allen übrigen Zellen aber, welche nicht zu reproduktionsfähigen Organen gehören, braucht solches nach Weismann nicht der Fall zu sein. Im Gegentheil, aus der einseitigen Differenzirung dieser Zellen glaubt er auf eine ent- sprechende Reduktion ihres Keimplasmas schliessen zu müssen. Jede somatische Zelle erhalte bei ihrer Entstehung nur diejenigen erblichen Anlagen, deren sie selbst und ihre Nachkommen bedürfen werden. Gegen diese Annahme sind von verschiedenen Seiten Bedenken erhoben worden, und einige davon werden wir in unserem Ab- schnitte über die Zellularstammbäume ausführlicher lee Hier aber miissen wir auf die prinzipielle Seite der Frage eingehen, nämlich auf die Beziehung der Hülfshypothesen zum Prinzipe unseres Autors selbst. Das Prinzip ist die Annahme von Einheiten, deren jede die sämmt- lichen oder doch nahezu sämmtlichen erblichen Eigenschaften der Art zu reproduziren vermag. Es gebe für jedes Individuum nur eine Vererbungssubstanz, nur einen materiellen Träger der Vererbungs- tendenzen?). Allerdings ist dieser aus unter sich in geringem Grade verschiedenen Ahnenplasmen zusammengesetzt. Einer übermässigen ı) Vergl. den ersten Abschnitt des zweiten Theils. 2) Ueber die Zahl der Richtungskörper, S. 29. INTRACELLULARE PANGENESIS. 41 Anhäufung verschiedenartiger Vererbungstendenzen müsse noth- wendig durch irgend welche Einrichtungen vorgebeugt werden. Die Differenzirung der Organe fordert aber, wie wir in unserem ersten Abschnitte gesehen haben, die Theilbarkeit jener kleinsten Ein- heiten des Keimplasmas, und zwar in genau demselben hohen Grade, welchen die Verschiedenheiten der einzelnen Glieder und Zellen eines Organismus selbst erreichen. In den somatischen Zellen muss das Keimplasma somit allmählig in jene Komponenten zerlegt werden und diese sind somit die Träger der einzelnen erblichen Eigen- schaften. Erlauben wir uns für einige Augenblicke auf dieser Folgerung weiter zu bauen, ohne die Hauptannahme zu berücksichtigen. Dann muss offenbar das Keimplasma überall aus diesen selben Kompo- nenten bestehen, und sowohl bei den niedersten, der Befruchtung nicht theilhaften Organismen, wie in den Keimzellen der höheren Pflanzen und Thiere müssen wir als stoffliche Grundlage der Erb- lichkeit zahlreiche, den einzelnen erblichen Eigenschaften ent- sprechende, mit einander nicht untrennbar verbundene stoffliche Träger annehmen. Diese Annahme macht aber die der Ahnenplasmen völlig überflüssig. Ebenso liegt kein Grund mehr vor anzunehmen, dass die Ahnenplasmen nach der Befruchtung getrennt neben einander im Kerne liegen würden, viel wahrscheinlicher ist es, dass ihre einzelnen Komponenten sich hier mischen werden. Es ist leicht einzusehen, dass dabei die ganze Hülfshypothese einer gelegentlichen Reduktion der Zahl der Ahnenplasmen hinfällig werden kann. Mit einem Worte: Unter Berücksichtigung der Organdifferenzirung leitet Weismann’s Theorie von selbst zu der ganz entgegengesetzten Annahme von einzelnen stofflichen Trägern für die einzelnen erb- lichen Eigenschaften. § 7. Nägeli’s Idioplasma. In seiner mechanisch-physiologischen Theorie der Abstammung hat Nägeli vor einigen Jahren den Begriff des Idioplasmas aufgestellt!). Im Gegensatze zum übrigen Protoplasma ist es der Träger der erb- lichen Eigenschaften. Jede wahrnehmbare Eigenschaft ist als Anlage in ihm vorhanden; in jedem Individuum derselben Art, ja in jedem Organe einer Pflanze ist es etwas anders zusammengesetzt. Es ist nicht auf den Kern beschränkt, sondern durchzieht den 1) C. v. Nägeli, Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungs- lehre 1884, S. 21—31. 42 INTRACELLULARE PANGENESIS. ganzen Protoplasten als vielfach gewundener Strang. Alle Quer- scheiben in diesem Strange sind sich gleich, jede enthält alle erb- lichen Anlagen. Daher bei der Zelltheilung die Tochterzellen, mit ihrem Theile des Stranges, auch alle erblichen Anlagen mit be- kommen. Die Beschaffenheit des Idioplasmas wird durch seine molekulare Zusammensetzung bestimmt, und namentlich durch die Anordnung seiner kleinsten Theilchen. Diese sind zu Schaaren vereinigt, welche wiederum zu Einheiten höherer Ordnung verbunden sind. Diese letzteren stellen die Anlagen für die Zellen, Gewebssysteme und Organe dar. Das Idioplasma ist eine ziemlich feste Substanz, in welcher die kleinsten Theilchen durch die in dem lebenden Organis- mus wirksamen Kräfte keine Verschiebung erfahren, denn grade die gegenseitige Anordnung der Moleküle bedingt die Natur der erb- lichen Anlagen. Im Idioplasma sind die Merkmale, Organe, Einrichtungen und Funktionen, die alle uns nur in sehr zusammengesetzter Form wahr- nehmbar sind, in ihre wirklichen Elemente zerlegt. Diese Elemente sind offenbar die einzelnen erblichen Anlagen, durch deren mannig- fach wechselnde Zusammenfügung die sichtbaren Eigenschaften entstehen. Diese Elemente selbst werden von Nägeli aber nicht scharf in den Vordergrund gestellt, es Kommt ihm mehr darauf an, zu betonen, dass auch ihre Eigenschaften durch ihren molekularen Bau bedingt sind, und dass sie selbst wieder durch ihre gegenseitige Aneinanderlagerung das ganze Idioplasma aufbauen. Rücksichtlich der Anordnung der Elemente im Idioplasma, sowie bezüglich der Frage, wie das Idioplasma seine Anlagen zur Ent- faltung bringe, lassen sich aus der Theorie keine bestimmte Fol- gerungen ableiten; hier ist den Hypothesen noch ein weites Feld geöffnet!). Ueberhaupt ist aber die feste gegenseitige Anordnung der Elemente der wichtigste Punkt, in welchem Nägeli von seinen Vorgängern abweicht. Weder Spencer noch Weismann gehen auf diese Frage ein, und Darwin’s Pangenesis nimmt gerade eine ver- hältnissmässig lose Verbindung jener Elemente an, eine derartige wenigstens, welche einer gegenseitigen Durchdringung und Mischung kein Hinderniss entgegenstellt. Die Frage, wie sich die Idioplasma- stränge der beiden Eltern bei der Befruchtung vereinigen, wird von Nägeli auch nur kurz berührt?), und die ganze Darlegung dieses ry Lc. 5: 68. 2) Le. S. 215—220. INTRACELLULARE PANGENESIS. 43 Gegenstandes zeigt die grossen Schwierigkeiten, welche die Hypo- these von dem festen Zusammenhange des Idioplasmas bietet. Nägeli’s Theorie erklärt uns das Wachstum durch Assimilation und die Vermehrung der stofflichen Träger der Erblichkeit ebenso wenig wie jede andere Theorie. Dass die Eigenschaften jener Ele- mente durch ihren molekularen Aufbau gegeben sind, ist ebenso wenig ein Vorzug seiner Theorie, es ist eine aus unseren allgemeinsten Begriffen abgeleitete Folgerung, welche sich auf die hypothetischen Einheiten einer jeden Vererbungstheorie mit gleichem Rechte an- wenden lässt. Wie aber jener molekulare Bau die erblichen Anlagen erklärt, darüber erfahren wir hier selbstverständlich ebenso wenig wie bei den anderen Theorien. Es ist eine schwache Seite des Nägeli’schen Werkes, dass diese bis jetzt unerklärlichen Thatsachen nicht klar als solche bezeichnet werden, und dass die gemeinschaft- liche Basis der verschiedenen Theorien nicht einfach als solche hin- gestellt wird. § 8. Allgemeine Betrachtungen. Meiner Ansicht nach beweisen die oben kurz geschilderten Theorien klar, dass der Grundgedanke der Pangenesis, differente stoffliche Träger für die einzelnen erblichen Eigenschaften, nicht zu umgehen ist. Spencer, welcher vor Darwin schrieb, hatte diesen Gedanken nicht, ihm war es unmöglich, eine befriedigende Erklärung der Organ- differenzirung zu geben. Weismann’s Theorie leitete, wie wir bereits gesehen haben, ihren Urheber selbst in dieser Richtung, und zwang ihn, eine Theilbarkeit seines Keimplasma in diesem Sinne mehr oder weniger klar zu zugeben. Und auch Nägeli’s Idioplasma ist im Grunde aus jenen Elementen aufgebaut. Je genauer wir diese Theorien betrachten, um so mehr werden wir finden, dass ihre Leistungsfähigkeit in jener implicite gemachten Annahme liegt, während ihre Schwierigkeiten zum grössten Theil durch die übrigen Hypothesen entstehen. Nennen wir die stoff- lichen Träger der einzelnen erblichen Eigenschaften, aus denen man sich die physiologischen Einheiten, die Ahnenplasmen und das Idio- plasma zusammengesetzt denken muss, einstweilen ihre Elemente, so reicht offenbar die Annahme solcher Elemente an sich hin, um die Thatsache der Erblichkeit zu erklären. Die vorherrschende Aehnlichkeit der Kinder mit einem der beiden Eltern, und die Er- scheinungen des Atavismus werden uns dadurch ohne weitere An- nahmen verständlich. Die von Spencer und Weismann als nothwendig betonte Folgerung 44 INTRACELLULARE PANGENESIS. ihrer Theorie, die Reduktion der Zahl der Einheiten, welche der erstere durch gegenseitige Abstossung, der letztere durch die Rich- tungskörper zu Stande kommen lässt, ist eine Schwierigkeit, welche aus dem von beiden Denkern angenommenen Verbande der „Ele- mente“, nicht aus der Annahme dieser selbst hervorgeht. Lässt man die Gruppirung der Elemente zu Einheiten oder Ahnenplasmen fallen, so ist eine solche Reduktion völlig überflüssig geworden, da die einzelnen Elemente sich nach der Befruchtung im Ei in ähn- licher Weise anordnen können, als vorher im Ei und in der Sperma- zelle. Und die Erscheinungen des sogenannten Art-atavismus, in denen die Arten latente Eigenschaften behalten, welche sie von ihren Vorfahren geerbt haben, wie z. B. die Primula acaulis caulescens, zeigen, dass latente Eigenschaften nicht abgeworfen zu werden brauchen, sondern durch Tausende von Generationen behalten werden können. Im Idioplasma ist die feste Verbindung der „Elemente“ am weitesten ausgearbeitet. Aber grade daran scheitert dann auch jeder Versuch, die Hypothese mit den Vorgängen der Befruchtung und der Bastardirung in Einklang zu bringen. Denn diese Prozesse lehren uns, dass die erblichen Anlagen misch- bar sind, die Idioplasmastränge sind dieses aber nicht. Die Variabilität lehrt uns, dass die einzelnen Anlagen unabhängig von anderen sich bedeutend: vermehren, und andererseits fast ver- schwinden können. Und bei der Artenbildung ist dieses Vermögen im grossartigsten Maassstabe ausgenützt worden. Im festen Ver- bande des Idioplasmas dürfte ein solches Benehmen der einzelnen „Elemente“ aber im höchsten Grade erschwert, wenn nicht gar un- möglich sein. Den festen Verband der „Elemente“ zu physiologischen Ein- heiten, Ahnenplasmen oder Idioplasma können wir also nicht auf- recht halten. Er leitet nicht nur in den hervorgehobenen Fällen, sondern fast überall zu Widersprüchen mit den Thatsachen, oder doch zu überflüssigen Annahmen. Grade auf diesen Verband haben aber die Urheber dieser Theorien das grösste Gewicht gelegt, die An- nahme der „Elemente“ haben sie nirgendwo als selbständige An- nahme hervorgehoben und von ihren übrigen Hypothesen getrennt betrachtet. Lassen wir diesen Verband fallen, so ist der Kern aller Theorien derselbe, wie der der Pangenesis, wie im Anfange dieses Paragraphen bereits hervorgehoben wurde. INTRACELLULARE PANGENESIS. 45 Drittes Kapitel. Die hypothetischen Träger der einzelnen erblichen Eigen- schaften. § 9. Einleitung. Die im ersten Abschnitt niedergelegten Ansichten über das Wesen der Erblichkeit führten uns zu der Ueberzeugung, dass die erblichen Eigenschaften Einheiten sein müssen, welche in hohem Grade selb- ständig, und in den verschiedensten Gruppirungen in der Natur zu- sammengestellt sind. Andererseits leitete uns eine Kritische Betrachtung der bisher be- sprochenen Theorien dazu, in allen einen mehr oder weniger scharf ausgebildeten Kern zu erkennen, welcher für die einzelnen erblichen Eigenschaften stoffliche Träger annimmt. Diesen Kern heraus- zuschälen war unsere Aufgabe, ihre Berechtigung war durch jene Ansichten gegeben. Während die Lösung dieser Aufgabe uns aber bisher nur mit Mühe gelang, liegt in Darwin’s Pangenesis grade dieser Kern offen zu Tage. Die Annahme der differenten stofflichen Träger der einzelnen erb- lichen Eigenschaften wurde von Darwin zum ersten Male aus- gearbeitet. Die grossen Erscheinungen der Natur, welche diese An- nahme fordern, und von denen ich im ersten Abschnitt nur ein schwaches Bild entwerfen konnte, wurden von ihm klar erfasst und in meisterhafter Weise zusammengestellt. Das ganze Werk über das Variiren der Pflanzen und Thiere läuft gleichsam auf die Be- gründung dieses Grundgedankens aus, den er dann in der Pangenesis weiter ausgearbeitet und mit den widerstrebenden Erfahrungen in Einklang zu bringen gesucht hat. Merkwürdig ist, dass Darwin mit beschämender Bescheidenheit diesen Grundgedanken als eine herrschende Ansicht, nicht als eigene Entdeckung hinstellt. Er hoffte sogar seine Meinung mit Spencer’s Theorie identifiziren zu können!). Aber so wenig war diese Ansicht herrschend, dass seine Kritiker sie nur in einzelnen Fällen von den Hülfshypothesen getrennt haben, und dass die meisten mit diesen Nebenannahmen auch den Grundgedanken verworfen haben. Doch gehen wir zu der Analyse der Darwin’schen Theorie über. $ 10. Darwin's Pangenesis?). Die sogenannte provisorische Hypothese der Pangenesis besteht, 1) Darwin, Variations II S. 371 Note. 2) Die wichtigsten Sätze aus diesem Paragraphen habe ich bereits in 46 INTRACELLULARE PANGENESIS. wie bereits in der Einleitung erwähnt, nach meiner Auffassung aus den beiden folgenden Theilen: I. In den Zellen giebt es zahllose, unter sich verschiedene Theilchen, welche die einzelnen Zellen, Organe, Funktionen und Eigenschaften des ganzen Individuums vergegenwärtigen. Diese Theilchen sind viel grösser als die chemischen Moleküle und kleiner als die kleinsten bekannten Organismen); jedoch am meisten mit den letzteren vergleichbar, da sie sich, wie diese, durch Er- nährung und Wachsthum theilen und vermehren können. Sie können durch zahllose Generationen unthätig bleiben, und sich dann dementsprechend nur schwach vermehren, um später einmal wieder aktiv zu werden, und anscheinend verlorene Eigen- schaften zur Ausbildung gelangen zu lassen (Atavismus). Sie gehen bei der Zelltheilung auf die Tochterzellen über; dieses ist der gewöhnliche Vorgang der Vererbung. II. Ausserdem sondern aber die Zellen des Organismus in jedem Entwickelungsstadium solche Theilchen ab, welche den Keimzellen zugeführt werden und diesen jene Eigenschaften mittheilen, welche die betreffenden Zellen während ihrer Entwickelung etwa erworben haben. Diese beiden Theile müssen getrennt von einander betrachtet werden. Sie verdienen dieses um so mehr, als ihre Bedeutung bis jetzt allgemein verkannt wurde. Die hypothetischen ‚Theilchen‘“ hat Darwin, wegen der im ersten Hauptsatze erwähnten Analogie, „gemmules‘ oder ,,Keimchen“ ge- nannt. Ein unglücklich gewählter Ausdruck, der viel dazu beige- tragen hat, seiner Theorie unüberwindliche Schwierigkeiten zu be- reiten. Sie hat bei vielen Lesern die Vorstellung von ,,vorgebildeten Keimchen“ wachgerufen, welche doch der Darwin’schen Auffassung nicht im entferntesten entspricht. Im Gegentheil müsste man nach dem zweiten Hauptsatze sagen, dass sie erst nach der Erwerbung bestimmter Eigenschaften, oder höchstens gleichzeitig mit diesen entstünden. Doch wollen wir darauf nicht weiter eingehen. Weitaus die meisten Forscher haben in ihrer Kritik nur den zweiten Hauptsatz berücksichtigt. Wo von Pangenesis die Rede ist, wird für gewöhnlich nur diese Hypothese gemeint. Die ganze Theorie wird mit dieser Hülfsannahme identifizirt, der Transport der Keimchen als die Hauptsache betrachtet. der Einleitung zusammengestellt (S. 4—7); eine Wiederholung lässt sich aber nicht gut vermeiden. ı) Darwin, Variations II S. 372. INTRACELLULARE PANGENESIS. 47 Ich gestehe, dass, wenn man jenes Kapital oberflächlich liest, es leicht diesen Eindruck macht. Aber wenn man es zu wiederholten Malen aufmerksam liest, tritt immer mehr die Transporthypothese in den Hintergrund, der in dem ersten Hauptsatze wiedergegebene Grundgedanke aber in den Vordergrund. Es liegt dieses zum Theil in der Schwierigkeit, sich sogleich in die grossen Gedanken des genialen Forschers einzuleben, zum Theil aber auch in dem bereits hervorgehobenen Umstande, dass Darwin selbst die ersten Sätze als selbstverständlich und allgemein bekannt hinstellt, und nur den letzten als seine eigene Hypothese vorführt?). Die Annahme des Keimchentransportes, welche schon von Darwin selbst, namentlich für Pflanzen, in hohem Grade beschränkt war, ist so oft und mit so vielem Scharfsinn bestritten worden, dass es überflüssig wäre, sie hier weiter zu kritisiren. Namentlich hat Weismann sich das grosse Verdienst erworben zu zeigen, wie wenig sie von gut bekannten Tatsachen und gesicherten Erfahrungen ge- fordert wird. Die von Darwin zusammengestellten Fälle, welche sie zu fordern schienen ?), waren ja Ausnahmen, und ihre Glaub- würdigkeit ist von Weismann tief erschüttert worden*). Ich glaube somit hier nur auf die Schriften dieses Forschers hinzuweisen zu haben‘). Befreit von der Hypothese des Keimchentransportes erscheint uns nun die Pangenesis in reinster Form. Sie ist die Annahme be- sonderer stofflicher Trager fiir die verschiedenen erblichen Eigen- schaften. Zwar spricht sich Darwin über das, was er Eine erbliche Eigenschaft nennt, nicht überall deutlich aus, und gelegentlich werden kleine Gruppen von Merkmalen, oder gewisse morphologische Ein- heiten wohl als solche betrachtet. Aber das liegt in der Unvollständig- keit unserer dermaligen Kenntnisse, welche jetzt noch in vielen ı) Auch in seinen Briefen legt er den meisten Nachdruck auf diesen Theil. Vergl. Life and Letters of Charles Darwin, Vol. III S. 72—120. 2) Die bekannten Versuche von Brown-Séquard, welche so oft als Stützen für die Lehre von der Erblichkeit erworbener Eigenschaften an- geführt werden, wurden von Darwin selbst als seiner Hypothese des Keimchentransportes entgegenstehend betrachtet. Vergl. Darwin, Varia- tions II S. 392. 3) A. Weismann, Ueber die Vererbung 1883; Derselbe, Die Be- deutung der sexuellen Fortpflanzung für die Selektionstheorie, 1886 S. 93 u. s. W. 4) Auch die sogenannten Propfhybride und die Angaben über einen Einfluss des männlichen Elementes auf die den Keim umgebenden Theile beweisen nach meiner Ansicht die Nothwendigkeit der Annahme eines Transportes nicht. Vergl. den zweiten Theil, Abschnitt IV $ 5. 48 INTRACELLULARE PANGENESIS. Fällen nicht gestatten das Prinzip durchzuführen, denn über dieses selbst ist unser Autor sich völlig klar. Jede Eigenschaft, welche un- abhängig von anderen variiren Kann, muss nach ihm an einen be- sonderen stofflichen Träger gebunden sein 1). Ueber die Art und Weise, wie diese hypothetischen Träger in den Zellen vereinigt sind, hat Darwin sich nicht ausgesprochen, er hebt nur hervor, dass jede sich unabhängig von den anderen vermehren kann, wenn auch häufig, wie die Erscheinungen der Variabilität lehren, diese Vermehrung in kleinen Gruppen von Trägern gleich- zeitig stattfindet. In der Einleitung habe ich die Gründe genannt, welche mich be- stimmen, den Namen ,,Keimchen“ aufzugeben. Er ist, in Aller Vor- stellung, zu sehr mit der Transporthypothese verbunden. Es sei mir gestattet, die hypothetischen Träger der einzelnen erblichen Anlagen mit einem neuen Namen zu belegen und Pangene zu nennen ®). § 11. Kritische Betrachtungen. Unter Darwin’s Kritikern verdient in erster Linie Hanstein ge- nannt zu werden. Denn Keiner hat von der Pangenesis eine so klare und richtige Würdigung gegeben wie er, Keiner in so deutlicher Weise die Schlüsse, zu denen sie leitet, auseinandergesetzt. Leider musste Hanstein, durch seine besondere Geistesrichtung, diese Folgerungen, und somit auch die ganze Theorie, verwerfen °). Hanstein verwirft zunächst mit gutem Grunde den Namen Keimchen und nennt die Darwin’schen Einheiten Mikroplaste oder Archiplaste. Und indem er die Transporthypothese leugnet, schliesst er aus der Pangenesis*): „Man müsste sogar die Hypothese machen, dass jede Zelle des ganzen Pflanzenleibes bei ihrer Entstehung sofort von ihrer Mutterzelle mit jeder Art von Archiplasten beschenkt werde°)“. Die Richtigkeit dieser Folgerung wird wohl jetzt von allen Lesern als nothwendige Konsequenz der Annahme der Archi- plaste zugegeben werden, wie denn auch diese in den Ei- und Sperma- zellen von der einen Generation auf die andere übergeführt werden?). ı) Darwin, Variations 2. Ed. 1875 II S. 378. 2) Vergl. die Einleitung S. 7. 3) J. Hanstein, Beiträge zur allgemeinen Morphologie der Pflanzen in Botan. Abhandl. Bd. IV Heft 3 1882. 4) LE CS 210 5) Lc. S. 223. 6) l.c. S. 210. INTRACELLULARE PANGENESIS. 49 Die Einwände Hanstein’s möchte ich hier übergehen. Sie be- ruhen vorwiegend auf seiner Ueberzeugung, dass es unerlässlich sei, für die Organismen eine eigene Naturkraft anzunehmen!). Weismann hat sich gegen die Annahme differenter Träger der einzelnen erblichen Eigenschaften in seinem Vortrage über die Ver- erbung (1883. S. 16) ausgesprochen. Es lässt sich bei dieser Auf- fassung, nach ihm, nicht absehen, wie diese „Moleküle“ genau in derjenigen Kombination beisammen bleiben sollten, wie sie eben das Keimplasma der betreffenden Art ausmacht. Ohne Zweifel ist das die Hauptschwierigkeit, und wie schwer diese wiegt, zeigt uns der Umstand, dass sie die wichtigste Veranlassung zu der Auf- stellung der im vorigen Kapitel besprochenen Theorien gewesen ist. Diese Schwierigkeit ist aber kein Einwand. Allerdings lässt sich nicht angeben, wie die einzelnen Pangene etwa zusammengehalten werden könnten. Aber die neueren Untersuchungen über die Kern- theilung haben uns eine Einsicht in äusserst komplizirte Vorgänge eröffnet, welche offenbar eine gesetzmässige Vertheilung der erb- lichen Eigenschaften auf die beiden Tochterzellen zum Zweck haben. Es ist nicht anzunehmen, dass wir bereits heute am Ende der Kern- forschung stehen sollten, im Gegentheil dürfen die bis jetzt gemachten grossen Entdeckungen in uns die Hoffnung wachrufen, dass noch manche andere verwickelte Vorgänge, von denen wir jetzt keine Ahnung haben, in den Kernen einmal aufgefunden werden können. Die Thatsache, dass wir nicht wissen, wie die hypothetischen Pan- gene zusammengehalten werden, ist also kein Einwand gegen diese Annahme. Sie braucht nicht durch Hülfshypothesen beseitigt zu werden, sondern ist einfach dem weiteren Studium der Vorgänge in .den Protoplasten und ihren Kernen anheim zu stellen. Ein vielfach gemachter Einwand ist die Nothwendigkeit, so zahl- lose differente Pangene anzunehmen?). Anscheinend ist allerdings die Annahme von Trägern des ganzen Artcharakters viel einfacher. Es bedarf dann für jede Art nur Einer hypothetischen Einheit. Aber beschränken wir uns nicht auf die Betrachtung Einer Spezies, sondern dehnen wir unsern Blick auf die ganze Organismenwelt aus, so fällt dieser Einwurf, wie bereits im ersten Abschnitte bemerkt, in sich zusammen. Denn dann müssen wir so viele Einheiten annehmen, als es Arten By) L 6.8.2085, 2) Vergl. Weismann, Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung 1886 S. 102 ff, 4 50 INTRACELLULARE PANGENESIS. giebt und gegeben hat, und die Zahl wird unendlich viel grösser. Denn die Darwin’schen Einheiten kehren fast jede bei zahlreichen, viele bei nahezu allen Pflanzen oder Thieren zurück, und es reicht eine relativ geringe Anzahl solcher hypothetischen Pangene aus, um durch die verschiedenen möglichen Gruppirungen die gesammten Artunterschiede zu erklären. Im Grunde ist somit die Annahme von Pangenen die einfachste, welche wir machen können, und dieses ist offenbar ein grosser Vorzug. Eine weitere Vergleichung der Pangenenlehre mit den von anderen Forschern aufgestellten Theorien glaube ich an dieser Stelle unter- lassen zu können. Denn sie ist im Grunde in meiner Kritik jener Ansichten enthalten und wird sich ferner von selbst aus der im fol- genden Paragraphen zu gebenden Ausarbeitung des Grundgedankens ergeben. § 12. Schluss. Die Betrachtungen des ersten und die kritischen Erörterungen des zweiten Abschnittes haben uns dazu geführt, Eine Hypothese über die stoffliche Grundlage der erblichen Eigenschaften als un- umgänglich anzuerkennen. Sie ist gewissermassen ein Postulat, zu welchem ein Jeder, der über diese Fragen nachdenkt, mehr oder weniger sicher gelangen muss, und welches wir denn auch in den besten Theorien der Vererbung stets als Kern haben zurückfinden können. Versuchen wir zum Schlusse diese Hypothese möglichst einfach vorzuführen und die wichtigsten Erklärungen anzudeuten, welche sie uns ohne Hülfshypothesen zu geben im Stande ist. Im ersten Abschnitt haben wir die Ueberzeugung gewonnen, dass die erblichen Anlagen selbständige Einheiten sind, aus deren zahl- losen verschiedenen Gruppirungen die Artcharaktere hervorgehen. Jede solche Einheit kann unabhängig von den andern variiren, jede kann, in unseren Kulturversuchen, für sich Gegenstand experimen- teller Behandlung sein. Die erblichen Eigenschaften sind gebunden an die lebendige Materie; die Erblichkeit beruht darauf, dass die Kinder aus einem stofflichen Theile ihrer Eltern entstehen. Die sichtbaren Merkmale der Organismen werden durch die unsichtbaren Eigenschaften der lebendigen Materie bestimmt. In dieser lebendigen Substanz nehmen wir für die einzelnen erb- lichen Eigenschaften besondere stoffliche Träger an. Dieses ist der INTRACELLULARE PANGENESIS. 51 Grundgedanke von Darwin’s Pangenesis, zu ihm gelangten, mehr oder weniger klar, fast alle späteren Forscher. Oder es führt doch die kritische Erörterung ihrer Ansichten schliesslich zu diesem Postu- late zurück. Man möge von den Molekülen des Protoplasma, oder vom Keim- oder Idioplasma als Träger des gesammten Artcharakters ausgehen; man möge die Erscheinungen der Erblichkeit in den Vorder- grund stellen, oder mit Sachs und Godlewski sich auf Wachsthums- und Regenerationsprozesse basiren!), stets gelangt man schliesslich zu der Annahme differenter Träger der ererbten Anlagen. Am sichersten und klarsten aber gelangt man dazu, wenn man nach Darwin’s Beispiel die ganze Organismenwelt von einem möglichst allgemeinen Gesichtspunkte betrachtet. Je nach den weiteren Hypothesen über die Natur dieser Ein- heiten sind sie mit verschiedenen Namen belegt worden. Für die von mir angenommenen habe ich den Namen Pangene gewählt. Diese Pangene vergegenwärtigen nicht jede ein morphologisches Glied des Organismus, eine Zelle oder einen Theil einer Zelle, sondern jede eine besondere erbliche Eigenschaft. Diese sind daran zu er- kennen, dass sie jede, unabhängig von den übrigen, variiren können. Ihr Studium öffnet der experimentellen Forschung ein weites, viel versprechendes Feld. Die Pangene sind keine chemischen Moleküle, sondern morpho- logische, jede aus zahlreichen Molekülen aufgebaute Gebilde. Sie sind die Lebenseinheiten, deren Eigenschaften nur auf historischem Wege zu erklären sind. Die Hauptattribute des Lebens müssen wir einfach in sie ver- legen, ohne sie erklären zu können. Wir müssen also annehmen, dass sie assimiliren und sich ernähren, dadurch wachsen und sich dann durch Theilung vermehren, wobei in der Regel bei jeder Spaltung zwei, dem ursprünglichen Pangene gleiche neue entstehen. Abweichungen von dieser Regel bilden einen Ausgangspunkt für die Entstehung von Varietäten und Arten. Bei jeder Zelltheilung gehen, in der Regel, alle vorhandenen Arten von Pangenen auf die beiden Tochterzellen über. Welcher Verband dieses bedingt, und welche Beziehung die im Grossen und Ganzen gleichmässige Vermehrung der verschiedenartigen Pangene eines Individuums bewirkt, wissen wir nicht. 1) J. v. Sachs, Ueber Stoff und Form der Pflanzenorgane, in Arbeiten des Bot. Instit. Würzburg Bd. II, und E. Godlewski im Botan. Centralblatt Bd. 34 Nr. 2/7 Jahrg. IX Nr. 15/20 1888 S. 1. 4* INTRACELLULARE PANGENESIS. or bo Die Pangene müssen in kleineren und grösseren Gruppen derart zu einander in Beziehung stehen, dass die Glieder Einer Gruppe in der Regel zusammen in Thätigkeit treten'). Alle diese Sätze ergeben sich von selbst, wenn man den Grund- gedanken mit den bekannten Erscheinungen der Erblichkeit und der Variabilität in Verbindung zu bringen sucht. Die ganze Tragweite dieses Grundgedankens wird, glaube ich, am besten klar werden, wenn ich jetzt die wichtigsten Vorzüge der Hypothese bei der Beantwortung einiger grossen biologischen Fragen kurz zusammenstelle. Denn ganze grosse Gruppen von Erschei- nungen werden uns durch sie in einfacher Weise verständlich, und zwar ohne jede Hülfshypothese, unter einfacher Berücksichtigung der stets wechselnden relativen Mengen, in denen sich die Pangene je nach der Natur und dem Alter der Zellen befinden müssen. Im Wesentlichen sind diese Vorzüge bereits von Darwin zu- sammengestellt worden. Die Erscheinungen der Erblichkeit beruhen offenbar, in der Darwin’schen Vorstellung, darauf, dass die lebendige Materie des Kindes aus denselben Pangenen aufgebaut ist, als die seiner Eltern. Herrschen im Keime die Pangene des Vaters vor, so wird das Kind diesem ähnlicher als der Mutter, herrschen nur bestimmte Pangene des Vaters vor, so beschränkt sich diese Aehnlichkeit auf einzelne Eigenschaften. Treten gewisse Pangene in Zahl hinter den übrigen zurück, so ist die von ihnen bedingte sichtbare Eigenschaft nur schwach entwickelt; treten sie sehr stark zurück, so wird die Eigen- schaft latent. Bedingen äussere Ursachen später eine relativ starke Vermehrung solcher Pangene, so tritt die bis dahin latente Eigen- schaft wieder in die Erscheinung, und man beobachtet einen Fall des Atavismus. Hören gewisse Pangene ganz und gar auf sich zu vermehren, so geht die betreffende Eigenschaft definitiv verloren; doch scheint dieses sehr selten vorzukommen. Im Protoplasma, oder doch wenigstens in den Kernen, der Ei- und Spermazellen, sowie aller Knospen sind alle Pangene der be- treffenden Spezies vertreten; jede Art von Pangenen in gewisser Anzahl. Vorwiegenden Eigenschaften entsprechen zahlreiche, schwach entwickelten Merkmalen wenig zahlreiche Pangene. Die Differenzirung der Organe muss darauf beruhen, dass einzelne Pangene oder Gruppen von solchen sich stärker entwickeln als ı) Darwin nannte diese Gruppen „compound gemmules“, Variations II S. 378. INTRACELLULARE PANGENESIS. 53 andere. Je mehr eine bestimmte Gruppe vorherrscht, um so aus- geprägter wird der Charakter der betreffenden Zelle. Damit hängt zusammen, dass äussere Einflüsse oft den Charakter eines Organes in frühester Jugend umändern können, dass dieses aber um so schwieriger wird, je weiter es in seiner Ausbildung vorgeschritten ist, d. h. je stärker bereits bestimmte Pangene vorherrschen. Die Reproduktion abgetrennter Gliedniassen, der Ersatz kleinerer verloren gegangener Gewebeparthien und das Schliessen von Wunden beruhen offenbar darauf, dass die Pangene der verloren gegangenen Theile nicht auf diese beschränkt waren, sondern dass alle reproduk- tionsfähigen Zellen alle dazu erforderlichen Pangene in sich enthalten. Einige Pangene vertreten Eigenschaften, welche sich nur in ganz bestimmten Organen zu entfalten pflegen. Gelangen diese an falschen Stellen zum Vorherrschen, so haben wir die Erscheinungen der Metamorphose!). Gelangen z. B. die Gruppen von Pangenen, welche die Eigenthümlichkeiten der Blumenblätter bestimmen, zur Entwickelung in den Hochblättern, so entsteht die Petalodie der Bracteen u. s. w. Andere Pangene vergegenwärtigen Eigenschaften, welche sich in vielen oder allen Gliedern der Pflanze äussern können. Und damit hängt es offenbar zusammen, dass solche Eigenschaften so gar häufig in allen jenen Gliedern gleichmässig stark oder schwach entwickelt sind. So fehlt den weissblüthigen Varietäten rother Arten der rothe Farbstoff meist auch in Stengel und Laub, und führen buntblättrige Gewächse nicht selten auch bunte Früchte u. s. w. Die Erscheinungen der korrelativen Variabilität finden, soweit sie nicht rein historischer Natur sind, d. h. durch gleichzeitiges Akkumuliren zweier unabhängiger Eigenschaften entstanden sind, in der Vereinigung der Pangene zu Gruppen ihre Erklärung. Die systematische Verwandtschaft beruht auf dem Besitz von Pangenen derselben Art. Die Anzahl der gleichartigen Pangene in zwei Species ist das wirkliche Maass ihrer Verwandtschaft. Die Systematik sollte auf experimentellem Wege, durch die Abgrenzung der einzelnen erblichen Eigenschaften, die Anwendung dieses Maasses ermöglichen. Systematische Differenz beruht auf dem Be- sitze verschiedener Arten von Pangenen. Nach der Pangenesis kann es zwei Arten von Variabilität geben. Diese werden von Darwin in folgender Weise unterschieden >°). ı) Darwin, Variations II S. 387. 2) 1. C 3.300. 54 INTRACELLULARE PANGENESIS. Erstens können die vorhandenen Pangene in ihrer relativen Zahl abwechseln, einige können zunehmen, andere können abnehmen oder gar fast verschwinden, lange Zeit unthätig gebliebene können wieder aktiv werden, und schliesslich kann die Verbindung der einzelnen Pangene zu Gruppen möglicherweise eine andere werden. Alle diese Vorgänge werden eine stark fluktuirende Variabilität reichlich erklären. Zweitens aber können einige oder mehrere Pangene, bei ihren successiven Theilungen, ihre Natur mehr oder weniger ändern, oder, mit anderen Worten, es können neue Arten von Pangenen aus den bereits vorhandenen entstehen. Und wenn die neuen Pangene sich, vielleicht im Laufe mehrerer Generationen, allmählich so stark vermehren, dass sie aktiv werden können, müssen neue Eigenschaften an dem Organismus zur Ausbildung gelangen. Mit einem Worte: Verändertes numerisches Verhältniss der be- reits vorhandenen, und Bildung neuer Arten von Pangenen müssen die beiden Hauptfaktoren der Variabilität sein. Leider ist es noch nicht gelungen, die beobachteten Variationen so weit zu analysiren, dass man für jeden dieser beiden Faktoren den Antheil an ihnen bestimmen könnte. Aber es ist klar, dass die erstere Art mehr die individuellen Unterschiede und die zahllosen kleinen, fast alltäg- lichen Variationen und Monstrositäten bedingen muss, während die zweite hauptsächlich jene Variationen hervorzubringen hat, auf welche die allmählich steigende Differenzirung des ganzen Thier- und Pflanzenreichs beruht. Diese Auffassung der phylogenetischen Variabilität weist uns darauf, dass auch die Pangene ihre Stammbäume haben müssen, welche den Stammbäumen der betreffenden Merkmale entsprechen. Bei jedem Schritte auf dem Stammbaume der Species müssen eine oder mehrere neue Arten von Pangenen aus den vorhandenen entstanden sein. Die Pangene selbst werden somit in den niedrigsten Organismen relativ einfach, und unter sich nur wenig verschieden gewesen sein. Mit zunehmender Differenzirung müssen sie auch selbst komplizirter und unter sich immer mehr verschieden ge- worden sein. Doch je weiter wir uns von den Thatsachen entfernen, um so sicherer werden wir uns in falsche Spekulationen verlieren. Meine Aufgabe war auch nur, den Grundgedanken der Darwin’schen Pangenesis in ein klares Licht zu stellen. Möge mir dieses gelungen sein! ZWEITER THEIL. INTRACELLULARE PANGENESIS. Abschnitt I. Zellularstammbäume. Erstes Kapitel. Das Auflösen der Individuen in die Stammbäume ihrer Zellen. § 1. Zweck und Methode. Seit der Begründung der Zellenlehre durch Schleiden und Schwann sind die Zellen immer mehr in den Vordergrund anatomischer und physiologischer Betrachtungen getreten. Auch die Lehre von der Erblichkeit, welche noch vor etwa zwei Jahrzehnten fast keine Berührungspunkte mit der Zellenlehre hatte, hat diese isolirte Stellung aufgegeben und erblickt in den neueren Untersuchungen über die Zelltheilung und den Befruchtungsvorgang eine wesentliche Förderung ihrer Aufgaben. Omnis cellula e cellula. Dieser Satz beherrscht nicht nur die mikroskopische Wissenschaft, er schwingt sich immer mehr zur Herrschaft über die ganze Biologie empor. Dass jede Zelle aus einem körperlichen Theile ihrer Mutterzelle entstanden ist, und dass sie diesem Ursprunge ihre spezifischen Eigenschaften verdankt, gilt jetzt in der Erblichkeitslehre als die Grundlage aller eingehenden Betrachtungen. Ob diese Quelle zur Erklärung aller Erscheinungen ausreichte, war die Frage, welche Darwin zur Aufstellung seiner Pangenesis veranlasste. Und diese Frage bleibt die erste, welche bei jeder neuen, in das Bereich der Erblichkeitslehre auftretenden Gruppe von Thatsachen zu beantworten ist. Die jetzt bekannten Erscheinungen zwingen, wenigstens insofern sie hinreichend gründlich untersucht worden sind, zur Verneinung jener Frage nicht. Dieses wurde, wie bereits im ersten Theile er- wähnt, durch Weismann in überzeugender Weise dargethan. 56 INTRACELLULARE PANGENESIS. Wir brauchen uns somit in diesem Abschnitt mit jener Frage nicht zu beschäftigen. Nicht die Organismen, sondern die Zellen sind somit die Einheiten der Erblichkeitslehre. Auf diese hat man zurückzugreifen, wo es sich um ein klares Verständniss handelt. In den praktischen Stamm- bäumen der Thier- und Pflanzenzüchter figuriren selbstverständlich nur die Individuen, für die wissenschaftliche Einsicht reichen diese aber, wie ja auch den grössten Autoritäten unter den Züchtern wohl bekannt ist, nicht hin. In den Vordergrund der Betrachtung treten hier die Keimzellen (Ei- und Spermazellen). Sie sind die stofflichen Theile der Eltern, aus denen die Kinder hervorgehen, und bilden somit das stoffliche Band zwischen den aufeinanderfolgenden Generationen. Für jede Keimzelle kann man die Reihe von Ahnenzellen aufsuchen bis zur nächstfrüheren Generation. In dieser Weise kann man dann weiter vorgehen und durch eine Reihe von Generationen von Individuen hindurch den Stammbaum der Keimzellen verfolgen. Die hohe wissenschaftliche Bedeutung dieser Zellenfolgen ist von Weismann in scharfer Weise hervorgehoben worden; sie bilden ohne Zweifel die Grundlage für die Lehre von den Zellenstammbäumen. Aber diese Behandlungsweise führt leicht zu einer einseitigen Auf- fassung des Problemes. Wir müssen vielmehr für sämmtliche Zellen des ganzen Körpers ihre Vorfahrenreihe aufsuchen bis auf die erste Zelle, aus welcher der Organismus hervorgegangen ist. Zwar wird die Aufgabe dadurch viel umfangreicher und komplizirter, und es fragt sich, ob wohl immer die ausreichende anatomische und onto- genetische Grundlage zu ihrer Lösung vorhanden ist. Aber dennoch können wir nur in dieser Weise eine gleichmässige Behandlung des Themas anbahnen, und die vorhandenen Thatsachen derart grup- piren, dass sie uns nicht täuschen und namentlich nicht zur Ueber- schätzung der Bedeutung einzelner, von uns willkürlich ausgewählter Zellenfolgen verführen. Wir wollen somit für den ganzen Organismus den Stammbaum seiner einzelnen Zellen entwerfen. Oder mit anderen Worten, wir wollen das Individuum auflösen in seine Zellen und deren Generations- reihen. Die Entwickelungsgeschichte hat uns dabei die erforderlichen Thatsachen zu liefern, welche aber die sämmtlichen Reproduktions- arten zu umfassen haben. Die zu entwerfenden Zellularstammbäume sind rein empirischer Natur. Wir haben, wie schon Sachs hervorhob, nur die Thatsachen INTRACELLULARE PANGENESIS. 57 in möglichst einfacher Zusammenfassung wiederzugeben!), und zu- zusehen, welche Folgerungen sich daraus, ohne jegliche Hypothese, ableiten lassen. Die Ernte wird, meiner Ueberzeugung nach, eine viel reichere sein, als sich auf den ersten Blick vermuten liess. Dass die Hauptergebnisse der Betrachtung der Zellularstamm- bäume im Pflanzenreich und im Thierreich zu denselben allgemeinen Schlüssen leiten werden, daran zweifelt augenblicklich wohl Nie- mand. Aber die Verhältnisse liegen im Pflanzenreich ganz anders wie im Thierreich. Die verschiedenen Arten der Reproduktion kommen im letzteren bei weitem nicht in so ausgiebiger Weise zur Geltung als im ersteren. Das Studium der Thiere ist also in viel höherem Grade der Gefahr einseitiger Behandlung ausgesetzt, als das der Pflanzen. Auch hat sich, unter dem Einflusse Mohl’s und Nägeli’s, seit fast einem halben Jahrhundert bei den Botanikern die Ueberzeugung viel tiefer gewurzelt, dass die anatomischen und ontogenetischen Untersuchungen stets mindestens bis auf die ein- zelnen Zellen durchzudringen haben. Demzufolge ist in zahllosen Fällen die Vorfahrenreihe weitaus der meisten Zellen, wenn auch nicht lückenlos, so doch in ihren Hauptzügen mit genügender Sicher- heit nachzuweisen. Ich werde mich daher in diesem Abschnitte ohne Gefahr auf die Zellularstammbäume der Pflanzen beschränken können. Und dieses um so mehr, als die wichtigsten Züge aus jenen Stammbäumen für das Thierreich von Weismann und Anderen in der letzten Zeit viel- fach hervorgehoben worden sind, und eine Vergleichung beider Reiche in diesem Punkte daher keine wesentlichen Schwierigkeiten machen kann. § 2. Die Zellularstammbäume der Homoplastiden. Bei den einzelligen Arten fallen die Stammbäume der Individuen mit den Zellularstammbäumen zusammen. Solches ist aber auch mit jenen wenigzelligen Organismen der Fall, deren Zellen noch einander völlig gleich und nicht zu verschiedenen Funktionen ein- gerichtet sind. Die Oscillarien sind vielzellige Fäden, aber jede Zelle gleicht der andern, jede ist zur Fortpflanzung der Art in gleicher Weise befähigt. Götte hat solche Wesen mit dem Namen der Homo- plastiden belegt, gegenüber den Heteroplastiden, deren Zellen ver- schiedenen Funktionen angepasst sind. Es ist klar, dass die Zellularstammbäume der Homoplastiden ı) Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie 1882. 58 INTRACELLULARE PANGENESIS. nur aus unter sich gleichartigen Aesten bestehen. Es hängt nur von äusseren Umständen und vom Kampf um’s Dasein ab, welche Zellen zu neuen Individuen werden, welche Aeste des Stamm- baumes also die Deszendenz durch die Reihe der Generationen fort- führen werden. Bei den höheren Pflanzen und Thieren leiten dagegen im nor- malen Laufe der Entwickelung nur bestimmte Aeste des Zellular- stammbaumes zu den Anfangszellen der folgenden Generation, die übrigen Aeste sind bereits durch ihre Anlage von der Theilnahme an der normalen Fortpflanzung der Art ausgeschlossen. Die Aeste des Zellenstammbaumes sind hier also nicht nur morphologisch verschieden, sondern auch in ihrer Beziehung zu dem Stammbaume der ganzen Sippe wesentlich ungleich. Mit der Entstehung der Heteroplastiden aus den Homoplastiden hat die Differenzirung der Zellenstammbäume angefangen. Die un- differenzirten Zellularstammbäume der letzteren bieten uns keine Anhaltspunkte zur Beurtheilung der Erscheinungen der Erblich- keit. Wir verlassen sie somit und wenden uns im Folgenden aus- schliesslich den Heteroplastiden zu. § 3. Der Zellularstammbaum von Equisetum. Bevor wir dazu schreiten, die äusserst verwickelten Zellularstamm- bäume der höheren Pflanzen wenigstens in ihren Hauptzügen zu schildern, wollen wir die ganze Methode an einem ziemlich einfachen Beispiele erläutern. Ich wähle dazu die Gattung der Schachtel- halme (Equisetum). Ihr Zellularstammbaum gehört, trotz des Generationswechsels, zu den einfachsten, welche unter den blatt- bildenden Pflanzen oder Cormophyten gefunden werden. Zwei Wege giebt es, um sich von den grossen Zügen des Bildes eine Vorstellung zu machen. Der eine ist der progressive, der andere der retrogressive. Der erste folgt der Ontogenie auf der Spur, der zweite steigt in ent- gegengesetzter Richtung auf. Handelt es sich darum, das Bild für die sämmtlichen Zellen einer Pflanze zu entziffern, so ist offenbar der erste Weg der einfachste und sicherste. Aber auf ihm kann man nur dann bei jedem Schritt den relativen Werth der beiden neuen Zweige, in denen sich der Ast spaltet, beurtheilen, wenn man stets die Endpunkte der Zweige gleichzeitig im Auge behält. Gilt es aber nur die Hauptzüge des Bildes zu skizziren, so ist es in den meisten Fällen viel bequemer, den umgekehrten Weg zu betreten. Denn in rückläufiger Folge leiten alle Wege offenbar zu der Eizelle zurück, nirgendwo ist in dieser Richtung eine Verirrung zu befürchten. INTRACELLULARE PANGENESIS. 59 Ich nehme an, dass durch die Vereinigung beider Methoden das Bild des Zellenstammbaumes einer Equisetumart, z. B. von E. pa- lustre, entwickelt worden ist und vor uns liegt?). Die befruchtete Eizelle im Archegonium fängt ihr Wachsthum durch Theilungen an, deren erste nahezu senkrecht zur Axe des Archegoniums steht; darauf folgen zwei, auf dieser und auf einander senkrechte Wände. Aus den unteren Oktanten entstehen die Wurzel und der Fuss der Keimpflanze; letzterer, indem durch fortgesetzte Theilungen ein kleinzelliger Gewebekörper gebildet wird. Diese Aeste des Stammbaumes erreichen damit ihren Abschluss. Aus einem der oberen Oktanten des Embryo entsteht die Scheitelzelle des ersten Sprosses, die anderen betheiligen sich an der Bildung des den ersten Blattwirtel vertretenden Ringwalles und schliessen ihr Wachsthum also bald, unter fortgesetzten Theilungen, ab. Das Wachsthum des ersten, sowie aller folgenden Sprosse steht unter der Herrschaft der Scheitelzelle. Diese nimmt den Gipfel des Sprosses ein, ihre obere Wandung ist kugelig gewölbt, während sie nach unten von drei fast planen Wänden begrenzt wird. Sie hat somit die Form einer umgekehrten, dreiseitigen Pyramide. Sie theilt sich nur durch Wände, welche den drei Pyramidenseiten parallel sind; jedes abgeschnittene Stück heisst ein Segment. Je drei, aut einander folgende, und den drei Seiten der Pyramide parallele Segmente bilden, unter zahllosen Theilungen, zusammen ein Internodium mit dem seinem oberen Ende aufgesetzten Blatt- quirl. Der ganze Spross besteht somit aus Abschnitten, welche je einem Segmentquirl der Scheitelzelle ihren Ursprung verdanken. Die Scheitelzelle stellt also offenbar den Hauptstamm unseres Stammbaumes vor; jedes Segment entspricht einem Aste. Der Hauptstamm bleibt während der Entwickelung des Sprosses, also während des ersten Vegetationsjahres des Individuums einfach, er schliesst, da der erste Spross nie eine Sporenähre trägt, ohne Aen- derung seiner Thätigkeit, mit dem Tode des Sprosses am Ende des ersten Sommers ab. Jedes von der Scheitelzelle abgeschiedene Segment theilt sich zunächst in eine obere und untere Hälfte; diese durch weitere Wände zu einem Gewebekörper, aus dem nun die sämmtlichen Zellen des betreffenden Theiles des Internodiums und des Blattquirls hervor- gehen. Die Theilungsfolge ist von Cramer und Reess klargelegt ı) Abbildungen der erforderlichen Entwickelungsstadien findet man in K. Goebel, Grundzüge der Systematik und speziellen Pflanzenmorpho- logie 1882 S. 286— 304. 60 INTRACELLULARE PANGENESIS. worden und im Lehrbuch der Botanik von Sachs und Goebel nach- zulesen. Aus ihr ist hier zunächst nur hervorzuheben, dass in der äusseren Zellschicht des Gewebekörpers, und mit den Zähnen der Blattscheide alternirend, bevorzugte Zellen gebildet werden, deren jede zu einem Seitensprosse auswachsen kann. Die grünen Sprosse älterer Pflanzen pflegen thatsächlich in jedem Blattquirl einen Kreis von ebenso vielen Zweigen zu tragen, als der Quirl Glieder aufzu- weisen hat. Im ersten Sprosse gelangen diese aber gewöhnlich nicht zur Ausbildung. Jede Seitenknospe besitzt, wenn sie sich zum Sprosse ausbildet, eine Scheitelzelle, welche die Entwickelung des Zweiges in derselben Weise leitet wie die Gipfelzelle des Haupt- sprosses. In jedem Zweige bildet also wieder die Scheitelzelle die Haupt- linie des Stammbaumes. Diese Linie ist dem Hauptstamme zwar nicht in einfacher Weise angesetzt; sie lässt sich jedoch durch die ersten Theilungen des Segmentes offenbar bis zu dem Stamme zurückverfolgen. Wir betrachten nun jedes Segment, und in diesem während der ersten Theilungen jedesmal diejenigen Zellen, aus deren Theilungen später die Scheitelzellen der Seitenzweige hervorgehen, als Hauptäste unseres Stammbaumes. Alle anderen Zellenfolgen sind für uns Nebenzweige. Denn nur in dieser Weise ist ein klares Bild zu entwerfen. Kehren wir jetzt zum Sprosse des ersten Vegetationsjahres zu- rück. Dieser geht am Ende des Sommers zu Grunde. Eine Seiten- knospe in einem der basalen Blattquirle bleibt aber am Leben und entwickelt sich im folgenden Jahre zu einem neuen Sprosse, der stärker und grösser wird als der erste, aber noch keine Fruktifikations- organe trägt. Dieses Spiel wiederholt sich einige Jahre, bis die Pflanze hinreichend kräftig geworden ist. Zuweilen schon der dritte oder einer der folgenden Sprosse wächst dann abwärts in den Boden, um das Rhizom zu bilden, welches von nun an den Hauptspross der Pflanze darstellt, sich unterirdisch verzweigt und die oberirdischen blattbildenden und sporentragenden Sprosse erzeugt. Diese letzteren sind bei Equisetum arvense und einigen anderen Arten getrennt; im Frühjahr entstehen die blassen, fertilen, unverzweigten Sprosse, im Sommer die reichverzweigten grünen, aber sterilen Aeste. Der Zellenstammbaum der ganzen grossen Pflanze würde leicht bald ein unentwirrbares Bild darstellen. Um dieser Gefahr vor- zubeugen, müssen wir die Hauptlinien besonders markiren, sie etwa durch dickere Striche andeuten. Auch wollen wir sie zu möglichst graden Linien ausziehen. Denken wir uns dieses ausgeführt, so INTRACELLULARE PANGENESIS. 61 bekommen wir einen Stammbaum der Scheitelzellen, welcher im Bilde als zusammenhängendes System klar hervortritt, und dem alles übrige seitlich eingefügt ist. Die Linien des Scheitelzellen- stammbaumes wollen wir die Aeste, die übrigen Verästelungen die Zweige nennen. Es soll hier noch, um Missverständnissen vorzu- beugen, daran erinnert werden, dass der Scheitelzellenstammbaum nicht ausschliesslich aus Scheitelzellen besteht, da ja diese nicht direkt auseinander hervorzugehen pflegen. Dieser Definition gemäss ist die Entwickelung der Zweige des Stammbaumes stets eine begrenzte, nur den Aesten wohnt die Fähigkeit neuer Astbildung, und somit der Fortsetzung der Haupt- linien des Stammbaumes bei. Aber nicht allen Aesten in gleichem Maasse, wie wir bald sehen werden. Unserem Bilde fehlen noch zwei wichtige Theile. Einerseits die Wurzeln, andererseits die Reproduktionsorgane. Die Wurzeln bedürfen nur einer kurzen Erwähnung. Sie wachsen mittelst Scheitelzellen wie die Sprosse und werden in den Seiten- knospen angelegt, bevor diese noch aus den Blattquirlen hervor- brechen. Jede Knospe pflegt zunächst nur eine Wurzel zu bilden, welche sich aus einer inneren, auf ihrer Unterseite befindlichen Zelle entwickelt. Diese Zelle wird zur Scheitelzelle der jungen Wurzel. Im Stammbaum ist jede Wurzel also, genau wie ein Spross, durch einen Ast mit seinen zahlreichen Zweigen vertreten. Die Wurzeln können sich verzweigen. Da sie aber nie Blattknospen tragen, wie bei vielen Farnen und Phanerogamen, und es also auch nie zur Bil- dung von Reproduktionsorganen bringen, so sind sie stets nur sterile Aeste des Stammbaumes. Sie theilen dieses Loos bei Equisetum arvense mit weitaus den meisten übrigen Aesten des Zellenstammbaumes. Denn unter diesen sind hier nur diejenigen der blassgelben chlorophylllosen Sprosse der späteren Jahre zur Reproduktion der Art auserlesen. Wir unterscheiden also auch hier sterile und fertile Aeste. Am Gipfel der fertilen Sprosse stehen die Sporangien in gedrängten Aehren von vier- bis sechseckigen, in ihrer Mitte gestielten Schildchen. Jedes Schildchen trägt um den Stiel herum zahlreiche Sporensäcke. Jedes entspricht seiner Entstehung nach einem Zahne eines Blatt- quirles. Die Zellenstammbäume der einzelnen Schildchen lassen sich also in ähnlicher Weise von der Scheitelzelle des Sprosses ab- leiten, wie im vegetativen Theile, und in derselben Weise lässt sich für jede einzelne Spore ihre Abstammung bis zu jener zurückführen. Diese Linien nennen wir wiederum Aeste, alle zu den anderen Zellen 62 INTRACELLULARE PANGENESIS. des Sporangiumstandes führenden Folgelinien aber Zweige. Denn auch hier besitzen diese Aeste das Vermögen der Fortsetzung des Stammbaumes, die Zweige aber nicht. Die Sporen liefern bei der Keimung die männlichen und die weib- lichen Prothallien, die ersteren tragen nur die männlichen Ge- schlechtsorgane oder Antheridien, die letzteren nur die weiblichen oder Archegonien. In ihren Zellularstammbäumen denken wir uns wieder diejenigen Zellenfolgen, welche zu den Eizellen resp. zu den Spermatozoiden leiten, durch dickere, grade gezogene Linien be- zeichnet. Diese sind für uns die Aeste, alles übrige sind Zweige. Wir sind am Ende unserer Skizze angelangt ®), indem wir den reich- verzweigten Weg von der befruchteten Eizelle zu den neuen Keim- zellen durchgemacht und seine zahllosen Seitenstrassen betrachtet haben. Ueberblicken wir das Ganze noch einmal, so sehen wir, dass durch das Hervortreten der Aeste gegenüber den Zweigen das Bild, trotz der grossen Komplikation, doch einfach und klar wird. Unter den Aesten aber haben wir wieder zu unterscheiden gehabt zwischen den fertilen und den sterilen. Nur die ersteren führen schliesslich wieder zu Eizellen resp. zu Spermatozoiden, d. h. also zu neuen Individuen; die sterilen Aeste thun dies nicht. Sie ver- halten sich also den fertilen gegenüber im Grunde wie die Zweige; an dem Stammbaum der Sippe nehmen sie keinen Antheil. § 4. Die Hauptzüge in den Zellularstammbäumen. Für diejenigen Zellenfolgen, welche im Zellularstammbaume von der befruchteten Eizelle durch das Individuum hindurch auf die folgende Generation hinüberleiten, möchte ich im Anschluss an Weismann’s klare Darlegungen den Namen der Keimbahnen wählen. Dieser Begriff entspricht also genau den „fertilen Aesten‘“ des Zellenstammbaumes im oben gewählten Beispiel. Wir wollen für sie im Folgenden diese kürzere Bezeichnung beibehalten und alle übrigen Generationsfolgen von Zellen, sowohl die ,,sterilen Aeste“, wie die „Zweige“ unseres Beispiels ihnen gegenüber somatische Bahnen nennen. Eine Keimbahn führt also in unserem Zellenstammbaum stets von der befruchteten Eizelle zur neuen Ei- resp. Spermazelle; wir denken sie in unserem Bilde möglichst grade ausgezogen und klar ı) Die Vermehrung auf vegetativem Wege habe ich hier nicht be- sprochen, um das Beispiel nicht zu kompliziren; ich komme hierauf im nächsten Paragraphen zurück. INTRACELLULARE PANGENESIS. 63 hervortretend. Somatische Bahnen fangen an allen Punkten der Keimbahnen an, und führen, reich verzweigt, zu sämmtlichen vegetativen Zellen des Körpers. Die Zellen, welche auf den Keim- bahnen liegen, kann man Keimbahnzellen, oder mit Jäger phylo- genetische, oder vielleicht noch bezeichnender phyletische nennen. Sie sind dadurch hinreichend von den ontogenetischen oder soma- tischen Zellen unterschieden. Es leuchtet ein, dass die eingeführten Unterscheidungen, und somit auch die Namen und ihre Definitionen rein beschreibender Natur sind. Ob sie richtig sind, kann keiner Frage unterworfen sein, denn sie sind völlig willkürlich. Es fragt sich nur, ob sie praktisch sind, d. h. ob sie uns zu einer klaren Einsicht führen können. Dem Begriffe der Keimbahnen dürfen wir keine theoretische Be- deutung unterschieben wollen. Denn sonst würde die Definition keine völlig scharfe sein. Weismann’s Keimzellen fallen somit auch mit unseren Keimbahnzellen nur in der Hauptsache, und nicht überall zusammen. Es zeigt sich dieses zumal in dem Umstande, dass nach ihm häufig die Geschlechtszellen von den Körperzellen abgespalten werden, und dass er der Thatsache, dass die Abspaltung in einigen Gruppen des Thierreiches früher, in anderen später ein- tritt, ausführliche Besprechung widmet!). In meinem Bilde aber werden nie Geschlechtszellen von den somatischen abgespalten, sondern die Hauptlinien stets durch die Vorfahrenreihen der Keimzellen gezogen. Demzufolge spalten diese die sämmtlichen somatischen Zellenreihen ab. Man sieht, es handelt sich nur um die Wahl der Hauptlinien für das Bild, nicht um die Auffassung der Thatsachen. Aber bei meiner Wahl wird das Bild einfach und klar, und der Hauptsache nach dasselbe für Pflanzen, wie für Thiere. Die Keimzellen der Hydroiden und Phanerogamen werden meiner Ansicht nach nicht, wie Weismann annimmt, vom Metazoon selbst abgeschieden?), sie werden, wie bei allen übrigen geschlechtlich differenzirten Heteroplastiden, auf den Keimbahnen gebildet. Nur dass die Zahl der Zelltheilungen, welche auf dieser Bahn ihrer Entstehung vorangehen, hier eine sehr grosse ist. Nie entsteht, nach meiner Definition, eine Keimbahn aus einer somatischen Bahn. Eine Kontinuität der Keimzellen findet für mich nicht etwa in den allerseltensten Fällen statt’), sondern ist überall ı) Weismann, Zur Frage nach der Unsterblichkeit der Einzelligen. Biolog. Centralbl. IV. Bd. Nr. 21,22 S. 683 ff. 2) le. S2085: 3) Weismann, Die Kontinuität des Keimplasmas S. 11. 64 INTRACELLULARE PANGENESIS. und ausnahmslos, wenn auch oft auf langem Wege, durch die Keim- bahnen gegeben. Die ganze Frage, ob somatisches Plasma sich in Keimplasma verwandeln kann!), entbehrt daher bei meiner Auf- fassung der thatsächlichen Grundlage. Allerdings ist es nicht immer leicht, zu entscheiden, ob eine Bahn als somatische oder als Keim- bahn anzusehen ist, wie im nächsten Kapitel gezeigt werden wird. Für eine klare Auffassung der Erscheinungen der Erblichkeit scheint mir der Begriff der Keimbahnen, wie er oben umschrieben wurde, von prinzipieller Bedeutung zu sein. Denn die Naturzüchtung operirt nur scheinbar mit den Qualitäten des fertigen Organismus, in Wahrheit aber mit den in den Keimzellen verborgenen Anlagen dieser Eigenschaften?). Dieser wichtige Satz ist durch die Erfah- rungen der Thier- und Pflanzenzüchter über allen Zweifel erhoben worden. Vilmorin unterschied bei seinen Züchtungsversuchen die Individuen, welche in höherem, von denjenigen, welche in ge- ringerem Maasse die Fähigkeit hatten, ihre sichtbaren Eigenschaften auf ihre Nachkommen zu übertragen®). Die ersteren nannte er bons etalons, nur sie wählte er zur Zucht aus. Aber ob eine Pflanze zu dieser bevorzugten Gruppe gehörte, konnte an ihr selbst nicht gesehen werden. Darüber entschied erst ihre Nachkommenschaft, und nach dieser richtete denn auch der grosse Züchter die Wahl seiner Stammpflanzen. Der Körper des Individuums ist somit nur eine einseitige und höchst unvollständige Abspiegelung der in seinen Keimbahnen ver- tretenen Anlagen. Aber wenn man aus seinen Samen Hunderte und Tausende von Exemplaren erzieht, so liefern diese ein so viel- seitiges Bild, dass das Mittel als Kriterium jener latenten Merkmale betrachtet werden darf. Weitaus die meisten erblichen Anlagen gelangen nur in den soma- tischen Bahnen zur Entfaltung, nur hier werden uns die entsprechen- den Eigenschaften des Organismus sichtbar. Aber die Ueberlieferung eines Charakters und seine Entwickelung sind, wie Darwin sagt, distincte Vermögen *), welche nicht nothwendig mit einander parallel laufen. Die Ueberlieferung geschieht in unsichtbarer Weise auf den Keimbahnen, die Entwickelung zumeist auf den somatischen Bahnen. i) Lic. 19752: 2) Weismann, Ueber die Vererbung S. 56. 3) L. Lévéque de Vilmorin, Notices sur l'amelioration des plantes par le semis, Nouvelle Edition 1886 p. 44. 4) Darwin, Variations II S. 368, INTRACELLULARE PANGENESIS. 65 Nur mit Vorsicht dürfen wir die letzteren zur Beurtheilung der ersteren verwenden. Im folgenden Artikel werde ich die Keimbahnen und die soma- tischen Bahnen in den Zellularstammbäumen der höheren Pflanzen eingehender betrachten. Ich werde die ersteren dabei eintheilen in Haupt- und Nebenkeimbahnen. Beide leiten von der befruch- teten Eizelle zur neuen Ei- resp. Spermazelle. Die ersteren aber auf dem kürzesten Wege, das heisst in gewöhnlichen Fällen innerhalb Eines Individuums, und beim Generationswechsel durch die von dieser vorgeschriebenen, wohl meist geringen Anzahl von Indi- viduen. Die letzteren aber führen auf Umwegen zum Ziel, mittelst vegetativer Vermehrung, z. B. durch Adventivknospen. Sie können oft anscheinend unbegrenzte Reihen von Individuen durchlaufen, ehe sie wieder zur Eizelle zurückkehren. Zweites Kapitel. Spezielle Betrachtung der einzelnen Bahnen. § 5. Die Hauptkeimbahnen. Hauptkeimbahnen nenne ich die Generationsfolgen von Zellen, welche von der befruchteten Eizelle, in dem normalen Entwickelungs- gang des Organismus, zu den neuen Keimzellen (Eizellen, Sperma- tozoen, Pollenkörnern) führen. Sie sollen den Gegenstand dieses Paragraphen darstellen. Die durch adventive Knospen leitenden Nebenkeimbahnen aber sollen im nächsten Paragraphen ihre Be- sprechung finden. Die Hauptkeimbahnen bilden also die üblichen, oder doch die kürzesten von den üblichen, Wege von der einen zu der nächstfol- genden Generation von Eizellen. Sie sind nie völlig unverzweigt, denn auf ihrer Verzweigung beruht die normale Vermehrung der Art. Sie geben wohl stets auf ihrer ganzen Länge somatische Zweige ab. Aber die Art und Weise ihrer Verzweigung, die Anzahl, Lage und relative Bedeutung der einzelnen somatischen Bahnen ist vielfacher Abwechslung unterworfen. Als extreme Fälle gelten einerseits das bekannte Beispiel von den Dipteren, andererseits die Wirbelthiere, und beiden gegenüber- stehend die höheren Pflanzen und die Korallen. Bei den Dipteren entwickeln sich einzelne unter den ersten Zellen, welche sich über- haupt im Ei bilden, zu den Sexualdrüsen des Kéfpers. Die Anfangs- zellen für nahezu den ganzen Körper werden also bereits bei den 5 66 INTRACELLULARE PANGENESIS. ersten Theilungen von der Keimbahn abgespalten; diese bildet nach- her nur noch die in den Sexualdrüsen liegenden somatischen Bahnen. Den Dipteren schliessen sich die Daphnoiden und Sagitta an, für deren ganzen Körper, mit Ausnahme der Fortpflanzungsorgane, die Anfangszellen gleichfalls sehr frühe und mittelst einer relativ geringen Anzahl von Zelltheilungen von der Keimbahn abgespalten werden. Bei den Wirbelthieren durchläuft die Keimbahn, behufs der Bildung des Körpers, wohl Hunderte von aufeinanderfolgenden Zelltheilungen, bevor sie zu der Entwickelung der Sexualorgane schreitet. Die den Körper zusammensetzenden somatischen Bahnen ent- springen also, wenn wir die Sexualorgane ausser Betracht lassen, bei den Dipteren als einziger Zweig, bei den Daphnoiden und bei Sagitta als einige wenige, bei den Wirbelthieren aber als sehr zahl- reiche Zweige aus der Keimbahn. Aber stets sind die sämmtlichen Bahnen für den Körper gebildet, bevor, im Gebiete der Sexual- organe, die Keimbahn sich in gleichwerthige Aeste zu spalten anfängt. Hierin liegt nun der Unterschied zwischen den höheren Thieren und den Pflanzen. Denn bei diesen letzteren spaltet sich die Keim- bahn schon sehr frühe, und die Hauptmasse der somatischen Bahnen entspringt nicht dem unverästelten Hauptstamme der Keimbahn, sondern zum wesentlichsten Theile den Keimbahnästen. Das Bild des Stammbaumes fällt hier mit dem Bilde des reichverästelten Organismus selbst zusammen, es bedarf nicht einer eingehenden Schilderung. Aehnlich verhält es sich bei den Kolonien bildenden Polypen. Am klarsten wird der Unterschied, wenn wir in das Bild nur die Keimbahnen eintragen, die somatischen Bahnen aber weglassen. Der Zellularstammbaum eines höheren Thieres steht dann als ein grader, nur an seinem Gipfel ein wenig verästelter Baum da, wäh- rend der der höheren Pflanzen von seinem Ursprunge ab so reich und wiederholt verzweigt ist, dass der Hauptstamm von seinen Aesten oft weit überragt wird, und im Bilde nicht selten in den Hinter- grund tritt. Oder richtiger gesagt, dass ein eigentlicher Hauptstamm nicht, oder kaum vorhanden ist. § 6. Die Nebenkeimbahnen. Den höheren Thieren fehlen die Nebenkeimbahnen, im Pflanzen- reich sind sie weit verbreitet. Es ist zumal dieses Verhältniss, welches das Studium der Zellularstammbäume im Pflanzenreich so viel fruchtbarer macht als im Thierreich, und die Einwürfe, welche von INTRACELLULARE PANGENESIS. 67 Sachs, Strasburger und anderen Botanikern gegen Weismann’s Auf- fassung gemacht worden sind, betreffen im Wesentlichen den Um- stand, dass Letzterer den Nebenkeimbahnen nicht in gebührender Weise Rechnung getragen hat. Denn die Nebenkeimbahnen lassen sich keineswegs als Ausnahmen betrachten. Keinem Baume, keinem Strauche fehlen sie. Unter den perennirenden Gewächsen sind sie, wenn nicht allgemein, so doch wenigstens äusserst verbreitet, und nur die ein- und zwei- jährigen Arten pflegen dieser Art der Fortpflanzung zu entbehren. Andererseits weisen die adventiven Bildungen so viele Formen, so hohe Differenzirungen und so schöne Anpassungen auf, dass sie auch in dieser Hinsicht kaum den Hauptkeimbahnen gegenüber in den Hintergrund treten. Drei Fälle sind für unseren Zweck auseinander zu halten: 1. Es können sich nahezu sämmtliche Zellen des Körpers zu neuen Individuen entwickeln. 2. Adventivknospen entstehen nur aus bestimmten, dazu vor- gebildeten Zellengruppen oder Zellenzügen, und zwar: a. aus meristematischen Geweben, b. aus erwachsenen Zellen. Die Regenerationserscheinungen der Thallophyten und Muscineen sind in den letzten Jahren wiederholt Gegenstand der Untersuchung gewesen, und es hat sich für sie die Ueberzeugung gewurzelt, dass wenigstens in manchen Fällen nach einer Verstümmelung jede oder doch fast jede unverletzt gebliebene Zelle zu einem neuen Indi- viduum auswachsen kann. Pringsheim untersuchte die Laubmoose, Vöchting die Lebermoose, Brefeld die Pilze!). Kultivirt man ab- geschnittene Stücke dieser Gewächse unter günstigen Bedingungen weiter, so kann man aus jedem, nicht zu kleinen Theile eine Pflanze erziehen. Die Stiele und Hüte der Pilze treiben aus den Schnitt- flächen neue Hüte hervor, die Laubmoose bilden Knospen aus jeder beliebigen Zelle der Wurzeln, Blätter und Sprosse, ja sogar aus der Sporenfrucht und aus deren Stiel. Zunächst wachsen die Zellen dabei zu dem fädigen Protonema aus, auf welchem dann die Laub- knospen in üblicher Weise entstehen können. Die Marchantiaceen ı) N. Pringsheim, Ueber Sprossung der Moosfrüchte in Jahrb. für wissenschaftl. Bot. Bd. XI S. 1. O. Brefeld, Botanische Untersuchungen über Schimmelpilze Bd. I. H. Vöchting, Ueber die Regeneration der Marchantiaceen in Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XVI S. 367. 5* 68 INTRACELLULARE PANGENESIS. kann man nach Vöchting zu einem feinen Häcksel zerschneiden, jedes Stückchen, welches nur so viele unverwundete Zellen hat, dass es sich am Leben erhalten kann, bildet eine neue Pflanze. Für die Marchantia polymorpha kann ich diese Beobachtung aus Sean Erfahrung bestätigen. In diesen Fällen bilden also sämmtliche, oder nahezu sämmtliche Verzweigungen des Zellularstammbaumes entweder Haupt- oder doch Nebenkeimbahnen. Somatische, d. h. nothwendig sterile Zweige sind für sie nicht nachgewiesen, wenn auch möglicherweise vorhanden. Dieser Fall, der für Weismann eine Ausnahme bildet, und eine besondere Annahme zu ihrer Erklärung verlangt), ist für uns nur ein Extrem in der reichen Fülle der Bilder. Die zweite Gruppe der Nebenkeimbahnen, die Adventivknospen aus meristematischen Geweben, ist im Pflanzenreich weitaus am meisten verbreitet. Adventivknospen entstehen theils direkt aus den normalen meristematischen Geweben, theils durch Vermittelung des zur Verschliessung von Wunden führenden Callusgewebes. Diejenigen, welche aus Stämmen oder Aesten entstehen, werden ge- wöhnlich zu neuen Zweigen des sie tragenden Individuums, die blattbürtigen und die Wurzelknospen aber meist zu neuen Pflänzchen. Knospenbildung aus Callus findet man vorwiegend bei holzigen Gewächsen, und fast jeder Theil eines Astes oder einer Wurzel kann, zum Steckling abgeschnitten oder sonst verletzt, aus den jugend- lichen Zellen der zwischen Holz und Rinde liegenden cambialen Zone jenes undifferenzirte, wie Tropfen einer dickflüssigen Substanz hervorquellende Gewebe entwickeln, in welchem sich nachträglich Kork, Rinde und Holz, sowie auch die Anlagen zahlreicher Knospen ausbilden. Je nach Umständen werden die Knospen zu Wurzeln oder zu beblätterten Zweigen, gewöhnlich ergänzen sie dabei dem Individuum die fehlenden Glieder. Da, soviel wir wissen, jede Zelle des Cambiums zum Callus bei- tragen und in diesem die Mutterzelle einer Knospe liefern kann, so müssen wir das ganze Cambium als Nebenkeimbahn bezeichnen, eine Keimbahn, welche so reich verästelt ist, wie der Zellenstamm- baum des betreffenden Cambiums selbst, und welcher die normalen Produkte seiner Thätigkeit, Holz und Rinde, als zahllose somatische Zweige trägt. Jedoch ist zu beachten, dass manchen Zellen des Holzes und der Rinde noch während längerer oder kürzerer Zeit das Vermögen verbleibt, zur Bildung des Callus beizutragen, und 1) Weismann, Die Kontinuität des Keimplasmas S, 68. INTRACELLULARE PANGENESIS. 69 wohl auch Mutterzellen von Callusknospen zu liefern!). Die Grenze zwischen Nebenkeimbahnen und somatischen Bahnen ist hier somit in hohem Grade verwischt, vielleicht gar nicht nachweisbar. Callusknospen findet man auch bei vielen krautigen Pflanzen. Auch auf Blättern sind sie nicht selten, bilden dann aber gewöhn- lich neue bewurzelte Pflänzchen. Adventive Knospen auf Blättern sind bei den Farnen sehr häufige Erscheinungen. Bei den Phanerogamen entstehen sie, am Grunde abgetrennter Blätter, namentlich bei den Zwiebelgewächsen und den Crassulaceen. Sehr bekannte Beispiele liefern ferner Bryo- phyllum calycinum, Cardamine pratensis und Nasturtium officinale?). Dass in allen diesen Fällen in jedem Blatte eine, meist reich ver- zweigte Keimbahn vorhanden ist, kann keinem Zweifel unter- worfen sein. Wurzelknospen sind wohl die gewöhnlichsten, und jedenfalls die am ausführlichsten und gründlichsten untersuchten adventiven Knospen®). Und da viele Blätter, genau wie die Stecklinge aus Stäm- men und aus Wurzeln, sich, nachdem sie von der Pflanze abgetrennt worden sind, bewurzeln und durch diese Wurzeln wieder neuen Pflänzchen das Leben schenken können, so ist die Bedeutung der Wurzelknospen kaum zu überschätzen. Manche Pflanzen, wie die Monotropa, vermehren sich ausser durch Samen nur durch sie, andere, wie Rumex Acetosella und die Disteln, werden durch sie zu den zähesten Unkräutern. Für sämmtliche Arten, welche dieses Vermögen besitzen, dürfen wir also sagen, dass auch ihr Wurzelsystem im Zellularstammbaum eine vielverzweigte Keimbahn mit ihren somatischen Zweigen vorstellt. Gern würde ich dieses reichhaltige und verlockende Gebiet noch weiter betreten. Der in der Literatur bewanderte Leser wird aber meiner Führung nicht bedürfen, um sich das Bild der Nebenkeim- bahnen im Zellularstammbaum auszumalen und zu der Einsicht zu ı) Dieser Punkt ist allerdings noch eingehender Untersuchung bedürftig. 2) Aus der reichhaltigen Literatur dieses Gegenstandes citire ich: Regel, Vermehrung der Begonien aus ihren Blättern, Jenaische Zeitschrift f. Naturw. 1876 S. 478. Beyerinck, Over het ontstaan van knoppen en wortels uit bladeren, Ned. Kruidk’. Archief. III S. 1 1882 und J. H. Wakker, Onderzoekingen over adventieve knoppen, Amsterdam 1885. 3) Dieser Gegenstand ist in erschöpfender Weise behandelt von Dr. M. W. Beyerinck in seinen Beobachtungen und Betrachtungen über Wurzel- knospen und Nebenwurzeln. Verhandl. d. kon. Akad. v. Wetenschappen te Amsterdam 1886. 70 INTRACELLULARE PANGENESIS. gelangen, dass fast jeder grössere Ast dieses Baumes als eine Keim- bahn zu betrachten ist. Uns erübrigt noch der dritte Fall, der der adventiven Knospen aus erwachsenen Zellen. Die Nebenkeimbahnen laufen hier also durch ausgebildete Zellen, welche oft erst im vorgeschrittenen Alter dazu übergehen, sich zu verjüngen und zu Knospen auszuwachsen. Es ist das Beispiel der Begonien, das schon Darwin in seiner Pangenesis zur Erläuterung der fast allgemeinen Verbreitung der erblichen Eigenschaften über alle Theile des Pflanzenkörpers an- führte 1), und das von Sachs und Strasburger der Weismann’schen Theorie des Keimplasmas entgegengehalten wurde. Von Regel, Beyerinck und Wakker wurde diese Erscheinung eingehend studirt?), und sie scheint mir wichtig genug, sie hier in ihren Hauptzügen zu skizziren. Die Epidermiszellen der Blätter und Blattstiele, und bei manchen Formen (z. B. Begonia phyllomaniaca) auch die des Stammes und seiner Zweige, besitzen das Vermögen zu Knospen zu werden. Es sind nicht einzelne bevorzugte Stellen, wenigstens nicht auf den Blättern, sondern alle Zellen der Oberhaut in gleichem Maasse, namentlich diejenigen der Nerven. Legt man ein Stück eines Blattes in feuchter Luft auf Erde, nachdem man die Nerven an verschie- denen Stellen durchschnitten hat, so kann man nach einiger Zeit in der Nähe von jeder Wunde eine oder mehrere neue Pflänzchen finden. Die erste Anlage dieser ist eine wahre Verjüngung. Die inhaltsarme Oberhautzelle theilt sich, ohne zunächst an Grösse zuzunehmen, zu einem kleinzelligen Gewebekörper, in welchem man jetzt einen reichen protoplasmatischen Inhalt beobachtet. All- mählig wächst diese Neubildung nun hervor und differenzirt sich unter zahllosen weiteren Zelltheilungen zu einer Knospe. Diese Keimbahnen, welche durch eine erwachsene und sich ver- jüngende Zelle zu einer neuen Generation hinüberführen, werde ich, da sie wegen ihrer hohen theoretischen Bedeutung im Folgenden noch mehrfach Erwähnung finden werden, mit einem besonderen Namen belegen und pseudosomatische nennen. $ 7. Die somatischen Bahnen. Die Keimbahnen sind, wie Nussbaum es trefflich ausdrückt, „der kontinuirliche Grundstock der Art, von dem die einzelnen Indi- ı) Darwin, Variations 2. Ed. II S. 374. 2) W ec. INTRACELLULARE PANGENESIS. 71 viduen nach kurzem Bestehen, wie die Blatter eines Baumes, welkend abfallen“. Nur dass jedes Blatt dem Baume an einem Punkte an- geheftet ist, während die meisten Individuen aus den Produkten zahlreicher, nacheinander der Keimbahn entsprungener, soma- tischer Bahnen bestehen, und somit nicht ohne ein Stück des Grund- stockes abfallen können. | Die das Individuum zusammensetzenden somatischen Bahnen pflegen unter sich äusserst verschieden zu sein. Nicht nur morpho- logisch, in Hinsicht auf die Art der Zellen, Gewebe und Organe, zu denen sie leiten, sondern auch in ihrer Grösse und dem Grade ihrer Verzweigung. Die ganze oberirdische Pflanze von Equisetum in den ersten Lebensjahren stellt ein somatisches Zweigsystem vor. Die im Herbste abfallenden beblätterten Zweige von Taxodium, die Blätter aller jener Pflanzen, welche ihre Art durch diese Organe nicht zu reproduziren im Stande sind, sind weitere Beispiele. Von diesen zu den einzelligen, sich nicht weiter verzweigenden somatischen Bahnen, wie z. B. den vom Cambium abgeschiedenen Holzfasern mancher Bäume, giebt es eine ununterbrochene Reihe von Zwischen- stufen. Die somatischen Bahnen sind im Allgemeinen die Zellularstamm- bäume der einzelnen Zellen des erwachsenen Individuums, mit Aus- nahme der Keimzellen. Man kann sie für jede Zelle und jede Zellen- gruppe bis auf die Keimbahn zurückverfolgen, aus der sie ent- sprungen sind. Bei den Pflanzen sind wohl die sämmtlichen reich- verzweigten Haupt- und Nebenkeimbahnen auf ihrer ganzen Länge dicht mit solchen büscheligen Seitenzweigen besetzt. Diese geben unserem Bilde das charakteristische Aussehen. Bei den Dipteren entstammen sie, der Hauptsache nach, aus einem Punkte der Keim- bahn, und das Bild wird dadurch ein ganz anderes. Bei den höheren Thieren aber zweigen sie sich vom unverästelten Theile der Keim- bahn nach und nach ab, und übertreffen diese bei weitem in dem Reichthum der weiteren Verzweigungen. Die Zellen auf den somatischen Bahnen pflegen aus denselben protoplasmatischen Organen aufgebaut zu sein, wie die der Keim- bahnen. Nur dass diese Organe hier häufig anderen Funktionen an- gepasst sind, und somit auch andere Namen tragen. So gehen die Amyloplaste der Keimbahnzellen in manchen somatischen Ele- menten in Chlorophylikörner über. Die Veränderung ist aber ge- wöhnlich nicht nur eine speziellere Anpassung, sondern sogleich eine weitere Differenzirung. Namentlich finden wir die einzelnen Theile der Keimbahnzellen, Kern, Trophoplaste, Vacuolen, Körner- 72 INTRACELLULARE PANGENESIS. plasma und Hautschicht, fast ausnahmslos in allen somatischen Zellen zurück. Dieser allgemeinen Regel gegenüber sind nun einzelne Ausnahmen zu erwähnen. Ich sehe davon ab, dass zahlreiche Zellen, wie viele Holzfasern und die Stein- und Korkzellen, bald nach ihrer Aus- bildung absterben und ihren ganzen Protoplasten verlieren. Sie leisten dem Organismus ihre Dienste im todten Zustande und sind das extreme Beispiel einer Reduktion auf den somatischen Bahnen. Aber es kommen auch Fälle geringerer Reduktion vor. Oefters schwinden bei den Algen, wie Schmitz beschreibt, „im Innern von Zellen, die im Haushalt der ganzen Pflanze ausschliesslich für eine bestimmte Einzelfunktion ausgerüstet und angepasst werden, die Chromatophoren, deren es nicht mehr bedarf‘). Namentlich in den grösseren, reich gegliederten und hoch differenzirten Algen ist dieses nicht selten. Bisweilen, wie es scheint, in den innersten Gewebe- zellen, zumeist aber in den Haaren und Rhizoiden. Ein weiteres, lehrreiches Beispiel bilden die Sporenschläuche der Ascomyceten. In diesen keulenförmigen Zellen entstehen durch die Theilung des Kernes die Kerne für die einzelnen Sporen, die Mutter- zelle aber behält dabei nach den vorhandenen Angaben, keinen Kern. Nachdem die Sporen ausgebildet sind, ist die Mutterzelle somit zu einem kernlosen Protoplasten geworden, obgleich sie ihre Lebensaufgabe noch keineswegs vollendet hat, denn am Ausschleu- dern der Sporen hat sie sich noch kräftig zu betheiligen und dazu im Innern ihrer zahlreichen Vacuolen den erforderlichen osmotischen Druck zu erhalten. In unserem Zellularstammbaume bildet der reife Sporenschlauch den letzten somatischen Zweig der in seinen Sporen gipfelnden Keimbahn. Dieser Zweig ist einzellig, d. h. er braucht sich nicht weiter zu verzweigen. Was aber diesem Beispiele seinen Werth ver- leiht, ist die jetzige Auffassung von der Bedeutung des Kernes. Denn ist dieser der Sitz der latenten erblichen Eigenschaften, so dürfen wir annehmen, dass solche dem reifen Ascus fehlen. Und offenbar bedarf er ihrer zur Ausübung der ihm noch obliegenden Funktionen nicht, Wir haben hier also ein Beispiel einer somatischen Bahn ohne latente erbliche Eigenschaften. So sicher wenigstens, als die Be- obachtung solches beim gegenwärtigen Zustande der Wissenschaft überhaupt nachzuweisen vermag. Und es leuchtet ein, dass dieses ı) Schmitz, Die Chromatophoren der Algen 1882 S. 137. INTRACELLULARE PANGENESIS. 73 Beispiel uns die Vermuthung aufdrängt, dass auch auf manchen anderen somatischen Bahnen eine, wenn auch weniger weitgehende, Reduktion der erblichen Eigenschaften stattfinden könne. Da aber unsere Aufgabe war, Thatsachen zu gruppiren und keine Ver- muthungen aufzustellen, so dürfen wir hier diesen Punkt nicht weiter berühren. $8. Ueber den Unterschied zwischen somatischen Bahnen und Keimbahnen. In grossen Zügen liegt das Bild der Zellularstammbäume für die höheren Pflanzen jetzt vor uns. Und wer meiner Schilderung auf- merksam gefolgt ist, wird gesehen haben, dass das Bild ein rein em- pirisches ist, in welchem die hervortretenden Linien zwar will- kürlich gewählt, aber ohne jegliche Hypothese gezogen worden sind. Namentlich der Unterschied zwischen den somatischen und den Keimbahnen ist ein rein thatsächlicher, unserer jetzigen Kenntniss Rechnung tragender. Er beansprucht weiter nichts, als die An- deutung, ob irgend eine Zelle durch ihre Nachkommen zur Fort- pflanzung der Art beizutragen vermag oder nicht. Als Grundlage für theoretische Betrachtungen erhalten die Zellen- stammbäume aber erst dann ihren vollen Werth, wenn man sich über die Bedeutung des Unterschiedes zwischen somatischen und Keimbahnen klar geworden ist. Dieser Unterschied ist nicht etwa ein prinzipieller!), sondern nur ein gradueller. Solches wird uns am klarsten, wenn wir die Grenze genau zu bestimmen suchen. Wir werden dann finden, dass eine anscheinend ununterbrochene Reihe von Zwischenformen von den Keimbahnen zu den somatischen Bahnen hinüberführt. Im Zellularstammbaum der Einzelligen und der Homoplastiden sind sämmtliche Zweige Hauptkeimbahnen. Bei den nächsthöheren Gewächsen ist zwischen Haupt- und Nebenkeimbahnen zu unter- scheiden, und je höher der Organismus differenzirt ist, um so mehr treten die letzteren in den Hintergrund. Den höheren Thieren fehlen sie. Aber noch bei so hoch entwickelten Thallophyten, wie die Pilze, und sogar bei den Laub- und Lebermoosen scheint es, dass noch alle Zweige in unserem Bilde den Werth von Keimbahnen haben. Wenigstens sind sterile Seitenzweige, d. h. somatische Bahnen dort noch nicht nachgewiesen. Bei den Gefässpflanzen aber können ohne Zweifel die meisten Gewebezellen, wenigstens im 1) Weismann, Zur Annahme einer Kontinuität des Keimplasmas, Ber. d. Naturf. Ges. zu Freiburg Bd. I 1886 S. 7. 74 INTRACELLULARE PANGENESIS. ausgewachsenen Zustand, die Art nicht mehr reproduziren. Die somatischen Bahnen nehmen hier also an dem Bilde einen wichtigen Antheil. Vergleichen wir nun aber die somatischen Bahnen der Gefäss- pflanzen mit den Nebenkeimbahnen der Muscineen. Wäre uns die Bedeutung der letzteren nicht durch die Untersuchungen von Pringsheim und Vöchting bekannt, so würden wir wenigstens manche unter ihnen als somatische Bahnen bezeichnen. Denn nur die Frage, ob Reproduktionsvermögen vorhanden ist, oder nicht, entscheidet. Umgekehrt aber wird sich von manchen somatischen Zellen der Gefässpflanzen vielleicht später noch zeigen, dass ihnen dieses Ver- mögen doch zukommt, und was wir jetzt somatische Bahnen nennen, werden wir dann als Nebenkeimbahnen betrachten müssen. Die somatischen Bahnen sind offenbar phylogenetisch aus den Nebenkeimbahnen entstanden. Aber nicht plötzlich und mit einem Sprunge, sondern ganz allmählig. Der Verlust des Reproduktions- vermögens machte sie zu solchen. Damit ist aber nur eine Anpassung, keine prinzipielle Differenz gegeben. Allerdings können durch weitere Anpassung immer grössere Unterschiede entstanden sein; die An- wendung des Reproduktionsvermögens, anfangs auf seltene und immer seltenere Fälle beschränkt, kann schliesslich vollständig un- möglich geworden sein, indem nicht nur die adaptiven, sondern auch die inneren Bedingungen dazu verloren gingen. Zu den kernlosen Sporenschläuchen werden ja ohne Zweifel alle Uebergänge durch- gemacht worden sein, Aber weitaus die meisten somatischen Bahnen sind im Pflanzen- reiche den Nebenkeimbahnen offenbar noch so ähnlich, dass ein prinzipieller Unterschied zwischen ihnen nicht angenommen werden darf. Dieses zeigt sich am klarsten in jenen Fällen, wo morpho- logisch gleiche Organe unter verwandten Arten bei der einen nur aus somatischen Bahnen bestehen, bei der anderen aber neben diesen auch Nebenkeimbahnen enthalten. Das lehrreichste Beispiel sind die pseudosomatischen Keim- bahnen der Begonien!). Phylogenetisch sind diese offenbar aus solchen Bahnen entstanden, welche wir somatische nennen würden. Aber gerade der Umstand, dass auf dem Wege der Artbildung dieses Reproduktionsvermögen in Zellen auftreten kann, denen es bei fast sämmtlichen anderen Phanerogamen fehlt, lehrt uns, dass dieses Fehlen nur ein adaptives, ich möchte fast sagen, nur ein schein- 1): Vergl. S. 70. INTRACELLULARE PANGENESIS. 79 bares ist. Wir werden also dazu gezwungen, den Oberhautzellen der Blätter der Phanerogamen allgemein ein latentes Reproduktions- vermögen zuzuschreiben. Doch bleiben sie in unserem empirischen Bilde als somatische Bahnen verzeichnet. Aber dass der Unter- schied kein prinzipieller ist, scheint mir dabei völlig klar zu sein. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird übrigens durch die gar nicht seltenen Beispiele gewährt, wo Pflanzentheile, welche normal keine Knospen bilden können, solche in zufälligen Variationen oder in Varietäten hervorbringen. Blüthentragende Zweiglein hat man auf einem Blumenblatte einer Clarkia und einer Begonia, am Spindel des zusammengesetzten Laubblattes von Lycopersicum, auf den Blättern von Levisticum, Siegesbeckia, Rheum, Urtica und Cheli- donium beobachtet, und Caspary sah deren mehr als hundert auf einem Blattstiele von Cucumis. Die Blüthen auf den Spelzen der als Hordeum trifurcatum kultivirten Gerstenvarietät sind wohl Jedem bekannt. Manche Blätter können sich bewurzeln, wenn sie abgeschnitten und in feuchte Erde gesteckt werden. Diejenigen der Aucuba und von Hoya carnosa sah ich in dieser Weise über zwei Jahre am Leben bleiben, ohne Knospen zu bilden; einige sollen selbst an sieben Jahre in diesem Zustande gelebt haben. Ob aus den Wurzeln solcher Blätter je, sei es normal oder nach Verletzung, wieder Knospen entstehen, scheint nicht bekannt. Doch ist es gar nicht unmöglich, und verdient der ganze Fall überhaupt eingehender untersucht zu werden. Andere Blätter bewurzeln sich unter gleichen Umständen nicht und gehen einfach zu Grunde. Die der Crassulaceen und der Zwiebelgewächse treiben aber aus ihrer Basis Knospen hervor. Auch hier ist offenbar die Grenze zwischen somatischen Bahnen und Nebenkeimbahnen keine scharfe, jedenfalls keine prinzipielle. Schliesslich ist noch hervorzuheben, dass gar häufig das Repro- duktionsvermögen auf die Jugend beschränkt ist. Dieses zeigt sich am klarsten bei der Callusbildung der holzigen Gewächse, an der die älteren noch lebendigen Zellen der Rinde und des Holzes keinen Antheil zu nehmen pflegen. In den Blattstielen saftreicher Gewächse, wie Peperomyia, nehmen auch ausgewachsene Zellen an der Callus- bildung Antheil, jedoch, wie es scheint, nur in untergeordneter Weise. Vielleicht kommt weitaus den meisten somatischen Zellen der Pflanzen in ihrer Jugend dieses Vermögen zu, und die Grenze zwischen Nebenkeimbahnen und somatischen Bahnen würde da- durch noch mehr an Schärfe verlieren. 76 INTRACELLULARE PANGENESIS. ` § 9. Phyletische, somatarche und somatische Zelltheilung. Wir wollen jetzt die auf den einzelnen Bahnen liegenden Zellen selbst etwas eingehender betrachten. Bei den Homoplastiden haben alle Zellen und alle Zelltheilungen die gleiche Bedeutung. Die beiden aus einer Mutter entstehenden Tochterzellen haben denselben Werth. Bei den höheren Pflanzen sind aber solche Vorgänge relativ selten. Sie kommen wesentlich nur dort vor, wo eine Keimbahn sich in zwei gleichwerthige Aeste theilt, oder wo auf einer somatischen Bahn ein gleichförmiges Gewebe angelegt wird. Weitaus die meisten Theilungen liefern aber ungleiche Produkte; hierauf beruht ja die ganze Differenzirung. Wichtiger scheint mir die Unterscheidung zwischen phyletischen, somatarchen und somatischen Zelltheilungen. Phyletische sind offenbar solche, wo eine Keimbahnzelle sich in zwei Tochterzellen theilt, welche beide die Keimbahn, wenn auch auf verschiedenen Wegen, fortsetzen. Somatische Zelltheilungen sind sämmtliche Theilungen auf den somatischen Bahnen. Somatarche aber jene, durch welche eine solche Bahn angelegt wird, wo also aus der Theilung einer Keimbahnzelle einerseits eine die Keimbahn fort- setzende, und andererseits eine somatische Zelle entsteht. ` Dass bei den phyletischen Theilungen die erblichen Anlagen auf die beiden Tochterzellen übergehen, kann keinem Zweifel unter- worfen sein. Ebenso wenig, dass solches bei den somatarchen Theilungen für die die Keimbahn fortsetzende Tochterzelle der Fall ist. Ob es aber auch für die andere Schwester gilt, welche den An- fang einer somätischen Bahn bildet, darüber gehen die Meinungen noch auseinander. Und ob bei den somatischen Zelltheilungen neben der immer weitergehenden Anpassung und Spezialisirung der Zellen auch stets eine entsprechende Reduktion der latenten Anlagen ein- hergeht, soll im nächsten Kapitel besprochen werden. Hier ist noch hervorzuheben, dass die aus somatarchen Zell- theilungen hervorgehenden, aufeinanderfolgenden Generationen von Keimbahnzellen keineswegs unter sich gleich sind. Man hat sie bis- weilen alle als Keimzellen, oder auch als embryonale Zellen be- zeichnet. Dazu liegt aber im Pflanzenreich kein zwingender Grund vor. Allerdings sind sie alle darin gleich, dass sie Träger der sämmt- lichen erblichen Eigenschaften der Art sind. Aber nur im latenten Zustande. In Bezug auf ihre aktiven erblichen Eigenschaften können sie wesentlich verschieden sein. Und durchläuft die ganze Keim- bahn auch nicht eine so reiche Fülle von Formen und Anpassungen, INTRACELLULARE PANGENESIS. 77 wie sie uns die somatischen Zellen bieten, verglichen mit einer ein- zelnen, auch noch so reich verzweigten somatischen Bahn dürfte sie dieser an Abwechslung meist gar nicht nachstehen. Im Gegen- theil, grade das Vermögen, nach einander die verschiedensten so- matischen Bahnen aus sich hervorzubringen, deutet auf eine fort- währende Veränderung in ihrer Thätigkeit. Die Keimbahnzellen sind gar nicht immer solche, welche zeit- lebens im jugendlichen Zustande verweilen, oder welche zwischen rasch aufeinanderfolgenden Zelltheilungen nur ein kurzes indi- viduelles Leben haben. Die Prothallien der Farne und Equiseten bestehen aus grünen, kräftig assimilirenden Zellen, durch deren Theilung zunächst nur ihre Anzahl vergrössert wird, bis schliesslich aus einigen unter ihnen die Geschlechtsorgane hervorgehen. Die Zellen auf den Hauptkeimbahnen sind hier also durch kein sicht- bares Merkmal von den rein vegetativen Zellen unterschieden. Dasselbe gilt von den bereits mehrfach erwähnten pseudosomatischen Keimbahnen der Begonien. Ueberall tritt uns klar der oben citirte Ausspruch Darwin’s ent- gegen, dass die Ueberlieferung und die Entwickelung erblicher Eigenschaften differente Vermögen sind. Sie gehen im Zellular- stammbaume fast nirgendwo parallel. Drittes Kapitel. Weismann’s Theorie des Keimplasmas. $ 10. Die Bedeutung der Zellenstammbäume für die Lehre vom Keim- plasma. In den beiden ersten Kapiteln dieses Abschnittes habe ich die Zellenstammbäume für das Pflanzenreich eingehend geschildert, und um ein klares Bild zu entwerfen, bin ich gezwungen gewesen, eine Reihe neuer Namen anzuwenden. Die Thatsache, dass alle Zellen des ganzen Pflanzenkörpers durch Theilung entstehen, wird jetzt allgemein anerkannt, und damit wird die Möglichkeit der Auf- stellung der Zellenstammbäume selbstverständlich zugegeben. Auch haben verschiedene Forscher, sowohl von botanischer als von zoologischer Seite, auf den wissenschaftlichen Werth solcher Be- trachtungen hingewiesen. Die Ausarbeitung des Bildes schien mir aber, wie bereits im An- fange dieses Abschnittes bemerkt wurde, deshalb unerlässlich, weil bis jetzt die höheren Thiere bei Betrachtungen dieser Art in den 78 INTRACELLULARE PANGENESIS. Vordergrund gestellt worden sind, und weil dieses nur zu leicht zu einer einseitigen Auffassung führt. Denn hier ist der Unterschied zwischen den Keimzellen und den Körperelementen ein so grosser, dass er nur zu leicht den Eindruck eines prinzipiellen Gegensatzes macht. Dieser Gegensatz ist von Weismann in seinen anziehenden Speku- lationen über die ‚sterblichen‘ Körperzellen und die ,,unsterb- lichen“ Keimzellen scharf betont worden!), und bildet zu einem grossen Theile die Grundlage für seine Theorie des Keimplasmas. Diese Lehre und die darauf gegründete Hypothese der Ahnen- plasmen haben wir bereits im ersten Theile einer Kritik unterworfen. Bei jener Gelegenheit (S. 40) habe ich darauf hingewiesen, dass sie auch einer eingehenden Betrachtung der Zellenstammbäume gegen- über nicht aufrecht erhalten werden kann. Jetzt, nachdem wir diese eingehender haben kennen gelernt, ist es somit unsere Aufgabe, diesen Anspruch zu begründen zu suchen. Die wahre Bedeutung des Unterschiedes zwischen Keimbahnen und somatischen Zellen kann man nur dann richtig beurtheilen, wenn man den ganzen Reichthum der Verästelungen eines hoch- differenzirten Zellenstammbaumes überblickt. Und nur bei den Pflanzen erreicht diese Differenzirung den höchsten Grad. Zahllose Zwischenformen führen hier mit fast unmerklichen Uebergängen von der Hauptkeimbahn auf die somatischen Bahnen hinüber. Grade aus diesem Grunde habe ich auf die Behandlung der Neben- keimbahnen besonderes Gewicht gelegt. Sie fehlen den höheren Thieren. Im Pflanzenreich sind sie in allen Abstufungen vorhanden. Eine scharfe Grenze zwischen ihnen und den Hauptkeimbahnen nachzuweisen, habe ich nicht versucht; ein solcher Versuch würde an denselben Schwierigkeiten scheitern, welche die genaue Um- grenzung des Begriffes Individuum unmöglich machen. Man muss sich hier mit einer willkürlichen Grenze behelfen und wählt dazır diejenige, welche die bequemste zu sein scheint. Ganz anderer Art sind die Schwierigkeiten, welche uns auf der Grenze zwischen Nebenkeimbahnen und somatischen Bahnen be- gegnen. Hier sind sie in der Unvollständigkeit unserer Kenntnisse begründet. Somatische Bahnen nenne ich solche, welche zur Fort- pflanzung der Art nicht führen. Aber manche Zelle, mancher Gewebekomplex, welchen wir aus diesem Grunde jetzt somatisch ı) Weismann, Ueber die Dauer des Lebens 1882; Ueber Leben und Tod 1884. INTRACELLULARE PANGENESIS. 79 nennen, wird sich bei späteren Versuchen als mit dem Vermögen der Reproduktion ausgestattet zu erkennen geben. Die Gruppe der pseudosomatischen Bahnen möge als Beispiel erwähnt werden !), und auf weitere Beispiele komme ich im letzten Paragraphen dieses Abschnittes zurück. Keimzellen und somatische Zellen stehen im Pflanzenreich somit nicht in prinzipiellem Gegensatz. Sie sind die Extreme einer langen Reihe von graduellen Unterschieden. Diesen Satz betrachte ich als eins der wichtigsten Ergebnisse der Betrachtung pflanzlicher Zellen- stammbäume. Sachs, Strasburger und Andere haben die Bedeutung dieses Satzes hervorgehoben, und es scheint mir, dass die voran- gehenden ausführlichen Schilderungen dazu werden beitragen können der Ueberzeugung von seiner Richtigkeit allgemeinen Eingang zu verschaffen. Auf den Gegensatz zwischen Keimzellen und somatischen Zellen hat Weismann seine Theorie des Keimplasmas gegründet. Dieses ist der stoffliche Träger der erblichen Anlagen, und muss somit in allen Keimzellen vorhanden sein. Aber nach Weismann braucht es nur in diesen erhalten zu werden, den somatischen Zellen darf es fehlen. Denn diese können die Art doch nicht reproduziren; sie sind auf die Entfaltung einer beschränkten Zahl erblicher Anlagen be- schränkt. Sie brauchen somit nur den dazu erforderlichen Theil des Keimplasmas zu enthalten. Diese Erwägungen führen Weismann dazu, das Keimplasma als eine besondere Substanz zu betrachten, welche, im Gegensatz zum übrigen oder somatischen Plasma, der Träger der Erblichkeit ist. Im ersten Theile haben wir gesehen, wie uns die Theorie des Keim- plasmas bei der Erklärung der Organdifferenzirung im Stich lässt. Dort reicht die Annahme Einer Substanz nicht hin; besondere stoffliche Träger der einzelnen erblichen Anlagen, die sogenannten Pangene, waren zur Erklärung erforderlich. Ihre Annahme machte aber die Annahme des Keimplasmas mit deren Konsequenzen über- flüssig. Jetzt haben wir nachgewiesen, dass die empirische Grundlage für die Annahme des Keimplasmas, welche ja im prinzipiellen Gegen- satz von Keim- und somatischen Zellen liegen sollte, nur eine schein- bare ist und bei einer möglichst eingehenden und allseitigen Behand- lung der Zellularstammbäume verschwindet. Die Annahme des Keimplasmas können wir also auch von dieser ı) Vergl. dieses Kapitel $ 6 S. 70. 80 INTRACELLULARE PANGENESIS. Seite nicht als berechtigt anerkennen. Denn wollten wir allen Zellen des ganzen Organismus Keimplasma zuschreiben, so würde die Hypo- these dadurch überflüssig und die Bezeichnung nahezu gleichbe- deutend mit Kernplasma werden, Diese allgemein gehaltenen Auseinandersetzungen möchte ich in den beiden folgenden Paragraphen dieses Kapitels mehr in’s Einzelne verfolgen. s 11. Die Ansichten der Botaniker. Dass sämmtliche Keimbahnzellen die erblichen Eigenschaften ihrer Art, aktiv oder latent, in sich enthalten müssen, darüber kann ein Zweifel wohl nicht obwalten. Wie sich aber in dieser Beziehung die somatischen Zellen verhalten, lässt sich im Grossen und Ganzen durch das Experiment nicht entscheiden. Namentlich nicht im ver- neinenden Sinne, denn das Fehlen latenter erblicher Eigenschaften ist wohl nie experimentell zu beweisen. Höchstens machen die ganz vereinzelten kernlosen Zellen kernhaltiger Organismen eine Aus- nahme. Positive Versuchsergebnisse aber führen meistens dazu, die untersuchten, bis dahin somatisch genannten Zellen als Elemente einer Nebenkeimbahn erkennen zu lassen. Sie verschieben also die Grenze, entscheiden die Frage aber nicht. Dennoch ist die Frage, wie wir im vorigen Paragraphen gesehen haben, von hoher theoretischer Bedeutung. Und so lange über- haupt über diesen Punkt nachgedacht worden ist, sind die Botaniker der Meinung gewesen, dass sämmtliche, oder doch wenigstens weit- aus die meisten Zellen des Pflanzenkörpers in Bezug auf die latenten Eigenschaften gleich begabt sind. Turpin und Schwann, später Müller und Hanstein, in den letzten Jahren vor Allen aber Vöchting haben zur Vertheidigung und Entwickelung dieser Ansicht die Feder ergriffen. Dieser herrschenden und so vielfach begründeten Lehre trat im Jahre 1885 Weismann entgegen. Er stellte seine bekannte Theorie über die Kontinuität des Keimplasmas auf und suchte dadurch eine Grundlage für eine Theorie der Vererbung zu schaffen. Keimplasma nennt Weismann den stofflichen Träger der erb- lichen Eigenschaften in ihrer Gesammtheit, also mit Einschluss der latenten. Somatisches Plasma dagegen die Träger der in der be- treffenden Zelle aktiven Eigenschaften. Keiner Zelle fehlt somit somatisches Plasma, denn alle sind in gewissem Grade, sei es auch nur zur weiteren Theilung, aktiv. Das Keimplasma aber soll nach ihm auf diejenigen Zellen beschränkt sein, welche damit beauftragt INTRACELLULARE PANGENESIS. 81 sind, die erblichen Eigenschaften auf die späteren Generationen zu übertragen. Den eigentlichen somatischen Zellen soll es fehlen. Innig mit dieser Auffassung verbunden ist für Weismann der Satz, dass der Charakter einer jeden Zelle durch ihren Kern bestimmt wirdt). Das spezifische Wesen einer Zelle beruht nach ihm in der Molekülarstruktur ihres Kernes, jede histologisch differenzirte Zell- art besitzt somit ihr spezifisches Kernplásma?). Identisches Nucleo- plasma bedingt ceteris paribus auch identische Zellkörper; bei jeder somatarchen Zelltheilung und ebenso bei den meisten somatischen Theilungen muss sich somit das Kernplasma in zwei ungleiche Hälften spalten, indem jeder Tochterzelle nur derjenige Theil der erblichen Eigenschaften beigegeben wird, dessen sie zur Erzeugung ihrer Nachkommenschaft bedarf*). Ist letztere unbegrenzt, wie auf den Keimbahnen, so erhält der Kern das volle Keimplasma; da aber die Nachkommenschaft einer somatarchen Zelle begrenzt und in ihrem morphologischen und physiologischen Entwickelungskreis be- schränkt ist, so bekommt sie auch nur den entsprechenden Theil der erblichen Eigenschaften. Somit kein wahres Keim-, sondern nur somatisches Plasma. Auf die Hypothese des Keimplasmas baut Weismann die des Ahnenplasmas, welche der Pangenesis direkt entgegengesetzt ist und im letzten Abschnitt des ersten Theiles einer Kritik unter- worfen wurde. Hier gilt es aber, die empirische Berechtigung der Grundlage jener Annahme möglichst allseitig zu beleuchten. Dass es Weismann nicht gelungen ist, die Botaniker zu überzeugen, zeigen die verschiedenen, namentlich von Sachs und Strasburger ihm gemachten Einwürfe. Diese laufen im Wesentlichen darauf hinaus, dass Weismann die Nebenkeimbahnen nicht hinreichend berücksichtigt hat, und sich dadurch hat verleiten lassen, einen schroffen Gegensatz zwischen Keimplasma und somatischem Plasma anzunehmen. Nun lehrt nicht nur das so wiederholt betonte Bei- spiel der Begonien, sondern die ganze so überaus reiche Lehre von den Adventivknospen, dass es zwischen Nebenkeimbahnen und somatischen Bahnen in der Pflanze nirgendwo eine scharfe Grenze giebt. Die letzteren sind nur ganz allmählig aus den ersteren ent- standen. Und wenn sie auch oft das Vermögen der Reproduktion thatsächlich verloren haben, so spricht doch Alles dafür, dass sie ı) Z. B. Kontinuität des Keimplasmas S. 30. 2): Lie. 9,70: 3) Vergl. auch den ersten Theil, Abschnitt II Kap. II § 6. 6 82 INTRACELLULARE PANGENESIS. es gar häufig potentiell noch besitzen. Mit anderen Worten, mit dem Verluste der Anpassung an die Reproduktion braucht der Verlust des Keimplasmas keineswegs nothwendig zusammen zu gehen. Vöchting hat in seinem Buche über Organbildung im Pflanzenreich vor etwa zehn Jahren die damals bekannten Thatsachen mit den Ergebnissen seiner eigenen reichen Erfahrung zusammengestellt. Am Schlusse des ersten Bandes diskutirt er die schwebende Frage eingehend. Die Experimente lehren direkt (S. 251), dass ‚in jedem auch nur kleinen Bruchstück der Glieder eines Pflanzenkörpers die Elemente ruhen, aus denen sich bei Isolirung der ersteren unter geeigneten äusseren Bedingungen der ganze komplexe Körper auf- bauen kann“. Allerdings gilt dieses nur unter der Bedingung, dass das Bruchstück eine Anzahl von Cambialzellen enthält. Auf dieser Grundlage wird nun die Frage diskutirt, „ob sich ein genügender Anhalt bietet, unseren Satz auf jeden beliebigen Komplex lebendiger vegetativer Zellen auszudehnen“. Diese Diskussion führt nun zu der Annahme, dass jede morphologische Gewebeform potentiell im Stande ist, Cambialzellen zu erzeugen, und somit den ganzen Organismus zu reproduziren. Da aber die Versuche bei Isolirung sehr kleiner Gewebeparthien auf unüberwindliche Schwierigkeiten stossen, und da andererseits das Vermögen der Reproduktion als Anpassung in vielen Geweben sehr wohl verloren gegangen sein mag, so wird selbstverständlich kein „strenger Beweis zu liefern versucht, sondern nur dargethan, dass eine sehr nahe liegende Annahme wahr- scheinlich richtig ist“). Diese Annahme aber ist, in der jetzt üblich gewordenen Sprache, keine andere als die, dass alle, oder doch weitaus die meisten Zellen des Pflanzenkörpers die sämmtlichen erblichen Eigenschaften der Art im latenten Zustande enthalten. Und diese selbe Annahme habe ich durch die eingehende Schilderung der Zellularstammbäume an der Hand der neuesten Untersuchungen über die Regenerationserschei- nungen soweit wie möglich empirisch zu begründen gesucht. Allerdings ist nicht zu leugnen, dass die Ansicht Weismann’s in der üblichen Oekonomie der Natur eine wichtige theoretische Stütze hat. Wozu zahllosen Zellen und langen Zellgenerationen Eigen- schaften mitzugeben, deren sie doch nie bedürfen werden? Doch ist nicht zu vergessen, dass eine solche Sparsamkeit vielleicht be- sondere Anpassungen erforderlich machen würde, und dass es somit im Grunde wohl einfacher sein könnte, in Bezug auf die latenten Lt. 82515258; INTRACELLULARE PANGENESIS. 83 Eigenschaften überhaupt keine Differenzen zwischen den einzelnen Zellen einzurichten. Ich möchte aber nicht so weit gehen, sämmtlichen somatischen Zellen alle latenten Eigenschaften zuzuerkennen. Erstens wäre eine solche Ansicht, wie im Anfang dieses Paragraphen betont wurde, einer experimentellen Beweisführung doch unfähig, und somit dauernd steril. Dann aber habe ich auf die kernlosen Ascusschläuche hingewiesen, welche wohl ohne Zweifel somatische Bahnen ohne latente erbliche Anlagen darstellen, und somit die Annahme einer Reduktion dieser Eigenschaften auf anderen Bahnen gestatten. Ueberhaupt ist eine in geringen Stufen fortschreitende Differenzirung und Spezialisirung auch hier, unserer ganzen jetzigen Auffassung der lebendigen Natur nach, weitaus wahrscheinlicher, als der schroffe von Weismann angenommene Gegensatz zwischen den auserkorenen Trägern der Erblichkeit, und den nur mit den überhaupt für ihre Funktionen erforderlichen Erbstücken ausgestatteten somatischen Zellen. Auch spricht sich Weismann, auf Grund der botanischen That- sachen, dahin aus, „dass er kein theoretisches Hinderniss sehe, warum Keimplasma nicht unter Umständen auch Zellen von aus- geprägtem histologischen Charakter, ja sogar allen Zellen der ganzen Pflanze beigemengt sein könnte“. Für die Lebermoose giebt er diesen Schluss, wohl beispielsweise, als richtig zut). Und je mehr man die Zellenstammbäume im Pflanzenreich studirt, um so mehr dringt sich uns die Ueberzeugung auf, dass ein prinzipieller Gegen- satz zwischen Keimbahnzellen und somatischen Zellen in der Natur nicht vorhanden ist. § 12. Entscheidung durch das Studium der Gallen. Mehrfach wurde im vorigen Paragraphen die Unmöglichkeit einer experimentellen Entscheidung, im Grossen und Ganzen, der schwe- benden Frage betont. Die Reproduktionserscheinungen an ab- geschnittenen Pflanzentheilen weisen bis dahin unbekannte Neben- keimbahnen auf, über die Natur der übrig bleibenden somatischen Bahnen lehren sie uns nichts. Das Experiment, welches wir nicht durchführen können, machen aber die gallenbildenden Parasiten in so grosser Abwechslung, dass ı) Zur Annahme einer Kontinuität des Keimplasmas, Berichte der Naturforsch, Ges. in Freiburg Bd. I Heft 1 1886 S. ro. 6* 84 INTRACELLULARE PANGENESIS. ein Blick auf ihre Produkte an dieser Stelle wohl gestattet sein mag. Die ausführlichen und eingehenden Untersuchungen Beyerinck’s haben unsere Kenntniss auf diesem Gebiet derart erweitert, dass die ganze Entwickelungsgeschichte, sowie der anatomische Bau im ausgewachsenen Zustand für alle wichtigeren Formen von Gallen klar vor uns liegt‘). Es haben sich dabei hauptsächlich zwei für unsern Zweck wichtige Sätze ergeben. Erstens sind die Gallen, auch bei höchster Differenzirung, nur aus solchen anatomischen Elementen aufgebaut, welche auch sonst in der sie tragenden Pflanze gefunden werden. Nur die eigenthümliche, sich später in ein dünn- wandiges Nahrungsgewebe verändernde Steinzellenschicht mancher Cynipidengallen macht eine bis jetzt nicht völlig erklärte, jedoch wohl nur scheinbare Ausnahme von dieser Regel. Zweitens aber haben die Pflanzen keine speziellen Anpassungen zum Zwecke der Gallenbildung; die Adaption liegt völlig auf der Seite des Parasiten, und dieser arbeitet nur mit den seinem Wirthe überhaupt zukom- menden Eigenschaften. Aber die Gallen sind keineswegs beschränkt auf die anatomischen Elemente der Organe, auf denen sie entstehen. Zellen, welche die Pflanze sonst nur in der Rinde ihres Stammes bildet, kann man häufig in denGallen blattbewohnender Cynipiden und Dipteren finden. Dasselbe gilt für die Gallen des Stammes und der Wurzel. Wir dürfen daraus ableiten, dass das Vermögen zur Hervorbringung dieser Elemente nicht nur jenen Organen eigen ist, welche sie im normalen Laufe entwickeln, sondern wohl auch allen übrigen Theilen der Pflanze. Ganz besondere Beachtung verdienen hier die Wurzeln, welche zur Bedeckung der Gallen von Cecidomyia Poae an einem Orte entstehen, wo im Laufe der normalen Entwickelung weder die sie tragende Pflanze, Poa nemoralis, noch wohl irgend eine andere Grasart im Stande ist, Wurzeln zu erzeugen?). Die Larven benutzen hier also ein Vermögen, dessen Existenz wir ohne sie wohl nie hätten vermuthen, viel weniger nachweisen können. In Beyerinck’s Ver- suchen wuchsen diese Gallwurzeln zu normalen, reichverzweigten Wurzeln aus; die durch den Gallenreiz zur Thätigkeit gebrachten 1) M. W. Beyerinck, Beobachtungen über die ersten Entwickelungs- phasen einiger Cynipidengallen. Veröffentlicht d. d. k. Akad. d. Wiss. zu Amsterdam 1882. — Derselbe, Die Galle von Cecidomyia Poae, in Bot. Zeitung 1885 Nr. 2, und Ueber das Cecidium von Nematus Capreae, Bot, Zeitung 1888 Nr. 1. 2) Bot. Zeitung 1885 1. c. INTRACELLULARE PANGENESIS. 85 Zellen des Internodiums mussten also die dazu erforderlichen Eigen- schaften im latenten Zustande besitzen. Sogar eine direkte Umwandlung von anscheinend somatischen Bahnen in Keimbahnen ist durch die Untersuchungen des genannten Forschers wenn auch nicht völlig gelungen, so doch ihrem Abschlusse ziemlich nahe gebracht*). Die Gallen, welche die Blattwespe Ne- matus viminalis auf den Blättern von Salix purpurea erzeugt, be- sitzen eine ausserordentliche Vitalität. Im Anfange des Herbstes von ihren Bewohnern verlassen, sind sie noch völlig turgescent. Werden sie jetzt in feuchten Humus vergraben, so überwintern sie und können selbst im nächstfolgenden Sommer ein neues Leben antreten. Sie bilden dabei neues Chlorophyll und ernähren sich mittelst dieses, und die besten unter ihnen gehen nun allmählig dazu über, adventive Wurzeln hervorzutreiben. Diese entstehen entweder an der äusseren oder auch an der inneren Fläche der die Höhlung umgebenden Wand, und setzen sich stets den Gefäss- bündelchen der Galle an. Ihrer mikroskopischen Struktur nach sind diese zu einer Länge von einigen Centimetern heranwachsenden Würzelchen mit den normalen jungen Wurzeln der betreffenden Weidenart identisch. Die dazu erforderlichen erblichen Eigenschaften müssen also in der Galle, in der wohl Niemand sonst eine Keimbahn vermuthet hätte, im latenten Zustand vorhanden sein. Diese wichtigen Versuche werden für unseren Zweck noch lehr- reicher werden, wenn es gelingt, die Gallwurzeln sich so weit ent- wickeln zu lassen, dass sie zur Bildung von Adventivknospen: be- fähigt werden. Da aber die Wurzeln aller holzigen Gewächse dieses Vermögen besitzen, dürfen wir schon jetzt voraussagen, dass dieses Experiment gelingen wird. Vielleicht wird es dazu besonderer Maassregeln, wie z. B. eines Pfropfens auf die Wurzeln einer Weiden- pflanze, bedürfen. Aber ohne Zweifel dürfen wir aus der von Beyerinck nachgewiesenen völligen Uebereinstimmung im anato- mischen Bau ableiten, dass auch die physiologischen Eigenschaften der normalen und der Gallenwurzeln dieselben sein werden. __ Und gelingt es einmal, auf diesem Wege aus der Galle eine ganze Weidenpflanze zu erziehen, so ist es klar, dass in ersterer die sämmt- lichen erblichen Eigenschaften der Weide latent vorhanden sind. Dieses würde nun offenbar viel nutzloser sein, als ihre Anwesen- heit auf irgend welchen beliebigen normalen somatischen Bahnen. Die Folgerung aber, dass Keimplasma keineswegs auf diejenigen ı) Bot. Zeitung 1888 Nr. ı u. 2. 86 INTRACELLULARE PANGENESIS. Zellen beschränkt ist, welche dessen zu ihrer eigenen Entwickelung oder in ihrer Nachkommenschaft bedürfen, können wir aber schon jetzt als völlig gesichert betrachten. Und dieses ist wohl die wichtigste Folgerung, welche wir aus diesem ganzen Abschnitte ableiten diirfen. Mit ihr haben wir Einen der Sätze gewonnen, welche als Grundlage für unsere Hypothese Ver- wendung finden werden. Wir kommen aber hierauf im letzten Ab- schnitt zurück. Abschnitt Il. Panmeristische Zelltheilung. Erstes Kapitel. Die Organisation der Protoplaste. $ 1. Die sichtbare Organisation. Das Protoplasma ist der Träger der Lebenserscheinungen und somit auch der erblichen Eigenschaften. Jede Theorie der Ver- erbung muss also von einer bestimmten Ansicht über den Bau dieses wichtigen Körpers ausgehen. Aber die anatomische Forschung hat, trotz der erstaunenden Fortschritte des letzten Jahrzehntes grade auf diesem Gebiete, zu einer klaren und allgemein anerkannten Auffassung seiner Struktur noch nicht geführt. Wesentlich hat dazu der Umstand beigetragen, dass die neueren Methoden im Studium des Zellkernes und seiner Theilung ein so wichtiges und an überraschenden Ergebnissen reiches Gebiet haben erkennen lassen, dass die Aufmerksamkeit sich diesem Organe vor- wiegend und oft ausschliesslich zugewandt hat. Häufig begegnet man sogar Ansichten, welche das Protoplasma dem Kern gegenüber in den Hintergrund treten lassen. Die Kernforschung ist aber jetzt so weit vorgeschritten, dass von dieser einseitigen Behandlung Abstand genommen werden kann. Die Untersuchungen von Flemming, Strasburger und so vielen anderen Forschern haben den Bau des Kernes und die Veränderungen dieses Baues während der Theilung enthüllt und unsere Kenntnisse, der Hauptsache nach, zu einem gewissen Abschlusse gebracht. Jetzt tritt, namentlich auf botanischem Gebiete, die Zelltheilung selbst wiederum in den Vordergrund der Forschung. Und dabei gilt es nicht nur, das Verhalten des Kernes dem Cytoplasma gegenüber fest- zustellen, sondern eine ebenso wesentliche Aufgabe ist es, zu er- INTRACELLULARE PANGENESIS. 87 gründen, wie sich die einzelnen Organe des letzteren, und nament- lich die Vacuolen, das Körnerplasma und die Hautschicht dabei benehmen. Denn vollständig wird unsere Kenntniss von der Zelltheilung erst dann, wenn dabei die sämmtlichen Organe der Protoplaste gleich- mässig berücksichtigt werden. Der geschilderte Gang der Forschung erklärt es, dass sogar eine praktische und einfache Bezeichnung für den lebendigen Inhalts- körper in der Zelle sich noch nicht zur allgemeinen Anerkennung hat aufschwingen können. Eine solche wurde von Hanstein in seinen bekannten Vorträgen in dem Worte ,,Protoplast‘‘ vorgeschlagen?). Das Wort ,,Protoplasma“ wurde ja von Mohl gebildet für die halb- flüssige, stickstoffhaltige Substanz, „welche das Material für die Bildung des Nucleus und des Primordialschlauches liefert“, und aus der die ersten festen Bildungen der künftigen Zelle hervorgehen ?). Den geformten, aus dieser Substanz aufgebauten Körper nannte man vielfach Protoplasmakörper, Plasmakörper, bisweilen sogar Proto- plasmaklümpchen oder Plasmatropfen, Ausdrücke, welche offenbar ungeeignet sind, eine klare Vorstellung bei Lesern und Hörern wachzurufen. Diesen Bezeichnungen gegenüber hebt das Hanstein’sche Wort die Individualität des lebendigen Zelleninhaltes scharf und deutlich hervor. Diese Individualität ist schon seit langer Zeit von den besten Forschern anerkannt worden. Sagte doch schon Brücke im Jahre 1862, das Protoplasma sei ein organischer Körper, kein Flüssigkeits- tropfen, sondern ein Elementarorganismus®). Doch der Mangel eines geeigneten Namens schadete der Klärung der Begriffe, und diesem Mangel wurde erst durch Hanstein abgeholfen. Klebs und Andere haben seine Bezeichnung acceptirt, und durch ihren Einfluss wird sie ohne Zweifel in immer weiteren Kreisen Eingang finden. Die Protoplaste sind im wahren Sinne des Wortes Elementar- organismen. Sie bestehen deutlich aus einzelnen, mehr oder weniger scharf von einander getrennten Organen, welche einander gegenüber einen hohen Grad von Selbständigkeit besitzen. Bei weitaus den meisten Pflanzen liegt dieser Bau klar vor uns, bei den niedersten . Organismen aber fehlt diese Differenz völlig oder ist sie doch nur ı) J. von Hanstein, Das Protoplasma als Träger der pflanzlichen und thierischen Lebensverrichtungen 1880, I, Theil. 2) Mohl, Bot. Zeitung 1846 S. 75. 3) E. Brücke, Sitzungsber. d. k. k. Akad. Wien, 1861. 88 INTRACELLULARE PANGENESIS. in beschränktem Maasse vorhanden. Bisweilen begegnet man, auch für keineswegs jeder Gliederung entbehrende Organismen, dem Aus- drucke ,,nicht-organisirtes Plasma‘. Aber ohne Zweifel hat man diese Bezeichnung nur so aufzufassen, dass die bis dahin angewandten Mittel eine Einsicht in die Organisation noch nicht eröffnet haben, nicht aber so, als ob das Fehlen jeglicher Gliederung eingehend studirt und endgültig nachgewiesen wäre, Zweites Kapitel. Historische und kritische Betrachtungen. $ 2. Die neogenetische und die panmeristische Auffassung der Zelltheilung. Noch vor wenigen Jahrzehnten nahm man allgemein an, dass die einzelnen Organe, wie der Kern und die Chlorophylikörner, jedesmal, oder doch wenigstens sehr häufig durch Differenzirung aus dem undifferenzirten Protoplasma entstehen konnten. Diese Neubildung ist aber durch die Untersuchungen der letzten Zeit in keinem einzigen Falle bestätigt worden. Ueberall, wo man die Ent- stehung eines Organes genau und eingehend mit den jetzigen Hülfs- mitteln erforscht hat, hat sich gezeigt, dass sie auf einer Theilung bereits vorhandener differenzirter Glieder beruht. Die Organisation der Protoplaste ist keine periodische oder nur in den erwachsenen Zellen zu Tage tretende. Sie ist eine permanente, allen Zellen in allen Entwickelungszuständen zukommende. Die Annahme der Neubildung macht überall der Erkenntniss der Theilung Platz: die neogenetische Auffassung weicht der panmeristischen *). Von Interesse ist es, den Gang der Entwickelung unserer Kennt- nisse zu überblicken. In seiner Lehre von der Pflanzenzelle be- schreibt Hofmeister die Entstehung der Zellkerne nach den da- maligen Kenntnissen. Sie tauchen im Protoplasma als Tropfen oder Massen durchsichtiger homogener Substanz auf, entweder in wenig- kernigen Zellen gleich anfangs von der definitiven Grösse, in viel- kernigen Zellen aber zunächst als kleinere, sich durch Wachsthum vergrössernde Gebilde. Bisweilen enthalten sie bei ihrem ersten Sicht- barwerden schon Kernkörperchen, oft sind sie dann aber ohne alle. 1) Panmeristisch nenne ich die Ansicht, dass sämmtliche Organe der Protoplaste sich, in der Regel, nur durch Theilung vermehren. Diese Ansicht wurde für die Pflanzenzellen zuerst in meinen Plasmolytischen Studien aufgestellt. Vergl. Opera IT, S. 343 ff. INTRACELLULARE PANGENESIS. 89 feste Bildung im Innern und bekommen solche erst späterhin. Jeder Zelltheilung pflegt ein Verschwinden des Kernes voranzugehen, dem dann das Auftauchen zweier, resp. mehrerer neuer Kerne folgt?). Die umfassenden Untersuchungen von Strasburger und Schmitz haben zunächst für einzelne, dann aber für immer mehr Fälle diese Ansicht als irrthümlich dargethan, und überall, wo man bis dahin ein Verschwinden und nachheriges Auftäuchen von Kernen annahm, die Entstehung der neuen Kerne durch Theilung des ursprüng- lichen nachgewiesen. Ausnahmen von dieser Regel sind jetzt nicht mehr bekannt. Genau in derselben Weise ist es mit den Chlorophylikörnern ge- gangen. Noch in der letzten Auflage seines Lehrbuchs?) sagte Sachs: „Die Chlorophylikörper entstehen in den jungen Zellen durch Sonderung des Protoplasmas in, farblose und in ergrünende, sich scharf abgrenzende Portionen. Der Vorgang kann so aufgefasst werden, dass in dem anfangs homogenen Protoplasma kleinste Theilchen von etwas verschiedener Natur verbreitet sind oder erst entstehen, die sich dann an bestimmten Stellen sammeln und als gesonderte Massen auftreten.“ Dass die so entstandenen grünen Körner sich durch Theilung weiter vermehren konnten, und dass die Chlorophylikörper vieler Algen gewöhnlich bei jeder Zelltheilung von der sich bildenden Wand durchschnitten werden, ist der Be- obachtung leicht zugänglich, und war auch damals nicht unbekannt. Aber erst Schmitz zeigte, dass Theilung bei den Algen der einzige Weg ist, auf dem die Chromatophoren neugebildet werden®). Diesen Gedanken bei den Phanerogamen verfolgend, entdeckte dann Schimper die farblosen Organe der jugendlichen Zellen, welche in diesen ausschliesslich mit der Stärkebildung beauftragt sind, und durch deren Ergrünung die eigentlichen Chlorophylikörner gebildet werden. Jene Amyloplaste vermehren sich in allen beobachteten Fällen nur durch Theilung, und Schimper sowie Arthur Meyer haben | die Beobachtungen über diese Entstehungsweise derart gehäuft, dass die frühere Ansicht jetzt wohl von allen Botanikern verlassen worden ist. Manche spezielle Fälle harren allerdings noch der Klä- rung, so lange sie aber nicht genau untersucht sind, liegt kein Grund vor, die alte Auffassung für sie als wahrscheinlicher zu betrachten als die neue. ı) Hofmeister, Die Lehre von der Pflanzenzelle 1867 S. 79. 2) Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl. 1874 S. 40. 3) F. Schmitz, Die Chromatophoren der Algen, 1882. 90 INTRACELLULARE PANGENESIS. Aehnlich verhält es sich mit den Vacuolen. Noch vor etwa vier Jahren betrachtete man diese allgemein als durch Neubildung im Protoplasma, in Folge der Ausscheidung überflüssigen Imbibitions- wassers, entstanden. In meinen ,,Plasmolytischen Studien über die Wand der Vacuolen‘ habe ich aber die Meinung begründet, dass auch für sie die für Kern und Trophoplaste') gültige Entstehungs- weise die einzige wirkliche sein dürfte?). Ich stützte mich dabei auf den Nachweis, dass sämmtliche Vacuolen von einer lebendigen Wand umgeben sind, welche nach der von mir vorgeschlagenen Methode stets leicht und sicher nachzuweisen ist, und welche ich mit demselben Rechte wie die Kerne und Chromatophoren als ein Organ des Protoplasten betrachten zu dürfen glaubte. Diese, aus meiner panmeristischen Auffassung der Zelltheilung abgeleitete Folgerung ist durch die Untersuchungen Went’s völlig bestätigt worden*). Damit ist aber, meiner Ansicht nach, die Be- rechtigung dieser Auffassung gegenüber der neogenetischen be- wiesen worden. Die Sachlage hat sich jetzt umgekehrt. Während bis dahin noch das Verhalten des Kerns und der Chromatophoren als ein eigenthümliches betrachtet werden konnte, spricht jetzt die Wahrscheinlichkeit viel mehr dafür, dass die verschiedenen Glieder eines Protoplasten dieselbe Entstehungsweise besitzen werden, und dass sie somit nur insofern auf den Rang selbständiger Organe An- spruch haben, als sie dieser Regel folgen. Nachdem nun für Kern, Trophoplaste und Vacuolen die Ent- stehungsweise in der Hauptsache feststeht, und nachdem die Arbeiten Wakker’s die Kristalle, die meisten Kristalloide und die Aleuron- körner als Inhaltsgebilde der Vacuolen haben kennen gelehrt ®), dreht sich die Frage vorwiegend um die Hautschicht und das Körner- plasma°). Ueber ihr Verhalten bei der Zellbildung sind unsere Kennt- nisse noch wesentlich dieselben, wie zu den Zeiten Mohl’s und Hof- ı) Mit diesem Namen bezeichnet Arthur Meyer die Amyloplaste und ihre Derivate (Chlorophylikörner, Farbstoffkörper u. s. w.). 2) Opera II, S. 345—358. 3) F. A. F. C. Went, De jongste toestanden der vacuolen, Amsterdam - 1886. Les premiers états des vacuoles, in Archiv. Néerl. 1887 und: Die Vermehrung der normalen Vacuolen durch Theilung, in Pringsheim’s Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XIX 1888 S. 295. 4) J. H. Wakker, Studien über die Inhaltskörper der Pflanzenzellen. Pringsheim’s Jahrb. f. wissenschaftl. Bot. Bd. XIX 1888 S. 423. Vor- läufige Mittheilungen finden sich im Maandblad v. Natuurwetensch. 1886 Nr. 7, 1887 Nr. 5 u. 6 und Botan. Centralblatt Bd. XXXIII Nr. 12. 5) Vergl. diesen Abschnitt $ 6. INTRACELLULARE PANGENESIS. 91 meister’s. Allerdings ist unsere Vorstellung über den Zelltheilungs- prozess namentlich durch Strasburger’s Arbeiten eine viel ein- gehendere geworden, aber grade die Frage nach der ersten Anlage der Scheidewand, welche längere Zeit in neogenetischer Richtung entschieden schien, ist durch die später zu besprechende Entdeckung des Zellringes vonWent!), so wie durch die Einwürfe anderer Forscher wieder äusserst unsicher geworden. Aus diesen Gründen glaube ich, dass eine kritische Revision unserer Kenntnisse auf diesem Gebiete jetzt wesentlichen Nutzen haben kann. Es wird sich dabei zeigen, wie fast in allen Fällen das Verhalten von Hautschicht und Körnerplasma bei der Zellbildung thatsächlich unbekannt ist. Wenigstens in allen Fällen, welche der panmeristischen Auffassung zu widersprechen scheinen. Es handelt sich dabei nicht um die Frage, ob diese letztere Auf- fassung richtig ist, oder nicht. Dieses scheint mir durch die Unter- suchungen der namhaft gemachten Forscher über allen Zweifel erhoben. Sondern nur darum, ob bei dieser Auffassung Körner- plasma und Hautschicht als zwei prinzipiell differente Organe zu betrachten sind, welche ebenso wenig in einander übergehen wie der Kern und die Chromatophoren, oder ob sie zu einander in einer ähnlichen Beziehung stehen wie die Amyloplaste und die Chloro- phylikörner. So lange man meinte, dass das Körnerplasma durch innere Differenzirung die übrigen Glieder hervorzubringen im Stande war, lag es auf der Hand, eine ähnliche Entstehungsweise für die Hautschicht anzunehmen. Es kann uns also nicht Wunder nehmen, dass diese auch jetzt noch allgemein als die thatsächlich vorhandene betrachtet wird. Allbekannt ist das Beispiel, welches schon von Mohl als Typus der Zelltheilung hingestellt wurde, und an welches sich die historisch merkwürdigen Diskussionen knüpften über die Frage, ob der Proto- plasmakörper bei diesem Vorgange eine passive oder eine aktive Rolle spielte. Wie Mohl’s Typus der Fadenalgen, Cladophora, verhält sich die in neuerer Zeit für dieses Studium beliebtere Spi- rogyra. Hautschicht und Körnerplasma falten sich auf der künf- tigen Grenzlinie zu einem Ringe, welcher von aussen nach innen fortwachsend den übrigen Theil des Zellinhaltes anscheinend ein- fach durchschnürt. Die beiden neuen Theile der Hautschicht für die Tochterzellen entstehen als Fortsetzung der alten Haut- schicht. 1) Vergl. diesen Abschnitt § 7 u. 8. 92 INTRACELLULARE PANGENESIS. Ein schönes Beispiel panmeristischer Zelltheilung bieten auch, nach Klebs’ klaren Darstellungen, die Eugleniden!). Es wäre äusserst unwahrscheinlich, dass bei einem solchen prin- zipiellen Vorgang die höheren Pflanzen sich anders verhalten würden wie die niederen. Dass in Nebensachen Verschiedenheiten obwalten, ist selbstverständlich, und Jedermann weiss, dass namentlich in der relativen Dauer der einzelnen Abschnitte des Prozesses wichtige Unterschiede vorhanden sind. Und dasselbe gilt von der Art und Weise, wie dafür gesorgt wird, dass jede Tochterzelle ihren eigenen Kern bekommt. Dass aber die Ergänzung der Hautschicht durch Einschaltung eines völlig neugebildeten Stückes stattfinden würde, ist unseren sonstigen Kenntnissen gegenüber so abweichend, dass man es keineswegs, auf die älteren Untersuchungen stützend, an- nehmen darf. Jedenfalls muss es so lange angezweifelt werden, bis direkte Beobachtungen angeführt werden können. Solches ist aber augenblicklich nicht der Fall, wie ich in dem letzten Kapitel dieses Abschnittes zu zeigen versuchen werde. Im Gegentheil sprechen manche Thatsachen bereits jetzt für die völlige Autonomie der Hautschicht, wenn auch noch nicht mit hinreichender Sicherheit, um einen endgültigen Beweis zu liefern. Wie dem aber sein mag, ob die Hautschicht aus dem Körnerplasma hervorgehen kann, oder ob beide einander gegenüber autonom sind, jedenfalls steht es fest, dass einerseits diese beiden, und anderer- seits der Kern, die Trophoplaste und die Vacuolen selbständige Organe sind, welche sich, im normalen Laufe der Dinge, nur durch Theilung vermehren. | Die Organisation der Protoplaste ist somit erblich, und zwar nicht in dem Sinne, wie die Organisation der höheren Organismen in jedem Individuum durch die Entwickelung unsichtbarer erblicher Anlagen reproduzirt wird, sondern durch direkten Uebergang aller, den Organis- mus zusammenstellenden Organe aus der Mutterzelle auf ihre Töchter. Die Bedeutung dieses Satzes für unsere Hypothese der intra- cellularen Pangenesis wird im letzten Abschnitte besprochen werden. Hier aber wollen wir die thatsächliche Grundlage eingehender kennen lernen, auf welche er sich stützt. $ 3. Die Zelltheilung nach dem Typus Mohl’s. Die „Grundzüge der Anatomie und Physiologie der vegetabilischen Zelle“ von Hugo von Mohl?) sind durch lange Zeiten die wesent- ı) G. Klebs in Arbeiten d. Bot. Instit. in Tübingen I S. 282. 2) In Wagner's Handwörterbuch der Physiologie, 1851, erschienen. INTRACELLULARE PANGENESIS. 93 lichste Quelle gewesen, aus der die angehenden Botaniker ihre Kennt- nisse über diesen Gegenstand schöpften. Erst Hofmeister’s Pflanzen- zelle (1867) und das Lehrbuch von Sachs (1868) haben ihrer Herr- schaft ein Ende gemacht, doch sind wohl noch zahlreiche Abbil- dungen und Sätze aus jenen Grundzügen bei den älteren Botanikern in lebhafter Erinnerung. Die Vermehrung der Zellen durch Theilung wird in diesem Buche !) von Mohl in folgender Weise beschrieben. Sie „wird durch Ver- änderungen eingeleitet, welche der Primordialschlauch der sich theilenden Zelle erleidet, in deren Folge sich Scheidewände ent- wickeln, welche von der Peripherie der Zelle allmählig nach innen zu wachsen und die Zellhöhlung in zwei oder mehrere getrennte Höh- lungen abtheilen“. Zu unterscheiden sind dabei die Fälle, wo der Zelltheilung eine Verdoppelung des Kernes vorangeht, von denen, wo solches nicht der Fall ist (unseren jetzigen vielkernigen Zellen). Dieser letztere seltnere, aber einfachere Fall tritt bei Conferva elomerata auf, und deshalb fängt Mohl seine Schilderung mit dieser Alge an. Aber auch dort, wo die Bildung zweier neuer Kerne der Entstehung der Scheidewand vorangeht, geschieht dieser letztere Prozess auf dieselbe Weise wie bei der genannten Conferva. Und zwar sowohl unter den Algen, wie bei den höheren Gewächsen. Stets ergänzt sich also nach Mohl die Hautschicht in der Art, dass die neuen Theile aus den alten hervorwachsen. In historischer Hinsicht ist nun hervorzuheben, dass dieser Satz für die von Mohl in den Vordergrund gestellten Algen von sämmt- lichen späteren Untersuchern bestätigt worden ist?). Hier ist seine Richtigkeit über allen Zweifel erhoben, und kann von Jedem leicht kontrolirt werden. Wer also aus theoretischen Gründen anzu- nehmen geneigt ist, dass bei der Zelltheilung überall im Pflanzen- reich dieselben Prinzipien gelten, wird den in Rede stehenden Fall noch stets mit Mohl als Typus betrachten müssen. Bei den einkernigen Zellen pflegen äusserst merkwürdige Ein- richtungen vorhanden zu sein, deren Aufgabe es ist, die neue Scheide- wand genau zwischen den beiden neuen Kernen hindurchzuführen. Nach unserer jetzigen Auffassung von der Bedeutung des Kernes kann dieses kein Wunder nehmen, denn was wäre eine Zelle ohne ihre erblichen Eigenschaften! Bei den höheren Pflanzen sind diese EE eran: 2) Zelltheilung durch Einschnürung ist bei den niederen Algen weit verbreitet. Vergl. z. B. Klebs, Arbeiten d. Bot. Inst. in Tübingen Bd. I S. 336—343. 94 INTRACELLULARE PANGENESIS. Einrichtungen noch nicht in jeder Beziehung klargelegt, solches ist aber für die Spirogyren, namentlich durch die wiederholten Ver- öffentlichungen Strasburger’s in hohem Maasse der Fall. Wir wollen also den Vorgang bei dieser Pflanze an der Hand der letzten Be- schreibung dieses Forschers so weit schildern, als für unsere Zwecke erforderlich ist. In der Zeit!), wo der Kern sich dem Ende der Prophase nähert, sammelt sich das Protoplasma um ihn an und nimmt in der Gegend der Pole des Kernes parallelstreifige Struktur an. Es wird bald klar, dass es sich um die Anlage der Spindelfasern handelt. Diese bilden sich rasch aus und setzen sich durch das Innere der Kernhöhle hin- durch fort, um von den beiden Endflächen her mit einander in Be- rührung zu treten. Für die etwaige Annahme, dass die im Innern dieser Höhle auftretenden Spindelfasern anderen Ursprungs als die ausserhalb befindlichen sein sollten, liegt kein stichhaltiger Grund vor. Im Aequator der Spindel häuft sich die chromatische Substanz, die einzelnen Fasern an ihrem Umkreise berührend. Nun vollzieht sich die Ausbildung und Längsspaltung der Kern- schleifen, von der Trennung und dem Auseinanderrücken der beiden Hälften der Segmente gefolgt. In dieser Periode sieht man klar, dass es nicht allen Spindelfasern gelungen ist, sich mit den gegen: überliegenden zu verbinden. Nur diejenigen, denen dieses gelang, werden als Verbindungsfasern zwischen den beiden auseinander rückenden jungen Kernen erhalten. Der zwischen diesen ent- stehende Raum ist nach aussen von einem Protoplasmamantel umgrenzt, und augenscheinlich sammelt sich in ihm ein osmotisch wirksamer Stoff an, der die Vergrösserung dieses Raumes besorgt und die jungen Kerne auseinander drängt. Inzwischen wird die Zahl der Verbindungsfäden auf dem Mantel dieses Raumes immer ge- ringer, der Mantel selbst in transversaler Richtung immer mehr hervorgetrieben und dementsprechend dünner. Doch bleibt er scharf und deutlich sichtbar. Der Raum hat jetzt die bekannte Tonnengestalt angenommen, seine Wand wird als Verbindungs- schlauch bezeichnet und bleibt dauernd als eine allseitig geschlossene gespannte Blase sichtbar. Schliesslich erreicht dieser Schlauch, indem er in äquatorialer Richtung stark gedehnt wird, die proto- plasmatische Ansammlung am Rande der vordringenden Scheide- wand. Er verbindet sich mit dieser und wird jetzt allmählig von ihr eingedrückt und schliesslich durchgeschnürt. ı) Das Folgende nach Strasburger, Ueber Kern- und Zelltheilung im Pflanzenreich, 1888 S. 9—23. INTRACELLULARE PANGENESIS. 95 Nach den von Went und mir aufgefundenen Prinzipien der Vacu- olenlehre ist es wahrscheinlich, dass der osmotische Stoffe enthal- tende, vom Verbindungsschlauch umgrenzte Raum eine Vacuole ist, welche dann, Strasburger’s Auffassung entgegen !), von aussen her zwischen die beiden jungen Kerne eingedrungen sein muss. Ebenso deutlich ist es, dass diese Vacuole von einer eigenen Wand umgeben sein muss, und dass diese also ‘die innere Schicht des Ver- bindungsschlauches bildet. Letzterer ist gegen die übrigen Vacuolen des Zellraumes gleichfalls durch eine Wand abgegrenzt, und zwischen beiden Wänden liegt, wenigstens anfangs, Körnerplasma. Die Ver- änderungen jener, das Innere der Tonne bildenden Vacuole während des ganzen Prozesses bedürfen aber selbstverständlich noch einer speziellen, an lebendem Material anzustellenden Untersuchung?). Keinem Zweifel kann aber die Richtigkeit von Strasburger’s Auf- fassung unterworfen sein, wo es den ganzen Vorgang der Zell- theilung, mit alleiniger Ausnahme der Theilung des Kernes, in das Protoplasma selbst verlegt. Die Tochterkerne sind dabei passiv, das Cytoplasma ist allein das treibende Element. Die Chlorophyllbänder, die Vacuole und das Körnerplasma werden von der in das Innere hineinwachsenden Hautschicht einfach durch- geschnürt; die Hautschicht selbst trennt sich am Ende in derselben Weise, nachdem sie das in der Mitte des Ringes übrig gebliebene Loch völlig verschlossen hat. Bei denjenigen vielkernigen Algen, deren Kerne regelmässig über das ganze wandständige Protoplasma vertheilt sind, hat man keine besondern Einrichtungen beobachtet, um bei den Zelltheilungen jeder Tochterzelle den Besitz einer oder mehrerer Kerne zu sichern. Auch scheinen diese bei der grossen Anzahl und der gleichmässigen Verbreitung der Kerne gar nicht erforderlich zu sein. Kernspindel und Kerntonne haben also hier ihre Bedeutung verloren, und sind dementsprechend, wenigstens in der Regel, wohl auch nicht vor- handen. Die Zelltheilung wird wesentlich nur von der Hautschicht und dem Körnerplasma besorgt. Für das richtige Verständniss der Vorgänge der normalen Zell- theilung ist ein Satz von hervorragender Bedeutung, welcher durch künstliche Theilungsversuche lebendiger Protoplaste in älterer und 2.1. GS. kre 2) Zacharias betont in seiner Besprechung der Strasburger’schen Arbeit in der Bot. Zeitung 1888 S. 449 gleichfalls, „dass am lebenden Objekt Dinge vorhanden sein können, die man dort besser erkennen und be- urtheilen kann, als am fixirten und tingirten“. 96 INTRACELLULARE PANGENESIS. neuerer Zeit gewonnen worden ist. Ich meine nicht die adaptiven Regenerationsvorgänge nach Verwundungen. Diese sollen im nächsten Paragraphen besprochen werden. Sondern das Durchschnüren des übrigens unverletzten Zellinhaltes in ganzen Zellen und die Theilung der Protoplaste in zwei oder mehrere Stücke bei der Plasmolyse. Die betreffenden Fälle habe ich in meinen Plasmolytischen Studien über die Wand der Vacuolen zusammengestellt!); sie lehren, dass bei künstlicher Durchschnürung eines Protoplasten die Hautschicht, die Wand der Vacuole und das Körnerplasma anscheinend ohne irgend welche Schwierigkeit ihre Ränder schliessen und sich zu einer neuen Einheit abrunden. Bei plasmolytischen Versuchen ist solches leicht zu konstatiren; hier sieht man auch, wie bei der Aufhebung der Plasmolyse öfters die Theilstücke wieder zusammenfliessen, indem ihre Glieder sich mit den gleichnamigen Organen der übrigen Theil- stücke desselben Protoplasten verbinden. Dieses Vermögen, sich mit gleichnamigen Theilen zu verbinden, scheint den drei namhaft gemachten Organen der pflanzlichen Protoplaste allgemein zuzukommen. Die Wände der Vacuolen zeigen es überall dort, wo die zahlreichen Saftblasen junger Gewebezellen sich während des raschen Wachsthumes beim Uebergang in den fer- tigen Zustand zu einer einzigen grossen Vacuole vereinigen. Bei der Vereinigung zweier oder mehrerer gleichartiger Protoplaste zu einem sogenannten Symplasten findet, wenigstens in manchen Fällen, ähnliches sowohl mit diesen Wänden, wie mit der Hautschicht und dem Körnerplasma statt, wie die Ontogenie der Milchsaftgefässe wohl am deutlichsten lehrt. Ein Verschmelzen gleichnamiger Theile ist auch bei den Füsschen mancher Rhizopoden wiederholt beobachtet und beschrieben worden. Zu dieser Verbindung bedarf es, ausser dem erforderlichen Grade der Homogenität, soviel wir wissen, nur der einfachen Berührung. Wir dürfen sie also als einen mechanischen Vorgang betrachten und als Element bei der Erklärung der normalen Zelltheilung benützen. Sie besorgt bei den Spirogyren offenbar den Anschluss des Verbin- dungsschlauches an den nach innen hervorwachsenden Ring und beherrscht später den endgültigen Schluss der im Ringe verblei- benden Oeffnung. § 4. Regeneration der Protoplaste nach Verwundung. Wenn auch im normalen Laufe der Entwickelung die einzelnen Organe sich nur durch Theilung vermehren, so folgt daraus noch 1) Opera II, S. 353—358. INTRACELLULARE PANGENESIS. 97 nicht mit Nothwendigkeit, dass diese Regel eine ausnahmslose sein muss, und dass es nicht Fälle geben kann, wo die Natur in anderer Weise ihre Zwecke zu erreichen sucht. Namentlich dort, wo durch äussere Eingriffe, wie Verwundungen oder Zerstückelungen, ein- zelne Glieder eines Protoplasten vollständig verloren gegangen sind, liesse sich erwarten, dass eine Regeneration auf anderem Wege mög- lich sein könnte, i Augenblicklich sprechen die vorhandenen Beobachtungen aller- dings nicht dafür, dass solche Fälle thatsächlich vorkommen. Das schliesst aber deren Möglichkeit noch keineswegs aus. Und auf diese Möglichkeit möchte ich hier mit grosser Bestimmtheit hin- weisen, weil die Hypothese der intracellularen Pangenesis eine gelegentliche Neubildung von solchen Organen aus den vom Kern ausgegangenen Pangenen gar nicht als unmöglich betrachten lässt. Nach den bis jetzt veröffentlichten Thatsachen zu urtheilen, scheinen sich aber die Erscheinungen der Regeneration nach Ver- wundung den normalen Vorgängen eng anzuschliessen. Eine Neu- bildung von Kern und Chromatophoren ist dabei, wenigstens in der letzten Zeit, wohl von Niemand behauptet worden. Ueber ein etwaiges Auftauchen von neuen Vacuolen liegen nur wenige Beobachtungen vor. Diese wurden von Went grade zur Prüfung der einschlägigen Frage angestellt und lehren wenigstens das Eine mit Bestimmtheit, dass überall dort, wo man bis dahin eine Neubildung normaler Vacuolen glaubte annehmen zu müssen, eine solche nicht stattfindet. Denn die beobachteten Vacuolen entstehen theils durch Abschnürung aus der grossen Saftblase der Zelle, theils durch An- schwellen der kleineren im Körnerplasma suspendirten. Namentlich für die zuerst von Hanstein und nachher von so vielen Forschern studirte Vaucheria kann hierüber ein begründeter Zweifel wohl nicht mehr obwalten?). Seitdem ich in meinen Plasmolytischen Studien die Meinung aus- gesprochen und zu begründen gesucht habe, dass die Hautschicht ein besonderes Organ des Protoplasten ist?), sind entscheidende Thatsachen über diese Frage nicht aufgefunden worden. Wohl ist Klebs meiner Auffassung auf Grund seiner an Vaucheria ange- stellten Beobachtungen entgegengetreten®). Dieser Forscher hat in das Studium dieser Vorgänge eine neue Methode eingeführt, welche es gestattet, die ersten Anfänge einer Zellhautbildung um 1) F. Went in Pringsheim’s Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XIX S. 330—341. 2) Opera II, S. 347. 3) Arbeiten des Bot. Instituts in Tübingen, Bd. II S. 510. 7 98 INTRACELLULARE PANGENESIS. ausgetretene Protoplasmamassen leicht und sicher nachzuweisen. Er färbt das Wasser oder die verdünnte Lösung, in der die Fäden durchschnitten werden, mit Congoroth, welches grade von den jungen Zellhäuten mit grosser Begier gespeichert wird. Zu einer Entscheidung über die von mir aufgeworfene Frage führt diese Methode aber noch nicht, da es, wie auch Klebs hervorhebt, an einem Mittel fehlt, um über die An- oder Abwesenheit einer Haut- schicht an einer Zellhaut bildenden Portion des zerstückelten Proto- plasten zu entscheiden. ‚Unter den freischwimmenden Plasma- ballen giebt es dann immer eine Anzahl selbst ganz grosser und in- haltsreicher, welche mehrere Tage leben, aber ohne Zellhaut zu bilden.“ Bei den meisten zeigen sich aber sehr bald Anfänge der Zellhautbildung?). Worin aber der Unterschied in dem Verhalten dieser beiden Arten von abgetrennten Theilen begründet ist, wurde von Klebs nicht näher untersucht. Meine Vermuthung, dass den ersteren die Hautschicht mangelt, die letzteren aber dieses Organes bei ihrer Abtrennung theilhaftig geworden sind, ist dadurch somit noch keineswegs widerlegt. Auch scheint mir die grosse Dehnbarkeit der Hautschicht bei dem enormen Anschwellen der später Zellhaut bildenden Blasen keineswegs unwahrscheinlich oder auch nur auffallend. Dass die Dehnbarkeit nicht nur der Hautschicht, sondern auch der Vacuolen- wand und vielleicht auch des Körnerplasma eine sehr bedeutende ist, lehren uns die plasmolytischen Versuche fast bei jedem Schritt. Und dass die angeschwollenen Ballen der Vaucheria nur solche Vacuolen enthalten, welche durch Vergrösserung und meist auch durch Theilung aus in der unverletzten Pflanze vorhandenen Saft- blasen entstanden sind, hat Went gründlich dargethan. Die An- nahme einer Dehnbarkeit der Hautschicht, welche nicht wesentlich grösser zu sein braucht als die nachgewiesene Dehnbarkeit der Vacuolenwand, kann also nicht besonders befremden. Die Regenerationserscheinungen der Vaucheria bedürfen also in diesem Punkte noch erneuter Untersuchung. Solange aber ein thatsächlicher Beweis für eine Zellhautbildung ohne Hautschicht, oder für eine von der alten unabhängige Neubildung dieses Organes nicht erbracht worden ist, kann diesem Beispiele nicht jene grosse Bedeutung zuerkannt werden, welche manche Schriftsteller ihm zu- schreiben. Wichtig sind hier auch die Beobachtungen von Haberlandt über me S: 507 INTRACELLULARE PANGENESIS. 99 dieselbe Erscheinung!). Dieser Forscher richtete seine Aufmerk- samkeit vorwiegend auf die Zellkerne und lehrte deren Verhalten bei der Regeneration kennen. Die Kerne häufen sich im von Chloro- phylikörpern entblössten Plasma in der Nähe der Wunde, und sind für das Wachsthum der neuen Zellhaut offenbar wichtiger als diese. In den ausgetretenen Plasmaballen, welche am Leben bleiben, gelang es Haberlandt fast stets einen oder mährere Kerne nachzuweisen, niemals aber das Fehlen eines solchen festzustellen. Trotzdem ge- langten diese nicht alle zur Bildung einer neuen Zellwand. ,,Zu- weilen treten membranlose Zellformen mit reichlichem Plasma auf. Bei fehlendem Saftraum liegen die Chlorophyllkörner zusammen- geballt in der Mitte, die Kerne im peripheren farblosen Plasma. Ist ein Zellsaftraum vorhanden, so liegen die Chlorophylikörner in der innersten Schicht des Plasmakörpers, die Zellkerne weiter aussen‘‘?). Der Besitz von Zellkernen reicht somit allein nicht zur Bildung einer Zellhaut aus. Wichtig wäre es zu untersuchen, ob die betreffenden Plasmaportionen vielleicht grade jene sind, denen kein Theil der alten Hautschicht mitgegeben wurde. Von besonderem Interesse scheint es mir, die ganze schwebende Frage von einem anderen, auch schon von Haberlandt berührten Standpunkte aus zu betrachten. Die Regeneration ist offenbar eine Anpassung zur Wahrung gegen die Nachtheile von in der Natur häufig vorkommenden Verletzungen. Die höheren Pflanzen pflegen in solchen Fällen die getroffenen Zellen aufzugeben, die gross- zelligen und namentlich die von Sachs als nichtcellular bezeichneten Algen und Pilze können dieses offenbar nicht thun. Allgemein findet man denn auch bei ihnen das Vermögen, Wunden zu schliessen. Dass es aber von besonderer Bedeutung sein würde, ausgetretene Plasmaballen am Leben zu erhalten, ist um so unwahrscheinlicher, als solches meist nur in merklich konzentrirteren Lösungen gelingt, als diejenigen sind, in welchen die betreffenden Pflanzen in der Natur leben. Das Schliessen der Wunde ist also primär, die Vorgänge am ausgetretenen Plasma sind sekundär. Aus den für das erstere vor- handenen adaptiven Eigenschaften müssen sich die letzteren er- klären lassen. Und so lange das erstere ohne die Hypothese einer unabhängigen Neubildung von Hautschicht erklärt werden kann, - muss diese Annahme für die letzteren mindestens für unwahrschein- lich gehalten werden. ı) G. Haberlandt, Ueber die Beziehungen zwischen Funktion und Lage des Zellkernes, 1887 S. 83—97. 2) Lc. S. 92. 7* 100 INTRACELLULARE PANGENESIS. Diese Betrachtung führt dazu, auch das Schliessen von Wunden in Milchsaftröhren in das Bereich dieser Studien hineinzuziehen. Die Untersuchungen von Schmidt über die Milchsaftgefässe und von Schwendener über die Milchzellen können dabei als wichtige Anhaltspunkte dienen‘). Denn sie lehren, dass in Milchröhren- theilen, welche an die Schnittwunde grenzen, ein Verschluss der Röhre in derselben Weise hergestellt werden kann, wie bei manchen vielkernigen Siphoneen (z. B. Bryopsis, Codium, Derbesia) und bei vielen Pollenschläuchen der verletzte Abschnitt des Zellraumes von dem unverletzten Theile getrennt wird?). Drittes Kapitel. Die Autonomie der einzelnen Organe der Protoplaste. § 5. Zellkern und: Trophoplaste. Eine Zusammenstellung unserer Kenntnisse über die Autonomie des Zellkernes kann an dieser Stelle als überflüssig betrachtet werden. Sie ist jetzt als eine feste Errungenschaft der Wissenschaft anzu- sehen, deren Bedeutung für die Theorie der Vererbung wohl nicht mehr angezweifelt wird. Flemming auf zoologischem, Strasburger und Schmitz auf botanischem Gebiete haben die Bahn gebrochen, und ihre Beobachtungen sind von zahlreichen anderen Forschern in der Hauptsache bestätigt und erweitert werden. Ob die amitotischen, durch Ein- und Durchschnürung entstan- denen Kerne für die Vererbungsfrage eine Bedeutung haben, oder ob sie nur in somatischen Zellen und nicht auf den Keimbahnen vor- kommen, scheint noch nicht völlig entschieden zu sein. Bei Chara theilen sich nach Johow’s Untersuchungen die Zellkerne in den Scheitelzellen nach dem üblichen Schema der indirekten Kern- theilung; die kleineren Zellen der erwachsenen Pflanze, z. B. in den Knoten, bleiben zeitlebens einkernig, die grösseren Zellen aber werden durch Einschnürung vielkernig. Auf diese Art der Kernbildung folgt dann aber nie eine Zelltheilung?). Nach Zimmermann ist die direkte Kerntheilung im Pflanzenreich „nur auf diejenigen Fälle beschränkt, 1) E. Schmidt, Der Plasmakörper der Milchröhren, Bot. Zeitung 1882 S. 462. — S. Schwendener, Einige Beobachtungen an Milchsaftgefässen. Sitzungsber. der k. Akad. d. Wiss. Berlin XX, 1885 S. 323. 2) E. Schmidt, L c. S. 462. 3) Johow, Bot. Zeitung 1881 S. 729. INTRACELLULARE PANGENESIS. 101 in denen mit der Kerntheilung keine Zelltheilung Hand in Hand geht“). In den vielkernigen Zellen der Valonia hat Schmitz die Kerntheilung vielfach beobachtet, und zwar stets durch Einschnü- rung. Wie hier und bei anderen Siphonocladiaceen die Kerne für die Schwärmsporen entstehen, ob durch direkte oder indirekte Theilung, scheint noch nicht für alle Fälle sicher gestellt zu sein?). Dem gegenüber ist zu erwähnen, dass nach Van Beneden und Julin in der Spermatogenese von Ascaris megalocephala direkte und karyokinetische Kerntheilung mit einander abwechseln®). Dieser Gegenstand ist somit für eine theoretische Verwerthung noch nicht reif. Trophoplaste nennt Arthur Meyer die Amyloplaste mit ihren sämmtlichen Derivaten, unter denen die Chlorophylikörper die wichtigsten sind. Bei den niedersten Gewächsen sind sie noch nicht differenzirt, und soweit diese den Phycochromaceen angehören, ist nach Schmitz das ganze kernlose Protoplasma der Zellen gefarbt*). Doch hat später Hansgirg bei einigen Algen aus dieser Gruppe Zell- kerne und Chromatophoren nachgewiesen’). Von den Chlorophyceen aufwärts sind sie bei den grünen Pflanzen allgemein. Bei den höheren Gewächsen pflegen sie in den jugendlichen Zellen, wo sie von Schimper entdeckt wurden, farblos zu sein. Solches bleiben sie gewöhnlich auch in den unterirdischen, im normalen Leben dem Licht nicht ausgesetzten Theilen®). Phylogenetisch sind also die Gewächse mit undifferenzirtem far- bigen Protoplasma wohl älter als diejenigen, welche besondere Chromatophoren besitzen. Diese müssen wir uns somit als durch Differenzirung aus jenen entstanden denken. Eine weitere Stufe der Differenzirung ist dann die Ausbildung farbloser Zustände dieser Chromatophoren. Solche fehlen den niederen Algen noch, kommen erst in den höchsten Gruppen aus dieser Klasse zum Vor- schein, und erreichen ihre volle Bedeutung erst bei den höheren Gewächsen. Mit anderen Worten, wir müssen die Amyloplaste, obgleich sie jetzt allgemein die jugendlichen Zustände sind, aus ı) A. Zimmermann, Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle S. 34. 2) Schmitz, Die vielkernigen Zellen der Siphonocladiaceen, 1879 S. 27. 3) Van Beneden et Julin, „La spermatogénèse chez l'Ascaride méga- locéphale“, Bruxelles 1884. 4) Schmitz, Die Chromatophoren der Algen, S. 0. 5) A. Hansgirg, Ber. der deutsch. Bot. Gesellsch. 1885 Bd. Ili S. 14. 6) Schimper, Ueber die Entwickelung der Chlorophylikörner und Farb- körper. Bot. Zeitung 1883 Nr. 7. i 102 INTRACELLULARE PANGENESIS. denen sich die Chlorophylikörper entwickeln, dennoch als Folgen höherer Differenzirung betrachten und annehmen, dass sie phylo- genetisch aus diesen entstanden sind. Diese Erörterung ist deshalb wichtig, weil sie die nicht seltenen Formänderungen der Tropho- plaste auf den Keimbahnen unserem Verständniss näher führt. Im Grossen und Ganzen sind die Keimbahnzellen der höheren Pflanzen, wie manche Schriftsteller betonen, embryonaler Natur, und solche Zellen besitzen wohl stets farblose Trophoplaste. Aber diese Regel besitzt, nach unserer Definition der Keimbahnen, vielfach Aus- nahmen. So bestehen, um nur Ein Beispiel zu nennen, die Prothallien der Farne im jugendlichen Zustande aus grünen, sich theilenden Zellen, mit wohl ausgebildeten Chlorophylikörnern, aus denen nach- her die Amyloplaste der Eizellen entstehen werden. Auch bei der Callusbildung in abgeschnittenen Blattstielen von Begonia, Pepe- romyia und anderen Arten dürfte eine Rückbildung von grünen Trophoplasten in farblose, namentlich behufs der Anlage der Adven- tivknospen, stattfinden. Und da nun im Allgemeinen die Amylo- plaste in jungen Zellen und ihre Derivate in ausgewachsenen Proto- plasten vorkommen, so würden in diesen und ähnlichen Fällen Bei- spiele einer ausgesprochenen Verjüngung vorliegen. Auf den Keimbahnen pflegen die Amyloplaste eine einfache rund- liche Form zu besitzen, auf den somatischen Bahnen ändern sie ihre Gestalt, und damit die Struktur und Grösse der von ihnen hervorgebrachten Stärkekörner vielfach ab. Zu den merkwürdigsten Eigenschaften der Chromatophoren in Bezug auf die Organisation der Protoplaste gehören ihre autonomen Bewegungen. Seit den Untersuchungen von Sachs über diesen Gegen- stand weiss man, dass die Chlorophylikörper mancher Pflanzen von den Strömen des Körnerplasmas derart verschoben werden, dass sie unter dem Einflusse des Lichtes bestimmte, für die Assimilation der Kohlensäure günstige Lagen einnehmen). Dabei sind sie aber passiv. Die schönen Untersuchungen Stahl’s haben aber eigene Be- wegungen dieser Gebilde unter dem Einflusse desselben Reizes kennen gelehrt?). Sie bestehen der Hauptsache nach in Gestalts- änderungen, durch welche die betreffenden Organe sich entweder der Kugelform, oder der Gestalt einer flachen, runden Scheibe mehr oder weniger nähern. Sie erreichen dadurch, dass sie dem Sonnen- lichte eine kleinere, dem diffusen Tageslichte aber eine grössere ı) Sachs, Ber. d. math.-phys. Klasse der k. Sächs. Ges. d. Wiss. 1859. 2) Stahl, Bot. Zeitung 1880 S. 21. INTRACELLULARE PANGENESIS. 103 Fläche zur Aufnahme der Strahlen bieten. Uns aber geben sie da- durch einen Einblick in den hohen Grad ihrer inneren Differenzirung, wie wir ihn durch das einfachere Studium ihrer chemischen Thätig- keit bei weitem nicht hätten gewinnen können. Auch die übrigen, gelben und orangenen Farbstoffkörper machen bisweilen, nach Weiss, autonome Bewegungen, welche nach den Beschreibungen dieses Autors an die Formänderungen der Amöben und der farblosen Blutkörperchen erinnern!). Auch diese Gebilde dürften somit höher organisirt sein, und eine wichtigere Rolle spielen, als der einfachen Aufgabe, den betreffenden Pflanzentheilen ihre Farbe zu verleihen, entsprechen würde. Ich möchte auf diese Erscheinungen hier besonderen Nach- druck legen, weil sie für die Theorie der Vererbung bis jetzt wohl noch nicht verwerthet worden sind. Je deutlicher uns aber die Selbständigkeit der einzelnen Organe der Protoplaste vor Augen steht, und je klarer unsere Ueberzeugung wird, dass sie, zur Aus- übung ihrer Funktionen, einer hohen inneren Differenzirung be- dürfen, desto mehr werden wir geneigt sein, ihnen den gebührenden Platz in unserer Theorie einzuräumen, und namentlich ihre Be- ziehung zu den im Kerne angehäuften erblichen Anlagen um so ein- gehender aufzuklären suchen. | Ueberall, wo es bis jetzt gelang, die Enistehtiig von Tropho- plasten mit voller Sicherheit nachzuweisen, geschieht diese durch Theilung der bereits vorhandenen. Dass die Chlorophylikörper, so- wohl bei den höheren Pflanzen als auch bei den Algen, sich durch Ein- und Durchschnürung vermehren können, war seit langer Zeit bekannt. Doch erst Schmitz zeigte, dass dieser Prozess für die Algen die einzige Form der Vermehrung ist?). Bei den Characeen ent- deckte er in den Scheitelzellen die farblosen Körper, aus denen die grünen Organe dieser Pflanzen in derselben Weise hervorgehen. Diese Untersuchungen sind jetzt so allgemein bekannt, dass es über- flüssig wäre, sie hier im Einzelnen zu reproduziren. Hervorgehoben sei nur, als besonders wichtig, dass auch die Schwärmsporen nur solche Chromatophoren besitzen, welche sie aus ihrer Mutterzelle mitbekommen haben, was namentlich bei Cladophora und Halo- sphaera konstatirt wurde?). Die Untersuchungen von Schimper und Anderen, welche die- ı) A. Weiss, Ueber spontane Bewegungen und Formänderungen von Farbstoffkörpern, in Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss., Wien Bd. XC 1884. 2) Schmitz, Die Chromatophoren der Algen 1882. aile. S 135136. 104 INTRACELLULARE PANGENESIS. selbe Regel für die Phanerogamen kennen lehrten, wurden bereits in einem der vorigen Paragraphen besprochen. Besondere Erwähnung verdienen noch die von den allgemeineren Chromatophoren abgeleiteten selteneren Formen. In erster Linie ist der bei vielen Schwärmsporen beobachtete Augenfleck zu nennen), welcher nach der Meinung derjenigen Forscher, welche ihn genauer untersucht haben, vermuthlich ein metamorphosirtes Chroma- tophor ist, wie die von Arthur Meyer studirten Farbstoffkörper der höheren Pflanzen?). Nur bei Euglenen ist seine Entstehung von Klebs genauer studirt worden, sie geschieht hier stets durch Theilung, indem das Organ in den Dauerzellen erhalten bleibt*). Ob die Pyrenoide in den Chlorophylikörpern von Spirogyra und anderen Algen als besonders differenzirte Theile dieser Organe zu betrachten sind, ist wohl noch nicht definitiv entschieden. Wohl aber scheint es sicher, dass sie sich, wenigstens in einzelnen Fällen, durch Thei- lung vermehren*). Ueber die Entstehung des Oeles in Pflanzenzellen ist noch wenig Sicheres bekannt. Schon Pfeffer hat nachgewiesen, dass das Oel nicht in den Vacuolen entsteht, sondern im Körnerplasma eingebettet liegt. Besondere Organe, welche es in sich anhäufen, sind neuer- ‘dings von Wakker in Vanilla planifolia beschrieben und Elaio- plaste genannt worden. Obwohl es nicht gelang, ihre Entstehungs- weise zu ermitteln, so liegt doch die Vermuthung am nächsten, dass es metamorphosirte Chromatophoren sind’). Die Oeltropfen der Algen liegen in manchen Fällen, wie z. B. bei den Diatomeen, offenbar nicht in den Chromatophoren, und dies ist nach Schmitz eine allgemeine Regel®). Bei den höheren Pflanzen scheint solches aber bisweilen der Fall zu sein’). In letzter Linie sind hier die Mikrosomen zu nennen. Was sie sind, scheint in den meisten Fällen unbekannt zu sein. Kleine Oeltröpfchen und Stärkekörnchen, inaktive Vacuolen und Amyloplaste, Eiweiss- 1) Vergl. Zimmermann, Die Morphologie und Physiologie der Pflanzen- zelle 1887 S. 71. 2) Arthur Meyer, Das Chlorophyllkorn 1883. 3) Klebs, Ueber die Organisation einiger Flagellatengruppen. Unters. Tübingen, Bd. I S. 233. 4) Schmitz, Die Chromatophoren S. 42 u. 65; Schmitz in Pringsh. Jahrb. Bd. XV S. 142. Strasburger, Ueber Kern- und Zelltheilung 1888 S. 26. 5) J. H. Wakker, De Elaioplast, Maandbl. v. Natuurwetensch. 1887 Nr. 8. 6) Schmitz, 1. c. S. 164. 7) Vergl. Arthur Meyer, Das Chlorophylikorn S. 14 u. 31. INTRACELLULARE PANGENESIS. 105 körnchen, welche beim Fixiren durch die Coagulation des im Proto- plasma gelösten Eiweisses entstehen, und vielleicht noch mancherlei andere Gebilde werden häufig unter diesem Namen zusammen- geworfen. Mit grossem Recht hat Strasburger betont, „dass nicht die Mikrosomen, sondern das Hyaloplasma als die aktive Substanz‘ aufzufassen seien*). Ueberhaupt sollte man nie vergessen, dass das Wort Mikrosomen nur ein Fragezeichen bedeutet, und dass von einer Einsicht in die Bedeutung dieser Gebilde erst dann die Rede sein kann, wenn die dadurch gestellte Frage nach ihrer Natur in den betreffenden Fällen beantwortet sein wird. $ 6. Die Vacuolen. Die Vacuolen wurden früher als leere Räume im Innern des Protoplasma betrachtet. Daher rührt ihr Name, und dadurch erklärt sich das geringe Interesse, welches ihnen beim Studium der Zellen- anatomie bis vor kurzem entgegengebracht wurde. Erst durch die Entdeckung von Sachs, dass die Steifheit wachsender Zellen nicht, wie man bis dahin meinte, durch eine Imbibition von Wasser in ihren Wänden zu Stande kommt, sondern durch osmotische Spannung zwischen der Wand und dem Zellsaft, wurde die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Vacuolen gelenkt?). Noch mehr war letzteres der Fall durch den von demselben Forscher gelieferten Nachweis, dass die Dehnung, welche wachsende Zellhäute durch den Zellsaft erleiden, eine der wesentlichsten mecha- nischen Ursachen des Flächenwachsthums dieser Häute ist. Denn mit diesem Nachweise hat Sachs die auch jetzt noch gültige Grund- lage für die ganze mechanische Theorie des Längenwachsthums gelegt. Auf dieser Grundlage fussend haben zahlreiche Forscher unsere Kenntniss der mechanischen Ursachen des Wachsthums in ver- schiedenen Richtungen erweitert. Einige haben vorwiegend den Grad der Dehnbarkeit der Zellhäute und die Grösse der vom Zell- saft gelieferten Kräfte gemessen und analysirt. Andere haben die Ursachen studirt, welche die an verschiedenen Stellen und in ver- schiedenen Richtungen obwaltenden Ungleichheiten in der Dehn- barkeit der Wand einer und derselben Zelle beherrschen, und diese mit grosser Wahrscheinlichkeit zurückgeführt auf lokale Differen- zirungen im Protoplasten selbst, welcher diese Dehnbarkeit durch ı) Strasburger, Neue Untersuchungen 1884 S. 107. 2) Sachs, Lehrbuch der Botanik 3. Aufl. 1872; 4. Aufl. 1874 S. 757. 106 INTRACELLULARE PANGENESIS. Ausscheidung gewisser Enzyme würde regeln können. Wieder Andere haben die Intussusceptionslehre, welche zur Zeit der nam- haft gemachten Entdeckungen die herrschende war, angegriffen und als unrichtig nachgewiesen, und versucht, an deren Stelle die alte Appositionstheorie in neuer Form wieder zu beleben. Wenn auch von manchen Seiten Missverständnissen ausgesetzt ), hat die Sachs’sche Theorie sich in der Pflanzenphysiologie eine hervorragende Stellung erworben und ist in den beiden seit ihrer Aufstellung verflossenen Dezennien in immer grösserem Umfange zum Ausgangspunkte neuer Untersuchungen geworden. Sie ist ohne Zweifel eine der fruchtbarsten Gedanken für die Ausbildung unserer Wissenschaft gewesen. Das weitere durch diese Theorie angeregte Studium des Zellsaftes und der Vacuolen hat in morphologischer, uns hier ausschliesslich interessirender Hinsicht zum Nachweise der Vacuolenwand als eines wesentlichen, nie fehlenden Theiles pflanzlicher Protoplaste geführt?). Die Methode, welche diese Wand überall nachweisen liess, war die Behandlung der lebenden Zellen mit einer zehnprozentigen Salpeter- lösung, welche mittelst Eosin roth gefärbt ist. Entweder sofort, oder nach kürzerer oder längerer Zeit stirbt in diesem Reagens das äussere Protoplasma, während die Wand der Vacuolen zunächst am Leben bleibt. Sie ist dann als eine gespannte, von den todten Theilen mehr oder weniger vollständig getrennte Blase sichtbar, welche dem Eosin den Eintritt völlig verwehrt. In farblosen Zellen führt die Blase somit einen wasserhellen Inhalt, während sich das übrige Protoplasma mit dem Eosin roth oder braun färbt. Häufig hat sich dabei die ursprüngliche Vacuole in mehrere kleinere getheilt; nicht selten kann man diesen Prozess unter dem Mikroskope auch direkt verfolgen. Die Wand der Vacuolen ist als ein besonderes, die Ausscheidung und Anhäufung der im Zellsaft vorhandenen gelösten Stoffe regelndes Organ der Protoplaste zu betrachten und hat, dieser Funktion ent- sprechend, den Namen Tonoplasten erhalten. Häufig werden aber ı) In meinen Untersuchungen über die mechanischen Ursachen der Zellstreckung (Opera Z, S. 364) habe ich ausdrücklich betont, dass es auch vom Turgor unabhängige Wachsthumserscheinungen gebe, und dass der Turgor somit nicht die einzige oder auch nur die erste Ursache des Wachsthums sei. Zu dieser Ansicht gelangten später auch Krabbe und Klebs. Vergl. Arbeiten Tübingen, Bd. II 1888 S. 530. 2) Plasmolytische Studien über die Wand der Vacuolen. Opera 77, S. 321, Taf. I—IV. INTRACELLULARE PANGENESIS. 107 jetzt die Safträume mit ihrer Wand zusammen als Vacuolen be- zeichnet. In den lebenden Zellen sind die Tonoplaste in der Regel nicht sichtbar, da sie völlig durchscheinende Blasen von äusserster Dünn- heit darstellen. Klar und deutlich treten sie uns aber in den Ten- takelzellen mancher Insektenfressenden PfJanzen, und namentlich der Drosera rotundifolia und D. intermedia vor Augen. Der hier, während der Verdauung der Beute vor sich gehende, von Dar- win entdeckte Aggregationsprozess gehört zu den merkwürdig- sten Erscheinungen, welche uns das Leben einer Zelle bewundern lässt). In den ruhenden Tentakelzellen liegt meist eine grosse Vacuole, mit rothem Zellsaft. Unter der Einwirkung des Reizes theilt sich diese in mehrere, bald in sehr zahlreiche kleinere. Diese ziehen sich, unter Ausstossung eines Theiles ihres Inhaltes, zusammen, und werden nun von den Strömchen des Körnerplasma mit grosser Schnelligkeit in den verschiedensten Richtungen durch die Zellen herumgeführt. Dabei liegen sie als rothe Blasen in ungefärbter Umgebung, und sind somit leicht und scharf zu sehen. Während dieser Bewegungen erleiden sie auffallende Formänderungen; bis- weilen werden sie zu langen Röhren ausgezogen und darauf in zahl- reiche kleine Kügelchen gespalten, bisweilen vereinigen sie sich zu zwei oder mehreren, um grössere Blasen zu bilden. Gegen das Ende der Erscheinung bekommt dieser letztere Prozess den Vorrang, und schliesslich haben sich alle Saftblasen wiederum zu einer einzigen, vom anfänglichen Volum, vereinigt?). Die skizzirten Erscheinungen bei der Aggregation und die Theilung der Vacuolen, wie sie bei der Plasmolyse so häufig beobachtet wird, stellten die Fähigkeit dieser Organe, sich durch diesen Prozess zu vermehren, ausser Zweifel. Aus der Analogie dieser Gebilde mit den Chromatophoren leitete ich dann die Vermuthung ab, dass „sie ebenso wenig wie die Amyloplaste auf anderem Wege als durch Theilung hervorgebracht werden können‘). Diese Vermuthung ist seitdem von Went völlig bestätigt worden‘), Er zeigte zunächst, dass, der herrschenden Meinung entgegen, auch in den jüngsten Zellen des Meristems Vacuolen vorhanden 1) Darwin, Insectivorous plants 1875 Chapt. III. 2) Ueber die Aggregation im Protoplasma von Drosera rotundifolia. Opera II, S. 447. 3) Opera II, S. 358. 4) Went, Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XIX S. 295. 108 INTRACELLULARE PANGENESIS. sind. Diese vermehren sich hier fortwährend durch Theilung, und die Beobachtung lehrt, dass bei den Zelltheilungen die Hälfte der vorhandenen Vacuolen auf die eine und dié andere Hälfte auf die andere Tochterzelle übergeht. Bisweilen gelang es für dieselbe Vacuole die Durchschnürung und nachher den Uebergang der beiden so ent- standenen Saftblasen auf die Tochterzellen zu verfolgen. Aus den Vacuolen des Meristems lassen sich also die sämmtlichen Vacuolen der ganzen Pflanze ableiten. Theilungen dieser Gebilde findet man überall; Neubildungen nirgendwo. Ebenso entstehen bei den mit einer Scheitelzelle wachsenden Kryptogamen die sämmtlichen Va- cuolen aus den ursprünglichen in diesen Zellen vorhandenen Blasen. Diesen Untersuchungen zufolge verhalten sich die Vacuolen also genau wie die Chromatophoren, sie sind ebenso selbständige Bil- dungen in den Zellen wie diese. Und durch den Nachweis dieser Selbständigkeit ist die panmeristische Auffassung der Zelltheilung, der früheren neogenetischen gegenüber, definitiv als richtig erwiesen. Nach späteren Mittheilungen desselben Autors gelang es ihm auch die Entstehung der Vacuolen in manchen speziellen Fällen, welche früher noch nicht studirt worden waren, zu beobachten. Hervor- zuheben ist hier die Bildung dieser Organe bei den Schwärmsporen, welche nach brieflichen Mittheilungen Went’s durch Theilung der in der Mutterzelle vorhandenen Saftblase derart zu Stande kommt, dass jeder Schwärmer einen von dieser Blase abgeschnürten Theil in seinen Körper aufnimmt. In der Literatur ist häufig eine Entstehung von Safträumen in Kernen, Chromatophoren, oder auch im Körnerplasma ausserhalb der vorhandenen Vacuolen beschrieben worden. Die Prüfung dieser Fälle ergab aber, dass es sich hier nicht um normale Vacuolen handelt, sondern um pathologische Bildungen, welche beim Altern oder beim Absterben der Zelle auftreten. Häufig entstehen sie auch durch den Einfluss des Wassers, in welchem die Präparate zur Beobachtung gelangen 1). Aus dem Satze, dass die Vacuolen nur durch Theilung entstehen, lässt sich ableiten, dass die Saftblasen keimender Samen von den in den reifenden Samenknospen vorhandenen abstammen, und dass im reifen Zustande also die Vacuolen zwar ausgetrocknet sein müssen, aber nicht völlig fehlen können. Diesen Gedanken verfolgend ge- langte Wakker zu der merkwürdigen Entdeckung, dass die Aleuron- 1) F. Went, De jongste toestanden der vacuolen S. 45—65. INTRACELLULARE PANGENESIS. 109 körner die trockenen Zustände der Vacuolen im Samen sind). Während des Reifens nimmt der Gehalt des Zellsaftes an gelösten Eiweissstoffen allmählig zu, bis die Flüssigkeit dicht schleimig wird. Beim Austrocknen kristallisiren einige Eiweisssubstanzen und bilden die bekannten Kristalloide, während das übrige Eiweiss um diese herum zu einer amorphen Masse erstarrt. Beim Einweichen des Samens lösen sich diese Massen allmählig, um später als Nährstoffe Verwendung zu finden. Durch Anwendung einer Lösung von einem Theil Salpetersäure in vier Theilen Wasser kann man in dem noch flüssigen Zellsaft die Erstarrung willkürlich hervorrufen, und so die Entstehung von Aleuronkörnern unter seinen Augen künstlich herbeiführen. Wichtig ist, dass in einigen Samen mehr, in anderen weniger, die Vacuolen sich beim Reifen in mehrere kleinere, oft in sehr zahl- reiche äusserst kleine Blasen theilen, welche dann im Anfange des Keimungsprozesses allmählig wieder zu Einer grossen Vacuole zu- sammenschmelzen. Die Vorgänge in den Samen schliessen sich somit in schönster Weise an die Vorstellung von der alleinigen Entstehung der Vacuolen durch Theilung an?). Wie die Chromatophoren sich zu den verschiedensten Organen differenziren können, so auch, obgleich in bescheidenerem Umfange, die Vacuolen. Went beobachtete, wie in verschiedenen Zellen Va- cuolen liegen, welche zeitlebens getrennt bleiben, und sich durch verschiedenen Inhalt unterscheiden®). Häufig sind die einen ge- färbt, die anderen farblos oder die einen enthalten Gerbstoff, welcher den übrigen fehlt. Meist lässt sich dann Eine Saftblase als Haupt- vacuole von den übrigen unterscheiden. Diese letzteren werden dann von unserem Autor adventive Vacuolen genannt. Die kontraktilen oder pulsirenden Vacuolen bilden ein besonderes ı) J. H. Wakker, Aleuronkorrels zyn vacuolen. Maandbl. v. Natuurw. 1887 Nr. 5; Bot. Centralbl. Bd. XXXIII Nr. 12 und Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XIX S. 423. Seitdem wurde dieses Ergebniss bestätigt durch Wer- minski, Ber. d. Bot. Gesellsch. Bd. VI 1888 S. 190. 2) In den Müller'schen Körperchen der Ameisenpflanze Cecropia ade- nopus bildet Schimper im Zelleninhalte Gebilde ab, welche auf den ersten Blick aussehen wie Vacuolen, und welche er, wegen ihres dick- flüssigen Inhaltes, mit den Aleuronkörnern vergleicht. Ihre Entstehung aus Vacuolen ist wohl nicht zweifelhaft. A. F. W. Schimper, Die Wechsel- beziehungen zwischen Pflanzen und Ameisen 1888. Vergl. namentlich Taf. II Fig. 11. Vergl. auch Wakker in Pringsh. Jahrb. Bd. XIX S. 467. 3) Went, Lc. S. 65—91. 110 INTRACELLULARE PANGENESIS. System. In den Schwärmsporen der Algen entstehen sie wohl aus den übrigen Vacuolen!) durch weitere Differenzirung, bei den Eugle- nen vermehren sie sich aber nach Klebs’ Untersuchungen durch Theilung?). Sie besitzen hier eine eigene Wand, welche mit den Wänden gewöhnlicher Vacuolen in ihrer grossen Resistenzfähigkeit übereinstimmt. Klebs beobachtete, wie das Pulsiren noch längere Zeit vor sich gehen kann, nachdem man den übrigen Protoplasten durch irgend welchen mechanischen Eingriff getödtet hat. Die An- sicht, dass bei der Systole der Inhalt dieser Vacuolen in die Um- gebung hinausgestossen wird, während bei der Anastole Flüssigkeit aus dem Protoplasten entnommen wird, ist jetzt für Rhizopoden und Flagellaten wohl allgemein angenommen. Durch eigene Be- obachtung überzeugte ich mich von ihrer Richtigkeit bei Acti- nophrys Sol. Dieselbe Meinung dürfte auch auf die pulsirenden Vacuolen im Pflanzenreich Anwendung finden’). $ 7. Die Beziehung zwischen Hautschicht und Körnerplasma. Während über die bis jetzt besprochenen Organe der Protoplaste die Untersuchungen der beiden letzten Jahrzehnte ein helles Licht verbreitet haben, liegt die Beziehung zwischen Hautschicht und Körnerplasma noch völlig im Dunklen. In unserer Kenntniss von der Entstehungsweise der Kerne, Trophoplaste und Vacuolen findet, wie ich in diesem Abschnitt zu schildern suchte, die Theorie der Ver- erbung ihre unerlässliche Grundlage; über die gegenseitige Beziehung der beiden anderen genannten Theile der Protoplaste sind noch keine Thatsachen aufgefunden worden, welche für die Theorie verwerthet werden könnten. Es ist nun allerdings, wie bereits erwähnt, für die Hypothese der intracellularen Pangenesis nicht von prinzipieller Bedeutung, welcher Art jene Beziehung ist. Doch bleibt es eine wichtige Frage, ob Körnerplasma und Hautschicht einander gegenüber ebenso unab- hängig sind wie Körnerplasma und Vacuolenwand, oder ob sie zu einander in ähnlichem genetischen Verhältniss stehen, wie Amylo- plaste und Chlorophylikörner. So lange diese Frage nicht ent- schieden ist, ist die Anwendung meiner Hypothese auf die Haut- schicht, und damit auf das Flächenwachsthum der Zellhaut und die ı) Oder sollten vielleicht, phylogenetisch, die Turgorvacuolen aus den pulsirenden entstanden sein? 2) G. Klebs, Arbeiten Tübingen, Bd. I S. 250 ff. 3) Pfeffer, Pflanzenphysiologie S. 399—401. INTRACELLULARE PANGENESIS. 111 ganzen Gestaltungsvorgänge der Zellen, in hohem Grade erschwert. Aus diesem Grunde sei es mir gestattet, die einschlägigen Erschei- nungen einer kritischen Revision zu unterwerfen, um dadurch zu einem genaueren Studium davon anzuregen. Es wird sich dabei, wie mir scheint, zeigen, dass die herrschende Meinung von der jedes- maligen Entstehung der Hautschicht aus dem Körnerplasma durch sicher und eingehend beobachtete Thatsachen augenblicklich nicht gestützt, sondern nur aus langer Gewohnheit angenommen wird. Letzteres scheint mir aber, den neueren Erfahrungen über die Ent- stehung der Vacuolenwand gegenüber, keineswegs gestattet zu sein. Denn so lange man keine besondere Wand der Vacuolen annahm, lag es auf der Hand, auch die Hautschicht nicht als besonderes Organ zu betrachten. Seitdem die Selbständigkeit der ersteren nachgewiesen wurde, ist solche offenbar auch für die letztere die wahrscheinlichere Annahme?). Gegen die herrschende Meinung sprechen, ausser der im nächsten Paragraphen nachzuweisenden Unvollständigkeit der Beobach- tungen, einerseits der ganze Entwickelungsgang unserer Kenntnisse auf dem Gebiete der Zellenanatomie, andererseits die bereits mehr- fach beschriebenen Differenzirungen der Hautschicht und des Körner- plasma. Letzteres bildet keineswegs, der alten Vorstellung ent- sprechend, eine durch ihre Bewegungen sich stetig mischende, und also nicht im gewöhnlichen Sinne organisirte Grundmasse des Proto- plasma. Am deutlichsten sieht man dies bei den Characeen. Hier besteht es zunächst aus einem strömenden und einem ruhenden, die Chlorophyllkörner enthaltenden Theil. Wenn bisweilen die grünen Körner aus ihrer Lage losgerissen und vom Strome fortgeführt werden, sieht man, dass sie nicht einzeln der Hautschicht anlagen. Denn sie werden nicht einzeln, sondern in Bändern und Gruppen mitgeschleppt, während innerhalb dieser die Körner ihre gegen- seitige Lage und Entfernung behalten. Aber auch der strömende Theil bildet nicht ein Ganzes, die Stromesgeschwindigkeit ist Keines- wegs überall auf dem Querschnitt dieselbe. Sie ist in der Nähe der Chlorophylikörner grösser als an der Vacuolenwand, und nimmt ferner von den beiden Indifferenzstreifen nach der Mitte der durch ı) Ganz besonders erwünscht wäre eine Methode, um, in ähnlicher Weise wie durch starke plasmolytische Reagentien die Vacuolenwand, auch die Hautschicht überall künstlich vom Körnerplasma trennen zu können. Auch zur Beurtheilung der auf S. 109 Note 3 zu erwähnenden Hypothese über das Dickenwachsthum der Zellhäute würde eine solche Methode grosse Dienste leisten können. 112 INTRACELLULARE PANGENESIS. diese getrennten grünen Felder zu. Bei sinkender Lebensenergie kommen zuerst die trägeren Ströme zur Ruhe, während die rascheren noch sich fortbewegen, und mit weiter abnehmender Geschwindig- keit nimmt auch die Breite des Stromes ab. Ganz allgemein scheint das Körnerplasma im Pflanzenreich aus strömenden und ruhenden Theilen zu bestehen, deren Grenze durch mehr oder weniger günstige Lebensbedingungen verschoben werden kann, oder auch im Laufe der Entwickelung, den sich ändernden Bedürfnissen entsprechend, sich selbstthätig verschiebt. Letzteres lehren die schönen Untersuchungen von Dippel, Crüger und Strasburger über die Beziehungen zwischen den Plasmaströmen und der inneren Skulptur der Zellwand!). Denn allgemein laufen denjenigen Stellen entlang, wo in’s Innere hervorspringende Leisten in der Entstehung begriffen sind, kräftige Strömchen, welche offen- bar die erforderlichen Nährstoffe herbeischaffen und vertheilen. Diese Differenzirung im Körnerplasma wird aber allem Anscheine nach von einer entsprechenden Differenzirung in der Hautschicht beherrscht. Denn nach Dippel bestehen die Bänder, welche die Celluloseleisten bilden, aus einem äusseren hyalinen Bande, welches dicker ist wie die sonstige Hautschicht, sich aber ebenso wenig wie diese mit Jod gelb färbt, und einer inneren strömenden Schicht des Körner führenden Plasmas, welche letztere durch Behandlung mit Jod einen hochgelben Ton annimmt?). Offenbar ist das hyaline Band ein differenzirter Theil der Hautschicht, welcher, auf seiner Innenseite vom Strome bedeckt und ernährt, auf seiner Aussen- seite den Zellhautleisten bildet°). In nackten Protoplasten sprechen auch die Cilien für eine innere Organisation der Hautschicht. Für die Schwärmer von Vaucheria wurde diese von Strasburger beschrieben*). Hier sitzt jede Cilie einem dichteren Theile dieser Schicht auf; es sieht aus, als ob sie ihr mit einer dicken Wurzel eingepflanzt wäre. ı) L. Dippel, Abhandl. d. naturf. Ges. zu Halle Bd. X 1864 S. 55. Crüger, Bot. Zeitung 1855 S. 623. Strasburger in Jenaische Zeitschr. f. Naturwiss. 1876 Bd. X Heft IV S. 417. 2).Le..3.57.58 3) Strasburger’s Hypothese des Zellhautwachsthums durch schichtweise Umänderung der äussersten Lagen der Hautschicht in Zellhaut lässt sich ohne Schwierigkeit mit der Annahme der Autonomie dieses Organes gegenüber dem Körnerplasma verbinden, und bedarf daher an dieser Stelle keiner eingehenderen Besprechung. 4) Strasburger, Studien über das Protoplasma 1876 S. 400. INTRACELLULARE PANGENESIS. 113 $ 8. Die fragliche Autonomie der Hautschicht. Während bei der Zelltheilung nach dem von Mohl beschriebenen Typus die Vermehrung der Hautschicht durch Theilung und Wachs- thum allgemein anerkannt wird, nimmt man gewöhnlich für die Zell- bildung der höheren Pflanzen die Einschaltung einer neuen Platte und deren Verbindung mit der alten Hautschicht an. Ausserdem giebt es einige Fälle von Zellbildung, welche ganz direkt für eine Neubildung der Hautschicht aus dem Körnerplasma zu sprechen scheinen. Alle diese Fälle scheinen mir erneuter Untersuchung dringend zu bedürfen. Nur mit der Absicht, dazu anzuregen, sollen sie hier kurz besprochen werden. In Bezug auf die gewöhnliche Art der Zelltheilung hat sich die Sachlage im vergangenen Jahre wesentlich geändert durch eine Ent- deckung von Went®), welche von Strasburger bestätigt wurde?). Diese Entdeckung gilt der Natur der sogenannten Zellplatte, welche sich, nachdem die Kerntheilung abgeschlossen ist, in der Mitte der jetzt tonnenförmigen Figur bilden sollte. Wie der Name es aus- drückt, betrachtete man die Zellplatte als eine die Figur quer durch- setzende Schicht, welche sich nachher in zwei Schichten theilt und zwischen diesen die neue Celluloselamelle ausscheidet. Diese beiden Schichthälften waren die Ergänzungsstücke der Hautschicht; sie wuchsen, während die Tonne sich abplattete und sich seitlich aus- dehnte, nach allen Seiten hinaus, bis sie die alte Hautschicht der Mutterzelle erreichten und mit dieser verschmolzen. Es gelang nun Went, die ganze Zelltheilungsfigur im fixirten und tingirten Zustande aus den Zellen herauszulösen und frei in der Flüssigkeit des Präparates herumschwimmen zu lassen. Dadurch war es möglich, die bis dahin nur von der Seite studirte und ab- gebildete Zellplatte sich drehen zu lassen und in polarer Ansicht zu studiren. So lange die Zellplatte kleiner ist als die Tochterkerne, lehrt diese Ansicht selbstverständlich nichts, da es nicht möglich war, die Kerne zu entfernen. Sobald die Zellplatte aber seitlich zwischen den Kernen hervorragte, zeigte sich, dass sie keineswegs eine Kontinuirliche Platte, sondern nur ein ziemlich dünner Ring ist. Dieser Ring liegt in dem Verbindungsschlauche, der das Innere der Figur von der Umgebung trennt, und wohl dieselbe Bedeutung 1) F. A. F. C. Went, Beobachtungen über Kern- und Zelltheilung. Ber. d. d. bot. Gesellsch. 1887 V S. 247, Taf. XI. 2) Strasburger, Ueber Kern- und Zelltheilung 1888. 114 INTRACELLULARE PANGENESIS. hat wie bei Spirogyra!). Dieser „Zellring‘“, wie wir die Zellplatte jetzt nennen müssen, ist es nun, der sich vergrössert, bis er erst an einer, dann allmählig auf allen Seiten mit dem wandständigen Proto- plasma der Mutterzelle in Verbindung tritt. Dass die Ebene des Zellringes der Ort ist, wo sich die Scheide- wand ausbildet, steht fest und stimmt mit der früheren Vorstellung von der Zellplatte im Wesentlichen überein. Aber ob im Zellringe die Ausscheidung von Cellulose bereits anfängt, bevor er sich wenigstens an einer Seite der Wand der Mutterzelle angeschlossen hat, konnte bis jetzt nicht festgestellt werden. Sobald sie sich durch Reagentien nachweisen lässt, schliesst die neue Haut wenigstens auf einer Seite der Mutterzellwand an?). Ebenso wenig ist es entschieden, wenn auch nicht unwahrscheinlich, ob in der Ebene des Ringes eine Membran ausgespannt ist, welche die dort befindliche Vacuole quer durchsetzt und in zwei getrennte Saftblasen spaltet. Es ist klar, dass durch die Entdeckung des Zellringes die alte, der Autonomie der Hautschicht widersprechende Auffassung von der Zelltheilung hinfällig geworden ist. Zu ihrer definitiven Wider- legung bedarf es aber weiter fortgesetzter Untersuchungen, welche namentlich auch die Vacuolenwände in der Theilungsfigur zu be- rücksichtigen haben werden. Ich befinde mich hier in Uebereinstimmung mit Zacharias, welcher nach Beobachtungen an Chara vermuthet, dass die Zellplatten- elemente aus dem die Kernfigur umgebenden Zellplasma stammen ®). Auch möchte ich hier an einen Ausspruch Flemming’s erinnern, nach welchem die Zelltheilung bei Pflanzen und Thieren allgemein mit einer Einschnürung des Protoplasten anfängt. Diese Einschnürung sei nur deshalb in manchen Präparaten nicht beobachtet, weil sie oft einseitig ist, und also einen bestimmten Stand der Zelle unter dem Mikroskope verlangt, um gesehen werden zu können‘). Die Ansicht Platner’s, dass die Spindelfasern Strömchen des Körnerplasma sind, möchte ich hier noch zur Nachuntersuchung empfehlen. Dazu kann aber nur die direkte Beobachtung am leben- den Objekte dienen. Offenbar sind die Plasmaströme beim Studium der Zelltheilung bis jetzt in unverdienter Weise vernachlässigt worden. 1) Vergl. S. 94—05. 2) Strasburger, Bot. Praktikum, 1884 S. 597 und Ueber Kern- und Zelltheilung 1888 S. 171 ff. 3) Bot. Zeitung 1888 S. 456. 4) Flemming, Zellsubstanz, Kern- und Zelltheilung 1882 S. 243. INTRACELLULARE PANGENESIS. 115 Es erübrigt uns jetzt noch einen Blick zu werfen auf die Beispiele der sogenannten freien Zellbildung, welche wohl die auffälligsten Ausnahmen von der Regel der autonomen Entstehung der Haut- schicht darstellen. Als freie Zellbildung bezeichnete man die Fälle, in denen nicht der gesamte Protoplast der Mutterzelle bei der Bil- dung der Tochterzellen Verwendung findet!). Die neuen Zellen dachte man sich im Innern der Mutterzéile, also ohne jeden Kontakt mit der Hautschicht entstanden, und es lag also auf der Hand, dass ihre Hautschicht aus dem Körnerplasma hervorgegangen sein musste. Als erstes Beispiel galten früher die Vorgänge im Embryosack?). Namentlich die Eizellen der Angiospermen wurden oft als kugel- runde, frei im Protoplasma des Embryosackes liegende Zellen be- trachtet. Ein genaues Studium der neuesten Literatur lehrt aber, dass die genannten Gebilde stets der Membran der Mutterzelle an- liegen®), und also offenbar durch gewöhnliche Theilung aus dem Embryosacke hervorgehen. Von der Richtigkeit dieser Folgerung überzeugt man sich sowohl für die Eizellen wie für Synergiden und Antipoden am leichtesten, wenn das Protoplasma des Embryo- sackes durch kontrahirende Reagentien allseitig von seiner Zellhaut losgelöst worden ist. Ich führe als Beispiel die Abbildungen des Embryosackes von Daphne an, welche Prohaska gegeben hat). Hier sieht man deutlich, wie dieser Protoplast bei seiner Zusammen- ziehung sich von den Eizellen, Synergiden und Antipoden zurück- gezogen hat, diese liegen mit breiter Fläche der Membran der Mutter- zelle, des ursprünglichen Embryosackes, an. Dass sie durch den ge- wöhnlichen Vorgang der Zelltheilung®) aus diesem entstanden sind, kann wohl keinem Zweifel unterliegen; sie sind somit nicht, wie früher, als Töchter, sondern als Schwestern des jetzt noch vor- handenen Theiles des Embryosackes zu betrachten. Auch liegen sie in dem erwähnten Beispiel neben diesem, und nicht in seinem Innern. 1) In der neuesten Zusammenfassung der diesbezüglichen Literatur schlägt Zimmermann vor, den Namen freie Zellbildung nicht für diese Erscheinungen, sondern für die Bildung freier, d. h. mit der Mutterzelle nicht im Gewebeverbande stehender Zellen zu benutzen. Sollte sich herausstellen, dass eine freie Zellbildung im alten Sinne im Pflanzenreich nicht vorkommt, so wäre dieser Vorschlag gewiss anzunehmen. Vergl. Die Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle 1887 S. 160. 2) Vergl. z. B. Sachs, Lehrbuch 4. Aufl. S. 559. 3) van Tieghem, Traité de Botanique 1884 S. 857, 868 u.s. w. und Zimmermann, l. c. S. 161. 4) Prohaska, Bot. Zeitung 1883 S. 865 Taf. VIII Fig. 2—4. 5) Speziell durch sogenannte Vielzelltheilung. 8* 116 INTRACELLULARE PANGENESIS. Dass die Eizellen und Synergiden sich vor der Befruchtung nicht, wie die Antipoden, durch eine Zellhaut vom Embryosack trennen, beeinträchtigt diese Auffassung offenbar nicht. Ich finde in der mir zugänglichen Literatur nicht, dass Jemand die alte Auffassung bestimmt angegriffen und als unrichtig bezeichnet hat. Sie scheint von den besten Forschern nur unmerklich ver- lassen worden zu sein. Jedoch dürfte die oben gegebene Darstellung des Vorganges jetzt von ihnen wohl als die einzig richtige angesehen werden. In den Zeichnungen der letzten Jahre, und namentlich in den Arbeiten Strasburger’s, findet sie vielfache Stützen!). Auch bei der Bildung des Endospermes scheint neue Hautschicht nur in Berührung mit derjenigen der Mutterzelle zu entstehen. In schmalen Embryosäcken, wo jeder Kerntheilung eine Zelltheilung folgt, liegen die Verhältnisse offenbar nicht wesentlich anders als bei der vegetativen Zellbildung. Und für die weiteren, nach der Befruchtung noch wachsenden Embryosäcke gelingt es mir nicht in der vorliegenden Literatur irgend einen Beweis gegen die Richtig- keit dieser Annahme zu finden?). Bei manchen Algen (Acetabularia, Hydrodictyon, Ulothrix u. A.) entstehen die Schwärmsporen nur aus einem Theile des Proto- plasma der Mutterzelle. Dieser Theil ist dann stets die wandstän- dige Schicht, und jede Schwärmspore erhält, soweit die vorliegende Literatur dies zu beurtheilen gestattet, nicht nur einen Kern, Chro- matophoren und Vacuolen®), sondern auch einen Theil der Haut- schicht der Mutterzelle. Aehnliches scheint auch unter den Pilzen, z. B. bei Protomyces macrosporus vorzukommen®). Für Hydro- dictyon giebt Pringsheim an, dass das farblose, Cilien tragende Vorderende der Schwärmer der mütterlichen Hautschicht ent- spricht 5). Auch bei den Saprolegnieen werden die Oosporen derart ge- bildet, dass jede einen Theil der mütterlichen Hautschicht in sich aufnimmt ô). 1) Vergl. z. B. Strasburger, Befruchtung und Zelltheilung :878 Taf. II Fig. 110—119, Taf. IV Fig. 120—122 u. s. w. und Guignard, Ann. d. Sc. nat. 6. Serie Taf. XIII S. 176, Taf. VII Fig. 160—165. 2) Vergl. namentlich Hegelmaier, Zur Entwickelungsgeschichte endo- spermatischer Gewebekörper. Bot. Zeitung 1886 S. 529. 3) Nach der S. 108 erwähnten Mittheilung Went’s. 4) Vergl. de Bary, Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze, Mycetozoen und Bacterien 1884 S. 86. 5) Monatsber. der k. Akademie, Berlin 1871, S. 246. 6) de Bary, Abh. d. Senckenb. naturf. Gesellsch. 1881 Bd. XII S. 261. INTRACELLULARE PANGENESIS. 117 Eine grössere Schwierigkeit bilden die Ascosporen. Aber ihre Entstehung ist in den letzten Jahren nicht eingehend studirt worden. Namentlich seitdem man weiss, dass ihrer Bildung stets Theilungen des Mutterkernes vorangehen, hat man sich die Frage, wie sie in den Besitz ihrer übrigen Organe gelangen, noch nicht vorgelegt. Dass jede Spore eine oder mehrere Vacuolen durch Theilung der ' mütterlichen Saftblasen erhalten muss, ist klar, aber wie dieses geschieht, hat noch Niemand untersucht. Auch die Frage, woher sie ihre Hautschicht bekommen, muss also neuen Untersuchungen auf’s dringlichste empfohlen werden. Ebenso harrt die Entstehung der Eizelle im Oogonium der Pero- nosporeen des Studiums nach den jetzigen Methoden. Ueber die Entstehung der Hautschicht lässt sich auch in diesem Falle vor- läufig noch nichts Sicheres aussagen. Ueber die Hautschicht der Spermatozoiden vergleiche man den folgenden Abschnitt (S. 118—120). Als Schlussergebniss dieses Ueberblickes dürfen wir also sagen, dass in allen Fällen, in denen die Entstehung neuer Hautschicht ausser Berührung mit der alten angenommen wird, diese Annahme wesentlich auf älteren und nach unvollkommenen Methoden ange- stellten Beobachtungen beruht. Ausnahmen von der Regel sind also keineswegs mit Sicherheit bekannt, wenn sie auch nach unserer Hypothese von der intracellularen Pangenesis, nicht a priori als unmöglich angesehen werden dürfen. Abschnitt III. Die Funktionen der Zellkerne. Erstes Kapitel. Historische Einleitung. & Fe Der erste Schriftsteller, welcher den Kern als das Organ der Ver- erbung bezeichnet hat, ist Ernst Haeckel. Im zweiten Bande seiner Generellen Morphologie der Organismen!) begründet er diese Auf- fassung, indem er sich namentlich auf das Verhalten des Kernes bei der Zelltheilung stützt. Für ihn hat ‚der innere Kern die Ver- erbung der erblichen Charaktere, das äussere Plasma dagegen 1) 1886 S. 287—289. 118 INTRACELLULARE PANGENESIS. die Anpassung, die Akkomodation oder Adaption an die Verhält- nisse der Aussenwelt zu besorgen“. Und wie der Kern seine Haupt- rolle bei der Fortpflanzung spielt, so sei die Ernährung die Haupt- aufgabe des Plasmas. In den niedrigsten, kernlosen Organismen seien beide Funktionen noch nicht getrennt. Durch fast zehn Jahre ist dieser prophetische Ausspruch ohne merkliche Wirkung auf die Fortschritte der Zellenanatomie und der Befruchtungslehre geblieben. Erst die Entdeckung Oscar Hertwig’s, dass bei der Befruchtung die Spermatozoiden mit dem Kerne der Eizellen kopuliren, hat Haeckel’s Gedanken zum Ausgangspunkte für eine neue Forschungsrichtung erhoben!). Hertwig beobachtete diese Thatsache zuerst bei den Eiern der Echiniden, und stellte fest, dass die Befruchtung nicht etwa auf einem einfachen Aneinander- liegen, sondern auf einer gegenseitigen Durchdringung der beiden Kerne beruhe. R. Hertwig, Fol, Selenka, Flemming und Andere haben diese Meinung durch weitere Beobachtungen gestützt, und demzufolge ist sie in der zoologischen Wissenschaft jetzt wohl zur allgemeinen Anerkennung gelangt. Auf botanischem Gebiete hat sich Strasburger das grosse Ver- dienst erworben, den Satz, dass die Befruchtung wesentlich auf der Vereinigung der Zellkerne beruht, durch langjährige Untersuchungen festgestellt und definitiv bewiesen zu haben. Seine ersten Studien über die Befruchtung der Coniferen, und die späteren über denselben Vorgang bei den Angiospermen?) bilden jetzt die Grundlage für diesen Theil unserer Wissenschaft. Die übrigen Organe der Protoplaste nehmen bei der Befruchtung an der Kopulation keinen Antheil. Und da die Glieder der be- fruchteten Eizelle dennoch später die Eigenschaften der beiden Eltern besitzen, so ist es klar, dass eine Uebertragung der erblichen Eigenschaften aus dem befruchteten Kerne auf sie stattfinden muss. Diese Uebertragung ist aber der Beobachtung, wenigstens jetzt, noch nicht zugänglich. Doch sprechen bereits manche Thatsachen auch ausserhalb der Befruchtungslehre für ihre Existenz. Es ist meine Absicht, in diesem Abschnitte alle Thatsachen, welche auf das Wesen dieser Uebertragung ein Licht werfen können, mög- 1) O. Hertwig, Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies, Morpholog. Jahrbuch I 1875 S. 347- 2) Strasburger, Ueber Befruchtung und Zelltheilung 1878. Derselbe, Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang bei den Phanero- gamen 1884. INTRACELLULARE PANGENESIS. 119 lichst vollständig zusammen zu stellen. Die herrschende Auffassung betrachtet diesen Vorgang als einen dynamischen, während meine Hypothese der intracellularen Pangenesis einen Transport stoff- licher Theilchen als Träger der erblichen Eigenschaften annimmt. Es handelt sich also darum, zu untersuchen, welche dieser beiden Auffassungen in dem vorhandenen i er eta die besten Stützen findet. Zweites Kapitel. Die Befruchtung. 8 2. Die Kopulation der Zygosporeen. Sehr lehrreich ist das Verhalten des Chlorophyllbandes der Spiro- gyren während der Kopulation. Schon de Bary hatte beobachtet, dass bei manchen einspirigen Arten die beiden Chlorophyllbänder der kopulirenden Zellen sich derart mit den Enden aneinanderlegen, dass sie ein kontinuirliches Band darstellen!). Für die einspirige Art S. Weberi hingegen hat in neuester Zeit Overton beschrieben und abgebildet, wie das Band der mütterlichen Zelle sich bei der Kopu- lation in der Mitte spaltet, und wie darauf das väterliche Band sich zwischen diese beide Hälften einschiebt und sich mit seinen Enden an sie anlegt?). Später werden, durch die bedeutende Anschwellung der Amylumherde, sowie durch andere Vorgänge, die Windungen des Bandes allmählig undeutlicher, um in der Zygospore ganz un- kenntlich zu werden, und erst bei deren Keimung wieder zum Vor- schein zu kommen’). Diese Angaben genügen vollständig, um uns über die Herkunft der Chlorophylibänder der jungen Keimpflanze eine Vorstellung zu machen. Wir nehmen dabei als Ergebniss der erwähnten Unter- suchungen an, dass das Chlorophyliband der keimenden Zygospore aus den in der einen oder der anderen Weise mit den Enden an- einandergelegten Bändern der beiden Sexualzellen besteht. Was wird jetzt, bei den ersten Theilungen der jungen Pflanze mit diesen beiden Theilen des Bandes geschehen ? Offenbar wird die erste Zelltheilung, indem sie das Band in der Mitte durchschneidet, in dem von de Bary beschriebenen Falle die mütterliche Hälfte der einen, die väterliche Hälfte der anderen Tochterzelle zuweisen. Bei S. Weberi werden ı) de Bary, Die Conjugaten S. 3. 2) C.E: Overton, Ber. d. d. bot. Gesellsch. Bd. VI 1888 S. 70 Taf. IV. 3) Vergl. hierüber auch Klebahn, Ber. d. d. bot. Ges. VI 1888 S. 163. 120 INTRACELLULARE PANGENESIS. dieses aber erst die beiden folgenden Theilungen thun; die mittleren Zellen des vierzelligen Fadens führen dann das väterliche, die beiden Endzellen das mütterliche Band. Aus dieser Betrachtung ergiebt sich, dass es für die einzelnen Zellen eines einspirigen Spirogyra-fadens völlig gleichgültig ist, ob sie ihr Chlorophyllband vom Vater oder von der Mutter be- kommen. Aber ohne Zweifel besitzen nachher die sämmtlichen Bänder der jungen Pflanze die gleichen erblichen Eigenschaften, auch wenn zwischen Vater und Mutter individuelle Unterschiede vorhanden waren. Wir müssen also annehmen, dass sie diese, soweit erforderlich, vom Kerne nach der Befruchtung bezogen haben. Wenn wir überhaupt dem Kopulationsvorgange eine Bedeutung für die aktiven erblichen Charaktere zuschreiben und seine Wirkung nicht durch alle Generationen auf die Kerne beschränken wollen, sind wir offenbar zu dieser Annahme gezwungen. Machen wir sie aber, so liegt hier die Nothwendigkeit einer Ueber- tragung der erblichen Eigenschaften vom befruchteten Kerne auf die übrigen Organe der Protoplaste in einem einfachen Beispiele vor uns. Wir wollen diesen Satz verallgemeinern und sagen, dass es im ganzen Pflanzenreich für das neue Individuum gleichgültig ist, ob es die Organe seiner Protoplaste, mit Ausnahme des Kernes, vom Vater oder von der Mutter bezieht. Nur der Kern muss von beiden herrühren. Die in den beiden folgenden Paragraphen zu besprechen- den Thatsachen lehren, dass bei der eigentlichen Befruchtung die übrigen Organe nur von der Mutter stammen. Das ist aber nur als eine besondere Anpassung zu betrachten. Die Chromatophoren der übrigen darauf untersuchten Zygosporeen verhalten sich im Wesentlichen ähnlich wie diejenigen von Spiro- gyra. Sie legen sich an einander (Epithemia) oder vereinigen sich nicht (Zygnema und viele andere), kopuliren aber niemals im eigent- lichen Sinne des Wortes!). Stets müssen also, bei den ersten Thei- lungen des Keimlings, die väterlichen und mütterlichen Chloro- phylikörper auf die einzelnen Zellen des Fadens vertheilt werden. Schmitz, der wohl zuerst die Kopulation der Kerne bei den Zygo- sporeen beobachtete und das eigenthümliche, oben geschilderte Ver- halten der Chromatophoren eingehend studirte, hebt dabei in klarer Weise hervor, dass es auch in diesen Fällen „bei der Befruchtung 1) Schmitz, Die Chromatophoren S. 128. Vergl. auch Overton und Klebahn Il. cc. INTRACELLULARE PANGENESIS. 121 wesentlich nur auf die Vereinigung des Zellkernes der männlichen Zelle mit dem Zellkern der weiblichen Zelle ankomme‘t). Und die später aufgefundenen Thatsachen haben diesen Ausspruch völlig bestätigt. § 3. Die Befruchtung der Kryptogamen. Schmitz hat in seiner inhaltreichen» Schrift über die Chromato- phoren der Algen ausführlich dargethan, dass diese Gebilde, welche bei jeder vegetativen Zelltheilung von der Mutterzelle auf ihre Töchter übergehen, den Spermatozoiden in der Regel völlig fehlen?). Die Eizelle besitzt diese Organe aber stets. Nach der Befruchtung ver- mehren sie sich durch Theilung und bilden so die Chromatophoren des neuen Individuums. In Bezug auf diesen Punkt wird somit die Organisation der Protoplaste direkt von der Mutter, und nicht vom Vater geerbt. Fragen wir nun, wie sich dabei die übrigen Glieder der Proto- plaste, mit Ausnahme des Kernes, verhalten. Allem Anscheine nach besitzen die Spermatozoiden ebensowenig Vacuolen wie Farbstoff- körper, und gilt für erstere also dasselbe wie für letztere. Nach den besten neueren Untersuchungen entstehen die Sperma- tozoiden nicht, wie manche Schriftsteller früher annahmen, nur aus dem Kerne der Mutterzelle, sondern es betheiligt sich an ihrer Bil- dung auch das übrige Plasma. Allerdings bildet der Kern die Haupt- masse des Körpers der männlichen Fortpflanzungszelle. Bereits Schacht hatte auf Grund eigener und Anderer Beobachtungen den Satz aufgestellt: „dass sich der Zellkern in sehr wesentlicher Weise bei der Bildung des Spermatozoids betheiligt, und gewissermaassen in dasselbe aufgeht‘‘#). Er hebt ferner hervor, dass dabei der körnige Inhalt der Mutterzelle verschwindet. Dieser Uebergang des Kernes, obgleich im Anfange der neueren Untersuchungen von hervor- ragenden Forschern geleugnet®), wird jetzt allgemein als der wich- tigste Theil des ganzen Prozesses anerkannt. Ausserhalb des Kernes liegt in den Spermatozoiden die Haut- schicht, welche dieses Organ gegen äussere Einflüsse schützt, und ge- wissermaassen das Schiffchen bildet, welches ihn nach seinem Be- aile. 5. 128 Note 2, 2) Schmitz, L c. S. 120 ff. 3) Schacht, Die Spermatozoiden 1864 S. 35. 4) Vergl. z. B. Sachs, Lehrbuch 4. Aufl. S. 303 und Strasburger, Zell- bildung und Zelltheilung III. Aufl. S. 94; ferner Bot. Zeitung 1881 S. 847 u. 848. 122 INTRACELLULARE PANGENESIS. stimmungsorte befördert. Die Unterscheidung dieser beiden Theile verdanken wir namentlich Zacharias, der die mikrochemischen Reaktionen der männlichen Fortpflanzungszellen ausführlich stu- dirte, und wiederholt auf das verschiedene Verhalten ihrer äusseren und inneren Partien hinwies!). Namentlich gilt das Nuclein als chemisches Merkmal für die Substanz der Zellkerne. Flüssigkeiten, welche diese Substanz leicht lösen und ausziehen, entfernen nur die inneren Theile der Spermatozoiden, lassen aber die äussere Schicht und die Cilien im Allgemeinen ungelöst. Dagegen lösen sich die Cilien in Pepsin, und bestehen somit nicht aus Nuclein?). Auch nach Campbell entstehen die Cilien der Spermatozoiden nicht aus dem Kern, sondern aus dem Cytoplasma der Mutterzelle®). Bei der Befruchtung spielt aber offenbar der Kern allein eine Rolle. Das tiefe Eindringen des ganzen Spermatozoids in die Ei- zellen lehrt, dass von einer Kopulation seiner Hautschicht mit der- jenigen der Eizelle nicht die Rede sein kann. Vielmehr verschwinden dieses Organ und die Cilien innerhalb der Eizelle, ohne dort irgend welche merkbare Rolle zu spielen. Ausnahmsweise besitzen die Spermatozoiden kleine Chromato- phoren, deren sie dann wohl auf der Reise nach der Eizelle, sei es zum Einschlagen des richtigen Weges, sei es zu anderem Zwecke, bedürfen. So z. B. bei Fucus, wo Schmitz den Nachweis lieferte, dass sie durch Theilung aus den Chromatophoren der Mutterzelle entstehen®). Dass sie aber bei der Befruchtung eine Rolle spielen würden, dafür spricht keine Beobachtung. Phylogenetisch sind die Spermatozoiden der Algen wohl ohne Zweifel aus kopulirenden Schwärmsporen entstanden. Dabei haben sie allmählich ihre Farbstoffkörper und wohl auch ihre Vacuolen eingebüsst. Für das Verschwinden der ersteren beschreibt Schmitz eine Anzahl von Zwischenstufen. Aus seiner wichtigen Behandlung dieses Punktes sei es gestattet hier die folgenden Sätze zu citiren®): „Bisweilen, namentlich da, wo die Differenz der beiderlei Sexual- zellen noch keine sehr bedeutende ist, schliessen sie (die Sperma- tozoiden) sich durchaus den Isogameten an, und behalten wie diese die Chromatophoren unverändert (z. B. bei Scytosiphon lo- mentarium). Wird dagegen jene Differenz grösser, so zeigen die 1) Zacharias in Bot. Zeitung 1881—1888. 2) Zacharias, Bot. Zeitung 1881 S. 828, 836 u. 850. 3) Campbell, Ber. d. d. bot. Ges. 1887 S. 120. 4) Schmitz, L c. S. 122. SOE der INTRACELLULARE PANGENESIS. 123 Chromatophoren der männlichen Zellen eine deutliche Tendenz zum Schwinden, namentlich wird ihre Färbung eine weniger intensive (Bryopsis).“ Dieses vergleichende Studium überbrückt also die Kluft, welche zwischen der Kopulation und der Befruchtung liegt, und welche wohl hauptsächlich dadurch bedingt wird, dass bei letzterer die Orga- nisation der Protoplaste, morphologisch nur von der Mutter, bei ersterer aber in einigen Zellen von dieser, in anderen vom Vater geerbt wird. Andererseits aber führt die erwähnte phylogenetische Betrachtung zu der Ueberzeugung, dass die Hautschicht der Sperma- tozoiden dieselbe Bedeutung und dieselbe Entstehung hat wie die der Schwärmsporen, und ebenso unentbehrlich ist, wie diese. $ 4. Die Befruchtung der Phanerogamen. Auch bei den Blüthenpflanzen wird die Organisation der Proto- plaste direkt nur von der Eizelle geerbt. Aus dem Pollenschlauche dringt nur der Kern in diese hinein; sonstige Theile, auch wenn sie zum Uebertragen des Kerns erforderlich sein und diesen begleiten sollten, spielen aber beim eigentlichen Befruchtungsprozesse keine Rolle. Jedermann kennt die hervorragenden Untersuchungen Stras- burger’s auf diesem Gebiete, welche seit 1878 zu wiederholten Malen diesen Punkt behandelten und den vollständigen Nachweis für die obigen Sätze erbracht haben. Es wäre überflüssig, sie hier zu wieder- holen, oder die Bestätigungen, welche sie durch andere Forscher er- halten haben, aufzuzählen. Wie die Kerne sich bei der Befruchtung vereinigen, ist eine bei weitem noch nicht vollständig beantwortete Frage. Auch herrschen hier Differenzen, welche wenigstens sehr auffallend sind. Nach Strasburger kopuliren nicht nur die Kernschleifen, sondern auch die Kernhöhlen und somit gleichfalls der Kernsaft!), Nach van Beneden lagern sich bei Ascaris megalocephala die Kernschleifen der männ- lichen und der weiblichen Zelle einander gegenüber, um den Furchungskern zu bilden?). Sie scheinen sich dann an den Enden zu verbinden, um zusammen einen einzigen Kernfaden zu bilden, in welchem somit nur eine Aneinanderlagerung, nicht eine gegen- seitige Durchdringung der beiderseitigen Elemente stattfinden würde. Während aber, nach den vorhandenen Angaben, bei den ı) Strasburger, Ueber Kern- und Zelltheilung 1838 S. 230. 2) E. van Beneden, Recherches sur la maturation de l'œuf 1883. 124 INTRACELLULARE PANGENESIS. Thieren die Kopulation im Stadium der sternförmig angeordneten Kernschleifen vor sich geht, soll sie bei den Pflanzen im Stadium der Ruhe geschehen. Ob dieser Unterschied wirklich vorhanden ist, und wie sich allgemein die Kernfäden vereinigen, sind Fragen, welche noch weiterer Untersuchung bedürfen!). Wichtig ist, dass die Anzahl der Kernschleifen nach Strasburger’s neuesten Untersuchungen auch bei Pflanzen in den generativen Zellen für jede Pflanzenart konstant, und zwar für die männlichen Zellen dieselbe ist wie für die weiblichen. Bisweilen ist sie für grosse Gruppen dieselbe, so bei den Orchideen 16; bei den Liliaceen wechselt sie aber zwischen 8, 12, 16 und 242). Für Ascaris megalocephala ist sie 2, für A. lumbricoides 24. Eine systematische Bedeutung, oder eine einfache Beziehung zu den erblichen Eigenschaften hat diese Zahl also offenbar nicht. Von der Fortsetzung der Untersuchungen auf diesem Gebiete dürfen wir aber wichtige Aufschlüsse über die Frage erwarten, welche Theile des Kernes die eigentlichen Träger der latenten erblichen Eigenschaften sind. Augenblicklich spricht vieles dafür, dass sie in dem Kernfaden zu suchen seien?). Für die weitere Ausarbeitung der Vererbungstheorie ist dieses ohne Zweifel vom höchsten Interesse; für unsere Hypothese ist eine Entscheidung aber nicht unbedingt nothwendig. Drittes Kapitel. Die Uebertragung der erblichen Eigenschaften aus den Kernen auf die übrigen Organe der Protoplaste. $ 5. Die Hypothese der Uebertragung. Schon mehrfach war von einer Uebertragung der erblichen Eigen- schaften aus den Kernen auf die übrigen Organe der Protoplaste die Rede. Ueberblicken wir aber die sämmtlichen im vorigen und in diesem Abschnitt zusammengestellten Thatsachen, so tritt uns die Nothwendigkeit der Annahme einer solchen Uebertragung mit voller Kraft vor Augen. N Die pflanzlichen Protoplaste besitzen eine sichtbare Organisation, welche bei jeder Zelltheilung durch Theilung der einzelnen Organe direkt von der Mutterzelle auf ihre Töchter übergeht. Die Erblich- 1) Strasburger, Ueber Kern- und Zelltheilung 1888 S. 240. 2) Strasburger, l.c. S. 239, 242. 3) Roux, Ueber die Bedeutung der Kernfiguren 1883. INTRACELLULARE PANGENESIS. 125 keit ist hier eine sichtbare, keine latente. Die einzelnen Organe aber sind von einander in ontogenetischer Beziehung unabhängig; sie entstehen nur durch Theilung bereits vorhandener. Und wenn sie auch im Laufe der Entwickelung verschiedenen Funktionen an- gepasst werden und dabei andere Namen erhalten haben, und ihre Entstehung in einzelnen Fällen noch nicht aufgeklärt ist, so steht doch im Ganzen und Grossen so viel fest, dass der Kern, die Chroma- tophoren, die Vacuolen und das Körnerplasma, und vielleicht auch die Hautschicht, Hauptorgane sind, welche nie aus einander hervor- gehen, sondern nur neben einander sich vermehren. Jedes dieser Hauptorgane besitzt eine Fülle von Eigenschaften und Anlagen, welche zusammen den Charakter der Spezies aus- machen. Diese Eigenschaften sind entweder direkt unter dem Mikroskope sichtbar, oder verrathen ihre Anwesenheit durch be- stimmte Funktionen. Dass die erblichen Eigenschaften in den ent- sprechenden Organen der Protoplaste liegen, darüber besteht kein Zweifel. Ob sie aber in Zellen, wo sie nur als Anlagen vorhanden sind, ebenfalls in diesen liegen, darüber geben uns die Vorgänge der vegetativen Fortpflanzung keine Entscheidung. Diese bietet uns der Befruchtungsvorgang. Die Bastarde lehren, und die alltäglichen Beobachtungen am Menschen bestätigen es, dass die Kinder im Mittel im gleichen Maasse ihre Eigenschaften von beiden Eltern erhalten. Die befruchtete Eizelle aber erhält ihre Organe nur aus der Mutter, vom Vater gelangt nur der Spermakern zur Kopulation mit dem Kerne der Eizelle. Die sämmtlichen erb- lichen Eigenschaften des Vaters müssen also im Kerne, als Anlagen, im latenten Zustande, übergehen. Und bevor sie in den übrigen Organen der Protoplaste aktiv werden können, müssen sie also offen- bar aus dem Kern auf diese übertragen werden. Diese Uebertragung ist somit eine Hypothese, deren Annahme beim jetzigen Zustande unserer Kenntnisse wohl als nothwendig betrachtet werden darf. Es sei mir gestattet, diese Uebertragung durch einige Beispiele zu beleuchten. Ich entlehne sie den Bastarden, weil hier die Verhält- nisse am klarsten und am beweiskräftigsten vor uns liegen, und wähle die Farben der Blumen, da diese der Betrachtung leicht zu- gänglich sind. Zunächst die rothe Blüthenfarbe. Phaseolus multiflorus hat rothe, Phaseolus vulgaris nanus weisse Blumen. Durch Bestäubung des letzteren mit dem Pollen des ersteren entstand mehrere Male, und so auch in 1886 in meinen Kulturen, ein Bastard- 126 INTRACELLULARE PANGENESIS. same. Dieser weicht äusserlich von den normalen Samen seiner Mutterpflanze nicht ab, entwickelt sich aber zu einer Pflanze, welche im Habitus dem schlingenden Ph. multiflorus ähnlich ist, jedoch kleiner bleibt als dieser. Die Blumen des Bastardes sind blassroth; ihre Farbe hält, wie ich mich selbst überzeugen Konnte, nahezu die Mitte zwischen beiden Eltern. Der rothe Farbstoff aber findet sich, gelöst, in den Vacuolen der Zellen der Blumenblätter. Die Eigenschaft der Vacuolen, das rothe Erythrophyll zu bilden, rührt also in diesem Bastard vom Vater her. Die Vacuolen des Bastardes stammen aber morphologisch von denen der Mutter ab. Das Erythrophylibildende Vermögen muss also, im latenten Zu- stande, in dem Pollenkern des Vaters auf den Kern der Eizelle über- gegangen und aus diesem, früher oder später, den Vacuolen des Bastardes mitgetheilt worden sein. Dasselbe lehren viele andere Bastarde, wie z. B. Digitalis lu- tea 9x purpurea g, Linaria vulgaris 9 x purpurea g, Linaria ge- nistaefolia 2 x purpurea d'u. s. W.?). Die gelbe Farbe der Blüthen verhält sich in derselben Weise, Digitalis luteo — purpurea giebt das beste Beispiel. Die beiden Formen D. purpurea 2 x lutea 3 und D. lutea 2 x purpurea g sind einander bis auf einige Abänderungen in der Blüthenfarbe völlig gleich?). Eine Abbildung des Bastardes giebt Naudin; die Blüthe besitzt in der einen Traube eine rein gelbe Farbe, in der anderen sind gelb und blassroth mit einander vermischt®). Von den beiden genannten Bastarden der Linaria finde ich die reciproken Formen nicht erwähnt. Wie die Eigenschaften der Vacuolen, so müssen auch die der Chromatophoren bei der Bastardirung im Pollenkerne des Vaters im latenten Zustande dem Bastarde mitgetheilt werden. Als Bei- spiel nenne ich Raphanus sativus 9 x Brassica oleracea 3, Medi- cago sativa 9 x falcata 3, Geum album 2 x urbanum g, Verbascum phoenicum 2 x blattaria g *). Aehnliche Beispiele lassen sich in grosser Zahl der reichhaltigen Literatur über Bastardirungsversuche entnehmen. Aber ein aus- ı) Vergl. Focke, Die Pflanzenmischlinge S. 311, 315 u. a. a. Stellen. 2) Focke, Le; SAAN 3) Naudin, Nouvelles recherches sur l’hybridité, in Nouvelles Archives du Muséum d'histoire naturelle de Paris 1869 p. 95 Pl. 2. 4) Diese Beispiele nach Focke, wo leicht mehrere zu finden sind. Ich hatte leider nicht die Gelegenheit, die Natur des gelben Farbstoffes zu kontroliren. INTRACELLULARE PANGENESIS. 127 führliches mikroskopisches Studium der Bastarde in Beziehung zum anatomischen Bau ihrer Eltern bleibt stets in hohem Grade Be- dürfniss für die Wissenschaft. Noch schlagender und allgemeiner tritt uns die Nothwendigkeit der Annahme einer Uebertragung entgegen, wenn wir die Bastarde in der zweiten und folgenden Generation betrachten. Fast stets, wenn diese in hinreichend grosser Zahi kultivirt werden, schlagen einige auf die Grossmutter, andere auf den Grossvater zurück. Die letzteren können dem Grossvater bis zum Verwechseln ähnlich sein. Es lehrt uns dieses, dass beim Bastardiren sämmtliche Eigenschaften des Vaters auf den Bastard übergehen, um, soweit sie in ihm nur als Anlagen vorhanden sind, in einigen seiner Kinder wieder aktiv zu werden. Alle Organe der Protoplaste müssen also ihre aktiven Eigenschaften aus dem Kerne beziehen können. Im Bastard sind aber die Eigenschaften des Vaters und der Mutter in gleicher Weise vertreten. Namentlich sind die beiden Bastarde, welche zwei Arten hervorbringen können, indem die eine Art das eine Mal als Vater, das andere Mal als Mutter fungirt, unter sich mit wenigen Ausnahmen im Wesentlichen gleich. Es liegt also kein Grund vor, anzunehmen, dass die in der Eizelle und im Sperma- tozoid latenten erblichen Eigenschaften in prinzipiell anderer Weise vom Vater als von der Mutter geerbt werden. Und somit kommen wir zu der Folgerung, dass auch die letzteren im Kerne, und nicht über die einzelnen Organe der Eizelle vertheilt, liegen müssen. Die Kerne sind somit die Träger der latenten erblichen Eigen- schaften. Diese müssen, um aktiv zu werden, wenigstens zum weitaus grössten Theilt), aus ihnen in die übrigen Organe der Protoplaste übergehen. § 6. Beobachtungen über den Einfluss des Kernes in der Zelle. Dass dem Zellkerne irgend eine hervorragende Rolle im Leben der Zellen zukommt, darüber waren schon die ersten Beobachter dieses Organes sich völlig klar. Sie haben dieser Ueberzeugung in dem Namen selbst Ausdruck gegeben. Und wenn auch später das vermeintliche Fehlen des Kernes bei grossen Gruppen unter den Thallophyten Zweifel an der Richtigkeit dieser Meinung aufkommen liess?), so sind diese durch die neueren Untersuchungen völlig be- seitigt. I) Die Eigenschaften, welche die Kerntheilung regeln, werden wohl in den Kernen selbst aktiv. 2) Vergl. Brücke, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Wien 1861. 128 INTRACELLULARE PANGENESIS. Welcher Art aber jene Rolle war, darüber gelang es anfänglich gar nicht, sich eine Vorstellung zu machen. Erst die im ersten Kapitel dieses Abschnittes genannten Forscher, Haeckel, Hertwig, Flemming, Strasburger u. A., haben uns gelehrt, den Kern als das eigentliche Organ der Vererbung anzusehen. Und noch in den letzten Jahren finden sich Schriftsteller, welche den Kern, Haeckel’s be- stimmter Aeusserung entgegen, als ein Organ der Ernährung be- trachten, indem sie ihm einen Einfluss auf die Bildung von Eiweiss, Stärke oder anderen Assimilationsprodukten zuschreiben. Durch den Einfluss der namhaft gemachten Forscher ist die Auf- merksamkeit in den letzten Jahren immer mehr auf den Kern ge- richtet worden. Und demzufolge sind eine Reihe von Beobachtungen gemacht und veröffentlicht worden, welche dafür sprechen, dass grade auf die wichtigsten Prozesse im Zellenleben der Kern, ob- gleich nicht selbstthätig, doch einen bedeutenden Einfluss ausübt. Im Grossen und Ganzen sind die beobachteten Verhältnisse ohne Zweifel darauf zurückzuführen, dass die erblichen Eigenschaften, so lange sie latent sind, im Kern aufbewahrt werden, während sie erst in den übrigen Organen der Protoplaste in Thätigkeit zu ge- rathen pflegen. Doch ist nicht zu vergessen, dass im Einzelnen spezielle Korrelationen zwischen Kern und Protoplasma obwalten können, welche auf spezifische Anpassungen, und nicht auf all- gemeine Gesetze zurückzuführen sind. Im Einzelfalle dürfte es meistens schwierig sein, zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu entscheiden. Zunächst führe ich einige bereits von älteren Forschern hervor- gehobene Verhältnisse an. In jungen Zellen liegt der Kern in der Mitte der Zelle. Bei zunehmender Vergrösserung der Vacuolen, wenn das Protoplasma in den sogenannten schaumigen Zustand ge- langt, bleibt er an jener Stelle liegen und ist durch von ihm aus- strahlende Bänder und Leisten mit allen Theilen des wandständigen Plasma auf dem kürzesten Wege verbunden. Dieses bekannte Bild und die hervorragende Grösse des Kernes in jungen Zellen mögen wohl die ersten Gründe gewesen sein, aus denen man die besondere Wichtigkeit dieses Organes abgeleitet hat. Bei zunehmendem Wachs- thum der Zellen wächst der Kern nicht in entsprechender Weise, er wird relativ kleiner, und durch das Verschmelzen der Vacuolen wird er gezwungen seine centrale Lage aufzugeben. Für gewöhnlich nimmt er nun aber keine andere Stellung als fest an, sondern wird von den Strömen des Körnerplasma durch die Zelle herumgeführt. Häufig legt er dabei, wie Hanstein hervorhebt, innerhalb weniger INTRACELLULARE PANGENESIS. 129 Stunden einen vielverschlungenen Weg zurück und durchsegelt sein Gebiet in allen Richtungen, ‚als ob er es überall zu inspiziren hätte‘), Alles spricht dafür, dass die Thätigkeit des ganzen Protoplasten unter dem regulirenden Einfluss der Zellkerne steht). Neben diesem allgemeinen Verhalten der Zellkerne haben uns nun in den letzten Jahren die Untersuchungen von Tangl, Haberlandt, Korschelt u. A. eine besondere Beziehung der Kerne zu einzelnen Prozessen im Zellenleben kennen gelehrt. Tangl beobachtete Zwiebelschuppen von Allium Cepa, weke vor kurzer Zeit, z. B. am vorigen Tage, verwundet waren?). Er sah, dass in der Nähe der Wundfläche die Zellkerne nicht wie sonst regellos über die Zellen zerstreut liegen, sondern dass sie sich sämmt- lich nach derjenigen Seite ihrer Zelle begeben hatten, welche der Wunde am nächsten lag. Mit ihnen war auch das Körnerplasma an jenen Wänden angehäuft. Je geringer die Entfernung von der Wunde, um so schärfer war die Erscheinung ausgeprägt, doch bis in einer Entfernung von etwa 0,5 mm war sie noch deutlich zu erkennen. Diese Verhältnisse deuten wohl darauf hin, dass die Regenerations- vorgänge, welche die Wunden hervorzurufen pflegen, hier unter dem Einflusse der Kerne vor sich gehen. Haberlandt hat in einer langen Reihe von Fällen, in denen die Zellen der höheren Pflanzen an bestimmten Stellen ihres Umfanges ein lokal stärkeres Wachsthum zeigen, die Lage des Kernes während dieses Prozesses aufgesucht‘). Theils dort, wo durch lokalisirtes Flächenwachsthum sich die Form der Zellen ändert, theils wo ein- seitige Verdickungen der Membran, oder eine bestimmte Wand- skulptur angelegt werden. Und obgleich bei der Fülle der Einzel- erscheinungen eine ausnahmslose Regel nicht zu erwarten war, so fand er doch im Grossen und Ganzen, dass der Zellkern sich zumeist dorthin begiebt, wo das Wachsthum am ausgiebigsten ist, und am längsten dort verweilt, wo letzteres am längsten andauert. Für thierische Zellen gilt nach Korschelt im Allgemeinen dieselbe Regel’). Es gelang diesem Forscher in einer Reihe von Fällen, bei vorwiegend einseitiger oder lokaler Thätigkeit in den Zellen, eine ı) Hanstein, Das Protoplasma, 1880, I S. 165. 2) Vergl. Strasburger, Neue Untersuchungen, 1884 S. 125. 3) Tangl, Zur Lehre von der Kontinuität des Protoplasma. Sitzber. d. k. k. Akad. d. Wiss. Bd. XC. 1884. 4) G. Haberlandt, Ueber die Beziehungen zwischen Funktion und Lage des Zellkernes 1887. 5) E. Korschelt, Biolog. Centralblatt Bd. VIII Nr. 4 S. 1ioff. 9 6 130 INTRACELLULARE PANGENESIS. bestimmte, dem Orte dieses Prozesses möglichst genäherte Lage für den Kern zu beobachten. Häufig auch ist der Kern mit solchen bevorzugten Stellen bei entfernterer Lage durch Bänder und An- häufungen von Protoplasma verbunden. Wo der Kern nicht durch Ortsänderungen seinen Einfluss auf die Vorgänge im Protoplasma zu erkennen giebt, geschieht solches oft durch eine bestimmte Anordnung dieses letzteren um den Kern herum. Die Anhäufung der Amyloplaste in der nächsten Um- gebung des Nucleus, wie sie in jungen Zellen so oft beobachtet wird, ist von verschiedenen Forschern auf einen Einfluss des Kernes auf ihre Thätigkeit zurückgeführt worden!). Pringsheim hat nachge- wiesen, dass in den Zellen der Spirogyren die Fäden, welche von der Kerntasche ausstrahlen, sich speziell den Amylumkernen der Chlorophylibänder anheften und durch Verzweigung oft mehrere derselben direkt mit dem Kerne in Verbindung setzen?). Bei der Zellbildung in jenen Embryosäcken, wo die neuen Zellen nach der Bildung zahlreicher Kerne in einer wandständigen Schicht ent- stehen, hat Strasburger mehrfach Strahlenfiguren beschrieben, welche die Kerne mit einander verbinden, und welche nicht nur zwischen den beiden Tochterzellen einer Mutterzelle vorhanden sind, sondern auch zwischen den nicht in diesem Verwandtschaftsgrade stehenden Kernen angelegt werden. Diese Strahlenfiguren beherrschen augen- scheinlich die Entstehung der neuen Zellwände und bedingen es, dass sie in der erforderlichen Richtung mit Bezug auf die Kerne angelegt werden. Dass den Strahlen entlang irgend ein Einfluss von den Kernen ausgeht, und bei der Zelltheilung sich geltend macht, kann nach den wiederholten Ausführungen dieses Forschers wohl nicht mehr angezweifelt werden?). Für eine hervorragende Bedeutung des Zellkernes spricht auch die, namentlich von Schmitz entdeckte und eingehend studirte Viel- kernigkeit der Coeloblaste*). Die Kerne liegen hier gewöhnlich nicht im strömenden Theile des Körnerplasma, sondern sind dessen ruhenden Schichten eingebettet. Sie liegen dabei regelmässig in nahezu gleichen Entfernungen von einander, und sind meistens klein und so zahlreich, dass jedes abgetrennte Stück, wenn es nicht ı) Vergl. z. B. Strasburger, Ueber Kern- und Zelltheilung 1888 S. 195, Schimper, Pringsh. Jahrb. Bd. XVI S. ı und Haberlandt, Flora 1888. 2) Pringsh. Jahrb. Bd. XII S. 304. 3) Vergl. z. B. Botan. Praktikum, ı. Aufl. S. 610. 4) Schmitz, Die vielkernigen Zellen der Siphonocladiaceen, Festschr. d. naturf. Ges. zu Halle 1879. INTRACELLULARE PANGENESIS. 131 überhaupt zu klein ist, um am Leben zu bleiben, wohl stets einen oder mehrere Kerne enthält. Alle Theile des Protoplasten können hier offenbar unter dem unmittelbaren Einfluss der Kerne stehen. Neben den Beobachtungen an unverletzten Zellen sind in letzter Linie die Untersuchungen an verwundeten Protoplasten zu be- sprechen. Bereits Schmitz hat darauf aufmerksam gemacht, dass ausgetretene Protoplasmaballen von Vaucheria und anderen Siphonocladiaceen nur dann im Stande sind eine neue Zellhaut zu bilden und sich zu neuen lebensfähigen Individuen zu regeneriren, wenn sie einen oder mehrere Kerne besitzen!). Nicht, dass der Kern die einzige Bedingung wäre; die Chromatophoren und die übrigen Organe der Protoplaste dürfen ebenso wenig fehlen, aber von diesen ist die Bedeutung für Wachsthum und Ernährung derart, dass ihre Unentbehrlichkeit als selbstverständlich betrachtet werden kann. Nussbaum und Gruber haben dann durch ausgedehnte Theilungs- versuche an Protozoen bewiesen, dass auch hier Theilstücke der Protoplaste sich nur dann völlig regeneriren können, wenn ihnen mindestens der Kern nicht fehlt?). Wichtig sind auch die Versuche von Klebs über die Kultur plas- molysirter Zellen®). Ich entnehme diesen das Folgende: Wenn man Zellen von Zygnema und Oedogonium in einer zehnprozentigen Lösung von Glucose plasmolysirt, trennt sich in den längeren Zellen der Inhalt nicht selten in zwei oder mehrere Stücke, welche, anfangs durch dünne Fäden verbunden, sich später völlig von einander isoliren. Kultivirt man nun die Fäden in dieser Lösung am Lichte, so umgeben sich die kontrahirten Protoplaste mit einer neuen Zell- wand, welche allmählig an Dicke zunimmt. Früher oder später fangen sie an zu wachsen und sich zu theilen, wobei sie die alte Zellhaut durchbrechen können. In jenen Zellen aber, wo der Inhalt in zwei oder mehrere Theile gespalten worden ist, von denen selbstverständ- lich nur der eine den Kern enthalten kann, macht stets auch nur dieser Theil eine neue Zellhaut; die kernlosen Stücke können zwar Stärke bilden und sich ernähren, zum Wachsthum sind sie aber nicht befähigt. Um über die Rolle des Zellkernes weitere Aufschlüsse zu erhalten, ike 8: 34, 2) Nussbaum, Ueber die Theilbarkeit der lebenden Materie, Archiv für mikr. Anatomie 1886. — Gruber, Biol. Centralbl. Bd. IV, und Ber. d. naturf. Ges. zu Freiburg i/B. 1886. 3) G. Klebs, Bot. Centralbl. Bd. 28 S. 156 und Arbeiten d. Bot. In- stituts in Tübingen Bd. II 1888 S. 565. 9* 132 INTRACELLULARE PANGENESIS. wäre offenbar eine Methode erwünscht, welche es gestattete, den Zellkern zu tödten, ohne den Zellkörper sonst zu schädigen. Vielleicht lässt sich diese gewinnen durch Anwendung des von Pringsheim angegebenen Prinzipes der partiellen Tödtung von Zellen im Brenn- punkte einer Linset). Wählt man die Linse so, dass sie einen ein- zigen Punkt der Zelle zu treffen gestattet, und bringt man bei schwacher Beleuchtung den Kern dorthin, so dürfte sich, durch kurze Besonnung, das gewünschte Resultat wohl in manchen Zellen erreichen lassen. Ich möchte deshalb diese Methode zur weiteren Ausbildung in dieser Richtung auf’s dringlichste empfehlen. Fassen wir die Resultate der besprochenen Beobachtungen zu- sammen, so sehen wir, dass die Kerne einen Einfluss auf die Thätig- keit der übrigen Glieder des Plasmaleibes besitzen. Sie üben diesen Einfluss nur so lange aus, als die betreffenden Glieder noch im proto- plasmatischen Zusammenhang mit ihnen stehen, und am liebsten auf kürzestem, oder doch durch direkte Plasmabänder dargestelltem Wege. Abschnitt IV. Die Hypothese der intracellularen Pangenesis. Erstes Kapitel. Pangene in Kern und Cytoplasma. § 1. Einleitung. Die Schlussfolgerungen, zu denen uns im ersten Theile die kri- tische Betrachtung der bisherigen Theorien über die Erblichkeit, und im zweiten die Uebersicht über den jetzigen Stand der Zellen- lehre geführt haben, wollen wir jetzt mit einander in Verbindung zu bringen suchen. Das Ergebniss des ersten Theiles war, dass die vergleichende Be- trachtung der Organismenwelt von einem möglichst breiten Stand- punkte uns zwingt, die Artcharaktere aufzufassen als zusammen- gesetzt aus zahllosen, mehr oder weniger selbständigen Faktoren, von denen weitaus die meisten bei verschiedenen, und viele bei äusserst zahlreichen Arten wiederkehren. Die fast unübersehbare Mannigfaltigkeit der lebenden und der ausgestorbenen Organismen wird dadurch zurückgeführt auf die zahllosen verschiedenen Kombi- nationen, welche eine verhältnissmässig geringe Anzahl von Faktoren 1) Pringsh., Jahrb. Bd. XII S. 33 1 ff. INTRACELLULARE PANGENESIS. 133 zulässt. Diese Faktoren sind die einzelnen erblichen Eigenschaften, welche allerdings zumeist nur äusserst schwierig in dem verwickelten Ganzen der Erscheinungen als solche zu erkennen sind, welche aber doch, da jede unabhängig von den übrigen variiren kann, in vielen Fällen getrennt der experimentellen Behandlung unterworfen werden können. À Diese erblichen Eigenschaften müssen in der lebendigen Materie begründet sein, jede vegetative Keimzelle, jede befruchtete Eizelle muss die sämmtlichen, den Charakter der betreffenden Art zu- sammensetzenden Faktoren potentiell in sich enthalten. Die sicht- baren Erscheinungen der Erblichkeit sind somit die Aeusserungen der Eigenschaften kleinster unsichtbarer, in jener lebendigen Materie verborgener Theilchen. Und zwar muss man, um sämmtlichen Er- scheinungen Rechenschaft tragen zu können, für jede erbliche Eigen- schaft besondere Theilchen annehmen. Ich bezeichne diese Ein- heiten als Pangene. Diese Pangene, unsichtbar klein, aber doch von ganz anderer Ord- nung wie die chemischen Moleküle und jedes aus zahllosen von diesen zusammengesetzt, müssen wachsen und sich vermehren und sich bei den Zelltheilungen auf alle oder doch nahezu alle Zellen des Organismus vertheilen können. Sie sind entweder inaktiv (latent) oder aktiv, können sich aber in beiden Zuständen vermehren. Vor- wiegend inaktiv in den Zellen der Keimbahnen, entwickeln sie für gewöhnlich ihre höchste Aktivität in den somatischen Zellen. Und zwar derart, dass in höheren Organismen wohl nie sämmtliche Pangene in derselben Zelle zur Aktivität gelangen, sondern so, dass in jeder eine oder einige wenige Gruppen von Pangenen zur Herr- schaft gelangen und der Zelle ihren Charakter aufprägen. Die Befruchtung besteht in einer Kopulation der Zellkerne. Das Kind erhält vom Vater nur das, was im Kerne des Spermatozoids oder des Pollenkornes enthalten war. Sämmtliche erbliche Eigen- schaften müssen also in den Kernen durch die betreffenden Pangene repräsentirt sein. Die Kerne gelten deshalb als die Bewahrstätten der erblichen Eigenschaften. In den Kernen bleiben aber weitaus die meisten Eigenschaften zeitlebens latent. In die Erscheinung treten sie erst in den übrigen Organen der Protoplaste. Schon Haeckel sprach es aus, „dass der innere Kern die Vererbung der erblichen Charaktere, das äussere Plasma dagegen die Anpassung, die Akkomodation oder Adaptation an die Verhältnisse der Aussenwelt zu besorgen hat“ (Vergl. S. 114). Es muss also in irgend einer Weise eine Uebertragung der erblichen 134 INTRACELLULARE PANGENESIS. Eigenschaften vom Kerne auf das Cytoplasma?) stattfinden, und die im vorigen Abschnitt mitgetheilten Beobachtungen liefern wich- tige Argumente für die Richtigkeit dieser Folgerung. Das sind die Schlüsse, zu denen die vorhandenen Thatsachen meiner Ansicht nach in vollem Maasse berechtigen. Die Annahme von Pangenen ist für mich eine Hypothese, welche mir beim jetzigen Stande unseres Wissens unerlässlich scheint. Sie ist zur Erklärung der verwandtschaftlichen Beziehungen der Organismen, voraus- gesetzt dass man diese Erklärung auf materieller Grundlage versuchen will, meiner Meinung nach durchaus nothwendig. Ich verlasse nun diese allgemeinen Betrachtungen und werde ver- suchen zu schildern, wie ich mir die Beziehung der Pangene zu den. Erscheinungen des Zellenlebens denke. Ich bin mir wohl bewusst, dass das Ausarbeiten einer Hypothese in ihre äussersten Konse- quenzen nur zu leicht zu Irrschlüssen führt, und nur dann für die Wissenschaft nützlich ist, wenn es zu bestimmten, experimentell zu beantwortenden Fragen leitet. Ich werde mich daher möglichst beschränken und nur eine Hypothese aufstellen, welche mir sich durch ihre Einfachheit zu empfehlen scheint. Diese Hypothese mit den sich direkt daraus ergebenden Folgerungen soll der Gegenstand des vorliegenden, letzten Abschnittes bilden. Diese Hypothese lautet: Das ganze lebendige Protoplasma besteht aus Pangenen; nur diese bilden darin die lebenden Elemente. § 2. Aufbau des ganzen Protoplasma aus Pangenen. Aus Hertwig’s berühmter Entdeckung haben einige Forscher ab- geleitet, dass nur der Kern Träger der erblichen Eigenschaften sei, dass diese völlig auf ihn beschränkt seien. Es ist dieses nach meiner Meinung eine viel zu weitgehende und durch nichts berechtigte Folgerung. Die Kopulation der Kerne bei der Befruchtung beweist nur, dass sämmtliche erblichen Eigenschaften im Kerne vergegen- wärtigt sein müssen, dass sie nicht daneben auch im Cytoplasma vorhanden sein können, darüber entscheidet diese Thatsache nichts. Die Organe der befruchteten Eizelle sind noch dieselben wie die der unbefruchteten; die junge Pflanze hat ihre Chromatophoren und Vacuolen als solche von ihrer Mutter geerbt. In der langen Reihe von Zelltheilungen, welche von der befruchteten Eizelie ausgehen, gehen jene Organe jedesmal, unter stetiger Vermehrung durch 1) Unter Cytoplasma verstehe ich hier das ganze Protoplasma mit Ausnahme des Kernes. INTRACELLULARE PANGENESIS. 135 Theilung, auf die Tochterzellen über. Sie haben sozusagen ihren unabhängigen Stammbaum neben dem der Zellkerne. Es giebt also offenbar auch eine Erblichkeit ausserhalb der Zellkerne. Die kleinsten morphologischen Theilchen, aus denen die Chroma- tophoren aufgebaut sind, müssen sich offenbar selbständig vermehren können, sonst wäre weder das Wachsthum noch die wiederholten Theilungen dieser Gebilde zu erklären. In dieser Hinsicht stimmen die Theilchen offenbar mit den Pangenen des Kernes überein. Das Vermögen, den Chlorophyllstoff zu erzeugen, muss in den entsprechen- den Pangenen des Kernes im latenten Zustande vorhanden sein, in den kleinsten Theilchen der Chromatophoren ist es bei den höheren Pflanzen, so lange die betreffenden Glieder im Dunklen verweilen, gleichfalls inaktiv, um erst am Lichte aktiv zu werden. Wir werden somit entweder Chlorophyll-pangene im Kerne und besondere Chlorophyll-bildende Theilchen in den Chromatophoren annehmen müssen, oder aber diese beide identifiziren und uns vor- stellen, dass jene hypothetischen Einheiten, im Kerne inaktiv, selber zu den Chromatophoren gehen, um in diesen aktiv zu werden. Die zweite Annahme ist offenbar die einfachste; denn die erste fordert für jede Funktion zweierlei, sich durch Wachsthum und Theilung vermehrende Einheiten, welche dazu noch stets derart in Wechsel- wirkung stehen müssen, dass die Einheiten im Chromatophor nur so arbeiten können, wie es die entsprechenden Pangene im Kerne vorschreiben. Genau dieselbe Erörterung lässt sich auf die übrigen Eigenschaften der Chromatophoren und auf die anderen Organe der Protoplaste, mit einem Worte auf alle erblichen Eigenschaften anwenden. Betrachten wir unsere Frage vom Standpunkte der Deszendenz- lehre. In den ersten noch kernlosen Organismen müssen wir uns selbstverständlich auch die einzelnen erblichen Eigenschaften an Pangene gebunden denken. Diese müssen hier aber offenbar im Protoplasma liegen. Und sobald die Differenzirung so weit vor- geschritten war, dass nicht alle Eigenschaften zu gleicher Zeit in Thätigkeit zu sein brauchten, müssen in diesen einfachsten Proto- plasten aktive und inaktive Pangene neben und zwischen einander gelegen haben. Je nach Alter und äusseren Umständen würden das eine Mal diese, das andere Mal jene Pangene in Thätigkeit gerathen. Hier wäre es ganz überflüssig, für jede Funktion zweierlei Art von Einheiten anzunehmen, einmal inaktive, nur die Vererbung be- sorgende Pangene und ein anderes Mal Theilchen, welche die la- tenten Eigenschaften jener äussern könnten. Viel einfacher ist für 136 INTRACELLULARE PANGENESIS. diese niederen Lebewesen offenbar die Annahme, dass dieselben Pangene je nach Umständen aktiv oder inaktiv sein können. Dass das Protoplasma aus kleinsten Theilchen besteht, welche sich selbständig vermehren können, kann wohl nicht bezweifelt werden. Es ist ja dieses das eigentliche Attribut des Lebens. Und dass wir nur diese Theilchen als Lebenseinheiten zu betrachten haben, neben denen alles übrige, Eiweiss, Glucose, Salze u. s. w., nur gelöst im Imbibitionswasser vorhanden ist, scheint mir ebenfalls klar. Wie diese Theilchen konstituirt sind, ob sie selbst Imbibitions- wasser enthalten oder nicht, und wie durch ihren Bau die sichtbaren Merkmale der Organismen bedingt sind, wissen wir nicht, viel weniger wie sie sich theilen und vermehren können. Abgesehen von diesen, jeder Theorie anklebenden Schwierigkeiten, ist aber die Annahme, dass diese Theilchen identisch sind mit den Trägern der erblichen Anlagen, offenbar die einfachste, welche man über den Bau der lebendigen Materie machen kann. Die Entstehung des Zellkernes in der phylogenetischen Differen- zirung der niedersten Organismen erscheint uns, von diesem Gesichts- punkte aus, wie eine äusserst praktische Arbeitstheilung. Bis dahin lagen die aktiven und die inaktiven Pangene im Protoplasma überall zwischen und neben einander. Und einen je höheren Grad die Diffe- renzirung erlangt hatte, um so grösser musste die Zahl der unter sich verschiedenen Pangene in demselben Protoplasten sein. Um so grösser müsste aber auch jedesmal die Menge der inaktiven zwischen den aktiven werden. Die letzteren würden dadurch auf einen verhält- nissmässig grossen Raum vertheilt werden, und die Leistungsfähig- keit des Ganzen müsste dementsprechend abnehmen. Durch die Ausbildung des Kernes konnte diese Sachlage geändert werden. Die inaktiven Pangene würden in diesem angehäuft und aufbewahrt werden; die aktiven könnten sich näher aneinander anschliessen. Malen wir dieses Bild weiter aus. Sobald der Augenblick für be- stimmte bis dahin inaktive Pangene gekommen war, sich in Thätig- keit zu versetzen, müssten sie jetzt offenbar aus dem Kerne in das Cytoplasma übergehen. Dabei würden sie aber ihre Eigenschaften, und namentlich ihr Vermögen zu wachsen und sich zu vermehren behalten. Nur wenige gleichartige Pangene brauchten also jedesmal aus dem Kerne auszutreten, um durch ihre weitere Vermehrung die von ihnen getragene Eigenschaft dem betreffenden Theile des Cyto- plasma aufzuprägen. Dieser Vorgang würde sich bei jeder Aenderung der Funktion eines Protoplasten wiederholen, jedesmal würden neue Pangene aus dem Kerne austreten, um aktiv werden zu können. In INTRACELLULARE PANGENESIS. 137 dieser Weise würde bald das ganze Cytoplasma aus den vom Kern bezogenen Pangenen und ihren Nachkommen bestehen. $ 3. Aktive und inaktive Pangene. Schon Darwin hat betont, dass die Ueberlieferung eines Charak- ters und seine Entwickelung, wenn sie auch häufig zusammengehen, dennoch distinkte Vermögen sind!). Dieser aus den Erscheinungen des Atavismus abgeleitete Satz hat durch die Entdeckung der Funk- tion der Zellkerne eine hervorragende Bedeutung in der Zellenlehre erhalten. Die Ueberlieferung ist die Funktion der Kerne, die Ent- wickelung ist Aufgabe des Cytoplasma. Die bisherigen Theorien nehmen dabei einen vollständigen Gegen- satz zwischen Kern und Cytoplasma an, indem sie sich die erblichen Eigenschaften auf den ersteren beschränkt denken, und im übrigen Protoplasma nur ein passives Substrat erblicken, mittelst dessen jene arbeiten. So wurde der Kern das Wesentliche in der Zelle; er beherrschte nicht nur, sondern bestimmte auch vollständig die Funktionen. Aber die Versuche von Nussbaum, Gruber, Klebs und Anderen haben gelehrt, dass auch kernlose Theilstücke niederer Organismen gewisse Funktionen auszuüben im Stande sind. Nament- lich solche, mit denen sie vor ihrer Abtrennung bereits beschäftigt waren, scheinen sie nachher fortsetzen zu können. Der Einfluss des Kernes braucht also jedenfalls für solche Funktionen kein konti- nuirlicher zu sein; hat er einmal stattgefunden, so kann die Arbeit nachher auch ohne seine Mitwirkung fortdauern. Offenbar ist die einfachste Erklärung unsere Annahme, dass Kern und Cytoplasma beide aus denselben Pangenen aufgebaut sind. Nur dass im Kerne alle Arten von Pangenen der betreffenden Spezies liegen, im übrigen Protoplasma in jeder Zelle aber wesentlich nur diejenigen, welche in ihr in Thätigkeit gelangen sollen. Im Kerne sind die meisten inaktiv, d.h. sie haben sich nur zu vermehren. Selbstverständlich muss es daneben im Kerne auch aktive Pangene geben, z. B. jene, welche den verwickelten Prozess der Kerntheilung besorgen; dieses ändert an der Hauptsache aber nichts. In den Or- ganen des Protoplasten können die Pangene ihre Vermehrung fort- setzen, und allem Anscheine nach fangen sie hier wohl stets mit einer verhältnissmässig starken Vermehrung an. Dabei können sie hier kürzere oder längere Zeit inaktiv bleiben, oder auch abwechselnd aktiv und inaktiv sein. Manche werden gleich nach ihrer Ankunft, ı) Darwin, Variations II S. 368, 138 INTRACELLULARE PANGENESIS. andere später, einige unabhängig von äusseren Umständen, wieder andere erst in Reaktion auf bestimmte Reize die ihr eigene Thätig- keit anfangen. Die äusserst merkwürdigen Vorgänge, welche sich bei der Kern- theilung im Innern der Kerne abspielen, sind mit der Annahme der Pangene in vollem Einklang. Die meisten Forscher betrachten den chromatischen Faden als den morphologischen Ort, wo die erblichen Anlagen aufbewahrt werden. Dieser Faden würde somit aus den zu kleineren und grösseren Gruppen vereinten Pangenen bestehen, und er zeigt, bei grösster Dicke, deutlich einen Bau aus besonderen, aneinander gereihten Theilen. Wir können uns ganz an die Meinung von Roux anschliessen, wo er in der Längsspaltung der Kernschleifen den sichtbaren Theil der Trennung der mütterlichen Anlagen in zwei für die beiden Tochterzellen bestimmte Hälften erblickt!). Diese Auffassung ist in vollster Uebereinstimmung mit der Pangenesis. $ 4. Ueber den Transport der Pangene. Unsere Hypothese, dass das ganze Protoplasma aus Pangegen bestehe, leitete uns zu der Folgerung, dass alle Arten von Pangenen im Kern vertreten sind. Hier sind die meisten unter ihnen inaktiv, während sie später im übrigen Protoplasma aktiv werden können. Daraus folgte, dass von Zeit zu Zeit aus dem Kerne Pangene nach den übrigen Organen des Protoplasten transportirt werden müssen. Es ist mir völlig klar, dass diese Folgerung bei den meisten Lesern die Hauptschwierigkeit gegen meine Ansicht bilden wird. Die Pangene sind unsichtbar, ihr Transport entzieht sich also der Be- obachtung. Die im vorigen Abschnitt besprochenen Versuche von Nussbaum, Gruber und Klebs beweisen zwar, dass, wenn die Ge- legenheit zum Transporte abgeschnitten ist, die Funktionen des Protoplasten in hohem Maasse beschränkt werden, aber es sind hier ja vielleicht noch so viele andere Wirkungen im Spiele. Ich möchte deshalb hier hervorheben, dass man bei Verwerfung meiner Hypo- these nicht zu einer befriedigenden Ansicht über die Beziehung zwischen Zellkern und Cytoplasma gelangt. Verwirft man meine Hypothese, und folgt man also der herrschen- den Vorstellung über den Gegensatz zwischen Kern und Cytoplasma, so kann man sich die Wirkung des Kernes entweder dynamisch oder enzymatisch denken. Strasburger vertritt die erstere Ansicht. Die Wechselwirkung ı) Roux, Ueber die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren. Leipzig 1883. INTRACELLULARE PANGENESIS. 139 zwischen dem Zellkern und dem Cytoplasma ist, nach ihm, eine dy- namische, d. h. sie findet ohne Stoffwanderung statt!). Denn eine Abgabe sichtbarer Theilchen hat dieser Forscher bei seinen aus- gedehnten Studien nie beobachten können. Vom Zellkern aus pflanzen sich auf das umgebende Cytoplasma molekulare Erregungen fort, welche einerseits die Vorgänge des Stoffwechsels in der Zelle beherrschen, andererseits dem durch die Ernährung bedingten Wachsthum des Cytoplasma einen bestimmten der Spezies eigenen Charakter geben.“ So lange es sich nur um eine allgemeine Ein- sicht handelt, reicht diese Annahme wohl aus, sobald man aber seine Aufmerksamkeit auf einzelne Prozesse lenkt, stösst man auf unüber- windliche Schwierigkeiten. Die morphologischen Vorgänge sind allerdings noch bei weitem nicht hinreichend analysirt, um ein tiefes Eindringen zu gestatten, dafür kann man sich aber an die viel ein- facheren chemischen Prozesse wenden. Wählen wir ein Beispiel. Es ist eine erbliche Eigenschaft von weitaus den meisten Pflanzen, Aepfelsäure behufs der Erhaltung ihres Turgors zu bilden und in ihrem Zellsaft, meist in Verbindung mit anorganischen Basen, anzuhäufen. Die Abscheidung dieser Säure im Innern der Zelle können wir uns nicht anders als an be- stimmte Theilchen gebunden denken, denen dieses Vermögen kraft ihrer molekularen Konstitution zukommt, und welche wohl am nächsten mit Enzymen verglichen werden können. Es hat nun keine Schwierigkeit anzunehmen, dass diese Theilchen nur dann in Thätigkeit gerathen, wenn sie dazu durch molekulare Erregungen vom Zellkern aus veranlasst werden, und ich zweifle nicht, dass solche Korrelationen häufig vorkommen. Aber die Schwierigkeit liegt in der Frage, woher bekommt das Cytoplasma diese Theilchen. Denn offenbar kann die Fähigkeit, Aepfelsäure zu bilden, nicht jedem beliebigen Substrate durch jene Erregungen mitgetheilt werden. Solche Erregungen können nur auslösen, und ausgelöst kann nur das werden, was potentiell bereits vorhanden war. Woher stammen also die Aepfelsäurebildner des Cytoplasma ? Diese Frage wird von der dynamischen Theorie nicht beantwortet. Aber die Bastarde lehren uns, wie bereits früher betont wurde, dass ähnliche Eigenschaften vom Vater geerbt, und also im latenten Zu- stand im Spermakerne übergeführt werden können. Die Aepfel- ı) E. Strasburger, Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang bei den Phanerogamen 1884 S. ırı. Vergl. auch A. Weismann, Die Kon- tinuität des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung 1885 S. 28. 140 INTRACELLULARE PANGENESIS. säurebildner müssen also auch selbst aus den Kernen stammen. Sie sind nur die aktiven Zustände der im Kerne inaktiven Aepfelsäure- pangene. Und dasselbe muss offenbar in gleicher Weise von den übrigen erblichen Anlagen gelten. Wir gelangen also auch auf diesem Wege zu der bereits früher ge- machten Annahme, dass die Pangene des Cytoplasma aus den Kernen stammen. Auf die Möglichkeit einer enzymatischen Wirkung des Zellkernes auf das Cytoplasma hat Haberlandt hingewiesen. Die Bedeutung der eigenthümlichen, von diesem Forscher beobachteten Lagen des Zellkernes in der Nähe des Ortes kräftigster Thätigkeit in der Zelle bleibt nach ihm dieselbe, „wenn jene Wirkung keine dynamische, sondern eine stoffliche sein sollte, wenn also eine Diffusion be- stimmter chemischer Verbindungen, die der Zellkern ausschiede, - durch das Plasma zur Wachsthumsstätte hin stattfinden würde: die Wirksamkeit dieser Stoffe wäre zweifellos vom Konzentrationsgrade ihrer Lösung abhängig, so zwar, dass erst bei einer bestimmten Kon- zentration das Cytoplasma darauf reagiren wiirde‘‘?). Aber um auf die vom Kerne ausgeschiedenen Stoffe in bestimmter Weise reagiren zu können, muss das Cytoplasma bereits die ent- sprechenden Eigenschaften besitzen. Auf eine Ausscheidung von Diastase reagirt die Stärke, aber nicht jedes beliebige Substrat. Auch die Annahme enzymatischer Wirkungen fordert das Vorhandensein erblicher, vom Kerne bezogener Eigenschaften im Cytoplasma. Mag also die Annahme einer Abgabe von Pangenen seitens des Kernes an das Cytoplasma auf den ersten Blick auch noch so fremd- artig scheinen, dennoch gelangt man auf den verschiedensten Wegen zu der Erkennung ihrer Berechtigung. Eine wichtige Frage ist die nach dem Zeitpunkte, in welchem dieser Transport hauptsächlich stattfindet. Eine vergleichende Be- trachtung der verschiedenen Formen der Variabilität wird hoffent- lich einmal das erforderliche Material zur Beantwortung geben, einstweilen aber dürfen wir es als wahrscheinlich betrachten, dass sowohl kurze Zeit nach der Befruchtung, als auch während oder nach jeder Zelltheilung ein solcher Transport stattfindet. Für das erstere sprechen die Bastarde und jene Variationen, welche die sämmtlichen Glieder einer Pflanze in gleicher Weise affiziren. Für das andere die früher besprochenen Erscheinungen der Dichogenie, ı) G. Haberlandt, Ueber die Beziehungen zwischen Funktion und Lage des Zellkernes 1887 S. 14 Note. INTRACELLULARE PANGENESIS. 141 wo während der frühesten Jugend eines Organes dessen spätere Natur durch äussere Einflüsse bestimmt werden kann. Wenn zum Beispiel die Endknospe eines Rhizoms vorzeitig zum aufrecht- wachsenden Spross, oder die Anlage eines Niederblattes zum nor- malen Blatte wird, so dürfen wir annehmen, dass andere Pangene vom Kerne abgegeben werden, als ohne den künstlichen Eingriff der Fall gewesen wäre. Somit muss in jenem Jugendstadium die normale Abgabe noch nicht abgeschlossen sein. Wenn erwachsene Zellen zur Bildung von Callus oder Wundkork, oder wie bei Begonia zur Neubildung von ganzen Pflänzchen gereizt werden, werden auch wohl die dabei in Thätigkeit gerathenden Pangene erst aus ihrer Ruhestätte hervorgeholt werden müssen. Der Transport der Pangene und ihre Beförderung an die richtigen Stellen fordert ganz besondere Einrichtungen, deren Existenz wohl mancher Leser es nicht wagen mag zu vermuthen. Aber wer hätte es vor einem Jahrzehnt gewagt, den merkwürdig komplizirten Bau des Zellkernes zu vermuthen? Wir müssen in unseren Hypothesen möglichst sparsam sein, dürfen uns andererseits aber nicht vor der Wahrnehmung verschliessen, dass die Forschung im Bau der Proto- plaste, seit Mohl’s Zeiten, stets weitere Differenzirungen hat er- kennen lassen, und dass wir wohl bei weitem nicht am Ende ange- langt sein können. Eine Einrichtung zum Zwecke dieses Transportes bilden meiner Ansicht nach die Strömungen im Protoplasma. Jedermann weiss, wie diese in jugendlichen Zellen hauptsächlich in vom Kerne aus- strahlenden Bahnen stattfinden, und neuere Forschungen haben ge- lehrt, wie sie die Stellen vorwiegender Thätigkeit gar oft direkt mit dem Kerne verbinden. Vor wenigen Jahren war die Ueberzeugung, dass diese Strömchen eine ganz allgemeine Eigenthümlichkeit pflanzlicher Zellen bilden, noch bei weitem nicht die herrschende. Man dachte sich die Er- scheinung auf eine Reihe von Beispielen beschränkt. Hanstein hatte bereits darauf hingewiesen, wie wenig diese Ansicht berechtigt war!), und Velten hatte die Existenz von Strömchen in allen von ihm darauf geprüften Pflanzen nachgewiesen?). In 1885 habe ich den Nach- weis geliefert, dass mechanische Einrichtungen zum Transport der assimilirten Nährstoffe in den Pflanzen nicht ausreichen, und dass dieser unter den bis jetzt bekannten Prozessen nur von den ı) Hanstein, Das Protoplasma 1880 S. 155. 2) Velten, Botan. Zeitung 1872 S. 645. 142 INTRACELLULARE PANGENESIS. Strömungen des Protoplasma besorgt werden kann). Bei dieser Gelegenheit habe ich die Angabe von Velten ausführlich geprüft und das ganz allgemeine Vorkommen von Strömchen in kräftig lebenden Zellen bestätigt gefunden). Die mechanische Möglichkeit eines Transportes von Pangenen ist also für alle pflanzlichen Zellen hinreichend sichergestellt. Nur eine Schwierigkeit war noch zu beseitigen. Nach dem Vorgange Hof- meister’s wurde allgemein angenommen, dass die Strömungen in den Zellen erst am Ende der meristematischen Periode anfangen, und dass das Körnerplasma bis dahin sich in Ruhe befindet. Und nun ist gerade die meristematische Periode jene, in welcher die Zellen nicht nur entstehen, sondern in der auch ihr späterer Charakter zum grössten Theile bestimmt wird. Gerade in diese Zeit müssen wir also den wichtigsten Theil des Transportes der Pangene verlegen. Aber Hofmeister’s Ausspruch beruhte auf ungenügenden Be- obachtungen. Eine von Went nach den neueren Methoden vor- genommene Nachprüfung führte zu ganz anderem Resultat®). Allerdings sind die Bewegungen langsam, und bei einmaliger Be- sichtigung des Objekts nicht zu sehen. Setzt man aber die Wahr- nehmung an demselben Objekt unter günstigen Lebensbedingungen stundenlang fort, so beobachtet man überall Verschiebungen, welche das Vorhandensein langsamer Strömungen ausser Zweifel setzen. Der Annahme, dass der Transport der Pangene in Pflanzenzellen durch die Strömungen des Körnerplasma stattfindet, steht somit von -dieser Seite keine Schwierigkeit im Wege. Auf thierphysio- logischem Gebiete allerdings reicht unsere Kenntniss von den Strö- mungen des Protoplasma in dieser Hinsicht bei weitem noch nicht aus. Doch sind die Schwierigkeiten der Untersuchung hier wohl bedeutend grösser als im Pflanzenreich. $ 5. Vergleichung mit Darwin’s Transporthypothese. Mancher Leser wird vielleicht eine grosse Uebereinstimmung er- blicken zwischen der im vorigen Paragraphen gemachten Annahme eines Transportes von Pangenen aus dem Kerne nach den übrigen Organen der Protoplaste einerseits und Darwin’s Hypothese des 1) Opera IV, S. 150. 2) Over het algemeen voorkomen van circulatie en rotatie in de weefselcellen der planten, Opera ZV, S. 150. Vergl. auch S. 189 und 163. 3) F. Went, Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. XIX S. 329. INTRACELLULARE PANGENESIS. 143 Keimchentransportes andererseits. Diese Uebereinstimmung ist aber nur eine scheinbare, keine wesentliche. Im Grunde sind beide Hypothesen durchaus verschieden. Darwin nahm einen Transport seiner Keimchen durch den ganzen Körper an; meine Ansicht fordert nur eine Bewegung im engen Be- zirke einer einzelnen Zelle. Aber nicht dieses ist der Hauptunter- schied. In der Keimchenlehre kénneii die von einer Zelle oder einem Gliede abgetrennten Theilchen sich wieder in neue Zellen, nament- lich in die Keimzellen begeben, und diese somit mit neuen erblichen Anlagen beschenken. Letztere können dann nicht etwa nur in der betreffenden Keimzelle zur Entfaltung gelangen, sondern auch auf alle ihre Nachkommen übertragen werden. Dazu müssen sie aber, nach der jetzigen Lage der Zellenanatomie und der Befruchtungs- lehre, in die Kerne aufgenommen werden. Eine solche Annahme macht nun die Hypothese der intracellularen Pangenesis offenbar nicht, die einmal vom Kerne ausgegangenen Pangene brauchen nicht wieder in diesen aufgenommen werden zu können, weder in den Kern derselben, noch in denjenigen irgend einer anderen Zelle. Allerdings kann man auf Grund unserer jetzigen anatomischen Kenntnisse die Möglichkeit eines Ueberganges von Pangenen von einer Zelle zur anderen nicht leugnen. Die Untersuchungen von Tangl, Russow und vielen anderen Forschern über die direkten Ver- bindungen der Protoplaste benachbarter Zellen durch die feinen Porenkanäle der Tüpfel weisen sogar den Weg, auf welchem ein solcher Uebergang eventuell stattfinden könnte. In den Milchsaft- gefässen sind die Strömungen des Protoplasma ohne Zweifel nicht auf die einzelnen konstituirenden Zellen beschränkt, sondern der Strom geht ohne Rücksicht auf die früheren Zellengrenzen weiter. So namentlich die Massenbewegung nach Verletzungen, aber wohl auch die eigenen Bewegungen des Körnerplasma im normalen Zu- stande. Nehmen wir an, dass das ganze lebendige Protoplasma aus Pangenen besteht, so ist hier deren Uebergang von einer Zelle zur anderen nicht zu leugnen. Aber für die Erblichkeitslehre hat diese Erscheinung offenbar keine Bedeutung. Aehnliche Betrachtungen liessen sich für andere Fälle von Zellfusionen oder Symplasten an- stellen. Aeusserst merkwürdig ist auch die von Kolderup-Rosenvinge ent- deckte Entstehungsweise der sekundären Tüpfel der Florideen?). 1) L. Kolderup-Rosenvinge, Sur la formation des pores secondaires chez les Polysiphonia. Botanisk Tidsskrift 17. Bind, 1. Haefte 1888. 144 INTRACELLULARE PANGENESIS. Die Rindenzellen, z. B. von Polysiphonia, theilen sich dabei mit vorangehender Kerntheilung in üblicher Weise. Aber der eine Theil umfasst nahezu den ganzen Protoplasten, der andere nur eine kleine Ecke an dessen Grunde. Die zwischen beiden Hälften entstehende Wand bildet einen primären Tüpfel. Darauf wird die Wand zwischen der abgetrennten Ecke und der unterliegenden Zelle aufgelöst, und die beiden jetzt in Berührung gelangenden Protoplaste verschmelzen. Die alte tüpfellose Querwand wird somit durch eine neue tüpfel- haltige ersetzt. Aber was für unsere Zwecke so merkwürdig ist, ist der Umstand, dass die unterliegende Zelle jetzt einen Kern aus ihrer oberen Nachbarin erhalten hat. Sie ist zweikernig, und wird später durch Kerntheilungen vielkernig. Für alle Diejenigen, welche den Kern als Träger der erblichen Anlagen betrachten, findet hier eine Uebertragung der letzteren von einer Zelle zur anderen statt. Aber offenbar wieder ohne Bedeutung für die Erblichkeitslehre. Die Möglichkeit eines Ueberganges von stofflichen Trägern erb- licher Anlagen von einer Zelle zur anderen lässt sich also nicht leugnen. Weitere Untersuchungen werden ohne Zweifel noch andere, in derselben Richtung verwertbare Thatsachen zu Tage fördern. Und dass sich in den Pflanzen auf ähnlichen Wegen hier und dort Vorgänge abspielen, welche mit der Erblichkeit in direkter Beziehung stehen, lässt sich natürlich a priori nicht verneinen. Eine ganz andere Frage ist aber die, ob ein solcher Uebergang all- gemein vorkommt und bei der Uebertragung erblicher Anlagen überall im Pflanzen- und Thierreich eine wichtige Rolle spielt. Diese Frage zu beantworten, dazu reichen anatomische That- sachen nicht hin. Aus ihnen lässt sich nur die Möglichkeit der Ueber- tragung ableiten, oder richtiger der Schluss, dass unsere jetzigen Kenntnisse uns noch keine Gründe aufweisen, welche jenen Trans- port unmöglich machen sollten. Doch können solche ja vielleicht später noch entdeckt werden. Aus der Möglichkeit auf das that- sächliche Stattfinden eines allgemeinen intercellularen Transportes von Trägern erblicher Anlagen zu schliessen, wird aber wohl Nie- mand für erlaubt achten. Die Beantwortung der aufgeworfenen Frage muss also auf ganz anderem Gebiete versucht werden. Die Lehre von der Erblichkeit muss uns sagen, ob es Thatsachen giebt, zu deren Erklärung die Annahme eines intercellularen Transportes unerlässlich ist. Meiner Ansicht nach ist nun solches nicht der Fall, wie ich bereits in der Einleitung hervorgehoben habe. Ich habe dort auf Weis- mann’s Schriften verwiesen, welche den ausführlichen Nachweis INTRACELLULARE PANGENESIS. 145 enthalten, dass alle Beobachtungen, welche eine solche Annahme bis jetzt zu fordern schienen, in Wirklichkeit ebenso gut und meist besser ohne sie erklärt werden können. Es ist namentlich die angebliche Erblichkeit der sogenannten er- worbenen Eigenschaften, welche hier zu erwähnen ist. Bereits an anderer Stelle habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass es sich hier in vielen Fällen nur um Missverständnisse handelt!). Be- schränkt man die Bedeutung jenes Ausdruckes auf die Variationen, welche auf somatischen Bahnen entstanden sind, und fragt man, ob diese auf die Keimbahnen des Organismus übertragen werden können, so hat die Frage einen klaren Sinn. Dann aber kann man sie mit Weismann ruhig mit nein beantworten. Nennt man aber auch solche Eigenschaften erworben, welche auf den Keimbahnen entstanden sein können, so hat die Frage für das uns hier beschäf- tigende Problem keine Bedeutung mehr?). Auf botanischem Gebiete werden die Propfhybride und die Xenien als Argumente für eine intercellulare Uebertragung erblicher An- lagen angeführt. Beide Gruppen von Erscheinungen bedürfen aber sehr einer kritischen Prüfung, bevor man sie zuverlässig in dieser Richtung verwenden kann. Die Uebertragung der erblichen Eigen- schaften des Edelreisses auf seine Unterlage?) ist, nach meiner An- sicht, in keinem Falle wissenschaftlich bewiesen worden, und wird dieses auch nicht werden, bis nicht neue Versuche angestellt sind, in denen die eigenen Variationen der Unterlage gründlich studirt und genau bekannt sind. Denn so lange ist die Vermuthung nicht ausgeschlossen, dass diese eigene Variabilität der Unterlage den wichtigsten Faktor in den beobachteten Erscheinungen abgiebt. Die Fälle, wo der Blüthenstaub ausserhalb der befruchteten Ei- zelle und des aus ihr hervorgehenden Embryos auf die Gewebe der mütterlichen Frucht erbliche Eigenschaften übertragen haben soll, sind von Focke unter dem Namen von Xenien ausführlich zusammen- 1) Over steriele Mais-planten. Jaarboek v. h. Vlaamsch kruidk. Genoot- schap, Bd. I. Gent, 1880. 2) Der Begriff der Keimbahnen und somatischen Bahnen in dem im ersten Abschnitt dieses zweiten Theiles entwickelten Sinne dürfte grade hier zur Klärung des gegenseitigen Verständnisses sehr zu empfehlen sein. So z. B. in Bezug auf Eimer’s Erörterungen in dessen Werk: Die Entstehung der Arten auf Grund von Vererben erworbener Eigenschaften, Theil I, 1888. 3) Vergl. die kritische Zusammenstellung des einschlägigen Beobach- tungsmateriales von H. Lindemuth, Vegetative Bastarderzeugung durch Impfung. Landw. Jahrb. 1878 Heft 6. 10 146 INTRACELLULARE PANGENESIS. gestellt worden!). Seine Uebersicht zeigt aber klar, dass man es hier mit Ausnahmefällen zu thun hat, welche wohl nie gründlich untersucht und hinreichend kontrolirt worden sind. Ohne eine auf kritischer Nachprüfung beruhende Kontrolle darf man aber diesen Angaben meiner Ansicht nach nicht jene weittragende Bedeutung beilegen, welche sie zu Stützen für eine Annahme einer thatsäch- lichen intercellularen Uebertragung von erblichen Eigenschaften machen würde. Die bis jetzt bekannten Thatsachen der Erblichkeit erfordern somit, meiner Auffassung nach, die Annahme eines intercellularen Transportes von Pangenen nicht. Die einmal vom Kerne ausge- gangenen Pangene brauchen nicht wieder in diesen, noch auch in irgend einen anderen Kern eindringen zu können. Der Stammbaum der Pangene liegt in den Kernen, seine protoplasmatischen Seiten- zweige endigen alle, wenn auch oft nach zahlreichen Zelltheilungen, blind. Das Austreten der Pangene aus den Kernen ergiebt sich aus meiner Ansicht, in Verbindung mit unseren jetzigen Kenntnissen über die physiologische Bedeutung der Kerne, als eine nothwendige Folgerung. Ein Eindringen der ausgewanderten Pangene oder ihrer Nachkommen in andere Kerne brauche ich nicht anzunehmen. Und diese Hypo- these wäre unerlässlich, wenn man Darwin’s Keimchentransport mit den Ergebnissen der neueren Zellenforschung in Verbindung bringen wollte. Man würde in diesem Falle somit zu einer neuen Hülfs- hypothese greifen müssen, um Thatsachen zu erklären, welche nach den obigen Erörterungen eine solche Erklärung gar nicht fordern. Fassen wir den Unterschied der beiden Transporthypothesen zu- sammen. Die Pangene der intracellularen Pangenesis brauchen, einmal aus den Kernen ausgetreten, nie wieder in Kerne zurück- kehren zu können. Für die Keimchen der Darwin’schen Transport- hypothese ist dieses Vermögen aber die wesentlichste Bedingung, denn ohne dieses können die erblichen Anlagen, deren Träger sie sind, sich in den Nachkommen der betreffenden Keimzellen nie zu sicht- baren Eigenschaften entwickeln. § 6. Ueber die Vermehrung der Pangene. Aus der Hypothese, dass die ganze lebendige Substanz einer Zelle aus Pangenen aufgebaut sei, ergiebt sich von selbst, dass in jedem Protoplasten von jeder Art Pangene deren zahlreiche vorhanden ı) Focke, Die Pflanzenmischlinge 1881, S. 510—518. INTRACELLULARE PANGENESIS. 147 sein müssen. Auch hat die relative Anzahl, in der sich die Träger der einzelnen erblichen Anlagen befinden, eine sehr grosse Bedeutung. Im Cytoplasma entscheidet diese über die Funktion der einzelnen Organe, im Kerne über die Kraft der Vererbung. Wenn eine neue Eigenschaft im Kerne erst durch wenige (unter sich gleichartige) Pangene vertreten ist, so ist die Aussicht auf das Sichtbarwerden dieser Eigenschaft offenbar gering. Je grösser aber die Anzahl jener Pangene im Verhältniss zu den übrigen wird, desto mehr wird die Eigenschaft hervortreten. Ich habe aus Samen eines tordirten Exemplares von Dipsacus sylvestris über 1600 Pflanzen gezogen, von denen nur zwei wiederum die Zwangsdrehung des Stammes zeigten. Die diese Drehung bedingenden Pangene mussten somit relativ so wenig zahlreich sein, dass ihre Aussicht aktiv zu werden höchstens etwa Ein pro mille betrug. In anderen jungen Varietäten verhält sich dieses günstiger, und bei richtiger Auswahl nimmt jene Aussicht bekanntlich im Laufe von einigen Generationen ganz bedeutend zu. Die einfachste Erklärung ist offenbar die, dass durch Züchtung derjenigen Exemplare, in denen die Eigenschaft durch die meisten (unter sich gleichartigen) Pangene vertreten ist, die relative Anzahl dieser allmählig grösser werden wird. Schon wiederholt habe ich betont, dass nach meiner Hypothese die Pangene sich sowohl im Kerne als auch im Cytoplasma vermehren müssen. Diese Vermehrung ist gleicher Ordnung, wie die Vermeh- rung der Zellen und der Organismen selbst. Wenn ein grosser Baum alljährlich Tausende von Samen trägt, so müssen sich die Pangene der Eizelle, aus welcher der Baum entstanden ist, in unglaublicher Menge vermehrt haben. Und dasselbe lehrt uns die enorme Zahl der Eier, welche ein einzelner Bandwurm hervorbringen kann. Solchen Erscheinungen gegenüber ist die Vermehrung der Pangene im Cytoplasma einer einzelnen Zelle nur geringfügig. Die Abgabe der Pangene seitens des Kernes muss selbstverständ- lich stets derart geschehen, dass alle Arten von Pangenen im Kerne vertreten bleiben. Stets darf nur eine verhältnissmässig kleine Zahl von gleichartigen Pangenen den Kern verlassen. Die Theilung der Zellkerne muss dagegen so stattfinden, dass alle Arten von Pangenen gleichmässig über die beiden Tochterzellen vertheilt werden. Nur bei gewissen somatarchen Zelltheilungen!) wird von dieser Gleich- mässigkeit abgewichen. Die beiden Arten der Variabilität, welche Darwin auf Grund der ı) Vergl. S. 72 und 76. 10* 148 INTRACELLULARE PANGENESIS. Pangenesis unterscheidet, sind selbstverständlich auch aus der hier gegebenen Vorstellung abzuleiten‘). Die fluktuirende Variabilität beruht einfach auf dem wechselnden numerischen Verhältniss der einzelnen Arten von Pangenen, welches Verhältniss ja durch deren Vermehrung und unter dem Einflusse der äusseren Umstände, am raschesten aber durch Zuchtwahl, verändert werden kann. Die „artenbildende‘“ Variabilität, dieser Prozess, durch welchen die Differenzirung der Lebewesen in ihren grossen Zügen zustande ge- kommen ist, muss aber im Wesentlichen darauf zurückgeführt werden, dass die Pangene bei ihrer Theilung zwar in der Regel zwei dem ursprünglichen gleiche neue Pangene hervorbringen, dass aber ausnahmsweise diese neuen Pangene ungleich ausfallen können. Beide Formen werden sich dann vermehren, und die neue wird da- nach streben, einen Einfluss auf die sichtbaren Eigenschaften des Organismus auszuüben. Hiermit ist im Einklang, dass wir uns die höheren Organismen als aus einer grösseren Zahl von unter sich ungleichartigen Pangenen zusammengesetzt denken müssen als die niederen. Zweites Kapitel. Zusammenfassung. 8 7. Zusammenfassung der Hypothese der intracellularen Pangenesis. Pangenesis nenne ich, abgetrennt von der Hypothese des Keimchen- transportes durch den ganzen Körper, die Ansicht Darwin’s, dass die einzelnen erblichen Anlagen in der lebenden Substanz der Zellen an einzelne stoffliche Träger gebunden sind. Diese Träger nenne ich Pangene; jede erbliche Eigenschaft, sie mag bei noch so zahlreichen Spezies zurückgefunden werden, hat ihre besondere Art von Pangenen. In jedem Organismus sind viele solche Arten von Pangenen zusam- mengelagert, und zwar um so zahlreichere, je höher die Differen- zirung gestiegen ist. Intracellulare Pangenesis nenne ich die Hypothese, dass das ganze lebendige Protoplasma aus Pangenen aufgebaut ist. Im Kerne sind alle Arten von Pangenen des betreffenden Individuums ver- treten; das übrige Protoplasma enthält in jeder Zelle im Wesentlichen nur die, welche in ihr zur Thätigkeit gelangen sollen. Diese Hypo- these führt zu den nachstehenden Folgerungen. Mit Ausnahme der- 1} Vergil- S. 53. INTRACELLULARE PANGENESIS. 149 jenigen Sorten von Pangenen, welche bereits im Kerne thätig werden, wie z. B. die die Kerntheilung beherrschenden, müssen alle andere aus dem Kerne austreten, um aktiv werden zu können. Die meisten Pangene einer jeden Sorte bleiben aber in den Kernen, sie vermehren sich hier theils zum Zwecke der Kerntheilung, theils behufs jener Abgabe an das Protoplasma. Diese Abgabe betrifft jedesmal nur die Arten von Pangenen, welche in Funktion treten müssen. Diese können dabei von den Strömchen des Protoplasma transportirt und in die betreffenden Organe des Protoplasten geführt werden. Hier vereinigen sie sich mit den bereits vorhandenen Pangenen, ver- mehren sich und fangen ihre Thätigkeit an. Das ganze Protoplasma besteht aus solchen zu verschiedenen Zeiten aus dem Kerne be- zogenen Pangenen und deren Nachkommen. Eine andere lebendige Grundlage giebt es in ihm nicht. Die im vorigen Kapitel gegebene Ausführung dieser Hypothese ist nur eine Schilderung, deren Zweck es war, den Hauptgedanken verständlich zu machen. Diesen letzteren halte ich für völlig be- rechtigt, er ist derzeit die einfachste Form, in welcher die Pangenesis unseren jetzigen Kenntnissen vom Bau der Zelle Rechnung tragen kann. In der Ausführung aber bin ich mir wohl bewusst, nicht immer das Richtige getroffen haben zu können. Es kam mir auch nur darauf an zu zeigen, wie leicht die so sehr verkannte Pangenesis allen diesen nach ihrer Aufstellung entdeckten Thatsachen Rech- nung trägt! (Jena, 1889.) OVER STERIELE MAIS-PLANTEN. Met Plaat I. Sints het jaar 1883 kweek ik eene variëteit van Mais, waarvan de zaden gewoonlijk in 10 of 12 overlangsche rijen op de kolven geplaatst zijn. Dit ras is in vele kenmerken variabel. De pluimen zijn nu eens sterk, dan weer minder sterk vertakt, en hare takken nu eens opstaande, dan weer uitgespreid en overhangende. De stam draagt aan zijn voet telken jare in een aantal exemplaren zijtakken, de zoogenaamde uitstoelsels, welke nu eens even hoog worden als de hoofdstam, dan weer veel kleiner blijven. De bladeren van sommige exemplaren worden in het najaar rood, van andere ver- dorren zij zonder deze kleur aan te nemen. Daarenboven vertoont de cultuur telken jare ook grootere variatiën. In de pluimen vindt men somwijlen zaadkorrels, nu eens alleenstaande, dan weer tot kolfjes vereenigd. Dit is in de pluimen aan den top van den stam vrij zeldzaam, in die der uitstoelsels echter vrij veelvuldig. Zaaide ik de zaden uit de pluimen dezer laatsten uit, zoo droegen vele der daaruit voortgekomen planten ook in de hoofdpluim enkele vrou- welijke bloemen. De kolven zijn in mijne cultuur somwijlen vertakt, de takken meest vrouwelijk en kolfvormig, soms mannelijk). Vooral de kolven, die aan de uiteinden der uitstoelsels van middelmatige lengte staan, zijn aan deze variatie onderhevig. Verder brengt mijne cultuur van tijd tot tijd bonte planten voort; hetzij dat de kiemplanten geheel kleurloos zijn, en dus te gronde gaan, hetzij dat de bladeren enkele witte strepen dragen. De kleur der korrels wisselt af van lichtgeel tot donkergeel of bijna bruin, niet zelden op een zelfde kolf. Het aantal rijen der zaden is gewoon- lijk 10 of 12, doch wisselt af van 8—16. Sonimige exemplaren worden vroeger rijp dan andere. Andere, in het oog loopende variatiën, heb ik vóór dezen zomer aan mijne planten niet opgemerkt. 1) Tusschenvormen tusschen mannelijke en vrouwelijke bloeiwijzen zijn voor de Maïs sints lang bekend. Zie Bonafous, Histoire naturelle du Mais, 1836, en G. Krafft, Die normale und anormale Metamorphose der Maispflanze, Wien 1870. OVER STERIELE MAIS-PLANTEN. 151 In het najaar van 1886 besloot ik, met mijne planten de proef van Fritz Müller over het toenemen van het aantal rijen door cul- tuurkeus!), te herhalen. Ik koos daarom eene kolf met 16 rijen, en zaaide alleen van deze in 1887 uit. Ik kreeg hiervan 54 planten, die 69 kolven droegen met de volgende aantallen van rijen: Aantal rijen, . Aantal kolven, OM A EN ad i PLANTE BERN a ART se ll Ae US heei re ed 21 AEN MERE oh ui AREAS Riek Aaa ii DONS RA ie Me be zn Zooals te verwachten was, was dus het aantal rijen toegenomen. Ik koos nu uit dezen oogst een kolf met 20 rijen, en zaaide alle zaden in 1888 uit, ten einde de proef voort te zetten. Ik won hiervan omstreeks 340 planten. Toen deze tegen het einde van Juli begonnen te bloeien, vertoonde zich de variatie, die het onderwerp van dit opstel vormt. Zij trad in een veertigtal exemplaren, en bij de meeste van deze in denzelfden graad op. Op plaat I is in fig. 1 een der fraaiste individuen, dat tevens voor de geheele variatie typisch was, afgebeeld. Daarnaast ziet men in de figuren 2—5, op natuurlijke grootte, de bovenste gedeelten van de toppen, die de plaats der pluimen in een viertal andere exemplaren innamen, voorgesteld. Kenschetsend voor de typische planten dezer variatie (fig. 1) is de volkomen steriliteit, ten gevolge van het nagenoeg algeheele gemis van zijtakken aan den stam. Dit gemis toch voert van zelf tot het ontbreken der bloemen, en om deze reden wensch ik aan mijne variatie den naam van steriele Maïs-planten te geven. Voor zoover mij bekend ís, werden zulke steriele Maïs-planten tot nu toe nog niet beschreven, en dus waarschijnlijk ook wel niet waargenomen. Trouwens ook van andere plantensoorten vind ik in de literatuur geene onvertakte variatiën vermeld. Het schijnt mij dus niet van belang ontbloot, mijne planten uitvoerig te beschrijven. Daartoe is het echter noodig, ze met de normale Mais-planten derzelfde cultuur te vergelijken. De gewone Mais-planten plegen zich op drie verschillende plaatsen te vertakken. In de onderste helft van de pluim of mannelijke inflorescentie dragen zij talrijke lange zijtakken, terwijl de bovenste ı) Medegedeeld door Hermann Müller in zijn werk: Die Befruchtung der Blumen durch Insekten, 1873 blz. 449. 152 OVER STERIELE MAIS-PLANTEN. helft, evenals die zijtakken, met kleine trosjes van aartjes bezet is. In de steriele individuen is deze geheele pluim vervangen door een naakte spil. Deze draagt meestal aan haar top een klein groepje van kelkkafjes zonder bloempjes (fig. 2), zooals trouwens ook aan het boveneinde van normale pluimen niet zelden het geval is. De tweede plaats van vertakking is de onderste helft van den stam. Hier vindt men de kolven, een, twee of drie op elke plant, en meestal daaronder of daarboven nog enkele onontwikkelde. Kol- ven nu, dragen mijne steriele planten niet, en scheurt men de blad- scheeden voorzichtig af, zoo overtuigt men zich, dat in haar oksel nooit iets te bespeuren is, wat naar een onontwikkelde kolf, of ook slechts naar een knop gelijkt. De internodiën naast de kolven plegen, aan de zijde van deze, van een diepe breede gleuf voorzien te zijn; deze gleuf ontbreekt in de steriele exemplaren. Ten derde vertakken zich de Mais-planten, bij krachtigen wasdom, aan haar voet. Zij bestoelen zich, zooals men het noemt. Deze uitstoelsels bereiken enkele malen de lengte van den hoofdstam, meestal blijven zij kleiner. De langsten onder hen dragen eene pluim en een of meer kolven, de kortere meest slechts een kolf, die dan aan hun top bevestigd is. Deze uitstoelsels, in mijne cultuur aan talrijke normale planten te zien, ontbreken aan alle steriele exem- plaren. De geheele stam mist dus, van onderen tot boven, het vermogen om zich te vertakken. Opmerking verdient, ten eerste, dat het wortelsysteem dezer steriele individuen in omvang en vertakking voor dat der normale planten niet onderdoet, zoodat ook het ver- mogen, om uit den stam bijwortels voort te brengen, niet verzwakt schijnt te zijn. En ten tweede, dat de steriele planten ook in hare vegetatieve ontwikkeling niet voor de fertiele onderdoen. Zij zijn even hoog als deze (meest 1,5—1,8 meters), even rijk bebladerd, de bladeren even lang en even breed. Het is dus geenszins ten gevolge van eene kommerlijke ontwikkeling, dat de zijtakken ontbreken; integendeel, de groei was voor beide soorten van exemplaren een uiterst krachtige. De steriele planten op mijne bedden vertoonen, gelijk ik reeds opmerkte, in hoofdzaak alle hetzelfde type. Toch zijn er bij nauw- keurig onderzoek gradatiën te vinden. Deze kunnen in twee groepen gebracht worden. De eene omvat steriele planten, die aan haar uitersten top nog eenige zijtakjes voortbrengen. De andere bestaat uit fertiele exemplaren, wier pluim ten deele onvruchtbaar is. Een voorbeeld van de eerste groep is op plaat I in fig. 5 afge- OVER STERIELE MAIS-PLANTEN. 153 beeld. Men ziet aan den uitersten top een aantal naakte zijtakjes, min of meer penseelvormig vereenigd. In een ander exemplaar waren deze zijtakjes dikker en minder talrijk. In den top, die in fig. 2 is afgebeeld, vond ik tusschen de bovenste kelkkafjes hier en daar enkele kleine naakte takjes, die zeer dun en niet langer dan deze bracteeën waren. j Trouwens de kelkkafjes zelve moeten natuurlijk aan kleine zijtakjes zitten, alhoewel deze feitelijk te klein zijn, om zichtbaar te zijn. In deze planten was dus het vermogen van vertakking niet volkomen verloren, doch slechts uiterst sterk gereduceerd. Als voorbeelden van de tweede groep noem ik twee planten, die elk een kleine kolf droegen. De pluim van de eene was zwak vertakt, en geheel steriel met uitzondering van den ondersten zijtak, die vol- komen normaal was en rijkelijk bloeide. De pluim van de andere droeg slechts steriele en nagenoeg kale zijtakken, doch haar bovenste helft toonde den normalen bouw. Merkwaardig zijn vooral die planten, wier as aan den top noch een pluimpje van bracteeën, noch een groepje van zijtakjes voortge- bracht heeft, doch geheel naakt en dus geheel onvertakt is. Zulk eene top is in fig. 4 afgebeeld. De naakte of bijna naakte spillen, die de plaats der pluimen innemen, zijn in mijne veertig planten meestal even lang als de nor- male pluimen. Slechts enkele zijn korter, en in één geval ontbreekt de spil geheel; ik vond hier boven de inplanting van het hoogste blad in het geheel geene voortzetting der as, ofschoon de plant overigens krachtig ontwikkeld is. Men zou kunnen vermoeden, dat het gemis van het vermogen om te bloeien gepaard ging met eene neiging om tweejarig of overblijvend te worden, zooals zulks bij zoovele andere planten waargenomen is. Doch de steriele Mais-planten toonen geene neiging in deze richting. In het einde van September en in October verdrogen zij, van boven te beginnen, gelijktijdig met, en even snel als de fertiele exemplaren, waartusschen zij staan. Ten slotte verdroogt ook de stamvoet. Er bestaat dus geen kans voor haar, om te overwinteren. In vroegere jaren heb ik in mijne culturen nooit steriele Maïs- planten waargenomen. En daar ik mijne culturen steeds nauwkeurig onderzocht heb, beschouw ik het als ontwijfelbaar, dat zij in dezen zomer voor het eerst ontstaan zijn. Men zou nu wellicht kunnen meenen, dat haar ontstaan moest toegeschreven worden aan de om- standigheden, waaronder de varieerende planten verkeerden. Dit 154 OVER STERIELE MAIS-PLANTEN. is echter niet het geval, zooals uit de volgende mededeelingen zal blijken. Van de planten in 1887, die, zooals reeds gemeld is, alle van één 16-rijige kolf van 1886 afstamden, nam ik, behalve de 20-rijige kolf, waarvan de nakomelingschap hierboven besproken werd, nog enkele andere kolven om in 1888 uit te zaaien. In de eerste plaats een twaalfrijige kolf. Van deze werden eenige zaden gezaaid in een tuin te Amsterdam, op eenigen afstand gelegen van het physiologisch terrein van den Hortus Botanicus, waar de beschreven hoofdproef werd genomen. Deze zaden leverden een tiental planten, waaronder er één was, die geheel aan de boven gegeven beschrijving der steriele Mais-planten voldeed. In de tweede plaats zaaide ik te Hilversum, op drogen, vrij on- vruchtbaren zandgrond, zaden van vijf kleine kolven van uitstoelsels der cultuur van 1887 uit. Van elke kolf kwamen de zaden op een afzonderlijk bed. De vijf bedden droegen te zamen 87 planten, op twee bedden bevond zich, op elk ééne, steriele Mais-plant. Van vier verschillende kolven uit mijne cultuur van 1887 hebben dus zaden de nieuwe variëteit doen ontstaan. De omstandigheden, waaronder de planten uit deze zaden opgroeiden, waren uiterst ver- schillend. Te Hilversum werden de zaden in het begin van Mei in den open grond gezaaid; hier hadden zij van het begin af aan met groote droogte te kampen. De zaden uit de twintigrijige kolf werden daarentegen, elk in een afzonderlijke bloempot, in goede tuinaarde, ‘in het begin van April, in een broeibak gezaaid; gedurende een maand werden de jonge plantjes zoo goed mogelijk verzorgd. Eerst toen zij krachtig begonnen te worden werden zij naar de voor hen bestemde bedden overgebracht en geplant, zonder de kluit te breken. Zij groeiden van den beginne af krachtig; die te Hilversum bleven steeds zwak. De te Amsterdam gezaaide zaden van de twaalfrijige kolf stonden in goede tuinaarde, doch werden weinig verzorgd. Ofschoon dus de mogelijkheid niet geheel buitengesloten is, dat de zeer bijzondere weersgesteldheid van den zomer van 1888 een invloed op het te voorschijn komen van deze steriele planten gehad heeft, zoo is toch de kans, dat zij de variatie veroorzaakt heeft, zeer gering. Ten eerste wegens het verschil in den tijd der beide voor- naamste culturen, dat ruim een maand bedroeg, zoodat hetzelfde weer de planten op zeer ongelijken ouderdom trof; ten tweede wegens het verschil in droogte en vruchtbaarheid van den bodem. Veel meer ligt het voor de hand, aan te nemen, dat het varieeren van de verschillende culturen in dezelfde richting een gevolg is van OVER STERIELE MAIS-PLANTEN. 155 hare gemeenschappelijke afstamming. In elk geval is de mogelijkheid van deze verklaring niet te ontkennen. De variatie moet dan ont- staan zijn onder invloeden, die op vroegere generatien, wellicht ge- durende vele jaren gewerkt hebben. Zij zou dan, in de in 1887 geoogste zaden, reeds potentieel voorhanden geweest zijn. Het komt mij voor, dat deze verklaring de meest waarschijnlijke is, en dat de variatie dus, hoewel plotseling te voorschijn getreden, naar alle waarschijnlijkheid reeds vroeger is voorbereid geworden. Over verworven eigenschappen. Over dit onderwerp heeft zich in de laatste jaren een levendige strijd ontsponnen. Deze is vooral te danken aan de geschriften van Weismann, die sedert een vijftal jaren herhaaldelijk getracht heeft, de nog heerschende onjuiste meeningen op dit gebied uit te roeien!). Doch ondanks zijne heldere betoogen komt de oude voorstelling van eene erfelijkheid van verworven eigen- schappen nog telkens weder te voorschijn. Het schijnt mij toe, dat de medegedeelde waarnemingen over steriele Mais-planten er toe bij kunnen dragen, de meening van den Freiburger geleerde ingang te doen vinden, en ik wensch daarom dit punt hier met enkele woorden te bespreken. Niet de vraag, of ver- worven eigenschappen erfelijk kunnen zijn, want of de steriliteit mijner Mais-planten zal blijken eene erfelijke eigenschap van mijn ras te zijn, kan ik natuurlijk thans nog niet met zekerheid beslissen. Dit zal door uitzaaiing van de zaden der fertiele exemplaren uit dezelfde cultuur moeten blijken. Ik herinner aan de dubbele vio- lieren, waarvoor men het zaad telken jare op de enkelbloeiende in- dividuen van hetzelfde ras wint. Maar wel wensch ik hier de vraag te behandelen, welke eigenschappen men met den naam van ver- worven behoort te bestempelen. Ik acht dit voorloopig van groot belang, daar de meeste bezwaren tegen Weismann’s stelling m. i. uit een verschil in de opvatting van de beteekenis van dit woord voort- spruiten. Ik meen dit vooral naar aanleiding van eenige opmer- kingen, die door den Weener hoogleeraar M. Wilckens voor enkele weken tegen Weismann’s theorie in het midden zijn gebracht?). Als onbetwijfelbare voorbeelden van overerving van verworven 1) A. Weismann, Ueber die Vererbung, Jena 1883, en in verschillende latere geschriften. 2) Dr. M. Wilckens, Allgemeine Grundsätze für die Züchtung der land- wirthschaftlichen Haussäugethiere blz. 133. In het Handbuch der ge- sammten Landwirthschaft von Dr. Th. von der Goltz. Band I, 1888 Cap. XVI. 156 OVER STERIELE MAIS-PLANTEN. eigenschappen voert deze schrijver o. a. de beide volgende bekende voorbeelden aant). In eene kudde schapen van den heer Seth Wight in Massachusetts werd een ram met kromme beenen geboren. In de hoop van een ras te verkrijgen, dat niet over de heiningen zijner velden zou kunnen springen, koos hij dezen ram voor de voortteling uit. De nako- melingen hadden allen kromme beenen. Zoo ontstond het ras der Ankon- of Otter-schapen. In de kudden van Merino-schapen van den pachter Graux op het landgoed Mauchamp in het fransche departement Aisne werd een ram met lang zijdeglanzend en krullend haar geboren, zooals anders niet bij Merino-schapen gezien wordt. Alle nakomelingen van dezen ram erfden hetzelfde kenmerk. Het nieuwe ras is thans onder den naam van Mauchamp-schapen vrij algemeen bekend. Omtrent deze beide feiten zegt nu Wilckens: „In den beiden letzten Fällen wurden die neuen Eigenschaften während der Entwickelung im Mutterleibe erworben, denn weder die Eltern des Ankon-bockes, noch die des Mauchamp-bockes besassen die erwähnten Eigenschaften ihrer Nachkommen.“ Ware deze gevolgtrekking geoorloofd, dan zou men ook de steri- liteit mijner Maïs-planten als eene verworven” eigenschap moeten beschouwen. Want hare ouders misten die. Ja, men zou met het- zelfde recht, als Wilckens in de aangehaalde voorbeelden, kunnen zeggen, dat het vermogen van vertakking hier tijdens de ontwikke- ling van het zaad in de moederlijke kolf of tijdens de ontkieming verloren gegaan was. Was er slechts ééne Mais-plant steriel geworden, dan zou wellicht menigeen deze voorstelling voor juist kunnen houden. Maar het feit, dat er een veertigtal, uit vier verschillende kolven en onder verschillende omstandigheden ontstaan zijn, heeft ons er toe geleid, de gemeenschappelijke afstamming als de meest waarschijn- lijke verklaring aan te nemen. Nu misten de moederplanten het ver- mogen van vertakking niet, en onze verklaring leidt dus noodzake- lijk tot de conclusie, dat planten eene eigenschap erven kunnen van ouders, in welke deze niet zichtbaar ontwikkeld was, Trouwens in beginsel is er tegen deze conclusie geen bezwaar, daar hetzelfde o. a. in alle gevallen van atavisme plaats vindt. Evenzoo valt de mogelijkheid niet te ontkennen, dat de ouders der eerste Ancon- en Mauchamp-schapen de nieuwe eigenschappen, die 1) Deze voorbeelden zijn uitvoeriger beschreven in Darwin, Variations I, blz. 104. OVER STERIELE MAIS-PLANTEN. 157 eerst in hun kinderen zichtbaar geworden zijn, reeds in latenten toestand bezeten hebben. Niets bewijst ons dus, dat wij hier niet met gewone variatiën, doch met verworven eigenschappen te doen zouden hebben. Trouwens Weismann heeft aangetoond, dat in de meeste tegen hem aange- voerde voorbeelden de zoogenoemde verworven eigenschappen niets anders dan gewone variatiën waren). Wilckens zegt verder: „Die Fortpflanzungszellen der Eltern des Ankon- und Mauchamp-bockes waren doch höchst wahrscheinlich den Formen der Eltern entsprechend, und diese besassen die Eigen- thümlichkeiten ihrer Kinder nicht.” Deze waarschijnlijkheid komt mij echter volstrekt niet voor, zoo groot te zijn. Integendeel, het atavisme en talrijke andere verschijnselen uit de leer der erfelijkheid toonen aan, dat de lichaamskenmerken niet zelden volstrekt geen zeker criterium zijn, om de eigenschappen der voortplantingscellen te beoordeelen. Trouwens reeds Darwin heeft er met nadruk op ge- wezen, „that the transmission of a character and its development, which ordinarily go together and thus escape discrimination, are distinct powers’’2). De beweering van Wilckens, die het bestaan aanneemt van „Eigenschaften, welche Thiere von ihren Eltern nicht ererbt haben konnten, weil diese sie nicht besassen’’, is dus van allen grond ontbloot. Had deze geleerde met het bestaan van latente erfelijke eigenschappen rekening gehouden, zoo ware hij zeker tot andere gevolgtrekkingen gekomen. Doch er is nog eene andere opmerking, waartoe het bovenstaande aanleiding geeft. Deze betreft de beteekenis van den term ,,erwor- bene Eigenschaften”. Ik begin met toe te geven, dat deze term niet gelukkig gekozen is. Want in den letterlijken zin van het woord-hebben de organismen alle eigenschappen, die zij bezitten, in de reeks der geslachten, lang- zamerhand verkregen, en dus verworven. Doch wij hebben hier te doen met een kunstterm, dien men óf in de gebruikelijke be- teekenis moet aannemen, óf moet vermijden. Anders toch kan slechts verwarring het gevolg zijn. Gaan wij daarom na, wat met dezen kunstterm bedoeld wordt. Dat bij de celdeeling de dochtercellen de erfelijke eigenschappen der moedercel erven kunnen, daaraan kan geen redelijke twijfel bestaan. 1) Zie o. a. Aug. Weismann, Botanische Beweise für eine Vererbung erworbener Eigenschaften. Biolog. Centralbl. VIII No. 3, April 1888. 2) Darwin, Variations of animals and plants under domestication, Part. II, 368. 158 OVER STERIELE MAIS-PLANTEN. Omgekeerd kan dus elke naar willekeur gekozen cel, door overerving al die eigenschappen gekregen hebben, die, in een harer voorvaderen, hetzij in hetzelfde organisme, hetzij in vroegere generatiën, ontstaan is. De onafgebroken reeks van opeenvolgende celgeneratiën laat daaromtrent geen twijfel over. Op al deze gevallen nu heeft de kunstterm „verworven eigenschappen” geene betrekking !). Hij is beperkt tot die gevallen, waarin sprake is van cellen, die, tot hetzelfde organisme behoorend, niet van elkander afstammen. De voortplantingscellen en de lichaamscellen van het volwassen, ge- slachtsrijpe individu stammen niet van elkander af. Tijdens de ont- wikkeling der kiem worden deze groepen langzamerhand van elkander gescheiden. En nu is de vraag of eigenschappen, die in lichaams- cellen na hare afscheiding van de groep der kiemcellen ontstaan, nog overgedragen kunnen worden op die kiemcellen. Eigenschappen, die na dat tijdstip door de lichaamscellen verkregen zijn, noemt Weismann, bij uitsluiting van alle andere, verworven eigenschappen. Men kan nu dezen naam goed- of afkeuren; de vraag of zulke eigen- schappen op de eicellen over kunnen gaan en dus erfelijk worden, is klaarblijkelijk van hoog wetenschappelijk belang. En het komt mij voor, dat Weismann er volkomen in geslaagd is, aan te toonen, dat zulk eene overdracht, ter verklaring van de ons bekende ver- schijnselen van erfelijkheid, nergens behoeft te worden aangenomen. Verklaring der plaat I. Fig. 1. Een steriele Maïs-plant, hoog 1,80 meter. In de plaats der pluim staat een naakte spil, die slechts aan haar top een klein groepje bracteeën draagt. Kolven en uitstoelsels ont- breken. Fig. 2-5. Toppen van gereduceerde mannelijke inflorescentiën van andere steriele Mais- planten op natuurlijke grootte. Fig. 2. De meest gewone vorm. Fig. 3. Met een zeer kleine groep van bracteeën. Fig. 4. Geheel naakt en onvertakt. Fig. 5. Met een bundeltje van fijne takjes aan den top. ı) De definitie van Wilckens, dat de verworven eigenschappen diegene zijn, „welche Thiere von ihren Eltern nicht ererbt haben konnten“ is dus ook niet volkomen juist. (Botanisch Jaarboek, uitgegeven door het kruidkundig genootschap Dodonaea, Bnd. I, 1889, blz. 141.) Over Steriele Maisplanten. Hugo de Vries, Opera. Lith FFP.WM Trap. UEBER DIE ERBLICHKEIT DER ZWANGSDREHUNG. Mit Tafel 1. Seitdem Braun seine bekannte Theorie der Zwangsdrehungen auf- gestellt hat!), ist diese merkwürdige Erscheinung von verschiedenen Forschern wiederholt beobachtet und studirt worden. Alle begnügten sich damit als Material für ihre Untersuchungen Exemplare zu be- nutzen, welche zufällig im Freien oder in Gärten aufgefunden waren, und welche ihnen zumeist im ausgewachsenen oder doch nahezu aus- gewachsenen Zustande in die Hände kamen. Zwangsdrehungen nun sind im Ganzen und Grossen sehr seltene Erscheinungen, wenn auch bereits eine lange Liste von Beispielen im Laufe der Zeiten zu- sammengetragen worden ist. Die Untersucher hatten also fast stets nur vereinzelte Exemplare zu ihrer Verfügung. Häufig war das Material bereits trocken oder zum Theil ver- dorben, ehe es aufgefunden wurde, nur ein einzelnes Mal gelang es einen Vegetationspunkt zu präpariren?). Es kann somit nicht Wunder nehmen, dass die Anschauungen über die Ursachen der Er- scheinung häufig weit auseinander gingen, und dass die Theorie Braun’s auch jetzt noch von Vielen nicht als hinreichend bewiesen betrachtet wird. Zur definitiven Entscheidung wünschte man sich stets „weitere Funde“, Ich habe nun einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Ich habe mir die Frage vorgelegt, ob nicht die Zwangsdrehung, wie so viele andere Monstrositäten, eine erbliche Erscheinung sei, und sich somit durch Zuchtwahl allmählich fixiren liesse. Bereits ein geringer Grad von Fixirung würde offenbar reichliches Material zu morphologischen und experimentellen Studien geben. Ich wählte zu meiner Kultur Dipsacus silvestris®), von welcher Art ich im Jahre 1885 unter meiner Aussaat in der physiologischen Abtheilung des Botanischen Gartens in Amsterdam zufällig zwei 1) Monatsberichte der k. Akad. d. Wiss. Berlin 1854, S. 440. 2) H. Klebahn, zur Entwickelungsgeschichte der Zwangsdrehungen. Ber. d. deutschen Bot. Ges. Bd. VI, S. 346. 3) Also dieselbe Art, an der Magnus bekanntlich seine Untersuchungen über Zwangsdrehung anstellte. Sitzungsber. d. bot. Ver. Bd. XIX. 160 UEBER DIE ERBLICHKEIT DER ZWANGSDREHUNG. tordirte Exemplare fand. Bevor diese Exemplare zu blühen an- fingen, liess ich sämmtliche übrigen Pflanzen von D. silvestris ent- fernen. Die von ihnen gewonnenen Samen wurden im nächsten Jahre auf zwei grossen Beeten ausgesäet. Im Juni 1887, als die Pflanzen empor- schossen, zeigte sich, dass unter 1643 Exemplaren wiederum zwei tor- dirte waren. Daneben auch zwei mit dreiblättrigen Wirteln. Die atavistischen Exemplare wurden zur Hälfte ausgerodet, zur anderen Hälfte dicht am Boden abgeschnitten; die dreizähligen von ihren Blüthenknospen beraubt. Nur die beiden tordirten gelangten zur Blüthe. Sie trugen reichlich Samen. Die Samen des grössten und schön- sten Exemplares wurden 1888 auf vier Beeten ausgesäet, und im Sommer 1889 hatte ich 1616 Pflanzen, von denen 1503 zweizählig, 46 dreizählig und 67 im Hauptstamm tordirt waren. Also etwa 4%, Zwangsdrehungen. Hiermit ist bewiesen, dass die Zwangsdrehung von Dipsacus silvestris eine erbliche Erscheinung ist, welche sich durch Zuchtwahl fixiren lässt. Zugleich ist damit ein reichliches Material geschaffen, welches ich theils zu morphologischen und physiologischen Studien, theils zur weiteren Ausbildung und Fixirung meiner Rasse bestimmt habe. Dieses Material zeigte bei genauer Durchmusterung auf dem Felde einen überaus grossen Formenreichthum und eine Reihe von Nebenerscheinungen, welche in zahllosen Stufen der Ausbildung vorhanden, offenbar in irgend welcher Beziehung zum Haupt- processe, der Zwangsdrehung, standen. Ich hebe hervor kleinere Torsionen an den Zweigen (Taf. I, Fig. 5), überzählige Blättchen in der Zwangsspirale (Fig. 6 u, Fig. 7 u—u'”’), Blattspaltung (Fig. 1), Becherbildung (Fig. 3, 4), dreiblättrige und einblättrige Blattwirtel, Knickungen im Stengel. Doch komme ich auf diese Einzelheiten noch weiter unten zurück. Offenbar lässt sich eine vollständige Einsicht in das Wesen einer Monstrosität nicht durch das Studium vereinzelter Exemplare ge- winnen. Ihre wahre Natur wird uns um so klarer entgegentreten, je grösser die Zahl der untersuchten variirenden Individuen ist. Aus diesem Grunde möchte ich, auch für rein morphologische Studien, die oben angewandte Methode allgemein in Vorschlag bringen. Ich habe bereits eine ziemliche Reihe von Monstrositäten in Cultur; sie zeigen sich alle als erblich, und fast jede entfaltet, sobald nur einige Hunderte von Nachkommen erzogen werden, in einer grösseren oder UEBER DIE ERBLICHKEIT DER ZWANGSDREHUNG. 161 geringeren Anzahl von ‚Erben‘ eine weit grössere Fülle von Formen, als in den Stammeltern. Auch werden neue Abweichungen auf diesem Wege bekanntlich leicht gewonnen. Eine ausführliche Beschreibung meiner Versuche und Befunde würde den Raum dieser kleinen Mittheilung weit überschreiten; ich muss sie deshalb auf eine spätere Gelegenheit verschieben. Auch harren noch manche Fragen der Lösung, welche erst in der nächsten Generation versucht werden kann. Die folgenden Ergebnisse möchte ich aber bereits jetzt mittheilen. Die Richtigkeit des Braun’schen Grundsatzes war offenbar leicht zu prüfen. Nach diesem Forscher sind der Übergang der wirteligen Blattstellung in eine spiralige, und eine Verwachsung der Blätter in der Richtung des kurzen Weges die Ursachen der Erscheinung?), Querschnitte durch den Vegetationspunkt tordirender Individuen liessen nun diese spiralige Blattstellung direkt beobachten. In Fig. 9 auf Taf. I sieht man im Mittelpunkte die Anlage der jungen In- florescenz; die jüngsten Blätter sind in dieser Ebene noch getrennt; die älteren aber deutlich in der Richtung der Spirale mit einander verwachsen. Auch durchschnitt ich an einigen Exemplaren, in deren unteren Internodien die Torsion eben angefangen hatte, die sämmt- lichen Blätter in einer Ebene, welche in der Höhe des Vegetations- punktes senkrecht auf den Stengel geführt wurde. An solchen Präparaten ist die spiralige Stellung, und der Zusammenhang der Blätter in der Richtung der Spirale sehr schön mit unbewaffnetem Auge zu sehen. In den gemessenen Exemplaren war der Blattwinkel etwa 140° (2/; fordert 144°, 3/ fordert 135°); doch beabsichtige ich diesen Punkt noch eingehender zu studiren. „Tritt keine Streckung?) der Internodien ein,“ so fährt Braun fort, „so wird solches Verhalten keinerlei Störung hervorbringen, wenn dagegen die Internodien sich strecken, so kann dies nicht in allen Theilen des Stengelumfanges gleichmässig geschehen, da die Verbindungslinie der Blätter der Streckung Einhalt thut. Die Folge davon ist eine Drehung in der Richtung des kurzen Weges.‘ Jeden einzelnen Punkt dieses prophetischen Ausspruches habe ich durch direkte Beobachtung oder durch das Experiment bestätigt gefunden. Solange die Internodien noch ganz kurz sind, bleibt die ursprüngliche Spirale unverändert. Junge Internodien von einigen Millimetern Länge sind noch grade; ihre Riefen laufen der Stammes- ı) Bot. Zeitung 1873, S. 31. 2) Im Referat in d. Bot. Ztg. 1873, S. 31 steht, wohl durch einen Druckfehler, „Drehung“. 11 162 UEBER DIE ERBLICHKEIT DER ZWANGSDREHUNG. achse parallel. Sobald die Streckung rascher wird, werden die Riefen schief; ihr Winkel mit der Stengelachse nimmt fortwährend zu. Auf Internodien von etwa 1 cm Länge, welche Blätter von etwa 8—10 cm tragen, ist die Neigung bereits deutlich zu sehen, und gleichzeitig hat hier die Verschiebung der Blattspirale angefangen. Die ursprüngliche Blattspirale wird durch die Streckung der Internodien abgerollt, stellenweise sogar in eine grade, der Achse parallele Linie verwandelt. Dieses Abrollen geschieht für jedes Blatt anfangs langsam, dann schneller um schliesslich wieder allmählich zu erlöschen. Das Maximum der Geschwindigkeit fällt wesentlich mit dem Maximum der Streckung der Internodien zusammen; ich beobachtete es bei einer Blattlänge von etwa 15 cm. Ich bestimmte die Geschwindigkeit dieses Abrollens mit der von Darwin für das Studium der Circumnutation benutzten Methodet), und beobachtete im Maximum eine Drehung eines Blattes um 180° in vier Tagen. Die Pfeile in Fig. 2 auf Taf. I weisen den Weg an, den die ein- zelnen Blätter eines sich tordirenden Exemplares in zehn Tagen abgelegt haben. Die Länge des Pfeiles ist die Winkeldifferenz zwischen der anfänglichen Lage des Blattnerven und derjenigen nach zehn Tagen. Der äussere Pfeil bezieht sich auf das älteste, der innere auf das jüngste Blatt. Dass „die Verbindungslinie der Blätter der Streckung Einhalt thut“, und dadurch die Zwangsdrehung herbeiführt, lässt sich gleich- falls beweisen. Man braucht dazu nur diese Linie zwischen den ein- zelnen Blättern zu durchschneiden. Ich opferte diesem Versuche sieben im vollen Wachsthum des Hauptstammes stehende Individuen. Die Erfahrung lehrte, dass die Schnitte nur dann den gewünschten Erfolg haben, wenn sie in ganz jungen Internodien gemacht werden, in denen die Drehung höchstens eben angefangen hat, und sich zwischen den oberen Blättern dieser Internodien hindurch in den noch nicht tordirten Theil des Stengels erstrecken. So gelang es mir (Taf. I, Fig. 6) die Drehung stellenweise (von a bis b) völlig auf- zuheben, während sie oberhalb und unterhalb der Versuchsstelle eine äusserst kräftige blieb. Die beiden, durch die Spalte (ss’) ge- trennten Blätter (b und c) wurden dabei durch das Wachsthum des Stengels in vertikaler Richtung auseinander geschoben; die Ver- schiebung erreichte in diesem Falle etwa 2cm. Der betreffende Stengeltheil (a—b) war grade gestreckt, die Insertionen der Blätter standen nahezu quer auf die Stengelachse. ı) Darwin, Movements of plants, pag. 6. UEBER DIE ERBLICHKEIT DER ZWANGSDREHUNG. 163 Es würde sich in dieser Weise, wenn man jedes Blatt im geeigneten Momente isolirte, wohl ein längeres gerades Stengelstück mit den Blättern in spiraliger Blattstellung ohne Zwangsdrehung erhalten lassen. Diesen Versuch muss ich aber leider auf die nächste Gene- ration verschieben. Bisweilen macht die Pflanze dasselbe Experiment, ohne Hülfe des Experimentators. Durch die Streckung der Internodien wird dann die Blattspirale zerrissen. Solches geschieht im Hauptstamm nicht selten in den obersten Internodien; diese strecken sich dann mehr oder weniger; bisweilen zu normaler Länge. Die Risslinie ist später noch auf ihnen als eine feine braune Linie sichtbar, welche die beiden, jetzt weit entfernten Theile der Blattspirale verbindet. An den Zweigen kommen solche Zerreissungen viel häufiger vor, zu häufig wenigstens um sie zu zählen. Ich sah hier auch bisweilen Zerreissungen, welche von der Verbindungslinie der Blattbasis aufwärts in dem Blattflügel eine Strecke weit sich ausdehnten, oder wo dasselbe Blatt, auf gerissener Basis, wie mit zwei weit abstehenden Füßen, dem Stengel angeheftet war. Jetzt komme ich zu der Beschreibung einiger Nebenerscheinungen, welche in meiner Cultur die Zwangsdrehung begleiteten. Zuerst sei die Richtung der Spirale erwähnt. Diese ist keines- wegs in allen Individuen dieselbe. Sie war bereits in den beiden Stammeltern meiner Rasse verschieden, da das eine nach rechts, das andere nach links gedreht war. Die zwei Exemplare, welche aus ihren Samen entstanden sind und 1887 geblüht haben, waren aber beide nach rechts gedreht. In der diesjährigen Generation unter- suchte ich die Richtung an 56 Individuen mit tordirtem Haupt- stamm. Von diesen zeigten 29 eine rechts und 27 eine linksläufige Blattspirale. Eine Bevorzugung einer bestimmten Richtung scheint somit nicht vorhanden zu sein. Zweitens die Ausdehnung der Erscheinung über den Hauptstamm. Diese erreicht in der Regel nicht den höchsten Blattwirtel, sondern es steht oberhalb des tordirten Theiles noch ein gestrecktes Stengel- stück (Taf. I, Fig. 7a) mit meist einem, seltener zwei bis mehreren Blattwirteln. Diese sind, merkwürdigerweise, in den Individuen der diesjährigen Generation stets dreiblättrig. Ich konnte darauf, nach- dem bereits etwa die Hälfte meines Materials zu anderen Zwecken verbraucht worden war, noch 35 Exemplare prüfen. Unter diesen zeigten 25 das beschriebene Verhalten; in den zehn anderen waren auch die höchsten Blätter mit der Zwangsspirale lückenlos verbunden. An vier Individuen schritt diese Spirale ungeschwächt bis über das 11* 164 UEBER DIE ERBLICHKEIT DER ZWANGSDREHUNG. höchste Blatt hinauf; diese wurden als Samenträger für eine weitere Generation auserlesen. Die spiralige Blattstellung wird bisweilen schon im ersten Lebens- jahre erzielt, doch habe ich dieses noch nicht eingehend untersuchen können, hoffe solches aber in der nächsten Generation zu thun. Die Zwangsdrehung kann sich an den Zweigen wiederholen (Fig. 5). Dieses beobachtete ich an den tordirten Exemplaren von 1885 und 1887 nicht; dagegen so zahlreich an den diesjährigen, dass ich solche ausschliesslich zu Samenträgern ausgewählt habe. Man kann sich das zu erstrebende Ideal dieser Monstrosität denken als eine Pflanze, deren sämmtliche Zweige, ebenso wie der Hauptstamm, auf ihrer ganzen Länge tordirt sind. Sehr merkwürdig ist, dass die atavistischen Individuen, mit völlig gradem Hauptstamm und decussirten Blättern in ihren Seiten- zweigen nicht selten Zwangsdrehung zeigen. Im Jahre 1887 habe ich etwa die Hälfte der Atavisten dicht am Boden weggeschnitten. Aus der Stengelbasis schlugen sie aus. Ich erhielt so fast 2000 Zweige secundärer und tertiärer Ordnung. Unter diesen waren 235 Zweige mit geringer aber deutlicher Torsion in einem Knoten (etwa wie Fig.5), und 26 mit einer kleinen mehrblättrigen Zwangsspirale. In diesem Sommer habe ich denselben Versuch, mit ähnlichem Erfolg wiederholt, und auch an einzelnen bis kurz vor der Blüthe stehengelassenen Atavisten Torsionen in den höheren Zweigen beobachtet. Die atavistischen Individuen sind reich an Blättern mit gespal- tenem Hauptnerven (Fig. 1 auf Taf. I), und zwar in allen Graden der Spalttiefe, von einfach zweispitzigen Blättern bis völlig ge- spaltenen. Diese Reihe ist schon von Delpino aufgestellt worden’); sie ist mit meinem Material leicht zu demonstriren. Ich liess in diesem Sommer 13 Atavisten bis kurz vor der Blüthe stehen; sie zeigten sämmtlich in der oberen Stengelhälfte einige gespaltene Blätter, und zwar in der Zahl von 4 bis 8 pro Exemplar. An drei- zähligen und tordirten Exemplaren sah ich solche gespaltene Blätter am Hauptstamm bis jetzt nicht. Wohl zahlreich an ihren Seiten- zweigen, wie sie auch an den Seitenzweigen der Atavisten und na- mentlich am Ausschlag der am Boden abgeschnittenen Individuen reichlich vertreten sind. In der Blattachsel gespaltener Blätter sah ich zumeist nur einen ı) F. Delpino, Teoria generale della Fillotassi, Atti della R. Universita di Genova IV, Parte IJ, 1883. UEBER DIE ERBLICHKEIT DER ZWANGSDREHUNG. 165 normalen Achselzweig; bisweilen aber deren zwei, oder auch einen flachen, breiten, mit zwei Blüthenköpfchen am Gipfel. Auch in dieser Richtung bestätigt meine Cultur also die Delpino’sche Reihe. Dreizählige Individuen gehören gleichfalls, wie bereits erwähnt, zum Formenkreis meiner Rasse. Sie tragen von der Blätterrosette aufwärts über den ganzen Stengel nur dreiblättrige Wirtel. Ihre Blätter sind nicht gespalten; die Zweige meist zweizählig, bisweilen sind einzelne dreizählig oder mit gespaltenen Blättern. Ob diese Individuen von Anfang an dreizählig gewesen sind, weiss ich nicht. Dagegen beobachtete ich in diesem Jahre eine Keimpflanze mit drei Cotylen, und dreigliedrigen Blattwirteln. Nebenzweige mit dreigliedrigen Wirteln sind an tordirten Exem- plaren und Atavisten nicht grade selten. Überzählige Blättchen in der Zwangsspirale bilden wohl die am wenigsten erwartete Nebenerscheinung dieser ganzen Gruppe (Taf. I, Fig. 6 und 7). Sie stehen in vielen tordirten Exemplaren am Hauptstamm zwischen je zwei grossen Blättern. Bisweilen wechseln sie auf längerer Strecke regelmässig mit diesen ab, bisweilen fehlen sie streckenweise gänzlich. Sie sind oft klein, schmal, linien- förmig (Fig. 6u), oft grösser; die grösseren mehr oder weniger gedreht (Fig. Tu, u’, u’). Die grössten sind völlig umgedreht, mit ihrem Rücken dem Stengel zugekehrt und an diesen mehr oder weniger weit angewachsen, bis zum nächsthöheren Blatt (Fig. 7u’’), oder auch mit diesem selbst, oft bis nahe an seiner Spitze verwachsen. Zuletzt ist die Becherbildung zu erwähnen. Zweiblättrige Becher sah ich in diesem Sommer sehr zahlreich; zumeist als unterstes Blattpaar der Nebenzweige der Stammesbasis, sowohl an Atavisten als an „Erben“. Die Becher in jedem Grade der Ausbildung, bis zu Trichtern mit langem, hohlem Stiel und kleiner trichterförmig er- weiterter Mündung (Fig.3). Aus der Basis (a) des Trichterstieles pflegt die eingeschlossene Endknospe sich gewaltthätig durch einen seitlichen Bruch zu befreien, nur selten wächst sie aus der Trichter- mündung senkrecht hervor (Fig. 4K). Fassen wir zum Schluss die beobachteten Nebenerscheinungen kurz zusammen, so lassen sie sich leicht auf die beiden, von Braun als Faktoren der Zwangsdrehung angenommenen Elemente: Ver- mehrung der Blätter und Verwachsung der Blattbasis, zurückführen. Blattspaltung, dreigliedrige Wirtel, spiralige Blattstellung und über- zählige Blättchen sind als Aeusserungen des ersten Factors, die Becherbildung aber als eine Wirkung des zweiten Momentes zu betrachten. 166 UEBER DIE ERBLICHKEIT DER ZWANGSDREHUNG. Ich hoffe durch diese Mittheilung den Beweis geliefert zu haben, dass das Fixiren einer Monstrosität bereits in wenigen Generationen sich sowohl in morphologischer als in physiologischer Beziehung im höchsten Grade lohnt, und dem Untersucher ein viel reichhaltigeres Material zur Verfügung stellt, als jeim Freien aufgefunden worden ist. Erklärung der Abbildungen. Sämmtliche Figuren sind von tordirten Exemplaren von Dipsacus silvestris, oder von Atavisten derselben Rasse gewonnen. Fig. 1. Unteres Blattpaar eines Seitenzweiges mit gespaltenen Hauptnerven und ver- wachsener Basis; k die Endknospe. Fig. 2. Projektion der drehenden Bewegung der Blätter eines sich tordirenden Exemplares auf eine horizontale Ebene oberhalb der Pflanze. Die Drehung jedes einzelnen Blattes ist auf einem Kreis, durch einen Pfeil angewiesen, dessen Fahne die Lage des Blattes am Anfang des Versuchs, und dessen Spitze die Lage desselben Blattes nach zehn Tagen angiebt. Die Geschwindigkeit nimmt von den älteren Blättern (äusseren Kreisen) nach den inneren erst zu, später wieder ab. Sie hat ihr Maximum im fünften Blatt der Figur, dessen Länge etwa 20 cm betrug. Fig. 3. Zweiblättriger Becher, aus dem unteren Blattpaar eines basalen Zweiges eines Atavisten gebildet; a der Knoten auf welchem dieses Blattpaar eingepflanzt ist. Fig. 4. Wie Fig.3, aber die Endknospe (k) bricht aus der Trichtermündung hervor. Fig. 5. Stück eines Zweiges, mit einem schwach tordirten Knoten. Fig. 6. Stamm einer stark tordirten Pflanze, in welcher grade beim Anfange des Drehens, Einschnitte zwischen einigen jungen Blättern gemacht worden sind. Diese sind theilweise zu klaffenden Spalten geworden, von denen nur einer in der Figur sichtbar ist (ss’). Von den beiden durch den Einschnitt getrennten Blättern (b, c) steht jetzt das eine (c) um 2 cm höher als das andere. Der Stengel ist zwischen a und b, in Folge der Operation, grade geblieben. Fig. 7. Hauptstamm eines tordirten Individuums mit überzähligen Blättchen in der Zwangsspirale (u, u’, u”) von denen eins, auf der hinteren Seite entspringend, mit seinem Rücken mit dem Stengel verwachsen ist, und parallel mit den Riefen zum nächsthöheren Blatte läuft (u”). Die Stammspitze war grade (a). Fig. 8. Querschnitt durch eine Keimpflanze, ein wenig oberhalb des Vegetationspunktes. Die normale decussirte Blattstellung der nicht tordirten Exemplare zeigend; c, c’ die Cotylen. Fig. 9. Querschnitt durch die noch sehr junge Stammspitze eines tordirenden Exemplares. In der Mitte die junge Inflorescenz. Die äusseren Blätter hängen in der Richtung der Spirale mit ihren Spreiten zusammen; die jüngeren sind vom Schnitt oberhalb dieses zusammen- hängenden Theiles getroffen. (Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft, Jrg. 1889, Bnd VII,. S- 2012) Fa P. W. M. Trap. impr. Ueber die Erblichkeit der Zwangsdrehung. Hugo de Vries, Opera. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDARER GEWEBE. Mit Tafel I und II. INHALT. Einleitung . TN ; : A. Beispiele ee Bene von Aden Gevel I. Ein dreijähriger Blüthenstiel von Pelargonium zonale IL. Holzbildung in Kartoffeln Ä III. Dickenwachsthum von Rüben im zweiten rare IV. Abnormale Holzbildung unter dem Einflusse von Gallen . V. Propfen auf Blättern 4 ; B. Ueber verlängerte oder erhöhte Fetoa des orde mit Rücksicht auf die abnormale Entstehung secundärer Gewebe . I. Ueber die Lebensdauer leitender Organe . IJ. Blattknospen in Inflorescenzen . III. Blüthenknospen auf Blättern IV. Langlebige Blattstiele . Vermehrung von Gartenpflanzen durch Blätter Bryophyllum calycinum. Krautartige Blätter . Lederartige Blätter . Erklärung der Tafeln . Seite 168 169 169 173 176 179 180 181 181 185 190 191 192 193 196 198 202 168 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. EINLEITUNG. Manche Pflanzentheile besitzen Eigenschaften, welche im normalen Laufe ihres Lebens nie zur Entfaltung kommen. Es bedarf abnor- maler, oft mehr oder weniger zufälliger Umstände, um solche la- tente Charactere zur Beobachtung gelangen zu lassen. Einen ausgezeichneten hierher gehörigen Fall bildet die secundäre Gewebebildung in Organen, welche nach Abschluss ihrer normalen Entwickelung in erhöhter Weise oder über die gewöhnliche Dauer ihres Lebens hinaus in Anspruch genommen werden. Ich beobachtete diese Erscheinung in einem Blüthenstiele von Pelargonium zonale, welcher, obgleich sonst einjährig, durch die Entwickelung einer Laubknospe an seinem Gipfel bestimmt wurde, Jahre lang weiter zu leben, und ein kräftiges Dickenwachsthum zu erfahren. Dieser Fall gab mir die Veranlassung, die übrigen mir bekannten, aber, wie es scheint, bis jetzt wenig berücksichtigten Beispiele solcher abnormalen Gewebebildungen hier zusammenzustellen und unter den mit ihnen analogen Erscheinungen nach weiteren möglichen Vorkommnissen zu suchen. Dabei ergab sich, dass es viele Fälle giebt, in denen eine abnormale secundäre Gewebebildung zwar bis jetzt nicht beobachtet wurde, wo solche aber, bei näherer Untersuchung, mit grosser Wahrschein- lichkeit erwartet werden kann. Eine Uebersicht der betreffenden Erscheinungen, von diesem Gesichtspunkte aus zusammengestellt, schien mir deshalb nicht unwichtig, weil oft der Zufall Einem die Gelegenheit bietet, ohne weitläufige Experimente in dieser Richtung unsere Kenntnisse zu erweitern. Aus diesem Grunde habe ich in dem zweiten Theile der vor- liegenden Abhandlung eine solche Zusammenstellung zu geben ver- sucht. Man findet darin sowohl diejenigen Fälle behandelt, welche eine gewisse Aussicht auf Erfolg bieten, als auch andere, welche auf dem ersten Blick einen solchen zu versprechen scheinen, bei näherer Prüfung sich aber als ungeeignet für derartige Studien herausstellen. Denn es schien mir, dass eine klare Einsicht in die einschlägigen Thatsachen hier am ersten zum Zweck führen würde. Den Grad der Aussicht aber, den die einzelnen Beispiele bieten, habe ich theils durch die Gruppirung, theils durch bestimmte Angaben anzudeuten versucht. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 169 A. Beispiele abnormaler Entstehung von secundären Geweben. I. Ein dreijähriger Blüthenstiel von Pelargonium zonale. In den Inflorescenzen von Pelargonium zonale beobachtet man bis- weilen kleine Blätterrosetten, welche an die Stelle einer grösseren oder kleineren Gruppe von Einzelblumen getreten sind. Masters giebt an, dass sie nicht gerade selten sind), und ich habe sie selbst bei verschie- denen Varietäten, sowohl mit einfachen als auch mit gefüllten Blu- men, gesehen. Auf Tafel I ist in Fig. 2 ein solcher Fall abgebildet; derselbe Blüthenstand ist, nach Entfernung der Blumen von oben gesehen, in Fig. 3 dargestellt. Man sieht, dass eine Seite der Dolde von einem sehr kurzen beblätterten Sprösslein eingenommen ist. Solche blättertragenden Dolden treten immer nur vereinzelt auf. Meist ist es nur ein einziger Blüthenstand auf einer ganzen Pflanze, welcher diese Abweichung zeigt, und oft wiederholt sich die Erschei- nung in den nächsten Jahren nicht. Im Sommer 1886 beobachtete ich in meinem Garten eine solche Laubknospe auf dem Blüthenstiel, der den Gegenstand dieser Mittheilung bildet, seitdem hat sich auf derselben Pflanze, obgleich sie alljährlich reichlich blühte, die Ab- normität nicht wiederholt. Als ich aber im Mai 1889 eine Reihe von Stecklingen von dieser Pflanze machte, brachten im Spätsommer des- selben Jahres einige dieser wieder beblätterte Blüthenstände hervor. Die normalen Blüthenstände von Pelargonium zonale sind doldige Aggregationen von Blüthenwinkeln mit Gipfelblüthe?). Die Hülle von Hochblättern, welche die ganze Dolde umgiebt, ist aus den Deck- blättern der Partialwickeln gebildet. Die Anzahl dieser Wickeln ist eine äusserst wechselnde. In den von mir beobachteten blättertragenden Dolden war stets nur eine Wickel durch eine Laubknospe vertreten. Nicht selten kommt es vor, dass die Dolden zusammengesetzt sind, d. h. statt einzelner Blüthen secundäre Döldchen tragen*). So weit meine Beobachtungen reichen, tritt dann jede solche Umbellula an die Stelle einer Wickel, wobei entweder alle oder nahezu alle, oder nur wenige, oder auch nur eine einzige Wickel in dieser Weise um- gewandelt sein kann. In den letzteren Fällen trägt die sonst nor- i 1) M. T. Masters, Vegetable Teratology. S. 106. 2) Eichler, Blüthendiagramme. II. S. 295. 3) Masters, I. c. S. 108. 170 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. male Inflorescenz zwischen den Einzelblüthen eine oder mehrere kleine gestielte Dolden. Laubknospen kommen bisweilen auch in solchen „zusammen- gesetzten‘ Blüthenständen vor. Ich beobachtete einen solchen Fall an einer einfachblüthigen Varietät im Sommer 1888. Die Inflorescenz trug, ausser einigen wenigen, in normaler Weise gestielten Blüthen, drei secundäre Dolden und eine Laubknospe; die ersteren trugen je 11 bis 26 Einzelblüthen, die letztere hatte bereits drei Blätter und eine junge Inflorescenz entwickelt. Merkwürdigerweise war das Hochblatt unterhalb dieser Laubknospe zu einem gestielten Blatte von normaler Grösse ausgebildet, eine Abweichung, welche ich sonst an laubtragenden Dolden dieser Art nicht beobachtet habe. Den Blüthenstiel, den ich hier besprechen möchte, beobachtete ich, wie erwähnt, im Sommer 1886 in meinem Garten. Die Pflanze wuchs in einem Topf und gehörte einer Varietät mit sehr reich- blüthigen Dolden und stark gefüllten rothen Blumen an. Als diese letzteren verblüht waren, ohne Früchte zu erzeugen, wuchs die Laub- knospe in der Inflorescenz weiter, und dementsprechend blieb der sie tragende Stiel am Leben. Ich legte mir dann die Frage vor, ob die Dauer dieses Lebens eine unbeschränkte sein würde, und ob und in wie weit es gelingen würde, den Blüthenstiel in einen Stamm umzuwandeln. Zu diesem Zweck habe ich meine Pflanze während drei Jahren sorgfältig über- wacht. Das erhaltene Resultat ist auf Taf. I in Fig. I nach einer Photographie dargestellt worden. Um das Wachsthum der in der Dolde befindlichen Laubknospe zu fördern, schnitt ich den Stamm unmittelbar über der Insertion des Stieles ab. Die „‚Doldenknospe‘ überwinterte im Glashause ohne Schwierigkeit und entwickelte sich im ersten Sommer zu einem kräf- tigen, reichblättrigen Zweige von 20 cm Länge, mit drei kleineren Seitenzweigen. Am Ende des dritten Sommers war der Hauptzweig zu einer Länge von etwa 60 cm herangewachsen. Er trug, wie aus Fig. 1 ersichtlich, im Ganzen acht Seitenzweige, von denen einige selbst wiederum verästelt waren. Diese Zweige trugen im Sommer 1889 reichlich Blüthen, und die Pflanze bildete, trotzdem sie fast nur aus diesem, vom alten Blüthenstiele getragenen Zweigsysteme bestand, eine Zierde ihres Beetes. Am Ende des dritten Sommers habe ich den Blüthenstiel der anatomischen Untersuchung geopfert. Dazu wurde er im November 1889 abgeschnitten. Die Laubkrone, welche er trug, war ohnehin zu gross und zu schwer für ihn geworden, und schon seit langer Zeit UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 171 konnte er sie, ohne tüchtig aufgebunden zu sein, nicht mehr tragen. Nachdem die Krone abgeschnitten war, wurde sie in Stecklinge zer- legt, in der Hoffnung, dass sich an diesen die Abweichung wieder- holen wird. Fünfzehn dieser Stecklinge haben kräftig getrieben und sind im Frühling ausgepflanzt worden. Die anatomische Untersuchung des dreijährigen Blüthenstieles lehrte Folgendes: Aeusserlich zeigte sich, dass er merklich an Dicke zugenommen hatte, jedoch die Dicke eines normalen, gleich alten Stammes nicht erreichte. Während die Stiele blühender Schirme einen Durchmesser von etwa 3—4 mm haben, erreichte der drei- jährige Stiel 6 mm Dicke, während der Stamm, in kurzer Entfernung unterhalb seiner Einpflanzung, 10 mm dick war. Die Dicke des aus der laubigen Doldenknospe entstandenen Zweiges betrug in der Nähe seiner Basis 8 mm. Auf dem Querschnitt (Fig. 5 auf Taf. J) zeigte sich zunächst die bedeutende Zunahme des Holzes. Im einjährigen Blüthenstiel liegen die Gefässbündel getrennt und in beträchtlicher Entfernung von einander (Fig. 4); hier aber sind sie zu einem geschlossenen Ringe verbunden. Dieser Ring ist im vorliegenden Fall auf der einen Seite viel stärker entwickelt als auf der anderen, und zwar lag der holz- reiche Theil an derjenigen Seite des Stieles, der ursprünglich die Laub- knospe trug (Seite db in Fig. 8 auf Taf. II). Denn da diese Knospe in der Dolde seitlich lag, ist auch der aus ihr entstandene Ast seitlich auf «dem Gipfel des Blüthenstieles eingepflanzt, wie aus Fig. 1 leicht ersichtlich. Daher wurde die Seite d des Stieles (Fig. 8) besser ernährt als die gegenüberliegende, und dementsprechend hat sie auch mehr Holz gebildet. Unterhalb des Stieles, im Stamm, hat sich dieses Verhältniss gerade umgekehrt. Nachdem der Gipfel des Stammes in ee’ weg- geschnitten wurde, hat sich der Blüthenstiel nicht etwa in die Ver- längerung des Stammes gestellt, sondern hat seine schiefe Anheftung (bei a in Fig. 1 und Fig. 8) beibehalten. Dementsprechend wurde hier die Seite a am besten ernährt, und in Fig. 7 erkennt man die entsprechend dickere Holzschicht auf der einen Seite des bei h in Fig. 8 gewonnenen Querschnittes. Im Holze des dreijährigen Stieles konnte ich keine deutlichen Jahresringe unterscheiden, doch sind solche auch in den normalen Theilen des Stammes meiner Pflanze nicht deutlich entwickelt. Der feinere Bau des Holzes ist im Querschnitt in Fig. 9 (Taf. II) ab- gebildet; man sieht die jüngste, an das Cambium grenzende Lage von Holzfasern (c c’), einen Markstrahl und einige Gruppen von Ge- 172 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. fässen. Einen Unterschied zwischen diesem und dem normalen Holze meiner Pflanze habe ich nicht finden können. Der perennirende Stiel ist viel dünner wie die beiden von ihm verbundenen Stammtheile (bg und eh in Fig.8 auf Taf. II). Auch ist die Leitung des Wassers und der plastischen Nährstoffe in so hohem Grade wie hier offenbar nicht seine natürliche Aufgabe. Dem- entsprechend wirkt er als eine Ligatur, wie man aus einer Ver- gleichung der Holzbildung im oberen Stammtheile (bei g in Fig. 8) mit derjenigen im unteren Stamme (bei h in Fig. 8) ersieht. Denn an ersterer Stelle ist der Holzring allseitig kräftig entwickelt (Fig. 6 auf Taf. I); an letzterer (Taf. I Fig. 7) aber ist dieser Ring viel schmächtiger und besteht an der schwach ernährten Seite sogar noch aus einzelnen, getrennten Gefässbündeln. Aus diesen Thatsachen ist zu folgern, dass der dreijährige Blüthen- stiel zwar die Functionen eines Stammes versieht, dass er solches aber nicht in gleich vollkommener Weise zu leisten vermag wie der normale Stamm selbst. Statt der vereinzelten Phloëmbündel des ersten Jahres ist jetzt ein mächtiger, geschlossener Ring von sekundärem Phloëm vorhanden (Fig. 5, ph), der, wie das Holz, durch das nach dem ersten Jahre thätige Cambium hervorgebracht wurde. Im Stiel der blühenden Dolde liegt ausserhalb der Gefässbündel ein geschlossener Ring von Sklerenchym (Fig. 4 bei s). Dieser Ring hat im dreijährigen Stiele an Mächtigkeit nicht zugenommen und ist, zumal an der am besten ernährten Seite, durch das Wachsthum des Holzes gesprengt, und in eine Anzahl kleiner Stücke gespalten worden (Fig. 5 bei s). Im Stengel ist der Sklerenchymring schwächer aus- gebildet wie im Blüthenstiel, und in dieser wie in anderen Hin- sichten ist der aus der Doldenknospe entstandene Zweig (bg Fig. 8) von demselben Bau wie der normale Stamm. Im ersten Sommer ist der Blüthenstiel von einer dünnen Ober- haut bekleidet, welche die bekannten schönen Drüsenhaare trägt. Nach dreijährigem Leben ist aiese Haut aber längst zersprengt und vertrocknet und durch eine mächtige Korkschicht ersetzt. Ihre Dicke betrug etwa 10—15 Zellen. Da im gewöhnlichen Leben der Pelar- gonien Blüthenstiele wohl nur an verwundeten Stellen Kork bilden, gehört das Auftreten einer ununterbrochenen Korkbekleidung wohl zu den merkwürdigsten Folgen des abnormal verlängerten Lebens. Die anatomische Untersuchung lehrt somit, dass secundäre Ge- webe, den erforderlichen Functionen entsprechend, ausgebildet sind, und dass dabei die in den normalen Theilen der Pflanze vorhandenen UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 173 Merkmale sich wiederholen. Abnormal ist somit nur der Ort, wo diese secundäre Gewebe entstanden sind. II. Holzbildung in Kartoffeln. Auch in anderen Pflanzentheilen kann unter Umständen das Leben über die normale Dauer hinaus verlängert werden, und kann diese Erscheinung von einer Ausbildung ungewohnter secundärer Gewebe- schichten begleitet sein. Das schönste Beispiel dazu liefern, soweit mir bekannt, die zweijährigen Kartoffeln. Sie sind dem dreijährigen Blüthenstiel unseres Pelargonium zonale unmittelbar an die Seite zu stellen, und sollen hier deshalb eingehend geschildert werden. Wenn Kartoffeln im Frühling ausgepflanzt worden sind, werden ihre Reservestoffe von den wachsenden Trieben zum grössten Theile verbraucht, und was noch etwa übrig bleiben würde, wird gleichfalls aus der Mutterknolle fortgeschafft und in die neuen Knollen geführt, um dort wiederum abgelagert zu werden. Im Sommer findet man die alten Kartoffeln völlig leer; bald fällt ihr Gewebe der Fäulniss anheim und bleibt nur die Korkhaut übrig. Während dieses ganzen Entleerungsprozesses wachsen die Mutterknollen selbst nicht, auch nicht in die Dicke. Ihr Cambium verhält sich unthätig. Eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel habe ich einmal auf einem Beete Heiligenstedter Kartoffeln beobachtet!). Bei der im October vorgenommenen Ernte waren die meisten Mutterknollen in üblicher Weise verfault, einige aber waren theilweise erhalten ge- blieben. Sie hatten aber ganz abnormale Formen bekommen. Auf Taf. II ist in Fig. 10 eine solche zweijährige Knolle in natürlicher Grösse abgebildet. Man erkennt allerdings noch den Umriss des ursprünglichen, länglichen Gebildes, namentlich wenn man sich die Punkte v und w durch eine Linie verbunden denkt. Aber die Knolle ist hohl, und die peripherischen Theile sind nur stellenweise erhalten geblieben. Sie zeigen sich wie schmale Bänder, welche durch grosse Löcher von einander getrennt sind. Die nährere Untersuchung dieser Kartoffel ergab, dass sie an einer Stelle drei kräftige Stengel getrieben hatte (Fig. 10 bei p, p’, p’’). Diese Stengel waren reich beblättert und von der gewöhnlichen Höhe; überhaupt waren die Stauden mit noch lebenden Mutterknollen vor der Ernte nicht von den übrigen zu unterscheiden gewesen. Aber diese Stengel hatten, ausnahmsweise, aus ihrem unterirdischen Theile keine Ausläufer mit jungen Knollen hervorsprossen lassen. Da- 1) Opera III, S. 357. 174 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. gegen waren aus zwei anderen Augen der Mutterknolle Stolonen hervorgewachsen, ohne zugehörige Blattsprosse. Diese Stolonen (Fig. 10 bei s und s’) hatten an ihren Spitzen junge Kartoffeln gebildet. Berücksichtigt man diese Verhältnisse, so ist es leicht, die in Fig. 10 dargestellte Form der zweijährigen Knolle zu verstehen. Die Nährstoffe, welche in den Blättern gebildet wurden, fanden an der Basis der Stengel (p, p’, p”) nicht die sonst üblichen Ablagerungs- stätten, sondern konnten erst in den von den Stolonen s und s’ ge- tragenen Knollen zur Verwendung gelangen. Sie mussten offenbar zu diesem Zweck die alte Knolle durchwandern. Sie thaten dieses auf drei getrennten Bahnen, von denen die eine (r) zum Stolo s führte, während die beiden anderen (q und f) nach unten sich ver- einigten, und die Bildungsstoffe der Knolle s’ zuleiteten. Alles Ge- webe, welches keinen Theil dieser Bahnen ausmachte, war gestorben und verfault, daher die grossen Lücken, welche die Bahnen von einander trennten. Betrachten wir jetzt den Bau dieser Bahnen etwas eingehender und untersuchen wir, welche Veränderungen sie in ihrem abnormal verlängerten Leben erlitten haben (Taf. IJ, Fig. 11—13). Wir fertigen dazu zunächst einen Querschnitt durch eine Bahn an (Fig. 11). Ringsherum ist sie von dem grosszelligen, früher stärke- führenden, jetzt gebräunten und gestorbenen Parenchymgewebe der alten Knolle (r) umgeben. Innerhalb dieser Schicht liegt lebendiges, farbloses Parenchym (p), welches zunächst aus kleineren Zellen be- steht und eine Reihe von Gefässbündeln umgiebt (v). Von der todten Rinde ist das lebende Gewebe durch eine dünne, wenig entwickelte Korkschicht getrennt (Fig. 11 k), welche alle Merkmale des auch sonst in Kartoffeln nicht seltenen Wundkorkes zeigt. Aber gewöhn- lich kleiden Kartoffeln ihre Wunden nur so lange mit Wundkork aus, als die Keimung ihrer Augen noch nicht angefangen hat). Hier hat die Entstehung dieses schützenden Gewebes offenbar erst lange Zeit nach angefangener Keimung stattgefunden. Doch war seine Entwickelung meist über die ersten Zelltheilungen nicht hinweg- gekommen. Die bedeutendste Veränderung haben die Gefässbündel (v in Fig. 11) erlitten. Das Cambium hat seine ursprüngliche Lage bei- behalten und erstreckt sich, quer durch den am Leben gebliebenen Gewebekörper hindurch, seitlich meist bis dicht an die Korkschicht ı) Opera III, S. 209. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 175 hinan. Zu der Bildung einer continuirlichen Holzschicht war es in meinen Präparaten noch nicht gekommen, obgleich mehrere Bündel bereits gruppenweise an einander schlossen. Jedes einzelne Bündel aber hatte sich in einem Grade ausgebildet, welcher sonst in Kar- toffeln nicht erreicht wird (Fig. 13). Im Querschnitt hatte es die Form eines Keiles, dessen breites Erde an das Cambium grenzte, während seine dem Mark zugekehrte Spitze offenbar der ursprüng- lichen, schon im ersten Sommer angelegten primären Gefässgruppe entsprach. Das Holz bestand aus reihenförmig geordneten Holz- fasern und Gefässen, welche meistens eine sehr deutliche netzförmige Wandsculptur zeigten. Das ganze Bündel wurde von schwefelsaurem Anilin intensiv gelb gefärbt. Die Phloëmbündel (Fig. 13, ph) zeigten eine entsprechende Entwickelung, waren aber in ihrem Baue nicht merklich vom primären Phloëm verschieden. Fig. 12 stellt einen Längsschnitt durch die zweijährige Kartoffel dar, welcher gerade die Anheftungsstelle eines Ausläufers trifft (s). Man sieht neben diesem noch einige ruhende Knospen desselben Auges. Rinde, Korkschicht und lebendes Parenchym verhalten sich wie oben beschrieben. Die Gefässstränge laufen von beiden Seiten nach dem Stolo und treten in diesen ein. Ihre Gefässe zeigen die bereits erwähnte Netzstructur ihrer Wände. Aus den mitgetheilten Thatsachen darf man folgern, dass die Ursache, welche das Cambium und seine nächste Umgebung im zweiten Sommer am Leben erhielt und es zu ungewohnter Thätig- keit veranlasste, in der Bewegung der Nährstoffe im Xylem und in den Siebröhren, sowie dem benachbarten Parenchym zu suchen sei. Diesem Strome von Nährstoffen entnahm das Cambium das zum Wachsthum erforderliche Bildungsmaterial, überall, wo ein solcher Strom nicht stattfand, starb es ohne weitere Entwickelung ab. Die wachsthumsfähigen Zellen des Cambiums besitzen also nicht die Kraft, die nöthigen Stoffe aus entfernten Theilen der Pflanze selbst heran- zuziehen. Wohl aber können sie, wenn zu einer jungen Knolle eine Wanderung von Eiweissstoffen und Kohlehydraten an ihnen vorbei stattfindet, diesen einen Theil entnehmen und für sich selbst ver- wenden?). | In dieser Beziehung verhält sich also das Cambium der zwei- jährigen Kartoffeln genau so, wie dasjenige des dreijährigen Blüthen- stieles von Pelargonium zonale. Von einem zu anderen Verbrauchs- oder Ablagerungsstätten an ihm vorbeigehenden Strome plastischer ı) l.c. S. 358. 176 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. Bildungsstoffe wird es am Leben erhalten und ernährt; ohne einen solchen stirbt es ab. Es scheint dieses eine ganz allgemeine Eigen- schaft des Cambiums zu sein. IL Dickenwachsthum von Rüben im zweiten Jahre. In den beiden vorigen Abschnitten haben wir Beispiele kennen gelernt, in denen das Cambium durch einen an ihm vorbeigehenden Strome plastischer Nährstoffe am Leben erhalten und ernährt wurde, während es sonst. sich nicht weiter hätte entwickeln können. Ohne Zweifel steht diese Erscheinung in Verbindung mit der Thatsache, dass die Thätigkeit des Cambiums auch örtlich von der Menge der an ihm vorbei sich bewegenden Nährstoffe beherrscht wird. Die Wurzeln unserer Bäume wachsen in unmittelbarer Nähe des Stammes weit stärker auf ihrer Ober- als auf ihrer Unterseite in die Dicke. Ihr Querschnitt wird dadurch keilförmig mit der Spitze nach unten gekehrt, während das Mark dieser Spitze sehr nahe gerückt ist. Die obere Seite aber enthält direkt die im Stamm herunterfliessenden Säfte, und leitet diese den entfernteren Theilen der Wurzeln zu. Jedermann kennt die erhabenen Leisten, welche namentlich an Pappeln von den starken Wurzeln aufwärts am Stamm hinaufgehen. ‚Hier wachsen offenbar jene Theile des Cambiums am stärksten in die Dicke, an denen der Nahrungsstrom zu den Wurzeln unmittelbar vorübergeht. Aehnliche Erscheinungen beobachtet man zuweilen auch bei den saftigen Wurzeln krautartiger Pflanzen. Ich fand z. B. ein Exemplar von Oenothera Lamarckiana, welches im ersten Lebensjahr eine Ro- sette von Wurzelblättern und aus der Achsel eines der äusseren Blätter einen blühenden Ast gebildet hatte. Der Querschnitt der Wurzel unterhalb des Wurzelhalses war nun kreisförmig, aber auf der Seite des blühenden Astes war auf diesem Kreise eine erhabene Leiste entstanden. Den merkwürdigsten hierher gehörigen Fall bilden solche Zucker- rüben, in denen im zweiten Sommer das Dickenwachsthum ausnahms- weise fortdauert. Unter dem Einflusse überschüssiger Belaubung wird auch hier das Leben über seine normale Grenze ausgedehnt, und ist diese Verlängerung von einer bedeutenden Zunahme in der Dicke an einzelnen Seiten des Rübenkörpers begleitet. Abgesehen von der eigenthümlichen Wachsthumsweise der Rüben sind die Vorgänge hier von derselben Art, wie in den beschriebenen zweijährigen Kartoffeln. Es lohnt sich daher, auch diesen Fall ausführlich zu beschreiben. Die Zuckerrüben werden bekanntlich als zweijährige Varietät UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 177 cultivirt, geben aber, namentlich bei früher Aussaat, eine nicht un- bedeutende Anzahl von einjährigen Exemplaren. Diese sogenannten Schösslinge haben für die Zuckerfabrikation keinen Werth. Viel seltener kommen auch dreijährige Individuen vor, und Rimpau hat versucht, durch Ausbildung einer dreijährigen Rasse eine Form zu erhalten, welche im ersten Jahre keine Schösslinge liefern und somit zu frühern Aussaaten, besser geeignet sein würde, wie die gewöhn- liche Varietät. Bei dieser Gelegenheit hat der genannte Forscher sein Augenmerk auch auf das Dickenwachsthum der Zuckerrüben gelenkt. Er sagt darüber Folgendes:!) „Jeder Samenzüchter wird beobachtet haben, dass die meisten Samenrüben mit dem Reifen des Samens völlig erschöpft sind und absterben, dass sich dagegen manche finden, die im zweiten Vege- tationsjahre nicht alle assimilirten Stoffe in die Samen ablagern, sondern einen Theil zur Verdickung der Wurzel benutzen. Gewöhn- lich haben diese Verdickungen der Wurzeln im zweiten Jahre die Form von hoch aufgewölbten, senkrecht an der Rübe verlaufenden Leisten, oft auch von konischen Auswüchsen nach oben, aus denen die Stengel hervorwachsen. Ich habe sogar Rüben gefunden, welche im zweiten Jahre gar nicht zum Schossen kamen, sondern nur eine kurze buschige Blattkrone bildeten und bedeutende Verdickungen an der Wurzel zeigten.‘ „Herr Rimpau hatte die Freundlichkeit, mir solche Rüben auf seinen Feldern zu zeigen, und sie mir zur anatomischen Unter- suchung zu überlassen. Auf Taf. II habe ich in Fig. 14 einen halben Querschnitt einer solchen Wurzel in natürlicher Grösse abgebildet. Die Wurzel war im October ihres zweiten Lebensjahres eingesammelt worden, nachdem sie reichlich Samen getragen hatte. Sie war vom Halse herab über die ganze Länge des länglich birnförmigen Körpers mit grösseren und kleineren herablaufenden erhabenen Leisten be- deckt. Die Figur zeigt deren drei grosse und drei kleine. Die Gefäss- bündelringe des ersten Jahres, vom Centrum aus bis Ah, haben unter dem Einflusse dieser Verdickungen keine Aenderung erlitten. Dagegen sind in den Wülsten eine Anzahl von neuen Bündelkreisen angelegt worden, welche in der Mitte jeder einzelnen Leiste am weitesten von einander entfernt sind, nach den Seiten zu aber sich nähern, und hier theilweise auskeilen. Die Anzahl dieser neuen Kreise beträgt 7—9, jedoch sind die äussersten nur schwach ausgebildet und nicht überall deutlich kenntlich. ı) W. Rimpau, Das Aufschiessen der Runkelrüben, in Landwirthsch. Jahrb. Bd. V, 1876, S. 43. 12 178 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. Die Bildung neuer Cambiumringe ausserhalb der jungen des ersten Jahres war in diesem Falle von einer geschwächten Thätigkeit in diesen letzteren begleitet. Denn während die normalen Samenrüben im zweiten Jahre in jedem einzelnen vorhandenen Gefässbündelring eine deutliche cambiale Thätigkeit aufzuweisen haben, war solches in den leistentragenden Exemplaren nicht der Fall. In den nor- malen Rüben wachsen im Samenjahre die einzelnen Gefässbündel, durch Ausbildung einer verhältnissmässig breiten Schicht secun- dären Holzes und secundären Phloëms in die Dicke; das Verhältniss der sich mit schwefelsaurem Anilin färbenden Elemente gegenüber den übrigen nimmt sehr bedeutend zu. Und zwar geschieht solches in den einzelnen Ringen in um so ausgiebigerer Weise, je mehr nach aussen der betreffende Ring liegt. In allen Ringen fängt diese Neu- bildung mit einem breiten Streifen von Netzgefässen an, auf welchem dann, in den äusseren Ringen, später Holz mit spindelförmig zu- gespitzten verholzten Fasern folgt. In den leistentragenden Rüben sind nun die Ringe des ersten Jahres, sowohl die inneren, wie äusseren, viel weniger verholzt und zwar sowohl in denjenigen Radien, denen die Leisten aufsitzen, als in den unverdickten Sectoren. Innerhalb der Leisten selbst ist die Verholzung der im zweiten Jahre angelegten Ringe eine äusserst spärliche. Dementsprechend fehlt diesen Wurzeln die auffallende, nachträgliche Verbreiterung der Gefässbündel, der hohe Grad der Verholzung und die entsprechende Abnahme in der Dicke der zucker- führenden Parenchymringe. Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, dass jede einzelne Leiste einem beblätterten Stengel entspricht, und in dessen Ver- längerung nach unten zu angelegt wird. Je üppiger der Assimilations- process und je geringer der Samenertrag für einen Spross ausfällt, um so mehr Nährstoffe sendet er in die Wurzel hinab, und um so kräftiger wird die entsprechende Leiste. In dieser Beziehung ver- halten sich diese zweijährigen Rüben wie die oben beschriebenen Kartoffeln, nur dass der ganze Körper ernährt wird und man somit keine abgestorbenen Theile und Löcher vorfindet. Was aber den Rüben eigenthümlich ist, dass ist der Umstand, dass hier in Folge des abnormal verlängerten Lebens und der abnormalen Ernährung eine Reihe neuer Cambiumringe angelegt wird. Es besteht somit hier dieselbe Abhängigkeit der ersten Anlage des Cambiums von der Ernährung, welche wir oben für die nachträgliche Thätigkeit des bereits angelegten Cambiums geschildert haben. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 179 IV. Abnormale Holzbildung unter dem Einflusse von Gallen. Es ist eine nicht gerade seltene Erscheinung, dass Gallen in Inflorescenzen oder auf Blättern vorkommen, und durch die grosse Menge von Nährstoffen, welche sie zu ihrer Entwickelung bedürfen und aus den benachbarten Pflanzentheilen an sich ziehen, die be- fallenen Organe zu kräftigerer Thätigkeit und damit oft zu ge- steigertem Dickenwachsthum veranlassen. Die dabei entstandenen secundären Gewebe harren aber noch der anatomischen Untersuchung. Aber schon der Augenschein lehrt, dass die gallentragenden Blatt- und Blüthentheile häufig in viel höherem Grade verholzt sind, als die entsprechenden normalen Organe. Oft wird auch ihr Leben dabei merklich verlängert. Solches ist nament- lich der Fall, wenn die gallenbildenden Thiere männliche Inflores- cenzen für die Entwickelung ihrer Brut gewählt haben. Einige Beispiele mögen hier zur Erhärtung des Gesagten zusammen- gestellt werden. Eine eingehende anatomische Untersuchung wird später ohne Zweifel zu wichtigen Resultaten führen. Mehrere Arten von Gallen kommen auf den männlichen Kätzchen der Eichen vor. Am bekanntesten ist dieses für Spathegaster bacca- rum). Andricus quadrilineatus fand ich unweit Haag auf den männ- ` lichen Kätzchen von Quercus pedunculata. Ausserdem werden von Mayr und Adler noch Andricus ramuli, A. grossulariae, A. pilosus, A. seminationis und Andere als Beispiele angeführt?). Die meisten dieser Gallen reifen erst einige Zeit nachdem die Eichen völlig ver- blüht und die übrigen männlichen Kätzchen somit abgefallen sind?). Es scheint, dass dabei die gallentragenden Blüthenstiele oft noch ein bedeutendes, abnormales Dickenwachsthum zeigen. Viel merkwürdiger sind aber die Vergrünungen, wie sie durch Aphiden und Phytopten verursacht werden. Treffen diese männliche Kätzchen, so können letztere oft zu ansehnlichen, reich beblätterten und verästelten Zweiglein heranwachsen. Als Beispiel nenne ich die Missbildungen, welche Aphis amenticola auf Salix alba hervorruft, und welche ich im Sommer 1877 in grosser Anzahl an einigen Bäumen 1) Vergl. die grosse Monographie der Cynipidengallen von M. W. Beye- rink, Beobachtungen über die ersten Entwickelungsphasen einiger Cyni- pidengallen. Abh. d. k. Niederl. Akad. d. Wiss. 1882, S. 92. 2) G. L. Mayr, Die mitteleuropäischen Eichengallen in Wort und Bild. I. und II. Hälfte, Wien 1871. H. Adler, Ueber den Generationswechsel der Eichengallwespen, Zeitschr. f. wiss. Zoologie 1881, S. 219. 3) Diejenigen von Spathegaster baccarum z. B. erst Ende Mai, vergl. Mayr l. c. S.49. Die von Inquilinen bewohnten Gallen bleiben noch viel länger an den Pflanzen, nicht selten bis zum Herbst. 12* 180 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. bei Halle antraf. Die männlichen Kätzchen waren bis über 10 cm Länge herangewachsen. Ihre Spindeln erreichten bis 4 mm Dicke und trugen statt Bracteen kleine, dicht behaarte Blätter und in deren Achsel Seitenzweiglein (von bis 2 cm Länge), welche dicht mit Büscheln kleiner grüner Blättchen besetzt waren, zwischen denen die Blattläuse wohnten. Die Spindeln waren völlig verholzt und fielen nicht ab?). Besondere Berücksichtigung verdienen auch die in hiesiger Gegend häufigen Vergrünungen und Durchwachsungen von Lysimachia vulgaris?), welche von verhältnissmässig leicht aufzufindenden, in den Rhizomknospen überwinternden Phytopten verursacht werden und welche sich, nach meiner Erfahrung, leicht im Garten kultiviren lassen. Die feinen Blüthenstielchen werden in den durchwachsenen Blüthen zu kräftigen Sprossinternodien. Allbekannt sind auch die grossen Beutel von Schizoneura lanu- ginosa auf den Blättern von Ulmus campestris, welche die Ver- holzung der betreffenden Blatttheile herbeiführen. Mehrere ähn- liche Fälle liessen sich aus der Literatur über die Gallen noch leicht zusammenstellen, doch dürften die angeführten Beispiele für unseren Zweck genügen. V. Pfropfen auf Blättern. Die bis jetzt beschriebenen Beispiele waren solche, in denen das Material sich der Untersuchung zufällig darbot. Im zweiten Theile werden wir sehen, dass ohne Zweifel solche Fälle sich in viel grösserer Zahl darbieten werden, sobald man nur erst darauf Acht giebt. Dann wird man durch die einfache anatomische Untersuchung des gefundenen Gegenstandes, oder doch nach vorheriger längerer Pflege, die bis jetzt noch kleine Reihe der genügend studirten Beispiele ver- mehren können. Dennoch möchte ich, für die Fortsetzung dieser Untersuchungen, diese Methode nicht in erster Linie empfehlen. Viel zweckmässiger ist es offenbar zu versuchen, durch Pfropfen auf kurzlebigen Blatt- oder Blüthenstielen, ihr Leben zu verlängern und sie dadurch zu erhöhter cambialer Thätigkeit anzuregen. Es ist offenbar zu erwarten, ı) Vergl. hierüber ferner M. W. Beyerinck, Bijdragen tot de Morpho- logie der Plantengallen, 1877, S. 30, wo auch eine Reihe weiterer Beispiele zu finden sind. 2) Beschrieben von C. Müller, Verhandl. d. Botan. Ver. d. Prov. Bran- denburg XIX, 1877, Sitzber. S. 105—113, cf. Bot. Jahrb. VI, I, 1878, S. 169; vergl. ferner F. A. W. Thomas, Phytoptocecidien, Zeitschr. f. d. gesammte Naturw. Bd. 49, 1877, S. 381. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 181 dass auf diesem Wege ähnliche Erfolge erreicht werden können, als unser dreijähriger Blüthenstiel von Pelargonium uns ohne eine solche Operation bot. Derartige Versuche scheinen nur ganz selten gemacht worden zu sein. Der wichtigste, mir bekannt gewordene, rührt von Carrière her. Dieser berühmte Pflanzenzüchter “sagt darüber in seinem bereits mehrfach zitirten Werke Folgendes!): Als Objecte wurden die Blätter der Orange gewählt. Nachdem diese abgeschnitten und in Töpfe gepflanzt waren und sich gut bewurzelt hatten, wurden kleine, noch krautartige Zweiglein derselben Sorte als Edelreiser vorbereitet und auf den oberen Theil des Blattstiels gepfropft. Es geschieht dieses durch Ansaugen, indem die Oberhaut des Blattstieles an einer Stelle tief abgetragen und das sehr schief geschnittene untere Ende des Blattstieles, genau auf die Wunde passend, fest angebunden wird. Es ist darauf zu achten, dass das Cambium beider Theile möglichst in Berührung gebracht wird. Carriere beobachtete einen solchen Pfropfling während vier Jahre; er wuchs kräftig heran. Die Spreite des Blattes war gestorben, der Blattstiel aber war zu einem cylin- drischen Stamme von 1,5 cm Diameter geworden, an welchem nur noch mit Mühe die letzten Reste der Flügel erkannt werden konnten. Knight pfropfte eine Traube von Vitis vinifera auf einem Blatte derselben Pflanze. Der Versuch gelang, die Beeren reiften, blieben aber klein?). Auch Blüthenstiele Können sich, wenn sie als Stecklinge behandelt werden, bewurzeln®); doch würde es vielleicht am zweckmässigsten sein, sowohl auf Blüthen- als auf Blattstielen zu pfropfen, ohne sie von der Mutterpflanze zu trennen. Mehrjährige Blüthenstiele von Pelargonien wären in dieser Weise wohl in beliebiger Zahl zu erhalten. B. Ueber verlängerte oder erhöhte Function leitender Or- gane mit Rücksicht auf die abnormale Entstehung secun- därer Gewebe. I. Ueber die Lebensdauer leitender Organe. Der im ersten Abschnitt beschriebene Fall von Pelargonium zonale zeigte uns, dass das Leben eines Blüthenstieles einfach dadurch über ı) Carriere, Jardinier Multiplicateur S. 339; man vergl. auch Masters, Vegetable Teratology S. 54, und Gardener's Chronicle 1866, S. 386. 2) Phil. Trans. 1804, I, S. 189. 3) Derartige Versuche mit Primula und Æcheveria sind von Beinling mitgetheilt worden in Cohn’s Beiträgen zur Biologie Bd. III, S. 30. 182 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. seine normale Dauer hinaus und anscheinend in unbeschränkter Weise verlängert werden kann, dass er neben Blüthen auch eine Laubknospe trägt. Indem die Laubknospe in den folgenden Jahren zum beblätterten Zweig wird, wird der Blüthenstiel zum Stamm. Dabei treten in seinem Innern secundäre Gewebe auf, welche ihm normaler Weise zu fehlen pflegen. Der erhöhten Inanspruchnahme der leitenden Gewebe entspricht die mächtige Ausbildung von Holz und Phloëm, während dieses Dickenwachsthum selbst wieder eine Zersprengung der Oberhaut und deren Ersatz durch eine Kork- schicht herbeiführt. Die übrigen angeführten Beispiele lehren uns, dass diese merk- würdigen Erscheinungen nicht etwa auf einer besonderen Eigenschaft der Pelargonien beruhen, sondern im Gegentheil wohl überall dort in ähnlicher Weise auftreten werden, wo ähnliche Ursachen ange- troffen werden. Betrachten wir zunächst die allgemeine Regel, welche die Lebens- dauer leitender Organe beherrscht. Offenbar hängt die letztere überall innig mit der Function zusammen. Zahlreiche Thatsachen lehren uns, dass ganz allgemein leitende Organe nur so lange leben, als die von ihnen getragenen Theile. Sind diese gestorben oder ab- gebrochen, so gehen auch sie bald ihrem Tode entgegen, werden sogar in manchen Fällen förmlich abgeworfen. Es scheint mir nicht überflüssig, hier auf einige der bekanntesten Beispiele hinzuweisen. Die Lebensdauer der Blüthenstiele hängt offenbar davon ab, ob die von ihnen getragenen Blüthen befruchtet werden oder nicht. Im letzteren Falle sterben sie bald nach der Blüthezeit, im ersteren leben sie bis zur Fruchtreife. Aehnlich verhalten sich viele andere Organe, wie z. B. die Ranken, welche nur dann ihren Lebenscyclus möglichst vollständig durchlaufen, wenn sie eine Stütze gefasst haben. Schneidet man Blüthenknospen von der Blüthe ab, so sterben ihre Stiele, oder sie werden abgeworfen. Ebenso verhalten sich Blatt- stiele nach Entfernung der Spreite. Hört die Thätigkeit eines Blattes durch Verdunkelung auf, so gehen Spreite und Stiel gleichfalls rasch dem Tode entgegen. Dementsprechend sterben die chlorophylllosen Blätter, welche bisweilen an bunten Pflanzen auftreten (Aesculus, Pelargonium, Hydrangea u. v. A.), früher als grüne. Zweige, welche nur solche chlorophylllosen Blätter trugen, sah ich bei Aesculus Hippocastanum häufig bereits im Juli sich völlig entblättern. Baumzweige, welche von andern in dem Grade beschattet werden, dass ihre Blätter nicht mehr hinreichend assimiliren können, sterben UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 183 bis zu ihrer Basis ab, auch wenn sie noch so gross und stark sind. Dasselbe ist durch Verdunkelung oder wiederholte Entblätterung zu erreichen. Unterhalb einer Ringelung stirbt die Rinde bis zum nächsten beblätterten Zweig ab. Derartige Beispiele liessen sich noch zahlreiche anführen. Ueberall sieht man, dass leitende Organe sterben, so bald sie aufhören zu fungiren. Ein selbständiges Leben können sie nicht führen. Diese Regel galt für ausgewachsene Theile. Treibende Knospen, junge Blätter und Sprossgipfel, Blüthenknospen, Blüthen und Früchte entwickeln sich auf Kosten von Nährstoffen, welche sie selbst aus den sie tragenden Theilen des Stengels oder seiner Zweige an sich ziehen. Sie vermögen aus diesem Grunde auch im Dunklen zu wachsen. Sobald sie aber ausgewachsen sind, ändert sich die Sach- lage. Stengel, welche an ihrem Gipfel noch wachsende Theile tragen, bleiben am Leben, so lange der Vorrath der Reservestoffe aushält und sie zu deren Leitung dienen. Blätter und Blattstiele aber gehen bei der Entwickelung in constanter Finsterniss zu Grunde, sobald sie den ausgewachsenen Zustand erreicht haben). Die erwähnten Fälle beziehen sich alle auf eine Verkürzung des normalen Lebens durch frühzeitiges Aufhören der Function. Ich habe sie hier zusammengestellt, um daran die Frage zu knüpfen, ob nun auch allgemein das Leben leitender Organe verlängert werden wird, falls die Function zur üblichen Zeit nicht aufhört. Die im ersten Theil behandelten Beispiele lehren, dass diese Frage durchaus be- rechtigt ist, und eröffnen die Aussicht auf eine bejahende Ant- wort, wenigstens für eine Reihe von Fällen. Es wird somit meine Aufgabe sein, eine Uebersicht über diejenigen Erscheinungen zu geben, welche zur Beantwortung dieser Frage entweder schon jetzt beitragen oder doch bei eingehenderem Studium früher oder später werden beitragen Können. Eine Verlängerung des Lebens von wenigen Wochen oder Monaten oder selbst bis zum Schlusse der betreffenden Vegetationsperiode scheint unter den namhaft gemachten Umständen nicht gerade selten vorzukommen. Als Beispiele möchte ich hier die folgenden Gruppen von Thatsachen anführen. Ich meine die Verlängerung des Lebens der Achsen männlicher Inflorescenzen, wenn in diesen durch sogenannte zufällige Variation einzelne weibliche Blüthen vor- 1) Vergl. meine Beiträge zur speciellen Physiologie landwirthschaft- licher Culturpflanzen, Opera JIZ, S. 457, wo diese Erscheinung für die Zuckerrüben ausführlich beschrieben ist. 184 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. kommen und diese befruchtet werden. Die fraglichen Achsen, deren Bau gewöhnlich schmächtiger ist, als der der weiblichen Blüthen- stiele, und deren Dasein beendet zu sein pflegt, sobald die Blüthen verstäubt sind, leben in solchem Falle ebenso lange wie die normalen weiblichen. Weibliche Blüthen in männlichen Inflorescenzen sind keineswegs eine seltene Erscheinung. Wesmael beobachtete sie bei Salix Caprea’), und dieselbe Erscheinung habe ich häufig bei Salix aurita gesehen; Masters führt ausserdem als Beispiele Carex, Humulus Lupulus, Urtica dioica und einige andere Arten an?). Am meisten bekannt ist die Erscheinung bei Zea Mais, wo sie bereits von dem berühmten Monographen dieser Pflanze, Bonafous, beschrieben wurde?) und auch später zu wiederholten Malen studirt worden ist‘). Allerdings ist sie hier selbstverständlich nicht von secundärer Gewebebildung begleitet. In meinen eigenen Culturen beobachtete ich seit 1883 alle Uebergänge und Zwischenformen zwischen weiblichen Kolben und männlichen Rispen; namentlich sind solche häufig an den Seitentrieben, welche aus der Stamm- basis kräftiger Maispflanzen hervorwachsen®). Aber auch in den gipfelständigen Rispen sah ich häufig weibliche Blüthen, sowohl an der Basis, als an der Spitze oder an den Seitenzweigen. Nicht selten sind kleine Stellen zu förmlichen Kölbchen umgewandelt. In diesem, bei verschiedenen Varietäten nicht gerade seltenen Falle bleiben nun die betreffenden Theile der Rispe bis zur Fruchtreife am Leben, vorausgesetzt natürlich, dass die weiblichen Blüthen befruchtet sind. Ich habe vielfach aus solchen männlichen Inflorescenzen reife Samen geerntet. In allen diesen Beispielen geht die Dauer des Lebens, trotz der abnormalen Verlängerung, nicht über einen einzigen Sommer hinaus. Es ist zu erwarten, dass die Fälle, in denen das Leben einjähriger Organe bis zur nächsten Vegetationsperiode oder gar in unbeschränk- ter Weise ausgedehnt werden kann, noch viel seltener sein werden. Denn es bedarf dazu, ausser der Fähigkeit des betreffenden Pflanzen- 1) A. Wesmael, Transformation des étamines en carpelles chez le Sa- lix Caprea. Bull. Acad. Roy. Belg. T. XVI, 2. Série, S. 339. 2) Masters, Vegetable Teratology S. 192— 195. 3) Bonafous, Histoire naturelle du Mais, 1836. 4) G. Krafft, Die normale und anormale Metamorphose der Maispflanze, Wien 1870; vergl. ferner Masters, l. c. S. 191. 5) Ein vollständiges Fehlen der Kolben und eine Reduction der Rispen auf eine nackte Spindel zeigen meine sterilen Maispflanzen. Vergl. Opera V, S. 150, Taf. I und S. 203. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 185 theiles zu den erforderlichen Veränderungen, noch der zufälligen Umstände, welche die letztern ins Leben rufen können, und welche hier offenbar weit seltener eintreten werden, als in den in diesem Abschnitte besprochenen Fällen. Solche Ursachen sind also wohl stets als Ausnahmen von den gewöhnlichen Regeln zu betrachten. Aus diesem Grunde scheint es mir, wie ich bereits in derEinleitung hervorgehoben habe, erwünscht hier eine Reihe von Beispielen zusammen zu stellen, in welchen das Leben von Pflanzentheilen über das normale Maass ausgedehnt wurde oder doch ausgedehnt werden könnte, und in denen dement- sprechend das Auftreten von secundären Geweben zu erwarten war an Stellen, wo solche im normalen Laufe der Entwickelung nicht gefunden werden. Solche Beispiele finden sich hier und dort in der Literatur zer- streut und meistens nicht von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet. Ich beabsichtige aber keineswegs eine vollständige Uebersicht dieser Fälle zu geben, sondern werde vorwiegend nur solche besprechen, welche ich aus eigener Erfahrung kenne. II. Blattknospen in Inflorescenzen. Wir wollen uns jetzt die Frage vorlegen, inwieweit und namentlich bei welchen Arten eine Aussicht vorhanden ist, ähnliche Erschei- nungen auftreten zu sehen, wie sie unser Pelargonium zonale bot. Wir haben dazu die Fälle zu durchmustern, in denen, ausser bei der genannten Art, Laubknospen in den Blüthenständen beobachtet worden sind. Solche Vorkommnisse sind nun im Allgemeinen keines- wegs selten, doch entsprechen sie nicht alle unserer Aufgabe. Mit Rücksicht auf diese können wir die in Inflorescenzen wahr- genommenen Laubknospen in zwei grosse Gruppen eintheilen. Die erstere umfasst die Erscheinungen der Viviparie mit Einschluss der Bulbillen, die zweite das weit seltenere Auftreten von gewöhnlichen beblätterten Zweigen in Blüthenständen und Blüthen. Durchmustern wir zuerst die Erscheinungen der Viviparie oder Prolification. Junge Individuen (Proles) in der Inflorescenz kommen bei einer langen Reihe von Gräsern vor!), deren bekannteste Beispiele Poa bulbosa vivipara und Poa alpina vivipara sind?). Unter den Mono- kotylen liefern ferner sehr schöne Beispiele Oncidium serratum*), in ı) Aufgezählt in Masters, Vegetable Teratology S. 169. 2) Vgl. Goebel, Botanische Zeitung 1880, S. 822. 3) Gardener’s Chronicle, 13. Nov. 1886, Vol. 26, No. 672, S. 620. 136 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. dessen Rispe alle Blüthen und Fourcroya gigantea), bei der fast alle Blüthen durch Brutknospen ersetzt waren. Letzteres sah ich im verflossenen Sommer im hiesigen botanischen Garten auch in zwei Exemplaren von Beschorneria multiflora und Agave vivipara L. (= A. Americana L. var. vivipara) wird in Ost-Indien hauptsäch- lich durch solche Brutknospen vermehrt?). Chlorophytum guayanum und Polygonum viviparum und eine grosse Reihe weiterer Gewächse besitzen gleichfalls in den Bulbillen und jungen Pflänzchen ihrer Inflorescenzen ein wichtiges, wenn nicht das hauptsächlichste Mittel zu ihrer Vermehrung?). In sehr vielen Arten kommen diese Brutknospen regelmässig vor, und bilden sie somit eins der Merkmale der Art. Bei anderen Ge- wächsen treten sie aber nur vereinzelt auf und sind dann als Aeusserungen der Variabilität zu betrachten. So beobachtete ich einmal im Jahre 1884 im hiesigen Garten ein Exemplar von Saxifraga umbrosa, welches in der Rispe eine kleine Rosette von Blättern trug. Die Rispe hatte einen aufrechten Stiel von der gewöhnlichen Länge (über 15 cm) und Dicke, die drei untersten Blüthentragenden Seiten- zweige waren ausgebildet, darauf folgte aber, statt desganzen oberen Theiles der Rispe die erwähnte Rosette. Diese sah in jeder Hin- sicht den normalen Rosetten von Wurzelblättern dieser Pflanze ähnlich; doch war sie viel kleiner. Ihre Achse war sehr kurz, ihre Blätter, von denen ich etwa 20 zählen konnte, erreichten etwa 1 cm Länge. Diese Variation scheint eine sehr seltene zu sein; denn trotz fleissigen Nachsuchens konnte ich seitdem weder an diesem Exemplar, noch an zahlreichen anderen derselben Art eine ähnliche Abweichung entdecken. Häufiger sind beblätterte Pflänzchen bei Plantago lanceolata, wo sie die Varietät P. lanc. coronata bilden, und bei Trifolium repens, wo sie als eine Form des T. repens perumbellatum vorkommen. Die genannte Wegerich-Varietät trägt am Gipfel einzelner Aehren kleine 1) Moquin-Tandon, Tératologie végétale S. 233. 2) Birschop Grevelinck, De planten van Nederlandsch Indie, 1883, S. 846. Aehnlich bei A. Morrisii in Gard. Chron. 1887, No. 17, S. 543 und 549. 3) Ausführliche Zusammenstellungen findet man in: A. Braun, Ueber Polyembryonie und Keimung von Caelebogyne, Abh. d. k. Akad. d. Wiss., Berlin 1859, S. 177—181. Frank, Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten, S. 250ff. Masters, Vegetable Teratology, S. 104 ff. Eichler, Ueber einige Inflorescenzbulbillen, im Jahrbuch d. k. botan. Gartens zu Berlin, I, 1881, Dent UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 187 Blätterbüschel!), welche sich, wie bereits Braun fand?), leicht be- wurzeln. Ich habe zu wiederholten Malen solche Pflänzchen von der Aehre abgebrochen und in Töpfe gepflanzt, und nicht gerade selten in dieser Weise grosse, blühende Exemplare erhalten. Dass an den Aehren solcher Pflänzchen sich die Erscheinung wiederholen kann, habe ich bisweilen ohne Abbrechung.von der Mutterpflanze und also in demselben Sommer beobachtet. Trifolium repens perumbellatum treibt aus dem Gipfel der Achse ihrer Inflorescenz entweder eine oder mehrere kleine, meist wenigblüthige Déldchen*) oder einzelne kleine Pflänzchen, deren erstes Blatt entweder sogleich dreizählig oder, wie dasjenige der Keimpflanze, einspreitig ist. Ich beobachtete alle diese Fälle in einer grösseren Cultur, welche ich aus einem kleinen im Freien bei Hilversum aufgefundenen Exemplare mit durchwach- sener Dolde erzogen hatte‘). Aus dieser gedräfigten Uebersicht geht hervor, dass die be- treffenden Fälle alle auf die Bildung junger Pflänzchen hinauslaufen, welche sich früher oder später von der Mutterpflanze isoliren und ein selbständiges Leben anfangen. In weitaus den meisten Fällen wird dadurch die Dauer des sie tragenden Blüthenstieles nicht über das normale Maass ausgedehnt®); in keinem einzigen giebt die Pro- 1) Masters, Vegetable Teratology, S. 111. 2) Braun, Abh. d k. Akad, Berlin 1859, I. c. S. 181. 3) Frank, Pflanzenkrankheiten, S. 277. Ueber Vergrünungen und Durch- wachsungen bei Arten von Trifolium, vergl. ferner Cramer, Bildungs- abweichungen, 1864, S. 94—06. 4) Etwas ganz anderes sind die von Caspary in seiner ausgezeichneten Abhandlung über die Vergrünungen der Blüthe des weissen Klee’s (Schriften d. Phys. Oek. Gesellsch. zu Königsberg, Jahrg. I, S. 51, Taf. II u. II) beschriebenen frondiparen und floriparen Durchwachsungen der Einzel- blüthen. Diese kommen, wenigstens in den Niederlanden, viel allgemei- ner vor; ich habe sie an zahlreichen Orten und oft in grosser Menge gefunden. Ich fand sie auch häufig bei Zrifolium pratense und seltener bei 7. Aybridum und Medicago lupulina. Die Beobachtungen Caspary’s habe ich wiederholt und kann ich nur bestätigen. Die in den Blüthen, oberhalb des geöffneten Carpellblattes entstandenen Pflänzchen habe ich mehrfach abgepflückt und ausgepflanzt; einmal erhielt ich daraus eine grosse Pflanze, welche im Sommer des nächstfolgenden Jahres kräftig heranwuchs, dann aber im Anfang des dritten Sommers durch einen Zu- fall verloren ging. Ich vermuthe, dass diese Vergrünungen, wie die- jenigen von Zysimachia vulgaris (vergl. S. 180) und wohl sovieler anderer Pflanzen von Phytopten verursacht werden, und fand, nach vielem Suchen, einmal in einer vergrünten Blüthe von 7. repens eine solche Milbe. Bei oft wiederholter Cultur im Garten wurden die vergrünten Exemplare im nächsten Sommer stets wieder normal. 5) Bei Chlorophytum guayanum leben die nur im ersten Jahre blühen- 188 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. lification, soviel mir bekannt, Veranlassung zu abnormaler Wuche- rung secundärer Gewebe in den Blüthenstielen. Wir kommen jetzt zu der zweiten Gruppe, in der die Laubknospen in der Inflorescenz nicht dazu angelegt sind, neue Pflänzchen zu bilden, sondern alle Merkmale gewöhnlicher beblätterter Sprosse besitzen. Es ist dies die sogenannte frondipare Durchwachsung, welche, abgesehen von den durch Parasiten (z. B. Aphiden und Milben) veranlassten Krankheitserscheinungen, wohl nur als Varia- tion auftritt. Sie kommt sowohl in Blüthenständen als in einzelnen Blüthen vor und ist im Ganzen und Grossen eine noch viel seltnere Erscheinung wie die entsprechende floripare (blüthentragende) Durchwachsung®). Noch weit seltener scheint sie zu einer Ver- längerung des Lebens des sie tragenden Stieles zu führen. Den bekanntesten hierher gehörigen Fall bilden wohl die durch- wachsenen Zapfen der Coniferen?). Ich beobachtete sie bis jetzt nur bei Larix europaea, bei welcher Art sie in den Niederlanden nicht gerade selten sind. Hier aber leben sie stets nur so lange wie die nicht durchwachsenen Zapfen und sterben, mitsammt ihrem Sprosse, gleichzeitig mit diesem ab,. Im August 1886 erhielt ich von Herrn Dr. M. W. Beyerinck eine Pflanze von Scabiosa atropurpurea, welche ausser den normalen auch einige durchwachsene Blüthenköpfchen trug. Aus der Mitte des Capitulum trat ein kleiner, 0,5 bis 3 cm langer, Blätter und Blüthen- knospen tragender Spross hervor’). Da aber die Pflanze einjährig ist, war eine abnormale Verlängerung des Lebens der betreffenden Blüthenstiele nicht zu erwarten. Von demselben Herrn erhielt ich später auch Trauben von Cytisus Adami, welche sowohl in ihrer Verzweigung wie in ihren Blüthen vielfach monströs waren und unter denen einige an ihrem Gipfel eine kleine Gruppe von Laub- blättern trugen. Aehnliches berichtet Schlechtendahl für die langen Trauben von Cytisus nigricans*), welche nicht gerade selten sich in beblätterten Trieben fortsetzten. Letztere konnten sich selbst wieder verzweigen oder auch Blüthen tragen. Seltener bietet nach den Stengel in unseren Gewächshäusern und Wohnzimmern viele Jahre hindurch, wenn sie junge Pflänzchen tragen. ı) Frank, Pflanzenkrankheiten, S. 281. Mehrere hierher gehörige Fälle sind von Masters zusammengestellt, aber nicht scharf von der eigent- lichen Prolification geschieden. Siehe Vegetable Teratology, S. 113-—115. 2) Literatur in Frank, |. c. S. 278. 3) Laterale foliare Durchwachsung der Köpfchen von Scabiosa erwähnt Masters, 1. c. S. 106. 4) Bot. Zeitung 1856, S. 733. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 189 demselben Verfasser auch Cytisus capitatus eine ähnliche Erschei- nung. Masters nennt männliche Kätzchen von Castanea vesca, von denen jedes an seinem Ende ein Bündel kleiner Blättchen trug 1). Von derselben Art fand ich 1886 bei Hilversum eine Aehre von nor- maler Länge, welche in den Achseln der neun oberen Bracteen je ein kleines männliches Zweiglein von 1,5 bis 2 cm Länge trug, mit Ausnahme aber der höchsten Bractee, an dessen Stelle ein grünes, etwa 2 cm breites, gestieltes Blatt getreten war. Ob in diesen und ähnlichen Fällen die Möglichkeit einer Ueberwinterung der Blüthen- stiele vorhanden war, bleibt noch zu ermitteln ?). Von krautigen Pflanzen werden in der Literatur noch mehrere Fälle von durchwachsenen Inflorescenzen erwähnt?), ohne dass immer deutlich hervorgehoben wäre, ob Laubzweige oder sich bewurzelnde Pflänzchen gemeint sind. Ein letztes Beispiel, dass vielleicht zu ähnlicher Lebensverlängerung hätte Veranlassung geben können, wie in Pelargonium zonale, beobachtete ich im Jahre 1884 bei Begiona Lapeirousii. Das untere Internodium eines Blüthenstandes war 7 cm lang, farblos und dünn, wie in normalen Inflorescenzen, wo es nach der Samenreife abgeworfen zu werden pflegt. An seinem Gipfel trug es eine mittlere Laubknospe und zwei seitliche normale, mehr- blüthige Blüthenzweige. Die Laubknospe war zu einem 3 cm langen Zweig entwickelt und trug an vier Knoten gestielte Blätter von normaler Form und bis 3 cm langer Spreite. Aus den Achseln dieser Blätter kamen Blüthenstände hervor. Leider war ich nicht in der Lage diese Inflorescenz weiter zu cultiviren, und später wiederholte sich die Abweichung an derselben Pflanze nicht. Neben durchwachsenen Blüthenständen sind durchwachsene Blü- then zu nennen. Solche finden sich nicht selten unter den viel- gestaltigen Vergrünungen von Rubus Idaeus®), caesius und fruticosus, bei welch’ letzterer Art ich sie häufig in hiesiger Gegend antraf. Oft findet man eine Blüthe, deren Achse sich in einen beblätterten Zweig fortsetzt. Da aber die blüthentragenden Aeste hier nach der 1) Masters, 1. c. S. 103, 104. 2) Dasselbe gilt von den blättertragenden Ranken von Vitis vinifera; ich fand deren mit bis drei Blättern, habe sie aber im nächsten Jahre nicht wieder gefunden. 3) Literatur bei Masters, l. c. und Frank, I. c. S. 277. Eine Blätter rosette fand ich auch im Gipfel einer blühenden Traube von Cardamine pratensis, und zwar von der Varietät mit Petalen in den bauchig auf- geblasenen Früchten. 4) Ausführlich beschrieben und abgebildet von Conwentz in Acta Acad. Caes. Leop. Nat. Cur., Vol. XI, 1878 (Tafel XII—XIV). 190 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. Fruchtreife abzusterben pflegen, ist eine Aussicht auf Verlängerung des Lebens der betreffenden Blüthenstiele nicht vorhanden. Gün- stiger verhalten sich in dieser Hinsicht die Rosen, doch hatte ich bis jetzt nicht die Gelegenheit durchwachsene Blüthen in ihrer weiteren Entwickelung zu verfolgen, und auch in der Literatur finde ich der- artige Beobachtungen nicht erwähnt. In den angeführten Werken und Abhandlungen sind noch einige weitere Fälle von Blüthen erwähnt, aus denen, apical oder lateral, beblätterte Sprosse hervorgingen. Doch scheint es nicht, dass solche je zur Verlängerung des Lebens der betreffenden Blüthenstiele führten. Somit geht aus dieser ganzen Uebersicht hervor, dass der im ersten Abschnitt beschriebene dreijährige Blüthenstiel von Pelargonium zonale bis jetzt einzig dasteht. Allerdings lernten wir eine Reihe von Arten kennen, welche bisweilen die Gelegenheit zu einem ähn- lichen Versuche bieten, aber der Versuch selbst scheint noch nie- mals mit gutem Erfolg unternommen worden zu sein. III. Blüthenknospen auf Blättern. Als seltene Variationen werden bisweilen Blüthenknospen auf Blättern angetroffen. Falls diese es zur Fruchtbildung brächten, liesse sich ein bedeutendes, abnormales Dickenwachsthum der be- treffenden Blattstiele erwarten. Es scheint aber, dass bis jetzt die Beobachtungen noch in keinem Falle so lange fortgesetzt worden sind. Magnus fand ein Exemplar von Siegesbeckia iberica, welches auf den Stielen der unteren Blätter Gruppen von Blüthenknospen trug!). Braun erwähnt ein von Bernhardi im botanischen Garten zu Erfurt erzogenes Chelidonium majus var. laciniatum, aus dessen Blättern theils ein-, theils mehrblüthige Blüthenzweiglein ohne alle vorausgehenden Laubblätter hervorsprossten?). Derselbe Forscher fand in mehreren Exemplaren von Levisticum officinale an der Theilungsstelle der obersten Laubblätter einen oder häufiger zwei Sprosse, welche nach wenigen kümmerlichen Blättern eine kleine Blüthendolde trugen?). Duchartre fand auf den Blättern von Lycopersicum esculentum in den Achseln der Theilblättchen beblätterte und blüthentragende Sprosse, welche bisweilen eine Länge von 20 cm erreichten, aber i) Magnus im Sitzungsber. Bot. Ver. Brandenburg, 30. Mai 1873, S. 7. 2) A. Braun, Das Individuum der Pflanze, Abh. d. k. Akad. d. Wiss., Berlin 1853, S. 60. 3) Lc. S. 60, Anm. 4. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 191 bei den ersten Nachtfrösten abstarben. Bei einigen Varietäten trugen viele Blätter solche Zweiglein, bei anderen aber war dieses viel sel- tener!). Alph. De Candolle erwähnt eine Begonia prolifera aus Singa- pore, welche auf dem Gipfel des einzigen Blattstieles 1—3 ungleich grosse, dichotom verzweigte Blüthenstiele trug?). Ein ähnlicher Fall von Blüthen auf Blättern von einer Begonia „Amelia‘‘, einem Bastard von B. Bruanti und B. Roesslii wird von Duchartre be- schrieben®). Sowohl bei B. prolifera als bei B. ,,Amelia‘ scheint diese merkwürdige Monstrosität regelmässig vorzukommen. End- lich hat Caspary eine Reihe von diesbezüglichen Beobachtungen zusammengestellt®). Sie betreffen Rheum undulatum, Urtica urens und Cucumis sativus. Bei der erstgenannten Art trug 1862 zu Königsberg ein Hochblatt zwei Büschelchen von Blüthen, und dasselbe wiederholte sich an anderen Exemplaren. Auf einem der oberen Laubblätter von Urtica urens sass eine kleine Gruppe von Blüthenknospen am Grunde der Spreite. Weitaus am merkwürdigsten ist aber der Fall von Cucumis sativus, welche Pflanze auf zwei Blattstielen männliche Blüthen trug, diese aber auf der ganzen Länge des Stieles in dichtgedrängter Menge. Der eine Stiel trug 120 solcher Blüthen und Blüthenknospen, sie entsprangen in zwei Reihen aus der Oberseite des Stieles. Dieser Zusammenstellung zufolge lässt sich erwarten, dass ähn- liche Erscheinungen gelegentlich auch bei anderen Arten auftreten werden. IV. Langlebige Blattstiele. Bekanntlich besitzen die Blätter vieler Pflanzen das Vermögen, sich, wenn sie von dem Stamme abgetrennt worden sind, zu be- wurzeln und sich längere oder kürzere Zeit am Leben zu erhalten. Soweit diese Eigenschaft eine nützliche ist, steht sie mit jener andern in Verbindung, durch welche die Blätter unter den erwähnten Um- ständen Knospen treiben und neue Individuen hervorbringen. Denn nur in diesem Falle können die isolirten Blätter zur Erhaltung der Art beitragen. Es fragt sich nun, ob in solchen bewurzelten und Knospen tra- genden Blättern das Leben vielleicht ähnlich wie in dem peren- 1) Duchartre, Ann. Sc. nat, 3. Série, T. XIX, S. 247, Taf. 14. 2) Alph. De Candolle. Ann. Sc. nat. 4. Serie, T. XI, 1859, S. 135. 3) Gard. Chronicle 15. Mai 1886, S. 625. 4) R. Caspary, Ueber Blüthenknospen auf Blättern, Schriften der Phys. Oek. Gesellsch. zu Königsberg. 15. Jahrg., 2. Abth., 1874, S. 99—103, ars TE 192 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. nirenden Blüthenstiel unseres Pelargoniums über seine normale Dauer hinaus verlängert werden kann, und ob dementsprechend secundäre, Gewebe entstehen können, welche sonst in Blattstielen nicht vor- kommen. Zunächst ist dabei zu beachten, dass in der Regel die fraglichen Knospen sich nicht zu Zweigen, sondern zu selbständigen Pflänzchen entwickeln. Diese treiben bald Wurzeln und machen sich dadurch von dem Blatte unabhängig. Letzteres pflegt dann zu Grunde zu gehen, sowohl wenn es sich bewurzelt hatte, als wenn solches nicht der Fall. Offenbar wird dadurch die Aussicht auf eine abnormale Verlängerung des Lebens für das Blatt eine sehr geringe. Auf der anderen Seite ist es aber Thatsache, dass gar häufig die gesteckten und bewurzelten Blätter nur sehr spät zu der Anlage und Ausbildung von Knospen gelangen. Es wäre somit möglich, dass in dieser Weise eine Verlängerung des Lebens herbeigeführt würde. Diese Betrachtungen veranlassen mich, hier die einschlägigen Thatsachen, von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, kurz zu- sammenzustellen!). Es wird für unsern Zweck am besten sein, sie in einzelne Gruppen unterzubringen, und mit denjenigen anzufangen, welche die geringste Aussicht auf abnormale Verlängerung des Lebens bieten. Vermehrung von Gartenpflanzen durch Blätter. Eine Reihe von Ziergewächsen, und namentlich von solchen, welche in Gewächs- häusern gezogen werden, pflegt man ausschliesslich oder doch nahezu ausschliesslich durch Blätterstecklinge zu vermehren?). Als Bei- spiele sind zu nennen mehrere Arten von Begonia®), Peperomia®); Gloxinia, Achimenes und andere Gesneriaceen; Crassula, Rochea, Cotyledon, Echeveria und viele andere Crassulaceen; Arten von 1) Ueber Knospenbildung auf Blättern vergleiche man die in Braun’s Abhandlung über Polyembryonie und Keimung von Caelebogyne S. 181 ff. gegebene Uebersicht (Abhandl. d. K. Akademie d. Wiss. Berlin 1859), sowie J. H. Wakker, Onderzoekingen over adventieve Knoppen, Amsterdam 1885. Eine vollständige Uebersicht über alle Neubildungen auf Blättern gab M. W. Beyerinck in Nederl. Kruidkundig Archief Bd. III, S. 438 unter dem Titel: Over het ontstaan van knoppen en wortels uit bladen. 2) M. Neumann, Die Kunst der Pflanzenvermehrung durch Stecklinge, Steckreiser, Absenker u. s. w. Weimar 1870, S. 35—37. 3) F. Regel, Die Vermehrung der Begoniaceen aus ihren Blättern. Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft 1878, S. 447. 4) E. Beinling, Untersuchungen über die Entstehung der adventiven Wurzeln und Laubknospen aus Blattstecklingen von Zeperomia, in Cohn’s Beiträgen zur Biologie der Pflanzen Bd. III, 1883, S. 25. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE, 193 Theophrasta, u. s. w.!). Soweit ich diese Fälle aus eigener Erfahrung kenne, besitzen die Blätter hier alle das Vermögen sich zu bewurzeln, Am kräftigsten ist dieses bei Begonia Rex ausgebildet, obgleich gerade hier die Bildung von Blattwurzeln für die Entwickelung der Adventivknospe keineswegs erforderlich ist. Gewöhnlich entstehen sowohl die Wurzeln wie die Knospen am unteren Ende des Blattes oder des abgetrennten Blattstückes, im letzteren Falle vorzugsweise an den stärkeren Nerven. Den Unterschied der Blattwurzeln von den Wurzeln, welche die Blattknospen selber treiben, hat zuerst Beyerinck klar hervorgehoben; zugleich hat er die Beziehung beider Neubildungen zu den Gefässbündeln des Blattes ermittelt und gezeigt, dass die adventiven Wurzeln dem Phloëm, die adventiven Knospen aber dem Xylem der Blattbündel in ihrer Anordnung folgen. Solange die Knospen sich noch nicht selber bewurzelt haben, geht die Be- wegung der fraglichen Nährstoffe zwischen ihnen und den Wurzeln des Mutterblattes über eine kleine Strecke durch das Gewebe des letzteren hindurch. Neubildungen scheinen dadurch aber nicht hervorgerufen zu werden, und die ganze Verbindung ist ja nur, wie erwähnt, eine vorübergehende. Wie die namhaft gemachten Gartenpflanzen verhalten sich auch die Zwiebelschuppen der Lilien, Hyacinthen und anderer Lilia- ceen. Auch diese können sich bewurzeln, bevor sie Knospen bilden, doch bleiben ihre Wurzeln nur kurze Zeit am Leben. Diese Verhältnisse wurden eingehend von Beyerinck ?) und Wakker?) geschildert, deren Mittheilungen ich aus eigener Erfahrung be- stätigen kann. Bryophyllum calycinum. Während die Blätter der meisten übrigen Crassulaceen sich leicht bewurzeln, aber nur träge Adventivknospen ausbilden, verhält sich Bryophyllum calycinum ganz anders. Auch entstehen die Knospen hier nicht am unteren Ende des abgebrochenen Blattes, sondern, wie bekannt, in den Einkerbungen des Blattrandes, wo sie schon während des normalen Lebens als meristematische An- ı) E. A. Carriere, Guide pratique du Jardinier Multiplicateur 2 Ed. p- 219, nennt ausser den im Text genannten noch: Brexia, Francoa, Calandrinia, Portulaca, Clavija, Sedum, Streptocarpus, Columnea, Adathoda, Guarrea, Passiflora, Melastoma, Aloë und Andere. Vergl. ferner: H. Vöch- ting, Ueber Organbildung im Pflanzenreich, Bonn 1878, S. 98, und A. Han- sen, Vergleichende Untersuchungen über Adventivbildungen bei den Pflanzen, Abh. d. Senckenb. Naturf. Gesellsch., Bd. XII, 1881. 2) Le. S. 22 des Separatabdruckes. alle SE 194 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. lagen vorhanden sind!). Sobald man ein Blatt von der Pflanze ab- bricht und in feuchter Luft aufbewahrt, fangen diese Anlagen an, sich auszubilden, und sind sie, bei günstiger Temperatur, bereits nach zwei Wochen als kleine Knospen sichtbar. Diese bewurzeln sich rasch und wachsen dann auf feuchter Erde zu kleinen Pflänzchen heran. Es ist dieses für unsere Pflanze die übliche Art der Ver- mehrung?). Die abgetrennten- Blätter besitzen nicht das Vermögen, sich zu bewurzeln. Oder richtiger gesagt, sie besitzen die Eigenschaft, sich nicht zu bewurzeln. Und diese Eigenschaft ist für sie, wie Wakker’s Versuche gelehrt haben, eine äusserst wichtige*). Denn es ist nach diesem Forscher gerade die organische Trennung von dem bewurzel- ten Theile der Pflanze, welche als Reiz auf die Blätter wirkt und das Austreiben der Randknospen hervorruft. Ich habe die Versuche Wakker’s ausführlich wiederholt und mich von ihrer Richtigkeit überzeugt. Am meisten entscheidend scheinen mir die folgenden Experimente: Von sechs Pflanzen habe ich die Gipfel unterhalb des kräftigsten erwachsenen Blattpaares abgeschnitten und gesteckt. Nachdem sie sich kräftig bewurzelt hatten, wurde ihr Stengel oberhalb des unteren Blattpaares durchschnitten, die Spitze entfernt und nun dieses Blatt- paar für den Versuch bestimmt. Beide Blätter wurden flach auf feuchten Sand ausgebreitet, das eine, nachdem es vom Stengel ab- geschnitten war; das andere blieb mit den Wurzeln in Verbindung. Die Achselknospen wurden zerstört. Nach etwa drei Wochen hatten die abgebrochenen Blätter keine Wurzeln getrieben, sondern zahl- reiche junge Pflänzchen an ihrem Rande gebildet. Die am be- wurzelten Stammstücke gelassenen Blätter aber hatten, obgleich sie sonst unter denselben Umständen gelebt hatten, keine Spur von Randknospen gebildet und thaten dieses auch nachher nicht. Von einer anderen kräftigen Pflanze zerschnitt ich im Winter den Stengel in allen erwachsenen Internodien und isolirte in dieser Weise sieben Blattpaare. Von jedem Paar wurde ein Blatt abgebrochen; alle Achselknospen wurden zerstört. Die Blätter wurden jetzt alle 1) H. Berge, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Bryophyllum calycinum. Zürich 1877 (111 S. und VII Tafeln). 2) De Candolle, Organographie végétale, Tome I, S. 277, Tafel 22. Braun, Ueber Polyembryonie, l. c. S. 183. Lindley, Theory of Horti- culture S. 55. Masters, Vegetable Teratology S. 171. Neumann, Pflanzen- vermehrung, l. c. S. 36. Hofmeister, Allgemeine Morphologie S. 422. 3) J. H. Wakker, IL. c. S. 81—103. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 195 auf feuchtem Sand im Gewächshause sich selber überlassen. Nach einem Monat hatten sich die sieben blatttragenden Stammstücke kräftig bewurzelt, die isolirten Blätter selbstverständlich nicht. Diese Letzteren trugen an ihrem Rande mehr oder weniger weit entwickelte bewurzelte Pflänzchen, deren Zahl pro Blatt zwischen 10 und 26 wechselte. Die mittelst des Stammstückes bewurzelten Blätter verhielten sich ganz anders. Eines hatte keine Spur von Randknospen entwickelt, es war dasjenige, welches sich am ersten bewurzelt hatte. Die übrigen hatten nur ganz vereinzelte Pflänzchen, deren Zahl pro Blatt 2—6 betrug; sie erreichten nur wenige Milli- meter Länge, während diejenigen der isolirten Blätter 0,5—2 cm lang waren. Die Stammstücke konnten sich selbstverständlich nicht sofort be- wurzeln, sondern lassen im Gegentheil erst nach dem zehnten Tage die ersten Würzelchen hervorbrechen. An jenem Tage aber hatte in allen isolirten Blättern und in vier der übrigen die Bildung von Randknospen schon deutlich angefangen. Schon damals war aber der Unterschied zwischen den beiden Gruppen ein sehr in die Augen springender. Doch ist zu bemerken, dass in dieser ersten Periode die Wurzeln der Stecklinge in ihrer Funktion vertreten waren durch den Callus, der sich am unteren Ende der Stengelstücke gebildet hatte. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass eine vorherige Bewurze- lung der Blätter mittelst eines kurzen, an ihrer Basis belassenen Stengelabschnittes die Bildung von Adventivknospen auch unter den günstigsten Umständen verhindert, während eine gleichzeitige Be- wurzelung diesen Vorgang entweder gänzlich unmöglich macht oder doch in hohem Grade herabsetzt. Oder mit anderen Worten: Die Wurzeln verhindern die Ausbildung von Randknospen. Einen Controllversuch habe ich in folgender Weise angestellt: Ein Blatt mit Stengelstück aber ohne Achselknospe wurde so auf den feuchten Sand gelegt, dass das Internodium frei in der Luft schwebte und sich nicht bewurzeln konnte. Nach drei Wochen trug das Blatt vier Pflänzchen von 10—20 mm, eins von 2 mm und eine Anzahl kleinerer wurzeltreibender Randknospen. Diese Versuche bestätigen, wie man sieht, völlig die Ergebnisse Wakker’s, welche die Correlation zwischen Wurzeln und Blättern als maassgebend für die Entwickelung der Randknospen erkennen liessen. Die Ursache dieser Correlation suchte Wakker in der Bewegung des Wasserst), und es gelang ihm seine Ansicht durch das Experiment 1) 1.c.-S. 88 13* 196 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. zu beweisen. Er ersetzte die Wurzeln an abgeschnittenen, beblätter- ten Stengelstücken durch einen künstlichen Wasserstrom, indem er Wasser unter Quecksilberdruck in den Stengel hineinpresste. Da- durch wurde die Knospenbildung am Blattrande in derselben Weise verhindert wie durch Bewurzelung des Stecklings. Diese Folgerung findet ihre Bestätigung in folgender Beobachtung. Wenn man in Gewächshäusern kräftig wachsende, gut bewurzelte Stecklinge in kleinen Töpfen zieht, so genügt es, sie in warmer, feuchter Luft zu halten, und die Erde in den Töpfen nicht zu be- giessen, um an den Blättern das Hervorbrechen der Randknospen zu bewirken. Indem die Knöspchen allmählich zu kleinen Pflänz- chen von %—1 cm Grösse heranwachsen, bilden solche Stecklinge eine Zierde des Gewächshauses. Namentlich im Winter gelingen solche Versuche leicht. Die organische Verbindung der Blätter mit den Wurzeln ist hier nicht unterbrochen, der Wasserstrom aber möglichst herabgesetzt; demzufolge treiben die Randknospen. Die Ansicht Wakker’s findet somit auch hier volle Bestätigung. Die besprochenen Thatsachen zeigen aber, dass in den Blattsteck- lingen von Bryophyllum eine Aussicht auf ähnliche Vorgänge wie in unseren Blüthenstielen von Pelargonium nicht vorhanden ist. Kehren wir somit nach dieser etwas langen Abschweifung zu den sich bewurzelnden Blättern zurück. Krautartige Blätter. Viele Pflanzen, welche entweder nur ausnahms- weise oder gar nicht durch Blattstecklinge vermehrt werden, be- sitzen dennoch in den abgetrennten Blättern das Vermögen, sich zu bewurzeln. In den ersteren Fällen können sie selbstverständlich auch Knospen hervorbringen, in den letzteren ist dieses häufig wenigstens nicht bekannt. Ich behandle getrennt die krautartigen Blätter, welche in der Regel nur einen Sommer leben, und die leder- artigen, deren normales Leben sich oft über mehrere Jahre erstreckt. Die fragliche Eigenschaft kommt sowohl bei Cotylen, als bei Laubblättern vor. An den Cotylen habe ich das Austreiben von Wurzeln, nachdem sie ohne Achselknospe vom Hypocotyl abgebrochen waren, selbst beobachtet bei Phaseolus multiflorus und Helianthus annuus. Es reicht dazu hin, die Cotylen während einiger Wochen auf feuchtem warmem Sand am Lichte zu bewahren. Sachs beschreibt die Wurzel- bildung aus den Samenlappen von Cucurbita), Vöchting für Pisum 1) Sachs, Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., S. 167, Note. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 197 sativum*), und van Tieghem sah sie, ausser bei den genannten Arten noch bei Mirabilis Jalapa*). In der Regel bringen solche Samen- lappen keine Adventivknospen hervor®), sondern gehen nach einigen Wochen oder Monaten mitsammt ihren Wurzeln zu Grunde. Wurzelbildung an gesteckten krautigen Blättern beobachtete ich bei Ampelopsis hederacea, Vitis riparia, Pavonia Wiotti, Justicia superba, Helianthus annuus, Coleus Verschaffelti, Achyranthes Ver- schaffelti und Anderen. Ausserdem wurde sie für Humulus Lupulus, Phaseolus multiflorus®) und viele anderen Arten constatirt, und von Vöchting für Heterocentron diversifolium eingehend beschrieben), Allem Anscheine nach ist die Eigenschaft, sich bewurzeln zu können, in abgebrochenen Blättern eine sehr allgemeine. Die Blätter bleiben dabei aber nicht merklich länger am Leben, als wenn sie nicht von der Pflanze abgetrennt sind, und gelangen wohl nur in den sel- tensten Fällen zur Knospenbildung. Von krautartigen Gewächsen, welche gelegentlich durch Blätterstecklinge vermehrt worden sind, finde ich nur die Pelargonien und Rosen genannt®), aber ohne nähere Beschreibung des Vorganges. Die ansehnlichste Dauer einer solchen Cultur finde ich in einem Versuche Knight’s erwähnt. Er pfianzte abgeschnittene Blätter von Mentha in feuchte Erde unter einer Glasglocke; sie lebten den ganzen Winter über und sahen wie dicke fleischige Blätter von immer- grünen Bäumen aus’). Da aber auch im Freien die Menthen im Winter einen Theil ihrer Blätter behalten, so ist aus dieser kurzen Mit- theilung nicht ersichtlich, ob die Lebensdauer der Versuchsobjekte durch das Experiment verlängert wurde. Einige Blätter bilden, wenn sie abgeschnitten und gesteckt worden sind, an ihrer Basis Knollen. Knight erwähnt dieses für die Kar- toffelpflanze®). Die Blätter waren im Juli und August von der Pflanze genommen und lebten in Töpfen unter Glas bis zum Winter; der Grund ihrer Blattstiele war zu einer conischen Knolle von einigen Centimetern Grösse herangeschwollen und war aus dem- ı) H. Vöchting, Organbildung, S. 103. 2) van Tieghem, Recherches sur la germination, Ann. Sc. nat. 5. Série, T. XVII, Bot., 1873, S. 208. 3) Ausnahmen bei van Tieghem, l. c. 4) Sachs, Lehrbuch d. Botanik, 4. Aufl, S. 167. 5). Vöchting, 1. €. 8. 103. 6) Neumann, Die Pflanzenvermehrung, 1. c. S. 37. 7) Knight, Philos. Transact. 1816, Part. II. S. 291. ayl..c, 198 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. selben Gewebe aufgebaut wie normale Kartoffeln. Diese Knollen blieben bis zum Frühling am Leben, bildeten aber keine Pflänzchen. Am bekanntesten ist diese Erscheinung für die Gesneriaceen. Ganze Blätter, welche mit ihrem Stiele gesteckt wurden, sah ich bei Gloxinia superba stark bewurzelte Knollen von bis 3 cm Dia- meter bilden; halbe Blätter und kleinere Blattstücke machten an der Basis ihrer grössten Nerven entsprechend kleinere Knollen. In der Regel entstehen auf diesen Knollen früher oder später Knospen, welche sich allmählig zu einem Rhizom und somit zu einer jungen Pflanze ausbilden. Doch dauert es oft lange, bevor die Knospen er- scheinen. So erwähnt Carriere einen Versuch mit Gesneria Donke- laeriana, einen angeblichen Bastard von G. discolor und G. rubra. Die abgetrennten Blätter dieser Pflanze machen sehr leicht Knollen, welche oft sehr gross werden und jährlich neue Wurzeln bilden und bedeutend in die Dicke wachsen. Knospen bildeten sie aber nicht, in einem Falle sogar nicht, als ein derartiger Versuch während acht Jahre fortgesetzt wurde!). Wie lange das Blatt bei diesem Versuche am Leben blieb, wird nicht erwähnt und lässt sich ohne nähere Angabe nicht ermitteln, da die Knollen im ruhenden Zu- stande oft sehr lange Zeit aufbewahrt werden können. Lederartige Blätter. Die lederartigen Blätter erfreuen sich meist eines längeren Lebens wie die krautartigen. Einige bleiben nur den Winter über erhalten, um im nächsten Frühling oder Sommer ab- geworfen zu werden, andere zieren die Pflanze oft mehrere Jahre. Dementsprechend können die Versuche mit abgeschnittenen, be- wurzelten Blättern hier viel länger dauern. Einige Arten bilden in solchen Culturen auch Knospen und können somit auf diese Weise vermehrt werden. Jedoch scheint es stets schwer zu sein, solche Knospen zu erhalten, und gehen von der nämlichen Art meist viele Blätter zu Grunde, ohne Knospen gebildet zu haben, während es nur einzelnen Individuen, oft nach jahrelanger Cultur, gelingt solches zu leisten?). Ich habe eine grosse Reihe von lederartigen Blättern sich bewurzeln lassen, und viele während mehrerer Jahre cultivirt, ohne je eine einzige Knospe zu bekommen. Als Beispiele nenne ich die folgenden Arten. Zuerst Aucuba japonica, deren Blätter sich leicht bewurzeln. Ich habe sie mehr- fach über ein Jahr, und in einem Versuche fünf Exemplare während 21%, Jahre am Leben gehalten. Sie bildeten schöne dicke Wurzeln, ı) Carrière, Jardinier Multiplicateur, S. 220. 2) Carrière, 1. c. S. 218. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 199 welche aus einer kleinen callusartigen Anschwellung am Grunde des Blattstieles hervorgingen, und die Erde in den kleinen Töpfen ziem- lich vollständig durchwuchsen. Von Evonymus japonicus lebte ein gestecktes, schön bewurzeltes Blatt während eines halben Jahres, und auch von Ficus elastica sah ich mehrfach bewurzelte Blätter während längerer Zeit am Leben bleiben. In beiden Fällen entstanden die Wurzeln am Grunde des Blattstieles. Für Aucuba japonica und Ficus elastica wurden solche Versuche bereits von De Candolle erwähnt!). Diese Arten sollen häufig durch Blattstecklinge vermehrt worden sein?). Dasselbe gilt für Camellia japonica*). Carrière erwähnt einen Versuch mit einem Blatte von Ficus elastica, welches sich im ersten Monate nach der Abtrennung von der Pflanze kräftig bewurzelte und während drei Jahre am Leben blieb 4. Die Wurzeln wurden immer länger und zahlreicher und erfüllten schliesslich einen Topf von 15 cm Diameter, das Blatt aber änderte sich in keiner Weise und trieb namentlich keine Knospen. Mer beschreibt einen ähnlichen, mit den Blättern des Epheu’s (Hedera Helix) angestellten Versuch®). Diese blieben, nachdem sie abgeschnitten und in Töpfe gepflanzt waren, vier bis fünf Jahre am Leben, Sie hatten sich reichlich bewurzelt, aber keine Knospen getrieben. Dabei waren die Spreiten bedeutend dicker geworden, indem das Pallisadengewebe in der Richtung senkrecht zur Ober- fläche an Ausdehnung zugenommen hatte. Die anfänglich isolirten Gefässbündel der Blattstiele waren durch secundäre Bildung zu einem einzigen Körper vereinigt, und auch in den Blattnerven hatte sich secundäres Holz ausgebildet. Demzufolge war die Rinde an mehreren Stellen gesprengt und durch eine Korkschicht ersetzt. Blätter von Hoya carnosa sind mehrfach zu solchen Versuchen benutzt worden. Ich sah sie oft über ein Jahr und einmal zwei Blätter über drei Jahre in kleinen Töpfen am Leben bleiben. Sie bewurzeln sich aus dem ganzen Blattstiele, aber vorwiegend an dessen Basis leicht, es war dabei gleichgültig, ob ich den Blattstiel nahe ı) De Candolle, Physiologie végétale II, 1832, S. 678. 2) Beyerinck, 1l. c., Ned. Kruidk. Archief III, 1882, S. 41 des Separat- abdruckes. 3) Neumann, Die Pflanzenvermehrung, |. c. S. 37. 4) Carrière, Nouveau Jardinier, 1882, S. 102, citirt von Beyerinck, EG. S. 47: 5) Mer, Bulletin d. 1. Soc. Bot. d. France, T- XXVI (2. Ser. T. I) 1879 S. 18. 200 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. über der Achselknospe oder etwa in seiner Mitte durchschnitten hatte. Carriere konnte ein solches bewurzeltes Blatt während sieben Jahre am Leben halten, ohne dass es Knospen bildetet). Dieses ist die längste mir bekannt gewordene Lebensdauer eines von seinem Stamme abgetrennten Blattes. Es scheint aber nicht, dass diese Dauer für Hoya eine abnormale ist, denn auch an der Pflanze selbst können die Blätter wohl dasselbe Alter erreichen. Um zu erfahren, ob in den gesteckten Blättern secundäre Gewebe entstehen, welche den normalen Blättern fehlen, habe ich einige Blätter, nach zwei und halbjähriger Cultur im Topf, zerschnitten, und mit gleichaltrigen, direkt der Pflanze entnommenen Blättern verglichen. Secundäres Xylem und Phloëm?) war in beiden Fällen reichlich gebildet worden, und zwar hatte dasjenige der gesteckten Blätter im Blattstiel eine etwa 114-fach grössere Dicke erlangt als in dem normalen Blatte. Berücksichtigt man aber, dass die Blätter in den Töpfen am vollen Lichte cultivirt waren, während die Pflanzen im Gewächshause an einem beschatteten Orte wuchsen, so darf man auf diesen Unterschied kein grosses Gewicht legen. Die wichtigsten Pflanzen aus dieser ganzen Gruppe sind die Orangen. Bereits im Jahre 1652 entdeckte Mandirola, dass die ab- gepflückten und in Erde gesetzten Blätter Wurzeln treiben?). 1716 wurde dieses von Munchhausen und 1781 von Mustel bestätigt®), und seitdem ist der Versuch häufig wiederholt worden®). In den hiesigen Gewächshäusern bleiben die Blätter von Citrus Aurantium drei Sommer an den Bäumen, und ebenso lange konnte ich abge- schnittene, bewurzelte Blätter in Töpfen am Leben halten. Dann gingen sie alle, ohne sichtbare äussere Ursache, zu Grunde. Eine Verlängerung ihres Lebens gelang also in dieser Weise nicht. Sie hatten kräftige, verzweigte Wurzeln, welche aus einer Anschwellung am unteren Ende des etwa in seiner Mitte durchschnittenen Blatt- stieles hervorbrachen. Die Holzbildung im Blattstiel verhielt sich ähnlich wie bei Hoya und erreichte auch hier eine 114-fache Dicke, verglichen mit dem Holzringe in einem dreijährigen, dem Baume ı) Carriere, Jardinier Multiplicateur, S. 218. Vergl. auch Decaisne et Naudin, Manuel de l’amateur des jardins I, S. 497. 2) Auf die secundären Bildungen in Blättern hat zuerst van Tieghem aufmerksam gemacht: Bull. Soc. Bot. France, T. XXVI (2. Série T. I) S. 16— 18. 3) Citirt in De Candolle’s Physiologie végétale II, S. 677. 4) Citirt von De Candolle, l. c. S. 678. 5) Z. B. Decaisne et Naudin, Manuel I, S. 497. UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. 201 entnommenen Blatte. Auch hier konnte der Unterschied auf die günstigere Beleuchtung zurückgeführt werden, doch darf auch der Umstand, dass die Assimilationsproducte des gesteckten Blattes keine entsprechende Verwendung fanden, nicht ausser Acht gelassen werden. Die gesteckten Blätter der Orange scheinen bisweilen Knospen ge- bildet zu haben, doch ist solches jedenfalls eine seltene Erscheinung. Fassen wir die Ergebnisse dieser Zusammenstellung kurz zu- sammen, so weisen die bisherigen Beobachtungen darauf hin, dass in gesteckten und bewurzelten Blättern, sowohl wenn sie Knospen bilden als wenn ihnen solches nicht gelingt, das Leben sich nicht über die normale Dauer ausdehnt, und dass auch keine secundären Gewebe auftreten, welche wesentlich anders sind als im normalen Leben des Blattes an der Pflanze. Aus der mir zugänglichen Literatur ist nicht ersichtlich, wo die Knospen, welche gelegentlich auf gesteckten lederartigen Blättern entstanden sein sollen, hervorbrechen. Namentlich ist es die Frage, ob sie in der callusartigen Anschwellung am Grunde des Blattstieles oder etwa dort entspringen, wo die Spreite dem Stiele eingepflanzt ist. Beyerinck nimmt Letzteres an!). In diesem Falle sind die Knospen von den Wurzeln, welche ja gewöhnlich am unteren Ende des Stieles entstehen, durch diesen getrennt. Der genannte Forscher vermuthet nun, dass dann die Stiele nicht mit der Spreite absterben, sondern selber einen Theil des neuen Individuums ausmachen werden. Sie würden somit die Stammbasis der jungen Pflanze bilden und, einem Stamme ähnlich, durch secundäre Gewebe- bildungen in die Dicke wachsen. Wir würden hier dann einen ähn- lichen Fall haben, wie er künstlich von Carriere hervorgerufen wurde ?). 1) Beyerinck, I. c. S. 51. 2) Vergl. S. 40. 202 UEBER ABNORMALE ENTSTEHUNG SECUNDÄRER GEWEBE. Erklärung der Tafeln. Tafel 1. Pelargonium zonale. Fig. 1. Ein dreijähriger Blüthenstiel ab mit der von ihm getragenen Laubkrone. Nach einer Photographie. (1:7.) Fig. 2. Eine Inflorescenz einer einfachblühenden Varietät, mit Laubknospe innerhalb der Hochblatthülle. (1:1.) Fig. 3. Dieselbe, nach Entfernung der Blätter von oben gesehen. (1:1.) q die Bases der abgebrochenen Blüthenstiele. Fig. 4. Querschnitt durch einen normalen blühenden Doldenstiel. (4:1.) Fig. 5. Querschnitt durch den dreijährigen Stiel, bei d in Fig.8 (Tafel II) geschnitten. (4: 1.) Fig. 6. Querschnitt durch den Stamm, in 4 cm Entfernung unterhalb des dreijährigen Stieles. (4:1.) Fig. 7. Querschnitt durch den vom Stiel getragenen beblätterten Ast, in 3 cm Entfernung oberhalb des Stieles geschnitten. (4:1.) Fig. 4—7: e Epidermis; p Rindenparenchym; s Sclerenchym; v Gefässbündel; m Mark; ph Phloëm; x Xylem; k Korkschicht. Tafel II. Fig. 8, 9. Pelargonium zonale. Fig. 8. Der dreijährige Blüthenstiel in natürlicher Grösse. ab der Stiel; d die Lage des Querschnittes Fig. 5; 6 g die aus kurzen Internodien gebildete Basis der vom Stiel getragenen Laubkrone; eh der Stamm, dessen oberer Theil bei ee’ abgeschnitten worden war. Fig. 9. Das Holz aus dem Querschnitt Fig. 5, auf der oberen Seite genommen, stärker vergrössert; cc’ Grenze des Cambiums. (180:1.) Fig. 10-13. Solanum tuberosum. Fig. 10. Eine zweijährige Kartoffel. p pp” die Bases beblätterter Stengel; s Stolonen. (1212) Fig. 11. Querschnitt durch q in Fig. 10; 7 Rinde aus gestorbenen und vertrockneten Zellen gebildet; k Kork; p lebendiges Parenchym; / Riss in diesem; v Gefässbündel. (4:1.) Fig. 12. Längsschnitt durch die Einpflanzungsstelle eines Stolo (s in Fig. 10). s,r,k, p, l, v wie oben. (2:1.) Fig. 13. Eins der Gefässbündel aus Fig. 11, stärker vergrössert (80:1), im Querschnitt; x Xylem; ph Phloëm. Fig. 14. Beta vulgaris. Fig. 14. Querschnitt aus einer zweijährigen Zuckerrübe. hh h der äusserste Gefässbündel- kreis des ersten Jahres. (1:1.) (Pringsheim’s Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, 1891, Bnd. 22, S. 35.) Ueber abnormale Entstehung secundärer Gewebe. Tei- i Hugo de Vries, Opera. Fa P. W. M. Trap. impr. Ueber abnormale Entstehung secundiirer Gewebe. - Taf. IL wi) @ an oR > OÙ) a) = Ô] QC S San N | In II IE @) 00 000 000 Op 9 00 "200009, 900° 090 000009 2000009 ( = gonsde 0 00 22 2 Ze % ee = 5 20 2 © SSS 2 ses © % = we 8 -A 2 3 2 A 2 3 % 4.2% 2 b, É \ % 2 e S & ww + Copog 000 AS Sy Les woes Deg ouer a NT Hiin. Hwee Hasan Hugo de Vries, Opera. Fa. P. W. M. Trap impr. STERIELE MAIS ALS ERFELIJK RAS. (Resume en langue française, page 205.) Op. blz. 150 van dezen band heb ik onder den naam van steriele Mais-planten eene varieteit beschreven en afgebeeld, die in het jaar 1888 in mijne Mais-cultuur ontstaan was. Ik moest toen in het midden laten, of de steriliteit in dit geval, evenals in dat der dubbele violieren, zou blijken eene erfelijke eigenschap te zijn (blz. 155). Dit kon natuurlijk slechts door uitzaaiing van de zaden der fertiele exemplaren uit dezelfde cultuur beslist worden. In den zomer van 1889 heb ik deze proef ten uitvoer gebracht, en daardoor deze leemte in mijn onderzoek aangevuld. Daartoe koos ik, onder de driehonderd planten, die in 1888 ge- bloeid hadden, er ééne uit, die mij toescheen meer dan de andere eene goede kans aan te bieden op eene gedeeltelijk steriele nako- melingschap. Ik leidde dit uit de eigenschappen harer pluim af, die slechts ten deele vruchtbaar was. Deze pluim, die op blz. 153 van mijn opstel vermeld is, droeg slechts steriele en nagenoeg kale zijtak- ken, doch haar bovenste helft toonde den normalen bouw. Deze plant had slechts ééne kolf, die zwak en voor een deel onbe- vrucht was, en waarop een zeventigtal kiembare zaden voorkwamen. Deze zaden waren zeer klein; zij wogen te zamen slechts 5,3 gram. De andere t. a. p. als half steriel genoemde plant droeg wel eene kolf, maar geen kiembare zaden. In het laatst van April 1889 zaaide ik de bedoelde 70 zaden elk in een afzonderlijk bloempotje. De meeste kiemden goed, omstreeks half Mei werden zij onder de noodige voorzorgen op een goed bemest bed op een zonnige plaats uitgeplant. Het aantal dezer planten bedroeg nu 57, die alle verder zich zeer krachtig ontwikkelden en grootendeels meer dan 2 m. hoogte bereikten. Toen zij in het begin van Juli hare pluimen ontplooiden, vertoonde zich in een aantal exemplaren de verwachte variatie. Evenals in het vorige jaar bezaten de meeste steriele individuën hetzelfde type. Zij waren, evenals toen, geheel onvertakt. Geen uitstoelsels aan den voet des stengels, geen kolven, geen takken in de onderste helft en geen aartjes in de bovenste helft van de pluim. Deze was dus slechts eene naakte spil. Daarbij waren de planten 204 STERIELE MAIS ALS ERFELIJK RAS. even krachtig en ten deele zelfs hooger dan de fertiele exemplaren, tusschen welke zij opgegroeid waren. Ook thans vertoonden zich wederom eenige gradatien, die den afstand tusschen de steriele en de normale planten nog meer aan- vulden dan in het eerste jaar. Naast een zevental geheel naakte spillen, als de toen afgebeelde (Pl. I, fig. 2-4) vond ik er, die aan hare basis van enkele kleine fijne steriele takjes voorzien waren, of wel zulke takjes over een min of meer uitgestrekt deel van hare lengte droegen. Zulke takjes hadden dan aan hun top meestal een onvruchtbaar aartje. Verder vond ik eene plant, die geen uitstoelsels en geen kolf droeg en wier pluim zeer ijl was en uit lange weinig bloeiende takken bestond. Met het stuifmeel uit de bloemen van deze pluim bestoof ik een kolf van een fertiel individu, in de hoop daar- door zaad te winnen voor de voortzetting van het ras. Eindelijk waren er nog een paar fertiele planten wier pluim enkele steriele of halfsteriele takken droeg, en die dus eveneens voor zaad- dragers in aanmerking kwamen. Het aantal der exemplaren, die geen kolven en geen uitstoelsels voortbrachten en wier pluim óf geheel onvertakt óf slechts van enkele kleine steriele zijtakken voorzien was, bedroeg elf. Berekend op de 57 planten, die uit het zaad der gekozen kolf ge- wonnen waren, geeft dit 19%, tegen 40 steriele planten op de 340 of 12% in 1888. Hoe gering deze vooruitgang, en hoe onzeker het cijfer van 19% wegens het geringe aantal planten in dit jaar ook zijn moge, toch is het bewijs m. i. geleverd, dat de steriliteit in dit geval eene erfelijke, en voor fixeering vatbare eigenschap is. Ik hoop trou- wens deze proef nog gedurende eene reeks van jaren voort te kunnen zetten. Naast deze proef heb ik nog van een vijftal andere kolven van de cultuur van 1888 zaden gezaaid. Deze kolven droegen hare zaden in twintig rijen, een grooter aantal rijen had ik in 1888 niet bereikt’). Op één van deze vijf bedden vond ik in Juli 1889 eene enkele steriele plant, die wederom geheel aan de beschrijving voldeed en een geheel naakte, onvertakte spil droeg. Het aantal fertiele exemplaren, uit de zaden derzelfde kolf gewonnen, bedroeg 35. Uit deze waarneming blijkt, dat verschillende kolven van de oogst van 1888 in zeer ver- schillenden graad het vermogen bezaten om een gedeeltelijk steriel kroost voort te brengen. 1) De door mij aangehaalde proef van Fritz Müller, over het ver- hoogen van het aantal rijen in Maiskolven door cultuurkeus, is uitvoeriger beschreven in „Kosmos“ 1886, II. Band blz. 22—26. STERIELE MAIS ALS ERFELIJK RAS. 205 RESUME DU TRAVAIL PRECEDENT. Stérilité héréditaire du Mais. L'année passée, j'ai décrit et représenté!), sous le nom de Mais-sterile, une variété stérile qui avait apparu en 1888 dans mes cultures de Mais. A l’effet de déterminer si cette variété stérile était héréditaire, j'ai semé en 1889 les graines d’un des 300 exemplaires fertiles de mes cultures de 1888. J'ai choisi à cette fin une plante (citée dans mon travail de l’année dernière, page 153) qui portait un panache presque stérile et un seul spadice faiblement développé à graines très petites. Ces graines, au nombre de 70, furent semées vers la fin d’Avril 1889, et les plantules repiquées en pleine terre vers la mi-Mai. Les pani- cules se montrèrent vers le commencement de Juillet. Alors j'ai pu constater l’apparition d’un certain nombre de plantes stériles, qui présentaient les mêmes caractères que celles décrites l’année précé- dente: leur tige était simple, privée de branches feuillées à sa base, sans spadices; leur panicule ne portait pas de branches dans sa moitié inférieure, pas d’épillets dans sa moitié supérieure. Ces plantes étaient aussi vigoureuses et en partie même plus élevées que les in- dividus fertiles de la même culture. Il y avait plus de formes de transition qu’en 1888. L’axe de l’inflores- cence de sept individus était complètement nu(commesurla Planche I, fig. 2-4); l’axe d’autres individus portait quelques ramuscules stériles, ordinairement pourvus chacun d’un épillet stérile terminal. Une autre plante, sans branches feuillées ni spadice, avait une panicule très peu fournie, formée de rameaux longs et peu fleuris. J'ai employé le pollen de cette plante pour féconder le spadice d’un individu fertile. Enfin la panicule d’une couple de plantes fertiles portait quelques rameaux stériles ou partiellement stériles. Il y avait au total, sur 57 plantes (obtenues de 70 graines) 11 indi- vidus sans spadices et sans branches feuillées, soit 19%. En 1888, sur 340 individus, il y avait 40 plantes stériles, soit 12%. Il y a donc progrès, et à mon avis on peut conclure que dans le cas présent, la stérilité est une propriété héréditaire, susceptible de fixation. J'ai semé en outre, en 1889, les graines de 5 spadices de 1888, portant chacun 20 rangées de graines (soit le maximum de rangées atteint en 1888). J'ai trouvé, sur une des 5 plates-bandes, un individu stérile conforme à la description de l’année précédente. Ceci prouve que la tendance à produire des descendants stériles est très variable dans les différents individus de ma race. 1) Opera V, p. 150, PI. I. ( Bot. Jaarb., uitgegeven door het kruidkundig genootschap Dodonaea, 1890, Bnd. 11, blz. rog.) EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP (RUBIA TINCTORUM). Met Plaat I. (Résumé en langue française, page 217.) Onder klemdraai (Zwangsdrehung) verstond Alexander Braun die gevallen van torsie van stengels, die naar zijne meening door de aaneengroeiing der bladeren tot een spiraalvormigen, meest weinig rekbaren band werden veroorzaakt. Die band vormde een klem rondom den stengel, en deze laatste moest, om zich bij zijne ver- lenging aan die klem te ontwringen, de spiraal zooveel mogelijk ontrollen. Daarbij werd hij echter zelf in tegengestelde richting gedraaid 1). Tegenover dezen klemdraai staan de gevallen van torsie, waarbij die klem ontbreekt, en die veelvuldig aan bladerlooze stengels of aan enkele internodien gezien worden. Zoover de waarnemingen reiken worden deze torsien niet door uit- wendige, maar door inwendige oorzaken bewerkt en in de weinige goed onderzochte gevallen ontstaan zij eerst tegen het einde van den lengtegroei der internodien, als deze rondom reeds geheel vrij zijn. Dit heb ik b. v. waargenomen aan zich tordeerende stengels van Crepis biennis, wier torsie zich, in mijne cultuur, in derde generatie als erfelijk verschijnsel vertoonde. Bijna volwassen internodien van gedraaide planten, welke internodien zelve nog geen spoor van torsie vertoonden, werden gemerkt, en waren dan, meestal reeds na weinige dagen, gedraaid. Klemdraai komt volgens Alexander Braun uitsluitend voor bij planten met kruiswijzen of kranswijzen bladstand. En wel dan, wanneer door zoogenoemde toevallige variatie deze bladstand in een spiraalsgewijzen is veranderd. Hoe sterker de bladeren in de kransen of paren der normale stengels met hunne bases aan elkander vast plegen te groeien, des te sterker zullen zij dit ook bij spiraals- 1) Monatsbericht der K. Akad. d. Wiss. Berlin 1854, S. 440. EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. 207 gewijzen bladstand doen, en des te minder rekbaar zal dus de daar- door ontstane spiraalband zijn‘). En van den graad dezer rekbaarheid hangt natuurlijk af, in ver- binding met de intensiteit van den lengtegroei, in hoeverre de band wordt uitgerekt, en in hoeverre ontwonden. Braun heeft niet de gelegenheid gehad, om zijne stelling, dat de bladeren op gedraaide stengels, reeds vóór het begin der torsie, in spiraalvormige rangschikking worden aangelegd, door rechtstreek- sche waarnemingen te bewijzen. De oorzaak hiervan ligt in de zeldzaamheid van het verschijnsel en in de omstandigheid, dat gedraaide stengels meestal eerst gevonden worden, als zij reeds volwassen zijn. Deze leemte is eerst bijna veertig jaren later aangevuld, en wel door Klebahn, die het geluk had een gedraaiden stengel van Galium Mollugo te kunnen onderzoeken, waaraan de groeiende top nog aanwezig was?). Deze vertoonde, rondom het vegetatie-punt, den aanleg der bla- deren in spiraal. Hetzelfde vond ik voor de gedraaide stengels van Dipsacus sylvestris, waarvan ik sedert eenige jaren een erfelijk ras kweek®). Hier had ik de gelegenheid meer dan een dozijn groeitoppen, deels van links gedraaide, deels van rechtsgedraaide stengels, micro- scopisch te onderzoeken; bijna steeds vond ik de bladeren tot op het vegetatie-punt in spiraal aangelegd, terwijl de torsie van den stengel eerst tegelijk met den snellen lengtegroei aanvangt, dus nadat reeds verscheidene spiraalomgangen van bladeren ontwikkeld zijn. Onze kennis van de rangschikking der bladeren op het vegetatie- punt van stengels met klemdraai is echter tot nu toe tot deze beide gevallen beperkt. Daarom acht ik het van eenig gewicht, dat ik in de gelegenheid ben, hieraan een nieuw voorbeeld toe te voegen, te meer, daar het ontleend is aan eene plant, bij welke de klemdraai wel niet zeldzaam is, maar toch tot nu toe slechts weinig, en nage- noeg alleen in Nederland, bekend werd‘). Sinds lange tijden wordt in de provincie Zeeland, en met name op het eiland Duiveland, meekrap verbouwd. Darbij vindt men somtijds in het voorjaar, wanneer de meekrap geplant wordt, stengels 1) Bot. Zeitung 1873, S. 31. 2) H. Klebahn, Ber. d. d. bot. Gesellschaft, Bd. VI, S. 346. 3) Opera V, S. 150. 4) Ook van Weigelia amabilis heb ik een groeitop van een gedraaiden tak onderzocht, en ook daarop den oorspronkelijken spiraalstand der bladeren waargenomen. 208 EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. van een geheel ongewonen bouw. De bladeren staan in een door- loopende lijn langs den stengel, in plaats van in kransen van vier of zes bladschijven. Nu eens staan zij alle aan dezelfde zijde, dan weer in een steil opgaande spiraal. De stengel zelf is min of meer gezwollen, en zijne ribben loopen niet overlangs, maar schuins of zelfs bijna dwars, als hoepels tusschen welke het weekere weefsel uitgespannen is. Een paar zulke stengels, korten tijd na het uit- planten uit den grond getrokken, ziet men op plaat I in Fig. 1 en 2 in natuurlijke grootte afgebeeld. Deze zonderlinge, gedraaide meekrapkiemen schijnen sinds over- oude tijden aan de arbeiders welbekend geweest te zijn. Even als klaverblaadjes van vieren werden zij als een gunstig voorteeken beschouwd. In Zeeland bestond het gebruik ze, somwijlen met lintjes versierd, aan de kinderen van den baas aan te bieden. Dit gaf, meende men, aanspraak op een fooitje®). Omstreeks 1840 ontving de botanische tuin te Franeker zulk een gedraaide meekrapplant. Deze werd hier geplant en later gedroogd en in het herbarium van Prof. Nic. Mulder bewaard. Hier werd zij in 1845 door S. Kros onderzocht?). Dit is de eenige plaats, waar ik in de botanische literatuur het voorkomen van klemdraai bij meekrap vermeld vond. Daarenboven trof ik een gedraaid takje van Rubia tinctorum aan in de verzameling van gedroogde planten met klemdraai, van Alexander Braun, die in het koninklijk botanisch Museum te Berlijn bewaard wordt, en die mij door de Directie van dat Museum in het voorjaar van 1890 welwillend tot onderzoek werd toegezonden. Dit takje heb ik op één derde der natuurlijke grootte gephoto- grapheerd en afgebeeld op Plaat I in Fig. 3. Het étiquette vermeldt slechts „Berliner Universitätsgarten 1870”. Van waar de plant oorspronkelijk afkomstig is, blijft dus onbekend. De mededeelingen van Kros omtrent het voorkomen van zulke stengels in Zeeland deden in mij den wensch ontstaan, zelf zulke voorwerpen te kunnen onderzoeken. Ik heb daarom in het Maand- blad van de Hollandsche Maatschappij van Landbouw voor Mei van dit jaar aan Heeren kweekers van meekrap het verzoek gericht, mij gedraaide stengels tot onderzoek te willen toezenden. Mijn doel was daarbij tweeledig, ten eerste de stengels zelve aan een morphologisch onderzoek, en hunne groeitoppen aan een micro- 1) Zeeuwsche Volksalmanak 1843, blz. 106. 2) S. Kros, De spira in plantis conspicua. Diss. Groningen 1845, blz. 74. EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. 209 scopische studie te kunnen onderwerpen, en ten tweede materiaal te verwerven, om eene cultuur aan te leggen, en te trachten het verschijnsel, dat naar alle waarschijnlijkheid erfelijk is, te fixeeren, evenals mij dit met den gedraaiden Dipsacus sylvestris gelukt is). Door zulk een fixeeren toch verkrijgt men, ook als de graad van erfelijkheid nog slechts weinige percenten bedraagt, een uiterst rijk materiaal, dat ook voor physiologische experimenten kan worden gebruikt. Hiertoe toch zijn uitgetrokken en weer geplante kiemen uit den aard der zaak niet zeer geschikt, daar hun groei te zeer geschokt en verzwakt is. Aan mijn verzoek werd op de meest voorkomende wijze voldaan door de heeren B.Giljam en J. C. van der Have, beiden gevestigd te Ouwerkerk op het reeds genoemde Zeeuwsche eiland Duiveland, het brandpunt van de meekrap-cultuur. Van hen ontving ik, om- streeks half Mei, een groot aantal gedraaide kiemen, eene ver- zameling, zooals nog wellicht geen plantkundige ze, noch van deze, noch van eenige andere plantensoort, ooit in handen heeft gehad. De zending van den heer Giljam bevatte daarenboven eenige platte, verbreede stengels, waarover straks nader. De heer van der Have beloofde mij in dit najaar, bij het delven der meekrap, op gedraaide voorwerpen te letten, en mij die dan toe te zenden, daar zulke voorwerpen uit den aard der zaak allicht beter geschikt zijn om eene cultuur aan te leggen, dan de kiemen, die half Mei van de oude wortelstokken afgetrokken worden. Het zij mij vergund hier aan beide heeren openlijk de verzekering van mijne oprechte erkentelijkheid aan te bieden. Mochten vele kweekers, ook van andere gewassen, hun voorbeeld volgen, menig verschijnsel, dat tot nu toe slechts in beperkten kring bekend is, zou daardoor voor wetenschappelijk onderzoek toegankelijk ge- maakt worden! Uit de schriftelijke mededeelingen der beide genoemde heeren bleek mij, dat gedraaide meekrapkiemen in Zeeland niet zeldzaam aangetroffen worden, en voornamelijk opgemerkt worden in het voorjaar bij het uitplanten en in het najaar bij het delven. Zij groeien op dezelfde wortelstokken met gewone kiemen. Enkele ı) Op blz. 150 en 203 van dezen band berichtte ik over steriele mais als erfelijk ras. Het zij mij daarom vergund hier op te merken, dat ik deze afwijking in dit jaar 18go in derde generatie gekweekt heb, en wel uit zaad van twee kolven van 1889. De eene kolf gaf mij vijf steriele planten op een bed van 27 ex., de andere, halfsteriele kolf, slechts één steriel ex. en drie gewone. 14 210 EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. kweekers hebben wel eens pogingen gedaan, om deze afwijking standvastig te maken, doch tot nu toe zonder goeden uitslag. Ik geef thans een korte beschrijving van de beide mij gezonden collectiën. De zending van den heer Giljam, die ik het eerst ontving, bestond uit dertien gedraaide stengels. Daarbij waren vier zoogenoemde „latten”, platte verbreede stengels, gevoegd. Het waren allen stekken, zoogenoemde kiemen, zooals zij tot het uitplanten gebruikt worden. Zij waren 10-20 cm lang, aan den wortelstok afgebroken en in vollen krachtigen groei uit den grond genomen. De onderste 3 cm waren bruin, en door de aarde bedekt geweest. Van één enkele gedraaide kiem stonden de onderste bladeren in kransen, op alle overigen stonden zij van het ondereinde tot aan den top in een onafgebroken schroeflijn. De eerste windingen, op het bruine gedeelte des stengels, waren slechts weinig steil, overeen- komstig met den geringeren lengtegroei der onderste internodiën. Naar boven toe werd de spiraal voortdurend steiler, zooals men in fig. 1 duidelijk ziet, op één loot werd zij zelfs tot een zijdelingsche lijn opgericht, die evenwijdig met de as des stengels, en dus ver- ticaal omhoog, liep. Dit geval heb ik in fig. 2 afgebeeld; om ruimte te besparen zijn hier de bladeren dicht boven hun voet afgesneden. De bladspiraal steeg in acht kiemen rechts, in de vijf overige links omhoog, de duidelijk geteekende ribben waren natuurlijk in tegen- overgestelde richting gewonden. In de beide afgebeelde takken (fig. 1 en 2) gaat de spiraal, zooals men ziet, naar links omhoog. De stengels waren 144-1 cm dik, klaarblijkelijk opgezwollen door de draaiing, evenals dit in zoo uiterst hooge mate bij de soorten van het geslacht Valeriana geschiedt. Doch bij de meekrap is de opzwelling betrekkelijk slechts klein. Aan twee loten onderzocht ik den bladstand. Ik merkte daartoe, met Oost-Indische inkt, de ribbe van een bepaald blad afwaarts, en koos daartoe het jongste blad, in welks oksel ik een bladknop gemakkelijk kon waarnemen. Na twee omgangen gemaakt te hebben, sneed de gemerkte ribbe de schroeflijn der bladeren tusschen de zesde en zevende okselknop, als men het uitgangspunt van mijne lijn als eerste okselknop aanneemt. Dit geeft dus voor elken omgang ongeveer 21/, eenheden, als men den afstand tusschen twee naburige okselknoppen als ééne eenheid stelt. Vervolgde ik de ribben verder langs den stengel afwaarts, zoo vond ik steeds de lengte van de door hen afgesneden omgangen van de bladspiraal, in dezelfde maat uitgedrukt, ongeveer gelijk 2%/,, nauwkeuriger gemeten EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. 211 = 25/,. Dit komt overeen met den bladstand °/,,, die dus als de oorspronkelijke voor deze kiemen beschouwd moet worden. Dat hierbij op de okselknoppen en niet op de bladschijven gelet werd, ligt in den eigenaardigen bouw van de kransen der Rubiaceeén, en behoeft wel geen nadere toelichting. De vier „latten? wareri 25-30 cm. lang, aan den wortelstok afgebroken en hier rond op doorsnede. Naar boven toe werden zij allengs plat en breed, en bereikten over een groot deel hunner lengte eene breedte van 1,5-2 cm. Hunne bladkransen waren veelbladig, des te rijker aan bladschijven, naarmate zij op een hooger en breeder gedeelte ingeplant waren. Ik telde soms in een enkelen krans 40 en meer bladeren, waarvan meestal de helft of één derde van oksel- knoppen voorzien waren. Merkwaardig aan deze voorwerpen was vooral het feit, dat de kransen geheel zuiver waren, en die longitu- dinale uitéénschuiving misten, die anders op gefascieerde stengels van planten met kruis- of kranswijzen bladstand zoo gewoon is. Onder deze latten waren er twee, wier top min of meer gedraaid was. Deze draaiing was klaarblijkelijk het gevolg van een verschil in lengtegroei, waarbij de kanten van den platten stengel zich sterker verlengd hadden dan het middelste gedeelte. Ik liet deze loten verwelken en slap worden, en in dezen toestand gelukte het mij, ze zóó vlak te leggen, dat alle torsie verdween. Het is van belang op te merken, dat hier dus de beide, in hun wezen zoo zeer ver- schillende soorten van torsie, de klemdraai en de gewone draaiing, op verschillende stengels van een zelfde plantensoort en uit dezelfde kweekerij afkomstig, aangetroffen worden. Het is hier echter niet de plaats om de strijdpunten te bespreken, die over dit verschil bestaan, en die nog onlangs door Magnus in een helder licht ge- plaatst zijn). De zending van den heer van der Have, die ik enkele dagen later ontving, bevatte eveneens een aantal gedraaide kiemen, wier blad- spiraal echter zonder uitzondering links opsteeg. De kiemen waren ook hier aan den wortelstok afgebroken, geschikt om geplant te worden, 15-20 cm. lang en krachtig groeiend; de bladspiraal, in het onderste bruine deel slechts weinig steil, werd hooger op steiler en verhief zich in het jongste volwassen deel tot een overlangsche lijn. Hier stonden dus alle bladeren naar ééne zijde, als in fig. 2. De ribben waren in tegengestelde richting gedraaid, de stengels 1) Zie Magnus, Sitzungsber. d. bot. Vereins der Provinz Brandenburg, Bd. XIX, en het bericht over de voorjaarsvergadering van deze ver- eeniging te Freienwalde a/O. in Juni 1890. 14* 212 EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. gezwollen. Het nader onderzoek bevestigde de boven beschreven resultaten, die ik met de eerst besproken zending verkregen had, Behalve de beide in Fig. 1 en 2 afgebeelde stengels, die ik op spiritus bewaard heb, en de latten, die in mijn herbarium van monstrositeiten eene plaats vonden, heb ik alle voorwerpen van beide zendingen op het physiologisch terrein in den Hortus te Amsterdam uitgeplant. Met enkele uitzonderingen groeiden zij krachtig, en brachten zij talrijke zijtakken voort. Aan deze stonden de bladeren in vier- en zestallige kransen, doch tot in October werd daaraan geen spoor van draaiing gezien. Ook bloeiden mijne planten niet. Ik hoop met dit aanzienlijke materiaal de cultuur voort te zetten, en te zien, of in een volgende jaar zich het ver- schijnsel van draaiing op een of ander exemplaar herhalen wil. Ik ontveins mij niet, dat de kans daarop gering is, zooals zoowel uit de mededeelingen van mijne beide Heeren Correspondenten, als ook uit mijne eigene ervaringen aan andere plantensoorten moet worden afgeleid. Ik ga thans over tot eene eenigszins meer gedétailleerde be- schrijving van de beide in Fig. 1 en 2 afgebeelde voorwerpen. Deze mogen dan als voorbeelden voor de overige door mij onderzochte kiemen dienen. Beide zijn in natuurlijke grootte door mij gephoto- grapheerd, nadat een aantal bladeren, zoover dit noodig was, dicht boven hun voet waren afgesneden. Het onderste, bruine, in den grond verborgen gedeelte (ab) droeg geene eigenlijke bladeren, doch slechts verdroogde schubben; boven b waren de eerste bladeren klein en met breeden voet ingeplant, dus langwerpig driehoekig van vorm (bij c), en eerst in den volgenden omgang (bij d in Fig. 1) namen zij hun gewone, lancetvormige gedaante, met smallen voet aan. Tot dicht bij ein Fig. 1 en din Fig. 2 was de stengel volwassen, daarboven duurde de lengtegroei nog voort. Dit groeiende gedeelte was nog slechts weinig gedraaid, de bladspiraal was nog bezig afge- wikkeld te worden. Vandaar dat het steilste gedeelte dezer spiraal in Fig. 1 tusschen d en e ligt, in Fig. 2 tusschen c en d. Daarboven zijn de windingen, om de genoemde reden vlakker en, op een gelijk aantal bladeren berekend, talrijker. Van de steilheid der bladspiraal hangt natuurlijk de steilheid der ribben af. Hoe steiler de eerste, des te meer neigen de laatste tot de dwarse richting, ofschoon zij deze, in mijne kiemen, nooit geheel bereikten. Daartoe wordt trouwens, zooals vooral de Va- leriaan ons leert, een veel grootere opzwelling van den stengel vereischt. EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. 213 In de oksels der onderste bladeren vindt men nog geene of weinig ontwikkelde okselknoppen; deze zijn daarentegen omstreeks het midden van den stengel (bij k en kt in Fig. 1) het sterkst gegroeid, daarboven zijn zij jonger en kleiner. Zoover ik na kon gaan, hadden de bladschijven van de plant Fig. 1, evenals in vierbladige kransen van normale loten, om de andere een okselknop, met uitzondering alleen van ééne plaats, waar zich tusschen twee knopdragende bladeren twee knoplooze bevonden. Er was dus één overtollige bladschijf, deze is in de Figuur met h gemerkt. Hare buren naar omlaag zijn aan den voet afgesneden, haar eerste, knopdragende, buur naar omhoog eveneens, de daarop volgende bladschijven zijn gespaard. Bij e zijn wederom, om de eindknop in de figuur zichtbaar te maken, een viertal bladschijven weggesneden. Klebahn heeft, in zijne aangehaalde verhandeling, erop gewezen, dat de bladvoeten bij Galium Mollugo, aan den gedraaiden stengel evenzeer door een vaatbundelverband vereenigd zijn, als dit bij de gewone stengels in de bladkransen het geval is. Bij de meekrap zag ik hetzelfde verschijnsel. Een stevige vaatbundel-lijn loopt onder alle bladvoeten in onafgebroken spiraal rondom den stengel. Op deze lijn staan de hoofdnerven der bladeren, die, haar kruisende, in den stengel afdalen, en van dezelfde lijn ontspringen een aantal fijnere, zijdelings in de bladschijven opstijgende, nerven. Zonder twijfel vormt dit vaatbundelverband, over welks samengestelden bouw ik thans niet behoef uit te weiden, een aanzienlijk deel van de klem, die den stengel tot draaien dwingt. Maar onmisbaar is dit gedeelte waarschijnlijk niet, ten minste bij vele plantensoorten, waarbij van tijd tot tijd even fraaie klemdraai voorkomt, ont- breekt het. Fig. 3 leert ons, dat de klemdraai niet alleen aan de kiemen, maar ook aan hunne zijtakken kan voorkomen. Dit takje was 15 cm lang, zijn top over eene lengte van ruim 3 cm wormvormig gedraaid. De bladeren staan alle in één enkele onafgebroken lijn aan de ééne zijde. De bladspiraal is hier dus zoo volledig mogelijk afgewikkeld. Het aantal der blaadjes in dit gedeelte bedraagt, zooals men ziet, omstreeks 20. De ribben van den stengel loopen naar links omhoog. Onder het gedraaide deel ziet men de bladeren in viertallige kransen geplaatst (m), evenzoo op het takje r, dat uit den oksel van een der spiraalbladeren ontspringt. Wij zijn thans genaderd tot het laatste punt van mijn onderzoek: de rângschikking der bladeren op de groeitoppen der kiemen. Ik wil daarbij eerst de methode beschrijven, die ik bij het maken 214 EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. mijner praeparaten gebruikte, en die, om hare groote eenvoudigheid, wellicht aanbeveling verdient. De eindknoppen werden, nadat de buitenste blaadjes zoover noodig weggesneden waren, in absoluten alcohol geworpen en daarin gehard. Is dit afgeloopen, zoo worden zij in warme glycerine- gelatine gebracht, om de ruimte tusschen de bladeren te vullen en deze in hun normalen stand te bevestigen. Daartoe wordt de alcohol, die zich tusschen de blaadjes bevindt, door middel van een luchtpomp eenige malen aan het koken gebracht. Zoodra de lucht- druk op de vloeistof langzaam hersteld wordt, dringt dan natuur- lijk de warme glycerine-gelatine in de tusschenruimten en vult deze zeer volledig aan. Hier stolt zij bij het afkoelen. Het ge- noemde mengsel is echter te week en te kleverig, om gemakkelijk snijdbaar te zijn, daartoe moet het van het grootste deel van zijn water beroofd worden. Dit geschiedt in een mengsel van ongeveer gelijke deelen glycerine en alcohol. Na deze behandeling kleeft het bindmiddel niet meer aan het mes, doch is nog week genoeg om, met de knop er in, gesneden te worden. Dit geschiedt met een handmicrotoom; sneden van 0,1-0,2 mm dikte zijn voor het beoogde doel voldoende, en gemakkelijk te vervaardigen. Zij worden met glycerine-gom in reeksen op de voorwerpglaasjes gekleefd, en daarna met glycerine overdekt. Spoedig verliezen zij hier hun alcohol, doch deze wordt door de glycerine vervangen. De injectie voer ik in een dikwandig glazen buisje uit, van den vorm en de grootte eener gewone, wijde reageerbuis. Dit is met een doorboorde stop gesloten en staat door een slang van caoutchouc in verbinding met de kraan der luchtpomp. Het wordt tijdens de bewerking in een glas met warm water geplaatst, om de gelatine vloeibaar te houden. Door middel van een dopje van kopergaas, dat in de buis klemt, worden de praeparaten onder gehouden. Men kan tegelijkertijd een groot aantal objecten injicieeren. Is de gelatine geheel gestold, zoo kan men óf de praeparaten er uitsnijden, óf door voorzichtig verwarmen van de buis het geheel los maken en er uitnemen. Doelmatiger is het echter meestal de objecten er één voor één uittenemen, terwijl de gelatine juist op het punt is van te stollen. Men laat ze dan verder aan de lucht bekoelen. Kleine geinjicieerde objecten worden met een druppel glycerine- gelatine op een plat kurkje geplakt, terwijl men hunne assen nauw- keurig evenwijdig aan elkander plaatst. Daarna nog eens met het mengsel overgoten, en nu met de kurk in de alcohol-glycerine gebracht om te harden. Tijdens het snijden blijven zij dan aan de EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. 215 kurk bevestigd; men kan op deze wijze een aantal knoppen tegelijk snijden. Voor het onderzoek van den groeitop heb ik drie exemplaren genomen, waarvan de ribben op den stengel links omhoog stegen, en één bijzonder krachtige plant met rechts opklimmende ribben. Van deze allen werd deeinknop, terstond na de ontvangst der zending, dus omstreeks half Mei, afgesneden en in alcohol gebracht. Het was dus te verwachten dat deze knoppen later den normalen bouw van een groeitop in vollen wasdom voor de gedraaide stengels zouden vertoonen. Nadat de knoppen op de omschreven wijze ingesmolten, gehard en gesneden waren, bleek, dat in allen de spiraal der bladeren zich tot aan het vegetatiepunt voortzette. Ook de jongste bladeren, die ik vinden kon, stonden in die spiraal. Doch de windingen waren hier vlakker en minder rijk aan bladeren dan op het volwassen deel des stengels, waar zij, juist door de torsie, voor een belangrijk ge- deelte, zoo niet geheel, afgewikkeld zijn. In Fig. 4 en 5 heb ik twee doorsneden afgebeeld, beide dicht onder het vegetatiepunt gesneden. Zulke beelden zijn leerrijker dan die, welke de sneden leveren, die vlak door den uitersten groeitop gaan. Zij zijn, zooals men ziet, bijna schematisch. Eenvoudig- heidshalve heb ik de okselknoppen weggelaten. Fig. 5 is ontleend aan de plant met rechts-opstijgende ribben, Fig. 4 aan een der planten met linkschen stengeldraai. De bladspiraal stijgt, zooals boven vermeld en ín Fig.1 en 2 afgebeeld is, rondom een stengel in tegenovergestelde richting op als de rib- ben. Zii zet zich in de eindknop in onveranderde richting voort, en is overeenkomstig hiermede in Fig. 4 rechts-, in Fig. 5 linksdraaiend. Onze uitmeting van den bladstand aan de volwassen stengel- deelen gaf ons de formule °/,,, na reductie voor de torsie. Deze formule leert ons, dat op elken spiraal-omgang oorspronkelijk 51/; halve bladafstanden komen. En daar nu, zooals uit Fig. 1 blijkt, op deze kiemen als regel de bladschijven om de andere een oksel- knop bezitten, zoo geldt hier de afstand tusschen elke twee blad- schijven, als regel, voor een halven bladafstand. Wij moeten dus op elken omgang oorspronkelijk 5!/; bladschijf verwachten. Tellen wij nu, van een der jongste bladbeginsels als nulpunt uitgaande, het aantal schijven, zoo vinden wij dit, in de beide Figuren, gelijk omstreeks 10!/, voor de beide jongste windingen. Dit komt voldoende met het zooeven berekende cijfer overeen, en de waarneming op den volwassen stengel vindt dus op den groeitop 216 EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. een geheele bevestiging. Wij Kunnen dus veilig den oorspronkelijken bladstand = °/,, stellen. Tellen wij echter de bladschijven in de buitenste omgangen van Fig. 4 en Fig. 5, zoo vinden wij het aantal grooter, en dit wijst er op, dat hier reeds een begin van ontwinding, dus een begin van torsie voorkomt. Dit komt overeen met de rechtstreeksche waar- neming omtrent het eerste begin van de torsie aan den ongeschonden, groeienden stengel, daar deze nog binnen de gesloten en gedraaide eindknop aanvangt. Men kan zich trouwens hiervan door eene nauwkeurige beschouwing van Fig. 1 voldoende overtuigen. Mijne waarnemingen leiden dus tot de gevolgtrekking, dat de bladeren op de groeitoppen van gedraaide kiemen van de meekrap in een spiraal, en wel met den bladstand °/,, worden aangelegd. Eerst een paar windingen later begint het draaien van den stengel, en daarmede de ontwinding der bladspiraal. In deze is echter, ook op den volwassen stengel, de bladstand 5/,, nog duidelijk te herkennen, als men daarbij de ribben als orthostichen aanneemt. De afwijkende bladstand is dus hier primair, de klemdraai se- cundair. En volgens de theorie van Braun is de eerste de oorzaak der laatste. Men ziet dus, dat de gevonden feiten, hoewel zij geen volledig bewijs voor deze theorie zijn, toch met haar volkomen samenstemmen. Verklaring van plaat I. Fig. 1 en 2. Kiemen van meekrap (Rubia tinctorum). Deze kiemen zijn omstreeks half Mei van de wortelstokken afgebroken en enkele dagen later gephotographeerd. a de plaats, waar zij aan den wortelstok bevestigd waren, a’, b, c, d, e de opeenvolgende windingen der bladspiraal. Van a tot b bevonden zich de kiemen onder den grond en waren zij bruin ge- kleurd, hooger op groen; k okselknoppen. In Fig. 1 zijn de bladeren ten deele, in Fig. 2 grootendeels dicht aan hunne basis afgeknipt. ii in Fig. 1, een bladschijf, die bijna geheel achter den stengel verscholen is. (Nat. Gr.) Fig. 2. Takje van een meekrap-plant, bewaard in het herbarium van Alexander Braun; m de bovenste viertallige krans, daarop volgt van p tot q cen gedraaid stengeldeel, waaraan alle bladeren links ingeplant zijn. r okseltak van een dier bladeren. (1 : 3.) Fig. 4 en 5. Dwarse doorsneden door den groeienden top van twee gedraaide meekrap- kiemen, vlak onder het vegetatiepunt gesneden. Fig. 4 ontleend aan een plant, wier vol- wassen bladeren in een rechts opstijgende spiraal geplaatst waren. Fig. 5 aan een exemplaar met linksche spiraal. De okselknoppen zijn in beide figuren weggelaten. In de oudste bladeren is de grens van hout en phloëem-gedeelte van den vaatbundel, alsmede de kleine bastbundels, duidelijk zichtbaar. Houtvaten niet geteekend. (Vergrooting van Fig. 4: 36 : 1, van Fig. 5: 48 : 1.) Eenige gevallen van Klemdraai bij de meekrap. Fa. P. W. M. Trap impr. Hugo de Vries, Opera. EE EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. 217 RESUME DU TRAVAIL PRÉCÉDENT. Quelques cas de torsion par étreinte (Zwangsdrehung) chez la Garance (Rubia tinctorum). — (Pl. 1.) Alex. Braun a désigné sous le nom de torsion par étreinte (Zwangs- drehung) la torsion de lá tige produite par le soudure des feuilles en une rangée spirale ordinairement peu extensible. Le cordon ainsi formé constitue autour de la tige une espèce d’étau; la tige en voie d’allongement doit dérouler autant que possible la spirale pour se soustraire à l’action de l’étau, et s'enroule par conséquent elle-même en sens opposé. Les cas de forsion par étreinte ne doivent pas être confondus avec d’autres phénomènes de torsion qui ont leur siège dans beaucoup d’entre-nœuds et de tiges non feuillées, et qui doivent leur origine à des causes internes, et ne se produisent que vers la fin de la période d’allongement des entre-nœuds, comme je l’ai constaté entr’autres chez Crepis biennis. Selon A. Braun la torsion par étreinte ne se produit que chez les plantes à feuilles normalement verticillées ou décussées, quand cette position est accidentellement transformée en position spira- lee. (Bot. Zeit. 1873, p.31). L’intensité de l’allongement d’une part Pextensibilité de l’étau (laquelle dépend elle-même du degré de soudure des feuilles) d'autre part déterminent dans quelle mesure l’étau est étiré, et dans quelle mesure il est déroulé. L’hypothése de Braun, suivant laquelle les feuilles sont déjà disposées en spirale avant le début de la torsion n’a pu être vérifiée que quarante ans plus tard, par Klebahn, à la suite d'observations faites sur le point végétatif d’une tige tordue de Galium Mollugo. J'ai pu donner une nouvelle confirmation de la théorie de Braun par l'étude du Dipsacus sylvestris, dont je cultive depuis plusieurs années une variété chez laquelle la torsion par étreinte est devenue héréditaire. (Voir. Opera V, p. 159); j’ai également observé la disposition spi- rale des feuilles sur le point.végétatif d’une tige tordue de Weigelia amabilis. Rubia tinctorum. Cette plante est cultivée depuis longtemps dans la province de Zélande: on trouve souvent au printemps, au moment de la plantation, des tiges anormales (PI. I, fig. 1 et 2), plus ou moins épaissies, à cannelures obliques ou presque trans- versales; les feuilles sont disposées en une rangée longitudinale, qui suit un côté de la tige ou décrit une spirale autour de celle-ci. Ces tiges anormales semblent connues depuis fort longtemps des 218 EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. cultivateurs, qui considèrent leur présence comme un heureux présage. Kros (De spira in plantis conspicua. Diss. Groningen 1845, p. 74) a décrit un exemplaire de ce genre provenant de la Zélande, conservé dans l’herbier du Prof. Nic. Mulder. — L’her- bier d’ A. Braun, conservé au musée de Berlin, renferme égale- ment un échantillon a tige tordue, de provenance inconnue, que j'ai représenté PI. I, fig. 3. J'ai pu me procurer un grand nombre d’échantillons de la mon- struosité dont il est question ici. Le premier envoi, dont je suis redevable a M. Giljam, d’Ouwerkerk, se composait de rejets, arrachés vers la mi-mai aux souches adultes pour étre repiqués. Ils avaient 10 à 20 cm de long; les 3 cm inférieurs avaient été recouverts par la terre et étaient bruns. Il y avait 13 tiges tordues et 4 tiges aplaties. Chez une seule tige tordue les feuilles inférieures étaient verticillées ; sur toutes les autres elles étaient placées en une spirale continue d'une extrémité à l’autre. La spirale se rapprochait de plus en plus de la verticale (fig. 1) vers l'extrémité supérieure; sur une des tiges elle devenait même parallèle à l’axe (fig. 2). La spirale montait 8 fois de gauche à droite, 5 fois de droite à gauche (sur fig. 1 et 2 elle monte vers la gauche). Les tiges avaient un diamètre de 1, à 1 cm; elles étaient donc plus épaisses que les normales, mais l’accroissement en épaisseur était moindre que par ex. chez les tiges tordues de Valeriana. J'ai déterminé (à l’aide des lignes saillantes qui représentent les orthostiques) que la spirale correspondait à la divergence °/,3, laquelle est donc la divergence primitive de ces tiges. Dans cette détermination, il n’a été tenu compte que des feuilles munies d’un bourgeon axillaire. Les tiges aplaties, appelées latten (lattes), avaient 25 à 30 cm de long; elles étaient cylindriques au point où elles avaient été détachées de la souche. Vers le sommet elles devenaient peu à peu élargies et aplaties, et atteignaient 11, à 2 cm de largeur. Les verticilles étaient d'autant plus riches en feuilles qu’ils étaient plus rapprochés du sommet (j’en ai compté dans un seul verticille jusqu’à 40 et plus, dont la moitié ou le tiers portaient ordinairement des boutons à leur aisselle). Les verticilles étaient réguliers, et ne présentaient pas le déplacement dans le sens longitudinal si commun chez les tiges fasciées. Deux lattes étaient un peu tordues au sommet. Ceci était le résultat d’une différence d’allongement des diverses parties: les bords de la tige aplatie s'étaient allongés plus que la partie centrale. EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. 219 Les deux espèces de torsion (torsion ordinaire et torsion par étreinte) se montraient donc sur des tiges différentes de la même espèce végétale et de la même culture. Le second envoi, que je dois à l’obligeance de Monsieur van der Have, d’Ouwerkerk, se composait de tiges à torsion par étreinte analogues aux premières, mais ici la spirale montait sans exception vers la gauche. Les feuilles étaient disposées, sur les plus jeunes parties complètement développées, comme sur la fig. 2. Toutes les tiges tordues que j'ai reçues sauf les deux que j'ai figu- rées ont été plantées au jardin botanique d'Amsterdam. Les bran- ches produites par ces tiges n’ont montré jusqu’en automne aucune trace de torsion; il n’y eut pas de fleurs. Je me propose de con- tinuer la culture l’année prochaine. Description détaillée des fig. 1 et 2. La partie inférieure brune souterraine ab ne portait pas de feuilles, mais des écailles; de b en d les feuilles étaient petites et à base large (e); plus haut elles prenaient leur forme ordinaire. En dessous de e, fig. 1 et de d, fig. 2 la tige avait terminé sa croissance; au-dessus de ces points, l'allongement continuait. Dans la région d’allongement, la torsion était encore incomplète, et par suite les tours de spire plus hori- zontaux et plus nombreux par rapport à un même nombre de feuilles. Pour le même motif, la partie la plus verticale de la spirale se trouve sur la fig. 1 entre d et e, sur la fig. 2 entre e et d. Plus la spirale est verticale, plus les lignes saillantes de la tige se rapprochent de l’horizontale, sans cependant atteindre celle-ci, ce qui exigerait un épaississement de la tige beaucoup plus con- sidérable. Les bourgeons axillaires sont le plus développés vers le milieu des tiges (fig. 1, k et k’); plus haut ils sont plus jeunes et petits, plus bas, ils manquent ou sont peu développés. Pour autant que j'ai pu voir, les feuilles de la plante fig. 1 portaient alternative- ment un bourgeon axillaire, sauf en un point (A) où deux feuilles privées de bourgeon se suivaient. Comme chez Galium Mollugo, les bases des feuilles sont unies par un système vasculaire résistant, qui monte en une spirale non interrompue. De ce système de connexions vasculaires partent des nervures qui se rendent dans les parties latérales de chaque feuille, tandis que les nervures médianes des feuilles croisent le système précité et descendent dans la tige. Ce système vasculaire forme indubitablement une partie notable de l’étau qui étreint la tige et la force à se tordre. Cet étau n’est cependant pas indis- 220 EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. pensable, car il manque chez certaines espèces, qui présentent de temps en temps de beaux exemples de torsion par étreinte. Les branches latérales peuvent se tordre comme l’axe principal: la fig. 3 nous montre une telle branche, où la spirale est aussi com- plètement déroulée que possible. Les lignes saillantes montent vers la gauche. Sous la partie tordue les feuilles sont verticillées (m), ainsi que sur le rameau axillaire r. Point végétatif. Les bourgeons terminaux furent traités par l’alcool absolu, et plongés ensuite à chaud dans un mélange de gélatine et de glycérine. Celui-ci était contenu dans une éprouvette à parois épaisses, laquelle plongait dans l’eau chaude et, était reliée à une machine pneumatique. L’alcool est enlevé des bourgeons en faisant le vide; en laissant l’air entrer peu à peu, le mélange gélatineux est foulé dans les interstices entre les feuilles et comble ceux-ci 1). On fait les coupes au moyen d’un microtome-à-main, on les fixe sur le porte-objet au moyen de la glycérine-gommée, et on monte dans la glycérine. Fig. 5 représente une coupe faite à une petite distance du sommet, à travers le bourgeon terminal d’une tige dont les lignes saillantes montaient de gauche à droite. Fig. 4 représente une coupe analogue pour une tige tordue en sens inverse. Les bourgeons axillaires n’ont pas été dessinés. Nous avons constaté que les feuilles gardent leur disposition spirale jusqu’au point végétatif, mais dans le bourgeon chaque tour de spire renferme moins de feuilles et est moins allongé que sur le reste de la tige, où la spirale est en grande partie déroulée. Nous avons trouvé plus haut que la spirale de la tige correspond à la divergence °/,,, en ne tenant compte que des feuilles à bour- geon axillaire; nous savons d’autre part, que sur deux feuilles successives, l’une porte un bourgeon et l’autre pas; il en résulte que nous devons nous attendre à trouver à l’origine (avant la torsion) 261, =51/, distances interfoliaires pour chaque tour de spire. Ces prévisions sont vérifiées par les coupes des bourgeons terminaux, 1) Le meilleur moyen d'extraire ensuite les objets de l’&prouvette consiste à les enlever un à un au moment où la gélatine va se solidi- fier; on les laisse ensuite se refroidir à l'air libre. On colle les petits objets sur une plaque de liége au moyen de la glycérine gélatinée; on verse pardessus une certaine quantité du méme mélange, et aprés refroi- dissement le tout est plongé dans un mélange d’alcool et de glycérine pour durcir la masse. EENIGE GEVALLEN VAN KLEMDRAAI BIJ DE MEEKRAP. 221 comme on peut s’en assurer en comptant les feuilles des deux premiers tours. On trouve le chiffre 1014, ce qui correspond d’une manière très satisfaisante à 2 X51/,. A la périphérie du bourgeon (fig. 4 et 5) nous trouvons un nombre de feuilles plus grand, ce qui démontre qu’à ce niveau il y a déjà un commencement de déroulement, de torsion. La divergence est donc °/,,; la torsion commence vers le troi- sième tour de spire. Sur la tige entièrement développée, on peut déterminer la divergence en prenant les lignes saillantes comme orthostiques. Ces faits correspondent à la théorie de Braun, sans la démon- trer cependant complètement. (Botanisch Jaarboek, uitgegeven door het kruidkundig genootschap Dodonaea, 1891, Bnd. III, blz. 74.) SUR UN SPADICE TUBULEUX DU PEPEROMIA MACULOSA. Ainsi que la plupart des Pipéracées, le Peperomia maculosa fleurit en spadices minces et allongés, sur l’axe cylindrique desquels sont implantées un nombre excessivement grand de petites fleurs, qui attirent peu les regards. Ces spadices ne sont pas, comme ceux des Aroïdées, enveloppés d’une spathe, et au fond ils ressemblent plutôt à des épis, sauf que leur axe est constitué par un tissu tendre et succulent, et par conséquent charnu. L’espece en question, plante basse et herbacée, l’emporte sur ses alliées par des spadices extrêmement longs, s'élevant de beaucoup au-dessus des feuilles, qui sont grandes, ovales et luisantes. Ces inflorescences, en effet, atteignent ici une longueur d’environ 40 cen- timetres, sur une épaisseur de 0,6 à 0,8 cm. Elles se développent progressivement, de façon que le sommet est en général encore jeune, lorsque la partie inférieure est déjà adulte. Il en résulte que sur un même spadice on peut souvent rencontrer des fleurs aux degrés de développement les plus divers. Parfois, il s’en faut de beaucoup que toutes les fleurs recoivent l’action du pollen; il y en a alors un grand nombre qui se dessèchent, sans tomber, et qu’on peut encore retrouver à cet état entre les fruits mûrs ou presque mûrs. La structure simple de ces inflorescences ne se prête guère à la production d’anomalies tératologiques; aussi les traités ordinaires de tératologie végétale ne font-ils, à ma connaissance, aucune mention de pareilles irrégularités. D’autant plus intéressant est le cas qui fait le sujet de la présente communication. En général, les déviations du type normal des organes sont très rares chez les plantes. Sur des milliers de pieds d’une espèce, c’est tout au plus s’il s’en présente un exemple. Pour les végétaux cul- tivés en grandes masses, cette circonstance est sans inconvénient, et d'ordinaire les anomalies dont il s’agit n’échappent pas a Pob- servation. Mais il en est tout autrement pour les plantes d'ornement et surtout pour les plantes de serre, dont la culture n’est pratiquée que par un petit nombre de personnes et ne porte, le plus souvent, que sur un petit nombre de pieds. Chez ces espèces-là, le calcul SUR UN SPADICE TUBULEUX DU PEPEROMIA MACULOSA. 223 des probabilités nous l’apprend, les anomalies ne seront vues qu’à des intervalles d’une longue suite d’années. Beaucoup moindre encore est la probabilité pour que ces phé- nomènes isolés tournent au profit de la science. Rarement, en effet, amateur ou l’horticulteur pourra ou voudra se charger lui-même de l'étude nécessairé; le plus souvent, à supposer que l’anomalie ait attiré son attention, il sera même hors d'état de juger si elle peut offrir à la science quelque point de vue nouveau. Pour cela, en effet, il faut ou bien une connaissance très étendue de ces cas exceptionnels, ou bien une bibliothèque suffisamment pourvue. La Société néerlandaise d’horticulture et de botanique a pris l'ini- tiative de parer, en ce qui concerne notre pays, à ce défaut. Elle a créé un corps qui se charge d'étudier toutes les particularités remarquables, du domaine de la botanique, que les amateurs et les horticulteurs ont l’occasion de rencontrer. Ce corps, c’est la »Commission scientifique” de la Société. Ses attributions em- brassent deux objets principaux. D’une part, elle s'efforce de répondre à toutes les questions, de nature scientifique, que les membres de la Société lui adressent dans leur intérêt personnel. Ici, elle a à s'occuper surtout de l’étude de plantes qui lui sont envoyées comme atteintes de l’une ou de l’autre maladie. La re- cherche du parasite, la détermination de la nature des troubles et l'indication des moyens à employer pour combattre le mal, c’est là une tâche laborieuse, mais d'importance capitale pour les intéressés. D'autre part, en vue de ses expositions mensuelles et en vue de ses recherches, la Commission attend des membres de la Société l’envoi de tout ce qu’ils croient pouvoir contribuer en quelque chose aux progrès de la science. A l’appel fait dans cette double intention, il fut répondu, l’an dernier, par beaucoup de personnes, La Commission distribua entre ses membres, pour être soumis à une étude spéciale, les divers objets reçus. Les résultats de ces études, consignés dans les Comptes rendus des séances, ont été publiés dans le Nederlandsch Tuinbouw- blad. Dans sa séance du 3 décembre dernier, il fut présenté à la Com- mission scientifique un spadice monstrueux de Peperomia maculosa, qui lui était envoyé pour son exposition, au nom du Jardin Zoologique de Rotterdam, par l’habile jardinier en chef de cet établissement, M. J. Wilke. L’examen et la description de cette pièce m’échurent en partage. Je reconnus bientöt que le spadice en question offrait un exemple 224 SUR UN SPADICE TUBULEUX DU PEPEROMIA MACULOSA. d’une variation extrêmement rare, et qui, autant que j'ai pu m'en assurer, n’a pas encore été décrite pour ce genre ni pour d’autres Pipéracées. On voit représenté ce spadice sur la Planche, fig. 1, en demi- grandeur naturelle. A partir du milieu, environ, il devient de plus en plus large du côté du sommet, au lieu d’être cylindrique et de se terminer en pointe effilée, comme c’est le cas pour l’inflorescence normale (fig. 2). Cette partie plus large est creuse, et sa forme se laisse le mieux comparer à celle d'une cornet de papier, long et étroit. La cavité se rétrécit vers le bas en une pointe extrêmement fine (fig. 1 en ket fig. 3 k). Cette pointe se trouve un peu au-dessous du milieu du spadice; plus bas, le spadice, à part les faisceaux vas- culaires, possède la structure habituelle. La moitié supérieure de la partie creuse était plus ou moins in- curvée, et présentait quatre déchirures longitudinales, probablement dues à des tensions développées au cours de l’accroissement en longueur). Une de ces déchirures se prolongeait jusqu’à l’extrémité du sommet, les autres s’arrétaient au-dessous. Pour la clarté du dessin, j’ai coupé l’une des laciniures (en c dans la fig. 1), et j’ai détaché par le haut une seconde de ces lanières (9, fig. 1), laquelle a ensuite été tournée de façon qu’elle se plaçât à peu près dans le même plan que les deux autres (8, fig. 1). De là vient que la figure, à son sommet, ne donne pas l'impression d’un étroit cornet, mais celle d’un large entonnoir. Les dimensions de l’objet étaient les suivantes. La longueur du spadice s'élevait à 30 centimètres, dont 15 cm pour la partie située au-dessous de la cavité et 15 cm pour la partie creuse. Dans la partie pleine, le spadice était cylindrique et épais de 0,7 cm; dans la partie creuse, l'épaisseur augmentait progressivement jusqu’à environ 2 cm. La paroi de la cavité était épaisse de 0,2-0,3 cm. Les déchirures commençaient toutes au bord supérieur ou à peu de distance de ce bord, et elles descendaient sur une longueur de 7-12 cm. L'ouverture au sommet avait un diamètre d’environ 1,5 cm. La floraison du spadice paraissait entièrement passée. Il n’était pas resté de petits fruits au côté extérieur; par contre, ils étaient accumulés en grand nombre dans la cavité, quoique détachés et libres pour la plupart. Sur toute la surface du spadice, tant en dehors qu’en dedans, mais surtout près du sommet, on voyait çà 1) M. Wilke n'avait remarqué la malformation que lorsque le spadice n'avait déjà atteint une certaine grandeur; il croit se rappeler, toutefois, que les déchirures ne se sont produites que plus tard. SUR UN SPADICE TUBULEUX DU PEPEROMIA MACULOSA: 225 et là de petites fleurs fanées et desséchées, qui étaient encore dis- tinctement composées d’un ovaire v et de deux étamines m (fig. 4, empruntée à la face interne de la cavité), et dont chacune était implantée audessus d’une bractée peltiforme s. Au-dessous de cette bractée s’étendait sur une certaine longueur, en direction descendante, une côte saillante. Ces petites fleurs donnaient l’occasion de résoudre une question qui me semble avoir de importance pour l'explication morpho- logique de la cavité. Si l’on se représente la surface du spadice comme un cylindre creux, on pourrait croire que celui-ci, dans le spécimen qui nous occupe, était simplement invaginé, comme un doigt de gant rentré. La pointe conique de la cavité devrait alors correspondre au sommet normal d’un spadice non modifié, et au bord supérieur de la cavité la surface devrait être infléchie. Il est facile de discerner à quels signes une semblable origine pour- rait être reconnue. D'abord, la base de la cavité devrait être la partie la plus jeune de l’inflorescence et par conséquent porter les plus jeunes fleurs. Malheureusement, mon spécimen était complètement défleuri, et nulle part une différence d'âge ne s’y faisait remarquer entre les petites fleurs flétries. En second lieu, on devrait voir se continuer, par dessus le bord supérieur de la cavité, de dehors en dedans, le groupement des fleurs, tel qu’il est sur les parties inféri- eures du spadice. Mais ce critérium ne pouvait, lui non plus, être appliqué, vu que le bord était complètement desséché et, à ce qu'il semblait, déjà mort de bonne heure. Un troisième signe pouvait être tiré de la position des fleurs relativement à leurs bractées. Si l'hypothèse du cylindre invaginé était juste, les fleurs, qui à la surface extérieure sont insérées chacune au-dessus de leur bractée, devaient, dans la cavité, se trouver au- dessous de cette feuille florale. Cela, toutefois, n’était pas le cas, et les nombreuses fleurs flétries rendaient maintenant la décision très facile. Elles étaient implantées, comme le montre la fig. 4, au-dessus de leurs bractées, et avaient le sommet de l'ovaire dirigé vers le bord supérieur de la cavité. Dans la figure, cette direction est indiquée par une flèche. Les fleurs intérieures présentaient exactement le même aspect que les fleurs extérieures, auxquelles la fig. 4 pourrait donc s’appliquer tout aussi bien. Avec un faible grossissement, je pus porter sous le microscope la laciniure (coupée) tout entière, et suivre sans peine, aux deux côtés, la direction des fleurs. Jusque dans l’étroite base conique de la cavité, les fleurs avaient cette même position. 15 226 SUR UN SPADICE TUBULEUX DU PEPEROMIA MACULOSA. La cavité n’a donc pas été formée par invagination, et, selon toute probabilité, sa base est sa partie la plus âgée, son bord supérieur sa partie la plus jeune. Cette monstruosité doit donc être classée parmi ce qu’on appelle les fasciations annulaires, c’est-à-dire, parmi les branches à sommet végétatif annulaire?). La cavité est aussi beaucoup trop longue pour que la production en puisse être expliquée par une invagination. En effet, la somme de la longueur totale du spadice et de la profondeur de sa cavité (30 + 15 — 45 cm) surpasse la longueur d’une inflorescence normale de la même espèce (environ 40 cm), et cela, nonobstant l’absence de la base dans mon spécimen. I] ma paru qu’il y avait quelque intérêt à rechercher si la pro- duction de cette cavité ne serait pas liée, de l’une ou de l’autre ‘manière, au cours particulier des faisceaux vasculaires dans la tige des Pipéracées. Bien que, de sa nature, cette question ne puisse être résolue définitivement par l’examen d’un cas unique, je n’en ai pas moins cru devoir étudier la marche des faisceaux dans mon spadice. Le résultat de cette étude est assez remarquable. Avant de le communiquer, toutefois, il est nécessaire de rappeler brevement en quoi consiste la particularité des Pipéracées, à la- quelle il vient d’être fait allusion?). Outre le cercle normal de faisceaux vasculaires, ces plantes montrent sur la coupe transversale de leur tige un certain nombre de faisceaux disséminés dans la moelle. Le cercle normal est composé, aussi dans les spadices, de faisceaux nombreux et assez rapprochés les uns des autres (voir, par exemple, fig. A, en f). A l’intérieur de ce cercle se trouvent des cordons plus minces, peu nombreux, qui dans les entre-nœuds robustes sont disposés en deux cercles concentriques, tandis qu’ils ne forment qu’un cercle unique dans les parties caulinaires plus fai- bles et dans les spadices. Ces faisceaux médullaires ne sont toute- fois, à beaucoup près, pas aussi rapprochés ni placés aussi régulière- ment que ceux du cercle extérieur, normal. 1) Voir A. Braun, Das Individuum der Pflanze, dans Abh. d. k. Akad, d. Wiss., Berlin, 1853, p. 56, Note. 2) C. Sanio, Ueber endogene Gefässbündelbildung, dans Bot. Zeitung, 1864, p. 193. J. E. Weiss, Wachsthumsverhältnisse und Gefässbündelverlauf der Pipe- raceen, dans Flora, 1876, p. 321. F. Schmitz, Das Fibrovasalsystem im Blüthenkolben der Piperaceen, Bonn, 1871. F. Schmitz, dans Hanstein, Botan. Abhandlungen, T. II, p. 3. A. de Bary, Vergleichende Anatomie, p. 260. SUR UN SPADICE TUBULEUX DU PEPEROMIA MACULOSA. 227 En ce qui concerne leur plan de symétrie, qui chez les faisceaux vasculaires doit être dirigé radialement par rapport à la tige dont ils font partie, les cordons plongés dans la moelle des Pipéracées ne sont pas non plus très réguliers, car assez fréquemment ils ont une position plus ou moins oblique. Cependant, à de très rares exceptions près, ils tournent toujours leur partie libérienne vers le dehors et leur partie ligneuse vers l’axe de l’organe, tout comme cela est le cas pour les faisceaux vasculaires du cercle normal!). Considérons maintenant la disposition des faisceaux vasculaires dans notre spadice monstrueux. Nous commengons par la partie creuse. Dans la fig. 5 E est représentée une coupe transversale d'une laciniure, faite à peu près au niveau de e dans la fig. 1. On voit immediatement qu’il y a deux groupes de faisceaux vasculaires. L'un (f) est une partie d’un cercle normal, d'où partent les branches se rendant aux bractées et aux fleurs de la surface externe du spa- dice. L’autre groupe (g) est entierement semblable au premier, sauf qu’il correspond aux bractées et aux fleurs qui tapissent la paroi de la cavité. Ce groupe est donc une partie d'un cercle inté- rieur. Entre ces deux cercles il y a un très petit nombre de faisceaux vasculaires épars. En elle-même, la présence de deux cercles concentriques de faisceaux vasculaires, dans un spadice de Peperomia, n’aurait rien de particulier. Car le verticille intérieur pourrait être regardé comme de cercle de faisceaux vasculaires médullaires de l’inflorescence normale. Effectivement, il ressemble à celui-ci sous beaucoup de rapports. Mais il y a aussi des différences importantes. D'abord les faisceaux vasculaires ordinaires de la moelle sont peu nombreux et par conséquent très éloignés l’un de l’autre (fig. 5 A); ici, au contraire, le cercle intérieur est composé d'éléments à peu près aussi nombreux et aussi rapprochés que ceux du cercle extérieur. A quoi il faut ajouter que, de ce cercle intérieur émanent ici les faisceaux qui vont aux bractées et aux fleurs de la paroi de la cavité (fig. 7 g’). Mais la difference la plus remarquable se trouve dans la position des faisceaux. Celle-ci est précisément inverse. Les faisceaux tournent ici leur côté libérien vers la cavité, leur côté ligneux vers le dehors, tandis que les faisceaux médul- laires des spadices normaux ont leur xylème tourné vers laxe, leur phloème regardant la périphérie. Les faisceaux anomaux ne sont donc pas placés comme si la cavité était absente ou secondaire, 1) Voir, par exemple, Sanio, l. c., p. 195, et Weiss, l. c., p. 357, 358. 15* 228 SUR UN SPADICE TUBULEUX DU PEPEROMIA MACULOSA. mais leur direction a manifestement été déterminée sous l’influence de cette cavité et des fleurs qui s’y trouvent. Considérée par rapport a ces fleurs, leur position est exactement la m&me que celle des faisceaux du cercle normal par rapport aux fleurs exterieures. Dans la fig. 7 on voit, grossie plus fortement, une partie du cercle intérieur gdelafig. 5 E. Les petits cercles marqués dans les faisceaux vasculaires indiquent les vaisseaux ligneux, et par conséquent le xyleme. La position des faisceaux devient ainsi parfaitement claire. Le bord pp’ de la figure est extrêmement irrégulier, vu qu’il passe par les petites écailles peltées et leurs côtes, et aussi, çà et là, par les étamines et les pistils. De là, les nombreuses &minences verruciformes. Revenons maintenant à notre fig. 1, et suivons la marche des faisceaux vasculaires du cercle intérieur, d’abord vers le bas, après quoi nous essaierons de la déchiffrer vers le haut. Pour la première partie de cette recherche, j’ai pratiqué dans l’une des moitiés longitu- dinales de mon spadice, aux points a, b, c et d, des coupes trans- versales, qui sont dessinées, à un faible grossissement, dans la fig. 5. Les figures ne représentent donc que des demi-coupes; mon spécimen étant jusqu’ici unique, je voulais conserver l’autre moitié, comme pièce de montre. La fig. 5 D est une coupe prise à 2 cm au-dessus de l’extrémité inférieure de la cavité. Elle fait voir en kk la paroi de la cavité, et en g le cercle sous-jacent de faisceaux vasculaires. Ces faisceaux sont ici moins nombreux que dans la fig. 5 E, mais placés environ aux mêmes distances les uns des autres. Eux aussi tournent leur phloème du côté de la cavité. La fig. 5C est une coupe faite à peu de distance (1,5cm) au-dessous de la cavité. On y retrouve le cercle intérieur (g); il est devenu plus étroit et compte encore moins de faisceaux que dans la fig. 5 D, mais c’est évidemment le même cercle. Cela, d’ailleurs, était facile à voir sur la coupe longitudinale, et la fig. 3 le montre en k. Sur cette coupe fig. 5 C les faisceaux tournent encore leur phloème du côté de l’axe du spadice, bien que celui-ci ne soit plus creux en ce point. Cette disposition est représentée, à un grossissement un peu plus fort, dans la fig. 6. Fait-on maintenant des coupes plus basses, par exemple, en b et en a dans la fig. 1 (fig. 5 B et A), on voit comment ce cercle étroit et serré de faisceaux vasculaires retournés passe peu à peu au cercle plus large, irrégulier, des faisceaux vasculaires largement espacés qui descendent dans la partie normale de ce spadice. L'orientation des faisceaux change, elle aussi, graduellement: çà et là leur plan SUR UN SPADICE TUBULEUX DU PEPEROMIA MACULOSA. 229 de symétrie est placé obliquement par rapport aux coupes radiales de l’inflorescence, et finalement on les trouve le xylème tourné vers l’axe et le phloème faisant face à la périphérie. La coupe (fig. 5 A) ne se distingue alors plus, sous aucun rapport, de celle d’un spadice normal. En résumé, nous voyons que les faisceaux, qui doivent être regardés comme les traces foliaires des bractées placées dans la cavité, des- cendent en cercle serré tout autour de cette cavité et, arrivés au-dessous d'elle, se continuent avec le cercle médullaire des faisceaux vasculaires de la partie normale de l'inflorescence. Dans la portion supérieure de leur cours ils tournent leur phloème du côté de la cavité, dans la partie pleine du spadice ils prennent peu à peu la position normale des faisceaux vasculaires médullaires. Suivis dans leur trajet ascendant, les deux cercles de faisceaux vasculaires ne présentent pas grand’chose de particulier. Ils con- servent leur même position jusqu’au bord supérieur de la cavité. Comme nous l’avons déjà mentionné, ce bord lui-même, mort de bonne heure, était entièrement desséché au moment où le spadice nous fut remis, de sorte que l'extrémité supérieure des cercles de faisceaux vasculaires se dérobait à l’observation. Sur les coupes longitudinales du bord supérieur (fig. 8 et 9) on voit les deux cercles s'élever en restant à la même distance l’un de l’autre. Dans la fig. 8, la laciniure était épaisse et le tissu intermédiaire aux cercles détruit jusqu’à une certaine profondeur; dans la fig. 9, la laciniure était plus étroite, la distance des cercles moindre, et tout le tissu du bord supérieur était uniformément desséché. Des faisceaux vasculaires tournant, comme ici, leur phloème vers l'axe de l'organe qui les renferme, sont rares dans le règne végétal. Chez les Pipéracées, il n’y a qu’un petit nombre d’espèces où l’on rencontre cette disposition dans des cas normaux, et encore se présente-t-elle alors d’une manière en quelque sorte accidentelle, dans l’un ou l’autre faisceau vasculaire médullaire, jamais chez tous. En dehors de cette famille, je rappellerai en premier lieu les faisceaux vasculaires bicollatéraux (par exemple, ceux des Cucurbitacées) et les cas d’accroissement anomal en épaisseur chez les Dicotylédones, par exemple chez le Tecoma radicans. En second lieu, je citerai les tubercules radicaux des Légumineuses. Dans ces tubercules, en effet, les nombreux faisceaux vasculaires, placés en cercle, tournent, comme l'ont montré les recherches de 230 SUR UN SPADICE TUBULEUX DU PEPEROMIA MACULOSA. M. Beyerinck®), leur xylème en dehors et leur phloème vers le tissu central, riche en albumine, dit tissu bactéroïdien. Ici encore, tout comme dans notre spadice, ce renversement est évidemment en rapport avec la fonction. Du point de vue morphologique, on pourrait presumer plus de conformité avec notre spadice dans l’inflorescence creuse du figuier, et, quoique s’en éloignant davantage, dans le torus creux des cynor- rhodons (Rosa). Effectivement, chez ces derniers aussi, les faisceaux vasculaires intérieurs tournent leur phloème du côté de la cavité. Tout conduit d’ailleurs à faire croire que, dans les organes creux, le phénomène ne sera pas rare. J'ai finalement cherché si la littérature tératologique avait enregistré des cas de fasciation annulaire (inflorescences creuses et tiges creuses) pouvant être comparés à l’exemple ci-dessus décrit. De tels cas, toutefois, paraissent être extrêmement rares. Dans la Vegetable Teratology de M. Masters, je n’ai trouvé mentionné que le suivant (p. 590): „Tubular Stem. A species of Sempervivum, exhibited by Mr. Salter, of Hammersmith, at one of the summer exhibitions of flowers at the Royal Horticultural Society in 1868, under the name of S. Bollei. In this plant the leaves appeared to be arranged some on the outside, others on the inside of an erect hollow cilinder, some six inches in height. The oldest leaves were outside, the youngest within, so that the appearance presented was as if the summit of the axis had been pushed down or drawn in.” Des fasciations annulaires ont été décrites par M. Michelis pour le Taraxacum officinale? Elles paraissent avoir été observées aussi chez quelques autres plantes?). i Le spadice creux trouvé par M. Wilke était une pièce unique. Mais l’expérience acquise en matière de tératologie autorise peut- être l’espoir que, sur le pied qui a produit ce spadice, le phénomène se reproduira quelque jour, et que même, par un examen attentif, on le retrouvera tôt ou tard chez des plantes alliées. Si cet espoir se réalisait, il importerait d’étudier un pareil spadice creux dans un état aussi jeune que possible, afin de pouvoir jeter quelque jour sur l’histoire du développement de ce curieux phénomène. 1) M. W. Beyerinck, Bot. Zeitung, 1888, p. 728. 2) Botanische Zeitung, 1873, p. 334, et 1885, p. 440. 3) Braun, Das Individuum der Pflanze, p. 56. Sur un spadice tubuleux du Peperomia maculosa. ~ RTO RSA DEN à IA et tr mert OPPAS Hugo de Vries, Opera. Fa P. W. M. Trap. impr. 4 SUR UN SPADICE TUBULEUX DU PEPEROMIA MACULOSA. 231 Explication des Figures. Toutes les figures (à l'exception de la fig. 2) ont été prises sur une inflorescence creuse de Peperomia maculosa, cueillie par M. J. F. Wilke dans une des serres du Jardin zoologique de Rotterdam. Fig. 1. Le spadice creux. De c jusqu'à d le spadice a été fendu longitudinalement et l’une des moitiés a été enlevée, de sorte qu’on voit en k la pointe de la cavité. Sur cet espace est figuré le cercle intérieur des faisceaux vasculaires. En e a été retranchée l’une des laciniures. La laciniure 9 a été détachée de 8 et fléchie latéralement. Les deux laciniures 8 cohèrent encore à leur sommet. Dans la cavité ouverte (au-dessus de e) on voit de nombreuses graines. a, b,c, d, e sont les points où ont été faites les coupes transversales pour la fig. 5; 8 et 9 indiquent les points par lesquels ont été menées les coupes fig. 8 et 9. (1 :2.) Fig. 2. Sommet d’un spadice normal d’une espèce très voisine, le Peperomia eburnea, comme terme de comparaison avec la fig. 1. (1 :2.) Fig. 3. Coupe longitudinale du spadice creux, prise entre c et d de la fig. 1, pour faire voir l'extrémité k de la cavité. Demi-schématique. f cercle extérieur des faisceaux vasculaires, g cercle intérieur id. (1 :1.) Fig. 4. Face interne de la laciniure retranchée en e (fig. 1), prise près du sommet. ss bractées peltiformes, m étamines, v ovaires. La flèche est dirigée vers le bord supérieur de la cavité. (12 : 1.) Fig. 5. Coupes transversales d’une des moitiés longitudinales du spadice creux. A, B,C, D, E, prises aux niveaux correspondants a, b, c, d et e dans la fig. 1. f cercle extérieur des faisceaux vasculaires, g cercle intérieur id., kk la cavité. (4 :1.) Fig. 6. Le cercle intérieur des faisceaux vasculaires (g g) de la préparation fig. 5 C, grossi plus fortement. On voit que les faisceaux vasculaires, tournent leur phloéme du côté de la cavité. (20 : 1.) Fig. 7. Une portion du cercle intérieur de faisceaux vasculaires (gg) de la préparation fig. 5 E (indiquée dans cette figure par la petite ligne près de 7), grossie plus fortement. gg cercle intérieur de faisceaux vasculaires, g'g’ cordons des traces foliaires des bractées, p p’ paroi interne de la cavité, tapissée de bractées, de côtes et de fleurs. (20 : 1.) Fig. 8 et 9. Coupes longitudinales par le bord supérieur du spadice creux, faites en 8 et en 9 de la fig. 1. f cercle extérieur de faisceaux vasculaires, g cercle intérieur id. a la partie morte et presque entièrement desséchée du bord supérieur. (Archives Néerlandaises des Sciences exactes et naturelles, T. AXIV,'180r, p> 258.) MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Mit Tafel I-X. ERSTER THEIL. Dipsacus silvestris torsus. Erster Abschnitt. Die Gewinnung einer erblichen Rasse. $ 1. Methodisches. Die Untersuchungen über Bildungsabweichungen treten in den letzten Jahren mehr in den Vordergrund wie früher. Ihrer allge- mein anerkannten morphologischen Bedeutung schliesst sich jetzt auch das Interesse an, welches sie für die Fragen der Erblichkeit gewähren. In beiden Hinsichten scheint es mir aber zeitgemäss, an die Stelle des bisherigen Verfahrens, überall wo dies nur möglich ist, die experimentelle Methode einzuführen. Weitaus die meisten Untersuchungen auf diesem Gebiete be- schränken sich auf das Studium und die Beschreibung zufällig auf- gefundener Gegenstände. Es leuchtet aber, auch bei oberflächlicher Kenntniss der vorliegenden Literatur, ein, dass der wissenschaftliche Werth der Mittheilungen in hohem Grade von der Vollständigkeit des studirten Materiales abhängig ist. Fast jede Monstrosität tritt uns in den mannigfachsten Graden der Ausbildung entgegen, und eine volle Einsicht wird nur gewonnen, wenn diese so zahlreich wie nur irgendwie möglich berücksichtigt werden. Die teratologische Literatur ist äusserst reich an kurzen Beschreibungen einzelner Fälle, und der Natur ihres Vorwurfes gemäss kann sie solcher nicht ent- behren. Daneben aber bilden die ausgedehnteren und eingehenden Erforschungen von in sich geschlossenen Gruppen von Bildungs- abweichungen die Quellen gründlicher Erkenntniss, welche die Grund- lage für die wissenschaftliche Einsicht in die ersteren abgeben. Solchen umfangreichen Studien könnte man den Namen von teratologischen Monographien geben. Um für derartige Monographien das erforderliche Material zu gewinnen, möchte ich nun die Methode der Herstellung erblicher Rassen empfehlen. Ich habe mich durch eine lange Reihe von MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 233 Culturversuchen mit den verschiedensten Bildungsabweichungen überzeugt, dass diese im Allgemeinen erblich sind und sich, bei richtiger Behandlung, mehr oder weniger leicht fixiren lassen. Schon ein geringer Grad von Fixirung liefert aber bereits sehr reich- liches und oft ausreichendes Material für die morphologische Unter- suchung, und’eine Cultur von wenigen Jahren dürfte diesem Zwecke in den meisten Fällen genügen. Die vorliegende Abhandlung hat zur hauptsächlichsten Aufgabe, die Zweckmässigkeit der vorgeschlagenen Methode an einem klaren Beispiele zu zeigen. Zwangsdrehungen sind an zahlreichen Pflanzen- arten und in den verschiedensten Graden der Ausbildung aufgefunden worden; eine wissenschaftliche Erklärung wurde vor fast einem halben Jahrhundert von dem berühmten Morphologen Braun auf- gestellt, und dennoch ist eine klare Einsicht in das Wesen dieser Er- scheinung und in die Merkmale, welche sie von den übrigen Torsionen trennen, noch bei Weitem nicht erreicht worden. Um dazu zu gelangen, bedarf es erstens eines viel reicheren Materiales zu vergleichend morphologischen Studien und zweitens der Verfügung über die nöthigen lebenden Individuen zu physio- logischen Experimenten. Beides kann wohl nur mittelst der Methode der erblichen Rassen erreicht werden. Aber ein geringer Grad der Fixirung genügt, wie bereits hervor- gehoben. Meine Rasse von Dipsacus silvestris torsus lieferte in dritter Generation, bei einem Erblichkeitsgrade von nur etwa 4%, alles zur vorliegenden Untersuchung erforderliche Material. Und ich glaube, dass ich in den wesentlichen Punkten hinreichend voll- ständige Reihen von Beobachtungen und Versuchen gesammelt habe. Darüber wird aber der Leser selbst urtheilen können. 8 2. Geschichte meiner Rasse. Seit vielen Jahren cultivirte ich, zu anderen Zwecken, im bo- tanischen Garten von Amsterdam, unter vielen anderen Gewächsen auch Dipsacus silvestris. Und zwar stets als zweijährige Pflanze. Allerdings wird. diese Art in verschiedenen Floren als einjährig an- gegeben!), ich fand aber in meiner Cultur, unter mehreren Tausen- den von Individuen, nie ein einjähriges. Im Jahre 1885 fand ich in meinem Beete zufällig zwei tordirte Exemplare. Bevor diese zu blühen anfingen, liess ich die sämmt- 1) Koch, Synopsis Florae Germanicae et Helveticae; Grenier et Go- dron, Flore de France. 234 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. lichen übrigen entfernen. Von den beiden gesparten Pflanzen war der Hauptstamm der einen nach rechts, der anderen nach links tordirt. Die Samen dieser beiden Stammeltern meiner Rasse wurden im folgenden Jahre auf zwei grossen Beeten ausgesäet. Als die Pflanzen im Juni 1887 emporschossen, zeigte sich, dass unter 1643 Exemplaren wiederum zwei tordirte waren. Diese waren beide im Hauptstamm nach rechts gedreht, das eine in drei ganzen Windungen bis nahe an den Gipfel des Stengels, das andere viel schwächer und nur im unteren Theile zu etwa 1% Schraubenumgang. Nur diese beiden Individuen liess ich zur Blüthe gelangen. Ihre Samen sammelte ich im October und zwar von jedem getrennt. Unter den nicht tordirten Exemplaren von 1887 fanden sich zwei mit dreigliedrigen Wirteln, die übrigen hatten die normale, decussirte Blattstellung. Sie wurden im Juni zur Hälfte ausgerodet, zur Hälfte dicht über dem Wurzelhals abgeschnitten. Die letzteren trieben darauf, aus den Achseln der Wurzelblätter, zahlreiche und kräftige Sprosse, welche ich gleichfalls nicht zur Blüthe gelangen liess, welche aber ein reichliches Material von kleineren Torsionen und weiteren Bildungsabweichungen lieferten. Im Jahre 1888 fing meine dritte Generation an. Ich wählte dazu nur die Samen von einer der beiden tordirten Pflanzen von 1887 und zwar von der am schönsten gedrehten. Sie wurden auf vier Beeten gesäet. Im Mai 1889, als die Pflanzen zu schiessen anfingen, waren die tordirten leicht zu erkennen. Sie waren 67 an der Zahl. Daneben 46 Exemplare mit dreigliedrigen Wirteln und 1503 mit decussirten Blättern. Im Ganzen also 1616 Exemplare, von denen somit 4,1% tordirt waren. Die Anzahl der tordirten wechselte auf den einzelnen Beeten und erreichte im höchsten Falle’7 0%; Die Drehung war in einigen Stämmen eine rechtsläufige, in anderen linksläufig. Ich untersuchte dieses, nachdem 11 Exemplare zu anderen Zwecken verwandt waren und fand 29 rechts- und 27 linksgedrehte. Also waren beide Richtungen in annähernd gleicher Anzahl vertreten. Von den tordirten Exemplaren wurden mehr als die Hälfte wäh- rend des Wachsthums des Stammes abgeschnitten oder zu Ver- suchen benutzt. Von den übrigen wählte ich, kurze Zeit vor der Blüthe, die vier besten Individuen als Samenträger aus. In diesen erstreckte sich die Torsion des Stammes bis zum höchsten Blatte, und waren an einigen Seitenzweigen gleichfalls Zwangsdrehungen, wenn auch nur in geringem Grade, ausgebildet. Von den Samen- MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 235 trägern schnitt ich vor der Blüthe alle normalen Seitenäste ab und an den übrigen alle noch ganz jungen Nebenknospen. Es gelangten nur die gipfelständige Inflorescenz des Hauptstammes, die Köpfchen zweiten Grades und einige dritten Grades zur Blüthe. Während der Blüthe der Samenträger gelangte kein anderes Exemplar zur Blüthe. Es wurde dadurch die Gefahr einer Kreuzung vermieden. Die Samen reiften im September 1889 und wurden von den vier Samenträgern getrennt, und ferner getrennt von den In- florescenzen ersten, zweiten und dritten Grades eingesammelt. Um aus diesen vier Samenträgern von 1889 denjenigen mit der grössten Erbkraft zur Fortsetzung der Rasse zu wählen, befolgte ich die Methode Vilmorin’s. Ich säete im Jahre 1890 von jedem einen Theil der Samen auf ein besonderes Beet; zwei von diesen Beeten lieferten 10%, die beiden andern 1% und 5% tordirter Individuen; die beiden ersteren sollen somit allein zur Fortsetzung der Rasse dienen. Ich habe jetzt noch über die atavistischen Individuen von 1889 zu berichten. Von diesen wurde im Mai ein Theil ausgerodet, ein grösserer Theil aber dicht am Boden abgeschnitten, um, wie in der vorigen Generation, aus der Wurzelblattrosette neue Triebe zu bilden. Der Erfolg war der erwartete und zwar, dem Fortschritt der Rasse entsprechend, ein besserer als in 1887. Die Ernte lieferte in 1887 auf 1845.und in 1889 auf 820 Zweigen: 1887 20%, Seitenäste mit Abweichungen in der Blattstellung, 1889 29% solcher Seitenäste, 1887 1—2% Seitenäste mit localer Zwangsdrehung, 1889 9°, solcher Seitenäste. Somit ein sehr reichliches Material zu weiteren Studien. Die Zweijährigkeit meiner Rasse würde zur Folge haben, dass ich jedesmal nur im zweiten Jahre Material zur Erforschung der Zwangsdrehung hätte. Ich habe deshalb auch in den Jahren 1887 und 1889 Aussaaten gemacht, um diesem Uebelstande vorzubeugen. Diese Aussaaten lieferten das, namentlich zu physiologischen Ex- perimenten noch gewünschte Material, wurden aber nicht zur Aus- bildung der Rasse benutzt. Durch die beschriebene Cultur ist bewiesen, dass die Zwangs- drehung von Dipsacus silvestris eine erbliche Erscheinung ist, welche sich durch Zuchtwahl fixiren lässt‘). Ferner sieht man, dass in drei 1) Vergl. meine vorläufige Mittheilung in diesem Band, S. 159. 236 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Generationen ein ausreichendes Material für Untersuchungen ge- wonnen werden kann. Ich habe im Laufe der vier letzten Jahre etwa 90 gedrehte Hauptstämme, weit über 100 Seitenzweige mit localer Zwangsdrehung und nahezu 1000 Seitenzweige mit sonstiger abweichender Blattstellung geerntet. 8 3. Beschreibung der typischen Exemplare. Zwischen den Individuen mit dem höchsten Grade der Zwangs- drehung und den Atavisten kommen Uebergänge in allen Stufen der Ausbildung vor. Für das morphologische Studium sind diese viel wichtiger als die Erben selbst; letztere werden daher im Folgen- den in den Hintergrund treten. Ich möchte deshalb hier eine kurze Beschreibung der typischen Erben entwerfen, um zu zeigen, wie weit sich meine Rasse in der dritten Generation ausgebildet hat. Die Erben sind in den ersten Monaten ihres Lebens von den Atavisten nicht zu unterscheiden. Sie haben gewöhnlich zwei, bis- weilen drei Cotylen, und decussirte, bisweilen in dreigliedrigen Wirteln gestellte Wurzelblätter. Häufig fängt die spiralige Stellung der Blätter schon im ersten Sommer an, doch habe ich darauf leider in 1888 noch nicht geachtet. In der in 1889 gekeimten Neben- cultur habe ich aber bereits im ersten Jahre, theils im Hochsommer, theils im Herbst, Rosetten mit spiraliger und dreizähliger Blatt- stellung ausgewählt und alle übrigen ausgerodet. Aus ihnen erhielt ich im Jahre 1890 Stämme mit Zwangsdrehung und mit dreigliedrigen Wirteln, daneben aber auch Rückschläge. Der erste Anfang der spiraligen Blattstellung wird, je nach den Individuen, früher oder später sichtbar. In der Aussaat von 1890 war die spiralige Anord- nung der Blätter im ersten Herbste schon sehr allgemein eingetreten. Ich habe in der jetzigen vierten Generation die erste Auswahl der tordirten Exemplare bereits im Winter vorgenommen und hoffe, solches in späteren Generationen schon im ersten Sommer thun zu können und dadurch im zweiten Jahre stets bedeutend an Raum zu ersparen. Je früher die spiralige Blattstellung sichtbar wird, um so grössere Ansprüche hat die Pflanze offenbar, um als Samenträger gewählt zu werden. f Die in der Rosette der Wurzelblätter aufgetretene spiralige Blattstellung erhält sich, abgesehen von Rückschlägen, bis zur In- florescenz. Dementsprechend wird der Stengel tordirt, indem die sich streckenden Internodien an ihrer Dehnung gehindert werden. Die Blätterspirale wird theilweise entwunden und dabei steiler, um so mehr, je bedeutender das Wachsthum der Internodien ist. Auf MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 237 den ersten Windungen folgt bisweilen ein völlig entwundener Theil der Blattspirale; hier stehen die Blätter in gerader Zeile einseit- wendig. Jedoch war dieses bei meinen Samenträgern noch nicht der Fall. Zu den Rückschlägen rechne ich auch das in 1889 häufig be- obachtete Auftreten eines geraden, gestreckten Internodiums unter- halb der drei obersten Blätter, wie dieses auf Taf. I in Fig. 3 ab- gebildet worden ist. In den vier Samenträgern war aber eine solche Unterbrechung der Zwangsdrehung nicht vorhanden, die Blätter- spirale war eine ununterbrochene. Das Internodium, welches die Inflorescenz trägt, war stets gestreckt und nicht tordirt. Schon Anfang Mai waren die tordirten Exemplare leicht von den übrigen zu unterscheiden. Ein Umstand, der dazu wesentlich beiträgt, ist folgender. Die Blätter verwachsen in einer Spirale; da- durch unterbleibt die Bildung jener Trichter, welche in regnerischen Zeiten mit Wasser gefüllt sind. An solchen Tagen fallen die wasser- losen Exemplare sofort in die Augen. Mitte Mai, bei einer Stammes- länge von etwa einem halben Meter, sind die Erben noch nahezu gleich hoch wie die Atavisten, von da an bleiben sie aber zurück und Ende Mai fallen sie, als Zwerge, zwischen den hoch aufschiessen- den Atavisten schon in grosser Entfernung auf. Dieser Unterschied nimmt bei fortdauernder Streckung der normalen Exemplare stark zu, bis Ende Juni die Atavisten fast zwei Meter Höhe erreicht haben und die Erben, bei einer Stammeslänge von wenig über einem halben Meter, ihre Seitenzweige nur etwa bis zu einem Meter Höhe empor- heben. Die Seitenzweige der tordirten Exemplare waren in der ersten und zweiten Generation normal, oder wenigstens nicht tordirt. In der dritten Generation verhielten sich viele Erben ebenso, an einigen trat aber auch in den Zweigen Zwangsdrehung, wenn auch nur in geringer Ausbildung, auf. Die vier Exemplare, in welchen diese Erscheinung am schönsten entwickelt war, wurden zu Samenträgern ausgewählt. Unter ihnen hatte ein Individuum zwei Zweige mit schöner Torsion, die übrigen nur solche mir geringer Drehung. Daneben hatte jedes einige Zweige mit abweichender Blattstellung. Es zeigte sich dabei, dass sowohl die unteren, wie auch die höchsten Seitenzweige stets normal waren, nur die mittleren trugen die er- wähnten Abweichungen. Solches war, soweit ich dieses untersuchen konnte, an allen Erben, und auch an den dreizähligen Exemplaren und den Atavisten die Regel. Vor der Blüthe schnitt ich von den Samenträgern alle normalen 238 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Zweige, wie erwähnt, ab, und liess ihnen nur die 5 bis 11 mittleren Aeste. Ich hoffe, dadurch die Aussichten auf Verbesserung meiner Rasse erhöht zu haben. Bei der Ausbildung einer neuen Rasse muss man bekanntlich von vornherein ein bestimmtes Ideal vor Augen haben, nach welchem man seine Samenträger wählt. Ununterbrochene Torsion am Haupt- stamm und an allen Seitenzweigen gehört zum Bilde des Monstrums, das ich erreichen möchte!). Eine spiralige Blattstellung in der Rosette von den Cotylen an und eine Erblichkeit von nahezu 100% sind gleichfalls als Anforderungen zu stellen. Nach meinen bis- herigen Erfahrungen an anderen Monstrositäten hoffe ich, diesem Ideal in drei bis vier weiteren Generationen schon ziemlich nahe kommen zu können, aber um es völlig zu erreichen, wird wohl noch eine längere Reihe von Jahren erforderlich sein. Von den in 1889 geernteten Samen der oben beschriebenen vier Exemplare habe ich in 1890 nur einen Theil ausgesät. Eine Probe habe ich meinem verehrten Freunde, Herrn Professor Magnus, zur Cultur im botanischen Garten in Berlin gesandt. Meine diesjährige Cultur (1890—1891) hat eine Beurtheilung der Erbkraft der ein- zelnen Sorten der 1889 geernteten Samen gestattet, und ich werde: jetzt gerne Proben den Herren Fachgenossen zur Verfügung stellen. Bei etwaigen Anfragen bitte ich zu berücksichtigen, dass einstweilen nur auf etwa 10% tordirter Exemplare zu rechnen ist, dass die Culturen somit einen ziemlich grossen Raum erfordern, um Aussicht auf Erfolg zu haben. Zweiter Abschnitt. Die Blattstellung der erblichen Rasse. 81. Die decussirte und die quirlige Blattstellung. Die normalen Pflanzen von Dipsacus silvestris und die Atavisten meiner Rasse haben decussirte Blattstellung. Diese fängt mit den Cotylen an und erhält sich unverändert bis in die Inflorescenz. 1) Die Zwangsdrehung muss sich, in meinem Ideal, bis an die Inflo- rescenz erstrecken, diese muss von ihr nicht durch ein gestrecktes Inter- nodium getrennt bleiben. Dass dieses erreichbar ist, zeigte mir ein Seitenzweig eines dreizähligen Individuums im Sommer 1890. Die Blätter- spirale schloss hier direct an die unterste Schuppe des Involucrums an; die Zwangsdrehung selbst war allerdings noch unterbrochen, das oberste Blatt und die unterste Schuppe waren aber durch eine schmale, aber deutliche Flügellinie über die ganze Länge des kurzen, sie trennenden Internodiums verbunden. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 239 Im Stengel des zweiten Jahres ist sie genau decussirt, wie z. B. aus Fig. 7 auf Taf. II ersichtlich ist. In der Rosette des ersten Jahres würde eine solche Stellung die Blätter in vier Zeilen übereinander stehen lassen und wäre sie somit der Function dieser Organe höchst schädlich. Dieser Gefahr entweicht die Pflanze, indem sie die auf- einanderfolgenden Blattpaare um einen kleinen Winkel dreht. Ich habe dieses in Fig. 8 meiner vorläufigen Mittheilung abgebildet?). Die Blattpaare von Arten mit normaler decussirter Blattstellung werden bisweilen, durch longitudinale Verschiebung, aufgelöst. Da- bei bleibt, wie Delpino lehrte, die Decussation erhalten. Man er- kennt dieses häufig ohne Weiteres, oder aber in der horizontalen Projection der Insertionsstellen der Blätter. An den Seitenzweigen der Atavisten meiner Rasse war diese Erscheinung nicht gerade selten; einen sehr deutlichen Fall habe ich in Fig. 2 auf Taf. VI dargestellt. Zwischen zwei normalen Blattpaaren sieht man hier zwei einzeln stehende Blätter. Denkt man sich aber das trennende Internodium weg, so bilden sie zusammen ein Paar, welches genau mit den beiden anderen decussirt ist. Wegen der Bedeutung, welche solche Fälle für die richtige Beurtheilung der normalen Blatt- stellung unserer Pflanze haben, verweise ich auf Delpino’s bekanntes Werk: Teoria generale della Fillotassi. Die erwähnte Figur zeigt uns zu gleicher Zeit eine andere Er- scheinung, welche in Aesten mit spiraliger Blattstellung viel häufiger auftritt, hier aber in ihrer einfachsten Form zu erkennen ist. Ich meine die Knickung des Stengels an den beiden einblättrigen Knoten. In den gewöhnlichen Knoten bleibt der Stengel gerade, hier biegt er nach der dem Blatte entgegengesetzten Seite aus. Die Ver- änderung der Richtung erreicht im unteren Knoten etwa 35°, im oberen etwa 40°. Aber in anderen Fällen, und namentlich bei spiraliger Blattstellung, kann die Knickung so weit gehen, dass das obere Internodium fest gegen das untere angedrückt wird, die Umbiegung im Knoten also fast 180° beträgt. Eine ganz ähnliche Knickung des Stengels an einblättrigen Knoten kommt bekanntlich bei den Varietates tortuosae vor, z. B. bei Ulmus campestris tortuosa und bei Robinia Pseud-Acacia tortuosa, und ist von Masters für Crataegus oxyacantha*) abgebildet. Den Mechanismus dieser Er- scheinung habe ich nicht untersucht, doch diirfte Dipsacus silvestris torsus zu solchen Studien ein geeigneteres Material abgeben, als 1) Opera V, S. 159, Taf. I. 2) Masters, Vegetable Teratology, S. 317. 240 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. die namhaft gemachten, anscheinend sehr constanten Handels- varietäten. Im ersten Abschnitt habe ich des Vorkommens von Individuen mit dreiblättrigen Wirteln Erwähnung gethan. Auch in diesem Falle ist die Blattstellung bisweilen über den ganzen Stamm dieselbe, indem die Pflanze mit drei Cotylen keimt und die Blätter, sowohl der Rosette als des Stengels, zu je drei zu Wirteln vereinigt sind. Die Blattstellung eines solchen Exemplares habe ich in Fig. 2 auf Taf. II im Querschnitt in geringer Höhe oberhalb des Vegetations- punktes des wachsenden Stengels, zur Vergleichung mit der nachher zu besprechenden spiraligen Anordnung, dargestellt. Auch viergliedrige Blattwirtel kommen bisweilen vor, aber nur vereinzelt, an Hauptstämmen oder Seitenzweigen. Fünf- und sechs- gliedrige Quirle fand ich bis jetzt nur an verbänderten Zweigen (vergl. Abschnitt VII, § 1). Zur Untersuchung der Blattstellung in der Endknospe der Rosette und wachsenden Stengel benutzte ich eine Methode, welche ihrer Einfachheit wegen sich für ähnliche Fälle empfehlen dürfte. Die Knospen werden, nach Entfernung der äusseren Blätter, in Alkohol gehärtet und darauf in Glycerin-Gelatine eingebettet, um die Zwischenräume zwischen den jungen Blättchen zu füllen und diese in ihrer normalen Lage aneinander zu befestigen. Die mit Alkohol durchtränkten Knospen werden dazu einfach in die erwärmte, flüssige Mischung gebracht, worauf ich den Alkohol mittelst einer Luftpumpe ein Paar Male aufkochen lasse. Dadurch wird die Flüssigkeit zwischen den Blättern, sowie etwa noch vorhandene Luft entfernt, beim lang- samen Oeffnen des Hahnes dringt das warme Glycerin-Gelatin in die sämmtlichen Zwischenräume ein. Man giesst nun aus, lässt er- kalten und bringt die Knospe in eine Mischung von etwa gleichen Theilen Alkohol und Glycerin. Ist die Gelatine hierin hinreichend entwässert, so klebt sie nicht mehr an das Messer, ist aber noch so weich, dass sie sich, mit sammt der Knospe, sehr leicht schneiden lässt. Mit einem Handmicrotom werden jetzt Schnitte von 0,1 bis 0,2 mm Dicke gemacht, welche, reihenweise auf Objectträgern auf- geklebt und mit Glycerin überdeckt, dem Zwecke völlig genügen. Nach solchen Präparaten sind die meisten Zeichnungen auf den Tafeln II—IV mit der Camera lucida entworfen worden. Zu bemerken ist noch, dass ich die Injectionen in einem dick- wandigen Röhrchen von der Grösse eines gewöhnlichen Reagenz- rohres vornehme. Dieses steht durch ein Rohr von Kautschuk mit dem Hahne der Luftpumpe in Verbindung und wird während der MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 241 Operation in ein Glas mit warmem Wasser gestellt. Mittelst eines Stückchens Messinggases werden die Knospen in der Mischung untergehalten. Man kann gleichzeitig mehrere Knospen injiciren. Auch kann man die injicirten Knospen mittelst Glycerin-Gelatine auf flache Korke kleben und darauf in Alkohol-Glycerin härten. Kleine Knospen sind dann leichter zu handhaben. Klebt man einige Knospen neben einander, so Kann man sie gleichzeitig schneiden. § 2. Die spiralige Blattstellung. Eines der Hauptresultate meiner Untersuchung ist der Satz, dass Zwangsdrehungen bei meinem Dipsacus silvestris torsus nur an Achsen mit spiraliger Blattstellung auftreten, und dass diese Anordnung bereits in der Knospe, lange vor dem ersten Anfange der Torsion, obwaltet. Dass an den tordirten Zweigen die erwachsenen Blätter in einer Spirale stehen, leuchtet, bei kräftiger Ausbildung der Zwangsdrehung, stets auf dem ersten Blick ein; für die Fälle geringerer Drehung werde ich diesen Punkt im vierten Abschnitt besprechen. Aber die Spirale am tordirten Stengel ist nicht mehr die ursprüngliche, denn sie ist gerade durch die Drehung theilweise entwunden. Es ist so- mit notwendig, sie zuerst in ihrem anfänglichen Zustande zu studiren, um zu erforschen, wie sie sich verhält, bevor sie durch die Torsion verändert wird. Dieses ist die Aufgabe des vorliegenden Paragraphen. Er zer- fällt in zwei Theile, deren einer die spiralige Blattstellung in den Rosetten der Wurzelblätter behandelt, während der zweite dieselbe Erscheinung in den Endknospen der sich streckenden Stämme des zweiten Jahres verfolgt. In meiner Nebencultur von 1889 habe ich im Laufe des Sommers und des Herbstes in mehreren Rosetten von Wurzelblättern eine Aenderung der anfänglich decussirten Blattstellung in die spiralige beobachtet. Wenn man einmal darauf aufmerksam geworden ist, lässt sich die neue Anordnung leicht ermitteln. An einem Indivi- duum, welches mit drei Cotylen keimte, beobachtete ich im Juli 1889 die erste Andeutung der spiraligen Blattstellung, nachdem fünf dreigliedrige Wirtel ausgebildet waren. Ich maass auf dem Felde die Wirtel zwischen den drei Blättern, welche bei ungeänderter Blattstellung den sechsten Quirl gebildet haben müssten. Ich fand aber 2/, eines Umkreises (also etwa 144°), was der Blattstellung 5/,, für eine so ungenaue Messung hinreichend entspricht. Die 16 242 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Spirale war eine oana Anordnung blieb eine spiralige bis in den nächsten Frühling, der aufschiessende Stengel aber trug nur dreigliedrige Blattwirtel. Im weiteren Laufe desselben Sommers bis in den Herbst trat die spiralige Blattstellung noch in zehn Rosetten auf, welche mit decussirten Blättern angefangen hatten. Die Anordnung entsprach wieder der Formel 5/44. Mehrere von diesen Exemplaren hatten in 1890 tordirte Stämme. Für die Untersuchung der Blattstellung in der Endknospe tor- dirender Stämme war ich in der Lage, ein ziemlich bedeutendes Material zu opfern. Einige Exemplare untersuchte ich sofort, von einem Dutzend brachte ich im Mai 1890 die Gipfel in Alkohol, um davon im Winter vollständige Schnittserien herzustellen. Von diesen waren sechs links- und sechs rechtsgedrehte. Sie waren so weit entwickelt, dass wohl alle Blätter angelegt waren, in einigen war bereits der erste Anfang der Anlage der Blüthenknospe in den be- treffenden Präparaten sichtbar. Ferner legte ich im Frühling 1890 einige tordirende Stämme mit ihren sämmtlichen Blättern in Al- kohol ein, sowie einige andere zu besonderen Zwecken. Endlich nahm ich zu dieser Untersuchung. einige Rosetten mit spiraliger Blattstellung. Mit einer einzigen Ausnahme (Fig. 9 auf Taf. II) erhielt sich in allen diesen, und namentlich in elf zu vollständigen Schnittserien verarbeiteten Exemplaren, die spiralige Anordnung bis in die jüngsten noch zu erkennenden Blattanlagen (vergl. Taf. II, Fig. 1, 3, 4, 5, Taf. III, Fig. 1A, 2 u.s.w.). Auch war der Blattwinkel, nach Augenmaass, überall derselbe, und zwar von den jüngsten Anlagen an bis zu jenen Blättern, an deren Basis die Torsion des Stengels gerade anfing. Um den Blattwinkel möglichst genau kennen zu lernen, wählte ich aus den namhaft gemachten elf Schnittserien die Schnitte, welche gerade den Vegetationskegel des Stammes enthielten. Ich maass den Winkel zwischen einer der jüngsten Anlagen, meist der dritten bis fünften, und einem der ältesten Blättchen, und wählte diese beiden derart, dass sie eine möglichst sichere Messung ge- statteten. In der Spirale zählte ich nun die Blattwinkel und die Umgänge zwischen diesen beiden Endpunkten; aus diesen Werthen lässt sich offenbar die mittlere Grösse des Blattwinkels berechnen. Ich erhielt die folgenden Zahlen: MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 243 A. Links gedrehte Individuen. Zahl der Blattwinkel. Gesammtgrösse. Mittlere Werth. No. 1 8 3 x 360° + 25° 138° 5 No. 2 10 4 x 360° — 55° 138° 30’ No. 3 10 4 x 360° — 65° 137°. 30: No. 4 9 3 x 360° + 160° 137° 45’ No. 5 11 4 x 360° + 75° 137° 40’ No. 6 — an 137° ba. B. Rechts gedrehte Individuen. No. 7 11 4 x 360° + 90° 1399 6’ No. 8 10 4 x 360° — 75° 136° 30’ No. 9 8 3 x 360° + 40° 140° 0’ No. 10 4 2 x 360° — 165° 138° 45’ No. 11 8 4 x 360°— 25° 138° 30’ Der mittlere Blattwinkel ist somit 138° 10’. Vergleichen wir diese Zahl mit den bekannten Werthen der so- genannten Hauptreihe der Blattstellungen 1): 1/, — 180° 1], = 120° 2/, = 144° 3, — 135° "lis TE 138° 13 Sa, = 13T, Grenzwerth = 131223: 28”, Wir dürfen daraus folgern, dass die Blattstellung unserer tor- dirten Exemplare, von Anfang der Drehung, der Formel °/,, hin- reichend genau entspricht, um diese zu ihrer Bezeichnung zu wählen. Ich habe dieses Resultat auf Taf. II in den Fig. 3—5 bildlich dargestellt. Sie sind drei verschiedenen Individuen entnommen, Fig. 3 und 4 rechts, Fig.5 links gedreht. Der Schnitt Fig. 3 ist 1,4 mm oberhalb des Vegetationspunktes aus der betreffenden Serie gewählt; Fig. 5 enthält diesen Theil in seiner Mitte. In dem Stengel, welchem die Fig. 4 entnommen worden ist, war, wie man sieht, die Anlage des Blüthenköpfchens schon angefangen. Auf die An- ordnung der Bracteen habe ich nicht geachtet. Der Winkel zwischen den jüngsten aus obiger Tabelle ausge- schlossenen Blattanlagen lässt sich nicht so genau messen. Es war ı) Vergl. Hofmeister, Allgemeine Morphologie, S. 447. 244 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. aber wichtig, zu entscheiden, ob er in runder Zahl annähernd 140°, entsprechend 5/,3, oder 120°, entsprechend dem Winkel im drei- gliedrigen Blattquirl war. Dieses war leicht zu beobachten. Ich maass ihn für sieben Individuen zwischen der jüngsten und der zweiten und zwischen der zweiten und der dritten Anlage und fand ihn stets annähernd = 140°. In einigen dieser Stämme war das Capitulum eben angelegt, in anderen aber noch nicht. Die spiralige Blattstellung in den Rosetten des ersten Jahres ist dieselbe, wie die in der Endknospe des wachsenden Stengels. Auf Taf. II ist in Fig. 1 das Centrum einer solchen Rosette ab- gebildet. Die Spirale war eine linksläufige, die Pflanze sehr gross und schön entwickelt. Sie wurde Ende December 1889 aus dem Beete genommen und in Alkohol eingelegt. Die Figur ist aus einer Serie von Microtomschnitten gewählt. Der Winkel zwischen den Blättern No.3 und No, 16 ist 2200 + > ask hinreichend genau mit der Formel 5/,, überein. Die spiralige Anordnung der Blätter in der Endknospe der tor- direnden Individuen erhielt sich in allen untersuchten Fällen, mit der erwähnten Ausnahme (Taf. II, Fig. 9; vergl. den folgenden §) bis zum Gipfel. Vergleichen wir mit dieser Thatsache den Befund an denjenigen tordirenden Individuen, welche ich bis zur vollen Entwickelung ihres Hauptstammes auf den Beeten stehen liess. Ihre Zahl betrug 35 (Mitte Juni 1889). Unter diesen Individuen erstreckte sich die Zwangsdrehung un- unterbrochen bis in das höchste Blatt in zehn Fällen, während in 24 anderen Exemplaren sich eine Unterbrechung zwischen dem dritten und vierten Blatte (von oben herab gezählt) zeigte. Aber auch hier standen alle Blätter in spiraliger Anordnung, und war die Torsion bis zur Unterbrechung schön entwickelt. In einem Indi- viduum folgte auf dem tordirten Stammtheile ein gestreckter Gipfel von über 1 m Länge mit vier echten dreigliedrigen Quirlen. Dieses entsprach somit dem in Fig. 9 auf Taf. II abgebildeten Falle. Wir dürfen nun wohl schliessen, dass die Anordnung der Blätter in der Endknospe der gesparten Individuen dieselbe war wie in den auf’s Geradewohl herausgegriffenen mikroskopisch untersuchten Exemplaren. M. a. W. die am tordirten Stamm spiralig gestellten Blätter sind am Vegetationspunkt gleichfalls in spiraliger An- ordnung, und zwar mit °/,,-Stellung, angelegt worden. Dieser von Braun theoretisch gefolgerte, von Klebahn in einem Falle, bei Galium Mollugo bestätigt gefundene Satz bildet bekannt- — 140°, stimmt also MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 245 lich die Grundlage der mechanischen Erklärung der echten Zwangs- drehungen. Wir werden ihn im vierten Abschnitt zur Herleitung der zahlreichen Typen localer und unterbrochener Zwangsdrehung benutzen. § 3. Das Wechseln der Blattstellung an demselben Individuum. An normalen Pflanzen von Dipsacus silvestris erhält sich die decussirte Blattstellung bekanntlich von den Cotylen bis in die Inflorescenz und in allen Zweigen. Dasselbe gilt selbstverständlich von den vollkommenen Atavisten meiner Rasse. In allen übrigen Individuen meiner Rasse fehlt diese Gleichförmig- keit der Blattstellung. Fast ohne Ausnahme wechselt sie im Laufe der Entwickelung der Hauptachse wenigstens einmal, und ebenso ändert sie sich beim Uebergang des Stammes auf die Zweige und in diesen selbst. Es ist sowohl für die Beurtheilung des jetzigen Entwickelungsgrades meiner Rasse, als für die klare Einsicht in die morphologischen Verhältnisse, welche die geringeren Grade der Zwangsdrehung aufweisen, von Interesse, diesen Satz durch einige Beispiele und Einzelangaben zu erläutern. Ich werde dabei die drei namhaft gemachten Fälle besonders besprechen und fange mit dem Wechseln der Blattstellung am Hauptstamme selbst an. Einige solche Fälle sind bereits im vorigen Paragraphen erwähnt worden, sollen hier aber genauer beschrieben werden. Die Samen meiner Rasse keimen in der Regel mit zwei Samen- lappen. Die jungen Pflanzen entwickeln in diesem Falle ihre ersten Blätter ohne Ausnahme in decussirten Blattpaaren, auch wenn sie später wirtelige oder spiralige Blattstellung haben werden. Diese Veränderung kann, wie bereits hervorgehoben, im ersten Sommer anfangen. Unter 50 Rosetten, welche Mitte Juli 1889 noch genau decussirte Blätter hatten, fand ich im October sieben dreizählige Individuen und zehn mit spiraliger Blattstellung; die neue Anord- nung erhielt sich in den meisten Exemplaren im nächsten Jahre bis an die Inflorescenz. Unter 80 Rosetten eines anderen Beetes, welche damals (October 1889) noch ganz decussirt waren, entwickelte im folgenden Frühling eine Pflanze einen tordirten und eine andere einen dreizähligen Stamm. Bisweilen, aber wie es scheint im Ganzen selten, geht die einmal erreichte spiralige Blattstellung später wieder verloren. In solchen Fällen traten dreiblättrige Wirtel an ihre Stelle. Ein Beispiel giebt die Fig. 9 auf Taf. II, welche aus einer Serie von Schnitten durch die Endknospe eines im Mai 1889 in Alkohol gebrachten, von der 246 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Basis bis zur Knospe tordirten Individuums gewählt wurde. Es ist dieses die im vorigen Paragraphen einige Male genannte Aus- nahme. Die vier äusseren, unteren Blätter stehen in spiraliger An- ordnung mit dem üblichen Divergenzwinkel, die übrigen aber in dreigliedrigen Quirlen, deren ersterer die Blätter 5, 6 und 7, deren zweiter die Nummern 8, 9 und 10 umfasst. Das Grenzblatt 5 ist ge- spalten, die kleinere Hälfte steht dort, wo der Anschluss an Blatt 4, die grössere dort, wo der Anschluss an Blatt 6 dieses fordern würde *). Im Ganzen sind ausser dem Grenzwirtel vier dreigliedrige Quirle angelegt worden. Genau denselben Fall beobachtete ich an einer erwachsenen, kurze Zeit vor der Blüthe ausgerissenen Pflanze. Die Pflanze war 1,40 m hoch, der tordirte Theil des Stammes 30 cm, der gestreckte 110 cm lang. Die Blätterspirale lief rechts um den Stengel herum, der gestreckte Theil hatte einen Grenzquirl und vier völlig normale dreigliedrige Blattquirle in etwa gleichen gegenseitigen Entfernungen. Aehnlich wie diese beiden Beispiele verhielten sich noch einige andere Exemplare. Keimpflanzen mit drei Samenlappen pflegen auch ihre ersten Blätter in dreigliedrigen Quirlen zu stellen. Ich beobachtete eine, welche nach vier solcher Quirle zur Decussation zurückkehrte und eine andere, welche nach sechs Quirlen zur spiraligen Anordnung schritt, diese bis in den Winter erhielt, im nächsten Frühling aber einen dreizähligen Stamm hervorbrachte. Keimpflanzen mit einem gespaltenen Cotyl entwickelten bis jetzt nur decussirte Blätter. So viel über den Wechsel der Blattstellung am Hauptstamm. Wenn es erlaubt ist, in Hinsicht auf den Zweck meiner Cultur, die wirtelige Blattstellung als eine niedrigere Stufe der Variation zu betrachten als die spiralige, so lässt sich über die Blattstellung der Zweige in Bezug auf die Hauptachse sagen, dass sie fast stets mehr oder weniger zurückschlägt. Decussation ist an ihnen die Regel, sowohl bei tordirenden als bei dreizähligen Stengeln; drei- zählige Zweige sind an beiden Arten von Individuen verhältniss- mässig selten, und solche mit ausschliesslich spiraliger Anordnung habe ich bis jetzt noch nicht gefunden. Für die Seitenzweige tor- dirter Stämme habe ich die beiden Verhältnisse in den Nebenfiguren 6 u. 8 auf Taf. II abgebildet, dasselbe erhellt aus mehreren Figuren auf Taf. III. ı) Der Winkel zwischen 4 und der benachbarten Blatthälfte von 5 beträgt etwa 140°, der zwischen 6 und der anderen Blatthälfte von 5 etwa 120°, MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 247 Die Zweige selbst haben häufig wechselnde Blattstellung und zwar in den mannigfachsten Gruppirungen. Sehr gewöhnlich fangen sie an ihrer Basis mit decussirten Blättern an und schreiten dann höher hinauf zur wirteligen oder zur spiraligen Anordnung, um diese meist, doch nicht immer, bis zu ihrem Gipfel zu behalten. Ich habe ausgedehnte Tabellen über diesen Wechsel gemacht, halte es aber für überflüssig sie hier zu reproduciren. Dritter Abschnitt. Der innere Bau des tordirten Stengels. § 1. Die gürtelförmigen Gefässstrang-Verbindungen der Blätter. In normalen Pflanzen von Dipsacus silvestris sind die Blätter jedes einzelnen Blattpaares mit einander durch breite Flügel zu jenen bekannten Behältern des Regenwassers verwachsen. Jedes Blatt umfasst dabei den halben Umfang des Stengels. In dreizähligen Exemplaren verbinden sich die drei Blätter des Quirls in derselben Weise; jedes Blatt umfasst ein Drittel des Stengels. Bei spiraliger Anlage der Blätter am Vegetationspunkt ver- wachsen die benachbarten Blätter auf dem kürzesten Wege gleich- falls und wiederum in genau derselben Weise mit einander. Jedes Blatt umfasst nun °/,, des Stengelumfanges und wird dabei durch die Verbindung mit dem nächstunteren und dem nächstoberen Blatte ein wenig schiefgestellt. Die Verwachsung ist hier, wie bei den decussirten und dreigliedrigen Individuen, eine congenitale. Es leuchtet ein, dass diese Verhältnisse zur Folge haben müssen, dass die sämmtlichen, am Vegetationskegel in spiraliger Anordnung angelegten Blätter zu einem einzigen Bande verwachsen. Man sieht dieses am schönsten, wenn man während des Wachsthums die sämmtlichen Blätter eines Stammes in einer horizontalen Ebene in der Höhe des Vegetationspunktes durchschneidet. Die Fig. 5 auf Taf. IV stellt ein solches Präparat in natürlicher Grösse dar. Der Flügel ist zwischen dem ersten und dem zweiten Blatte oberhalb der Verbindung getroffen, von Blatt 2 bis 11 in dieser, in den jüngsten Blättern wiederum oberhalb der hier erst eben angelegten Flügel- verbindung. In den Figuren auf Taf. II u. IIl sind die Blätter gleichfalls zumeist oberhalb dieses Theiles geschnitten. Die Verwachsung der Blätter zu einer ununterbrochenen Spirale übt selbstverständlich auf den Bau des Stengels einen tiefgreifenden Einfluss aus. Zwei Punkte fallen dabei besonders auf und sollen deshalb in diesem und dem nächsten Paragraphen besprochen werden. 248 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Es sind dieses dieGefässbündelverbindungen der benachbarten Blätter und die Diaphragmen der jetzt aufgelösten Knoten. Die gürtelförmigen Gefässstrangverbindungen, welche namentlich bei den Dipsaceen, Valerianeen und Rubiaceen vorkommen, sind von Hanstein ausführlich beschrieben und auch für die normalen Stengel von Dipsacus silvestris abgebildet worden*). Bei dieser Art sind sie nach Hanstein besonders leicht zu sehen und sehr vollkommen aus- gebildet, die Blattscheiden enthalten zahlreiche Nebenstränge aus der Seitenverbindung zwischen den beiden benachbarten Blättern. Die gegenseitigen Verbindungen der Stränge eines und desselben Blattes im Gürtel nennt er Rückenstücke des Gürtels. Eine genaue Kenntnis dieser Verhältnisse ist namentlich für das Studium der Unterbrechungen erforderlich, welche so häufig in den Zwangsdrehungen der Hauptstämme und der Aeste auftreten. Ich will sie deshalb hier eingehend schildern. Sie sind für die tordiren- den Individuen nicht wesentlich anders als für die normalen. Auf Taf. IV habe ich in Fig. 2 eine Projection des Gürtels für ein normales Blattpaar nach einer Serie von Querschnitten ent- worfen. Bei m und m’ sieht man die dicken mittleren Nerven, der innere Kreis, welcher diese verbindet, soll den von den höheren Knoten herabsteigenden Kreis von Gefässbündeln andeuten. Ausser dem medianen treten in jedes Blatt noch einige weitere Stränge über, welche einander parallel im fleischigen Mittelnerven emporsteigen. Diese sind mit a, b und c bezeichnet; c sind die rand- ständigen Gefässbündel jenes Nerven. Die Bündel a und b sind bis- weilen unter sich verbunden, bisweilen aber nicht. Die Randbündel c sind stets unter sich vereinigt und geben ferner den Strangbogen ab, welcher von einem Blatte bis zum anderen geht, und aus denen die feineren Nerven des Flügels entspringen. Diese Verhältnisse erscheinen noch deutlicher in der Seitenansicht. In Fig. 3 auf derselben Tafel ist in natürlicher Grösse die Verbin- dung der Basen zweier Blätter von einem tordirenden Stamme ab- gebildet. Die Blätter waren noch jung, hatten etwa ihre halbe end- gültige Länge erreicht, die Torsion hatte an ihrem Grunde schon angefangen. Sie bildeten einen Theil einer nach links gedrehten Spirale; p ist somit die obere Kante des Mittelnerven des unteren, q die untere Kante des Nerven des oberen Blattes. Zwischen p und q ist der dünne Flügel ausgebreitet. ; 1) J. Hanstein, Ueber gürtelförmige Gefässstrangverbindungen im Stengel- knoten dikotyler Gewächse. Abh. d. k. Akad. d. Wiss. Berlin 1857, S.77—98, Taf. I—IV. Für Dipsacus silvestris siehe S. 85 und Taf. III, Fig. 26 u. 27. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 249 Die medianen Nerven m, m’ sind frei und nicht mit den übrigen verbunden. a und a’ sind die benachbarten, wie in Fig. 2 nach oben gespaltenen Stränge, c und c’ die Randbündel. Diese sind unter sich mit a und a’ durch starke Bogen vereinigt, welche zusammen den Gürtel bilden. Aus dem Gürtel entspringen die secundären Randbündel in den fleischigen Mittelnerven, sowie die feinen Stränge im Flügel. Diese Verbindungen sind bereits angelegt und zu bedeutender Stärke herangewachsen, bevor die Torsion im Stengel anfängt. Man sieht dieses an Präparaten aus jüngeren Blättern. Ich stellte dazu Tangentialschnitte der Blattbasen aus Alkoholmaterial her, und machte diese mit Kreosot durchsichtig. Einem solchen Schnitte ist die Fig.9 auf Taf. IV entnommen. Um das Alter der Blätter genau zu kennen, machte ich dieses Präparat aus dem Stengel, dessen Blättergruppirung in der Fig. 5 auf derselben Tafel dargestellt worden ist. Ich wählte die als No. 12 und 13 bezeichneten Blätter; an ihrem Grunde hatte der Stengel noch keine Spur von Torsion. Man sieht die Stränge und ihre Verbindungen zwar in einfacherer Ausbildung wie in Fig. 3, aber doch der Hauptsache nach vollendet. Auf den Querschnitten meiner Mikrotomserien traf ich die gürtel- förmige Verbindung zwischen den Blättern der tordirenden Stämme regelmässig an. Sie ist z.B. in Fig. 12B auf Taf. IV bei s’ abgebildet worden. Es war in diesen Präparaten stets deutlich zu erkennen, dass die Gürtel ausserhalb des Gefässbündelkreises des Stengels liegen und somit noch zu den Blättern zu rechnen sind. Es ist dieses von Wichtigkeit für die experimentelle Beantwortung der Frage nach ihrer Bedeutung für das Zustandekommen der Torsion (vergl. Abschn. V, 8 2). Zum Schlusse verweise ich noch auf die Fig. 10 auf Taf. IV. Sie ist nach einem Spiritus-Präparate in natürlicher Grösse gezeichnet. Das Präparat war ein tordirender Stengel, der während des kräf- tigsten Wachsthums abgeschnitten worden war. Er wurde in der Richtung der spiralig verlaufenden Längsreihen aufgeschnitten, die sämmtlichen Blätter dicht an ihrer Basis entfernt, und darauf das Ganze in Wasser von 90° C. getödtet und erschlafft. Er liess sich jetzt leicht entwinden und flachlegen und wurde nun, zwischen zwei Glasplatten geklemmt, in Alkohol gehärtet. Der mit 0,02 Theilen Salzsäure versetzte Spiritus machte das Präparat völlig weiss und liess die Gefässbündel deutlich hervortreten. In der Zeichnung sind die Achselknospen als dunkle Kreise ein- getragen. Von ihnen läuft ein dicker, medianer Blattspurstrang 250 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. herab bis zum nächsten Schraubenumgange. Die Linie, in der die Blätter abgetrennt sind, machte ich wellig, um die den einzelnen Blättern, sowie die den Flügelverbindungen entsprechenden Theile deutlicher erkennen zu lassen. Die gürtelförmigen Gefässstrang- verbindungen mit ihrem eigenthümlichen Formenreichthum springen sofort in die Augen. $2. Das Diaphragma der Knoten. Der Stengel von Dipsacus silvestris ist hohl, die Höhlung in jedem Knoten von einem Diaphragma unterbrochen. Dieses letztere ent- hält keine Gefässbündel. Schneidet man tordirte Stämme auf, so sind sie gleichfalls hohl, die Höhlung ist aber eine ununterbrochene. Dagegen läuft eine ins Innere hervorspringende Leiste als eine Wendeltreppe den Seiten des Hohlcylinders entlang. Sie entspricht genau der Insertion der Blätter- spirale und ist somit als die Vereinigung der Diaphragmastücke der einzelnen Blätter zu betrachten. Noch schöner als im ausgewachsenen Stengel ist diese Erschei- nung auf Schnitten aus den Gipfeln noch wachsender Exemplare zu beobachten. Es empfiehlt sich dabei, nicht einen genau medianen Längsschnitt zu machen, sondern in tangentialer Richtung auf einer Seite soviel wegzunehmen, dass die Höhlung gerade überall erreicht wird. Ein solches Präparat ist in natürlicher Grösse in Fig. 7 auf Taf. IV dargestellt worden. Die Blätterspirale war eine linksläufige. Man sieht das schraubige Band in der Höhlung, auf der vorderen Seite der Windungen vom Schnitt getroffen, auf der hinteren Seite im Grunde des hohlen Stengels. Man erkennt deutlich, wie die Windungen der Schrauben nach oben allmählig weniger steil werden und wie sie der äusseren Blattspirale genau entsprechen. In den Querschnitten des wachsenden Gipfels zeigt sich die Dia- phragmenleiste als eine hervorragende Partie, deren breiteste Stelle in der Mediane eines Blattes liegt, wenn dieses gerade in der Mitte seiner Insertion getroffen wurde. Man erkennt dieses in den Fi- guren 6 und 8 auf Taf. IV. Vergleiche auch die einer jüngeren Partie entnommene Fig. 8 auf Taf. II. Ich möchte hier die Blätterspirale unseres Dipsacus silvestris torsus mit den normalen spiraligen Blattstellungen anderer Pflanzen ver- gleichen. Ich wähle dazu als Beispiel die Umbelliferen. Hier trägt jeder Knoten nur ein Blatt. Dieses aber umfasst den Stengel und schliesst seine beiden Ränder aneinander an, statt sich mit seinen beiden Nachbarn zu verbinden. Dementsprechend entsteht das . MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 251 Diaphragma als quere Wand im Stengel und können die Internodien sich ungehindert strecken. Genau so verhält es sich bei unserem Dipsacus, wenn die Blatt- paare aufgelöst werden, ohne Aufhebung der decussirten Blatt- stellung. Ich habe diese Erscheinung bereits oben (Abschn. II, § 1) beschrieben und verweise auf die dort citirte Fig. 2 auf Taf. VI. In diesem Zweige sind allerdings die betreffenden Blätter bei Weitem nicht stengelumfassend, auch fehlten in der Höhlung des Stengels die ihnen entsprechenden Querwände. Da aber der gegenseitige Ver- band der beiden Blätter aufgehoben ist, hat sich das zwischen- geschobene Internodium strecken können und hat es keine Torsion erfahren. Die spiralige Blattstellung an sich bedingt somit offenbar noch keine Zwangsdrehung, dazu ist überdies die Verwachsung der Blätter, wie sie bei Arten mit opponirten Blättern üblich ist, aber den Pflanzen mit gewöhnlichen zerstreuten Blättern fehlt, wie es scheint, uner- lässlich. Vierter Abschnitt. Die unterbrochene Zwangsdrehung. § 1. Beschreibung und Herleitung dieser Erscheinung. In den beiden ersten Abschnitten wurde der Umstand erwähnt, dass viele gedrehte Stämme meiner Cultur unterhalb der drei obersten Blätter ein gestrecktes Internodium hatten. Zwischen jenen drei Blättern wiederholte sich dann aber die Torsion in grösserem oder geringerem Grade. Man kann das gestreckte Internodium somit als eine Unterbrechung der Zwangsdrehung betrachten. Solche Unterbrechungen kommen auch sonst häufig vor, nament- lich in den Aesten. Einen sehr schönen Fall eines Hauptstammes habe ich auf Taf. I in Fig. 1 dargestellt. Die Unterbrechung liegt hier fast genau in der Mitte. Oberhalb und unterhalb der beiden ge- streckten Internodien (a, g, f) ist die Zwangsdrehung im vollsten Maasse ausgebildet, auf der oberen Seite sogar bis zur völligen Auf- richtung der Blattspirale zu einer geraden Längszeile. Bei diesen Unterbrechungen ist die Richtung der Blätterspirale stets oberhalb und unterhalb jener Stelle dieselbe, wie auch in der citirten Figur ersichtlich ist. Ich hebe dieses besonders hervor, weil in anderen Fällen von Torsionen, welche keine Zwangsdrehungen im Sinne Braun’s sind, die Unterbrechung ganz gewöhnlich mit einer Umdrehung der Richtung zusammenfällt und in dieser letzteren ihre Ursache hat. 252 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Viele Beispiele von unterbrochenen Zwangsdrehungen werde ich in den folgenden Paragraphen dieses Abschnittes zu erwähnen haben. Um sie zu begreifen und die sie begleitenden Bildungsabweichungen zu verstehen, scheint es mir unerlässlich, sich eine klare Vorstellung zu machen, wie sie zu Stande kommen. Zwangsdrehungen kommen bei meinem Dipsacus nur vor an Stengeln mit spiraliger Blattstellung, und diese Blattstellung tritt, soweit meine Untersuchungen reichen, schon bei der ersten Anlage am Vegetationskegel auf, wie in Abschnitt II, $2 dargethan wurde. Wir haben uns somit die Frage vorzulegen, was aus einer Endknospe mit spiraliger Anordnung der Blätter werden kann. Ich verweise dabei wiederum auf die Fig. 3, 4 und 5 auf Taf. 11. Betrachten wir zunächst den typischen Fall von Zwangsdrehung, aber ohne Unterbrechung. Am Vegetationskegel fehlt die Torsion, die Blätter sind hier in der beschriebenen Weise unter sich zu einer Spirale mit dem Divergenzwinkel °/,, verbunden. Die Drehung fängt erst an, sobald die Internodien sich bedeutend zu strecken beginnen. Die Torsion entwindet dabei die Blätterspirale mehr oder weniger vollständig, und das Wachsthum des Stengels dehnt die Insertionen der Blätter mehr oder weniger aus, ohne sie aber von einander zu entfernen. Die Riefen des Stengels stellen sich dabei um so schiefer, je kräftiger an der betreffenden Stelle das Längenwachsthum ist und je vollständiger die Blätterreihe entwunden und aufgerichtet wird. Auf die ursächlichen Beziehungen dieses Vorganges werde ich erst im folgenden Abschnitt einzugehen haben, hier möge die ge- gebene, möglichst objectiv gehaltene Darstellung genügen. Ich komme jetzt zu den möglichen Abweichungen in diesem Vor- gang und erinnere nochmals, dass ich dabei stets die spiralige An- ordnung der Blattanlagen in der Knospe als gegeben voraussetze. Nehmen wir zunächst an, dass an irgend einer Stelle die Ver- bindung zwischen zwei benachbarten Blättern verfehlt werde. Ober- halb und unterhalb dieser Stelle wird die Zwangsdrehung sich in der üblichen Weise ausbilden. An der Fehlstelle selbst wird aber keine Ursache zu irgend welcher Abweichung vom normalen Wachsthum vorhanden sein. Hier wird somit der Stengel sich in der üblichen Weise strekken können und es wird ein gewöhnliches Internodium entstehen. Nach diesem Prinzipe finden die Unterbrechungen in den Zwangs- drehungen eine sehr einfache Erklärung. Doch ist es keineswegs für ihre Entstehung erforderlich, dass die MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 253 Verbindung zweier Nachbarblätter in der Knospe vollständig fehl- schlage. Es reicht offenbar aus, anzunehmen, dass diese Verbindung nur an der fraglichen Stelle schwächer sei, als die Kräfte, welche gerade dort die Streckung des Stengels herbeiführen würden. Wo diese Annahme zutrifft, wird offenbar die einmal angelegte Verbindung beim Wachsthum zerrissen oder doch in ungewohnter Weise-ausgedehnt werden. Vielleicht wird sie auch anfangs gedehnt und nachher zerrissen werden. Welche Folgen wird dieser, vorläufig nur hypothetisch ange- nommene, Vorgang haben, und woran wird er im ausgewachsenen Sprosse noch zu erkennen sein ? Erstens die einfache Ausdehnung. Zwischen den beiden Partien der Zwangsdrehung wird sich ein mehr oder weniger gestrecktes Internodium finden. Auf diesem werden aber die beiden Blätter, welche durch sein Wachsthum von einander entfernt wurden, noch verbunden sein. Der Blattflügel wird sich vom einen bis zum anderen erstrecken. Und zwar, wenn das Internodium nicht gedreht ist, in einer geraden Linie, welche die anodische Seite des unteren mit der katodischen Seite des oberen Grenzblattes vereinigt. Der Deh- nung entsprechend wird der Flügel nur schmal sein. Solche Flügel nun waren in meiner Cultur im Sommer 1889 keineswegs selten, namentlich wenn das zwischengeschobene Inter- nodium kein sehr langes war. Viel häufiger muss aber der Flügel zerrissen werden, da er offenbar nicht für eine solche Ausdehnung angelegt wird. Die Zerreissung kann nun, a priori, entweder spät oder früh stattfinden. Bei später Zerreissung erstreckt sich der Flügel entweder von einem oder von den beiden Grenzblättern bis in grösserer oder geringerer Entfernung über das gestreckte Internodium, wie solches z. B. in den Fig. 2 (a b) und 3 (ac) auf Taf. V zu sehen ist. Eine Linie wird ihre beiden Enden verbinden; diese wird sich entweder als sehr feine, oft zer- rissene Flügelleiste (z. B. Taf. I, Fig. 1 bei dc b), oder als eine Riss- linie präsentiren. Das erstere, wenn der Flügel in der Mitte eigentlich nur bis zur Unkenntlichkeit gedehnt oder erst spät zerrissen; das zweite, wenn er schon früh wirklich zerrissen wurde. Im letzteren Falle wird häufig auch die Verbindung der breiteren Flügeltheile mit dem Internodium, wegen des überherrschenden Wachsthums des letzteren verbrochen, und hängt der Flügel lose neben dem Stengel herab. Auch dieses ist z. B. in der erwähnten Fig. 3, Taf. V zu er- kennen. Bei früher Zerreissung kann jede übermässige Verbreiterung des 254 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Flügels unterbleiben und eine einfache Risslinie an dem gestreckten Internodium die beiden Grenzblätter verbinden. Solche Risslinien waren in meinem Material eine ganz gewöhnliche Erscheinung. Bis jetzt habe ich angenommen, dass die Fehlstelle in der gegen- seitigen Verbindung der Blätter dort lag, wo gewöhnlich die Ueber- brückung der gemeinschaftlichen Grenze durch den im vorigen Ab- schnitt beschriebenen Gefässbündelbogen stattfindet, also z. B. zwi- schen c und c’ in Fig. 3 auf Taf. IV. Betrachten wir aber diese Figur etwas näher, so sehen wir, dass das Gürtelband sich zwar von a bis a’ ununterbrochen erstreckt, aber zwischen a und m, sowie zwischen a’ und m’ fehlt. Mit anderen Worten, es sind im Mittelnerven jedes Blattes zwei schwache Stellen gegeben, von denen wir erwarten dürfen, dass sie einer dehnenden Kraft geringeren Widerstand entgegensetzen werden, wie der Ge- fässbündelbogen zwischen a und a’. Diese beiden Stellen liegen zwi- schen dem medianen Strang des fleischigen Nerven und seinen beiden ersten Nachbarn, also so dicht an die Mitte des Nerven gerückt, wie nur möglich. Denken wir uns jetzt, dass die Gewebeverbindung zwischen m und a in irgend einem Blatte einer Knospe mit spiraliger Blatt- stellung schwächer ausfällt, als die Kräfte, welche das Längen- wachsthum des Stengels an jener Stelle verursachen!). Das Gewebe zwischen m und a wird dann offenbar zerrissen werden, die Ent- fernung dieser beiden Punkte wird zunehmen, und der Riss wird sich zwischen den beiden Gefässbündeln aufwärts vergrössern, ohne einem unüberwindlichen Widerstand zu begegnen. Zwischen den beiden Hälften des Mittelnerven eines und desselben Blattes wird jetzt ein gestrecktes Internodium eingeschoben. Ein Blick auf die Fig. 4 auf Taf. VI und 1 und 7 auf Taf. V zeigt sofort, dass solche Verhältnisse thatsächlich vorkommen. Auch waren sie nicht gerade selten. Ich möchte nun keineswegs behaupten, dass das Fehlen einer Gefässbündelverbindung die einzige Ursache ihres Auftretens ist; dass sie aber dazu wesentlich beitrug, liegt auf der Hand, namentlich wenn man berücksichtigt, dass das Aufreissen wohl stets in unmittelbarer Nachbarschaft des medianen Stranges des Nerven stattfand. ı) Es soll damit nicht entschieden werden, ob die Gewebeverbindung schwächer als gewöhnlich, oder die zuletzt angedeuteten Kräfte grösser oder anders combinirt sind als sonst im tordirten Stengel. Ueberhaupt ist in obiger Erörterung kein Versuch zu einer mechanischen Erklärung gemacht worden. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 255 Ich werde solche Blätter, um eine kurze Bezeichnung zu haben, zweibeinige nennen. Sie lassen die Wundlinie stets deutlich erkennen, nicht nur an der aufgerissenen Kante des Blattnerven, sondern auch am Stengel. Auf diesem sind die beiden Beine des Blattes stets durch eine, oft breite und braune, Wundlinie verbunden. Sehr einzelne Male streckte sich ein Internodium zwischen den beiden Hälften eines Blattnerven, ohne diesen zerreissen zu können, Das Blatt wurde dann gedehnt, das Internodium an der Verbindungs- linie am erstrebten Wachsthum gehindert. Die gegenüberliegende Seite streckte sich frei, dadurch wurde das Internodium gekrümmt. Die convexe Seite war glatt, die concave von queren Falten reichlich bedeckt. Mehrere andere Fälle, deren Erklärung sich leicht aus unserem Schema ableiten lässt, habe ich beobachtet, doch lohnt es sich nicht, sie hier zu beschreiben. Bis jetzt habe ich eine einmalige Unterbrechung in der ganzen Blattspirale einer Knospe angenommen. Es leuchtet ein, dass die Erscheinung sich wird wiederholen können. Die Zwangsdrehung kann an zwei oder mehreren Stellen zwischengeschobene Internodien mit denselben Nebenerscheinungen aufweisen, wie sie oben beschrie- ben wurden. Die Wiederholung der Unterbrechung kann aber soweit gehen, dass dadurch die ganze Blätterspirale in einzelne kleine Gruppen von Blättern aufgelöst wird. Solche Gruppen können dann noch sehr deutliche Zwangsdrehung aufweisen, wie z. B. in den in Fig. 1, 3, 7 (Taf. V) u. s. w. dargestellten Zweigen, oder aber dazu zu wenig Blätter umfassen. Im letzteren Falle entstehen Gruppen von 1—4 Blättern, welche ich als Scheinwirtel bezeichnen werde. Diese Scheinwirtel verdienen eine eingehende Erörterung, da sie den extremen Fall von unterbrochener Zwangsdrehung bilden. Sie sind von echten Quirlen dadurch zu unterscheiden, dass ihre Blätter nicht genau auf derselben Höhe stehen, nicht rings um den Stengel um gleiche Winkel von einander entfernt sind, und dass sie mit den nächstunteren und nächstoberen Scheinwirteln in der Regel durch deutliche Risslinien verbunden sind. Ich werde daher diesen Scheinwirteln einen besonderen Para- graphen widmen, diesem aber eine Behandlung der localen Zwangs- drehungen und des dabei stattfindenden Anschlusses an die decussirte oder wirtelige Blattstellung folgen lassen. Mehrere Beispiele von Risslinien auf zwischengeschobenen Internodien und von zweibeinigen Blättern werde ich dabei zu erwähnen haben. 256 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Am Schlusse dieser deductiven Behandlung der Vorgänge der unterbrochenen Zwangsdrehung möchte ich hervorheben, dass es mir noch nicht gelungen ist, die Unterbrechungen während ihrer Entstehung zu beobachten. Doch glaube ich, dass die äusserst viel- fältigen Erscheinungen, welche ich an ausgewachsenen, oder doch im Wachsthum bereits wesentlich vorgeschrittenen Hauptstämmen und Aesten gesehen habe, eine andere ebenso einfache Deutung nicht zulassen. Die spiralige Anordnung der Blätter kann selbstver- ständlich nicht, für die betreffenden Sprosse, durch Untersuchung des Vegetationskegels festgestellt werden, doch ist sie an den erwach- senen Sprossen in der Regel noch mit solcher Sicherheit zu erkennen, dass dieses auch überflüssig wäre. Hauptsache ist, dass es sich hier nicht um vereinzelte Ausnahmen, sondern um häufige und durch ein reichhaltiges Material von Einzel- beobachtungen belegte Variationen auf einem und demselben Thema handelt. § 2. Die Scheinwirtel. | Bei einer Durchmusterung von vielen Hunderten von solchen Seitenzweigen, welche nach dem Abschneiden des Hauptstengels atavistischer Individuen aus dem Stengelgrunde hervorgewachsen waren, fand ich, sowohl im Jahre 1887 als in 1889, sehr zahlreiche Aeste mit Scheinwirteln. Meist war es nur der obere, seltener waren es einige der oberen oder ein oder mehrere tiefer gelegene Knoten, welche einen solchen Quirl trugen. Die übrigen Knoten trugen dann Blattpaare oder dreiblättrige Wirtel vom normalen Bau. Auch am Hauptstamm tordirender Exemplare kamen Schein- wirtel nicht selten vor. Sie bilden dann den obern oder die beiden obern, durch gestreckte Internodien hoch über den zwangsgedrehten Theil des Stengels erhobenen Quirle. Beispiele habe ich abgebildet auf Taf. I in Fig. 2 u. 3. Für die beiden oberen Scheinwirtel von Fig. 2 habe ich Projectionen gezeichnet, welche das Wesen eines solchen Gebildes noch besser erläutern können. Man findet diese auf Taf. VI in Fig. 5 u. 6, welchen Zahlen die neben den beiden Knoten in der Hauptfigur gestellten Ziffern entsprechen. Die grössere Entfernung eines Blattes vom Stengel deutet an, dass es am Knoten tiefer inserirt war. Die Flügelverbindungen sind leicht kenntlich; wo ein Flügel frei absteht, erstreckte er sich als solche oder als Risslinie am nächstunteren Internodium abwärts; wo der Flügel an den Stengelquerschnitt angeschlossen gezeichnet ist, lief er am Stengel aufwärts. Die Zahlen 1—5 weisen die Anordnung der Blätter in der genetischen Spirale an. Zu bemerken ist nur noch, dass der MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 257 Knoten 5 eine starke Zwangsdrehung zeigte, daher er im Quer- schnitt abnormal gross erscheint; Knoten 6 war nur äusserst schwach tordirt. Auch der Scheinwirtel in Fig. 3 auf Taf. I war durch eine Riss- linie an das oberste Blatt der Zwangsspirale angeschlossen; die Insertionshöhe seiner drei Blätter differirte aber wenig. Nach diesen beiden Beispielen wird die folgende allgemein ge- haltene Beschreibung leichter verständlich sein. Die Scheinwirtel sind auf dem ersten Blick leicht mit den echten Wirteln der dreizähligen Exemplare zu verwechseln. Bei genauerer Untersuchung bemerkt man aber sofort eine wesentliche Differenz. Denn die Winkel zwischen den Medianen ihrer Blätter sind unter sich nicht gleich, wie es bei echten Quirlen sein sollte. Ein Winkel pflegt grösser zu sein als die übrigen. Bei genauerer Untersuchung stellt sich dann heraus, dass die Blätter unter sich nicht allseitig mit ihren Flügeln verwachsen sind, sondern dass in dem grossen Winkel diese Verbindung fehlt. In den übrigen ist sie mehr oder weniger deutlich ausgebildet. Ferner sieht man, dass die Blätter nicht genau in derselben Höhe stehen, sondern in einer schwach aufsteigenden Spirale. Das unterste und das oberste Blatt dieser Spirale sind einerseits durch die übrigen Blätter zu einem Schrauberibande verbunden, auf der andern Seite des Stengels aber nicht unter sich vereinigt. Und zwar fällt auf die letztere Seite in der Regel jener oben genannte grösste Blattwinkel. Kommen zwei oder mehrere von gestreckten Internodien ge- trennte Knoten mit Scheinwirteln vor, so pflegen diese letzteren unter sich durch Risslinien verbunden zu sein, welche vom höchsten Blatt des einen zum untersten des nächstoberen Knoten verlaufen. Alle diese Thatsachen lassen leicht erkennen, dass, abgesehen vom späteren Längen- und Dickenwachsthum des Astes, die Blätter in spiraliger Anordnung stehen. Eine Horizontalprojection würde eine Spirale ergeben, deren successive Winkel allerdings nicht gleich wären, deren wechselnde Grösse sich aber aus dem grösseren Dicken- wachsthum des Stengels an der offenen Seite in jedem Knoten würde erklären lassen. Am häufigsten sind dreiblättrige Scheinwirtel. Doch fehlen auch zweiblättrige und vierblättrige nicht. Von ersteren ist ein Beispiel auf Taf. IV in Fig. 11, von letzteren auf Taf. V in Fig. 3 abgebildet. Im letzteren Falle ist aber die Zwangsdrehung schon sehr ausgeprägt und Gleiches gilt natürlich von den grösseren, durch gestreckte Internodien vereinzelten Blättergruppen. 17 258 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Endlich besteht offenbar die Möglichkeit, dass durch wiederholte Streckungen ein einzelnes Blatt aus einer Knospe mit spiraliger Anordnung isolirt werden wird. Ich komme auf diesen Fall bald zurück. Zunächst aber noch Einiges über die Entstehung der Schein- wirtel. Dass sie thatsächlich aus Blättern gebildet werden, welche am Vegetationspunkt mit dem Divergenzwinkel 5/,, angelegt werden, würde im zweiten Abschnitt für einen bestimmten Fall bewiesen. Es war dieses das auf Taf. I in Fig. 3 abgebildete Vorkommen eines dreiblättrigen Scheinwirtels am oberen Ende eines tordirten Haupt- stammes, eine in meiner Cultur von 1889 sehr häufige Erscheinung. Aus dem Umstande, dass in den mikroskopisch untersuchten End- knospen die °/,,-Stellung fast stets ununterbrochen bis zur In- florescenz ging, haben wir abgeleitet, dass diese Scheinwirtel in solcher Weise angelegt worden sein müssen. Wir dürfen nun ohne Zweifel dieses Ergebniss auch auf die Aeste übertragen, und somit allgemein die Entstehung der Scheinwirtel aus Theilen von Blatt- spiralen nach der Formel 5/,, annehmen. Wenn zwei oder mehrere Scheinwirtel auf einander folgen, so pflegen diese unter sich durch eine der ganzen Länge des Inter- nodiums entlang gehende Risslinie verbunden zu sein. Oft sind sie auch in dieser Weise mit den benachbarten normalen Blattpaaren und Blattwirteln vereinigt. Die Scheinwirtel geben oft Veranlassung zu Torsionen, oft aber auch nicht. Solche Torsionen sind der Hauptsache nach beschränkt auf den kleinen Stengeltheil, welcher den betreffenden Wirtel trägt. Ob und in welchem Grade der Ausbildung die Drehung entsteht, hängt offenbar davon ab, ob die sehr kurzen Internodien zwischen den Insertionen der einzelnen Blätter desselben Scheinquirles eine Streckung erfahren oder nicht. Fehlt die Streckung, so unterbleibt die Torsion, je erheblicher die erstere, um so deutlicher wird auch die zweite sein. Die Fig. 2 auf Taf. I giebt in den beiden, ober- halb der eigentlichen Zwangsdrehung befindlichen Scheinwirteln ge- ringe Grade von Drehung, die Fig. 3 auf Taf. V eine sehr bedeutende Torsion im Scheinwirtel zu erkennen. Um eine Vorstellung von der Häufigkeit dieser Scheinwirtel mit geringer Zwangsdrehung zu geben, möchte ich hier die folgende Beobachtung beschreiben. Im Juni 1887 schnitt ich, wie im ersten Abschnitt erwähnt, von mehreren Hunderten von atavistischen Exemplaren die Stengel dicht am Boden ab, lange bevor sie ihre Streckung vollendet hatten. Aus den Stammstümpfen trieben sie MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 259 zahlreiche Zweige, welche Mitte September blühreif waren und ab- geschnitten wurden. Es waren im Ganzen 1845 grossentheils se- cundäre, theils aber auch tertiäre Zweige von 514 Exemplaren. Unter diesen fand ich: 1. Normale, völlig decussirte Zweige . : ..—..... 1470 Ee AMEIDE on nn 34 3. Wechselnde Blattstellung ohne Torsion ........ 80 4. Schön ausgebildete, vielblättrige Zwangsdrehungen . . . 26 OEE NBE Torsion in Scheinwirteln ... 20007 235 Summa: 1845 Die fünfte Gruppe enthielt folgende Fälle: a) Nur der obere Knoten mit Scheinwirtel und geringer Porson, ocnemwirtel, zweiblätinie a. a 115 b) Ebenso, doch der Scheinwirtel dreiblättrig . ..... 56 c) Ebenso, doch der Scheinwirtel vierblättrig . . . . . . 23 d) Ein tieferer Knoten mit Scheinwirtel und Torsion. . . 7 e) Zwei oder mehrere Knoten mit Scheinwirtel und Torsion 34 Summa: 235 Wir haben also auf 1845 Zweigen 261 mit Zwangsdrehung, also etwa 14% und von diesen etwa 12,5 % locale Zwangsdrehungen in Scheinwirteln 1). Bei einem ganz ähnlichen Versuche in 1889 mit etwa 800 solchen Zweigen erhielt ich ähnliche Zahlen. Auch an Individuen, deren ganzer Hauptstamm dreigliedrige Blattwinkel trug, fand ich Seitenzweige mit einzelnen Scheinwirteln und mit meist geringfügiger Torsion. Ebenso an Exemplaren mit tordirtem Hauptstamm. Eine auffallende und auf dem ersten Blick anscheinend uner- klärliche Thatsache ist der Umstand, dass in Scheinwirteln die Torsion häufig nicht genau auf den blättertragenden Theil der Achse beschränkt ist, sondern sich aufwärts und abwärts noch eine Strecke weit verfolgen lässt und nur allmählich aufhört. Beispiele dieser Erscheinung liefern die Fig. 2 u. 3 auf Taf. I und Fig. 11 auf Taf. IV. Zwei Ursachen dürften, theils jede für sich, theils in Zusammen- wirkung diese Erscheinung bedingen. Die erstere ist die im vorigen Paragraphen erwähnte Risslinie. Wir haben uns einfach vorzu- stellen, dass der fragliche Scheinwirtel als ein Theil einer grösseren ı) Dieser Versuch wurde im ersten Abschnitt S. 235 bereits erwähnt; zu bemerken ist, dass dort als Torsionen nur die hier sub 4 angegebenen bedeutenderen Fälle berücksichtigt wurden. Uf fo: 260 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Gruppe von nach der Formel °/,, angeordneten Blättern entstanden ist. Nach unseren Auseinandersetzungen wird dann das untere Blatt des Scheinwirtels mit dem vorhergehenden, das obere mit dem nächstfolgenden, durch eine Risslinie verbunden sein, auch wenn beide durch lange, gestreckte Internodien von ihm getrennt sind. Stellen wir uns nun die Entstehung der Risslinien als Folge der Streckung jener Internodien etwas eingehender vor, so liegt auf der Hand anzunehmen, dass der Riss am frühesten etwa in der Mitte des Internodiums entstehen wird, dass die Zerreissung an seinen beiden Enden am letzten wird stattfinden, dort aber auch vielleicht wird unterbleiben können. Thatsächlich beobachtet man nicht gerade selten Internodien, deren Risslinie auf den grössten Theil ihrer Länge völlig genesen ist und nur als eine blassgrüne Linie, aber ohne Narbe, sich verfolgen lässt. In der Nähe der Scheinwirtel tritt dann an ihre Stelle eine feine Narbe, eine eigentliche Wundlinie. Und in unmittelbarer Nähe jener Wirtel laufen die Blattflügel, bis- weilen sogar die Blattmittelrippen eine Strecke weit auf- resp. ab- wärts, als Fortsetzung und Anschluss der beschriebenen Risslinie. Der am Internodium auf- oder absteigende Blatttheil bildet somit einen allmählich schwächer werdenden Theil jener verwachsenen Blattspirale, welche Braun als die Ursache der Zwangsdrehung betrachtet. Es ist dann aber selbstverständlich, dass diese letztere sich so weit vom eigentlichen Knoten auf- oder abwärts erstrecken wird, als jene und dass sie, wie diese, langsam sich ausgleichen wird. Genau in derselben Weise sind die an einblättrigen Knoten bis- weilen zu beobachtenden geringen Grade von Zwangsdrehung zu erklären. Die Richtigkeit dieser Deutung geht auch noch aus einer anderen Beobachtung hervor. In Abschnitt II, $ 1 habe ich die auseinander geschobenen Blattpaare beschrieben, welche oft am oberen Ende der Zweige meiner Rasse gesehen werden (vergl. Taf. VI, Fig. 2). Hier haben wir also einblättrige Knoten, welche in ganz anderer Weise entstanden sind und deren Blättern in der Regel die gegen- seitige Verbindung zu einer Spirale durch eine Risslinie fehlt. Sol- chen Knoten fehlt dann aber auch stets jede Spur von Drehung. Die zweite mögliche Ursache ist das Vorkommen von geotropischen Torsionen, welche sich, namentlich am Grunde längerer Internodien, an die echte Zwangsdrehung anschliessen können. Durch die Zwangsdrehung werden die Längslinien der Inter- nodien schief oder fast horizontal gestellt; ohne Geotropismus würde sich somit das auf ihr folgende Internodium in jener schiefen Rich- MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 261 tung weiter entwickeln. Die erwähnte Eigenschaft sucht nun den Stengel, wo er dem Zwange der Blätter nicht unterliegt, geradauf zu stellen. Da er aber am Gipfel meist schwer belastet ist, wird dieses aus bekannten mechanischen Gründen sehr leicht zu Torsionen Veranlassung geben‘), § 3. Oertliche Zwangsdrehungen. Sowohl am Hauptstengel wie an den Seitenzweigen meiner Rasse wechselt die Blattstellung nicht gerade selten. Zwei- und drei- gliedrige Wirtel wechseln mit einander, und diese wiederum mit spiralig angeordneten Blättern. Diese Verhältnisse haben wir bereits in Abschnitt II, $3 besprochen. Die spiralige Blattstellung ist, wie wir gesehen haben, die erste Bedingung der Zwangsdrehung. Wo somit spiralige und quirlige Anordnung an demselben Zweige vorkommen, wird nur ein Theil diese Drehung erfahren können. Wir haben dann eine örtliche Zwangsdrehung. Dieser Fall kommt in den Seitenzweigen meiner Rasse sowohl bei tordirten Individuen als bei Atavisten ziemlich häufig vor. Meist ist dann der untere Theil quirlig, der obere gedreht. Bis- weilen folgen auf der Zwangsdrehung auch noch eine oder mehrere Quirle. Ich möchte hier diese örtlichen Zwangsdrehungen etwas ein- gehender behandeln. Einerseits in methodologischer Hinsicht, andererseits wegen der Risslinien und zweibeinigen Blätter, welche so häufig dort gefunden werden, wo die spiralige Blattstellung sich an die quirlige anschliesst. In methodologischer Hinsicht geben die örtlichen Zwangs- drehungen eine Warnung, deren Nichtbeachtung leicht zu Irr- thümern führen könnte. Das Wechseln der Blattstellung an einer und derselben Achse ist im Pflanzenreich allerdings nicht gerade selten, in dem Grade wie beim Dipsacus silvestris torsus hat es aber doch etwas Unerwartetes. Wenn man nun, um die Blattstellung an einer örtlichen Zwangsdrehung zu erforschen, die nächsthöheren, jüngeren Theile berücksichtigen wollte, — sei es, dass hier die An- ordnung klarer und einfacher hervortritt, sei es, dass die Theile noch ganz jung sind und die Anordnung der Blätter somit noch nicht von der Streckung der Internodien beeinflusst sein kann, — 1) Vergl. Opera 7, S. 185—187 und Sachs, Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl. S. 833. 262 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. so würde man offenbar einen Fehler machen. Denn die Möglichkeit ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Blattstellung im jüngeren Theile ursprünglich eine andere sei als die im gedrehten!). Man ist also, falls keine vergleichenden Untersuchungen über die An- ordnung der Blätter am Vegetationskegel selbst gemacht werden können, auf die Analyse des gedrehten Theiles selbst beschränkt. Die Richtigkeit dieses Satzes leuchtet am klarsten dort ein, wo der Wechsel der spiraligen Anordnung mit der quirligen nicht der einzige ist, sondern wo auch zwei- und dreiblättrige Quirle ab- wechseln. Die Annahme einer Constanz der Blattstellung ist an solchen Zweigen selbstverständlich ausgeschlossen. Zur näheren Beleuchtung des Erörterten gebe ich hier in einer kleinen Tabelle eine Beschreibung von einigen im September 1887 gesammelten Zweigen. Sie waren aus den gelassenen Stammtheilen der im Juni abgeschnittenen Atavisten meiner Cultur entstanden und blühreif. Unter fast zweitausend solcher Zweige fand ich, wie Seite 259 bereits erwähnt, 26 mit schöner, wenn auch oft kleiner Zwangsdrehung. In fünf von diesen war die Blattstellung oberhalb und unterhalb der Torsion decussirt, in fünf anderen unterhalb der Torsion decussirt und oberhalb dreizählig quirlig. In sechs Zweigen nahm die Zwangsdrehung den höchsten beblätterten Theil ein, während die übrigen wiederum andere Abweichungen zeigten. Ich wähle nun die folgenden Fälle als Beispiele heraus und gebe die Zahl der Blätter im tordirten Theil (T), dieselbe Zahl im höchsten Knoten unterhalb dieser Strecke (A) und oberhalb in einem oder zwei Knoten (B’ und B”). Zweig A ai B’ B” No. 1 3 i 3 No. 2 3 3 2 1 No. 3 2 4 3 3 No. 4 2 5 3 No. 5 2 6 3 No. 6 2 7 2 3 No. 7 2 4 2 1 Es leuchtet ein, dass man in solchen Fällen aus den benach- barten Theilen keinen Schluss auf die Blattstellung des tordirten Abschnittes ziehen darf. Die Analyse des gedrehten Theiles selbst weist aber stets deutlich 1) Vergl. hierzu Magnus in den Sitzungsber. d. botanischen Vereins der Provinz Brandenburg, Bd. XIX, S. 118, 1877. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 263 auf dieselbe spiralige Anordnung, welche auch am tordirten Haupt- stamm obwaltet und deren Entstehung in der °/,,-Anordnung für diesen im zweiten Abschnitt bewiesen wurde. Ich komme jetzt zu der Erörterung der Frage, in welcher Weise eine Blätterspirale sich an einen Quirl anschliessen wird. Ich wähle als Beispiel den einfachsten und häufigsten Fall, dass auf ein ge- wöhnliches Blattpaar eine Spirale folgt. Versuchen wir aus der Anordnung der Blattanlagen am Vegetationskegel abzuleiten, welche Fälle hier zu erwarten sind. Zunächst sei das Blattpaar ganz normal und beiderseits in sich geschlossen. Es fehlt dann der Anschluss für das erste (unterste) Blatt der Spirale. Sein katodischer Rand würde somit frei sein; thatsächlich schliesst er sich wohl stets einem Rande des Blattpaares an. Dieses fordert, dass ein Blatt jenes Paares sich auf einer Seite an zwei Blätter anschliesse, und zwar an das ihm gegenüberliegende desselben Paares und an das erste der Spirale. Solches habe ich denn auch nicht selten beobachtet. Zweitens können die Blätter des Paares unter sich nur einseitig verbunden sein, während das obere von ihnen mit seinem anderen Rande an das untere Blatt der Spirale anschliesst. Dann bleibt aber der eine Rand des anderen paarigen Blattes über, und diesen fand ich in solchem Falle nicht selten am Stengel herunterlaufend bis an den nächsten Knoten. Es dürfte ein solches ,,Uebergangs- paar“ wohl die häufigste Form des Anschlusses ein. Nur die Di- vergenz 1, berechtigt uns die Blätter zusammen als ein Paar zu betrachten. Als drittes Beispiel wähle ich den in Fig. 9 auf Taf. II abge- bildeten Fall. Auf der Spirale folgen dreigliedrige Quirle mit einem bereits früher besprochenen, gespaltenen Grenzblatte. Die Figur ist einem Schnitte aus einer mit dem Mikrotom angefertigten Serie entnommen; aus den successiven Schnitten lässt sich also die Art und Weise des Anschlusses entnehmen. Der rechte (katodische) Rand des gespaltenen Blattes 5 schliesst an 4 an, und zwar hatte das zwischenliegende Internodium, über welches diese Verbindung lief, bereits eine Länge von 3,2 mm; würde sich somit wohl bedeutend gestreckt haben. Der andere Rand von 5 schliesst an 6; Blatt 5, 6 und 7 bilden den ersten dreigliedrigen Quirl. Der freie, nach 5 gestreckte Rand von 7 (x) lief gleichfalls am Internodium hinab bis 4. Ebenso liefen die beiden mittleren Flügel (x und x) des ge- spaltenen Blattes (5) am Internodium bis zum nächsten Blatte abwärts. 264 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Es scheint überhaupt eine ziemlich allgemeine Regel zu sein, dass Blattränder, welche den Anschluss an einen anderen Rand ver- fehlen, am Internodium bis zum nächst unteren Blatte abwärts laufen. Aehnlich wie die herablaufenden Ränder bei anderen Pflan- zen, z. B. bei Verbascum. Vielleicht gelingt es einmal, eine Variation zu finden, der die Anschlüsse gänzlich abgehen; sie würde bei spi- raliger Blattstellung gar keine Zwangsdrehung haben. Monstrositäten in den Anschlüssen sind nicht gerade selten. Ich beobachtete einmal einen Fall, wo die vier Ränder eines Blatt- paares, bei genau opponirten Medianen und Insertion in genau der- selben Höhe den gegenseitigen Anschluss verfehlt hatten und alle als vier breite Flügel am Internodium herunterliefen. Allmählich schmäler werdend, erreichten sie das um 7 cm tiefer gelegene Blatt- paar. Auch andere ähnliche Fälle fand ich in meinen Culturen bis- weilen vor. Eine Form des Anschlusses, welche gleichfalls ziemlich oft vor- kommt, ist diese, dass die zwei oder drei oberen Blattpaare resp. dreigliedrigen Quirle, welche der Spirale vorangehen, in derselben Weise modificirt sind, als sonst das letzte Paar. Sie sind dann unter sich durch mehr oder weniger deutliche Risslinien verbunden, welche ihre sämmtlichen Blätter zu einer einzigen allerdings unregel- mässigen Schraubenlinie vereinigen. Ich komme nun zu der Beschreibung von einzelnen Beispielen von Anschlüssen von Spiralen an Quirle, und fange mit einigen, durch ihre zweibeinigen Blätter auffallenden Zweigen an. Zunächst wähle ich den auf Taf. VI in Fig. 4 abgebildeten Ast. Ich fand ihn im Juli 1889 unter den Zweigen, welche aus dem Stammesgrunde der abgeschnittenen atavistischen Exemplare her- vorgetrieben waren. Er bildet das schönste Beispiel von Zwangs- drehung, das ich in meinen Culturen bis jetzt an Seitenzweigen gefunden habe, d. h. er hat die grösste Blätterzahl in der Spirale und die grösste Abweichung in der Richtung der Längsriefen von der longitudinalen. Bis zum Knoten a b war der Ast normal. Von dem Blattpaare dieses Knotens war aber das eine, in der Figur zum Theil abge- bildete Blatt mit seinem hinteren Rande am Stengel aufwärts an- gewachsen. Es schloss damit an die Blätterspirale an, welche die Zwangsdrehung verursachte, welche aber bis e auf deren hinterer Seite in fast genauer Längszeile emporstieg und somit in der Figur nicht sichtbar ist. Erst oberhalb e bis f sieht man die Basis der aneinander anschliessenden Blätter nebst ihren Achselsprossen. In MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 265 der Höhe von e war der Stengel stark aufgeblasen; dieser Theil ist, wie man sieht, scharf vom unteren, weniger gedunsenen Theile abgesetzt. Das Anschlussblatt 6 sitzt auf einem nicht tordirten, etwas ge- streckten Internodium. Durch das Wachsthum dieses Stengeltheiles ist seine Basis auseinander gerissen. Man sieht in seinem Mittel- nerven den Spalt, der zu einem Dreiecke erweitert worden ist. Der Nerv ist dicht neben seinem medianen Gefässbündel aufgerissen, also dort, wo das Gürtelband der Stränge fehlt, wie wir im dritten Ab- schnitt gesehen haben. Eine breite, in der Figur nicht dargestellte Narbe läuft am Stengel vom einen Bein zum andern. Aus derselben Cultur stammt der auf Taf. V in Fig. 7 abge- bildete Ast. In diesem war nur der Theil c e tordirt; a ist der obere Knoten des normalen, decussirten Theiles. Auf e folgte ohne weitere Vermittelung der Stiel der Inflorescenz. Die Blätterspirale steigt links an, ist aber fast in ihrer ganzen Länge zu einer Längszeile aufgerichtet; diese sieht man in der Figur von der Rückenseite. Die beiden Blätter 1 und 2 des Blattpaares a stehen genau opponirt; 1 sieht man von der Vorder-, 2 von der Rückseite. Der rechte Flügel von 2 ist mit dem linken Flügel des Uebergangsblattes 3 verbunden, welches das erste Blatt der Spirale bildet, und selbst unmittelbar an 4, und durch dieses an die weiteren Blätter der Spirale 5—10 anschliesst. Das Uebergangsblatt (3) verhält sich wie im vorigen Beispiel. Es war dem Stengeltheile a c der Länge nach ange- wachsen, hat aber seiner Streckung keinen genügenden Widerstand leisten können und ist somit von seiner Basis aus im Mittelnerven aufgerissen worden. Auch hier wiederum neben dem medianen Gefässbündel, wo das Gewebe durch keine Querbündel verstärkt ist. cb und b d sind die beiden Seiten des Risses; am Internodium ist die Linie d c als deutliche, aber in der Figur nicht sichtbare vernarbte Linie gezeichnet. Von secundären Monstrositäten zeigte dieser Zweig zwei, welche ich hier kurz erwähnen will, da sie in der Figur sofort sichtbar sind, obgleich sie eigentlich zum Gegenstand des sechsten Ab- schnittes gehören. Erstens ist das Uebergangsblatt 3 am Gipfel ge- spalten und zweitens trägt es auf seiner Rückseite, am Mittelnerven bis zu etwa halber Höhe angewachsen, ein kleineres Blättchen, dessen freier Gipfel bei o gesehen wird. Dieses Blättchen kehrt dem Tragblatte 3 seinen Rücken zu und hat seine Insertion am Knoten a, und ist von d bis b dem gespaltenen Theil des Mittelnerven von 3 an- gewachsen. 266 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Einen dritten, ähnlichen Fall aus derselben Cultur zeigt uns Fig. 1 auf derselben Taf. V. Die Zwangsdrehung ist hier auf die Strecke beschränkt, welche die Blätter 6—8 trägt. Der Knoten a trägt einen normalen dreigliedrigen Blattwirtel, die Blätter 1 und 2 zeigten nichts Auffallendes und sind dicht am Grunde abgeschnitten. An das dritte Blatt des Wirtels 3 schloss sich die Blätterspirale 4—8 an, und zwar merkwürdiger Weise so, dass das Uebergangs- blatt 4 mit seiner Bauchseite fast bis-zum Gipfel an die Bauchseite des Blattes 3 angewachsen ist. Die Vereinigung beschränkt sich auf die beiden Mittelnerven. Um sie im Bilde deutlich hervortreten zu lassen, habe ich das Blatt 4 nach links zurückgeschlagen, es nimmt sich jetzt als ein doppelter Flügel am Mittelnerven von 3 aus. Das Uebergangsblatt (4) ist wiederum zweibeinig. Zwischen a und s hat sich der Stengel gestreckt, und die beiden Seiten des Blattgrundes, wie in den beiden vorher beschriebenen Fällen, aus- einandergerissen. Mehrere andere Beispiele von zweibeinigen Blättern auf der Grenze zwischen Quirlen und Spiralen habe ich in meiner Cultur, namentlich in den Jahren 1887 und 1889, vorgefunden und einige davon photographirt; es scheint mir aber überflüssig, ihre Ab- bildungen und Beschreibungen hier zu reproduciren. Von anderen Anschlüssen beschreibe ich zunächst einen Fall, der, wenigstens theilweise, in Fig. 3 auf Taf. V abgebildet ist. Die Zwangsdrehung war in diesem Zweige auf die kleine Strecke a b beschränkt, sonst trug der Zweig decussirte Blattpaare. Das Inter- nodium unterhalb a hatte eine Lange von etwa 12 cm. Sein unterer Knoten trug das oberste Blattpaar, welcher aber bereits nicht mehr normal war. Es bestand allerdings aus zwei opponirten Blättern, von denen das eine, theoretisch untere, ganz normal war. Das andere war zweigipflig und bis unten zweinervig, einerseits in üb- licher Weise mit dem opponirten Blatte verbunden, aber auf der nach rechts ansteigenden Seite nicht nur mit jenem Blatte, sondern ausserdem mit-dem Uebergangsblatte der Spirale vereinigt. Dieses stand am Stengel um etwa 2 cm höher als das Blattpaar, war wiederum zweibeinig, und nach oben mit breitem Flügel dem Stengel angewachsen. Offenbar war dieser Flügel in der Jugend und wäh- rend der ersten Streckung mit dem Flügel c des untersten Blattes unserer Figur verbunden gewesen. Durch das Wachsthum des Stengels, welches hier, im Gegensatz zu den drei oben beschriebenen Beispielen, oberhalb des Anschlussblattes noch ein sehr starkes war, war jene Verbindung zerrissen und der Flügel beiderseits abgetrennt; MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 267 man sieht bei c deutlich, wie er vom Stengel losgerissen ist. Eine Risslinie verband die beiden Blätter am Stengel entlang. Bisweilen war auch die Risslinie oberseits der Zwangsdrehung ausgebildet und erstreckte sie sich bis zum nächstoberen Blattquirl. So z. B. an einem am 25. Juli 1889 gesammelten Zweige, der eine Blattspirale von vier Blättern mit schöner Torsion trug (Taf. V, Fig. 6). Diese schloss unterseits unmittelbar, d. h. ohne Einschal- tung eines gestreckten Internodiums, an einen dreigliedrigen Quirl (Blatt 1, 2, 3) an, dessen Verbindung auf der Seite aufgehoben war, wo das eine Quirlblatt (3) sich in das erste spiralige (4) fortsetzte. Oberseits lag zwischen dem gedrehten Theile und dem nächsten dreiblättrigen Quirle ein Internodium von 8cm Länge mit deut- licher Wundlinie, welche den anodischen Rand des obersten spiraligen Blattes (7) mit dem entsprechenden Rande von einem der Quirl- blätter verband. Einen ähnlichen Fall, an einem oberhalb und unterhalb des gedrehten Theiles zweizähligen Zweige fand ich in derselber Cultur. Die Zwangsdrehung hatte eine Höhe von 4 cm, umfasste vier Blätter und schloss nach oben und nach unten mit Risslinien an die nächsten Blattpaare an. Die Fig. 2 auf Taf. V zeigt eine Zwangsdrehung mit fünfblättriger, fast ganz aufgerichteter Spirale. Das untere Blatt 1 läuft bis b mit breitem Flügel an dem gestreckten, ungedrehten Theil des Stengels herab; von b erstreckte sich eine deutliche Risslinie bis zum nächst- tieferen Blatte. Das obere Blatt 7 der Spirale ist, der dortigen Streckung des Stengels zufolge, zweibeinig und schliesst an das untere Blatt 8 des Scheinwirtels 8, 9, 10 an. Endlich giebt uns die Fig.5 das Bild von einem der häufigsten Fälle von örtlicher Zwangsdrehung. Sie ist beiderseits von den be- nachbarten Quirlen durch lange Internodien getrennt, an welchen mehr oder weniger deutliche Risslinien zu sehen sind. Ich verzichte auf die Beschreibung weiterer Fälle, ohne Abbil- dung sind sie nicht leicht verständlich zu machen, und ich würde das erlaubte Maass weit überschreiten, wollte ich meine sämmtlichen Photographien dieser Arbeit beigeben. Ich hoffe aber durch das Mitgetheilte das Prinzip klargelegt zu haben, auf dem die einzelnen Fälle eine fast unendliche Reihe von Variationen bilden. 268 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Fünfter Abschnitt. Die Mechanik der Zwangsdrehung. § 1. Der Vorgang des Tordirens. Die Cultur einer erblichen Rasse von zum Theil tordirten In- dividuen liefert nicht nur ein reichliches Material für morpho- logische und entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen, für phy- siologische Experimente ist sie geradezu unentbehrlich. Und eine experimentelle Behandlung der Torsion ist der einzige Weg, um zur vollen Gewissheit über ihre Mechanik zu gelangen. Bis jetzt hat man stets versucht, aus dem Baue der erwachsenen Theile abzuleiten, wie sie sich gedreht haben dürften und welchen Ursachen dieses zuzuschreiben sei. Unter den vielen Schwierigkeiten, auf welche solche Erklärungsversuche stossen, möchte ich hier namentlich hervorheben, dass man nicht weiss, in welchem Stadium der Ent- wickelupg die Drehung angefangen hat, und dass man somit Irr- thümern ausgesetzt ist in der Annahme der Umstände, welche in jenem Stadium herrschten und denen die Erscheinung somit mög- licherweise zugeschrieben werden Könnte. | Die Beobachtung des Vorganges der Drehung selbst soll hier somit in den Vordergrund der Behandlung gestellt werden. Die Methode der Beobachtung war die von Darwin für die Un- tersuchung der Circumnutation erdachte!). Als im Mai 1889 die Hauptstämme meiner Pflanzen deutlich zu tordiren angefangen hatten, umgab ich die, für diesen Versuch bestimmten Individuen je mit einem Viereck von starken, fest in den Boden eingetriebenen Pfählen, deren Köpfe durch Eisendraht verbunden wurden. Die Pfähle waren so weit vom Stamm entfernt, dass sie die Bewegung der Blätter möglichst wenig hinderten und so hoch, dass eine grosse Glasplatte, auf sie aufgelegt, genau horizontal über den Blatt- spitzen lag. Auf diese Platte wurde zunächst die Lage der vier Pfähle aufgetragen, dadurch wurde es möglich, sie von Tag zu Tag genau an dieselbe Stelle zu bringen, ohne sie den Tag über auf dem Felde lassen zu müssen. Um nun auf einer solchen Platte die Lage eines Blattes anzugeben, stellte Darwin das Auge in die Verlängerung der Blattachse und markierte nun auf der Platte den Punkt, in der sie von dieser Verlängerung getroffen wurde. Ich verfuhr in der- selben Weise und markirte die Lage von allen durch die Platte sichtbaren Blätter. Dieses wiederholte ich nun jeden zweiten Tag, ı) Movements of plants, p. 6. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 269 bis die am Anfang des Versuchs jüngsten Blätter durch ihre Streckung die Platte erreicht hatten und ein& Fortsetzung unmöglich machten. Im Anfange des Versuchs hatte ich die Lage der Stammachse in derselben Weise auf der Platte angegeben. _Es handelte sich nun darum, aus diesen Daten die Bewegung der einzelnen Blätter zu berechnen. Dazu wurden die Punkte zu- nächst auf Papier übergepaust und darauf sämmtlich durch gerade Linien mit dem Orte der Stammachse, also dem Mittelpunkte der Drehung verbunden. Nach dieser Vorbereitung liessen sich offenbar die Winkel, um welche die einzelnen Blätter in je zwei Tagen ge- = dreht worden waren, ohne Weiteres messen. Die Fig. 1 auf Taf. IV giebt das Resultat eines solchen Versuches in etwas geänderter Form. Die Winkel sind hier übertragen auf ein System von Kreisen mit etwa gleichen gegenseitigen Entfernungen. Und zwar entspricht der äussere Kreis dem ältesten Blatte, der zweite dem nächst jüngeren u.s.w., bis der innerste Kreis die Drehung des jüngsten Blattes aus dem Versuche angiebt. Ich gebe jetzt die beobachteten Winkel für diesen Versuch in tabellarischer Form. Vorher gehe aber die Bemerkung, dass es bei dieser Methode der Beobachtung offenbar nur auf die Hauptzüge der Erscheinung, nicht auf grosse Genauigkeit der Einzelheiten ankommt. Dauer des Versuches zehn Tage. Anfang am 11. Mai 1889. Die Spalten 2—6 enthalten die durchlaufenen Winkel in den zweitägigen Beobachtungsperioden. ve ee ta or aa 1331: Ae Mai | Mai | Mai | Mai | Mai 16. Mai Blatt No. CNO? en TN ING, =. NO: u: No: td INGOs six No. Lu: No Lu NO: NO. erwachsen 270 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Der Stengelabschnitt unter dem Blatte 9 bis zum nächsten Um- gang der Spirale maass am 16. Mai, den Rippen entlang, etwa 15 Cir Es leuchtet ein, dass der totale, von jedem einzelnen Blatte zurückgelegte Weg durch die Torsion des ganzen unter ihm befind- lichen, noch in Drehung begriffenen Theiles des Stengels bedingt wird. Dementsprechend nehmen die Zahlen in unserer Tabelle vom ältesten bis zum jüngsten Blatte zu und zwar so stetig, wie die unvermeidlichen Fehler der Beobachtung dieses nur gestatten. Denn die seitlichen Krümmungen der Blätter und ihre circumnutirenden Bewegungen verringern oft die Genauigkeit der Beobachtungen sehr wesentlich. Ich hoffe später, durch etwas abgeänderte Methode, zu besseren Resultaten gelangen zu können, einstweilen möge das Vor- handene genügen. Denn nur während weniger Wochen im ganzen Jahre ist das Material für diese Studien geeignet. Die Divergenzwinkel der Blätter nehmen während der Torsion des Stengels ab. Um ein Bild davon zu entwerfen, berechne ich die totalen Drehungen während der zehntägigen Versuchszeit und finde durch Subtraction jedes Werthes vom nächstfolgenden die ent- sprechende Abnahme der Winkeldivergenz. Um diese Rechnung für zweitägige Perioden durchzuführen, dazu genügen meine Zahlen nicht, auch muss ich die Beobachtungen am Blatt 6, sowie an den beiden jüngsten Blättern als nicht hinreichend sicher ausschliessen. Ich erhalte dann: Totale Drehung Verminderung in 10tägiger Periode des Divergenzwinkels Blatt No. 2: u E 20 20 NO PA Eee 36 16 ye NOS RP TE 53 17 STONE en AE 66 13 LOST WT ee ME je 14 pr RS BA zv À 120 26 va OOI Bt EE 197 Ti Bei einer Blattlänge von 23 cm und einer Internodiallänge von etwa 1,5 cm wird die Divergenz vom nächst älteren Blatte in zehn Tagen somit um 77°, also um mehr als die Hälfte seines ganzen Werthes (138°) verringert. Dann nimmt die Bewegung allmäh- lich ab, um erst etwa gleichzeitig mit dem Wachsthum zu er- löschen. Berechnen wir die Abnahme des Divergenzwinkels zwischen Blatt 9 und 8 in viertägigen Perioden, so finden wir: MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 271 11.—15. Mai 15.—19. Mai 19.—21. Mai 40° 25° 12° Also auch hier abnehmende Geschwindigkeit. Für die Ableitung weiterer Folgerungen reicht aber die Genauig- keit des Versuches nicht aus. In einem zweiten Versuch, gleichzeitig mit ersterem angestellt, erhielt ich in einer Periode von acht Tagen folgende Zahlen. Es waren für die betreffenden Blätter die acht letzten Tage der Drehung, wie am zehnten Tage constatirt wurde. Totale Drehung behande Länge beobachtet des sg sa ata des Blattes Blatt No. 1 0 0 erwachsen Pre a ys , 0, ‘11 11 — ei. 3‘... . + +106 29 = Den es — z eu We‘ lie 32 u A HD 2,0200 40 22 cm Die Länge des Blattes wurde am fünften Tage des Versuchs gemessen. Die Länge der medianen äusseren Blattspur dieses Blattes bis zum nächsten Umgang der Spirale war an jenem Tage etwa 1 cm. In einem dritten Versuch, bei sechstägiger Versuchsdauer: : it Totale Drehung Blattlange am zweiten Versuchstage Bint Mos fished". UNG 20 — MO NT 2: Bi — TENEN, ges Let Pres oh 48 -— SUITE S, ae 43 — pe Ok 96 — SAND UN Vr, 155 15 cm Die Länge der Blattspur von Blatt 6 war am zweiten Versuchs- tage etwa 1 cm, gemessen wie oben. Während des Versuchs traten noch zwei weitere Blatter No. 7 u. 8 aus der Knospe aus; ihre Drehung konnte somit nur theilweise beobachtet werden. Ihre Länge war am zweiten Versuchstage 10 und 8 cm. So ungenau alle diese Zahlen auch sind, so zeigen sie doch: 1. dass die Blätterspirale während des Wachsthums entwunden wird; 2. dass ein sehr bedeutender Theil der Torsion stattfindet, nach- dem das betreffende Blatt bereits eine ansehnliche Länge (15 bis 20 cm) erreicht hat. In den drei obigen Versuchen fand ich die Länge bo ~] MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. der medianen äusseren Blattspur, bis zum nächstunteren Umgang der Spirale, für die gemessenen Blätter etwa = 1 bis 1,5 cm. Also ist bei dieser Internodiallänge die Torsion noch sehr energisch. Sie erlischt erst etwa gleichzeitig mit dem Ende der Streckungsperiode. Es ist von Magnus die Ansicht aufgestellt worden, dass die Zwangs- drehung „auf der Hemmung des Längenwachsthums beruhe, welche der Stengel in der Jugend in Folge des Druckes der umgebenden Blätter erfährt.®1) Ohne hier auf eine Kritik dieser Ansicht eingehen zu wollen — eine solche bleibe für den zweiten Theil dieser Mono- graphie erspart —, möchte ich hier doch die Druckverhältnisse be- sprechen, welche während der Torsion in den oben erwähnten Ver- suchen geherrscht haben. Es leuchtet nun ein, dass meine ganze Versuchsanordnung fordert, dass die zu beobachtenden Blätter nicht mehr als Knospe zusammen- schliessen. Sie müssen sich bereits gerade gestreckt haben und sich frei von einander bewegen. Ersteres ist Bedingung für das Ein- tragen der Verlängerung ihrer Achse auf die Glasplatte; das zweite ergiebt sich unmittelbar aus der ungleichen Winkelgeschwindigkeit. Im dritten Versuch hatte das jüngste Blatt, als es durch die Platte hindurch sichtbar wurde, eine Länge von 8 cm, sein Internodium (bis zum nächstunteren Umgang der Blattspirale) etwa I cm; das Blatt drehte sich um 40° in zwei Tagen. Das Blatt war gerade und hatte sich eben aus der lose geschlossenen Blättergruppe der End- knospe losgelöst. Die ältesten, noch drehenden Blätter sind schon nahezu ausgewachsen und weit vom Stengel abstehend. Es ist somit klar, dass in meinen Versuchen die Drehung wenigstens zu einem bedeutenden Theile in Stengeltheilen stattfand, auf denen die Blätter frei abstanden, und welche also von diesen keinen hem- menden Druck erfahren konnten. Nur die Verbindung der Blatt- basen zu einer Spirale konnte hier, der Ansicht Braun’s entsprechend, eine Hemmung ausüben. Darüber jedoch werde ich im nächsten Paragraphen Versuche mittheilen. Einen weiteren Versuch habe ich mit sechs ra Indi- viduen angestellt. Ich theile daraus nur die Drehung eines der am schnellsten drehenden Blätter für jedes Exemplar, unter Angabe der FRAIS und der Entfernung seiner Insertion vom nächst- 1) Frühlingsversammlung des botanischen Vereins der Prov. Brandenburg in Freienwalde a. O., Sitzung vom 1. Juni 1890. Nach einem mir von Herrn Prof. Magnus freundlichst zugesandten Zeitungsberichte. Vergl. auch die während des Druckes meiner Monographie erschienene Abhandlung des- selben Forschers in Verhandl.d. Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XXXII, S. VII MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 273 unteren Umgange der Blätterspirale mit. Die Messungen fanden am Anfange der viertägigen Periode statt. Pflanze Blatt Intern. Totale Drehung in 4 Tagen A l12N20m 2 cm 1259 B ANON i DN 135° 6 ur RO LA B 70° D rider ah 45° E Fea | abe Bh 90° F ROn Bril, 60° Also bei einer Internodiumlänge von 2—3 cm stets noch be- deutende Drehung. Dasselbe fand ich in einigen weiteren Versuchen bestätigt. Ich habe zum Ueberflusse versucht, den vermutheten Druck der Blätter auf den tordirenden Stengeltheil aufzuheben oder doch zu vermindern. Zum ersten Zwecke schnitt ich die Blätter während des Drehens am drehenden Stengeltheil dicht über ihrer Basis ab, und zwar von unten herab bis zu einer Blattlänge von 8—11 cm. Diese Operation übte auf den Vorgang der Torsion keinen merk- lichen Einfluss aus. Zum zweiten Zwecke habe ich eine Anzahl tordirender Exemplare auf dem Felde völlig verdunkelt, ich hoffte durch das Etiolement der Blätter deren Festigkeit und somit ihr Vermögen, einen Druck auszuüben, zu schwächen. Auf das Tordiren des Stengels hatte auch diese Behandlung keinen Einfluss. Die sämmtlichen Versuche wurden Mitte Mai gemacht, als die Gipfel der tordirenden Stämme noch kaum alle Blätter am Vegetations- kegel angelegt hatten. Die auf S.269 f. beschriebenen Versuche lassen die letzte Periode und das Ende der Drehung erkennen, nicht aber den Anfang. Ich hätte diesen vielleicht nach derselben Methode bestimmen können, wenn ich die äusseren Blätter der Endknospe entfernt und in dieser Weise ein Blatt kurze Zeit vor Anfang der Drehung freigelegt hätte. Ich hoffe auch im nächsten Jahre solcheVersuche anstellen zu können!). Es lässt sich diese Frage aber noch in einer anderen Weise beant- worten. Denn man braucht dazu offenbar nur an einem tordirenden Sprosse die jüngste Stelle aufzusuchen, an der noch eine Neigung der Stengelrippen kenntlich ist. Ich wählte zu diesem Versuch im Mai 1889 eine junge, sich streckende und sich kräftig tordirende Pflanze, an deren Vegetationspunkt noch 1) Das Material dazu ist mir leider im Winter erfroren, 4. Mai 1891. 18 274 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. nicht sämmtliche Blätter angelegt waren, suchte die jüngsten schon tordirten Theile auf und maass hier die Länge der Blätter, die Länge der von demselben Blatte herabsteigenden medianen äusseren Blatt- spur bis zum nächsten Umgang der Spirale und die Neigung dieser Mediane, d. h. den Winkel, den sie mit der Längsrichtung des Stam- mes machte. Ich fand Länge Länge Neigung der Blattspur des Blattes der Blattspur Blatt No. 1 . 20 mm 16,5 cm 30° NO. ed DRE 100-4, 30° 55 NGS rl Ork FT 30° NUS MEN se. EUV TRE um 20° RN dian Li ae 00 Es fängt in diesem Beispiele die Torsion somit an bei einer Blatt- länge von 4,0 cm und einer Blattspurlänge von 4 mm. An zahl- reichen anderen Individuen fand ich einen ähnlichen späten Anfang der Drehung. Der Anfang der Torsion lässt sich auch auf dem Querschnitte ermitteln, wenn dieser nur nicht auf die jüngsten, sich noch nicht tordirenden Theile beschränkt wird. Ich durchschnitt dazu Mitte Mai die ganze Blättergruppe junger Stämme in einer horizontalen Ebene in der Höhe des Vegetationspunktes, legte eine Glasplatte auf die Pflanze auf und zeichnete auf diese die Lage der Blätter in natür- licher Grösse. Eine solche Figur findet man in Fig. 5 auf Tai. IV. Ich maass nun die Divergenzwinkel der gezeichneten Blätter und fand in zwei Individuen folgende Zahlen: Winkel zwischen A B Blatt; A2 tr 21899 1328 nous U 67. 132° ! 3—4 ‚1340 1309 L hott ee 1292 tina Dee 15% ‚ 6—T « 420° 120° Tan ori atna oh HES 1229 wi BG: dan voy due 128° se Dal, ct te cuil 128° wat Or libre 138° sr VEN eee BR 138° at oro 14 he br MAAS 138° reld or oe eles 138° Es de ree -- iy A ae LAB? = v MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 275 No. 1 ist das älteste, No. 14—16 sind die jüngsten Blätter. Die Pflanze B ist diejenige, der die Fig. 5 auf Taf. IV entnommen ist. Es ergiebt sich, dass die Blätter A 13—16 und B 10—14 noch den normalen Divergenzwinkel der Vegetationskegel haben, dass von Blatt 13 resp. 10 an die Winkel, offenbar durch die Torsion des Stengels, geringer geworden sind. Hier ist also der erste Anfang der Drehung. Um zu erfahren, welcher Länge der Blattspur hier dieser Anfang entspricht, habe ich an dem Individuum B, nachdem die Zeichnung gemacht worden war, diese Länge für die betreffenden Blätter ge- messen. Ich fand diese Länge für die mediane äussere Blattspur, den Rippen entlang gemessen, bis zum nächsten Umgange der Blattspirale : Länge der Blattspur fir Blatt No. 9... 14mm Neigung deutlich, EBER Nerd tot cot 19a ib schwach, 5 evo Mr Alen te Braks FA äusserst schwach, No dir enr is nicht sichtbar. Es zeigt sich, dass die ersten Spuren der Torsion hier an der Neigung der Rippen noch etwas früher sichtbar sind als an der Abnahme des Divergenzwinkels. Die Länge der Blattspur, welche eben anfängt sich zu tordiren (5—6 mm), stimmt mit jener des auf voriger Seite mitgetheilten Versuches (4—7 mm) hinreichend genau überein. In anderen Individuen fand ich die ersten Spuren der Torsion noch nicht bei 3 cm Blatt- und 2 mm Blattspurlänge, wohl aber beim nächstfolgenden Blatt mit 4 cm Blatt- und 3mm Blattspurlänge. Die Versuchspflanzen hatten eine Stammhöhe von 10—15 cm, ihre Blätter erhoben sich bis zu etwa einem halben Meter. Fassen wir die Ergebnisse aller dieser Versuche und Beobach- tungen zusammen, so finden wir: 1. Die Drehung fängt bei einer Blattspurlänge von 3—6 mm, welche einer Blattlänge von etwa 4 cm entspricht, an. 2. Sie ist anfangs langsam, in dem Augenblicke, wo die Blätter den Verband der Knospe verlassen, sehr schnell (bei einer Blatt- grösse von etwa 15—20 cm und einer Blattspurlänge von etwa 10—15 mm) und erlischt dann nur langsam mit dem Aufhören der Streckung des betreffenden Stengeltheils. Die Drehung zeigt somit eine „grosse Periode“, welche mit derjenigen der Streckung zusammenfallen dürfte; jedoch bedarf dieses noch besonderer Unter- suchung. 18* 276 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 3. Jedenfalls findet aber die Torsion hauptsächlich gleichzeitig mit der bedeutenden Streckung des betreffenden Stengeltheiles statt. § 2. Versuche über die Mechanik des Tordirens. Die erste, experimentell zu beantwortende Frage ist die, ob die Gürtelverbindungen der Gefässbündel der Blätter einen Einfluss auf das Zustandekommen der Torsion haben. Diese Gürtelverbindungen stellen, wie früher beschrieben wurde, ein ununterbrochenes Schraubenband um die junge Stengelspitze dar. Sie sind in unseren Fig. 3, 9 u. 10 auf Taf. IV deutlich zu erkennen. Sie liegen, wie Fig. 12 B auf derselben Tafel zeigt, in dem Blatt- grunde, ausserhalb des Stengels. Daraus geht hervor, dass es leicht gelingen muss, sie zu entfernen, wenn man die Verbindung der be- nachbarten Blattflügel am Stengel wegschneidet oder abkratzt, wenn man nur Sorge trägt, die äusseren Theile bis in das Rinden- gewebe oder bis an den Gefässbündelring des Stammes abzutragen. Die Fig. 9 auf Taf. IV bezieht sich auf die Blätter 12 u. 13 der Fig. 5. Und erst zwischen den Blättern 9 u. 10 fing der Divergenz- winkel an merklich geringer zu werden. Eine schiefe Neigung als erste Andeutung der Torsion war, wie wir oben gesehen haben, an den Blattspuren des Blattes 12 noch nicht sichtbar. Die Gürtel- verbindungen sind somit völlig angelegt, bevor die Torsion anfängt. Dennoch üben sie auf diesen Process keinen merklichen Ein- fluss aus. Ich habe an fünf Pflanzen Ende Mai und Anfang Juni, während der kräftigen Streckung des unteren Theiles des sich tor- direnden Stammes, alle Gürtelverbindungen über mehrere Umgänge der Blätterspirale vorsichtig abgetragen. Und zwar für jede einzelne Verbindung vor oder im allerersten Anfang der Torsion; die einzelnen Operationen an demselben Stengel wurden somit an successiven Tagen ausgeführt. Aber die Torsion ging in ganz normaler Weise vor sich. Die untere Hälfte des in Fig. 1 auf Taf. VI photographirten Stengels war eines dieser Versuchsobjecte, die Operationen er- streckten sich etwa bis b. Man sieht, dass die Torsion hier einen ganz gewöhnlichen Grad der Ausbildung erreicht hat. Ebenso ver- hielten sich die übrigen Versuchspflanzen. Es sei gestattet, hier daran zu erinnern, dass es viele Arten mit schönen Zwangsdrehungen giebt, welche keine Gürtelverbindungen haben. Doch komme ich hierauf im nächsten Abschnitt zurück. Eine zweite zu beantwortende Frage ist die nach dem Einflusse des schraubenförmigen Diaphragma im Innern des hohlen Stengels auf die Entstehung der Torsion. Obgleich dieses keine Gefässbündel MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 277 enthält, so könnte es doch als continuirliches Band die Hemmung bedingen, welche nach Braun’s Auffassung die Drehung herbeiführt. Um die Continuität dieses Bandes aufzuheben, machte ich von aussen in den Stengel hinein Einschnitte zwischen je zwei Blättern, dadurch wurde gleichzeitig das ganze Blätterband in Stücke getrennt. Auch diese Versuche hatten aber das erwartete Ergebniss nicht. “Erstrecken sich die Schnitte nicht wesentlich aufwärts oder abwärts von der Insertionslinie der Blätter, so geht die Drehung ungestört weiter. Ein Einfluss auf die Erscheinung wird erst erzielt, sobald die Einschnitte sich eine kleinere oder grössere Strecke weit von jener Insertionslinie ausdehnen. Es ist dabei erforderlich, wie wohl selbstverständlich, die Operation an Stellen vorzunehmen, wo die Drehung noch nicht angefangen hat oder eben anfängt, denn je weiter die Torsion bereits vorgeschritten, um so geringer wird der Erfolg der Einschnitte sein können. Die Drehung fängt aber, wie im vorigen Paragraphen gezeigt wurde, dort an, wo die Blätter etwa 4cm, die Blattspuren etwa 4 mm Länge erreichen. Den Erfolg dieser Versuche habe ich in meiner vorläufigen Mit- theilung mitgetheilt und abgebildet!). Es gelang hier die Drehung stellenweise völlig aufzuheben, während sie oberhalb und unter- halb der Versuchsstrecke eine äusserst kräftige blieb. Die beiden durch die Spalte getrennten Blätter wurden dabei durch das Wachs- thum des Stengels in vertikaler Richtung auseinandergeschoben; die Verschiebung erreichte in einem Falle etwa 2cm. Der be- treffende Stengeltheil war gerade gestreckt, die Insertionen der Blätter standen nahezu quer zur Stengelachse. Dieselben Resultate erhielt ich mit mehreren Versuchspflanzen in 1889; in 1890 habe ich diese Versuche wiederholt und die Ergebnisse bestätigt gefunden. Die Schnitte, welche eine deutliche Verschiebung der beiden be- nachbarten Blätter aus der Spirale herbeiführten, hatten, nachdem der Stengel ausgewachsen war, eine Länge von 2—3 cm, bei einer Blattspurlange von 4—5 cm, sie erstreckten sich also um etwa 4 der Blattspurlänge von der Insertionslinie aufwärts und abwärts. In dieser Weise ausgedrückt, gilt das angegebene Maass selbstver- ständlich auch für den Tag der Operation. Kleinere Schnitte hatten in der Regel keinen merklichen Erfolg. Ich schritt nun zu grösseren Operationen. Denn in der vorigen Versuchsreihe waren eigentlich nur die Ränder der Schnitte von der 1) Opera V, S. 162, Taf. I, Fig. 6. 278 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Torsion verschont geblieben, es handelte sich jetzt darum, grössere Strecken gerade zu erhalten. Diesem Versuche wurden im Juni 1890 drei im unteren Theile bereits schön tordirte Hauptstämme geopfert. Von diesen sind zwei auf Taf. VI in Fig. 1 u. 7 abge- bildet. Das Princip dieser Versuche war, die Einschnitte länger und zahlreicher zu machen und sie derart in Entfernungen von einer oder zwei Blattinsertionen von einander anzubringen, dass sich ihr Einfluss auf die zwischenliegenden Partien des Stengels summiren könnte. Es gelang mir in dieser Weise längere, gerade gestreckte und völlig ungedrehte Stengelstücke entstehen zu lassen an Stellen, welche ohne die Operationen ohne Zweifel sich tordirt haben würden, da die benachbarten nicht behandelten Partien sowohl auf der Unterseite als auf der Oberseite der operirten Strecke die Drehung im üblichen Grade der Ausbildung zeigten. Vergl. Fig. 1 zwischen Blatt I und Blatt 5 und Fig. 7 zwischen Blatt 1 und Blatt 6. Die Operationen wurden im Juni 1890 vorgenommen an jenen Stellen des noch jugendlichen Stammes, an denen die Torsion eben anfing sichtbar zu werden. Die Pflanzen blieben bis in den Herbst auf dem Beete und wurden somit im völlig ausgewachsenen Zustande geerntet und photographirt. Das erste in Fig. 1 (Taf. VI) abgebildete Exemplar hatte drei Einschnitte. Es sind dies d e zwischen Blatt I u. 2; dieser Schnitt erstreckte sich nur wenig unterhalb der Insertionslinie, aufwärts aber über etwa 2/, der Blattspur des Blattes 4. In der Figur sind die Blätter am leichtesten an ihren Achseltrieben kenntlich, derjenige des Blattes 1 war am Grunde abgeschnitten. Zwischen Blatt 2 u. 3 ist keine Operation zu erwähnen. Zwischen Blatt 3 u. 4 liegt der grösste Schnitt; da er in der Figur auf der Hinterseite liegt, ist sein Umriss nicht leicht zu erkennen. Er ist durch g, g’, g”, €”, C° bezeichnet und durchläuft den Stengel nach oben und nach unten bis zum nächsten Umgang der Blattspirale. Zwischen Blatt 4 und Blatt 5 liegt der Schnitt f, f’, A’, h, der sich abwärts nur etwa um eine halbe Blattspurlänge, aufwärts aber bis zum nächsten Umgang der Spirale erstreckt. Die nächsten Folgen dieser Einschnitte sind, dass der Stengel- streifen von Blatt 7 abwärts über Blatt 4 bis zu Blatt 1, sowie der Doppelstreifen von Blatt 5 u. 6 abwärts zu Blatt 2 u. 3 völlig von einander isolirt sind. Nur ein kleiner Arm, zwischen e und f verbindet sie, dieser ist durch ihre Streckung quergestellt worden und hat da- durch die gegenseitige Entfernung der beiden Streifen, welche in der MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 279 Figur so auffallend ist, herbeigeführt. Der Doppelstreifen aber hat sich derart mit beiden Rändern einwärts gebogen, dass er an sich ein fast cylindrisches Stengelstück mit scheinbar einfachem Längs- riss darstellt. In den Riss passt aber der Streifen 7, 4, 1 hinein. Nach dieser etwas umständlichen Beschreibung, deren Verständ- niss leider durch unsere Figur nicht in demselben Grade erleichtert wird, wie wenn ich meinen Lesern das Object selbst vorlegen könnte, kehre ich zum Hauptergebniss zurück. Es ist dieses: Die von zwei parallelen Schnitten isolirten Streifen haben keine Torsion erfahren. Es gilt dieses sowohl, wenn sie die Breite von zweien Blattinsertionen haben, als wenn sie sich nur über die Breite eines einzelnen Blattes erstrecken. Mit dem Fehlen der Drehung ist eine bedeutende Streckung verbunden, welche fast das Doppelte von der während der Torsion erreichbaren Länge beträgt. Das in Fig. 7 (Taf. VI) abgebildete Object wurde genau in derselben Weise behandelt. Die Einschnitte lagen zwischen den Blättern I u. 2 (auf der Rückenseite in der Figur), 2 u. 3 (a, a’, a’, alV, aV) und 3 u. 4 (b, b', b’). Sie erstreckten sich sämmtlich auf- wärts bis zum nächsten Umgang der Spirale. Die drei von ihnen isolirten Stengelstreifen haben ihre Ränder möglichst einwärts ge- krümmt, sind aber sonst gerade geblieben. Im dritten Exemplar erstreckten sich die Einschnitte von einem Blatte bis zum zehnten darauf folgenden und somit über 31, Um- gänge der ursprünglichen Blattspirale. Sie lagen zwischen den Blättern I u. 2, 3u. 4, 4u. 5, 5 u. 6, 6 u. 7 und waren somit fünf an der Zahl. Da sie sich jede bis zum nächstoberen Umgang der Spirale erstreckten, erreichte die letzte fast das zehnte Blatt. Die operirte Strecke war 18cm lang und nicht tordirt, die Blätter bildeten eine Schraube von fast 31, Umgänge und hatten somit, soweit die Verzerrung durch die Wunden dieses erlaubte, die ur- sprünglichen Divergenzen beibehalten. Die beiden Versuche bestätigen also die aus dem ersteren ab- geleiteten Folgerungen. Diese auf dem Felde ausgeführten Operationen haben somit, trotz ihrer unvermeidlichen Rohheit, zur Aufhebung der Torsion und entsprechenden Streckung der Glieder des Stengels geführt. Sobald es gelingt, feiner zu arbeiten, wird man offenbar einen Dipsacus-Stengel herstellen können mit spiraliger Anordnung der Blätter, aber ohne Torsion, mit einer Blattstellung also, wie sie bei gewöhnlichen Pflanzen mit zerstreuten Blättern obwaltet. Als Schlussergebniss zeigt sich, dass als mechanische Ursache 280 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. der Torsion nicht allein die spiralige Verwachsung der Blattbasen mit ihren Gürtelverbindungen und dem Diaphragma in der Höhlung des Stengels betrachtet werden muss, sondern die spiralige Anord- nung der Blattbasen nebst den von ihren Blattspuren durchlaufenen Abtheilungen des Stengels (für jedes Blatt bis zum nächst unteren Umgang der Spirale gerechnet). Erst wenn oder soweit diese Ab- theilungen von einander losgelöst werden, bleibt die Drehung aus. Offenbar ist diese Auffassung des Mechanismus mit dem Satze Braun’s keineswegs in Widerspruch, sondern kann als eine Prä- cisirung dieses Satzes betrachtet werden. Weitere Versuche werden, von diesem neuen Gesichtspunkte ausgehend, ohne Zweifel unsere Einsicht in das Wesen der Zwangs- drehung noch bedeutend vertiefen. Es ist mir völlig klar, dass meine Experimente dazu nur einen ersten Schritt bilden und dass namentlich die im vierten Abschnitt gegebene deductive Beschreibung der Unterbrechungen der Zwangsdrehungen nicht auf den Namen eines Versuches zur mechanischen Erklärung Anspruch machen kann. Aber bis jetzt stand mir nicht mehr Material zur Verfügung, ich habe ohnehin schon eine ganz bedeutende Anzahl von tordirenden Individuen diesen Studien geopfert. Jedem, der sich für diese und andere Fragen über die Erschei- nungen der Zwangsdrehung interessirt, werde ich gerne Samen meiner Rasse zu eigenen Versuchen zur Verfügung stellen?). Sechster Abschnitt. Suturknospen und Suturblättehen. $ 1. Accessorische Achselknospen. Neben dem normalen Achselspross tragen die Stengel von Dipsacus silvestris bisweilen . kleine, collaterale Knospen. Diese wurden bereits von Braun gesehen. Er sagt darüber: „Sehr kümmerliche Nebensprösschen neben dem Hauptspross, meist nur auf einer Seite, habe ich in diesem (1874) und dem verflossenen Jahre an mehreren Exemplaren in mittlerer Stengelhöhe von den Trichtern der verbundenen Blätter versteckt beobachtet“ 2). Auf eine weitere Beschreibung geht er aber nicht ein. An meinen tordirten Exemplaren waren diese collateralen Achsel- knospen sehr häufig und oft auf demselben Stengel in grosser An- ı) Vergl. auch S. 238. 2) A. Braun, Sitzungsber. d. Gesellsch. Naturf. Freunde, Berlin, 14. Juli 1874, S. 77. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 281 zahl und üppiger Entwickelung vorhanden. An decussirten und dreizählig-wirteligen Pflanzen sah ich sie selten; hier gelang es mir aber ihre Ausbildung durch einen Kunstgriff zu veranlassen. Ich schnitt dazu, als die Pflanzen etwa anderthalb Meter Höhe erreicht hatten, den Gipfel und sämmtliche normale Achselsprosse weg, die letzteren stets unterhalb ihres ersten Blattpaares. Die Folge war, dass in vielen Achseln accessorische Knospen hervorbrachen und sich zu kleinen Sprösslein entwickelten. Meist in jeder Achsel nur eine, oft aber auch zwei. Im Laufe des Sommers gingen diese Spröss- chen aber meist wieder zu Grunde. Denselben Versuch stellte ich, und zwar mit gleichem Erfolg, mit einer Anzahl tordirter Exemplare im Sommer 1890 an. Die collateralen Achselknospen der tordirten Karden von 1889 sind in einer Reihe von Beispielen auf Taf. II] in Fig. 5, 6, 7 u. 11 und in Fig. 8 auf Taf. IV dargestellt. Fig.5 u. 11 geben ihre normale Stellung in der Jugend und im vorgeschrittenen Alter an, wenn ihre Ausbildung nicht durch künst- liche Eingriffe gefördert worden ist. Fig. 5 ist einem linksgedrehten Exemplare entnommen und senkrecht auf die Rippen des Stengels, also parallel der Blattspirale geschnitten. Der normale Achsel- spross war 5 mm lang und trug bereits eine Anlage eines Blüthen- köpfchens. Auf der einen Seite sieht man eine, auf der andern zwei collaterale Knospen. Letztere sind vermuthlich als Spaltungs- producte einer fasciirten Knospe aufzufassen (vergl. Fig. 7 und weiter unten im Text). Gefässbündelanlagen konnte ich an diesen Knospen noch nicht sichtbar machen. Es ist deutlich, dass die collateralen Knospen hier neben, nicht auf dem Hauptachselsprosse stehen. Ebenso verhielten sie sich in den übrigen untersuchten Fällen junger Anlagen. Beim weiteren Wachsthum des mittleren Achselsprosses ändert sich aber diese gegenseitige Lage. Die Ursache davon ist das An- schwellen des Sprossgrundes zu einer dicken, runden Geschwulst. Diese ist fast kugelig, aber breiter als hoch. Auf ihr sitzen, wie Fig. 11 in natürlicher Grösse zeigt, die collateralen Knospen seitlich. So zeigen sie sich auf den erwachsenen tordirten Stengeln dem un- bewaffneten Auge. Eine ganz gewöhnliche Abweichung, der diese collateralen Knospen unterliegen, ist die Fasciation. Sie sind häufig mehr oder weniger verbreitert und zwar parallel der Insertionslinie des betreffenden Blattes. Ein Beispiel aus vielen ist in Fig. 7 auf Taf. III abgebildet, eine normale collaterale Knospe dagegen in Fig. 6. 282 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Die Fasciation giebt sich theilweise durch die Verbreiterung der ganzen Anlage, theilweise durch die Zahl der Glieder im ersten Blattwirtel zu erkennen. Ich beobachtete in mikroskopischen Schnitten durch junge, noch wachsende tordirte Stengel nicht selten vierblättrige und achtblättrige Wirtel, während die Fig. 7 einen fünf- und einen sechsblättrigen Quirl erkennen lässt. Auch sieben- blättrige habe ich gesehen. Bisweilen führen diese Wirtel auch mehr oder weniger tiefgespaltene Blattanlagen, wie solches aus der Ver- gleichung successiver Mikrotomschnitte hervorgeht. $ 2. Suturknospen. Ausser den im vorigen Paragraphen beschriebenen collateralen Achselknospen bildet Dipsacus silvestris noch andere Knospen. Diese stehen nicht in den Blattachseln selbst, sondern mitten zwischen den Insertionsstellen zweier Blätter, genau an dem Punkte, wo diese sich berühren. Solche „interfoliare““ Knospen scheinen im Pflanzenreich selten zu sein; sie sind z. B. für die Inflorescenzen von Asclepias bekannt, wo Eichler sie ‚‚interpetiolar‘‘ nennt!). Sie sind in vielen Exemplaren meiner Rasse zahlreich und schön ausgebildet, und zwar wesentlich nur an den Individuen mit durch- aus tordirtem Hauptstamm. An atavistischen Pflanzen habe ich sie seltener gesehen, doch konnte ich hier ihre Ausbildung, wie die- jenige der accessorischen Achselknospen, durch Abschneiden des Gipfels und sämmtlicher normaler Achselsprosse, befördern. Auf diesen Versuch komme ich weiter unten zurück. Ich werde diese Knospen ,,Suturknospen“ nennen; sie stehen auf der Sutur zwischen zwei benachbarten Blättern. Diese Be- zeichnung weist sofort auf die Uebereinstimmung ihrer Stellung mit den in den beiden nächsten Paragraphen zu behandelnden Sutur- blättchen hin. Suturknospen habe ich auf Taf. III in Fig. 8, 12, 13B, 13C ab- gebildet. Sie finden sich, sowohl an tordirten als an atavistischen Exemplaren, nicht selten zwischen Blättern, deren wenigstens eins auf der Seite der Suturknospe eine accessorische Achselknospe trägt. An tordirten Exemplaren sieht man sie bisweilen an den Suturen einer ganzen Reihe aufeinanderfolgender Blätter. Bisweilen führt dieselbe Sutur zwei Knöspchen (Taf. III, Fig. 13C), welche viel- leicht ebenso wie die doppelten collateralen Achselknospen, als Spaltungsproducte einer fasciirten Knospe betrachtet werden müssen. ı) Eichler, Blüthendiagramme I, S. 255. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 283 Doch habe ich auf die Neigung dieser Gebilde zur Fasciation bald zurück zu kommen. Die Gefässbündel der Suturknospen gehen, wie in successiven Mikrotomschnitten ersichtlich, gerade abwärts, bis sie die Gefäss- bündel des Stammes (Taf. IV, Fig. 12A u. B bei s) unter sich treffen und vereinigen sich dann mit diesen. Für gewöhnlich bilden sich die Suturknospen nicht weiter aus, als es in Fig. 12 auf Taf. III in natürlicher Grösse abgebildet ist. Die beiden Achselsprosse der Blätter 1 und 2 waren nahezu aus- gewachsen, das Bild ist der linksaufsteigenden Blattspirale eines tordirten Hauptstammes entnommen, nachdem die Blätter und Achseltriebe dicht über ihrer Basis weggeschnitten waren. Wie bereits erwähnt, ist es mir gelungen ihre weitere Ent- wickelung dadurch zu veranlassen, dass ich im Juni 1890 den Gipfel und sämmtliche Achselsprosse kräftig wachsender Exemplare weg- schnitt. Es war dies derselbe Versuch, in welchem ich auch das weitere Wachsthum der accessorischen Achselknospen beobachtete. Wie jene, gingen auch die meisten Sutursprosse, sowohl an ata- vistischen als an tordirten Individuen im August wieder ein, ohne eine bedeutende Grösse zu erreichen. Eine Ausnahme bildeten nur drei Suturtriebe, welche sich in drei Wirteln eines sehr kräftigen, dreizähligen Exemplares entwickelt hatten. Es waren die mitt- leren Wirtel des anderthalb Meter hohen Stammes. Die Triebe sassen genau zwischen den beiden benachbarten Blättern, ent- wickelten Blüthenköpfe, wurden aber vor der Samenreife mit sammt dem Stamme abgeschnitten und getrocknet, um aufbewahrt zu werden. Ich lasse jetzt eine kurze Beschreibung dieser drei Sutursprosse folgen und fange mit dem obersten an. Dieser erreichte eine Länge von 30 cm und sass, wie die beiden anderen, mit dickem Geschwulst dem Stengelknoten auf. Unten war er im Querschnitt rund, flachte sich nach oben aber allmählich ab, bis er fast doppelt so breit wie dick war. Die Verbreiterung fand, wie stets, parallel der Insertionslinie der benachbarten Blätter des Hauptstammes statt. Am Gipfel trug er ein bis etwa zur Mitte gespaltenes, also unvollständig verdoppeltes Köpfchen. Er trug zwei Blattwinkel, jeder von fünf Blättern; jedes Blatt mit einem normalen blühenden oder verblühten Achselspross. Der folgende Suturspross war bereits unten oval im Querschnitt und trug einen Quirl von sieben Blättern, unter denen sechs mit blühendem Achseltrieb. Dann spaltete er sich, gleich oberhalb jenes 284 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Quirls, in zwei kräftige Aeste von je etwa 35 cm Länge, welche nach einem vier- resp. dreigliedrigen Blattquirl in ein normales Blüthenköpfchen endeten. Der dritte untere Suturspross war klein, mit einem fünfblättrigen Blattwirtel und einem Blüthenköpfchen. Die Neigung zur lateralen Verbreiterung (Fasciation) war also in allen diesen drei Fällen hinreichend deutlich ausgeprägt. § 3. Freie Suturblättchen. An den nämlichen Stellen, wie die Suturknospen, kommen an kräftig tordirten Hauptstämmen bisweilen kleinere oder grössere Blätter vor. Die kleinsten dieser Gebilde stehen frei vom Stengel ab, die grösseren kehren ihren Rücken dem Stengel zu und sind an diesen und gewöhnlich auch an eines der nächsthöheren Blätter mehr oder weniger weit angewachsen. Diese Organe nenne ich Suturblätter; die angewachsenen werde ich im nächsten Para- graphen, die freien in diesem besprechen. Die freien Suturblättchen können mit oder häufiger ohne Knospen auf derselben Sutur vorkommen. Ich wähle zur Erläuterung der zahlreichen möglichen Vorkomm- nisse drei typische Fälle aus, welche ich auf einem tordirten Stamme beobachtet habe. Dieser Stamm ist auf Taf. VI in Fig. 3 abge- bildet; es ist derselbe, welcher, von der anderen Seite gesehen, in meiner vorläufigen Mittheilung in Fig. 7 dargestellt worden ist?). Die Suturblättchen, welche in beiden Figuren sichtbar sind, sind mit denselben Buchstaben u, u”, u’’’ bezeichnet. u’ aus der ge- nannten Fig. 7 ist auf Taf. VI nicht sichtbar. ulV ist ein ange- wachsenes Blättchen und wird also im nächsten Paragraphen be- sprochen. Ich wähle zunächst das Blättchen u. Ich habe es in Fig. 10 auf Taf. Ill, in natürlicher Grösse und vom Rücken gesehen, ab- gebildet; es steht genau auf der Sutur der beiden Blätter I u. 2, welche dicht über ihrem Grunde abgeschnitten sind; p ist die gleich- falls durchschnittene Flügelverbindung dieser Blätter. Das Sutur- blättchen besitzt nicht einen dickeren Mittelnerv, wie die normalen Blätter, es ist überall gleich dünn. Es hat zwei Nerven, welche nur nach ihrer Aussenseite Zweige abgeben. In seiner Achsel führt dieses Blättchen zwei kleine Knospen, Suturknospen, wie wir auch im vorigen Paragraphen Verdoppelungen 1) Opera V, S. 159, Taf. I. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 285 von Suturknospen haben kennen gelernt. Ich habe die gegenseitige Lage dieser Organe in Fig. 13C gezeichnet, welche insoweit schema- tisch ist, als die Umgebung der kleinen Gruppe einem Mikrotom- schnitte aus einem anderen Präparate entnommen ist. In derselben Weise sind auch die Fig. 13A und B, wie man sofort sieht, schematisch. Als zweites Beispiel wähle ich das nächsthöhere freie Sutur- blättchen auf demselben Stengel. Es war vom ersteren nur durch ein Blatt getrennt und ist 1. c. Taf. I, Fig. 7 in u’ abgebildet. Es ist in unserer Fig. 3 auf Taf. VI nicht sichtbar, dafür aber in Fig. 13B auf Taf. III im Grundriss eingetragen. Es führte eine einzige Suturknospe, diese war aber zwischen ihm und der Blätter- spirale eingeschaltet. Dementsprechend kehrte das Blättchen seinen Rücken dem Stengel zu, war aber, wohl in Folge von Geotropismus, um etwa 180° tordirt und kehrte dadurch in seinem oberen Theil die Oberseite wieder nach oben, die Unterseite wieder nach unten. Das dritte Beispiel ist in Fig. 13A im Grundriss eingetragen. Seine Insertion steht quer zur Blätterspirale. Es hatte keine Sutur- knospe, doch sah ich eine solche in einem anderen Falle, wo sie neben dem quergestellten Suturblättchen eingepflanzt war. Das Blättchen war, wohl geotropisch, um etwa 90° tordirt. Häufig sind die Suturblättchen kleiner und schmäler. Solche sind auf Taf. III in Fig. 9 in natürlicher Grösse und 1. c. Taf. I in Fig. 6 bei u dargestellt. In den meisten Fällen sind die freien Suturblättchen nicht von Knospen begleitet. Die freien Suturblättchen waren am häufigsten auf dem mitt- leren Theile der Blätterspirale kräftig tordirender Stämme. Sie können hier bisweilen fast auf allen Suturen vorkommen. Nennt man im Stamme Taf. VI, Fig. 3 die Sutur des Blättchens u’ No. 1, so führten hier die Suturen No. 2, No.5 und No. 6 gleichfalls freie Suturblättchen, während No. 4 ein angewachsenes (u!V) trug und nur No.3 leer war. Es zeigt dieses, dass die Suturblättchen nicht etwa als Glieder der Hauptspirale zu betrachten sind. Viel- leicht hat man sie als Vorblätter der Suturknospen aufzufassen. $ 4. Angewachsene Suturblätter. Viel häufiger als die kleinen freien Suturblättchen sind an tor- dirten Hauptstämmen grössere überzählige Blätter, deren Deutung, trotz der Untersuchung zahlreicher Fälle, noch grössere Schwierig- keiten macht als die Erklärung jener. Ich fasse sie vorläufig als Suturblätter auf, welche mehr oder weniger hoch mit dem Stengel 286 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. verwachsen sind. Ein Beispiel habe ich auf Taf. Vl in Fig.3 bei ulV dargestellt. Betrachten wir aber zunächst die Fig. 13B auf Taf. III. Man kann sich hier leicht vorstellen, dass das Suturblättchen mit seinem Rücken an den Stengel anwächst. Die Verwachsung kann sich mehr oder weniger hoch erstrecken, was namentlich auch von der Grösse des Blattes abhängig sein wird. Erreicht sie die nächstobere Win- dung der Blattspirale, so kann sie sich selbstverständlich nur auf dem Rücken des dortigen Blattes fortsetzen. Das Suturblatt wird sich dann als eine rückenständige Verdoppelung dieses Blattes aus- nehmen. Aus dieser deductiven Betrachtung lässt sich leicht ableiten, mit welchem Blatte und Blatttheile die erwähnte Verwachsung statt- finden wird. Wir betrachten dazu z. B. die einer Serie von Mikrotom- schnitten entnommene Fig. 3A auf Taf. IV. Das Suturblättchen s steht zwischen den Blättern 1 u. 2 und ist dadurch mit seinem Rücken dem Blatte 4 angedrückt, und zwar seitlich von dessen Medianebene auf der nach. dem nächsthöheren Blatte 5 gekehrten Seite. Nennen wir diese Seite die anodische, so ergiebt sich die Regel, dass angewachsene Suturblättchen, wenn sie eine hinreichende Grösse haben, dem Rücken des drittnächsten Blattes anodisch von dessen Mediane aufsitzen. Ich habe auf diese Lage in sehr zahl- reichen Fällen, sowohl an ausgewachsenen Stämmen als auf Serien von Mikrotomschnitten durch wachsende Gipfel tordirter Stengel geachtet und keine Ausnahme von dieser Regel gefunden. Auch kehren die angewachsenen Suturblätter ausnahmslos ihren Rücken dem Stengel und dem Tragblatte zu. Die Verwachsung ist eine congenitale: die später verwachsenen Theile treten als solche aus dem Vegetationskegel heraus. Die Untersuchung jugendlicher Zustände lehrt also in dieser Hinsicht nicht mehr als das Studium ausgewachsener Blätter. Doch hat sie in anderer Rücksicht einen wesentlichen Vorzug. Denn die Anlage der Blätter und somit auch jene der Sutur- blätter findet vor dem Anfange der Torsion statt; in der Jugend sehen wir also wie sie sich ohne deren Einfluss verhält. Die Ver- wachsungslinie steht einfach der Achse des Stengels parallel, das Blättchen steigt an diesem senkrecht auf. Ich beobachtete dieses sowohl auf Mikrotomschnitten als an ganzen Stengelgipfeln, an denen ich die jüngsten angewachsenen Suturblättchen mit dem unbewaff- neten Auge in jener Region finden konnte, wo die Torsion noch nicht angefangen hatte, MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 287 Durch die Torsion werden die Rippen des Stengels schiefgestellt und spiralig gedreht. Ein angewachsenes Suturblättchen ist mit einem solchen Rippen der ganzen Länge nach verbunden, es er- fährt somit dieselbe Drehung und geht dadurch in jenen Stand über, welchen es in der zuerst erwähnten Figur (Taf. VI, Fig. 3 ulV) zeigt. Es ist dies eine nothwendige und erfahrungsgemäss stets zutreffende Folge der Torsion. Die beiden Blätter, zwischen denen das Suturblatt steht (z. B. 1 u. 2 in Fig. 3A auf Taf. III) sind stets mit ihren Flügeln gerade so verwachsen, als ob kein überzähliges Blättchen vorhanden wäre. Die Flügel des angewachsenen Suturblattes laufen an der be- treffenden Stelle bis an die Hauptspirale herab, endigen hier aber ‘ohne Anschluss. Eine Suturknospe fand ich an ihnen bis jetzt nie. Die angewachsenen Suturblätter erreichten nur in wenigen Fällen die nächstobere Windung der Hauptspirale nicht. Es mag dieses damit zusammenhängen, dass die später so bedeutende Entfernung der benachbarten Windungen am Vegetationskegel nahezu fehlt. Ich beobachtete den fraglichen Fall einmal an einem erwachsenen Stamme und einige Male an Serien von Mikrotomschnitten. Bis- weilen erreichte die Verwachsungsstrecke mehr, bisweilen aber auch weniger als die halbe Entfernung der beiden Windungen der Blatt- spirale. Meist sind die angewachsenen Suturblätter wenigstens mit der Basis des drittoberen Blattes verwachsen, wie in Fig. 3 bei ulV auf Taf. VI. Sehr häufig erreichen sie die Hälfte oder mehr auf diesem Blatte und sind dann grosse, dem Auge sofort auffallende Gebilde, welche man auf dem ersten Blick für Verdoppelungen des betreffen- den Blattes nehmen würde. Ihre Spitze ist wohl stets auf grösserer oder geringerer Länge frei. Ein einziges angewachsenes Suturblatt fand ich zweispitzig. Die grossen Suturblätter haben stets einen dicken Mittelnerv und auch sonst einen ganz ähnlichen Bau wie die normalen Blätter. Die Art und Weise ihrer Verwachsung habe ich in den Mikrotom- schnitten Fig. 1A—D und Fig. 2 auf Taf. III abgebildet. In Fig. 1 sieht man dieses Organ bei s in verschiedenen Höhen getroffen, und zwar in Fig. TA dicht unterhalb seines Gipfels in einem Schnitte, welcher 2,8 mm oberhalb des Vegetationspunktes lag. Der Schnitt Fig. 1B lag um 0,6 mm tiefer als der erstere, dementsprechend erscheint der Nerv dicker, die Spreite breiter. Auch erkennt man, dass das Blättchen sich zwischen beiden Ebenen gedreht hat, indem es, wohl geotropisch, sich in seiner freien Spitze mit der Oberseite 288 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. nach dem Stengel zugekehrt hat. Noch 1,0 mm tiefer, in der Ebene von Fig. 1C, war die Verwachsung mit dem Tragblatte 4 getroffen. Die beiden Mittelnerven sind vereinigt, und zwar anodisch von der Medianebene des Blattes 4. Der letzte Schnitt, 1,6 mm tiefer als C, trifft das Suturblatt unterhalb des Blattes 4, wo es also mit dem Stengel verwachsen ist (Fig. 1D); man erkennt noch den Mittelnerv und die beiden herablaufenden, verhältnissmässig schmalen Flügel. Die Blätterspirale in Fig. 1 ist rechtsgedreht; einen ähnlichen Fall in einer linksgedrehten Spirale bietet uns die Fig. 2. Fig.3 auf Taf. III zeigt uns Querschnitte eines wachsenden Gipfels eines tordirenden Stammes und in diesem ein kleines Sutur- blättchen (s), welches nun dem Stengel bis an die Basis des nächst- oberen Blattes angewachsen ist. Die obere Grenze der Verwachsung beobachtete ich 0,2 mm unterhalb der Basis des Blattes 4; der Schnitt B ist etwas höher, der Schnitt A nahe an der Spitze des Suturblättchens gewählt. In Fig. 4 sehen wir zwei Suturblätter, s und s’. Der Schnitt lag 1,8 mm unterhalb des Vegetationspunktes. Noch 2 mm tiefer war s mit Blatt 3 verwachsen, und erst 0,5 mm weiter abwärts traf ich, etwas (0,2 mm) unterhalb der Insertion des Blattes 6, die Ver- wachsung des Blättchens s’ mit dem Stengel. Dieses war also mit dem Blatte 6 selbst nicht verbunden. Endlich ist in Fig. 14 auf derselben Tafel bei s ein Suturblättchen abgebildet, welches nur eine sehr kurze Strecke hinauf dem Stengel angewachsen war. Es ist kurz oberhalb dieser Stelle und verhältniss- mässig weit unterhalb des nächstoberen Blattes (dem die Nummer 4 zukommen würde) getroffen. Ich habe in meinen Serien von Mikrotomschnitten für sechs verschiedene Suturblätter den Winkel der beiden Nachbarblätter ge- messen und diesen verglichen mit dem mittleren Winkel, berechnet aus der Blattstellung von meist 8—10 aufeinanderfolgenden Blättern. Ich fand in einem Falle den ersteren Winkel etwas grösser, in einem anderen etwas kleiner (145° und 130°), meist aber hinreichend ge- nau mit dem mittleren Blattwinkel übereinstimmend (135°—140°). Es geht hieraus hervor, dass die Suturblätter auf die Blattstellung in der Hauptspirale keinen wesentlichen Einfluss haben. Ich verlasse jetzt die tordirten Hauptstämme, um noch ein Beispiel einer ähnlichen Bildung zu beschreiben, welches ich an einem Seitenzweige ohne Torsion beobachtete. Ich meine den in Fig. 4 auf Taf. IV abgebildeten Fall. Es ist ein Stück eines Zweiges mit zwei Stengelknoten, deren unterer a c zwei normale Blätter trug, MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 289 während der obere d e drei auf ungleicher Höhe eingepflanzte hatte. Das in der Figur hintere Blatt (2) des Knotens a c ist durch einen langausgezogenen Flügel cd mit dem unteren (3) des Knotens d verbunden, ebenso ist das höchste Blatt (5) dieses Knotens mit dem nächstfolgenden vereinigt, doch ist dieses in der Figur nur theilweise sichtbar. Hauptsache ist für uns aber jetzt das Blättchen b, welches dem ganzen Internodium c d angewachsen ist, mit seiner Spitze aber frei absteht. Es dreht dem Zweige seinen Rücken zu. Seine beiden Flügel laufen am Internodium bis a hinab und treffen hier auf die Sutur zwischen den beiden dortigen Blättern (1 u. 2), welche, wie wir sahen, nur auf dieser Seite mit einander verbunden sind. Es ver- hält sich also genau wie die angewachsenen Suturblätter der tordiren- den Hauptstämme. Ich vermuthe für die fünf Blätter der beiden Knoten a c und d eine ursprüngliche Anlage nach 5/,,, mit späterer Zerreissung der Spirale und Zwischenschiebung des ringsherum gleichmässig gestreckten Internodiums c d. Diese Vermuthung findet ihre Bestätigung in dem Umstande, dass das Blättchen 6, welches auf der Sutur zwischen den Blättern I u. 2 eingepflanzt ist, dem Rücken des Blattes 4 und zwar anodisch von dessen Mediane ange- wachsen ist. Es folgt also in jeder Hinsicht den oben für die Sutur- blättchen der tordirten Stämme gegebenen Regeln (vergl. z. B. Fig. 3 auf Taf. III). Zuletzt sei hier an ein Paar Abbildungen von adhärirenden Blättern erinnert!), welche anscheinend nach einem anderen Principe verwachsen sind, zu deren genauer Untersuchung mein Material aber bis jetzt noch nicht reichlich genug war. Taf. V, Fig. 7 zeigt uns den ersteren Fall. Der Knoten a trug zwei opponirte Blätter 1 u. 2 und das Blatt o, welches mit seinem Rücken dem Rücken des Blattes 3 angewachsen war. Vielleicht ist o nur als ein Flügel von Blatt 2 aufzufassen. Das Blatt 3 haben wir früher als zweibeinig kennen gelernt, es führt auf die Zwangs- drehung c e hinüber. Taf. V, Fig. 1 enthält eine ähnliche Erscheinung. Das Blätt- chen 4 ist aber mit seiner Bauchseite der Bauchseite des Blattes 3 angewachsen. Blatt 4 ist zweibeinig und steht wie in Fig. 7 zwischen einem fast normalen Blattquirl und einer kleinen Zwangsspirale, welche hier gleichfalls links gedreht ist. Es scheint somit, dass das Blatt 4 mit dem nächstunteren Blatt (3) verwachsen ist und dass damit die bauchständige Vereinigung zusammenhängt. 1) Vergl. Abschn. IV, $ 3, S. 265—266. 290 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Siebenter Abschnitt. Sonstige Bildungsabweichungen der Rasse. $ 1. Gespaltene Blätter und Achseltriebe. Gespaltene Blätter bilden in meiner Cultur von Dipsacus silvesiris torsus eine ganz gewöhnliche Abweichung. Sie waren schon im ersten Jahre, als ich die Stammeltern der jetzigen Rasse auffand, an den decussirt-blättrigen Exemplaren desselben Beetes nicht selten und sind seitdem jährlich beobachtet worden. Aber bis jetzt fast nur im zweiten Lebensjahre des Individuums am sich streckenden Stamm und seinen Zweigen. Am häufigsten sind sie stets am Hauptstamm und den kräftigen Seitenzweigen zweizähliger Individuen gewesen. Im Sommer 1889 habe ich 13 Atavisten bis kurze Zeit vor der Blüthe auf dem Felde stehen gelassen, sie trugen an ihrem Hauptstamm sämmtlich ge- spaltene Blätter und zwar von vier bis acht pro Individuum, zu- sammen mehr als 80. Die meisten dieser Blätter waren zweispitzig, andere dreispaltig, meist war auf einem Knoten nur ein Blatt ge- spalten, nicht selten aber auch beide. Alle Grade von Spaltung waren vorhanden. Nur die oberen Hälften der etwa anderthalb Meter hohen Stämme trugen diese Abweichungen. Auch die früher erwähnten Versuche, in denen ich im Mai oder Anfang Juni die atavistischen Exemplare dicht über der Wurzel ab- schnitt, und in denen sie demzufolge zahlreiche, über meterhohe Triebe aus den Achseln der Wurzelblätter bildeten, lieferten reich- liches Material von gespaltenen Blättern. Die Ernte von 1887 lieferte z. B. 40 solche Organe, jene von 1889 noch mehr. Auch an den sonstigen Seitenzweigen der zweizähligen Exemplare wurden gespaltene Blätter vielfach beobachtet. An dreizähligen Individuen sah ich bis jetzt am Hauptstamm nie gespaltene Blätter, obwohl ich zahlreiche Stämme, namentlich in 1889 und 1890 genau darauf prüfte. Dagegen sind ihre Achsel- triebe zwar meist zweizählig, häufig aber auch dreizählig und mit vielen Uebergängen. Ganz allmählich führten hier gespaltene Blätter zu drei- oder vierblättrigen Quirlen, je nachdem ein oder beide Blätter eines Paares gespalten waren. An tordirten Hauptstämmen waren gespaltene Blätter bis jetzt sehr selten. In 1889 sah ich sie an meinen sehr zahlreichen Exem- plaren gar nicht, in 1890 an zwei Pflanzen je eins. Das eine war bis zur Hälfte, das andere vom Gipfel herab über etwa 3 cm ge- MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 291 spalten. Die Achseltriebe tordirter Individuen sind dagegen reich an zweigipfligen Blättern. Beispiele von solchen Abweichungen habe ich auf Taf. VII in Fig. 5 u. 6 abgebildet. Fig. 5 zeigt an den beiden unteren Knoten je ein zweispitziges Blatt, das untere ziemlich tief, das obere weniger tief gespalten. Fig. 6 zeigt sie an allen Knoten des Stammes, am mittleren mit sehr geringer, die beiden anderen mit ziemlich tiefer Spaltung. Auch sieht man hier wie die Seitenzweige theils zwei-, theils dreiblättrige Quirle tragen. Delpino hat in seiner Teoria generale della Fillotassi eine voll- ständige Reihe von Blattspaltungen in allen Graden abgebildet?). Ich besitze in meinem Material von Dipsacus die vollständigsten Beispiele zu dem von ihm gegebenen Schema, achte es aber über- flüssig, dieses noch weiter zu beschreiben. Das erwähnte Schema Delpino’s führt vom zweiblättrigen zum dreiblättrigen Quirl ganz allmählich über, erstreckt sich aber auch auf die Achselknospen. Auch diese können mehr oder weniger tief oder auch vollständig gespalten sein. Auch davon lieferten mir meine Kardenpflanzen ein sehr vollständiges Material, aus welchem die wichtigsten Stufen in den erwähnten Fig. 5 u. 6 der Taf. VII zu erkehnen sind. Fig. 6 zeigt links oben, in der Achsel eines ge- spaltenen Blattes, einen Spross mit gespaltenem Blüthenköpfchen, links unten aber, gleichfalls von einem zweigipfligen Blatt getragen, einen Trieb, der bis auf wenige Centimeter über seiner Basis ver- doppelt war. Das untere Ende war breit und beiderseits von einer Rinne überzogen, welche von dem Grunde bis zur Spaltung führte. In Fig. 5 trägt das zweispitzige Blatt des mittleren Knotens einen verbreiterten Achselspross von genau derselben Ausbildung wie der zuletzt beschriebene, mit der einzigen Ausnahme, dass die Spaltung sich nur über wenig mehr als die Hälfte erstreckt. Zahlreiche Zwischenstufen zwischen diesen drei Beispielen habe ich auf vielen anderen Individuen in verschiedenen Jahren gesammelt. Bisweilen führt ein zweispitziges Blatt zwei getrennte Achsel- knospen, und dieses kommt sowohl bei tief- als bei nur wenig tief- gespaltenen Blättern vor. Die in geringerer oder grösserer Höhe gespaltenen Achseltriebe pflegen von ihrer Basis an flach und von fast doppelter Breite zu sein, diese Breite bleibt dann bis zur Spal- tung dieselbe. Die Blattquirle auf dem verbreiterten Theil sind häufig mehrgliedrig, nicht selten bis sechsblättrig. ı) S. 206, Taf. IX, Fig. 60. 292 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. In geringeren Graden der Spaltung ist nur das Köpfchen ge- troffen, und auch von diesem Fall habe ich eine Reihe von Stufen geerntet. Köpfchen mit querem, kammförmigem, über 2 cm breitem Gipfel, im Ganzen also von keilförmigem Längsschnitt, wie z. B. in Fig. 2 auf Taf. VII, andere dreieckig mit etwas eingedrückter oberer Seite, also fast zweispitzig, weitergehende Spaltungen bis zur Hälfte oder fast bis zum Grunde des Köpfchens (Fig. 6), zwei Köpfchen in einem Involucrum und endlich zwei Köpfchen mit getrenntem In- volucrum auf der Spitze eines fast nicht gespaltenen Stieles. $ 2. Becherbildung. An meiner Rasse kommen sowohl ein- als zweiblättrige (mono- und diphylle) Becher vor. Erstere sind selten, letztere, wie aus der normalen Verwachsung der Blattflügel sich erwarten lässt, verhält- nissmässig häufig. Von monophyllen Bechern habe ich zwei Beispiele zu erwähnen, welche auf Taf. VII in Fig. 3 u. 4 abgebildet sind. Das Exemplar Fig. 4 wurde Ende Juli 1889 gefunden an einem aus der Achsel eines Wurzelblattes hervorgewachsenen über Meter langen Zweig eines atavistischen Individuums, dessen Stamm im Juni dicht am Boden abgeschnitten worden war. Der Zweig war über seiner ganzen Länge normal decussirt, trug aber an einem der mittleren Knoten nur ein Blatt (d), welchem gegenüber der kleine Becher c einge- pflanzt war. Dieser sass auf langem Stiel, der seine Natur als Mittel- rippe an den zahlreichen kleinen nach unten gerichteten Dornchen erkennen liess. Im Becher entsprach die Innenseite der Oberseite eines normalen Blattes. Der Stiel war etwas unterhalb des Knotens mit dem Stengel verbunden und zwar in b, statt in a. Von b bis a sah ich aber eine Risslinie; der Becher war also in der Jugend am Knoten selbst ein- gepflanzt gewesen und später bis b abgerissen. Viel grösser war der auf derselben Tafel in Fig. 3 in halber na- türlicher Grösse dargestellte monophylle Becher, welcher an einem ähnlichen Zweige im Aufschlag der abgeschnittenen Atavisten Ende Juli 1889 gefunden wurde. Der Zweig pc trug am Knoten q zwei Blätter mit den beiden Achselknospen d und e. Dann ein gestautes Internodium und an dessen Knoten nur ein Blatt mit einer einzigen Spitze. Es war am Grunde mit seinen beiden schmalen Flügeln derart um die junge Endknospe herumgewachsen, dass diese, um sich zu befreien, den Becher seitlich aufreissen musste. Man sieht den Riss von b bis a, der hervorgebrochene Gipfeltrieb ist in c ab- MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 293 geschnitten. Dieses seitliche Aufreissen ist übrigens bei den jetzt zu besprechenden diphyllen Bechern eine ganz gewöhnliche Er- scheinung. Diphylle Becher waren sehr häufig im Aufschlag der atavistischen, im Juni 1887 und 1889 dicht am Boden abgeschnittenen Individuen. Sie bilden fast stets das untere Blattpaar der neuen Triebe. Sie unterscheiden sich von normalen Blattpaaren zunächst durch ihre Form, denn sie sind unten röhren-, oben trichterförmig. Ich habe solche Fälle in meiner vorläufigen Mittheilung in Fig. 3 u. 41) und auf der beifolgenden Taf. V in Fig. 4 abgebildet. In der zweit- genannten Figur tritt die Endknospe aus der Oeffnung des Trichters hervor, in der letztgenannten aber befreit sie sich seitlich mittelst eines Risses. Beides Kommt sehr häufig vor. Alle denkbaren Uebergänge leiten von diesen Becherbildungen zu den normalen Blattpaaren hinüber. Aber auch mit dem ein- blättrigen Becher Fig. 3 auf Taf. VII sind sie durch Zwischen- stufen verbunden, in denen die Mittelnerven der beiden Blätter mehr oder weniger hoch verschmolzen sind. Der Becher ist dann ein- nervig, aber zweispitzig. Oft aber auch einnervig und drei- oder gar vierspitzig. Denkt man sich die Verwachsung der beiden Mittel- nerven bis zur Spitze vollkommen, so hätten wir einen dem erwähnten ähnlichen einblättrigen Becher. Die Uebergänge von den Bechern zum normalen Blattpaare zeigten sich durch geringere Ausbildung bis zum völligen Mangeln des Trichtertheiles aus. Auch diese sind häufig drei- oder vier- spitzig, die beiden Blätter mehr oder weniger tief getrennt. Auch dreizählige und tordirte Exemplare entwickeln solche Ge- bilde an den Achselzweigen ihrer unteren Blätter, was ich auch im Frühjahr 1890 beobachtet habe. Einmal fand ich auch eins der ersten Blattpaare einer jungen Keimpflanze zu einem trichter- förmigen, zweiblättrigen Becher umgebildet. Die Achseltriebe dieser diphyllen Ascidien sind ganz gewöhnlich monströs; ich habe sie durch Abschneiden des Zweiges dicht ober- halb des Bechers zahlreich zur Entwickelung gebracht. Ihre Miss- bildungen sind im Allgemeinen dieselben wie die der oben (Abschn. VI $ 1) besprochenen collateralen Achselknospen und Suturknospen. Seitliche Verbreiterung der Basis, welche sich mehr oder weniger hoch erstreckt, mehrgliedrige Blattquirle, Spaltung des Zweiges in zwei runde oder flache Theile, oben verbreiterte, im Längsschnitt 1) Opera V, S: 159, Taf. I. 294 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. keilförmige Blüthenköpfchen u.s.w. Man kann sich in dieser Weise, durch das Abschneiden der Stämme und Zweige, eine ganze Demonstrationssammlung von Verwachsungen, Spaltungen und echten Fasciationen herstellen. Aus dieser ganzen Reihe erwähne ich nur folgenden Fall. Ein Achselzweig eines diphyllen Bechers war am Grunde rund, nach oben verbreitert und dann, gerade in der Höhe eines Knotens, ge- spalten. Der Knoten trug zwei getrennte Blattquirle, von denen je ein Blatt genau in der Gabelung des Sprosses stand. Diese beiden Blätter waren bis dicht an ihren Spitzen mit dem Rücken ihrer Mittelnerven mit einander verwachsen; die vier halben Blatt- spreiten standen von dieser Säule in Form eines X ab. Dieses merkwürdige Vorkommniss rücklings verwachsener Blätter in der Gabelung gespaltener Zweige habe ich auch bei Robinia Pseud- Acacia und bei Evonymus japonicus beobachtet. ZWEITER THEIL. Untersuchungen über die verschiedenen Typen der Zwangs- drehungen im Sinne Braun’s. Erster Abschnitt. Uebersicht und Methode. $ 1. Einleitung. Im Jahre 1854 hat Braun jene auffallenden Torsionen, welche bei vielen Pflanzen eintreten, wenn die normalpaarige oder quirl- ständige Anordnung der Blätter in eine spiralige übergeht, unter dem Namen Zwangsdrehung zusammengefasst und den übrigen Verdrehungen gegentibergestellt'). Ob der Name von ihm selbst für diese Gruppe gebildet worden ist, habe ich leider nicht ermitteln können. In demselben Jahre aber wurde das Wort von Schimper in einer viel weiteren Bedeutung benutzt. Denn in einer kurzen Aufzählung von Beispielen von Zwangsdrehung (biastrepsis) nennt er nicht nur die typischen und allbekannten Fälle von Galium und Dipsacus, sondern auch Heracleum Sphondylium?), welche keine ı) Bericht über die Verh. d. k. preuss. Akad. d. Wiss., Berlin 1854, S. 440. 2) Flora 1854, S. 75. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 295 decussirte oder quirlige Blätter hat und somit wohl keine eigentliche Zwangsdrehung im Sinne Braun’s gebildet haben wird. Seitdem sind die Meinungen der Autoren über die Anwendung des Namens verschieden geblieben. Magnus und viele Andere be- nutzen das Wort in dem weiteren Sinne Schimper’s, Penzig in seiner neuen Pflanzenteratologie (1, S. XX) betont, dass es wünschens- werth wäre, den Ausdruck auf die von Braun gewollten Fälle zu beschränken, und ihn so von der viel häufigeren Torsion einzelner Internodien zu unterscheiden. Ich schliesse mich in der vorliegenden Abhandlung der letzteren Auffassung an, namentlich auch, weil durch die Benutzung des Wortes in der weiteren Bedeutung die Angaben der Autoren oft unverständlich sind. So z. B. bezieht sich die Angabe von Bennet über Dianthus barbatus, welche mehrfach zu den Zwangsdrehungen im Sinne Braun’s gestellt wird, dem Wortlaute der Beschreibung nach auf eine Torsion ohne Aenderung der Blattstellung*). Wenn ich also von Zwangsdrehungen spreche, so meine ich stets die der Braun’schen Gruppe zugehörigen, sonst werde ich die Bezeichnung einfache Torsion oder Verdrehung benutzen. Bei den älteren Autoren war die Verwirrung eine noch grössere, da hier oft nicht zwischen Fasciation und Torsion unterschieden wurde, und die Folgen dieser Verwechselung sind auch bei einigen neueren Schriftstellern merklich. Ich werde aus diesem Grunde „manche Erscheinungen erwähnen müssen, welche nach unseren jetzigen Begriffen ziemlich weit von den echten Zwangsdrehungen entfernt sind. Diese werde ich aber alle im letzten Haupttheile dieser Abhandlung zusammenstellen. Auch Schraubenwindungen werden nicht selten mit echten Tor- sionen zusammengeworfen. Diese Sachlage hat, wie erwähnt, zur Folge, dass kurze An- gaben über die betreffenden Monstrositäten meist unverständlich sind, und dass es häufig sogar aus ausführlichen Beschreibungen nicht gelingt zu erkennen, welcher Fall gemeint ist. Listen von tor- dirten Pflanzen, welche nur deren Namen angeben, sind aus den er- wähnten Gründen völlig unbrauchbar’). Eine weitere schädliche Folge der herrschenden Verwirrung ist die Schwierigkeit, welche sie einer klaren Einsicht in die Ursachen 1) Gard. Chron. 1883, I, S. 625 und Bot. Jahresber. XI, I, S. 446. Ver- gleiche auch Penzig, Pflanzenteratologie I, S. 290. 2) So z. B. leider die Liste in Masters’ Vegetable Teratology, S. 325, vergl. z. B. S. 302 Note ı der vorliegenden Abhandlung. 296 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. der verschiedenen Torsionen entgegenstellt. Auch aus diesem Grunde glaube ich hier eine möglichst vollständige Uebersicht aller hierher- gehörigen oder doch von verschiedenen Forschern hierhergestellten Beobachtungen über gedrehte Pflanzentheile geben zu sollen. Dabei ist es aber durchaus nothwendig, schon von vornherein die einzelnen Gruppen möglichst scharf aus einander zu halten. Ich unterscheide daher zunächst drei Fälle: 1. Krümmungen in flacher Ebene; 2. Schraubenwindungen, bei denen die Achse des Organes in einer Schraubenlinie gedreht ist; 3. Torsionen, bei welchen die Achse des Organes gerade bleibt, und von den Längsstreifen der Oberfläche in Schraubenlinien umwunden wird. Die Torsionen aber zerfallen wiederum in zwei Gruppen: 1. Die Zwangsdrehungen, welche nach Braun eine mechanische Folge der Verwachsung sämmtlicher Blätter eines Stengel- abschnittes zu einer zusammenhängenden Spirale sind und welche namentlich dann eintreten, wenn die paarige oder quirl- ständige Anordnung der Blätter in eine spiralige übergeht; 2. die einfachen Torsionen, denen obige Blätterklemme fehlt. Sie sind wahrscheinlich bedingt durch ein bedeutendes oder länger anhaltendes Längenwachsthum der peripherischen Gewebe in Bezug auf das Mark. Es ist bekanntlich das Verdienst Braun’s, eine vollständige und einfache Erklärung der Zwangsdrehung gegeben und die betreffenden Fälle scharf aus der Menge der übrigen Torsionen hervorgehoben zu haben!). Und dass seine Erklärung auf die sonstigen, von anderen Forschern gleichfalls Zwangsdrehung genannten Fälle sich nicht an- wenden lässt, ist zu wiederholten Malen von Magnus betont worden?). Aber die Grenzen der beiden Gruppen zu ziehen, und den ein- zelnen bekannten Missbildungen ihren Platz in ihnen anzuweisen, wurde bis jetzt noch nicht versucht. Es lässt sich dieses nur er- reichen durch eine möglichst vollständige Liste aller, auf terato- logischem Gebiete beschriebenen Zwangsdrehungen und einfachen Torsionen. Ich habe daher aus der mir zugänglichen Literatur eine solche Uebersicht zusammenzustellen versucht’). 1) A. Braun in Bericht üb. d. Verhandl. d. k. preuss. Akad. d. Wiss., Berlin 1854, S. 440. 2) P. Magnus, Sitzungsber. d. bot. Vereins d. Provinz Brandenburg XIX, 1877, S. 117 und Verhandlungen d. bot. Ver. Brandenb. XXI, 1879, S. VI. 3) Vergl. die beiden letzten Haupttheile dieser Abhandlung. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 297 $ 2. Uebersicht der möglichen Fälle. Die Braun’schen Zwangsdrehungen sind dadurch ausgezeichnet, dass die Blätter auf einer kürzeren oder längeren Strecke des Stengels zu einem einzigen zusammenhängenden spiraligen Bande vereinigt sind. Die Drehung der Achse ist auf diesen Abschnitt beschränkt; wo die Blattstellung wiederum die normale wird, hört auch die Drehung auf. Da nun ein solches Band in sehr verschiedener Weise entstehen kann, so sind auch verschiedene Typen von Zwangsdrehungen denkbar. Zunächst kann die decussirte Blattstellung in zweierlei Weisen in die spiralige übergehen. Erstens dadurch, dass durch sogenannte zufällige Variation die Anordnung -sprungweise durch eine rein spiralige, nach einer der bekannten Formeln ersetzt wird. Die Glieder der sogenannten Hauptreihe */;, °/,, °/,3 u. s. w. kommen dabei zunächst in Betracht. Von Braun scheint für die decussirten Pflanzen nur diese Möglichkeit berücksichtigt zu sein. Dieser Fall lässt sich zweckmässig in zwei Typen zerlegen, je nachdem das Spiralband der Blätter wenig oder bedeutend gedehnt wird, während die Achse sich dreht. Denn je geringer die Dehnbar- keit des Bandes, um so kräftiger wird die Torsion, um so auffallender die Aufbauchung des Stengels. Die Decussation kann aber auch in anderer Weise zur spiraligen Anordnung leiten, wie von Delpino in seiner Teoria della Fillotassi ausführlich dargethan wurde. Es geschieht solches durch einfache Verschiebung der Blätter parallel der Achse des sie tragenden Sprosses. Die Blattpaare werden dadurch „aufgelöst“. In der Horizontalprojection bleibt die Decussation erhalten; auf dem Stengel stehen die Blätter aber spiralig. Diese Verschiebung ist an variiren- den Individuen keineswegs selten, die Blätter bleiben in der gene- tischen Spirale und behalten ihre ursprünglichen Divergenzen, Wei- teres hierüber im nächsten Paragraphen, Auf die Möglichkeit dieses Vorganges als Ursache von Zwangs- drehungen hat Suringar hingewiesen; Beispiele dazu scheinen aber in der Literatur nicht beschrieben zu sein!). ı) Vergl. Suringar in seiner Abhandlung über Valeriana officinalis (Ned. Kr. Arch. Bd. I, S. 327). Zur Entscheidung zwischen den beiden im Text erwähnten Möglichkeiten führt der letztgenannte Forscher eine Beobachtung von Duchartre (Ann. Sc. nat. Bot., 3. Serie, T. I, p. 293) an, nach welcher bei Ga/ium aus dem Verlauf der Riefen im tordirten Stengel auf eine ursprünglich decussirte Anordnung mit longitudinaler 298 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Die Arten mit normal-wirteliger Blattstellung bilden einen wei- teren Typus, vielleicht sogar zwei verschiedene, je nach der Art und Weise in der die Wirtel in die Spirale übergehen. Ich hatte aber nicht die Gelegenheit, die Gattungen Equisetum, Casuarina und Hippuris zu untersuchen und muss mich auf einen einzelnen Fall, Lupinus luteus, beschränken. Diesen Fällen schliessen sich nun noch zwei ganz andere Mög- lichkeiten an. Erstens kann ein einzelnes Blatt durch sogenanntes Dedoublement in ein kleines, zweiblättriges Band verändert werden. Und wenn dabei diese beiden Theile parallel der Achse des Stengels auseinandergeschoben werden, so kann das Band als eine Hemmung auf das Längenwachsthum der Achse an dieser Stelle wirken und eine locale Torsion verursachen. Ich beobachtete diesen Fall nament- lich an Crepis biennis, und werde ihn als besonderen Typus be- schreiben und uneigentliche Zwangsdrehung nennen. Zweitens kann uneigentliche Zwangsdrehung durch seitliche Ver- wachsung zweier oder mehrerer benachbarter Blätter bei normal- spiraliger Blattstellung entstehen. Die Mechanik ist dann dieselbe wie im vorigen Falle, die tordirte Strecke gleichfalls nur klein. Ich beobachtete dieses nur einmal, nämlich beim Buchweizen. Dieser Auseinandersetzung gemäss komme ich zur Aufstellung der folgenden Typen. Jeder Nummer füge ich die von mir unter- suchten Species bei: A. Eigentliche Zwangsdrehungen. An Arten, deren Blätter in nor- malen Individuen decussirt oder wirtelig gestellt sind. A’. Durch Aenderung der Divergenz. 1. Typus: Dipsacus. Blattstellung 2/; u. s. w. Spirale wenig gedehnt. Valeriana officinalis, Rubia tinctorum. 2. Typus: Weigelia. Blattstellung ?/, u. s. w. Spirale stark gedehnt, Achse nicht auffallend dicker als normal. Weigelia amabilis, Deutzia scabra. 3. Typus: Lupinus. Blattwirtel in eine Spirale verändert. Lupinus luteus. Verschiebung der Blätter, somit mit Auflösung der Blattpaare zu schliessen wäre. Eine ähnliche Angabe findet sich auch bei Masters für Dipsacus. In beiden Fällen haben die Beobachter sich auf die Wahrnehmung des ungefähren Laufes der Riefen über eine Windung beschränkt; hätten sie sie über wenigstens zwei Windungen verfolgt, so wäre ihnen der wahre Sachverhalt nicht entgangen. Dieses geht wohl aus meiner später mit- zutheilenden Untersuchung der von Suringar beschriebenen Valeriana hervor (vergl. den zweiten Abschnitt dieses Theiles). MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 299 A”. Ohne Aenderung der Divergenz, durch longitudinale Ver- schiebung. 4. Typus: Urtica. Spirale entstanden durch Auflösung der Blattpaare. Divergenzen 1/,-!/,-1/,-?/,. Urtica urens, Lonicera tatarica, Dianthus Caryophyllus. B. Uneigentliche Zwangsdrehungen. Arten mit zerstreuten Blättern. 5. Typus: Crepis. Blattklemme durch Dédoublement ent- standen. Crepis biennis, Genista tinctoria. 6. Typus: Fagopyrum. Blattklemme durch Verwachsung nor- mal-spiraliger Blätter entstanden. Polygonum Fagopyrum. $ 3. Ueber das Variiren der decussirten Blattstellung. Eine grosse Schwierigkeit, welche viele Forscher davon zurück- gehalten hat, die Braun’sche Erklärung der Zwangsdrehung als richtig zu erkennen, ist die dabei nothwendige Annahme einer durch sogenannte zufällige Variation aufgetretenen Ersetzung der decus- sirten Blattstellung durch eine spiralige. Die Thatsache, dass die Blätter am erwachsenen Object in einer Spirale angeordnet sind, schien ihnen einer ganz anderen Erklärung zu bedürfen. Die Annahme Braun’s ruhte allerdings nicht auf directer Beobach- tung. Dafür aber stand dem grossen Morphologen eine so reiche Kenntniss der Gesetze der Blattstellung zur Verfügung, wie wohl wenigen der seine Theorie bezweifelnden Forscher. Auch hat er eine Reihe von Fällen herbeigezogen, um die Möglichkeit der von ihm angenommenen Variation und der dieser zugeschriebenen Be- deutung für das Zustandekommen von Zwangsdrehungen zu beweisen. Im ersten Theile dieser Abhandlung haben wir gesehen, dass seine Ansicht für unseren tordirten Dipsacus thatsächlich richtig ist. Es handelt sich also jetzt darum, ihre Berechtigung im Allgemeinen, also auch für die übrigen bekannten Fälle von Zwangsdrehung zu begründen. Es soll somit in diesem Paragraphen meine Aufgabe sein, zu zeigen, dass der von Braun angenommene sprungweise Uebergang der de- cussirten Blattstellung in eine spiralige, im Pflanzenreich eine ziem- lich allgemeine Erscheinung ist, so allgemein, dass die Annahme ihres Vorkommens bei irgend einer gegebenen Pflanzenart an sich gar nichts Unwahrscheinliches hat. Variationen der decussirten Blattstellung sind überhaupt keine seltenen Erscheinungen. Ganz allgemein sind an solchen Pflanzen 300 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Zweige mit dreigliedrigen, bisweilen sogar mit viergliedrigen Blatt- wirteln beobachtet worden, wie z. B. bei Weigelia amabilis, aber auch spiralige Blattstellung ist nicht gerade selten. Diese kann in zweifacher Weise erreicht werden. Entweder kann plötzlich eine 2/,-Stellung, oder irgend eine andere der gewöhnlichen spiraligen Blattstellungen auftreten, wie wir dieses auch bei Dipsacus gesehen haben. Solches pflegt an neuen Zweigen unvermittelt vor sich zu gehen, kann aber auch im Laufe der Entwickelung eines und desselben Sprosses geschehen. Oder die Blattpaare werden einfach aufgelöst, indem zwischen ihre beiden Glieder ein kürzeres oder längeres Internodium eingeschoben wird; die Blattstellung, in der vertikalen Projection betrachtet, bleibt dabei aber ungeändert. Dieser, durch Delpino’s maassgebende Untersuchungen gründlich bekannt gewordene Fall ist im Pflanzenreich weit verbreitet, an- scheinend allgemeiner als der andere!). Er tritt sowohl normal, als teratologisch, vielfach auch subteratologisch auf. Beide Fälle führen zu spiraliger Anordnung der Blätter, Bei können somit, nach Braun’s Theorie, auch zur Zwangsdrehung leiten 2). Als Beispiele von Arten mit decussirten Blättern, welche bisweilen auch dreigliedrige Wirtel oder in einer Spirale angeordnete Blätter®) haben, nenne ich zunächst, aus Braun’s Listen: Myrtus communis (4/1), Helianthus tuberosus (?/,), Punica Granatum (?/,), Cornus sanguinea (2/,), Lythrum Salicaria (?/,), Phylica buxifolia (?/;, ?/, und viergliedrige Wirtel) u. s. w.*) Als weitere Beispiele von Aesten mit decussirten und bisweilen ternaten und quincuncialen Zweigen führt Delpino Olea europaea und Coriaria myrtifolia an, bei denen namentlich die aus der Stam- mesbasis hervortreibenden Sprosse vielfach diesen Aenderungen unterliegen, und sie nicht selten an demselben Zweige tragen, Sil- phium Hornemanni, Ageratum conyzoides, bei welchen auch die 8/,-Stellung gesehen wurde, Lippia, Lantana, Budleya u. s. w.°) 1) Dieser Fall, für Dipsacus auf Taf. VI in Fig. 2 abgebildet, führte dort nicht zur Zwangsdrehung. 2) Vergl. S. 297 des vorigen Paragraphen. 3) In Klammern gebe ich die übliche Bezeichnung der beobachteten Spirale an. 4) Braun, Ueber die Ordnung der Schuppen am Tannenzapfen, Nov. Act. Phys. med. Ac. C. L. Nat Cur, T KV, Par. 1, 8. 302, 324 sume lange Liste von Arten mit decussirter Blattstellung,, welche gelegentlich dreigliedrige Wirtel haben, vergl. 1. c. S. 356 u. 357. 5) Delpino, Teoria generale della Fillotassi 1883, p. 192. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 301 An den kräftigen Trieben, welche aus dem Stumpfe einer grossen umgehauenen Esche (Fraxinus excelsior) unweit Hilversum hervor- schossen, beobachtete ich gleichfalls, neben den gewöhnlichen ter- naten, auch einen mit dreigliedrigen Wirteln, und einige mit quin- cuncialer Blattstellung. Ihre Internodien waren gerade, wohl aus- gebildet und ohne jegliche Torsion. Blattpaare und Blattwirtel, welche durch einfache Verschiebung der Blätter in einer der Achse des Sprosses parallelen Richtung in Spirale verändert sind, sind nicht selten. Die Erscheinung wurde von Braun bei Banksia verticillata, Veronica sibirica und Helianthus giganteus studiert!), und ist an den unteren Stengeltheilen von Lysimachia vulgaris, Convallaria verticillata und vielen anderen Arten eine ganz gewöhnliche Erscheinung. Bei Afriplex hastata, A. patula, A. littoralis stehen die Blätter am unteren Stengeltheile decussirt, in der Inflorescenz aber vereinzelt, durch Zwischenschiebung von Internodien, ohne seitliche Verschiebung?). Für Eucalyptus Glo- bulus u. a. Sp. hat Delpino ausführlich nachgewiesen, wie auch die zerstreuten Blätter der älteren gestieltblättrigen Bäume genau nach demselben Schema angeordnet sind, wie die ungestielten decussirten Blätter der jungen Pflanzen. Diese Entdeckung bestätigt sich auch in teratologischen Fällen. Ich untersuchte z. B. die Zweiglein, welche zahlreich aus einem Stamme hervorbrachen, dessen Krone abgehauen war. Hier fand ich sowohl an Zweigen mit zwei- als an solchen mit dreigliedrigen Wirteln die Blätter der unteren Wirtel nicht selten auseinander geschoben. Uebrigens gehörten diese Zweige sämmtlich dem Typus der jungen Pflanze an. Aehnliches kommt, wenn auch nicht normal, sondern subterato- logisch vor bei Coriaria myrtiflora, Rhamnus, Evonymus, Punica Granatum, Epilobium montanum, Olea europaea und vielen anderen Arten?). | Leicht findet man die Erscheinung an der Basis kräftiger Triebe, so sah ich sie z. B. bei Lythrum Salicaria nicht nur an decussaten, sondern auch an ternaten und quaternaten Sprossen, und bei der- selben Art ist sie in der Inflorescenz leicht zu beobachten. Nicht selten ist sie auch an Zweigen, welche aus ruhenden Knospen nach dem Beschneiden hervorbrechen; in dieser Weise fand ich sie z. B. bei Syringa persica und Ligustrum vulgare. 1) Braun, 1. c. S. 355. 2) Delpino, 1. c. S. 242. 3) Delpino, l. c. S. 243—246. 302 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. $ 4. Abnormal spiralige Blattstellungen ohne Zwangsdrehung. Eine solche spiralige Anordnung, in der einen oder der anderen Weise verursacht, wird nun keineswegs immer auf das Wachsthum des Stengels einen hemmenden Einfluss üben. Erstens offenbar nicht, wenn die Blätter an ihrer Basis nicht mit einander verwachsen sind, und also der Verschiebung keinen Widerstand leisten. Solches ist in allen den bis jetzt mitgetheilten Beispielen eigentlich ohne Weiteres einleuchtend, ich möchte diesen Satz aber an zwei Fällen, welche in der Literatur über Torsionen mehrfach citirt worden sind’), etwas eingehender behandeln. Die erste Pflanze ist Lilium Martagon. Kros erhielt dieses Indi- viduum von N. Mulder?). Der Stengel hatte vier Blattwirtel, der untere war normal, der zweite gleichfalls, mit Ausnahme von zwei Blättern, welche ein wenig hinaufgeschoben waren. Der folgende Wirtel war zu einer Schraubenwindung auseinander gezogen, das letzte Blatt stand dabei fast senkrecht oberhalb des ersteren. Der zweite Wirtel war gleichfalls in eine Spirale umgebildet, diese aber viel steiler, dazu wenigblättrig. Im Juli 1888 beobachtete ich im botanischen Garten zu Amster- dam eine ähnliche Abweichung an einem Individuum derselben Art. Die beiden unteren Wirtel waren je in eine Schraubenwindung um- gewandelt, somit an einer Stelle aufgelöst und hier in vertikaler Richtung auseinander geschoben. Auch hatte die Zahl der Blätter bedeutend zugenommen. Der Stamm flachte sich nach oben ab und war in der Inflorescenz bandförmig, breit, die Zahl der Blüthen da- _ durch stark vergrössert. Da die Blätter an ihrem Grunde nicht unter sich verbunden waren, so hatte die Umwandlung der Wirtel in Spiralumgänge weiter keine Folgen: die gegenseitigen Entfer- nungen der Blätter waren einfach etwas grösser geworden, der Stengel aber nicht tordirt. Die zweite Pflanze ist die von G. Vrolik beschriebene und ab- gebildete durchwachsene Lilie, welche jetzt allgemein käuflich ist als Lilium candidum flore pleno®). Statt der Blüthen trägt sie lange 1) Z. B. von Kros, de Spira S. 75 und von Morren, Bull. Belg. XVIII, S. 31. Beide Arten sind auch in der Liste von Masters I. c. S. 325 auf- geführt. 2) Kros, L'ic: 505. 3) Gerardus Vrolik, Over een rankvormige ontwikkeling van witte lelie- bloemen. Verhandl. k. Nederl. v. Instituut Wet. Amsterdam 1, 1827, p. 295 bis 301, mit Tafel. Die Originalpräparate dieser Arbeit befinden sich in meiner Sammlung. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 303 aufrechtwachsende Zweige, welche mit zahllosen weissen Petalen be- setzt sind. Diese stehen in spiraliger Anordnung und ziemlich weit von einander entfernt. Es ist bei unseren jetzigen Kenntnissen un- begreiflich, wie dieses und ähnliche Beispiele früher mit den Tor- sionen zusammengeworfen werden konnten. Zweitens wird die spiralige Anordnung der Blätter keine Zwangs- drehung herbeiführen können, wenn sie an einem sich nicht strecken- den Stengel auftritt. Als Beispiel für diesen Satz, und somit als eine wichtige Grund- lage für seine Theorie der Zwangsdrehung, wurde von Braun die Gattung Pycnophyllum hervorgehoben!). Diese südamerikanischen, von Rohrbach bearbeiteten Gewächse boten eine bis dahin einzig dastehende Erscheinung dar. Rohrbach fand bei Pycnophyllum tetrastichum, P. Lechnerianum und P. bryoides?), dass die gewöhnlich decussirt distichen am Grunde verwachsenen Blattpaare der Rosetten sich nicht selten in ?/,-Stellung auflösen, und aus dieser weiter in */,- ja bis in 5/,,-Stellung über- gehen. Bei diesem Uebergang in die Spiralstellung sind sie mit ihren membranösen Rändern entsprechend dem kurzen Wege der Spirale verwachsen. Da die Achse der Rosette sich nicht zu strecken brauchte, hatte diese abnormale Blattstellung und dieses Verwachsen der Blattbasen zu einer ununterbrochenen Spirale weiter keinen Einfluss auf das Wachsthum der Pflanze. Denkt man sich aber den Fall, dass in einer Rosette von Pycno- phyllum die Achse sich zu strecken hätte, so würde sie bei normalen Individuen einfach in einen decussirten Stengel übergehen. Bei spiraliger Verwachsung der Blätter könnte aber die Streckung nur dann stattfinden, wenn sie im Stande wäre, die Blätter von einander loszureissen. Anderenfalls würde die Verlängerung nothwendiger Weise zu einer Entrollung der Blätterspirale und zu einer Einrollung der einzelnen Internodien führen. Die Heranziehung dieses Beispiels durch Braun hat nun eine voll- ständige Bestätigung gefunden in meinen Beobachtungen an den einjährigen Individuen meines Dipsacus silvestris torsus. Die Blätter stehen in der Rosette spiralig angeordnet und zwar nach 5/,,, ihre ı) Braun, Bot. Ztg. 1873, S. 31. Rohrbach, Bot. Ztg. 1867, S. 297 und Linnaea, Vol. 36, S. 652 und Vol. 37, S. 214; aus den beiden letzteren Stellen ist für unseren Zweck nur die Berichtigung der Artnamen in der Bot. Ztg. zu entnehmen. 2) Nicht aber bei P. molle, vergl. Note 1. 304 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Basen sind nach dem kurzen Wege verbunden; die Achse der Rosette zeigt keine Spur von Torsion. Sobald aber im zweiten Sommer der Stengel sich zu strecken anfängt, tritt die Zwangsdrehung ein; sie ist um so kräftiger, je bedeutender das Längenwachsthum der be- treffenden Internodien ist. $5. Ueber die Ermittelung der Blattstellung an Pflanzen mit Zwangsdrehung. An dieser Stelle möchte ich einige Betrachtungen auseinander- setzen, welche es, meiner Meinung nach, in vielen Fällen ermöglichen, noch am ausgewachsenen, tordirten Stengel die ursprüngliche Stel- lung der Blätter am Vegetationspunkt zu ermitteln. Denn Vege- tationspunkte von tordirten Stengeln sind bis jetzt nur von Galium Mollugo durch Klebahn, von Dipsacus silvestris, Rubia tinctorum!) und Weigelia amabilis?) untersucht worden’), und häufig geht ein tordirter Stengel nach oben in einen nicht tordirten Gipfel über. Ich setze voraus, dass an dem zu untersuchenden Object die Blattinsertionen sich abzählen lassen und dass die Riefen oder sonstige Linien den Lauf der Gefässbündel mit hinreichender Schärfe an- geben. Es kommt nun darauf an, zu ermitteln, welchen Lauf diese Blatt- spuren nach der Hypothese Braun’s haben müssen und welchen sie aufweisen würden, im Falle die decussirte Blattstellung am Spross- gipfel erhalten gewesen wäre. Nehmen wir zunächst Braun’s Hypothese. Aus der einfachen Betrachtung einer schematischen Darstellung der ?/,-Blattstellung ergiebt sich, wie Jedermann weiss, dass die mittlere Blattspur des sechsten Blattes ungefähr auf die Mitte des ersten Blattes treffen wird, falls sie parallel mit der Achse verläuft. Sie wird dabei die Blattspirale einmal schneiden und zwar in einer Entfernung von 21/, Blattbasis sowohl vom sechsten als vom ersten Blatt abgerechnet. Nehmen wir nun an, dass in der jungen, noch wachsenden und noch nicht tordirten Spitze des Stengels die Blätter nach ?/, angeordnet sind und wählen wir eine Riefe des Stengels, welche genau von der 1) Vergl. Opera V, S. 206. 2) Vergl. den folgenden Abschnitt. 3) Herr Dr. Anton Nestler in Prag hatte während des Druckes der vorliegenden Abhandlung die Freundlichkeit mir brieflich mitzutheilen, dass er einen gedrehten Stengel von Stachys palustris untersucht habe und eine 2/;-Blattstellung an Stelle der decussirten Anordnung habe nach- weisen können. Er wird darüber demnächst in der Act. Ac. Caes. Leop. IV C. berichten. SRIMENTALES SUR L'ORIGINE DES ESPÈCES. RECHERCHES EXP! (21109 17sUo1D NW 214 :SOIIA ap g o9FUNIdwo oan) AJJ -AUIOF PJ AP 9[qPIQUOSSIP pe} g }no} 99d$4 nə} Newey *SUDIINUIIS DAAJOU2QO — 'T ‘SIA -(21109JsUo1}D M W 214 :SAAA op Y a9FunIdua əm -1.]) DUDIYIADUIDT “AO e dnoaneag juejqtwossar adadsq MIJ} neatuey SIAMOULAQNA DUO — "I SIA an SUR L'ORIGINE DE ES RECHERCHES EXPÉRIMENTAL Fig. 3. — Oenothera oblonga. Ra- meau fleuri (Figure empruntée à de Vries: Die Mutationstheorie). Fig. 4 à 10. — Oenothera lata. Som- met d’une inflorescence; a, b, c, boutons floraux. — A, B,C, Bou- tons d’Oenothera Lamarckiana à des âges correspondants (Figure empruntée à de Vries: Die Muta- tionstheorie). A a Fig. 4 à 10. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 305 Mitte eines Blattes abwärts läuft. Diese Riefe muss dann die soeben für die Blattspur entwickelten Eigenschaften haben. Denken wir uns nun, dass der Stengel während seiner Streckung, aus irgend einem Grunde, tordirt wird, so wird offenbar die Riefe diese Eigen- schaften behalten müssen. Ihre Länge kann um das Hundertfache und mehr zunehmen, ihre Richtung kann um fast 90° gedreht werden, aber die morphologischen Orte, an denen sie die beiden nächstunteren Umläufe der Blätterspirale schneidet, sind offenbar einer Aenderung nicht fähig. Jetzt kommen wir zur decussirten Blattstellung. Nach den aus- führlichen Untersuchungen und musterhaften Erörterungen Delpino’s lässt sich leicht der Lauf der medianen Blattspuren und Riefen er- mitteln!). Ich wähle die Fig. 77 auf Taf. XII seines Werkes. Es steht hier das fünfte Blatt oberhalb des ersteren. Denn je zwei Blattpaare bilden einen Cyclus und jeder Cyclus fängt auf derselben Seite an. Es gilt dieses sowohl, wenn die Blätter thatsächlich de- cussirt sind, als auch, wenn die Blattpaare, durch Einschaltung eines kürzeren oder längeren Internodiums, mehr oder weniger aufgelöst sind; im letzteren Fall sieht man die Grundspirale aber ohne Weiteres. Die Blattspur des fünften Blattes durchsetzt offenbar das nächst- untere Blattpaar, bevor sie an das erste Blatt gelangt. Sie thut dieses zwischen zwei Blättern und an einem Punkte, welcher von ihrem einen Ende um 21/,, vom anderen aber um 11/, Blattinsertionen entfernt ist. Auch hier Kann sie diese Eigenschaften, während der Torsion des Stengels, offenbar nicht verlieren, und müssen sich diese, bei der Erforschung der Riefen, ermitteln lassen?). Nach dieser etwas längeren Erörterung spitzt sich unsere Frage nun folgendermaassen zu. Bei 2/,-Blattstellung trifft die mediane Riefe eines Blattes abwärts auf das sechste, bei decussirter Stellung aber auf das fünfte, wenn in beiden Fällen das Blatt, von dem man ausgeht, als erstes bezeichnet wird. In beiden Voraussetzungen durchschneidet die mediane Riefe dabei die Blätterspirale einmal, bevor sie dieses Ziel erreicht. Wir haben jetzt noch die höheren Blattstellungen aus der Reihe zu betrachten. Zunächst 3/,. Die Riefe des ersten Blattes trifft auf das neunte, nachdem sie zweimal die Spirale geschnitten hat. ı) F. Delpino, Teoria generale della Fillotassi, Atti della R. Universita di Genova, Vol. IV, Pars. Il, 1883. 2) Eingehender werde ich diesen Gegenstand im nächsten Abschnitt $ 4 an einem bestimmten Beispiele, der Zwangsdrehung von Urtica urens, schildern. 20 306 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Bei der zweiten Schneidung aber geht sie zwischen dem sechsten und siebenten Blatte durch, kann somit höchstens mit der ?/,-Stellung, nicht aber mit der decussirten verwechselt werden. Jetzt folgt °/,5. Die Riefe des ersten Blattes schneidet die Spirale zum zweiten Male zwischen dem sechsten und siebenten Blatte und endet, nach vier Schneidepunkten, am 14. Blatt. Auch sie kann also wohl mit der 2/;- und %/,-Stellung, nicht aber mit der decussirten verwechselt werden. Aehnliches gilt von den höheren Blattstellungen der Haupt- reihe. Wenn es sich also nicht darum handelt, genau die Blattstellung zu ermitteln, sondern nur zu entscheiden, ob diese eine decussirte oder eine spiralige ist, so reicht es hin, einer Riefe abwärts von einem Blatte zu folgen, bis sie zum zweiten Male die Blätterspirale erreicht. Trifft sie hier das fünfte Blatt, so waren die Blätter ur- sprünglich decussirt, trifft sie das sechste in seiner Mitte oder ein wenig vorbei seiner Mitte, so war die Anordnung am Vegetations- punkt eine spiralige. Es ist offenbar jetzt die wichtigste Aufgabe, die Gattung Vale- riana in dieser Richtung zu erforschen. Von den Pflanzen mit decussirten Blättern, welche bis jetzt Zwangsdrehung zeigten, steht Valeriana mit 15 Funden voran, ihr folgen Galium mit zehn und Dipsacus mit sieben Funden, während die übrigen Gattungen je nur eines bis zwei Beispiele aufweisen. Bei Galium ist die Frage durch Klebahn, für Dipsacus durch die im ersten Theil beschriebenen Beobachtungen entschieden, es liegt somit jetzt hauptsächlich daran, das thatsächliche Verhältniss auch für Valeriana festzustellen. Mein hochverehrter Lehrer und Freund, Prof. W. F. R. Suringar in Leiden, hatte die Güte, mir zu diesem Zwecke das von ihm be- schriebene Exemplar!) zur Verfügung zu stellen. Es reichte zur voll- ständigen Beantwortung der gestellten Frage völlig aus. Zwar waren die Blätter verschwunden, ihre Insertionen waren aber noch deutlich zu erkennen. Leider ist solches auf der von Suringar ver- öffentlichten Abbildung?) nicht der Fall, doch da damals die Mög- lichkeit, auch in tordirten Stengeln die ursprüngliche Blattstellung an erwachsenen Exemplaren zu ermitteln, noch nicht erkannt war, so wurde offenbar auf eine genaue Darstellung der Einzelheiten der Blattinsertionslinie kein Werth gelegt. Jedes Blatt ist durch die Punkte vertreten, an denen die Gefäss- ı) Vergl. den dritten Haupttheil dieser Abhandlung. 2) Ned. Kruidk. Archief, Bd. I, Taf. XVII, Fig. 1. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 307 bündel aus ihm in den Stengel treten. Der mittlere stärkere ist überdies durch ein rundes, von markartigem, vertrocknetem Gewebe erfülltes Loch bezeichnet, welches in der Richtung der Riefen auf seiner Oberseite liegt und offenbar die Insertionsstelle der Achsel- knospe ist. Am oberen Rande des ganzen Kegels sind etwa sieben Achselsprosse noch erhalten; sie bestätigen die gegebene Deutung. Es wechseln also auf der Blattspirale mediane Blattspuren jedesmal mit zwei seitlichen ab. Die Blattspirale umfasst glücklicher Weise vierzehn deutliche Blätter, auf welche, am oberen Rande, noch einige weitere folgen, die aber, da der Rand (wie in der citirten Abbildung deutlich zu sehen) stark in die Höhlung hinein gedrückt ist, für meinen Zweck nicht gut brauchbar waren. Vom obersten der vierzehn Blätter folgte ich nun die deutlich hervorspringende, mediane Riefe abwärts, bis sie gerade auf die Mitte einer Blattinsertion traf. Von ihrem Anfangspunkte abgerechnet, durchschnitt sie die Blätterspirale, so genau solches sich ermitteln liess, in folgenden, nach Blattinsertionen gerechneten Entfernungen. Diff. Lin Mabic25 lo. 0252 Ba DU, ele ” 3. LE) 73/4 24/s Aus MO rde A wt 25/s Mit anderen Worten, sie erreichte nach fünf Umläufen das dreizehnte Blatt, wenn man das Anfangsblatt nicht mitzählt. Die einzelnen von ihr getrennten Abschnitte der Spirale waren dabei, anscheinend, gleich gross. Die ursprüngliche Blattstellung war somit 5/,, gewesen. Es ent- spricht dies einem der Glieder der Hauptreihe ?/, 3/, 5/13 U. S- W., von welcher wir ausgegangen sind. Es sei mir gestattet, Herrn Prof. Suringar hier meinen verbind- lichsten Dank für seine freundliche Mithülfe auszusprechen. Dasselbe Resultat ergab die Untersuchung des unten zu er- wähnendent), in meiner Sammlung aufbewahrten Prachtexemplares von Vrolik. Dieses war etwa zur Blüthezeit auf Spiritus gebracht, die Blattbasen aber zum grössten Theile noch vorhanden, ihre Achselknospen deutlich. Der becherförmige Stengel war im Alkohol hinreichend durchsichtig geworden, um dem Lauf der Gefässbündel Zum r) Vergl. die Literaturübersicht im dritten Theile. 20* 308 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. leicht und sicher folgen zu können. Die Blattstellung ergab sich wiederum als 5/,4 Dasselbe war der Fall mit einem dritten im nächsten Abschnitt zu beschreibenden Stengel von Valeriana. Ich finde somit in den drei mir zugänglichen tordirten Stengeln von Valeriana dieselbe, der Braun’schen Annahme entsprechende spiralige Anordnung der Blätter. Es wird danach wohl gestattet sein, anzu- nehmen, dass sich auch andere Objecte ähnlich verhalten werden. Zweiter Abschnitt. Specielle Untersuchungen. $ 1. Typus Dipsacus. Valeriana officinalis. Im Herbst des vergangenen Jahres (1889) wurde im hiesigen botanischen Garten (Amsterdam) ein vertrockneter, am unteren Ende verfaulter und nahezu völlig entblätterter Stengel dieser Art ge- funden. Er war 18 cm lang und stark gedreht. Im unteren Drittel machte die Linie der Blattinsertionen etwa eine halbe Schrauben- windung, von da an stieg sie nahezu senkrecht empor bis zur Spitze. Diese war, mit Ausnahme eines kleinen Loches, geschlossen und trug noch ein ungedrehtes Internodium von normaler Dicke, unterhalb der Inflorescenz. Der gedrehte, aufgeblasene Theil war Konisch und erreichte in der Nähe seines Gipfels eine maximale Breite von nur 4 cm. Das Ganze war hohl, dünnwandig und gespalten. Der Spalt lief den Stengelriefen parallel und traf an seinen beiden Enden genau auf die Insertionslinie der Blätter. Er fing in der Mitte eines Blattes an, durchschnitt die Blätterspirale in einer Entfernung von 25/g, und erreichte sie wieder in einer Entfernung von 5t/, Blattinsertion. Von hier aus liessen sich die Riefen weiter verfolgen; sie erreichten noch zweimal die Blätterspirale und zwar jedesmal in derselben Ent- fernung. Es kommen also auf 10'/, Blattinsertionen vier Umgänge und dieses entspricht der Blattstellung 5/,,, deren Uebereinstimmung mit den an den beiden anderen Stengeln gefundenen Werthen be- reits auf voriger Seite erwähnt wurde. Auch sonst variirt Valeriana officinalis in ihrer Blattstellung. Stengel mit dreigliedrigen Wirteln sind nichts seltenes; ich fand sie sowohl im Freien, als auch in derselben Cultur, der der beschriebene tordirte Stamm entstammt. Ich fand auch Stengel mit der Blatt- stellung 1/,, namentlich unweit Ankeveen und Harderwyk in Hol- land. Diese Anordnung reichte vom Rhizom bis an oder sogar bis MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 309 in die Inflorescenz. Die Stengel waren gerade, nicht gedreht, von normaler Länge und normaler Internodienzahl, trotz der einblätt- rigen Knoten. Diese Stengel geben Veranlassung zu der folgenden Beobachtung. Ihre Blätter sind am Grunde stengelumfassend und zwar derart, dass die beiden Ränder über eine Höhe von einigen Millimetern miteinander verwachsen sind (Taf. X, Fig. 1). Die Blattbasis ist hier also doppelt so breit wie beim decussirten Stande; dennoch sind die Ränder verwachsen. Man darf somit annehmen, dass jede Blattbasis sich seitlich verbreitert, bis sie eine andere Blattbasis erreicht, und dass sie dann mit dieser verwächst. Es würde sich lohnen, den Mechanismus dieses Vorganges zu erforschen. Vorläufig dürfen wir diesen Fall aber der Verwachsung der Blattbasen auf tordirten Stengeln (also bei der Blattstellung 5/13) an die Seite stellen und zur Erklärung dieser heranziehen. Die Verwachsung der Blattbasen findet bei Valeriana statt unter Bildung einer gürtelförmigen Gefassstrangverbindung'). Die beiden seitlichen Gefässbündel in der Blattscheide sah ich bei V. officinalis sich vor ihrem Eintritt in den Stengel spalten; der eine Ast trat in diesen über, der andere bog sich seitlich, um sich mit demjenigen des benachbarten Blattes zu einem Bogen zu ver- einigen. An diesen Bogen setzten sich einige feinere Bündelzweige der beiden Blattscheiden an. Ich beobachtete diese Verhältnisse im nor- malen Stengel, fand sie aber auch in dem tordirten Exemplare Vrolik’s wieder und überzeugte mich, dass sie auch in den stengel- umfassenden Blattscheiden der oben erwähnten einblättrigen Knoten (Taf. X, Fig. 1) in derselben Weise zu Stande kommen. Rubia tinctorum. Im Mai 1890 erhielt ich von Herrn B. Giljam in Ouwerkerk unweit Zierikzee eine Sendung gedrehter Krappstengel. Es waren 13 Stück nebst vier fasciirten Stengeln. Die Stengel waren Steck- linge, sogenannte Keime, wie sie zum Verpflanzen verwandt werden. Sie waren 10—20 cm lang und am Rhizom abgebrochen; die unteren 3cm waren braun, von der Erde bedeckt gewesen. Mit Ausnahme eines einzigen, dessen untere Blätter in Quirlen standen, waren sie von oben bis unten gedreht und mit einer un- unterbrochenen Blätterspirale besetzt. Letztere war im braunen ı) Beschrieben und abgebildet in der klassischen Abhandlung von Han- stein, Ueber gürtelförmige Gefässstrang-Verbindungen im Stengelknoten dikotyler Gewächse, Abh. d. k. Akad. Berlin 1857, S. 84 und Taf. II. 310 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Theile und ein wenig oberhalb sehr wenig steil, wurde nach oben steiler und in einem Stengel sogar zur longitudinalen Seitenlinie aufgerichtet. Die Blätterspirale stieg in acht Sprossen links, in den fünf übrigen rechts an, die stark hervorspringenden Riefen des Stengels waren in entgegengesetzter Richtung gedreht. Die Stengel waren %—1cm dick, offenbar der Drehung zufolge geschwollen, wenn auch nicht sehr erheblich. Wenige Tage später erhielt ich auch von Herrn J. C. van der Have in Ouwerkerk eine Sendung gedrehter Krappstengel. Es waren vier Keime, am Rhizom abgerissene, zum Pflanzen geeignete Sprosse. Sie hatten eine Lange von 15—20 cm, ihre Blätter standen von unten bis oben in ununterbrochener Spirale und zwar in allen linksansteigend. Die Spirale war am Grunde wenig steil, nach oben steiler und im jüngsten ausgewachsenen Theil zu einer Längs- linie mit einseitswendigen Blättern aufgerichtet. Die stark hervor- tretenden Riefen stiegen in entgegengesetzter Richtung auf; die Stengel waren 1, bis fast 1 cm dick. Also schöne Zwangsdrehungen in vollem Maasse ausgebildet. Nach einer gefälligen Mittheilung des Herrn van der Have finden sich die gedrehten Stengel auf denselben Stöcken mit normalen, und werden sie auch nicht selten im Herbste beim Ausgraben der Rhizome gefunden. Beweisstücke dazu erhielt ich von demselben Herrn Ende November 1890. Es waren sieben ausgegrabene, kräf- tige und reich bewurzelte Pflanzen, deren jede, unter zahlreichen aus dem alten Stock, der Krone, hervorgesprossten normalen Trieben einen gedrehten Stengel trug. Die Stengel waren gestorben, bleich, die tordirten theilweise bereits verwest. Fünf hatten ihre Riefen nach rechts, zwei nach links tordirt. Es herrschte also hier dieselbe Richtung vor, wie bei der obenerwähnten Frühjahrs- sendung aus dem nämlichen Geschäft, wenn auch nicht so aus- schliesslich. Die Sprosse waren vom Grunde aus gedreht, in den oberen Theilen war die Blätterspirale zu einer Längszeile auf- gerichtet. Die Exemplare wurden im hiesigen botanischen Garten gepflanzt, um zu erfahren, ob die Erscheinung sich auf ihnen wiederholen wird, und um womöglich Samen zur Veredelung der Rasse zu gewinnen. Der Sendung war ein fasciirter Spross beigefügt, ähnlich wie die in der Sendung des Herrn Giljam erwähnten (vergl. den letzten Theil der vorliegenden Abhandlung). Die im Mai 1890 von den beiden genannten Herren erhaltenen Keime sind, mit Ausnahme von zwei Individuen, welche als Muster MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 311 aufbewahrt wurden, im botanischen Garten gepflanzt. Sie sind fast alle kräftig bewurzelt und gewachsen, haben aber bis zum Winter nur normale, keine gedrehten Zweige hervorgebracht. Sie sollen im nächsten Sommer weiter beobachtet werden. Vor dem Pflanzen habe ich das seltsam reiche Material einer morphologischen Untersuchung unterworfen und zwei der schönsten Exemplare photographirt. Eine ausführliche Beschreibung und Abbildung findet man in diesem Bande Seite 206, Taf. I. Einige Punkte aus dieser Beschreibung glaube ich hier noch anführen zu sollen. Zunächst die Gürtelverbindungen der Gefässbündel, welche hier, wie bei Galium, zu einem continuirlichen Bande vereinigt sind. Dieses Band sieht man, namentlich an Alkoholpräparaten, schon mit unbewaffnetem Auge. Es läuft unterhalb der Blattinsertionen in einer Spirallinie um den Stengel. Auf ihm stehen die Hauptnerven der Blätter, sowie einige feinere Seitennerven; die ersteren steigen, das Band kreuzend, im Stengel abwärts. Ferner ermittelte ich an zwei Sprossen die Blattstellung, indem ich die Riefen von der obersten (ersten) Achselknospe abwärts mit chinesischer Tusche markirte. Nach zwei Umgängen schnitt diese Linie die Blätterspirale zwischen der sechsten und der siebenten Achselknospe; auch weiter nach unten hatten die von ihr abge- schnittenen Stücke der Blattspirale eine Länge von etwa 23/,, wenn man die Entfernung zweier benachbarter Achselknospen = 1 setzt. Dieses entspricht der Blattstellung °/,, welche also als die ur- sprüngliche für diese Krappstengel betrachtet werden muss. Die Richtigkeit dieser Folgerung habe ich controlirt durch die Untersuchung der Stellung der jüngsten Blätter in der noch wach- senden Endknospe gedrehter Stengel. Ich schnitt dazu von vier Exemplaren die Endknospe ab, indem ich die Achse dort durch- schnitt, wo die Neigung der Riefen des Stengels eben angefangen hatte, doch noch sehr steil war. Die Knospen wurden durch Här- tung in Alkohol, Injection in Glycerin-Gelatine und abermalige Härtung in Alkohol-Glycerin in der früher für Dipsacus ausführ- lich beschriebenen Weise behandelt und geschnitten. An den so gewonnenen Mikrotomschnitten zeigte sich, dass die spiralige Anordnung der Blätter sich bis zum Vegetationspunkt er- hielt. Auch die jüngsten sichtbaren Blattanlagen waren in dieser Weise gruppirt. Ich untersuchte drei Pflanzen mit rechtsaufsteigen- der und eine mit linksaufsteigender Blattspirale. Auf dem Vege- tationskegel waren die Windungen flacher und weniger reich an 312 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Blättern als am erwachsenen Stengel, wo sie ja gerade durch die Torsion grossentheils, stellenweise auch ganz, abgewickelt sind. In der erwähnten Abhandlung habe ich zwei Schnitte abgebildet, welche kurz unterhalb des Vegetationspunktes gewählt waren). Solche Bilder sind lehrreicher wie jene, welche die äusserste Stengel- spitze gerade in sich aufnehmen. Die eine Figur ist einer rechts-, die andere einer linksgedrehten Pflanze entnommen. Die oben am erwachsenen Spross ermittelte Formel für die Blatt- stellung (5/,3) weist aus, dass auf jeden Umgang ursprünglich 51/ halbe Blattentfernungen entfallen. Und da an meinen Exem- plaren die Blattscheiben in der Regel abwechselnd eine Achselknospe besitzen, so darf man, in Rücksicht auf den Bau der normalen Blattwirtel von Rubia tinctorum, die Entfernung zwischen zwei benachbarten Blattscheiben für eine halbe Blattentfernung rechnen. Wir dürfen somit auf jeder Windung ursprünglich 51/; Scheibe er- warten. So verhalten sich auch, in jeder der beiden citirten Figuren, die beiden jüngsten Umgänge, und die ursprüngliche spiralige Blatt- stellung ist damit ausser Frage gestellt. In den äusseren Umgängen meiner Präparate war die Anzahl der Blätter etwas grösser und dieses weist darauf hin, dass die Ent- windung der Spirale und somit die Torsion des Stengels hier bereits angefangen hatte. Dieses entspricht der directen Beobachtung über den Ort, an welchem ich die Endknospe vom Stengel abtrennte und an welchem, wie oben erwähnt, die Neigung der Riefen eben an- gefangen hatte. Fassen wir diese Beobachtungen zusammen, so ergiebt sich, dass die Drehkeime bereits vor jedem Anfang der Drehung eine spiralige Blattstellung nach 5/,, besitzen. Die Torsion kann somit nicht die Ursache dieser Blattstellung sein, nur wird diese durch sie allmählich insoweit geändert, dass die Umgänge steiler und dementsprechend blattreicher werden. Umgekehrt kann aber die Vereinigung aller Blätter zu einem spiraligen Bande sehr wohl, der Braun’schen Theorie entsprechend, bei der Streckung des Stengels dessen Torsion bewirken. $ 2. Typus Weigelia. Weigelia amabilis. Zwangsdrehungen sind bis jetzt, soviel mir bekannt geworden, bei Sträuchern und Bäumen nicht beobachtet. Doch habe ich solche 1) Opera V, S. 206, Taf. I, Fig. 4 u. 5. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 313 von der Weigelia zu verschiedenen Zeiten gesammelt oder geschenkt bekommen, und zwar 1871 in dem Garten meiner Eltern im Haag, 1886 in einem Garten unweit Hilversum in mehreren Exemplaren und aus Amsterdam im Jahre 1885. Ob die betreffenden Sträucher etwa aus derselben Baumschule entstammen, vermag ich leider nicht zu ermitteln. Ich gebe zunächst die Beschreibung der einzelnen Zweige. Vergl. Taf. VIII, Fig. 1—6. Das erste Exemplar, aus Haag, war ein Ast von über 50 cm Länge (Fig. 2 u. 3), an welchem sämmtliche Blätter in einer Linie sassen, welche auf einer Seite dem Zweige entlang lief. Die Zahl der erwachsenen Blätter in meinem Präparate ist 15; ihre mittlere Entfernung etwa 3cm. Die wirklichen Entfernungen wechseln zwischen 2 und 5cm. Die Blattinsertionen stehen longitudinal; ihre Achselknospen somit nicht über, sondern neben ihnen. Von der anodischen Seite jedes Blattes geht eine erhabene Leiste bis zur kathodischen des nächstfolgenden; offenbar dieselbe Leiste, welche auch die beiden Blattbasen eines normalen Paares bei decussirter Blattstellung verbindet, welche aber hier bedeutend in die Länge gezogen ist. Sie ist scharf abgesetzt und erhebt sich um etwa %, mm aus der Oberfläche des Zweiges. Dieser ist nicht dicker als sonst, stark verholzt und trägt seine Längsstreifen in schraubiger Richtung und zwar rechts aufsteigend. Die ursprüngliche Blattstellung ist nicht ganz genau mehr zu ermitteln, daich das Exemplar zu anderen Zwecken an verschiedenen Stellen quer durchschnitten hatte. Auch erschwert die longitudinale Insertion der Blätter diese Untersuchung sehr. Dagegen treten die Längsriefen scharf und deutlich hervor. Verfolgt man aber die mediane Spur eines Blattes, so erreicht diese die Blätterlinie zum zweiten Male etwa in der Mitte des sechsten Blattes, wenn der Ausgangspunkt als erstes Blatt bezeichnet wird. Dieses schliesst also die Annahme einer Decussation mit aufgelösten Blattpaaren aus und lässt auf ?/; oder eine höhere spiralige Stellung schliessen. Im September 1886 fand ich in einem Garten unweit Hilversum vier tordirte Zweige an einigen Sträuchern, welche überdies auch Aeste mit dreigliedrigen und solche mit viergliedrigen Quirlen trugen. Zwei Zweige waren über 13 resp. 16cm tordirt, ihre 10—11 Blätter sämmtlich in einer Längslinie, in Entfernungen von 8—20 mm. Die Verbindungslinie war deutlich und erhaben, die Achselknospen gross und neben ihren Tragblättern gestellt. Die Zweige holzig und nicht verdickt. Die Längsriefen, ihrer Schraube 314 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. nach, von einem Blatte (No. 1) abwärts verfolgt, erreichten die Blätterspirale erst vorbei dem Blatte No. 4 und zum zweiten Male vorbei No. 7. Es entspricht dieses also nicht den Verhältnissen des Haager Exemplares, sondern vielmehr aufgelösten, dreigliedrigen Blattwirteln. Jedoch reichte das Material zu einer genauen Unter- suchung leider nicht aus. Von diesen beiden Zweigen hatte der eine, unterhalb der Tor- sion, die Blätter in viergliedrigen Quirlen. Der andere endete nach oben mit normalen, nicht gedrehten Internodien und dreigliedrigen Blattwirteln. Der dritte tordirte Zweig zeigte die Erscheinung nur über eine Länge von 5cm; unterhalb dieser war er decussirt; die Torsion verhielt sich wie bei der anderen. Ich habe diese Zweige gesteckt, aber nur aus dem dreigliedrigen Gipfel des zweiten Exem- plares eine gute Pflanze erhalten; diese hat aus einem Achsel eines dreiblättrigen Wirtels einen kräftigen, zweizähligen Spross gemacht, alle übrigen, gleichfalls zweizähligen Zweige sind weggeschnitten worden. Bis in den Herbst 1890 erhielt sich diese Pflanze normal. Während in den beschriebenen Beispielen der tordirte Theil bereits ausgewachsen war, als er zur Beobachtung gelangte, verhielt sich in dieser Beziehung der vierte Ast günstiger. Deshalb habe ich diesen in der Fig. 1 auf Taf. VIII abgebildet, und die Divergenz- winkel seiner Blätter durch einfache Projection parallel der Achse des Zweiges auf eine flache Spirale übertragen. Man sieht diese auf derselben Tafel in Fig. 4. Man sieht zunächst im unteren Theile einen dreigliedrigen, schraubig geordneten Blattwirtel; Blatt 3 steht etwa I cm oberhalb No. 1. Auf Blatt 3 folgt ein Internodium von 6,5 cm, welches eine erhabene Leiste trägt, welche von der anodischen Seite von Blatt 3 bis zur kathodischen von Blatt 4 reicht. Jetzt folgen die Blätter einander in einer Schraubenlinie, welche aber, soweit die Blätter erwachsen sind, sehr steil ist und dann allmählich flacher wird. Es bilden, wie auch in der Horizontal-Projection deutlich zu sehen ist, Blatt No. 4—10 den ersten Umlauf 3 UNO. db=15 ers, zweiten. % » No. 16—18 „ dritten = Und die Länge der Blätter beträgt: No. 1—3 und 4—10 12 cm (ausgewachsen) No: dle sia MO Kg No: reid neten 9 ” No 16x46. ÈS Ti MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 315 BEENDEN A N. 21, cm, noch zusammengefalten Moi 16... airs N y 3 Nour vs à. OS à a8 f Somit finden wir im ersten Umlauf der Spirale sieben ausgewachsene Blätter, im zweiten Umlauf fünf kräftig wachsende und im dritten Umlauf drei ganz junge Blättchen. Die Höhe des unteren Umlaufes ist 4,5cm; die des folgenden 1,5 cm, während die Internodien des oberen noch in der sich ent- faltenden Knospe verborgen sind. Es deuten diese Verhältnisse offenbar darauf hin, dass die Blätter- spirale während der Streckung der Internodien abgerollt und somit in eine viel steilere umgewandelt wird. Wir dürfen ruhig annehmen, dass an unserem Sprosse, wenn er nicht zur Untersuchung abge- schnitten wäre, auch die jüngeren Strecken im erwachsenen Zu- stand eine sehr steile Blätterspirale getragen haben würden. Unsere Beschreibung stimmt also völlig mit der Vorstellung Braun’s und mit meinen Befunden an Dipsacus silvestris überein. Der abgebildete Zweig war nicht dicker als die normalen. Die erhabene Leiste, welche die Blattbasen in der Spirale verbindet, war sowohl zwischen Blatt 1—3, wie zwischen 3 und 4, und namentlich zwischen allen höheren Blättern deutlich zu sehen. Sie bildete das Schraubenband, welches die Blätter vereinigte und die äusserlich sicht- bare Ursache der Zwangsdrehung war. Dieses Band war zwischen Blatt 3 und 4 sehr stark ausgedehnt, zwischen 4 und 5 noch ziemlich beträchtlich verlängert, höher hinauf aber nur wenig gedehnt. Doch ist die gegenseitige Entfernung von je zwei benachbarten Blättern in der Spirale stets grösser als in einem normalen Knoten, eine natürliche Folge der passiven Dehnung. Die Längsriefen des Stengels stiegen in rechtsläufiger Schraube an. Vom Blatte 10 abwärts verfolgt gelangte die mediane Spur, als sie zum zweiten Mal die Blattspirale erreichte, auf die Mitte des Blattes No. 4. Dieses entspricht also der Blattstellung ?/,, derselben, welche ich auch am Haager Exemplar beobachtete. Ob aber die Blattstellung genau ?/;, oder eher einem höheren Werthe entspricht, lässt sich weder am ausgewachsenen Spross, noch am sich streckenden Sprossgipfel genau entscheiden. Dazu ist die Untersuchung der Endknospe selbst erwünscht. Ich habe deshalb diese von meinem Präparate abgetrennt und in derselben Weise wie für Dipsacus beschrieben, in Glycerin-Gelatine eingeschlossen und nach gehöriger Härtung geschnitten. Einen queren Schnitt durch die Knospe in kurzer Entfernung oberhalb des Vegetationspunktes 316 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. (Taf. VIII, Fig. 5) zeigt die ursprüngliche Blattstellung dieses Zweiges. Es ist klar, dass sie nicht ?/;, sondern °/,, oder einem noch höheren Werthe der Reihe entspricht. Jedenfalls stehen aber die Blätter weder decussirt, noch in dreigliedrigen Wirteln. Tiefere Schnitte (Taf. VIII, Fig. 6) lassen die Verbindung der benachbarten Blätter mit einander, vor angefangener Torsion, er- kennen, doch wegen der geringen Höhe des Wulstes in jedem Schnitt nur zwischen je zwei oder drei Blättern. Gürtelförmige Gefässstrangverbindungen fand ich an den nor- malen Blattpaaren von Weigelia amabilis nicht. Ich untersuchte den Gefässbündelverlauf an in Alkohol gehärteten und mit Kreosot durchsichtig gemachten Präparaten: Hanstein erwähnt in seiner oben citirten Klassischen Abhandlung das Fehlen dieser Verbin- dungen bei manchen Caprifoliaceent). Der dritte Fundort tordirter Zweige von Weigelia war ein Garten zu Amsterdam. Ich erhielt zwei tordirte Aeste durch die Freund- lichkeit meines damaligen Assistenten, Herrn Dr. H. W. Heinsius. An einem Zweig bildeten fünf Blätter eine Schraubenlinie von etwa 34 Windung und 6cm Länge; die Linie stieg links auf, die Riefen des Stengels waren somit rechtsläufig gedreht. Der Zweig war durch Spaltung eines fasciirten Astes entstanden; der andere Spaltast hatte dreigliedrige Quirle. In dem zweiten Exemplare war an einem sonst dreizähligen Aste ein Wirtel zu einer Schraubenlinie von 2 cm Höhe auseinander gezogen. Die drei Blätter waren durch ihre Basis zu einem ziemlich stark gedehnten Bande verbunden, der Ast an dieser Stelle, und auch nur hier, tordirt. Die Torsion erreichte etwa 140°. Das untere der drei Blätter war monströs, es hatte zwei Gipfel und an seiner kathodischen Seite noch einen dritten kleineren Zipfel. Der Strauch, dem diese beiden Zweige entnommen waren, trug im nächsten Sommer (1888) keine tordirten Zweige, wohl aber mehrere gespaltene Blätter. Ich habe bereits erwähnt, dass ich von Weigelia auch drei- und vierzählige Zweige fand; sie sind keineswegs selten. Ich fand, unweit Hilversum, auch solche mit einblättrigen Knoten und der Blattstellung 14. Deutzia scabra. An einem Strauche des hiesigen botanischen Gartens, welcher nicht selten Zweige mit einblättrigen Knoten und der Blattstellung ı) Abhandl. der Akad. Berlin 1857, S. 86. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 317 %, und, oft damit verbunden, gespaltene Blätter trug, fand ich im September 1887 den auf Taf. IX, Fig. 1 theilweise abgebildeten Zweig. Er trug fünfzehn Blattpaare oder deren Vertreter, und war in seinem unteren und oberen Theile decussirt. Der mittlere Theil, welcher das vierte bis siebente Blattpaar und deren Vertreter um- fasst, ist in der Figur dargestellt; alles übrige war normal, nur dass die unteren Blattpaare ihre Blätter nicht genau in gleicher Höhe trugen. Dieses war im unteren Knoten der Figur in sehr ausge- prägtem Maasse der Fall, das eine Blatt stand um 5 mm höher als das andere. Ich bezeichne diese beiden Blätter als No. I u. 2 (vergl. Fig. 1 und den Grundriss Fig. 2). Statt der beiden folgenden Blattpaare finde ich nun fünf Blätter (No. 3—7), deren beiden unteren weit von einander entfernt sind, während die drei oberen noch mit ihren Basen zusammenhangen. Nur an dieser Stelle ist der Stengel tordirt. Auf No. 7 folgt ein normales Blattpaar (No. 8 u. 9), und weiter hinauf bleibt der Spross decussirt. Die Torsion beträgt etwa 180°. Demzufolge stehen die Blätter oberhalb dieser Stelle in denselben sich kreuzenden Ebenen, wie unterhalb jener. Aber das untere Blatt jedes Knotens steht jetzt auf derjenigen Seite, auf welcher im unteren Theile das obere steht. Die Torsion erstreckt sich über etwa 2,5 cm. Die mediane Blatt- spur von Blatt No. 7 endet ziemlich genau oberhalb der Mitte des Blattes No. 2. Es deutet dieses für die Blätter 3—7 auf die Blatt- stellung ?/;. Das Blatt 7 liegt aber, wie die Figur zeigt, genau auf der entgegengesetzten Seite wie No. 2, dieses ergiebt die soeben genannte Torsion von etwa 180°, welche sich auch unmittelbar aus dem Laufe der Längsriefen in der Höhe der Blätter 5—7 fest- stellen lässt. In Fig.2 habe ich die Blattstellung des betreffenden Theiles dieses Zweiges in horizontaler Projection abgebildet. Die Zeichnung ist für den detordirten Zustand entworfen, zeigt die Blattstellung somit so, wie sie sein würde, wenn keine Torsion stattgefunden hätte. Die ausgezogenen Linien beziehen sich auf gestauchte, die punktirten auf gestreckte Internodien. Das Blatt No. 5, das untere des festen Spiralbandes, war ab- normal. Es trug an seiner kathodischen Seite einen kleinen Zipfel. Es leuchtet sein, dass die Verbindung der drei Blätter No. 5—7 zu einer auch ausserhalb des Stengels zusammenhängenden Schrau- benlinie, ihre Stellung nach ?/, und die Streckung der zwischen ihnen liegenden Internodien, die Ursachen der Torsion waren. Diese war 318 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. also, obgleich nur schwach entwickelt, dennoch eine echte Zwangs- drehung im Sinne Braun’s. Gürtelförmige Gefässstrangverbindungen der Blattstielbasen fand ich bei Deutzia scabra nicht. § 3. Typus Lupinus. Lupinus luteus. In einem Garten in Ermelo, unweit Harderwyk, beobachtete ich ein kleines Feld Lupinen, welches für die Samenernte angebaut worden war. Es war Ende Juli in voller Blüthe und zeigte auf etwa zweitausend Pflanzen eine verhältnissmässig grosse Anzahl von Blüthentrauben mit spiraliger Anordnung der Blüthen und ent- sprechender Zwangsdrehung der Achse. Allerdings war die Drehung stets nur schwach ausgebildet. Nach einer rohen Schätzung war diese Erscheinung wenigstens in 3—5 % der Trauben zu finden. Ich untersuchte an dreissig Trauben die Richtung der Blüthenspirale, und fand sie in 13 Fällen rechtsansteigend, in 17 linksläufig, es scheint somit, dass beide Richtungen annähernd gleich stark ver- treten waren. Die normalen Trauben dieses Beetes tragen ihre Blüthen meist in 10—12 Quirlen, jeder Quirl ist gewöhnlich fünfblüthig. Die spiraligen Trauben haben annähernd dieselbe Anzahl von Blüthen und annähernd dieselbe Länge, wie die normalen. Nur selten sind sie in ihrer ganzen Länge spiralig, meist bilden sie zunächst einen bis vier Wirtel und erst auf diesen folgt die Spirale, welche sich dann bis zum Gipfel erstreckt. Ich zählte an einigen bis zum Gipfel blühenden Trauben die Zahl der Wirtel und der Schraubenwindungen und fand Traube Wirtel Windungen es aa : Nor dvietrennd fi 75 Non u 6 70 No: ati 4 55 Mardan het id 4 60 MB en ld 4 60 Nae 6. carey 5 70 No. 7 49 3 55 Je grösser die Zahl des Wirtel, um so geringer ist somit die Zahl der Windungen. Rechnet man für diese letzteren im Mittel zehn Blüthen pro Windung (gegen fünf pro Wirtel), so erhält man die in der letzten Spalte angegebenen Zahlen, welche mit der Blüthen- MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 319 zahl einer normalen Traube 5 x (10—12) — 50 — 60 genügend über- einstimmen, um den Schluss zu gestatten, dass die Variation nur in der geänderten Anordnung der Blumen, nicht etwa in einer Ver- mehrung oder Verminderung von diesen bestehe. An einer weiteren Traube fand ich zwei Wirtel mit je fünf Blüthen und fünf Schraubenwindungen mit 44 Blüthen. Also im Ganzen 54 Blüthen, was wiederum hinreichend genau mit der Zahl der Blüthen an normalen Trauben übereinstimmt. Die bis zum Gipfel blühenden spiraligen Trauben sind, nach einiger Uebung, schon in ziemlicher Entfernung kenntlich, da die Blüthen in der Spirale dichter aneinander anschliessen wie in den Wirteln, und die Windungen zwischen sich einen weiten leeren Raum von der Höhe einer Blüthe lassen. Die Blüthen bilden zu- sammen eine schöne, sanft ansteigende Wendeltreppe, wie auch aus unserer Fig. 7 auf Taf. VIII ersichtlich ist. Die Zahl der Blüthen auf einer Windung der Spirale wechselt in den meisten untersuchten Trauben zwischen acht und elf. Als ich nun spiralige Trauben untersuchte, deren höchste Blüthen noch junge Knospen waren, fand ich zuerst, dass die Spirale sich auch hier stets bis zum Gipfel fortsetzte, zweitens aber, dass die jüngste Windung stets nur sechs Knospen umfasste. Die Länge dieser Knospen war 5—10 mm, die eine Blüthe unmittelbar vor dem Oeffnen meist etwa 18 mm. Es gelang mir aber auch Trauben zu finden, welche noch jüngere Blüthenknospen enthielten und an denen ich dennoch auf dem Felde schon die spiralige Anordnung erkennen konnte. Von diesen habe ich die Spitzen, nach Härtung in Alkohol und Injection, in Glycerin-Gelatine in der früher beschriebenen Weise behandelt und geschnitten. Aus zwei Trauben habe ich je einen der höchsten Schnitte unterhalb des Vegetationspunktes auf Taf. X in Fig. 7 u. 8 bei geringer Vergrösserung gezeichnet. Die Bracteen, in deren Achsel die Blüthen stehen, sind hier wegen der Kleinheit der Blüthenknospen relativ gross und ragen weit über diese hinaus. Man erkennt ihre spiralige Anordnung bis in den jüngsten im Schnitt sichtbaren Anlagen. Beide Blüthenspiralen sind linksläufig. Die Zahl der Bracteen auf einer Windung ist auch hier stets sechs. Es darf diese Zahl somit als die ursprüngliche, vor Anfang der Torsion der Achse vorhandene, betrachtet werden. Wir wollen jetzt untersuchen, was sich aus den mitgetheilten Ver- hältnissen, in Bezug auf die Torsion des Stengels, ableiten lässt. Kurz zusammengefasst, lautet das festgestellte Ergebniss folgender- maassen. Die jüngsten untersuchten Schraubenwindungen enthalten 320 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. je sechs Knospen, die erwachsenen meist 8—11 Blüthen. Es kann dieses im gegebenen Falle offenbar nur auf einer Torsion der Achse beruhen. Die ursprüngliche Spirale muss dabei theilweise entwunden werden; ihre Windungen werden dadurch steiler, blüthenreicher, aber weniger zahlreich. Da die Zahl der Blüthen pro Windung fast um das Doppelte zunimmt, muss selbstverständlich die Zahl der Umgänge fast auf die Hälfte abnehmen. Für jede Windung, welche verloren geht, wird aber die Achse um eine Windung tordirt werden müssen. Die Torsion der Achse ist nun leicht zu beobachten und zwar an den erhabenen Rippen, welche von jeder Blüthe abwärts bis zum nächsten Umgang der Schraube laufen. Diese sind als mediane äussere Blattspuren der Bracteen zu betrachten. Sie laufen an nor- malen, quirligen Trauben gerade abwärts. An den spiraligen aber in steiler Schraubenrichtung, welche selbstverständlich der der Blüthenspirale entgegengesetzt ist. Ihre Neigung ist keine einheit- liche, meist in ihrer oberen Hälfte grösser als in der unteren, am grössten in der unmittelbaren Nähe der Blüthen, von der sie herab- laufen. Sie bilden eine Schraube, deren Windungszahl demselben Werthe für die Blüthenspirale complementär sein muss. Ich fand z. B. auf zwei Umgängen mit 18 Blüthen eine Torsion der Achse von etwa 3600 Denkt man sich die Achse entwunden, so würde die Blüthenspirale drei Umgänge bilden und es kämen auf jeder sechs - Blüthen, was mit den jüngsten von mir beobachteten Theilen der Blüthenspirale, vor Anfang der Torsion, übereinstimmt. An einer anderen Traube zählte ich auf 11, Umgang der Blüthenspirale bei 34 x 360° Torsion der Achse zwölf Blüthen. Es ergiebt sich also, nach Detorsion, zwölf Blüthen auf zwei, oder wiederum sechs Blüthen auf einer Windung u. s. w. Eine wichtige Frage ist die, wann die Torsion anfängt. Ich konnte mehrere Trauben untersuchen, deren Mitte tordirt war, während der Gipfel noch Knospen von bis 5 mm Länge trug. Es zeigte sich, wie bereits erwähnt, dass die Blüthen auch in diesem Jugend- stadium in einer Spirale angeordnet waren. Die Torsion aber fing erst viel später an. Dieser Anfang ist einerseits zu sehen an der Neigung der Rippen, andererseits an der Zunahme der Zahl der Knospen pro Windung. Ich fand an drei Trauben Zahl; der’ Knospen a FR No. 1 No. 2 No. 3 in der jüngsten Windung. . . 6 6 6 in der zweiten Windung . . 9 7 7 in der dritten Windung 9 7 7 Blüthen in der vierten Windung 9 7 ir MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 321 Es muss somit die Torsion bereits beim Anfang der zweiten Win- dung angefangen haben. Die Länge der Blüthenknospen ist hier etwa I cm, die Entfernung der zweiten von der dritten Windung gleichfalls etwa 1 cm. Beim weiteren Wachsthum steigt diese Ent- fernung auf etwa 3—4 cm. Die Neigung der Rippen lässt sich aus der Torsion der Achsen berechnen. Am unteren Ende der zweiten Windung wird sie in den drei genannten Beispielen bedingt durch die Vermehrung der Zahl der Blüthen pro Windung um drei resp. eine, also durch die Ver- schiebung der unteren Blüthe dieser Windung von ?/ẹ x 360°, resp. 1/4 X 360° um die Achse herum. Also um 180 resp. 60°. Die Be- obachtung entspricht, wie zu erwarten, der Rechnung, und bestätigt, durch die deutliche Neigung der Rippe, das Ergebniss unserer Er- mittelung des Ortes, wo die Torsion anfängt. Es dürfte sogar der geringeren Neigung der Rippen der benachbarten jüngeren Knospen entsprechend, die Torsion noch etwas früher anfangen. Die Lupinentraube wird schon lange vor der Blüthe nicht mehr von umhüllenden Blättern eingeschlossen. Ihre Knospen schliessen nur lose aneinander. Die Annahme, dass auf die Achse während oder auch nur beim Anfang der Drehung ein Druck durch umhüllende Theile ausgeübt würde, ist hier somit ausgeschlossen. Nach der Theorie Braun’s muss auch hier die Ursache der Torsion in der Umschnürung der Achse mit der Blätterspirale gesucht werden. Als Blätter sind hier die Bracteen zu betrachten, in deren Achsel die Blüthen sitzen. Diese Bracteen sind klein (5—6 mm lang), mit schmaler Basis der Achse eingepflanzt; sie vertrocknen kurz vor der Blüthe und fallen bald nachher ab. Sie sind unter sich nicht ver- wachsen und haben keine Bedeutung als mögliche Ursache der Torsion. Anders aber ihre Basen, welche nach ihrem Abfallen erhalten bleiben. Diese sind unter sich durch eine äusserlich als erhabene Leiste wahrnehmbare Linie verbunden. In den Quirlen schliessen sie dicht an ihre Nachbaren an, in der Spirale sind sie ein wenig von einander entfernt, die Leiste meist nicht zerrissen, sondern nur gedehnt. Offenbar ist der Verband dieser Basen kein so fester, wie bei Dipsacus. Dementsprechend wird die Spirale der Blüthen bei geringer Entwindung bereits bedeutend gedehnt. In einer Traube maass ich in der fast ausgewachsenen Partie eine Windung mit neun Blüthen. Die Windung hatte eine Länge von 40 mm, der Stiel einen Umfang von 12 mm. Es kamen somit auf sechs Blüthen etwa 27 mm, Hatten diese einen Quirl um den Stiel gebildet, so 21 322 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. wäre ihre Entfernung somit etwas kleiner als die Hälfte der jetzigen gewesen. Bisweilen ist die Spirale stärker auseinander gerissen. Solches beobachtete ich namentlich auf der Grenze der Quirle und der Spirale. Hier fand ich nicht selten Wirtel, welche durch eine geringe longitudinale Verschiebung schraubig geworden waren, welche sich aber noch nicht aneinander angeschlossen hatten. Auch andere Uebergangsformen finden sich vor. Die Pflanzen des Feldes waren stark verzweigt und trieben nament- lich aus dem Wurzelhalse kräftige, aufsteigende Aeste, welche fast dieselbe Höhe erreichten wie der Stamm und fast gleichzeitig mit diesem blühten. Aus dem Bau der Haupttraube war nun ein Schluss auf diese Nebentrauben nicht gestattet. War erstere spiralig, so konnten letztere rein quirlig sein; war erstere normal, so fand ich unter der letzteren nicht selten spiralige Anordnung der Blüthen. Ich hatte nicht die Gelegenheit, Versuche über die Ursache der Torsion anzustellen. Ich habe aber später Samen von vier der ge- drehten Trauben erhalten, und hoffe durch diese zu einer Fixirung der Erscheinung zu gelangen. Die spiralige Anordnung der Blüthen bei Lupinus luteus scheint übrigens keineswegs selten zu sein. Ich fand sie gleichfalls auf einem Beete, welches ich im Jahre 1890 im hiesigen botanischen Garten bestellt hatte mit Samen, welche von Herrn Vilmorin-Andrieux et Co. in Paris bezogen waren. Auf mehreren hundert Individuen beob- achtete ich hier etwa ein Dutzend Exemplare mit spiraliger Traube. Auch Wittmack hat dasselbe beschrieben!), und in der später zu beschreibenden Sammlung von Magnus finden sich Beispiele dazu (vergl. den folgenden Theil). Zur weiteren Beurtheilung der beschriebenen Zwangsdrehung von L. luteus mag hier das Verhalten von L. polyphyllus beschrieben werden, wie ich es im Juni 1890 an den Exemplaren des hiesigen botanischen Gartens beobachtete. Die in voller Blüthe prangenden Trauben waren nicht tordirt; ihre Blüthen waren aber theils in Quirlen, theils in einer ziemlich unregelmässigen Schraubenlinie angeordnet. Das letztere war der häufigere Fall. Einzelne Trauben trugen nur Quirle von meist 6—8 Blüthen; die Quirle weit von einander entfernt und also auffällig, aber jede entweder zu einer kleinen Schraubenwindung oder zu einer schiefen Ellipse gedehnt. Andere Trauben trugen nur an der Basis solche Quirle, höher hin- 1) Sitzber. d. Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XXVII, 1885, p. XX. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 323 auf eine Schraube, deren Windungen nicht auffällig scharf geschieden waren. In vielen Trauben war endlich nur eine solche Schrauben- linie vorhanden. Die Richtung der Schraube war eine wechselnde, bisweilen in derselben Inflorescenz. Die Zahl der Blüthen war für eine Schraubenwindung stets an- nähernd dieselbe wie für einen Quirl, meist 6—8, dieses entspricht _ dem Fehlen jeglicher Torsion. Die Blüthenstiele sind auf kleinen erhabenen, von ihren Nach- barn scharf getrennten Polstern eingepflanzt; dieser Umstand mag der Verwachsung bei der vorliegenden Art ungünstig sein. Spiralige Anordnung der Bliithen findet sich nach der Zusammen- stellung in Penzig’s Pflanzenteratologie bisweilen gleichfalls bei Lup. arboreus und L. varius!). $ 4. Typus Urtica. Urtica urens. Ende Juli 1890 fand ich bei Ermelo, unweit Harderwyk, eine Gruppe von Pflanzen, unter denen ein Hauptstengel an seinem Gipfel eine kleine Abweichung aufwies. Sonst waren die Exemplare, so viel wie ich sehen konnte, normal. Die Abweichung beschränkte sich auf die Blattstellung. Die unteren Blätter waren in gewöhnlicher Weise decussirt, ebenso die oberen noch wachsenden. Auf der Grenze des wachsenden Theiles des Stengels, innerhalb der Inflorescenz, fand ich aber vier Blätter, welche nicht decussirt standen, sondern in einer Spirale. Die theils blühenden, zum Theil bereits verblühten Partialinflorescenzen in ihren Achseln habe ich vorsichtig entfernt und darauf den betreffen- den Theil des Stengels photographirt. Vergl. Taf. IX, Fig.5. Um die Blattstellungsverhältnisse völlig klar zu legen, habe ich in Fig. 6 auf derselben Tafel einen Grundriss des Stengels im tordirten Zu- stand entworfen. Die Zahlen weisen in beiden Figuren dieselben Blätter an und zwar al, a2—a3, a4 zwei decussirte Blattpaare, bl, b2—b3, b4 die darauf folgende Spirale, cl, c2—c3, c4 die hierauf folgenden Blattpaare, d1, d2—d3, d4 noch zwei weitere Blattpaare. Dieser Bezeichnung, sowie der jetzt folgenden Beschreibung lege ich die Theorie Delpino’s über die normale Decussation zu Grunde. Nach dieser bilden bekanntlich je zwei aufeinander folgende Blatt- 1) O, Penzig, Pflanzenteratologie, Bd. I, S. 377. 21* 324 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. paare einen Cyclus; alle Cyclen einer Achse sind einander gleich und fangen auf derselben Seite an. Es sind somit a, b, c, d die ein- zelnen hier in Betracht kommenden Cyclen, und bei normaler De- cussation würden die Blätter bz, cr, dz auf demselben Radius des Diagramms liegen wie al u. s. w. Die einzelnen Cyclen sind von einander um 34 des Stengelumfanges entfernt, m. a. W. in der hier linksansteigenden genetischen Blätterspirale az, a2, a3, a4, b z u.s. w. ist der Winkel zwischen a 4 und b 7 = 34 x 360°. Ebenso zwischen b4 und cz, zwischen c4 und dr. In dieser Beziehung bietet mein Stengel nichts Abweichendes. In den einzelnen Cyclen sind die Entfernungen bekanntlich al—a2— 1, x 360° a2—a3— 4 x 360° a3—a4= 1, x 360° und dieses trifft selbstverständlich hier für die normalen Cyclen a, c und d zu. Nur der Cyclus b ist abweichend gebaut. Statt in zwei Blatt- paaren stehen seine vier Blätter in einer linksansteigenden Spirale. Diese macht vom ersten bis zum vierten Blatt (br bis b 4) nur %- Windung; sie hat dabei eine Höhe von 7 mm. Das Internodium unterhalb b z misst 10 mm, dasjenige oberhalb b 4 nur 5 mm, doch haben diese Zahlen nur geringen Werth, da dieser ganze Theil noch im Längenwachsthum begriffen ist. Das Anfangsblatt (br) der Spirale steht decussirt mit dem vorhergehenden Blattpaare, das Schlussblatt (b 4) decussirt mit den nächstjüngeren Blättern; die Anschlüsse sind normale, und die Abweichung beschränkt sich auf den inneren Bau des Cyclus b. Zwischen den Blättern der Spirale ist der Stengel tordirt und zwar in entgegengesetzter Richtung, also rechts ansteigend. Von jedem Blatte pflegt eine deutliche Rippe bis zum nächsten Knoten herunterzulaufen. Folgte ich der Rippe von c 2, so drehte sie sich, bis sie genau auf b 2 traf, sie schnitt dabei die Delpino’sche Spirale zwischen den Blättern b 4 und cz, wie sich auch in unserem Dia- gramm, wo diese Rippe als ausgezogene Linie eingetragen wurde, erkennen lässt. Von b 2 heruntergehend, drehte sie sich nochmals um etwa 1, des Stengelumfanges und erreichte den Knoten a 3, a4 genau zwischen diesen beiden Blättern und oberhalb a 2. Die zweite Hälfte der ausgezogenen Linie giebt diesen Sachverhalt an. Die übrigen Rippen verhielten sich entsprechend. Aus diesen Daten lässt sich nun die ursprüngliche Blattstellung berechnen, MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 325 Die Torsion des Stengels betrug . . . 1% x 360° Die Entfernung von br bis b4 . . . % x 360° Der Anschlusswinkel b 4 bis cr . . . % x 360° Summa: 2 x 360° Ein normaler Cyclus fordert (4 + 144 + % + 3⁄4) x 360° = 2 x 360°. Denkt man sich somit den Stengel detordirt, so würde der abnormale Cyclus genau denselben Theil der ganzen Blätter- spirale einnehmen wie ein normaler, die Cyclen oberhalb und unter- halb von ihm würden also in ihrer gegenseitigen Stellung nicht ge- stört sein. Nachdem der Stengel durch Abwelkenlassen hinreichend er- schlafft war, habe ich ihn versuchsweise detordirt. Das Ergebniss stimmte mit der Rechnung überein, abgesehen von der zu geringen . Entfernung der Blatter b 2 und b 3, welche sich in so einfacher Weise nicht verändern liess. Denkt man sich die Detorsion im Diagramm Fig. 6 ausgeführt, so erhält man dasselbe Resultat. Die ausgezogene Linie c 2, b 2, a2 soll dabei eine Gerade werden, und zwar mit dem Radius durch a 2 zusammenfallen. Man hat also die Scheibe innerhalb des Kreises CI, c2 um 180° zu drehen und die Kreise b z, b 2 und b 3, b 4 ent- sprechend zu verzerren. Die beiden äusseren Kreise bleiben unver- ändert; b z behält seine Lage in Bezug auf diese, b 4 seine Lage in Bezug auf den mittleren Theil. b 2 gelangt bei dieser Operation an den Punkt x, c 2 an den Ort, wo jetzt cr liegt u. s. w. Es ist leicht sich zu überzeugen, dass durch diese Operation die Decussation im ganzen Diagramm eine normale wird. Mit anderen Worten: Nach Aufhebung der Torsion stehen sämmt- liche Blätter, auch die der Spirale, decussirt. Allerdings muss man dabei absehen von der longitudinalen Entfernung der Blätter b T bis b 4 und von der etwas zu grossen horizontalen Annäherung von b2 und b 3. Nach Analogie der Verhältnisse bei Dipsacus, Rubia, Weigelia und Lupinus ist es erlaubt anzunehmen, dass die Torsion erst nach der Anlage der Blätter am Vegetationskegel angefangen hat. Daraus ergiebt sich aber die weitere Folgerung, dass die Anlage auch der spiraligen Blätter in decussirter Anordnung stattgefunden haben muss. Die Insertionen der vier Blätter des spiraligen Cyclus stehen schief, der Richtung der Schraube folgend. Dieses ist bei bz, b2 und b 3 deutlich ausgeprägt, bei b 4, welches etwas weiter entfernt 326 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. ist, aber nur schwach. Die Verbindungslinie der Blätter wird nament- lich deutlich durch die Stipeln, welche noch erhalten und auf der- selben Linie inserirt sind. Ohne Zweifel ist eine hinreichend feste Verbindung der Blattbasen in der Spirale vorhanden, um als Ur- sache der Torsion gelten zu können, welche demnach eine wahre Zwangsdrehung im Sinne Braun’s ist. Eine sehr merkwürdige Bestätigung erfahren die theoretischen Erörterungen, welche erforderlich waren, um meine Beschreibung deutlich zu machen durch die folgende kleine Missbildung. Die vier Blätter der Spirale haben jede ihre beiden Stipeln, die benach- barten Stipeln von b 2 und b 3 sind aber unter sich verwachsen und bilden eine Stipel von doppelter Breite mit ungetheilter Spitze. Es ist diese Thatsache deshalb merkwürdig, weil b 2 und b 3 zu zwei verschiedenen Blattpaaren gehören, aber nach Delpino’s Theorie nur um Y, des Stengelumfanges von einander entfernt sind. Die übrigen Entfernungen sind % und 34. Somit hat nur bei der geringsten theoretischen Entfernung eine Verwachsung der Stipeln statt- gefunden. Lonicera tatarica. Ein Strauch des hiesigen botanischen Gartens, der alljährlich bedeutend in seiner Blattstellung variirt, trug im Juli 1889 den auf Taf. IX in Fig. 3 u. 4 abgebildeten Zweig. In seinem unteren Theile trug er vierblättrige, alternirende Wirtel, doch war er hier sonst normal. Der obere dieser Wirtel ist in der Figur dargestellt, er war ein wenig auseinandergeschoben (Blatt 1—4). Darauf folgt ein Knoten mit drei Blättern (5—7) in fast gleicher Höhe, darauf einer mit gleichfalls drei Blättern in schwach ansteigender Schraube (8—10), während die höheren Blätter zerstreut sind. Die auf ver- schiedenen Knoten sitzenden Blätter sind unter einander nicht durch eine erhabene Leiste verbunden, wohl sind dieses die Blätter eines und desselben Knotens. Die Längsriefen des Zweiges sind sehr deutlich; sie laufen vom anodischen Rande von No. 4 am katho- dischen von No. 5 entlang; in der Horizontalprojection würde also No. 5 unmittelbar neben No. 4 sitzen. Dasselbe gilt von No. 7 u. 8, von No. 10 u. 11 und gleichfalls von den höheren Blättern. Alle bilden somit in jener Projection (Fig. 4) eine ununterbrochene Spirale. Tordirt ist der Stengel nur in der Höhe von No. 8—10 und zwar um etwa 180°, wie in der Figur deutlich zu sehen ist. Die Riefen steigen rechts auf, der Richtung der Blattspirale entgegengesetzt. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 327 Es ist deutlich, dass die Torsion in derselben Weise wie bei Deutzia durch die Anordnung der Blätter in aufsteigender Spirale, die Ver- bindung ihrer Basis und die Streckung der Internodien verursacht wurde und somit eine echte Zwangsdrehung ist. Zwischen Blatt 5—7 trat keine Torsion ein; diese Blätter stehen in derselben Höhe. Zwi- schen den übrigen Blättern tordirt sich der Stengel gleichfalls nicht, offenbar weil er hier keinen Widerstand von zusammengewachsenen Blattbasen erfuhr; er konnte sich dementsprechend strecken. Auch dieser Art fehlen die gürtelförmigen Gefässstrangverbin- dungen, wie ich an Kreosotpräparaten fand, und wie übrigens Han- stein (l. c. S. 83) bereits für die Gattung Lonicera angiebt. Auffallender Weise finde ich an diesem Zweige nicht eine spiralige Ordnung der Blätter nach der Hauptreihe, sondern eine spiralige Stellung durch einfache Verzerrung der Wirtel zu Schrauben. In der Horizontalprojection Fig. 4 erkennt man drei und einen halben alternirenden, vierblättrigen Wirtel (1—4, 5—8, 9—12, 13—14), sie sind hier für den torsionslosen Zustand meines Zweiges ge- zeichnet. Durch gezogene Linien sind die Blätter verbunden, welche in annähernd gleicher Höhe stehen, durch unterbrochene Linien sind die gestreckten Internodien angedeutet. Durch künstliche Detorsion würde man hier also wie bei Urtica die wirtelige Blattstellung zurückerlangen. Leider war der Zweig, als ich ihn auffand, bereits verholzt und der Versuch somit nicht ausführbar. Dianthus Caryophyllus. Im Juli 1890 fand ich auf den Gütern des Herrn Dr. jur. J. H. Schober, in der Nähe von Putten, die beiden auf Taf. IX in Fig. 7u. 8 theilweise abgebildeten Zweige. Sie zeigen zwischen sonst völlig normalen, decussirten Blattpaaren an einer kleinen Stelle, auf der vier Blätter, offenbar zu zwei Blattpaaren gehörig, stehen, eine Zwangsdrehung. Diese ist in dem einen Sprosse (Fig. 7) stark, in dem andern (Fig. 8) nur wenig aufgeblasen. Von den Blättern eines normalen Paares trägt in den beiden Zweigen stets nur ein Blatt einen Achseltrieb, der entweder eine Blüthenknospe oder eine kleine Gruppe von solchen trägt. Diese Regel erhält sich in der ganzen Inflorescenz bis zur Endblüthe. Die Laubblätter unterhalb der Inflorescenz haben aber keine Achseltriebe. Im Zweige Fig. 8 fällt die Zwangsdrehung in der vegetativen Region, im Zweige Fig. 7 in der Inflorescenz. Hier führt dem- entsprechend auch jedes der beiden Blattpaare nur einen Achsel- 328 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. trieb, und zwar ist es hier in der linksansteigenden Zwangsspirale jedesmal das untere Blatt des Paares, dessen Achsel bevorzugt ist. In meinen Figuren habe ich die zum selben Paar gehörigen Blätter - und Achseltriebe mit denselben Buchstaben belegt. So ist z. B. b I das untere Blatt des Blattpaares bz b2, während der Trieb b’ in der Achsel von b 1 steht. Ebenso für c 1 mit c’ und c 2, d 1 mit d’ und d2. Durch diese Stellung der Achseltriebe ist es ganz ausser Zweifel, dass die Gruppen b 7 b 2 und cr c 2 als Blattpaare mit ursprünglich decussirter Blattstellung betrachtet werden müssen, und nicht als zu einer Blattspirale nach einer der Formeln der Hauptreihe ge- hörig. Mit anderen Worten, dass diese Zwangsdrehungen zum Typus Urtica gehören. Doch weichen sie in untergeordneten Punkten von den bei Urtica urens beschriebenen Verhältnissen ab. Erstens durch die auffallende Aufbauchung in Fig. 7. Dann aber dadurch, dass die beiden Blätter b ı und b 2 in gleicher Höhe auf einem normalen Knoten eingepflanzt sind. Sie sind beiderseits mit ihren Rändern verwachsen, ihr Quirl ist ein geschlossener. Nur der Quirl cr, c 2 ist geöffnet, der katho- dische Rand von c z läuft am tordirten Stengel abwärts bis zum ano- dischen Rand von b 2, der anodische von c 2 läuft eine kleine Strecke aufwärts. Nur die Missbildung dieses Blattpaares bedingt somit die Stauchung des tragenden Internodiums und die Torsion des Stengels an dieser Stelle. Die Riefen des Stengels steigen, entsprechend der linksgedrehten Blätterspirale, rechts auf; sie sind leicht und deutlich zu erkennen. Im Zweige Fig. 8 sind die beiden Blattpaare bz b2 under c2 geöffnet und zu einer in der Mitte gedehnten Spirale verbunden. Das gestauchte Internodium zwischen ihnen ist stark gekrümmt und tordirt (0, p, q). $ 5. Uneigentliche Zwangsdrehungen. A. Typus Crepis. Crepis biennis. Seit mehreren Jahren cultivire ich eine Rasse dieser Species mit prachtvollen Fasciationen. Sie zeigt gelegentlich und nicht gerade selten die üblichen Nebenerscheinungen dieser Missbildung und namentlich auch mehr oder weniger tiefgespaltene Blätter. Bis- weilen schreitet die Spaltung bis zum völligen Dédoublement. Solches kommt wie bei anderen Arten so auch hier sowohl bei ver- bänderten als bei atavistischen Zweigen vor. In den letzteren führt MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 329 er bisweilen zu kleinen örtlichen Zwangsdrehungen. Von diesen werde ich hier das klarste, bis jetzt vorgefundene Beispiel beschreiben. Ich habe diesen Zweig von zwei entgegengesetzten Seiten photo- graphirt und die Zwangsdrehung mit ihrer nächsten Umgebung aus den Photographien auf Taf. X in Fig. 9 u. 10 wiedergegeben. Zwischen zwei langen, gestreckten Internodien, von denen das obere ll cm maass, lag eine Gruppe von vier Blättern, welche zu einer deutlichen rechtsaufsteigenden Spirale verbunden war. In Fig. 9 sieht man diese Spirale von der Aussenseite, in Fig. 10 von der Vorder- oder Innenseite. Die Blätter I u. 4 hangen nur mit ihrem Grunde mit 2 und 3 zusammen; diese beiden aber sind offenbar durch fast vollständiges Dedoublement aus einem Blatte hervor- gegangen. Denn erstens sind ihre Mittelnerven bis zu einer Höhe von etwa 1 cm mit einander verwachsen, zweitens aber führen sie zusammen nur einen Achseltrieb. Dieses ist der merkwürdige, noch jugendliche Spross o. Er ist der Insertionslinie der Blätter parallel abgeflacht, unten fast 2 cm breit und bis zu seiner aus zahlreichen Köpfchen gebildeten Inflorescenz auch nur etwa 2 cm lang. Wäre er nicht der Längsachse parallel rinnenförmig eingerollt, so würde sein oberer Theil sich in der Fig. 10 viel breiter ausnehmen. Seine. Insertion erstreckt sich etwa von der Mitte der Insertion des Blattes 1 bis zum anodischen Rand der Insertion3. Das Blatt hat sonst keine Achselknospe, das Blatt 4 hat seinen eigenen normalen, in der Figur nicht dargestellten Achselspross. Es ist somit wohl erlaubt zu vermuthen, dass auch Blatt 1 ein Product des Dédoublement desselben (theoretischen) ursprünglichen Blattes ist wie 2 u. 3 und vielleicht gilt sogar dasselbe vom Blatte 4. Doch fehlt es mir an einem Principe, um solches in diesem sehr schwierigen Fall zu entscheiden. Auch der Knoten am oberen Ende des Internodiums p (Fig. 9) trug ein gespaltenes Blatt. Soweit sich der Einfluss der Blätterspirale 1—4 erstreckte, war der Stengel tordirt. Es ist dieses auch in den Figuren am schiefen Lauf der Riefen zu erkennen. Die Riefen stiegen links an, sie stehen in unmittelbarer Nähe der Spirale sehr schief auf diese, mit einer Neigung von fast 45° zur Achse des Stengels. Mit zunehmender Entfernung verliert sich ihre Neigung allmählich, sowohl aufwärts als abwärts, um am unteren und am oberen Ende der Insertions- linie unserer Blättergruppe sich fast gänzlich zu verlieren. Da die beiden angrenzenden Internodien nicht tordirt sind, so ist es klar, dass zwischen der Torsion und der vierblättrigen Spirale 330 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. eine ursächliche Beziehung obwalten muss. Und da nun die Torsion schwerlich das Dedoublement bedingen kann, so bleibt nichts anderes über als anzunehmen, dass hier eine der Braun’schen Zwangs- drehung analoge Erscheinung vorliegt. Hoffentlich wird meine Rasse in späteren Generationen Material zur experimentellen Beweisführung in dieser Frage liefern. Genista tinctoria. Einen ganz ähnlichen Fall wie der oben beschriebene bot mir im Sommer 1890 ein Ast von Genista tinctoria. Der Ast erhob sich 40 cm über den Boden, war in der unteren Hälfte stielrund, flachte sich von der Mitte an allmählig ab und spaltete sich 10 cm unter seinem Gipfel in zwei Gabelzweige. Sowohl der stielrunde als der verbreiterte Theil trugen hier und dort gespaltene Blätter und völlig dedoublirte Blätter mit einziger Achselknospe; die beiden Gabel- zweige waren aber normal. Es lag hier also offenbar ein Fall von Fasciation vor. In einer Höhe von 5cm über dem Boden zeigte der Spross eine kleine örtliche Zwangsdrehung von ähnlichem Bau wie bei Crepis. Die gedrehte Stelle war 1,5 cm lang, die Torsion betrug etwa 90°, Die Riefen des Stengels waren links gedreht, die zweiblättrige, offenbar durch Dedoublement entstandene Spirale rechts auf- steigend!). B. Typus Fagopyrum. Polygonum Fagopyrum. Im Juli 1890 fand ich unweit Ermelo auf einem Buchweizen- felde eine Pflanze, an der dicht unterhalb des Gipfels zwei aufeinander folgende Blätter mit ihren Ochreae auf einer Seite des Stengels verwachsen waren. Demzufolge waren die Stipelbildungen geöffnet, statt in sich geschlossen, und war das zwischenliegende Internodium gestaucht und tordirt. Diesen Zweig habe ich auf Taf. X in Fig. 4 abgebildet. Von den beiden verwachsenen Blättern, 1 und 2, sieht man nur die Blattstiele und die Achseltriebe la und 2a (eine Partial- Inflorescenz wie 3a). In der Region der höheren Blätter 3, 4 u.s. w. war der Spross normal. Zwischen o p q liegt die Zwangsdrehung. Vom Knoten o läuft die Achse horizontal, im Knoten p biegt sie sich ı) Während des Druckes beobachtete ich eine ähnliche uneigentliche Torsion in einer stellenweise fasciirten Inflorescenz von Rheum ÆEmowi. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 331 aufwärts und über, wodurch sie sich weiter hinauf in die Verlängerung des untersten Internodiums stellt. Die Ochreastipel des Blattes 1 ist hinter dem Sprosse mit jener des Blattes 2 zu einem einheitlichen Gebilde verwachsen; vorne (in der Figur) erhebt sich die andere Stipel des Blattes 2 (p) am tor- dirten Stengeltheile ein wenig aufwärts. Die beiden Blätter bilden somit eine kleine rechtsansteigende Spirale, das gestauchte Inter- nodium ist dementsprechend schwach, aber deutlich mit links auf- steigenden Riefen bedeckt. Verkürzte Internodien sind auch sonst beim Buchweizen keines- wegs selten. Aber gewöhnlich ist die Verkürzung nicht von einer Verwachsung der Blätter und einer Torsion begleitet. Dritter Abschnitt. Braun’s Theorie der Zwangsdrehungen. § 1. Die Theorie Braun’s. Es soll jetzt meine Aufgabe sein, zu zeigen, in wie weit die in diesem und dem vorigen Haupttheile meiner Abhandlungen mit- getheilten neuen Thatsachen mit dem bereits vorhandenen Er- fahrungsmaterial zu einer Beweisführung für die von Braun auf- gestellte Erklarung ausreichen. Ich beschränke mich dabei auf die eigentlichen Braun’schen Zwangsdrehungen, und schliesse die uneigentlichen (Crepis, Fago- pyrum) aus, da diese von Braun nicht berücksichtigt worden sind. Ebenso schliesse ich selbstverständlich diejenigen Fälle aus, welche zwar von Schimper, Magnus und Anderen, nicht aber von Braun selbst zu den Zwangsdrehungen gerechnet worden sind. Von diesen handelt der letzte Haupttheil meiner Arbeit. Endlich bemerke ich noch, dass ich den Erklärungsversuch Braun’s nicht als eine vollendete mechanische Theorie der eigent- lichen Zwangsdrehungen betrachte und dass ich mir klar bewusst bin, dass auch meine eigenen Experimente eine solche aufzustellen nicht erlauben. Vieles bleibt auf diesem Gebiete noch zu erfor- schen übrig. Es fragt sich nur, in wie weit Braun’s Ansicht von den jetzt bekannten Thatsachen gestützt wird. Es sei mir gestattet, die ganze Erörterung, mit welcher der grosse Morphologe in seinem berühmten Aufsatz über den schiefen Verlauf 332 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. der Holzfaser und die dadurch bedingte Drehung der Bäume!) den Begriff der Zwangsdrehung in die Wissenschaft eingeführt hat, hier wörtlich anzuführen. „Zu den abnormen Drehungen, welche dem kurzen Weg der Blattstellung folgen, gehört die Zwangsdrehung, welche bei vielen Pflanzen eintritt, wenn die normal paarige oder quirlständige An- ordnung der Blätter in eine spiralige übergeht. Wenn nämlich in solchen Uebergangsfällen die in spiraliger Ordnung sich folgenden Blätter an der Basis einseitig, der Spirale folgend, zusammenhängen, so muss der Stengel, in seiner allseitigen Streckung behindert, durch ungleiche Dehnung eine spiralige Drehung annehmen, die so weit gehen kann, dass die Blätter mit senkrecht gestellter Basis eine einzige Reihe bilden. Der im Längenwuchs behinderte Stengel dehnt sich dabei oft stark in die Dicke und erscheint dann monströs aufgeblasen. Viele derartige Fälle sind von den Autoren beschrieben worden, jedoch ohne Einsicht in den Grund dieser Missbildung?).“ Versuchen wir jetzt, zu zeigen, wie weit das jetzt vorhandene Beobachtungsmaterial zum Beweise dieses vor fast vierzig Jahren aufgestellten Satzes reicht. Ich werde dazu die einzelnen Theile des Satzes nach einander den Thatsachen gegenüber zu stellen haben. 1. Zwangsdrehung kommt nur bei Arten mit quirlständigen oder decussirten Blättern vor. Von ersteren Kannte Braun Equise- tum, Casuarina, Hippuris und einige andere Gattungen. Von letzteren nennt Braun Dipsacus, Galium, Valeriana, Mentha; diesen sind Rubia, Weigelia, Deutzia, Urtica und die ganze Reihe der im nächsten Haupttheil zusammengestellten Arten beizufügen, welche sämmtlich decussirte Blätter haben. Die kritische Prüfung der Angaben über Arten mit zerstreuten Blättern wird uns im letzten Haupttheil zeigen, dass diese nicht die Zwangsdrehung im Sinne Braun’s besitzen?). Die uneigentliche Braun’sche Zwangsdrehung von Crepis und Fagopyrum scheint äusserst selten zu sein und erfordert ganz be- stimmte teratologische Abweichungen (Spaltung oder Verwachsung von Blättern). 2. Die normal paarige oder quirlständige Anordnung der Blätter ı) Berichte üb. d. Verhandl. d. k. preuss. Acad. d. Wiss. Berlin 1854, S. 432. 2) l. c. S. 440. Dieselbe Erörterung, nur wenig erweitert, findet sich in den Sitzber. d. Ges. naturf. Freunde, Berlin 1872; vergl. Bot. Zeitung 787343. 37) 3) Vergl. $ 4—8. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 333 ist in den Zwangsdrehungen in eine spiralige übergegangen. Directe Beweise für diesen Satz lieferte die Untersuchung des Vegetations- punktes von Galium Mollugo durch Klebahn, die zahlreichen von mir geschnittenen Vegetationspunkte tordirender Stengel von Dipsacus silvestris, sowie das Studium von Rubia tinctorum, Lupinus luteus und Weigelia amabilis. Bei Dipsacus ist die Spirale der Blätter, vor dem Anfang der Torsion, sowohl in den Rosetten des ersten Jahres, als während des Emporschiessens der tordirenden Stengel ohne Weiteres sichtbar. Aber auch an den erwachsenen Stengeln lässt sich, in tordirten Exemplaren, eben so gut wie an normalen Stengeln die ursprüngliche Blattstellung ermitteln, wie im ersten Abschnitt dieses Theiles $ 4 auseinandergesetzt wurde. Ich konnte in dieser Weise die ursprüng- liche Blattstellung bei Valeriana officinalis in drei tordirten Stengeln, bei Weigelia amabilis in mehreren, bei Rubia tinctorum in einigen, und bei Deutzia scabra an einem tordirten Zweige untersuchen. Sie ergab sich jedesmal als eine spiralige, gewöhnlich nach der Hauptreihe (meist 5/,,), bisweilen nach schraubenförmig aufgelösten Wirteln (Lonicera) oder Blattpaaren (Urtica urens, Dianthus Caryo- phyllus). In Bezug auf die übrigen Arten ist erstens hervorzuheben, dass Variationen der decussirten und wirteligen Blattstellung keineswegs seltene Erscheinungen sind und dass namentlich bei Deutzia scabra und Lonicera tatarica die Zwangsdrehungen gerade an Individuen beobachtet wurden, deren Blattstellung fast in jeder Richtung variirte. Solches ist auch bei Dipsacus, Valeriana und Weigelia der Fall, und bei Galium beobachtete schon Kros der Stengelachse parallele Verschiebungen der Glieder in den Blattwirteln!). Der Uebergang der decussirten Blattstellung in eine spiralige ist also für eine Reihe der wichtigsten Fälle der Zwangsdrehung be- wiesen und darf für die übrigen, aus Analogie, jedenfalls so lange angenommen werden, bis auch bei ihnen sich die Gelegenheit zur directen Entscheidung bietet. 3. Die in spiraliger Ordnung sich folgenden Blätter hängen an der Basis einseitig, der Spirale folgend, zusammen. Diese That- sache leuchtet bei Dipsacus silvestris ohne Weiteres ein?). Doch es kommt hier offenbar nicht auf die Verwachsung der breiten aber dünnen Blattflügel an, welche selbstverständlich einem Zuge 1) S/ Kros, De Spira 1. c. 8.05. 2) Vergl. unsere Tafel IV, Fig. 5. 334 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. keinen Widerstand leisten würden. Ebenso wenig auf die Gefäss- bündelverbindungen der Blattbasis, deren mögliche Bedeutung in dieser Beziehung zuerst Klebahn betont hat. Seine Figuren lassen diese Verbindungen sowohl im normalen als im gedrehten Stengel erkennen!) und genau dasselbe ergab die anatomische Untersuchung für Dipsacus und Rubia. Doch auch ohne gürtelförmige Gefässbündelverbindung kann der Zusammenhang der Blattbasen hinreichend gross sein, um die Zwangsdrehung zu veranlassen. Solches ist sogar bei den meisten Gattungen, welche diese Erscheinung gelegentlich zeigen, der Fall. Auch das schraubenförmige Diaphragma im Innern hohler, zwangsgedrehter Stengel bildet an sich die Klemme nicht. Ebenso verhält es sich nach meinen im ersten Theil, Abschnitt V, § 2 be- schriebenen Versuchen an Dipsacus silvestris mit der ganzen In- sertionslinie der Blätterspirale. Denn zur vollen Aufhebung der Zwangsdrehung gelangte ich erst, als ich die einzelnen Blätter mit sammt dem ihnen zugehörigen Theil des Stengels (ihre Blattspuren bis zum nächstunteren Umgang der Blätterspirale umfassend) von einander isolirte. 4. Durch die Blattspirale ist der Stengel in seiner allseitigen Streckung behindert. Findet keine Streckung statt, so führt die Spirale trotz der Ver- wachsung der Blattbasen nicht zur Torsion. Als Beweis führte Braun Pycnophyllum an; ebenso überzeugend und in unmittelbarer Beziehung zu der Hauptfrage sind die einjährigen Exemplare von Dipsacus silvestris torsus, deren spiralige Blattstellung gleichfalls ohne Einfluss auf die Achse ist. Noch wichtiger aber ist die Thatsache, dass bei unserem Dip- sacus, im zweiten Vegetationsjahre, die Torsion gleichzeitig mit der Streckung der Internodien anfängt. Die jugendliche Stengel- spitze, soweit ihre Internodien noch nicht die Länge von etwa 5 mm überschritten haben, ist ganz gerade und ungedreht, trotz der spiraligen Verwachsung ihrer Blätter. 5. Der Stengel muss, durch dieses Hinderniss zu ungleicher Dehnung gezwungen, eine spiralige Drehung annehmen, die so weit gehen kann, dass die Blätter mit senkrecht gestellter Basis eine einzige Längsreihe bilden. Auf die geometrische Richtigkeit dieser Folgerung brauche ich wohl nicht einzugehen. Sie ist ohne Weiteres klar. Nur dadurch, dass die Blattspirale möglichst entrollt wird, 1) Ber. d. d. bot. Ges., Bd, VI, Taf. NL Mig IO 1 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 335 erhalten die zwischen ihren Windungen befindlichen Abschnitte des Stengels den erforderlichen Raum zu ihrer Streckung. Die Entrollung der Blattspirale habe ich bei Dipsacus silvestris direct beobachtet. Sie fängt an, sobald die Streckung der Inter- nodien anhebt und dauert, bis diese ausgewachsen sind. Sie ist um so erheblicher, je grösser dieses Längenwachsthum. Bei maximaler Streckung werden die Blätter in eine gerade Längsreihe gestellt, bei geringerer Streckung wird die Spirale nur zum Theil entrollt. Jedes einzelne Blatt wird dabei in tangentialer Richtung verschoben, diese Bewegung nimmt Anfangs zu, erreicht aber etwa gleich- zeitig mit dem Maximum des Längenwachsthums im entsprechenden Internodium ihren grössten Werth, um von da an wieder abzunehmen. Als grösste Geschwindigkeit beobachtete ich eine Drehung des Blattes um 180° in vier Tagen’). Eine eingehende Betrachtung der Blattstellung an einem tor- dirten Aste von Weigelia amabilis, in dessen jüngsten Internodien die Torsion eben anfing, führte zu ganz ähnlichen Schlüssen ?). Ebenso bei Rubia und Lupinus. 6. Der Widerstand der Blätterspirale gegen die Streckung des Stengels ist die einzige Ursache der Zwangsdrehung. Die Richtig- keit dieses Satzes, der wohl den eigentlichen Kern der Braun’schen Theorie bildet, ist offenbar nur auf experimentellem Wege dar- zuthun. Es muss der Beweis geliefert werden, dass nach Auf- hebung jenes Widerstandes der Stengel sich nicht dreht, sondern gerade aus wächst. Es gelang mir dieses bei Dipsacus silvestris, indem ich die Blätterspirale, gerade in dem Momente, wo die Tor- sion anfangen würde, durchschnitt. Es müssen dabei nicht nur die Blätter, sondern auch die zugehörigen Internodialstücke des Stengels von einander isolirt werden. Die so operirten Stengeltheile blieben gerade, während unterhalb und oberhalb die nicht operirten Inter- nodien sich in üblicher Weise drehten®). Die Pflanzen machen gar oft dasselbe Experiment. Sie durch- reissen die Spirale und das betreffende Internodium wächst, oft zu bedeutender Länge, ohne Torsion, aus. Es trägt dann auf einer Seite eine Wundlinie, welche die Blattspirale der oberen und unteren Theile verbindet. Eine auffallende Form dieser Erscheinung sei hier erwähnt, in der die Spirale mitten in dem Fusse eines Blattes auf- 1) Vergl. auch Opera V, S. 159 und Taf. I, Fig. 2. 2) Vergl. oben II, $ 2, S: 1124 3) Opera V, S. 159, Taf. I, Fig. 6 und unsere Taf. VI, Fig. 1 u. 7. 336 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. gerissen wird, und dieses dann, wie mit zwei weit abstehenden Beinen, den beiden Enden des gestreckten Internodiums aufsitzt?). 7. Der im Längenwuchs behinderte Stengel dehnt sich dabei oft stark in die Dicke und erscheint dann monströs aufgeblasen. Jeder Stengelabschnitt sucht im gedrehten Sprosse dieselbe Länge zu erreichen, welche er am normalen Individuum angenommen haben würde. Arten mit kurzen Internodien haben daher nur in geringem Grade verdickte Zwangsdrehungen, wie z. B. Mentha, solche mit sehr langen Gliedern aber werden bei der Zwangsdrehung monströs aufgeblasen, becherförmig, tympanitisch. Beispiele dazu sind Rubia, Dipsacus und im höchsten Grade Valeriana. Saftige Stengel scheinen in der Ausdehnung ihrer Internodien weniger behindert zu werden als fester gebaute; dies erklärt wohl den Unterschied in der Form der gedrehten Stengel der beiden letztgenannten Gat- tungen. Auch das Fehlen einer Anschwellung bei Weigelia und Deutzia wird zum Theil dem Holzreichthum ihrer Stengel zuzu- schreiben sein. Doch scheint auch die Dehnbarkeit der Blattbasen, in der Richtung der Spirale hier ins Gewicht zu fallen, da meine tordirten Zweige von Weigelia ganz auffallend verbreiterte Blatt- insertionen besitzen. Ebenso verhält sich Lupinus. An jedem einzelnen Sprosse wechselt die Dicke des aufgeblasenen, tordirten Theiles offenbar im Zusammenhang mit dem Grade der Streckung der betreffenden Stengelabschnitte in normalen Individuen. Durch die angeführten Thatsachen glaube ich für Dipsacus silvestris einen lückenlosen Beweis für die Braun’sche Theorie ge- liefert zu haben. Aber auch in Bezug auf die übrigen Arten ist das vorhandene Beobachtungsmaterial bereits ein solches, dass an der Richtigkeit der Erklärung wohl kein redlicher Zweifel mehr ob- walten kann. Vollständig wird der Beweis selbstverständlich erst dann werden, wenn so viele Arten wie möglich einer experimentellen Forschung unterworfen sein werden. Dazu muss aber erst die Zwangsdrehung in jedem einzelnen Falle in ähnlicher Weise fixirt werden, wie in unserem Dipsacus silvestris torsus?). $ 2. Einwände gegen die Theorie Braun’s. Es ist nicht leicht, eine klare Einsicht zu erlangen in die Ein- wände, welche von verschiedenen Forschern gegen die Theorie 1) Verpl: Ta VG Pie wee 7: 2) Versuche in dieser Richtung habe ich u. A. mit Valeriana officinalis und Rubia tinctorum angefangen. ON ATAVISTIC VARIATION IN OENOTHERA CRUCIATA. Figs. 1, 2. Oenothera cruciata Nutt. Figs. 3-14. Oenothera cruciata varia De Vries. does tat Lt en re à i en tele es 5 NER ee a u est dere gee MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 337 Braun’s hervorgehoben worden sind. Es rührt dieses von der wechselnden Bedeutung des Namens Zwangsdrehung her. Denn mehrere Schriftsteller haben, bei dem Studium von Verdrehungen, welche gar nicht zu den Braun’schen Zwangsdrehungen gehören, ihre Ergebnisse als Einwände gegen diese Theorie betrachtet. Es hat in dieser Weise die Benutzung des Wortes in einem anderen Sinne als von Braun geschehen ist, vielfach zu Verwirrungen und Missverständnissen geführt. Wenn man das im Anfang des vorigen Paragraphen abgeschriebene Citat Braun’s genau liest, so ist es klar, dass er den Namen auf eine ganz bestimmte, eng umschriebene Gruppe beschränkt. Ihr Merkmal ist die abnormal spiralige Anordnung der Blätter. Tor- sionen an nackten Stengeln oder einzelnen Internodien sind somit keine Braun’sche Zwangsdrehungen. Verkürzung und Aufbauchung des Stengels kommen oft vor, sind aber kein sicheres Merkmal. Sie kommen, wie wir sahen, bei Weigelia, Lupinus u.s. w. nicht vor und fehlen gleichfalls in mehreren von Braun in seiner Samm- lung eigenhändig als Zwangsdrehung bezeichneten Fallen’). Es ist nun offenbar äusserst zweckmässig, die verschiedenen Erscheinungen mit verschiedenen Namen zu belegen. Und da weder die Mechanik der Braun’schen, noch die Art und Weise, wie die übrigen sogenannten Zwangsdrehungen zu Stande kommen, hin- reichend genau erforscht worden ist, so muss man sich bei der Tren- nung der Gruppen nach äusseren, leicht kenntlichen Merkmalen umsehen. Es soll damit überhaupt nichts über ihre später zu ent- deckenden Ursachen ausgesagt werden. Nach dieser Erörterung beschränke ich mich in diesem Para- graphen auf die echten Braun’schen Zwangsdrehungen; die ein- fachen Torsionen werde ich im letzten Haupttheil dieser Abhand- lung besprechen. Die zu behandelnden Einwände zerfallen in drei Gruppen: 1. das Einrollungsschema, 2. die Erklärung der typischen Zwangsdrehungen, 3. die Ermittelung der Grenzfälle. Eine Reihe von kleineren, von verschiedenen Autoren gemachten Einwänden sind durch die seitdem gefundenen Thatsachen von selbst widerlegt und brauchen daher nicht besonders besprochen zu werden. Ich komme jetzt zu der Besprechung des wohl nur aus historischen Rücksichten bemerkenswerthen Einrollungsschema. ı) Vergl. hierüber den folgenden Theil, Abschnitt II. 338 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Mehrfach wurde folgende Vorstellung von der Zwangsdrehung gegeben!),. Wenn man einen normalen Stengel der Länge nach aufschneidet und zu einem flachen Bande abplattet, so kann man ihn nachher in schiefer Richtung aufrollen und dabei sorgen, dass jedes Blattpaar genau an das vorhergehende angepasst wird. Denkt man sich nun die einzelnen Windungen dieses spiraligen Bandes mit ihren Rändern verwachsen, so entsteht das Bild einer wirklichen Zwangsdrehung. Umgekehrt könnte man einen tordirten Stengel zu einem solchen spiraligen Bande aufschneiden und dieses in querer Richtung in der Form eines normalen Stengels aufrollen. Offenbar kann diese Vorstellung nur als Mittel zur geometrischen Orientirung betrachtet werden und nicht den Anspruch einer ent- wickelungsgeschichtlichen Hypothese machen. Sie würde aber nur für jene Fälle zutreffen, in denen die spiralige Anordnung der Blätter durch Auflösung der Blattpaare mittelst longitudinaler Verschiebung erreicht worden wäre, wie Suringar annahm?). Dieses ist nun, wie wir gesehen haben, zwar bei einzelnen Arten, nicht aber bei den wichtigsten Gattungen wie Dipsacus, Galium und Valeriana der Fall. Würde man das Auf- und Einrollungsexperiment mit solchem Stengel durchführen, so würde man offenbar bei ?/, abwechselnd zwei- und dreiblättrige Knoten erhalten, bei 5/,, Knoten mit 3, 2, 3, 3, 2 u.s. w. Blättern. Man würde somit niemals zu einem nor- malen Stengel kommen, wie die Autoren vermutheten, sondern zu Widersprüchen, welche nur mit Hilfe sehr complicirter Hypothesen zu lösen wären?). Thatsächlich hat bis jetzt keiner sein Object einem solchen Versuche geopfert; der auf Taf. IV, Fig. 10 abge- bildete, aufgeschnittene und flach gelegte Stengel von Dipsacus silvestris torsus zeigt aber deutlich, was man in solchen Fällen ge- funden haben würde. In Bezug auf den zweiten Einwand, den Zweifel der Richtig- keit der von Braun für die Zwangsdrehung gegebenen Erklärung, ist folgendes zu bemerken. Die Torsion des Stengels kann nicht wohl als die mechanische Ursache der spiraligen Anordnung und Verwachsung der Blätter betrachtet werden. Denn überall, wo die Entwickelungsgeschichte untersucht wurde (Galium, Dipsacus, 1) z. B. De Candolle, Monstruosités végétales, p. 17; Masters, L. c. S. 321; Suringar, Kruidk. Archief I, S. 328. 2) Vergl. Haupttheil II, Abschnitt 1. 3) Die Unrichtigkeit jener Hypothese ist auch schon von Magnus be- tont worden, Sitzber. Brandenburg XIX, S. 122. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 339 Rubia, Weigelia, Lupinus), ergab sich, dass letztere bereits vor Anfang der Torsion vorhanden ist. Die Annahme, dass die Torsion in allen den zahlreichen echten Braun’schen Zwangsdrehungen zufällig von spiraliger Blattstellung begleitet sei, ist gleichfalls keine sehr befriedigende. Dagegen kann die spiralige Anordnung und die Verwachsung der Blätter (und ihrer Internodialstücke) . wohl die Torsion bedingen. Solange somit nicht das Gegentheil bewiesen ist, bleibt die Er- klärung Braun’s die einfachste und natürlichste. Nur soll man sie nicht auf andere Fälle (Schimper’sche und Magnus’sche Zwangs- drehungen) anwenden wollen. Magnus sucht die Ursache der Braun’schen Zwangsdrehungen in „der Hemmung des Längenwachsthums, welche der Stengel in der Jugend in Folge des Druckes der umgebenden Blätter erfährt‘. Er meint, dass in meinen Versuchen, in denen ich ‚die am Grunde verwachsenen Blätter durch Einschnitte trennte und dadurch die Zwangsdrehung aufhob, dabei zugleich mit den Verbindungslinien auch die umhüllenden Blätter durchschnitten und dadurch der Druck aufgehoben sei‘‘1). Ich habe demgegenüber im ersten Theil, Abschn. V, $ 1 u. 2 gezeigt, erstens, dass die Torsion grossentheils stattfindet, nachdem die betreffenden Internodien und Blätter be- reits aus dem Verband der Knospe herausgetreten sind und zweitens, dass meine Einschnitte nicht innerhalb der Knospe, sondern erst beim Austritt der Theile aus dieser gemacht wurden. Der von Magnus vermuthete Druck ist somit experimentell nicht nachweisbar. Nochmals möchte ich betonen, dass gar kein Grund vorliegt, weshalb die Ursache der Zwangsdrehung von Dipsacus dieselbe sein sollte, wie die der von Magnus am Schafte von Taraxacum beschriebenen Drehung?). Gehen wir jetzt zu dem dritten zu behandelnden Einwande über. Dieser findet seinen Ursprung in der grossen Bedeutung, welche der Spiralrichtung in früheren Zeiten in der botanischen Morpho- logie zugeschrieben wurde. Hat man doch bisweilen die Spiral- tendenz als eine ganz besondere Kraft in den Vordergrund stellen zu müssen geglaubt! Schauer äussert sich, nach Aufzählung der Zwangsdrehungen und anderen Torsionen, folgendermaassen: „Alle ı) Citirt nach einem Zeitungsberichte über die Frühlingsversammlung des botanischen Vereins der Prov. Brandenburg am 31. Mai 1890. 2) Eine Abbildung dieses Schaftes verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Prof. Magnus. 22* 340 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Verdrehung aber entspringt aus einem ‘Uebermächtigwerden des Bildungstriebes nach einer Richtung hin, in Folge dessen die allen Fasern ursprünglich innewohnende spiralige Richtung nun über- mässig stark und somit in regelwidrigen Bildungen hervortritt!).‘ Diese Betrachtungsweise kann seit langer Zeit als überwundener Standpunkt angesehen werden, sie mag aber wohl am meisten dazu beigetragen haben, dass die rein mechanische Erklärung Braun’s so wenig Eingang gefunden hat. Ihre Schuld mag es hauptsächlich sein, dass so viele Forscher eine scharfe Trennung der Zwangs- drehung von den übrigen Torsionen nicht haben anerkennen wollen. Unter Denjenigen, welche bei der Zwangsdrehung wie bei den einfachen Torsionen die Drehung des Stengels als das Primäre an- sehen, ist Magnus wohl der Einzige, der seine Meinung in neuester Zeit ausführlich erörtert und begründet hat?). Ich habe schon zu wiederholten Malen darauf hingewiesen, wie er mit vollem Rechte eine Anwendung der Braun’schen Theorie auf die Drehungen von Stengeln mit zerstreuten Blättern, wie Phyteuma und Campanula, zurückwies, dass aber die Grenze zwischen den Fällen, auf welche seine Erklärung passt, und derjenigen, welche im Sinne Braun’s zu deuten sind, meiner Ansicht nach anderswo zu ziehen ist, als er behauptet. ; Es erübrigt mir also nur den Grenzfall näher zu besprechen. Dieser wird, nach ihm, von denjenigen Zweigen von Dipsacus silvestris gebildet, welche die Torsion nur in geringem Grade der Ausbildung besitzen. ‚In solchen Fällen erkennt man, schreibt er, dass die Drehung der Längsriefen des Stengels auch ohne Ver- wachsung der Blätter auftritt.“ An einem Exemplar fand er diese Riefen an dem letzten Blattpaare unter dem abschliessenden Blüthen- knopfe stark links gedreht und den Stengel etwas aufgebauscht. Die Blätter standen nach der minder gewölbten Seite des Stengels einander genähert, während sie der Höhe nach auseinandergerückt waren. Magnus betrachtet diese Stellung der beiden Blätter als die Folge der Torsion des Stengels, aber wenigstens mit gleichem Rechte kann man sie als deren Ursache betrachten. Meiner Ansicht nach bildeten die Blätter einfach einen kleinen Theil einer Spirale, 1) Uebersetzung von Moquin-Tandon’s Pflanzenteratologie, S. 167. Aehnliches bei Kros, de Spira, l. c. und bei Morren, „Spiralisme téra- tologique“, |. c. 2) Sitzungsber. d. bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XIX, 1877, S. 118 (Dipsacus silvestris) und Verhandl. desselben Vereins XXI, 1879, S. VI (Phyteuma). MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 341 nach 5/,, oder einem andern Werthe der üblichen Reihe; daher wären sie nur auf einer Seite verbunden, wenn hier auch nicht sichtbar verwachsen; daher stünde das eine höher als das andere, und daher verhinderten sie die Streckung des Stengels auf der Seite ihrer Verbindung, und führte das Längenwachsthum somit zur Tor- sion und Auftreibung auf der gegenüberliegenden Seite. Ich habe solche Fälle in grosser Anzahl in meinen Händen gehabt!) und sie häufig in dieser Richtung geprüft, stets ergab sich mir aber die Braun’sche Erklärung als die einzig richtige. Selbstverständlich ist eine endgültige Entscheidung nur von der Entwickelungsgeschichte zu erwarten. Da aber an den Seitenzweigen der tordirten Dipsaci decussate, ternate und spiralige Blattstellungen in bunter Mannigfaltigkeit abwechseln, so dürfte es schwer sein, in einem bestimmten Falle zu einem gegebenen fertigen Zustande den Jugendzustand derart zu finden, dass Zweifel an beider Identität unmöglich sind. Da aber die verschiedenen Blattstellungen sowohl an Vegetationspunkten wie an erwachsenen Zweigen zu finden sind, ist es offenbar das Einfachste für jede im erwachsenen Zustand sich darbietende Stellung die entsprechende Anordnung am Vegetations- punkt als Jugendform zu wählen. Wenigstens bis in einem Falle das Gegentheil direct erwiesen ist. Betrachtet man die Torsion des Stengels als das Primäre, so ist nicht einzusehen, weshalb diese an einblättrigen Knoten nicht vorkommen sollte; ist die Verbindung der Blätter die Ursache der Torsion, so dürfen einblättrige Knoten nie tordirt sein, vorausgesetzt dass sie nicht durch Zerreissung der Blattspirale einblättrig ge- worden sind. An Zweigen zweiter und dritter Ordnung stehen nun, bei meinem Dipsacus silvestris torsus die obersten Blätter häufig alternirend, die Knoten sind dann stets ohne Torsion. Gestreckte Stengeltheile mit localen Torsionen sind gar nicht selten. Wären diese von den Blättern unabhängig, so müssten sie über Knoten und Internodien gleichmässig vertheilt sein. Dem ist aber nicht so; die Torsionen sind stets am Grunde der Blätter am stärksten, um so kräftiger, je länger die ununterbrochene Reihe der Blätter ist. Gestreckte Internodien sind, auch mitten im tordirten Stengel, gerade. Allerdings erstrecken sich die Torsionslinien auf den gestreckten Internodien vom oberen und unteren Blatte aufwärts und abwärts 1) Abgebildet habe ich sie auf Seite 159 Taf. I, Fig. 5 und in dieser Abhandlung z. B. auf Taf. V, Fig. 3. 342 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. eine Strecke weit. Doch stets mit abnehmender Neigung. Offenbar sind dieses nur Uebergangsstellen, an denen vielleicht häufig äussere Ursachen die Drehungen sich weiter hinziehen lassen, als der directe Einfluss der hemmenden Blattspirale dies erwarten lassen würdet). Magnus hebt hervor, dass seine Ansicht nicht anzugeben ver- mag, warum die Drehung nie einen stärkeren Grad erreicht, sodass sie das jüngere Blatt an dem älteren vorbeiführen würde. Nach Braun’s Vorstellung ist die gerade Längszeile selbstverständlich die äusserste Grenze der Entrollung der Spirale. Ein letztes Argument führt Magnus in der Thatsache an, dass die Blätter über der Zwangsdrehung stets wieder in der normalen Stellung sich kreuzender Paare stehen. In meinem Material herrscht in dieser Hinsicht grössere Abwechselung. Dreigliedrige Quirle sind an den Hauptstämmen oberhalb der tordirten Strecke viel gewöhn- licher als decussirte; an den Seitenzweigen sind beide häufig, auch viergliedrige Wirtel und alternirende Blätter nach % sind nicht selten. Dass die Blattstellung variabel ist, wenn Zwangsdrehungen auftreten, habe ich auch für Valeriana, Weigelia und andere Arten nachgewiesen. Und dass die echte spiralige Anordnung ausserhalb der tordirten Theile nicht gefunden wird, liegt einfach daran, dass sie die Torsion mit Nothwendigkeit bedingt. Dies lehren ja auch die Fälle, in denen die Blätterspirale von den sich streckenden Inter- nodien zerrissen wurde. Ich habe die Ansichten meiner Gegner möglichst ausführlich besprochen, da ich hoffe die obwaltenden Meinungsverschiedenheiten dadurch ausgleichen zu können, und für die Theorie Braun’s auch bei ihnen volle Anerkennung zu gewinnen. Noch mehr lag mir aber daran zu zeigen, wie reichhaltig und belehrend das von ihnen angehäufte Beobachtungsmaterial ist, und wie viel ich ihnen in dieser Hinsicht verdanke. DRITTER THEIL. Uebersicht der bis jetzt bekannten Fälle von Braun’scher Zwangsdrehung. Erster Abschnitt. Literatur. Zwangsdrehungen sind so auffallende Erscheinungen, dass sie wohl selten von Botanikern gesehen sein werden, ohne ihre Auf- ı) Vergl. hierüber Sachs, Lehrb. d. Bot., 4. Aufl., S. 833, Alin. 2. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 343 merksamkeit auf sich zu lenken. Namentlich wird dies der Fall sein, seitdem Braun’s Erklärungsversuch ein allgemeines wissen- schaftliches Interesse in sie wachgerufen hat. Und wenn die folgende Liste auf Vollständigkeit in diesem Umfange wohl keinen Anspruch machen kann, so muss es doch auffallen, dass die Reihe der bis jetzt beschriebenen Beispiele eine so sehr kleine ist. Aus diesem Grunde stelle ich zunächst die mir bekannt gewordenen Fälle zusammen. Die in Klammern beigefügten Zahlen geben die Anzahl der Einzelfunde an. Arten mit wirteliger Blattstellung: Equisetum Telmateja (7), E. palustre (1), E. limosum (5). Casuarina stricta (1). Hippuris vulgaris (2). Arten mit decussirten Blättern!): A. Mit gürtelförmigen Gefässstrangverbindungen: Dipsacus silvestris (2), D. fullonum (4), D. Gmelini (1). Valeriana officinalis (10 + 1 neuer), V. dioica (2), V. mon- tana (1). Galium Mollugo (2), G. verum (3), G. palustre (1), G. Aparine (1), G. sp. (3), Aparine laevis (1). Rubia tinctorum (2). B. Ohne gürtelförmige Gefässstrangverbindungen. Crassula ramuliflora (1). Dianthus barbatus (1). Dracocephalum speciosum (1). Mentha aquatica (1), M. viridis (1)?). Thymus Serpyllum (1). Hyssopus officinalis (1). 1) Braun nennt als Arten, bei denen Zwangsdrehung „von den Autoren beschrieben worden“ ist, noch Zinnia verticillata und Gentiana, jedoch ohne nähere Angaben (Ber. Verhandl. k. preuss. Akad. d. Wiss. Berlin 1854, S. 440). Vergl. hierüber den folgenden Abschnitt. Ebenso nennt Reinsch Zlatina Alsinastrum und Phylica-Arten (Flora 1858, p. 76 und 1860, p. 740; über die Blattstellung von PAylica vergl. Braun, Nov. Act. Ac. C. L. Nat. Cur., T. 15, 1831, S. 340). Aus welchen Quellen er diese Angaben geschöpft hat, konnte ich leider nicht ermitteln. Clos sagt, an einer von Penzig (Pflanzen-Teratologie I, S. 351) citirten Stelle, von Phy- tica nur „disposition spiralée s’accusant aux feuilles“ (Mém. Acad. Tou- louse, 7. Serie, T. III, 1871, S. 94). 2) Mentha micrantha und Galeopsis Ladanum, von Magnus beschrieben, werde ich nicht in diesem, sondern im dritten Abschnitt besprechen. 344 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Aus dieser Liste geht hervor, was schon von verschiedenen Au- toren betont wurde: 1. dass die Zwangsdrehung nur bei Arten mit wirteliger oder decussirter Blattstellung bekannt ist; 2. dass einzelne Gattungen und in diesen wiederum einzelne Arten in dieser Be- ziehung auffallend bevorzugt sind. Morren formulirt diesen letzteren Satz in der Weise, dass er den bevorzügten Arten eine „predis- position à ce spiralisme‘‘ zuschreibt. Er lässt darauf aber folgen „Quelle est la cause de cette prédisposition?““*). Und es scheint mir, dass eine Antwort auf diese Frage jetzt noch ebensowenig gegeben werden kann als zu seiner Zeit. Ich schreite jetzt zu einer möglichst vollständigen Uebersicht der fraglichen Missbildungen und werde darin einerseits die Fund- orte und die Art des Vorkommens und andererseits jene Angaben zusammenstellen, welche eine Einsicht in den Bau und die Ent- wickelung dieser Gebilde geben. Equisetum Telmateja, von älteren Verfassern unter dem Namen E: AE aufgeführt?). . Vaucher in seiner Monographie des Prêles nennt unter den von ihm beobachteten Missbildungen dieser Art einen Stengel, in welchem „ies verticilles sont contournés en spirale depuis le bas de la plante jusqu’à son sommet“ und bildet den oberen Theil dieses Stengels auf Taf. IIIA ab*). Man sieht sechs Schrauben- windungen, links aufsteigend, die einzelnen Blätter stehen einander ebenso nahe, wie in den Wirteln der normalen Pflanze. Die Längs- riefen des Stengels, in einem Internodium gezeichnet, weisen eine Neigung von etwa 45° gegen die Achse auf. Dieses Exemplar wurde von Herrn Trog in der Nähe von Thun gefunden und Herrn De Can- dolle geschenkt, welcher es in seiner Organographie végétale er- wähnt?). 2. Dieselbe Missbildung beobachtete van Hall in den Nieder- landen bei Vreeswyk im Jahre 18325). 3. Von A. de Jussieu wurde sie bei Meudon gefunden®), auch hier waren sämmtliche Blattwirtel in eine Spirale umgewandelt. 1) Bull. Acad. Roy. Belg., T. XVIII, 1. Part, p. 29 (1851). 2) Milde in Nov. Act. Ac. C. L. Nat. Cur., Vol. 26, S. 430. 3) Mémoires d. l. Soc. d. phys. de Genève J, 1. Partie, 1821, S. 364. 4) De Candolle, Organographie végétale I, 1827, S. 155. 5) Het Instituut, of Verslagen en Med edeelingen v. h. Kon. Nederl. Instituut 1841, S. 85 und S. Kros, De spira in plantis conspicua, Diss. Groningen 1845, S. 73. 6) Moquin-Tandon, Tératologie végétale 1841, S. 181. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 345 4. Milde sammelte bei Neisse in Schlesien ein Exemplar, welches an einem normalen Hauptstengel einen drei Zoll langen Neben- stengel trug. Um letzteren gingen die zu einem continuirlichen Rande verwachsenen Blattscheiden in einer weitläufigen Spirale von links nach rechts viermal herum. Oberhalb dieser Spirale folgen mehrere normale Wirtel. Soweit die Scheiden spiralig verwachsen sind, ist der Stengel in entgegengesetzter Richtung tordirt, wo die Spirale aufhört, hört auch die Torsion auf. Die Neigung der Längs- riefen erreicht auch hier etwa 45°. Der Ast ist auf Taf. 56 in Fig. 40 abgebildet!). Dieses Exemplar soll nach einer Angabe von Reinsch im Berliner königl. Herbar. aufbewahrt werden?). 5. An demselben Orte sammelte Milde später noch zwei kleinere Beispiele von Zwangsdrehung (l. c. Taf. 56, Fig. 41 u. 42). Das eine war ein Seitenast, dessen Spitze durch eine Blätterspirale zur Torsion gezwungen war (Fig. 42), das andere ein Stengel, dessen Spitze eine zweimal in einer Spirale um sie herumgehende, band- förmige Scheide und oberhalb dieser zwei Aeste trug, an denen sich dieselbe Erscheinung in geringerem Grade wiederholte. 6. An einem quelligen Jurakalkabhang bei Erlangen fand Reinsch einen gedrehten Stengel von Equisetum Telmateja*). Dieser war in seinem unteren und oberen Theile normal, trug aber in seiner Mitte eine Spirallinie von 203 seitlich mit einander verwachsenen Blättern, welche nahezu drei Umläufe um den Stengel herum machte und beiderseits an die normalen, etwa 30 blättrigen Wirtel ansetzte. Soweit die Spirale reichte, war der Stengel tordirt und sogar ein wenig angeschwollen. Die Blätterspirale steigt von links nach rechts auf. Der gedrehte Theil ist auf Taf. III in Fig. 3 abgebildet. 7. Derselbe Verfasser fand später am Berge Hetzles bei Erlangen im mittleren Lias ein anderes tordirtes Exemplar derselben Art). Auch hier trug der untere Theil des Stengels mehrere normale Scheidenwirtel. Darauf folgte aber ein ununterbrochenes, sechs Umgänge machendes spiraliges Band von 269 verwachsenen Blättern. Dieser Fall ist nicht abgebildet. Alle diese Beispiele von Zwangsdrehung von Equisetum Telmateja wurden an sterilen Stengeln beobachtet. Sie zeigen, dass Stengel 1) J. Milde, Beiträge zur Kenntniss der Equiseten. Nov. Act. Ac. C. L. Nat. Cur., Vol. XXIII, Pars 2, 1852, S. 585, 594 und ibid., Vol. XXVI, S. 429. 2) Flora 1858, S. 76, Note. 3) Flora 1858, S. 75. 4) Flora 1800, S. 739. 346 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. und Aeste über Strecken von sehr verschiedener Ausdehnung der Zwangsdrehung unterworfen sein können. Equisetum palustre. Milde beschreibt einen, von ihm im königl. Berliner Herbar. gesehenen Fall von Zwangsdrehung*). Dieser Stengel trug unten und oben normale Wirtel, in kurzer Entfernung von seiner Spitze aber, über die Länge eines Zolles, eine spiralige Scheide. An der- selben Stelle hatte auch der Stengel selbst eine Drehung erlitten; diese fehlte dort, wo er normale Blattwirtel trug. Abgebildet auf Taf. 56, Fig. 44. Equisetum limosum. 1. Vor Auras fand derselbe Monograph der Equiseten eine eigen- thümliche Abänderung der fraglichen Monstrosität bei dieser Art?). Ein über der Aehre befindlicher kurzer Stengeltheil war nämlich spiralig gewunden und von den zu einem continuirlichen Bande verwachsenen Scheiden bis über seine Spitze ganz umhüllt (l. c. Taf. 56, Fig. 45). 2. Einen zweiten ähnlichen Fall beobachtete Milde an einem sterilen Stengel derselben Art). $ 3. An demselben Fundorte (Auras) fand Milde später noch mehrere, theilweise gedrehte Stengel von E. limosum*). Bei einem Exemplar befand sich ein spiraliges, den Stengel umwindendes Scheiden- band 7” unterhalb der Spitze des sterilen Stengels; bei einem an- deren dicht unter dieser Spitze. Vergl. Taf. 36, Fig. 55, welche Figur eine auffallende Aehnlichkeit mit Braun’s bald zu erwähnender Abbildung von Casuarina hat. Bei beiden ging die Spirale von rechts nach links; bei einem dritten Individuum sass das Spiral- band an der Spitze des Stengels auf einer Aehre und ging von links nach rechts. 4. Rohrbach sah im Herbar. des Herrn Prof. A. Braun E. limosum mit Zwangsdrehung und sagt darüber „bald rechts, bald links ge- wunden, bald nur stellenweis spiralig und im übrigen normal‘). 5. van Hall fand einen ähnlichen Fall in Holland®). 1) Nova Acta Ac. C. L. Nat. Cur., Vol. XXIII, Pars 2, 1852, S. 600. 2) Ibidem, S. 601. Vergl. auch S. 606, IX. 3) Ibidem, S. 603. 4) Ibidem, Vol. XXVI, Pars 2, S. 450. 5) Botan. Zeitung 1867, S. 299. 6) S. Kros, De spira in plantis conspicua, Diss. Groningen 1845, S. 74. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 347 Hippuris vulgaris. |. Braun erwähnt einen Fall von spiraliger Stellung der Blätter mit Drehung des Stengels aus der Sammlung des Dr. Schimper!). 2. Hegelmaier zeigte in der Generalversammlung des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg im Juni 1877 einen Spross des Tannenwedels vor, in welchem die Wirtelstellung der Blätter von einer gewissen Höhe an durch fortlaufende Schrauben- drehung ersetzt wurde?) und sandte einige derartige Exemplare an Braun®). Der Stengel war in ähnlicher Weise gebaut wie in den entsprechenden Fällen bei Equisetum und Casuarina. Casuarina stricta. In der bereits citirten berühmten Abhandlung über die Ordnung der Schuppen an den Tannenzapfen erwähnt Braun einige Zweige dieser Pflanze, welche von Dr. Bischoff von einem im Heidelberger botan. Garten befindlichen Baum in verschiedenen Jahren gepflückt waren*). Er bildet einen solchen Ast auf Taf. XXXV, Fig.5, 6 und 7 ab. Das Aestchen trägt unten einige normale Wirtel, in seiner oberen Hälfte ein spiraliges Band von verwachsenen Blättern, welches sieben Umläufe macht. Diese steigen von links nach rechts empor. In dieser Gegend ist der Stengel stark gedreht und merklich an- geschwollen. Seine Riefen sind um etwa 45° gegen die Achse geneigt. Ich komme jetzt zu den Arten mit decussirter Blattstellung und fange mit der im ersten Theile dieses Aufsatzes ausführlich studirten Species an. Dipsacus silvestris. In der Sitzung des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg vom 31. August 1877 legte Magnus eine Reihe von Exemplaren dieser Art vor, welche er von Herrn E. Ule erhalten hatte und 1) A. Braun, Ordnung der Schuppen am Tannenzapfen. Nova Act. Ac. C E Nat Cur, Tom. XV, Pars 1, S. 351 (1831). 2) Württembergische naturw. Jahreshefte XXXIV I, 1878, S. 95. 3) Verhandlungen d. bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XVII, 1875, S. 65. Auch citirt von Magnus, Sitzungsber. des bot. Vereins d. Prov. Branden- burg 1876, S. 92. Vergl. auch E. Lankester Brit. Association 1848 Trans- actions p. 85 „Hippuris vulgaris, in which the leaves were arranged alter- nately in a spiral upon the stem‘ (ohne weitere Andeutungen). 4) Nova Acta, Tom. XV, Pars ı, S. 351 (1831). Was über diesen Fall von Bischoff selbst (Lehrbuch I, S. 200, Fig. IV) mitgetheilt wird konnte ich leider nicht nachschlagen. 348 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. welche die von Braun als Zwangsdrehung bezeichnete Missbildung in verschiedenen Graden der Ausbildung zeigten!). In den aus- gebildeten Fällen waren die Blätter zu einer längeren Spirale ver- wachsen und die betreffenden Stengeltheile stark gedreht und bauchig angeschwollen. In dreien dieser Exemplare war die Blattspirale rechts aufsteigend, während sie in zwei anderen links aufstieg. In weniger ausgebildeten Beispielen erkannte man, „dass die Drehung der Längsriefen des Stengels auch ohne Verwachsung der Blätter auftritt.“ Die Einwände, welche Magnus aus diesem Material gegen Braun’s Erklärung der Zwangsdrehung ableitete, habe ich im letzten Abschnitt des zweiten Theiles besprochen. Zwangsdrehung bei Dipsacus silvestris wird auch von C. Schimper erwähnt, aber olıne nähere Angaben?). Merkwürdigerweise sind dieses die einzigen Angaben, welche ich in der Literatur über die Zwangsdrehung von Dipsacus sil- vestris finden konnte. Viel häufiger wurde sie bei der folgenden Art gesehen. Dipsacus fullonum. 1. Schlechtendahl erhielt aus der Gegend von Halle, wo die Weberkarde häufig cultivirt wird, einen einzigen, vertrockneten blätter- und zweiglosen Stengel mit Zwangsdrehung und suchte später auf den Aeckern vergeblich nach einem zweiten Exemplare?). 2. Masters erhielt einen ähnlichen auf einem Acker gefundenen Stengel und bildete ihn in seiner Vegetable Teratology ab. Die Abbildung, sowie die ausführliche Beschreibung in den Sitzungs- berichten der Linnean Society zeigt zur Genüge die völlige Ueber- einstimmung dieses Gebildes mit den im ersten Theile beschriebenen Stengeln von D. silvestris. Diese Beschreibung zeichnet sich vor den meisten übrigen Darstellungen von Zwangsdrehungen dadurch aus, dass der Lauf der Längsriefen des Stengels in Bezug auf die Insertion der Blätter angegeben worden ist. Leider ist diese Angabe aber nicht hinreichend ausführlich, um zu entscheiden, ob die Blatt- stellung des tordirten Zweiges ursprünglich zum Typus ?/, gehörte, oder decussirt war“). 1) Sitzungsber. d. bot. Ver. d. Prov. Brandenb. XIX, S. 118, August 1877. 2) Bot. Zeitung 1847, S. 67; vergl. auch Bot. Ztg. 1856, S. 73. 3) Schimper in Flora 1854, S. 75. 4) Proceedings Linnean Society, Vol. II, 1855, S. 370. Hier heisst es: „When the course of the fibres is traced from the base of any of the branches, the spiral will be found to terminate about the base of the MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 349 3. Fleischer beschreibt zwei sehr ausgezeichnete Fälle von ,,Tym- panitis“ der Weberkarde, welche aus der Gegend von Metzingen stammen und in der Sammlung der land- und forstwirthschaftlichen Akademie zu Hohenheim aufbewahrt sind. Beide sind Stücke von Stengeln; der eine ist nach links, der andere nach rechts gedreht. Das eine Exemplar ist 15 Zoll lang, stark aufgeblasen und trägt eine ununterbrochene Spirale von 47 Blättern. Im unteren Dritttheil des Präparates, der Stengelbasis, liegen zwei wenig steil aufsteigende Spiralumläufe, in den beiden oberen Dritteln zusammen nur ein Umgang mit 36 Blättern. Im zweiten Exemplar erreicht die Zwangs- drehung nur eine Länge von sieben Zoll. Beide zeigen die merk- würdigen Einbuchtungen, welche auch in unserer Fig. 4 auf Taf. VI abgebildet worden sind.1) 4. A. Wiegand erwähnt in seinen Beiträgen zur Pflanzentera- tologie einen tordirten Stengel von Dipsacus fullonum, deren beide oberste Glieder verdickt und nach links gedreht sind; Blätter in einer Längszeile zu einem breiten Flügel verwachsen?). Dipsacus Gmelini. Ein im botan. Garten zu Halle gezogenes, von Schlechtendahl beschriebenes Exemplar hatte an seinem Hauptstengel, nicht weit unter dem Endkopfe, eine aufgeschwollene, spiralig gedrehte Stelle, welche ein in einer Schraubenlinie aufsteigendes Band von sieben zum Theil am Grunde mit einander verwachsenen Blättern trug. Oberhalb dieser Strecke stand ein normales Blattpaar. Die Riefen des Stengels liefen im gedrehten Theile fast horizontal). Valeriana officinalis. Diese Art ist am häufigsten mit Zwangsdrehung beobachtet worden; von ihr existiren die meisten Abbildungen. Sie zeichnet sich durch die auffallende, umgekehrt kegelförmige Gestalt ihrer ge- drehten Stengel und den fast horizontalen Verlauf der Längsriefen second branch above that from which the line is started“. In der Vege- . table Teratology steht statt about: at the base of the second stalk (S. 321). Doch glaube ich weder hierin, noch in der von Masters gegebenen Er- ° klärung einen Widerspruch mit Braun’s Ansicht finden zu können. ı) Fleischer, Ueber Missbildungen verschiedener Culturpflanzen, Pro- gramm d. Akad. Hohenheim, August 1862, S. 61—64. 2) Botan. Hefte II, 1887, S. 98. Citirt nach dem Botan. Jahresber. ov dees. Gor: 3) Botan. Zeitung 1847, S. 67. 350 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. aus, eine Eigenthümlichkeit, welche sie der grossen Länge und Weich- heit ihrer Internodien verdankt. In den Sitzungsberichten der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin hat Braun 1872 die ihm bekannten Funde gedrehter Valeriana-Stengel zusammengestellt!). Es sind die folgenden: 1. Ein als V. maxima bezeichnetes, von S. Reisel in den Ephem. Acad. Caes. Leop. nat. cur. Dec. III Ann. 3, Obs. XXII, S. 24 be- schriebenes und in Fig. II abgebildetes Exemplar. Die Abbildung stimmt mitderunten zu beschreibenden Vrolik’schen Pflanze inmeiner Sammlung sehr gut überein; die Zwangsdrehung umfasst wie in dieser den ganzen Stengel von seiner Basis an. Gefunden bei Stutt- gart im Juli 1695. 2. Ein von Gilbert beobachtetes, in Moquin-Tandon’s Terato- logie vegetale (S. 181) erwähntes, wahrscheinlich derselben Species angehöriges Exemplar. 3. Aehnliche Missbildungen aus dem Département de l’Allier et de la Loire von Lapierre de Roane beschrieben (M&m. Soc. Linn. de Paris: "Vol 111, S139) 4. Ein Exemplar von Prof. Nolte bei der Versammlung Deutscher Naturforscher in Kiel 1847 (Amtl. Bericht S. 197) vorgezeigt. 5. Eine bei Tilft von Ed. Morren gefundene und in dem Bull. de l’Acad. r. d. Sc. de Belgique, T. XVIII, S. 35 beschriebene und daselbst auf der Tafel bei Fig. 1 abgebildete Pflanze. Die Drehung umfasst nur den oberen Theil des Stengels. 6. Ein von Braun in Dr. Lessert’s Sammlung zu Paris gesehenes Individuum. 7. Ein von Hartweg im Bois de Vincennes 1832 gefundenes und in Braun’s Sammlung aufbewahrtes Exemplar. Die Zwangsdrehung grenzt nach oben und unten an geraden Stengeltheilen, deren ersterer decussirte Blätter führt, während der obere zwei dreigliedrige Wirtel trägt. 8. Ein im Jahre 1863 im Berliner Universitätsgarten gefundenes Exemplar. | 9. Ein von Herrn Müller in Bitterfeld 1872 Herrn Braun ge- schenktes Individuum. Seit dieser Mittheilung Braun’s scheint dieselbe Missbildung nur noch einmal beschrieben worden zu sein. Auch ist eine Abhandlung über diesen Gegenstand dem Berliner Forscher entgangen. Ich habe somit seiner Liste zwei bereits veröffentlichte Fälle anzureihen. 3) Ibidem 1873, S. 11. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 351 10. Im Juli 1845 erhielt der hiesige Professor der Botanik, der berühmte Mediziner Gerardus Vrolik, ein becherförmig aufgetriebenes Exemplar von Valeriana officinalis, welches von Herrn Drost, Züchter medicinaler Gewächse in Surhuisterveen, gefunden worden war. Es wurde von Vrolik der Akademie der Wissenschaft vorgelegt und in deren Sitzungsberichten beschrieben und abgebildet!). Die Tafel zeigt die in vollem Blätterreichthum eingesammelte Pflanze von zwei Seiten, wodurch der Lauf der Blätterspirale vollständig zu erkennen ist. Das Original ist in Spiritus aufbewahrt und bildet jetzt eine Zierde der Sammlung von Bildungsabweichungen in meinem Laboratorium. Die Uebereinstimmung mit dem von Reisel gesammelten und abgebildeten Falle von Zwangsdrehung bei derselben Art springt in die Augen und wurde auch vom Verfasser hervorgehoben. Der Stengel ist bewurzelt und zeigt an seiner Basis bei normaler Dicke drei nach oben zu immer steiler werdende, nach rechts auf- steigende Umgänge der Blattspirale. Seine Form ist die eines um- gekehrten Kegels von 20 cm Höhe und oben etwa 8 cm breit und offen. Auf den drei erwähnten folgt noch ein ganzer Umgang, welcher bis zu 6 cm Höhe reicht, von hier aus geht das ununter- brochene Band der Blattbasen zunächst senkrecht, dann aber in vorübergeneigter, somit linksläufiger Richtung bis zum Rande des hohlen Kegels. Zweiglein finden sich nur in den Achseln der oberen Blätter, wie dieses auch sonst beobachtet wurde und wie es auch der Verzweigung des normalen Stengels entspricht. Die Längsriefen des Stengels laufen in der Nähe der Blätter- spirale ziemlich schief empor, auf der gegenüberliegenden Seite des Stengels aber nahezu horizontal. Aus demselben Rhizome entspringt in diesem Präparate auch ein normaler Stengel. Ich habe die Blattstellung dieses Exemplares im vorigen Theile, Abschnitt I $ 4 besprochen. 11. In der Versammlung des Niederländischen botanischen Ver- eins, im Juli 1873, zeigte Suringar einen tordirten Stengel von Valeriana officinalis vor, den Dr. Treub bei Voorschoten, unweit Leiden, im trockenen und entblätterten Zustande aufgefunden hatte?). Der Gegenstand wurde im Sitzungsberichte auf Taf. XVIII ı) G. Vrolik, Aanmerkingen over een bekervormige ontwikkeling by Valeriana officinalis. Tydschrift voor Wis. en Natuurk. Wetensch. v. h. kon. Ned. Instituut v. Wetensch., Deel I, 1848, S. 185—196, Plaat III. 2) Ned. Kruidk. Archief, II. Serie, Bd. I, S, 319, Pl. XVII, 352 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. von zwei Seiten und von oben abgebildet. Er war kurz kegelförmig, oben offen und völlig hohl. Die Blattinsertionen bildeten eine un- unterbrochene Linie, welche im unteren, schmalen Theile zwei Schraubengänge beschrieb und nach oben in eine fast senkrechte Linie überging. Im Innern des hohlen Stengels sah man die Quer- wände, welche die Höhlung des Stengels sonst in den Knoten unter- brechen, zu einer einzigen Spirale verbunden, welche der Linie der äusseren Blattinsertionen genau folgte und nur wenig in der Höhlung hervorsprang. Auch über dieses Exemplar habe ich bereits oben Näheres mit- getheilt. Valeriana dioica. 1. Ein tordirtes Exemplar, im botanischen Garten zu Pavia erwachsen, wurde von Viviani abgebildet; die Blätter standen auf einer Seite in einer senkrechten Liniet). 2. Vivian-Morel erwähnt eine ,,Torsion vesiculeuse‘‘ bei der- selben Pflanze?). Valeriana montana. A. P. und Alph. De Candolle geben eine Beschreibung und Ab- bildung eines bewurzelten Exemplares dieser Art, das im Jahre 1835 auf dem Berge Saléve unweit Genève gefunden war’). Der Stengel hat an seiner Basis zwei normale Internodien mit normalen Blatt- wirteln, darauf folgt eine Blätterspirale, welche von rechts nach links aufsteigt, 1, Umläufe macht und dann in eine senkrechte Linie übergeht. Die Form des kegelförmig aufgeblasenen Stengels ist im Wesentlichen dieselbe wie bei Valeriana officinalis. Oben ist er geschlossen und trägt hier mehrere kleine Partialinflorescenzen. Galium Mollugo. 1. Duchartre erhielt im Sommer 1843 aus Sérignac (Lot) einen gedrehten Sprossgipfel dieser Art‘). Er war aufgeblasen und trug seine Blätter in einer Längsreihe, aus deren Achseln sechszehn Zweig- lein senkrecht aufwärts wuchsen. Die Riefen des Stengels beschrieben 1) Moquin-Tandon, Tératologie végétale, p. 182. 2) Ann. Soc. bot. Lyon 5, Année 1876/77, p. VI, citirt von Klebahn, Ber. d. d. bot. Ges. 1888, Bd. VI, S. 348. 3) Aug. Pyr. et Alph. de Candolle, Monstruosités végétales, p. 16, Pl. 6. 4) Ann. Sc. nat, Bot, 3. Serie, T. I, 1844, p. 292. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 353 um ihn herum eine Spirale. Duchartre’s Erklärung dieses Falles haben wir bereits früher erwähnt. (Vergl. S. 297 Note.) 2. Klebahn untersuchte einen ähnlichen, im Neuenlander Felde bei Bremen im Juni 1888 gesammelten Stengel, dessen unterster Theil nur schwach gedreht war, der aber im oberen Theile stark aufgeblasen und tordirt war und seine Blätter und Seitensprosse auf einer Längslinie trug). Klebahn untersuchte die Anordnung der Blätter am Vegetationspunkt und constatirte zum ersten Male ihre spiralige Stellung daselbst. Er beschreibt auch die gürtelförmigen Gefässbündelverbindungen der Blätter?). Galium verum. 1. E. von Freyhold legte in der Sitzung des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg im Juni 1876 ein in der Nähe von Sakrow bei Potsdam gesammeltes Exemplar vor, an welchem zwei Sprosse die Zwangsdrehung zeigten). Beide waren an ihrem Gipfel über eine Länge von 5—6 cm bis zu 1 cm Dicke aufgeblasen und trugen ihre Blätter in einer Längsreihe. Die spiralige Drehung des Stengels selbst war sehr deutlich und entsprach völlig den von Braun be- schriebenen Fällen und der von ihm gegebenen Erklärung. 2. Massalongo beschreibt einen ähnlichen, in Italien gefundenen Spross, mit spiraliger Torsion des Stengels und einseitiger Stellung der Blätter und der Achselzweige, wie solches von Masters abge- bildet wurde‘). 3. C. Schimper nennt unter den Beispielen von Zwangsdrehung: „Galium verum, zwei Exemplare von 1848, übereinstimmend mit einem Exemplare Galium Mollugo, das einst Herr von Leonhardi bei München fand’). Galium palustre. A. Treichel hat von dieser Art einen Fall von Zwangsdrehung bei Vetschau beobachtet). 1) Berichte d. d. bot. Gesellsch., Bd. VI, 1888, S. 346 und Taf. XVIII. 2) Diese sind für Galium und verschiedene andere Rubia een auch bereits beschrieben und abgebildet von Hanstein in Abh. d. k. Akad. Berlin 1857, S. 77, Taf L 3) Sitzungsber. 30. Juni 1876, Bot. Zeitung 1877, S. 227. 4) C. Massalongo, Contribuzione alla teratologia vegetale, Nuovo Gior- nale botanico italiano, Vol. XX, 1888, No. 2, p. 289. 5) Flora 1854, S. 75. 6) Sitzungsber. Brandenburg, Juni 1876, Bot. Zeitung 1877, S. 230. 23 354 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Galium Aparine. 1. Drehung des Stengels, von Schlechtendahl gesehen, ohne Be- schreibung!). 2. Hierher gehört auch wohl die Aparine laevis fasciata von Georg Frank, die älteste bekannte Zwangsdrehung?). Er fand sie im März 1677 in einem Garten unweit Heidelberg?). Er nennt die Pflanze sowohl Aparine laevis als A. vulgaris. (Aparine laevis Park = Galium spurium L. = Galium Aparine var. spurium Koch.) Der Abbildung nach ist die Pflanze wohl eine einjährige. Von der Wurzel bis zur Spitze ist der Stengel gedreht und stehen die Blätter und Achselzweige in einer Längsreihe. Die Abbildung lässt keinen Zweifel darüber, dass wir hier einen Fall echter Zwangsdrehung vor uns haben. Galium spec. Ohne Angabe des Artnamens sind noch folgende Zwangsdrehungen von Galium in der Literatur erwähnt: 1. Das bekannte in Masters Vegetable Teratology auf S. 323, Fig. 173 abgebildete Exemplar, welches er von Darwin erhalten hatte. 2. Einige ausgezeichnete Beispiele in der Sammlung A. Braun’s®). . 3. Eine Pflanze von Vivian-Morel erwähnt’). Rubia tinctorum. Beim Auspflanzen des Krapps im Frühling wurden früher in der Niederländischen Provinz Zeeland nicht gerade selten gedrehte Stengel gefunden®). Ein solches Exemplar wurde nach dem bota- nischen Garten von Francken übergepflanzt und später im Herbar des Prof. Nic. Mulder aufbewahrt’). Crassula ramuliflora. Ascherson legte in der Hauptversammlung des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg am 26. October 1878 einen frischen Zweig ı) Botan. Zeitung 1856, S. 73. 2) Misc. Cur. s. Ephem. Med. Phys. Germ. Ac. Nat. Cur. Decuriae II, Ann. I, 1682, Obs. 28, p. 68, Fig. 14. 3) bi; Fols, NOTE 4) Bot. Ztg. 1873, S. 31. 5) Ann. Soc. Bot. Lyon 1874/75 No. 2, cit. nach Bot. Jahresber. IV, p- 617. 6) Zeeuwsche Volksalmanak 1843, S. 106. 7): :S. Kros, ‘De. spita,. LH & 8,72. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 355 dieser Pflanze vor, welchen er aus dem botanischen Garten in Greifs- wald erhalten hatte!). Der Stengel war in der ganzen blüthen- tragenden Region spiralig nach links gewunden, die Blätter waren nicht, wie bei normalen Exemplaren dieser Art, decussirt, sondern bildeten eine einzige Zeile, welche in einer steilen, fast senkrechten Spirale den Stengel umzog. Die Insertionsebene der Blätter und die Lage ihrer Achselproducte war in die Richtung dieser Spirale ver- schoben. Der Stengel war aber weder blasig aufgetrieben, noch ver- dickt, stimmt sonst aber mit den von Braun beschriebenen Fällen von Zwangsdrehung überein. Offenbar gehört dieser Fall zu dem im vorigen Theile beschrie- benen Typus-Weigelia. Es ist dieses um so bemerkenswerther, weil nur wenige Beispiele von Zwangsdrehungen aus der Literatur diesem Typus angehören. Nach einer Mittheilung Goeze’s waren alle Inflorescenzen der Exemplare des botanischen Gartens zu Greifswald ebenso umgebildet. Herr C. Bouché hatte früher im Berliner botanischen Garten die- selbe Missbildung beobachtet. Dracocephalum speciosum. Ch. Morren giebt eine Beschreibung und Abbildung einer Zwangs- drehung dieser Pflanze, welche er bei Herrn Haquin, Kunstgärtner in Lüttich, gesehen hat?). Am normalen Stengel sind die Blätter decussirt; am tordirten Exemplare stehen die Blätter in einer Zeile, welche als steile rechtsläufige Spirale um den Stengel emporsteigt; dieser war vom Grunde bis in die Nähe seiner Spitze gewunden; die Richtung der Drehung war an den Riefen deutlich zu erkennen. Mentha aquatica. De Candolle bildet einen Zweig mit Zwangsdrehung in seiner Organographie végétale ab, ohne darüber nähere Angaben zu machen®). Die Blätter stehen bis zur Spitze in einer Längszeile. Mentha viridis. Eine von van Hall im Jahre 1839 gefundene und in den bota- nischen Garten in Groningen versetzte Pflanze“). 1) Verhandl. d. Bot. Vereins d. Provinz Brandenburg XX, 1878, S. LII. 2) Ch. Morren, Bull. d. "Acad. Roy. Belg, T: XVIII, 1. Part, p. 37 und Fig. 3. 3) Aug. Pyr. de Candolle, Organographie végétale, T.I, p.155 und Taf. 36. 4) van Hall, Het Instituut, 1. c. 1841, p. 84. S. Kros, De spira, l. c. p. 73. 23* 356 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Der Stengel war am Grunde viereckig, etwas höher, sechskantig und mit dreigliedrigen Blattwirteln, im oberen Theil spiralig ge- dreht und mit den Blättern nahezu in einer Längsreihe. Thymus Serpyllum. Von Meisner beobachtet!). Der Stengel war zweimal so dick wie gewöhnlich und sah aus, als hätten sich seine Seitenzweige um die Mittelachse herumgewunden; die Blätter nicht mehr decussirt, son- dern zerstreut. Bei der Inflorescenz hörte die Abnormität auf. Hyssopus officinalis. Eine Zwangsdrehung, nur den oberen Theil des Stengels mit der Inflorescenz umfassend, beobachtete Schlechtendahl?). Dianthus barbatus. „Zwangsdrehung (Biastrepsis) bei seitlich verketteter Cohärenz der Blätter — eine fusslange, höchst elegante Schraube, gefunden 1853,“ wird von C. Schimper erwähnt?). Ob eine von Gaj beob- achtete Pflanze Zwangsdrehung aufwies, blieb mir unbekannt*). Ich schliesse hiermit mein Verzeichnis ab. Ohne Zweifel werden mir einzelne Angaben über Zwangsdrehung in der Literatur ent- gangen sein. Auch werden manche Beispiele, welche in Samm- lungen aufbewahrt werden, noch unveröffentlicht sein. Ich möchte aber an dieser Stelle um die Veröffentlichung solcher Fälle bitten oder um gefällige persönliche Mittheilung, am liebsten unter Angabe des Fundorts und des Datums, sowie einer kurzen, die von Braun hervorgehobenen Momente enthaltenden Beschreibung. Samen von tordirten Individuen (mit Ausnahme von Bäumen und Sträuchern) sind mir gleichfalls, zu Culturversuchen, sehr erwünscht. 1) In seiner Uebersetzung von De Candolle’s Organographie végétale, Bd. II, p. 241; citirt in Schauer’s Uebersetzung von Moquin-Tandon's Teratologie, S. 166. 2) Botan. Zeitung 1856, S. 73. 3) Flora 1854, S. 75. 4) Bull. Soc. Bot. France, T. II, 1856, p. 406. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 357 Zweiter Abschnitt. Die Zwangsdrehungen aus der Sammlung Alexander Braun’s. Durch die Liberalität der Direction des königlichen botanischen Museums in Berlin erhielt ich von April bis Juni 1890 die Samm- lung Braun’s zur Ansicht, mit der Erlaubniss, sie an dieser Stelle zu beschreiben. Die Mappe enthielt 26 Arten, auf 38 Bogen auf- geklebt. Aus Braun’s Aufsatz in der Bot. Zeitung 1873 geht hervor, dass er die Absicht hatte, selbst eine Beschreibung und Bearbeitung dieser Sammlung zu veröffentlichen. Leider ist ihm dieses unmög- lich geworden, da er kurze Zeit nachher der Wissenschaft entfallen ist. Ich beabsichtige nicht, die Aufgabe des grossen Morphologen zu übernehmen, sondern werde einfach eine Liste mit kurzen Di- agnosen geben, um zu zeigen, wie reichhaltig dieses Material ist, und an welchen Arten Braun die Zwangsdrehung beobachtet hatte. Viele dieser Arten sind entweder nicht oder nur dem Namen nach veröffentlicht worden. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle dem Director des königl. botanischen Museums, Herrn Professor Dr. Engler, meinen tief- gefühlten Dank abzustatten. Leider ist die Blattstellung an gepressten Stengeln im zwangs- gedrehten Theile in vielen Fällen nicht mit hinreichender Sicherheit zu ermitteln. Auch wird diese Operation durch das Aufkleben der Exemplare nicht erleichtert. An Zwangsdrehungen, wie die von Valeriana und Galium, stösst die Untersuchung meist nicht auf unüberwindliche Schwierigkeiten, doch ist gerade hier die Frage bereits hinreichend entschieden. In kritischen Fällen bietet das ge- trocknete Material meist keinen hinreichend sichern Anhalt zur Ent- scheidung der aufgeworfenen Frage und ist man auf grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit beschränkt. Ich fange meine Liste mit denjenigen Gattungen an, welche sich den bekanntesten Fällen am nächsten anreihen. Valeriana officinalis. Die Sammlung enthält die drei von Braun in der Botan. Zeitung 1873, S. 11, 13 u. 30 beschriebenen, aus Bitter- feld, dem Bois de Vincennes und dem Berliner Universitätsgarten stammenden Exemplare, für deren Beschreibung auf Braun’s Mit- theilung und den S. 350 gegebenen Auszug zu verweisen ist. Galium Mollugo. ,,Zwangsdrehung, Marsfeld bei München 1830, C. Schimper communicavit 1848.“ Ein 9 cm langer, über die ganze 358 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Länge als typische Zwangsdrehung ausgebildeter Spross. Blätter einseitswendig, in ununterbrochener Reihe. Stengel geschwollen, 1 cm dick; Riefen linksläufig. Der Stengel ist in spiraliger Richtung, parallel den Riefen gespalten. An einer Stelle geht der Spalt zweimal um den Stengel herum und schneidet somit zwei Blättergruppen aus der Blattspirale heraus. Die eine Gruppe trägt drei, die andere zwei Achselsprosse. Wir haben somit, soweit die Entscheidung möglich ist, fünf Blätter auf zwei Umgängen, was der Blattstellung ?/, (oder einem höheren Werthe derselben Reihe) entspricht. Galium silvestre. „‚Zwangsdrehung‘‘, gesammelt von Braun selbst. Ein sehr hübsches Zweiglein von 7 cm; der untere, 4 cm lange Theil bildet ein gestrecktes, ungedrehtes Internodium. Darauf folgt eine wurmförmig gewundene, 3 cm lange und bis zur Stengelspitze reichende Strecke, welche ihre Blätter in einer Längszeile trägt. Die Riefen des Stengels rechtsläufig gewunden. Die Blattbasen einander unmittelbar berührend. Die Zahl der einzelnen Blatt- scheiben in der Spirale beträgt weit über 50. Rubia tinctorum. ,,Monstros., Berliner Universitätsgarten 1870.“ Ein Spross von 15 cm Länge, dessen Gipfel über eine Länge von etwas über 3 cm wurmförmig gedreht ist und seine Blätter in einer einzigen ununterbrochenen Längszeile trägt. Zahl der einzelnen Blättchen etwa 20. Riefen des Stengels linksläufig. Eine echte Zwangsdrehung von demselben Baue wie bei Galium. Ich habe dieses Zweiglein beschrieben und abgebildet auf S. 206, Taf. In Fig. 3, Crucianella stylosa. „Prager Garten 1863, keine Fasciation, sondern Zwangsdrehung.“ Zwei Sprosse, auf einem Blatte auf- geklebt. Beide sind im unteren Theile normal, im oberen über 2 resp. 2% cm tordirt. Der tordirte Theil, wie bei Galium, aufgeblasen, mit den Blättern in ununterbrochener Längszeile, fast einseits- wendig; die Riefen in beiden links aufsteigend. Urtica urens. „Schöneberg bei Berlin, Aug. 1852, mit spiraliger Blattstellung und Zwangsdrehung.“ Eine ganze, bewurzelte Pflanze von etwa 25 cm Höhe. An den unteren Knoten standen die Blätter decussirt, in der oberen Hälfte spiralig, grossentheils einseitswendig, während die Riefen des Stengels linksläufig gedreht sind. Die Blätter stehen in der Spirale nicht genähert, sondern in gegenseitigen Ent- fernungen von meist etwa 1 cm; dementsprechend ist die Zwangs- drehung nicht aufgeblasen. Vermuthlich nach dem im vorigen Theile für Urtica urens beschriebenen Typus gebaut. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 359 Dianthus Caryophyllus. „Zwangsdrehung, Berlin 1863.“ Ein 30 cm langer, blüthentragender Spross. Auf zwei Knoten mit nor- maler decussirter Blattstellung folgt noch ein normales Internodium, darauf die 14% cm lange gedrehte Strecke und dann ein gerader, in einer Blüthe endigender Gipfel mit zwei kleinen decussirten Blatt- paaren. Der gedrehte Theil trägt fünf Blätter, welche in einer Längszeile stehen und ohne Zwischenräume an einander grenzen. Ihre Länge nimmt vom untersten bis zum obersten stetig ab (6—5,5—4—3,5 und 2 cm). Mit Ausnahme des zweiten trägt jedes in seiner Achsel einen Blüthenspross. Der gedrehte Theil ist in seiner Basis senkrecht zur Stengelachse seitwärts gebogen, seine Längsriefen laufen schief um ihn herum, wie in anderen Zwangsdrehungen. Auch ist er merk- lich angeschwollen und etwa doppelt so dick wie das nächst ältere, gestreckte Internodium. Die Stengelriefen machen im gedrehten Theile zwei rechtsläufige Spiralumgänge um die Achse. Dieses und die Fünfzahl der Blätter deutet auf eine Blattstellung von ?/, als Ursache der Zwangsdrehung. Das Internodium unterhalb der Zwangsdrehung (6 cm lang) trägt am oberen und am unteren Ende je-eine Wunde; beide Wunden laufen in der Richtung der Mitte spitz zu und scheinen darauf hin- zudeuten, dass das erste Blatt der Spirale mit dem höchsten des decussirten Paares am Grunde des Internodiums ursprünglich ver- bunden war, dass die Verbindung aber durch die Streckung dieses Internodiums zerrissen worden ist. Man vergleiche die anscheinend nach anderem Typus gebauten Zwangsdrehungen derselben Art im vorigen Theile S. 327 und auf Far IX, Fi. 7 Ws 10. Viscaria purpurea. ,,Zwangsdrehung, Tegel 9. Mai 1856.“ Ein bewurzeltes, blühendes, völlig normales Exemplar, welches aber auf demselben Rhizom einen tordirten Spross trägt. Dieser ist in eine 2 cm lange, 1 cm breite, hohle Blase umgewandelt, welche auf kurzem Stiele dem Rhizome aufsitzt und an ihrem Gipfel die gestielte, etwas reducirte Inflorescenz trägt. Die Blätter auf der Blase in einer Längszeile mit breit verwachsenen Basen zusammenhängend, im stark gedunsenen Theile fünf an der Zahl; die Riefen der Blase fast quer, rechts aufsteigend. Blase am oberen Ende mit weiter Oeffnung, wie solches bei Valeriana so oft vorkommt. Cerastium perfoliatum. „Drehung durch Verwachsung auf- einanderfolgender Blätter veranlasst,“ Zwei Sprosse, auf einem 360 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Blatte aufgeklebt, im gleichen Entwickelungsstadium, mit reifen Früchten und offenbar von demselben Funde. Beide etwa 25 bis 30 cm unterhalb der Endblüthe abgebrochen, im unteren Theile mit gestreckten Internodien und zwei decussirten Blattpaaren, dann mit kleiner gedunsener Zwangsdrehung, dessen Gipfel das nackte, 12 bis 14 cm lange ungedrehte Internodium unterhalb der eigentlichen Inflorescenz trägt. Die gedrehte Strecke ist in beiden Objecten 2 cm lang, 1, resp. 1 cm dick und somit stark aufgeblasen und von einer Spirallinie verwachsener Blätter umzogen. Die Anzahl dieser Blätter ist 5 resp. 7; im ersteren Falle ist die Spirale linksläufig, im zweiten rechtsläufig, in beiden macht sie etwa eine Windung. Die Riefen des Stengels sind in entgegengesetzter Richtung gedreht und laufen stellenweise quer um die Achse herum. Die kleinste der beiden Zwangsdrehungen ist beim Wachsthum stellenweise zer- rissen und verzerrt, Gentiana germanica. ,,Strophomanie, München, C. Schimper“, „Zwangsdrehung‘“. Ein reich blühendes 25 cm langes Exemplar. Die unteren 6 cm bilden eine schöne, bis zu einer Dicke von % cm aufgeblasene Zwangsdrehung mit rechts aufsteigenden Riefen und ein- seitswendigen Blättern und von demselben Bau, wie dieser für Galium und andere Arten so oft beschrieben wurde. Namentlich ist die, seitlich von der Blätterlinie verlaufende Reihe von Achsel- sprossen schön ausgebildet. Leider ist das Exemplar in der Zwangs- drehung abgebrochen und fehlt deren unteres Ende. Auf zwei Win- dungen der Riefen zählte ich je 3% Blattinsertion, was einer ?/,- Stellung entsprechen würde, doch liess sich, ohne Aufweichung, Weiteres nicht feststellen. Am geraden Stamm oberhalb der Zwangs- drehung stehen die Blätter in dreigliedrigen Quirlen. Dieses Exemplar zeigt die merkwürdige Erscheinung secundärer Torsionen und zwar im gestreckten Internodium des Stammes ober- halb der Zwangsdrehung und in dem unteren Internodium fast jeden auf der Zwangsdrehung stehenden Achselsprosses. Alle übrigen Internodien des Stammes und der Zweige sind ungedreht. Im Stamminternodium, welches I cm lang ist, ist die obere Hälfte um 360° tordirt, und zwar in entgegengesetzter Richtung wie die Zwangs- drehung, in der unteren Hälfte liegt der stark in die Länge gezogene Wendepunkt. In den Achselsprossen ist gleichfalls die Richtung der Torsion eine wechselnde; sie sind am Grunde in entgegengesetzter Richtung tordirt wie etwas weiter hinauf. In den einzelnen Fällen ist die Torsion in sehr verschiedenem Grade ausgebildet. Am Grunde MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 361 ist die Richtung meist linksläufig, bisweilen rechtsläufig. Diese tordirten Internodien haben eine Länge von 2—8 cm. Mesembr yanthemum emarginatum. ,,Zwangsdrehung, Hortus Bero- linensis, 1860.“ Ein reich verzweigtes, 11 cm langes, auf allen Zweigen blühendes, wohl nur den oberen Theil der Inflorescenz umfassendes Object. Die Hauptachse in der unteren Hälfte normal, mit de- cussirten Achselsprossen, in der oberen Hälfte über einer Länge von 2 cm als Zwangsdrehung ausgebildet. Diese trägt neun Blätter in ununterbrochener, einseitswendiger Längsreihe; die Blattbasen ver- wachsen. Der Stengel nur wenig aufgeblasen, die Riefen unter einem Winkel von 30—40° links aufsteigend. Achyranthes. Hortus Berolinensis, 1871.“ Ein kleines Zweiglein einer stark behaarten Art mit weit von einander entfernten spiralig gestellten Blättern. Die Blattinsertionen theils fast longitudinal gestellt, mit ihren Achselknospen neben ihnen, theils fast quer. Der Stengel nicht geschwollen, seine Riefen spiralig rechts auf- steigend. Gomphrena globosa. „Zwangsdrehung.‘“ Ein blühender Spross, offenbar dicht am Boden abgebrochen, etwa 23 cm lang, mit sieben Blüthenköpfchen. Am Grunde zwei decussirte Blattpaare, begrenzt von drei gestreckten Internodien. Dann über einer Länge von 8 cm vier vereinzelte Blätter, alle vier auf derselben Seite des Stengels und von gestreckten Internodien (von etwa 1, 4 und 3 cm Länge) getrennt, jedes mit blüthentragendem Achselspross. Jedes der drei von diesen Blättern begrenzten Internodien ist tordirt und zwar links- läufig, mit nicht ganz einem halben Umgange. Die Detorsion der */,-Spirale in eine gerade Zeile würde 144° entsprechen; dieses stimmt also, soweit die Beobachtung am getrockneten und gepressten Object zu entscheiden zulässt. Die tordirten Internodien sind nicht aufgeblasen, sogar nicht dicker als die normalen. Die Blattinsertionen sind, wie bei Wei- gelia (vergl. S. 312) durch eine ebenso erhabene, jedoch nicht sehr scharf markirte Linie verbunden. Auf die Zwangsdrehung folgt der nackte, nicht tordirte Blüthenstiel des Endköpfchens. Sambucus nigra. „Zwangsdrehung, Pseudo ?/,, eigentlich 1 en. Ein 33 cm langer Spross, dessen Blätter zumeist einige cm über ihrem Grunde abgeschnitten sind. Die Blätter in steiler, rechtsläufiger Spirallinie, welche etwa drei Umläufe macht, zwölf an der Zahl, mit Ausnahme der jüngsten, noch in der Knospe zusammen- 362 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. schliessenden. Ihre Insertionen schief, bisweilen longitudinal gestellt, ihre Entfernungen von 1—7 cm wechselnd; die Basen zweier be- nachbarter Blätter, ähnlich wie bei Weigelia, durch eine erhabene Leiste über die ganze Länge des Internodiums verbunden. Der Stengel mit linksläufigen Riefen, von normaler Dicke. Somit eine echte Zwangsdrehung mit gestreckten Internodien. Auf einem anderen Blatte in demselben Umschlag findet sich ein Ast mit einer Inflorescenz mit reifer Beere und höchst unregel- mässiger spiraliger Blattstellung ‚von einem Baume mit Fascia- tionen und mehrblättrigen Quirlen, 1832.“ Die Riefen in der Rinde deuten aber keine Torsion an. Knautia (Scabiosa) arvensis. ,, Meudon bei Paris, 8. Juli 1832 von Le Plaie gefunden. Die Halbquirle sind sehr räthselhaft.‘‘“ Spross über 25 cm lang, am Rhizom abgerissen, im unteren Theile normal, in der Mitte mit einer gedrehten Stelle, welche auf dem ersten Blick wie eine doppelte Knickung aussieht. Am unteren und am oberen Ende dieser Knickung je ein Halbquirl, aus je vier Blättern ge- bildet; im oberen Halbquirl eins dieser Blätter bis nahe am Grunde gespalten. Die Entfernung der Halbquirle ist 2 cm, der zwischen- liegende Stengeltheil gedunsen und mit schiefen, linksansteigenden Riefen. Auf diese Knickung folgt ein 11 cm langes Internodium, welches die Inflorescenz trägt. In dieser ist der unterste Blattquirl wiederum ein Halbquirl, aus vier Blättern gebildet. Ich glaube die folgende Erklärung vorstellen zu dürfen. Die Blätter der verschiedenen Halbquirle seien am Vegetationspunkt in einer Spirale angelegt worden und in dieser mit einander verwachsen. An einzelnen Stellen fehle diese Verwachsung der Basen zweier be- nachbarter Blätter, oder würde sie nachträglich zerrissen; hier könnten sich die Internodien theilweise oder ganz strecken, wie ähn- liches auch bei Dipsacus vorkommt. Wir hätten somit eine unter- brochene Zwangsdrehung vor uns. Zinnia grandiflora (elegans). „Zwangsdrehung‘‘. Ein 35 cm langer, fast unverzweigter blühender Spross mit zwei decussirten Blatt- paaren an der normalen unteren Hälfte und darauf folgender Spirale von zehn Blättern, in etwa zwei Windungen. Das untere Blatt der Spirale frei, die übrigen mit ihren Basen verwachsen, zwischen den Spreiten eine erhabene Leiste bildend. Spirale rechtsläufig, Riefen des Stengels in entgegengesetzter Richtung gewunden. Der ge- drehte Theil nur wenig verdickt. Die Windung des Stengels erstreckt sich, wie stets, nur soweit, als die Blätter verwachsen sind, die obere a MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 363 Strecke unterhalb des Blüthenkopfes ist ungedreht und trägt zwei vereinzelte, einander fast gegenüberstehende Blättchen. Zinnia verticillata. „Jardin des plantes, Ende August 1832.“ In diesem Umschlage sechs blühende Sprosse, wahrscheinlich dem- selben Funde entstammend. Ausserdem ein Exemplar aus „Hortus Carlsruhe“, mit jungem Endköpfchen. Ueber letzteres Exemplar sagt die beigefügte Notiz ‚Spirale mit kleinen Divergenzen durch Zwangsdrehung aufgerichtet.‘‘ Der Spross ist etwa 27 cm lang und trägt drei von einander entfernte Blättergruppen, die untere von zwölf, die mittlere von sieben, die obere von etwa sechszehn Blättern, an das Involucrum der Inflorescenz anschliessend. Die Blätterspirale ist linksläufig und macht nur etwa zwei Umläufe, stellenweise ist sie so steil aufgerichtet, dass sie der Achse des Stengels parallel läuft. Im unteren Theile sind zwei benachbarte Blätter etwa bis zur Mitte mit einander verwachsen. Die Blattbasen wie üblich schief oder longitudinal inserirt, unter einander durch eine erhabene Leiste verbunden. Die übrigen Exemplare zeigen ganz ähnlichen Bau. Blätter- spirale in vier Sprossen links ansteigend, in den beiden anderen rechts ansteigend. Riefen entgegengesetzt gedreht. Spirale meist stellen- weise unterbrochen, in verschiedener Neigung, oft über eine längere Strecke der Achse parallel. Eine Notiz sagt ,,mit spiraliger Blatt- stellung und Zwangsdrehung.‘‘ Die Stengel sind gerade, nicht ver- dickt, gestreckt, die Blätter mehr oder weniger entfernt. Also Zwangsdrehung nach dem Typus von Lupinus. Siegesbeckia orientalis. ,,Zwangsdrehung durch Loxophyllose.“ Ein etwa 30 cm langer samentragender Spross mit spiraliger Blatt- stellung und schiefem Verlauf der Riefen. Die Blätter von einander weit entfernt, mit etwas schiefer Insertion, der Stengel nicht ange- schwollen. Riefen rechtsläufig angeschwollen. Die Zwangsdrehung nach dem für Weigelia beschriebenen Typus ausgebildet, jedoch ziemlich unregelmässig. Eupatorium maculatum. „Jardin des plantes, Aug. 1832.“ Ein 35 cm langes Stück aus einem Sprosse, oben und unten abgeschnitten, etwa 1, cm dick. Die Blätter sämmtlich (etwa 22) in einer rechts aufsteigenden Spirale, in wechselnden Entfernungen von einander. Ihre Basen durch eine erhabene Leiste verbunden, wie bei Weigelia; ihre Insertionen in der Richtung der Spirale gestellt und mit dieser von fast longitudinal bis zu einer Neigung von etwa 45° wechselnd. Im ersteren Falle ihre Achselknospen neben ihnen. Die Blätter- 364 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. spirale macht im Ganzen etwa drei Umläufe, von denen zwei wenig steil sind und auf das untere Drittel kommen, während der obere Umgang sehr steil ist und sich über zwei Drittel des Objectes er- streckt. Die Riefen des Stengels in entgegengesetzter Richtung gewunden. Somit eine typische, gestreckte Zwangsdrehung. In normalen Exemplaren dieser Art stehen die Blätter verticillirt. Scrophularia nodosa. Eine Sammlung von acht, theils zusammen- gehörigen Stengelstücken, welche bei Berlin in 1855 und 1865 ge- sammelt worden sind. Sie sind sämmtlich von Braun als ,,Zwangs- drehung‘‘ bezeichnet. Das auffallende an diesen Sprossen ist die bedeutende Streckung der Internodien zwischen den einzelnen, ein- blättrigen Knoten. Es sieht ganz aus, als ob die Torsion des Stengels das Primäre, die Spiralstellung der Blätter das Secundäre wäre. Wer aber diese Vermuthung hegen wollte, würde sich sofort wieder- legt finden durch die deutlich hervortretende, wenn auch stark ge- dehnte Verbindungslinie der Blattbasen, welche genau in derselben Weise ausgebildet ist, wie ich solches für Weigelia (vergl. S. 312 ff.) beschrieben habe. Die Riefen laufen an einigen Sprossen in links-, an anderen in rechtsaufsteigender Spirale, aber meist sehr steil. Die Zwangs- drehung erstreckt sich nahezu über die ganzen Stengel, vom Rhizom aufwärts bis zur Inflorescenz; die Spirale der Blätter ist so steil, dass sie auf dieser ganzen Länge nur einige wenige Umläufe macht. Veronica latifolia. „Mit Spiralstellung und Zwangsdrehung." Ein fast 40 cm langer Spross. Im unteren Drittel stehen die Blätter in Paaren, jedoch unregelmässig; vier unter ihnen tragen in ihren Achseln lange, blühende Trauben. Der mittlere Theil bildet die Zwangsdrehung, seine Blätter tragen keine Achselsprosse. Im Gipfel ist der Spross wieder normal, decussat. Die Zwangsdrehung hat 14 Blätter, in stellenweise unter- brochener Spirale, welche über 13 cm etwa zwei rechts aufsteigende Umläufe bildet. Die Blätter von einander entfernt, in sehr ungleichen Abständen, ihre Basen aber durch eine deutliche, erhabene Linie verbunden. Der Stengel nicht dicker wie die normalen Strecken, seine Riefen undeutlich schief gestellt. Ausser echten Zwangsdrehungen enthielt die Mappe noch: 1. Phlox. ,,Knickung, C. Schimper 1835.“ Ein 8 cm langer, in der Mitte geknickter Sprossgipfel. 2. Brassica oleracea. ,,Sonderbare Verwachsung der Blätter MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 365 mit Stengelknickung.‘“ Junger Seitenzweig mit Blüthenknospen, in 7 cm Entfernung von seiner Spitze abwärts geknickt, in Folge einer longitudinalen Verwachsung eines Blattes mit dem Stengel. 3. Orchis maculata L. „In der Mitte des Stengels in der Länge eine Blattscheide(?) gedreht, bei Engelsbach in Thüringen, leg. Alb. Linz, comm. Dr. Thomas, 9. Juni 1872.‘ 4. Orchis maculata L. ‚Der mittlere Theil des Stengels stark gedreht (rechts). Aus welcher Ursache? Scheurershütte bei Ohrdruf, 10. Juni 1872, Dr. Thomas.“ 5. Plathanthera bifolia. ,,Heringsdorf.‘‘ Ein Exemplar mit reifen Früchten, welches oberhalb der beiden grossen Blätter auf einer tordirten Strecke des Stengels zwei kleinere trägt. 6. Saxifraga mutata. „Solothurn, Zwangsdrehung? legit. C. Schimper, Juni 1837.“ Eine Inflorescenz, etwa 10 cm unterhalb der Endblüthe abgebrochen und mit tordirter Hauptachse. Dritter Abschnitt. Die Sammlung des Herrn Prof. P. Magnus. Herr Prof. Magnus hatte im Frühjahr 1890 die Freundlichkeit, mir seine Sammlung von tordirten Pflanzentheilen auf einige Zeit zum Studium zu übersenden. Sie bestand hauptsächlich aus ge- trocknetem, zum Theil aber auch aus in Alkohol conservirtem Material (Lupinus luteus). Das Studium dieser Sammlung war für mich von grösster Be- deutung, weil sie die von Magnus beschriebenen oder doch ge- legentlich erwähnten Objecte enthält, auf welche dieser Forscher seine Einwände gegen Braun’s Theorie der Zwangsdrehung stützt. Nur die tordirten Stämme und Zweige von Dipsacus waren mir, aus leicht ersichtlichen Gründen, nicht geschickt worden. Ich hoffe durch das Studium dieses wichtigen Materiales etwas zur Entscheidung der schwebenden Fragen beigetragen zu haben und sage meinem verehrten Collegen für seine grosse Gefälligkeit besten Dank. Mit wenigen Ausnahmen lassen sich sämmtliche Objecte in die Gruppen der Zwangsdrehungen im Sinne Braun’s und der einfachen Torsionen unterbringen. Die Ausnahmen aber sind Gegenstände, welche für ein eingehendes Studium nicht ausreichten!). 1) z.B. Hydrangea arborescens. 366 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Ich spalte somit meine Liste in zwei Theile: 1. Zwangsdrehungen, 2. Einfache Torsionen. An dieser Stelle habe ich nur die ersteren zu besprechen. Für die Behandlung der übrigen verweise ich auf den letzten Theil dieser Abhandlung, für die Begründung der Unterscheidung aber auf den letzten Abschnitt des zweiten Theiles. Valeriana officinalis. ,,Monstrés, Gegend von Bern (Aardamm am Belpmoos?) 13. Juni 1885 comm. Ed. Fischer.“ Ein Spross, welcher am Gipfel eines normalen, gestreckten und im Objecte nur theilweise (etwa 10 cm) erhaltenen Internodiums eine Zwangsdrehung trägt. Kurz vor der Blüthe abgeschnitten. Die gedrehte Stelle 8 cm lang, 2 cm breit, Stark gedunsen; die Blätter in einer steilen, links ansteigenden Spirale, die oberen mit Achselzweiglein, weiche die Partialinflorescenzen tragen. Der Gipfel des Stengels geschlossen, dünn, mit Endinflorescenz von normaler Ausbildung. Die Riefen des Stengels rechts ansteigend, stellenweise fast quer zur Achse liegend. Das merkwürdigste an diesem Objecte ist der Umstand, dass die Blätterspirale im oberen Theile vorübergebogen ist. M. a. W. sie ist nicht nur gerade aufgerichtet, sondern noch weiter gedreht. Dasselbe ist der Fall an dem S. 351 beschriebenen, in meiner Samm- lung befindlichen Exemplare von Vrolik. Die Vorüberbiegung be- trägt etwa eine halbe Windung. Ich ermittelte den Lauf einer Riefe über zwei Windungen und fand die Entfernungen, in denen sie die Blätterspirale durchschnitt, zu 25/,, was einer Blattstellung von 5/,, entspricht. Es ist dieses die- selbe Blattstellung, wie in den übrigen von mir untersuchten ge- drehten Stengeln von Valeriana officinalis. Valeriana sambucifolia. ,,Zwangsdrehung, kult. bei Haage und Schmidt in Erfurt, legit Reinerke, 28. Aug. 1881, comm. Fr. Thomas.“ Ein ganzer, wohl dicht am Boden abgeschnittener, 13 cm hoher, blühender Stamm, der namentlich in seiner oberen Hälfte stark aufgeblasen war. Am Gipfel trug er die Inflorescenz und war hier durch einen kleinen Riss geöffnet. Die Blätter unten in steiler, linksansteigender Spirale, oben zu einer Seitenlinie aufgerichtet, die Achse hier etwa 3,5cm dick. Ich ermittelte den Lauf einer Riefe über drei Windungen und fand dieselbe Blattstellung (5/13), welche ich in den gedrehten Stengeln von Valeriana officinalis be- obachtete. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 367 Dieses Object war nicht gepresst und eins der schönsten Bei- spiele von Zwangsdrehung, welche mir vorgekommen sind. Galium Mollugo L. Beim Mähen von Gerste auf Aeckern bei Kowalomks, unweit Nemirow in Podolien, gefunden und von Herrn F. Bartels eingesandt, Juli 1882. Eine prachtvolle, leider unten im gedrehten Theil abgebrochene Zwangsdrehung mit den Blättern und Achselzweigen auf einer Seite, bis in den Gipfel gedreht. Riefen des Stengels rechts ansteigend. Das Exemplar entspricht genau dem Bilde in Master’s Vegetable Teratology. Casuarina sp. ,,Spiralige Verwachsung der Blattwirtel an der Hauptachse. Die Wirtel sind unter eigenthümlicher monströser Drehung zur Spirale umgebildet. Berlin, im botanischen Garten, legit A. Rehder, Sommer 1885.“ Diese 3 cm lange Zwangsdrehung zeigt die Blätter in linksansteigender Spirale. Die Spirale ist im unteren Theil so steil, dass sie in eine Längslinie umgebildet ist, darauf folgen deutliche Windungen, welche nach dem Gipfel stetig weniger steil werden. Die Achse ist gedunsen, im unteren Theile liegen ihre Riefen fast quer; zwischen den Windungen der Blätter- spirale sind sie entsprechend steiler gerichtet. Der gedrehte Spross ist der Gipfel eines stark verzweigten Astes, trägt aber selbst keine Seitenzweige. Das Object entspricht genau den vor vielen Jahren (vergl. S. 347) von Braun gegebenen Abbildungen. Es ist merk- würdig, dass die Erscheinung sich nach so vielen Jahren (1831 bis 1885) wiederholt hat. Vielleicht ist sie an bestimmten Individuen nicht eben selten. Lupinus luteus. „Blüthen durch Drehung des Stengels in eine Spirale geordnet, ohne unter einander verwachsen zu sein.“ Zwei in Alkohol aufbewahrte Trauben; die meisten Blüthen sind abge- fallen; die Achsen etwa 15 cm unterhalb des Gipfels abgeschnitten. Die eine trägt unten einen Quirl von Blüthen; der folgende Quirl ist aber zu einer Schraubenlinie auseinander gezogen, welche etwa 11, cm oberhalb des unteren, vollständigen Wirtels anfängt. An diese Schraubenwindung schliessen sich die folgenden in ununter- brochener Linie an, im Ganzen fünf Umgänge bildend, welche nach oben immer steiler werden. Die Insertionslinien der Bracteen, in deren Achsel die Blüthen standen, sind deutlich zu erkennen und fliessen zu einer continuirlichen Schraubenlinie zusammen. Diese Schraube steigt nach rechts an, die Riefen des Stengels sind dem- entsprechend, wenn auch nur wenig, nach links geneigt. Der untere, vollständige Quirl trug fünf Blüthen, die beiden 368 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. untersten Umgänge der Schraube aber zusammen 14. Nimmt man an, dass ursprünglich jeder Umgang sechs!) Blüthen umfasst hat, so würde zu folgern sein, dass die Schraube durch Detorsion während des Längenwachsthums etwas steiler geworden ist, und zwar um etwa ?/ẹ x 360° = 120° pro Windung. Diesem Vorgange ent- spricht die linksgerichtete Neigung der Längsriefen des Stengels, welche bereits genannt worden ist. Der vierte Umgang der Schraube umfasst neun Blüthen und ist dementsprechend viel steiler. Die zweite Inflorescenz trägt unten zunächst drei Wirtel, von denen der obere ein wenig aufgelöst ist. Dann folgen die Blüthen in einer Schraube, welche hier aber nach links ansteigt. Die In- sertionen der Bracteen sind wiederum zu einer ununterbrochenen, aber stellenweise etwas ausgedehnten Schraubenlinie vereinigt. Im Ganzen sind zwei Windungen mit 19 Blüthen vorhanden; sie er- strecken sich über 7 cm; die Riefen des Stengels sind hier ent- sprechend schwach, doch deutlich nach rechts geneigt. Wir haben hier den Fall einer Zwangsdrehung bei wirteliger Blattstellung, genau so wie ich ihn oben für die nämliche Art aus- führlich beschrieben habe. Dass hier die schraubige Stellung der Blüthen das Primäre ist, geht aus der à. a. O. erwähnten Unter- suchung der jüngsten Zustände ohne Weiteres hervor. Nur die steile Aufrichtung der Spirale muss als eine Folge der Torsion be- trachtet werden. Mentha micrantha. „Stengel mit Zwangsdrehung, Weissenburg an Wiesengräben, August 1868 legit F. Schulz; Riefen des Stengels in rechtsläufiger Spirale ansteigend.“* Ein 13cm langer Spross, wohl dicht am Boden abgebrochen. Die Blätter stehen nicht paarig, sondern in einer Spirale, welche linksläufig um den Stengel heran- steigt. Diese Spirale ist ziemlich steil, die einzelnen Blattinsertionen dementsprechend schief oder fast longitudinal gestellt, ihre Achsel- zweige somit neben ihnen. Die Blattbasen durch eine erhabene Leiste verbunden, aber von einander entfernt, nicht selten um fast lem. Der Stengel, dessen rechtsläufige Riefen scharf hervortreten, dementsprechend nicht geschwollen. Die beiden unteren Windungen umfassen etwa 7 cm, die beiden folgenden zusammen nur 3 cm; im jüngeren, nicht ausgewachsenen Theil sind die Riefen nicht sicher zu verfolgen. Eine schöne Zwangsdrehung wohl nach dem früher (vergl. S. 312) für Weigelia beschriebenen Typus. 1) Vergl. S. 318 ff. und Taf. VIII, Fig. 7, Taf. X, Fig. 7 u. 8. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 369 Magnus führt in den Sitzungsberichten des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg (Bd. XIX, S. 120, 31. Aug. 1877) dieses Exemplar sowie Galeopsis Ladanum (vergl. unten) als einen Be- weis dafür an, dass „die Drehung der Längsriefen des Stengels nicht aus der Verwachsung der Blätter resultirt, sondern im Gegentheil durch die Drehung der Längsriefen des Stengels die Blätter nach einer Seite genähert werden.“ ,,Dieses tritt am jungen Stengel mit noch kurzen ungestreckten Internodien ein; die jungen Blätter, die nach einer Seite verschoben werden und nur durch noch ganz kurze Internodien getrennt sind, oder vielmehr mit ganz kurzen Inter- nodien nahe beisammenstehen, verwachsen in Folge dessen mit einander.‘ „Die Verwachsung stellt sich also als eine Folge der durch die spiralige Drehung der Längsriefen des Stengels bewirkten An- näherung der Blätter heraus.‘ Dieser Annahme steht jedoch im Wege, dass an den betreffenden Exemplaren von Mentha und Galeopsis das thatsächliche Ver- hältniss sich nicht ermitteln lässt, während in meinen Culturen von Dipsacus die Verwachsung der Blätter schon längst beendet ist, bevor die Torsion der Internodien anfängt. Auch fehlt in diesen Individuen von Mentha und Galeopsis, soweit sich nach dem getrockneten und gepressten, grossentheils erwach- senen Material urtheilen lässt, die Verwachsung der Blätter keines- wegs. Allerdings sind die Blätter viel weiter von einander entfernt, wie in den Zwangsdrehungen von Dipsacus und Valeriana, ihre Basen sind aber durch eine deutliche Linie verbunden, ihre Inser- tionen stehen schief oder longitudinal, was doch wohl nicht durch eine einfache Torsion des Stengels bewirkt werden kannt). Ueberhaupt fügen sich die beiden Gegenstände den für Weigelia beschriebenen und abgebildeten Verhältnissen so völlig, dass es mir kaum zweifelhaft erscheint, dass sie derselben Categorie?) an- gehören. Ganz anders verhalten sich die beiden anderen, von Magnus angeführten Beispiele, Rumex Acetosa und Campanula Trachelium. Hier ist ohne Zweifel die Drehung des Stengels das Primäre. Aber die Blätter verwachsen auch nicht mit einander. Vergleiche hierüber ı) Man denke sich auf einen Cylinder (z. B. von Kautschuk) die frag- lichen Linien aufgetragen und nun diesen künstlich tordirt. Es werden bekanntlich die Längslinien zu Spiralen, Schraubenlinien werden steiler oder weniger steil, die quer zur Achse stehenden Kreise aber behalten Form und Lage. 2) Oder vielleicht dem Typus Urtica? 24 370 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. die Beschreibung dieser Objecte im letzten Abschnitte des letzten Theiles. Galeopsis Ladanum (,„latifolia‘‘). Eine am Boden im gedrehten Theile abgebrochene Pflanze, deren Stengel, oberhalb der 3cm langen gedrehten Stelle, sich senkrecht emporhebt und etwa 30 cm hoch wird. Dieser ganze Theil ist von normalem Bau mit de- cussirten Blättern. Die Pflanze während der Blüthe gesammelt und getrocknet. Der gedrehte Theil zeigt die Riefen des Stengels in linksaufsteigender Spirale und zwar unten fast horizontal, nach oben steiler werdend und allmählich in den normalen Stamm übergehend. Er trägt vier Blattinsertionen, deren Blätter abgefallen sind, deren Achselzweige noch vorhanden sind. Diese Blattinsertionen liegen in rechtsansteigender Spirale, aber in zwei Paaren, welche um etwa I cm von einander entfernt sind, während die Achselsprosse desselben Paares nur 1—2 mm von einander abstehen. Das untere Paar steht fast parallel der Stengel- achse, die Riefen liegen hier fast quer. Das obere Paar steht nur wenig schief, die Riefen dementsprechend steil. Oberhalb des oberen Paares setzt sich die Drehung noch über 1cm fort, dieser eine Centimeter bildet den Grund des ersten gestreckten, 744 cm langen Internodiums. Man könnte vielleicht meinen, dass hier die gegenseitige An- näherung der Zweige eines Paares nach der einen Seite des Stengels etwa eine Folge der spiraligen Drehung des Stengels sein dürfte. Dieser Meinung kann ich aber nicht beipflichten, weil ich nicht einsehen kann, wie durch eine Drehung eine einseitliche Näherung der Zweige eines Paares stattfinden könnte. Für einen solchen Vor- gang ist es durchaus erforderlich, dass die Blätter von vornherein in einer Spirale angeordnet sind. Ich betrachte somit dieses Object als eine echte Zwangsdrehung im Sinne Braun’s, nach dem Typus Urtica, bedingt durch spiralige Anordnung der Blätter unter Verwachsung der Blattbasen in der Richtung der Spirale. Die Entfernung der beiden Blattpaare be- trachte ich als eine Folge der nachherigen Zerreissung dieser Ver- wachsungslinie, wie solches bei Dipsacus thatsächlich so häufig vorkommt. Sucht man in dieser Ueberzeugung nach jener Verwachsungs- linie, so findet man sie als eine rothe, mit der Lupe deutlich kennt- liche Linie, welche die beiden Blattpaare so weit verbindet, wie es der zerbrochene Zustand des Gegenstandes zu beurtheilen erlaubt. Dieselbe Linie verbindet die beiden Blattinsertionen in den Paaren MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 371 und erstreckt sich oberhalb des oberen und unterhalb des unteren Paares. Der Stengel ist im gedrehten Theil zu etwa doppelter Dicke angeschwollen. Dieses Exemplar ist von Prof. Magnus in den Sitzungsberichten des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg Bd. XIX, 1877, 31. Aug., S. 120 besprochen worden und zwar gleichzeitig mit der oben behandelten Mentha micrantha. Teucrium fruticans L. „Taormina auf Sicilien, 28. März 1881, legit P. Magnus.“ Fünf Exemplare, 20—30 cm hoch, während der Blüthe gesammelt. Ein Spross mit dreigliedrigen, ein anderer mit viergliedrigen Blattquirlen. Die drei übrigen stellenweise ge- dreht über eine 3—9cm lange, dicht unterhalb der Inflorescenz liegende Strecke. Hier die Blätter in einer Spirale und zwar links ansteigend sehr steil, die Riefen des Stengels in entgegengesetzter Richtung gedreht. Die Richtung der Drehung war in den drei Sprossen dieselbe. Die gedrehten Theile nicht oder doch kaum merklich ange- schwollen; die Blattinsertionen von einander entfernt, aber durch eine deutliche Linie verbunden, fast longitudinal gestellt mit den Achselknospen neben ihnen. Echte Zwangsdrehung, vielleicht nach dem Typus von Urtica. Silphium ternatum. ‚Mit geringer Zwangsdrehung, Berlin, im botanischen Garten, 11. Oktober 1880, legit P. Magnus.“ Ein über 40 cm langes, oben und unten abgebrochenes Zweigstück mit 14, in einer steilen, linksläufigen Spirale geordneten Blättern. Die Entfernungen der Blätter äusserst wechselnd, bisweilen berühren sie einander mit ihrer verbreiterten Basis, bisweilen 3—10 cm von einander abstehend. Die Blattinsertionen schief, fast longitudinal bei geringeren Entfernungen zu einer zusammenhängenden Linie verbunden. In der unteren Hälfte bilden acht Blätter eine deutlich zusammen- hängende Spirale von etwa einer Windung. Hier ist der Stengel in entgegengesetzter Richtung, aber entsprechend steil gedreht. Höher hinauf ist die Spirale zerrissen, und laufen die Riefen des Stengels der Achse parallel. Der Stengel im gedrehten Theil von normaler Dicke. Zwangsdrehung wohl nach dem Typus von Weigelia. 24* 372 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Vierter Abschnitt. Systematische Zusammenstellung. Durch die Sammlungen von Braun und Magnus wird unsere Kenntniss der Verbreitung der Zwangsdrehungen im Pflanzenreich sehr wesentlich bereichert. Die auf S. 343 gegebene, aus der Lite- ratur zusammengestellte Liste wird durch die Aufnahme dieser Bei- träge fast doppelt so gross. Es scheint mir daher zweckmässig, die sämmtlichen in dieser Abhandlung angeführten Arten mit eigent- lichen Braun’schen Zwangsdrehungen an dieser Stelle übersichtlich zusammenzustellen. — Ich wähle dazu die Gruppirung nach natürlichen Pflanzen- familien. Die in den einzelnen Abschnitten dieses Theiles behandelten Fälle sind durch folgende Buchstaben angedeutet: L Literaturverzeichniss, B Braun’s Sammlung, M Magnus’ Sammlung, während die von mir selbst beobachteten Fälle durch d. V. ange- wiesen sind. Jeder Art ist die betreffende Seitenzahl beigefügt. A. Kryptogamen. Equisetaceen. Equisetum Telmateja L. S. 344. — E. limosum L. S. 346. — E. palustre L. S. 346. B. Dikotylen. Scrophularineen. Scrophularia nodosa B. S. 364. — Veronica latifolia B. S. 364. Labiaten. Dracocephalum speciosum L. S. 355. — Galeopsis Ladanum M. S. 370. — Hyssopus officinalis L. S. 356. — Mentha aquatica L. S. 355. — M. micrantha M. S. 368. — M. viridis L. S. 355. — Stachys palustris L. S. 304. — Teucrium fruticans M. S. 371. — Thymus Serpyllum L. S. 356. Gentianeen. Gentiana germanica B. S. 360. Rubiaceen. i Aparine laevis L. S. 354. — Crucianella stylosa B. S. 358. — Galium Aparine L. S. 354. — G. Mollugo L. S. 352, B. S. 357 und M. S. 367. — G. palustre L. S. 353. — G. silvestre B. S. 358. — MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 373 G. verum L. S. 353. — G. sp. L. S. 354. — Rubia tinctorum L. S. 354, B, Save. 309; Caprifoliaceen. Sambucus nigra B. S. 361. — Lonicera tatarica d. V. S. 326. — Weigelia amabilis d. V. S. 312. Valerianeen. Valeriana officinalis B. S. 357, M. S. 366, L. S. 349, d. V. S. 308. — V. dioica L. S. 352. — V. montana L. S. 352. — V. sambucifolia M. S. 366. Dipsaceen. Dipsacus silvestris L. S. 347, M. S. 340, 365, d. V.S. 232. — D, fullonum L. S. 348. — D. Gmelini L. S. 349, — Knautia arvensis B, 5. 302. Compositen. Siegesbeckia orientalis B. S. 363. — Silphium ternatum M. S. 371. — Zinnia grandiflora B. S. 362. — Z. verticillata B. S. 363. — Eupatorium maculatum B. S. 363. Amarantaceen. Achyranthes sp. B. S. 361. — Gomphrena globosa B. S. 361. Casuarineen. Casuarina stricta L. S. 347. — C. sp. M. S. 367. Urticineen. Urtica utens B. 5. 358,.d. V. S. 323. Caryophyllaceen. Cerastium perfoliatum B. S. 359. — Dianthus Caryophyllus B. S. 359, d. V. S. 327. — D. barbatus L. S. 356. — Viscaria purpurea B2 $2 350. Aizoaceen. Mesembryanthemum emarginatum B. S. 361. Crassulaceen. Crassula ramuliflora L. S. 354. Philadelpheen. Deutzia scabra d. V. S. 316. Hippurideen. Hippuris vulgaris L. S. 347. Papilionaceen. Lupinus luteus M. S. 367, d. V.S. 318. 374 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. VIERTER THEIL. Zwangsdrehungen nach Schimper und Magnus. Erster Abschnitt. Allgemeines. $ 1. Einleitung. Als Braun den Begriff der Zwangsdrehung aufstellte, und damit zum ersten Male die in den vorigen Theilen dieser Abhandlung beschriebenen Fälle zu einer einzigen Gruppe zusammenfasste, betonte er klar, dass nicht sämmtliche Torsionen dazu gehören. Er hebt hervor, dass ‚es mancherlei Drehungen des Stengels bei nicht windenden Pflanzen‘ gebe, und dass von diesen die Zwangsdrehung nur einen Fall bilde!). Ein zweites Beispiel liefern die ausführlich von ihm behandelten Drehungen der Baumstämme, welche gleich- falls früher nicht scharf unterschieden wurden und auch später noch wohl mit den übrigen Torsionen zusammengeworfen worden sind?). Den Braun’schen Zwangsdrehungen und den gedrehten Baum- stämmen gegenüber nenne ich eine Gruppe von Erscheinungen, in denen die Organe, bei gerade bleibender Achse, mehr oder weniger gedreht sind, ohne dass dabei ihre ursprüngliche Blattstellung eine Aenderung erlitten hätte, einfache Torsionen. Sie können vor- kommen an Blättern, einzelnen Internodien und grösseren unbe- blätterten Stengeltheilen und schliesslich auch an beblätterten ı) Braun, Ueber den schiefen Verlauf der Holzfaser und die dadurch bedingte Drehung der Bäume. Verhandl. d. k. pr. Akad. d. Wiss., Berlin 1854, S. 440. 2) Vergl. Braun, l. c. S. 432—484 (1854) und einen Nachtrag in der Botan. Zeitung 1870, S. 158 (Sitzungsber. d. Ges. naturf. Freunde, Berlin, 21. Dez. 1869). Die von S. Kros, De spira (l. c.), S. 74 unter den Bei- spielen von spiraliger Faserrichtung genannten Punica Granatum und Pyrus torminalis sind ohne Zweifel hierher zu rechnen; beide Arten sind in Braun’s Verzeichniss, l. c., S. 473 aufgezählt. Ueber die letztere Art, deren Drehung schon von Goethe besprochen wurde (Braun, |. c., S. 434), machte Jäger in der Allgem. Gartenzeitung von F. Otto No. 47 einige Mittheilungen, welche wohl in demselben Sinne aufzufassen sind. Vergl. Bot. Zeitung 1844, S. 239. Doch findet sich dieselbe Art in der Vegetable Teratology von Masters (S. 325) mit anderen Bäumen in derselben Liste wie Valeriana, Galium und Æguisetum. Vergl. auch ibid. S. 319. Nur eine schärfere Trennung der verschiedenen Fälle von Drehung würde hier erkennen lassen, was an den übrigen, in dieser Liste nur namentlich an- geführten Arten beobachtet worden ist. Doch wollen wir nicht vergessen, dass Masters’ unübertroffenes Werk vom Jahre 1869 herrührt und dass es ein Leichtes wäre, darauf jetzt Kritik auszuüben. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 375 Sprossen. In den drei ersteren Fällen springt ihre Unabhängigkeit von der Blattstellung ohne Weiteres in die Augen, im letzten müssen offenbar die Blätter durch die Drehung seitlich verschoben werden, aber eine sonstige Aenderung der Blattstellung findet nicht statt. Namentlich bleiben Blattpaare und Blattwirtel als solche vorhanden. Viel häufiger als die Zwangsdrehungen sind im Pflanzenreich die einfachen Torsionen. Ich beabsichtige nicht, von ihnen eine vollständige Liste zu geben, sondern werde nur eine Reihe der wichtigsten Fälle hervorheben. Mehrere neue Beispiele aus feiner Sammlung werde ich den bekannten zuzufügen haben. Die einfachen Drehungen sind sehr häufig mit Zwangsdrehungen verwechselt oder doch wohl geradezu als solche bezeichnet worden. So beschreibt z. B. von Seemen in den Verhandlungen des bot. Vereins d. Prov. Brandenburg, Bd. XXV, 1883, S.218 in einer kleinen Mittheilung unter dem Titel ,Zwangsdrehung bei Oenanthe fistulosa L.“ einen Stengel, dessen oberes Internodium der Länge nach gespalten war und sich zu einem flachen, etwa %, cm breiten, spiralförmigen Bande in drei Windungen aufgerollt hatte. Die „Monstrosität‘‘ umfasst die beiden, das Internodium begrenzenden Knoten nicht, auch sonst ist der Stengel normal. Sie wird aber als ein Beweis gegen die von Braun gegebene Erklärung der echten Zwangsdrehungen angeführt! A. W. Bennet beschreibt einen Fall von ,,Zwangsdrehung* an der Bartnelke, bei welcher die kreuzweis decussirte Blattstellung nicht alterirt wurde‘). In diesen beiden Beispielen reicht die Beschreibung zur Beur- theilung der erwähnten Missbildung aus. Welche Verwirrung die Anwendung des Namens Zwangsdrehung im weiteren Schimper’- schen Sinne verursachen kann, geht am klarsten aus den beiden folgenden Citaten hervor: a) „M. J. Gay présente un échantillon monstrueux de Dianthus barbatus, qui lui a été adressé de Bordeaux par M. Durieu de Maison- neuve. M. Moquin-Tandon considère cette monstruosité comme une fascie avec torsion. M. Duchartre rappelle qu'il a décrit un phenomène analogue observé par lui sur un pied de Galium Mollugo.“ (Bull. Soc. Bot. France T. III, 1856, S. 406.) Duchartre’s Galium zeigte die echte ı) Vergl. z. B. Bot. Jahresb. XI, I, S. 446, No. 26. Siehe auch Dammer's Uebersetzung von Masters’ Pflanzenteratologie, S. 367. 376 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Braun’sche Zwangsdrehung (vergl. oben S. 352), von Dianthus sind sowohl Zwangsdrehungen als einfache Verdrehungen ohne Aen- derung der Blattstellung bekannt. Es ist aus obigen Angaben nicht zu entscheiden, welche Monstrosität Herr Gay der Gesellschaft vorgelegt hat. b) Bruhin (Verhandl. d. Zool. Bot. Gesellsch. Wien Bd. XVII, 1867, S. 95) sagt, „dass bandartige Stengel in der Regel auch ge- dreht sind, wie aus dem Verzeichnisse ersichtlich ist.‘ Dieses enthält: Hippuris vulgaris (bandartig-)spiralig, Pinus Abies, bandartig-spiralig, Asparagus officinalis, bandartig-spiralig, Equisetum Telmateja (bandartig-)spiralig u. s. w. Hat hier nicht eine Verwechselung mit der echten Braun’schen Zwangsdrehung von Hippuris und Equisetum stattgefunden ? Ich werde aus den angeführten Gründen die Zwangsdrehungen im Sinne von Schimper und Magnus im Folgenden nicht mit diesem Namen belegen, sondern sie einfach Torsionen oder Verdrehungen nennen. § 2. Zur Mechanik der einfachen Torsionen. Ein weiterer Grund für die im letzten Satze des vorigen Para- graphen gewählte Bezeichnung ist auch der, dass ein „Zwang“ bei den einfachen Torsionen nicht nachgewiesen worden ist. Zwar vermuthet Magnus, „dass die Ursache dieser Drehungen der Längsriefen des Stengels in einem Widerstande’ zu suchen sein möchte, den der junge Stengel in der Richtung seines Längen- wachsthums erfährt, in Folge dessen die Streifen des im Längen- wachsthum behinderten Internodiums seitlich ausweichen‘). Aber es sind bis jetzt noch keine Versuche gemacht worden, die Existenz dieses Widerstandes zur Zeit der Entstehung der Torsion experimen- tell nachzuweisen. Würde dieses gelingen, so würde es sich viel- leicht empfehlen, die betreffenden Fälle in eine besondere Gruppe zusammenzufassen und sie als Druckdrehungen zu bezeichnen. Denn bei den echten Braun’schen Zwangsdrehungen fehlt, wie ich für meinen Dipsacus nachgewiesen habe, zu der Zeit des kräftig- sten Tordirens jede Spur von „Druck der umgebenden Blatter‘) oder äusserem Widerstand gegen das Längenwachsthum des Stengels. Die vermuthlichen Druckdrehungen sollten also gerade aus Kraft 1) Verhandl. d. bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XXI, 1879, S. VI. 2) Frühlingsversammlung d. bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 1. Juni 1890, nach dem mir vorliegenden Zeitungsberichte. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 377 dieser Vermuthung nicht mit den Zwangsdrehungen zusammen- geworfen werden. Wenn ich mich nicht täusche, wünscht Magnus nicht, wie viele andere Autoren, einfach alle teratologischen Verdrehungen Zwangs- drehungen zu nennen. Er beschränkt, wenn ich ihn richtig verstehe, diesen Namen auf die Braun’schen Zwangsdrehungen und auf jene von Braun ausgeschlossenen Fälle, in denen die tordirte Achse Verkürzung und Aufbauchung aufweist. Denn diese beiden Er- scheinungen deuten einerseits hin auf eine Uebereinstimmung mit vielen, obgleich bei weitem nicht mit allen echten Zwangsdrehungen, andererseits aber auf den vermuthlichen, der Streckung entgegen- wirkenden äusseren Druck. Solche Verkürzungen und Aufbauchungen sind von Magnus an gedrehten Stengeln und Schäften von Phy- teuma*), Statice Armeria?) und Taraxacum officinale?) beschrieben worden. Ich hatte leider nicht die Gelegenheit die Entstehungsweise solcher Verdrehungen zu beobachten. Weitaus die meisten teratologischen einfachen Torsionen zeigen aber weder Verkürzung noch Aufbauchung. Und für diese habe ich mich, wenigstens in einem bestimmten Fall, überzeugen können, dass zur Zeit der Entstehung der Torsion jeglicher äussere Druck fehlt. Dieser Fall bezieht sich auf Crepis biennis, und ich möchte ihn hier etwas ausführlicher beschreiben, da er wiederum zeigt, wie wichtig für das Studium von Monstrositäten die Herstellung und Cultur erblicher Rassen ist. Crepis biennis. Im Jahre 1886 fand ich unweit Hilversum auf einem Graslande mehrere Exemplare mit schönen, einfachen Torsionen. Die stärkste Ausbildung zeigte die Torsion in den beiden folgenden Beispielen. In dem ersteren fing sie etwa 25cm über der Stengelbasis an und erstreckte sich über die übrigen 50 cm. Sie machte hier 21, Um- läufe und bewirkte, dass alle Blätter mit ihren Achselzweigen auf derselben Seite standen, wodurch die Pflanze mir schon in einiger Entfernung auffiel. In dem anderen Exemplare machten die Längs- ı) Verhandl. d. bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XXI, 1879, S. VI. 2) Vergl. den letzten Abschnitt. 3) Verhandl. d. bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, Bd. XXXII, 1890, S. VII. Die Arbeit war zur Zeit, als ich Obiges schrieb, noch nicht er- schienen, doch hatte Herr Prof. Magnus die Freundlichkeit, mir die Ab- _ bildung zuzusenden. 378 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. riefen gleichfalls 2% Schraubenumgänge, diese erstreckten sich nur auf die oberen 30cm des Stengels; die Torsion war hier also stärker. Beide Stengel waren völlig gerade; ihre Zweige nicht merklich tordirt. Ich sammelte von diesem Fundort Samen und hatte in 1888 und 1890 im botanischen Garten in Amsterdam in zweiter und dritter Generation zahlreiche tordirte Pflanzen. Im Mai des letzt- genannten Jahres, als die Pflanzen bereits hoch emporgeschossen waren, aber in der oberen Hälfte des Stengels ihr Längenwachsthum noch nicht beendet hatten, wählte ich einige Individuen zu einem Versuche aust). Am 16. Mai bezeichnete ich an ihnen denjenigen Knoten, der auf der Grenze des tordirten und des noch torsions- losen Theiles des Stengels lag. Unterhalb dieses Knotens waren in jedem Individuum mehrere Internodien stark und deutlich tordirt; oberhalb folgte zunächst ein fast ausgewachsenes ungedrehtes Inter- nodium und darauf einige jüngere, die jungen Inflorescenzknospen tragend. Alle diese Theile ragten völlig frei empor; eine geschlossene Blattknospe war am Gipfel nicht vorhanden; die jungen Blüthen- köpfchen lagen nur in einzelnen kleinen Gruppen noch aneinander an. Von einem äusseren Drucke auf die wachsenden Internodien konnte somit keine Rede sein. Im Laufe der folgenden 8—14 Tage trat an fünf Individuen eine kräftige Torsion oberhalb des markirten Knotens auf, an den übrigen meist nur eine geringe Drehung. Die Torsion erreichte 90—180° und erstreckte sich über die ältesten 10—20 cm oberhalb jenes Knotens. Es geht hieraus hervor, dass bei Crepis biennis die einfache Ver- drehung des Stengels?) am Ende der Streckung der betreffenden Stengeltheile stattfindet, wenn diese von jedem äusseren Zwange völlig frei sind. Mit anderen Arten habe ich bis jetzt nicht experimentirt. Sollte einer meiner verehrlichen Leser mir Samen von tordirten Individuen geeigneter Species senden können, so würde ich gerne Culturen in dieser Richtung unternehmen. Es seien zum Schlusse noch folgende allgemeinere Bemerkungen gestattet. 1) Opera V, S. 206. 2) Uneigentliche Zwangsdrehung fasciirter Exemplare und tordirte Fascia- tionen kommen in derselben Rasse vor. Vergl. über erstere den zweiten Theil, Abschn. II, 8 5. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 379 Einfache Drehungen entstehen theils aus äusseren!), theils aus inneren Gründen. Ferner sind sie oft normale, oder doch unter bestimmten äusseren Verhältnissen regelmässig auftretende Er- scheinungen, oft aber subteratologischer oder teratologischer Natur. Für sämmtliche aus inneren Gründen entstehende Torsionen gilt wohl der Hauptsache nach die folgende Erörterung, welche von Sachs für die normalen Fälle aufgestellt wurde?). Nach diesem Forscher entsteht die Torsion während des Längen- wachsthums und in den genauer untersuchten Fällen am Schluss dieses. Da nun die Seitenlinien des gedrehten Körpers seine Achse schraubig umlaufen, so müssen sie länger sein als diese. Die Tor- sion kann somit durch stärkeres oder doch länger dauerndes Wachs- thum der äusseren Theile erklärt werden. Eine Neigung zum Wachs- thum in schiefer Richtung braucht nicht angenommen zu werden. denn sobald durch die erwähnte Differenz in der Streckung eine Spannung entstanden sein wird, wird der leiseste Anstoss genügen, diese Spannung durch Drehung wieder soweit möglich auszugleichen. Je grösser die Differenz des Längenwachsthums zwischen Achse und Peripherie, um so stärker wird aber die Torsion sein. Als bekannte Beispiele normaler Drehungen nenne ich erstens diejenigen der Schlingpflanzen, namentlich wenn sie nicht schlingen, zweitens die der durch Etiolement übermässig stark verlängerten Sprotse, drittens die Characeen und ferner Chamagrotis, Spiranthes, Acacia decurrens*), Vaccinium Myrtillus u. s. w. Zweiter Abschnitt. Die von verschiedenen Autoren zu den Zwangsdrehungen gerechneten Erscheinungen‘). $ 1. Einfache Torsionen. Einfache Torsionen finden sich sowohl an Stengeln als an Blättern vor. Von beiden Arten möchte ich hier vorzugsweise jene Beispiele aus der Literatur vorführen, welche mit Zwangsdrehungen ver- 1) Vergl. über solche Fälle meine Versuche in der Opera ZZ, S. 192. 2) Sachs, Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., S. 832. 3) Braun, Ordnung der Schuppen im Tannenzapfen, Nov. Act. Phys. med. Ac. C. L. Nat. Cur., T. XV, 1831, S. 266 und Braun, Verhandl. d. k. pr. Akad. Berlin 1854, S. 440. 4) Es sei mir erlaubt zu wiederholen, dass bei Drehungen die Achse gerade bleibt, bei Biegungen und Krümmungen sich in einer Ebene krümmt, und bei Schraubenwindungen selbst zu einer Schraubenlinie wird. Die peripherischen Theile werden bei Drehungen in Schraubenrichtung gestellt (vergl. oben II, I, $ 2). 330 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. wechselt worden sind. An diese werde ich einige neue Beobachtungen anschliessen. Ich fange mit den Blättern an. Die Torsionen der Blätter sind in einer ausführlichen und aus- gezeichneten Abhandlung von Wichura zusammengestellt worden!). Seine Liste umfasst mehrere Hunderte von Arten. Ich nenne als die bekanntesten Alstroemeria und Allium ursinum. Einige Beispiele gedrehter Blätter sind gelegentlich in der terato- logischen Literatur mit Zwangsdrehungen und anderen Torsionen zusammengestellt worden. So z. B. von den Gräsern, deren Laub- blätter nach Wichura gar häufig gedreht sind, Triticum repens?) und Avena). Ferner Scolopendrium vulgare var. spirale und Salix babylonica annularis*), bei welchen Varietäten die spiralige Drehung der Blätter eine constante Eigenschaft ist. Einen Blattstiel von Sagittaria sagittifolia fand Kros®), einige Hülsen von Gleditschia triacanthos fand Godron gedreht’). Ein sehr schönes Beispiel teratologischer Drehung zeigten einige Blattstiele von Dioscorea japonica im botanischen Garten zu Amster- dam im Juni 1886. An zwei aus Samen gewonnenen Exemplaren waren einzelne Internodien sowie einzelne Blattstiele mehr oder weniger abgeflacht und gedreht. Ein Blattstiel von 3 cm Länge zeigte 11, Umgänge (Taf. X, Fig. 6), ein anderer von 5 cm aber nur einen. An beiden waren die Blattscheiben verdoppelt. Die übrigen Blattstiele und Blätter dieser Pflanzen waren normal. Sehr bekannte Drehungen bieten ferner die Blätter von Codiaeum variegatum (Croton interruptum), welche Pflanze diese Erscheinung wenn nicht regelmässig, so doch gar häufig zeigt’). Ein reiches Material erhielt ich vom Universitätsgärtner Herrn A. Fiet in Gro- ningen. Blätter von einer Länge von 20—25 cm zeigten sich in ihrer Mitte gedreht wie eine Wendeltreppe oder richtiger wie eine Archi- medes’sche Schraube mit zwei Spiralen. Bisweilen hatte ein Umgang nur eine Höhe von 2,5 cm, bei einem Strahle von 5 mm, meist waren sie steiler. In den schönsten Fällen war das Blatt genau einmal um r) M. Wichura, Ueber das Winden der Blätter. Flora 1852, No. 3—7. Tafel II. 2) Schlechtendahl, Bot. Ztg. 1843, S. 493; Kros, de Spira, S. 75. 3) Masters. Vegetable Teratology, S. 319. 4) Masters, 1. c. S. 326. 5) Kros, de Spira, S. 63. 6) Godron, Mélanges de tératologie végétale, Mém. Soc. nat. d. Sc. nat. de Cherbourg, T. XXI, 1877/78, S. 254. 7) Masters, |. c. S. 326. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 381 seine Achse gedreht, Basis und Gipfel kehrten ihre Oberseite nach oben. Es kommt solches sowohl an unterbrochenen als an ununter- brochenen Blättern vor; in ersteren fällt oft ein grösserer Theil der Torsion auf den nackten Theil der Mittelrippe. Es liegt auf der Hand anzunehmen, dass die Torsion hier durch stärkeres Längen- wachsthum der Blattränder im Vergleich zur Mittelrippe verursacht wird; dafür sprechen auch die welligen Ränder mancher nicht oder schwach tordirter Blätter. Die Häufigkeit der Erscheinung macht diese Art zu experimenteller Entscheidung dieser Frage geeignet; ich möchte sie dazu empfehlen’). Triticum vulgare. Im Mai 1890 erhielt ich von Herrn Dr. E. Giltay in Wageningen aus den Gärten der landwirthschaftlichen Schule daselbst zwei Halme eines Bastardes ,,squarehead 9 x Zeeuwsche g.“ Sie waren am Stock abgebrochen und etwa 40 cm lang. Einige Blatt- scheiden waren gedreht, ihre Spreiten flach, normal. An einem Spross war die untere Scheide normal, die zweite, 17,5 cm lange, um 90° gedreht und zwar nach rechts, die dritte wieder normal; der Stengel innerhalb der Scheiden ungedreht. Am zweiten Spross zeigte die dritte, 16 cm lange Scheide eine Drehung und zwar nach links und um etwa 360°. Demzufolge schien die Stellung der Spreite ungeändert. Die nächsthöhere Spreite zeigt eine Drehung von 180°. Der Stengel ungedreht. In den gedrehten Scheiden war es haupt- sächlich der obere, aus den übrigen hervorragende Theil, der die Erscheinung zeigte. Ich komme jetzt zu den tordirten Stengeln und stelle unter diesen die unbeblätterten voran. Torsionen blattloser Stengel sind eine sehr häufige Erscheinung. Sie wurden vor Braun’s Arbeiten ganz gewöhnlich mit den echten Zwangsdrehungen verwechselt. So unterschied z. B. Ch. Morren zwischen Spiralismus und Torsion, und rechnete zu ersterem sowohl die echten Zwangsdrehungen von Valeriana und Dracocephalum wie auch einen Zweig von Scabiosa arvensis, den wir jetzt in erster Linie behandeln wollen?). 1) Ich möchte hier auch die Aufmerksamkeit lenken auf die Crypto- meria spiraliter contorta des Handels. Die jungen Zweige dieses Bäum- chens sehen aus wie tordirt, da ihre Blätter in schwach aufsteigenden Schraubenlinien um die Achse gebogen sind. Das Ganze macht den Eindruck eines sehr stark gedrehten Seiles. Diese Erscheinung ist, soviel ich weiss, von botanischer Seite noch nicht untersucht worden, verdient aber offenbar ein genaues Studium. 2) Bull. de l'Acad. Roy. Belg., T. XVII, 1. Partie, S. 36. 382 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Die Pflanze war auf einer Wiese bei Droixhe unweit Lüttich ge- funden. Der obere, völlig blattlose Theil des Stengels war in einer Länge von mehr als einem Fuss gedreht; die Drehung fing gerade oberhalb der obersten Verzweigungsstelle des Stengels an und reichte bis an das Blüthenköpfchen. Die Riefen des Stengels liefen in einer Schraubenlinie mit einer Neigung von etwa 60° aufwärts und bildeten mehrere Schraubenumgänge. Ihre Richtung war nach der beigegebenen Figur eine rechtsläufige. Der gedrehte Stengel war völlig gerade und offenbar durch die Drehung nicht verkürzt. Marchesetti fand bei Zaule zwei Exemplare von Plantago altis- sima!), welche je einen normalen und einen unterhalb der Ähre erheblich tordirten Blüthenstiel trugen. Kros erwähnt eine Sagittaria sagittifolia, welche er bei Leeuwarden gefunden hatte und deren Blüthenstiel spiralig gedreht war?). Gordon nennt ein Exemplar von Primula japonica, dessen Schaft kräftig entwickelt war und über einander drei Schirme von Blüthen trug. Von seiner Basis bis zum untersten Schirme war der Schaft tordirt, somit über einer Länge von 16 cm. Die Richtung war von links nach rechts. Er beobachtete die Pflanze in den Gärten des Herrn Bertier’). Nach Buchenau sind die Torsionen des nackten Schaftes sowie des über die Inflorescenz hinausragenden Blattes von Juncus effusus und verwandter Arten um Bremen nicht eben selten{). Er fand einmal einen Stengel von Juncus conglomeratus, an welchem bis nahe unter der Inflorescenz ein in der Achsel des obersten grund- ständigen Niederblattes entstandener Seitenspross seiner ganzen Länge nach angewachsen war. Auch dieser Schaft war tordirt und zwar sowohl im doppelten als im oberen, einfachen Theile und in dem gipfelständigen Laubblatt. Auf einen an derselben Stelle und zur selben Zeit gefundenen windenden Stengel werde ich in $ 3 zurück- kommen. Hierher gehört wahrscheinlich auch „un chaume de Scirpus lacustris, assez régulièrement tordu sur lui-même,“ den Moquin- Tandon) in Adr. de Jussieu’s Sammlung gesehen hat. Die folgenden Beispiele entnehme ich meiner eigenen Samm- lung: ı) Boll. d. Soc. Adriat. di Sc. nat. in Trieste, Vol. VII, 1882, p. 270. 2) Kros, de Spira, S. 74. 3) Mém. Soc. nat. Cherbourg, T. XXI, 1877/78, p. 253. 4) Abhandl.d.naturw.Ver. zu Bremen, Bd.11,187 1, S. + und Taf. III, Fig.1. 5) Tératologie végétale, S. 181. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 383 1. Allium Moly. Im Jahre 1880 fand ich im botanischen Garten in Amsterdam auf einem grossen, blühenden Beete dieser Pflanze zahlreiche Inflorescenzstiele tordirt. Die Achse war gerade, die scharfen Kanten liefen in mehreren steilen Windungen von der im Boden versteckten Basis bis zum Blüthenschirme. Die Höhe einer Windung war etwa 6—7cm in den am meisten ausgesprochenen Fällen. 2. Jasione montana. Einen gedrehten Stiel einer blühenden Inflorescenz erhielt ich 1886 aus Leiden von Herrn Dr. J. M. Janse. Der abgepflückte Stiel hatte eine Länge von etwa 10 cm und war im unteren Theile gerade, nach oben erst in linksläufiger, dann in rechts aufsteigender Richtung tordirt. In jeder Richtung wurde eine volle Windung beschrieben, welche sich über etwa 2 cm erstreckte. 3. Hypochoeris radicata. Einen tordirten Blüthenstiel fand ich im Juni 1886 in Horstermeer unweit Amsterdam. Die Torsion war schwach ausgebildet, die Richtung an verschiedenen Stellen wechselnd. 4. Hieracium Pilosella. Einen tordirten Blüthenstiel sammelte ich auf der Haide zwischen Loosdrecht und Hilversum in demselben Monat. Die Torsion erstreckte sich über die oberen 6 cm, war ziem- lich stark, setzte aber in ihrer Richtung in der Mitte um. 5. Plantago lanceolata. Tordirte Blüthenstiele dieser Art scheinen nicht gerade selten zu sein. Ich fand sie sowohl in meinen eigenen Culturen bei verschiedenen Variationen, als auch im Freien an verschiedenen Orten in der hiesigen Gegend. Sie waren meistschwach, erreichten aber bisweilen einen solchen Grad der Ausbildung, dass sie Einen Umgang auf etwa 2 cm machten. Sie erstreckten sich meist nur über den oberen Theil des Schaftes. 6. Narcissus poeticus. Die über ein halbes Meter langen Blüthen- stiele scheinen nicht selten eine geringe Torsion zu haben. Ich beobachtete in mehreren Exemplaren im vergangenen Sommer eine Torsion von bis 270°. 7. Pyrola minor. Unter einigen hundert verblüthen Exemplaren dieser Art fand ich am 19. Juli 1890 an der Strasse zwischen Harder- wyk und Ermelo etwa ein Dutzend Stengel mit deutlicher Torsion und daneben viele mit mehr oder weniger sicheren Andeutungen derselben Erscheinung. Die stärkste Drehung zeigte ein Stengel, dessen Rippen auf 11 cm Länge etwa 24, Umgang machten. Die Drehung war eine linksläufige und erstreckte sich von der Rosette bis an die Inflorescenz. Der Stengel war gerade und von normaler 384 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Dicke. In den übrigen Exemplaren war die Torsion bald rechts-, bald linksläufig, für jeden einzelnen Stengel aber mit constanter Richtung. Sie war oft in der Mitte oder an der Basis bedeutend stärker ausgeprägt als in den übrigen Theilen desselben Stieles. Tordirte Exemplare von Pyrola minor wurden auch von Herrn H. J. Lovink unweit Zutphen gefunden, der mir im Juli 1890 eine Sammlung von etwa 40 solcher Pflanzen sandte. Etwa die Hälfte waren links-, die übrigen rechtsgedreht. Nur ein Stengel hatte zwei Windungen, zwei hatten etwas mehr als eine Windung, alle übrigen weniger. Oft war die Torsion in der oberen Hälfte des Traubenstieles am stärksten ausgeprägt, oft aber auch in der unteren am schönsten oder überall gleichmässig ausgebildet. Die wichtigsten Beispiele für eine klare Einsicht in das Wesen der einfachen Torsionen sind aber die Stengel mit decussirten Blättern. Ich habe deshalb auf Taf. X in Fig. 3 einen Stengel von Lysimachia thyrsiflora abgebildet, welche eine solche Torsion zeigte. Ich fand diesen im Juni 1887 unweit ’s Graveland. Es war ein schwaches Exemplar. Die unteren Internodien waren gerade, gestreckt und normal, die Blattstellung war genau decussirt. Nur das siebente der in der Figur sichtbaren Blattpaare wich insofern ab, als das eine Blatt um 3 mm höher sass als das andere. Jetzt folgte das tor- dirte Internodium (a, b); die Drehung betrug 270%. Demzufolge war das von ihm getragene Blattpaar (8), das sonst normal war, nicht mit dem siebenten decussirt, sondern stand in derselben Ebene wie dieses. Der übrige Theil des Stengels war nicht entwickelt, offenbar durch irgend eine Wunde in der Jugend zerstört. Es folgte nur noch ein Blattpaar, ohne gestrecktes Internodium; die beiden Blätter dieses Paares waren der Mitte nach bis an die Basis gespalten, wohl durch dieselbe Wunde. Die Achselknospen des achten Blattpaares waren zu langen Trieben herangewachsen. Es war in diesem Stengel somit nur ein Internodium tordirt; die Decussation der Blätter oberhalb und unterhalb dieser Stelle aber erhalten. Torenia asiatica. Wie viele andere Pflanzen mit decussirten Blättern tordirt diese Art ihre Internodien!) an den horizontalen oder nahezu horizontalen Ästen um etwa 90°, um ihre Blätter sämmtlich in horizontaler Ebene ausbreiten zu können. An einem Exemplare im hiesigen botanischen Garten fand ich aber im Mai 1) Vergl. Opera J, S. 193. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 385 1890 horizontale Zweige mit einzelnen weit stärker tordirten Inter- nodien. In einem unteren Internodiurn eines Seitensprosses erreichte die an den rippenförmig hervortretenden Kanten des viereckigen Stengels so leicht sichtbare Torsion etwa 360°, bei einer Länge von 8 cm; in anderen Internodien dieses und anderer Zweige nicht selten 180°. Es waren stets die ältesten Internodien, welche diese Erschei- nung zeigten, den jüngeren fehlte auch die normale Drehung. Häufiger sind aber die Beispiele von gedrehten Stengeln bei alternirender Blattstellung. Ich stelle in den Vordergrund den von Magnus beschriebenen Fall von Phyteuma!). Mehrere Stengel dieser Pflanze, welche Magnus bei Herrn E. Lauche beobachtete, zeigten die Längsriefen stark gedreht ohne Verwachsung der hier nur schmal inserirten Blättchen. Die Richtung der Drehung ist zwar in manchen, aber nicht in allen Stengeln über die ganze Länge dieselbe; sie schlägt dann meist in der Mitte um?). Bei Campanula Trachelium sah derselbe Per einen kleinen Theil des Stengels gedreht, die Blätter dadurch nach der einen Seite genähert, ohne mit einander verwachsen zu sein. Bei Rumex Aceto- sella waren die Internodien der Inflorescenz derart gedreht, dass die Aeste nach derselben Seite abgingen?). Eine Drehung des Stengels von Phleum pratense sah van Hall und eine Pflanze von Epipactis palustris, deren Stengel im unteren Theile spiralig gedreht war, fand Kros auf der Insel Ameland®). Hierher gehört auch wohl eine Bam- busa, welche im British Museum aufbewahrt wird), sowie die von Camus erwähnten Torsionen von Poterium Sanguisorba®) und von Lolium perenne’). Diesen Beispielen möchte ich die folgenden anreihen: 1. Oenanthe Lachenalii. Drei Sprosse mit ihren Seitenzweigen, im Ganzen acht Aeste tordirt. Torsion bald links-, bald rechts- läufig, bisweilen an demselben Spross umsetzend, der Wendepunkt im Knoten liegend. Die Drehung umfasst bisweilen nur ein, bis- weilen 2—4 Internodien desselben Sprosses und ist meist stark und deutlich ausgepragt; in einem besonders langen, oberen Internodium 1) Verhandl. d. bot. Vereins d. Prov. Brandenburg XXI, 1879, S. VI. 2) Vergl. ferner den folgenden Abschnitt. 3) Sitzungsber. Brandenburg, 1. c. XIX, S. 120, Vergl. auch im fol- genden Abschnitt die nähere Beschreibung dieser Gegenstände. 4) Beides nach Kros, de Spira, S. 74. 5) Masters’ Vegetable Teratology, S. 324. 6) Atti d. Soc. d. Naturalisti, Modena, Rendi conti, Ser. II, Vol. II, 1884, citirt nach Bot. Jb. XII, I, p. 638. 7) Ibidem S, 130; nach Bot. Jb. XIV, I, S. 758. 25 386 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. derart, dass dieses etwas aufgeblasen erscheint. Hier sind die Win- dungen niedrig, in anderen Internodien steiler (oft 2—3 cm pro Windung) oft auch viel steiler. Die Achselsprosse von Blättern, welche zwischen stark gewundenen Internodien stehen, sind oft völlig ungedreht. Die Insertionen der Blätter stehen, wie stets bei den einfachen Torsionen, quer zur Achse; sie haben keinerlei Aenderung erfahren. Die tordirten Sprosse waren verhältnissmässig niedrig und die- jenigen, welche vom ganzen Stock am frühesten blühten. Juni 1890 im botanischen Garten in Amsterdam. 2. Oenanthe fistulosa. Im Juni 1890 zeigte ein Spross unter Hunderten des hiesigen botanischen Gartens eine Torsion. Diese war auf das obere Internodium, den Stiel des Schirmes, beschränkt und namentlich in dessen unterer Hälfte entwickelt. Die Torsion war linksläufig, die Riefen machten 21, Windung über eine Strecke von 6 cm. 3. Hieracium vulgatum. Im Juli 1888 bei Hilversum gefunden; die Stengel gerade, wenig verzweigt, im oberen Theile über eine Länge von etwa 30 cm in steilen Windungen tordirt. 4. Chaerophyllum hirsutum aus dem botanischen Garten in Amster- dam, Juli 1887. Mehrere Stengel und einige Blattstiele tordirt. Im höchsten Grade der Ausbildung machten die Riefen zwei Umgänge auf einem Internodium von 9 cm Länge. Die Erscheinung hat sich an demselben Stocke in ausgeprägter Weise im Sommer 1889 wieder- holt. $ 2. Ueber tordirte Fasciationen. Vielfach sind in der teratologischen Literatur mit den echten Zwangsdrehungen Fasciationen verwechselt worden, und in manchen Fällen gelingt es aus den gegebenen Beschreibungen nicht zu ent- scheiden, welche von beiden Missbildungen dem Verfasser vorgelegen hat!). Namentlich bei Arten mit decussirter Blattstellung ist solches der Fall, erstens weil die Möglichkeit einer Zwangsdrehung nicht abzuweisen ist und zweitens weil hier auch auf den fasciirten Zweigen die Decussation aufgehoben wird und eine spiralige Anordnung der Blätter auftritt. Dazu kommt, dass Zwangsdrehungen erst später entdeckt worden sind als Verbänderungen, und dass man während mehr als einem Jahrhundert neben vielen Beispielen von letzterer Missbildung nur ein oder einige wenige Beispiele von ersterer kannte. Es lohnte sich ı) Vergl. z. B. das Citat Bruhin’s auf S. 376. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 387 nicht, für diese seltenen Ausnahmen eine eigene Categorie auf- zustellen, und so wurden sie ohne Weiteres der Gruppe der Fas- ciationen einverleibt. Die berühmte, 1683 beschriebene Zwangsdrehung von Aparine laevis), wurde unter dem Namen A. laevis fasciata aufgeführt, und der Verfasser, Georg Frank, sagt als Erklärung dazu ,,caulibus in scapum vermiformem confasciatis, ut accurate cognoscitur ex icone“ und führt dann eine Reihe von weiteren Beispielen aus der Literatur an, welche sich aber auf gewöhnliche, flache Verbänderungen be- ziehen?). Ebenso sagt De Candolle über die Zwangsdrehung von Valeriana montana). „Il paraît que c’est une tige fasciée, composée de rameaux soudés en une bandelette, laquelle est elle-même contournée et soudée en un cornet.“ Die durch diese mangelhafte Unterseheidung entstandene Ver- wirrung ist bei späteren Schriftstellern durch zwei Umstände noch vergrössert worden. Erstens durch die bekannten Krümmungen in Form eines Bischofstabes, welche manche Fasciationen an ihrem oberen Ende tragen) und zweitens durch die echten Drehungen, welche andere verbänderte Stengel aufweisen und welche am besten mit den oben behandelten gedrehten Blättern verglichen werden können?®). Einige Beispiele möchte ich hier anführen. 1. Dioscorea bulbifera. Wenn Schlingpflanzen fasciirt werden, so liegt die Möglichkeit vor, dass auch ihre fasciirten Stengel ge- neigt sein werden, sich zu tordiren. Davon bot mir obige Pflanze im verflossenen Sommer im botanischen Garten zu Amsterdam ein hübsches Beispiel. Ein Zweig war am Grunde rund, nach oben ı) Vergl. oben S. 354. 2) z. B. Ephem. Germ. curios. Dec. I, Ann. VII, Obs. 239, wo die Abbildung eine gewöhnliche Fasciation eines beblätterten Stengels eines Hieraciums (Pilosella fasciata) erkennen lässt. 3) Vergl. oben S. 352. 4) Hierher gehören wohl die Missbildungen von Fraxinus communis, welche Kros (de Spira, S. 73) erwähnt und die Sambucus nigra, caule contorto, foliis simplicibus verticillatis 1/;, vel spiralibus secundum for- mulam ?/,, welche Kirschleger in der Flora 1844, S. 729 beschreibt und welche Clos (Mém. Acad. Toulouse, 5. Serie, T. VI, p. 53) auf einer Linie mit den echten Zwangsdrehungen von Mentha und Galium citirt. Kirschleger’s Beschreibung macht aber mehr den Eindruck, sich auf die jetzt in Gärten verbreitete Form S. nigra fasciata zu beziehen. 5) z. B. Mûrier blanc, Moquin-Tandon, Tératologie végétale, S. 180. 25* 388 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN, verbreitert und abgeflacht und hatte über mehr als 120 cm eine Breite von 4—6 mm, bei einer Dicke von kaum I mm. Er war links tordirt, wie die normalen Sprosse dieser Art und hatte im Ganzen 31, Windung. Grössere Strecken waren ungewunden und nur am Rande wellig gebogen. 2. Oenothera biennis kommt in den Niederlanden häufig mit schönen, breiten, verbänderten Stengeln vor. Herr von Breda de Haan sandte mir ein solches, bei Zandvoort gesammeltes Exemplar, welches im oberen, breitesten Theile ziemlich stark tordirt war. Die Erscheinung war an jenem Fundorte keine seltene. 3. Einen verbänderten Blüthenschaft von Primula denticulata erhielt ich aus dem botanischen Garten in Groningen durch die Güte des Herrn A. Fiet. Er war von der Wurzelrosette bis zur Inflorescenz verbreitert und tordirt. Länge 9 cm, Breite 5 mm. Die Torsion war in der unteren Hälfte gering; in der oberen Hälfte machten die Riefen einen ganzen Umgang. 4. Rubia tinctorum. Unter den S. 309 erwähnten fasciirten Krapp- stengeln, welche ich von Herrn B. Giljam in Ouwerkerk erhielt, waren zwei, welche an ihrem Gipfel eine Torsion zeigten. Diese war offenbar eine Folge verschiedenen Längenwachsthums, indem die Kanten des bandförmigen Stengels sich stärker verlängerten als der mittlere Theil. Als die Stengel durch Welken erschlafft waren, gelang es die Drehung auszugleichen und den Gipfel flach zu legen. Einen ähnlichen fasciirten und tordirten Spross erhielt ich von Herrn J. C. van der Have in Ouwerkerk. Merkwürdig an diesen vier 25—30 cm langen, unten runden und nach oben bis zu einer Breite von 11,—2 cm abgeflachten Stengeln war es, dass die Blattwirtel gar nicht auseinandergeschoben waren. Sie waren mehrblättrig, mit bis 40 und mehr Spreiten, aber ohne die longitudinale Verschiebung, welche sonst an fasciirten Stengeln üblich ist. Zum Schlusse erwähne ich noch eine tordirte Fasciation von Syringa Josikaea, welche ich im Juni 1889 durch Herrn Garten- Inspector A. Fiet aus dem botanischen Garten in Groningen erhielt. Auf einem 1,3 cm breiten, flachen Zweige von 1888 sassen einige fasciirte Aeste von 1889; von diesen war einer 14 cm lang, 1 cm breit und in seiner unteren Hälfte um etwas mehr als 180° tordirt. Ausser- dem trug dieser Strauch eine Inflorescenz mit 20 cm langer, nach oben bis 1 cm verbreiteter, flacher Hauptachse. Von solchen tordirten Fasciationen, welche entweder von ihren Entdeckern oder gelegentlich von anderen Schriftstellern mit echten MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 389 Zwangsdrehungen zusammengestellt wurden, oder deren Deutung auch jetzt noch unsicher ist, möchte ich hier die folgenden anführen: 1. Asparagus officinalis, abgebildet in Masters’ Vegetable Terato- logy!), zeigt im unteren Theile des fasciirten Stengels eine schöne Torsion, während der obere flach ist. Schon Schlechtendahl hat den Gegensatz zwischen dieser Erscheinung und den später sogenannten Zwangsdrehungen klar hervorgehoben?); er nennt als tordirte Fas- ciationen nebenbei auch Beta und Rumex, welche gleichfalls in Masters’ Liste der Torsionen aufgezählt sind. 2. Zinnia, von der das nämliche gilt. Die Angabe bezieht sich offenbar auf folgende Stelle aus Moquin-Tandon’s Tératologie: „Herr Decaisne hat mir eine von starker Drehung begleitete Ver- bänderung von Zinnia beschrieben, an welcher die Blattorgane auseinandergerückt und in eine einzige, vom Grunde des Stengels bis zu seiner Spitze fortlaufende Spirale gestellt waren‘). Ob den- noch keine Verbänderung, wie die in Braun’s Sammlung aufbewahrten Exemplare derselben Art? 3. Veronica. Von dieser Gattung sind hier drei Arten zu nennen: Veronica longifolia. Schauer erwähnt in seiner Uebersetzung des citirten Werkes!) eines abgeplatteten, stark gewundenen Stengels dieser Art, wo die Blätter, an die Kanten gedrängt, eine ziemlich regelmässige Spirale bildeten. Veronica amethystea. Fresenius erwähnt in seinem Abschnitte über bandförmige Stengel einen Fall, wo ein Stengel, ohne band- förmig zu sein, spiralig gedreht war, und wo die meisten Blätter dadurch den Schein von foliis monostichis angenommen hatten?). Ob vielleicht echte Zwangsdrehung? Das Object wird in der Samm- lung der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft auf- bewahrt. ; Veronica latifolia. Clos fand über die 45 unteren Centimeter eines Sprosses 60 Blätter, welche in regelmässiger Spirale standen und ungefähr fünf Schraubenwindungen bildeten). Die Blätter waren je 6—10 mm von einander entfernt und hatten jedes eine 1) Masters’ Vegetable Teratology 1869, S. 14, Fig. 6 und in der Liste auf S, 325. 2) Botan. Zeitung 1856, S. 73. 3) S. 182 des ursprünglichen Werkes und S. 167 der Uebersetzung. All c, S,:105 5) G. Fresenius, Ueber Pflanzenmissbildungen, Abhandl. d. Sencken- berg. naturf. Gesellschaft, IT. Band, 1837, S. 46, Taf. IV. 6) Mémoires de l’Acad, Toulouse, 5. Serie, T. VI, p. 52 (1862). 390 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Knospe in der Achsel. „Sur l’écorce se montraient aussi des stries de torsion.“ Die Spitze trug eine normale Inflorescenz. Die An- gaben reichen, wie man sieht, nicht hin, um eine Einsicht in die Natur dieser Missbildung zu geben. Die Gattung Veronica bleibt also einer näheren Erforschung in hohem Grade bedürftig, um so mehr, als in Braun’s Sammlung ein Zweig mit offenbarer Zwangsdrehung aufbewahrt wird. $ 3. Einige Fälle von Schraubenwindungen. Echte Schraubenwindungen, bei denen die Achse selbst zu einer Schraubenlinie geworden ist, sind bisweilen gleichfalls mit Zwangs- drehungen verwechselt worden!). Ich möchte aus diesem Grunde hier einige solche Erscheinungen zusammenstellen, um den Gegen- satz klar zu bezeichnen und eine schärfere und consequentere Unter- scheidung für die Zukunft herbeizuführen. Die Schlingpflanzen geben die ersten Beispiele ab; diese bilden nicht selten freie, nicht um eine Stütze herumgehende, nach dem Auf- hören des Wachsthums bleibende Schraubenwindungen?). So z. B. Akebia, Dioscorea und Menispermum, deren korkzieherartig ge- wundene, offenbar krankhaft entwickelte Sprossgipfel fast den Ein- druck teratologischer Bildungen machen. Hierher möchte ich auch den von Wittmack gefundenen Stengel von Convolvulus arvensis stellen?). Dieser unterirdische, aus grosser Tiefe senkrecht bis etwa 30 cm unterhalb der Grasnarbe im Boden aufsteigende Stengel hatte sich in seinem oberen Theile über eine Länge von etwa 110 cm in dichten Windungen aufgerollt. Diese waren theilweise nach rechts, theilweise nach links gedreht, offenbar weil die Spitze im Boden festgehalten wurde, wie bei einer an ihrer Spitze befestigten Ranke. Es ist klar, dass dieser Fall nur eine sehr entfernte und oberflächliche Aehnlichkeit mit den Zwangsdrehungen im Sinne Braun’s hat. Normale Schraubenwindungen bei nicht schlingenden Pflanzen kennt Jeder in den Blüthenstielen mehrerer Arten von Cyclamen und von Vallisneria spiralis. Ferner kommen solche bei der in Gärten bisweilen cultivirten Varietät Juncus effusus spiralis vor. Eine solche Pflanze zeigte 1) So z. B. der unten zu erwähnende Fall von Convolvulus arvensis. 2) Vergl. meine Zusammenstellung Opera J, S. 233. 3) Wittmack in den Verhandl. d. bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XXIV, 1883, S.IV; vergl. auch Bot. Jahresb. X, I, S. 538. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 391 im Jahre 1888 im hiesigen botanischen Garten mehrere Stengel, welche in ihrer ganzen Länge korkzieherartig gewunden waren. Ich bewahre einen Stengel mit fünf Windungen von etwa 4 cm Durch- messer und einen mit 744 Windungen von etwa 1—2 cm Diameter. Beide erreichten eine Höhe von wenig mehr als 10 cm. Ein schönes Exemplar eines Juncus mit spiralig gedrehten Halmen ist in der Uebersetzung von Master’s Pflanzenteratologie (S. 363) abgebildet. Ein dritter Fall eines windenden Stengels aus dieser Gruppe ist von Buchenau beschrieben worden, unterschied sich aber von den vorhergehenden dadurch, dass der Stengel abgeflacht, etwa doppelt so breit als dick und um andere Stengel herumgewunden wart). Es war ein Juncus conglomeratus, bei Bremen im Juni 1867 von ihm gefunden. Der Stengel machte bis zur Inflorescenz 41, Windungen um zwei andere herum; die Scheinfortsetzung des Stengels (das Laubblatt) war weit stärker gedreht und zwar in 3% Windungen. Es scheint dieser Fall zu den am selben Orte beobachteten echten Torsionen in naher Beziehung zu stehen?). Juncus effusus. Herr Dr. H. W. Heinsius schenkte mir einige Exemplare dieser Art, welche er unter Groeneveld unweit Baarn im Juni 1890 gefunden hatte. In einer grösseren Gegend zeigten fast alle Individuen mehr oder weniger deutliche Zeichen von Torsion oder von spiraliger Drehung, an einer im letzten Frühling umge- grabenen Stelle war die Erscheinung aber besonders stark ausgeprägt. Die Sprosse zeigten alle Uebergänge zwischen einer steilen Schraube und einem fast geraden, tordirten Zustande. Die Richtung war in jedem Sprosse Constant, in einigen links-, in anderen rechtsläufig. Ein Spross von 50 cm Länge war zu einer steilen Schraube mit fünf Umgängen und etwas über 0,5 cm Strahl ausgebildet, die übrigen mit weniger und steileren Windungen, bis diese ganz in Torsions- umläufen übergingen. In zwei Fällen war der Spross etwas flach, im Querschnitt ellip- tisch. Die eine Kante war nun gerade geblieben, die andere lief in einer Schraubenlinie um diese herum und zwar in beiden Fällen linksläufig (Taf. X, Fig. 5). Die Zahl der Umgänge betrug 12 bei 60 cm, resp. 7 bei 35 cm Länge des ganzen Sprosses, mit Einschluss der über der Inflorescenz hervorragenden Scheide. Ueberhaupt war letztere stets im gleichen Sinne und in gleicher Weise tordirt wie die eigentliche Achse. 1) Abh. Bremen, |. c. S. 365. 2) Vergl. S. 382. 392 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Es zeigt dieser Fall deutlich, dass wenigstens hier die Schrauben- windungen und die Torsion Aeusserungen derselben Variation sind. Aehnliches findet man bisweilen, als seltene Monstrosität, bei Scirpus lacustris. Einen solchen Fall sammelte ich am Horstermeer, unweit Amsterdam, am 3. September 1886. Es war ein einziger, in seiner ganzen Länge in Schraubenform gewundener Stengel unter mehreren Hunderten von normalen Individuen. Er bildete sechs Umgänge mit einem Durchmesser von 6—10 cm und erreichte eine Höhe von etwas mehr als einen halben Meter. Die Schraube stieg von rechts nach links auf. Auch bei Wurzeln kommen Schraubenwindungen von Zeit zu Zeit vor!). Oberförster Volkmann fand zu Lanskerofen, Kreis Allenstein, im Jahre 1881 eine Menge von einjährigen Sämlingen Quercus pedunculata, deren Pfahlwurzel korkzieherartige Windungen mit etwa zwei Umläufen hatte?). Aehnliche Erscheinungen hatte er auch früher beobachtet. Umeinandergedrehte Wurzeln von Daucus Carota bildet Masters ab*); ich besitze einen ähnlichen Fall von der- selben Pflanze aus hiesiger Gegend und von Oenothera Lamarckiana aus meinen eigenen Culturen. Moquin-Tandon nennt die „Rave tortillée‘‘ und den ,,Raifort en tire-bouchon“ als bekannte Beispiele spiralig gewundener Wurzeln‘). Ein letztes Beispiel möchte ich meiner eigenen Sammlung ent- nehmen. Es ist dies eine Hauptwurzel einer Keimpflanze des Pferde- zahnmais, welche in Brunnenwasser angekeimt wurde und frei über Brunnenwasser aufgehängt im Wärmeschrank bei einer constanten Temperatur von 25° C. sich während sechs Tagen weiter entwickeln konnte (April 1889). Während Hunderte von Maiswurzeln in diesen Versuchen geradeaus wuchsen, bildete diese Eine eine Spirale. Vergl. Taf. X, Fig. 2. Die Schraubenlinie hatte etwas mehr als fünf Um- gänge; die oberen Windungen hatten eine Weite von etwa 6, die unteren von etwa 3mm. $ 4. Zusammenstellung. Ich stelle jetzt die in diesem und den vorigen Theilen dieser Abhandlung besprochenen und einige wenige andere Fälle in der Form einer Tabelle zusammen, einerseits um die Uebersicht zu er- ı) Vergl. Sachs in den Arb. d. bot. Instituts Würzburg und Darwin, Movements of plants. 2) Schriften der phys.-ök. Gesellsch. zu Königsberg XXIII, 1882, I, S. 42. 3) Vegetable Teratology, S. 53, Fig. 23. 4) Tératologie Végétale, S. 182. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 393 leichtern, andererseits um den Gegensatz der verschiedenen, mehr oder weniger mit den Zwangsdrehungen verwandten Erscheinungen in ein möglichst scharfes Licht zu stellen. Mit wenigen Ausnahmen wurden sie bis jetzt alle einfach als Torsion zusammengefasst!), weil ja oft die Bezeichnung Zwangsdrehung als gleichbedeutend mit Tor- sion angesehen wurde. Manche von ihnen sind nur deshalb ange- führt, weil sie in der Literatur mit echten Zwangsdrehungen ver- wechselt worden sind, manche aber auch aus Analogie. Die echten Zwangsdrehungen habe ich im vierten Abschnitt des dritten Theils, S. 372, in tabellarischer Form aufgeführt. Auf Vollständigkeit macht diese Uebersicht selbstverständlich keinen Anspruch. I. Einfache Torsionen. 1. Von Blättern und Blattstielen, S. 380: Alstroemeria, Allium ursinum, Avena, Codiaeum variegatum, Dioscorea japonica (Taf. X, Fig. 6), Salix babylonica annu- laris, Scolopendrium vulgare spirale. Hierher auch die Hülsen von Gleditschia triacanthos und zahlreiche von Wichura (l. c.) zusammengestellte Fälle. Ferner Triticum vulgare, S. 381. 2. Von nackten Stengeln: Allium Moly S. 383, Hieracium Pilosella S. 383, Hypo- choeris radicata S. 383, Jasione montana S. 383, Juncus conglomeratus S. 382, J. effusus S. 382, Narcissus poeticus S. 383, Plantago altissima S. 382, P. lanceolata S. 383, Primula japonica S. 382, Pyrola minor S. 383, Sagittaria sagittifolia S. 382, Scabiosa arvensis S. 381, Scirpus lacustris S. 382. 3. Von beblätterten Stengeln: Campanula Trachelium S. 385, Chaerophyllum hirsutum S. 386, Crepis biennis (erbliche Torsion) S. 377, Dianthus barbatus S. 375, Epipactis palustris S. 385, Hieracium vul- gatum S. 386, Lolium perenne S. 385, Lysimachia thyrsiflora S. 384 (Taf. X, Fig. 3), Oenanthe fistulosa S. 386 und O. Lachenalii ibid., Phleum pratense S. 385, Phyteuma S. 385, Poterium Sanguisorba S. 385, Rumex Acetosella S. 385, Torenia asiatica S. 384. 1) Masters, Vegetable Teratology, S. 325; Frank, Pflanzenkrankheiten, S. 236. 394 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 4. Von fasciirten Stengeln: Asparagus officinalis S. 389 und 376, Dioscorea bulbifera S. 387, Oenothera biennis S. 388, Primula denticulata S. 388, Rubia tinctorum S. 388, Syringa Josikaea S. 388, Veronica amethystea S. 389, V. latifolia? S. 389, V. longifolia S. 389, Zinnia S. 389. p ll. Drehung der Baumstämme. Punica Granatum S. 374, Pyrus torminalis S. 374 und die zahlreichen von Braun (l. c.) zusammengestellten Beispiele. Ill. Schraubenwindungen. 7 1, Von Stengeln: Akebia S. 390, Convolvulus arvensis S. 390, Dioscorea S. 390, Juncus effusus spiralis S. 390, J. conglomeratus S. 391, Menispermum S. 390, Scirpus lacustris S. 392 und der auf- geschlitzte Stengel von Oenanthe fistulosa auf S. 375. 2. Von Wurzeln: Rave Tortillée et Raifort en tire-bouchon S. 392, Daucus Carota S. 392, Oenothera Lamarckiana S. 392, Quercus pedunculata S.302, Zea Mais S.392 (Taf. X, Fig. 2). IV. Spiralige Stellung sonst decussirter oder wirteliger Blätter. 1. Ohne Verwachsung der Blattbasen: la: Nach 2/ Bf, Saw. : Fraxinus excelsior S. 301, Lilium Martagon S. 302, Lilium candidum flore pleno S. 302 und die zahlreichen Beispiele von Braun und Delpino S. 300. 1b. Durch Verschiebung in den Wirteln: Eucalyptus Globulus S. 301, Ligustrum vulgare S. 301, Lythrum Salicaria S. 301, Syringa persica S. 301 und die von Delpino aufgezählten Arten S. 300, 301. 2. Mit Verwachsung der Blattbasen, aber ohne Streckung der Internodien: Pycnophyllum S. 303. V. Krümmungen in flacher Ebene. 1. Bischofsstabförmige Krümmungen der fasciirten Aeste: Fraxinus communis S. 387, Sambucus nigra S. 387 und zahl- reiche andere. 2. Hin- und hergebogene Aeste, Varietates tortuosae: Crataegus nach Masters’ Veg. Terat. S. 317, Fig. 171, Ro- binia (ibid.) und Ulmus nach Moquin-Tandon, Térat. Vég. S. 181; Juncus nach Masters 1. c. S. 317, Fig. 170. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 395 Dritter Abschnitt. Die einfachen Torsionen in der Sammlung des Herrn Prof. Magnus. $ 1. Uebersicht. Die im vorigen Theile (Abschn. III) aufgeführte Sammlung, welche Herr Prof. Magnus die Güte hatte mir zum Studium zu leihen, enthielt ausser den dort behandelten echten Braun’schen Zwangsdrehungen noch eine Reihe von wichtigen Beispielen ein- facher Torsionen. Ich beabsichtige von diesen jetzt kurze Beschreibungen zu geben, und stelle zunächst die Arten in folgende Uebersicht zusammen: Torsionen an Stengeln. l. An nackten Blüthenschäften und Stielen von Inflorescenzen: Angelica silvestris, Armeria vulgaris, Poterium Sanguisorba, Jasione montana, Taraxacum officinale, Cephalaria ruthenica, Juncus effusus, Plantago lanceolata, Parnassia palustris. 2. An einzelnen Internodien bei Arten mit decussirter Blatt- stellung, ohne Veränderung dieser. Cephalaria ruthenica, Buxus sempervirens, Jacaranda mi- mosaefolia. 3. An beblätterten Sprossen von Arten und Varietäten mit alter- nirenden Blättern. Ligularia (Cineraria) sibirica, Rumex Acetosa, Rumex sp., Campanula Trachelium, Phyteuma spicatum, Valeriana offi- cinalis. Torsionen von Blättern in Folge behinderten Längenwachsthumes. Calamagrostis Epigeios. Die Sammlung giebt mir noch zu zwei Bemerkungen von all- gemeinerer Streckung Veranlassung. Es sind dies die folgenden: Einfache Torsionen, welche an einzelnen Internodien, längeren Blüthenschäften und sonstigen unbeblätterten Sprosstheilen auf- treten, nehmen sehr häufig an dem betreffenden Objecte von unten nach oben an Intensität zu. Nicht selten ist der untere Theil unge- dreht, während der obere stark tordirt ist. Aus der Sammlung des Herrn Prof. Magnus liefern dazu Beispiele Cephalaria ruthenica, Taraxacum officinale, Poterium Sanguisorba, Armeria vulgaris, Angelica silvestris, Juncus effusus, Plantago lanceolata, Parnassia palustris und Phyteuma spicatum. Zweitens fällt es auf, dass in Bezug auf einfache Torsionen dünne 396 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. und lange Sprosse vor den im Verhältniss zur Länge dickeren be- vorzugt scheinen. Die soeben genannten Beispiele bestätigen dieses, mit Ausnahme von Angelica silvestris, aber an dieser sind es nur die jüngsten, somit ziemlich dünne Gipfel, welche tordirt sind. $ 2. Torsionen von Stengeln. A. An nackten Blüthenschäften und Stielen von Inflorescenzen. 1. Angelica silvestris L. ,„Uttewalder Grund, 30. Sept. 1881, legit P. Magnus.“ Der Stiel einer Dolde, 6 cm lang, ist in zwei Windungen links gedreht. Das nächstuntere Internodium ohne Drehung. 2. Armeria vulgaris. „Potsdam, Baumgartenbrücke, legit C. Schep- pig, 21. Sept. 1885.“ Der Blüthenschaft, 25 cm lang, äusserst stark und zwar rechtsläufig gedreht. Die Drehungen fehlen im unteren Theil und werden nach oben immer zahlreicher, d. h. weniger steil. In den obersten 10cm vier Windungen, darunter nur etwa eine. Die Pflanze trägt einen zweiten, jüngeren, ungedrehten Schaft. 3. Poterium Sanguisorba. Drehung des oberen 7 cm langen Theiles eines blühenden Stengels. Windung unten links-, höher hinauf rechtsläufig. Unten steil, oben ziemlich stark gedreht. 4. Jasione montana. Ein 20 cm langer, nackter Blüthenschaft, unten rechts-, oben linksgedreht. Drehungen sehr steil, wenig markirt. 5. Taraxacum officinale. Ein Blüthenstengel, dessen oberer Theil zwei linksläufige. Windungen trägt. 6. Juncus effusus L. „Schaft mit gedrehten Riefen, Berlin, bei Tempelhof, 22. Juni 1879, legit P. Magnus.“ Zwei Schäfte, der eine mit links, der andere mit rechts gedrehten Riefen. Die Drehung ist schwach ausgebildet, nimmt vom Grunde gegen die Inflorescenz etwas zu und erstreckt sich auch über das den Stengel scheinbar fortsetzende Blatt. 7. Plantago lanceolata. a) „Wiese bei Wartenberg, 2. Juli 1883, legit Hunger.“ Ein gekrümmter, etwa 15 cm langer Blüthenschaft mit links gedrehten Riefen. Die Torsion fehlt in der Basis und nimmt nach oben all- mählich an Intensität zu, ist aber im jüngsten, noch nicht aus- gewachsenen Theil nicht zu erkennen und wechselt ihre Richtung kurz unterhalb dieses. Die Riefen machen etwa drei linksläufige Windungen und vielleicht eine rechtsläufige. b) „Rostock, Juni 1878, legit C. Fisch.“ Eine ganze Pflanze mit drei langgestielten Aehren. Die beiden kleineren Stiele schwach MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 397 tordirt, der grösste, 14 cm lange in seiner oberen Hälfte sehr stark gedreht. In letzterem die Torsion unten linksläufig, oben rechts- läufig. Es kommen 1 bis 1% Windung pro cm, und dieses erstreckt sich über etwa 6 cm. ” c) „Hamburg, bei Blankenese, 22. Sept. 1876, legit P. Magnus.“ Eine ganze, grosse Pflanze mit sechs Blüthenstielen von 40—60 cm Länge, welche sämmtlich tordirt sind. Unter ihnen sind zwei sehr stark tordirt und zwar mit zunehmender Intensität von der Basis nach oben. Beide am Grundelinksläufig, oben rechtsläufig. Im höchsten Grade erstreckt sich eine Windung über etwa 1 cm des Schaftes. An einem dieser beiden Stiele ist „ein Laubblatt dicht unter die Aehre gerückt“. 8. Parnassia palustris L. „Berlin, am Eisenbahndamm der Gör- litzer Bahn zwischen Treptow und Johannisthal, 2. Sept. 1880, legit E. Hunger.“ Ein blühendes Pflänzchen, dessen Blüthenstiel gedreht ist. Unten fehlt die Torsion, nach oben nimmt sie an In- tensität zu. Sie ist linksläufig, kehrt aber gleich unterhalb der Blüthe um. Sie erreicht etwa eine Windung pro cm. B. An einzelnen Internodien bei Arten mit decussirter Blattstellung. 1. Cephalaria ruthenica. „Drehung vieler Blüthenschäfte ohne Betheiligung der Blätter; Pest 1883, legit Steinitz.“ Zwei reich- blühende Sprosse von 40—60 cm, an denen viele Blüthenstiele ge- dreht sind. Die Torsion findet bald nach links, bald, und zwar an anderen Stielen derselben Pflanze, nach rechts statt. Sie ist meist, jedoch nicht immer, auf das oberste Internodium unterhalb des Blüthenköpfchens beschränkt und ergreift von diesen und anderen Internodien vorzugsweise den oberen Theil. In den am stärksten tordirten Stellen umfasst eine Windung etwa 2cm. Blattstellung unverändert. 2. Buxus sempervirens. „Mit gedrehtem Stamm. Villa Car- lotta bei Bellagio, 12. Oktober 1879, legit P. Magnus.‘ An einem Aestchen ist ein Internodium von 1 cm Länge linksläufig tordirt. Die scharf hervortretenden Riefen machen etwa 34 Windung. Die Blätter stehen in den beiden angrenzenden Knoten nicht genau opponirt, sondern der Achse parallel ein wenig auseinander geschoben. Die tieferen Internodien sind normal, die höheren weggeschnitten. 3. Jacaranda mimosaefolia. „Brasilien.“ Ein Ast mit einzelnen tordirten Internodien und tordirten Blattstielen. Blattstellung ungeändert, decussirt. Richtung der Riefen theils links-, theils rechtsläufig. 398 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. C. An beblätterten Sprossen von Arten oder Varietäten mit alterniren- den Blättern. 1. Ligularia (Cineraria) sibirica. ,,Dorpat in Rossia media, legit Treviranus, comm. »Uechtritz.“ Ein etwa 40cm langes, rechts- gedrehtes Stengelstück. Drehungen steil. 2. Rumex Acetosa L. „Wiese bei Nauen, 3. Juni 1877, legit P. Magnus.“ Ein Exemplar, ‚wo die einander folgenden ver- längerten Internodien eines Theiles der Inflorescenz so gedreht sind, dass deren Aeste nach derselben Seite abgehen.“ Dieser, den Sitzungsberichten des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg (Bd. XIX, S. 120) entnommenen Beschreibung füge ich die folgende handschriftliche Notiz desselben Forschers bei: „Unter Drehungen der Internodien zeigen dieselben in der oberen Region der Inflorescenz plötzliche Abbiegungen und werden die Zweige nach einer Seite ge- richtet.“ Auch hier ist, wie Magnus richtig bemerkt, die Drehung des Stengels das Primäre, die veränderte Richtung der Blätter das Secundäre. Aber die Blätter zeigen keine Spur von Verwachsung unter einander; ihre Insertionen stehen genau quer zur Achse. Ein zweites Exemplar einer Rumex-Art zeigt Drehungen in den blättertragenden Internodien. Auch hier sind die Insertionen der Blätter quer zur Achse gestellt und nicht mit einander ver- wachsen. 3. Campanula Trachelium L. „Wien, legit P. Magnus.“ Ein 25 cm langer, blühender Ast, dessen unteres Internodium eine sehr starke Torsion trägt. Es ist etwa 3 cm lang und hat fast 114 links- läufige Windungen. Die Drehung erstreckt sich ein wenig über das nächstfolgende Internodium, gleicht sich hier aber allmählich aus. Die Insertion des Blattes zwischen diesen beiden Gliedern steht genau quer zur Achse, die Achselknospe oberhalb des Stieles. Durch die Drehung des zweiten Internodiums ist die seitliche Entfernung der beiden betreffenden Blätter etwas verringert; sie sind nach einer Seite genähert (in verticaler Projection betrachtet). Sonst hat die Torsion keine Folgen in Bezug auf die Blattstellung. Mit vollem Rechte behauptet Magnus für diesen Fall, dass die Drehung des Stengels das Primäre ist, und dass die Verschiebung der Blätter als deren Folge betrachtet werden muss). Die Blätter sind nicht unter sich verwachsen. 4. Phyteuma spicatum. Der mir vorliegende Umschlag enthält 1. zwei aufgeklebte blühende Stengel, ohne Angabe von Zeit und ı) Sitzungsber. d. bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XIX, S. 120. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 399 Ort des Fundes, aber mit vielfachen handschriftlichen Bemerkungen unseres Autors; es sind dieses vermuthlich die in den Sitzungen des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg (Bd, XXI, S. VI, Frühjahrsversammlung 1879) von Herrn Lauche vorgelegten Exem- plare; 2. fünf Pflanzen späteren Ursprunges, deren eines mit Fas- ciation des Kopfes am 22. Juni 1879 von Magnus in Berlin ge- sammelt wurde, deren zweites und drittes in 1885 bei Potsdam wuchsen, während die beiden übrigen im Berliner botanischen Garten in 1887 beobachtet wurden. Auch die vier letzteren sind von Magnus gesammelt worden. Alle diese Exemplare sind während oder nach der Blüthe ein- gelegt; in allen ist der untere Theil des Stengels ungedreht, fängt die Torsion im beblätterten Theil des Stengels an und nimmt gegen die Inflorescenz allmählich, und meist bedeutend, an Intensität zu. Von dieser Regel bildet nur ein Exemplar aus Potsdam (1885) in- sofern eine Ausnahme, als der nackte Theil des Stengels unmittelbar unterhalb der Aehre hier ungedreht ist; in dieser Pflanze ist die Torsion überhaupt nur in geringem Grade ausgebildet. Mit Ausnahme eines anderen Exemplares (Berlin 1887) stehen die Blattinsertionen überall quer zur Achse. Sie sind durch die Torsionen einander seitlich genähert, ohne Spur von Verwachsung. Es ist ganz klar, dass die Verhältnisse hier genau so liegen, wie sonst bei den einfachen Torsionen, aber ganz anders wie bei den Zwangsdrehungen. Die zuletzt erwähnte Ausnahme bildet aber einen, wenigstens scheinbaren, Uebergang zwischen beiden Gruppen von Erschei- nungen. Sie wurde von Magnus im botanischen Garten in Berlin in 1887 in voller Fruchtreife gesammelt, während das zweite, aus dem- selben Jahre stammende Individuum noch Blüthen trägt. Das fruchtreife Exemplar hat einen ungedrehten Stengel und eine gleich- falls ungedrehte, 14cm lange Aehrenachse. Zwischen beiden liegt die scheinbare Zwangsdrehung. Sie ist 6 cm lang, die Riefen rechts ansteigend, in der Mitte etwa um 45° gegen die Achse geneigt. Die gedrehte Strecke trägt fünf Blätter, welche in einer steilen, linksläufigen, fast ganz einseitswendigen Schraubenlinie stehen, während ihre Insertionen nicht quer zur Achse, sondern in der Ver- bindungslinie der Blattbasen, also fast longitudinal gestellt sind. Die Achselsprosse stehen somit neben ihnen. Die Verbindungslinie der Blattbasen ist aber eine rein ideale Linie, ich finde keine Spur jener Leiste, welche bei den echten Zwangsdrehungen nach dem Typus von Weigelia die Blattbasen vereinigt, 400 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Am Grunde des gedrehten Theiles biegt sich der Stengel; bis dahin gerade aufgerichtet, bildet er jetzt einen Winkel von 50° mit der Vertikalen. Auf der Grenze der Aehre richtet er sich wieder aufwärts. Die Blattinsertionen stehen so, dass die Medianen der Blätter senkrecht stehen und ihre Oberseite nach oben gerichtet ist. Der gedrehte Theil ist aufgetrieben, fast doppelt so dick wie der normale. Er zeigt einen Riss, der der Richtung der Riefen folgt. Bis auf die fehlende Verwachsung der Blattbasen stimmt die Erscheinung ganz mit den echten Zwangsdrehungen überein, wäh- rend sie in fast allen Hinsichten von den einfachen Torsionen ab- weicht. Dennoch glaube ich hier eine einfache Torsion vor mir zu haben, und dass die Erklärung ihrer Abweichung von den Torsionen der übrigen Phyteuma-Stengel in der Seitwärtsbiegung der gedrehten Strecke und in der, wohl geotropischen Aufrichtung der Blüthen- ähre zu suchen sein wird. Doch lässt sich hierüber am vorliegenden, ausgewachsenen und getrockneten Stengel nichts ermitteln und muss auch hier eine endgültige Erklärung neuer Funde, oder einer Cultur der gedrehten Rasse, wenn diese noch vorhanden sein sollte, anheimgestellt werden. Für die weiteren Betrachtungen, zu welchen dieses Material die Veranlassung giebt, verweise ich auf den im Eingang citirten Aufsatz von Magnus. 5. Valeriana officinalis. Ein 70 cm hoher Stengel von normaler Dicke, an welchem sich fünf beblätterte Knoten vorfinder, von gestreckten Internodien getrennt. Die beiden unteren dieser fünf Knoten tragen je nur ein Blatt mit stengelumfassendem Fuss, die drei oberen Knoten tragen decussirte Blattpaare. Das Internodium zwischen den beiden erstgenannten Knoten (12 cm lang) ist tordirt, seine Riefen machen etwa Eine rechtsansteigende Windung. 8 3. Torsionen von Blättern. Calamagrostis Epigeios. „Perleberg, legit Lehmann.“ „Drehungen in Folge behinderten Längenwachsthums. Umsetzungen der Dre- hungen an den Blättern, wie an der festgehaltenen Ranke, weil das flache Blatt an seiner Spitze auch nicht nach rechts oder links ausweichen konnte!! P. Magnus.“ Ein am Rhizom abgebrochener blühender und dennoch nur 20 cm langer Spross, dessen Längen- wachsthum, mit Ausnahme der unteren Internodien, offenbar durch irgend eine Ursache gehemmt worden ist. Der Spross selbst nicht gedreht, nur gekrümmt, die ganze Rispe zu einem Knäuel von etwa MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 401 3cm Länge zusammengedrungen. Die Missbildung lässt sich am besten mit dem mangelhaften Wuchs vieler Pflanzen unter dem Einflusse des Schäumthierchens (Cercopis spumaria) vergleichen. Die Blätter, welche von derselben Ursache nicht oder doch nicht in gleichem Maasse in ihrem Längenwachsthum beeinträchtigt wurden, sind stark tordirt, und zwar mit abwechselnder Richtung. Sie stecken mit ihren Spitzen ineinander und dieses mag die Torsion, wenigstens zum Theil, bedingt haben. Aehnliche Torsionen bekommt man bekanntlich, wenn man an Stengeln während des Wachsthums die Spitze nach unten biegt und festbindet. Ob im vorliegenden Falle die Torsionen teratologischer Natur sind, scheint mir fraglich. Wunderlich sind sie aber ohne Zweifel. Erklärung der Tafeln I—X. Tafel I. Dipsacus silvestris torsus. Drei tordirte Individuen aus der dritten Generation meiner Rasse, am 28. Juni 1889 aus- gegraben und photographirt. Fig. 1. Das einzige unter etwa 70 tordirten Exemplaren, dessen Torsion in der Mitte unterbrochen war. Von den beiden zwischengeschobenen geraden Internodien läuft die Blätter- spirale auf dem unteren als stellenweise zerrissener Flügel b, c, d auf dem oberen f, g als eine in der Figur nicht sichtbare gerade Wundlinie. Blätterspirale linksläufig. Höhe vom Wurzel- hals w bis zur Gipfelblüthe 85 cm. a angewachsenes Suturblättchen. Fig. 2. Häufigerer Fall, oberhalb des gedrehten Stammes sind zwei Internodien ausser dem Stiel der Inflorescenz gestreckt. Die Knoten 5 und 6 sind zwei- resp. dreiblättrig, ihre Projectionen sind auf Taf. VI in Fig. 5 und 6 abgebildet. Das Internodium unterhalb 5 trägt eine sehr deutliche Wundlinie, offenbar durch Zerreissung der Blätterspirale entstanden. w Wurzelhals. Höhe bis zur Gipfelblüthe 120 cm. Blätterspirale linksläufig. Fig. 3. Der häufigste Fall unter den 70 tordirten Pflanzen. Oberhalb des gedrehten Theiles nur ein gestrecktes Internodium ausser dem Blüthenstiele. Blattquir! zwischen diesen beiden dreigliedrig. Blätterspirale rechtsläufig. Höhe oberhalb des Wurzelhalses w 90 cm. Tafel II. Dipsacus silvestris torsus. Mikrotomschnitte aus den wachsenden Gipfeln sich tordirender und anderer Hauptstämme, welche im Mai 1889 abgeschnitten und in Alkohol eingelegt wurden (Fig. 2—9) und aus der Wurzelrosette eines solchen Exemplares vor Anfang der Streckung am 27. December 1889 eingelegt (Fig. 1). Jede Figur ist einem besonderen Individuum entnommen. Fig. 1 (5:1). Centraler Theil einer sehr kräftigen Winterrosette mit spiraliger Blatt- stellung, geschnitten 2,5 mm oberhalb des Vegetationspunktes. Spirale linksläufig. Blatt- winkel Nr. 3 bis Nr. 16 = 5 x 360° + 20° = 1820°. Divergenzwinkel somit etwa 140°. Fig. 2 (5:1). Dreizähliger Stengel, kurz oberhalb des Vegetationspunktes geschnitten. Fig. 3 (5:1). Tordirender Hauptstamm, 1,4 mm oberhalb des Vegetationspunktes ge- schnitten. Blätterspirale rechtsläufig; Blätter oberhalb der Flügelverbindungen getroffen. Fig. 4 (20:1). Gipfel eines tordirenden Stammes, auf welchem die Inflorescenz bereits angelegt worden ist. Blätter 1,2 und 3 in rechtsläufiger Spirale, wie die sämmtlichen älteren Blätter; 4, 5 und 6 als dreigliedriger Wirtel (Winkel 120°). 26 402 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Fig. 5 (20:1). Gipfel eines tordirenden Stammes vor Anlage des Blüthenköpfchens. Die Blätterspirale linksläufig, umfasst auch die höchsten sichtbaren Blattanlagen. Fig. 6 (5:1). Blatt eines dreizähligen Individuums mit dreizähliger Achselknospe. Fig. 7 (5:1). Normaler Hauptstamm mit decussirten Blättern, 0,2 mm oberhalb des Vegetationspunktes geschnitten. Fig. 8 (5:1). Blatt eines tordirenden Stengels mit zweizähliger Achselknospe ohne colla- terale Knospen. Fig. 9 (5:1). Individuum mit tordirtem Hauptstamm und rechtsläufiger Blattspirale, welche sich noch über die Blätter 1—4 erstreckt. Jüngere Blätter in dreigliedrigen Wirteln. Auf der Grenze ein gespaltenes Blatt 5. Der rechte Flügel des Doppelblattes 5 (xx) schliesst sich, 3,2 mm tiefer, an den Flügel des Blattes 4 an, der linke an Blatt 6 (xx). Die beiden mittleren Flügel von 5 und der benachbarte von 7 (x) laufen am Internodium, welches sich wahrscheinlich bedeutend gestreckt haben würde, abwärts, wie aus den successiven Mikrotom- schnitten ersichtlich war. NB. Sämmtliche auf dieser Tafel abgebildete Blätter von tordirenden Exemplaren (Fig. 3 bis 6 und S—9) waren noch so jung, dass das Internodium unter ihnen noch keine Spur von Torsion zeigte. Tafel III. Dipsacus silvestris torsus. Suturblätter, Suturknospen und accessorische Achselknospen. Die Ziffern weisen die Stellung der Blätter in der Spirale an wie auf der vorigen Tafel. Mit Ausnahme von Fig. 9—12 sind sämmtliche Präparate aus Mikrotom-Schnittserien ausgewählt, für welche junge Pflanzen mit tordirendem Hauptstamm, im Mai 1889 abgeschnitten, das Material lieferten. Fig. 1 (5:1). Aus einem tordirenden Hauptstamm mit rechtsläufiger Blattspirale. Vier Schnitte A—D, welche dasselbe Suturblättchen s in verschiedener Höhe treffen. A 2,8 mm oberhalb, B 0,6 mm, C 1,6 mm, D 3,2 mm unterhalb des Vegetationspunktes. In A ist s in seinem Gipfel geschnitten; in B weit oberhalb der Insertion des Blattes 4; in C ist es rück- ständig mit Blatt 4 verwachsen (0,8 mm oberhalb der Insertion des Blattes 4). D 0,8 mm unterhalb der Insertion des Blattes 4; die beiden Flügel von s an das Internodium ange- wachsen; sie laufen bis an die Insertion der Blätter 1 und 2 abwärts. Aehnlich verhält sich das Suturblatt ulV in Fig. 3 auf Taf. VI. Fig. 2 (5:1). Mikrotomschnitt durch einen tordirenden Stengel, 1 mm unterhalb des Vegetationspunktes. Das Suturblättchen s ist dem Blatt 5 rückständig angewachsen. Die Verbindungslinie liegt anodisch von der Mediane von 5; die Bauchseite des Suturblättchens ist dem Blatte 3 zugekehrt. Spirale linksläufig. Fig. 3 (5:1). A und B. Ein Suturblatt s oberhalb der Verbindung mit dem Internodium getroffen und zwar in B 1,2 mm, in A 2,0 mm oberhalb dieser Stelle. Das Blättchen war nur bis 0,2 mm unterhalb des Blattes 4 an das Internodium angewachsen, also nicht dem Blatte selbst. Fig. 4 (5:1). Querschnitt einer tordirten Pflanze mit linksläufiger Spirale, 1,8 mm unter- halb des Vegetationspunktes. Zwei Suturblättchen s und s’. Das eine, s, ist 2 mm tiefer an Blatt 3, das andere, s’, 2,5 mm tiefer an Blatt 6 angewachsen. Fig. 5 (5:1). Achselspross mit collateralen Knospen von einem tordirten Stamm mit linksläufiger Blattspirale. Fig. 6 (5:1). Dasselbe von einem anderen im gleichen Sinne tordirten Individuum im Querschnitt. Fig. 7 (5:1). Aehnlicher Fall aus einer rechtsläufigen Spirale. Die beiden collateralen Knospen fasciirt. Fig. 8 (5:1). Suturknospe (s) auf dem Querschnitt eines tordirten Individuums mit links- läufiger Blätterspirale. h — Höhlung des Stengels, verengt durch das schraubenförmige Diaphragma. Fig. 9-12. Einem erwachsenen Stamme eines Individuums mit linksläufiger Blätter- spirale entnommen. Fig. 9 (1:1). Ein freies Suturblättchen. Fig. 10 (1:1). Ein solches, zweinervig, mit seiner Insertion zwischen den Blättern 1 und 2. p Flügelverbindung. 2 Fig. 11 (1:1). Basis eines Blüthenstieles mit den beiden collateralen Achselknospen. Fig. 12 (1:1). Eine Suturknospe, auf der Grenze der Blätter 1 und 2, deren Achselknospen bereits zu blühreifen Sprossen entwickelt waren. MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 403 Fig. 13 (5:1). Halbschematische Darstellung der Lage der Suturblättchen; eingetragen in einen Abschnitt einer linksläufigen Spirale. 13 A quer zur Spirale; dieses Blättchen ist weiter aufwärts um 90° geotropisch gedreht. 13 B parallel zur Spirale, dieser die Bauchseite zukehrend, mit einer Suturknospe. Weiter oberhalb um 180° geotropisch gedreht. 13 C parallel zur Spirale, dieser die Rückenseite zukehrend, mit zwei Suturknospen. Blättchen weiter nach oben nicht gedreht. Fig. 14 (5:1). Suturblättchen (s), welches nur über einen kleinen Theil des Internodiums angewachsen war. Querschnitt oberhalb dieser Verbindung und unterhalb des nächstoberen Blattes, welches die Nummer 4 tragen würde. Blätterspirale linksläufig. Tafel IV. Dipsacus silvestris torsus. Fig. 1. Darstellung der Drehungsbewegung nach Darwin’s Methode zur Beobachtung der Circumnutation. Das Blatt 1 war bereits zur Ruhe gelangt. Die Lage der folgenden Blätter 2—11 am Anfang des Versuchs ist durch 0 vorgestellt, ihre Bewegung durch den ausgezogenen Theil des Kreises. O Anfangslage am 11. Mai 1889, I Lage am 13. Mai, Il ” ” 15. s t 11 N Es, IV OT RME EE V ” LE 21. ” Wenn eine oder mehrere der letzten Marken fehlen, so hat sich das betreffende Blatt, nach Erreichung der zuletzt markirten Lage, nicht weiter bewegt. Fig. 2. Schema für die Gürtelverbindungen der Gefässbündel eines Blattpaares einer normalen decussirten Pflanze. mm, mittlere Gefässbündel der Blattnerven. a, b seitliche Bündel und c Randbündel der Mittelnerven. d Gefässbündel der Flügel auf dem Suturbogen entspringend. a&b’ eine der zahlreichen Abweichungen, welche von diesem Schema vor- kommen. Fig. 3 (1:1). Grund der Flügelverbindung zweier benachbarter Blätter eines tordirten Exemplares mit den Flügeladern. m, m’ mittlere Gefässbündel der Hauptnerven der beiden Blätter; a, c, a’, c’ seitliche Bündel der Mittelnerven; p, q Randbündel. Vom Suturbogen c c” entspringen die wichtigsten Flügeladern. Fig. 4 (1:2). Suturblatt (b) an einem gestreckten Internodium eines grundständigen Astes eines atavistischen Individuums, am 18. Juli 1889 abgeschnitten und photographirt. 1, 2 die beiden weggeschnittenen Blätter des Knotens a; 3, 4, 5 die Blätter des folgenden Knotens; c, d Flügelverbindung zwischen Blatt 2 und 3. Fig. 5 (1:1). Querschnitt durch ein junges, Mai 1889 abgeschnittenes, tordirendes Exem- plar, etwa 1 mm oberhalb des Vegetationspunktes. Man erkennt, wie die Divergenzwinkel durch die Torsion kleiner werden. Von Blatt 2-11 trifft der Schnitt die Flügelverbindungen, sonst liegt er oberhalb dieser. Fig. 6 (1:1). Querschnitt durch einen erwachsenen Stamm mit rechtsläufiger Blatt- spirale, die in die Höhlung hineinragende Diaphragmaleiste zeigend. Fig. 7 (1:1). Schiefer Längsschnitt eines Gipfels eines tordierenden Stammes, tangential zur Höhlung genommen, um das schraubenförmig in diese hineinragende Diaphragma zu zeigen. Fig. 8 (3,5:1). Querschnitt durch ein junges Internodium eines Hauptstammes mit rechtsaufsteigender Blattspirale, das Diaphragma zeigend. a, b, b’ collaterale Achselknospen. Fig. 9 (3,5:1). Die Gefässbündel am Grunde der Blätter 12 und 13 des in Fig. 5 ab- gebildeten Exemplares. Tangentialschnitt, in Kreosot durchsichtig gemacht. Bedeutung der Buchstaben wie in Fig. 3. Fig. 10 (1:1). Ein Stammgipfel eines jungen tordirenden Exemplares, im Mai 1889 ab- geschnitten und der Länge nach aufgespalten und flach gelegt. Blätterspirale rechtsauf- steigend. Die einzelnen Blätter sind an ihrer dicken medianen Blattspur kenntlich, sowie an dem kleinen Kreise, der die Lage der normalen Achselknospe andeutet. Man erkennt die in ihrem Bau variablen Gürtelverbindungen. Fig. 11 (1:2). Theil eines grundständigen Astes eines abgeschnittenen Atavisten, am 17. Juli 1889 photographirt. Ein Knoten mit geringer Torsion zwischen zwei gestreckten Internodien; man sieht die beiden Achselsprosse der beiden dicht nebeneinander stehenden Blätter. Am Internodium unterhalb dieses Knotens lief der Blattflügel bis zum nächstunteren 26* 404 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Blatt anfangs herab, war aber während der Streckung zerrissen (0), man erkennt die Riss- linie bei r, S. Fig. 12 AB (5:1). Zwei Querschnitte eines Hauptstammes mit rechtsläufiger Blatt- spirale. In A ist bei s die Insertion einer Suturknospe getroffen, die Flügelbündel sind noch getrennt. Im Schnitt B, 0,2 mm tiefer, erkennt man den Suturbogen (s’), aus welchem jene Flügelbündel entspringen. Er liegt ausserhalb des Gefässbündels der Suturknospe (s). a eine collaterale Achselknospe. Tafel V. Dipsacus silvestris torsus. Alle Figuren sind Photographien von Theilen von Zweigen, welche im Juni 1889 aus den Stümpfen der dicht am Boden abgeschnittenen Atavisten emporwuchsen und Mitte Juli 1889 photographirt wurden. Fig. 1 (1:2). Locale Zwangsdrehung (Blatt5, 6, 7,8) oberhalb eines dreiblättrigen Knotens (a mit Blatt 1, 2, 3). Blatt 4 ist durch die Streckung des Stengels oberhalb a zweibeinig ge- worden. Seine Vorderseite ist an die Vorderseite des Blattes 3, welches sonst ein normales Glied des dreiblättrigen Quirls bildet, angewachsen. Fig. 2 (1:2). Locale Zwangsdrehung zwischen gestreckten Internodien. Am Knoten a die Blätter 1 und 2, dieses mit seinem Flügel an 3 verwachsen. Zwangsspirale in Blatt 3, 4, 5,6 und 7. Letzteres durch Streckung des Stengels zweibeinig geworden und ferner durch eine Risslinie und einen zerrissenen Flügeltheil mit 8 verbunden. Die drei Blätter 8, 9, 10 in ungleicher Höhe, einen Scheinwirtel bildend. Der Flügel des Blattes 1 von a bis b herab- laufend; unterhalb b bis zum Knoten eine Risslinie. cd, die Risslinie, welche die beiden Beine des Blattes 7 mit einander verbindet. Fig. 3 (1:2). Vierblättriger Scheinwirtel zwischen gestreckten Internodien, mit starker Zwangsdrehung (a—b). Bei c lief der Flügel des unteren Blattes in der Jugend am Inter- nodium abwärts, doch war jetzt losgerissen. Der Stengel trug die entsprechende Risslinie. Fig. 4 (1:3). Diphyller Becher mit ganz verwachsener, viergipfliger Spreite. Die vom Trichterstiel eingeschlossene Endknospe des Sprosses hat diesen seitlich gesprengt und tritt durch den Riss hervor. Sie hat aber ihre Spitze noch nicht befreit. Fig. 5 (1:2). Locale Zwangsdrehung, die an den Zweigen meiner Cultur in 1889 häufigste Art des Auftretens zeigend. Fig. 6 (1:2). Anschluss einer Zwangsdrehung an einen dreigliedrigen Wirtel (Blatt 1, 2, 3), dessen unteres Blatt (1) mit seinem Flügel nicht an Blatt 3 anschliesst, sondern am Internodium als schmale Flügellinie abwärts läuft. Flügel von Blatt 3 mit Blatt 4 verwachsen, ebenso die Flügel in der Spirale 4, 5, 6. Von Blatt 6 führt eine Risslinie zu Blatt 7. Von Blatt 7 führt eine braune Risslinie am 8 cm langen gestreckten Internodium aufwärts bis zum unteren Blatte eines dreigliedrigen Scheinwirtels. Fig. 7 (1:2). Der Knoten a trägt die genau opponirten Blätter 1 und 2. Daran schliesst sich die Zwangsspirale von Blatt 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 an, mit schöner Torsion des Stengels von 4 bis 10, aber mit Streckung von d bis c. Durch diese Streckung ist das zweigiflige Blatt 3 zweibeinig geworden. Die entsprechende Risslinie war von c bis d am Stengel deutlich sicht- bar. Dem Rücken des Blattes 3 ist das Blatt o gleichfalls mit seinem Rücken bis zur halben Höhe angewachsen, es steht mit seinen beiden Flügeln am Knoten a inserirt. Es ist vielleicht nur ein stark ausgebildeter Theil des Flügels zwischen Blatt 1 und 2 auf der Seite a. Tafel VI. Dipsacus silvestris torsus. Fig. 1 (1:2). Ein tordirender Hauptstamm, der im Juni 1890 zu Versuchen diente. Nachdem er völlig ausgewachsen war, wurde er im Herbst abgeschnitten und photographirt. Im unteren Theil wurden die Gürtelverbindungen der Gefässbündel der Blätter abgekratzt, bevor die Torsion an der betreffenden Stelle anfing. Die Torsion ist dadurch nicht gestört worden. Im oberen Theil wurden Längsschnitte zwischen je zwei Blättern vor Anfang der Torsion gemacht. Die zwischen zwei Längsschnitten liegenden Theile wuchsen gerade aus, ohne sich zu tordiren. Den Gipfel liess ich ohne Verwundung, hier trat die Zwangsdrehung wieder in üblicher Weise ein. a, b. Der vierte Umgang der Blätterspirale oberhalb der Wurzelblätter. 1-8. Die Reihenfolge der Blätter, jetzt am leichtesten an ihren Achselsprossen kenntlich. Einschnitte sind gemacht zwischen Blatt 1 und 2 (d, e), 3 und 4 (auf der Hinterseite liegend, MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. 405 der anodische Rand des Schnittes mit c, c’, c”, der katodische mit g, g’, g” bezeichnet) und zwischen Blatt 4 und 5 (die Ränder dieses Schnittes durch h, h’, f, f angedeutet). Fig. 2 (1:2). Aus demselben Material wie Tafel V. Decussirter Stengel mit einem ,,auf- gelösten‘ Blattpaar ab; die Decussation ist dadurch nicht gestört. Vom Blatt a läuft ein später vom Internodium losgerissener Flügel (c) abwärts; die Risslinie erstreckt sich bis zum unteren Blattpaar. Fig. 3 (1:2,5). Der in einer vorigen Arbeit, Seite 159 dieses Bandes, Tafel I, Fig. 7 abgebildete Stamm von der anderen Seite gesehen. Die Suturblätter (u—ulV) mit den entsprechenden Buchstaben belegt; u’ ist in dieser Figur nicht sichtbar, ulV war in der zitirten Figur hinter den beiden mittleren Blättern der rechten Seite versteckt. u, u” und u’” freie; ulY angewachsenes Suturblättchen. (In der Erklärung der citirten Figur ist u” irr- thümlich als angewachsenes Suturblättchen angegeben.) Fig. 4 (1:2). Zwangsdrehung aus demselben Material wie Tafel V, mit zweibeinigem Blatt an einen zweiblättrigen Knoten anschliessend. Es ist dies der höchste Grad von Torsion, welchen ich bis jetzt an Seitenzweigen meiner Rasse beobachtet habe. Fig. 5 und 6. Projectionen der beiden zwei- und dreiblättrigen Scheinwirtel der auf Tafel I in Fig. 2 abgebildeten Pflanze; 6 des oberen, 5 des zweitoberen Quirls. Die Ziffern geben die Reihenfolge der Blätter in der genetischen Spirale an. Je weiter sie vom Stengel gezeichnet sind, um so tiefer waren sie diesem eingepflanzt. Fig. 7 (1:2). Ein ähnliches Präparat wie Fig. 1, aus derselben Versuchsreihe. Die untere Stammeshälfte mit vier Umgängen der ansteigenden Blätterspirale nicht gezeichnet. 1—6, die aufeinanderfolgenden Achselsprosse der Blätter der Versuchsstrecke. Einschnitte wurden gemacht zwischen Blatt I und 2 (in der Figur unsichtbar, da er auf der Rückenseite liegt), Blatt 2 und 3 (a, a’, a”, d”, alV, aV) und zwischen Blatt 3 und 4 (b, b’, b”). Es geschah dieses im Juni, vor Anfang der Torsion an den betreffenden Stellen. Demzufolge unterblieb die Drehung im Stengel zwischen Blatt 1 und 4. Oberhalb dieses Blattes stellte sie sich wieder ein. Tafel, VII. Dipsacus silvestris torsus. Fig. 1 (1:3). Geringer Grad von Becherbildung am unteren Knoten eines Zweiges eines im Juni 1889 am Boden abgeschnittenen Atavisten. Fig. 2 (1:4). Keilförmiges Blüthenköpfchen als End-Inflorescenz eines in der Achsel eines gabelspaltigen Blattes stehenden Sprosses. Fig. 3 (1:2). Einblättriger Becher, aus dessen Trichterstiel sich die Endknospe (c) des Zweiges durch einen Riss (a, b) befreit hat. de, Achseltriebe eines Blattpaares, welches nur durch ein ganz kurzes Internodium vom Becher getrennt war. Spreite des Bechers einspitzig. Fig. 4 (1:1). Einblättriger Becher, wie Fig. 1—3 aus demselben Material wie Tafel V. ab Risslinie, welche die normale Stellung des Bechers c als dem Blatte d opponirt erscheinen lässt; o Achselknospe. Fig. 5 und 6 (1:6). Gipfel zweier Atavisten aus der Cultur von 1889, am 28. Juni photo- graphirt. Beide Stämme mit genau decussirter Blattstellung, aber in den Gipfeln mit mehr oder weniger tief gespaltenen Blättern. Drei Achselsprosse gespalten. Die Pflanzen waren 2 m hoch und sind kurz vor der Blüthe abgeschnitten. Tafel VIII. Fig. 1—6. Weigelia amabilis. Fig. 1 (1:1). Typische Zwangsdrehung, August 1886 in einem Garten unweit Hilversum gefunden. Die drei unteren Blätter (1 —3) in Scheinwirtel, an diesen anschliessend die Zwangs- spirale 4—15. Unterhalb des Wirtels 1 —3 hatte der Zweig nur noch einen Knoten, gleichfails mit dreiblättrigem Scheinquirl. Fig. 2 und 3 (1:1). Zwangsdrehung, im Jahre 1871 in einem Garten in Haag von mir gesammelt. Fig. 2 aus dem oberen, Fig. 3 aus dem unteren Theil des Zweiges. Die Blätter dicht am Grunde abgeschnitten. Fig. 4. Horizontalprojection der Blattstellung des in Fig. I abgebildeten Zweiges. Die einzelnen Blätter sind mit denselben Zahlen belegt wie in jener Figur. Fig. 5 (40:1). Die Endknospe des in Fig. 1 abgebildeten Zweiges, im Querschnitt kurz oberhalb des Vegetationspunktes. Blätter sämmtlich in spiraliger Anordnung. Fig. 6 (12:1). Ein etwas tieferer Schnitt durch dieselbe Knospe. 406 MONOGRAPHIE DER ZWANGSDREHUNGEN. Fig. 7. Lupinus luteus. Fig. 7 (1:1). Eine Inflorescenz mit spiraliger Anordnung der Blüthen und zwangsgedrehter Achse. Ermelo, Juli 1890. Man erkennt die spiralige Verbindungslinie der abgefallenen Bracteen. Tafel IX. Fig. 1. Deutzia scabra. Zweig mit localer Zwangsdrehung aus dem botanischen Garten in Amsterdam. Blätter abgeschnitten. Die Zahlen weisen ihre Anordnung in der genetischen Spirale an. 1, 2 fast normales; 8, 9 normales Blattpaar. Zwischen diesen beiden die fünf Blätter 3—7 in Spirale mit dem Divergenzwinkel ?/;. Sie sind unter sich durch eine er- habene Linie verbunden, welche namentlich zwischen 5, 6 und 7 deutlich entwickelt war. An dieser Stelle Zwangsdrehung um etwa 180°. Fig. 2. Horizontalprojection desselben Zweiges nach Aufhebung der Torsion (Zurück- drehung um etwa 180°). Die einzelnen Blätter durch dieselben Zahlen angegeben. Die ge- zogenen Linien deuten die verkürzten, die punktirten die gestreckten Internodien an. Fig. 3 (1:1). Lonicera tatarica. Zweig mit Zwangsdrehung aus dem botanischen Garten in Amsterdam. Blätter abgeschnitten und nach der genetischen Spirale numerirt. Blatt 1 —4 vierblättriger, vertical ein wenig auseinander geschobener Quirl; unterhalb dieses hatte der Zweig noch zwei vierblättrige Quirle. In der Region der Blätter 8-11 ist der Stengel um etwa 180° tordirt, sonst nicht. Fig. 4. Horizontal-Projektion desselben Zweiges nach Aufhebung der Torsion. Die Blätter stehen alle in viergliedrigen alternirenden Wirteln. Die punktirten Linien deuten die ge- streckten Internodien an. Fig. 5 (1:1). Urtica urens. Zweig mit lokaler Zwangsdrehung. Ermelo, Juli 1890. Die Abweichung beschränkt sich auf die Blättergruppe br—b4. Das Blattpaar a3, a4, sowie CI, cz und die höheren sind normal. In der Region br, bg ist der Stengel um etwa 180° tordirt, sonst nicht. Fig. 6. Horizontalprojection desselben Zweiges, ohne Aufhebung der Torsion. Die ein- zelnen Blätter durch dieselben Bezeichnungen angedeutet, Die gezogene Linie cz, b2, a2 ist die mediane äussere Blattspur von c2 und b2 und giebt somit die Torsion an. Die durch eine Accolade verbundenen Blätter b2, b3 hatten ihre zwischenliegenden Stipeln verwachsen. Fig. 7 und 8 (1:1). Dianthus Caryophyllus mit localer Zwangsdrehung (bz, bz, cr, c2) an sonst normal decussirten Stengeln. Putten, Juli 1890. b*, c*, d* die Achselsprosse der Blätter br, cr und dr. Tafel X. Fig. 1 (1:1). Valeriana officinalis. Theil eines Stengels mit der Blattstellung 1/2, Blatt- scheide (a) den Stengel (b) umfassend. Ankeveen, Juni 1886. Fig. 2 (1:1). Zea Mais. Keimling in Wassercultur, mit schraubiger Hauptwurzel. Fig. 3 (1:1). Lysimachia thyrsiflora. Einfache Torsion, die decussirte Blattstellung ist dabei erhalten geblieben. Ankeveen, Juni 1886. Fig. 4 (1:1). Polygonum Fagopyrum. Ermelo, Juli 1890. Zwischen o und p sind die Stipulae von Blatt 1 und 2 verwachsen; demzufolge ist der Spross hier gestaucht, gekrümmt und gedreht; bei q hebt er sich geotropisch aufwärts. 1, 2, 3, 4 die successiven Blätter, la, 2a, 3a, 4a ihre Achselsprosse (2a ist ein Blüthenstiel). Fig. 5 (1:1). Juncus effusus. Flacher Stengel, um die eine Seitenkante tordirt. Fig. 6 (1:1). Dioscorea japonica. Tordirter zweispreitiger, abgeflachter Blattstiel, bei a auf dem Stengel eingepflanzt. c nächsthöheres Internodium. Fig. 7 (4:1) und 8 (4,5:1). Lupinus luteus. Querschnitte dicht unterhalb des Vege- tationspunktes zweier junger, etwa 1 cm langer Inflorescenzen mit spiraliger Anordnung der älteren Blüthenknospen. Man erkennt die spiralige Stellung der Bracteen, in deren Achseln die Blüthenknospen noch ganz jung waren. Die Torsion hatte in dem betreffenden Theil der Achse noch nicht angefangen. Fig. 9 und 10 (2:3). Crepis biennis. Ein Theil eines Sprosses mit localer Zwangsdrehung, von beiden Seiten photographirt, Mai 1890. Die Blätter 1—4 in einer Gruppe zwischen zwei gestreckten Internodien. Blatt 2 und 3 durch unvollkommene Gabelung eines Blattes ent- standen, am Grunde nicht getrennt, in ihrer gemeinschaftlichen Achsel der kurze, sehr flache und sehr breite Zweig o. Die Zwangsdrehung auf diesen Abschnitt des Stengels beschränkt. (Pringsheim’s Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, Ba XAM. 1802.83: 73.) 7 Monographie der Zwangsdrehungen. Taf. I. A Z j VELD t Na, Hugo de Vries, Opera. Fa. P. W. M. Trap impr. Monographie der Zwangsdrehungen. Fa. P. W. M. Trap impr. Hugo de Vries, Opera. Monographie der Zwangsdrehungen. Taf. II. we fia > of o / Za si (a, TA x Hugo de Vries, Opera. | Fa. P. W. M. Trap impr. Monographie der Zwangsdrehungen. Taf.-V. BESTE, Fig. Hugo de Vries, Opera. Fa P. W. M. Trap. impr. | TARS NS Monographie der Zwangsdrehungen. Fa. P. W. M. Trap impr. Hugo de Vries, Opera. Monographie der Zwangsdrehungen. Taf. VI. Faas Hugo. de Vries, Opera. Fa. P. W. M. Trap impr. qu mu Taf. VII. Monographie der Zwangsdrehungen. Fa. P. W. M. Trap impr. Hugo de Vries, Opera. Taf. VIII. Monographie der Zwangsd rehungen. Hugo de Vries, Opera. Fa P. W. M. Trap. impr. Ta- ILAS Monographie der Zwangsdrehungen. ~ - de ie D Fa. P. W. M. Trap impr. Hugo de Vries, Opera. Monographie der Zwangsdrehungen. Te Hugo de Vries, Opera. Fa. P. W. M. Trap impr. BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. Met Plaat 1— II. In het afgeloopen jaar is het mij gelukt een aantal nieuwe voor- beelden van den klemdraai bijeen te brengen, waarvan de be- schrijving en afbeelding wellicht voor hen, die in dit verschijnsel belang stellen, niet onbelangrijk is. Deze voorbeelden zijn voor het grootste deel in mijne culturen van planten met afwijkingen ontstaan, voor een klein deel toevallig in den Hortus Botanicus te Amsterdam gevonden, terwijl ik een zeer fraai gedraaid exemplaar van Galium Aparine te danken heb aan mijn oud-leerling, den heer D. Bierhaalder, te Alkmaar. Het is opvallend, dat in een zoo klein tijdsbestek zulk een aantal gevallen van klemdraai kunnen verzameld worden. Men zou daaruit meenen te mogen afleiden, dat zij niet zoo zeldzaam zijn, als de nauwkeurige studie der voorhanden literatuur doet denken). Aan mijne lijst laat ik eene proef met een gedraaid exemplaar van Dipsacus sylvestris voorafgaan, waarin het mij gelukt is het vroeger gegeven experimenteele bewijs voor Braun’s theorie (M. d. Z. blz. 277—280) aanzienlijk te vereenvoudigen. I. Dipsacus sylvestris torsus. De klemdraai, die bij planten met normaal tegenovergestelde of in kransen geplaatste bladeren optreedt, als deze bladstand door eene spiraalsgewijze plaatsing der bladeren wordt vervangen, wordt beschouwd als een mechanisch gevolg van de onderlinge verbinding der bladvoeten tot een onafgebroken en weinig rekbare schroeflijn. Tot de bladvoeten rekent men dan niet alleen de plaats van in- planting zelve van het blad, maar ook het daaronder liggend ge- deelte van den stengel, waarin de bladsporen afdalen, tot aan den eerstvolgenden omgang der schroeflijn. Door deze bladvoeten van elkander los te snijden is het mij gelukt midden in overigens zich tordeerende stengels, rechte inter- nodiën te doen ontstaan (M. d. Z. Plaat VI Fig. 1 en 7, blz. 278), 1) Zie ‘mijne Monographie der Zwangsdrehungen op bladz. 343. 408 BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI, en zoodoende een rechtstreeksch bewijs voor de zooeven genoemde stelling te leveren. Ik achtte het toen noodzakelijk de bladvoeten, elk afzonderlijk, of ten minste twee aan twee, door twee sneden, één aan elke zijde, van het overige deel van den stengel te isoleeren. Het gevolg daar- van was, dat de ontstaande rechte internodiën door twee (of meer) overlangsche sneden in even zoovele strooken verdeeld waren. En daar de groei in deze geen gelijken tred hield, maar de eene langer werd dan de andere, zoo weken zij uiteen; eene omstandigheid, waardoor de afbeelding en beschrijving der praeparaten zeer inge- wikkeld werd. Het was mij toen onmogelijk, deze proeven verder voort te zetten. Want aan de eene zijde heeft men daartoe slechts in een zeer beperkt jaargetijde, tijdens den eersten groei der stengels, de gelegenheid. Zoodra een resultaat zichtbaar wordt zijn alle stengels zoover ont- wikkeld, dat zij voor deze proeven onbruikbaar zijn geworden. Aan de andere zijde was het aantal gedraaide stengels, die ik telken jare voor proeven gebruiken kon, uit den aard der zaak slechts klein. Ik heb dus tot een volgend jaar moeten wachten, om de proef te herhalen. In het jaar 1891 had ik ongelukkigerwijze slechts ééne plant voor deze proef. Want ofschoon in mijn zaaisel van 1890 een twintigtal planten rosetten hadden met spiraalsgewijzen bladstand, zoo waren door den zeer strengen winter van 1890/91 alle rosetten in het hart doodgevroren, met uitzondering van ééne. Slechts deze kon dus een hoofdstengel voortbrengen. Dit exemplaar werd den 17 Juni 1890 aan de proef onderworpen. Het onderste gedeelte van den stam was toen reeds zeer fraai ge- draaid. Zie Plaat I. Fig. 1, waar het alleronderste deel, dat de vier eerste bladeren van de schroeflijn omvatte, is weggelaten. De spiraal der bladeren steeg links omhoog. Het eindhoofdje was reeds tusschen de bladeren der eindknop te zien, en omstreeks een halven cm. groot, Ik sneed toen voorzichtig in het jongste groeiende deel van den stengel één enkele snede, door welke, zooals later bleek, de bladspiraal tusschen het 20° en 21° blad getroffen werd. Deze snede drong tot in de holte van den stengel door, en isoleerde de bladvoeten der beide genoemde bladeren zeer volkomen. De tegenoverliggende zijde van den stengel bleef gaaf en onverwond. De geheele proef bleef tot deze ééne operatie beperkt, slechts werden later de okselknoppen weggesneden, toen zij tot bloeibare BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. 409 takken begonnen uit te groeien. In het eindhoofd vernietigde ik, nog later, de bloemknoppen, daar op hetzelfde bed een paar andere planten stonden, waarvan ik zaad wenschte te winnen. Ruim een week na de operatie was de uitkomst reeds duidelijk. Het gesnedene gedeelte van den stengel begon zich te strekken terwijl het van onderen en van boven aan gedraaide stengeldeelen grensde. Nog 14 dagen later was het volwassen en had een lengte van 7cm, bereikt. Ik liet de plant nog tot 1 September op het veld, om alle deelen voldoende houtig te laten worden, rooide haar toen, en photographeerde haar later in gedroogden en ontbladerden toestand. (Pl. I, Fig. 1.) Men ziet aan deze figuur duidelijk, dat door die ééne snede een deel van den stengel, dat anders zonder twijfel ook gedraaid zou zijn, recht geworden is. Daarenboven is dit stuk nu, trots de operatie, tot een zuiver gevormd internodium geworden, dat overal op de dwarse doorsnede zooveel tot den cirkelvorm nadert, als de gapende wonde dit toelaat. De wijdte der wonde is in het midden het geringste; hier bedraagt zij slechts 4mm. bij een diameter van het internodium van 14 mm., of liever bij een omtrek van 40 mm. Naar onderen en naar boven wordt de wonde allengs wijder, klaar- blijkelijk onder den invloed der bladspiraal; hare wijdte bedraagt op deze beide plaatsen 10 mm. De wond is, zooals men dit ook in de figuur ziet, niet juist op de grens der beide bladeren No 20 en 21 gemaakt; zij gaat integendeel vlak langs de okselknop van No 21, zoodat een deel van de blad- basis van dit blad onder aan de wond gezien wordt. Zij strekte zich onder de inplanting der beide genoemde bladeren tot omstreeks halverwege den volgenden spiraal-omgang uit; de uitstekende punt c in de figuur wijst haar onderste grens aan. De lijn van a tot c is dus de voortzetting van den linker rand der wond, die hier den rechter rand aan het oog onttrekt. Boven de inplanting van blad 21 liep de wond eenigszins scheef en te diep; dit is de oorzaak van de onregelmatige draaiing van den stengel op de hoogte der bovenste bladeren. De bladeren staan hier echter, ten getale van vijf, in een zuivere onafgebroken, links op- stijgende schroeflijn, die tusschen blad 23 en 24 nog eenmaal door de snede getroffen werd, doch niet op voldoende wijze, om ook hier een zuiver gestrekt internodium te doen ontstaan. Deze proef bewijst dus dat de torsie opgeheven kan worden door één enkele snede, wanneer deze het mechanisch verband in de blad- spiraal opheft. Er ontstaat dan een recht internodium. 410 BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. Het is de moeite waard, dit resultaat te vergelijken met de ge- vallen van onderbroken klemdraai, zooals zij ons van tijd tot tijd door de natuur zelve worden aangeboden (M. d. Z. blz. 251-267), en zooals ik er in de eerste figuur van mijne aangehaalde verhandeling een heb afgebeeld. Hier ziet men eveneens, tusschen twee gedraaide stengeldeelen, één of meer internodiën. De schroeflijn der bladeren loopt onafgebroken tot aan het rechte deel omhoog, en springt dan ineens het internodium over. De beide grensbladeren zijn echter verbonden door een wondlijn waarlangs zij, in de eerste jeugd van den stengel, door hun vleugel vereenigd waren, en niet zelden ziet men nog de overblijfselen van den verscheurden vleugel, die op die lijn achtergebleven zijn. Wat hier de natuurlijke wondlijn is, is in onze proef de kunst- matige wonde. De bladspiraal loopt, van onderen af, tot vlak aan die wond en verspringt hier, om boven het rechte internodium zich, schijnbaar ongestoord, voort te zetten. De vleugel is natuurlijk door het mes glad doorgesneden; zij loopt noch van boven noch van onderen langs de wonde, zooals in het geval van eene natuurlijke wondlijn. Als het mogelijk was, de wond zich tijdens den groei te doen sluiten, zou het misschien moeilijk zijn de kunstmatige onder- breking van den klemdraai van de natuurlijke te onderscheiden. Het behoeft wel geene vermelding, dat op het kunstmatig recht- gemaakte internodium van zulk een natuurlijke wondlijn, noch vlak naast de wonde, noch elders eenig spoor te zien was. De operatie was klaarblijkelijk de eenige oorzaak van het achterwege blijven der torsie. Het zij mij vergund hier te wijzen op eene proef, die ik, naast de cultuur van een zuiver gedraaid ras, moeilijk kan uitvoeren. Wanneer men als zaaddragers niet de fraaiste gedraaide exemplaren uitkoos, maar die met de fraaiste onderbrekingen der spiraal, dan zou het waarschijnlijk op den duur gelukken een ras van Dipsacus sylvestris te maken met spiraalsgewijze geplaatste bladeren maar zonder klemdraai. Voor de theorie zou dit feit klaarblijkelijk van veel belang zijn. Mocht iemand deze proef wenschen te doen, zoo stel ik gaarne zaden van mijne gedraaide planten tot zijne beschikking. Ver- moedelijk kunnen zaden, die in September, dus terstond na den oogst, gezaaid worden, in den volgenden zomer reeds stengels maken. Men zou dan het ras zoo goed als eenjarig hebben. II. Valeriana officinalis. De cultuur van deze plant, die ik in 1889 begonnen had, is nog BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. 411 slechts weinig gevorderd. Ik heb in het najaar van dat jaar alle wortelrosetten van de groep planten, waarin een gedraaide stengel gevonden was (M. d. Z. blz. 308), laten uitplanten op een bed van omstreeks 3 O M. In het jaar 1890 vertoonde zich op dat bed geen, in 1891 slechts één gedraaide stengel, van welken het mij echter niet mocht gelukken zaad te winnen. Deze stengel was over zijne geheele lengte gedraaid, en daardoor omgekeerd kegelvormig. Hij was 15 cm. lang, van onderen 1,5 en van boven 5,5 cm. dik. Het bovenste deel was niet gesloten, maar vertoonde een wijd geopende scheur, zooals dit bij gedraaide stengels van den Valeriaan meer voorkomt. De bladeren stonden in een onafgebroken spiraal, die in het onderste gedeelte in ééne wending omhoog steeg, in de bovenste helft echter aan de eene zijde van den stengel in bijna verticale richting liep. Ik vervolgde de blad- spoor van een der hoogste bladeren, en vond dat zij de bladspiraal voor de eerste maal op een afstand van 2°/, bladinsertiën, voor de tweede maal op een afstand van 5 Y, bladinsertiën sneed. De bladstand was dus oorspronkelijk °/,, geweest, evenals in alle overige in dit opzicht onderzochte gedraaide stengels van den Valeriaan. Ook overigens kwam deze stengel geheel overeen met het gedraaide exemplaar van 1889 uit de zelfde cultuur. „Ill. Saponaria officinalis. Van deze soort is, zoover ik weet, nog geen geval van klemdraai beschreven (M. d. Z. blz. 373). De op Plaat II in Figuur 1 afgebeelde stengel is in den zomer van 1891 gegroeid in een vrij omvangrijke cultuur dezer plant, die haar oorsprong vond in een exemplaar, dat ik in Maart 1888 van den heer Prof. J. W. Moll, toen te Utrecht, voor de studie van een andere variatie had ten geschenke gekregen, en dat ik sedert door scheuren had vermenigvuldigd. Tot mijn spijt bracht de gedraaide stengel geen bloemen voort, zoodat ik er geen zaad van winnen kon. Daarentegen won ik van de overige, normale stengels derzelfde plant een vrij groote hoeveel- heid zaad. Op Plaat II ziet men in Figuur 1 dezen stengel in zijn geheel, en op natuurlijke grootte afgebeeld. Hij werd daartoe in October, na voldoende verhouting, vlak aan den wortelstok, waaruit hij ont- sprong, afgesneden (bij a), daarna gedroogd en gephotographeerd. Zooals men ziet, is hij ongeveer tot een halven cirkel gebogen, zoodat zijn middelste gedeelte (b) tegen den grond aangedrukt werd. De boog a b stond dus verticaal, en ook het gedeelte b c verhief zich 412 BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. weder omhoog. Van a tot b was de stengel fraai gedraaid, van b tot c in mindere mate. Wij moeten thans overgaan tot een uitvoeriger beschrijving, en willen daartoe de bladspiraal van onderen tot boven regelmatig volgen. De bladeren zijn verdroogd en vergaan, hunne inplantingen echter nog zeer duidelijk te herkennen. Zij vormen van onderen af aan een onafgebroken lijn. Het tellen der bladeren op deze lijn wordt gemakkelijk gemaakt door de okselknoppen, die nu eens als zoodanig bewaard zijn, dan weer tot takjes zijn uitgegroeid, die aan of dicht boven hunne basis door mij zijn afgebroken. De bladstand van al deze takjes waarvan enkele eene lengte van 20 cm. en meer bereikten, was geheel normaal en gedecusseerd. Op enkele plaatsen waren de okselknoppen van den stengel in den zomer gestorven en vergaan; hunne plaats was dan nog aan een duidelijke groeve herkenbaar. De okselknop van het onderste blad ziet men in de Figuur bij 1. Het tweede blad staat aan de achterzijde, de derde knop ziet men bij 3. De bladspiraal stijgt dus links omhoog; deze richting behoudt zij overal, tot aan den afgebroken top, boven het 36° blad. Doch terwijl zij hier een halven omgang op drie bladeren (twee bladaf- standen) maakt, heeft zij voor den volgenden halven omgang vier bladafstanden noodig; hier is zij dus veel steiler. Van het 7° blad af loopt de bladlijn evenwijdig met de as des stengels, steeds de convexe zijde der kromming innemend, en dezen stand behoudt zij tot aan het 26° en 27° blad. De stengel is hol, de holte natuurlijk niet door tusschenschotten afgebroken. De vorm der doorsnede is niet cirkelrond, maar elliptisch, en wel zoo, dat de bladlijn aan een der beide smalle zijden staat. De stengel is dus min of meer platgedrukt, en zijne kromming leert ons, dat hij aan de bladzijde sterker in de lengte Breer is, dan aan de tegenoverliggende zijde. De uitwendige bladsporen zijn als talrijke fijne ribben op het gedroogde voorwerp zeer duidelijk te zien. Zij loopen, vlak onder de inplanting van elk blad (dus van blad 7 en 8 tot blad 26 aan de achter- zijde der figuur) zeer steil omlaag, aanvankelijk bijna evenwijdig met de bladlijn, of juister met deze een hoek makende, die dikwerf kleiner is dan 20°. Allengs worden zij minder steil en aan de voorzijde ziet men in de figuur hoe zij bijna dwars op de as van den stengel, en dus op de bladlijn, loopen. Om den oorspronkelijken bladstand te bepalen volgde ik de mid- delste uitwendige bladspoor van een blad, tot dat zij de bladspiraal BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. 413 weer trof. Wanneer ik de bladspoor hier en daar met inkt merkte, kon ik haar rondom den tak met een loupe volkomen scherp volgen. Zij trof de bladspiraal op 2°/, bladafstand van haar uitgangspunt. Op verschillende plaatsen van den stengel vond ik bij deze meting dezelfde uitkomst. Hieruit volgt, dat de oorspronkelijke bladstand van den gedraaiden tak, evenals bij de Valeriaan, uitgedrukt wordt door de breuk °/,3. Wij mogen dus, even als voor Dipsacus, Valeriana, Galium, Rubia en andere geslachten, ook voor Saponaria aannemen, dat de ver- vanging van den kruiswijzen bladstand door een spiraalsgewijzen, overeenkomstig de theorie van Braun, de oorzaak van den klem- __draai is. Boven het 27° blad, tot aan den bij c afgebroken top, vertoonde de stengel een veel minder fraaie torsie. De oorzaak daarvan is, dat de klemdraai hier op twee plaatsen onderbroken is. Tusschen het 27° en 28° blad bevindt zich een recht, ongedraaid internodium, dit is eveneens tusschen het 29° en 30° blad het geval. Blad 28 en 29 vormen samen een klein deel eener spiraal; van blad 30 begint de spiraal weer regelmatig, even als vroeger linksopstijgend, zoodat de stengel hier weer rechts gedraaid is. Men heeft dus hier tweemaal het geval van een onderbroken klemdraai, zooals die ook bij andere planten, b. v. bij Dipsacus sylvestris (b. v. M. d. Z. Pl. I. Fig. 1) gevonden wordt. Op zulke rechte internodiën mag men een wondlijn verwachten, die de beide, door het internodium gescheiden deelen der bladspiraal aan elkander verbindt. Op mijn gedroogden stengel was deze wondlijn echter niet zichtbaar; slechts van blad 30 afwaarts kon ik de bladlijn duidelijk een eindweegs vervolgen. Bij c is de stengel afgebroken, zoodat ik, tot mijn leedwezen, het vegetatiepunt niet heb kunnen onderzoeken. Ik vertrouw echter, dat het verschijnsel van den klemdraai zich in mijne cultuur her- halen zal, zoodat ik later in de gelegenheid hoop te zijn, mijne waar- neming op dit punt aan te vullen. IV. Galium Aparine. Het alleroudste geval van klemdraai is de Aparine laevis fasciata, door G. Frank in 1677 beschreven en afgebeeld (M. d. Z. blz. 354). Het behoort zonder twijfel tot Galium Aparine. Sedert werd van deze soort slechts eenmaal in de literatuur een stengel met klemdraai vermeld, en wel in 1856 door Schlechtendahl, die er echter geen beschrijving of afbeelding van gaf. 414 BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. Het was mij daarom bijzonder aangenaam, in den afgeloopen zomer zulk een voorwerp te ontvangen. Het was door den heer D. Bierhaalder, apotheker te Alkmaar, gevonden op den zeedijk tusschen Schellingwoude en Durgerdam, dus in de omstreken van Amsterdam. Het stond te midden van een groot aantal andere, geheel normale exemplaren varı het kleefkruid, en droeg reeds enkele rijpe en talrijke onrijpe vruchten. De heer Bierhaalder had de goedheid, mij op mijn verzoek, een aantal rijpe zaden der om- staande exemplaren te bezorgen. Onder deze zijn er wellicht enkele, ontstaan door bevruchting met stuifmeel van de gedraaide plant. Het is mijn voornemen, door uitzaaiing van dit zaad, te onder- zoeken of het verschijnsel zich ook herhalen zal, en of het, in dit geval, mogelijk zal zijn, een erfelijk ras van gedraaide Galium’s te verkrijgen. De eenjarigheid der soort is hierbij een groot voordeel. Het gedraaide gedeelte van dezen stengel vindt men afgebeeld op Plaat Ilin Fig. 2, en wel op ?/, der natuurlijke grootte. De scherpe teekening van de ribben is verkregen door het voorwerp eerst te laten drogen, voor het gephotographeerd werd. Van de bladeren en zijtakken is zooveel weggesneden, als noodig was om de teekening duidelijk te maken; met name heb ik deze aanhangselen daar weg- geknipt, waar de bladspiraal over den tak heenging. De klemdraai bestaat uit twee stukken, die door een recht inter- nodium van elkander gescheiden zijn. Het eene stuk was 15 cm. lang en strekte zich uit tot aan den top. Het andere was in ver- houding klein, en slechts ruim 1 cm. lang. Het volgde op een recht internodium, dat door een afwijkende knoop van het overige, rechte, en voor zoover het mij gebracht werd, geheel normale stengeldeel was gescheiden. Die afwijkende knoop droeg slechts één blad- groep (in plaats van twee), bestaande uit drie bladschijven en één okseltakje; aan de zes lagere knoopen was de takstand gedecusseerd. De bladspiraal steeg op beide deelen links omhoog, en wel vrij steil; zij maakte in het geheel omstreeks 41%, omgang. De ribben van den stengel zijn dien overeenkomstig rechts gedraaid, zooals in de figuur duidelijk te zien is. Vervolgt men eene ribbe van haar oorsprong onder een tak omlaag, tot dat zij de bladspiraal wederom bereikt, zoo vindt men, dat dit op 2°/, takafstanden van het oor- sprongspunt geschiedt, Daaruit blijkt, dat ook hier de oorspronkelijke bladstand, evenals in zoovele andere gevallen van klemdraai, °/,3 is. Wij moeten thans nog even onze aandacht wijden aan het rechte internodium, dat de beide gedraaide deelen van den stengel scheidt. Naar hetgeen in overeenkomstige gevallen bij Dipsacus sylvestris BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. 415 gezien wordt, mogen wij verwachten, dat de beide uiteinden der bladspiralen ook hier door eene wondlijn verbonden zijn. In werke- lijkheid is deze lijn dan ook, op mijn praeparaat, fraai en duidelijk te zien; zij loopt op korten afstand langs één der ribben als een bruine verheven lijst, een smalle, verdroogde vleugellijn, die in de nabijheid van het onderste blad gescheurd is. In mijne figuur ziet men haar niet; zij lag bij het photographeeren aan de achterzijde van den tak. Het gedraaide gedeelte van den stengel is duidelijk gezwollen en hol; het heeft een diameter van 4—5 mm., terwijl de normale deelen van den stengel slechts 1-2 mm. dik zijn. Van den top van dezen stengel heb ik, na insluiten in glycerine- gelatine en harden in glycerine-alcohol een serie van microscopische praeparaten gemaakt. Ofschoon de top niet meer in den besten toestand verkeerde, zoo kon ik mij toch overtuigen, dat de spiraals- gewijze stand der bladeren reeds in de eerste jeugd aanwezig was, en onafgebroken behouden bleef. In Fig. 4 ziet men eene doorsnede, op korten afstand onder het vegetatiepunt, op de hoogte, waar de bladspiraal begint door de torsie ontrold te worden. Fig. 5 is eene doorsnede, omstreeks I cm. lager genomen, waar de stengel nog niet volwassen en nog niet hol was. De bladspiraal is door één enkel blad vertegenwoordigd; dit is van een okseltakje voorzien. De doorsnede is een weinig schuin genomen, zoodat ééne ribbe (b c) over een aanzienlijk deel harer lengte getroffen is, terwijl de overige nagenoeg dwars doorgesneden zijn. | V. Agrostemma Githago. In 1888 zaaide ik zaad van deze plant, deels uit het wild ver- zameld, deels van verschillende botanische tuinen afkomstig. Van deze planten won ik zaad, en zaaide daarvan in het volgend jaar een groot bed uit. Hierop vond ik in Juni een exemplaar met duide- lijken, hoewel niet zeer fraaien klemdraai; het was echter zwak en klein, en bloeide niet. Ook een paar andere, nog zwakkere exemplaren vertoonden hetzelfde verschijnsel; zij bloeiden evenmin. Toch zette ik de cultuur voort, in 1890 zag ik geen klemdraai, doch in 1891 keerde deze in twee exemplaren (op eene cultuur van omstreeks 2000 individuen) terug. Van deze twee planten is de eene op Plaat I in Fig. 2 afgebeeld; zij werd door eene ziekte aangetast, die al de zaden bedierf. Het tweede was slechts onduidelijk gedraaid, maar bracht daarentegen rijkelijk zaad voort. Dit zaad heb ik afzonderlijk verzameld, om 416 BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. daarmede mijne cultuur voort te zetten, in dehoop van eenmaal een gedraaid ras te verkrijgen. Het individu, dat op Plaat I is voorgesteld, is nog op verre na geen model van klemdraai. Maar juist daarom komt het mij de moeite waard voor, het te beschrijven. De zaadlobben waren nor- maal, het eerste bladpaar had een gespleten blad; daarop volgden twee Knoopen, die elk drie bladeren droegen. De internodiën, die al deze knoopen scheidden, waren van normale lengte. Noemt men de knoop, die de cotylen draagt No 1, dan waren dus de beide drie- bladige knoopen No 3 en 4; beide ziet men in de Figuur opgenomen. Voor de duidelijkheid der beschrijving neem ik aan, dat de bla- deren op het vegetatiepunt van dezen stengel in eene spiraal aan- gelegd zijn. Die spiraal begon dan reeds in den tweeden knoop, blijkens het gespleten blad, dat daarop voorkwam. Aan het volgend internodium vind ik echter geen wondlijn. De drie bladeren van knoop 3 omvatten met hunne voeten den stengel en zijn aldaar zijdelings aan elkander verbonden behalve aan de rechterzijde, waar de vleugelrand van het (theoretisch) eerste blad vrij is, terwijl die van het derde blad omhoog loopt, en allengs in een vleugellijn over- gaat, die, over eene lengte van 3 cm. opwaarts, duidelijk op het internodium te zien is. In het midden van dit internodium zie ik haar niet. Knoop 4 droeg drie bladeren, waarvan in de figuur de okseltakken van twee zijn afgebeeld. Die van het derde lag juist aan de achter- zijde. Dit derde blad is theoretisch het eerste van de knoop, want het sluit aan de zooeven genoemde vleugellijn, die aan den top van het internodium weer zichtbaar wordt, rechtstreeks aan. De linker- rand van den voet van dit blad was dan ook overigens vrij, terwijl de voeten van dit blad en blad b, evenals die van b en c onderling verbonden waren op de wijze, zooals dit bij normale planten van Agrostemma met de voeten van tegenovergestelde bladeren het geval pleegt te zijn. De rechterrand van den voet van blad c ging weer over in een vleugellijn, die langs de onderste helft van het vol- gende internodium recht omhoog steeg. Deze lijn lag aan dezelfde zijde van den stengel als die op het vorige internodium. Uit het medegedeelde volgt, dat de aangenomen bladspiraal een links-opstijgende is. Tot zoover was alleen de bladstand gestoord; de stengel was recht, ongedraaid en op een afstand gezien normaal. Met knoop 5 begint de eigenlijke misvorming. De bladeren staan van hier af duidelijk in eene spiraal. Twee op elkander volgende bladeren zijn telkens BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. 417 óf met hunne voeten verbonden, óf, als de stengel tusschen hen zich eenigszins gestrekt heeft, door een vleugellijn vereenigd. De volg- orde in de spiraal is dus gemakkelijk na te gaan; zij is in Figuur 2 door de letters d, e, f, g, h aangewezen. Daar elk blad één okselknop droeg, en de bladeren vóór het photographeeren grootendeels af- gebroken waren, is de stand in de figuur gemakkelijker aan de zij- takken na te gaan. Ik heb daarom deze met de overeenkomstige letters d’ tot h’ aangeduid. Op blad h volgt een recht internodium van 10 cm, lengte, dat aan zijn top het normale bladpaar i, k draagt. Daarop volgde de bloem. Wij kunnen thans onze aandacht bepalen tot het stengelstuk, dat de bladspiraal d—h droeg. Het was op twee plaatsen in de knoopen d en e” gebogen, en wel telkens om veel meer dan een rechten hoek, zoodat het den vorm van een S (of juister van het spiegelbeeld daarvan) vertoonde. Deze kromming ging gepaard met een geringe draaiing. Van e tot h was de lengtegroei van den stengel kleiner, en wel van e tot f nog ongeveer 1,5 cm., van f tot h echter zeer gering. Overeenkomstig daarmede was hier de torsie aanzienlijker, vooral op de hoogte van blad h, waar de ribben van den stengel, aan de achterzijde der figuur, bijna in dwarse richting liepen. De rechter- rand van den bladvoet van h liep weder als vleugellijn langs het volgende internodium omhoog en kon hier over eene lengte van bijna twee centimeters gevolgd worden. De bladspiraal liep van d-h, evenals op de beide lagere knoopen, in linksche richting omhoog, de torsielijnen bij h dus rechts. Het zou moeilijk zijn, om in dezen stengel een geval van klem- draai te herkennen, zoo men niet eenerzijds het verband tusschen dit verschijnsel en den spiraalsgewijzen bladstand kende, en anderer- zijds hier de eigenschappen van den onderbroken klemdraai-stengel duidelijk terugvond. Want het is eigenlijk een klemdraai, die be- halve op de hoogte der bladeren f, g en h, overal door gestrekte internodiën onderbroken is. Toch twijfel ik geen oogenblik aan de juistheid der gegeven ver- klaring en vertrouw in mijne cultuur de gegevens te bezitten, die mij eenmaal tot meer volkomen voorbeelden van klemdraai van Agrostemma Githago zullen leiden. VI. Guizotia oleifera. In een groepje planten van dezen composiet in den Hortus Bo- tanicus te Amsterdam waren er een paar, die aan sommige takken den normalen kruiswijzen bladstand misten. Hier stonden de bla- 27 418 BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. deren in onregelmatige schroeflijnen, en op zeer wisselende afstanden van elkander. Vier takken, waarin deze abnormaliteit duidelijk was, had ik de gelegenheid nader te onderzoeken, één daarvan is op Plaat I in Figuur 3 op ?/, der natuurlijke grootte, een andere op Plaat II in Figuur 3 eveneens verkleind afgebeeld. In al deze vier takken steeg de bladspiraal rechts omhoog en was de stengel, overeenkomstig daarmede, nu eens meer dan weer minder sterk, doch steeds links gedraaid. De bladvoeten waren bijna overal onderling verbonden; waar de bladeren dicht bijeen stonden sloten zij eenvoudig aan elkander aan; waar zij door kortere of langere internodiën gescheiden waren liep een vleugellijn van den eenen bladrand naar den anderen. Deze vleugellijn stond niet zelden even- wijdig met de as van den tak. Gewoonlijk stonden de bladeren in groepjes van twee of van drie vrij dicht bij elkander; deze groepjes waren dan door in het oog loopend langere internodiën gescheiden. Men ziet dit in de beide aangehaalde figuren duidelijk; in de beide andere takken was het evenzoo. Men zou nu allicht verwachten dat deze groepjes af- wisselend twee- en driebladerig waren, zoodat telkens twee een cyclus van vijf bladeren vormden. Dit is echter niet het geval. De groepen toch waren voor mijne vier takken: Tale CAPE ch SS), 3.203 3.0.7002 Tak AL (PI IL 02.3) 2.3.2, 1.2 Tee IE onde RR RR a de eten nk led a S-A Hoe dichter de bladeren op elkander volgen, des te sterker is de torsie. Zij is daarom in tak I (Pl. I. Fig. 3) overal slechts gering, in tak II (Pl. II. Fig. 3) op de hoogte van de bladeren 3, 4 en 5 vooral zeer sterk. Hier doet de stengel voor een normaal geval van klem- draai, volgens het type van Weigelia (M. d. Z. blz. 312), niet onder. Tak III vertoonde plaatselijk even krachtige torsiën; tak IV was wederom minder gedraaid. Het is niet gemakkelijk aan deze stengels den oorspronkelijken bladstand te bepalen, vooral omdat op de gestrekte internodiën de vleugellijnen evenwijdig loopen met de ribben. Toch gelukte het mij aan tak I (Pl. 1. fig. 3) de uitwendige bladspoor van het 14° blad omlaag te volgen tot zij, na de bladspiraal viermaal gesneden te hebben, deze voor de vijfdefifaal juist op het midden van blad 1 trof. De bladstand is dus hier, evenals in de vorige gevallen, te be- schouwen als 5/,, Dezelfde waarde vond ik voor de drie andere takken. BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAA I. 419 De stengels waren hol en zonder tusschenschotten op de hoogte der bladvoeten. Een schroefvormig, onvolkomen diaphragma, zooals in gedraaide stengels van Dipsacus, trof ik in de gedroogde voor- werpen niet meer aan. Enkele bijzonderheden van den op Plaat Il in Figuur 3 afgebeelden tak verdienen nog vermelding. Men ziet, dat de tak door een bloem- hoofdje is afgesloten. Trouwens, ook in de overige takken strekt zich de spiraalsgewijze bladstand tot aan den top uit. De bladeren 3, 4 en 5 staan op eene rij, evenwijdig met de as van den stengel; de vleugellijn ligt, boven en onder deze rij, in haar verlengde, en dus aan dezelfde zijde des stengels. Deze vleugellijn is hier fraai ont- wikkeld; zij draagt hier en daar nog aanhangselen, die duidelijk van de oorspronkelijk verbonden vleugels losgescheurd zijn. Elders is de vleugellijn tot een eenvoudige wondlijn, zonder aanhangselen teruggebracht. VII. Collinsonia canadensis. Aan het exemplaar van den Amsterdamschen Hortus zijn af- wijkingen van den gedecusseerden bladstand niet zeldzaam. Reeds in vroegere jaren merkte ik zoowel takken met drietallige blad- kransen als andere variatiën op. In dit jaar vond ik een aantal stengels waarop de afwijkende bladstand met min of meer duidelijke torsiën gepaard ging. Drie daarvan zijn op Plaat I voorgesteld en wel in Figuur 4, 5 en 6. Beschouwen wij in de eerste plaats de figuren 5 en 6. Beide stellen deelen voor van stengels, wier bladeren in een spiraal geplaatst zijn, maar in deze wederom, evenals bij Guizotia, in groepjes van 1, 2 of 3 dichter bijeen gevoegde bladeren, door langere internodiën gescheiden. Beide figuren stellen elk slechts één zoodanige groep voor, die in Fig. 5 uit twee, in Fig. 6 uit drie bladeren bestaat. De bladeren zelf zijn afgevallen; men ziet slechts de bladkussens en de okselknoppen, waarvan er, in Fig. 6 een paar tot takjes zijn uit- gegroeid. De doorgesneden internodiën hadden in beide praepa- raten eene lengte van 8-10 cm. De verbindingslijn der afgebeelde bladkussens was op beide stengels als een uiterst fijne, een weinig verhevene lijn te zien; boven en onder de bladgroep verliep zij echter, zoodat zij op korten af- stand onzichtbaar werd. Zij toonde in Fig. 5 een rechts, in Fig. 6 een links opstijgende spiraal. De ribben van den stengel ziet men in beide gevallen, op de hoogte der bladkussens, duidelijk schuin loopen, terwijl zij, boven en onder de bladgroepen, allengs weer een verticalen stand aannemen, 27* 420 BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. De torsie bedraagt voor Fig. 5 ongeveer 180°, voor Fig. 6 iets minder. In den tak, waaraan Fig. 6 ontleend is, volgde op de groep van drie bladeren een knoop met één blad, en daarop, gescheiden door een internodium van 12cm. lengte, een nagenoeg normaal bladpaar. Van de eenbladige knoop vervolgde ik de mediane uitwendige blad- spoor afwaarts; zij ging tusschen de beide onderste bladeren der afgebeelde groep door, en wel op een afstand van °/, van het onderste, d. i. dus op een afstand van 25/, bladinsertie van haar punt van oorsprong. Dit komt, even als in de vroegere voorbeelden, overeen met een bladstand van 5/,,. Denzelfden bladstand vond ik voor den in Fig. 5 afgebeelden tak. Gaan wij thans over tot de beschouwing van Figuur 4. Deze tak vertoonde, zooals men ziet, de zonderlingste krom- mingen. Deze laten zich echter allen verklaren uit hetzelfde beginsel waardoor ook voor Dipsacus sylvestris dergelijke buigingen tot stand komen (M. d. Z. blz. 239 PI. VI. Fig. 2). Wanneer namelijk van een bladpaar één blad ontbreekt, en de groei aan die zijde daardoor verzwakt wordt in vergelijking met de tegenovergestelde zijde, dan zal dit ten gevolge kunnen hebben dat de tak zich buigt. Het blad komt dan aan de buitenzijde van den hoek te liggen. Hoe scherp de hoek wordt, hangt natuurlijk van allerlei omstandigheden af; zij kan ook bij Dipsacus, bijna = 0° worden; de buiging bedraagt dan nagenoeg 180°. Zulk eene buiging: vindt men in onzen tak in de knoopen 1, 2, 3 en 7. De hoek bedraagt ongeveer: Maorukioop: A reste aay E sa doe 3 Bind BEL Er NIE RL 60° „ Se Vira eee Tee PRET EE 30°. T NENDE I INDIE 90°. Daar de stengel onder knoop 1 verticaal omhoog groeide, werd het internodium 1-2 door deze buiging schuins omlaag gericht: het heeft zich echter geotropisch tot een bijna verticalen stand op- geheven. Hetzelfde geldt van de beide volgende internodiën, en van 4-7 was de stengel dus weer verticaal. Daar boven was de stengel, bij het afsnijden, nog zeer jong, zoodat een geotropische kromming nog niet den tijd gehad had, zich te ontwikkelen. De bladspiraal op dezen tak steeg links omhoog. Trap impr. À Z A d Eu ‘a a b © £ = mM [= © T a a p £ g > g 2. © ea © v Ta 5 g —_ . 2 > 5 v = rd £ So = 3 => em an PIL IE Bijdragen tot de leer van den Klemdraai. TER ren nr Fa. P. W. M. Trap impr. Hugo de Vries, Opera. BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. 421 Verklaring der platen. Plaat I. Fig. 1. Dipsacus sylvestris torsus (1/,). Een gedraaide stengel, waarin door ééne overlangsche snede, een recht internodium is ontstaan; a b de snede; 7-25 de bladeren en hun okseltakken, in hunne volgorde in de spiraal genummerd. Fig. 2. Agrostemma Githago (?/,). Een stengel met spiraalsgewijzen bladstand, en dienten gevolge op de hoogte d, h gebogen en gedraaid. b, c twee der drie bladeren aan de vierde knoop; d,e,f,g,h de volgende bladeren, in de volgorde der bladspiraal. De beide daarop volgende bladeren i, k vormen samen een normaal paar. 6’-h’ de okseltakken der gelijknamige bladeren. Bij d en bij e is de stengel gebogen, en wel telkens om meer dan een rechten hoek, bij f-h is hij gedraaid. Fig. 3. Guizotia oleifera (?/,). Tak met spiraalsgewijzen bladstand, en hier en daar met klemdraai. De nummers wijzen de volgorde van de bladeren en hunne okseltakken in de spiraal aan; N° 7 ligt achter den tak. Tusschen blad 4 en 5 ziet men de verbindingslijn der bladvoeten. Fig. 4. Collinsonia canadensis (1/,). Een tak met spiraalsgewijzen bladstand, die dienten- gevolge aan verscheidene knoopen sterk gebogen en gedraaid is. Fig. 5 en 6. Collinsonia canadensis (*/,). Stukken van takken met spiraalsgewijzen blad- stand, elk een bladgroep van twee of van drie bladeren, omvattend. De bladeren alle, op één na, afgevallen. Men ziet de verbindingslijn der bladvoeten en de torsie der takken. Plaat II. Fig. 1. Saponaria officinalis (t/,). Stengel met klemdraai, bij 1 van den wortelstok af- gesneden. De stengel groeide eerst verticaal omhoog, kromde zich toen weer omlaag, en boog zich eindelijk bij 27 weer opwaarts. 1-36 zijn de nummers der bladeren, en van hunne oksel- knoppen en takken en in de volgorde der spiraal. De klemdraai is van 1-27 onafgebroken, tusschen blad 27 en 28, en even zoo tusschen blad 29 en 30 door rechte internodién afgebroken. Fig. 2. Galium Aparine (1/,). Stengel met klemdraai in de bovenste helft. De torsie is onderaan door een recht internodium onderbroken, overigens ongestoord. Fig. 3. Guizotia oleifera (1/,). Tak met spiraalsgewijzen bladstand, klemdraai (3-5) en gescheurde bladvleugellijnen (v, v, v). De cijfers wijzen wederom de volgorde der bladeren in de spiraal aan. Fig. 4. Galium Aparine (H/,). Doorsnede door den top van den in Fig. 2 afgebeelden stengel, dicht onder het vegetatie-punt. Fig. 5. Galium Aparine (8/,). Doorsnede door het jonge nog groeiende deel van den zelfden stengel. Het merg is nog niet verscheurd. Men ziet sommige ribben ongeveer dwars getroffen, ééne ribbe (b-c) overlangs; a de bladspiraal. RESUME DU TRAVAIL PRECEDENT. Contributions à l’étude des torsions par étreinte 1). L'an dernier ma collection de plantes tordues s’est enrichie de plusieurs espèces, dont je ne connaissais pas encore ce phénomène, lorsque je préparais ma Monographie der Zwangsdrehungen, qui a paru dans le présent volume, p. 232. Voici leurs noms: 1. Saponaria officinalis (Pl. II, Fig. 1) une tige tordue, trouvée dans mes cultures de cette plante. 2. Agrostemma Githago (Pl. I, Fig. 2) une tige à disposition spiralée 1) Voir Opera V, p. 206 (Rubia tinctorum). 422 BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. des feuilles, dont le sommet est fortement recourbé (en d et en e) faiblement tordu (de f à h). Cette tige s’est présentée dans un semis répété et sélectionné depuis quatre années. 3. Galium Aparine (Pl. II Fig. 2), une espèce dont la torsion par étreinte avait déjà été trouvée antérieurement. M. D. Bierhaalder m'a fait cadeau d’un très bel exemplaire, trouvé dans les environs d'Amsterdam. 4. Guizotia oleifera. (Pl. I Fig. 3, Pl. II Fig. 3), Quatre rameaux à disposition spiralée des feuilles, et à axe tordu en plusieurs en- droits. 5. Collinsonia canadensis. (Pl. I Fig. 4,5 et 6.) Quelques tiges à dis- position spirale des feuilles, dont l’une avait de fortes courbures, (Fig. 4) les autres de belles torsions (Fig. 5 et 6). Outre ces espèces, j'ai trouvé l’année passée une tige tordue de Valeriana officinalis, et j'ai eu l’occasion de répéter une expérience sur le Dipsacus sylvestris torsus, d’une manière beaucoup plus simple qu’anterieurement (PI. I, Fig. 1). Tous ces cas appartiennent aux torsions par étreinte proprement- dites, et se trouvent chez des plantes, dont les feuilles sont normale- ment décussées. J’ai pu déterminer la divergence initiale des feuilles dans la spirale, sur les échantillons adultes, en suivant le cours des cannelures sur les tiges d’un tour de spirale àun autre, et j'ai trouvé qu’elle était dans toutes ces espèces, sensiblement égale à 5/13, c’est- à dire la même, que dans les Dipsacus, Valeriana, Galium Mollugo, Rubia, etc. Dans quelques espèces la tige était gonflée, et celles-ci doivent donc être rangées dans le type Dipsacus (M. d. Z. p. 308). C’étaient les Valeriana, Galium et Saponaria. Les autres avaient la tige de l'épaisseur ordinaire, et se trouvent, par ce motif, groupées dans le type Weigelia (Agrostemma, Guizotia, Collinsonia). Pour les autres types je n’ai pas d'échantillons à nommer. Dans toutes ces espèces les feuilles étaient réunies en spirale par leurs bases. Partout où les feuilles voisines étaient placées immé- diatement l’une à côté de l’autre, cette spirale était continue. En d’autres endroits elle était interrompue; à ces places la torsion était remplacée par des internodes droits. La tige de Galium Aparine offre un, celle de Saponaria deux exemples de cette interruption. Celle-ci formait la règle dans les autres espèces, où les feuilles étaient, en conséquence, placées en groupes de 1 à 3, éloignées notablement les unes des autres; la torsion était chaque fois limitée à ces groupes (Agrostemma, Collinsonia, Guizotia). BIJDRAGEN TOT DE LEER VAN DEN KLEMDRAAI. 423 Là, où les feuilles étaient éloignées de leurs voisines de cette manière, on trouvait généralement les résidus d’une ligne alaire ou d’une ligne cicatricielle, qui indiquait que la spirale avait été continue dans la jeunesse, mais avait été déchirée plus tard par l’accroisse- ment de la tige. Ces lignes rudimentaires étaient très marquées dans les Agrostemma, Galium et Guizotia, moins visibles au contraire dans les Collinsonia et Saponaria. J'ai réussi à effectuer un déchirêment artificiel de la spirale des feuilles, et une prévention locale de toute torsion dans une tige de Dipsacus sylvestris torsus. J'ai fait usage dans ce but d’une seule incision (Pl. I, Fig. 1 ab) pratiquée avant l’accroissement de cette region de la tige. Dans mes expériences antérieures j’avais toujours eu recours à deux ou trois incisions voisines (M. d. Z. PI. VI. Fig. 1 et 7), ce qui a rendu le résultat moins simple et moins clair que dans la nouvelle méthode. Dans notre figure 1 de la planche I on voit, du premier coup d’eil, que sur toute la longueur de l’incision la torsion a été empêchée de se développer. Au dessus et au dessous la tige est tordue de la manière ordinaire. L’inclinaison de la spirale des feuilles diffère de beaucoup dans les différents échantillons et dans les différentes régions de la même tige. Elle est la plus grande dans la Saponaria où la spirale reste au même côté de la tige depuis la feuille 7, jusqu’à la 25™°. Chez la Guizotia le même cas se retrouve, mais seulement pour de petits groupes des feuilles (PI. IT, fig. 3 feuilles 3 à 5). Le degré de torsion dépend toujours directement de cette inclinaison de la spirale foliaire. Quant à l’hérédité de la torsion par étreinte, je ne puis ajouter à mes communications antérieures que les deux faits suivants. Dans un lot de plantes de Valeriana officinalis, qui avait fourni un bel exemple de cette torsion dans l’année 1889, ce phénomène s’est reproduit en 1891. Une race d’Agrostemma Githago avait donné en 1889 quelques individus très faibles et sans fleurs à tiges tant soit peu tordues; après un sélectionnement de deux années la torsion s’est manifestée de nouveau dans deux exemplaires, dont l’un se trouve photographié sur la Planche I, Figure 2. Je me propose de continuer la culture de ces deux espèces en vue d’une obtention plus régulière de tiges tordues, et j'espère en outre obtenir des races tordues du Galium Aparine et de la Sapo- naria officinalis, décrits ci-dessus. (Botanisch Jaarboek uitgegeven door het kruidkundig genootschap Dodonaea, Bnd. IV, 1892, blz. 145.) OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. Met PI. I. (Avec un résumé en langue française.) De proefondervindelijke studie van den klemdraai bij Dipsacus sylvestris torsus heeft geleid tot de kennis van de rol, die voor dit verschijnsel de bij elk blad behoorende deelen van den stengel hebben. Deze deelen zijn door Delpino in zijne Teoria generale della fillotassi reeds vöör een tiental jaren met den naam van phyllopodien bestempeld!). Letterlijk vertaald, beteekent p/iyllopodium: bladvoet. Maar er is eenig bezwaar aan verbonden om, zooals ik vroeger deed, den term bladvoet in deze opvatting te gebruiken?), omdat daarmede meer algemeen de basis van het blad, het onderste, onmiddellijk aan den stengel grenzende deel van den steel of de schijf wordt aangeduid. Thans, nu ik over de „bladvoeten van Delpino’ meer uitvoerig wensch te spreken, acht ik het dus onvermijdelijk, den oorspronkelijken naam onvertaald te behouden. Op de gedraaide stengels van Dipsacus sylvestris vindt men, in de eindknop, de jongste zichtbare beginselen der bladeren in een spiraal aangelegd, in plaats van, zooals bij de normale stengels, in onderling gekruiste bladparen. In die spiraal vergroeien de bases der bladeren aan elkander, zooals anders in de paren. Zoowel de vleugels, als de in den stengel gelegene vaatbundelverbindingen toonen dit ten duidelijkste aan. Zoo ontstaat een spiraalsgewijs om den stengel geslingerde band, die later, bij den groei der inter- nodien, grootendeels ontrold wordt. Het is echter niet deze band, die de mechanische oorzaak der torsie is. Want snijdt men dezen band, door de vleugels en de vaatbundelverbindingen heen tot in de holte van den stengel, in de jeugd en vóór den snellen groei der stengelleden, telkens tusschen twee naburige bladeren door, zoo heeft dit op het ontstaan van den klemdraai zoo goed als geen in- vloed ®). ı) Atti della reale Universita di Genova, Vol. IV. Parte II, 1883, p. 159. 2) Opera V, blz. 407. 3) Monographie der Zwangsdrehungen in Opera V, blz. 277. OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. 425 Maakt men daarentegen tusschen twee bladeren een zoodanige snede, dat deze naar onderen toe de volgende winding der blad- spiraal bereikt, zoodat men dus de phyllopodien dezer twee bladeren geheel van elkander losmaakt, dan komt de klemdraai, die zonder de bewerking zeker zou zijn ingetreden, niet tot stand. Midden in den gedraaiden stengel ontstaat een recht, niet getordeerd inter- nodium !). Uit deze proeven volgt, dat bij de verandering van den kruis- wijzen bladstand in een spiraalsgewijzen niet alleen de bladeren met hunne vleugels en gordelverbindingen anders gerangschikt zijn. Want dit geldt ook van die deelen van den stengel waarin hunne bladsporen omlaag loopen, welke deelen voor elk blad gerekend worden tot den eerstvolgenden omgang der bladspiraal. Niet alleen de bladeren, maar ook de phyllopodien zijn spiraalsgewijze ge- rangschikt; in den kruiswijzen bladstand daarentegen waren èn bladeren èn phyllopodien tot paren vereenigd. Dit resultaat van het experimenteele onderzoek is in volkomen overeenstemming met Delpino’s theorie der bladstanden, die op zoo heldere wijze in zijn boven aangehaald werk is uiteengezet. De eenheid, waarmede de leer der bladstanden te rekenen heeft, is volgens hem niet het blad, maar het blad met zijn phyllopodium. De stengel is volgens hem niet anders dan eene vereeniging van deze eenheden, ontstaan door de onderlinge verbinding der aan elkander grenzende phyllopodien (l. c. p. 159), en de wijze, waarop deze eenheden gerangschikt zijn, is het eigenlijke onderwerp van de studie der bladstanden. Later is Delpino herhaaldelijk op dit beginsel teruggekomen. Zoo b. v. onlangs, in zijne Pensieri sulla metamorfosi e sulla idio- morfosi presso le piante vascolari?), waar hij er den nadruk op legt, dat de phyllomen niet als afzonderlijke organen moeten be- schouwd worden, maar als deelen van hoogere eenheden, de meritalli. Deze ,,meritalli”, bij de hoogere cryptogamen elk uit een segment van de topcel ontstaan, zijn samengesteld uit twee deelen, nl. het vrije deel of het phylloom, en het phyllopodium, dat met de naburige phyllopodien aanééngegroeid is, om den stengel te vormen’). 1) Opera V, blz. 407, PL I, fig. 1. 2) Memorie della R. Academia delle Scienze dell’ Instituto di Bologna, Serie V, Tom II. 1892, p: 7. 3) In een noot bij deze alinea zegt D. „Deze stellingen schijnen mij toe na mijne onderzoekingen over den bladstand niet langer in twijfel getrokken te kunnen worden; maar het zal nog wel geruimen tijd duren, 426 OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. In een andere verhandeling geeft D. een kort overzicht zijner theorie, dat hier, vrij vertaald, moge volgen, daar het den grondslag vormt voor een duidelijk begrip van de verschijnselen, die ik wensch te bespreken. Delpino zegt: „Volgens mijne theorie der bladstanden bestaan de organen of architectonische elementen der hoogere planten uit twee deelen, nl. een vergroeid deel of phyllopodium, en een vrij deel, het blad; de som van alle phyllopodien vormt wat men noemt as, stengel, bloemsteel, bloembodem; de vrije deelen vormen al wat men phyllomen noemt, hetzij deze normaal, geme- tamorphoseerd, gedegenereerd, rudimentair, ja zelfs abortief zijn. Want als een blad geheel abortief is, bestaat toch in den regel zijn phyllopodium nog. Zoo bv. in de zoogenoemde naakte inflorescen- tien, bv. bij de Crucifeeren ... Hier hangt de plaatsing der bloem- stelen niet eenvoudig af van de plaatsing van hun eerste zichtbare beginselen, maar de plaats van deze beginselen hangt af van de rangschikking der phyllopodien, die de wetten van den bladstand volgen, al blijven hunne bladschijven ook onontwikkeld.” 4) Uit het medegedeelde moge de beteekenis der phyllopodien voor de algemeene morphologie der planten duidelijk geworden zijn. Passen wij thans dit beginsel toe op de verschijnselen van het dédoublement, of de verdubbeling der bladeren. Van dit verschijnsel vindt men de meest volledige beschrijving en afbeelding in Delpino’s reeds aangehaald werk over de theorie der bladstanden. Op plaat IX in figuur 60 A-K worden alle verschillende graden van verdubbeling afgebeeld. Eerst ziet men een normaal blad A, dan een met gespleten top B. In de volgende figuren gaat de splijting van top en hoofdnerf steeds dieper, tot eindelijk de geheele schijf in twee schijven verdeeld is. Deze zijn daarbij elk even groot en van denzelfden vorm als de normale schijf in de eerste figuur. De okseltak toont dezelfde graden van splijting. Aanvankelijk onver- deeld, dan min of meer diep gespleten, eindelijk veranderd in twee takken, die zich als okseltakken der twee schijven in de laatste figuur K voordoen. Dit overzicht, hier voor Olea ontworpen, was ook aan enkele oudere schrijvers, bv. aan Braun niet onbekend. Bij planten, die rijk zijn aan gespleten bladeren kan men, zonder veel moeite, alle eer zij algemeen erkend en aangenomen zijn“. Mogen mijne mede- deelingen er eenigzins toe bijdragen, om deze, zoo zeer verdiende al- gemeene erkenning te bespoedigen! 1) U. Bernaroli e F. Delpino, Pseudanzia di Camellia et di Geum, Mal- pighia V, III. 1891 p. 4. OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. 427 verschillende graden van splijting aantreffen. Zoo b. v. bij den reeds vermelden Dipsacus sylvestris). De volkomen splijting van blad en okseltak elk in twee vrije geisoleerde en onderling gelijke organen vormt voor Delpino het eindpunt van de verdubbeling „Ogni sdoppiamento è una vera moltiplicazione compiuta nella forma K, incoata nella forma B, pit o meno riescita nelle rimanenti forme C. D. ecc.?). Evenzoo voor Braun. Deze zegt „Die Theilung erscheint in allen Graden, von der unscheinbaren Gabelung am Ende des Mittel- nerven mit oder ohne Auseinanderweichen der Fläche in zwei Spitzen, bis zur völligen Theilung der Spreite und selbst des Blatt- stieles”. Hij voegt dan nog de verdubbeling der steunblaadjes en van den okseltak er aan toe, en haalt voorbeelden van verdubbelde bloemen in de oksels van verdubbelde bladeren en bracteeën aan (Viola, Digiialis)*). Het komt mij echter voor, dat in Delpino’s theorie der phyllo- podien de totale verdubbeling van schijf en okselknop geenszins de eindterm van de reeks der dédoublementen kan zijn. Want als werkelijk schijf en phyllopodium deelen van één geheel zijn, en daarbij van eene eenheid, die in den morphologischen bouw der plant een zóó voorname plaats inneemt, dan moet m. i. ook eene totale verdubbeling van deze eenheden mogelijk zijn. Het geheele merithallium moet zich kunnen verdubbelen; de splijting van het phylloom vormt slechts de eene helft van de reeks van graden, de andere helft moet gevormd worden door de splijting der phyllopodien. Natuurlijk zal de laatste in den regel slechts intreden bij volkomen splijting der schijven, en evenals deze zeldzamer schijnt te zijn dan de tweetoppige bladeren, zoo zou men ook kunnen verwachten, dat geheel of ten deele gespleten phyllopodien nog zeldzamer zouden zijn. Maar de theorie eischt m. i. dat zij mogelijk zijn. Men mag verwachten, dat een volkomen gespleten phyllopodium zich zal gedragen als twee afzonderlijke, terwijl bij onvolkomen splijting het onderste deel enkelvoudig, doch het bovenste ver- dubbeld zal zijn. Beschouwen wij in de eerste plaats de waarschijn- lijke gevolgen eener volkomen verdubbeling. Hier zijn twee gevallen 1) Monographie der Zwangsdrehungen, blz. 290. 2) Elke verdubbeling is een ware vermenigvuldiging, voltooid in den vorm K, begonnen in den vorm B, meer of minder geslaagd in de overige vormen C. D, enz. (l. c. p. 229). 3) Sitzungsbericht der Gesellsch. Naturf. Freunde zu Berlin, 17 Januar terr. S. 8. 498 OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. te onderscheiden, al naar gelang de bladstand kruis- of kranswijs, dan wel verspreid is. In het eerste geval zullen de beide deelen varı het verdubbelde orgaan naast elkander, in den zelfden krans plaats nemen, de beide phyllopodien blijven even lang, de beide schijven op dezelfde hoogte ingeplant. ‘Is echter de bladstand spiraals- gewijs, dan zullen beide helften van het geheel verdubbelde orgaan zich gedragen als twee, uit afzonderlijke merithallien onstane bla- deren met hunne phyllopodien, dus als twee normale, naburige bladeren. Evenals elke twee in de genetische spiraal naast elkaar geplaatste bladeren bij den groei van den tak uiteen geschoven worden (terwijl zich de internodiën ontwikkelen), evenzoo ook de twee helften van het gedédoubleerde blad. M. a. w., na totale ver- dubbeling van het phyllopodium zullen de beide bladschijven, in de richting van de as van den tak, even ver uiteen geschoven zijn als twee normale naburige bladeren. De lengte der uiteenschuiving zal dus gelijk zijn aan die van een internodium op denzelfden tak. Omgekeerd zal een longitudinale uiteenschuiving van twee blad- helften, wanneer zij dit bedrag bereikt, mogen beschouwd worden als een bewijs van totale verdubbeling van het phyllopodium. Is de uiteenschuiving kleiner dan een internodium, dan zal men tot onvolkomen dédoublement van het phyllopodium mogen be- sluiten. Of twee bladeren door dédoublement uit één, dan wel elk uit een afzonderlijke „matrice fogliare” (Delpino) ontstaan zijn, wordt in den regel beslist door de vraag, of zij in den bladstand samen de plaats van één of van twee bladeren innemen. Op deze gronden zal ik de door mij waargenomen longitudinale uiteenschuivingen beschrijven als gevolgen van verdubbeling der phyllopodien. Ik zou niet durven beweren, dat zulke longitudinale uiteen- schuivingen door anderen nog niet opgemerkt zijn. Ik vind in Deipino’s werk een plaats, waar hij zegt, dat het bij verdubbelingen somwijlen voorkomt, dat de beide deelen, het zij in longitudinale, hetzij in dwarse richting van elkander verwijderd zijn!). Maar meer zegt hij daarvan niet, en ook elders komt hij daarop in dit werk niet terug. De voor zijne theorie m. i. zoo belangrijke conclusie van een dédoublement der phyllopodien heeft hij er niet uit ge- trokken. Ook aan andere waarnemers kunnen overeenkomstige gevallen 1) Delpino, Teoria generale della fillotassi 1. c. p. 223. OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. 429 niet ontgaan zijn, doch ik heb nergens kunnen vinden, dat zij ze als een bewijs voor de leer der phyllopodien opvatten. Bij de meeste bladstanden is het trouwens dikwijls zeer moeilijk om te beslissen of twee bladeren afzonderlijk aangelegd, dan wel door verdubbeling ontstaan zijn. Uitéénschuiven der beide deelen van een gedédoubleerd blad in dwarse richting (loodrecht op de as van den tak) is een zeer gewoon en welbekend verschijnsel, Volgens Delpino’s opvatting ontstaan vele drietallige kransen op deze wijze uit bladparen!). De vraag of het phyllopodium daarbij ook gedédoubleerd is, schijnt echter vooralsnog in elk afzonderlijk geval niet met volkomen zekerheid te kunnen worden beslist. Thans ga ik over tot de beschrijving mijner waarnemingen. Zij hebben in de eerste plaats betrekking op takken van Castanea vesca en Carpinus Betulus, die door hun tweerijigen bladstand, waarbij alle bladeren in één plat vlak liggen, elke afwijking van de normale plaatsing der bladeren spoedig verraden. Van beide soorten vond ik in de omstreken van Hilversum een paar groeiplaatsen, waar gedédoubleerde bladeren, eenige jaren achtereenvolgens, niet al te zeldzaam waren. Bij de laatstgenoemde soort nam ik hetzelfde ver- schijnsel ook waar in eene haag bij Externsteine aan de grens van het Teutoburgerwald. De derde soort is Robinia Pseudacacia, die op verschillende plaatsen in de omstreken van Hilversum, gedurende eenige jaren, dédou- blement vertoonde?). Het veelvuldigst langs den ’s Gravelandschen straatweg, nadat de grond langs de Acacia’s diep omgespit was, Dien tengevolge ontstonden talrijke wortellooten, en hierop waren dédoublement van bladeren en fasciatien van den stengel niet zeldzaam. Aan deze soort kan ik niet dezelfde bewijskracht toe- kennen als aan de beide andere, daar het in den regel niet mogelijk was, uit den bladstand het rechtstreeksche bewijs voor de verdub- beling te leveren. In het volgende geef ik, in korte beschrijvingen, een overzicht der waargenomen gevallen, terwijl ik met de geringere graden (nerfsplijting) begin. Men zal zien dat de verdubbeling der phyllo- podien zich regelmatig aan die der bladschijven aansluit. 1).1..€..D.1202. 2) Bij deze plant zijn bladverdubbelingen, naar het schijnt, niet zeld- zaam. Zie o. a. Penzig, Pflanzenteratologie, I, bl. 392. 430 OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. Castanea vesca. 1. Nerfsplijting. Hiervan bewaar ik drie voorbeelden in mijn herbarium. De nerf is tot op 1/,-2 cm afstand van den bladvoet gespleten. De hoek tusschen de beide armen is zeer klein en bedraagt slechts ongeveer 20°, de bladschijf is in dien hoek echter sterker gegroeid en dien tengevolge, naar boven, uit het bladvlak gebogen. De schijf zelf is in twee gevallen bijna even diep gespleten als de nerf, in het derde geval tot over de helft van hare lengte. In twee takken is de tweerijige bladstand door het dédoublement niet gestoord, in den derden tak is de bladstand in mijn exemplaar niet meer volledig te beoordeelen. 2. Volkomen splijting der schijf, zonder longitudinale uiteen- schuiving. In al deze gevallen vindt men op één knoop twee blad- schijven elk met hun steel; de verschillende graden van het dé- doublement zijn hier in de okselknoppen en in de, tusschen beide stelen gelegen steunblaadjes te vinden. Aan de buitenzijde heeft elke steel steeds zijn eigen steunblaadje. Beide bladeren staan, in den bladstand, steeds samen op de plaats van één blad. a) Twee bladen op één knoop met drie steunblaadjes en één oksel- knop, deze toont aan de naar den tak gekeerde zijde een overlangsche gleuf. b) Twee bladen op één knoop met drie steunblaadjes en één © dubbele okselknop; alleen de eerste bractee is aan beide knoppen gemeenschappelijk. c) Hetzelfde geval, maar de knophelften grooter en meer geïsoleerd. d) Twee bladen op één knoop met drie steunblaadjes en twee okselknoppen. e) Twee bladen op één knoop met twee okselknoppen en drie steunblaadjes, waarvan het middelste aan den top gespleten is. f) Hetzelfde, maar het middelste steunblaadje tot bijna op de helft van zijn lengte gespleten. g) Twee bladen op één knoop met twee okselknoppen en vier steunblaadjes. Hiervan bewaar ik twee gevallen met de stipulae op spiritus, en een ander, waarvan de stipulae afgevallen waren, in mijn herbarium. Aan dezen laatsten tak ziet men, daar de overige bladstelen bewaard zijn, duidelijk, dat de tweerijige bladstand door het gedédoubleerde blad niet gestoord is. De beide bladschijven zitten in de linker rij der bladeren. h) Aan een laatsten tak is een blad gedédoubleerd met dwarse uiteenschuiving der beide bladeren zóó, dat zij tegen over elkander OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. 431 staan. Elk blad heeft zijn steunblaadjes en zijn okselknop. Overigens is de bladstand van dezen tak zuiver tweerijig, en ziet men uit den bladstand dat een blad van de rechter rij verdubbeld is; sneed men de naar links verschoven schijf weg, dan zou de bladstand geheel ongestoord schijnen. i) Een van de grootste moeilijkheden der teratologie is, dat af- wijkingen zoo zelden in grooten getale zuiver, en zonder bijkomende monstrositeiten voorkomen. Zoo vond ik hier een overigens normaal blad, waarvan één steunblaadje verbreed was, en een eigen, kleine okselknop bezat, naast die van het blad. Verder een blad met eigen okselknop, waar, uit één dergelijke overtallige knop, een kleine mannelijke inflorescentie ontstaan was; de steunblaadjes waren hier afgevallen. Eindelijk een blad met twee normale steunblaadjes en daar- naast, een weinig lager aan den tak ingeplant, een derde steunblaadje. 3. Longitudinale uiteenschuiving der bladschijven. a) Twee bijna aan elkander tegenovergestelde bladeren aan één knoop, elk met twee steunblaadjes en een okselknop. Het eene blad is twee millimeters lager ingeplant dan het andere; de bladeren nog niet geheel volwassen. Ofschoon gering, is de longitudinale verschuiving, in vergelijking met de sub 2 beschreven gevallen, toch uiterst duidelijk (Plaat I Fig. 1). b) Aan een tak met tweerijigen bladstand zit schuins naast een blad, dat een normale plaats in dien bladstand inneemt, een blad dat een iets kleinere schijf heeft, en waarvan het mediaanvlak ver- ticaal staat, dus met de mediaanvlakken der normale bladeren rechte hoeken maakt. De overigens geheel platte tak viel door dit omhoog staande blad in het oog. Het abnormale blad had twee stipulae gehad, doch deze waren, evenals die van het bijbehoorende blad, afgevallen. Dat beide bladschijven bij elkander behoorden, ziet men nog daaraan, dat de inplanting der stipulae tusschen de schijven een doorloopende lijn vormt. (Plaat I Fig. 2.) Het overtollige blad staat omstreeks 5 mm. lager dan het bijbe- hoorende, terwijl de lengte van een internodium op dezen tak 3-4 cm. bedraagt. Er heeft dus een duidelijke longitudinale verschuiving plaats gevonden. c) Een eveneens volwassen tak met tweerijige, horizontale bla- deren en één loodrecht omhoog staand overtollig blad. Van dit laatste is ééne stipula afgevallen en ééne voorhanden, van het bijbehoorende blad zijn beide stipulae voorhanden. De lijnen van inplanting van alle steunblaadjes staan dwars op den tak, die van het eene blad 5 mm. lager dan die van het andere, de naar el- 432 OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. kander toegekeerde steunblaadjes zijn door een fijn overlangsch lijntje op den stengel verbonden. De internodien op dezen tak zijn 2-3 cm. lang. (Plaat I Fig. 4). Longitudinale uiteenschuiving dus 5 mm. op omstreeks 2-5 cm. internodium-lengte, dus over omstreeks !/, van het internodium. d) De uiteenschuiving der beide bladhelften bedraagt 1 cm. maar beider inplanting vormt nog een doorloopende, schuin opstijgende lijn, waarop, tusschen de beide schijven, de beide centrale steun- blaadjes staan. De inplanting der beide uitwendige steunblaadjes nagenoeg dwars. (Plaat I Fig. 3). e) Een tak met tweerijigen bladstand, alle bladschijven in een horizontaal vlak, en daarenboven één omhooggericht blad, met verticaal mediaanvlak. Dit blad behoort dus duidelijk niet in den bladstand te huis. Maar het staat van het naast hoogere blad ongeveer evenver verwijderd als van het naast lagere, nl. om de volle lengte van een internodium. Of het door dédoublement, gemeenschappelijk met het naast hoogere of het naast lagere blad ontstaan is, kan ik niet uitmaken. Hier is dus, zoo moet men aannemen, een phyllopodium vol- komen gedédoubleerd, zoodat het zich als twee geheel onafhanke- lijke phyllopodien gedragen heeft. f) Gevallen, als het onder e beschrevene, waar eenvoudig aan een platten tak met in één horizontaal vlak uitgegroeide bladeren één overtallig blad stond, dat omhoog gericht was, den bladstand der overige bladeren niet stoorde, maar daar ook niet bij behoorde, kwamen op de aangeduide groeiplaatsen niet zeldzaam voor. Carpinus Betulus. Aan de horizontale takken, wier bladeren tweerijig geplaatst en met hun schijven in een plat vlak zijn uitgespreid, vond ik, deels bij Hilversum, deels bij Externsteine de volgende gevallen van dédoublement. De normale bladstand was in al deze gevallen, noch door de nerfsplijtingen, noch door de overtallige bladschijven ge- stoord, d. w. z. als men het gedédoubleerde orgaan telkens als één enkel blad beschouwde, bleef de bladstand tweerijig afwisselend. 1. Nerfsplijting. a) Een jong blad, waarvan de top ondiep, de nerf echter tot dicht bij den voet der schijf gespleten was (’s Graveland). b) Twee opeenvolgende bladeren van een tak, waarvan dus het een naar rechts, het ander naar links, gericht was. Toppen tot op 1/,, nerven over °/, hunner lengte gespleten. Hoeken tusschen de OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. 433 beide takken van den hoofdnerf 20° en 40°, bladschijf daartusschen vlak. (Externsteine). 2. Volkomen splijting der schijf, zonder longitudinale uitéén- schuiving. a) Twee bladschijven, elk met haar steel, te samen met drie steunblaadjes en één okselknop. Zulk een tak vond ik, behalve bij Hilversum, ook nog bij Soest (prov. Utrecht). b) Twee bladschijven, elk met twee steunblaadjes en elk met een okselknop. Beide schijven vlak naast elkander aan dezelfde zijde van den tak gezeten. ('s Graveland.) c) Een tak, waaraan de beide sub a en b beschreven gevallen voorkomen; zij zijn van elkander vijf internodien verwijderd. Het eene gedédoubleerde blad is links, het andere rechts van den tak geplaatst. (Externsteine). d) Een tak, in jongen toestand verzameld en op spiritus ge- bracht. Aan de eene zijde zijn drie vlak boven elkander staande bladeren volkomen verdubbeld. Het onderste met drie steun- blaadjes en twee knoppen, het middelste met vier steun-en twee okselknoppen en het bovenste wederom met drie stipulae. (s Grave- land.) 3. Longitudinale uiteenschuiving bij volkomen bladverdubbe- ling. a) Een volkomen gedédoubleerd blad met twee schijven, elk met haar steel, steunblaadjes en okselknop; de schijven even groot. De eene schijf is op de normale plaats van het blad aan den tak bevestigd. De andere is 5 mm. lager ingeplant en aan de onderzijde van den tak bevestigd. Het volgende blad van dezen tak is even volkomen verdubbeld, doch de uiteenschuiving bedraagt slechts 2 mm., ook hier is de eene schijf op de normale plaats, volgens den bladstand, de andere (laagste) aan de onderzijde van den tak be- vestigd. De overige bladeren van den tak zijn normaal. (Hilver- sum.) b) Een eveneens volkomen gedédoubleerd blad, elke schijf met twee steunblaadjes en een okselknop; de eene schijf 3 mm. lager ingeplant dan de andere. De laagste schijf op de normale plaats volgens den bladstand, de andere aan de bovenzijde van den tak ingeplant. (Fig. 14.) Drie internodien lager draagt deze tak een verdubbeld blad met drie steunblaadjes en twee okselknoppen, zonder uitéénschuiving. (Externsteine.) 28 434 OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. Robinia Pseudacacia. 1. Onvolkomen bladsplijting. a) In mijn herbarium bewaar ik een blad waarvan het eind- blaadje twee toppen heeft en een nerf, die tot op de helft van de lengte van dit blaadje gespleten is. Overigens is het blad normaal. b) Bladeren, waarvan de algemeene bladsteel min of meer diep gespleten is, schijnen niet zeldzaam te zijn. Ik bezit er één dat tot het zesde, twee die tot het tweede, en een dat tot het eerste blad- paar (van onderen af gerekend) gespleten zijn. Eindelijk een blad waarvan de algemeene bladsteel tot voorbij het onderste bladpaar, tot op omstreeks een halven centimeter van de bladbasis in twee gelijke armen verdeeld is. c) Een blad, waarvan de algemeene bladsteel tot op een afstand van een paar millimeters van den tak gespleten was; het had slechts twee doorns (stipulae), daarentegen ook twee okselknoppen. 2. Volkomen bladsplijting zonder longitudinale uiteenschuiving. a) Zonder steunblaadje tusschen de beide bladstelen. b) Met een zeer klein, bijna haarvormig steunblaadje op deze plaats. c) Met een doorn van de gewone grootte en bouw tusschen de bladstelen, dus in het geheel drie doorns. Dit geval komt meer- malen voor. d) De middelste der drie doorns tweepuntig. e) Met vier doorns, de beide middelste vlak tegen elkander aan- gelegen, doch niet verbonden. f) Met vier doorns, de beide middelste min of meer van elkander verwijderd, de bladeren dus in dwarse richting uitééngeschoven. Ook dit geval komt meermalen voor. a-f) Al deze gedédoubleerde bladeren hebben in den oksel van elk der beide bladstelen een knop, behalve N° a en b. 3. Longitudinale uitéénschuiving. De gevallen, die tot deze groep behooren, rangschik ik, een- voudigheidshalve, in hoofdzaak naar het verschil in hoogte der beide bladeren, gemeten evenwijdig met de as van den tak, en van den onderrand van de inplanting van het gewricht van het eene blad, tot het overeenkomstige punt van het andere blad. Deze maat, die eenigzins een denkbeeld van den graad van uitéénschuiving geeft, plaats ik, in mm. uitgedrukt, vooraan bij elk afzonderlijk voorbeeld. Al deze bladeren hebben elk twee volkomen algemeene blad- OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. 435 stelen, in den oksel van elk dezer een knop, en aan de buitenzijde een normalen doorn of stipula. Zij verschillen echter van elkander ten opzichte van de doorns, die tusschen de beide bladstelen geplaatst ziin. Ik noem deze, gemakshalve, centrale doorns of centrale sti- pulae. a) (4 mm.) Drie gevallen, elk met één centralen doorn, die in twee exemplaren onverdeeld is, in het derde echter aan zijn uitersten top in twee fijne punten uitloopt. Twee van deze voorbeelden be- vinden zich aan denzelfden tak (Plaat I Fig. 31). b) (5 mm.) Een centrale doorn, waarvan de top tot dicht bij het midden gespleten is, terwijl beiderzijds van deze splijting uit diepe gleuven tot aan den voet van den doorn gaan, zoodat deze er uitziet als twee, halverwege aan elkander vastgegroeide doorns. c) (7 mm.) Tusschen beide bladstelen één, schijnbaar geheel normale doorn. Het midden van dezen doorn ligt ongeveer in het midden tusschen de inplantingen der beide bladstelen (Fig. 5). d) (6 mm.) Centrale doorn tweetoppig, bijna tot op de helft gespleten, met diepe tot aan den voet loopende gleuven (Fig. 9). e) (10 mm.) Centrale doorn tweetoppig, ondiep gespleten, met ondiepe gleuven. Alle drie de doorns klein, de centrale met een zeer verbreeden voet beiderzijds zich tot de bladstelen uitstrekkende (Fig. 7). De knoppen liggen in al deze gevallen (a-e) longitudinaal boven de inplantingen der bladstelen, niettegenstaande de inplantingslijn van het geheele blad min of meer schuin, in N° d en e reeds sterk hellend, is. Evenzoo in de volgende gevallen. f) (9 mm.) Elke bladsteel heeft zijn eigen doorns, de centrale van den bovensten steel een weinig te laag, die van den ondersten een weinig te hoog geplaatst. Beide centrale doorns verbonden door een vrij breed, tijdens het leven van den tak bruin gekleurd veld, dat hun gemeenschappelijken oorsprong nog duidelijk aanwijst (Fig. 6). g) (29 mm.) Centrale doorn ééntoppig, tot een overlangschen verheven en dikken kam uitgegroeid, die de beide bladstelen ver- bindt, en in zijn midden een korten, fijnen punt draagt (Fig. 10, waar a de plaats aanwijst, waar de onderste bladsteel afgebroken werd). h) (20 mm.) Evenzoo, doch de centrale doorn met twee, vlak bij elkander ‘geplaatste punten. i) (13 mm.) Evenzoo, doch de punten van den centralen doorn ongelijk in grootte, en iets dieper van elkander afgespleten (Fig. 11). 28* 436 OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. j) (30 mm.) Evenzoo, doch de beide punten van den centralen doorn 10 mm. van elkander verwijderd. k) (23 mm.) De centrale doorn is gebouwd als in het vorige geval, maar, bij de uiteenschuiving der beide bladstelen is de doorn ge- scheurd, zoodat zijne beide toppen nu ver van elkander verwijderd zijn (Fig. 8). De verwijdering bedraagt als in N° j. 10 mm., maar daar de tak ruim eens zoo dun is, en de internodien hier kleiner zijn, kan men deze beide lengten niet onderling vergelijken. Dat de doorn gescheurd is blijkt uit een wondlijn, die de voeten der beide toppen verbindt; en welke wondlijn in N° j. ontbreekt. De wondlijn is in het spiritus-praeparaat nog duidelijk te herkennen, als door scheu- ring ontstaan, en strekt zich op den ondersten vrijen doorntop 4 mm. omhoog uit, dus tot op I mm. van den eigenlijken punt. Het ligt voor de hand aan te nemen, dat in de jeugd beide doorns onmiddellijk naast elkander stonden, en dat de onderste slechts zoover vrij was, als met een lengte van 1 mm. in den volwassen toestand overeen- kwam. Toen scheurde de doorn; de beide scheurlijnen pasten aan- vankelijk natuurlijk precies op elkaar, maar door den groei van het tusschengeschoven internodium werd de eene tot 10 mm. verlengd, terwijl de andere, aan den vrijen top, slechts tot 4 mm. uitgroeide. Het internodium, dat door de uiteenschuiving der beide blad- stelen onstaan is, is evenlang als de beide normale internodiën, die er, naar onderen en naar boven, aan grenzen. I) (14 mm.) Beide bladstelen met eigen centrale doorns, die vrij klein zijn, evenals de uitwendige stipulae, maar door een over- langsche bruine lijn onderling verbonden. Tusschengeschoven inter- nodium kleiner dan de beide aangrenzende. m) (18 mm.) Evenzoo. De bovenste der centrale doorns is hier merkwaardigerwijze tweetoppig. (Fig. 12.) Trouwens evenals bij Castanea komen ook hier van tijd tot tijd bijkomende monstro- siteiten voor, waarvan ik een geval wil aanhalen waarin, midden op een lang internodium tusschen twee bladeren die elk hun eigen doorns hadden, een vrije doorn gezeten was. RÉSUME sur le dédoublement des phyllopodes. L’étude expérimentale de la torsion de Dipsacus sylvestris nous a fait connaître le rôle, que jouent dans ce phénomène les parties de laxe, appartenant à chaque feuille. Ce sont ces parties que M. Del- OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. 437 pino a désignées dans sa Teoria generale della fillotassi (1883) sous le nom de phyllopodes. Selon lui la feuille et son phyllopode consti- tuent ensemble un mérithalle. Dans les Cryptogames Vasculaires chaque mérithalle est le pro- duit d’un seul segment de la cellule apicale ou initiale de la tige. Selon M. Delpino on doit admettre en principe la même origine pour les mérithalles des Phanerogames. Les belles recherches de M. Dou- liot sur la croissance terminale de la tige ont démontré que pour les Gymnospermes le développement des mérithalles est le même que pour les Cryptogames Vasculaires'); pour les Angiospermes, où la cellule apicale est couverte par l’épiderme, et où il y a souvent une cellule initiale particulière pour le cilindre central, ces recherches nous ouvrent la voie pour les études, qui seront nécessaires pour donner à la théorie de M. Delpino une base d’observation directe. En attendant, je pense qu’il y a quelque intérêt à étudier les phénomènes morphologiques et tératologiques, qui peuvent nous fournir des renseignements sur l’existence des phyllopodes. Leur rôle dans les tiges spiralées de Dipsacus a été démontré par expérience. La torsion ne se montre dans cette plante que sur les tiges, dont les feuilles, encore tout jeunes, sont rangées en spirale. Il est évident, que dans ce cas les phyllopodes sont aussi arrangés en spirale. Or, pour empêcher la torsion de se manifester, il ne suffit pas de découper la spirale des feuilles, il est indispensable d’affran- chir les phyllopodes en les isolant par une incision de toute la lon- gueur des deux phyllopodes voisins. Dans les questions de phyllotaxie les mérithalles sont donc les unités à considérer; dans la croissance d’une tige la position des feuilles est décidée définitivement ou du moins en principe, long- temps avant l’apparition de ces protuberances qui sont les premiers indices extérieurs des feuilles. Toutefois, en étudiant la signification du dédoublement pour la phyllotaxie, et en jetant d’une main de maître les principes rai- sonnés d’une nouvelle science, M. Delpino, quant au dédoublement, s’est borné à étudier les feuilles. Mais il est évident, que sa théorie exige que les phyllopodes puissent se dédoubler tout de même; le mérithalle tout jeune pourra même être fendu en deux avant la séparation de la feuille et du phyllopode* La série du savant italien commence, comme on le sait, par une feuille fendue seulement à son extrémité et finit par la fission en 1) Annales des Sciences naturelles VII série. Bot., XI p. 283, et XIII p.93. 438 OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. deux feuilles tout faites, dont chacune a son bourgeon axillaire, ses stipules, s’il y a lieu, en un mot toutes les parties normales d’une feuille complete. Pour completer cette serie et pour y joindre la partie qui traite du dédoublement des phyllopodes, j’ai rassemblé dans le cours de quel- ques années des cas de dédoublement sur les Castanea vesca, Carpi- nus Betulus et Robinia Pseud-Acacia. Sur les deux premières espèces mes observations se bornent aux rameaux horizontaux ou presque horizontaux dont les feuilles sont distiques et étalées dans le même plan. Ces rameaux ont le grand avantage que la position des feuilles y est très facile à reconnaître. Or dans mes observations cette position n’était pas altérée par le dédoublement, ni des feuilles, ni des phyllopodes, pourvu qu’on prenne l’organe dédoublé pour une seule unité dans la spirale génératrice Par l’aperçu de mes observations, qui suit, on verra que mes séries sont tolérablement complètes et que leur nouvelle partie, le dédoublement du phyllopode, s’accouple tout naturellement à celle qui traite de la fission des feuilles. Castanea vesca. Ma série commence par des feuilles à limbe bilobé et à nervure médiane fissée ; elle est continuée par les organes dédoublés à deux limbes et deux pétioles distincts, mais qui ont ensemble trois stipules et un bourgeon axillaire. Vient ensuite la fission incomplète de ce bourgeon et de la stipule moyenne, puis la production de deux bourgeons et de quatre stipules. C’est là la série de M. Delpino. Les deux limbes, insérés dans les cas précédents à la même hau- teur de la tige, peuvent dans d’autres cas être éloignés l’un de l’autre dans le sens longitudinal. Dans ces cas il est évident que l’accroisse- ment de leurs phyllopodes n’était pas unique, mais devait être diffé- rent pour les phyllopodes correspondants aux deux limbes. Il y a donc ici dédoublement du phyllopode accompagnant celui de la feuille. L’eloignement longitudinal des deux limbes peut atteirdre des valeurs très différentes, comme on le voit dans les figures 1—4 de la Table. Chaque feuille dédoublée y possède deux limbes (a et b), deux pétioles, quatre stipules (1, 2, 3 et 4) et deux bourgeons axillaires, mais les deux pétioles ne se trouvent pas à la même hauteur de la tige. Je possède un spécimen (Pl. I, Fig. 1) où leur éloignement dans la direction de l’axe de la tige n’est que de deux millimètres, deux autres où il est de cinq millimètres (Fig. 2 et 4), sur une longueur internodiale de 3 à 4 centimètres, un quatrième où il est de dix milli- OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. 439 mètres (Fig. 3). Ces cas doivent être regardés comme résultant d’un dédoublement incomplet des phyllopodes. Quand le dédoublement est complet, l'éloignement des deux limbes atteint la même longueur que l'éloignement normal de deux feuilles, c'est à dire celle d’un internode. Ce dernier cas n’est pas si rare que les précédents, j'en ai trouvé plusieurs spécimens. On voit alors, sur un rameau à feuilles disti- ques, du reste tout à fait normal, une feuille superflue. Celle-ci est placée à angle droit sur le plan de toutes les autres feuilles du rameau; surtout si elle est dirigée en haut sur le rameau plan et horizontal, elle saute facilement aux yeux. Il est évident qu’elle doit avoir été produite par le dédoublement d'une des deux feuilles les plus voisines. Carpinus Betulus. Trois feuilles bilobées et à nervure médiane fendue. Une feuille à deux limbes, deux pétioles, trois stipules et un bourgeon axillaire. Une autre totalement dédoublée; quatre stipules et deux bourgeons axillaires, mais sans éloignement longitudinal. Dans trois autres feuilles, dédoublées à un degré plus haut, il y a un éloignement longitudinal, de deux millimètres dans l’une, de trois millimètres dans la seconde (Fig. 14) et de cinq millimètres dans la troisième. L’un des deux limbes se trouve toujours dans le plan normal des autres feuilles (a dans la figure 14), l’autre limbe (b) est inséré à angle droit sur se plan soit en haut, soit en bas du rameau. Le dédoublement du phyllopode est bien incomplet dans cette série, mais n’en est pas moins évident. Robinia Pseud- Acacia. La série commence par le dédoublement incomplet (nervure fendue) de la foliole terminale, et se continue par la fission du pétiole commun à des degrés très différents jusque tout près de la base. Je possède en tout sept degrés de ce dédouble- ment dans ma collection. Vient ensuite la fission totale du pétiole, avec bourgeon axillaire unique et deux stipules, ou bien avec une troisième stipule très petite entre les pétioles. Dans les degrés plus parfaits de ma collection il y a toujours deux bourgeons axillaires et trois ou quatre épines (stipules). L’épine moyenne peut être simple à sommet unique, ou à deux pointes. Dans le cas où il y a quatre épines, les deux moyennes peuvent être pressées l’une contre l’autre, ou bien placées à une distance mesurable. Dans tous ces cas les deux pétioles sont insérés au même niveau du rameau. L’eloignement longitudinal des deux pétioles peut être plus ou moins grand, jusqu’à ce qu’il atteigne la longueur d’un internode nor- mal. J'en possède quinze spécimens (Fig. 5-13, dans lesquels a et b sont les deux pétioles de la feuille dédoublée, 1 et 2 les stipules ou 440 OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. épines extérieures, 2,3 la seule, ou 2 et 3 les deux stipules inté- rieures). Chaque pétiole a toujours son bourgeon axillaire et sa stipule extérieure. La stipule moyenne est dédoublée à des degrés très divers. Les plus petites divergences longitudinales sont de quatre et de cinq millimetres (Fig. 13 et trois autres spécimens), à épine moyenne unique, à une ou à deux pointes, désignée dans la Fig. 13 par 2, 3. Suivent les divergences de 6-10 Mm (quatre cas), à épine moyenne unique, fendue (Fig. 7 chez 2, 3 et Fig. 9 chez 2, 3) ou non (Fig. 5 chez 2, 3), ou à deux épines moyennes soudées entre elles par un prolongement de leurs bases (Fig.6, épines 2et3). Viennent ensuite quatre cas (Fig. 10, 11), dans lesquels la divergence longitu- dinale est déjà bien grande, de 13 à 30 Mm, où l’épine moyenne est unique mais à base allongée en forme de crête, qui relie entre eux les deux pétioles. Cette crête porte une seule pointe (Fig. 10 chez 2, 3), ou bien deux tout près l’une de l’autre (Fig. 11, chez 2, 3), ou enfin deux pointes à quelque distance. Dans un cinquième cas la crête a été déchirée par l'accroissement de l’internode interposé entre les deux pétioles (Fig. 8), et une ligne cicatricielle (entre 2 et 3) montre clairement que l'éloignement des deux pointes, dans ce cas, est dû à cette force extérieure. Dans les derniers numéros de ma série il y a deux épines moyennes, dont chacune est placée tout près de son pétiole, mais elles sont reliées entre elles par une ligne brune du même aspect et de la même couleur que leurs bases (p. ex. Fig. 12 entre 2 et 3). L’éloignement atteint ici environ ou tout à fait la longueur d’un internode. Verklaring der Plaat I. In alle figuren beteekent: . de onderste bladschijf of bladsteel van het gedédoubleerde blad. . de bovenste bladschijf of bladsteel van hetzelfde blad. . het uitwendige steunblaadje (of doorn) van den ondersten bladsteel. . het centrale steunblaadje (of doorn) van denzelfden steel. . het centrale steunblaadje van den hoogsten bladsteel van hetzelfde blad. . het uitwendige steunblaadje van dien steel. 2,3 het centrale steunblaadje, zoo er slechts één aanwezig is. Alle figuren zijn ongeveer in natuurlijke grootte, naar photographien geteekend. Bij elke figuur is hieronder, tusschen haakjes, het nummer en de letter aangewezen, waaronder zij in den tekst vermeld is, evenzoo de absolute lengte der longitudinale uiteenschuiving. De bladeren zijn, om ruimte te sparen, òf in hun bladsteel, òf in het onderste gedeelte der schijf, met een enkele uitzondering, weggesneden. NSA Castanea vesca. (blz. 430-432). Fig. 1 (3a-2 Mm). Jong gedédoubleerd blad met twee bladschijven en met steunblaadjes; de tak is, ten behoeve der photographie, vlak boven den knoop weggesneden. Over verdubbeling van Phyllopodien. er > - =) a ER a OA de te COTATI TN rd Fa. P. W. M. Trap impr. Hugo de Vries, Opera. OVER VERDUBBELING VAN PHYLLOPODIEN. 441 Fig. 2 (3b-5 Mm). Volwassen verdubbeld blad, steunblaadjes afgevallen. Van de beide bladschijven lag de eene (b) in het horizontale vlak der tweerijig geplaatste bladeren, het mediaanvlak van de andere a stond loodrecht omhoog. Fig. 3 (3d-10 Mm). Jong gedédoubleerd blad met twee bladschijven en vier steunblaad- jes; deze en de beide bladstelen in een doorloopende schuine lijn aan den tak geplaatst. Fig. 4 (3c-5 Mm). Volwassen verdubbeld blad met vier steunbiaadjes waarvan er echter een, nl. het centrale van den ondersten bladsteel, afgevallen was. De schijf b in het vlak der overige bladeren, de schijf a met haar mediaanvlak loodrecht daarop. In de figuur is ook de bladsteel van het naast hoogere blad opgenomen, om de lengte van een internodium te laten zien. Robinta Pseud-Acacia. (blz. 434-436). Fig. 5 (3c-7 Mm). Blad met twee bladstelen en drie doorns. Centrale doorn onverdeeld. Dit en alle overige afgebeelde bladeren in volwassen toestand verzameld en gephotographeerd. Fig. 6 (3f-9 Mm). De beide centrale doorns zijn door een breed bruin veld onderling verbonden. Fig. 7 (3e-10 Mm). De centrale doorn tweetoppig, smal, maar door uitloopers van zijn voet beiderzijds met de inplantingsplaatsen der bladstelen verbonden. Een hooger blad is in de figuur opgenomen. Fig. 8 (3k-23 Mm). De beide bladstelen van elkander om de volle lengte van een inter- nodium verwijderd; de centrale doorn tweetoppig en gescheurd. Fig. 9 (3d-6 Mm). Centrale doorn tweetoppig, met beide bladstelen op een opstijgende schuine lijn op den tak ingeplant. Fig. 10 (32-29 Mm). Centrale doorn tot een groote kamvormige lijst uitgerekt, die de beide bladstelen verbindt en op zijn midden één punt draagt. De onderste bladsteel (a) is, ten behoeve der photographie, van het bladkussen afgebroken. In de figuur is, onder het gedédoubleerd blad, nog een normaal blad opgenomen. Fig. 11 (3i-13 Mm). Centrale doorn met twee ongelijke toppen; met zijn voet beide bladstelen verbindende. Fig. 12 (3m-18 Mm). Centrale doorns klein en vlak naast hun bladstelen gelegen, doch door een overlangsche bruine lijn verbonden. Centrale doorn 3 tot aan de basis in tweeën gespleten. Fig. 13 (3a-4 Mm). Geringe uiteenschuiving van een gedédoubleerd blad met drie doorns. Carpinus Betulus. (blz. 432-433). Fig. 14 (3b-3 Mm). Elke schijf met twee steunblaadjes en één okselknop. De schijf a op de normale plaats in den tweerijigen bladstand, de schijf b met haar mediaanvlak lood- recht op het vlak der overige bladeren ingeplant, naar boven gericht. Tak van de achterzijde gephotographeerd. (Botanisch Jaarboek uitgegeven door het kruidkundig genootschap Dodonaea te Gent, Vijfde Jaargang, 1893, blz. 108.) OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. Met Plaat I-III. (Avec un résumé en langue frangaise.) De erfelijkheid van de fasciatie der hanekammen (Celosia cristata) is een feit, dat door eene ondervinding van vele tientallen van jaren boven allen twijfel verheven is. Of echter bandvormige stengels in het algemeen een verschijnsel van erfelijken aard zijn, daarom- trent zijn de plantkundigen nog niet tot eene bepaalde overtuiging gekomen. Oudere teratologen hielden gewoonlijk de monstrosi- teiten voor toevallige, niet erfelijke afwijkingen van het typet), en nog in het leerboek van Frank: Die Krankheiten der Pflanzen (1880) schijnt deze meening de heerschende te zijn. Ook omtrent fasciatiën huldigt Frank deze meening, want op de vermelding der hanekammen laat hij terstond volgen: Dass andere, gewöhnliche Verbänderungen nicht erblich sind, hat Godron an einem Versuche erwiesen (l. c. blz. 234). Naar mijne ondervinding zijn monstrositeiten, met uitzondering van vergroeningen?), in het algemeen erfelijk?), en gelukt het in den regel, ze door uitzaaien langzamerhand te fixeeren. Ik wensch in dit opstel de feiten mede te deelen, die ik in deze richting, ten opzichte der fasciatiën, in een tijdverloop van omtrent tien jaren verzameld heb. Het eenige rechtstreeksche bewijs voor de erfelijkheid eener monstrositeit ligt natuurlijk in de voortbrenging van een ras, waarin deze afwijking, in een groot aantal exemplaren, in elke generatie regelmatig terugkeert. Stelt men de zaden van zulke rassen ter beschikking van belangstellenden, zoo kan iedereen zich met eigen oogen van de juistheid der stelling overtuigen®). Maar het aantal van zulke proeven blijft uit den aard der zaak beperkt, en alleen 1) Evenzoo in 1888 C. Massalongo „Fra i rari esempi di varietà mo- struose che si conservano, trasmettendosi di generazione in generazione, enz,“ in Nuovo giornale botanico italiano, vol. XX No. 2. 2) Opera V, S. 189. 3) Ibidem, S. 233. 4) Gaarne zend ik op aanvragen zaden van Crepis biennis fasciata, Geranium molle fasciatum en andere rassen met bandvormige stengels. OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 443 het feit, dat nagenoeg elke fasciatie, die men aan de proef onder- werpt, vroeger of later blijkt erfelijk te zijn, geeft het recht, in het algemeen tot de erfelijkheid van fasciatiën te besluiten. In elk geval bewijst het mislukken van eene proef m. i. volstrekt niet, dat eene gegeven fasciatie niet erfelijk zou zijn, zooals Godron aannamt). Zoo heb ik b. v. van gespletene en driedubbele rogge- aren (Secale Cereale), die op een akker nabij Ermeloo gevonden waren, de korrels uitgezaaid, en kreeg ik daaruit een aantal planten met omstreeks 500 aren, die echter allen normaal waren. Evenzoo heb ik van een fraaien bandvormigen stengel van Picris hieracioides zaden gezaaid, zonder dat de fasciatie zich herhaalde. En uit wortel- knoppen van die plant won ik zaad, dat mij een cultuurras gaf, dat ook na verscheidene jaren geen gefascieerde stengels droeg, Toch twijfel ik niet, dat zoowel bij Secale als bij Picris de fasciatie erfelijk is, en dat het mij gelukt zou zijn haar te fixeeren, zoo ik de proef op eene grootere schaal en met meer kennis van de eischen eener goede tuincultuur van deze beide soorten had kunnen beginnen. Gronden voor deze overtuiging vindt men in mijne, hieronder mede te deelen ervaringen met Hesperis matronalis en andere zaaisels van gefasciëerde planten, waarbij ik vooral wensch te wijzen op de mogelijkheid van het overslaan van geheele generatiën door de monstrositeit (Helianthus annuus, Tetragonia expansa e. a.) Naast de gefasciëerde rassen verdienen echter nog eenige andere groepen van feiten aangevoerd te worden, waar het er op aankomt, de erfelijkheid van fasciatiën in het algemeen te bewijzen. Drie van deze groepen wensch ik hier op den voorgrond ze stellen. In de eerste plaats het optreden van fasciatiën in reeksen van jaren, bij een- of tweejarige gewassen. Ik heb dit zoowel in mijne culturen van andere monstrositeiten, alsook in het wild aangetroffen. Waar de planten met bandvormige stengels niet als de eenige zaad- dragers worden uitgekozen, kan men natuurlijk eene volledige fixeering van het ras niet verwachten. Maar het tel en jare terug- keeren van enkele gefasciëerde exemplaren bewijst natuurlijk de erfelijkheid voldoende. Een tweede argument vormt het optreden der fasciatie in een kleiner of grooter aantal exemplaren op dezelfde groeiplaats, bij één- en tweejarige gewassen, waarvoor dan eene gemeenschappelijke afstamming als de meest eenvoudige verklaring moet worden aan- 1) A. Godron. Melanges de tératologie végétale. Mém. des sc. nat. de Cherbourg T. XVI, 1871/72, blz. 97 en blz. 112. 444 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. genomen. Vooral dan, wanneer de planten zoo ver van elkander verwijderd staan, dat de gewone verklaring, die eenvoudig de ge- lijkheid van uitwendige omstandigheden tijdens de ontwikkeling aanneemt, niet voldoende kan geacht worden. Zoo vond ik in de duinen bij Zandvoort meerdere exemplaren van Picris hieraciozdes met fraaie bandvormige stengels, en hetzelfde was het geval met Oenothera biennis. Talrijk verdubbelde bloemhoofden op een aantal planten van een zaaisel van Pyrethrum roseum nam ik voor eenige jaren in den Hortus te Amsterdam waar. Naar mijne ervaring moeten in zulke gevallen twee factoren samenwerken, nl, erfelijke aanleg tot bandvorming, en bijzonder gunstige onstandigheden voor het zichtbaar worden daarvan. Een laatste groep van feiten ontleen ik aan het herhaalde optreden van fasciatiën aan een zelfde plant, of aan een groep van planten, die door vermeerdering langs vegetatieven weg uit één enkel exem- plaar kunnen zijn ontstaan. Zulke feiten zijn het veelvuldigst en het gemakkelijkst waar te nemen; zij vormen wel geen recht- streeksch bewijs, maar toch een krachtig argument voor de aan- wezigheid van een innerlijken, erfelijken aanleg tot fasciatie. Ik noem hier vooral eenige gevallen van planten, waarvan ge- fascieerde ,,variéteiten’”!) in den handel voorkomen. Zoo bv. Lilium speciosum album corymbiflorum, de Slagzwaard-Keizers- kroon (een bandvormige variëteit van Fritillaria imperialis), Sedum reflexum monstruosum, Sedum arboreum cristatum, de bekende mon- streuze Cactus-soorten, en verder de heesters Sambucus nigra fas- ciata, en Evonymus japonicus fasciatus. Verder komen bij Hya- cinthus orientalis, Narcissus Pseudo-Narcissus en eenige andere bolgewassen gefascieerde individuen niet al te zeldzaam voor. Een aantal waarnemingen aan overblijvende en aan houtige soorten, aan welke zich eene toevallige fasciatie, hetzij aan dezelfde plant, hetzij op verschillende exemplaren eener zelfde groeiplaats in den loop der jaren meermalen vertoonde, heb ik, door een regel- matige waarneming op de groeiplaatsen, bijeengebracht en in dit opstel samengesteld. Zij zullen, naar ik vertrouw, voldoende be- vonden worden om het bewijs te leveren, dat de erfelijkheid, die voor de gefasciëerde rassen rechtstreeks bewezen is, voor fasciatiën in het algemeen als de regel moet worden beschouwd. 1) Bij overblijvende handelsplanten omvat een zoogenoemde „variëteit“ in den regel slechts individuën, die door vegetatieve vermenigvuldiging uit één enkelen zaailing verkregen zijn. OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIËN. 445 Ik ga thans over tot de beschrijving mijner proeven en waar- nemingen, voor elke soort afzonderlijk. I. Gefascieerde rassen. Crepis biennis. Verbreede stengels komen aan deze, op weilanden in Nederland vrij algemeene plant bij ons te lande niet zeldzaam voor. Ik ontving voorbeelden daarvan van verschillende groei- plaatsen en in verschillende jaren. In Mei 1886 trof ik zelf op een weiland in de omstreken van Hilversum een paar exemplaren aan, wier stengels, aan den top, geringe verbreedingen toonden. Op de zelfde plaats stonden ook planten van Crepis biennis met gedraaide stengels en takken, en tevens een paar vergroende exemplaren. Den 30 Juni van dat jaar werd het weiland gemaaid; ik verzamelde op dien dag van de Crepis-planten eenig zaad; het waren niet- gefascieerde exemplaren, wier bloemen echter misschien door de gefascieerde bestoven waren, welke ik eenige weken vroeger ten behoeve van mijn herbarium had medegenomen. Op dezelfde groeiplaats vond ik in Juni 1887 wederom vergroende en in Juni 1888 eveneens vergroende, maar tevens gefascieerde en getordeerde exemplaren. Het zooeven vermelde zaad zaaide ik in den Hortus Botanicus te Amsterdam in 1887. Ik verkreeg daaruit omstreeks 100 krachtige planten, waarvan er drie reeds vóór den herfst eene verbreeding in de roset toonden. Deze drie werden daarna afzonderlijk geplant, om ze te laten bloeien zonder gevaar van door de andere bestoven te worden. Onder de planten, wier roset normaal bleef, waren er in het vol- gende voorjaar negen, die in hun stengels of takken duidelijke band- vormingen toonden. Deze planten werden echter, met de atavisten, zoodra zij bloeiden, tot den grond toe weggesneden. De exemplaren met gefascieerde roset (Plaat I Fig. 1) leverden stengels, die met eene verbreede basis beginnende, zich niet verder verbreedden (Plaat II Fig. 1 en 3), maar door splijting zich in een grooter of kleiner aantal platte stammen verdeelden (Plaat II Fig. 2 en 4.) Zij droegen rijkelijk zaad. Uit dit zaad is een ras ontstaan, dat ik sedert regelmatig voort- gekweekt heb, en dat in elke generatie een zeer voldoend aantal gefascieerde rosetten levert, ten minste bij goede cultuur. In hetzelfde ras is ook de torsie erfelijk gebleven, ofschoon bij de keuze der zaaddragers aan getordeerde exemplaren nooit bijzondere 446 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. voorkeur geschonken ist). In het jaar 1890 dienden de niet ge- fascieerde, doch wel getordeerde exemplaren van dit ras mij voor eene proef, om te bewijzen dat de torsie plaats vindt, wanneer de stengeldeelen reeds vrij ver ontwikkeld en van elken uitwendigen klem geheel vrij zijn*). Hetzelfde ras bood mij ook de gevallen van oneigenlijken klemdraai, die mij als voorbeeld van klemdraai bij planten zonder kruis- of kranswijzen bladstand gediend hebben). Van het zaad van de drie zaaddragers van 1888, wier rosetten reeds verbreed waren, werd in 1889 alleen dat van één exemplaar gezaaid, en wel van de plant met de fraaiste fasciatie. Ik kweekte hiervan 128 planten, en onderzocht op 14 Maart 1890 de rosetten, dus korten tijd voor dat zij stengels zouden schieten. Er waren er 76 zonder verbreeding, 24 met een verbreeding van 1-2cm., en 28 met een verbreeding van 2-6 cm. M. a. w. de bladeren, die in normale rosetten uitstralen van één punt, straalden hier uit van een lijn, die 1-6 cm. lang was (Plaat I Fig. 1). Deze lijn moet als de kamvormige groeitop beschouwd worden, blijkens onderzoekingen door Dr. A. Nestler hierover op mijn laboratorium ingesteld. In het geheel waren dus in 1890 omstreeks 40%, van de rosetten gefascieerd. Wellicht moet dit cijfer iets grooter genomen worden, daar sommige rosetten gespleten waren. Dit is een zeer gewoon verschijnsel bij fasciatie, doch daar de mogelijkheid bestaat, dat rosetten met een bijroset uit een zijknop, of de zoodanige, wier eindknop gestorven en door twee zijknoppen vervangen is, met gespleten rosetten verwisseld worden, heb ik gemeend, al zulke exemplaren bij de atavisten te moeten tellen. Verder moet men in het oog houden, dat onder de planten, wier rosetten niet verbreed waren, zonder twijfel vele later nog verbreedingen in stengel of takken zouden voortgebracht hebben. De atavisten en zwak gefascieerde planten werden nu gerooid, en sedert werden telkens de minst gefascieerde exemplaren weg- genomen tot dat op 23 Mei, vóór den bloeitijd, nog slechts de drie fraaist verbreede individuën overbleven. Deze werden zoo ver noodig opgesnoeid; tegen het einde van Juli was hun zaad rijp en | werd het geoogst. Fraai gefascieerde planten, zoo als deze drie (Plaat II), bereiken slechts omstreeks de halve hoogte der normale planten, klaarblijkelijk lonographie der Zwangsdrehungen, Opera V, blz. 377. . blz. 378. . blz. 328. oo} OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 447 omdat-het voedsel, voor de zooveel breedere stengels verbruikt, on- voldoende is voor den normalen lengtegroei. De breedte der beide beste zaaddragers van 1890 was dan ook 6 en 8cm., en wel van onderen af tot boven. In de inflorescentie waren de stammen ge- spleten, de breedste takken droegen kamvormige bloemhoofden. Opmerking verdient, dat het vlak der verbreeding samenvalt met het mediane vlak der cotylen; men kan dit aan de beide wortel- rijen zien, die tijdens den bloei nog goed te herkennen zijn, en die in de kiemplanten onder de middennerven der zaadlobben ge- plaatst zijn. In Mei 1891 zaaide ik in den Hortus voor de derde maal, dus als vierde generatie, en wel alleen het zaad van den breedsten en fraaisten zaaddrager van 1890. Tegen het eind van September werd de eerste verbreeding in een paar rosetten zichtbaar; in October nam het aantal gefascieerde rosetten vrij snel toe. In November telde ik 204 planten, waarvan er 62, dus ruim 30%, gefascieerd waren. Dit cijfer is dus iets kleiner dan in de vorige generatie. Alle atavisten en de minst goede erven werden gerooid, zoodat vóór den bloei slechts zeven zaaddragers gespaard bleven. Hunne stengels waren grootendeels 10-14 cm. breed, en slechts 30-60 cm. hoog. Hun zaad werd geoogst op 25 Juli 1892, en wel evenals in vroegere jaren, voor elke plant afzonderlijk, doch daar juist de beste planten weinig zaad gaven, werd dit voor de drie fraaiste exemplaren gezamenlijk gezaaid. Dit geschiedde in het voorjaar van 1893. In October had ik 48 rosetten, waarvan er 12 verbreed en eenige gespleten waren. De verbreedingen bedroegen meest 1—4 cm., in enkele rosetten werden zij allengs veel aanzienlijker, tot in December een maximum van 7 cm. werd bereikt. (Plaat I Fig. 1). De gespleten rosetten waren in dit jaar vrij veelvuldig, zoodat het cijfer van 24%, dat men uit de zooeven medegedeelde gegevens zou kunnen afleiden, zeker te klein is. Een der gespleten rosetten toonde op de grens der beide splijt- rosetten twee bladeren, die ruggelings tegen elkander aanstonden, en langs hun middennerf tot dicht bij hun top aaneengegroeid waren 1). Vatten wij het bovenstaande kort te samen, dan leverde de eerste, 1) Ruggelings aaneengegroeide bladeren in de gaffeling eener splijt- fasciatie zijn betrekkelijk zeldzaam. Ik verzamelde daarvan tot nu toe voorbeelden bij Dipsacus sylvestris, Robinia Pseudacacia, Evonymus japo- nicus (Opera V, blz. 294), en sedert bij Collinsia heterophylla, Epilobium hirsutum, Echium vulgare, Chrysanihemum segetum, Agrostemma Githago en Acer Pseudoplatanus, 448 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. in het wild gevonden generatie slechts geringe verbreedingen in de toppen der stengels in een paar exemplaren. Reeds in de tweede generatie trad verbreeding in de rosetten op; sedert werden telkens uitsluitend planten met verbreede rosetten als zaaddragers gekozen. Het aantal verbreede rosetten bedroeg minstens: 2° generatie, 1887-1888 — 3 % a 1889-1890 — 40 % 4° a 1891-1892 — 30 % 58 A 1893-1894 — 24 % De verschillen in deze cijfers hangen waarschijnlijk deels van de cultuur, deels van het weder af, dat in het eene jaar den groei der planten zooveel krachtiger bevordert dan in het andere. Aster Tripolium. In October 1890 ontving ik een prachtig van onder tot boven sterk verbreed exemplaar van deze soort, dat aan het IJ bij Amsterdam was gevonden, en rijp zaad droeg. Dit zaad zaaide ik in Mei 1891; het gaf een veertigtal planten, waarvan slechts één een geringe verbreeding in den top had. Het droeg in October 1891 rijp zaad. Uit dit zaad had ik, in 1892, 54 exemplaren, waarvan er twee wederom gefascieerde toppen vertoonden. Vóór den bloei van deze werden de atavisten gerooid, met uitzondering van een paar, die op een verwijderd bed stonden. Het zaad van de beide erven leverde, na afzonderlijk verzameld en gezaaid te zijn, in 1893 van No. 1: 189 en van No. 2: 102 planten, waarvan er 11 en 7 een gefascieerden stengeltop hadden. Dat is dus omstreeks 7%, in vierde generatie. Mijne planten gaven slechts zwak verbreede stengeltoppen, in plaats van den sterk verbreeden stengel van het oorspronkelijke individu. Doch dit ligt daaraan, dat dit exemplaar waarschijnlijk tweejarig was, en wellicht reeds een verbreede roset gehad had, evenals de planten van mijn ras van Crepis biennis. Mijne planten worden in April in een warme kas gezaaid, dan verspeend, en in potjes onder glas gehouden tot in Mei. Bij deze cultuurwijze bloeien zij nagenoeg allen in het eerste jaar. Geranium molle. De fasciatiën van deze plant zijn bijzonder belangwekkend, omdat de bloeiende stengels sympodiën zijn. Dien ten gevolge wordt niet de stengel over zijne geheele lengte verbreed, maar telkens slechts één zijner geledigen, en met deze de bloemsteel en bloem, die haar top vormt. In de volgende geleding kan zich de verbreeding herhalen, dit kan zelfs eenige geledingen zoo voortgaan, doch vroeger of later volgt weer een atavistische geleding. Elke OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 449 gefascieeerde geleding eindigt of in een gespleten bloemsteel, of in een verbreede bloem; dit laatste in mijn ras zeer veelvuldig en in verschillende graden van verbreeding, nl. tot de breedte van twee, drie of meer normale bloemen. In gefascieerde bloemen pleegt ook de vrucht verbreed te zijn; een groot aantal zaadhokjes zitten dan rondom een platten snavel. Voor een nauwkeurige studie van sympodiale fasciatiën biedt mijn ras overvloedig materiaal. Uitgangspunt vormden een paar planten, die ik in Juni 1886 aan den straatweg tusschen ’s Graveland en Hilversum vond. Deze leverden mij echter geen rijp zaad, en in het volgend jaar vond ik de afwijkingen hier niet terug. Twee jaren later (1888) vond ik echter op dezelfde groeiplaats de fasciatiën weder, en ge- lukte het mij eene voldoende hoeveelheid zaad te verzamelen. Ook elders in het Gooi heb ik dezelfde afwijking in het wild enkele malen aangetroffen. Het in 1888 in het Gooi verzamelde zaad werd in 1889 in den Hortus Botanicus te Amsterdam gezaaid, waar de planten zich tot krachtige rosetten ontwikkelden, die in dat jaar nog niet bloeiden. In den winter stierven alle planten op drie na. Een van deze had op ruim vijftig stengels er zeven, die bandvormige verbrecdingen vertoonden, met de boven besproken verbreede bloemen. De beide andere planten waren normaal. Het zaad van het gefascieerde exemplaar werd in het voorjaar van 1891 gezaaid; de planten stierven echter in den volgenden winter, zonder gebloeid te hebben. Het zaad van een der beide normale exemplaren, waarvan de bloemen wellicht door het gefascieerde bestoven waren, werd in September 1891 gezaaid, de nog jonge rosetten overwinterden zonder moeite of schade en in Mei 1892 bloeiden 48 krachtige planten met vele honderden stengels. Daarvan hadden 16 planten fasciatiën, 32 waren atavisten en werden gerooid. Dus ongeveer 30% erven, niettegen- staande de moederplant in 1890 zelve geene verbreedingen had. Ik rooide van deze erven negen stuks, zij hadden te zamen omstreeks 270 stengels, waarvan er 70 fasciatiën toonden. Dus ruim 25% der stengels. Ik rooide nu alle erven op de vijf beste na, en liet alleen deze zaad dragen. In September van hetzelfde jaar zaaide ik zaad van één dezer vijf zaaddragers, en had daarvan in Juni 1893 wederom eenige bloeiende exemplaren met fasciatiën. Daarenboven had ik op de standplaats van het vorige jaar (1891-92) een deel van het zaad niet verzameld, doch op den grond laten vallen; het ontkiemde 29 450 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. spoedig en leverde in 1893 een bed vol krachtige planten (omstreeks 40 stuks), waaraan bandvormige stengels en verbreede bloemen en vruchten zoo uiterst talrijk waren, dat zij bij honderden konden worden verzameld. Rekent men de planten in het Gooi als eerste generatie in 1888, dan leverde dus de tweede generatie in 1889-90 slechts één ge- fascieerde plant, de derde in 1891-92 leverde 30% erven met 25% verbreede stengels, de vierde in 1892-93 leverde een zoo aanzienlijk materiaal, als slechts kon worden gewenscht. Taraxacum officinale. Verbreede bloemstelen van deze plant komen in Nederland zeer veelvuldig voor. Ik ontving o. a. in 1885 een zeer fraaie collectie van zulke voorwerpen uit de omstreken van Enkhuizen van den Heer Dr. H. J. Calkoen. Herhaalde malen heb ik getracht gefascieerde exemplaren in mijn tuin over te planten om er zaad van te winnen, in Mei 1887 gelukte mij dit met een onder ’s Graveland aan de Bierkade gevonden plant. Haar zaad zaaide ik in April 1888; ik kreeg hieruit slechts drie goede planten, die in 1889 niets bijzonders vertoonden, doch waarvan er één in Mei 1890, onder een vijftigtal bloemstelen, twee verbreede bezat. Toen werden de beide andere planten gerooid, en de normale bloemhoofden van het overblijvende individu vóór den bloei afgesneden. Op 21 Mei 1890 oogstte ik het zaad der beide verbreede hoofden, en zaaide dit eenige dagen later (27 Mei) op een ander bed. In het volgend voorjaar | bloeiden de planten rijkelijk, doch allen normaal. In 1892 bloeiden zij weer. Er waren 23 atavistische individuën, acht elk met één verbreeden bloemsteel en twee met elk twee zulke stelen. De ata- visten werden vóór den bloei gerooid, aan de overige liet ik alleen de gefascieerde hoofden bloeien. Hun zaad rijpte op 29 Mei 1892 en werd voor elk hoofd afzonderlijk verzameld. Op 7 Juni 1892 zaaide ik het zaad van één plant met twee bandvormige stelen, en wel slechts van één hoofd, waarvan de steel 30 mm. breed, en de breedste van het geheele bed was. Uit dit zaad groeiden de planten bijzonder voordeelig en forsch op, zoodat reeds in October van hetzelfde jaar de fasciatie in drie exemplaren, als verbreeding der roset, zichtbaar was. In de vol- gende maand nam het aantal verbreede rosetten toe. In April 1893 had ik 82 planten, waarvan in 25 de centrale bloemsteel der hoofd- roset verbreed was. Dus ongeveer 30%, evenals in de vorige ge- neratie, maar thans een jaar vroeger. Vóór den bloei werden de atavisten gerooid en de normale hoofden der erven afgeplukt, om niet te veel zaad te laten rijp worden. OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 451 Van de rosetten, die in November 1892 verbreed waren, hadden verscheidene zich in den winter gespleten, en brachten elk twee normale hoofdstelen voort. Zij zijn dus niet bij de bovengenoemde 30% opgeteld. Twee erven hadden twee verbreede bloemstelen, één had er zelfs drie. Van deze laatste en een der beide met twee fasciatiën werd het zaad uitgekozen voor de voortzetting van het ras en op 5 Mei 1893 gezaaid. Dit zaaisel groeide aanvankelijk goed, doch leed in den herfst zeer van Sphaerotheca Castagnei, welke kwaal het eerst na herhaalde besproeiing met Bouillie bordelaise te boven kwam. Het toonde in Maart 1894, op ruim negentig planten, reeds negen exemplaren met verbreede roset, en een aantal andere, waarin deze verbreeding scheen te beginnen. Mijn ras van Taraxacum officinale gaf dus in de beide laatste voltooide generatiën omstreeks 30% gefascieerde individuën, aan- vankelijk in het tweede, later ín het eerste jaar na het zaaijaar. De ontwikkeling van zaad tot zaad liep dus in het laatst in één jaar af, zoodat de plant als eenjarige winterplant kan worden behandeld. Tetragonia expansa of Nieuw-Zeelandsche Spinasie. In den botanischen tuin te Amsterdam stond deze eenjarige plant vroeger op eene plaats waar zij telken jare uit het afgevallen zaad van het vorige jaar weer op kwam. In de meeste jaren toonde zij hier een of enkele fraaie bandvormige stengels. Zoo bv. in 1885 en in 1887. In den herfst van dit jaar plukte ik de vruchten van twee zeer breede stengels en zaaide die in het volgend jaar op een ander bed. In 1888 had ik hiervan elf planten, waaronder één met twee breede bandvormige takken, en één met geringere fasciatiën. De overige planten werden gerooid; het zaad der beide zaaddragers op 7 No- vember geoogst. Uit het zaad van deze beide planten had ik in Juli 1889 negen individuen, waarvan drie met bandvormige takken; de overige zes werden gerooid. Van deze drie liet ik alleen de twee beste zaad dragen; zij droegen een aantal gefascieerde zijtakken, talrijke tot verschillende diepten gespleten bladeren, en in de oksels van deze niet zelden vruchten van dubbele breedte, met een nagenoeg dubbel aantal zaden er in. Trouwens deze bijkomende verschijnselen werden ook in andere jaren aan bandvormige stengels vrij veelvuldig gezien. In 1890 had ik uit het zaad van het vorige jaar omstreeks dertig planten, waarvan er twee wederom bandvormige takken hadden, terwijl er verder een paar individuën met gespleten zijtakken werden 29* 452 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. aangetroffen. Van de beide goede zaaddragers zaaide ik het zaad in 1891 en had een twintigtal meest zwakke planten, waaraan geen fasciatiën werden waargenomen. De oorzaak hiervan moet deels in het moeilijke rijpen der zaden in 1890, deels in ongunstige cultuur- voorwaarden in 1891 gezocht worden. In het volgend jaar bleek, dat het schijnbaar volkomen atavisme van 1891 slechts voorbijgaande was. Want toen ik in 1892 de zaden der normale planten van 1891 zaaide, kreeg ik hieruit (na het uit- roeien der te zwakke exemplaren gedurende den zomer) veertien planten, waarvan er slechts zeven geen bandvormige takken hadden. Twee exemplaren hadden elk één, twee elk twee, twee elk drie, en eindelijk één exemplaar had vier fasciatiën. Deze waren omstreeks een meter lang en bereikten op 25 October, toen hun zaad rijp was, ten deele een lengte van twee meters, bij eene breedte van ruim 5 cm., en een dikte van 2-3 mm. Hunne zijtakken toonden de ver- breeding eveneens rijkelijk, en wel in 35 van 125 onderzochte ge- vallen, dus omstreeks 28%. In dit jaar (1892) nam ik voor het eerst bepaalde zorgen voor de bestuiving. Deze bestonden daarin, dat op 13 Augustus alle atavisten en de minst fraaie erven gerooid werden, zoodat slechts vier planten (met twee, drie en vier fasciatiën) overbleven. Daarna merkte ik op deze alle uitgebloeide bloemen terwijl de bloeiende werden afgeplukt. Het zaad der gemerkten werd afzonderlijk ver- zameld, eveneens dat van de bloemen die na 13 Augustus bloeiden, en die dus slechts door stuifmeel van gefascieerde planten bestoven konden zijn. Alleen van deze bloemen zaaide ik in 1893 het zaad ten behoeve van mijn ras, en had daarvan veertig krachtige planten, waarvan de meeste zeer talrijke en zeer fraaie fasciatiën voort- brachten. In dit ras kwamen van tijd tot tijd tricotyle kiemplanten voor, die in den regel gespaard werden tot dat bleek of zij fasciatiën voort- brachten of niet. Het bleek dat zoowel onder de tricotyle als onder de tweezaadlobbige individuën goede erven met bandvormige stengels gevonden werden, maar dat onder beide groepen eveneens atavisten werden aangetroffen. Het is bezwaarlijk, uit het betrekkelijk geringe aantal individuën per jaar (9-40) een percentisch aantal der goede erven op te maken. In de drie eerste jaren (1888-1890) te samen genomen bedroeg dit omstreeks 20%, in de beide laatste jaren, bij betere cultuurvoor- waarden, meer dan 50%. Daar tusschen lag het jaar 1891, waarin de fasciatiën zich in het geheel niet vertoonden. OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 453 Neemt men het jaar 1885 als uitgangspunt aan, dan kan men stellen, dat het gefascieerde ras van Tetragonia expansa minstens negen jaren oud is, en bijna regelmatig jaarlijks de afwijking ver- toont. Thrincia hirta. In Augustus 1889 verzamelde ik op een wilde groeiplaats van deze soort onder Waalsdorp bij ’s Gravenhage eenig zaad, niettegenstaande het mij niet gelukte op die plaats eenige afwijking van den normalen bouw der Thrincia’s te vinden. In 1890 had ik uit dit zaad een tiental planten verkregen, waarvan er één op een verbreeden en aan den top gespleten bloemsteel twee hoofdjes droeg. Dit exemplaar gaf te weinig zaad om afzonderlijk te worden gezaaid, zoodat in Mei 1891 ook van de andere individuën zaad gezaaid werd. Dit zaaisel leverde 101 planten, waarvan er 9 één of meer gefascieerde bloemstelen hadden. De beste erve had zeven verbreede bloemstelen, waarvan er één drie en drie andere twee hoofdjes droegen. Eén steel droeg een gespleten hoofd en de twee overige droegen verbreede bloemhoofdjes. De atavistische exemplaren werden vóór den bloei der erven gerooid. Van de twee beste erven werd in 1892 zaad gezaaid, dat deels van de normale, deels van de verbreede hoofden verzameld was. No. 1 leverde op 140 planten 39 exemplaren met fasciatiën, dus 28%; No. 2 leverde op 149 planten 50 exemplaren met verbreede bloemstelen, dus 33%. Een tiental erven hadden elk twee, een tweetal elk drie verbreede bloemstelen. Van de atavisten werden alle bloemen vóór den bloei afgeplukt, totdat de planten zelven gerooid werden. De erven gaven tengevolge van ziekte zeer weinig zaad, zoodat dit dooreen geoogst werd. In 1893 had ik uit dit zaad 68 planten, waarvan 26 exemplaren verbreede bloemstelen hadden. Dus ongeveer 38% erven, tegen 28-33% in het vorige jaar. De meeste erven hadden elk slechts ééne fasciatie, enkele hadden er twee of drie. Daarentegen was er in dit jaar één plant, waarvan de centrale bloemsteel der oorspron- kelijke roset, dus de top van de hoofdas der plant, verbreed was, iets wat in vorige jaren in dit ras nog niet het geval was geweest. Overeenkomstig met een bekenden regel van Darwin was dus hier de afwijking, na eenige generatiën van strenge keus, in een vroegere levensperiode ingetreden. Opmerking verdient verder, dat in dit ras telkenjare vrij talrijke tricotyle, hemitricotyle en tetracotyle kiemplanten voorkomen, wat trouwens ook in de gefascieerde rassen van Crepis, Taraxacum, Tetragonia, Amarantus, Hesperis, enz. het geval is. 454 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIËN. Vatten wij het bovenstaande thans samen: Eerste generatie in het wild, zonder fasciatie — 1889. Tweede generatie met één gefascieerde plant — 1890. Derde generatie met 9% gefascieerde ex. — 1891. Vierde generatie met 28-33% gefascieerde ex. — 1892. Vijfde generatie met 38% gefascieerde ex. — 1893. Veronica longifolia. In 1887 ontving ik van Prof. J. W. Moll uit den tuin van de Hoogere Burgerschool te Utrecht een plant van Veronica longifolia, die aan een aantal bloemtrossen sterk ver- breede toppen voortbracht. Ik heb deze plant door scheuren ver- menigvuldigd, tot ik in 1893 er een bed van 4 vierk. meters met vele duizenden bloemtrossen van had. Telkenjare bracht zij verbreede toppen voort, hun aantal bedroeg in 1893 eenige honderden. Daarbij waren ook een paar toppen met trechtervormige verbreedingen, zoogenoemde ringfasciatién+). In 1891 en 1892 heb ik van deze plant zaad verzameld, en telkens in het volgend jaar uitgezaaid. Daar ik dit in een warme kas deed, en de planten tot in het eind van Mei onder glas hield, brachten zij het, met betrekkelijk weinig uitzonderingen, in het eerste jaar tot bloeien. Van beide zaaisels brachten een vrij groot aantal exemplaren wederom trossen met kamvormige ver- breede toppen voort, zoodat de fasciatie dus in vrij hoogen graad erfelijk bleek te zijn. Van het zaaisel van 1892 won ik wederom zaad, dit gaf, in derde generatie, weder eenige exemplaren met verbreede stengeltoppen. Hesperis matronalis. Volgens Penzig’s Teratologie komen bij deze soort fasciatiën, zoowel in het wild, als bij gekweekte exem- plaren, veelvuldig voor?). In 1886 ontving ik van Prof. J. W. Moll een prachtigen verbreeden bloemtros uit den botanischen tuin van de Hoogere Burgerschool te Utrecht. De tros droeg rijp zaad en in zijn onderste gedeelte eenige rosetjes, die ik uitplantte, en waarvan ik in het volgend jaar eenige flinke planten kreeg. Deze bloeiden in 1888 en brachten op een kleine 400 bloemtrossen er twee met band- vormig verbreede as voort. Het zaad van de fasciatie van 1886 werd in 1887 op een groot bed gezaaid, en leverde in 1888 omstreeks honderd rijkvertakte en bloeiende exemplaren, doch zonder verbreeding. Een deel van hun zaad werd terstond na den oogst op hetzelfde bed uitgestrooid 1) Een ringfasciatie van Peperomia maculosa heb ik beschreven en afgebeeld in Opera V, blz. 222, PI. I. 2) O. Penzig, Pflanzen-Teratologie I blz. 253. OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 455 en leverde in 1889 planten, die niets bijzonders vertoonden en allen gerooid werden. Op dezelfde plaats kiemden echter in de volgende jaren nog telkens enkele zaden, één daarvan, in 1892 gekiemd, leverde in 1893 wederom een prachtige, bijna 1 meter lange en ruim 2 cm. breede lat. Hoewel zeldzaam, zoo keerde dus toch na jaren uit het zaad der oorspronkelijke fasciatie een plant met even fraaie verbreeding terug. Il. Toevallige fasciatiën in andere rassen. Amarantus speciosus. Ik kweek hiervan een ras met afwijkend aantal cotylen. Hemitricotylen (= splijtcotylen), tricotylen en tetracotylen komen daarin in alle graden voor, evenals ook syn- cotylen, amphicotylen (= cotylbekers) en trisyncotylen (= syn- cotyle tricotylen). In dit ras komen verbreede toppen van de in- florescentie, zoowel aan den hoofdstam als aan de zijtakken regel- matig voor. Uitgangspunt vormde een kiemplant met een gespleten zaadlob, die ik in het voorjaar van 1889 toevallig vond, en die toen zij bloeide bleek een verbreeden top aan de hoofdas der inflorescentie te hebben. Uit het zaad van deze plant had ik in 1890 ruim 50 planten, waarvan er wederom één een verbreeden top had. Als zaaddrager werd niet dit individu, maar een exemplaar met gespleten zaadlob en zonder fasciatie gekozen, en in 1891 keerde de fasciatie niet terug. Wel echter in 1892, uit het in 1891 gewonnen zaad, en nu in veel grooter aantal, daar er op 24 planten zeven met gefascieerde toppen waren, dus omstreeks 30%. Als zaaddragers voor 1893 werden twee individuen zonder fasciatie gekozen, die echter door de gefascieerde bestoven konden zijn. Ik had in dit jaar 40 planten, waarvan meer dan de helft gefascieerde toppen droegen, in allerlei graden van verbreeding. Twee exemplaren hadden aan den top der hoofdas een driestralige fasciatie, een geval, dat betrekkelijk zeldzaam voorkomt. Vatten wij thans het bovenstaande samen: 1889 Eerste generatie, één plant met verbreeden top. 1890 Tweede generatie, één plant met fasciatie op 50 ex. 1891 Derde generatie, geen fasciatie. 1892 Vierde generatie, 30% gefascieerde individuën. 1893 Vijfde generatie, meer dan 50% gefascieerde individuën. Barbarea vulgaris. In Juli 1891 had ik in mijn zaaisel een plant, waarvan de as van de eindtros een fraaie verbreeding vertoonde, 456 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIËN. die een breedte van 3 mm. bij een dikte van 1 mm, bereikte, en aan haar top op de bekende wijze als een bisschopsstaf gekromd was. Van deze en van een andere, wellicht door haar bestoven plant verzamelde ik zaad, zaaide dit in Juli van ’t volgend jaar en had in 1893 van de gefascieerde plant ruim 70, van de andere nagenoeg 50 bloeiende afstammelingen. Op beide bedden keerde de fasciatie terug, op het eene in één, en op het andere in twee individuën. Helianthus annuus. Van deze soort kweek ik sedert 1887 een syncotyl ras, waarvan thans nagenoeg alle kiemplanten (omstreeks 97%) aanééngegroeide zaadlobben hebben. Enkele malen komen daarin zoogenoemde bekercotylen voor, plantjes wier beide zaad- lobben aan beide zijden aan elkaar verbonden zijn, zoodat een bekertje ontstaat, waaruit de plumula zich in den SE niet zonder eene operatie bevrijden kan. Fasciatiën zijn in dit ras niet zeldzaam, zij doen zich soms voor als gespleten stammen met twee eindhoofden, soms als één stam met een sterk verbreed eindhoofd. Reeds in de tweede generatie (1888) trad de fasciatie in dit ras op, en wel in één exemplaar met gespleten hoofdstam op ruim 100 plan- ten. In het volgend jaar keerde zij echter niet terug. In de vierde generatie (1890) van dit ras had ik op een kleine 60 planten er 13 met gefascieerden hoofdstam, in verschillende graden van splijting en verbreeding. In de vijfde generatie (1891) ‚had ik vier verbreede stammen op 22 planten, en in de zesde generatie wederom op 35 planten één plant met gespleten hoofdstam. De fasciatie was dus hier in de drie laatste generatiën constant, niet- tegenstaande bij de keuze van het zaad op deze eigenschap niet gelet werd. De derde generatie levert ons hier het belangrijke verschijnsel van het overspringen van eene generatie, dat ook bij andere planten bv. Tefragonia expansa in 1891 door mij werd waargenomen, en dat ons leert, hoe voorzichtig men zijn moet, om uit het feit, dat eene monstrositeit in een volgende generatie soms niet terugkeert, te besluiten dat zij niet erfelijk zou zijn. Linaria vulgaris. Uitgaande van enkele in het wild gevonden exemplaren met pelorische bloemen kweek ik van deze soort sedert 1887 een ras, waarin ik tracht de peloriën te fixeeren. In 1889 had ik voor het eerst eene pelorische bloem uit eigen gekweekt zaad (dus in tweede generatie), en sedert heeft zich dit verschijnsel regelmatig herhaald, zonder dat het mij tot nu toe gelukt is het OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 457 aantal pelorische bloemen of het aantal individuën met zulke bloemen merkbaar te doen toenemen. In dit ras komen nu van tijd tot tijd gefascieerde stengels voor, meest eenvoudig gespleten, soms zeer fraai bandvormig verbreed. In 1891 had ik een zaaisel van 1890 vol in bloei; het bracht één pelorische bloem en een paar gefascieerde stengels voort. Uit het zaad van die bloem had ik in 1892 en 1893 wederom een bed vol planten met één pelorische bloem, eenige gespleten stengels en een paar fraaie bandvormige fasciatiën. Oenothera Lamarckiana. Op eene later te bespreken groeiplaats bij Hilversum, waar in de meeste jaren gefascieerde planten van deze soort te vinden zijn, verzamelde ik in 1886 zaad, dat mij in 1887 een vijftal eenjarige individuen gaf, waarvan ik sedert een eenjarig ras in verschillende verscheidenheden regelmatig heb voort- gekweekt. Een dezer verscheidenheden is een dwerg-ras, half zoo hoog als de gewone soort en zeer gedrongen van bouw, dat in 1888 in mijne culturen ontstaan is, en dat ik thans eenjarig en nagenoeg volkomen gefixeerd voortkweek. In dit dwerg-ras, dat aanvankelijk tweejarig was (1888/1889), bood mij de tweede generatie (1890) een eenjarige plant met een fraai verbreeden top, welke plant ik daarom op spiritus bewaard heb. Een tweede verscheidenheid, met dikke bloemknoppen en ge- drongen bladstand (Oen. Lam. flavocalyx) in 1888 in mijne cultuur ontstaan als tweejarige plant, droeg in het volgend jaar aan twee zijtakken splijtfasciatiën. Men ziet dus hier, dat de fasciatie niet alleen erfelijk is, maar ook op nieuwe verscheidenheden kan overgaan. Zea Mais. Op blz. 150 en 203 van dezen band beschreef ik een ras van steriele Mais-planten, waarin jaarlijks enkele geheel onvertakte en dus onvruchtbare exemplaren voorkwamen. Dit heeft zich sedert telkenjare herhaald, terwijl zoowel de omvang der cultuur als het percentisch aantal steriele planten varieerde. In 1893 had ik op negen planten één steriele. Het oorspronkelijk doel van dit ras was de vermeerdering van het aantal rijen in de kolven, zooals op blz. 150 uitvoerig aangegeven is. Ik ben in deze richting sedert regelmatig voortgegaan, doch daarbij in de laatste jaren bemoeilijkt door het optreden van fasciatiën in de kolven, die natuurlijk het aantal rijen op zulk een verbreede kolf van onderen naar boven doen toenemen, en dit dikwijls in zeer belangrijken graad. Bij geringe graden van kolfverbreeding is het dikwijls moeilijk de vermeerdering van het 458 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. aantal rijen door deze oorzaak van de gewone variabiliteit van dit cijfer te onderscheiden, Fraai gefascieerde kolven toonen een platten 4,5 cm. breeden en slechts 1,5 cm. dikken top, waarop het aantal rijen niet zelden ander- half maal zoo groot is als aan den voet. In mijn zaaisel van 1888 uit het zaad van een twintigrijige kolf van 1887 had ik vrij talrijke zulke gefascieerde kolven; in 1889 zaaide ik van zulk een verbreede kolf, en kreeg wederom een groot aantal exemplaren met de zelfde afwijking. De volgende generatie was, door het mislukken van den oogst in 1890, eerst in 1891 en wel uit zaad van een 24-rijige kolf van 1889, wier top gefascieerd was. Des niettegenstaande had ik in 1891 op 32 kolven geen enkele met verbreeden top, waarschijnlijk tengevolge van ongunstige cultuurvoorwaarden. Des te talrijker waren deze fasciatiën in de beide volgende generatiën, in 1892 en 1893, nl. in 1892 negen exem- plaren onder 47 en in 1893 42 gefascieerde op 112 kolven. Zoodat thans ruim één derde van alle kolven het verschijnsel vertoonen. Waargenomen werd de verbreeding dus in de zaaisels van 1888, 1889, 1892, 1893, terwijl in de generatie van 1891 het verschijnsel werd gemist. Wij hebben dus hier wederom het geval van het over- springen eener generatie. Nicotiana affinis. Verbreede bloemen van deze eenjarige soort zag ik in onzen Hortus in 1887, 1888 en zeer veel in 1892. III. Een en tweejarige soorten in het wild. Raphanus Raphanistrum. Aan den Raaiweg onder Loosdrecht vond ik van deze soort eene groeiplaats, die allerlei belangrijke variatiën toonde. Daaronder waren ook fasciatién, die ik in Juni 1886 voor het eerst vond. In Juni en Juli 1887 vond ik ze op dezelfde groeiplaats terug. Geranium molle. Langs den straatweg tusschen ’s Graveland en Hilversum vond ik op een zelfde plekje in 1886 en in 1888 ge- fascieerde exemplaren van deze soort, zooals reeds vroeger ver- meld is. Oenothera Lamarckiana. Op eene groeiplaats bij Hilversum, waar jaarlijks een duizendtal exemplaren van deze soort op een verlaten aardappelveld bloeien, afstammende van zaad uit een perkje in een nabijgelegen buitenplaats, vond ik sedert vele jaren gefascieerde stengels. In 1886 vond ik in Juni een jongen, bijna OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 459 bloeienden verbreeden stengel, en daarenboven eer afgestorven plant, wier vruchten in het vorige jaar rijp geworden waren, en die dezelfde afwijking vertoonde. In Juli 1887 gelukte het mij, drie gefascieerde exemplaren te vinden. Uit zaad, in 1886 op deze groei- plaats verzameld, had ik in 1888 in mijn tuin te Hilversum een tweejarige plant, wier stengel zich aanvankelijk verbreedde, toen zich splitste, daarna weder breeder werd en zich nog eens splitste. In Juli 1889 vond ik op de oorspronkelijke groeiplaats wederom twee individuën met verbreede en gespleten inflorescentie. In 1890-91 bezocht ik de groeiplaats niet, doch in Augustus 1892 vond ik er een gefascieerde plant met gespleten hoofdstengel en in October 1893 stonden er wederom drie planten met duidelijke fasciatiën in den hoofdtros. Fasciatiën kwamen dus voor in 1885, 1886, 1887, 1888, 1889, 1892 en 1893. Hierbij verdient opmerking dat de soort op deze groeiplaats grootendeels tweejarig, voor een klein deel één- en voor een ander klein deel driejarig is, zooals mij door cultuur in mijn tuin bleek. Dat de fasciatie ook bij verandering der variëteiten erfelijk is, hebben wij vroeger gezien. Pedicularis palustris. In een veenplas onder ’s Graveland vond ik in Juni 1886 een zeer fraai verbreeden stengel van deze soort. In 1887 vond ik op dezelfde plaats wederom twee en in 1888 nog een gefascieerd exemplaar. Het waren zoowel bandfasciatiën als splijtfasciatiën, hier en daar met tweetoppige bracteeën, in wier oksels verbreede bloemen, met nagenoeg dubbel aantal organen, voor- kwamen. Omstreeks een half uur hier vandaan vond ik in 1886 nog eene groeiplaats met gefascieerde exemplaren, in de nabijheid van de Meentbrug. In 1886 vond ik er hier twee en in Juni 1888 wederom eenige. Daar de plant tweejarig is, kunnen de gefascieerde planten, op de beide groeiplaatsen in 1888 gevonden, beschouwd worden als tot een andere generatie te behooren als die van 1886. IV. Overblijvende planten in het wild. Agrimonia Eupatoria. Aan den rand van eikenhakhout langs een voetpad bij Muiderberg vond ik in Augustus 1886 eene groei- plaats van deze soort, die aan een viertal planten fasciatién droeg. Bandvormig verbreede en gespleten trossen kwamen er in ver- schillende graden voor. Hier en daar ook verbreede bloemen. Ik 460 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIËN. had sedert slechts in Juni 1889 de gelegenheid deze groeiplaats te bezoeken, en vond er toen wederom een tiental gefascieerde in- florescentién. Chrysanthemum Leucanthemum. Verbreede bloeistengels van deze soort met elk twee hoofden, of met een gespleten, of met een verbreed hoofd zijn bij ons niet zeldzaam. Op een weiland onder ’s Graveland vond ik zulke variatiën, met allerlei andere afwijkingen, in Juni 1886, en evenzoo in dezelfde maand van de beide volgende jaren. Hieracium Pilosella. Bloemstelen met twee hoofdjes vond ik in een jong dennenplantsoen aan den Corverslaan onder Hilversum in vier exemplaren in Juni 1886. In de jaren 1887 en 1888 vond ik deze variatie op dezelfde groeiplaats, doch aan andere exemplaren, terug. V. Overblijvende gekweekte planten. Artemisia Absynthium. Breede bandvormige takken zijn aan deze soort niet zeldzaam. Aan de planten van den Hortus Botanicus te Amsterdam zag ik ze in Juli 1883, en in 1887, 1888, 1889 en 1890; in 1889 waren zij het talrijkst. Daar het zaad van deze soort zeer fijn is, kan het niet verwonderen, dat bijna telkenjare kiemplantjes op de bladaarde van onzen Hortus worden aangetroffen, ofschoon het natuurlijk niet bewezen kan worden, dat deze juist van de bovengenoemde exemplaren afstammen. Tweemaal heb ik zulk een kiemplantje opgekweekt en wel in 1889 en 1891; beide plantjes hadden één hunner zaadlobben gespleten. Beide groeiden zij op tot planten, die eerst in het tweede jaar bloeiden en daarbij een verbreeden hoofdstengel ontwikkelden. Sedert brachten zij telken jare eenige verbreede takken of verbreede bloem- hoofdjes voort. Aconitum Napellus. De plant in den Hortus Botanicus is rijk aan fasciatiën in allerlei graden van verbreeding en splijting, met tweetoppige bracteeën en verdubbelde bloemen in hunne oksels. Sinds ik in 1886 hierop het eerst opmerkzaam werd, is het verschijnsel nagenoeg elk jaar teruggekeerd, en wel in des te hoogere mate, naarmate de plant in dat jaar krachtiger was. Talrijke fasciatiën in 1886, 1887 en 1888, een drietal in 1889, geen bij zeer zwakke ont- wikkeling der plant en trots het groote aantal bloemstengels in 1890, een fraaie verbreede tros in 1891 en twee even zulke in 1892. In 1893, bij slechte ontwikkeling, wederom geen. OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 461 Salvia clandestina. Deze plant droeg in Juni 1883 en in Juni 1887 gefascieerde bloemen. Helianthus tuberosus. Gespleten stengels vond ik op een bed van deze soort in 1884, 1889 en 1891. Erigeron bellidiflorus. Drie en vierstralig verbreede tophoofdjes droeg deze plant in 1890 en in 1892. Stylidium adnatum. Verbreede bloemen vond ik in 1887 en aan dezelfde planten in 1890. Sonchus palustris. Een plant in den Hortus Botanicus te Amster- dam bracht in 1890, 1891, 1892 en 1893 telken jare één of meer verbreede stengels voort. In 1893 waren er eenige van ruim 2 m. hoogte, die slechts aan hun top verbreed waren, en een van slechts 1 m. lengte, die van onder af bandvormig was, en wiens breedte naar boven allengs toenam, tot hij ten slotte omstreeks 6 cm. be- reikte, bij eene dikte van nauwelijks 1 cm. Dit voorwerp, een der fraaiste zwaardvormige stengels die ik ooit zag, wordt thans bewaard in de verzameling van Prof. Weiss te Praag. Ophiopogon Jaburan. Een plant in onzen Hortus bracht in 1886 en 1891 eene inflorescentie met bandvormige en naar boven toe gespleten as voort. Gunnera scabra. Talrijke gefascieerde kolfjes, in allerlei graden van verbreeding en splijting heb ik sinds 1890 jaarlijks aan een exemplaar van deze soort in onzen Hortus gezien. Epilobium hirsutum. Aan een groep stengels van deze soort te Utrecht vond ik er in Mei 1890 vijf, die ongeveer op hunne halve hoogte gespleten waren; de splijtarmen beginnen met onregelmatig verspreiden bladstand, doch ronden zich weldra af en herstellen dan den kruiswijzen bladstand. In het najaar van dat jaar werd een gedeelte dezer planten naar den Hortus Botanicus te Amsterdam overgebracht. Hier brachten zij in 1892 weer een viertal gespleten stengels, van gelijken bouw als die te Utrecht voort; één daarvan had in de gaffeling twee ruggelings aaneengegroeide bladeren. In 1891 en 1893 bracht deze groep wel talrijke stengels, doch geen gefascieerde voort. VL Boomen en Heesters. Acer Pseudo-Platanus. In het voorjaar van 1887 vond ik bij Hilversum een aantal driezaadlobbige kiemplanten van dezen boom. Eenige daarvan heb ik naar mijn tuin verplant en opgekweekt; zij zijn thans dus zeven jaren oud. De meeste werden reeds in het eerste 462 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. jaar tweetallig; twee er van zijn in hun hoofdstam drietallig gebleven; hun zijtakken zijn alle tweetallig. Eén plant, met drie zaadlobben, doch welker eerste bladkrans reeds tweetallig was, is gedurende de eerste jaren van haar leven tweetallig gebleven, tot haar stam in 1890, dus in het vierde jaar, zich aan zijn top begon te verbreeden. Sedert heeft dit verschijnsel zich telken jare herhaald, terwijl ik steeds de overtollige deelen wegsnoeide om den stam zooveel mogelijk rond te houden. In 1893 is de plant ruim 2,5 m. hoog ge- worden, en heb ik dit snoeien gestaakt. l De jaarloot van 1890 begon met tweetallige bladkransen en gedecusseerden bladstand. Daarop volgden twee vijfbladige kransen, waarvan de bovenste, in de richting der as, een weinig uitéén- geschoven was; de stam was hier verbreed en droeg aan zijn top twee onderling gelijke krachtige winterknoppen. De fasciatie was dus bij de vorming dezer knoppen gespleten. Toen in Mei 1891 deze knoppen uitbotten, bleken zij nogmaals gespleten te zijn, zoodat er nu vijf knoppen naast elkander op den kam stonden. Zij werden op één na alle afgebroken. Tegen het einde der maand was de overgebleven eindknop tot een loot uit- gegroeid, die weer verbreed en in drie platte takken gespleten was. Ik sneed toen de beide zijdelingsche weg; de eindloot had in Sep- tember wederom eene fasciatie voortgebracht, die tweemalen ge- spleten was. Wederom werden de knoppen op één na weggenomen. In het volgende jaar (1892) begon de eindloot wederom band- vormig en vormde op 5 cm. hoogte een platte 1 cm. breede kam, waaruit aan het eene einde een rechtopgaande, krachtige, drie- tallige tak te voorschijn kwam, terwijl de kam verder zich in een aantal kleine splijttakken verdeelde. Deze laatste werden weg- gesneden. In het najaar van dat jaar bleek de eindloot zich weer verbreed te hebben; zij droeg omstreeks haar midden een vijfbladige krans en was vlak daarboven gespleten. In de gaffeling stonden twee bladeren, wier stelen ruggelings vergroeid waren. Van de splijttakken was er één drietallig en één tweetallig; de laatste werd weggenomen. In 1893 herhaalde de eindloot de verbreeding weer, het bleek in den herfst van dat jaar, dat hij ongeveer op het midden zijner lengte in twee gelijke armen gespleten was, beide splijttakken waren rond en hadden gedecusseerden bladstand, doch de eene was aan zijn top, bij de voortbrenging van den winterknop, wederom ge- spleten, zoodat hij een dubbele eindknop droeg. Het is mijn voornemen, de splijttakken van 1893 niet meer weg OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 463 te snoeien, en evenzoo de volgende fasciatiën zich ongestoord te laten ontwikkelen. Evenzoo hoop ik eenmaal van dezen boom zaden te kunnen uitzaaien. Robinia Pseud-Acacia. Langs den straatweg van Hilversum naar ’s Graveland vindt men, even voorbij den tol, een rij Acacia’s van verscheidene honderden meters lengte. Tusschen deze wordt de grond van tijd tot tijd diep omgespit en, waarschijnlijk ten ge- volge daarvan, komen jaarlijks talrijke wortelscheuten uit den grond. Sommige daarvan sterven nog in den eersten zomer, andere bereiken een ouderdom van eenige jaren. Onder deze wortelscheuten zijn fasciatiën niet zeldzaam; zoowel band- als splijtfasciatiën vond ik er in een vrij volledige reeks van vormen, eenmaal ook een ge- spleten tak, in welks gaffeling twee ruggelings aan elkander gegroeide bladeren stonden (Sept. 1886). In 1886 vond ik hier een achttal bandvormige looten; in Au- gustus 1887 verzamelde ik 17 zulke exemplaren, allen ín dat jaar uit den grond omhooggegroeid, terwijl ik mij bij enkele overtuigen kon, dat zij door afgespitte stukken wortel waren voortgebracht; soms waren deze wortelstukken slechts 10 cm. lang en omstreeks zoo dik als een vinger. In 1888 vond ik wederom zeven nieuwe ge- fascieerde wortelscheuten, en in 1889 nog twee, in dat jaar gevormde. In het geheel waren dus minstens 34 verbreede looten in den loop van vier jaren ontstaan. Prunus virginiana. Dubbele bessen zijn bij deze soort niet zeld- zaam, en Komen op verschillende heesters telken jare of nagenoeg telken jare voor. Op één heester onder Hilversum vond ik ze in 1886, 1887, 1888 en 1889, op een andere in 1886 en 1888. Clethra alnifolia. Splijtfasciatiën in de trossen van dezen heester schijnen zeer algemeen voor te komen. In 1886 vond ik ze, soms vrij talrijk, op vier verschillende plaatsen in de omstreeken van Hilversum. Op een van deze plaatsen vond ik ze in de drie volgende jaren terug; op de drie andere slechts eenmaal, en wel op alle drie in 1888, In den Hortus Botanicus stond een heester, die in 1888 talrijke gefascieerde trossen droeg, doch sedert kwijnde en het ver- schijnsel niet weer vertoonde; wel bracht hij in 1889 en 1893 enkele tweebloemige bloemsteeltjes voort. Ailanthus glandulosa. Een boom onder Hilversum bracht in 1887 en 1888 onder uit zijn stam een aantal waterlooten voort, van deze waren er in 1887 twee verbreed, en in 1888 wederom één. Ook een ander exemplaar in het zelfde plantsoen bracht in 1888 een ge- fascieerden waterloot voort. 464 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. Chionanthus virginica. In het najaar van 1886 kwam de Hortus Botanicus te Amsterdam in het bezit van een exemplaar van dezen heester, dat van toen af geregeld door mij werd waargenomen. In 1887 bracht het een aantal tweetoppige bladeren voort, die meest twee aan twee boven elkaar aan den zelfden tak geplaatst waren. Daarbij werd dus telkens één paar overgesprongen, daar de blad- stand kruiswijs is. Ook drietoppige bladeren. kwamen voor. In 1888 ontstond een bandvormig verbreede tak die vijf tweetoppige bladeren droeg; de tak was ongeveer 20 cm. lang, 14 cm. breed, en wel van onderen tot boven omstreeks even breed; hij werd afgesloten door een kam van winterknoppen. Waarschijnlijk stond deze fasciatie in den oksel van een tweetoppig blad van 1887; het vlak van verbreeding stond loodrecht op het mediaanvlak van het blad in welks oksel zij stond. Dit laatste is trouwens een algemeene regel voor de fasciatiën aan zijtakken. In 1889 groeide deze fasciatie bandvormig verder en spleet weldra in twee, eveneens bandvormige armen. In 1890 spleten deze beide in te zamen vijf takken van normalen bouw, waarvan er één cen gespleten blad voortbracht; in 1891 had de middelste dezer takken zich wederom bandvormig verlengd en een tweetoppig blad voortgebracht; deze loot eindigde met twee eindknoppen als winterknop, die zich echter niet verder ontwikkelden, daar het geheele taksysteem afstierf. Het had dus in 1888, 1889 en 1891 gefascieerde eindloten voortgebracht. Aan denzelfden heester vond ik ook in 1889, 1890 en 1893 enkele gespleten bladeren aan andere takken, als den zooeven beschrevenen. In 1892 ontstond een tweede gefascieerde tak, aan een anderen hoofdtak van den heester. Calceolaria violacea. Een potplant, die reeds in 1883 een band- vormig verbreeden stengel gemaakt had, maakte in 1886 een der- gelijken, welks eindloot in 1887 en 1888 eveneens gefascieerd was, zoodat de stengel, toen ik hem in het najaar van dat jaar in mijn herbarium bracht, drie étages van fasciatiën boven elkander ver- toonde. Nerium Oleander. In December 1889 vond ik een viertalligen tak onder aan een jonge plant. Alle overige takken werden toen weggesneden en de plant sedert voortgekweekt en regelmatig waar- genomen. De loot is thans ruim anderhalve meter lang. Aanvan- kelijk bleef hij viertallig, en tot op een hoogte van 125 cm. zijn de bladkussens, in kransen van vier, nog duidelijk te herkennen. Toen werd de loot allengs platter en breeder, en volgden eerst vijf- en zestallige bladkransen. Deze deelen werden ontwikkeld in 1892. HORTICULTURAL NOVELTIES. BURBANK’S PRODUCTION OF ‘“SUAMOTA AVIS NVITVULSNV CHAO dWI 40 OTA BURBANK’S PRODUCTION OF HORTICULTURAL NOVELTIES. THE IMPROVED AUSTRALIAN EVERLASTING STAR FLOWER, BURBANK’S PRODUCTION OF HORTICULTURAL NOVELTIES. | | | | | vn AN ENORMOUS HYBRID FROM CALIFORNIAN AND NEW ENGLAND BLACK WALNUTS. BURBANK’S PRODUCTION OF HORTICULTURAL NOVELTIES. HYBRID FROM ENGLISH WALNUT AND CALIFORNIAN BLACK WALNUT. OVER DE ERFELI JKHEID DER FASCIATIEN. 465 Het eerste in 1893 gevormde internodium is 2 cm. breed en plat; in den volgenden knoop is de tak gespleten in twee bandvormige splijtarmen, waarvan de een smal en herhaaldelijk gespleten is, bij eene lengte van 25 cm., terwijl de andere zeer sterk verbreed, en overeenkomstig daarmede korter werd. Deze tak bereikt bij een lengte van 10 cm. een breedte van 3,5 cm. terwijl hij aan beide smalle kanten een paar takken afsplijt. Het middelste gedeelte is echter tot nu toe bandvormig gebleven. Het schijnt dus, dat de viertallige kransen in 1889 reeds eene aanwijzing waren van de fasciatie, die in 1892 ontstaan en zich in 1893 in hoogeren graad herhalen zou). Justicia superba. Onder dezen naam werd in onzen Hortus een soort met zachtharige bladeren gekweekt, waarvan twee planten, uit stekken van eenzelfde moederplant gewonnen, van tijd tot tijd bandvormige takken voortbrachten. De eene plant viel mij in Februari 1887 op door een gespleten blad, en bracht in den loop van dit jaar een bandvormigen tak voort, welks bladkransen viertallig waren; een dier kransen droeg ook een tweetoppig blad. In den winter van 1888-89 splitste zich deze fasciatie in twee normale splijttakken. De plant bracht nu ook een drietallige loot voort, en in 1889 wederom een fasciatie, die in Juni 1890 zich in één twee- en éen drietalligen tak splitste. Daarenboven kwamen in 1889 aan andere takken wederom gespleten bladeren voor. De tweede plant, in de warme kas in den vollen grond geplant, bracht in Mei 1889 een tak voort, die met tweetallige kransen begon, dan een drietalligen tak met een gespleten blad droeg en daarna bandvormig werd. In den zomer van hetzelfde jaar werd een tweede tak, die eerst normaal was, bandvormig. Op drie tweebladige knoopen volgden twee driebladige en dan een vierbladige, waar- boven de tak zich in twee gelijke armen splitste. Een derde fasciatie ontstond in het voorjaar van 1890, met vier driedubbele kransen, en een splijting in twee gelijke armen daarboven. Een vierde fas- 1) Het verschijnsel, dat aan een houtige plant zich eene fasciatie aan den zelfden tak gedurende eenige jaren voortzet, is volstrekt niet zeld- zaam. Een voorbeeld daarvan, bij Syringa Josikaea, waaraan ook de as van den bloemtros sterk verbreed was, ontving ik in 1889 van den Heer A. Fiet uit den Hortus Botanicus te Groningen, en een ander geval bij Glycine sinensis schonk mij in hetzelfde jaar de Heer I. Bulk uit zijn kweekerij onder Nieuwer-Amstel. Verder is het zeer bekend voor Sam- bucus nigra fasciata en Evonymus japonicus fasciatus. 30 466 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. ciatie van nagenoeg gelijken bouw werd in Maart 1893 van deze plant gesneden. Beide planten te zamen brachten dus in den loop van zeven jaren zes bandvormig verbreede, aan hun top zich splijtende takken voort. Abies excelsa. In het begin van April 1891 ontving ik van den Heer H. W. Dros te Bennekom het voorwerp ten geschenke, dat op Plaat III is afgebeeld. Het was de top van een spar, uit een jongen aanleg nabij Bennekom, geplant in 1872, bij betrekkelijk dichten stand. Het voorwerp was levend, eerst voor een paar dagen af- gesneden, en geheel met de naalden bezet; deze heb ik er echter volledig afgeprepareerd, zoodra het droog was. Een aantal gefas- cieerde takjes gingen daarbij verloren; trouwens zij zouden in de afbeelding toch geen voldoende plaats gevonden hebben. Daar deze tak een zeldzaam fraai voorbeeld geeft van eene fasciatie, die zich gedurende minstens zes achtereenvolgende jaren, onder telkens herhaalde splitsingen, herhaald heeft, wil ik daarvan een eenigzins uitvoerige beschrijving geven. Wanneer de verbreeding voor het eerst opgetreden is, is in mijn voorwerp niet meer na te gaan. In de loot van 1885, in welks midden de top afgehakt is, was zij reeds begonnen. Uitwendig was dit niet gemakkelijk te zien, anders zouden allicht een of een paar jaarloten meer afgehakt zijn. De stam is hier nl. bijna rond, slechts weinig afgeplat, 5 cm. breed en 3 dik. Doch op de doorsnede blijken het merg en de eerste jaarring geheel plat te zijn; zooals men in fig. 2 kan zien; het merg is 2 cm. lang bij eene dikte van slechts 1,5 mm. De eindloot moet dus in 1885 even plat en dun geweest zijn, als nu de jongste loten zijn. In de hoofdfiguur keert de loot van 1885 de smalle zijde naar den beschouwer toe, terwijl men de breede zijde in perspectief ziet. Deze loot eindigt in een eenigzins schuine kam, uit welke in 1886 minstens tien loten ontsprongen. Acht daarvan ziet men in de afbeelding; twee waren rolrond en sedert normaal gebleven en zijn daarom weggezaagd. Die acht loten zijn van verschillende breedte en afplatting, doch eindigden allen weder met een kam van eind- knoppen. De loten c en d waren bisschopstafvormig gekromd, en daardoor naar omlaag gericht. De loot a was van onderen open- gescheurd, waarschijnlijk ten gevolge van een overeenkomstige kromming; van de scheur af was hij door zijn midden tot boven aan toe gespleten; men ziet bij b het afgespleten en aan het onder- einde knobbelvormig verdikte deel. De loot e had beiderzijds zulk OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATINE. 467 eene afsplijting ondergaan, doch dit is in de figuur niet afgebeeld. Hetzelfde verschijnsel heeft zich ook in de latere jaargangen hier en daar herhaald. Elk der loten of splijttakken van 1886 draagt aan zijn top een kam, waaruit 5-10 loten in 1887 te voorschijn zijn gekomen. En terwijl de afplatting van de loten van 1886 door den lateren dikte- groei reeds belangrijk verloren heeft, is dit in de loten van 1887 reeds in veel mindere mate het geval. Zeer vele van hen zijn nog zeer plat en dun, en dit geldt van de volgende jaargangen in telkens hoogere mate. Naar het schijnt, zijn de eindknoppen van een aantal platte, bandvormige loten van 1888 in den volgenden winter gestorven; ten minste zij hebben geen nieuwe loten voortgebracht. In verband daarmede is dan de loot van 1888 natuurlijk dun gebleven, en ziet hij er uit, als of hij in het laatste jaar vóór het afhakken van den top ontstaan was. In den winter 1889-1890 moet zich dit verschijnsel op grootere schaal herhaald hebben, ten minste het aantal in 1890 ontstane loten is betrekkelijk gering. Doch ik moet hierbij opmerken, dat mijn vertoonstuk niet meer volledig was, toen ik het ontving, daar hier en daar fraaie bandvormige takken waren afgesneden, om ze voor een ander doel te gebruiken, gelijk mij de schenker mededeelde. Men ziet dan ook in de figuur hier en daar de stompen van de afgesneden takken. Het was natuurlijk niet mogelijk, het droge voorwerp zóó uit te spreiden, dat alle bandvormige takken tegelijk van de vlakke zijde gezien konden worden. Vele ziet men er van de smalle kant, of in min of meer schuine richting, zoodat de meeste in de figuur smaller schijnen, dan zij in werkelijkheid zijn. Bij fen g ziet men echter twee platte loten geheel van de vlakke zijde. Het zij mij daarom vergund, bij deze beide iets langer stil te staan. De loot f kan beschouwd worden als het meest zuivere type van vertakking in dit individu. De loot van 1887 is reeds van onderen eenigzins afgeplat, dit neemt naar boven slechts weinig toe. De kamvormige eindknop echter, waarvan nog de schubben aanwezig zijn, stak beiderzijds aanzienlijk buiten de grenslijn van de loot uit. Die eindknop is in zijn midden gespleten en heeft in 1888 twee bandvormige loten voortgebracht. Deze zijn beide ruim 3 cm. breed, bij eene dikte van 0.5 cm. en eene lengte van 5-7 cm. Zij zijn beide in de bovenste helft hunner lengte overlangs gespleten, en wel elk in drie nagenoeg even breede, bandvormige deelen. Deze droegen aan hun top weer de kamvormige eindknoppen van 1888, uit welke 30* 468 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. echter in 1889, in plaats van enkele zeer breede loten, een groot aantal smallere loten zijn ontstaan. Dit aantal bedroeg 32, terwijl verscheidene Knoppen gestorven zijn, zonder loten voort te brengen. Het verschijnsel, dat een jaarloot van onderen naar boven slechts weinig in breedte toeneemt, is in mijn voorwerp de algemeene regel. Bij den overgang van het eene jaar op het andere pleegt dan echter een zeer aanzienlijke toename in de breedte op te treden, die meestal met talrijke splijtingen gepaard gaat. De grenzen der jaarloten zijn dus in het algemeen tevens de punten, waar de splijtingen be- ginnen; later beginnende splijtingen, zooals in het jaar 1888 in de loot f zijn betrekkelijk zeldzaam. De loot g is een voorbeeld van bisschopstafvormige kromming, zooals er talrijke in mijn vertoonstuk voorhanden zijn. Hetzelfde verschijnsel is ook beschreven door C. de Candolle bij een spar, die in 1888 in de nabijheid van Genève een gefascieerden top had voortgebracht ). De loot g is ontstaan uit een deel van de kamvormige eindknop van 1886, die daarenboven nog een drietal in onze figuur zichtbare, doch afgesneden takken had voortgebracht. Hij is 3 cm. breed, zeer dun, en aan zijne convexe zijde 17 cm. lang. De concave zijde, die bij den groei klaarblijkelijk passief uitgerekt werd, is herhaaldelijk gescheurd, zooals in de figuur duidelijk is te zien; de randen der scheuren, die natuurlijk oorspronkelijk elkander aanraakten, zijn thans ver van elkander verwijderd. De kamvormige eindknop van 1887 stond schuin, had een lengte van ruim 7 cm., en heeft in 1888 negen takken voortgebracht, terwijl zijn middenste gedeelte steriel bleef. Een normale spar brengt onder de eindknop van zijn stam een krans van meest vijf knoppen voort, waaruit een krans van even zoovele horizontaal uitstaande takken pleegt te ontstaan. De pro- ductie van deze zijknoppen, wel verre van door de fasciatie aan- zienlijk vermeerderd te zijn, is in tegendeel zóó sterk verminderd, dat slechts hier en daar een enkele zijtak wordt aangetroffen. 1) C. de Candolle, Cas remarquable de fasciation chez un sapin, Archi- ves des sciences physiques et naturelles 1889, T. XXI p. 95. Over de Erfelijkheid der Fasciatien. ELL Hugo de Vries, Opera. Fa. P. W. M. Trap impr. PLAT Over de Erfelijkheid der Fasciatien Fa. P. W. M. Trap impr. Hugo de Vries, Opera. Over de Erfelijkheid der Fasciatien. Play: Hugo de Vries, Opera. Fa. P. W. M. Trap impr. OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 469 Verklaring der Platen. Plaat I. Crepis biennis fasciata. Fig. 1 (1:1). Een roset der vijfde generatie, in Januari 1894 uit den grond genomen en gephotographeerd. a b de vegetatie-kam, bedekt met de jongste bladeren, wier toppen men ziet. Van deze kam stralen de oudere bladeren naar twee zijden uit. Fig. 2 (1:1). Dwarse doorsnede van dezelfde roset, omstreeks 1 cm. onder de vegetatie- kam, stam e!liptisch; m merg, h houtlichaam. Fig. 3 (1:1). Doorsnede door dezelfde plant, omstreeks 1 cm. lager dan Fig. 2 en vlak boven den wortelhals; vorm duidelijk doch zwak elliptisch; m en h als boven. Plaat II. Crepis biennis fasciata. Uitgebloeide planten van de vierde generatie, ontdaan van hunne bladeren en takken; de stammen behouden van onderen tot boven dezelfde breedte (2:5). Fig. 1. Een der planten, uit wier zaad de vijfde generatie gewonnen is, in haar geheel afgebeeld. Stengel 40 cm. lang, 10 cm. breed, 1-2 cm. dik. Fig. 2. Een stengel, ontstaan uit eene roset, waarvan de lange vegetatiekam in twee ongeveer gelijke helften gespleten was. Uit elke helft is een platte en breede stengel omhoog gegroeid. Plant 40 cm. hoog, helften elk 6 cm. breed, 1-2cm. dik. Alleen het onderste gedeelte van den stengel is afgebeeld. Fig. 3. Onderste deel van een stengel, uit een roset ontstaan, waarvan de vegetatiekam slechts ongeveer 4 cm. lang was, en die dus niet voor zaaddrager werd uitgekozen. Stengel lang 35 cm., breed 5 cm. Fig. 4. Onderste deel van een herhaaldelijk gespleten stengel. Men ziet de onderste splijtingen bij o, p en q, zoodat in de figuur vier armen (a, b, c, d) zijn afgebeeld. Hoogte der plant 52 cm., breedte aan den voet (omstreeks 0) 10 cm. Hooger op splitst zich a in twee takken, en d in drie armen, welke laatste bandvormig en ongeveer gelijk van breedte zijn. Een dezer armen splitst zich later nog eens. Plaat III. Abies excelsa. Fig. | (1:5). Top van een jongen spar, bandvormig verbreed en herhaaldelijk gespleten. De jaartallen naast de jaarloten wijzen de jaren aan, waarin deze loten ontstaan zijn. a, c, d, e loten, ontstaan uit de eindknop van het jaar 1885. b knobbelvormig verdikt ondereinde van een strook, die van de loot a tijdens den groei losgescheurd is. fen g de in den text nader beschreven loten. Fig. 2 (1:1). Doorsnede van den stam aan het ondereinde van figuur 1. m het merg, dat 2 cm. lang en 1,5 mm. breed is; s de schors. 1885-1890 de jaarringen, die allengs den platten loot in een nagenoeg ronden stam veranderd hebben. RESUME DU TRAVAIL PRECEDENT. Sur l’hérédité de la fasciation. Les Crètes-de-coq (Celosia cristata) sont bien connues comme race fasciée héréditaire, mais de l’autre côté on regarde généralement comme non-héréditaires et dües à des influences extérieures les fascies que l’on rencontre si souvent, et comme spontanément, chez un grand nombre de plantes cultivées ou sauvages. Dans un traité élaboré sur les fascies Godron dit: «Les fascies sont rarement 470 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. héréditaires et jamais d’une manière absolue», et cette opinion paraît être acceptée des autres écrivains sur ce sujet’). Mais Godron n’a fait qu’un seul semis avec les graines d’une seule plante fasciée (Picris hieracioides) et ce fait n’autorise guère à sa conclusion. Pour trancher la question, j'ai semé les graines d'individus fasciés de plusieurs espèces, et j'ai réussi à produire des races, qui repro- duisent fidèlement le phénomène. La fasciation chez elles est donc bien héréditaire, mais, comme le remarque Godron, jamais d’une manière absolue. Je ne suis pas arrivé à des races dont tous les individus seraient fasciés, ce qui ne peut guère étonner quand on se rappelle que, même dans la Celosia cristata ce degré de fixation de la monstruosité est encore loin d’être atteint. La production des fascies dépend toujours d’un excès de nourriture. Même dans les races bien fixées ce sont seulement les individus vigoureux qui ont des tiges ou des rameaux élargis et aplatis; les plantes faibles n’en portent pas, ou au plus, de très rudimentaires. C’est pour la même cause qu’il est rare que tous les rameaux d’un même individu soient fasciés; les branches latérales sont dans la plupart des plantes herbacées généralement trop faibles pour s’aplatir, quoiqu’une bonne culture et beaucoup d’engrais puissent contribuer effectivement à l'extension du phénomène sur un grand nombre de rameaux de différents ordres. Les auteurs qui se sont occupés de cette monstruosité ont établi différents types de fasciation p. e. des fascies en crête et des fascies bifurquées. Et comme les fascies trouvées par hasard dans la nature et dans les jardins sont rarement en grand nombre pour une même espèce, on énumère des espèces à fascies en crête, et d’autres espèces à fascies bifurquées. Mes cultures démontrent que les deux formes peuvent toujours être rencontrées dans la même espèce, aussitôt qu’on a une race qui produit de nombreux individus fasciés. Car dans ce cas ces déviations se développent à presque tous les degrés possibles. Ce qui n'empêche pas, que le type de la fasciation est différent selon les espèces et caractéristique pour chacune d’elles. On ne saurait reproduire la belle forme des Celosia cristata dans les individus, même les mieux fasciés d’espèces comme Crepis biennis, Tetragonia expansa, Geranium molle et autres. Ces types caracté- ristiques des espèces sont déterminés par un coefficient, qui dépend 1) Mémoires de la Soc. nation. des Sciences naturelles de Cherbourg RAVI 18710 212. OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 471 en premier lieu de la relation de deux facteurs: l’accroissement de la tige en longueur et son élargissement. 1. Ma race la plus instructive est la Crepis biennis fasciata, re- présentée par les Planches I et II, dont la première se rapporte à la fin de la première année, et la seconde aux individus en fleurs et en fruits de la deuxième période de végétation. La rosette de feuilles radicales (Pl. I Fig. 1) a été recueillie en janvier 1894 d’un semis du printemps de l’année précédente; elle avait perdu ses feuilles de l’été et ne montre que les feuilles hivernales. Celles-ci ne rayonnent pas d’un centre commun, comme d’ordinaire, mais sont disposées en deux rangées, aux côtés d’une ligne d’environ cinq centimètres de longueur, où se produisent les nouvelles feuilles. D'après des recherches récentes, faites par M. le Dr. Nestler à mon laboratoire, cette ligne doit être regardée comme représentant dans la rosette fasciée le «point de végétation» de la rosette normale. La rosette possède donc une digne de végétation», ou plutôt une «crête de végétation». L'hiver terminé, la tige s'élève de cette crête avec une largeur déterminée par la longueur de la crête. En s’accroissant elle ne s’elargit plus. La Fig. 1 de la Planche II nous montre un individu mur, après la récolte des fruits, d’une largeur d’environ 10 cm., la figure 3 un exemplaire issu d’une rosette de dimensions plus petites, et dont l’axe n’a que 4-5 cm. de largeur de haut en bas. Ces tiges sont terminées par des capitules en crête, comme les fascies à inflo- rence en crête de Godron. Les figures 2 et 4 de la même Planche nous démontrent un cas de bifurcation pas rare dans la même race; l'individu figuré en haut (Fig. 2) est bifurqué jusque dans la rosette, et produit deux tiges aplaties dont la largeur (6 cm. pour chacune d’elles) reste la même jusque dans l’inflorescence. La figure 2 représente un individu, dont la tige commence par une largeur de 10 cm., mais est découpée successivement en six bandeaux d’un développement inégal, mais dont la largeur totale ne dépasse pas celle de la base de la tige. L'origine de cette race remonte à l’année 1886, dans laquelle j'ai recueilli des graines sur quelques individus non-fasciés d’un groupe de plantes dans une prairie des environs de Hilversum. D’autres individus de ce groupe avaient eu des tiges et des rameaux élargis à un faible degré. Déjà dans la seconde génération, dans lété de 1887, j'avais des rosettes fasciées de ces graines et depuis j'ai semé régulièrement cette race bisannuelle, de sorte que j'en possède maintenant la cinquième génération. 472 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. Les graines récoltées à l’état sauvage n'ont donné qu’une faible proportion de rosettes fasciées ; depuis je n’ai récolté de graines que sur les meilleurs individus à rosette fasciée et j’ai fait de mon mieux pour rendre la culture favorable au développement de la monstruosité. Des individus à rosettes non fasciées un assez grand nombre auraient produit de petites fascies dans leurs tiges et dans leurs inflorescences, comme je l’ai observé dans la troisième génération. Mais je n’ai pas compté leur nombre, et dans les autres générations, j'ai même extirpé ces exemplaires pendant l’hiver. Le nombre de rosettes fasciées, comptées en hiver, a été bien variable selon les années, sous l’influence du développement plus ou moins luxuriant des plantes. En voici les chiffres: Dans la seconde génération, 1887-1888 — 3% vree troisië mes UE, 1889-1890 — 40 %, 5 quatrième ,, 1891-1892 — 30 9%, „ cinquième ,, 1893-1894 — 24 % 2. Tout autre est le type de la fasciation dans le Geranium molle fasciatum, dont je cultive une race depuis 1888. Elle n’a pas produit de rosettes fasciées. Et comme ses rameaux sont des sympodes, elle ne saurait les élargir en bandeaux continus comme les tiges de la Crepis. Chaque unité d'un rameau sympodial consiste en une moitié inférieure, qui fait partie du sympode, et une moitié supérieure, qui se termine en une fleur, et porte ordinairement deux fleurs ou deux inflorescences latérales. C’est à ces unités que se rattache la fasciation; il pest pas rare de voir une telle unité élargie au milieu d’un rameau qui en haut et en bas de la fascie est absolument normal. L’unité est aplatie aussi bien dans sa moitié inférieure, qui fait partie du rameau, que dans sa partie supérieure qui porte la fleur, aplatie et élargie elle-même à un degré souvent très élevé. Voilà le type. Une variation très ordinaire est qu’il y a deux unités sympodiales successives qui sont fasciées et portent des fleurs fasciées; plus rarement leur nombre est de trois ou de quatre. Les autres variations de ce type sont si multiples qu’on pourrait vouer un mémoire spécial à leur description. Au commencement de mes cultures je n’ai pas su qu’il ne faut pas semer cette espèce au printemps, mais en été, et j’ai eu quelque peine à ne pas perdre ma race, qui n’a donné en seconde génération (1889-1890) qu’un seul individu fascié. La troisième génération, semée au mois de septembre 1891, a donné en 1892 environ 30% d’individus fasciés. Sur ceux-ci c'était en moyenne le quart des rameaux qui étaient aplatis dans une ou plusieurs de leurs unités OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 473 sympodiales. La quatrième génération (1892-1893) m'a donné plusieurs centaines de rameaux et de fleurs fasciées. Ces plantes ont donné une récolte abondante de graines, que je mets volontiers à la disposition de ceux, qui voudront en faire une culture. 3. Une plante qui produit aisément des tiges fasciées en grande quantité, et souvent d’une longueur de 1-2 mètres, est la Tetragonia expansa, dont j'ai rencontré pour la première fois une fascie en 1885, qui s’est depuis reproduite régulièrement. Seulement l’année 1891 m’a été défavorable; pas une de mes plantes n’a eu de rameaux aplatis. Alors j’ai amélioré la culture et l’engrais et dans les années 1892 et 1893 j'ai vu s'élever le nombre des individus fasciés à environ la moitié de toute ma culture, tandis qu’en 1889 et 1890 je n’avais eu qu'environ 20% d’exemplaires monstrueux. Les fascies sont cylindriques à leurs bases et s’aplatissent peu à peu; elles atteignent souvent une largeur de 4-5 cm. Des feuilles et des fruits doubles y sont très fréquents. De l’autre côté il est rare que l’axe primaire de la plante s’élargisse, comme je l’ai observé en 1893; ordinairement ce sont les axes secondaires qui donnent les plus belles fascies. Mes autres races fasciées sont les suivantes: 4. Aster Tripolium avec 7% d'individus fasciés dans la quatrième génération (1893). 5. Taraxacum officinale, avec 30% d'individus à pédoncules et capitules fasciées dans la quatrième et la cinquième génération (1891-92 et 1892-93). 6. Thrincia hirta, avec 30-40% d'individus à pédoncules et capi- tules fasciées, dans les deux dernières générations (la 4° en 1892, la 5° en 1893). 7. Veronica longifolia. Je possède depuis 1887 une plante de cette espèce, laquelle multipliée par division, donne chaque année une grande quantité d’inflorescences se terminant en une crête, et parfois se bifurquant et se trifurquant. En 1893 elle a en outre produit quelques fascies annulaires, des inflorescences à sommet en forme d’entonnoir. J’en ai récolté des graines en 1891, et les deux généra- tions suivantes (1892 et 1893) ont été aussi riches en inflorescences fasciées que la plante mère. 8. Hesperis matronalis. Mes semis proviennent d’une belle inflo- rescence fasciée de 1886. J’ai eu beaucoup de peine à faire reparaitre cette monstruosité, mais enfin j’y ai réussi dans un individu, germé en 1892. Cette plante a produit en 1893 une inflorescence large d’en- viron 2 cm. et longue de presque 1 mètre. 474 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. Il n’est pas absolument nécessaire de choisir comme porte-graines les individues fasciés. On peut avoir des races à fasciation sans ce soin, et même en choisissant ses porte-graines dans un autre but. Seulement dans ce cas les fascies seront beaucoup plus rares, et il est possible que de temps en temps elles sauteront des générations entières. On peut appeler ces races des races à fasciation accessoire. Les exemples que j’en ai observés dans mes cultures sont les suivants: 9. Amarantus speciosus. L'origine de cette race est une plante à inflorescence légèrement fasciée en 1889. La fasciation s’est reproduite dans la seconde génération (1 individu sur 50) mais pas dans la troisième (1891). Le semis de graines récoltées en 1891 a produit une génération dont 7 individus sur les 24 avaient des fascies, et dans la dernière (cinquième) génération en 1893 c'était environ la moitié des plantes qui portaient des fascies. 10. Barbarea vulgaris. Des graines d’une plante à inflorescence fasciée, récoltées en 1891, et d’une autre plante non-fasciée de la même race donnaient une culture de 150 individus, fleurissant en 1893, et dont trois portaient des fascies, comme celle de 1891. 11. Helianthus annuus. Dans une race, cultivée à cause des cotyles soudés en un seul limbe, j’ai vu apparaître des tiges et des capitules fasciés dans plusieurs générations. Pour la première fois en 1888, dans la deuxième génération, et ensuite, après avoir passé la troisième sans se montrer, les fascies sont devenues plus nombreuses et ont varié dans les trois générations suivantes de 3 à 22%. 12. Linaria vulgaris peloria. En 1891 je trouvais deux tiges fasciées dans ma culture. En prenant les graines sur un autre in- dividu du même groupe, j'ai vu se répéter le phénomène de la fas- ciation dans la génération suivante, qui était en fleurs en 1892 et 189. 13. Zea Mais. Des spadices fasciés se sont montrés dans ma race en 1888, 1889, 1892 et 1893. Leur nombre s’est élevé jusqu’à en- viron 40%. 14. Nicotiana affinis. Des fleurs fasciées ont été observées en 1887, 1888 et 1892. Des phénomènes du même ordre peuvent s’observer parfois dans la nature à l’état sauvage, quand les fascies se reproduisent dans un même endroit dans deux ou plusieurs années successives. Pour être bien concluantes, ces observations sont bornées à des OVER DE ERFELI JKHEID DER FASCIATIEN. 475 especes annuelles ou bisannuelles. J’ai eu l’occasion d’en faire sur les plantes suivantes: 15. Oenothera Lamarckiana. Dans les environs de Hilversum un groupe de ces plantes a produit des tiges fasciées en 1885, 1886, 1887, 1888, 1889, 1892 et 1893. Dans les années 1890 et 1891 je n’avais pas l’occasion de visiter ce lieu. Le nombre des individus fasciés a été chaque année de 1 à 3 sur plusieurs centaines d’exem- plaires. De graines, récoltées en 1866, j'ai eu une très belle fascie dans mon jardin en 1888, En outre il s’est produit dans mes cultures provenant de graines récoltées la même année, deux nouvelles races dont une naine, n’atteignant que la moitié de la hauteur de espèce normale. Et dans chacune de ces deux races une plante bisannuelle a produit des fascies, prouvant par là que la fasciation peut se transmettre, en qualité héréditaire, sur une nouvelle variété. 16. Raphanus Raphanistrum. J'ai trouvé des plantes à fascies de cette espèce en 1886 et en 1887 dans un même champ de seigle, dans les environs de Hilversum. 17. Pedicularis palustris. De très belles fascies de cette espèce ont été récoltées dans une tourbière près de ’s Graveland en 1886. A la même place le phénomène s’est répété en 1887 et en 1888. Dans une autre tourbiere, à une distance d’environ une demi heure j'ai trouvé des fascies de cette espèce en 1886 et en 1888. 17a. Crepis biennis. Je joins à cette liste deux faits, relatifs à des espèces déjà nommées sous les Numéros 1 et 2. Dans la prairie à Hilversum, qui a été l’origine de la race décrite, la fasciation s’est reproduite à l’état sauvage dans deux générations successives, celle de 1885/86 et celle de 1887/88. La même chose est arrivée pour le: 17b. Geranium molle, dont les générations de 1885/86 et de 1887/88 ont produit des individus fasciés dans un même endroit entre Hil- versum et ’s Graveland. J'arrive maintenant au groupe des plantes vivaces, dont j'ai observé les fascies sur un certain nombre d’espèces durant plusieurs années successives. Je me bornerai à indiquer les années, dans lesquelles j’ai trouvé des fascies; on en concluera que le phénomène se produit presque régulièrement chaque année sur la même plante ou sur le même groupe d'individus. Les espèces du Jardin Botanique d'Amsterdam seront indiquées par H A. Aconitum Napellus H A, 1886, 1887, 1888, 1889, 1891 et 1892. Plante très riche en tiges fasciées. 476 OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. Agrimonia Eupatoria près de Muiderberg, 1886 et 1889. Artemisia Absynthium H A, 1883, 1887, 1888, 1889 et 1890. Espèce très riche en fascies larges et belles. Le phénomène s’est reproduit deux fois dans mes semis (en 1889/90 et en 1891/92), mais l'origine de mes graines était incertaine. Chrysanthemum Leucanthemum, dans une prairie à ’s Graveland, 1886, 1887 et 1888. Epilobium hirsutum à Utrecht et transportée à H A 1890 et 1892. Erigeron bellidiflorus H A 1890 et 1892. Gunnera scabra H A 1890, 1891, 1892, 1893. Helianthus tuberosus H A 1884, 1889 et 1891. Hieracium Pilosella, à Hilversum 1886, 1887 et 1888. Ophiopogon Jaburan H A 1886 et 1891. Salvia clandestina H A 1883 et 1887. Sonchus palustris H A 1890, 1891, 1892 et 189. Stylidium adnatum H A 1887 et 1890. Dans les espèces ligneuses on peut distinguer deux cas de répéti- tion de l’élargissement des rameaux. Dans le premier cas le phéno- mène se reproduit dans les années successives sur les branches différentes, tandis que dans le second c’est le même axe, qui continue la fasciation pendant une série de saisons. Ce sont des fascies étagées, dont Godron a déjà décrit un exemple dans l’Abiès excelsa). A. Fascies répétées. Robinia Pseudacacia à Hilversum, 1886, 1887, 1888 et 1889. Fascies belles et nombreuses (en tout 34 tiges) provenant de bour- geons radicaux. Prunus virginiana, à Hilversum, baies doubles en 1886, 1887, 1888 et 1889 sur le même arbrisseau. Clethra alnifolia. Epis fasciés pas du tout rares, se répétant sur les mêmes individus en 1886, 1887, 1888 et 1889 (à ’s Graveland). Ailanthus glandulosa, à Hilversum, en 1887 et en 1888. Chionanthus virginica, H A 1888 et 1892. Justicia superba H A 1887, 1889; et sur un second individu en 1889, 1890 et 1893. 1) Godron, l. c. page 105. OVER DE ERFELIJKHEID DER FASCIATIEN. 477 B. Fascies étagées. Abies excelsa. La planche III représente, à 1/5 de la grandeur naturelle, une fascie de cet arbre que je dois à l’obligeance de M. H. W. Dros à Bennekom. C'est le sommet d’un arbre plante en 1872. L'aplatissement s'est répété au moins durant six années (1885-1890). L’acroissement en diametre a diminué l’aplatissement des premiers étages, comme on le voit dans la Figure 2, qui est une coupe, prise dans la base de mon objet (étage de 1885). A chaque hiver chaque branche s’est divisee en deux ou plusieurs fascies, d’autant moins larges que leur nombre était plus grand. Plusieurs fascies se sont recourbées en croissant, ce qui parfois a été la cause de ruptures dans leurs côtes (g). On remarque que les rameaux latéraux ne se sont pas développés sur cette fascie. Acer Pseudo-Platanus H A Fascie étagée du tronc de l’arbre, commencée en 1890, continuée en 1891, 1892 et 1893. Calceolaria violacea H'A Fascie à étages de 1886, 1887 et 1888. Chionanthus virginica H A Fascie à étages de 1888, 1889 et 1891. Nerium Oleander H A Fascie à étages de 1892 et 1893. En outre je possède dans mon herbier des fascies étagées de Syringa Josikaea et de Glycine sinensis. Pour le Sambucus nigra fasciata et l’Evonymus japonicus fasciatus le phénomène est, du reste, bien connu. En somme, j'ai réussi à produire sept races fasciées bien fixées et se reproduisant franchement de graines et j'ai observé la répétition de fascies accessoires dans les générations successives de dix autres espèces, tant cultivèes qu’à l’état sauvage. Parmi les plantes vivaces et ligneuses les fascies semblent se répéter ordinairement dans les années favorables sur le même individu ou le même groupe d’indivi- dus. Ces fascies répétées ont été observées sur 13 espèces vivaces, et sur six espèces ligneuses, tandis que j'ai donné sept exemples de fascies étagées, c'est-à-dire se répétant sur le même axe. En combinant ces faits aux variétés fasciées du commerce horti- cole, je crois avoir prouvé que les fascies sont généralement de nature héréditaire. (Botanisch Jaarboek uitgegeven door het kruidkundig genootschap Dodonaea te Gent, Zesde Jaargang, 1894, blz. 72.) EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. Mit Tafel I. Weitaus die meisten der bis jetzt beschriebenen Fälle von Zwangs- drehung sind durch Zufall aufgefunden worden. Daher ist die Zahl der Arten, von denen diese Erscheinung bekannt ist, stets noch eine sehr beschränkte, sie beträgt wenig über fünfzig!). Allerdings könnte man, durch ein fleissiges Suchen in Gärten und im Freien im Laufe einiger Jahre eine beträchtliche Anzahl von Nummern der vorliegenden Liste anreihen, jedoch scheint ein solches Ver- fahren von Anderen bis jetzt nicht in Anwendung gebracht zu sein. Nach der Theorie Alexander Braun’s können Zwangsdrehungen von allen Arten mit decussirten oder wirtelig gestellten Blättern erwartet werden ?), aber die Aussicht, eine solche Torsion von einer bestimmten Art zufällig aufzufinden, ist selbstverständlich eine sehr geringe. Dennoch kann es, zum richtigen Verständniss der An- gaben älterer Autoren oder für specielle Untersuchungen, von Be- deutung sein, gedrehte Exemplare von im Voraus gewählten Arten zu erhalten. Wer aus einem ähnlichen Grunde sich Zwangsdrehungen zu ver- schaffen wünscht, oder wer in kurzer Zeit eine Sammlung von solchen Gebilden anlegen möchte, dem erlaube ich mir, die im Fol- genden beschriebene Methode zu empfehlen. Ueber ihre Leistungs- fähigkeit kann man sich aus der beigefügten Tafel und aus der Liste am Schlusse dieses Aufsatzes eine Ansicht bilden. Meine Methode beruht auf zwei Principien, und zwar sind diese; 1. Die Wahl von Cotylvarianten, 2. Gute Cultur und starke Düngung. 1) Man vergleiche die Liste in meiner Monographie der Zwangsdrehungen, Opera V, S. 372. Ferner: Ueber die Erblichkeit der Zwangsdrehungen, Ibid. S. 159; Eenige gevallen van klemdraai by de Meekrap (Rubia tinctorum), Ibid. S. 206 und Tafel I; und Bijdragen tot de leer van den klemdraai, ibid. S. 407 und Tafel I—II. 2) Verh. d. k. preuss. Akad. d. Wiss. Berlin 1854. EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. 479 Die Wahl von Cotylvarianten bildet dabei die Hauptsache und soll daher in erster Linie besprochen werden. Wenn man von irgend einer dicotylen Art viele Tausend Samen aussäet, so findet man fast stets einzelne, oft mehrere Keimpflanzen, welche von dem nor- malen Typus abweichen. Sobald die Samenlappen entfaltet sind, sind diese Cotylvarianten zu erkennen. Sie gehören bekanntlich zu verschiedenen Typen. Am häufigsten sind die Tricotylen. Diese besitzen drei völlig ge- trennte und in gleichen Winkeln von einander abstehende Samen- lappen. Ihnen folgen an Häufigkeit die Hemitricotylen, welche einen normalen und einen gespaltenen Samenlappen besitzen. Die Spaltung kann alle denkbaren Grade der Tiefe erreichen, wodurch eine vollständige Reihe von Uebergängen von den Tricotylen zu den normalen Keimpflanzen hergestellt wird. Weit seltener als diese beiden Gruppen sind die Tetracotylen und Hemitetracotylen; die ersteren mit vier Samenlappen, die letzteren entweder mit drei, von denen einer gespalten ist, oder mit zwei gespaltenen Cotylen. Diese Fälle beobachtete ich in vollständiger Reihe bei Acer Pseudo- Platanus und Amarantus speciosus, ferner bei Scrophularia nodosa, Thrincia hirta, Scabiosa atropurpurea u. a. Ich betrachte alle die genannten Fälle als die verschiedenen Stufen einer und derselben Reihe, von der die Tricotylen, als weitaus die zahlreichsten, die Hauptvertreter sind. Die Hemitricotylen zeigen dann das Merkmal, die Spaltung in unvollständiger, die meist sehr seltenen Tetracotylen aber in übermässiger Ausbildung. Eine zweite Gruppe bilden die Syncotylen. Hier sind die beiden Samenlappen auf der einen Seite des Stengels zu einem einzigen, breiten, flachen ‚doppelten‘ Blatte verwachsen. Die Verwachsung kann eine vollständige sein, oder in jedem Grade abgestuft (Hemi- syncotylen), bis zu den nur an der Basis ihres Stieles verbundenen Samenlappen herunter. -Ich cultivire unter dem Namen Helianthus annuus syncotyleus eine Rasse, welche ich im Laufe einiger Jahre aus vereinzelt aufgefundenen syncotylen Individuen bis nahezu völliger Constanz (bis etwa 97%, Syncotylen unter den Keimpflanzen) ausgebildet habe, und welche die Syncotylie in allen Graden der Abstufung enthält. Diese Rasse erzeugt von Zeit zu Zeit vereinzelte amphisyncotyle oder kürzer amphicotyle Keimpflanzen, deren Co- tylen mit einander beiderseits, also zu einem Becher, verwachsen sind (Tafel I, Fig. 3). Die Verwachsung ist eine solche, dass die Plumula oft nicht ohne Hülfe einer Operation hervorbrechen kann. Solche amphicotyle Keimlinge besitze ich auch von Antirrhinum 480 EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. majus, Raphanus Raphanistrum u. a.; bei Centranthus macrosiphon fand ich sie in auffallend grosser Anzahl (Tafel I, Fig. 3 und 4). Tricotylie und Syncotylie können an demselben Individuum ver- einigt sein, die beiden Samenlappen sind dann verwachsen, während der eine gespalten ist. Es entsteht dadurch ein einziges, dreizipfeliges Keimblatt. Eine vollständige Reihe aller hier möglichen Fälle be- sitze ich nur für Polygonum Convolvulus; weitere trisyncotyle Bei- spiele lieferten mir Chenopodium album und Thrincia hirta. Tetra- syncotylen habe ich noch nicht aufgefunden. Die namhaft gemachten Cotylvarianten sind diejenigen, welche bei meiner Methode ausgewählt werden. Auf bunte resp. ganz weisse oder gelbe Keimlinge stösst man häufig, bisweilen sieht man Aus- wüchse auf den Keimblättern (z. B. Scabiosa atropurpurea) oder um- geschlagene Ränder und Spitzen (Helianthus annuus), u.s. w. Diese und ähnliche Abweichungen lassen aber keine Beziehungen zu Zwangsdrehungen vermuthen. Es ist mir nicht bekannt, ob entwickelungsgeschichtliche Unter- suchungen über Tricotylen und Syncotylen vorliegen, und was diese uns über das Wesen dieser Abweichungen lehren können. Bei der Möglichkeit, diese Variationen zu fixieren, wäre eine solche Untersuchung, in Bezug auf Material, sehr gut auszuführen. Es leuchtet aber ein, dass beide Abweichungen in Beziehung stehen können zu Variationen der Blattstellung. Und da die Zwangsdrehung auf das Eintreten der spiraligen Blattstellung an Arten mit decus- sirten oder wirteligen Blättern beruht, so ist die Vermuthung be- rechtigt, dass tricotyle und syncotyle Keimpflanzen eine grössere Aussicht auf solche Torsionen bieten werden, als normale. Diese Vermuthung ist durch die weiter unten mitzutheilenden Erfahrungen völlig bestätigt worden. Zu den Einzelheiten der Methode übergehend, kommt es vor Allem darauf an, von jeder Art mehrere Tausend Samen auszusäen. Nur selten kann man sich hinreichende Mengen durch Tausch oder durch Einsammeln im Freien verschaffen; am einfachsten ist es, die Samen bei einer der grösseren Samenhandlungen zu kaufen). Ich bezog von jeder Art meist 20 g, bei wichtigen oder bei gross- körnigen Arten mehr. Die meisten fraglichen Arten enthalten auf 20 g zwischen 10000 und 30000 Samen, kleinkörnige Arten, wie 1) Weitaus die meisten Samen für diese Versuche bezog ich von der Firma F. Jühlke Nachfolger in Erfurt, welche ich allen denjenigen em- pfehle, welche meine Versuche wiederholen wollen. Ferner von Haage & Schmidt, ebendaselbst, von Vilmorin-Andrieux & Co. in Paris, u. A. EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. 481 Antirrhinum majus, oft weit über 100000 Samen. Die ganze Menge wird in Samenschalen oder grösseren hölzernen Behältern ausgesäet, und zwar ziemlich dicht, jedoch so, dass die Keimpflanzen nachher bequem auszusuchen sind. Viel geringere Mengen von Samen sollte man in der Regel nicht nehmen, denn nur wenige Arten fand ich so reich an Cotylvarianten, dass man auf solche in jedem Tausend von Keimlingen mit Sicherheit rechnen kann (so z. B. Fedia scorpioides, Antirrhinum majus, Sca- biosa atropurpurea). Auch mag die Bezugsquelle auf diese Ver- hältnisse einen bedeutenden Einfluss haben. Sobald die jungen Pflänzchen ihre Samenlappen entfalten, werden die normalen sämmtlich ausgejätet, und die Varianten, nachdem sie hinreichend erstarkt sind, einzeln in kleine Töpfe ausgepflanzt. Oft lieferte eine Art nur einzelne Varianten, z. B. Dracocephalum moldavicum nur ein hemitricotyles Exemplar auf 20000 Samen, oft zehn oder mehr, selten jedoch mehr als zwanzig. Im Ganzen erzog ich z. B. im Jahre 1892 etwa 200 Cotylvarianten aus gekauften Samen (von 36 Arten, deren aber einige ausnahmslos normal keimten). In den meisten Arten walteten die Keimlinge aus der tricotylen Gruppe unter den Varianten vor, in anderen aber die Syncotylen (z. B. Scabiosa atropurpurea, Valeriana alba, Centranthus macro- siphon). Es leuchtet ein, dass nicht sämmtliche Cotylvarianten bei der späteren Cultur Zwangsdrehungen bilden. Solches thun im Gegen- theil stets nur einzelne unter ihnen. Unter den soeben genannten 200 Varianten meiner Cultur von 1892 hatte ich etwa 20 Exemplare mit Zwangsdrehung; diese war aber nur in einigen Individuen sehr schön, in anderen nur in geringem Grade entwickelt. Auch liefern einzelne Gattungen und Arten viel eher Zwangsdrehungen als andere; am häufigsten fand ich sie z. B. bei Collinsia-Arten und bei Scabiosa atropurpurea. Hat man bei einem ersten Versuche seinen Zweck nicht erreicht, so kann man ihn in zweifacher Weise wiederholen. Von einzelnen Arten (Fedia scorpioides, Scabiosa atropurpurea) kaufte ich im zweiten Jahre wiederum Samen, und dann in grösserer Menge, von anderen aber sammelte ich Samen auf den Cotylvarianten des ersten Jahres, säete diesen in derselben Weise aus und wählte wiederum nur die Tricotylen und Syncotylen zum Auspflanzen. Ich hatte somit eine zweite Generation von Cotylvarianten, und es scheint mir, nach meinen bisherigen Erfahrungen, dass diese an schönen Zwangs- drehungen reicher ist, als die erstere (z. B. Centranthus macrosiphon, 31 482 EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. Tafel I, Fig. 1 und 2); auch ist dieser Process namentlich bei solchen Arten zu empfehlen, deren Samen arm an Varianten sind. So er- hielt ich von Dracocephalum moldavicum, wie oben erwähnt, anfangs nur eine, und zwar nur eine hemitricotyle Keimpflanze, aus ihrem Samen aber zwei hemitricotyle und fünf tricotyle Individuen, welche aber noch keine Zwangsdrehung gaben, aber mit deren Samen be- absichtige ich den Versuch fortzusetzen*). Wie man sieht, kann man im Laufe einiger Generationen die Anzahl der Versuchspflanzen derart vermehren, dass die Aussicht auf den gewünschten Erfolg bedeutend grösser wird. Die Erbkraft der Cotylvarianten, welche man in gekauften Samen beobachtet, ist in der Regel eine sehr befriedigende. Man kann sie natürlich nicht nach der procentischen Anzahl der Varianten unter den Keimlingen jenes Samens beurtheilen, sondern erst nach der betreffenden Zahl in ihren eigenen Nachkommen, nachdem man sie isolirt hat blühen lassen. In dieser Weise erhielt ich aus den Samen gekaufter tricotyler Exemplare die folgenden Procentzahlen trico- tyler Keimlinge: Antirrhinum majus 1—14 %, Asperula azurea 1,8 %, Collinsia bicolor 7 %,, C. grandiflora 3 %, C. heterophylla 0,6 %, C. violacea 0,9 %, Lychnis fulgens 5 %, Pentstemon gentianoides 2,9 %. Ferner aus Syncotylen bei Valeriana alba 3 % und bei Centranthus macro- siphon die auffallend grosse Anzahl von 37 % syncotyler Nach- kommen 2). Sobald in einer Aussaat die Zahl der Cotylvarianten hinreichend gross ist, kann man auch unter ihnen eine Wahl treffen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass schwache Keimpflanzen eine geringere Aussicht geben auf schön ausgebildete Zwangsdrehungen, wie sie ja auch im Allgemeinen weniger zu Bildungsabweichungen geneigt sind. Sie sind somit, wenn möglich, zu verwerfen. Ebenso stehen die Hemitricotylen in Werth bei den Tricotylen bedeutend zurück. Und wenn eine Art sowohl diese als auch Syncotylen giebt, scheint die Aussicht der letzteren auf Zwangsdrehungen erheblich grösser zu sein (z. B. Scabiosa atropurpurea), ein Satz, dessen Prüfung und 1) Eine Zwangsdrehung von Dracocephalum speciosum wurde beschrieben von Ch. Morren, Bull. Acad. Roy. Belg. T. XVIII. 2) Die Mutterpflanze war syncotyl, im Hauptstamm dreizählig, in einem Seitenzweige fasciirt. Ihre Samen ergaben 99 Keimpflanzen, von denen 24 syncotyl, 13 amphicotyl, 2 tricotyl, 3 hemitricotyl und die übrigen 57 normal waren. EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. 483 theoretische Begründung ich mir erlaube den Herren Morphologen zu empfehlen. Ausser Zwangsdrehungen erhält man bei diesen Versuchen noch verschiedene andere Bildungsabweichungen. Namentlich Fascia- tionen, welche sogar häufiger sind als die Torsionen, wodurch meine Methode auch zum Aufsuchen verbänderter Stengel bei im Voraus gewählten Arten gelegentlich benutzt werden könnte. Ferner sind dreigliedrige Blattwirtel im Hauptstamm bei Tricotylen allbekannt; sie kommen bisweilen auch bei Syncotylen und nicht gerade selten auch an Seitenzweigen vor. Bei Scabiosa atropurpurea auch vier- gliedrige Hauptstämme; ebenso gespaltene Blätter (Dianthus bar- batus, Lychnis, Polygonum Fagopyrum, Collinsia heterophylla, Ana- gallis grandiflora u. s. w.). Auch zusammengewachsene Blätter und Ascidien kommen vor, wenn auch selbstverständlich seltener. Am häufigsten waren diphylle Becher an tricotylen Dianthus barbatus, bei welcher Art sie auch sonst bekannt sind, Becherbildungen an tricotylen Anagallis grandiflora, während Collinsia violacea und Viscaria coerulea Beispiele von seitlichem Zusammenwachsen der beiden Blätter eines Paares lieferten (erstere Art an einer syncotylen, letztere an einer tricotylen Pflanze). Kleine Abweichungen von der normalen Blattstellung sind gleichfalls nicht gerade selten. Es ist wichtig, hervorzuheben, dass alle diese späteren Abwei- chungen an Cotylvarianten eine offenbare genetische Beziehung zu der Spaltung resp. zu der Symphyse aufweisen, welche in den Keim- lingen bereits die Merkmale für die Auswahl lieferten. Man darf somit einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden Gruppen von Erscheinungen annehmen. Andere, mit diesen nicht zusammen- hängende Bildungsabweichungen habe ich bei Cotylvarianten zwar auch bisweilen beobachtet (z. B. bunte Blätter, durchwachsene Blüthen und Blüthenköpfchen), aber nicht häufiger als sonst. Ferner ist hervorzuheben, dass jede Art (oder doch jede käufliche Rasse) vorzugsweise immer dieselben Abweichungen entwickelt. Sowohl Zwangsdrehungen als Fasciationen treten an bestimmten Arten relativ häufig, an anderen nur selten auf. Es deutet dies darauf hin, dass die betreffenden Variationen oft bereits zu einem gewissen Grade fixirt sind. Arten, bei denen dieses am meisten der Fall, werden die Abweichungen selbstverständlich am leichtesten zeigen. Sobald es gelungen ist, eine Zwangsdrehung an irgend einer Art zu erhalten, kann man selbstverständlich versuchen, davon eine mehr oder weniger constante Rasse zu erzeugen. In diesem Falle 31* 484 EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. verliert aber der Zusammenhang zwischen der Torsion und den Cotylvariationen seinen Werth, und thut man am besten, die Nach- kommen so zahlreich wie möglich zur völligen Entfaltung zu bringen. Es ist dieses erklärlich, wenn man bedenkt, dass die Wahl der Cotylvarianten aus gekauften Samen nur dazu dient, die Aus- sicht auf Zwangsdrehungen zu vergrössern, und dass auch unter den Varianten stets nur einzelne wirkliche Zwangsdrehungen er- zeugen. In meiner tordirten Rasse von Dipsacus sylvestris sind die trico- tylen Exemplare in Bezug auf Zwangsdrehung nicht bevorzugt; ebenso wenig Nutzen hatte die Auswahl von Tricotylen bei fasciirten Rassen von Crepis biennis, Aster Tripolium, Taraxacum officinale u. a. Auch bei Celosia cristata fand ich die tricotylen Keimpflanzen in Bezug auf die Fasciation nicht besser als die normalen. Ich komme jetzt zu dem zweiten Princip meiner Methode: gute Cultur und starke Düngung. Diese gehören ja beide bekanntlich zu den wichtigsten Hilfsmitteln, um zahlreiche und schöne Bildungs- abweichungen zu erhalten. Die Samen wurden im Mai oder April in warmer Lage ausgesäet, und die Keimlinge, sobald die Samenlappen hinreichend entfaltet waren, einzeln in kleine Töpfe (etwa 9cm Höhe und Weite) aus- gepflanzt. Die dazu benutzte Erde war gute Blatterde, der auf das Liter 10g trockener und gemahlener Rinderguano und 10g ge- dämpftes Hornmehl zugesetzt war. Diese sehr starke Düngung vertrugen die Pflanzen mit Ausnahme weniger Exemplare; es kam ja darauf an, die Nährstoffe und namentlich den Stickstoff bis nahe an die Grenze des Zuträglichen hinauf zu führen. Es ist besser einige wenige Individuen zu verlieren, als die übrigen nicht so stark wie möglich anzutreiben. Meine Pflanzen wuchsen fast stets kräftig und rasch und gelangten zu sehr üppiger Entfaltung und reicher Verzweigung. Bei der weiteren Cultur werden die Töpfe in sonniger Lage unter Glas gehalten, bis sie Ende Mai oder Anfang Juni in’s Freie ge- langen. Die Bildungsabweichungen im Hauptstamm und den stär- keren Seitenzweigen sind dann bereits angelegt, oft schon grössten- theils sichtbar. Die Beete werden mit denselben Düngemitteln ge- düngt, und zwar kommen dabei 2 kg Rinderguano und | kg Horn- mehl auf je 8qm. Die so behandelten Pflanzen wachsen noch sehr bedeutend und pflegen eine reiche und frühe Samenernte zu liefern. Die bei so starker Düngung hervorgebrachten Samen liefern kräf- tigere Keimpflanzen als gekauftes Saatgut, und es sind dadurch EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. 485 in der zweiten Generation die Aussichten auf schön ausgebildete Zwangsdrehungen ganz wesentlich erhöht. Ich habe bis jetzt die folgenden Fälle von Zwangsdrehungen an Cotylvarianten erhalten: I. Zwangsdrehungen an tricotylen Individuen. A. In erster Generation. Anagallis grandiflora. Zwei hemitricotyle Exemplare gaben an einzelnen Zweigen geringe Drehungen bei spiraliger Blattstellung über eine Länge von I—2cm. Zwangsdrehung ähnlich, wie sie für Guizotia oleifera auf Seite 417 der Opera V, Taf. I, Fig. 3, beschrieben und abgebildet wurde. Collinsia bicolor. Zwangsdrehungen sind an tricotylen und hemi- tricotylen Pflanzen nicht selten. Am schönsten, wenn sie in der Basis des Hauptstammes ausgebildet sind, häufiger, aber weniger ausgedehnt, in dessen Gipfel und in den Seitenzweigen. Torsion im Hauptstamm nach dem Typus: Dipsacus, aber mit häufigen Unterbrechungen, in den Inflorescenzen nach dem Typus: Lupinus. Auch die Varietät C. bicolor alba lieferte an Cotylvarianten Zwangs- drehungen. Collinsia heterophylla. Zwei Fälle von Zwangsdrehung in den Blüthenzweigen einer tricotylen Pflanze. Bau wie bei der vorigen Art. Collinsia violacea. Aehnliche Torsionen an den Blüthenzweigen zweier hemitricotylen, dreier tricotylen und einer tetracotylen Pflanze, theilweise in sehr schöner Ausbildung. Dianthus plumarius. Ich erzog 15 tricotyle Exemplare dieser erst im zweiten Jahre reichlich blühenden Art zur Blüthe und erhielt davon fünf Blüthenstengel mit localen Zwangsdrehungen. Diese waren nach dem auf Seite 232 der Opera V, Tafel IX, Fig. 7 und 8 für Dianthus Caryophyllus abgebildeten Typus gebaut, jedoch viel schwächer entwickelt, da ich die Pflanzen im Freien ohne jede Sorge hatte überwintern lassen. Fedia scorpioides. Im Jahre 1892 erzog ich zehn tricotyle und 16 hemitricotyle Exemplare bis zur Samenreife. Von den ersteren ergaben zwei, von den letzteren sechs Pflanzen Zwangsdrehungen, theils im Hauptstamm, theils in den Zweigen. Sie waren ausgebildet nach dem Typus: Urtica, also unter Erhaltung der decussirten Blattstellung. Die tordirten Strecken waren kurz, aber auf etwa die doppelte normale Dicke angeschwollen. (Tafel I, Fig. 5). Im Jahre 1893 wiederholte ich den Versuch mit zehn tricotylen Pflanzen aus von Neuem gekauftem Saatgut und erzog daneben 486 EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. zehn normale Keimlinge aus der nämlichen Aussaat zur Controlle. Nur unter den tricotylen fand sich nach abgelaufener Blüthe eine Pflanze mit Zwangsdrehung. Scabiosa atropurpurea nana. Im Jahre 1892 erzog ich acht hemi- tricotyle und vier tricotyle Pflanzen. Von diesen gaben 6 der ersteren zusammen 8 Zweige und einen Hauptstamm mit Zwangsdrehung, während ein tricotyles Exemplar zwei derartige Aeste trug. Da die Pflanze also sehr zu Torsionen geneigt schien, habe ich im nächsten Jahre eine grössere Menge von Samen aus Erfurt bezogen und eine etwas umfangreichere Cultur angelegt. Es war die Varietät nana flore pleno in gemischten Farben. Ich erhielt auf 40g Samen 54 tricotyle, 87 tetracotyle und 9 syncotyle Keimlinge; daneben zahlreiche hemitricotyle, welche ich jedoch nicht auspflanzte. Ferner wurden zur Controlle 78 normale Keimlinge ausgepflanzt. Von den Tricotylen gingen später 20 durch einen Zufall verloren, Zwangsdrehungen im Hauptstamm erhielt ich von 8 normalen und drei tricotylen und 4 syncotylen Keimpflanzen. Also etwa 10 % der ersteren, 9 %, der zweiten und nahezu die Hälfte der syncotylen Gruppe. Die Syncotylen waren also offenbar in dieser Hinsicht be- deutend bevorzugt. Dazu kam, dass die Hauptstämme der normalen und tricotylen Keimlinge stets nur local, meist nur über kleine Strecken gedreht waren, während von den Syncotylen drei Stämme von ihrer Basis bis zur Spitze, d. h. bis zum Stiel des gipfelständigen . Köpfchens in schönster Weise gedreht waren. In dem schönsten Falle, wo die Drehung völlig ununterbrochen war, hatte der Stamm demzufolge nur eine Länge von 5 cm, bei etwa normaler Blätterzahl (Tafel I, Fig. 6, wo c der Wurzelhals und a der Anfang des end- ständigen Blüthenstieles ist; ca somit der ganze gedrehte Stamm). Genau dieselbe Bevorzugung zeigten die Syncotylen in ihren Seitenzweigen. Im Ganzen trugen die 78 normalen Keimlinge 10, die 34 tricotylen Exemplare 4 und die Syncotylen gleichfalls 4 Zweige mit localen Zwangsdrehungen. Auf je 100 Pflanzen berechnet hat man also etwa 13 resp. 12 Torsionen bei den beiden ersteren Gruppen, gegen 49 bei den Syncotylen. Bei Scabiosa atropurpurea sind somit beim Aufsuchen von Zwangs- drehungen die syncotylen Keimlinge zu wählen. Sie geben eine gute Aussicht, trotz ihrer geringen Zahl. Die Tetracotylen gaben bei etwa gleicher Anzahl keine Torsionen, die bei dieser Art so sehr häufigen hemitricotylen und tricotylen Individuen gaben deren ebenso viele wie die normalen Keimlinge. Dass Zwangsdrehungen auch bei den letzteren bei dieser Art häufiger sind als bei den anderen Arten, _ EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. 487 mag wohl darin seinen Grund haben, dass die Cotylvarianten hier so zahlreich sind, dass gewiss ein grosser Theil der normalen Samen im gekauften Saatgut von solchen abstammt. In den Gärtnereien bei Erfurt fielen mir in den Beeten von Scabiosa die dreizähligen In- dividuen sofort auf. Silene noctiflora. Im Herbste 1890 wurden Samen dieser Art in der Umgegend von Amsterdam im Freien für mich eingesammelt. Im Jahre 1891 erhielt ich hieraus unter etwa hundert Individuen noch keine Abweichungen. Im Jahre 1892 keimten zwei Samen der vorjährigen Ernte mit je drei Samenlappen; das eine Exemplar war schwach und ging bald zu Grunde, das andere entwickelte sich zu einer kräftigen Pflanze, welche im Juli an einem Seitenzweige eine schöne Zwangsdrehung nach dem Typus von Urtica und Dianthus, somit mit Erhaltung der decussirten Blattstellung, entwickelte (Tafel I, Fig. 8). Diese um- fasste neun spiralig gestellte Blätter und verursachte mehrfache Knickungen und blasige Auftreibungen des Astes, welche stellen- weise durch dünnere Internodien unterbrochen waren, ähnlich wie dieses für Agrostemma Githago auf Seite 407 der Opera V, Tafel I, Fig. 2 abgebildet worden ist. Im folgenden Jahre (1893) habe ich von dem Samen dieser Pflanze 300 bis 400 Exemplare erzogen, um zu versuchen, eine zwangsgedrehte Rasse zu bilden. Als Samenträger wählte ich dabei die Individuen aus, welche deutliche Drehungen zeigten, ohne dabei weiter auf die Cotylvarianten zu achten. Zinnia elegans. Eine hemitricotyle Pflanze lieferte im Sommer 1891 sowohl im Hauptstamm als in den Aesten neben decussirten Blättern ein- und dreiblättrige Knoten und geringe, aber deutliche Zwangsdrehungen. B. In zweiter Generation. Asperula azurea setosa. 20g gekaufter Samen lieferten etwa 3000 Keimlinge und darunter im Frühjahre 1891 sieben und bei einer Wiederholung 1892 nur vier Cotylvarianten, somit etwa 0,1—0,2 %. Ein tricotyles Exemplar von 1892 bildete eine kleine Zwangsdrehung nach dem für Galium bekannten Typus aus (Tafel I, Fig. 10); ein anderes gab in seinem Samen auf 1171 Keimlinge 21 Varianten, also 1,8%. Es waren 3 hemitricotyle, 15 tricotyle und 3 tetra- cotyle Keimlinge. Unter diesen Pflanzen, welche also im Sommer 1893 blühten, war eine, und zwar eine tricotyle, welche wiederum 488 EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. eine schöne Zwangsdrehung hervorbrachte. Diese war ganz nach demselben für die Rubiaceen bekannten und z. B. für Galium Aparine (Opera V, S. 407, Tafel II, Fig. 2) abgebildeten Typus gebaut. Als die Torsion völlig angelegt, aber noch ganz jung war, wurde leider der sie tragende Ast durch Wurmfrass verletzt; die Torsion wuchs dadurch nicht zur normalen Stärke an, sondern blieb klein. Auch gelangten die Samen dieser Pflanze nicht zur Reife. Fünfzehn, zur Controlle erzogene normale Keimlinge lieferten, trotz sehr üppiger Entwickelung, keine Torsionen. Collinsia bicolor. Im Jahre 1891 hatte ich zwei tricotyle Keim- linge, aus deren Samen ich im folgenden Jahre wiederum nur die Tricotylen erzog. Es waren vier Exemplare, deren zwei je eine Zwangsdrehung hatten. Aus ihren Samen erhielt ich im Jahre 1893 zahlreiche Tricotylen (1,7 % auf 2500 Keimlinge), einige Syn- cotylen, ein hemitricotyles und ein trisyncotyles Exemplar. Von diesen cultivirte ich nur eine tricotyle Pflanze weiter; sie bildete in ihrem Hauptstamm eine Zwangsdrehung, welche nahezu die ganze Länge des Stammes umfasste, Ueber Zwangsdrehungen bei dieser Species an Cotylvarianten in erster Generation vergleiche oben. Mercurialis annua. In meiner Aussaat von 1892 waren unter mehreren Hundert Pflanzen zwei tricotyle Keimlinge, deren einer später männlich blühte, während der andere weiblich war. Letztere Pflanze bildete ihren Hauptstamm zu einer Fasciation aus; alle übrigen Exemplare blieben normal. Die tricotyle weibliche Pflanze lieferte nur wenig Samen, welche sämmtlich normal keimten. Ich erzog daraus 14 Pflanzen; sie entwickelten sich sehr üppig und brachten mehrere schöne locale, nach dem Typus Urtica gebaute Zwangsdrehungen hervor (Tafel I, Fig. 9), welche meist 6 bis 12 spiralig gestellte Blätter umfassten. Viscaria oculata. Im Jahre 1891 erhielt ich von einer tricotylen und einer hemitricotylen Pflanze Samen, aus denen ich im nächsten Jahre zwei tricotyle Exemplare erzog. Von diesen bildete das eine eine kleine Zwangsdrehung nach dem Typus von Urtica und Dianthus. Die Blattspirale umfasste 6 Blätter (Tafel I, Fig. 7, Blattspirale 1—6), und schloss nach oben an einen dreigliedrigen Wirtel an. Der sie tragende Theil des Stengels war beträchtlich verkürzt und auf- geblasen, namentlich unter den Blättern 2 und 3. Die Pflanze lieferte nur wenig Samen, aus denen im Jahre 1893 lauter normale Individuen hervorgingen. EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. 489 II. Zwangsdrehungen an syncotylen Individuen. A. In erster Generation. Anagallis grandiflora. Zwangsdrehungen an zwei Aesten einer syncotylen Pflanze. Dreissig normale Keimlinge blieben im späteren Leben, trotz sehr reicher Verzweigung und üppiger Entwickelung, ohne Bildungsabweichungen. Aber auch an den Cotylvarianten fand ich Zwangsdrehungen nur in dem erwähnten Falle, obgleich ich davon sowohl 1892 als 1893 ein Dutzend erzog. Collinsia heterophylla, von welcher Art oben die Torsionen an einer tricotylen Pflanze erwähnt worden sind, brachte zwei ganz ähnliche Zwangsdrehungen in den Inflorescenzen einer syncotylen Pflanze. Collinsia grandiflora. Geringe Zwangsdrehung in der Inflorescenz einer syncotylen Pflanze. Scabiosa atropurpurea. Die schönen und verhältnissmässig häu- figen Zwangsdrehungen der syncotylen Individuen dieser Art wurden bereits oben angeführt. B. In zweiter Generation. Centranthus macrosiphon albus. Die syncotylen und amphicotylen Keimlinge, welche bei dieser Art in so auffallend grossen Mengen auftraten, wurden bereits oben (S. 482, Note 2) besprochen. Im Jahre 1892 hatte ich aus gekauftem Saatgut eine syncotyle Pflanze erhalten, deren Stamm bis in die Inflorescenz dreizählig blieb, und welche einen bandförmig verbreiterten Seitenzweig bildete. Von den 1. c. erwähnten Keimlingen dieser Pflanze wurden 1893 nur die syncotylen (24 Exemplare) und die amphicotylen (13 Exemplare) ausgepflanzt. Unter den amphicotylen Individuen (Tafel I, Fig. 3) waren mehrere, deren Plumula nicht aus dem Becher hervorbrechen konnte; bei anderen geschah dieses so spät und so unvollständig, dass eine Weiterentwickelung unterblieb. Bei 7 Exemplaren gelang das Her- vorbrechen, das durch einen seitlichen Spalt in dem Becherstiele stattfand (Tafel I, Fig. 4), in genügender Weise, um eine fernere, wenn auch mitunter schwache Entwickelung zu gestatten, doch ge- langten diese Exemplare zur Blüthe. Die Blattstellung im unteren Theile des Hauptstammes ist, im Anschluss an die verwachsenen Keimlappen, äusserst variabel. Von 15 darauf untersuchten Syncotylen war sie in 6 Individuen gleich anfangs normal, decussirt, in fünf anderen fing sie mit einem, in den vier letzteren mit 2—3 einblättrigen Knoten an, um erst 490 EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. darauf in die decussirte überzugehen. In dem oben erwähnten In- dividuum von 1892 war sie von unten bis oben dreizählig. Ver- bänderte Seitenzweige in dem abnormalen unteren Theile des Stam- mes waren in dieser Cultur gar nichts Seltenes. Aehnlich verhielten sich die Becherpflanzen in Bezug auf die Blattstellung im Stamme und die Verbänderung der Seitenzweige. Von Zwangsdrehungen lieferte mir diese Cultur drei Beispiele. Ich erwähne zuerst ein amphicotyles Exemplar, welches in der Mitte des schwachen Hauptstammes eine ununterbrochene Spirale von fünf Blättern trug und hier durch die Torsion zu der doppelten Dicke des normalen Stammes blasig aufgetrieben war (Tafel I, Fig. 2). Das zweite Beispiel war eine syncotyle Keimpflanze, deren Stamm, mit Ausnahme der drei untersten Internodien, völlig nach dem Typus von Dipsacus und Valeriana gedreht war (Tafel I, Fig. 1). Von den drei unteren Internodien trug das erste ein, die beiden anderen je zwei decussirte Blätter; dann folgte eine ununterbrochene, rechts ansteigende Spirale, welche sich bis hoch in die Inflorescenz fortsetzte. Der ganze Stamm mit seinen Gipfelblüthen erreichte dadurch nur eine Höhe von 20cm, während die normalen Exem- plare über 50 cm hoch wurden. Dagegen war er über einen grossen Theil seiner Länge bis zu 15 mm Diameter aufgetrieben und stark linksläufig tordirt. Die 5/,,-Stellung der Blätter war an den Riefen des Stengels deutlich zu erkennen, Das dritte Beispiel war eine syncotyle Pflanze mit drei unteren einblättrigen Knoten am Stamm, welche in der Achsel eines dieser Knoten einen Zweig mit Zwangsdrehung trug. . Collinsia bicolor, welche Art schon mehrere Male erwähnt wurde, lieferte im Jahre 1892 einige Inflorescenzzweige mit Zwangsdrehung an einer syncotylen Pflanze, von deren Eltern 1891 der eine syncotyl, der andere tricotyl gewesen waren. Da die Eltern neben einander standen und ihre Samen gemischt eingesammelt waren, lässt sich eine weitere Entscheidung zwischen beiden Variationen nicht treffen. C. In späteren Generationen. Polygonum Fagopyrum. In meiner Monographie der Zwangs- drehungen habe ich auf S. 330 einen besonderen Typus uneigentlicher Zwangsdrehungen nach einem einzelnen Zweige dieser Pflanze auf- gestellt. Es lag mir somit wesentlich daran, davon ein reiches Material zu besitzen. Ich habe nun dieses Ziel im Jahre 1893 er- reicht mit einer Rasse, welche ich schon 1887 zu anderem Zwecke zu cultiviren angefangen hatte. Ich hatte in diesem Jahre eine syncotyle EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. 491 und fünf tricotyle Keimpflanzen auf Aeckern gefunden und in einen Garten versetzt. Sie trugen nur wenige Samen, welche 1888 sämmt- lich mit zwei freien Cotylen keimten. Die dritte Generation zeigte 1889 wieder Tricotylen und Syncotylen, und zwar in hinreichender Zahl, um nur diese auszupflanzen (12 Tricotylen und 6 Syncotylen). Ebenso 1890, in welchem Jahre auch eine Becherpflanze (amphi- cotyl) auftrat. Im Jahre 1891 pflanzte ich wiederum nur die tri- cotylen und syncotylen Keimlinge aus; in den beiden folgenden Jahren aber nur tricotyle Keimpflanzen von tricotylen Müttern und daneben auch normale Keimlinge von derselben Abstammung. In der letzten oder siebenten Generation trat nun die uneigentliche Zwangsdrehung, und zwar in sehr verschiedenen Graden der Aus- bildung an zahlreichen Exemplaren auf. An zehn von den 41 In- dividuen zeigte sie sich im Hauptstamm, welcher dadurch abwärts gebogen wurde; an verschiedenen anderen Exemplaren in oft ge- ringer Ausbildung in den Seitenzweigen. III. Fasciationen. Wie bereits erwähnt wurde, sind Verbänderungen des Stengels bei den Culturen von Cotylvarianten etwas so gewöhnliches, dass sie die Zwangsdrehungen an Häufigkeit weit übertreffen. Es lohnt sich nicht, die betreffenden Beobachtungen ausführlich zu beschreiben, doch will ich hier eine kurze Uebersicht darüber geben, um zu zeigen, auf, welches Material sich mein Ausspruch stützt. Ich fange mit einer tricotylen Keimpflanze von Acer Pseudo- Platanus an, welche ich 1887 auffand, und deren Hauptstamm an- fangs dreizählig blieb, bis er im Sommer 1890 sich verbänderte. Diese Verbänderung wiederholte sich 1891, 1892, 1893, während jedesmal, sobald Spaltung eintrat, die Spaltäste bis auf den stärksten zurückgeschnitten wurden. Bei Amarantus speciosus fand ich seit 1889 Fasciationen jährlich an hemitricotylen und tricotylen Exem- plaren, 1893 auch an tetracotylen; bei dieser Art kommen auch dreistrahlige Verbänderungen vor. Antirrhinum majus gab 1892 und 1893 an einzelnen tricotylen Exemplaren Verbänderungen. Von Artemisia Absynthium erzog ich zwei hemitricotyle Pflanzen, welche beide, vom zweiten Jahre an, schöne und zahlreiche Ver- bänderungen bildeten; übrigens ist diese Erscheinung bei dieser Art nicht gerade selten. Bei Asperula azurea sind Verbänderungen an Cotylvarianten ziemlich häufig. Ich fand sie an Hemitricotylen, Tricotylen und Tetracotylen, sowohl in erster als in zweiter Generation, zusammen 492 EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. an 37 Cotylvarianten 28 verbänderte Zweige, während 15 normale sehr kräftige Controll-Pflanzen nur 4 solche Zweige trugen. Also 7,6 gegen 2,7 %. Scabiosa atropurpurea, Verbänderungen im Haupt- stamm und den Seitenzweigen bei tricotylen und tetracotylen In- dividuen. Dianthus plumarius an einer hemitricotylen Keimpflanze eine Verbänderung, welche sich im nächsten Jahre wiederholte. Collinsia heterophylla, grandiflora und violacea, Verbänderungen an tricotylen Keimpflanzen, theils häufig und sehr schön. Mercurialis annua wurde bereits im vorigen Abschnitte erwähnt. Tetracotyle Keimpflanzen gaben ferner Verbänderungen bei Scro- phularia nodosa und Collinsia violacea, syncotyle bei Anagallis grandiflora, Collinsia grandiflora, und Polygonum Fagopyrum. Erst in der zweiten tricotylen Generation erhielt ich Verbän- derungen bei Dracocephalum moldavicum und Lychnis fulgens. Zum Schlusse erlaube ich mir, darauf aufmerksam zu machen, dass die Stellung der Cotylen auf aufwärts verbänderten Stämmen noch einer eingehenden Forschung bedarf. Bei Celosia cristata stehen die beiden Samenlappen auf den schmalen Kanten des Stammes; dasselbe ist in meiner fasciirten Rasse von Crepis biennis der Fall, wo die Reihen der Seitenwurzeln eine Ermittelung gestatten. Bei tricotylen und namentlich bei tetracotylen Pflanzen scheinen aber verwickeltere Verhältnisse obzuwalten. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Centranthus macrosiphon. 2:3. Syncotyle Pflanze, deren Hauptstamm über nahezu die ganze Länge tordirt war. (August 1893. Zweite Generation.) a: Achselspross des An- fangsblattes der Spirale; b: zweite Windung; c: dritte Windung; d: Schluss der Spirale; e: dreigliedriger Wirtel oberhalb der Spirale. Fig. 2. Centranthus macrosiphon. Natürl. Grösse. Der tordirte Theil im Hauptstamm einer schwachen amphicotylen Pflanze; a b d drei der fünf Blätter der Spirale; das fünfte Blatt ist in der Zeichnung weggelassen; a’ b’ c’ d’ die Achselsprosse der vier ersten Blätter der Spirale; h der Hauptstamm oberhalb des gedrehten und aufgeblasenen Theiles. Fig. 3. Centranthus macrosiphon. Natürl. Grösse. Eine amphicotyle Keimpflanze (Becher- keimpflanze). Bei a ist die Basis der von den Cotylenstielen gebildeten Röhre angeschwollen, sie umfasst hier die Plumuia. Fig. 4. Centranthus macrosiphon. Natürl. Grösse. Aehnliche Keimpflanze. Die Plumula a ist seitlich aus dem Becherstiel hervorgebrochen. b erstes Blatt, b’ dessen Achselspross. Fig. 5. Fedia scorpioides. Natürl. Grösse. Zwangsdrehung an einem Seitenzweige einer tricotylen Pflanze (Juli 1892). a b c d die vier Blätter, welche eine ununterbrochene Linie, einen Theil einer links ansteigenden Spirale bilden; a’ b’ c’ d’ ihre Achselsprosse. Dieser Stengeltheil angeschwollen, seine Riefen in rechts ansteigender Spirale. Die Verbindung der Blätter b und c als erhabene Leiste auf dem Stengel sichtbar bei e. Fig. 6. Scabiosa atropurpurea nana. Natürl. Grösse. Hauptstamm einer syncotylen Pflanze (August 1893). a b unterer Theil des nackten Stieles des endständigen Blüthen- köpfchens, negativ geotropisch aufwärts gedreht; c Wurzelhals. Der ganze Stamm trägt seine Blätter in einer einzigen, rechts ansteigenden Windung; Riefen stark links gedreht, Eine Methode Zwangsdrehungen aufzusuchen. Fa. P. W. M. Trap impr. Hugo de Vries, Opera. EINE METHODE, ZWANGSDREHUNGEN AUFZUSUCHEN. 493 stellenweise fast horizontal; 1—11 die Achselsprosse der auf einander folgenden Blätter. Blattstellung 5:13. Fig. 7. Viscaria oculata. Natürl. Grösse. Seitenzweig einer tricotylen Pflanze (Sep- tember 1892). 1—6 die Basen resp. Achselsprosse der aufeinander folgenden Blätter der Blattspirale. Zwischen 5 und 6 läuft die Spirale, rechts ansteigend, auf der Hinterseite des Zweiges. Fig. 8. Silene noctiflora. 2:3. 1-9 die auf einander folgenden Blätter der Spirale; 2’—9’ ihre Achselsprosse; a b das oberste Blattpaar unterhalb, 10, 11 das unterste Blattpaar oberhalb der Spirale; d blasig aufgetriebener, stark tordirter Theil des Stengels. Blattspirale links ansteigend; daher zwischen 1 und 2, sowie zwischen 3 und 4 in der Figur sichtbar. Fig. 9. Mercurialis annua. 2:3. Zwangsdrehung an einem Aste einer männlichen, aus Samen eines tricotylen Exemplares gewonnenen Pflanze (September 1893). 1—8 der gedrehte Theil zwischen zwei langen, geraden Internodien; die Ziffern weisen die einzelnen Blätter der Spirale mit ihren Achselsprossen (meist 2--4 pro Blatt) an. Spirale rechts, Riefen des Stengels links ansteigend. Fig. 10. Asperula azurea setosa. Natürl. Grösse. Zwangsdrehung an einem tricotylen Exemplare. Blattstellung oberhalb der Cotylen decussirt; im tordirten Theile 5/,,. a,b,c Blättchen, welche den Anschluss der Blattspirale an das Blattpaar p q vermitteln; 1, 2, 3, 4 Achselsprosse der Blätter in der Spirale. Spirale rechts, Riefen links ansteigend. Bei d biegt sich der Stamm geotropisch aufwärts; weiter hinauf folgen normale Blattpaare. (Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft, Jahrgang 1894, Band X11, S: 25.) LES DEMI-COURBES GALTONIENNES COMME INDICE DE VARIATION DISCONTINUE. Met Plaat I. On distingue d’apres la conception de la pangénèse deux espèces de variabilité essentiellement différentes. La première est la varia- bilité fluctuante, appelée le plus souvent individuelle, mais plus exactement continue. La deuxième est la variabilité qui crée les espèces. „La variabilité fluctuante tient simplement a la modi- fication du nombre relatif des diverses espèces de pangènes, modi- fication qui peut être produite par leur multiplication et sous Pin- fluence des circonstances extérieures, le plus rapidement toutefois par sélection. La variabilité spécifique, ce processus grâce auquel la différenciation des êtres vivants, dans ses grands traits, s’est réalisée, doit être au fond rapportée au fait suivant. Les pangènes donnent en général, lors de leur division, chacun deux pangènes semblables à leur géniteur commun, mais exceptionnellement ces deux nouveaux pangènes peuvent être inégaux. Les deux formes se multipliant, la forme nouvelle tendra à exercer une certaine in- fluence sur les propriétés visibles de l’organisme”*). Le mécanisme qui produit les espèces doit donc être en réalité discontinu, et les recherches les plus récentes, spécialement celles de M. Dollo, plaident vivement en faveur de cette déduction ?). L'idée fondamentale de la théorie de la pangénèse, dont cette loi importante dérive, consiste à admettre des vecteurs matériels différents pour les diverses qualités héréditaires. Jadis cette idée a été repoussée à l'arrière-plan par d’autres théories de l’hérédité, mais depuis la publication de mon ,,Intracellulare Pangenesis” elle a été de divers côtés, et entre autres par les auteurs les plus compétents en cette matière, admise comme exacte. L'autorité aujourd’hui la moins contestée en fait de nos connaissances sur Phérédité, M. Oscar Hertwig®), désigne mes pangènes sous le nom 1) Intracellulare Pangenesis, Opera V, p. 148. Voir aussi p. 50. 2) Louis Dollo, Les lois de l'évolution. Bull. soc. belge de géologie, T. VII, 1893, p. 164. Là se trouve également cité le reste des travaux relatifs à ce sujet. 3) Oscar Hertwig, Zeit- und Streitfragen der Biologie, Heft I; voir aussi certains de ses &crits antérieurs. LES DEMI-COURBES GALTONIENNES, ETC. 495 d’idioblastes, une appellation malheureusement déjà employée en botanique dans un autre sens*). M. Weismann?) les nomme bio- phores et s’en sert pour édifier une nouvelle théorie du plasma germinatif?). Il est, dans bien des circonstances, facile de décider si un cas de variabilité donné doit se ranger dans la variabilité continue ou la variabilité spécifique. Cela est vrai surtout quand il s’agit de variations isolées qui se font jour brusquement en apparence et different franchement des caractères de l’espèce. Mais on conçoit sans peine, d’après ce qui précède, que les pangènes du caractère nouveau donnent eux mêmes naissance à une variation fluctuante, qui se mélangera souvent à celle du caractère spécifique. La distinc- tion est dans ces cas sujette à de sérieuses difficultés, et souvent elle n’a pas été établie. On peut, à mon avis, rendre le plus claire- ment compte de l’état des choses en faisant usage de la comparaison faite par M. Galton®). Soit un polyèdre reposant par une de ses faces sur un plan horizontal. En lui imprimant des secousses on pourra le faire osciller autour de sa position d'équilibre. Aussi longtemps que les oscillations ne dépassent pas une certaine mesure, le polyèdre reviendra toujours à la même position; mais du moment que la mesure est dépassée, c’est la face voisine qui devient la base, et les oscillations s’effectuent autour d’une nouvelle position d'équilibre. Les diverses faces correspondent aux différents pangènes ou aux différentes propriétés; les oscillations qui ramènent à la position d’équilibre primitive, aux variations flottant autour de la propriété type. Toute variété naissante oscille autour de deux positions d’équilibre: la propriété ancienne et la nouvelle, mais les oscillations passent insensiblement les unes aux autres. Je considère le phénomène que je propose de désigner sous le 1) On appelle idioblastes, d'après M. Sachs (Lehrbuch der Botanik, 4e édition, p. 85), des cellules très-spécialement différenciées au sein d’un tissu homogène. 2) Weismann, Das Keimplasma, 1892. La légère différence admise par l’auteur entre pangènes et biophores n’existe pas à ma conviction. Comparer les pp. 56 et 25 de ce travail à la p. 15 et à d’autres endroits de mon „Intracellulare Pangenesis.“ 3) On me permettra de rappeler ici les paroles prophétiques de M. Galton à propos de la pangénèse: „This theory is of enormous service to those who inquire into heredity.“ „It gives a key that unlocks every one of the hitherto unopened barriers to our comprehension of its nature“. Hereditary Genius 1869, p. 364. 4) Francis Galton, Hereditary Genius, p. 369. 496 LES DEMI-COURBES GALTONIENNES, ETC. nom de demi-courbes Galtoniennes comme un indice pouvant servir dans bien des cas à reconnaitre si une variation spécifique prend part à une variation fluctuante observée. Pour bien faire comprendre la signification de ce phénomène, je desire donner d’abord quelques éclaircissements au sujet des courbes Galtoniennes normales. On sait que l’anthropologiste belge Quetelet a découvert comment les variations d’un caractère isolé, quand on l’étudie chez de nom- breux individus d’une même espèce ou d’une même race, se trouvent symétriquement groupées autour d’un centre de plus grande densité *). Ce groupement suit les lois ordinaires du calcul des probabilités, et répond en conséquence à la courbe binomiale de Newton. Plus le nombre des cas considérés est grand, et plus grande est la concor- dance des observations avec ces lois générales. Dans son travail que je viens de citer, Quetelet ne donne pas seulement son principe comme applicable à l’homme et aux animaux mais encore aux plantes?). Depuis une vingtaine d’années, nos connaissances à ce sujet se sont considérablement enrichies grâce aux remarquables recherches de M. Galton et de son école®). Ces travaux relèvent de nouveau pour la plus grande partie du domaine de l’anthropologie et de la zoölogie®), mais intéressent aussi jusqu’à un certain point la botanique®). J'ai rassemblé depuis de longues années, surtout dans mes cultures de races végétales, des matériaux pour la construction de semblables courbes. La loi de Quetelet et Galton s’est à ce propos complètement vérifiée. Je commencerai par donner quelques exemples pour servir d'illustration. Oenothera Lamarckiana. J'ai mesuré en octobre 1893, sur 568 plantes d’une station voisine de Hilversum, au moment de la mâturité, le fruit le plus inférieur de la tige primaire. La longueur du fruit variait entre 15—34 mm. et était en moyenne d’environ 24 mm. Dans les deux colonnes horizontales qui suivent chaque nombre de la colonne inférieure exprime le nombre des individus, chez lesquels la longueur du fruit est égale au nombre correspondant de la colonne supérieure (voir P1., fig. 1). 1) Ad. Quetelet, Anthropométrie, 1870. 2) La Bi2092: 3) F. Galton, Inquiries into human faculties; Natural Inheritance, etc. 4) W. F. R. Weldon, Proceedings Roy. Soc. London, vol. 47, p- 445 etc. Voir aussi Wallace, Darwinism, p. 63—65. 5) Par exemple dans ses expériences sur les graines de Zathyrus odoratus. LES DEMI-COURBES GALTONIENNES, ETC. 497 Millimetres: 15 16 17 18 19 20 21 Individus: | | 5 11 17 27 37 Millimètres : 22 23 24 25 26 27 28 Individus: 62 74 83 79 51 43 32 Millimötres: 29 30 31 32 33 34 Individus: 18 13 5 5 3 | Helianthus annuus. Je déterminai, en novembre 1891, la longueur du fruit de 75 individus, en mesurant pour chacun d’eux dix fruits du capitule terminal. Ces individus provenaient des graines d’une seule plante mére de la race cultivée dans mon jardin d’expérience. Je réduis dans les colonnes suivantes les groupes primitifs a d’autres qui différent entre eux de 0,4 mm; je trouve ainsi dans les groupes qui suivent le nombre d’individus ci-dessous. Millimêtres: 6,6 7,0 7,4 7,8 8,2 8,6 Individus: l 6 6 8 18 15 Millimètres : 9,0 94 10,2 Individus: 12 6 3 Coreopsis tinctoria. Je comptai en juillet et aöut 1893 sur les 495 individus de mes cultures les fleurons extérieurs du capitule terminal primaire. Leur nombre variait de 3 à 12 et était en moyenne de 8. La distribution des individus était la suivante. Fleurons: 3 4 5 6 7 Individus: 1 0 2 13 49 Fleurons: 8 9 10 11 12 Individus: 311 76 28 12 3 Anethum graveolens. Ma culture comprenait en juillet 1893 541 exemplaires. Je comptai le nombre des rayons de l’ombelle terminale (primaire) pour chaque plante. Ce nombre variait entre 9 et 43. J'ai en conséquence dans le tableau suivant réuni les plantes examinées, comprenant de 10 à 43 rayons, en groupes différant entre eux de deux rayons. Les plantes qui en comptent 10 et 11 forment de cette manière le deuxième groupe, les plantes qui en ont 42 et 43 forment le dernier. Rayons: 9 10 12 14 16 18 20 Individus: 4 8 24 38 59 74 78 Rayons: 22 24 26 28 30 32 34 Individus : > ALOT 50 23 9 12 12 Rayons: 36 38 40 42 Individus: 5 2 1 2 32 498 LES DEMI-COURBES GALTONIENNES, ETC. Si l’on traduit ces données numériques en courbes, dans lesquelles le nombre des individus forme les ordonnées, on se convaincra sans peine qu'elles coincident d’une manière satisfaisante avec la courbe des erreurs probables. C’est ce qui a été fait par exemple dans la fig. 1, PL, où la ligne ponctuée représente la courbe de la probabilité des erreurs. J'ai dans le cours de ces recherches observé de temps en temps, et cela n’était même pas bien rare, que la variation n’avait lieu que d’un seul côté. Tous les nombres sont dans ce cas situés d’un même côté du sommet; il n’y a pas trace de variation au-delà de ce sommet. Des courbes de cette nature méritent donc bien le nom de ,,demi- courbes Galtoniennes’’. Je donnerai d’abord, à titre de preuve, quelques exemples du fait. Caltha palustris. Dans une station voisine de Hilversum étaient ouvertes, un jour du mois de mai 1886, 416 fleurs. Je distribuai ces fleurs d’après le nombre de leurs pétales, qui variait de 5 à 8. Je calculai ensuite combien de fleurs, rapportées à cent, comprenait chacun des groupes. Fleurs à 5 6 7 8 petales. Nombre 129%, PA es 6 % 1 Il n’y avait pas de fleurs à moins de cinq pétales (voir P1., fig. 2 A). Acer Pseudo-Platanus. Les fruits sont normalement biloculaires; il n’est pas rare cependant d'en rencontrer à trois et à quatre loges. Je n’en trouvai pas d’uniloculaires. Je divisai 70 grappes en trois groupes; celles du premier groupe n’avaient que le nombre normal des loges dans les fruits; les grappes du deuxième groupe renfermaient chacun un ou plusieurs fruits à trois loges; celles du troisième en avaient de quadriloculaires. Les résultats sont réunis dans les deux colonnes suivantes: Nombre maximum de loges par grappe: 2 3 4 Nombre de grappes: 50 17 3 Weigelia amabilis (fig. 2B). Les 1167 fleurs, provenant de trois arbustes du Jardin botanique, furent classées, le 6 juin 1890, en groupes d’après le nombre des pétales, variant de 3 à 5. Ces individus ne possédaient pas de fleurs à corolle à six divisions. Les groupes renfermaient Divisions de la corolle 3 4 5 Nombre de fleurs 11 196 888 Potentilla anserina. Les deux parterres de ma culture provenaient, en 1893, des stolons d’un seul individu. Le nombre des pétales LES DEMI-COURBES GALTONIENNES, ETC. 499 variait cependant!), savoir entre 3 et 5; ce dernier nombre est normal pour l’espece. Je ne trouvai jamais, ni dans cette culture ni dans les cultures antérieures, des fleurs à plus de cinq pétales. Je pris note, de mai à septembre, du nombre des pétales. Voici ce que je trouvai: Fleurs à 3 4 5 pétales, du premier parterre 6 537 1819 du deuxième parterre 2 425 4308. En tout il y eut donc 4097 fleurs examinées. On peut même sans dénombrement minutieux se convaincre que le phénomène des variations unilatérales est assez répandu. On cherchera p. ex. vainement dans le race de trèfle quadrifoliolé (Trifolium pratense) que je cultive des feuilles à une ou deux folioles. Il en est de même dans beaucoup d’autres cas. Les exemples cités tiennent soit à une augmentation, soit à une diminution du nombre normal d’organes. Il peut arriver évidemment que les deux variations intéressent en même temps la même propriété de certaine espèce. C'est ainsi que le Potentilla Tormentilla varie d’une part avec des fleurs à trois pétales, d’autre part avec des fleurs qui en présentent cinq ou davantage. La courbe est alors asymétrique d'habitude, car les deux variations sont indépendantes l’une de l’autre. Je trouvai p. ex. pour les sépales du Rubus caesius d’une station près de Zandvoort: Nombre de sépales 4 5 6 N 8 Nombre de fleurs 53 937 9 0 I J'avais examiné en tout 1000 fleurs. Il va de soi que la nature des variations spéciales que l’on voit apparaître dans chacune de ces observations devra être déterminée dans chaque cas particulier. On dispose pour y parvenir d’une voie sûre, mais qui réclame le plus souvent une série d’années de recher- ches; c’est celle de la sélection et de l’accumulation. Il y a cependant des cas où une demi-courbe Galtonienne prend évidemment naissance par le fait d’une variation spéciale nouvelle, parce qu’elle ne peut être raisonnablement considérée comme ex- primant la variation d’un caractère normal de l’espèce. Je donnerai encore pour terminer un exemple de cette nature. Il s’agit de capitules de Trifolium repens à axe prolongé au-delà de l’inflorescence. 1) La variation fluctuante ne peut pour cette raison porter chez les végétaux le nom de variation individuelle qu’on lui donne génerale- ment en anthropologie. Je préfère donc l'appeler continue. 32° 500 LES DEMI-COURBES GALTONIENNES, ETC. Je cultive sous le nom de perumbellatum une race de cette espece qui présente assez fréquemment ce phénomène. L’axe s’est allongé au-dessus du capitule et porte ici, le plus souvent à des distances considérables, de 1 à 10 fleurs. J'avais dans lété de 1892 un parterre, issu des stolons d’une seule plante mère. Je partageai, au mois de juillet, les capitules provenant de ce parterre, au nombre de 630, en différents groupes. 325 capitules n'étaient pas allongés. Dans les colonnes suivantes les nombres inférieurs expriment combien de capitules portaient sur leur axe allongé le nombre de fleurs exprimé par le nombre supérieur correspondant. Nombre de fleurs 0 l 2 3 4 5 Nombre de capitules 325 83 66 51 36 36 Nombre de fleurs 6 7 8 9 10 Nombre de capitules 18 7 6 I l Les nombres suivent de nouveau la loi de Quetelet et Galton, mais d’un seul côté. Je crois avoir suffisamment démontré, par ces exemples choisis parmi beaucoup d’autres, l'existence des ,,demi-courbes Galtoniennes.” J'arrive maintenant à la deuxième partie de mon travail. Il s’agit à présent de démontrer que les demi-courbes Galtoniennes ne doivent pas être considérées comme l'expression d’un caractère spécifique qui varie d’une manière fluctuante, mais comme indice d’une variation par saut brusque variant elle-même d’une manière continue. Cette démonstration repose sur le principe que l’on peut réussir à transformer la variation unilatérale en une variation symétrique. Il faut alors que le sommet de la nouvelle courbe ne coïncide pas avec le caractère normal de l'espèce, mais dépende du nouveau caractère de la variété. Il est ciair que cette démonstration doit se faire par voie expérimentale et par sélection. Elle exigera donc en général un certain nombre d’années. Je me réserve de développer et d'établir ailleurs plus en detail la règle que je viens de formuler; je me contenterai pour le moment de donner, comme preuve, une expérience faite sur le Ranunculus bulbosus. Des individus de cette espèce commune chez nous variaient, en une station voisine de Hilversum, quant au nombre des pétales, et toujours unilatéralement. Des fleurs à plus de cinq pétales ne sont nullement rares; je n’en trouvai pas qui en eussent quatre ou un plus petit nombre. LES DEMI-COURBES GALTONIENNES, ETC. 501 Afin de construire la courbe correspondante, je comptai en 1886 en 1887 les corolles d’un certain nombre de fleurs, en examinant chaque fois toutes les fleurs ouvertes le même jour. Voici les résul- tats de ce dénombrement Nombre de pétales 5 6 7 8 9 10 11 Fleurs 1886 312 17 4 2 2 0 0 Fleurs 1887 345 25 fi 0 2 0 2 La demi-courbe Galtonienne est clairement indiquée dans les deux séries de nombres (voir fig. 3). La proportion des fleurs a C 7 ou davantage ne s'élève qu’à 3 % environ. Il est évident que dans aucun des individus le sommet de la courbe ne coincidait avec C 7 ou un nombre plus élevé; et il est extrêmement improbable que pour un d’entre eux il tombat sur C 6. Je suis cependant persuadé qu’en cherchant plus assidüment on finirait par trouver un pareil exem- plaire, dont on pourrait se servir pour la sélection. Comme je n’ai pas eu un pareil point de départ a ma disposition, j'ai transporté pendant l’automne de 1887 quelques plantes dans mon jardin de culture, oú elles ont fleuri les deux années suivantes. La courbe des fleurs était de nouveau unilatérale, mais déja plus aplatie par l’effet d’une nourriture plus abondante. Je trouvai Nombre de pétales 5 6 7 8 9 10 Nombre de fleurs ide! 55 23 1 2 2 Je procédai maintenant à la sélection de telle manière que le choix tombât toujours sur des graines provenant de fleurs à plus de cinq pétales. Comme cette espèce, à condition que Pon sème suffisamment tôt, murit déjà ses graines dans le courant de la première année, il ne faut qu’une année pour le développement de chaque génération. Je récoltai les premières graines, dans lété de 1888, sur les individus dont je viens de parler; je me trouvai donc, les deux années suivantes, en possession de la deuxième et de la troisième génération. Différentes circonstances m’empéchérent de faire avant la qua- trième année (1891) un examen détaillé des résultats de mes cultures. Il y fut procédé de la manière suivante. Je notai d’abord, dix jours de suite, le nombre des pétales de toutes les fleurs à mesure de leur épanouissement. Pétales: 5 6 7 8 9 10 Fleurs: 45 24 28 17 8 4 Pétales: 11 12 13 Fleurs: 0 ] I 502 LES DEMI-COURBES GALTONIENNES, ETC. On obtient donc encore une demi-courbe, mais déjà considérable- ment aplatie par suite d’une sélection de plusieurs années (Pl., fig. 4A). Il s’agissait maintenant de faire un nouveau choix. Tous les individus qui n’avaient pas de fleurs à neuf pétales ou davantage furent sacrifiés (ou privés de toutes leurs fleurs et boutons floraux). Il resta treize exemplaires, qui durent faire fonction de reproducteurs. Douze de ceux-ci ne différaient pas beaucoup les uns des autres; mais un d’entre eux était remarquablement plus riche en fleurs à pétales nombreux. Les fleurs des douze premiers individus, examinées dans les derniers jours d'août, donnèrent les nombres suivants (PI., fig. 4B). Perales: 5 6 7 8 9," 0" TE PER Bleutss "Sig oe DE ee ae 9 3 Ze La transformation d’une demi-courbe en une courbe symétrique était donc effectuée, et la démonstration demandée fournie par 1a méme. La meilleure plante citée plus haut fut examinée a part, et donna une courbe dont le sommet est situé encore plus loin du caractére de l’espéce (PL, fig. 4C): Petalee- „9, On Taner KOT SR ee ee ae Bleie Ot De 717 Ae 5 6 6 4 2 Le sommet de la nouvelle courbe est donc situé soit sur C 8 soit sur C 11—12. Il s’agit donc de savoir si ce sommet continuerait à se déplacer de la même manière par sélection ultérieure ou bien s’il resterait provisoirement stationnaire. Il faudrait dans le dernier cas déterminer exactement sa position. Pour résoudre ces diverses questions, j’ai fait l’année suivante une culture sur grande échelle, à l’aide des graines des treize plantes citées ci-dessus. J’obtins 372 plantes en fleurs, dont plus d’un tiers (139 exemplaires) provenaient du meilleur reproducteur examiné séparément. Ces plantes furent toutes numérotées, et durant lété tout entier je pris,note pour chacune d’entre elles du nombre des pétales de chaque fleur. J’obtins ainsi une série de nombres, qui permirent de déterminer facilement la position du sommet de la courbe en question. Le nombre total des fleurs notées était de 5559; la courbe obtenue était comme suit: LES DEMI-COURBES GALTONIENNES, ETC. 503 Pétales: 5 6 7 8 2. 110. MER NRA EEE KR Fleurs: 449 574 764 855 968 814 591 316 315 37 Petales: 15 16—31 Fleurs: 22 20. Tous les descendants présentent donc une courbe symétrique ce qui dans la génération précédente n’était le cas que pour les re- producteurs choisis. Le sommet de la courbe est en ce moment situé sur C 9. Mais il va de soi que les divers individus, considérés isolément, présentent encore des courbes très-différentes. J'en trouvai qui donnèrent des courbes unilatérales (sommet C 5) et quelques-unes à sommet plus élevé qu’en 1892. Mais le nombre de ces derniers était insignifiant, comme le montre le tableau suivant. Le nombre des plantes dont le sommet était situé sur © ea etait, de: 27 GR Gets 155,21: 00 Br amie dr pil Ernie: : 01 CAN. 18 CREER, 36 Co. 20 Cite A. 6 © he ts. dl Les descendants des meilleurs reproducteurs prennent part à ces nombres dans la même proportion à peu près que les autres descen- dants. Le nombre de fleurs des autres plantes était trop petit pour permettre une détermination exacte. Le progrès relativement à la génération précédente, très prononcé dans l’ensemble des individus, était remarquablement insignifiant pour ce qui concerne l’apparition de cas extrêmes. Le meilleur re- producteur de 1891 présentait son sommet sur C 11—C 12; en 1892 il n’y avait que 6 exemplaires (1,6 %) dont le sommet se trouvät sur C12. L’individu unique qui montrait un sommet plus élevé ne représentait, à cause du petit nombre des fleurs (14), qu’un cas assez incertain. Les nombres donnés par cet individu étaient les suivants: Pétales: 9 10 1] 12 13 14 Fleurs: l 2 2 l 5 3 Parmi les plantes dont le sommet était situé sur C 12, je cite les nombres donnés par l’individu dont les fleurs étaient les plus nom- breuses (37), et qui représentait donc le cas le plus certain. 504 LES DEMI-COURBES GALTONIENNES, ETC. Pétales: 10 li 12 15 14 Fleurs: 2 11 15 ft ] Je déduis de ma série entière d'expériences que la sélection con- duit en quelques générations à une position nouvelle du sommet de la courbe, qui peut toutefois être dépassée d’une manière relative- ment insignifiante par culture et sélection ultérieures. Le nouveau sommet de la courbe de la race entière donne main- tenant la position d’équilibre autour de laquelle varient les divers individus, ainsi que les diverses fleurs dun même individu. La totalité des fleurs de 1892 donna C 9 comme position de ce sommet. C9 donne-t-il réellement le nombre moyen des pétales dans la variété nouvelle? Pour résoudre cette question, je partage les 372 plantes de mon tableau en deux groupes. Celles du premier (A) germèrent tôt et opérèrent leur croissance dans des conditions un peu défavorables; celles du deuxième (B) germèrent plus tard, se développèrent plus rapidement et dans de meilleures conditions. Ces dernières avaient donc plus de chance de présenter à un degré plus parfait la propriété de la variété nouvelle. J’obtins les deux séries suivantes: Pétales: 5 6 y 8 9 10 i] Fleurs A: 409 532 638 690 764 599 414 Fleurs B: 40 52, 6. 11165 204. EE lade Pétales: 12 13 14 15 16—31 —— Heu AS 0,212 80 29 18 20 Fleurs B: 104 35 8 4 0 Il résulte de ce tableau que, si l’on cultive dans de bonnes con- ditions, le sommet de la courbe est situé sur C 101), ce que des sélec- tions ultérieures ne manqueront pas de confirmer. Il faut donc considérer la variété nouvelle comme un cas de dedoublement. Le dédoublement toutefois peut être plus ou moins complet et est soumis en conséquence à la loi de Quetelet et Galton, comme les courbes précédentes le montrent à l'évidence. Ses limites extrêmes sont 0 et ; mais si le dédoublement = 0, le nombre des pétales = 5. C’est pourquoi je n'ai jamais trouvé dans mes cultures de fleurs a moins de cinq pétales, tandis que d’autre part, dans quelques cas tres-rares, ce nombre s’est élevé jusqu’à 31. 1) La médiane de Galton n'est pas, il est vrai, exactement située sur C 10. Je ne puis toutefois m'occuper plus en détail de ce point dans cette communication très-succincte. C5 92% 5% 1% 1% 1% Hugo de Vries, Opera. Fa. P. W. M. Trap impr. LES DEMI-COURBES GALTONIENNES, ETC. 505 Resumons brievement les résultats de ces recherches: 1. La demi-courbe Galtonienne observée dans la station naturelle se reproduisit d’abord dans ma culture. 2. Elle se transforma par selection en une courbe symétrique pour quelques rares individus d’abord, puis pour la moyenne de tous les individus (372). 3. Le déplacement du sommet dans les individus extrêmes ne tarda pas à s’arrêter sensiblement; une nouvelle position d’équilibre a donc été atteinte. 4. Autour de cette nouvelle position d’équilibre oscillent les différents individus et les différentes fleurs d'une même plante. 5. La nouvelle position d'équilibre s’est trouvée correspondre à C 10. Il y a donc eu dédoublement du nombre primitif des pétales. 6. La demi-courbe Galtonienne observée dans la station naturelle ne résultait donc pas de la variation fluctuante du nombre primitif des pétales, mais indiquait l'existence d’une variation spontanée brusque qui s’est montrée être un dédoublement, variable lui-même d’une manière continue très prononcée. 7. La variation observée, continue (individuelle) en apparence, tient donc en réalité à une variation discontinue, à l’apparition d’une propriété d’abord presque latente. Explication des figures. Fig. 1. Oenothera Lamarckiana. Courbe de la longueur du fruit pour 568 plantes. La courbe ponctuée est la courbe de la loi de Quetelet et Galton. Fig. 2. Demi-courbes Galtoniennes: A. Caltha palustris. Courbe du nombre des pétales pour 416 fleurs. B. Weigelia amabilis. Courbe des divisions de la corolle pour 1145 fleurs. Fig. 3. Ranunculus bulbosus. Demi-courbe Galtonienne des pétales dans la station primitive. Fig. 4. Ranunculus bulbosus. Culture de 1891. A. Demi-courbe Galtonienne des fleurs de toutes les plantes. B. Courbe Galtonienne symétrique pour les douze reproducteurs choisis. C. Courbe Galtonienne symétrique pour le meilleur reproducteur (le treizième. — Cette courbe est agrandie cinq fois relativement aux deux autres). (Archives Néerlandaises, T. XXVIII.) OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. (Met Plaat I- III.) (Avec un resume en langue frangaise.) Boven heb ik een reeks van cultuurproeven en waarnemingen bijeengebracht, om de erfelijkheid der fasciatiën te bewijzen. Thans wensch ik eene overeenkomstige serie van feiten mede te deelen, om hetzelfde bewijs voor de synfisen*) te leveren. De beschouwingen over de methode van bewijsvoering, toen door mij op den voorgrond geplaatst, blijven ook thans dezelfde, zoodat ik ze niet wensch te herhalen. Daarentegen heb ik mij, door den aard van het onderwerp, genoodzaakt gezien, de rangschikking mijner argumenten te wijzigen. Alle fasciatiën vormen duidelijk een goed omschreven groep van afwijkingen, die m. i. overal door een zelfde erfelijke eigenschap bepaald worden. Ik kon daarom mijne argumenten rangschikken naar hun bewijskracht, de gefas- cieerde rassen vooropstellend, daarna de rassen met accessorische fasciatiën behandelend, en eindigend met de feiten, die slechts op waarneming, niet op cultuurproeven berusten. Over de erfelijkheid der synfisen zou ik mijne argumenten eveneens in deze drie groepen kunnen indeelen. Maar de veelvormigheid van het verschijnsel heeft mij doen besluiten, dit niet te doen. Het komt er mij op aan, van verschillende gevallen van synfise afzonderlijk de erfelijkheid te bewijzen, daar vooralsnog niet beslist kan worden, in hoeverre deze gevallen door afzonderlijke erfelijke eigenschappen, dus door afzonderlijke soorten van pangenen, be- heerscht worden. Ik stel daarom, als hoofdargument (Afdeeling I.), twee veeljarige en goed gefixeerde synfitische rassen op den voorgrond, doch verdeel mijn stof verder naar den aard der aaneengroeiingen. Ik verdeel daartoe de synfisen in Connatiën en Adnatiën, die ook wel Cohaesien en Adhaesiën genoemd worden, welke termen ik 1) Synfise, symphyse of sinfise zijn schrijfwijzen, waaruit men kiezen kan. Ik voor mij geef de voorkeur aan de eerste en zal ter afwisseling ook de termen aanééngroeiing en inéénsmelting gebruiken. Zoover mij bekend, zijn de hier te behandelen synfisen steeds con- genitaal, dat is, reeds van den eersten aanleg af aanwezig. OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 507 echter liever voor hunne physische beteekenis zou gereserveerd zien. Connatiën zijn aaneengroeiingen van organen van gelijke orde, b. v. van twee bladeren of twee stralen van een scherm; adnatiën zijn ineensmeltingen van organen van ongelijke orde, b. v. van een zijtak aan zijn draagtak. Elk geval van synfise schijnt in allerlei graden voor te kunnen komen; het zou van zeer groot gewicht zijn om na te gaan, in hoeverre en op welke wijze hierop de grondwet der continue !) variabiliteit, de zoogenoemde wet van Quetelet en Galton, van toepassing is. Daartoe is echter een zeer uitgebreid materiaal noodig, dat wel zelden zonder cultuur zal bijeengebracht kunnen worden. Ik behandel eerst, als afdeeling II, de adnatiën en daarna de connatiën. Onder de laatste wensch ik achtereen volgens te be- spreken: III. De connatie der stralen in schermen; IV. De syncarpie der Aggregaten; V. De connatie der bladschijven; VI. De syncotylen en amphicotylen; Vil. De monophylle bladbekers; VIII. De diphylle bladbekers; IX. Het samengaan van syncotylie met bladbekers. In elk dezer afdeelingen meen ik een voldoend aantal feiten bijeengebracht te hebben, om de erfelijkheid van het verschijnsel te bewijzen. En hieruit vertrouw ik de algemeene conclusie te mogen trekken, dat evenals fasciatie en klemdraai, ook de synfisen in het algemeen erfelijk zijn. De te behandelen synfitische rassen zijn: a) Hypochoeris glabra adhaerens (Plaat I, Fig. 1—10). b) Helianthus annuus syncotyleus (Plaat IT). J Synfitische rassen. Hypochoeris glabra adhaerens. Van deze kleine en gemakkelijk te kweeken eenjarige plant kweek ik sinds 1888 een ras, dat telken jare en in steeds toenemende mate het verschijnsel der synfise ver- toont. Over de erfelijkheid van deze afwijking kan niet de minste twijfel bestaan. Dit wordt terstond duidelijk, zoo men weet, dat ik 1) Zie boven, blz. 494. 508 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. thans reeds de zevende generatie gekweekt heb en dat in deze het aantal individuen met de afwijking reeds tot bijna twee derden van het geheele aantal, n. 1. tot 64 %, gestegen is. Ik heb dan ook in den loop der jaren een zeer aanzienlijk aantal synfitische takken waargenomen en verzameld, zoodat ik een zeer volledig overzicht van de verschillende graden daarvan kan ont- werpen. Zulk een overzicht heb ik op Plaat I in Fig. 1-10 samen- gesteld, naar materiaal, dat in de laatste generatie, in 1894, ge- groeid is. De synfise bestaat daarin, dat de bovenste zijtak van een bloei- stengel aan dezen vastgroeit. Het is een zeer fraai voorbeeld van Adnatie of adhaesie van een zijtak aan zijn draagtak, eene afwijking, die trouwens juist in de familie der Composieten volstrekt niet zeldzaam is. Men kan de aanééngroeiing steeds gemakkelijk als zoodanig herkennen aan de gleuf, die beiderzijds op de grens der synfitische organen loopt. Deze gleuf naar omlaag vervolgende, bespeurt men, dat zij steeds plotseling eindigt, en wel op de hoogte van een schut- blad, dat zóó geplaatst is, dat de eene der aanééngegroeide assen blijkt in zijn oksel te staan. De verbinding van okseltak en draagtak strekt zich nu eens minder ver, dan weer verder uit. Dit is in de fig. 1-7 voorgesteld. In fig. 1 is het verbondene deel kleiner dan het vrije, in fig. 2 is omgekeerd het vrije deel kleiner. Alle graden in deze verhouding zijn te vinden, doch het is niet de moeite waard, ze af te beelden. Daar de okseltak in den regel wat langer is, dan het overeenkomstig deel van de hoofdas, zoo steekt het bloemhoofdje van den eersten in fig. 1-3 eenigzins boven dat van de hooidas uit. Het is daaren- boven kleiner en jonger, d. w. zeggen, het bloeit later. Wordt de aanééngroeiing volkomener, dan brengt zij beide hoofden op dezelfde hoogte, naast elkander (Fig. 4), en in nog hooger graad smelten ook deze ineen zooals in fig. 5 en 6, waar het verschil in bloeitijd ze nog het best laat onderscheiden, daar men in het eindhoofd de lint- bloemen ziet, in het zijhoofd nog niet. In fig. 7 eindelijk is een geval voorgesteld, waarin alle verschillen nagenoeg verdwenen zijn, zoodat men op het eerste gezicht meenen zou een enkelvoudig, doch verbreed en afgeplat hoofdje vóor zich te hebben. De beide gleuven op den steel, die tot aan de bovenste bractee loopen, doen echter den waren aard van het voorwerp zien. Als de hoofdjes uitgebloeid zijn en vrucht zetten, worden zij veel grooter, hun stelen dikker. In die mate wordt ook het verschijnsel OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 509 der aanééngroeiing fraaier en duidelijker. Ik heb daarom in de figuren 8-10 eenige synfisen met rijpe vruchten voorgesteld. Het feit, dat de okseltak langer pleegt te zijn, dan het overeen- komstige deel der hoofdas, heeft op den bouw der synfisen dikwijls een grooten invloed. In de eerste plaats steekt de zijtak soms ver boven het andere hoofd uit; in fig. 9 omstreeks 3 cm, in andere gevallen meer, soms tot omstreeks 7 cm. In de tweede plaats komt zeer dikwijls het synfitische hoofd zijdelings van zijn steel te liggen, waarbij dan steeds de zijtak de hoogste plaats inneemt, zooals in fig. 8 en fig. 10. Niet zelden gaat dit met eigenaardige misvormingen, met talrijke indeukingen in den hollen steel, en soms zelfs met verscheuring gepaard. In de derde plaats kan het verschil in lengte- groei der beide aaneengegroeide deelen eene kromming ten gevolge hebben, waarbij natuurlijk de zijtak, die zich het sterkst verlengt, de convexe zijde inneemt. Zoo b. v. in fig. 3 en 6 in zwakke mate, in vele andere gevallen ín hoogeren graad. Zulke krommingen zijn zeer algemeen, ofschoon ik bij de keuze der voorwerpen voor de figuren ze natuurlijk zooveel mogelijk vermeden heb. Nooit vertoonde eene plant in mijne culturen aan alle stengels synfisen. Integendeel, op de 15-25 stengels, die op een plant in den regel uit de roset opstijgen, zijn het er meestal slechts één of twee, zelden drie, die deze afwijking voortbrengen. En aan de zijtakken der rosetstengels heb ik haar in ’t geheel nog niet gezien. Om nu de vraag te beantwoorden, welke stengels de synfisen dragen, moet men nauwkeurig met den bouw der roset bekend zijn. Deze is een samengestelde. De hoofdas der plant, de rechtstreeksche voortzetting der plumula, die wij de primaire as zullen noemen, draagt een zeker aantal wortelbladeren en eindigt dan in een niet of weinig vertakten, meest niet zeer krachtigen (primairen) bloem- steel. Uit de oksels der wortelbladeren komen de secundaire bloem- stelen; zij zijn krachtiger dan de primaire en maken aan hun voet in den regel een secundaire roset van bladeren. Uit de oksels van deze komen dan de tertiaire bloemstelen, die op dezelfde wijze tertiaire rosetten kunnen maken. Vertakkingen van hoogere orde, zoo zij voorkomen, geschieden op dezelfde wijze. Het zijn nu in het algemeen zoowel de secundaire als de tertiaire assen, die de synfisen voortbrengen. Zoo ten minste in het wild, en in de eerste jaren mijner cultuur. Eerst in de zesde generatie, in 1893, dus na zesmalige selectie kwamen er eenige exemplaren voor den dag, die reeds aan de primaire 510 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. as een synfise droegen. En merkwaardiger wijze vertoonde zich deze vooruitgang terstond in een vijftal planten. In het volgend jaar heeft zich dit verschijnsel herhaald, doch slechts aan twee indi- viduen. Zulk een overgang der afwijking van de secundaire op de pri- maire as, tengevolge van langdurige selectie, heb ik ook in andere culturen waargenomen. Zoo in 1892 in mijne cultuur van gefas- cieerde paardebloemen (Taraxacum officinale) en in 1893 in die van Thrincia hirta met verbreede bloemstelen*). Bij de bespreking van die gevallen heb ik er op gewezen, dat zij als voorbeelden moeten worden beschouwd van den bekenden regel van Darwin omtrent het vroegtijdiger optreden van variatiën tengevolge der selectie. Wat het aantal synfisen per individu betreft, zoo bedroeg dit aanvankelijk slechts ééne. Eerst in de vierde generatie (1891) trof ik twee planten aan, die elk twee synfisen droegen. Even zoo in de vijfde generatie. Eerst in de zevende generatie (1894) vond ik planten, die elk drie takken met adnatie droegen. Hun aantal was echter nog klein, evenzoo waren de individuen met twee synfisen minder talrijk dan die met eene. Ik telde op 31 Juli Planten met I 2 5 synfisen Aantal Ex: LA PET 2 Som 21 Ex. De medegedeelde cijfers hebben natuurlijk slechts betrekking op mijne proef. Ik twijfel niet, of ik had den waargenomen voor- uitgang in alle opzichten kunnen versnellen, zoo ik jaarlijks, in plaats van gemiddeld 100 exemplaren, er eenige duizenden gekweekt had. Doch men is bij zulke proeven natuurlijk beperkt, zoowel in tijd als in plaatsruimte. Er blijft mij thans nog over, het een en ander omtrent den gang mijner cultuur in de jaren 1888-1894 mede te deelen. Uitgangspunt vormden eenige akkers aan den Raaiweg onder Loosdrecht, op de grenzen van het Gooi, waarin de Hypochoeris glabra welig tierde. Ik vond hier in Juli 1888 een zestal exemplaren met synfise en plantte daarvan enkele in mijn tuin over, om er zaad van te winnen. Daarbij droeg ik zorg, het zaad der synfitische en dat der overige hoofden afzonderlijk te bewaren. In het volgende jaar zaaide ik beide afzonderlijk, en toen op beide bedden goede erven bleken te zijn, bestemde ik die uit het ı) Over de erfelijkheid der fasciatiën, zie dezen band der Opera, blz. 450 en 453. OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 511 zaad der synfitische hoofden voor de voortzetting van het ras. Dezelfde voorzorg heb ik sedert telken jare genomen; slechts zaad van synfitische hoofden dienden voor de cultuur; het andere zaad derzelfde planten diende als reserve of voor bijproeven; van de atavisten werd geen zaad bewaard. Slechts in 1893 (en in 1894) heb ik van de erven het zaad der normale en der afwijkende hoofden dooreen verzameld. Wat de bestuiving betreft, zoo is onze plant natuurlijk onge- schikt voor kunstmatige bevruchting in het groot. Ik heb echter zooveel mogelijk de atavisten gerooid of van hun bloemstengels beroofd, vóór de erven gingen bloeien, opdat deze slechts onderling zouden kunnen kruisen. Vooral in de latere jaren, toen het aantal erven grooter was en er dus enkele reeds vroeg kenbaar waren, in een aantal, dat voor de zaadoogst voldoende was, kon op deze wijze de bestuiving vrij zuiver gehouden worden. Doch dit bleek voor den vooruitgang van het ras niet van groote beteekenis; zelf- bestuiving schijnt ook híer het voornaamste resultaat van het insecten-bezoek te zijn. De jaarlijksche omvang van mijne cultuur wisselde naar ver- schillende omstandigheden tusschen omstreeks 1 en 2 Q Meter. Het aantal der individuen, dat bloemstengels voortbracht, bedroeg meest 65-70, in 1890 had ik ruim 150 planten. Het komt mij voor van belang te zijn er op te wijzen, dat op zoo kleine schaal toch in den loop der jaren een voldoende vooruitgang door selectie kan ver- kregen worden. Ik begon in 1889 met 9 % en bereikte in 1894 reeds 64 % erven. Ten slotte wil ik nog mededeelen, dat de oogst van het zaad veel vereenvoudigd is, sedert ik gebruik maak van pergamyn-zakjes, waarin de vruchtdragende stengels gebonden worden vóór de eerste vruchten rijpen, zoodat geen zaden kunnen wegwaaien. Is al het zaad rijp, dan worden de stengels afgesneden en het zaad in het zakje naar het laboratorium gebracht. Steeds wordt zóó het zaad van elken zaaddrager afzonderlijk geoogst. f Helianthus annuus syncotyleus. Over dit ras heb ik boven op blz. 456 reeds een korte mededeeling gedaan naar aanleiding van de daarin voorkomende erfelijke fasciatiën. Ik wensch thans eene beschrijving van het ontstaan van dit ras en van zijne voornaamste eigenschappen te geven. Het is vooral daarom de aandacht waard, omdat het bijna terstond zich met een hoogen graad van erfelijkheid vertoond heeft, iets wat bij cotyl- variatiën in het algemeen zeer zeldzaam is, daar verreweg de meeste 512 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. slechts in een reeks van jaren en met veel moeite tot een hoogte van eenige percenten gebracht worden !). In het voorjaar van 1887 zaaide ik in mijn tuin te Hilversum zaad van Helianthus annuus, dat in den Hortus Botanicus te Amster- dam was overgeschoten en uit een mengsel van zaden bestond, door den ruilhandel uit verschillende botanische tuinen ontvangen. Er kiemden ruim 500 zaden. Daaronder bespeurde ik er 18, wier zaadlobben eenerzijds min of meer aanééngegroeid waren. Wilde men hieruit een percent-cijfer berekenen (3,6 %), zoo zou dit volstrekt geen waarde hebben, daar het zaad, zooals gezegd is, een mengsel van zeer verschillende afkomst was. Behalve deze 18 werden alle kiemplanten gerooid of van hun plumula beroofd, zoodat zij niet konden bloeien; onder de 18 over- blijvende werd kruising door insecten vrijgelaten. Onder deze waren er zes, wier zaadlobben tot aan hun top aaneengegroeid waren en dus een enkelvoudig bladorgaan schenen te vormen, zooals op Plaat II in Fig. 7 en 8 is voorgesteld. De overige hadden een min of meer onvolkomen synfise, zooals die in de Figuren 2-6. Ik liet aan deze planten alleen het eindhoofd bloeien en ontdeed ze daartoe gedurende den zomer zoo vroeg mogelijk van hunne zij- knoppen. Zoodra de zaden rijp waren, werden zij geoogst en wel voor elke plant afzonderlijk. Evenzoo werden zij in het voorjaar van 1888 voor elke plant afzonderlijk gezaaid, zoodat voor iedere plant van 1887 bepaald kon worden, hoeveel % syncotylen zij in haar zaad had voortgebracht. Deze cijfers nu liepen zeer uiteen. Voor elf moederplanten bleven zij beneden 5 % of bereikten dit cijfer juist. De zeven overigen hadden 7%, 12%; 13 9,43 9%, 14-967 15 % en 19 % ‘syncotyiem De beide laatstgenoemde moederplanten hadden in hunne jeugd een volkomen aaneengroeiing der cotylen (als in Fig. 7 en 8) vertoond en waren dus ook in dit opzicht als de beste stamouders voor een ras te kiezen. Ik koos uit hen de plant met 19 % erven en be- schouw dus dit als het aanvangscijfer van mijn ras. En daar het totale aantal gekiemde zaden van deze plant 298 bedroeg (met 58 syncotylen), zoo mag het cijfer als voldoende nauwkeurig aan- genomen worden. i 1) In de opsomming van voorbeelden van hooge erfkracht bij cotyl- variatie in mijne „Methode, Zwangsdrehungen aufzusuchen“ staat Aniir- rhinum majus met 1-14 °/, tricotylen, Centranthus macrosiphon met 37 °/o syncotylen, terwijl de overige van 6-7 0j, cotylvariatiën hebben. Zie dezen band der Opera, blz. 482. OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 513 In dit voorjaar (1888) bracht ik mijne cultuur over naar mijn proeftuin te Amsterdam, waar ik 30 syncotyle afstammelingen van deze moederplant opkweekte. Wederom werd voor iedere plant het zaad afzonderlijk geoogst en in het volgend voorjaar gezaaid. Het percent-gehalte bleek nu zeer aanzienlijk te zijn toegenomen. Ik vond het in vijf gevallen omstreeks 50°/,, en voor drie planten hooger, nl. 76 %, 81 % en 89 %. Het aantal gekiemde zaden bedroeg in deze drie laatste gevallen 121, 275 en 128. Alle drie waren planten, wier cotylen, in hare jeugd, volkomen tot een enkelvoudig blad- orgaan aaneengegroeid geweest waren. In het voorjaar 1889 legde ik twee bedden op eenigen afstand van elkander aan. Op het eene plantte ik de afstammelingen der drie beste, zooeven genoemde moederplanten. En wel 30 stuks, wier cotylen volkomen aanééngegroeid waren. Op het andere plantte ik ongeveer evenveel afstammelingen van een plant met 50 % erven, die zeer gezond gebleven was, terwijl de overige door Peziza vrij hevig waren aangetast geworden. Ook hier koos ík slechts volkomen syncotylen uit. Bij het uitzaaien van de oogst van 1889 in het voorjaar 1890 bleek wederom een zeer voldoende vooruitgang van het gehalte aan syncotylen. Op het eerstgenoemde bed (moederplanten met 76-89 % syncotylen) had ik twee planten met 92-93 %, en twee met 82-86 %, verder een aantal, die 50 % of meer syncotylen hadden. Deze cijfers zijn vrij gunstig, daar, tengevolge van de ziekte, slechts van 20 planten kiembaar zaad geoogst werd. Het andere bed (moederplant 51 %) deed voor het eerste slechts weinig onder; het had op 23 planten de volgende cijfers: 91 4, 59 % 45 %, 84% 58 % 45 % 79% 55 % 42% 77% 55 %, 37 % 65 %, 54 9, 33% 64% 53 % Bens: 62 % 52% 31% 46 9, 24% Waaruit dus volgt, dat in de meerderheid der syncotyle zaad- dragers omstreeks de helft der zaden wederom syncotyl waren, zoodat het ras, na drie jaren van cultuur, als voldoende gefixeerd mocht beschouwd worden. Sedert het genoemde jaar 1890 heb ik mijn ras nu telken jare voortgezet, en wel deels eenvoudig om het gehalte aan syncotylen 33 514 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. nog te verbeteren, deels voor allerlei proeven over variabiliteit. Ik koos daartoe nu eens syncotylen als zaaddragers uit, dan weer atavisten of wel hemisyncotylen, wat natuurlijk op het gehalte der zaden aan erven een grooten invloed heeft. Langzamerhand is mijn ras verbeterd; planten met 50 % erven in hun zaden of minder zijn allengs zeldzamer geworden, daarentegen is het aantal planten met meer dan 90 % erven voortdurend toegenomen. In den vorigen jaargang vond ik als het hoogste bereikte cijfer 97 %; de aller- geringste graden van syncotylie zijn van echte atavisten zoo moeilijk te onderscheiden, dat dit cijfer waarschijnlijk een volkomen fixeering beteekent. Doch hoe zeer het ras ook gefixeerd wordt en hoe hoog het per- centische aantal der erven wordt opgevoerd, toch schijnt het ver- schijnsel der syncotylie steeds in verschillende graden op te treden. En wel zoo, dat syncotylen met eene kleinen inham aan den top verreweg de meest talrijke zijn, terwijl zuiver rondtoppige altijd slechts in gering aantal worden aangetroffen. Diepere insnijdingen komen in alle graden voor; eenige daarvan zijn op Plaat Ilin fig. 2-6 afgebeeld. De geringste graden zijn de steel-synfisen, waarbij alleen de stelen der zaadlobben tot een buisje aanééngegroeid zijn, terwijl de cotylen zelven overigens vrij zijn. En daar ook bij vol- komen afwezigheid van syncotylie (fig. 1) de stelen der cotylen aan hun voet verbonden zijn, herkent men de bedoelde geringe graden alleen bij nauwkeurig onderzoek daaraan, dat dit verband aan de eene zijde zich wat hoogerop uitstrekt dan aan de andere. Is dit verschil zeer gering, dan ontsnapt het na het volle ontplooien der cotylen, op het tijdstip waarop ik mijne kiemplanten pleeg te sor- teeren, nog aan de waarneming, om eerst, bij voortgezette cultuur, na een paar weken, zichtbaar te worden. Kon men alle vermoedelijke atavisten zóó behandelen, dan zou hun aantal zeker steeds iets kleiner zijn, dan het aanvankelijk gevondene. In mijne culturen was echter deze ietwat grootere graad van nauwkeurigheid zelden van zooveel belang, dat ik daaraan de vereischte, zeer aanzienlijke vermeerdering van arbeid en ruimte kon wijden. Rangschikt men de syncotylen nu naar den graad van aanéén- groeiing, zoo blijken zij in dit opzicht de algemeene wet van Quetelet te volgen, waarbij de top der curve op de syncotylen met een zeer geringe insnijding aan hun top valt. Het is natuurlijk iets geheel anders, de syncotylie, die een discontinue variatie is, te fixeeren, als een bepaalden graad in de bedoelde continue variabiliteit dezer variatie te fixeeren. Maar door jaarlijks slechts volkomen syncotylen OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 515 als zaaddragers te kiezen heb ik getracht, in beide opzichten tegelijker- tijd mijn ras te verbeteren. Doch ík wensch de bespreking van de hierover genomen proeven tot een latere gelegenheid uit te stellen. Hoofdzaak is, dat ook in dit voorbeeld de discontinue variatie zelve continu varieert. Zeer belangrijk is de bladstand der syncotylen vlak boven het syncotyl. Slechts zelden is deze geheel normaal, d. w. z. decussaat met gelijkmatige ontwikkeling van de bladeren van hetzelfde paar. In den regel is het blad van het eerste paar, welks projectie aan de sutuurlijn van het syncotyl geopponeerd staat, veel grooter dan het andere blad van hetzelfde paar. Men ziet dit duidelijk op Plaat II in fig. 16, waar b het groote, b’ het kleine blad van het eerste paar is. Blad-synfisen en bladsplijtingen zijn boven het syncotyl geenszins zeldzaam, zoo b. v. in de in fig. 15 en 17 afgebeelde voorwerpen. Allerlei merkwaardige afwijkingen komen hier voor, wier onderzoek, uit het oogpunt van de mechanica der bladstanden, belangrijke uitkomsten belooft. Ik heb echter daarvan geene studie gemaakt, daar mij hiertoe de tijd ontbrak, doch stel gaarne zaden van mijn ras aan anderen voor dit doel ter beschikking. Bekervormige syncotylen zijn in mijn ras altijd hoogst zeldzaam geweest, ofschoon toch wel in de meeste jaren voorhanden. Op de 1000 kiemplanten kan men geenszins vast op een beker rekenen. Fraaie voorbeelden vond ik in het voorjaar van 1889; men ziet ze op Plaat II in fig. 10-14 afgebeeld. Fig. 10 is een zoogenoemde schildbeker, met platte cotylschijf, die op een klein kokervormig steeltje rust. Zij zijn de minst zeldzame, doch tevens de minst fraaie en voor uitplanten geheel ongeschikt, daar de plumula geen ` ruimte heeft om zich te ontwikkelen. In de eigenlijke bekers zijn de cotylen óf langs beide randen evenhoog, óf aan de eene zijde hooger dan aan de andere aanéén- gegroeid. Van het eerste geven fig. 12 en 13, van het laatste fig. 11 en 14 voorbeelden. Ik heb deze vier bekerplantjes, na ze gephotographeerd te hebben nog verder gekweekt; zij konden echter hunne plumula niet uit den engen voet van den beker bevrijden. Toen heb ik het in fig. 13 afgebeelde exemplaar geopereerd, door een overlangsche snede aan de plumula ruimte gevende; het leende zich daartoe in zooverre goed, als de top van het eerste blad juist in den grond van den beker zichtbaar geworden was. De plant was natuurlijk bij de overige uit hetzelfde zaaisel zeer ten achteren, zoodat zij het eerst omstreeks half September tot bloeien bracht en slechts weinig zaad leverde. 33* 516 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. Ten slotte wil ik nog vermelden, dat aan den inham der hemi- syncotylen niet zelden eigenaardige doorntjes voorkomen, zooals er een op Plaat II in fig. 9 bij p gezien wordt, en dat in mijne culturen een hoogst zonderlinge variatie zich, als erfelijk verschijnsel, voor- deed, dat bestond in het rugwaarts omgeslagen zijn van den top der zaadlobben. Het kwam zoowel aan atavisten als aan synco- tylen voor en is voor deze laatste in de figuren 18 en 19 op Plaat II afgebeeld. IL. Adnatiën van zijtakken aan hun draagtakken. A. Uitzaaiproeven. Aster Tripolium. Op blz. 448 van dezen band heb ik een gefascieerd ras van deze soort beschreven, dat bij eenjarige cul- tuur, door herhaalde selectie, allengs een grooter aantal planten met verbreeden stengeltop leverde. Ik heb dít ras in 1894 ge- heel op dezelfde wijze voortgezet en daarbij niet alleen een zeer aanzienlijken vooruitgang in het aantal verbreede exemplaren, maar vooral ook in den graad der verbreeding waargenomen. In het geheel waren van de 134 bloeiende planten ruim de helft ver- breed; de verbreedingen strekten zich over 1/4-1/3, soms over meer dan de helft van de lengte van den stam uit en bereikten aan den top niet zelden 3-4 cm. Zij waren dan gekroond met een kamvormig bloemhoofd, dat in sommige gevallen slechts door kronkelingen ruimte voor zijn geheele lengte kon vinden. Voor de stelling van de erfelijkheid en fixeerbaarheid der fasciatie bij Aster Tripolium levert deze vijfde generatie dus een nog veel schitterender bewijs dan de ' vier eerste. In dit zelfde ras kwam ook adnatie der zijtakken aan den stam veelvuldig voor, een verschijnsel, dat reeds door Dr. Nestler in mijn proeftuin onderzocht werd). Op het belangrijke verschil tusschen adnatie of adhaesie en fasciatie is door dezen schrijver voldoende gewezen, het feit, dat beide in het zelfde ras en veelvuldig op dezelfde plant voorkomen, maakt dit geval bijzonder leerrijk. In de aan- gehaalde verhandeling is tevens een derde geval besproken en af- gebeeld, namelijk een connatie van de okseltakken van een onvol- komen in drieën gespleten blad. Gespleten bladeren kwamen in 1) Dr. A. Nestler, Untersuchungen über Fasciationen. Oesterr. botan. Zeitschrift, Jahrg. 1894, No. 9 und ff. Blz. 10 van de overdrukken. OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 517 mijn ras telken jare voor en het ligt dus voor de hand, dat zij van tijd tot tijd onvolkomen gespleten okseltakken voortbrengen. Zulke syncladien komen in mijne culturen ook in andere rassen niet zeldzaam voor, zoo bv. bij Dipsacus sylvestris torsus. Zij moeten als gevolgen der bladverdubbeling worden opgevat, zooals door Delpino!) is aangetoond, en behooren dus tot de groep der fasciatién en niet tot die der adnatiën. Dat de adnatiën bij Aster Tripolium erfelijk zijn, heb ik in dit geval tot mijne schade ondervonden. Want van tijd tot tijd komen voorwerpen voor, waaromtrent men in het onzekere blijft, of zij door fasciatie, dan wel door adnatie ontstaan zijn, en dit kan de keus van de zaaddragers voor het gefascieerde ras niet alleen be- moeilijken, maar dikwijls onzeker maken. Vooral was dit in de eerste jaren van mijne cultuur het geval; thans, nu de stengels zeer sterk verbreed zijn, bestaat het gevaar van eene synfise te kiezen in plaats van een fasciatie natuurlijk niet meer. Om deze reden, en om mijne fasciatiën zoo zuiver mogelijk te maken heb ik steeds getracht voor zaaddragers die verbreede indi- viduen te kiezen, die de geringste adnatiën hadden. Gefascieerde individuen geheel zonder adnatie en toch voldoende verbreed, om zaaddrager te zijn, en tevens genoeg zaad gevend, heb ik eerst in 1894 gekregen; de synfise was aanvankelijk zóó algemeen, dat alle krachtig ontwikkelde planten en ten minste alle gefascieerde in- dividuen haar min of meer vertoonden. Door aanhoudende keus is het mij echter ten slotte gelukt, haar tot een betrekkelijk gering cijfer terug te brengen. De adnatiën komen bij voorkeur voor aan de hoogste zijtakken, zoowel van den stam, als van zijne takken. Veelvuldig zijn het daarom de laatste zijdelingsche bloemhoofdjes, die aan het eind- hoofdje vastgroeien, even als bij Hypochoeris glabra bv. (Plaat I Fig. 7, 8 en 10). Niet zelden groeien zóó twee zijhoofdjes aan één eindhoofdje vast. Zulke gevallen zijn dikwijls moeielijk van fas- ciatiën te onderscheiden. Veel gemakkelijker is dit bij de lagere adnatiën, vooral bij de dikkere zijtakken van den hoofdstam. Deze groeien over 1-5 cm, soms tot 10 cm aan den stam vast, vormen hier een overlangsche ribbe, aan wier basis het draagblad gevonden wordt en aan wier top de tak zich in een scherpen hoek van den stam verwijdert. Deze ribben doen voor iederen synfitischen tak 1) Delpino, Teoria generale della fillotassi. 518 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. zijn draagblad gemakkelijk vinden, ook al ligt het verscheidene cm onder het punt der schijnbare inplanting. Adnatiën komen bij ons in het wild bij Aster Tripolium niet zelden voor; zij ontbraken niet op de groeiplaats bij den Houthaven van Amsterdam, waar in 1890 het gefascieerde exemplaar groeide, dat het uitgangspunt voor mijn ras vormde; ook op dit individu zelf waren zij aanwezig. In 1891 en 1892 waren door synfise ver- vormde hoofdjes in de tweede en derde generatie van mijn ras niet zeldzaam, ook in de zaaddragers, terwijl aan sommige exemplaren de zooveel fraaiere adnatie van hoofdtakken aan den stam sterk vertegenwoordigd was. In 1893 kwam dit laatste aan meer dan de helft der exemplaren in vrij hoogen graad voor. Ik kon toen echter als zaaddragers drie planten kiezen, die bijna geen synfise vertoonden, en had dientengevolge in 1894, dus in de vijfde ge- neratie, reeds veel minder synfitische individuen. Hun aantal bedroeg 26 op de 134 bloeiende planten; de helft was tevens ge- fascieerd (12 ex), de andere helft niet. Blijkt uit deze proef, hoe moeilijk het zijn Kan, om een eenmaal voorhanden variatie uit te roeien, zoo kan het ons niet verwonderen, dat zij zich in de vrije natuur, waar zulke afwijkingen bij den strijd voor het leven wel een zeer ondergeschikte rol zullen spelen, ge- durende lange reeksen van generatiën staande kunnen houden. Aan de andere zijde pleit m. i. de moeilijkheid om eene monstrositeit uit te roeien nog sterker voor hare erfelijkheid, dan de meest wel- geslaagde proeven om haar standvastig te maken en te verbeteren. Agrostemma Githago. In het klemdraai-ras, dat ik in dezen band op blz. 415 e. v. beschreven heb, kwamen tal van andere varia- tiën voor, waarvan de meeste zich telken jare of nagenoeg telken jare in de opeenvolgende generatiën herhaalden. Zoo bv. ge- spleten bladeren, en dubbele takken (syncladien) in hunne oksels, vooral in 1894 veelvuldig en in allerlei graden; geopende kelken, wier rand al of niet aan het hoogste blad van den tak was vast- gegroeid, wat meest tot krommingen of scheuringen aanleiding gaf; gesteelde bloempjes in de oksels van één of twee kelkbladeren, enz. Al deze afwijkingen bleken in den loop van zes opeenvolgende generatiën, hoewel meest zeldzaam, toch zóó standvastig te zijn, dat aan hunne erfelijkheid niet kon worden getwijfeld. Te dezer plaatse heb ik inzonderheid de adnatiën van zijtakken aan hun draagtak te vermelden, waarvan reeds in het eerste zaaisel in 1889 een geval voorhanden was. De zijtak was hier over ongeveer 9cm. van zijne lengte aan den hoofdtak vastgegroeid; een diepe OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 519 gleuf gaf beiderzijds de grenzen aan en eindigde naar omlaag juist bij het draagblad. In de drie volgende generatiën, in 1890, 1891 en 1892 herhaalde zich dit verschijnsel in een meest klein aantal individuen, in 1891 op zeven planten. Barbarea vulgaris. Aan een paar planten, die in 1887 in mijn proeftuin gezaaid waren en die in 1888 en 1889 bloeiden, vond ik in het laatstgenoemde jaar drie trossen, die elk een synfise droegen. Twee naburige hauwstelen waren over hun geheele lengte aan el- kander vastgegroeid, droegen echter twee afzonderlijke hauwen. Het zaad uit deze drie hauwparen verzamelde ik afzonderlijk, evenzoo het overige zaad van de zijtrossen, waaraan deze synfisen voorkwamen. Al dit zaad zaaide ik op 17 Juni 1890; in Juli 1891 bloeiden uit dit zaaisel 50 planten met ruim 3000 trossen. Van deze hadden ruim 80 trossen elk een of meer synfisen, en wel in de meest ver- schillende graden. In een enkel geval waren ook de hauwen over- langs aaneengegroeid; meest zaten twee hauwen op een ongespleten (20 ex.) of gespleten steel (6 ex.). In de meeste gevallen was de steelsynfise daardoor min of meer gestoord, dat de stelen op een afstand van elkander uit de as van den tros ontsprongen, zoodat de onderste steel eerst een eindweegs met deze as vergroeid was, wat niet zelden tot krommingen aanleiding gaf. De 80 afwijkende trossen kwamen slechts op een klein aantal der individu’s voor. Meestal toch vindt men op de zelfde plant een aantal stengels met synfisen en aan denzelfden stengel wederom meer dan één tros met deze anomalie, evenals reeds gemeld werd, dat ook per tros er dikwijls twee of drie voorkomen. De synfise bleek dus ook hier erfelijk te zijn en bij grooteren omvang der cultuur in allerlei graden voor te komen. In deze zelfde cultuur vond ik de in dezen band op blz. 455 vermelde fasciatie, die zich in de volgende generatie, dus in 1892, herhaalde. In die generatie keerden nu ook alle verschillende gevallen van synfise terug, die ik in 1891 op de moederplanten gezien had. Ik had in 1893, zooals I. c. vermeld is, twee bedden met ongeveer 70 en 50, te zamen dus 120 bloeiende planten. Daarenboven had ik nog een bed met ruim 90 planten, uit zaad van de plant, die de fasciatie van 1891 droeg, doch uit andere trossen gewonnen. In het geheel had ik 253 planten, die ruim 5000 trossen droegen. Deze leverden mij te zamen 70 gevallen van synfise, die denzelfden typus ver- 520 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. toonden als in de vorige generatie en wederom in alle verschillende graden voorkwamen. Ik lette in dezen zomer ook op adnatiën van trosdragende takken aan hun draagtakken, iets wat ik in de voorgaande generatiën verzuimd had. Ik vond daarvan twee gevallen. Verder vond ik gevallen van adnatie van meeldraden aan de hauw, en wel geenszins zeldzaam. Bidens grandiflora. Adnatiën van zijtakken aan hun draagtak schijnen bij dit geslacht niet zeldzaam te zijn; ik vond ze ook bij B. tripartita en bij B. leucantha. Bij B. grandiflora zijn zij zeer algemeen, ten minste in het ras, dat ik opkweekte uit zaad van de firma Haage und Schmidt te Erfurt, in den winter 1891/92 ge- kocht. Zij kwamen in dit ras gedurende drie generatiën (1892-1894) telkens zeer veelvuldig voor en in de meest verschillende graden van ontwikkeling. Een voorbeeld heb ik afgebeeld op Plaat I in Fig. 11. Men ziet hier een tak, die in een hoofdje met rijpe zaden eindigt en één blad b vertoont. De okseltak van dit blad is over een groot deel zijner lengte, van b tot s, aan den draagtak vastgegroeid en het geheel is, tengevolge van den sterkeren groei van den eersten, gekromd. Ruim I cm. onder het hoofdje houdt de aanééngroeiing op; de zijtak is hier nog belangrijk langer dan de draagtak. De verhouding in lengte tusschen het vrije en het synfitische gedeelte is uiterst variabel; soms is het laatste zeer kort, soms zijn ook de hoofdjes aan elkander vastgegroeid. Verder is de synfise geenszins tot de bloeitakken beperkt; zelfs de onderste zijtakken dezer rijk vertakte soort kunnen aan den hoofdstam opgroeien. Eindelijk komt het van tijd tot tijd voor, dat aan een as twee zijtakken vastgroeien; geschiedt dit tot in de hoofdjes, zoo ziet men dus driedubbele capitula ontstaan. Steeds is echter het syn- fitische deel naar omlaag, tot aan het draagblad, duidelijk en ge- makkelijk te vervolgen. De omvang mijner cultuur bedroeg in 1892 nog geen 100, in 1893 ruim 500 en in 1894 ruim 150 planten. Ik heb de synfitische exem- plaren niet geteld, daar dit zeer moeilijk is. Want niet zelden blijkt een zaaddrager, als hij reeds lang zaad draagt, nog aan een jongste zijtakje eene synfise voort te brengen, ofschoon hij er vroeger geen gehad had. Bij het rooien vóór of bij het begin van den bloei erkent men dus slechts een deel der synfitische planten als zoodanig. Toch toonde telken jare zeker nagenoeg de helft der exemplaren deze afwijking. In 1893 zocht ik mijne zaaddragers zóó uit, dat zij geen OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 521 synfisen hadden, en zorgde zooveel mogelijk voor zuivere bestuiving. Toch keerde in 1894 de afwijking weer in een zeer groot aantal exemplaren terug. Centaurea nigra. Synanthodien, door vergroeiing van een ter- minaal bloemhoofd met het hoofd van een zijtak, zijn bij C. Jacea niet zeldzaam en komen ook bij verwante soorten van tijd tot tijd voor. IK heb mij in 1891 door een zaaiproef van de erfelijkheid van dit verschijnsel overtuigd. Uit zaad, dat ik in 1889 in de duinen bij ’s Gravenhage verzameld had, won ik in 1890 twee bloeiende planten, waarvan er één adnatie van een zijtak aan den hoofdtak vertoonde. In 1891 zaaide ik het zaad van deze beide exemplaren en wederom bloeiden onder de daaruit opgekomen planten slechts twee in het eerste jaar; de overigen bleven roset. Van deze twee had er echter één wederom eene synfise van denzelfden aard als die der moederplant, zoodat de erfelijkheid, trots het uiterst geringe aantal individu’s, toch bewezen was. Pentstemon gentianoides. Van deze soort zijn zeer talrijke ano- malieën in de bloemen door Godron, Errera en Penzig beschreven !). De meeste daarvan kwamen ook in mijne cultuur en meestal telken jare voor, zoo b. v. pelorien, de splijting van de bloemkroon, het opgroeien der meeldraden aan de splijtranden van zulke kronen, bloembladachtig verbreede stijlen, synanthieën, evenzoo fasciatiën, enz. Zij zijn dus zonder twijfel erfelijk. Ik heb meer in het bijzonder mijne aandacht gewijd aan de ad- natiën van okseltakken aan hun draagtak, die trouwens ook bij andere soorten van dit geslacht voorkomen ?). In het voorjaar van 1892 zaaide ik zaad, dat ik bij de firma Jühlke Nachfolger te Erfurt gekocht had, en zocht daaronder vier zaad- dragers uit, die alle vier dit verschijnsel van synfise vertoonden; een paar exemplaren hadden het zelfs aan vrij veel van hunne takken. Eén droeg aan den top een synanthie met tien bloembladeren, zeven meeldraden, drie staminodien en twee stijlen. Een andere zaaddrager had twee gespleten bloemkronen. Van dezen laatsten zaaide ik in 1893 de zaden tot voortzetting mijner cultuur. In 1893 had ik negentien planten, waarvan vele wederom fraaie adnatiën van okseltakken aan draagtakken in allerlei graden en enkele ook synanthieën vertoonden. Van twee dezer planten zaaide 1) Godron, Mélanges de Tératologie végétale IV; L. Errera, Penta- stemon gentianoides et P. Hartwegi; Penzig, Micellanea teratologica. Zie de literatuur in Penzig’s Teratologie, Bd. lI, blz. 204. 2) Pentstemon Hartwegi, l. c. 522 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. ik in 1894 weer uit en had wederom een twintigtal planten, waarvan er zeven wederom de adnatie vertoonden, en wel in allerlei graden, ook als synanthieën. Gedurende drie generatiën bleef de adnatie dus, in minstens een derde der individuen, constant. Voor de morphologie der adnatiën is Pentstemon gentianoides de leerrijkste der door mij gekweekte soorten, daar deze anomalie hier in een veel wijder reeks van vormen voorkomt dan elders. Ik wijs hier slechts op de synanthieën, waarvan men den bouw, uit een eindbloem en één of meer zijbloemen, gemakkelijk kan aantoonen, als men de synfitische stelen dezer laatste omlaag tot aan hun draagblad volgt. Niet zelden zijn ook alleen de bloemstelen ver- eenigd en zitten dus twee of drie gewone bloemen op een gemeen- schappelijken, overlangs geribden steel. Of zulke bijbloemen zijn aan eene synanthie vastgegroeid en dragen dan tot de complicatie, maar tevens tot de verklaring van den bouw bij. Een ander geval heb ik op Plaat I in fig. 13 afgebeeld. Deze tak groeide aan een mijner zaaddragers in 1894. De tak m-n droeg in het afgebeelde gedeelte twee bladparen a b en cd, doch d is in de figuur niet geteekend. De okseltakken dezer drie bladeren zijn door de zelfde letters met een accent aangewezen; a’ en c’ waren normaal. De okseltak van b was echter over zijn geheele lengte aan den draagtak vastgegroeid, hij eindigde in een mislukte bloem b’ en droeg een bladpaar p q, dat een weinig uiteen geschoven was en in zijn oksels de bloemen p’ en q’ voortbracht. De mislukking van de bloem 0’ is een gevolg van de adnatie en den ongelijken groei van de beide verbonden assen, zooals aan de achterzijde van het afgebeelde voorwerp duidelijk aan een overlangsche scheur te her- kennen was. De bloemknop 0’ zat, zooals uit den kruiswijzen blad- stand volgt, juist tegen den rug van het niet afgebeelde blad d; het bovenste deel van zijn steel was zelfs nog aan den voet van dit blad, over een lengte van niet veel meer dan 1 mm., vastgegroeid. De bloemen p’ en g’ staan dus, morphologisch gesproken, niet aan den tak mn, maar aan diens zijtak ob’. Ten slotte is het de moeite waard er op te wijzen, dat de synan- thieën hier klaarblijkelijk slechts een bijzonder geval van adnatie zijn en dus in hoofdzaak door dezelfde erfelijke eigenschap als deze worden veroorzaakt. Ranunculus bulbosus. Aan deze soort vindt men bij ons in het wild van tijd tot tijd voorbeelden van adnatie. Zoo bv. het op OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 523 Plaat I in Fig. 12 afgebeelde exemplaar, dat door mij in Juni 1888 aan een grindweg onder de Bildt bij Utrecht gevonden werd. De afgebeelde tak is een zijtak van den hoofdstam en eindigt in de uit- gebloeide bloem a. Hij draagt slechts twee bladeren, ongeveer op gelijke hoogte bij b ingeplant; het eene heeft geen okseltak, het andere b heeft een okseltak, die tot aan s aan den draagtak is opge- groeid. Boven s draagt hij twee kleine blaadjes en eindigt dan in een bloem. Bij de proef, die ik met deze soort over het veranderen van een halve Galton-curve in eene symmetrische curve genomen hebt), had ik in het vijfde jaar (1892) de gelegenheid om waar te nemen, hoe zulk eene variatie, na jaren lang bij geringen omvang der cultuur zich niet vertoond te hebben, plotseling en in een aantal exemplaren voor den dag komen kan, als men aan zijne cultuur een grooten omvang geeft. In het genoemde jaar had ik 372 bloeiende planten. En daaronder waren er zeven, die een tak met adnatie droegen, terwijl een achtste exemplaar, na overwinterd te zijn, dezelfde af- wijking in het volgende jaar voortbracht. Meest was het de hoogste zijtak van de primaire as, die aan deze as opgegroeid was, soms was het een zijtak van den stengel van een secundairen, zijdelingschen knol. Doch steeds was het type hetzelfde als in onze figuur, ofschoon de verhouding tusschen het synfitische en het vrije deel van den zijtak natuurlijk varieerde. Opmerking verdient, dat aan sommige exemplaren van deze cultuur ook bloemstelen voorkwamen, aan welke het bovenste blad opwaarts vastgegroeid was, zoodat daardoor niet zelden de bloem naar omlaag was gebogen. Gedurende vier generatiën, bij een omvang der cultuur van enkele tientallen van individuen, had ik geen synfise waargenomen; bij de uitbreiding der cultuur tot 372 individuen kwam deze in 8 exemplaren tegelijkertijd voor den dag. Dat is dus ongeveer 2 %. Neemt men dit cijfer tot maatstaf, dan was in de vorige jaren de cultuur eenvoudig te klein, om een goede kans te hebben, de af- wijking te vertoonen. En met het oog hierop komt het mij voor, dat het optreden der synfise onder deze omstandigheden, en vooral in een zoo groot aantal exemplaren, als een argument voor de erfelijkheid mag worden beschouwd. Uitzaaiproeven met zaad van synfitische exemplaren heb ik echter niet genomen. 1) Les demi-courbes Galtoniennes. Zie boven, blz. 494. 524 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. II B. Herhalingen van adnatiën zonder uitzaaiproeven. Brassica Napus en B. oleracea. Adnatiën van zijtakken aan hun draagtak over een korter of langer deel van hunne lengte zijn zoowel in het vegetatieve deel als in de trossen dezer beide soorten zoo uiterst algemeen, dat men ze bijna op elken akker of in elken tuin, waar een dezer soorten verbouwd wordt, aantreffen kan. Ik zag ze op verschillende plaatsen in ons land herhaaldelijk. In 1890 had ik een cultuur van B. oleracea en in 1892 eene van B. Napus in mijn proeftuin in bloei; in beide vond ik de adnatiën, weinig in aantal in het vegetatieve deel, zeer talrijk in de trossen, en hier in al de verschillende graden voorkomende, die ook in mijne boven- vermelde culturen van Barbarea vulgaris waargenomen werden. Capsella Bursa Pastoris. Adnatie van een bloemsteeltje aan de as van den tros en van naburige hauwsteeltjes onderling, evenals bij Barbarea vulgaris, nam ik in 1886 en 1888 in een moestuin onder Hilversum en in het volgende jaar 1889 uit zaad van die vindplaats wederom in mijn proeftuin waar. Dahlia variabilis. Adnatién van zijtakken aan draagtakken, over een langer of korter deel van den tak, tot in de bloemhoofden, waardoor dubbele en soms driedubbele synanthodien ontstaan, nam ik bij verschillende varieteiten herhaaldelijk en, met betrekking tot het voorkomen bij andere soorten, geenszins zeldzaam waar. Fuchsia globosa. Ook hier komen adnatiën herhaaldelijk voor. Fritillaria Meleagris. Aan de planten van den Hortus Botanicus zag ik gevallen van adnatie sedert 1886 jaarlijks. Bijna altijd, zoo niet altijd, als de plant zijtakken voortbrengt en dus met meer dan één bloem bloeit, treedt de adnatie in. Niet zelden voert zij tot synanthieën en syncarpieën, wat ik wel niet in onzen Hortus, maar aan voorwerpen uit eene kweekerij onder Overveen zeer fraai waar- genomen heb. Aan de gleuven tusschen de aanééngegroeide bloem- stelen, die tot aan het draagblad afloopen, herkent men steeds de ware natuur dezer anomalie). Hypochoeris radicata. Adnatiën als die voor H. glabra hierboven beschreven zijn, zijn ook bij deze soort niet zeldzaam. Ik vond ze op verschillende plaatsen bij Hilversum en Bussum. Lepidium Draba. Adnatiën van zijtakken aan hun draagtak zag ik in 1889 en 1890 vrij veelvuldig aan de planten van den botanischen tuin te Amsterdam. 1) Vergelijk Penzig, Teratologie, Bd. II, blz. 419. OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 525 Scrophularia nodosa. In 1886 vond ik onder Hilversum eene plant, die in de bloemgroepen hier en daar een aanééngroeiing van naburige bloemsteeltjes vertoonde. Ik bracht deze plant naar mijn proeftuin over, waar zij sedert telken jaren gebloeid heeft; zij is nog in mijn bezit. Adnatiën als de genoemde, leidende tot synanthieën en syncarpieën in alle graden, bracht zij in die acht jaren jaarlijks en meest in groot aantal voort. Daarenboven vertoonde zij even regelmatig pelorien, die trouwens reeds door verschillende onder- zoekers waargenomen en beschreven zijn. Tulipa sylvestris. Adnatiën schijnen hier, evenals bij Fritillaria Meleagris, regelmatig en bijna telkens voor te komen, als de stengel zich vertakt. Ik heb ze aan de planten van onzen Hortus in de laatste acht jaren bijna jaarlijks gezien en had ook elders de ge- legenheid, ze waar te nemen. Tegen eene verwarring met fasciatiën (Penzig 1. c. II blz. 424) kan men zich door de beide meergemelde gleuven tusschen de synfitische assen en hun afloopen tot aan het draagblad beveiligen. II. Connatie van schermstralen. Connatie is bij de stralen van enkelvoudige en samengestelde schermen zóó algemeen, dat men aan hare erfelijkheid ter nauwernood twijfelen kan. Ik noem als voorbeelden die mij door eigen waar- neming bekend zijn, Allium magicum, Butomus umbellatus, Nar- cissus Tazetta, Angelica sylvestris, Cicuta virosa en Foeniculum officinale, aan welke laatste soort ik dit verschijnsel sedert 1882 in den Hortus Botanicus in de meeste jaren en in zeer verschillende graden van aanééngroeiing van twee tot talrijke stralen waarnam. Slechts eenmaal had ik de gelegenheid, mij door een uitzaaiproef van de erfelijkheid der connatie rechtstreeks te overtuigen: Anethum graveolens. In 1892 zaaide ik zaad, dat ik bij de firma Vilmorin-Andrieux et Co. te Parijs gekocht had, en kweekte daaruit een vijftigtal planten op. In hunne schermen vertoonden zij aan- eengroeiingen van twee en drie stralen onderling en wel nu eens over een grooter, dan weer over een kleiner deel hunner lengte. In het volgend jaar (1893) zaaide ik het zaad van een aantal exemplaren dezer cultuur, die zelven geen synfisen gedragen hadden. Toch keerde het verschijnsel terug en wel op eene cultuur van ruim 500 planten in zeer talrijke exemplaren. Wederom zocht ik zaad- dragers zonder synfise uit en rooide de overige planten vóór den 526 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. bloei; toch kreeg ik in de derde generatie (1894) het verschijnsel in een aantal planten en in de meest verschillende graden terug. Het blijkt dus niet alleen erfelijk, maar zelfs moeilijk uit te roeien te zijn. IV. Syncarpie bij Aggregaten. Inéénsmelting van een of meer bloemen op hetzelfde receptacu- lum is bij Composieten volgens Penzig’s Teratologie (II blz. 55) niet zeldzaam, doch komt ook bij andere Aggregaten, bv. in mijn ras van Dipsacus sylvestris torsus, van tijd tot tijd voor. Ik zag zulke syncarpieën in mijne cultuur van gefascieerde Taraxacum officinale in 1893, in het boven beschreven ras van Hypochoeris glabra in Juli van het zelfde jaar en in 1892 bij Chrysanthemum segetum. Van de erfelijkheid van deze afwijking had ik de gelegenheid mij te overtuigen met de ook door Penzig genoemde Helianthus annuus: Helianthus annuus. In het syncotyle ras, dat ik in het begin van dit opstel beschreven heb, komen syncarpieën regelmatig voor. Voor het eerst merkte ik ze in de oogst van de tweede generatie (1888) op, sedert zonder uitzondering telken jare. Aanvankelijk weinig talrijk en weinig samengesteld van bouw, slechts uit de vereeniging van twee vruchten bestaande, zijn zij spoedig talrijker en langzamerhand ook omvangrijker geworden. In 1891 vond ik reeds een hoofd, waarop omstreeks 20 % der vruchten deze afwijking bevatten, en in de laatste jaren is het moeilijk, in mijn ras een plant te vinden, waarop zij ontbreken. Aanvankelijk slechts uit de vereeniging van twee vruchten ont- staan, vind ik thans niet zelden syncarpieën van vijf en meer vruchten, zooals de op Plaat I in Fig. 14-17 afgebeelde. Ook de bloemen op deze syncarpieën heb ik onderzocht en niet zelden aanééngegroeid gevonden. Daarentegen zijn de zaden na- tuurlijk onderling vrij; ik overtuigde mij daarvan o. a. in 1892 door dertig syncarpieën uit te zaaien; zij gaven elk tween ormale (of syncotyle) kiemplanten. Evenzoo gaven driedubbele syncarpieën elk drie niet verbonden kiemplanten. lets minder algemeen, maar toch ook sedert 1890 jaarlijks zich herhalende, is in dit ras de adnatie van de vrucht aan de bractee, in wier oksel zij staat, zoodat ook deze anomalie klaarblijkelijk erfelijk is. Niet zelden is deze adnatie met de syncarpie vereenigd OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 927 en bestaat dus het voorwerp uit twee of meer vruchten en een aantal bracteeën te zamen, waardoor de bouw zeer ingewikkeld wordt. V. Connatie van bladschijven. Akebia quinata. De plant van den Amsterdamschen botanischen tuin vertoont telken jare, aan een of meer bladeren, eene synfise der blaadjes, hetzij alleen van hun steeltjes, hetzij ook van hun schijf. Het verschijnsel is uiterst variabel en komt somwijlen op hetzelfde blad in twee afzonderlijke paren blaadjes voor. Eenmaal vond ik twee bladschijven met hun middennerf ruggelings aan- ééngegroeid. Ik heb deze afwijking sedert 1884 op deze plant nagegaan en haar sedert 1888 jaarlijks terug gevonden, soms in één, soms in twee, zelden in een grooter aantal der voor mijn onderzoek toegankelijke bladeren. Deutzia scabra. Het exemplaar, waarvan ik vroeger een klemdraai beschreef, toont sinds 1886 ook nagenoeg jaarlijks de door Braun beschreven bladsynfisen en wel nu eens aan takken met kruiswijzen bladstand, dan weer aan takken met den bladstand 1/2. Steeds zijn het de twee laatste bladeren der jaarloot, die tot een vlak twee- toppig orgaan inéénsmelten; hun steel schijnt dikwijls de eindknop te omsluiten en in zijn verderen groei te belemmeren. Met uitzondering van het jaar 1893 heb ik zulke synfisen jaarlijks aan één of twee takken gevonden; trots deze constantie zijn zij echter steeds uiterst zeldzaam. Allerlei andere variatiën komen van tijd tot tijd aan den zelfden heester voor. Helianthus annuus. In het boven beschreven syncotyle ras van deze soort komen van tijd tot tijd, aan zijtakken, synfisen van bladeren voor. Het zijn dan in den regel de twee eerste, op den zelfden knoop ingeplante bladeren van den tak, die met elkander tot een tweetoppig lichaam verbonden zijn. De min of meer holle gleufvormige steel is dan aan zijn voet stengelomvattend, doch belet den groei van den top des taks niet. Zulke synfisen waren in sommige jaren, b. v. in 1892, vrij talrijk, soms meerdere op dezelfde plant; zij komen vooral aan de lagere zwakke zijtakken voor. Sinds 1891, toen ik ze voor het eerst opmerkte, vond ik ze telken jare. 28 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. VI Syncotylen en Amphicotylen !). Amarantus speciosus. In het ras met afwijkend aantal cotylen, waarvan ik op blz. 455 sprak, komen naast tricotylen ook syn- cotylen en amphicotylen voor. Echter uiterst zeldzaam en slechts in de laatste jaren, ofschoon het ras nu zes generatiën telt. De fasciatiën, ter aangehaalder plaatse besproken, hebben zich ook in 1894 zeer talrijk herhaald. Syncotylie vond ik het eerst in het in 1892 geoogste zaad, bij de ontkieming in het voorjaar van 1893. Ik vond toen onder bijna 30.000 getelde kiemplanten uit tricotyle ouders één trisyncotyl exemplaar en in omstreeks 55.000 getelde kiemplanten uit hemi- tricotyle ouders drie trisyncotylen. Deze vier plantjes waren dus tricotyl, met aanééngroeiing der drie zaadlobben tot één drietoppig, vlak blaadje. Zij werden niet uitgeplant. Desniettegenstaande her- haalde zich het verschijnsel in de oogst van 1893, toen deze in het voorjaar van 1894 werd uitgezaaid. In het tricotyle ras vond ik toen twee syncotylen op 10.000 ex., waarvan het één twee en het andere 4 aanééngegroeide zaadlobben had (tetrasyncotyl). In het splytcotyle ras twee trisyncotylen op 12.000 kiemplanten. In deze vier oogsten te samen dus 8 syncotylen van allerlei aard, op meer dan 100.000 getelde kiemplanten. Dus nog niet 0,01 %. Het is zeker merkwaardig, dat eene afwijking bij zoo groote zeldzaamheid nog erfelijk kan zijn. Centranthus macrosiphon. Uit het zaad van een syncotyle moeder- plant van 1892 won ik in 1893 99 kiemplanten, waarvan er 24 syn- cotyl, 13 amphicotyl, 2 tricotyl, 3 hemitricotyl en de overige 57 nor- maal waren ?). Polygonum Convolvulus. In een ras met gespleten zaadlobben, afstammende van een in 1888 gevonden tricotyle plant, die in 1889 echter slechts normale kiemplanten uit haar zaad gaf, zijn sedert telken jaren ook syncotyle en trisyncotyle kiemplanten opgekomen. Hun aantal bedroeg in het voorjaar van 1890: 1 op 1400 ex.; van 1891: 9 op omstreeks 6000; 1892: 11 op 3000; 1894: 2 op ruim 1) Over syncotylie en andere cotylvariatiën vergelijke men ook G. Stenzel, Blüthenbildungen beim Schneeglöckchen und Samenformen bei der Eiche, in Bibliotheca Botanica, Heft 21, 1890. 2) Eine Methode, Zwangsdrehungen aufzusuchen, in dezen band der Opera, blz. 478 e. v. OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 529 250 exemplaren. In 1893 ontbraken zij. Het waren meest trisynco- tylen met enkele gewone syncotylen er bij. Als zaaddragers voor de voortzetting van het ras werden de syncotylen en trisyncotylen niet gekozen. Slechts enkele malen heb ik de trisyncotylen als reserve uitgeplant. Desniettegenstaande bleek de aanleg tot synfise toch vrij wel onuitroeibaar te zijn. Scrophularia nodosa. In een ras van tricotylen vertoonde zich in het voorjaar van 1893 een syncotyl en in de beide volgende ge- neratiën herhaalde zich dit verschijnsel. Dit ras wordt als eenjarige plant gekweekt. Eene plant van 1892 liet ik ook in het volgende | jaar bloeien en oogstte toen haar zaad. Zij gaf op ruim 8000 getelde kiemplanten 20 syncotylen. Dus 0,25 %. Valeriana alba. Uit gekocht zaad vond ik in 1892 talrijke syn- cotylen en eenige tricotyle kiemplanten. Ik zocht alleen drie trico- tyle planten uit en liet ze zaad dragen. Dit gaf mij in 1893 op ruim 300 kiemplanten 10 syncotylen en 1 hemisyncotyl. Dus ongeveer 3 %. Uit hun zaad kreeg ik in 1894 wederom één syn- cotyle en één hemisyncotyle kiemplant, niettegenstaande de oogst grootendeels mislukt was en er slechts dertig zaden kiemden. Verdere feiten over de erfelijkheid van de syncotylie zijn in hoofdstuk IX vermeld. VIL. Monophylle bladbekers. Magnolia obovata = M. purpurea. In November 1895 werd in den Hortus Botanicus een groep Magnolia’s geplant, afkomstig van de kweekerij van den heer Van den Berg te Jutphaas en die hoofdzakelijk uit M. obovata en hare verschillende vormen bestond. Al deze heesters kwamen in habitus en bladvorm en, voor zooverre zij bloeiden, ook in de bloemen, voldoende overeen, om aan hunne nauwe verwantschap geen twijfel te laten. Met een paar uitzonde- ringen worden zij door Dippel in zijn Handbuch der Laubholzkunde (11I blz. 152) aangevoerd en wel als bastaarden tusschen M. obovata en M. Yulan. Onze heesters waren: M. obovata, M. obovata x Yulan Soulangeana (2 ex.), Mrs je ss Norbertiana, eee + i Alexandrina (3 ex.), M. te By PR speciosa, 34 530 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. M. obovata x Yulan Lennei. M. obovata nigricans, M. obovata var.) In Juni 1887, toen zij voor het eerst bij ons hunne bladeren ontplooid hadden, bespeurde ik aan de meeste exemplaren bekers, sedert heb ik ze telken jare onderzocht en aangeteekend, hoeveel bekers ik op hen vond. Het bleek daarbij, dat dit verschijnsel zich bij allen in de meeste jaren herhaalde en dat bijna steeds de oor- spronkelijke soort, M. obovata, meer bekers had dan hare afgeleide vormen. Toch vindt men in de literatuur juist voor M. Yulan en niet voor M. obovata het voorkomen van ascidien opgegeven; voor de eerste soort zijn zij door den Belgischen hoogleeraar Kickx be- schreven. Behalve bekers vond ik aan de meeste dezer heesters van tijd tot tijd ook gespleten bladeren en daarenboven enkele andere minder belangrijke bladmisvormingen. Wat de bekers zelven betreft, zoo waren zij gewoonlijk uit één blad gevormd, zeer enkele malen uit twee bladeren, soms daarentegen slechts uit een deel van een blad. Ik kom hierop zoo aanstonds terug, doch wil eerst een ta- bellarisch overzicht van al de door mij waargenomen bekers geven. Ascidien van MAGNOLIA. Individuen. [1887 18881880 1800 1891 1892/1893 1894 Som 1888 1889 1890 1891 BE M. obovata 6| 9 | el of 4{t0] 1] 3) el 2] a a lo l'a 3) 6 vor M. Soulangeana. 4 | 4 | BU N ORT a a 14 M. pi No: 21 or 2 1 1 1 0 1 0 11- M. Norbertiana. Im ewig | SCO "107 ATS M. Alexandrina. ON. 0 JOE "400 in. MON OENE 0 M. „No Zij 0 110! 901" 691 VOP ON oe M. „No. 3.1.0 0 | Tal VOA S oe M. speciosa. 0"). 21.021. Oe OA EO A 5 M. Lennei. Lil 2 50} 000%) to. 2 oe M. obov. nigricans 9) iy Ei Sande co ANN 9 M. obovata var.? O1) LOMME PAU | DU 5 Som DVN Ob 12.193 | 3 17 7.| 16.17 SIENS 1) Een vorm van M. obovata, als zoodanig aan de bladeren te her- kennen, doch niet determineerbaar, daar zij niet bloeide. Onder een onjuisten naam ontvangen en in 1894 gestorven. OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 531 Uit deze tabel ziet men: 1) Het voortbrengen van bekers berust op inwendige blijvende eigenschappen der planten en is geenszins uitsluitend van het toeval afhankelijk. 2) In verschillende individus is deze eigenschap in zeer verschillende mate ontwikkeld, doch ook in dit opzicht bestaan constante ver- schillen. 3) Sommige jaren begunstigen het optreden van bekers meer dan andere; zij doen dit dan in hoofdzaak op alle exemplaren tege- lijkertijd. Vatten wij dit samen, zoo kunnen wij zeggen, dat het optreden van bekers deels van inwendige, in de erfelijke eigenschappen der plant berustende, en deels van uitwendige, door het weder bepaalde oorzaken afhangt. De eerste zijn individueel, de laatste naar ge- lang der jaren verschillend. Opmerking verdient daarbij, dat de bladeren en dus ook de bekers, aangelegd worden in het jaar, vóór datgene, waarin zij zich ontplooien. Kleine verschillen in deze tabel hangen natuurlijk van het toeval af. Of de plant Alexandrina No. 1 nooit bekers zal geven, is mij onbekend. Alexandrina No.2 was eerst een vrij groot ex., doch stierf later grootendeels af. M. Alexandrina No. 3 is misschien van andere afstamming, daar zij ons onder een anderen, onjuisten naam werd toegezonden. Interessant is in deze tabel het feit, dat alle exemplaren, behalve de M. obovata, in sommige jaren in het geheel geen bekers voort- brachten. Hieruit blijkt dat men uit het niet vinden van bekers op een plant volstrekt niet mag afleiden, dat zij het vermogen zou missen, deze voort te brengen. Wanneer men ruim honderd bekers van een zelfden plantenvorm en daaronder bijna de helft op één enkel individu waarneemt, spreekt het wel van zelf, dat men een vrij volledig overzicht over de mogelijke vormen dier anomalieën verkrijgt. Het komt mij voor, dat deze voor een deel op gewone variabiliteit (continue variabiliteit der discontinu ontstane eigenschap)!) berusten, doch voor een ander deel afhangen van de plaats der bekers op den tak. Want op een normalen jaarloot zijn de bladeren onderling niet gelijk; zij vormen een reeks van voortdurend veranderende vormen, waarvan dikwijls het begin en het einde, dus het eerste en het laatste blad onderling weinig verschillen. Dus een zoogenoemde morphologische ı) Zie Intracellulare Pangenesis, Opera V, blz. ı en Les demi-courbes Galtoniennes etc, Opera V, blz. 494. 34* 532 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. periode. De kleinere bladen aan het begin en het einde dezer periode maken nu meestal bekers van het type van Fig. 1 op Plaat III, d. w. z. dat een betrekkelijk groot deel der lamina in peperhuisvorm is overgegaan. De grootere bladeren in het midden der looten vormen meestal slechts aan hun basis bekers, zooals in Fig. 2 is voorgesteld. Bekers, die slechts uit de helft van een blad, of zelfs uit een kleiner deel ontstaan waren, trof ik van tijd tot tijd en in allerlei graden van ontwikkeling aan. Mijne collectie vormt een vrij compleete serie, die een volkomen bevestiging geeft van de verklaring der ascidien, die door Eichler), naar aanleiding van anomalieën van Michelia Champaca L. is voorgesteld. Eindelijk zijn mij twee malen bekers voorgekomen, die twee- toppig en dus door de aaneengroeiing van twee bladeren ontstaan waren. Ten eerste in 1889 de in Fig. 3 op Plaat III afgebeelde beker van Magnolia obovata en ten tweede een grootere, wijdere, met korter en stomper toppen van M. obov. nigricans in 1894. Zulke diphylle bekers schijnen ook bij andere planten met monophylle bekers te zamen voor te komen, doch steeds veel zeldzamer te zijn dan deze; men zou daarnaar vermoeden, dat zij eene uiting van dezelfde inwendige eigenschap waren. Hesperis matronalis. In het ras, dat ik in dezen band (blz. 454) voor zijne fasciatiën vermeld heb, kwamen ook bekers voor. Doch slechts twee malen. Ten eerste aan de moederplant, waarvan ik in 1886 den bandvormigen stengel van Prof. Moll uit Utrecht ontving. Ik ontving toen nl. van die plant ook eenige rosetten, zooals zij aan de stengels van Hesperis plegen voor te komen, en stekte die. Een daarvan, tot een groote rijk bloeiende plant ge- worden, droeg in 1888 eenige fraaie bekertjes. De eerste generatie van mijne cultuur (1887-1888) leverde geen bekers. Uit haar zaad ontstonden in 1889 een viertal exemplaren, die reeds ín hun eerste levensjaar bloeiden en zaad droegen. Dit zaad zaaide ik in 1890 uit en wel op twee bedden elk van 8 O Meter, zoodat ik in het geheel ruim 600 flinke planten had, die echter geen van allen in het eerste jaar bloeiden. Bij het dunnen tijdens de ontkieming vond ik nu wederom een plantje met een fraai gesteeld bekertje. Na twee generaties overgeslagen te hebben keerde dus de ano- malie terug en wel klaarblijkelijk in hoofdzaak ten gevolge van de 1) A. W. Eichler in Berichte d. d. Bot. Gesellsch., Bd. IV, 1886, S. 37 und Tafel II. OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 533 omstandigheid, dat de kans daarop, door een aanzienlijken omvang der cultuur, groot genoeg geworden was. Oenothera Lamarckiana. De erfelijkheid der fasciatiën van deze soort heb ik in dezen band op blz. 457 en 458 besproken, deels voor een vindplaats onder Hilversum, deels voor mijne cultuur. Ik kan thans daaraan toevoegen, dat ook in 1894 de fasciatie zich zoowel te Hilversum als in mijn proeftuin in een vrij groot aantal exemplaren herhaald heeft. Bekers zijn hier zeldzaam, toch vond ik er twee op de oorspron- kelijke groeiplaats en twee in mijne cultuur. De beide eerste in Juni 1887 en in Augustus 1892. In mijn proeftuin vond ik in Juni 1890 een beker aan een bloeienden stengel van een tweejarige plant, ontstaan uit zaad, dat ik in 1888 gewonnen had op planten, die ik den vorigen winter als rosetten uit Hilversum naar Amsterdam had overgeplant, doch die zelven geen bekers voortgebracht hadden. De andere beker in mijne cultuur ontstond eveneens aan den bloeien- den stengel van een tweejarige plant en wel in Juni 1889 aan de verscheidenheid, die 1. c. voorloopig Oen. Lam. flavocalyx*) genoemd werd en waarvan in dat jaar een zusterplant fasciatiën droeg (blz. 457). Syncotylen komen nagenoeg telken jare in mijne culturen voor; evenzoo, hoewel zeldzamer, van tijd tot tijd amphicotylen. Saxifraga crassifolia. Penzig (Teratologie I, blz. 457) zegt: ,,Re- lativ häufig findet man auch die Seitenränder der Laubblätter ver- wachsen, so dass schöne trichterförmige Ascidien entstehen” en citeert Kickx, Jacobasch en Heinricher daarbij als autoriteiten. Ook in de te Amsterdam in tuinen gekweekte planten heb ik zulke bekers op verschillende plaatsen en herhaalde malen gezien, zoodat voor mij de erfelijke natuur dezer anomalie boven twijfel verheven is. Daarenboven ontving ik van den heer A. Fiet in April 1890 uit den Hortus Botanicus te Groningen twee planten met bekers. Ik heb deze sedert voortgekweekt en vegetatief vermenigvuldigd. Zij brachten in 1890 nog één beker en in 1891 samen 8 bekers voort. In 1892 en 1893 brachten zij, waarschijnlijk ten gevolge van het scheuren en uitplanten, geen bekers voort, in 1894 waren zij echter weer zeer krachtig geworden en nu rijk aan bekers. Eén roset droeg er zelfs zes. Tilia parvifolia. Bekers zijn aan linden algemeen bekend, en evenzeer bekend is het feit, dat zij op sommige exemplaren telken 1) Deze variëteit zal later onder den naam van Oen. Lam. lata uit- voerig beschreven worden, daar de voorloopige naam niet zeer kenmer- kend is. 534 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN, jare te vinden zijn. Een voorbeeld van zulk een geval biedt een ten onzent zeer bekende boom, namelijk de middelste der drie zware linden vóór de herberg aan de Lage Vuursche. Deze boom is in vele opzichten leerrijk, daar hij zoo rijk aan bekers is, dat men ge- makkelijk een collectie van de voornaamste typen daarvan ver- zamelen kan. Doch de rijkdom is zeer afhankelijk van het jaar. Zoo telde ik in Juni 1887: 16, in Juni 1888: 30, in Mei 1890: 18 en in Juni 1894 12 bekers. Tegenover deze cijfers, die het gewone jaarlijksche aantal der bekers aan de onderste takken aangeven, staat het jaar 1886, toen ik aan deze zelfde takken 82 bekers telde. Naar de verhouding tusschen de takken, wier bladeren ik nog duidelijk beoordeelen kon, en de hoogere schattende, moet de geheele boom er toen minstens driehonderd gedragen hebben. Voor hen, die bekers aan dezen boom wenschen te vinden, zij vermeld, dat zij voornamelijk en soms uitsluitend aan de door de zon beschenen takken voorkomen. Vandaar, dat de zuidzijde van den boom er veel rijker aan is, dan de noordzijde; de beide andere zijden zijn geheel door de twee naburige linden beschaduwd. Het komt mij voor, dat de verschillende typen dezer bekers, evenals bij Magnolia, in hoofdzaak bepaald worden door het normale type van het misvormde blad, terwijl dit weer van zijn plaats op den jaarloot, dus van de morphologische periode afhangt. Het zijn de eerste kleine bladeren van den jaarloot die bij voorkeur schild- vormig worden (Plaat III, Fig. 11). De latere, grootere bladen worden meestal peperhuis-vormig. Sommige onderzoekers schrijven deze verschillen in vorm daaraan toe, dat de bladranden tot verschillende hoogte aaneengegroeid zouden zijn, maar het is duidelijk, dat zulk een verschil toch weer uit de overige eigenschappen der bladeren moet kunnen verklaard worden, ten minste voor zoo verre het niet eenvoudig als een geval van continue variabiliteit kan worden op- gevat. Let men op, dat aan normale bladeren de rand aan de basis over een langer of korter deel zonder zaagtanden is, terwijl in den beker de geheele vrije rand gezaagd is (Fig. 12), dan komt men tot de meening, dat de lengte der ongezaagde bladranddeelen, die zelf ten nauwste met den bladvorm en het volgnummer op de jaarloot samenhangt, den vorm van den beker bepaalt. Voor een nader onderzoek van deze, voor de leer der erfelijke eigenschappen zeer belangrijke vragen beveel ik den genoemden boom ten zeerste aan. Trifolium pratense. Bekers komen bij deze soort van tijd tot tijd voor, zooals Penzig (l. c. I, blz. 386) vermeldt. Ik had in 1889 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 535 in mijn tuin een, bij Hilversum een paar jaar vroeger gevonden plant, die talrijke bekers, ofschoon steeds in geringen graad van aaneengroeiing der bladranden, maakte. Van deze plant heb ik echter geen zaad gewonnen. In mijn ras van vierbladerige roode klaver zijn in de beide laatste jaren vrij regelmatig bekers voorgekomen, doch ik heb de planten, die deze droegen, niet als zaaddragers gekozen. Al deze bekerplanten stammen af van een plant van 1891. Van deze zijn in 1892 vier afstammelingen te vermelden. Een van deze droeg in Augustus een klein fraai bekertje; het was een vervormde bladschijf van een vijfschijvig blad. De tweede bloeide in 1892 en 1893, doch gaf geen beker, maar uit zijn zaad kwam in 1894 een plant, die vrij veel bekers voortbracht, doch niet. bloeide. De derde gaf eveneens geen beker, doch droeg in 1892 zaad, waaruit o. a. een kiemplant ontstond, die reeds aan het tweede blad een bekertje droeg; dit plantje werd in zijn geheel gedroogd. De vierde droeg ook geen beker, maar bracht, na in 1892 gebloeid te hebben, twee afstammelingen met bekers voort en één zonder, die echter in zijn kroost in 1894 weer vier planten met bekers deed ontstaan. Over de verwantschap dezer beker dragende individus (B) krijgen wij dus het volgende overzicht: 1894 B B B B B 1893 | B B | B 102 et | | san 1891 R ee | Het komt mij voor, dat het wel niet twijfelachtig kan zijn, dat deze verwantschap geen toevallige is, maar op het overerven eener eigenschap berust, die echter zoowel in de stamplant A als in de meeste harer nakomelingen latent bleef. Op Plaat III in Fig. 9 heb ik een bekertje van de plant van 1889 afgebeeld. Het is een ongesteelde beker met geringe aaneengroeiing der beide bladranden. In andere gevallen zijn de bekers langer of korter gesteeld (Fig. 10); de steel is dan het onderste deel van de middennerf, waaraan het overeenkomstige deel der schijf ontbreekt. Zulke bekers vertoonen dan ook meestal een grootere aaneengroeiing, 536 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. en dus een meer zuiveren peperhuis-vorm. Is een zeer groot deel van de nerf zonder schijf, dan wordt de beker natuurlijk zeer klein; het uiterste hiervan is een naakte nerf zonder beker, een dun draadje dus. VIII. Diphylle bladbekers. Boehmeria macrophylla. Op een paar exemplaren van dezen lagen heester zag ik in Juni 1890 in een tuin te Utrecht een viertal merkwaardige bekers. Twee daarvan zijn op plaat III in Fig. 4 en 5 afgebeeld; de beide andere waren tusschenvormen tusschen deze. Deze bekers waren alle vier eindstandig, twee waren, zooals Fig. 4, op takken met kruiswijzen bladstand geplaatst en tweebladig, klaarblijkelijk uit de aaneengroeiing van de twee tegenovergestelde bladeren van het hoogste bladpaar ontstaan. De beide andere zaten aan takken met afwisselenden bladstand (formule 1/2) en bestonden elk slechts uit één blad (Fig. 5). De bladstand 1/2 is voor deze soort abnormaal en kwam slechts op enkele takken voor; de normale bladstand is de kruiswijze. In Fig. 5 ziet men bij b den voet der beide aaneengegroeide blad- stelen en dus den top van den tak; de bladstelen hebben dezelfde lengte als die van het bladpaar a, waarmede zij kruiswijs staan. De stelen zijn tot een enge buis verbonden, onder in die buis ligt de eindknop van den tak, die door gebrek aan ruimte verhinderd wordt uit te groeien, iets wat bij diphylle bekers en vooral bij cotyl- bekers zeer algemeen schijnt voor te komen. De bladschijven zijn aan de voorzijde der figuur 2.5, aan de achterzijde 1.5 cm. hoog aan elkander vastgegroeid en overigens van normalen bouw. De tweede diphylle beker komt geheel met de afgebeelde overeen, met die belangrijke uitzondering, dat hij eenzijdig tot aan den voet der bladstelen open is. Het is dus eigenlijk geen beker, maar een eenvoudige bladsynfise. De eindknop is daardoor wel bekneld en in zijn groei belemmerd, doch toch zichtbaar. De eerste eenbladige beker is eenvoudig een blad met een steel, die aan zijn voet rondom den eindknop van den tak is toegegroeid; die knop is daardoor in zijn groei gestuit; de schijf is echter normaal. Het laatste, in Fig. 5 afgebeelde voorwerp is een typische beker, die ook weer den tak afsluit, doch waarvan nu de schijf zelf beker- vorm heeft aangenomen. Het komt mij voor, dat het gelijktijdige optreden dezer bekers aan een kleine groep planten, die vermoedelijk van gemeenschap- OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 537 pelijken oorsprong waren, opgevat mag worden als een argument voor een gemeenschappelijke oorzaak, die wel deels in uitwendige omstandigheden, maar voor een deel toch ook in een erfelijken aanleg moet gezocht worden. Plantago lanceolata. Diphylle ascidien vond ik bij twee algemeen bekende variëteiten van deze soort, n. 1.: a) P. lanc. coronata*), wier aren van tijd tot tijd door een vege- tatieve bladroset gekroond worden. Van zulke planten verzamelde ik in 1889 zaad en zaaide dit in het volgend voorjaar. Onder tal- rijke kiemplanten vond ik er vijf, waarvan telkens de beide eerste blaadjes, boven de lange lijnvormige zaadlobben, tot een eng buisje aaneengegroeid waren. Twee zulke gevallen heb ik op Plaat III in Fig. 7 en 8 voorgesteld; men ziet duidelijk de beide toppen der verbonden bladeren. b) P. lanc. racemosa. Van de variëteit met vertakte aren vond ik in 1888 bij Hilversum een fraai exemplaar, waarvan ik sedert, door herhaalde uitzaaiing, een constant ras voortkweek. Het draagt thans, in ongeveer de helft der individuen, vertakte aren. Blad- synfisen, monophylle en diphylie bekers komen in dit ras van tijd tot tijd voor; zij zijn hier klaarblijkelijk erfelijk, hoewel zeldzaam. Tweetoppige bladeren vond ik reeds in 1891 en sedert jaarlijks. In 1892 vond ik twee exemplaren met diphylle bekers; het waren nu niet het eerste en het tweede, maar het tweede en het derde blad van de kiemplant, die den beker vormden. In dit zelfde jaar maakte een aar een beker uit twee zijner bracteeën, die lang en groen waren; daarbinnen mislukte de aar natuurlijk. In de volgende generatie, in 1893, vond ik een syncotyl exemplaar en verder een zestal planten, die als kiemplanten elk een kleinen (2-7 cm. langen) monophyllen beker droegen. Diphylle bekers ontbraken in dat jaar. In de laatste generatie, in 1894, kwamen twee syncotylen en drie kiemplanten met monophylle bekers voor, terwijl in Juli een plant, na een tiental bladeren gemaakt te hebben, een fraaien beker van 18 cm. lengte voortbracht. Een andere plant maakte een beker aan een harer zijrosetten. IX. Het samengaan van syncotylie met bladbekers. Mercurialis annua. In mijn zaaisel van 1892 vond ik een paar tricotylen, waarvan er bij den bloei één mannelijk en één vrouwelijk 1) Ueber abnormale Entstehung secundärer Gewebe in Opera V, blz. 186. 538 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. en gefascieerd bleek te zijn (Opera V, blz. 488). Uit het zaad van de laatste won ik slechts 14 kiemplanten, die aanvankelijk nor- maal waren, doch later takken met fraaien klemdraai voortbrachten. In het zaad van deze tweede generatie keerde in 1894 de tricotylie terug, daarna echter traden syncotylen en cotylbekers op. Op ruim 1000 kiemplanten had ik ruim 20 tricotylen, 1 tetracotyl, 7 hemitricotylen, 1 trisyncotyl, 3 syncotylen en 2 amphicotylen. Ik plantte nu, bij zeer krachtige bemesting, de tricotylen op één bed en de vijf laatstgenoemde op een ander, ver verwijderd bed uit. De tricotylen leverden in vijf exemplaren fasciatiën en in vier planten klemdraai, waardoor de erfelijkheid dezer beide af- wijkingen nog eens bewezen werd. Van de drie syncotylen vervormde er een één zijner eerste bladeren tot een fraaien beker, zoodat het vermoeden van een verband tusschen syncotylie en productie van ascidiën wederom versterkt werd. Ook in deze cultuur ontbraken fasciatiën en klemdraaien niet. Een zeer curieuse adnatie ontstond op een tricotyle plant; hier was namelijk de as van eene marnelijke aar over 2 cm. aan den steel van zijn draagblad vastgegroeid, En daar de aar sneller groeide dan de steel, was de eerste vrij sterk S-vormig heen en weergebogen. Het zaad van deze planten liet ik voor een groot deel vrij vallen, zoodat het nog in den herfst kiemde. Het toonde een zeer grooten vooruitgang in het gehalte aan cotylvarianten. Op het bed der tricotylen vond ik in Augustus 23 kiemplanten en daaronder 7 trico- tylen en 3 hemitricotylen, doch geen syncotylen. Dus 43 % tri- en hemitricotylen. Op het bed der syncotylen en cotylbekers vond ik omtrent den zelfden tijd 88 kiemplanten, als volgt: 22 normale — a es 10 syncotyle 11:54 2 trisyncotyle 2% 28 9, 4 amphicotyle DR 8 hemisyncotyle 1049 30 tricotyle 34% 10 hemitricotyle 11 % AT 2 tetracotyle 20% Hieruit blijkt, dat de syncotylen en cotylbekers niet alleen erfelijk, maar ook fixeerbaar zijn, doch dat de laatsten (4) tegenover de eersten (te zamen 20) daarbij in de minderheid bleven. Later van dezelfde planten geoogste zaden waren even rijk aan cotylvarianten als deze. OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 539 Anagallis grandiflora. Bij een proef, in 1892 over het verband tusschen cotylvariatie en klemdraai genomen (I. c. blz. 489), vond ik ook een samengaan van eerstgenoemde afwijking met bekers. En wel met tweebladige bekers, die elk den top van hun tak op dezelfde wijze afsloten, als dit voor Crassula en Boehmeria beschreven en op Plaat III in Fig. 3 en 4 afgebeeld is. Bekers vond ik aan een splytcotyl, een tricotyl en een syncotyl exemplaar. Aan het eerste twee, aan het tweede vier, aan het laatste één beker, allen in hoofd- zaak van denzelfden bouw. Een eenzijdig opene beker of blad- synfise vond ik daarenboven aan een syncotyl in een ander zaaisel (1893). Antirrhinum majus flore variegato. Zaad van de firma Jühlke Nachfolger (Otto Putz) te Erfurt gaf mij in het voorjaar van 1892 naast talrijke tricotyle kiemplanten ook een amphicotyle. Van de tricotylen won ik zaad, waarin zich wel de tricotylie, doch niet de syncotylie herhaalde. Wederom plantte ik de tricotylen uit en uit hun zaad kwamen nu in het voorjaar van 1894, op omstreeks 10.000 getelde kiemplanten, naast ruim 1 % tricotylen, 27 syncotylen en drie cotylbekers. Zoodat het verschijnsel, trots de groote zeldzaam- heid, toch bij voldoenden omvang der cultuur blijkt terug te keeren. De amphicotylen of cotylbekers zijn uiterst curieus. De cotylen vormen een eirond lichaam, met een kleine opening aan zijn top. Daarbinnen is de plumula zoo beklemd, dat zij zich niet ontwikkelen kan. Kweekt men nu zulk een plantje voort, dan zwelt het eironde lichaam allengs, doch terwijl de even oude tricotylen reeds een stengeltje met een aantal bladparen ontplooid hebben, komt uit den cotylbeker nog niets voor den dag. Men zou daartoe eerst de plumula, door eene operatie, uit haar boeien moeten bevrijden. Uit het zaaisel in 1894, dat de zooeven genoemde cotylvarianten leverde, kweekte ik een groot aantal planten op; één daarvan bracht in Mei een fraaien bladbeker voort. Fagus sylvatica. Tricotylie en hemitricotylie zijn bij den beuk uiterst gewoon en zeer bekend. Zij gaan met allerlei afwijkingen in den bladstand, gespleten bladeren enz. gepaard. In het Gooi had ik in de jaren 1885-1889 de gelegenheid, eene aanzienlijke collectie van dergelijke anomale kiemplanten bijeen te brengen en voor een deel op te kweeken. Daarbij vond ik ook enkele malen syncotylen; aan deze pleegden ook de beide eerste bladeren boven de aan- eengegroeide zaadlobben met elkander tot een tweenervig en twee- toppig bladorgaan samengegroeid te zijn. In 1887 vond Dr. J. H. Wakker in het Baarnsche Bosch een kiemplant, waarvan de beide 540 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. eerste bladeren (boven de zaadlobben) elk in een fraaien, lang- gesteelden beker veranderd waren. Polygonum Fagopyrum. Over de erfelijkheid der syncotylie bij de boekweit heb ik reeds vroeger bericht). Mijn ras begon in 1887 met één syncotyle en eenige tricotyle planten; beide variatiën sloegen in 1888 eene generatie over en keerden in 1889 terug (6 syn- cotylen). In de vierde generatie (1890) ontstond, naast 10 syn- cotylen, ook een amphicotyle plant, wier cotylen dus tot een bekertje aanééngegroeid waren. Ook de vijfde generatie (1891) leverde syn- cotylen, evenzoo de beide volgenden (1892 en 1893). In 1890 ontstond in den oksel van den saamgegroeiden zaadlob van één der syncotyle planten een platte breede zijtak, eene syn- cladie, die klaarblijkelijk door de aaneengroeiing der okselknoppen der zóó verbonden cotylen ontstaan was. De syncladie was 1 cm. breed en 1 internodium (1.5 cm.) hoog en splitste zich daarboven in twee lange, smallere, doch eveneens platte, onderling gelijke armen. In 1893 ontstond aan eene plant uit het beschreven ras, welk exemplaar tricotyl was, een fraaie, langgesteelde, doch kleine beker (1.5 cm. lang). Een dergelijken beker, hooger aan de plant gezeten, doch even groot, had ik in 1890 bij Ermelo op een boekweitakker gevonden. Spinacia oleracea. De groote neiging van deze plant om bekers voort te brengen is bekend (Penzig, Teratologie II, blz. 261); kleine bekertjes vond ik aan de exemplaren van den Hortus Botanicus te Amsterdam in 1889. In 1892 zaaide ik zaad van de „hollandsche Spinazie met ronde zaden” en zette deze cultuur in de beide volgende jaren voort. In 1892 had ik één tricotyle, doch geen syncotyle kiemplanten, in 1893 vijf tricotylen, doch evenmin een syncotyl. Eerst in 1894, dus in de derde generatie mijner cultuur, ontstonden drie syncotylen. Aan een dezer laatste ontwikkelde zich in Juni een fraaie, lang- gesteelde beker, die in den oksel van een blad geplaatst was. Beker 1.5 cm., steel 2.5 cm. lang. De beker moet als het eenige zichtbaar ontwikkelde blad van den okselknop beschouwd worden. Raphanus Raphanistrum. Aan den Raaiweg onder Loosdrecht vond ik van deze soort een groeiplaats, die allerlei variatiën toonde, en waarvan ik de fasiatiën in dezen band heb vermeld (blz. 458). ı) Eine Methode, Zwangsdrehungen aufzusuchen, Opera V, blz. 490; Monographie der Zwangsdrehungen, Opera V; blz. 330. OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 541 Onder die variatiën was ook een beker. Van deze groeiplaats zaaide ik in 1889 in mijn proeftuin, dus als tweede generatie, en kreeg hiervan o. a. een fraaie amphicotyle kiemplant, wier plumula veel moeite had om zich uit den engen hollen steel van den cotyl- beker te bevrijden. Syncotylie, amphicotylie en ascidien-vorming komen dus hier herhaaldelijk in hetzelfde ras voor. Reeds in de derde generatie in 1890 had ik wederom allerlei variatiën, grootendeels met die der oorspronkelijke groeiplaats overeenkomende, ook adnatiën zooals de boven voor Barbarea en Brassica beschrevene. Verder twee syncotyle planten en een met een fraaien beker aan een zijtak. In de vierde generatie (1891) had ik een aantal syncotylen. x Aanhangsel. VOORBEELDEN VAN BEKERS. Bekers worden dikwijls als zeer zeldzame monstrositeiten be- schouwd, en zoowel de zeldzaamheid der bekervormende soorten, als het geringe aantal, waarin deze afwijking meestal op een plant of op een groep van planten gevonden wordt, wordt niet zelden gebruikt als een argument tegen de erfelijkheid. Bij mijne bewijs- voering over deze erfelijkheid komt het mij daarom voor, van be- lang te zijn, aan te toonen, dat deze zeldzaamheid niet zóó groot is, als men gewoonlijk meent. Want als men zich gedurende eenige jaren met het zoeken naar monstrositeiten bezig houdt, kan men gemakkelijk een vrij groot aantal gevallen bijeenbrengen. Ik laat daarom hier een beknopt overzicht volgen, van wat ik in het laatste tiental jaren heb verzameld. A. Bekers van enkelvoudige bladeren. Abutilon Thompsoni, beker, Hort. Amst., Oct. 1892. Aster Tripolium, beker aan kiemplant in gefascieerd ras, Juni 1891. Begonia manicata, beker, Hort. Amst., Januari 1892. Begonia phyllomaniaca, Hort. Amst., twee kleine bekertjes in Mei 1887, en vier aan hetzelfde exemplaar in Januari 1888. Bugellia capensis, beker, Hort. Amst., Januari 1892. Cichorium Endivia, twee jonge planten met bekers, Amsterdam 1891. Coriandrum sativum, beker aan eene jonge plant van mijne cul- tuur, in Juni 1894, 542 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. Corylus Avellana, talrijke bekers op een heester in mijn proeftuin, Augustus 1894. Dipsacus sylvestris torsus, draagt van tijd tot tijd bekers, zooals vroeger reeds vermeld werd. Evenzoo in Aug. 1893. Fuchsia globosa, beker, Hort. Amst., Juni 1894, Hedera Helix, beker, in een tuin te Amsterdam, November 1893. Nymphaea dentata, twee bekers, Hort. Amst., Juli 1893. Pelargonium zonale. Een stek van een plant, die ik uit een blad- roset van een bloemscherm gewonnen had, droeg in April 1892 twee bekers. Plantago major. Bij La Roche in de Ardennen vond ik in Au- gustus 1884 twee planten, die zóó dicht bij elkander groeiden, dat een gemeenschappelijke afstamming uiterst waarschijnlijk was. Zij droegen elk een beker. Sagittaria japonica flore pleno. In den Hortus Botanicus te Amster- dam werd in Mei 1890 de op Plaat III in Fig. 6 afgebeelde beker aangetroffen. Dezelfde plant droeg ook mediane uitwassen op enkele bladeren. Scrophularia aquatica, bekertje, Hort. Amst., Juni 1890. | Taraxacum officinale. Een beker vond ik aan den straatweg tusschen Baarn en Hilversum in Mei 1886. Ulmus americana pendula. Ik bezit in mijn proeftuin twee exem- plaren, door enten verkregen van het beroemde exemplaar van den Leidschen botanischen tuin, waarvan de bekers en andere blad- misvormingen door den Heer Suringar beschreven en afgebeeld zijn). Zij vertoonen steeds dezelfde afwijkingen als de moederplant en nagenoeg telken jare. Ook in andere tuinen, zoowel te Amsterdam als elders, zag ik bekers en gedédoubleerde bladeren aan zulke boomen. Daarenboven vond ik onder ’s Graveland in Juni 1887 een kleinbladerige treuriep, die eveneens een beker voortbracht. Veronica agrestis. Een beker, in mijn proeftuin in Augustus 1889, en een uit de omstreken van Amsterdam in Juni 1894. B. Bekers van bladschijven van samengestelde bladeren. Barbarea vulgaris. Een bekervormig zijblaadje in het boven be- sproken ras in September 1892, aan een wortelblad. Ceratonia Siligua, bekervormig zijblaadje, Hort. Amst., Januari 1895. Cytisus Laburnum, beker, Amsterdam 1883, verzameld door den heer Dr. Pierre F. Spaink. 1) Kon. Akad. v. Wetenschappen, 2° Reeks Band VII, 1873. OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 543 Fraxinus excelsior, beker, Hort. Amst., Mei 1886. Gleditschia horrida, twee bekers aan een boom te Baarn, in Juni 1885 verzameld door Dr. Spaink. Metrodorea atropurpurea, beker, Hort. Amst., Mei 1886. Rhus semialata, beker, in een kas te Amsterdam, Februari 1892. Robinia Pseud- Acacia. In 1887 vond ik een beker aan den straat- weg van Hilversum naar ’s Graveland. In Juni 1883 verzamelde Dr. Spaink een drietal bladeren met bekers in den botanischen tuin te Amsterdam. Rosa gallica, vier bladeren met bekers vond ik in Juli 1886 in een tuin onder Hilversum. | Solanum Lycopersicum. In mijn proeftuin droegen in Juni 1893 twee planten elk een bekertje. Trifolium repens. Ik herinner hier aan de door Dr. J. C. Costerus in Dodonaea (IV blz. 13) beschreven en afgebeelde bekers uit mijn proeftuin in 1890. Sedert heeft deze plant telken jare een aantal Zulke bekers voortgebracht. Doch merkwaardigerwijze steeds uitsluitend aan de eerste bladeren in het voorjaar. Diphylle bekers. Behalve de boven beschreven diphylle bekers van Anagallis, Boehmeria, Magnolia en Plantago heb ik de volgende gevallen te vermelden: Crassula arborescens (C. Cotyledon Jacq.). In Juli 1889 ontving ik van den heer Dr. J. E. Rombouts een bekerdragende plant ten geschenke, die uit eene kweekerij bij Amterdam afkomstig was. Met uitzondering van het onderste deel van den stam en eenige zijtakken is nagenoeg de geheele plant op Plaat III in Fig. 13 af- gebeeld. De beker is het hoogste bladpaar en staat kruiswijs met het voor- gaande. Opmerking verdient, dat, volgens Penzig’s Teratologie, deze soort de eenige Crassulacee is, waarvan een beker bekend is. Het feit, dat de tweede beker in deze familie na zoovele jaren aan dezelfde soort werd gevonden als de eerste, wijst m. i. op een erfelijken aanleg. Vergelijkt men echter mijn voorwerp met het door Morren in 1852 afgebeelde (zie b. v. Masters Vegetable Teratology, blz. 26, Fig. 10), zoo ziet men, dat wel de plaats op den top van den stengel overeenkomt, doch dat overigens de habitus der beide bekers merk- waardig verschillend is. De in Fig. 13 afgebeelde plant droeg nog een tweeden tweebladigen beker, van denzelfden bouw als de eerste, een omstandigheid, die bij de groote zeldzaamheid dezer anomalie evenzeer voor het bestaan van een erfelijken aanleg pleit. 544 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. Dianthus barbatus. Diphylle bekers zijn voor de Duizendschoonen zeer bekend. Ik vond ze in groot aantal en in allerlei graden van ontwikkeling in mijnen proeftuin in 1893. Daarenboven ook een monophylle beker aan een der zelfde planten. Dipsacus sylvestris torsus. Diphylle bekers heb ik voor mijn ras reeds vroeger beschreven. In mijn zaaisel uit zaad van September 1892 kiemden talrijke exemplaren met deze anomalie. Evenals bij Plantago lanceolata waren het in den regel de beide eerste bladeren boven de cotylen, die tot een beker aanééngroeiden. Triphylle bekers. Ofschoon de bovenstaande lijst volstrekt niet beoogt een volledige opgave van de bekers in mijne verzameling te zijn, wil ik toch van deze gelegenheid gebruik maken om de volgende voorbeelden van de zeer zeldzame triphylle bekers aan te voeren. Silene inflata. In een tricotyl ras had een tricotyle kiemplant in April 1895 de drie blaadjes van den eersten bladkrans tot een trechtervormig lichaam vereenigd. Monophylle bekers waren in deze cultuur vrij talrijk. Eryngium maritimum, verzameld in de duinen bij Egmond aan zee in Juli 1886 door den heer H. P. Wijsman Jr., thans Hoogleeraar te Leiden. Aan deze plant zijn drie, in een krans geplaatste, bladeren rondom den stengel tot een eng, trechtervormig lichaam aanéénge- groeid. Onze lijst bevat omstreeks dertig voorbeelden van bekers, die nagenoeg allen in de laatste tien jaren in Amsterdam of zijne om- streken gevonden en levend in mijne handen gekomen zijn. Voegt men deze lijst bij de in de afdeelingen VI-IX behandelde gevallen, dan ziet men, dat de zeldzaamheid van bekers geenszins zóó groot is, als men wel meent, en zeker niet als een argument tegen hunne erfelijkheid mag worden beschouwd. BESLUIT. Uit de medegedeelde feiten mag men m. i. tot de erfelijkheid der synfisen besluiten. Als bewijzen voor deze stelling heb ik aan- gevoerd: twee door selectie gefixeerde en geaccumuleerde rassen (Hypochoeris glabra adhaerens en Helianthus annuus syncotyleus) en verder het herhaaldelijk optreden in opeenvolgende generatiën of telken jare op hetzelfde individu, deels in de rassen van mijn proeftuin, deels ook elders waargenomen. Deze proeven en waar- nemingen omvatten de adnatie van zijtakken aan hun draagtak, de connatie van schermstralen, de syncarpie, de connatie van OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 545 bladeren of bladschijven, de één- en tweebladige bekers en eindelijk de syncotylen en de amphicotylen. Sommige dezer waarnemingen voeren verder tot een dieper inzicht in het wezen der erfelijkheid in de behandelde gevallen. Ik noem de volgende: 1) De erfelijkheid is dikwijls schijnbaar ,,lateraal’’, daar zij zich slechts in de zijdelingsche takken van den stamboom vertoont, zooals de stamboom-figuur van de roode klaver ons doet zien (zie blz. 169). Zoo verder bij Amarantus, Oenothera. Het verschijnsel der amphicotylie, dat in den regel den groei der plumula verhindert, is uit den aard der zaak gewoonlijk slechts lateraal erfelijk bv. Antirrhinum, Helianthus, Raphanus. 2) Het vermogen om synfisen voort te brengen is dikwijls nagenoeg onuitroeibaar. Het is ten minste somwylen uiterst moeilijk, er zich in zijne culturen van te ontdoen, door als zaaddragers de planten te kiezen, die zoo weinig mogelijk of in ’t geheel geen synfise vertoonen (Aster, Bidens, Anethum, Polygonum Convolvulus). 3) Synfisen herhalen zich bij uitzaaiing, ook wanneer zij uiterst zeldzaam zijn, bv. slechts in één exemplaar op de 10.000 voor- komen (Amarantus; zoo ook Antirrhinum met 0.03 %). Hun ontbreken kan daarom in een aantal gevallen verklaard worden uit den te geringen omvang der cultuur. 4) In zaaisels slaan de synfisen dikwijls geheele generaties over; op houtige of overblijvende planten slaan zij niet zelden jaren over. Voorbeelden van het eerste geval geven Hesperis, Polygonum Fago- pyrum en van het tweede vooral Magnolia; verder Deutzia, Saxifraga. 5) In boomen, heesters en overblijvende planten schijnt het ver- mogen, om synfisen voort te brengen, aan individueele verschillen onderworpen te zijn (Magnolia). 6) Eindelijk hangt het zichtbaar worden der anomalie in hoogen graad van uitwendige omstandigheden af (Saxifraga). In het bij- zonder wisselen gunstige jaren met ongunstige af (Magnolia, Tilia). 7) Overal, waar door gunstige omstandigheden of door cultuur het aantal gevallen eener zelfde afwijking groot genoeg was, bleek deze, ofschoon van nature een discontinue variatie, toch zelve continu variabel te zijn. En bij voldoende materiaal bleek ook hier de wet van Quetelet en Galton van toepassing te zijn (Helianthus annuus syncotyleus). Al deze feiten bewijzen duidelijk, dat de erfelijkheid der synfisen gewoonlijk latent is en zich dan slechts van tijd tot tijd uit. Trou- 35 546 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. wens, naar het schijnt, is dit voor anomalieën de algemeene regel. Slechts bij uitzondering of in goed geselectioneerde rassen kan men vast op een jaarlijks terugkeeren rekenen (Hypochoeris) en daarbij is het nog zeldzaam, dat de groote meerderheid der individuen of der gelijknamige organen de afwijking toonen (Helianthus). Is de erfelijkheid der synfisen bewezen, dan moeten wij voor haar het bestaan van stoffelijke dragers in het protoplasma aannemen. Maar deze stoffelijke eenheden (pangenen) komen gewoonlijk niet in voldoend aantal voor of hebben ten minste niet het noodige overwicht, om meer dan zoogenoemd toevallige monstrositeiten voort te brengen. Een zeer gunstige samenloop van omstandigheden is daarom wel altijd voor het optreden van deze noodig, tenzij ze door selectie bevestigd zijn. Verklaring der Platen. Plaat I. Fig. 1-10. Hypochoeris glabra adhaerens. Synfisen uit de zevende generatie van dit ras (1894). In alle figuren is b de bractee, in wier oksel de aan den stengel vastgegroeide tak geplaatst is; s het punt, tot hetwelk zich de aanééngroeiing uitstrekt. Fig. 1-7 (1:1). Verschillende graden van aanééngroeiing van bloeiende bloemtakken. In Fig. 7 zijn hoofd- en zijtak ter nauwernood van elkaar te onderscheiden. Fig. 8-10. Hetzelfde tijdens het rijp zijn der vruchten; het bovenste (linker) hoofdje is in alle drie de figuren dat van den zijtak. Fig. 11. Bidens grandiflora (1:1). . Adnatie van den zijtak c aan den draagtak d, zich uitstrekkende van b tot s (1894). Fig. 12. Ranunculus bulbosus (1:1). Adnatie van den zijtak c aan den draagtak d, zich uitstrekkende van b tot s. Fig. 13. Pentstemon gentianoides (1:1). De okseltak van het blad b is tot aan zijn eindknop b’ aan den hoofdtak n vastgegroeid; p en q blaadjes van den zijtak, in wier oksels de bloemen p’ en q’; c een blad van het op ab volgende bladpaar van den hoofdtak, c’ zijn okseltak; het andere blad van dit paar is niet afgebeeld. Fig. 14-17. Helianthus annuus. Fig. 14-15. Syncarpie der vruchten, van ter zijde gezien (1:1). Fig. 16-17. Syncarpie der vruchten, van boven gezien (1:1). Plaat II. Helianthus annuus syncotyleus. In alle figuren beteekent: a de top van het hypocotyle internodium en dus de voet van de stelen der zaadlobben. s de hoogte tot welke de stelen der zaadlobben aan de open zijde aan elkander verbonden zijn. Alle figuren zijn naar levende voorwerpen in 1889 gephotographeerd. P1. Over de Erfelijkheid van Synfisen. Fa. P. W. M. Trap impr. Hugo de Vries, Opera. Over de Erfelijkheid van Synfisen. Hugo de Vries, Opera. Fa. P. W. M. Trap impr. Over de Erfelijkheid van Synfisen. EENS LEUR Des. DR 7 Fa. P. W. M. Trap impr. Opera. Hugo de Vries, OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 547 Fig. 1 (1:1). Een normale kiemplant. Fig. 2-8 (1:1). Verschillende graden van syncotylie, in figuur 5 en 6 van achteren, overi- gens van voren gezien. In fig. 7 is de plumula weggenomen. Fig. 9 (1:1). Een syncotyl met een doorntje p aan den voet van den inham. Fig. 10 (1:1). Een schildbeker. Fig. 11-14 (1.1). Bekers, met verschillenden graad van aanééngroeiing der cotylen. Fig. 15 (2:3), 16 (1:1) en 17 (2:3). Afwijkingen in het eerste bladpaar bij syncotylen. In Fig. 15 is blad b’ b” drietoppig, in Fig. 17 is b’ b” tweetoppig. Fig. 18-19 (1:1). Syncotylen met rugwaarts omgeslagen, gezwollen top. Plaat III. Bekers. Fig. 1-3 (3:5). Magnolia obovata. Fig. 1-2 monophylle bekers, Fig. 3 een diphylle beker (1889). Fig. 4-5 (1:2). Boehmeria macrophylla (1890). Fig. 4 een diphylle beker; a de inplanting van den steel van den beker op den top van den tak; b, b’ b” het bladpaar onder den beker; c, c’ de okseltakken daarvan. Fig. 5 een monophyl bekertje d; b c de bladen aan de beide lagere knoopen; bladstand 1:2. Fig. 6 (2:3). Sagittaria japonica (1890). Fig. 7-8 (1:1). Plantago lanceolata. Twee diphylle bekers, uit het tweede bladpaar der kiemplanten ontstaan (1890). Fig. 9-10 (1:1). Trifolium pratense; b de bekervormige bladschijf, wier randen in Fig. 9 slechts tot s aanéén zijn gegroeid (1889). Fig. 10 beker in een zesschijvig blad (1894). Fig. 11-12 (1:2). Tilia parvifolia (1886). Fig. 11 een schildvormige beker. Fig. 12 basale helft van een beker; p q de lijn, waarlangs de beide bladranden aaneengegroeid zijn. Fig. 13 (6:5). Crassula arborescens: diphylle beker, 1889. b b’ het bovenste bladpaar onder den beker, a plaats van aanhechting van den beker aan den stam. RESUME DU TRAVAIL PRECEDENT. Sur Vhérédité des soudures. Plus les phénomènes tératologiques sont rares, moins on est incliné à les considérer comme héréditaires. Pourtant il n’y a pas de contradiction intrinsèque entre l’hérédité et la rareté, et l’hérédité latente est aujourd’hui assez généralement appréciée pour donner l'explication de ces cas apparemment extraordinaires. Par une longue série de cultures je me suis convaincu que les anomalies tératologiques sont en général de nature héréditaire. Beaucoup de faits, traités en tératologie végétale, sont à mon opinion tout à fait normaux, comme les bourgeons adventifs; d’autres sont de nature contagieuse, comme la plupart des viridescences, et sauf quelques effets de blessures et quelques autres cas analogues, toute la grande série des anomalies ne comprend que des phénomènes héréditaires. Sans doute, à l’avenir, tous ces groupes ne seront plus traités ensemble. Les bourgeons adventifs par exemple rentreront dans la morphologie proprement dite, les viridescences dans la pathologie, et la tératologie deviendra un embranchement de la science de l’hérédité. Dans ma note de l’année précédente je crois avoir prouvé la 35 548 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. nature héréditaire des fascies, comme j'avais antérieurement démon- tré la possibilité de races constantes à torsion par étreinte. Mais les fascies sont les anomalies les plus communes, et les torsions ne sont pas si rares, qu’on l’admettait généralement. Pour compléter la série de mes preuves, je tenais donc à publier des résultats sur des phénomènes rares, et dont la rareté même servait jusqu’ici d’argument contre l’hérédité. J'ai choisi, pour avoir un sujet bien arrondi, le groupe des soudures ou symphysiest). Ce groupe est bien loin d’être aussi homogene que celui des fascies; on ne saurait décider à présent, si toutes les soudures sont des expressions de la même unité héréditaire (pangénétique), ou si, sans les différents cas, il y a lieu de supposer des pangènes différents. Mais dans ces cas si divergents j’ai réussi à rassembler un nombre assez considérable d’expériences et d’obser- vations sur l’hérédité. J’ose donc espérer que ma démonstration sera assez complète pour garantir la conclusion, que les soudures sont, comme les torsions et les fascies, en général héréditaires. Dans l'exposition des mes observations, l'étendue du sujet m'a forcé d’adopter un autre ordre que dans ma note sur les fascies. Toutefois je commence par la description de deux races symphiti- ques, mais j'ai groupé tous les autres cas selon nature de la soudure étudiée. En premier lieu les soudures se divisent en soudures d’organes d’ordre différent, et en soudures d’organes du même ordre. Les premières sont nommées par De Candolle les adhérences, les secon- des les cohérences. Les premières sont relativement les plus com- munes et les plus nombreuses, les dernières sont à tout égard les plus rares. Les adhérences se font principalement entre les tiges et leurs rameaux, les cohérences entre les fleurs ou les pédoncules d’une inflorescence, entre deux feuilles ou deux limbes de la même feuille. Les ascidies sont peut être les exemples les plus connus de cohérence. Quant à la méthode de démontrer l’hérédité des soudures, elle est en tout point le même que celle que j'ai suivie pour les fascies. Mais j’y ai ajouté des expériences sur l’indestructibilité de cette propriété, en démontrant qu’il est extrêmement difficile de se débarrasser des soudures dans les cultures, même par une sélec- tion suivie de porte-graines aussi peu symphitiques que possible. Mes deux races symphitiques sont l’Helianthus annuus synco- 1) Moquin-Tandon, Tératologie végétale p. 246. OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN, 549 tyleus, déjà nommé dans ma note sur les fascies et Hypochoeris glabra à rameaux terminaux soudés parfois A leurs tiges. Hypochoeris glabra adhaerens. (Planche I, fig. 1-10). On trouve parfois des individus, dont le rameau floral supérieur d’une des tiges est collé à celle-ci. Cette soudure peut être complète ou in- complete; le premier cas est le plus rare. Dans le dernier cas l’union peut avoir lieu sur une étendue plus ou moins grande de l’organe. J'ai figuré une série de ces divers degrés dans les figures 1-7, prises d’après des tiges de la septième génération de ma race. Je les avais cueillies pendant la floraison; des soudures à fruits mürs se voient dans les figures 8-10. Dans les différentes figures la lettre b indique la bractée, dont Vaisselle porte le rameau soudé; l’adhérence s'étend de b jusqu’au point de séparation s dans les cas incomplets. L’adhérence était toujours signalée sur les deux côtés par une cannelure ordinaire- ment bien visible; cette cannelure cesse abruptement à la hauteur de la bractée b. L'origine de ma race a été prise dans quelques individus trou- vés dans un champ de blé à Loosdrecht et transplantés dans mon jardin en 1888. Leurs graines donnaient l’année suivante 9 % de plantes à rameaux soudés, toutefois chacune de ces plantes ne por- tait qu’une seule soudure. Par une sélection régulière pendant les années de 1888 à 1894 et par une culture appropriée je suis arrivé à améliorer ma race à un tel degré que j'ai eu 64 % d'individus symphitiques dans ma dernière ou septième génération. Encore à d’autres points de vue ma race a montré des progrès bien sensibles. Comme je l’ai dit, on ne trouve ordinairement qu’un seul rameau à soudure parmi toutes les tiges d’un même individu. Mais déjà dans la quatrième génération j'avais deux plantes à deux soudures pour chacune; depuis, ce nombre s’est augmenté, et la septième génération a même donné deux individus dont chacun avait trois branches soudées à leurs rameaux. Ordinairement les soudures ne se montrent que dans les tiges latérales de la rosette radicale. Dans le rameau central ou terminal je ne les ai rencontrées que depuis la sixième génération, mais dans celle-ci sur cinq individus. Il y a là évidemment un progrès de même nature que celui que j’ai signalé l’année dernière pour les fascies de Taraxacum officinale et de Thrincia hirta. Helianthus annuus syncotyleus. (Planche II, fig. 1-19). En 1887 j'ai eu la chance de trouver parmi mes semis d’Helianthus annuus des individus & cotylédons soudés, qui sont devenus le point de 550 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. départ d’une race à développement exceptionnellement rapide. Ayant isolé ces individus au nombre de 18, j'ai récolté les graines sur chacun d’eux séparément. En les semant en 1888 je pouvais donc déterminer pour chaque plante mère le degré de fixation de l’anomalie déjà présent, il y en avait plusieurs qui montraient de 1 à 5 %, cinq à 12-15 % et une à 19 % d’embryons syncotyles. La dernière fut donc choisie pour fonder ma race et elle s’en trouvait bien digne, lorsque, en 1890, je semais les graines de ses enfants. Car je trouvai qu’il y en avait trois, dont la richesse en embryons syncotyles s’était augmenté jusqu’à 76 %, 81 % et 89 %. La plupart des autres en avaient environ 50 %. Depuis j’ai semé ma race presque chaque année, en choisissant toujours comme mères les individus les plus riches en enfants syncotyles et comme porte- graines les plantules à soudure aussi complète que possible. Je suis arrivé à augmenter notablement la constance de ma race, sans toutefois pouvoir prétendre qu’elle serait absolument fixée, c’est à dire tout à fait sans atavistes. Mais parmi mes cultures de mon- struosités héréditaires des races sans atavisme ne se sont pas encore produites et l’Helianthus annuus syncotyleus est de toutes celle qui se rapproche de beaucoup le plus près de cette limite. La cohérence des cotylédons a montré, dans toutes les géné- rations, des degrés très différents d'intensité, Il y en a qui ne sont soudés qu’à leur base et qui sont bien difficiles à distinguer des atavistes (Planche II, fig. 1); d’autres sont soudés sur une partie plus ou moins grande de leur longueur (fig. 2-4 et 6). Le cas le plus commun est celui d’une petite échancrure au sommet (fig. 5), tandis qu’une soudure complète, comme dans les figures 7 (vue de devant) et 8 (vue du dos) sont toujours bien rares. Tous ces degrés sem- blent former ensemble une courbe Galtonienne, dont le sommet se trouve, pour ma race, entre les formes 5 et 7. La soudure est ordinairement unilatérale. Dans de rares exem- plaires sur plusieurs milliers de plantules étudiées je l’ai trouvée bilatérale. Les cotylédons étaient alors collés ensemble en forme de bouclier (fig. 10) ou de godet (fig. 11-14). Ces derniers pouvaient être symétriques (fig. 12 et 13) ou asymétriques (fig. 11 et 14). La plumule s’est toujours trouvée incluse dans le pédoncule du bouclier ou du godet et a ordinairement été empêchée de s’accroître. Cependant en la délivrant par une incision latérale j’ai réussi à provoquer un accroissement normal, bien que tardif, de la tige. Ma race est riche en anomalies accessoires, dont j'ai figuré de curieuses dans les figures 9 et 18-19. En outre elle est remarquable OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 551 pour les perturbations que la soudure des cotylédons apporte dans la phyllotaxie, ordinairement décussée, du bas de la tige. Il y a ici toute une étude à faire sur cette influence et sur les monstruosités qu'elle peut provoquer (Comparez les figures 15-17). Cohérences foliaires sur les branches latérales de la tige, syn- carpie dans les capitules (pl. I, fig. 14-17) et fascies sont des ano- malies héréditaires point du tout rares dans ma race. Hérédité des adhérences. Des soudures de même nature que celle décrite pour l’Hypochoeris glabra ne sont point du tout rares parmi les Composées. J'en ai deux cas si bien fixés dans mes cultures que je me suis vainement efforcé de m'en débarrasser par la sélec- tion. Ils appartenaient aux genres Aster et Bidens. Aster Tripolium. Dans ma race fasciée les adhérences de branches latérales à la tige primaire étaient au commencement souvent de nature à rendre difficile ou incertaine la sélection des individus fasciés. Pour cette raison j'ai rejeté autant que possible les plantes à soudure, en ne les choisissant pas comme porte-graines. Dans cinq générations je ne suis pas encore parvenu à les éliminer; au contraire leur nombre était en 1894 encore de 26 sur 134 plantes fleuries, c'est à dire de 9 % environ. Bidens grandiflora (Planche I, fig. 11). Dans la figure la soudure s’étend de la bractée b jusqu’au point de séparation s, elle était marquée des deux côtés de la tige par une cannelure profonde. Il n’est pas rare de trouver des soudures complètes, c’est à dire à capitules cohérentes; parfois même on trouve des soudures et des capitules triples. En choisissant comme porte-graines les indivi- dus sans soudures je ne suis pas arrivé, en trois générations, à une diminution bien sensible de leur nombre. Outre ces deux espèces, j'ai trouvé héréditaire dans mes semis la mème anomalie dans les espèces suivantes: Agrostemma Githago, Barbarea vulgaris, Centaurea nigra, Pentstemon gentianoides (très- riche en soudures intéressantes, voyez p. e. la figure 13 de la planchel, où le rameau axillaire de la feuille b est soudé à la tigen jusqu’à son sommet 0’ et porte deux fleurs latérales p’ et q') et Ranuncu- lus bulbosus (fig. 12). En dehors de mes cultures, j'ai vu la même anomalie se répéter un assez grand nombre de fois sur la même espèce ou sur le même groupe d’individus, pour que je me sente autorisé à en affirmer la nature héréditaire pour les espèces suivan- tes: Brassica Napus, B. oleracea, Capsella Bursa pastoris, Dahlia variabilis, Fuchsia globosa, Fritillaria Meleagris, Hypochoeris radicata Lepidium Draba, Scrophularia nodosa et Tulipa sylvestris. 552 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. Cohérences de pédoncules et de fleurs. La cohérence des rayons dans les inflorescences des Ombelliferes est parfois si commune, comme dans le Foeniculum officinale, qu’on ne saurait douter de sa nature héréditaire. Je me suis assuré du fait par des semis répétés pendant trois générations pour l’Anethum graveolens, sans toutefois choisir les individus à rayons soudés comme porte-graines. Néan- moins l’anomalie est revenue dans chaque génération. La syncarpie parmi les Dipsacées et les Composées est aussi une propriété héré- ditaire, comme je lai fait connaître plus haut pour l’Helianthus annuus (planche I, fig. 14-17). Soudure de feuilles ou de folioles. A l'extrémité des rameaux de Deutzia crenata les deux dernières feuilles se soudent parfois en un seul limbe. Un individu du jardin botanique d'Amsterdam montre cette anomalie depuis neuf ans presque sans exception chaque année. De même les folioles de notre Akebia quinata se soudent parfois entre eux et cela à des degrés bien variables. J'ai observé ce phénomène depuis 1884 presque régulièrement sur ce même individu. Pour la soudure des feuilles sur l’Helianthus annuus comparez le texte. Syncotylie et amphicotylie. La syncotylie unilatérale, ou propre- ment dite syncotylie, et la syncotylie bilatérale ou amphicotylie se sont montrées héréditaires dans la race décrite de l’Helianthus annuus. Mais il est rare de les rencontrer fixées à un si haut degré; même dans la plupart des autres cas il est extrêmement difficile de les accumuler jusqu’à ce degré par une sélection continue durant toute une série de générations. Pourtant ces anomalies sont toujours héréditaires. Même quand elles ne se rencontrent que dans un individu sur 10,000, elles se répètent régulièrement, à la seule condition que les cultures com- prennent un nombre assez grand de graines en germination. C’est surtout l’Amarantus speciosus qui m’a offert des preuves de cette combinaison d’hérédité et de rareté: Amarantus speciosus. J'ai rencontré la syncotylie chez ma race de cette espèce pour la première fois au printemps de 1893. Sur 30.000 plantules de mères tricotyles j'avais un individu trisyn- cotyle et sur 55.000 plantules de parents hémitricotyles j'avais trois trisyncotyles; c’est à dire des tricotyles, dont les trois coty- lédons étaient soudés en un seul limbe. Je ne les ai pas fait fleurir, en choisissant d’autres comme porte-graines. Pourtant les graines de ceux-ci ont répété l’anomalie l’année suivante, car en germant elles ont donné dans la première série nommée deux plantules OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 553 syncotyles sur 10.000 et dans la seconde série deux trisyncotyles sur 12.000 individus. Centranthus macrosiphon. Les graines d’un individu syncotyle ont donné sur 99 plantes: 24 syncotyles et 13 amphicotyles. Polygonum Convolvulus. La syncotylie et notamment la tri- syncotylie ne sont pas trop rares dans ma race, depuis 1890. Leur nombre était de 1 sur 1400 en 1890; de 9 sur 6000 en 1891; de 11 sur 3000 en 1892, et de 2 sur 250 en 1894. Pourtant je ne les ai jamais choisies comme porte-graines. Le fait plaide donc bien en faveur de l’indestructibilité de cette propriété, latente dans la plupart des individus, du moins dans les porte-graines. Scrophularia nodosa. Répétition de la syncotylie en 1893 et 1894. Un individu relativement riche en graines syncotyles n’en donna que 20 sur 8000, c’est-à-dire 0,25 %. Valeriana alba. Répétition de la syncotylie en 1892, 1893 et 1894. Maximum 3 %. D'autres faits de cet ordre seront mentionnés plus tard en com- binaison avec l’hérédité des ascidies. Hérédité des ascidies; ascidies monophylles. Magnolia obovata. Cette espece et ses differentes formes, nommees a la page 529 du texte hollandais, m’ont procuré l’occasion de suivre pendant dix années la répétition presque annuelle des ascidies sur les mêmes indi- vidus et d'en étudier les lois. J'ai observé pendant ce temps sur un nombre de onze arbrisseaux en tout 116 ascidies, dont deux étaient diphylles (planche III, fig. 3) et les autres monophylles, mais de formes et de grandeur bien différentes, évidemment en dépen- dance de la forme et de la grandeur normales de la feuille trans- formée (fig. 1 et 2). On trouve à la page 530 du texte hollandais le tableau conte- nant le nombre des ascidies observées chaque année sur chaque individu. De cet aperçu on peut déduire que la faculté de produire cette anomalie est une propriété inhérente, développée à des degrés bien différents dans les différents individus. L’espéce-type, la M. obovata, a donné sur un seul exemplaire a elle seule le tiers de toutes les ascidies observées et méme les trois individus de M. Alexandrina ont bien différé entre eux. D’autre part il y a eu des années favorables et des années défavorables à l’anomalie en question et leur influence s’est ordinairement fait sentir dans le méme sens dans la majorité des individus. Avec une seule exception (M. obo- vata) la richesse en ascidies n’a pas été assez grande pour en assurer apparition dans toutes les années; chaque individu a eu une ou 554 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. plusieurs années stériles sous ce point de vue; la faculté de produire des ascidies a donc été latente pendant ces périodes, comme elle est évidemment toujours latente dans la grande majorité des branches et des feuilles. Hesperis matronalis. Ma race fasciée produit de temps en temps des ascidies. Je les ai receuillies sur des individus obtenus par division de la plante-mère de la race et ensuite après avoir sauté deux gé- nérations, dans la quatrième en 1890. Mais il fallait une culture d’environ un millier de jeunes plantes pour arriver à ce résultat. Oenothera Lamarckiana. J'ai trouvé des ascidies de cette plante dans une station près de Hilversum en 1887 et 1892 et dans mes cultures dérivées de cette localité en 1889 et 1890. De même les graines syncotyles et amphicotyles ne manquent pas dans mes diverses variétés. Saxifraga crassifolia. La constance des ascidies sur cette espèce est bien connue. J’en ai vu toute une série d’exemples. Dans ma culture le phénomène se répète régulièrement; une seule rosette portait même six ascidies en 1894. Tilia parvifolia. Espèce connue pour le même penchant. Je connais un arbre dans les environs de Hilversum qui en produit annuellement et sur lequel j'en ai compté, en 1886, 82 sur les branches inférieures; tout l’arbre doit en avoir porté cette année-là, d’après une estimation se basant sur ce chiffre, plus de 300 (pl. III, fig. 11, 12). Trifolium pratense. Les ascidies de cette espèce sont aussi bien connues, quoique rares. Elles montrent des formes bien différentes (pl. III, fig. 9 et 10). J’en ai trouvé dans mes semis depuis 1892, en tout sur neuf individus. Le parentage de ces individus est indiqué à la page 535 du texte hollandais en forme d’arbre généalogique; les individus à ascidies n’ayant jamais été choisis comme porte- graines, l’hérédité est toujours latérale allant en apparence des tantes aux nièces. C’est justement le même cas que pour le Maïs stérile héréditaire. Ascidies diphylles. Jen ai trouvé sur quelques plantes de Boehmeria macrophylla dans un jardin d’Utrecht en 1890, qui por- taient en même temps des ascidies ordinaires (Pl. III, fig. 4 et 5). Elles en avaient deux de chaque espèce. Dans mes semis de Plan- tago lanceolata (Pl. III, fig. 7 et 8) je les ai observées sur deux variétés différentes, sur l’une d’elles (la P. lanceolata coronata) en cinq exem- plaires, sur l’autre (la P. lanceolata racemosa) en combinaison avec les ascidies monophylles en grand nombre. Connexion entre les ascidies et la syncotylie. Plusieurs des faits OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 555 mentionnés tendent à établir une connexion entre les diverses formes de cohérences foliaires, tant des feuilles ordinaires que des cotylédons. Au point de vue de la Pangénèse il serait extrêmement intéressant de savoir si cette connexion nous autorise à supposer le même vecteur matériel pour toutes, mais la rareté considérable de ces phénomènes en rend l’&tude bien difficile. C'est pour cette raison que j'ai rassemblé dans un chapitre à part une série d’observations sur des individus ou des races montrant en même temps la cohérence cotylédonaire et foliaire (ascidie) et plai- dant ainsi en faveur d’une cause intrinsèque unique pour toutes les deux: Mercurialis annua. Une plante syncotyle portait en 1894 une belle ascidie foliaire, dans un semis, dont l’hérédité a atteint dans la même génération les chiffres donnés à la page 538, montrant en somme 25 % de plantules syncotyles et amphicotyles. Anagallis grandiflora. Syncotylie et ascidies sur les mêmes indi- vidus, tant pour les ascidies monophylles que pour les diphylles. Antirrhinum majus. Répétition de la syncotylie après avoir sauté une génération; 27 syncotyles et trois ascidies diphylles cotylédonaires (amphicotyles) sur 10.000 individus. Ascidie foliaire en 1894 dans la même race. | Fagus sylvatica. La syncotylie n’est pas rare chez cette espèce. M. le Dr. Wakker m’a communiqué une jeune plante portant deux ascidies foliaires. Polygonum Fagopyrum. J'en ai cultivé une race à individus tricotyles et syncotyles; elle a donné entre autres un individu amphi- cotyle et une belle ascidie foliaire. Spinacia oleracea. Ascidie foliaire sur un individu syncotyle de mon semis de 1894. Raphanus Raphanistrum. Syncotylie, amphicotylie et ascidies répétées se trouvent dans la même race, dont j'ai décrit les fas- ciations l’autre année. Rareté des ascidies. Il est très difficile de se former une idée claire de la rareté des anomalies en général. Pour les Magnolia, Tilia, Saxifraga et autres on pourrait donner le nombre moyen pour les différents individus, dans les cultures on peut calculer le nombre des individus sur le chiffre total du semis, mais très souvent on ne trouve qu’une ou deux ascidies sur une espèce, sans que jamais un autre tératologiste en ait mentionné pour la même plante. Pour donner une idée de ce degré de rareté et pour frayer le chemin à une étude plus approfondie en ce sujet, j’ai donné aux pages 541-544 une 556 OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. liste des ascidies, rassemblees par moi dans le jardin botanique d’Amsterdam, dans d’autres jardins et dans les environs de la m&me ville, dans le cours des dix dernières années. Le nombre s’eleve à une trentaine d’espèces. Pour quelques unes d’entre elles on con- naissait déjà cette anomalie, pour d’autres je ne l’ai pas trouvée mentionnée dans le traité de M. Penzig. La plupart des cas ne se présenta que sur un seul exemplaire, souvent il y en avait deux, rarement plusieurs chez la même espèce. On est prié de comparer la liste des noms spécifiques dans le texte. CONCLUSIONS. De l’ensemble des faits décrits on peut déduire la nature hérédi- taire des phénomènes de soudure. Les races améliorées par la sé- lection, la répétition du phénomène dans les générations successives de toute une série d’autres semis et la répétition souvent presque annuelle sur les espèces perennantes, sur les arbres et les arbrissaux concourent à donner la preuve de cette thèse. L’adhérence des branches à leur tige, la cohérence des rayons dans les ombelles, la syncarpie des Composées, la soudure des feuilles ou des folioles, la syncotylie et l’amphicotylie, les ascidies mono- et diphylles — toutes ces différentes formes de soudure se sont montrées de nature héréditaire. Une série d'observations conduit à une appréciation plus appro- fondie de la nature de l’hérédité dans ces cas. J’en cite les sui- vantes: 1) L’hérédité est souvent en apparence ,,latérale’’. C'est-à-dire qu’elle ne se montre que dans des branches latérales de l’arbre généalogique (p. e. dans le Trèfle, p. 535). 2) La propriété de produire des soudures paraît souvent indestruc- tible. Il est extrêmement difficile de s’en débarrasser même en choisissant comme porte-graines les individus le moins ou point du tout atteints par l’anomalie (Aster, Bidens, Anethum, Polygo- num Convolvulus, etc.). 3) Les soudures peuvent se répéter dans les semis, même quand elles sont extrêmement rares, à raison de 1 par 10,000 individus et plus (Amarantus et beaucoup d’autres). Leur manque dans d’autres semis doit donc bien souvent seulement être attribué à l’étendue insuffisante de la culture. 4) Dans les semis les soudures sautent souvent des générations entières, dans les arbustes et les plantes pérennantes elles sautent souvent des années (Magnolia). OVER DE ERFELIJKHEID VAN SYNFISEN. 557 5) Dans les arbres, les arbustes et les plantes pérennantes lin- tensité de la propriété de produire des soudures parait différer d’un individu à un autre (Magnolia). 6) La manifestation de cette propriété dépend à un haut degré des circonstances extérieures. Les Magnolia montrent des années favorables et des années défavorables. En résumant, fous ces faits démontrent que l'hérédité des soudures est ordinairement latente et ne se manifeste qu’occasionellement. Telle est, à ce qu’il paraît, la règle générale pour les ano- malies. C’est seulement dans les races bien sélectionnées qu’on peut parvenir à des répétitions annuelles assurées (p. e. Hypochoeris glabra adhaerens); et la constance de l’anomalie dans la grande majorité des individus, et plus encore des organes, semble être un cas bien exceptionnel, dans les cultures. L’Helianthus annuus syncoty- leus en est un exemple bien rare. Le fait de l’hérédité nous oblige à supposer pour les soudures des vecteurs matériels dans les protoplastes. Mais ni le nombre, ni l'influence de ces vecteurs (pangènes) ne paraît ordinairement deve- nir assez grand, pour assurer plus qu’une apparition occasionelle de ces anomalies. Un concours très favorable de circonstances exté- rieures semble toujours être nécessaire à leur manifestation, à moins qu'elles ne soient fixées et accumulées par la sélection. (Botanisch Jaarboek, uitgegeven door het kruidkundig genootschap Dodonaea, 1895, Bnd. VII, blz. 129.) EINE ZWEIGIPFLIGE VARIATIONSCURVE. Mit 2 Figuren im Text. Durch die berühmten Untersuchungen von Quetelet und Galton hat sich bei dem Studium der Variabilität auf anthropologischem Gebiete die statistische Methode seit langer Zeit Bahn ‚gebrochen. Aber erst in den letzten Jahren fängt sie an, auch das Gebiet der Zoologie und der Botanik zu betreten. Dabei hat sich einerseits das Quetelet-Galton’sche Gesetz auch für Thiere und Pflanzen als gültig erwiesen, andererseits haben sich, gleich beim Anfang, Abweichungen oder Ausnahmen ergeben, welche, obwohl auf anthropologischem Gebiete nicht ganz unbe- kannt!), doch erst jetzt ganz besonders in den Vordergrund getreten sind. Solche Ausnahmen sind z. B. die doppelten und die halben Va- riationscurven. Die ersteren sind zweigipflig und werden von Bateson, ihrem Entdecker auf zoologischem Gebiete, dimorph genannt, während der Name monomorph für die gewöhnlichen oder eingipfligen Curven vorgeschlagen wird?). Die halben sind ein- seitig und würden nach derselben Nomenclatur als hemimorph bezeichnet werden können?). Mehrgipflige oder pleiomorphe Curven sind, so weit mir bekannt, bis jetzt noch nicht veröffentlicht worden, doch werden auch solche wohl nicht lange auf sich warten lassen. In den gewöhnlichen Fällen von Variabilität gruppiren sich die Individuen in Bezug auf das untersuchte Merkmal derart, dass die 1) Zweigipflige Curven kommen auch beim Menschen vor und werden hier als die Folgen unvollständiger Verschmelzung von während vieler Jahrhunderte gemischten Typen betrachtet. Vgl. Ammon, Die natürliche Auslese beim Menschen. 1893. 2) W: Bateson and H. H. Brindley, On some cases of Variation in Secondary sexual Characters, in Proceedings Zool. Soc. London, 1892, Part IV, pag. 585. Dieselben Thatsachen sind gleichfalls beschrieben in Bateson’s neuem Buche: Materials for the study of Variation. London, 1894. 3) Les demi-courbes Galtoniennes comme indice de variation discon- tinue, Opera V, p. 494. EINE ZWEIGIPFLIGE VARIATIONSCURVE. 559 Abweichungen vom Mittel symmetrisch um dieses als um ein Centrum grösster Dichte geordnet sind. Je grösser die Abweichungen vom Mittel nach beiden Seiten werden, um so seltener sind sie. Die Abweichungen folgen dabei dem bekannten Gesetz der Wahrschein- lichkeitslehre. Bateson entdeckte nun bei Insekten zwei Fälle, in denen die Variation sich anders verhielt. Die Individuen, in denen das be- treffende Merkmal nahezu seinen mittleren Werth hatte, waren nicht die zahlreichsten, sondern im Gegentheil verhältnissmässig sehr selten. Die eine Hälfte der Individuen gruppirte sich um ein Centrum grösster Dichte unterhalb, die andere um ein solches Centrum ober- halb des Mittels. Die an den citirten Stellen abgebildeten Curven sehen, für jedes einzelne Beispiel, aus als zwei vollständige, neben einander gestellte Variationscurven, welche sich gerade berühren, keineswegs erheblich über einander greifen. Betrachten wir beide Fälle etwas eingehender. Der erstere be- zieht sich auf den gewöhnlichen Ohrwurm (Forficula auricularia), und zwar auf die Zange, welche die Männchen am Hinterleib tragen. Es kommen Formen mit sehr langer, und andere mit ganz kurzer Zange vor. Unter 583 Individuen von den Farne-Inseln an der Küste von Northumberland war das Minimum der Zangenlänge 2,5 cm, das Maximum 9 cm. Mittlere Formen mit etwa 5 cm Länge waren äusserst selten, dagegen waren einerseits solche mit 3,5 cm, andererseits solche mit 7 cm die häufigsten. Und um diese waren die übrigen nach den bekannten Regeln geordnet. Es gab also offenbar zwei Formen, welche aber auf diesen Inseln gemeinsam und mit einander gemischt lebten. An anderen Stellen fand sich entweder eine ähnliche Mischung, oder die eine Form mit Aus- schluss der andern. So kamen z. B. in einem Garten in Cambridge fast nur kurzzangige Individuen vor, ebenso in einem Garten bei Durham. Ob auch die langzangige für sich allein vorkommt, bliebe noch zu untersuchen. Das zweite Beispiel bildet ein javanischer Käfer mit grossen Hörnern (Xylotrupes Gideon). In 342 Männchen wurde das Horn des Kopfes gemessen; die Länge wechselte von 0,4—2,4 cm. Gerade in der Mitte bei 1,4 cm zeigt die construirte Curve aber ihren tiefsten Punkt, nach links und rechts von dieser Stelle stehen zwei an- scheinend von einander unabhängige Variationscurven. Es giebt somit eine langhornige und eine kurzhornige Form. Ueber die Ur- sache dieser Verschiedenheit konnte Näheres nicht angegeben werden. 560 EINE ZWEIGIPFLIGE VARIATIONSCURVE. Ein ähnliches Zerfallen der Variationscurve in zwei benach- barte hat Weldon für die Breite der Stirn von Carcinus moenas angegeben. In diesem Falle fand aber Giard, dass der eine Gipfel der Weldon’schen Curve von Individuen herrührt, welche durch den Parasiten Portunion moenadis missgebildet sind; es wäre also nur der zweite Gipfel der Curve normal!). Giard weist darauf hin, dass ähnliche Fälle von parasitärem Dimorphismus gar nicht so selten sind und dass sie, naclı der statistischen Methode von Quetelet und Galton behandelt, offenbar in der Regel zur Aufstellung zwei- gipfliger Curven Veranlassung geben würden. Er vermuthet sogar, dass auch bei den Ohrwürmern in den von Bateson studirten Fällen Parasiten im Spiele sein dürften, da bei ihnen Gregarinen bekannt- lich gar häufig sind und eine ganz bedeutende Verkleinerung der sekundären Sexualcharaktere herbeiführen können. Ohne Zweifel wird ein näheres Studium eine ganze Reihe von dimorphen Curven mit Parasiten als Ursachen zu Tage fördern; in anderen Fällen können aber, wie Giard ausdrücklich betont, auch andere Ursachen den Dimorphismus hervorrufen. Namentlich sind unter diesen Ursachen Rassenverschiedenheiten, als die theoretisch wichtigsten, zu vermuthen. Bei dieser Sachlage schien es mir nicht ohne Interesse, eine be- reits im Jahre 1892 von mir aufgefundene zweigipflige Curve be- kannt zu machen. Denn hier handelt es sich ganz offenbar nicht um Parasitismus, sondern um eine Rassenverschiedenheit, welche sich durch Selection sofort fixiren lässt. Und obgleich ich meinen Züchtungsversuch noch keineswegs für abgeschlossen halte und auch eine mehr allseitige Wiederholung vorhabe, so öffnet der Fund doch den Weg zur Auffindung mehrerer analoger Fälle und möchte ich somit das Studium zweigipfliger Curven in dieser Rich- tung auch Anderen empfehlen. Gegenstand meiner Untersuchung ist die Anzahl der Strahlen- blüthen in den Blüthenköpfchen der gemeinen Saat-Wucherblume (Chrysanthemum segetum), einer bei uns auf Aeckern häufigen Composite. Ueber die Anzahl der Strahlenblüthen der Compositen liegt 1) A. Giard, Sur certains cas de dédoublement des courbes de Galton dus au parasitisme et sur le dimorphisme d’origine parasitaire [Comptes rendus, T. CXVIII (Avril 1894), pag. 870]. EINE ZWEIGIPFLIGE VARIATIONSCURVE. 561 bereits eine wichtige statistische Untersuchung von F. Ludwig!) vor, in der für eine Reihe von Arten grössere Reihen von Zählungen gemacht worden sind. Auf einer Tafel sind die sich daraus er- gebenden Curven dargestellt. Sie zeigen auf den ersten Blick die Gültigkeit des Quetelet’schen Gesetzes, sind in ihren grossen Zügen symmetrisch und eingipflig, also völlig normal. Die genauere Be- trachtung ergiebt aber das Vorhandensein mehrerer kleinerer se- cundärer Maxima, welche auch bei Zählungen von mehreren tausend Blüthenköpfchen nicht verschwinden, sondern sich konstant erhalten, welche also für die betreffenden Arten characteristisch sind. Die Erörterungen des Verfassers über diese secundären Maxima führen zu Vorstellungen über den Begriff der Einheit in den erblichen Eigenschaften, welche eine hohe theoretische Bedeutung bean- spruchen. Für die Beurtheilung meines Versuches wichtig ist aber die Lage des Hauptgipfels bei den verschiedenen Arten. Es werden folgende Beispiele angeführt. Der Gipfel der „Strahlencurve‘“, das heisst der Curve für die Strahlenblüthen im Köpfchen, lag für Senecio Fuchsii auf 5, für Anthemis arvensis und Achillea Ptarmica auf 8, für Anthemis Cotula auf 13, für Chrysanthemum inodorum und C. Leucanthemum auf 21. Nun bilden die Zahlen 5, 8, 13 und 21 einen Theil der bekannten Braun’schen Reihe für die Blattstellung ®). Es liegt ihnen also ein bestimmtes Wachsthumsgesetz zu Grunde. Oder, nach unserer jetzigen Nomenclatur, sie sind als Zeichen discontinuirlicher Variation zu betrachten, während die zwischen ihnen liegenden Zahlen, welche den übrigen Ordinaten jeder einzelnen Curve angehören, Aeusserungen continuirlicher Variation sind. Aus eigener Erfahrung kann ich diese wichtige Entdeckung be- stätigen. Grössere Zählungen in meinen Culturen ergaben z. B. für Bidens grandiflora den Gipfel der Strahlencurve auf 5, für Coreopsis tinctoria auf 8, für Madia elegans auf etwa 21. Die Zahl 13 fand Dr. Ed. Verschaffelt auch für den Gipfel der Curve von Anthemis Cotula®), unweit Amsterdam bei Hilversum gesammelt, also von einer ganz anderen Gegend als das Material Ludwig’s. ı) Prof. Dr. F. Ludwig, Botanische Mittheilungen. Die constanten Strahlencurven der Compositen und ihre Maxima. Mit einer Tafel. Schriften d. naturf. Gesellsch. zu Danzig, N. F. Bd. VII, Heft 3, 1890. 2) In dieser Reihe ist jede Zahl gleich der Summe der beiden voran- gehenden, z. B. 5 + 8 = 13, 8 + 13 = 21. 3) Dr. Ed. Verschaffelt, Ueber graduelle Variabilität von pflanzlichen Eigenschaften. In Berichte d. deutschen Bot. Gesellsch., Bd. XII, 1895, pag. 354- 36 562 EINE ZWEIGIPFLIGE VARIATIONSCURVE. Die Curven Ludwig’s sind monomorph, die Lage des Gipfels ist characteristisch für die Species. Die Zahlen 5, 8, 13, 21 sind somit Artmerkmale; die Abweichungen von diesen typischen Zahlen ge- horchen der Hauptsache nach den Gesetzen der continuirlichen Variation. Ich fand nun in meiner Cultur von Chrysanthemum segetum, in 1892, wie bereits erwähnt, eine zweigipflige, dimorphe Curve. Und das Merkwürdige an dieser Curve ist, dass ihre beiden Gipfel genau zwei Zahlen aus der Ludwig’schen Reihe entsprechen. Der eine Gipfel lag bei 13, der andere bei 21 Strahlenblüthen. Der erstere entspricht dem Artmerkmal von Anthemis Cotula, der zweite dem Artmerkmal der beiden anderen, von Ludwig ange- führten Arten von Chrysanthemum, C. Leucanthemum und C. ino- dorum. Die sonst bei den Compositen getrennten Artmerkmale traten also in meinem Versuchsgarten bei derselben Species und in derselben Cultur auf. Bereits dieser Umstand schliesst jeden Gedanken an einen Para- siten als etwaige Ursache der Curvenverdoppelung aus. Es liegt hier offenbar eine Rassenverschiedenheit vor. Es müssen zwei Rassen von Chrysanthemum segetum existiren, deren eine dieselbe Strahlenzahl wie die anderen oben erwähnten Arten von Chrysan- themum hat, während die zweite das Artmerkmal der Anthemis Cotula trägt. Meine Cultur war selbstverständlich nicht in der Hofinung an- gestellt, eine zweigipflige Curve aufzufinden, sondern zu einem ganz anderen Zwecke. Die Curve ergab sich erst aus den Zahlen, welche bei der Selection aufgezeichnet wurden. Und da bei der Selection die Individuen mit mehr als 13 Strahlenblüthen im ersten Köpfchen ausgerodet wurden, konnte ich nachträglich nur die eine vermuth- liche Rasse fortsetzen. Zufälligerweise ist dies jene, deren Art- merkmal nicht dasselbe ist wie bei C. Leucanthemum und C. ino- dorum. Ich behalte mir vor, durch eine Wiederholung meines Versuches und Selection der beiden vermuthlichen Rassen, auch die Existenz der zweiten thatsächlich zu beweisen. Der Beweis für die Existenz einer Rasse mit einer monomorphen Strahlencurve, deren Gipfel auf 13 liegt, ist aber in meinem Versuche völlig erbracht worden. Die Aussaat der Samen, welche 1892 auf den Samenträgern mit 13 Strahlenblüthen gesammelt wurden, ergab 1893 eine monomorphe Curve; der zweite Gipfel war völlig ver- schwunden. EINE ZWEIGIPFLIGE VARIATIONSCURVE. 563 Nach dieser kurzen Uebersicht will ich jetzt die Einzelheiten meines Versuches eingehender beschreiben. Im Winter 1891—1892 erhielt ich durch den Samenaustausch der botanischen Gärten Samen von Chrysanthemum segetum aus fast 20 verschiedenen Gärten. Alle diese Portionen wurden durch einander gemischt und am 7. Mai 1892 zur Aussaat verwendet. Es waren im Ganzen 10 ccm Samen, jedoch grossentheils von ge- ringer Keimfähigkeit. Als im Juli die Pflanzen anfingen zu blühen, hatte ich nahezu hundert meist kräftige Individuen. Meine Aussaat war somit eine Mischung und es liegt die Mög- lichkeit auf der Hand, dass die beiden, sich darin später heraus- stellenden Rassen aus verschiedenen Bezugsquellen stammten. Bei einer Wiederholung des Versuches beabsichtige ich somit die Samen von den einzelnen Quellen getrennt auszusäen. Während der Blüthe habe ich zunächst die Curve nicht für die einzelnen Köpfchen, sondern für die einzelnen Individuen bestimmt. Als Merkmal für das Individuum galt dabei die Anzahl der Strahlen- blüthen im Endköpfchen des Hauptstammes. Dieses blüht fast aus- nahmslos zuerst und hat bei mittleren Individuen dieselbe oder doch annähernd dieselbe Anzahl Strahlenblüthen als die meisten der übrigen Köpfchen, bei strahlreicheren Individuen ist es oft etwas reicher ausgestattet als das Mittel der übrigen. Ich hatte im Ganzen 97 blühende Pflanzen; die Anzahl der Strahlenblüthen im Endköpfchen ihres Hauptstammes ist durch die beiden folgenden Zahlenreihen angegeben. Die obere Zeile enthält die Anzahl der Zungenblüthen pro Köpfchen; in der unteren Zeile steht unterhalb jeder Zahl die Anzahl der Individuen, deren primäres Köpfchen diese Zahl aufwies. Strahlencurve für 1892. Strahlenblüthen: 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22. Individuen: 2,3213. 74.0.9 77710 122091, Die Curve, welche diesen Zahlen entspricht, ist in Fig. I vor- gestellt. Sie ist deutlich zweigipflig; ihre Gipfel entsprechen den Merkmalen der oben erwähnten anderen Compositenarten (13 für Anthemis Cotula; 21 für Chrysanthemum spp.). Bei dieser Selection habe ich, entsprechend dem Zwecke, den ich damals bei meinem Versuche vorhatte, jedes Individuum, welches im Endköpfchen mehr als 13 Strahlen hatte, sofort nach der Zählung ausgerodet. Als meine Zahlenreihe fertig war, und sich die Form der Curve ergab, hatte ich also nur die Individuen mit 36* 564 EINE ZWEIGIPFLIGE VARIATIONSCURVE. 12 und mit 13 Strahlen übrig. Ein solches Verfahren kostet einer- seits viel weniger Zeit als das Markiren aller einzelnen Individuen; andererseits kann man die Zählungen täglich an Köpfchen vor- nehmen, welche gerade im Begriff sind, sich zu öffnen, wodurch man die auszurodenden von der Befruchtung der übrigen ohne Weiteres ausschliesst. Fig. 1. 7 Q Ez o 7 7% 13 + 6 9 7 10 72 zo 7 o Chrysanthemum segetum. Gemischte Saat. Curve der Strahlenblüthen im primären Köpfchen von 97 Individuen in 1892. Die obere Zahlenreihe giebt die Anzahl der Strahlen, die untere die der Individuen mit dieser Strahlenzahl, für jeden Ordinaten. Als kurze Zeit nach Ablauf dieser Selection die ausgewählten Samenträger reichlich blühten, zählte ich auf ihnen die an den Seitenzweigen entstandenen Köpfchen mit mehr als 13 Strahlen, um zu erfahren, ob sich an diesen Pflanzen vielleicht auch der zweite Gipfel (auf 21) noch zeigen würde. Es waren im Ganzen 101 Köpfchen. Das Ergebniss findet man in der folgenden Zusammen- stellung, welche in derselben Weise angeordnet ist, wie die obige, in die aber der Gipfel der Curve, der auf 13 lag, nicht aufgenommen ist. Die Köpfchen mit 13 Strahlenblüthen habe ich nicht gezählt, nur geschätzt. Strahlencurve der Samenträger von 1892. Strahlenblüthen: 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22. Köpfchen: = 4918.17, Tuur rd dr Bor RUE Die für die Samenernte ausgewählten . Individuen enthielten also das Maximum auf 21 nicht. Die mitgetheilte Zählung wurde am 10. August abgeschlossen. Später öffnete sich allerdings auf diesen Pflanzen noch eine nicht unerhebliche Anzahl von Köpfchen, die aber nach und nach kleiner und schwächer wurden. Dabei wurde die Variabilität immer ge- ringer, d. h. stets wurden weniger Köpfchen mit höheren Zahlen EINE ZWEIGIPFLIGE VARIATIONSCURVE. 565 ausgebildet, bis schliesslich fast alle jüngsten Köpfchen nur 13 oder 14 Zungenblüthen trugen. Bei allen diesen Zählungen wurde nur ein einziges Köpfchen mit 11 Strahlen gefunden und kein einziges mit 10 oder weniger. Von den Samenträgern wurde der Samen im September ge- erntet; sie lieferten zusammen etwa 30 ccm Samen, welche gemischt aufbewahrt wurden und von denen etwa die Hälfte zur Aussaat im nächsten Jahre (1893) diente. In diesem Jahre hatte ich im Juli 162 blühreife Pflanzen. Ich zählte die Strahlen in ihren Endköpfchen und erhielt also für jedes Individuum eine Zahl. Ich stelle diese Zahlen, nach dem obigen Schema, in die folgende Uebersicht zusammen: Strahlencurve für 1893. Strahlenblüthen: 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Individuen: AIMENT IRD 2577 À 2 Aen Die diesen Zahlen entsprechende Curve ist in Fig. 2 abgebildet. Man sieht, dass sie völlig eingipflig ist. Sie ist nicht mehr die Curve gemischter Rassen, sondern die einer reinen Rasse. Ihr Gipfel ist derselbe wie der eine von 1892 und liegt auf 13, dem für Anthemis Cotula, wie mehrfach hervorgehoben, als Artmerkmal gültigen Werth. Individuen mit 21 Strahlen im primären Köpfchen fehlen; die zweite vermuthete Rasse von 1892 ist also hier völlig verschwunden. Erwähnenswerth ist ferner, dass der constant gebliebene Gipfel jetzt viel schärfer auf 13 liegt, d. h. dass die Variabilitätscurve viel enger und steiler geworden ist. Die drei Individuen mit 8 und 9 Strahlen waren Schwächlinge; sie wurden ausgerodet; ebenso wurden einige schwache Individuen mit 11 und 12 Strahlen getötet. Als Samenträger erhielt ich die kräftigen Pflanzen mit diesen Zahlen; es waren eine mit 11 und 10 mit 12 Strahlen im Endköpfchen. Alle Pflanzen mit 13 oder mehr Strahlen wurden ausgezogen, ohne sie weiter zur Blüthe gelangen zu lassen. Die ausgewählten Samenträger wurden kurze Zeit nach der Selection einer eingehenderen Prüfung unterworfen. Dazu wurden die Strahlen ihrer Köpfchen, als sie deren je 2—3 öffneten, gezählt. In derselben Weise wie oben entstand dadurch die folgende Doppel- reihe: Samenträger in 1893. Strahlenblüthen: 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 Köpfchen: D'OR CASE T 2 AR 566 EINE ZWEIGIPFLIGE VARIATIONSCURVE. Im Ganzen 27 zweigständige Köpfchen, von denen nahezu die Hälfte die Gipfelzahl aufwies. Das Maximum von 21 war auch hier völlig verschwunden. Am 8. August wurde diese Zählung wiederholt, mit Ausschluss der in obiger Doppelzeile aufgeführten Köpfchen. Wie im vorigen Jahre hatte die Variabilität bedeutend abgenommen; es gab nur noch Köpfchen mit 12, 13 und 14 Strahlen. Die Zählung ergab: Fig. 2. 74 18 19 20 25 7 7 1 2 0 3 7 8 9 10 17 12 7. o 2 1 a 7 13 9% CE Chrysanthemum segetum. Aussaat nach Selection der dreizehnstrahligen Pflanzen. Curve der Strahlenblüthen im primären Köpfchen von 162 Individuen in 1893. Die obere Zahlenreihe giebt die Anzahl der Strahlen, die untere die der Individuen mit dieser Strahlenzahl, für jeden Ordinaten. Samenträger im Herbst 1893. Köpfchen mit 12 Strahlenblüthen 6 ” ” 13 ” 65 ” ” 14 ” 10 Auch hier lag der Gipfel der Curve scharfer auf 13 als im vorigen Jahre, wo die Köpfchen mit 14 Strahlen noch verhältnissmässig zahlreich waren. Von diesen elf Pflanzen erntete ich den Samen getrennt. Von drei unter ihnen, deren Endköpfchen 12 Strahlen hatte, säete ich den Samen in 1894 aus, um dadurch die Reinheit der erhaltenen Rasse EINE ZWEIGIPFLIGE VARIATIONSCURVE. 567 noch besser zu prüfen. Und zwar von jeder Mutterpflanze auf einem besonderen Beet. Jedes Beet hatte etwa 2 qm Oberfläche. Im Juli, als die Endköpfchen zu blühen anfingen, zählte ich ihre Strahlenblüthen. Ich hatte somit wiederum für jedes Indivi- duum eine Zahl, welche als Merkmal für dieses dienen konnte. Ich machte die Zählungen für jedes der drei Beete getrennt und erhielt somit eine Zahlenreihe (Curve) für jede der drei Familien. Die er- haltenen Zahlen, in der üblichen Weise zusammengestellt, sind die folgenden: die Zahlen I, II, III bedeuten die drei Familien. Strahlencurven für drei Familien in 1894. Strahlenblüthen: 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Individuen: I “OMO sbo 09187: 3 4 1.002773 i KRO DIE AM vee. BT BOO 072 TO y [LE tae ooo zer) 12 00-00 Súmmeal -DIP Ne 18181 221,50 85 4 3: 1 29 Die Anzahl der Individuen in den einzelnen Familien betrug somit | I Il III Summe. 101 124 mS 338. Wie man sieht, sind die Strahlencurven wiederum eingipflig; ihr Gipfel liegt, wie in 1893, auf 13; auch sind sie ebenso steil wie damals. Unter sich differiren die drei Familien nur innerhalb der Grenzen der gewöhnlichen Beobachtungsfehler. Von dem anfäng- lichen zweiten Gipfel fehlt auch jetzt jede Spur. Eine genauere Vergleichung der Zahlenreihen von 1893 und 1894 erhält man, wenn man nach Galton’s Vorgang den Mittel- werth und die Weite des Variirens berechnet. Als Mittelwerth nimmt Galton jenen, der von der Hälfte der Individuen über- schritten, von der anderen Hälfte aber nicht erreicht wird. Dabei wird freilich ein völlig continuirliches Variiren vorausgesetzt und nicht ein stufenweises, wie solches durch die Natur des Merkmales bedingt ist. Es wird somit der Mittelwerth durch Interpolation be- rechnet; er braucht nicht eine ganze Zahl zu seint). In dieser Weise fand ich: ı) Es würde zu weit führen, hier die ganze Auseinandersetzung ein- zuschalten. Ich verweise auf Galton’s Natural Inheritance. Vgl. auch Verschaffelt, Berichte d. deutschen Bot. Gesellsch. 1. c. Qt lep} oo EINE ZWEIGIPFLIGE VARIATIONSCURVE. Galton’s Medianwerth für 1893 13.1 für 1894 13.1 also genau dieselben. Die Weite des Variirens misst Galton nach dem Umfange der mittleren Gruppe auf der Curve, welche Gruppe genau die Hälfte der Individuen umfasst. Die Entfernung der beiderseitigen Grenzen dieser Gruppe vom Medianwerth wird wiederum durch Interpolation berechnet; bei einer symmetrischen Curve sind beide Werthe selbstverständlich einander gleich. Die eine Grenze wird nach oben von genau einem Viertel der Individuen überschritten; die andere ebenso nach unten. Diese Werthe nennt Galton die Quartile. Ich finde nun Quartilwerth nach Galton Q, Q, für 189310: 0:41. 10.6 für 1894 04 0.4 Die Differenz ist unbedeutend. M. a. W. die Curven von 1893 und 1894 sind gleich steil. Und da auch ihr Gipfel genau dieselbe Lage hat, so würden sie einander, in gleichem Maassstabe ausgeführt, genau decken. Die Fig. 2 kann also auch für die Curve von 1894 gelten. ‚Aus obigen Werthen lässt sich ferner der von Verschaffelt ein- geführte Werth V =? berechnen. Nimmt man für Q das Mittel aus den obigen Zahlen, so erhält man: 0.45 V= pin 0.034 Vergleicht man diese Zahl mit dem von Verschaffelt angegebenen Werthe für die Strahlencurve von Anthemis Cotulat) und mit dem entsprechenden Werthe für Coreopsis tinctoria, abgeleitet aus meiner Cultur von 18932), so erhält man die folgende Zusammen- stellung: Anthemis Cotula V — ` = 0.077 0.4 Coreopsis tinctoria V = 817 0.049 0.4 Chrysanthemum segetum V = a = 0.034. 1) Le. pag. 354. 2) Opera V, S. 497. EINE ZWEIGIPFLIGE VARIATIONSCURVE. 569 Zusammenfassung. 1) Aus gemischten Samen von verschiedenen Bezugsquellen gab Chrysanthemum segetum, für die Anzahl der Strahlenblüthen im Endköpfchen des Hauptstammes, eine zweigipflige Curve (Fig. 1, pag. 564). 2) Die beiden Gipfel dieser Curve lagen auf 13 und 21 Strahlen- blüthen und entsprechen somit den Gipfeln der betreffenden ein- gipfligen Curven bei anderen Compositenarten (Anthemis, Chry- santhemum Leucanthemum). 3) Die Artmerkmale zweier verwandten Arten traten also hier in der Curve einer einzigen Art neben einander auf. 4) Diese Thatsachen führten zu der Vermuthung von zwei Rassen von Chrysanthemum segetum, deren eine dreizehnstrahlig, deren andere aber einundzwanzigstrahlig sein wiirde. In beiden Rassen wiirde diese Zahl aber, nach dem Quetelet-Galton’schen Gesetze, continuirlich variiren. In der gemischten Saat wiirden die zwei Curven also über einander greifen und in dieser Weise die Zwei- gipfligkeit, den Dimorphismus, hervorrufen. 5) Durch Selection müssen sich die beiden Formen trennen und als reine Rassen fortpflanzen lassen. Ich habe dieses nur für die dreizehnstrahlige Rasse ausgeführt; sie zeigte schon in der nächsten . Generation (1893) eine eingipflige, symmetrische, also normale Variationscurve (Fig. 2, pag. 566). Der Gipfel lag genau auf 13 (Me- dianwerth nach Galton: 13.1). 6) Diese Rasse erhielt sich auch in der darauffolgenden Generation (1894) völlig constant und in derselben Weise continuirlich variirend. 7) Die Strahlencurven Ludwig’s sind zwar eingipflig und mono- morph, zeigen aber secundäre Maxima, deren Lage den Artmerk- malen verwandter Arten entspricht; es wäre nach obigen Erfahrungen zu erwarten, dass sie vielleicht versteckten Nebenrassen entsprechen könnten. Sollte sich diese Vermuthung durch Selectionsversuche als richtig herausstellen, so hätte man hier vielleicht das Material, eine „entstehende Art“ experimentell zu studiren. (Archiv für Entwickelungsmechanik der Organismen, Bd. II, 1895, S. 52.) SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. Depuis bientôt une dizaine d’années je cultive au jardin bota- nique d’Amsterdam une serie de monstruosites tres differentes au point de vue morphologique. Dans ces semis répétés les fascies, les soudures, les torsions, la tricotylie, la syncotylie et presque toutes les autres anomalies que j'ai essayées se sont montrées héréditaires. Elles peuvent être fixées et accumulées à un degré souvent bien considérable, sans toutefois produire des races abso- lument exemptes de réversions. Cette tendance à l’atavisme est peut-être un des traits les plus caractéristiques des monstruosités, quand on les compare aux variétés ordinaires. Elle donne aux courbes galtoniennes la forme particulière que je me propose de décrire dans cet article. Pour pouvoir construire une courbe, il est absolument nécessaire de disposer d’un nombre relativement considérable d'observations. C’est pourquoi la rareté des monstruosites dans la nature rend cette étude impossible dans la plupart des cas ordinaires. Elle ne devient accessible dans ces cas que par la culture de races monstrueuses héréditaires. C'est donc cette méthode que j’ai choisie, dès le com- mencement de mes recherches, pour parvenir à mon but. Quand on possède une race et en connaît le nombre moyen d'individus monstrueux, il ne dépend évidemment que de l'étendue de la culture de produire un nombre suffisant d'exemplaires pour en dériver la courbe. La forme typique de la courbe des monstruosités est représentée par la figure 1. Elle est caractérisée par deux sommets, dont l’un se trouve à l’une des extrémités, l’autre au milieu de la ligne. Le premier sommet correspond aux individus atavistes, c’est-à-dire ne différant pas de la forme ordinaire de l’espèce. L'autre sommet correspond aux individus typiques de la race; c’est le degré le plus commun que prend la monstruosité. Les formes intermédiaires d’une part et les formes excessives d’autre part sont plus rares que ce degré moyen. SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. 571 J'ai rencontré cette forme bien caractérisée de la courbe des mon- struosités dans les cas les plus différents au point de vue morpholo- gique. Je ne doute pas qu’elle soit bien générale. Mais je me bornerai aujourd’hui à décrire un seul exemple, pris dans ma race fasciée de Crepis biennis. i | Se | a Lj f HHEH SED HH H HEHEHEHEHE EHH Forme typique de la courbe galtonienne des monstruosités. Fascies de Crepis biennis; a, sommet des atavistes; b, sommet des fascies. Les chiffres 2-20 à la base de la figure donnent la largeur des tiges en centimètres (0 — atavistes; 1 = élargies seulement au sommet). La hauteur des ordonnées correspond au nombre des individus dans chaque groupe (unité = 0.25 cm.). Nombre total des individus : 146. Notre nouvelle courbe se rattache d’une manière évidente aux autres courbes anormales, trouvées dans mes cultures. C’est-a- dire à la courbe dimorphe du Chrysanthemum segetum et aux demi- courbes des variétés naissantes. La courbe dimorphe du Chrysanthemum segetum") se rapporte au nombre des fleurs ligulées dans les capitules. M. Ludwig a dé- 1) Eine zweigipflige Variationscurve, Opera V, p. 558. 572 SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. montré que ce nombre suit, pour les différentes espèces des Com- posées, la formule phyllotaxique de Braun!). Les nombres moyens sont donc 5, 8, 13, 21, 34, etc., et chaque espèce a, dans cette série, son chiffre caractéristique, autour duquel le nombre réel des fleurs ligulées varie suivant la loi générale de Quetelet. Pour toute une série d’especes je me suis assuré de la valabilité de cette loi. La seule exception que j’aie trouvé jusqu’a présent est donnée par le Chrysanthemum segetum, dont j’avais en 1892 une culture assez grande pour construire la courbe. Cette courbe était indivi- duelle, c'est-à-dire chaque plante n’y était représentée que par un seul capitule. Le capitule choisi était l’inflorescence terminale de l’axe primaire de la plante. Cette courbe se montrait dimorphe, c'est-à-dire à deux sommets. Et ces sommets correspondaient exactement à deux des chiffres de la série susdite de Braun; en d’autres termes à des nombres, regardés jusque-là comme carac- téristiques de différentes espèces. Ils se trouvaient en 13 et en 21. Le premier nombre est caractéristique par exemple pour l Anthemis Cotula, le second pour les Chrysanthemum Leucanthemum et ino- dorum. Ces caracteres, ordinairement séparés sur des espèces différentes, se trouvaient, dans mon semis, réunis sur une même espèce. Il était probable que ces deux sommets appartiendraient à des races jusqu'ici inconnues de notre plante?). Aussi me suis-je proposé de les séparer par la sélection. J'ai déjà réussi à isoler la race, dont le sommet se trouve à 13, elle ne fait plus voir de trace de l’autre sommet. Quant à la seconde race soupçonnée, j’en ai isolé en 1895 des individus comme porte-graines dans un semis mélangé, mais ces cultures ne sont pas encore terminées. M. Ludwig a démontré depuis que parmi les Composées et les Ombelliferes ces espèces à courbe dimorphe se rencontrent de temps en temps et que parfois on trouve des localités, dans lesquelles Pun des deux sommets est seul développé. Ces races curieuses se trouvent donc quelquefois isolées dans la nature’). 1) Schriften d. naturf. Gesellsch. zu Danzig, N. F. Bd. VII, Heft 3, 1800. 2) Les courbes dimorphes de M. Bateson (Materials for the study of variation) et de M. Weldon (Proc. Roy. Soc., Vol. 54, p. 324) paraissent avoir d'autres causes. Voir: A. Giard, Sur certains cas de dédoublement des courbes de Galton dus au parasitisme, dans Comptes rendus, T. CX VIII, p. 870. 3) F. Ludwig, Ueber Variationscurven und Variationsflächen der Pflanzen. Botan. Centralbl., Bd. LXIV, 1895. SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. 573 Les demi-courbes galtoniennes sont des courbes unilatérales!). Leur sommet correspond à un caractère spécifique, la variation n’a lieu que dans un seul sens. Pour beaucoup d’especes de plantes on connaît des variétés dans lesquelles le nombre des pétales s’est augmenté, dans d’autres espèces ce nombre se trouve souvent diminué. Mais les cas, où l'augmentation et la diminution se trou- vent dans la même race, sont relativement rares. Chacune pour soi, augmentation et la diminution donnent évidemment des courbes unilatérales. J’ai réuni un certain nombre d’exemples de ces courbes dans ma note citée ci-dessous, d’autres en ont été publiés par M. Verschaffelt?). La sélection a une influence remarquable sur ces demi-courbes. Elle les change, au cours de quelques générations, en des courbes bilatérales, qui ont perdu leur sommet primitif, et en ont acquis un autre correspondant à la variété cachée auparavant dans la courbe unilatérale. Jai décrit ce cas pour le Ranunculus bulbosus, dont le nombre des pétales ordinaire de cinq varie souvent jusqu’à neuf et dix. En choisissant comme porte-graines les individus à fleurs polypétales, je suis parvenu, à la suite de trois générations, à un semis, dont la courbe des fleurs ne possédait plus un sommet à cinq pétales, mais en avait un autre correspondant à neuf et dix pétales par fleur. Cette courbe était bilatérale et à peu près de la forme ordinaire des courbes galtoniennes, seulement l’une de ses branches se terminait abruptement à l’ordonnée de cinq pétales, tandis que l’autre se prolongeait de la manière normale et atteignit même une fleur à 31 pétales sur une totalité d’environ 5000 observations. Si nous comparons maintenant la courbe de la figure 1 à ces deux cas, on voit aisément qu’elle en est, pour ainsi dire, une combinaison. La moitié gauche de la figure 1 a la forme d’une demi-courbe, la moitié droite correspond au second sommet des courbes dimorphes. On pourrait même appeler la nouvelle forme une demi-courbe di- morphe. L'analyse de cette courbe, que je donnerai à la fin de cet article, confirmera cette manière de voir. 1) Les demi-courbes galtoniennes, comme indice de variation discon- tinue. Opera V, p. 404. 2) D. Ed. Verschaffelt, Ueber graduelle Variabilität von pflanzlichen Eigenschaften. Dans: Berichte der deutschen botan. Gesellschaft, T. 12, p. 350. 574 SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. Les fascies du Crepis biennis sont la monstruosité, pour laquelle je me propose de décrire la courbe. Ces tiges élargies et aplaties, et d’autant plus raccourcies qu’elles sont plus larges, se trouvent parfois à l’état spontané. Quand on sème les graines d’une telle plante, on parvient aisément à obtenir une race relativement riche en individus fasciés. Ma race date de 1886, et comme la plante est strictement bisannuelle, elle ne produit une génération que tous les deux ans. La seconde génération a donné, en 1887-88, 3 % d’indi- vidus fasciés, les trois générations suivantes en ont produit 40, 30 et 24 %. Ce nombre dépend des circonstances plus ou moins favo- rables à la culture et peut être augmenté considérablement, si l’on prend la peine de donner à cette herbe sauvage une culture inten- sive. Avant d'entrer dans des détails sur cette race, je pense qu’il ne sera pas superflu d’insérer quelques faits sur la nature héréditaire des fascies. Dans son mémoire remarquable sur les monstruosités végétales M. Godron a dit: ,,Les fascies sont rarement héréditaires et jamais d’une manière absolue‘). Et à ce qu’il paraît, l’opinion générale parmi les botanistes se prononce contre la nature hérédi- taire de la plupart des fascies. On connaît bien les fascies héréditaires des Crêtes-de-coq (Celosia cristata) qui ne se conservent que par le semis, vu que la plante est annuelle. Mais la plupart des autres fascies, qu’on trouve dans le commerce, sont propagées par des boutures et on ne possède pas d'expériences sur la question de savoir si elles se répéteraient dans les semis. A ces exceptions près les fascies se montrent tou- jours accidentellement et si fortuites, qu’elles ne semblent être réunies par aucun lien. Pourtant l’expérience a décélé ce lien. C'est hérédité souvent si faible, qu’elle ne se traduit que dans de rares individus sur plusieurs milliers d'exemplaires. L’hérédité des fascies par le semis se montre principalement sous deux formes bien différentes. La première est celle des races fas- ciées, se rattachant à l'exemple des Crêtes-de-coq. On les obtient en choisissant pour porte-graines les individus anormaux. L’autre est celle des fascies accessoires, qui se rattachent aux cas ordinaires des fascies qu’on appelle spontanées. On obtient des races à fascies accessoires en choisissant comme porte-graines les enfants normaux de parents qui avaient un ou plusieurs individus fasciés parmi leur progéniture. : 1) Mémoires de la Société nationale des Sc. natur. de Cherbourg, LAN], 1871, ip. 222; SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITÉS. 575 Il va de soi que les races fasciées seront plus riches en fascies que les races à fascies accessoires. Mais quant à leur importance pour la démonstration de la nature héréditaire de cette anomalie, on ne saurait dire laquelle serait la plus décisive. En élargissant le groupe des races à fascies accessoires, on peut semer les graines d’indi- vidus de moins en moins apparentés aux pieds fasciés; on trouvera qu’il est bien difficile de se débarrasser complètement de cette ano- malie, qui paraît revenir toujours, aussitôt que la culture devient assez étendue. Dans chacun des deux groupes nommés je possède maintenant, dans mes cultures, des preuves bien convaincantes!). J'ai réussi à produire des races fasciées des Aster Tripolium, Geranium molle, Taraxacum officinale, Tetragonia expansa, Thrincia hirta, Vero- nica longifolia et Hesperis matronalis. L’Aster Tripolium ne produisit au commencement que de rares fascies et celles-ci très peu élargies. Ce n’est que dans la quatrième génération qu’elles sont montées au chiffre de 7 %. Mais dans la cinquième génération, en 1894, plus de la moitié des individus se sont montrés fasciés et la plupart d’entre eux avaient fait de très belles crêtes, couronnées par un capitule floral dont la largeur dans le sens de la crête atteignit souvent 3-4 cm. Les Geranium molle fasciatum sont riches en fleurs élargies, les fruits aplatis sont entourés d’une rangée de graines dont le nombre dépasse souvent 10-15 au lieu d’être cinq, comme à l’état normal. Je possède maintenant la sixième génération, ordinairement le tiers des individus produit des tiges fasciées. Les Taraxacum officinale fasciés montrent environ la même richesse en tiges aplaties, mais cette richesse semble dépendre à un très haut degré des circonstances extérieures. Une culture favo- rable donne beaucoup de plantes à tiges en ruban et entre elles de très larges. Un semis moins soigné en est souvent presque tota- lement exempt. Je viens de récolter les graines de la sixième géné- ration. Les fascies de Tetragonia expansa sont très faciles à per- pétuer. J’en ai trouvé les premières en 1885 et depuis elles se mon- trent presque annuellement. Celles de Thrincia hirta sont plus difficiles à cause d’une maladie infectieuse qui rend la culture de cette espèce incertaine. J'en ai eu jusqu’à environ 40 % dans la cinquième génération. 1) Sur lhérédité de la fasciation, dans Opera V, p. 442. 576 SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITÉS. Les deux autres espèces nommées ci-dessus étaient la Veronica longifolia et l’Hesperis matronalis. Je n’en ai eu encore que trois générations successives de plantes fasciées. La Veronica est très riche en fascies et produit parfois des fascies annulaires, c’est-à-dire en forme d’entonnoir. Parmi mes races à fascies accessoires je citerai l Amarantus speciosus, qui en produit annuellement et souvent en grande quantité depuis 1889, la Barbarea vulgaris, Helianthus annuus, la Linaria vulgaris et Oenothera Lamarckiana. La dernière, souvent bien pauvre en fascies, ne paraît en produire plusieurs que vers la fin de l’été et aussi sur les individus bisannuels. Tous ces cas démontrent la généralité de la nature héréditaire des fascies. En outre, j’ai réuni bien des observations hors de mes cultures, qui tendent toutes à la même conclusion. Et comme les cas en apparence contradictoires peuvent s'expliquer tous par la rareté du phénomène et par le manque d'expériences directes, je crois pouvoir affirmer la nature héréditaire des fascies comme un phénomène général!), L’exemple du Crepis biennis que je vais décrire ne se rapporte donc nullement à une exception, mais établit le type d’une règle générale. Description de l'expérience. — Après cette digression revenons à la description de la race employée pour notre expérience et à cette expérience elle-même. Il importe en premier lieu de savoir que ma race était bien fixée avant le commencement de l'expérience, pour faire voir que celle-ci ne se rapporte pas à une race en voie de se former, mais à une variété monstrueuse toute faite. Dans ce but, j'ai choisi mes graines parmi celles que j'avais récoltées sur un seul pied bien fascié de la troisième génération, en juillet 1890. Cette génération avait produit un nombre assez considérable de rosettes fasciées?). Le chiffre en était de 40 %; il n’a pas été dépassé dans les générations suivantes, pour autant que celles-ci ont été cultivées sous les mêmes conditions extérieures. 1) Dans l'été de 1895 je suis parvenu à démontrer l’hérédité des fas- cies de Picris hieracioides, Yespèce sur laquelle avaient porté les ex- périences au résultat négatif de M. Godron. 2) On trouve des figures des rosettes fasciées et des tiges aplaties de ma race dans Opera V, p. 442, Planches I et II. SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. 577 J'insère encore quelques détails qui peuvent contribuer à bien faire connaître la valeur du pied, qui a donné les graines pour mon expérience. Parmi les plantes fasciées de la troisième génération j'avais choisi en 1890 les trois meilleures comme porte-graines; après avoir fleuri séparément, elles donnaient chacune une récolte suffisante. Ces graines furent recueillies et conservées à part pour chacune d’elles. Celles de la tige la plus large furent semées en 1891 pour la continuation de la race, celles des deux autres furent con- servées dans un état bien sec, dans des flacons à chaux, pour des expériences ultérieures. Je n’ai fait usage que des graines d’un de ces deux pieds; la tige aplatie en était fendue jusqu’à sa base en deux branches, dont l’une avait une largeur de 1-5 centimètres, l’autre de 6 centimètres. Dans la dernière, la fission se répétait environ à la moitié de la hauteur de la plante. Cette plante a donné 3 centimètres cubes de graines müres, qui furent destinées à mon expérience. Celle-ci a été commencée au mois de mars 1894, la récolte des tiges fasciées a eu lieu, au moment de la première floraison, en juin 1895. Leur nombre s’est élevé à plus d’une centaine. Les individus fasciés ne deviennent tels qu’à un certain âge. Durant les premiers mois de leur vie, ils ne se distinguent en rien des plantes absolument normales. (Comme le Crepis biennis est strictement bisannuel, il ne forme, la première année, que des rosettes de feuilles radicales. C'est le centre de ces rosettes qui s’elargit et forme la fascie. Le point de végétation est changé en une ligne ou crête de végétation, dont la longueur augmente rapidement et atteint souvent 5-6, parfois 10 à 12 centimètres. Au printemps de la seconde année la tige principale est produite par cette crête. Elle est un peu plus large que celle-ci, parce que les jeunes cellules s’elargissent pendant leur croissance. De là, la forme arrondie de la fascie qu’on voit par exemple dans les figures mentionnées ci-dessus. Depuis, la tige s’accroît sans changer sa largeur. Elle est tout à fait plane tant qu'elle est jeune; mais vers la fin de l'accroissement elle se creuse, se courbe, se tord par suite de l'accroissement inégal de ses différentes parties. Toutes jeunes, jusqu’à une longueur de 20 à 30 centimètres, les fascies sont très belles, ensuite elles perdent cette qualité et ne sont plus qu’interessantes. Parmi les individus dont les rosettes ne se sont pas fasciées, il y en a toujours quelques-uns qui élargissent le sommet de leur tige ou portent un capitule terminal fascié. Le nombre total de ces cas a été de 9, 37 578 SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. Comme le but de cette culture était de trouver la courbe caracté- ristique pure de la monstruosité en question, tout choix des pieds à cultiver devait être rigoureusement éliminé. En premier lieu, il n’était donc pas permis de semer en place. On ne saurait semer si clair qu’il ne serait pas nécessaire d’arracher les plantules superflues. Et en éliminant les plus faibles on n’aurait plus tard que la courbe des plus fortes. Pour cette raison j’ai semé mes graines dans une terrine. Le semis a été fait au 7 mars 1894; un centimètre cube, contenant à peu près 250 graines, fut semé. Nonobstant leur conservation pendant presque quatre années, elles levèrent presque toutes. A la fin du mois de mars j'avais 235 jeunes plantes. Je limitai ma culture à 210 exemplaires, en éliminant tout un coin de la terrine, et par conséquent sans aucun choix. Ces 210 individus furent plantés chacun dans un godet. Plus tard, j'ai perdu huit godets par un accident, toutes les autres plantes ont été mises en place le 9 mai, à des distances d’environ 25 centimètres. Pendant tout Pété ma culture a été très prospère et je mai perdu aucune plante. Elles ont été toutes numérotées et j’ai noté pour chacune le moment où la première trace d’élargissement devint visible dans le centre de la rosette. Dans ce but je les ai visitées à des intervalles réguliers de une, deux ou trois semaines, selon la vitesse du progrès. Souvent la première trace de l’élargissement est douteuse, dans ces cas je me suis assuré quelque temps plus tard de l’augmentation de ce change- ment. Voici le résultat de ces notes: Fascies nouvelles | Fascies par ` DATE observées. semaine. eulet + et Er Ber Var 1 — OTE Le ee ES IE 8 2 LAN: o E CRE 1 4 2 AO he an ar le: 36 19 17, Septembre. in Einen 18 18 8 Septembre. in De 9 9 22 Septembre... veran 22 1] 13 CIO 2) Aaa ERR 20 7 29. Octobxe 4, os Mauss 10 5 24 Novembre LP Ye oy 9 2 HIVER de LR ee 15 1/2 Nombre total itse 155 SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. 579 Sur les 202 pieds de ma culture, environ les trois quarts ont donc eu leur rosette fasciée. Ce nombre aurait été un peu plus grand, si je n’avais pas eu des pertes durant l’hiver. Les chiffres de la dernière colonne sont traduits en forme de courbe dans la figure 2. — Les ordonnées y sont érigées vers le milieu des diverses périodes entre les dates du tableau, leur hauteur indique le nombre des fascies nouvellement observées par semaine. RER Apparition de l'élargissement dans les rosettes dans la première année. Les ordonnées donnent le nombre moyen des rosettes qui se sont fasciées dans chaque période, calculé par semaines. La première fascie était devenue visible le 1er juillet. Aux mois de juin et de juillet il n’y a que de rares individus qui s'élargissent. En août ce nombre augmente rapidement; il y a quelques semaines de plus de deux nouvelles fascies par jour. Ensuite ce nombre décroît presque régulièrement et pendant l’hiver il n'y a en moyenne qu’une seule fascie toutes les deux semaines. En général, ce sont les individus les plus précoces et les plus forts, qui s’élargissent les premiers, mais cette règle est loin de conduire à un parallélisme entre ces diverses propriétés. De la même manière les premières fascies ont donné en général les tiges aplaties les plus larges et les dernières les plus étroites. Mais ici aussi la corrélation n’est point du tout absolue. Perte pendant l'hiver. — L’appréciation de l'influence des pertes inévitables pendant l’hiver sur la forme de la courbe est une con- sidération de la plus grande importance quand il s’agit de démontrer que la courbe donnée (fig. 1) est bien celle de toute la race. Car je n’ai jamais réussi à bien hiverner toute ma culture de Crepis biennis. Toujours dans une partie plus ou moins grande le centre 37* 580 SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. de la rosette se trouve tué par l’humidité ou par le froid. Heu- reusement le montant de cette perte n’a pas été trop grand dans l'hiver de 1894-1895, grâce à une couche épaisse de neige durant les mois les plus froids. Les plantes, dont le centre est tué, poussent ordi- nairement de nombreuses tiges des boutons axillaires de la rosette et pourraient bien donner une récolte assez suffisante de graines, mais comme elles ne produisent pas leur tige centrale, elles sont nécessairement perdues pour la courbe des fascies. Car celle-ci, naturellement, ne se rapporte qu’à la tige principale de chaque plante. Comme j'avais noté pour chaque individu le commencement de la fasciation, il m’a été possible de déterminer séparément la perte pour les rosettes normales et celle pour les rosettes élargies. Sur les 62 rosettes qui étaient encore normales au ler décembre 10 ont succombé pendant l’hiver, et sur les 140 rosettes fasciées à cette date 33 ont eu leur crête de végétation totalement détruite, pendant que dix autres ont souffert d'un côté, assez peu pour produire encore une tige aplatie, mais trop pour en permettre la mesure exacte. La perte a donc été un peu plus grande pour les rosettes fasciées que pour les autres. En outre, mes notes font voir qu’elle s’est distribuée assez régulièrement sur les rosettes élargies les premières (en juillet et août) et sur les plus tardives. On peut déduire de là que la perte en question doit avoir été disséminée à peu près également sur toute la série des divers degrés de fasciation et qu’elle ne peut pas avoir eu une influence modifiante sur la forme totale de la courbe. * * ak Au commencement de juin 1895 ma culture a commencé à fleurir. J'ai choisi cette époque pour la récolte des tiges fasciées. Avant de les arracher, j'ai noté pour chaque individu l’absence d’élargisse- ment ou la largeur approximative de la tige aplatie, sans toutefois la mesurer. J'ai mis ces notes à côté de celles mentionnées plus haut sur le commencement de la fasciation, dans la même table qui contenait aussi les renseignements sur les pertes d'individus, dont j’ai parlé tout à l’heure. Les tiges arrachées ont été portées au laboratoire et mesurées aussi exactement que possible. Heu- reusement elles conservent la même largeur sur une très grande partie de leur hauteur, en commençant à une distance de deux ou trois centimètres de leur base, comme on s’en convaincra aisément en comparant les figures citées ci-dessus. SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. 581 La mesure s’est faite toujours à la distance indiquée de la base. Je n’ai noté que les centimètres entiers. Une précision plus grande ne saurait être atteinte, vu les courbures fréquentes des tiges; en outre elle n’aurait aucune signification pour la construction de la courbe, laquelle exigerait pourtant, en ce cas, une diminution du nombre des ordonnées. Une partie des tiges aplaties étaient fendues si profondément, que la fission traversait la hauteur destinée à la mesure. Dans ces cas j’ai pris la somme des largeurs des embran- chements comme largeur totale de la tige. Si près de la base il n’y a aucun inconvénient à cette méthode, sans laquelle on perdrait trop d'individus. Avant de rendre compte des résultats obtenus, j’ai encore à men- tionner une autre précaution, que j’ai prise dans le but d’une ana- lyse physiologique de ma courbe. Cette précaution a été de planter une partie des individus (41 pieds) sur une plate-bande à part et de leur donner outre le même engrais que les autres un amende- ment de cornes de bœuf broyées (contenant 14 %, d’azote) à raison de 0.25 kilogrammes pour le rabat total de deux mètres carrés. Les plantes en ont poussé beaucoup plus vigoureusement que les autres. Environ un mois après la mise en place, au milieu de juin, leurs feuilles étaient beaucoup plus grandes et bien plus nombreuses et cette avance s’est maintenue durant tout Pété. L'influence palpable sur la fasciation sera mentionnée plus tard. Une dernière précaution a été prise durant la récolte. Il va de soi que j'ai mesuré isolément les fascies du rabat susdit. En outre, j'ai isolé pendant la récolte les individus pour lesquels je n’avais pas noté d’élargissement dans la rosette au cours de la première année. Plusieurs d’entre elles avaient encore pendant l'hiver changé leur point de végétation en une crête et montraient une tige élargie uniformément de la base jusqu’au sommet. D’autres n’avaient que des tiges élargies un peu au sommet, la plupart étaient totalement atavistes. | J'arrive maintenant à l’exposé des résultats obtenus. * x * RESULTATS. La courbe totale de la monstruosité. Fig. 1, page 571. — Au moment de la récolte, au commencement de la floraison, dans les premiers jours de juin 1895, ma culture contenait 150 plantes à tige centrale. Les autres avaient souffert du froid pendant l’hiver, comme je lai 582 SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. dit plus haut. De ces tiges il y en avait 33 qui ne montraient pas de trace d’élargissement. Comme tous les individus ceux-ci avaient poussé de nombreuses tiges latérales. Mais ni celles-ci, ni les rameaux de la tige centrale ne montraient, à quelques rares exceptions près, des fascies. La majorité de ces pieds était donc totalement ata- viste, Il va de soi que pour tous ces individus je n’avais pas ncté d’elargissement de la rosette en 1894. Dans le même cas se trou- vaient 9 autres plantes à tiges centrales cylindriques, tout à fait normales, à l’exception du sommet qui se montrait plus ou moins aplati et élargi. Toutes les autres tiges, au nombre de 108, étaient élargies de la base au sommet, mais à des degrés bien différents. Dans le tableau qui suit je donne, dans la première ligne, la largeur des fascies en centimètres et dans la seconde le nombre correspondant des individus, qui m’ont montré cette largeur: Cae 2 Sy. 405 NOAA TEA VION TIERE Fe Indiv: 97290 4) lade PTS ASIE ME BUSTE Ces chiffres sont traduits en courbe dans la figure 1 (voir p. 571), en y joignant les atavistes et les tiges cylindriques à sommet fascié. L’ordonnée des atavistes est désignée par 0, celle des sommets fasciés par 1, les autres ordonnées par le chiffre, marquant la largeur de la tige aplatie en centimètres. La courbe a deux sommets, séparés par une dépression. Cela veut dire que les fascies étroites sont plus rares que les fascies de largeur moyenne (de 8 à 10 centimètres environ) et plus rares que les individus atavistes. La race monstrueuse est une race à deux types, liés par de rares transitions. Et cette forme dimorphe se conserve dans le cours des générations, nonobstant la sélection constante du type fascié comme porte-graine. Même la cinquième génération de ma race rigoureusement sélectionnée est restée dimorphe à ce point de vue. La forme décrite paraît être le type bien général de la courbe des monstruosités. Je possède les mêmes courbes pour des soudures et pour la syncotylie; la rareté relative des transitions se montre presque toujours dans mes races tricotyles et est la règle pour les torsions par étreinte. Le manque presque absolu d’atavistes, quoique réalisable par une culture forcée), ne paraît jamais être le résultat de la sélection, du moins dans mes cultures des monstruosités les plus diverses. C’est, comme je Pai dit plus haut, une différence de principe entre les monstruosités et les variations proprement dites. 1) Voir p. 585. SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. Analyse morphologique de la courbe. — Il est bien évident que la courbe de la fi- gure 1 consiste en deux parties. Et grâce aux notes sur la première apparition de la fasciation dans les rosettes il m’a été possible de séparer ces deux parties l’une de l’autre. C’est dans ce but que j'ai ré- colté à part les tiges provenant de roset- tes fasciées avant l’hiver et celles des rosettes qui étaient encore normales à la fin de novembre. J'ai exclu de cette séparation les 41 in- dividus de la culture forcée, afin de ne pas troubler le résultat par l’influence de l'amendement. 4 Les chiffres de ces mesures séparées sont donnés dans le tableau suivant. La premiére ligne indique la largeur des fas- cies en centimétres, la seconde les nom- bres correspondants d’individus provenant de rosettes fasciées, la troisieme celui des individus qui n’avient pas encore de fas- ciation a la fin de novembre. Cm: le San Oe à F groupe TZ 4 2'8°8.9 10 2 croupe 1 4 2 2 70.0 583 Fig. 3. EE HEEE a H i | HEEE HER EH HH H HHR sini HH EN BEER HES REN Analyse morphologique de la courbe de la figure 1. Courbe des individus qui n’avaient pas encore de fasciation dans leurs rosettes à la fin du mois de no- vembre 1894. La figure est con- struite à la même échelle que la figure citée. 0 114, 2’ 3 u AP ON Phe rn 0.090,00 mn Au second groupe il faut joindre les atavistes et les tiges à sommet fascié, c’est-à-dire les individus des deux premières ordonnées de la figure 1. Les figures 3 et 4 donnent les courbes pour ces deux groupes. Comme elles sont construites précisément à la même échelle que la figure 1, elles peuvent être comparées directement entre elles et à celle-ci. Il est donc possible d’isoler les deux sommets, en séparant, avant l'hiver, les rosettes rondes des rosettes linéaires. Si j’avais fait cette séparation au printemps, la figure 3 n’aurait eu que ses deux premiéres ordonnées et la figure 4 aurait commencé par des or- données plus grandes. Mais le principe serait resté le méme: les 584 SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. atavistes donnent le premier sommet, les individus fasciés donnent Pautre. On voit que la limite choisie est arbitraire et provisoire. On s’attendrait à ce que les atavistes purs formassent l’un des groupes et tous les autres individus, si peu fasciés qu’ils soient, le second. Mais le terme d’atavistes purs ne saurait s’appliquer dans ce cas. Les atavistes d’une race monstrueuse bien fix&e ne sont tels qu’au point de vue morphologique. Physiologiquement ils sont des mem- bres de la même famille; leur progéniture, quoique moins riche en individus fasciés que celles des tiges élargies, en contiendrait pour- tant une partie assez notable. Et nous verrons dans le paragraphe Fig. 4. Analyse morphologique de la figure 1. Courbe des individus, dont les rosettes mon- traient l’élargissement à la fin de novembre 1894. Construction des figures 1 et 3. qui suit, que la question, si un individu donné élargira sa tige ou non, est décidée en grande partie par l’engrais, en général donc par les circonstances extérieures. Nonobstant toutes ces objections il reste bien évident que la race monstrueuse consiste en deux types: l’un ataviste, l’autre à tige d’un élargissement moyen. Autour de ces deux types se groupent les autres individus suivant les règles ordinaires de la variation continue. Analyse physiologique de la courbe. — Il s’agit maintenant de trouver l’explication du résultat, obtenu par l’analyse morpholo- gique de la courbe, résultat prévu au commencement de l'expé- rience grâce aux autres courbes de monstruosités dont je dispose. Elles désignaient la nutrition comme l'influence principale, dont il s'agirait ici. C'est dans ce but que j'ai cultivé une partie relati- vement petite de mes plantes sur une plate-bande à part et à un fort amendement azoté, comme je l’ai décrit plus haut (voir page 581). SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. 585 L’influence de cet amendement sur le nombre des fascies a été considérable et s'est manifestée dès le commencement de la récolte. La premiere fascie apparut sur cette plate-bande au ler juillet et seulement un mois plus tard j'en trouvai aussi sur les autres rabats. A la fin du mois de novembre les fascies étaient relativement plus nombreuses dans le premier groupe que dans les autres. J'ai compté sur le rayon à amendement de cornes de bœuf broyées: 35 rosettes fasciées sur 41 ..... soit 85 %. et sur les plates-bandes sans cet engrais: 103 rosettes fasciées sur 160.... soit 64 %. En d’autres termes, le nombre des atavistes a été réduit par Pabondance de la nourriture azotée de 36 % à 15 %, c'est-à-dire d’environ la moitié. Cependant cet amendement n’a été donné qu’au moment de la mise en place des jeunes plantes cultivées auparavant en godets sans lui. Les plantes avaient donc en ce moment un âge de deux mois et il est à présumer que l’influence de l’engrais aurait été encore plus grande, s’il eût été donné plus tôt. Il résulte des chiffres obtenus que le nombre des atavistes dépend de la nourriture, conclusion qui se trouve confirmée par toute une série d’autres expériences dans mes cultures. Le sommet des ata- vistes dans la courbe dimorphe est le sommet des plantes les moins bien nourries, le sommet des fascies correspond en général aux plantes privilégiées. Mais à ce point de vue la dépression de la courbe entre les deux sommets ne devient que plus intéressante. Car elle rend évident le fait, que le lien entre la nourriture et la largeur de la tige est de nature compliquée. Toutefois cette complication s’explique aisément dans la théorie pangénétique par l’hypothèse de pangènes spéciaux pour la fasciation, mais je n’insisterai point ici sur cette théoriet). Si l’on voulait admettre une influence directe de la nourriture sur la largeur des tiges, on devrait s'attendre à une diminution de la dépression entre les deux sommets. Sous l'influence de la nourri- ture abondante les atavistes auraient dû donner des fascies relative- ment étroites, par exemple de 2 à 7 centimètres de largeur et se distribuant par là sur les ordonnées 2 à 7 de la figure 1. En outre on devrait s’attendre à un déplacement du second sommet à droite, si la largeur des fascies avait été augmentée, en moyenne, par la nourriture azotée. 1) Voir: Intracellulare Pangenesis, Opera V, p. 1 et p. 494. 586 SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. Ces deux suppositions ne sont pas confirmées par l’expérience, comme le démontre la courbe de la figure 5. Cette courbe donne le résultat des mesures exécutées à part pour les individus du rabat fumé, lors de la récolte des tiges au moment de la floraison. Leur nombre était alors de 31, dix ayant été perdues durant l’hiver. Je trouvai cinq tiges sans fascie, une tige fasciée seulement au sommet et 25 exemplaires fasciés de la base au sommet. D'après leur largeur celles-ci se trouvaient distribuées comme il suit: Largeur en centimètres: 3 4 5 6 7 8 9710.11 12 13 19 Nombre des individus: » 1.001. 3, 27a 2 2 Analyse physiologique de la courbe de la figure 1. Courbe des individus forcés par un amendement riche en azote. Construction des figures 1, 3 et 4. Ces chiffres sont traduits par la courbe inférieure de la figure 5. La courbe supérieure est un agrandissement de celle-ci, construite pour pouvoir la comparer plus aisement à la figure I de la courbe totale. Les irrégularités de la figure 5 sont la suite inévitable du petit nombre d’individus et doivent être exclues de la considération. La comparaison des figures 1 et 5 fait voir la même forme totale de la courbe et le placement des deux sommets sur les mêmes ordonnées. La seule différence essentielle est la hauteur relative des deux sommets. Différant plus de la moitié dans la figure 1, elles sont devenues sensiblement égales dans la figure 5. C’est-a-dire que la hauteur relative du sommet des atavistes dépend, dans une grande mesure, de la nourriture. SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. 587 RESUME. Pour construire la courbe galtonienne des monstruosites il est ordinairement nécessaire de faire des cultures, le plus souvent même de produire des races. Des observations, faites sur des indi- vidus rencontrés par hasard, ne donneraient pas de garantie, que ceux-ci appartiendraient tous à la race monstrueuse, On ne saurait distinguer les atavistes des pieds héréditairement normaux. Et en excluant, avec ces derniers, les atavistes, on n’obtiendrait que la moitie de la courbe. La preuve de la forme dimorphe de la courbe ne saurait donc être donnée sans connaître l’origine des individus mesurés. De même il est désirable d’opérer sur des races fixées à un assez haut degré pour ne plus avoir à craindre des changements notables de la courbe par une sélection ultérieure. La courbe d’une race commencante peut être tout autre que celle de la race fixée!). La courbe, décrite dans cet article, est celle de la race fasciée de Crepis biennis. Les graines pour l’expérience ont été récoltées sur la troisième génération, dans laquelle la richesse en individus fasciés avait atteint le chiffre de 40 %, chiffre qui n’a pas été dépassé depuis par une sélection rigoureuse, dans les deux générations suivantes. La race employée était donc assez constante, pourvu toutefois que la culture restât la même. Dans mon expérience j'ai choisi une culture plus intensive et j'ai obtenu par ce moyen une richesse en fascies d’environ 60 à 80 %. Il suit de ce qui a été dit que les plantes mesurées pour ma courbe appartenaient à la quatrième génération de ma race fasciée. Elles ont été prises dans un semis de graines d’une seule plante-mère, sans aucune sélection. J'ai commencé la culture par environ 200 pieds, sachant bien que j’en perdrais durant l’hiver une certaine partie. Cette perte a été d’environ 50 individus, distribués assez régulière- ment sur les divers degrés de largeur des rosettes. La courbe de la figure 1 se rapporte à 150 individus, mesurés au mois de juin de la seconde année, au commencement de la floraison. Les figures 3, 4 et 5 sont des analyses de la courbe figure 1, des- sinées dans les mêmes unités de mesure. La figure 2 se rapporte à l’âge que les rosettes ont dû atteindre avant de s’élargir. Les principales conclusions, qu’on peut déduire de ces courbes, sont les suivantes: 1) Les demi-courbes galtoniennes comme indice de variation discon- tinue, Opera V, p. 494. 588 SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. 1. (Fig. 2, pag. 579). Les jeunes rosettes sont toutes de forme normale. L’élargissement de leur centre se montre plus tôt dans les unes que dans les autres. La premiere apparition en a eu lieu vers la fin de juin dans une seule rosette lorsque la culture avait un äge d’environ quatre mois. Successivement la plupart des autres rosettes ont commencé à s’élargir. Leur nombre a accru rapidement en août (fig. 2), plus lentement en septembre et avec une rapidité toujours décroissante dans les mois suivants et pendant l’hiver, jusqu’au moment où les tiges ont commencé à pousser. 2. La courbe totale de la monstruosité (fig. 1, pag. 571) a deux sommets. L’un se trouve à l’extrémité gauche, c’est celui des ata- vistes; ici la courbe est unilatérale et pourrait ètre désignée comme une demi-courbe. L’autre sommet correspond à une largeur des tiges aplaties de neuf centimètres: c’est le sommet propre aux individus monstrueux. La dépression entre les deux sommets nous apprend la rareté relative des formes de transition, c’est-à-dire des fascies étroites. C’est une règle bien générale dans les races monstrueuses, que cette rareté des formes intermédiaires et c’est ce qui explique l’apparition ordinairement subite de monstruosités bien développées, remarquée presque régulièrement par les auteurs. 3. L'analyse morphologique de la courbe de la figure 1 est donnée par les figures 3 et 4 (pages 583 et 584). Leur somme correspondrait exactement à cette courbe, si je n’en avais déduit les individus destinés à l’analyse physiologique (fig. 5). On verra aisément que l'influence de cette déduction peut être négligée sans danger. Pour la séparation de la courbe de la figure 1 en deux autres courbes, j'ai mesuré séparément les individus dont les rosettes s'étaient déjà élargies avant l’hiver et ceux qui, à ce moment, c’est- à-dire à la fin du mois de novembre, étaient encore tout à fait nor- males. Les premières ont donné la courbe fig. 4; c’est donc la courbe des tiges provenant de rosettes fasciées. Les autres ont donné la courbe fig. 3; ce sont les atavistes (ordonnée 0), les rosettes ata- vistes dont la tige ne s’est élargie qu’à son sommet (ordonnée 1) et les tiges provenant de rosettes élargies tardivement, pendant l'hiver (ordonnées 2-5, dont les nombres indiquent la largeur des tiges aplaties, en centimètres). Sans doute les fig. 3 et 4 auraient été changées quelque peu, si j'avais pris une autre date pour la séparation des rosettes en deux groupes. Mais le résultat principal ne s’en trouverait pas modifié. De plus il est bien facile de voir ce qu’une séparation des deux groupes, SUR LES COURBES GALTONIENNES DES MONSTRUOSITES. 589 plus précoce ou plus tardive, aurait fait changer dans la forme des courbes. 4. Pour l’analyse physiologique de la courbe (fig. 5) j'ai donné a un petit groupe d’individus un fort amendement azoté. Ils en ont poussé plus vigoureusement que les autres. Et le nombre des fascies s’en est trouvé porté à 85 %, tandis qu’il n’était que de 64 % sans cet engrais. Cela se voit dans la figure 5 par la hauteur bien moindre du sommet des atavistes, comparée à la figure 1. Sauf cette diffé- rence la forme totale de la courbe est restée la même. Cela veut dire que les individus, qui seraient restés atavistes sans engrais, n’ont pas fait augmenter en premier lieu les formes intermédiaires ou les fascies étroites, mais que l'influence de la nourriture abon- . dante s’est distribuée sur toute l'étendue de la courbe. La conclusion à déduire de cette analyse est donc la suivante: les différences inévitables dans la nourriture ou en général dans les conditions de développement des divers individus d’une même culture sont une des causes les plus puissantes du dimorphisme de la courbe. Les individus les mieux nourris tendent à former le som- met des tiges fasciées, les individus les moins bien nourris s’accu- mulent à l’extrémité gauche de la courbe. Amsterdam, le 20 décembre 1895. ( Bulletin Scientifique de la France et de la Belgique, T.XXVII, 1896, p. 396.) GRE | Lil 7. + R RT E | N: 4 tate olat 8 — o= — 2 oS = —— A OE vT te, N O O an mi 3 5185 | | NN NN ~ N \ \ N N NS N N SN N N S N N NS à N | N N N \ N NS \ ANNEE N N MAK LN \ IN N N N N N N N ze NS N N RUN N IN NN N N N NN