OSMOTISCHER DRUCK UND lONENLEHRE IN DEN MEDICINISCHEN WISSENSCHAFTEN. / ZUGLEICH LEHRBUCH PHYSIKALISCH CHEMISCHER METHODEN. VON Dr. chem. et med. H. J. HAMBURGER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER REICHSUNIVERSITÄT GRONINGEN. BAND II: CIRCULIRENDES BLUT. LYMPHBILDÜNG. HYDROPS. RESORPTION. HARN UND SONSTIGE SECRETE. ELEKTROCHEMISCHE ACIDITÄTSBESTIMMUNG. REACTIONS-VERLAUF. MIT 2 TAFELN UND 28 ABBILDUNGEN IM TEXT. ru o^SS WIESBADEN. 5^SS§ VERLAG VON J. F. BERGMANN. ^^^^ 1904. am cor Q )t des dritten (Schlüsse Bandes befindet sich bereits in der Druckerei und erscheint derselbe in aller Kürze. Dieser Schlussband wird enthalten: O irte Zellen, CoUoide und Fermente, Muskel- und Nervenphysiologie, Pharma- ; kologiscbes, Balneologisches, Histologisches. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Soebeu erschien : Lehrbuch der Physiologischen Chemie von Olof Hanimarsten, o. 8. Professor der medizinischen und physiologischen Chemie an der Universität Upsala. Fünfte völlig umgearbeitete Auflage. Preis: Mk. 17.—. Gebunden : ML 19.—. .... Zweifellos wird sich das treffliche Werk auch in seiner neuen, erweiterten Form eines grossen Leserkreises erfreuen. Münchener med. Wochenschrift. .... Rasch folgen die Auflagen dieses unter Ärzten so beliebten Werkes aufeinander. Und mit Recht! Greifen doch die Kenntnisse, die hier dargestellt werden, ebenso in die letzten Fragen des Lebens ein, wie sie Anweisungen geben, von denen der Praktiker täglich Gebrauch macheu muss. In lichtvoller Schil- derung findet man diese Materien hier wiedergegeben und nirgends vermisst man den Eindruck der meisterhaften Beherrschung des Stoffes. Deutsche Medizinal- Zeitung, Soeben erschien : Grundriss zum Stiuliiiin der GEBURTSHULFE aehtundzwanzig Vorlesungen und fünfhundertachtundsiebenzig bildlichen Darstellungen. Von Dr. Ernst Bumm, Professor und Direktor der Universitäts-Frauenklinik in Berlin. Zweite vermehrte Auflage. ^— ^ Gebunden Preis Mk. 14.60. — — A.US Besprechungen der ersten Auflage: .... Es ist eine Freude, ein neues, originelles und verdienst- volles Stück Arbeit vollendet zu sehen. Das Neue finde ich in den bildlichen Darstellungen. Wenn man mit kritischem Blick unsere mo- dernen, dem Unterrieht dienenden Bücher durchstudiert, so fällt der Unterschied der technischen Herstellung der Abbildungen sehr in die Augen und nicht immer zu Gunsten der Deutschen; die Schönheit z. B. der Zinkographien in Kelly Operative Gynecology überraschte uns alle; die sprechende Wahrheit der Bilder liess es uns schmerzlich empfinden, dass solch Weik nur in Amerika möglich sei. Das ist nun vorbei: Bumms Grundriss beweist zu unserer grossen Be- friedigung, dass es auch bei uns möglich ist, gleich Vollendetes zu leisten. J. Veit (Halle) in Centralblalt f. Gynäkologie. OSMOTISCHER DRUCK UND lONENLEHRE IN DEN MEDICINISCHEN WISSENSCHAFTEN. ZUGLEICH LEHRBUCH PHYSIKALISCH-CHEMISCHER METHODEN. OSMOTISCHER DRUCK UND lONENLEHRE IN DEN MEDIClNISCHElN WISSENSCHAFTEN. ZUGLEICH LEHRBUCH PHYSIKALISCH-CHEMISCHER METHODEN. VON Dr. chem. et med. H. J. HAMBURGER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER REICHSUNIVERSITÄT GRONINGEN. BAND II: CIRCULIRENDES BLUT. LYMPHBILDUNG. HYDROPS. RESORPTION. HARN UND SONSTIGE SECRETE. ELEKTROCHEMISCHE ACIDITÄTSBESTIMMUNG. REACTIONS-VERLAUF. MIT 2 TAFELN UND 28 ABBILDUNGEN IM TEXT. WIESBADEN. V E R L A G V O N J. F. BERGMANN. 1904. Nachdruck verboten. Uebersetzungen, auch ins Ungarische, voi'behalten. Druck der Kgl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz in Würzburg. Priflted in Germany Inhalts-Verzeiehniss. I. Kapitel. Seite Osmotische Verhältnisse des circulireaden Blutes unter verschiedenen experi- mentellen Eingriffen 1 1. Verhalten des Bluti>lasma 3 a) nach intravenöser Injection von Salzlösungen ... 3 (Hydra mische Plethora) a) Hyperisotonische Salzlösungen 3 ß) Hypisotonische Salzlösungen 10 b) b e i H y d r ä m i e '20 c)beiAnhydrämie 22 2. Verhalten der rotlien Blutkörj)erclien bei experimenteller hy- drämischer Plethora, Hydrämie und Anhydrämie 25 II. Kapitel. Lymphbiidung 30 1. Heidenhain's Secretionslehre 32 2. Die Ausführungen Cohnstein's gegen Heidenhain's Schlussfol- gerungen 37 3. Starling's Ausführungen gegen Heidenhain's Schlussfolgerungen 44 4. Die Einwände von Starling und Cohnstein gegen meine Schluss- folgerungen zu Gunsten der Secretionslehre 49 5. Anderweitige Ausführungen über die Lymphbildung (Asher, Roth) 55 6. Zusammenfassung und Schluss 61 III. Kapitel. Oedem und Hydrops 67 1. Vom Standpunkte der Secretionslehre 69 a) Bei Circulationsstörungen 77 b) B e i N i e r e n w a s s e r s u c h t 78 C^GSö VI Inhalts-Verzeichniss. Seite c) Bei InfectioDsk rankheiten, Erkältung etc 81 d) Eei schlechtem Ernährungszustand d er. Gefässw and 82 2. Vom Standpunkt der meclianisclien Lymphbildnngstheoi'ie . . 83 3. Zusammenfassung und Schluss 87 IV. Kapitel. Resorption in serösen Höhlen und Bindegewebespalten 92 1. Resorption in der Bauchhöhle 93 a) Regelung des osmotischen Druckes 93 b) Geschieht die Resorption durch die Lymphbahnen oder durch die Blutgefässe? 94 c) Auf welche Weise kommt die Resorption durch die Blutgefässe zu Staude? 101 a) Chemische und thermische Schädigung des Peritoneums . . . 102 ß) Versuche an todten Thieren 105 y) Versuch einer physikalischen Erklärung 108 d) Resorption durch künstliche homogene Membranen . 110 e) Einfluss des intraabdominalen Druckes auf die Re- sorption in der Bauchhöhle 118 2. Resorption in der Pericardialhöhle 134 a)Versucheanlebenden Thieren 134 b)Ver such eantodten Thieren 139 3. Resorption in der Pleurahöhle 142 4. Resori)tion in den Gewebesi)alten 146 5. Zusammenfassung und Schluss 158 V. Kapitel. Resorption in mit Epithel ausgekleideten Höhlen 166 1. Resorption im Darm 167 a) Heidenhain's Untersuchungen 167 b) Physikalische Auffassung der D arm res orpti on . . . 170 a) Untersuchungen von Hamburger 170 1. Resorption im Darm todter Thiere 171 2. Einfluss des intraintestinalen Druckes auf die Darraresorption 174 Erste Methode 177 Zweite Methode 183 ß) Untersuchungen von Höber u. A 195 c) Einwände gegen die physikalische Auffassung der Darmresorption . . 202 d) Zusammenfassung und Schluss 213 2. Resorjjtion im Magen 221 a) Untersuchungen von Roth und Strauss 222 b) Untersuchungen von Pfeiffer und Sommer 226 c) Zusammen fassungundSchluss 228 Inhalts-Verzcichniss. VII Seite 3. Das Resorptionsvermögen der Harnblase 231 a)Historiscli-kritisc he Bemerkungen 232 a) Verhalten des Blasenepithels gegen Harn Stoff . . . 238 c) Zusammenfassung 246 VI. Kapitel. Physikalisch-chemische Untersuchung des Harns und ihre Anwendung in der Pathologie 247 1. Gefrlerpunkteriiiedrigung und Kochsalzgehalt 250 a)UntersuchungenvouA. V. Koränyi 250 a) Der Harn von Herzkranken 257 ß) Das Blut von Herzkranken (Bedeutung für Diagnostik und Be- handlung) 260 y) Harn und Blut bei Nierenkrankheiten 264 b) Unter suchungenvonL. Lindemann 266 c) Weitere kritische Bemerkungen über -^t^-t^ 271 NaCl d) Untersuchungen von Claude und Balthazard . . . . 273 e) Indication zur chirurgischen Nierenexstirpation (Unter- suchungen von H. Kümmel u. A.) . . 276 f) Chronische Nierenentzündungen und Urämie (Unter- suchungen von H. Strauss) 284 a) Untersuchung des Blutserum 285 ß) Untersuchung von Transsudat 286 y) Untersuchung des Harns 289 6) Nahrungsbedingungen 290 g) Acute Nierenentzündungen (Untersuchungen von Richter und Roth) 292 2. Gefrierpunkterniedrigung und elektrisches Leitvermögen, sowie anderweitige Beziehungen 293 a) Untersuchungen von Bugarszky 293 b) Untersuchungen von W. Roth 295 c) Unter suchungenvonSteyrer 296 3. Gefrierpunkterniedrigung und Blutkörperohenmethode . . . 298 a)EinigeBe merkungen 303 a) Uratabscheidung bei der Gefrierpunktbestimmung 303 ß) Ausführung der Blutkörperchenmethode beim Harn .... 304 y) Kritisches über die Berechnung des osmotischen Druckes aus den Ergebnissen der Blutkörperchenmethode 305 b) Zusammenfassende Beschreibung der Methode . . . 306 4. Zusammenfassung von 1, 2 und 3: Schlussbetrachtung . . . 308 a) Die Gefrierpunkteruiedrigung des Blutes 308 a) Bei Niereninsufficienz 309 ß) Bei Urämie 312 VIII Inhalts-Verzeichniss. Seite y) Bei allgemeinen Circulationsstörungen 314 (5) Bei der Indication zur Nierenexstirpation 315 b) Grefrierpunk t. des Harns. Moleculare Diurese . . . 317 c) Beziehungen zwischen Gefrierpunkte rniedr ig iing und ander enWerthen . . 319 A Gefrierpunkterniedrigung /^ , o,« a) „ ^. = ^r-£^T- — :, r-rr = Const 319 NaCl Kochsalzgehalt A Gefrierpunkterniedrigung ^ , „-,.-, ß) =r = ^ r^T-^r^,..., -^ •:- = Const 323 Ä Specinsche Leitfähigkeit A Gefrierpunkterniedrigung S — 1 Specifisches Gewicht ,, >^Xl06 Leitfähigkeit ., ^ 6) r = T — , ^1— ,1 ■= Const 325 h Aschengehalt e) Gefrierpunkt- und Blutkörperchenmethode 325 d)Schlussbelrachtung 326 5. Intravenöse Einverleibung des Harns (Urotoxischer Coefflcient) 827 0. Refractrometrisclie Untersuchung des Harns 329 7. Elektrochemische Untersuchung des Harns (Aciditätsbestimin- ung) 330 Physikalisch-chemisches über die elektrochemische Bestimmung der Acidität im Allgemeinen 332 a)PrincipderConcentrationskette 332 b) Ableitung der Formel für die elektroir.otorische Kraft ;rderConcentrationskette 334 c) Aus führungder Methode 339 d)BemerkungenüberdieApparate . . . 341 1. Accumulator 341 2. Messbrücke 341 3. Paraftinblock mit Quecksilbernäpfchen 344 4. Gaskette-Vorrichtung 345 Platinirung 348 Reinigung der Gefässe 349 Beschickung der Elektroden mit Wasserstoff 349 Weitere Behandlung des Gaselementes 350 5. Normal-Element 351 6. Nullinstrumente 356 Capillarelektrometer 856 Galvanometer 859 Aufstellung 360 Ablesung 362 7. Stromtaster 366 e) Detaillirt behandeltes Beispiel für Ausführung und Berechnung 367 1. Herrichtung der Platinelektroden 368 2. Anfertigung des Gaselementes 369 3. Prüfung des Normalelementes; Aichung des Accumulators 369 Inhalts-Verzeicbniss. IX Seite 4. Messung der Salzsäure-Wasserstoffkette 371 5. Berechnung der elektromotorischen Kraft 374 f) Maassystem bei elektrochemischen Messungen . . . 378 Noch einige Bemerkungen über die Bestimmung der Acidität des Harns insbesondere 380 a)DieConcentrationskette 380 b) Beispiel für Ausführung und Berechnung der lonenaci- dität des Harns. Controle der Bestimmung 383 c) Ergebnisse von v. Rohrer und Höber-Janko wsky . . . 388 VII. Kapitel. Die Nierenthätigkeit aus physiologischem Gesichtspunkt 392 1. Die Nierenthätigkeit im Ijiclit der Theorie des osmotischen Druckes 395 2. Scliwierigkeiten bei der Vorstellung Starling's 402 3. Neuere Untersuchungen über das Resorptionsvermögen der Harnkanälchen 403 4. Discussion der Bowman-Heidenhain'schen Secretionslehre . . 408 5. Zusammenfassung und Scliluss 413 VIII. Kapitel. Anderweitige Secrete und deren Absonderung 421 1. Speicliel 421 a) Untersuchungen von Langley und Fletcher 423 b)UntersuchungenvonIvoNovi 424 c) Untersuchungen von Asher und Cutter 426 d) Untersuchungen von Nolf 426 e) Grundzüge einer physikalischen Erklärung des Me- chanismus der Speichelabsonderung 427 f) Schlussbetrachtung 436 2. Magensaft 437 3. Galle 413 a) Gefrier punkte rniedrigung 444 b)ElektrischesLeitver mögen 447 4. Milch 448 a) Gefrierpunkterniedrigung unter verschiedenen Be- dingungen 449 a) Beginn und Schluss des Melkens 450 ß) Vergleichung von Morgen- und Abendmilch 450 •/) Vergleichung voller und abgerahmter Milch 449 b) Mittelwerth der Gefrierpunkterniedrigung 451 c) Elektrische Leitfähigkeit 452 d) Osmotisch-chemische Analyse der Milch 456 e) Beziehung zwischem dem osmotischen Druck von Milch undBlutserum 460 X Inhalts-Verzeicbniss. Seite IX. Kapitel. Physikalisch-chemische Untersuchung von Verdauungs- und anderen Processen 463 1. Physikalisch-chemisches über den Reactionsverlauf 466 a)MonomoleculareReactioii 467 b) Bimoleculare Reaction 470 c) Einfluss der Temperatur auf die Reactionsgeschwiu- digkeit 471 d) Einfluss des Mediums auf die Reactionsgeschwindigkeit 474 e) Complicationenbei derkatalytischen Wirkangorgani- scherFermente 475 f) Das Gleichgewicht bei umkehrbaren Reactionen . . 476 g) Das Gleichgewicht bei einer theilweise dissociirfcen Verbindung ,. 479 h) Das Gleichgewicht bei einer theilweise hydrolytisch gespaltenen Verbind ung. Grad der Hydrolyse. Disso- ciationsconstantedes Wassers 481 i) Ostwald's Tabelle zur leichteren Berechnung der Ge- sell windigkeitsconstante(k) . . . 489 2. Physikalisch- chemische Bestimmung der „freien" Säure im Magensaft 491 a) Princip 492 b) Methodik der In versions versuche im Allgemeinen . . 494 c) Ausführung von Hoffmann's Verfahren zur Bestimm- ung der ^freien" Säur e im Mag ensaft 496 d) Kritik der Methode . • 499 3. Bindung von Salzsäure an Eiweiss und Pepton ...... 503 a) Untersuchung mit Hülfe der elektrischen Leitfähig- keit (Sjöqvist) 504 b) UntersuchungnachdemInversionsverfahren(0. Cohn- heim) 506 c) Untersuchung mittelst Ge f rier punkte rniedrigung (Bugarszky und Liebermann) 508 d) Untersuchung mittelst der Gaskette (Bugarszky und Liebermann) 510 e) Schlussbemerkungen über die Salzsäure im Magen- saft 511 4. Umsetzungsgeschwindigkeit von Glykogen und ihre Beein- flussung durch Alkalien 514 Druckfehler -Verbesserung. Seite 276, Zeile 13 von oben lies „ihren" statt „Nieren". n fif A R Y Erstes Kapitel. Osmotische Verhältnisse des eireulirenden Blutes unter verschiedenen experimentellen Eingriffen. Litteratur. 1. Hamburger, Verslagen en Meded. d. Koninkl. Akademie v. Wetenschappen te Amsterdam. 1890. p. 364. Zeitschr. f. Biol. 27. 1890. S. 259. 2. V. Brasol, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1884. S. 210. 3. Klikowicz, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1886. S. 518. 4. Dastre et Loye, Arch. de Physiol. 1889. p. 283. 5. Quinton und Julia, Compt. rend. de la Soc. de Biol. 1897. Deuxieme Serie. 4 p. 1063. Vergl. weiter Quinton, ibid. p. 935 u. p. 965. 6. Magnus, Vergleichung der diuretischen Wirksamkeit isotonischer Lösungen. Habilitationsschrift. Leipzig 1900; auch in Arch. f. exp. Pathol. u. Pharm. 44. 1900. S. 396. 7. Haake und Spiro, Hof meist er' s Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie. 2. 1902. S. 149. 8. Magnus, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharm. 44. 1900. S. 68. 9. W. Cohnstein, Pf lüger 's Arch. 62. 1895. S. 58. 10. Starling, Journ. of Physiol. 24. 1899. p. 317. 11. Lazarus-Barlow, Journ. of Physiol. 19. 1896. p. 418. 12. Leathes, Journ. of Physiol. 19. 1895. p. 1. 13. Hamburger, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1895. S. 281. 14. Hymans van den Bergh, Nederlandsch Tijdschr. v. Geneesk. 1901. Dl. IL p. 349. 15. Carrara, Arch. Ital. de Biol. 35. 1901. p. 349. 16. Wettendorf, Travaux du laboratoire. Solvay 4. 1902. p. 353. 17. Durig, Pf lüger' s Arch. 85. 1901. S. 401. 18. D. Schonte , Het physisch-chemisch onderzoek van menschelyk bloed in de Kliniek. Diss. Groningen 1903. 19. Loeper, M^canisme regulateur de la composition du Sang. Paris, G. Steinheil, 1903. Hamburger, Osmot. Druck. II. Band. 1 2 Circuliiendes Blut. Nachdem ich festgestellt hatte, dass die Blutkörperchen in vitro für Cl und andere Substanzen permeabel sind ^), schien es erwünscht zu untersuchen , ob das auch für diejenigen des circulirenden Blutes Geltung besitzt [1]. Hierzu war es aber vor allem nothwendig festzu- stellen, wie weit es möglich ist, das Medium der circulirenden Blut- zellen auf einige Zeit nach Belieben zu modiiiciren. Die Blutgefässe bilden ja kein impermeables Gefässsystem und bereits die Unter- suchungen von von Brasol [2], Klikowicz[3J und von Dastre und Loye [4] hatten überzeugend dargethan, wie ausserordentlich schnell sich die Blutgefässe von den ihnen einverleibten Bestandtheilen entlasten. So fand Klikowicz, dass bei Einspritzung einer bedeutendenMenge einer koncentrirten Lösung von Na2S04 in die Blutbahn von Hunden bereits nach zwei Minuten die Hälfte daraus verschwunden war. Aehnliche Beobach- tungen hatte von Brasol schon zwei Jahre zuvor gelegentlich intravenöser Traubenzuckerinjectionen gemacht und Dastre und Loye fügten die merkwürdige Beobachtung hinzu, dass man bei Kaninchen ohne irgend eine schädliche Folge eine 0,75 procentigeNaCl-Lösung stundenlang hintereinan- der durch das Gefässsystem strömen lassen kann, wenn man nur dafür sorgt, dass die Schnelligkeit der Einspritzung und weiter auch der Druck und die Temperatur gut geregelt sind. Die Nieren führen alles Einverleibte ab. Nach der Angabe von Quin ton und Julia [5] soll das mit dem Blutserum sotonisch gemachte Meerwasser (83 cc Meerwasser -|- 190 cc destillirtes Wasser) nach intravenöser Injection noch schneller die Blutbahn verlassen als eine NaCl- Lösung. Die Verfasser führen diese grössere Activität der Nieren gegenüber Meer- wasser auf die Vorstellung zurück, dass das Meerwasser für uns aus jenen Zeiten her noch immer das ^milieu vital" geblieben ist, in denen wir uns noch im Fisch- zustand befanden. Indessen sei hervorgehoben, dass das injicirte Kochsalz den Körper langsam verlässt, langsamer als manche andere damit isotonische Salzlösung. Das geht aus den genauen vergleichenden Untersuchungen von Magnus [6] über die diure- tische Wirkung von byperisotonischen isosmotischen Lösungen von Na.>S04 und NaCl hervor, wie auch aus denjenigen von Haake und Spiro [7] über die diuretische Wirkung von mit dem Blutserum isotonischen Lösungen von NaBr, NaNOg, Na,S04, Glukose, Rohrzucker und NaCl. In beiden Arbeiten erwies sich das NaCl als die Substanz, welche am längsten im Körper zurückgehalten wird. Das stimmt auch vollkommen mit meinen früheren Angaben überein (vergl. auch unten S. 17). Ich muss beiläufig hinzufügen, dass die Untersuchungen von Quinten über das Verhalten von Säugethieren gegenüber Meerwasser bedeutend an Interesse gewonnen haben, seitdem Loeb und seine Schüler in der letzten Zeit nachgewiesen haben, dass für das Leben eine Flüssigkeit erfordert wird, die nicht nur isosmotisch ist mit der- jenigen, an welcher die betreffenden Zellen gewöhnt sind, sondern die auch bestimmte, verschiedenartige Ionen in bestimmten Verhältnissen enthält (vergl. die Kapitel : Zur Muskel- und Nervenphysiologie und Embryologisches). 1) Vergl. Bd. I. S. 202 ff. Einverleibung hyperisotonischer Na2S04-Lösungen. 3 In drei Richtungen wurde nun versucht, das Medium der Bkit- körperchen zu modificiren: 1. durch Einspritzung hyper- und hypisotonischer Salzlösungen (hydrämische Plethora), 2. durch ßlutentziehung (Hydrämie), 3. durch Wasserentziehung (Anhydriimie). Diese Versuche und deren Resultate, die ihres grossen Interesses wegen die ursprüngliche Frage in den Hintergrund drängten, bilden den Hauptinhalt des vorliegenden Ab- schnittes. Die meisten Versuche wurden an Pferden angestellt, einige auch an Hunden [1]. 1. Verhalten des Blutplasma. .a) Das Blutplasma nach intravenöser Injection von Salzlösungen. (Herbeiführung hydrämischer Plethora.) Es kamen hier hyperisotonische und hypisotonische Salzlösungen in Anwendung. a) Hyperisotonische Salzlösungen. Ich theile«den ersten der betreffenden Versuche ausführlich mit. Versuch 1. Einem alten Pferde von ungefähr 350 kg wurde ^/i 1 Blut aus der V. jugularis entnommen. Danach wurden 51 5°/oige Na2S04-Lösung (11,33 g Krystalle von Na2S04 -|- 10 aq auf 100 cc Flüssigkeit) in die andersseitige V. jugularis eingegossen. 10 Mi- nuten, 30 Minuten, 1 Stunde, 1 V2, 2, 3, 4, 24, 44 Stunden nach der Infusion wurden jedesmal ^/i 1 aus der erstgenannten Drosselader entleert und das Wasseranziehnngs- vermögen der Blutflüssigkeit mittels Zellen von Tradescantia discolor bestimmt '). Von dem Blute, das vor der Infusion entleert war, zeigten 5 cc Serum mit 0,25 cc Wasser verdünnt keine Plasmolyse; nach der Verdünnung mit 0,75 cc Wasser erfolgte Plasmolyse fast aller Tradescantiazellen. Weiter ergab sich, dass Trades- cantia-Zellen aus der unmittelbaren Nachbarschaft der zu diesem Versuche ange- wandten in l,4*'/oiger KNOg-Lösung keine Plasmolyse erlitten, dass dagegen eine l,5°/oige Lösung Plasmolyse fast aller Zellen herbeiführte. Folglich ist die Mischung von 5 cc Serum + 0i5 cc Wasser mit einer 1,45 °/o igen KNOg-Lösung isotonisch, das 5 + 05 Serum selbst demnach mit einer KNOg-Lösung von — X 1,45=: 1,6 "/o- D Ferner wurde nach derselben Untersuchungsmethode gefunden, dass das Serum des Blutes, das entleert wurde 10 Minuten nach der Infusion isotonisch ist mit einer KNOg-Lösung von 1,68 °/o 30 , , . . „ , , „ , . 1,6 , 1 Stunde „„„ „„,.„ , „ 1,55 „ IV2 , , . , , . , . . . 1,6 , 2 Stunden , , , , , , , , , 1,5 , 24 , . , , „ , , , , , 1,6 , 44 „ , „ , . „ „ , , . 1,6 „ 1) Näheres über die plasmolytische Methode Bd. I, S. 437. Circulirendes Blut. Hieraus erhellt, dass 10 Minuten nach der Infusion das wasser- anziehende Vermögen des Serums nur ein wenig höher ist als vor der Infusion; ^/a Stunde nach der Infusion ist es bereits zur Norm zurück- gekehrt. Dieses Resultat ist um so überraschender, wenn man berechnet, wie gross das wasseranziehende Vermögen des Plasmas geworden wäre, wenn das Gefässsystem eine vollkommen impermeable Wand hätte. Das Pferd wog ungefähr 350 kg, enthielt deshalb höchstens 350X8 100 = 28 kg Blut und folglich ungefähr 28 X '/, = 18,7 kg = 18 L Serum. Das Serum ist mit einer ],6procentigen KNOg-Lösung isotonisch. Da nun die eingegossene Na2S04-Lösung mit einer 4,74procentigen KNOg-Lösung isotonisch ist und 51 infundirt wurden, würde das wasser- anziehende Vermögen des Plasmas demjenigen einer ' , ^— = 2,28 procentigen KNOg-Lösung gleichen müssen, 18 — |— ö wenn die Blutkörperchen und die Wände des Blutgefässsystems voll- kommen impermeabel wären. Woher kommt nun die schnelle Wiederherstellung der ursprüng- lichen wasseranziehenden Kraft des Serums? Hat vielleicht alles NaaSO^ schon 30 Minuten nach der Infusion die Blutbahn verlassen? Ein Blick auf die folgende Tabelle zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Injection v»»ii 5 1 einer 5 "/o igen Na.2S04- Lösung in die V. jugularis eines Pferdes. Zeit der Entleerung g Na,S04 in 100 cc Serum Salpeterwert des gefundenen NaoSO, Vor der In ection Spuren — 10 Minuten nach der Injection 0,310 0,294 30 r ' T 0,119 0,113 1 Std. r 0,060 0,057 1 1/2 Std. r - V 0,042 0,040 2 r r )i 0,032 0,030 24 TT T Spuren — 44 , ti " Man sieht, dass z. B. 10 Minuten nach der Injection, der Na2S04- Gehalt noch 0,31 "/o beträgt, was einer 0,294 procentigen KNOg-Lösung entspricht. Bedenkt man nun, dass, wie aus den Versuchen mit Tradescantia- Einverleibung hyperisotonischer Na^SO^-Lösungen. 5 Zellen hervorgeht, 10 Minuten nach der Injection das wasseranziehende Vermögen nur noch um 1,68 — 1,6 = 0,08 erhöht ist, und dass Differenzen im Salpeterwerthe von 0,1 '^/o mittels der angewandten Methode aufgedeckt werden können, so muss man folgern, dass der Procentgehalt an anderen Serumbestandtheilen vermindert worden ist. Diese Erniedrigung muss einem Salpeterwerthe von 0,294 — 0,08 ^ 0,214 entsprechen. Wie aus der folgenden Tabelle hervorgeht, kann hierfür das NaCl nur zum kleinen Theil verantwortlich gemacht werden. Zeit der En tleerung cc i,'io noi-m. AgNOj, dem Chlor in 100 cc Serum ent- sprechend Salpeterwerth des NaCl, dem in der vorigen Spalte gefundenen Chlor entsprechend Verminderung d. Salpeterwerthes, verursacht durch das NaCl Vor der Injection 99,48 0,995 10 Min. nach der Injection . . 92,48 0,925 0,070 30 , , „ )' 94,76 0,948 0,047 1 Std. , ,. 96,72 0,967 0,027 1 1/2 Std. , ., — — — 2 ■ ■ 98,02 0,980 0,015 Aus dieser Tabelle geht hervor, dasä der NaCl-Gehalt des Serums 10 Minuten nach der Injection nur um einen Salpeterwerth von 0,07 vermindert ist. Demnach müssen auch noch andere Bestandtheile des Serums eine Gehaltsverminderung erfahren haben und zwar muss diese einem Salpeterwerth von 0,214 — 0,07 = 0,144 ents[)rechen. Behufs Erörterung der Frage, was für Bestandtheile dies sein können, lasse ich zunächst eine Analyse von Pferdeserum folgen und schreibe hinter jeden Bestandtheil den Salpeterwerth. Bestandtheile Gewichtstheile in 100 cc Salpeterwerth der in der vorigen Serum Spalte erwähnten Bestandtheile K,0 0,027 0,0192 NaoO 0,443 0,476 Cl 0,375 0,7042 P2O5 0,0152 0,01427 CO2 0,0985 0,15 Addirt man nun die partiellen Salpeterwerthe (letzte Spalte), so erhält man die Zahl 1,36, also einen Werth, der kleiner ist als alle die- jenigen, die ich bei meinen Versuchen je gefunden habe. Gewöhnlich schwankten sie da um 1,7. 6 Circulirendes Blut. Genaue Untersuchungen, wegen deren ich auf das Original [1] ver- weise, lehrten, dass das betreffende Deficit von dem in der Tabelle nicht mitberücksichtigten Eiweiss herrührt. Dieses repräsentirt einen Sal- peterwerth von 0,22 ^). Da hiernach das Eiweiss in nicht unbeträchtlichem Maasse am wasseranziehenden Vermögen betheiligt ist, erschien die Frage berechtigt, ob es nicht, wenn auch nur theil weise, für den in Rede stehenden Fehl- betrag von 0,143 verantwortlich gemacht werden konnte. Zur Beantwortung dieser Frage und zur gleichzeitigen Controle der Resultate des ersten Versuchs wurde ein zweiter Injectionsversuch angestellt, bei welchem in den verschiedenen Blutentziehungen u. a. auch der Eiweissgehalt bestimmt wurde. Versuch 2. Einem kleinen Pferde, das ungefähr 300 kg wog, wurden '/4 1 Blut entzogen. Das mittels der Centrifuge erhaltene Serum besass einen Salpeterwerth von 1,65. Diese Bestimmung erfolgte, gleich wie die übrigen, mittels rother Blutkörperchen (vergl. Bd. I, S. 439). Nach dieser Entziehung von ^/i 1 wurden 7 1 einer lauwarmen 5 ";'o igen NaaSO^- Lösung injicirt. Das Pferd wog 300 kg, enthielt also 21 kg Blut und deshalb un- gefähr 14 1 Serum. Wären die Blutkörperchen vollkommen impermeabel gewesen und hätten die Blutgefässe ein vollkommen impermeables System gebildet, so würde das wasseranziehende Vermögen des Plasma einer KNOg-Lösung von 14x1,65 + 7 X4,74_ 21 -^'^^ '" entsprochen haben. 10 Minuten nach Beendigung der Injection, welche 10 Minuten dauerte, wurden ^/4 1 Blut entzogen und defibrinirt. Je 5 cc des klaren gelben Serums wurden mit 2,75, 8, 3,25, 3,5, 3,75, 4 und 4,25 cc Wasser verdünnt und endlich zu den Gemischen je drei Tropfen defibrinirten Blutes hinzugefügt. Im Gemisch von 5 cc Serum und 3,5 cc Wasser war kein Farbstoff aus den Blutkörperchen ausgetreten, dagegen war im Gemisch von 5 cc Serum und 3,75 cc Wasser geringer Farbstoffaustritt wahrzunehmen. Ein entsprechendes Verhalten zeigten die NaCl-Lösungen von 0,6 °/o bezw. 0,58 "/o. Hiernach war das Serum mit einer KNOg-Lösung von ^ X 0,59 X j-s-? = 1.75 °/o isotonisch. 5 oö,5 Auf dieselbe Weise und mittels desselben defibrinirten Blutes wurde der Salpeterwerth des Serums desjenigen Blutes bestimmt, das V« Stunde und 2 Stunden nach der Injection entleert worden war. Die Salpeterwerthe des Serums betrugen : Vor der Injection 1,65 10 Minuten nach der Injection . . . 1,75 V2 Stunde , , , ... 1,7 2 Stunden , „ , ... 1,65 1) Vergl. hierzu weiter Bd. I. S. 488 und diesen Band, Kapitel über Colloide. Einverleibung hypeiisotonisclier Na.;S04- Lösungen. 7 Man sieht auch hier, dass bereits 10 Minuten nach der Injection das -wasser- anziehende Vermögen des Plasma sich bis auf die geringe Diiferenz von 0,1 7» Sal- peterwerth dem ursprünglichen Zustand wieder genähert hat und zwar nach einer vor- hergegangenen Erhöhung um 2,68 — 1,65 =: 1,03 °/o. Es bliebe nun, weiter zu untersuchen, in welchem Maasse jeder einzelne Serum- bestandtheil an der Conipensation betheiligt war. Hierzu wurde von den verschiedenen Blutentziehungen je eine Bauschanalyse des Serums ausgeführt und die Menge jedes einzelnen Bestandtheiles in Salpeterwerth ausgedrückt. Intravenöse Injection von 7 1 NaoS04 von 5 7» ^ei einem Pferde. I " III IV V VI VII VIII 1 IX 1 X Zeit der Blut- entleerung Osmot. Druck des Serums, ausgedrückt in Salpetorwerth .S 2 o § S OD _ «> 60 '° cc ^ AgNO, entsprechend dem Cl von 100 cc Serum 02 •Sg m S .2 ^ «8 eä "O m Verminderung des Salpeterwerthes durch NaCl NagCO, Eiweiss Vor der Injection 1,65 Spuren 106,5 0,074 7,452 10 Min. nach der Injection . . 1,75 0,413 87,2 0,068 5,954 0,31 0,188 0,006 0,051 30 Min. nach der Injection . . 1,70 0,240 93,5 0,068 7,054 0,23 0,125 0,002 0,025 2 Std. nach der Injection . . 1,65 0,081 101,16 0,072 7,824 0,075 0,05 0,002 0,012 Für die Discussion dieser Tabelle greife ich den Zustand 10 Minuten nach der Injection heraus. Man ersieht aus Spalte II, dass der osmotische Druck des Blut- plasma bereits fast völlig wieder zur Norm zurückgekehrt ist. Jedoch ist das nicht darauf zurückzuführen, dass die ursprüngliche Zusammensetzung wieder erreicht ist, denn im Serum finden sich 0,413 °/o NaoSO^ (Spalte III), entsprechend einem Salpeter- werth von 0,31 (Spalte VII). Die dem Na^SO^ entsprechende Steigerung des osmoti- schen Druckes wird grösstentheils durch die Abnahme der Chloride compensirt, ent- sprechend einem Salpeterwerth von 0,188 (Spalte VIII); ferner durch die Abnahme der Carbonate mit einem Salpeterwerth von 0,006 (Spalte IX) und durch eine Abnahme des Eiweisses, die einem Salpeterwerth von 0,051 (Spalte X) entspricht. Die Total Verminderung des Salpeterwerthes durch Chloride, Carbonate und Eiweiss beträgt so mit 0,245, während die durch Na^SO^ hervorgebrachte Steigerung 0,31 betrug. Nach dieser Rechnung soll die Vermehrung des Salpeterwerthes des Serums 10 Minuten nach der Injection noch 0,31 — 0,245 = 0,065 betragen, was mit der gefundenen 1,75 — 1,65 = 0,1 gut übereinstimmt. Ich theile noch einen Versuch mit, der mit einer stark hyper- isotonischen NaCl-Lösung angestellt wurde, also mit einem Salze, das — im Gegensatz zu dem NagSO^ — ein normaler Bestandtheil des Plasmas ist. 8 Circulirendes Blut. Versuch 3. Einem Pferde von ungefähr 300 kg wurden 9 1 einer 3,33 °/o igen NaCl-Lösung injicirt. Das Pferd enthielt ungefähr 24 l?g Blut und folglich 16 1 Serum. Das wasseranziehende Vermögen des Serums, das vor der Injection erhalten war, betrug ^-i|— X 0,63 X ^\ = 1,76 "/o Salpeterwerth. O Oo,0 Wenn die Blutgefässe ein vollkommen impermeables System bildeten und die Blutkörperchen auch impermeabel wären, würde das wasseranziehende Vermögen des 16X1,76 + 9X3,"" ■ ^^^ Plasma nach der Injection 58,5 : 3,20 geworden sein. 9 + 16 Die Versuche lehrten jedoch, dass es 5 -f- S 875 101 10 Minuten nach der Injection ^- X 0,63 X ^^^ == 1)91 Salpeterwerth, o öo,5 80 Stunde 0 Oö,0 y^x0.63xM=,,82 o 5o,5 3 Stunden 40 5 + 3,125 . ^.^ 101 -^5— x0,63x^g-5 5 + 3,125 - .^ 101 -V-><^'6^X5-8;5^ 1,76 1,76 Hieraus erhellt, dass schon nach 2 Stunden sich das ursprüngliche wasseranziehende Vermögen ungefähr wieder hergestellt hatte, um dann weiter unverändert zu bleiben. Diese Rückkehr zum ursprünglichen wasseranziehenden Vermögen ist auch hier nicht dadurch zu erklären, dass das Serum seine ursprüngliche Zusammensetzung wieder erreicht hatte, denn aus der folgenden Tabelle geht hervor, dass der NaCl- Gehalt, sogar 3 Stunden nach der Injection, den Gehalt vor der In- jection um 0,198 an Salpeterwerth übertrifft, also um einen Betrag, welchen die gewählte Untersuchungsmethode ganz gewiss hätte entdecken I II III cc Vio norm. AgNOj, Vermehrung des Zeit der Blutentziehung entsprechend dem Chlor Salpeterwerthes, verur- in 100 cc Serum sacht durch NaCl Vor der Injection .... 111,16 10 Min. nach der Injection 137,97 0,268 30 „ , , 130,59 0,194 1 V4 Std. „ — — 3 . . , 131 0,198 40 , , „ 110,1 ' 0,01 Einverleibung hyperisotonischer NaCl-Lösungen. 9 lassen. Es müssen also wiederum Stoffe das Serum verlassen haben, die zusammen ein nahezu gleiches wasseranziehendes Vermögen reprä- sentiren. Die Menge Chlor (als NaCl in Rechnung gebracht), welche noch 3 Stunden nach der Injection zurückgeblieben ist, darf bedeutend genannt werden. Oben sahen wir, dass 10 Minuten nach der Injection der Salpeter- werth des ganzen Serums 1,91 betrug gegenüber 1,76 vor der Injection. Der Salpeterwerth ist also um 0,17 gestiegen. Da nun aus Spalte III hervorgeht, dass 10 Minuten nach der Injection der NaCl-Gehalt um 0,268 an Salpeterwerth gestiegen ist, so muss der Gehalt des Serums an anderen Bestandtheilen vermindert sein, und in der That ist dies u. a. mit den Carbonaten und Eiweissstoffen der Eall. Intravenöse Injection von 9 I NaCl-Lösung von 3,33 V l>ei einem Pferde. I II III IV V VI VII VIII Verminde- Ver- Totale Sal- rung mehrung d. Erhöhung Zeit der Blut- g Eiweiss Salpeter- werth des peter- werth d. Salpeter- werthes des Serums, Salpeter- wertes des des wasser- Spalte VI entziehung 100 cc Eiweisses (vergl. S. 6) der Carbo- verui'sacht durch Eiweiss- Serums, veriu'sacht iinziehen- den minus Spalte V nate stoffe und Karbonate durch das NaCl Vermögens des Serums Vor der Injection . 7,338 0,216 0,036 — 10 Minuten nach der Injection . . . 5,68 0,167 0,031 0,054 0,268 0,17 0,214 30 Minuten nach der Injection . . . 6,85 0,202 0,032 0,018 0,194 0,11 0,176 1 \i Std. nach der Injection . . . 7,398 0,209 0,032 0,011 — 0,06 — 3 Std. nach der In- jection .... 7,587 0,228 0,034 — 0,005 0,198 0 0,203 40 Std. nach der In- jection .... 7,446 0,219 0,036 - 0,003 — 0,01 0 - 0,007 Aus dieser Tabelle ersieht man : 1. 10 Minuten nach der Injection verursachte das Eintreten von NaCl in das Plasma eine Vermehrung des wasseranziehenden Vermögens um 0,268 (Spalte VI). Gleichzeitig erlitt jedoch das Serum einen Verlust von 0,054 durch die Verminderung des Eiweiss- und Carbonatgehaltes. Die Differenz 0,268 — 0,054 — 0,213 (Spalte VIII) wurde grüsstentheils in der totalen Erhöhung des wasseranziehenden Vermögens des Serums wiedergefunden, welche 0,17 (vergl. Spalte VII) betrug. 2. Im Serum des 30 Minuten nach der Injection entleerten Blutes beträgt die algebraische Summe der partiellen Erhöhungen des wasseranziehenden Vermögens 10 Circulirendes Blut. 0,176 (Spalte VIII), während, wie aus Spalte VII ersichtlich, die wirkliche Vermeh- rung des Salpeterwerthes 0,11 beträgt. 3. Im Serum des Blutes, das 3 Stunden nach der Injection entleert ist, be- trägt die algebraische Summe der partiellen Erhöhungen des wasseranziehenden Ver- mögens 0,203 (Spalte VIII), während, wie aus Spalte VII ersichtlich, die wirkliche Vermehrung des Salpeterwerthes des Serums 0 beträgt. 4. 40 Stunden nach der Injection hat das Serum seine ursprüngliche Zusammen- setzung nahezu vollkommen ei reicht. 5. Die Differenzen zwischen den entsprechenden Zahlen von Spalte VII und VIII sind zu gross, um etwaigen Beobachtungsfehlern zugeschrieben werden zu können. Es müssen deshalb bei der Regelung des wasseranziehenden Vermögens des Plasma nach der Injektion einer stark hyperisotonischen Kochsalzlösung noch andere Stoffe oder Momente im Spiele sein, welche wir noch nicht kennen. Ausser mit einer hyperisotonischen NagSO^- und NaCl-Lösung wurde auch ein Inj ections versuch mit 7 1 einer 4procentigen NaNOg-Lösung angestellt. Versuch 4. Der Salpeterwerth des Plasma war 30 Minuten nach der Injection wieder voll- kommen normal geworden, obgleich sogar 4 Stunden nach der Injection im Serum mittelst einer Lösung von Diphenylamin in koncentrierter Schwefelsäure noch deut- lich Nitrate nachgewiesen werden konnten. Bei weitem die grösste Menge des Nitrates aber hatte dann bereits die Blutbahn verlassen. Schon während der Injection fanden sich im Harn Nitrate in bedeutender Menge, ebenso in den Thränen und im Speichel. Weiter sei noch erwähnt, dass Magnus [6] und auch Hymans van den Bergh [14] die nach Injection von hyperisotonischer Na2S04- Lösung aufgefundenen Thatsachen bestätigt haben. ß) Hyp isotonische Salzlösungen. Ausser mit hyperisotonischen führte ich auch Versuche mit hyp- isotonischen Salzlösungen aus und gebe hier ein Experiment mit einer Na2S04-Lösung von 0,5 '',0 wieder. Diese Lösung entsprach einem Salpeter- wertbe von 0,474, während das Serum einen Salpeterwerth von 1,76 besass. Die Tabelle auf S. 11 enthält die Resultate. Untersucht man auch in dieser Tabelle den Zustand des Blutes 10 Minuten nach der Injection, so ergibt sich aus Spalte II eine vollkommene Wiederherstellung des wasseranziehenden Vermögens. Wäre das Blutgefässsj-stem vollkommen imper- meabel gewesen, so würde, unter der Annahme, dass auch die Blutkörperchen voll- kommen undurchlässig sind und im Pferde 18 1 Plasma vorhanden wären, das wasser- anziehende Vermögen des Serums unmittelbar nach der Injection 18x1,76 + 7 X 0,474 _ 18+7 ~^'*" Salpeterwerth betragen haben. Spalte III lehrt, dass noch eine Menge NazSOi im Plasma vorhanden ist, wel- cher ein Salpeterwerth von 0,094 entspricht (Spalte VII). Wenn trotzdem der osmo- Einverleibung hypisotoniscliei Na.)S04-Lösungen. 11 Intravenöse Injcction von 5 1 NaaSOi- Lösung von 0,5 "/o bei einem Pferde. I II m IV V VI 1 VII VIII 1 IX '1 X Osmotischer Druck des Serums, ausgedrückt in Salpeterwerth § i 3i TS rq Verminderung Zeit der Blut- entziehung ■S § ■'1' ^ o ® 6D < «8 02 at» S) m 3 3 02 des Salpeterwerthes durch NaCl NagCOj Eiweiss Vor der Injeciion 1,76 Spuren 106,5 0,035 0,21 10 Min. nach der Injection . . 1,76 0,099 100,98 0,033 0,18 0,094 0,05 0,02 0,03 30 Min. nach der Injection . . 1,76 0,09 102,2 — 0,199 0,085 0,043 — 0,01 1 \'2 Std. nach der Injection . . 1,76 0,11 99,1 — 0,205 0,101 0,074 — 0,005 tische Druck des Plasma wieder normal geworden ist, so müssen andere Stoffe die dem Na2S04 entsprechende Vermehrung compensirt haben. In der That zeigt Spalte IV, dass der NaCl-Gehalt um einen Salpeterwerth von 0,05 (Spalte VIII) abgenommen hat; weiter, dass die dem NaiCOg entsprechende Verminderung 0,002 beträgt und die dem Eiweiss entsprechende Abnahme 0,03. Die durch Chloride, Carbonate und Ei- weissstoffe herbeigeführte Abnahme des osmotischen Druckes gleicht also einem Salpeterwerth von 0,05 + 0,002 + 0,03 = 0,082, während die durch NaoSO^ verursachte Vermehrung 0,094 beträgt. Der Unterschied ist gering. Auch hier bei der Injection hypisotonischer Lösungen ist somit das Wasseranziehungsverraögen der Bhittlüssigkeit bis zur Norm zurück- gekehrt, bevor das Plasma die ursprünghche Zusammensetzung zurück- gewonnen hat. Chloride, Carbonate und Eiweiss wirken zu- sammen, um durch Verringerung ihres Gehaltes die durch das noch anwesende Na2S04 herbeigeführte Steigerung des osmotischen Druckes zu compensiren. Betrachtet man weiter den Sulfatgehalt, auch nach 30 Minuten und 1 ^2 Stunden, so ergibt sich, dass dieser 0,085 bezw. 0,101 Salpeterwerth be- trägt, Gehalte, die von denen nicht erheblich abweichen, welche gefunden worden wären, wenn die ganze injicirte NagSO^-Lösung im Plasma geblieben 7 X 0 474 wäre. In diesem Falle hätte der Salpeterwerth des Na2S04 _ — = lo — j— I 0,133 betragen. Es scheint also, dass Na2S04 die Blutbahn nicht verlassen kann, weil es mitwirken muss, das wasseranziehende Vermögen, welches durch die Injection der hypisotonischen Lösung herabgesetzt wurde, so hoch wie möglich zu erhalten. 12 Circnlirendes Blut. Bemerkenswerth ist die Thatsache, dass das Thier während der Injection und sogar in einem Zeitraum von 3 Stunden nach derselben nicht urinirt. Auch bemerkt man keine Entleerung dünner Face s. Beide Erscheinungen beobachtete ich bei denVersuchen mit hy perisotonischen Lösungen stets in frappanter Weise. Es scheint dies in Widerspruch mit den Erfahrungen von Magnus [8] zu stehen, der bei Injection hypisotonischer NaCl-Lösungen bei Kaninchen und Hunden eine bedeutende Diurese auftreten sah. Es muss aber hervorgehoben werden, dass Magnus ungeheure Flüssigkeitsmengen injicirte. So theilt er z. B. als ersten Versuch mit, dass er bei einem Kaninchen von 2205 g 3 Stunden lang mit einer Einlaufsgeschwindigkeit von 3,5 cc pro Minute und Kilogramm Thier, eine 0,6 procentige NaCl- Lösung intravenös infundirte. Das macht also im ganzen 3,5 X 60 X 3 X 2,205 = 1389 cc. Hätte ich bei Pferden ein entsprechendes Volumen eingespritzt, so würde das für ein Thier von 350 kg : 3,5 X 60 X 3 X 350 = 220500 cc = 220,5 Liter ! betragen haben. Solche Quantitäten gehen doch wohl etwas weit über physiologische Verhältnisse hinaus! Die Ursache des von mir beobachteten Unterschiedes liegt vielleicht darin, dass unmittelbar nach Injection hyperisotonischer Lösungen, eine Wasserentzielmng aus den Geweben und dadurch eine stärkere Füllung der Blutcapillaren stattfindet, während nach Einspritzung hypisotonischer Lösungen umgekehrt ein Theil des Wassers in die Gewebe hinübertritt. Dass nach intravenöser Injection hyperisotonischer Flüssigkeiten die Blutcapillaren sich wirkHch stärker füllen, wurde von W. C o h n s t e i n [9j an der Schwimmhaut des Frosches in directer Weise unter dem Mikroskop nachgewiesen. Denkt man sich diesen verschiedenen Füllungsgrad der Blut- capillaren auch für die Nieren zutreffend und schliesst sich der Ansicht Starling's [10] an, dass mit demselben die Harnbildung Hand in Hand geht (Vgl. das Kapitel über die normale Nierenthätigkeit), so ist der be- treffende Unterschied im Verhalten des Pferdes gegenüber hyperiso- tonischen und hypisotonischen Lösungen nicht schwer zu deuten. Ich muss hier die Aufmerksamkeit noch auf eine andere merk- würdige Thatsache lenken. Bei der Betrachtung der Tabellen fällt es bald auf, dass 2 Stunden nach der Injection hyperisotonischer Lösungen, der Eiweissgehalt des Serums höher ist als vor der Injection. Dement- sprechend war auch das specitische Gewicht gestiegen. Specifisches Gewicht. Blutkörperchen-Volumen. 13 Diese Vermehrung des Eiweissgehaltes konnte nun entweder durch Wasserabgabe an die Blutkörperchen oder durch Wasserabgabe an Lymphe und Nieren hervorgerufen sein Die erste Voraussetzung ist zu verwerfen , weil der osmotische Druck der Blutflüssigkeit 2 Stunden nach der Injection wieder ganz normal geworden war. Demnach muss also Wasser aus der Blutbahn ausgetreten sein. Diese Anschauung wird noch dadurch unterstützt, dass das Volumen der körperlichen Elemente in einer bestimmten Blutmenge zugenommen hat. Die folgende Tabelle giebt eine Uebersicht der Werthe, die ich in Beziehung auf das eben Erwähnte erhalten habe. Spalte I enthält einige Bemerkungen über die Injection der hyper- und hyp- isotonisclien Lösungen; Spalte II giebt die Zeit der Blutentziehungen an, Spalte III das specifische Gewicht des Serums hei Zimmertemperatur. (Dasselbe wurde mittelst eines fein getheilten Aräometers bestimmt.) Endlich findet man in Spalte IV das Volumen der Blutkörperchen m 100 cc defibrinirten Blutes. •Die Bestimmung dieses Volumens geschah, indem ich 25 cc fassende, gleich hohe, mit defibrinirtem Blute gefüllte Messcylinder 24 Stunden sich selbst überliess und dann die scharfe Grenze zwischen Serum und sedimentirten Blutkörperchen ablas. Diese Methode lässt wohl in Beziehung auf das absolute Volumen der Blut- Bestimmung des speciflsclien Gewichts des Serums uml des Volumens der Blutkörperchen im defibrinirten Blut. I II III IV Versuch Zeit der Blutentziehung Specifisches Gewicht des Serums Volumen der Blut- körperchen in 100 cc defibrinirten Blutes cc Injection von 7 1 einer NaaSOi-Lösung von 5 ", o bei einem Pferde von etwa 400 kg Injection von 9 1 einer 3,3« 0 igen NaCl-Lösung bei einem Pferde von etwa 300 kg Injection von 7 1 einer 0,5 "/o igen NajSOi-Lösung bei einem Pferde von etwa 400 kg • Vor der Injection . . . 10 Min. nach der Injection 30 , 2 Std. ,. Vor der Injection . . . 10 Min. nach der Injection 30 , , , l'/iStd. , 3 , „ „ Vor der Injection . . . 10 Min. nach der Injection 30 . , , 1 ',2 Std. , 20 , , „ 1027,25 1024,5 1027,5 1028,5 1027 1023 1026,5 1027,5 1028 1027 1025 1025,5 1027,5 1029,5 36 30 35 40 37,5 30 36 42 47 29 27 26,5 30,5 30,5 '■^S-O'^^ 14 Circulirendes Blut. körperchen an Genauigkeit zu wünschen übrig; für vergleichende Bestimmungen ist sie dagegen sehr brauchbar. Sie gewährt constante und auch genaue Resultate, wie ich einmal zur Controle durch Zählung mittels des Z eiss- M al assez 'sehen Appa- rates für das Blut von zwei Entziehungen feststellte. Die Methode würde sich für Rindsblut und im Allgemeinen für Blutsorten, deren Körperchen sich schwer absetzen, nicht anwenden lassen. Aus der Tabelle auf S. 13 geht deutlich hervor, dass nach der Injec- tion einer hyperisotonischen sowohl als einer hypisotonischen Salzlösung, innerhalb der Zeit von zwei Stunden, das specifische Gewicht des Serums über den ursprünglichen Werth ansteigt. Dies berechtigt, im Zusammen- hang mit der relativen Vermehrung der Zahl der roten Blutkörperchen, zu der Schlussfolgerung, dass in Folge der Injection das Volumen des im Körper vorhandenen Plasmas und folglich auch das Volumen des ganzen Blutes nach dem erwähnten Zeitraum geringer ist, als vor der Injection. Diese Erscheinung wurde später auch von Lazarus-Barlo w [llj beobachtet. Nachdem sich also herausgestellt hatte, dass nach Injection hyper- und hypisotonischer Lösungen das Blutserum sehr rasch seinen ursprüng- lichen osmotischen Druck wieder gewinnt, erschien es zunächst über- flüssig, in derselben Richtung auch Versuche mit isotonischen Lösungen anzustellen. Lag es doch auf der Hand, dass nach Einverleibung solcher Flüssigkeiten das Blutplasma isotonisch bleiben musste. Dennoch wäre es nützlich, Untersuchungen über die Regelung der Blutbestandtheile, wie sie oben für anisotonische Lösungen ausgeführt wurden, ebenfalls für isotonische anzustellen, weil dabei ein direkter osmotischer Druckunter-- schied ausgeschlossen ist und also hierdurch die Beantwortung der Frage, auf welche Weise die Entfernung und der Austausch verschiedener Be- standtheile zusammenwirken, eine nicht unbedeutende Vereinfachung er- fährt. Doch schien es mir bereits damals keinem Zweifel zu unterliegen — und ich sprach das in der betreffenden Abhandlung auf Grund der Erscheinungen deutlich aus — dass dabei die Gewebe und die Nieren in hohem Maasse betheiligt waren. Der directe Beweis scheint mir später, besonders was die Gewebe, resp. die Lymphe betrifft, von Leathes [12] erbracht worden zu sein. Leathes unterband die A. renalis und den Ureter auf beiden Körperseiten und brachte eine Canüle in den Ductus thoracicus. Nachdem er eine hyperisotonische Dextrose-Lösung in die Blutbahn injicirt hatte, stieg die Gefrierpunktserniedrigung der aus dem Ductus fliessenden Lymphe von — 0,610° bis 0,700° und blieb auf dieser Höhe. Gleichzeitig stieg Regulirende Thätigkeit der Nieren. 15 die Depression des Blutes von — 0,605*^ auf — 0,695° an, um ebenfalls diesen Betrag beizubehalten. Man sieht also, dass bei Ausschaltung der Nieren sich ein osmotisches Gleichgewicht zwischen Blut- und Ge- websflüssigkeit herstellt. Die Steigerung des osmotischen Druckes vertheilt sich auf beide. Dass die Depression der Lymphe ein wenig grösser ist als die der Blutflüssigkeit, schreibt Leathes dem Stoöwechsel in den Geweben zu, bei welchem grosse Moleküle in mehrere kleinere zerfallen. Injicirte er bei gleicher Versuchsanordnung eine 0,3 ^Iq ige NaCl- Lösung in die Blutbahn, so wurde die Gefrierpunktserniedrigung der Lymphe auf — 0,560° und die des Blutes auf — 0,550° herabgesetzt. Auch hier erfolgt ebenso wie nach der Traubenzuckerinjection , der osmotische Ausgleich ausserordentlich schnell, fast momentan und die innerhalb und ausserhalb der Capillaren sich befindenden Flüssigkeiten behalten den nunmehr erzielten osmotischen Druck, der höher oder niedriger liegt als der des normalen Blutplasmas, je nachdem hyper- oder hypisotonische Flüssigkeiten in die Blutbahn eingespritzt werden. Dass in normalen Zuständen ein gesteigerter oder herabgesetzter Druck nicht bestehen bleibt, rührt daher, dass die Nieren weiter regelnd eintreten. Hiermit stimmt das Ergebniss überein, zu dem ich ungefähr gleich- zeitig [13J gelangte, als ich bei einem Kaninchen, dem die Nierenarterien unterbunden waren, hyperisotonische Lösungen in die Bauchhöhle brachte^). Auch da stieg der osmotische Druck der Blutflüssigkeit bedeutend an, was niemals der Fall war, wenn die Nieren frei waren. Während also bei Erzeugung hydrämischer Plethora durch hyperisotonische oder hyp- isotonische Lösungen die Gewebe es sind, welche durch osmotischen Ausgleich die Aenderung des osmotischen Druckes der Blutflüssigkeit fast momentan, und zwar durch Wasserabgabe bezw. Wasseraufnahme lindern, sind es die Nieren — und in geringerem Maasse auch Speichel-, Thränen-, Li eher kühn 'sehe und andere Drüsen — die für die endgültige Wiederherstellung des ursprüngüchen osmotischen Drucks Sorge tragen. Dass diese Wiederherstellung erzielt ist, bevor die ursprüngliche Zu- sammensetzung der Blutflüssigkeit erreicht ist, lässt sich daraus erklären, dass nach der Injection anisotonischer Lösungen nicht bloss osmotisches Gleichgewicht zwischen Blut- und Gewebsflüssigkeit entsteht, sondern auch ein Austausch von Bestandtheilen durch Diffusion stattfindet. Die Folgen dieses Diffiisionsaustausches werden noch bemerkbar sein, nach- dem die Blutflüssigkeit den ursprünglichen osmotischen Druck wieder- 1) Vergl. Kap. IV. 16 Ciiculirendes Blut. gewonnen hat. Es sind wieder die Nieren, die schliesslich auch der abnormen Zusammensetzung der Blutflüssigkeit ein Ende machen. Auf welche Weise die Nieren diese doppelte Aufgabe: Wieder- herstellung des ursprünglichen osmotischen Drucks und schliessHch auch der ursprünglichen chemischen Zusammensetzung erfüllen, davon wird unten bei der Besprechung von Nierenthätigkeit und Diurese die Rede sein. Die bis jetzt mitgetheilten Resultate über den osmotischen Druck und die Blutzusammensetzung nach Injection hyperisotonischer und hyp- isotonischer Salzlösungen lassen sich auf folgende Weise zusammenfassen. 1. Nach der Injection hyperisotonischer Lösungen von NagSO^, NaCl und NaNOg in so grossen Mengen, dass das wasseranziehende Vermögen des Serums hätte bedeutend steigen müssen, wenn die Wände des Blutgefässsystems und die Blutkörperchen fürSalze undWasser vollkommen impermeabel wären, gewinnt das Plasma sein ursprüng- liches wasseranziehendes Vermögen äusserst rasch zurück, 2. Bei der Injection einer hypisotonischen Na2S04-Lösung, welche das wasseranziehende Vermögen des Plasmas unter der erwähnten Vor- aussetzung hätte von 1,76 bis auf 1,4 (Salpeterwerth) herabsetzen müssen zeigt sich, dass dieses Vermögen schon 10 Minuten nach der Injection wieder auf den ursprünglichen Werth zurückgekehrt ist. 3. Behufs Wiederherstellung des wasseranziehenden Vermögens wirken verschiedene Bestandtheile, sowohl des ursprünglichen Blutes als der injicirten Lösung und der (iewebef lüssigkeit zusammen. Währ end nämlich durch die Injection hyperisotonischer Lösungen eine erhebliche Ver- mehrung des wasseranziehenden Vermögens des Plasmas in Folge der Salzzufuhr zu erwarten ist, und umgekehrt durch die Injection hypisotonischer Lösungen wegen des zugeführten Wassers eine entsprechende Verminderung, wirken unmittelbar nach der Injektion NaCl, NagSO^, NagCOg, Eiweiss, Wasser und wahrscheinlich auch andere Stoffe zu- sammen, um durch gegenseitigen Austausch die genannte Vermehrung resp. Verminderung zu compensiren. Bemerkenswerth ist, dass das Plasma 2 Stunden nach der Injection weniger Wasser enthält als vor der Injection, so dass der Eiweissgehalt, der erst abgenommen hat, nunmehr erhöht ist. 4. Mit der Wiederherstellung des ursprünglichen wasseranziehenden Vermögens geht das Bestreben Hand in Hand, auch die ursprüngliche Zusammensetzung des Chlorretention bei acutem Fieber. 17 Plasmas wieder zu erreichen. Man könnte deshalb leicht auf den Gedanken kommen, den ersten Vorgang als eine Folge des zweiten anzusehen. Diese Meinung muss jedoch schon deshalb unrichtig sein, weil zu Zeiten, wo das Plasma seine ursprüngliche Zusammensetzung noch nicht erreicht hat und nochAbweichungen darinvorhandensind, welche die angewandte Methode zur Bestimmung der wasseran- ziehende Kraft gewiss hätte entdecken können, das wasser- anziehende Vermögen schon zum ursprünglichen Werth zurückgekehrt ist. 5. Bei der Injection hyperisotonischer Salzlösungen bei Pferden stellt sich unmittelbar nach der Einverleibung, sogar während derselben, bedeutende Harnabscheidung und dünne Defäcation ein. Bei der Anwendung hypisotonischer Lösungen jedoch nimmt man solches nicht wahr. Man kann dabei 3 Stunden und länger nach der Injection warten, ohne eine Harn- entleerung oder eine dünne Defäcation zu beobachten. Letztere Erscheinung wird mitunter wohl dadurch veranlasst werden, dass durch den osmotischen Ausgleich unmittelbar ein Theil des injicirten Wassers in die Gewebe zurücktritt, um dieselben erst allmählich wieder zu verlassen. Nach Injection hyperisotonischer Lösungen dagegen erfährt das Volumen der injicirten Salzlösung nicht nur keine Abnahme seitens der Gewebe, sondern unmittelbar eine bedeutende Vermehrung. An dieser Stelle will ich noch erwähnen, dass Hym ans van den Bergh [14] die oben mitgetheilten Thatsachen herangezogen hat, um die viel discutirte, aber bis heute noch nicht recht verstandene C h 1 o r - retention bei acuten fieberhaften Krankheiten zu erklären. Bereits 1850 entdeckte nämlich Red tenba eher, dass in diesen Zuständen ausserordentlich wenig Chlor durch den Harn abgeschieden wird und also im Organismus zurückgehalten werden muss. Nachdem Hym ans van den Bergh dann nachgewiesen hat, dass keine der bis jetzt ge- gebenen Erklärungen stichhaltig sein kann, äussert er sich in folgen- dem Sinne: Die Thatsache, dass während eines acuten Fieberanfalls Stoffwechselproducte im Körper angehäuft werden, ist nicht mehr anzu- zweifeln. Durch diese Anhäufung würde dann auch eine Steigerung des osmotischen Druckes des Blutes stattfinden, wenn dem nicht seitens des Organismus mit grosser Energie entgegengearbeitet würde. Es ist nun die Frage, in welcher Weise reagirt hier der Organismus? Hymans Hamburger, Osmot. Druck. U. Band. 2 18 Circulirendes Blut. van den Bergh stellt sich vor, dass bei der Anhäufung von Stoff- wechselproducten in der Bhitbahn etwas Gleichartiges geschieht wie bei intravenöser Einspritzung einer Na2S04-Lösung, d. h., dass mitunter ein üebertritt von Chlor aus der Blutbahn in die Gewebe erfolgt ([1] und [6]) und eine entsprechende Abnahme des Chlors im Harn. In der That fand Magnus nach intravenösen NaS04-Einspritzungen den Harn zu- weilen absolut chlorfrei [6J. Von diesem Gesichtspunkt war es interessant, die Zusammensetz- ung des Blutserums bei acuten lieberhaften Krankheiten kennen zu lernen. Nun sind Bestimmungen des Chlorgehalts im Serum vielfach ausgeführt worden. So fand von L i m b e c k den Chlorgehalt in drei Fällen von Pneumonie kleiner als bei normalen Personen, von Morac- zewski gelangte bei 8 Pneumonikern zu demselben Resultat; Rune- berg, Laudenheimer, Hutchinson ebenso. Diese bei Pneumonie beobachteten Verminderungen des Chlorgehalts im Serum waren nicht gering. Fügt man dann noch weiter hinzu, dass Stejskal bei einem Patienten mit chronischem Febris recurrens, herbeigeführt durch maligne Lymphome, bei Vergleichung des Blutes im febrilen und afebrilen Stadium ein vollkommen gleichlautendes Resultat erhielt, so darf man wohl be- haupten, dass in fieberhaften Zuständen der Chlorgehalt des Serums bedeutend abgenommen hat. Vergleicht man nun die weiteren hier gefundenen Veränderungen in der Zusammensetzung des Blutserums mit denjenigen, welche man bei der Injection hyperisotonischer Lösungen beobachtet, so ist die Uebereinstim- mung nicht nur für das Cl, sondern auch für den Wasser- und Eiweiss- gehalt schlagend. In beiden Fällen erfolgt Vermehrung des Wasser- gehalts und Abnahme des Eiweissgehalts. Somit herrscht das gleiche Verhalten, als ob statt einer Na2S04- Lösung Stoffwechselproducte in die Blutbahn eingespritzt Avurden. In beiden Fällen häuft sich Chlor in den Geweben an; es gelangt also nur wenig Chlor in den Harn, m. a. W. in fieberhaften Krankheiten ist der Harn chlorarm. Dass die Gewebe im Stande sind, NaCl zu binden, er- scheint nicht mehr befremdend, wenn man bedenkt, dass auch die Blut- körperchenstromata das Vermögen besitzen, dieses Salz in erheblicher Menge festzuhalten (B. I. S. 531). Der Autor fügt noch hinzu, dass es eine fieberhafte Krankheit giebt, bei welcher keine Chlorretention stattfindet; bei Malaria nämlich ist die während des Fieberanfalls ausgeschiedene Chlormenge sogar grösser als die, welche unmittelbar zuvor oder nachher secernirt wird. Das ist aber dadurch verständlich, dass gerade bei Malaria, im Gegen- Veränderung bei Ertrunkenen. 19 satz zu anderen fieberhaften Krankheiten, die Harnausscheidung während des Fieberanfalls bedeutend grösser ist als im afebrilen Stadium. So- mit können die Stoffwechselproducte vollkommen entfernt werden und von einer anderweitigen Regulirung braucht hier also nicht die Rede zu sein. SchHesslich möchte ich hier noch hervorheben, dass die Regelung des osmotischen Drucks der Blutflüssigkeit nach Einverleibung anisotoni- scher Lösungen sich sowohl aus der Untersuchung des venösen wie aus der des arteriellen Blutes ergibt. Eine gleichzeitige Untersuchung beider Blutarten nach solchen Einverleibungen wurde bis jetzt noch nicht ausgeführt. Dass sich aber erhebliche Unterschiede des osmotischen Drucks bei dem gleichzeitig aufgefangenen Carotis- und Jugularisblut ergeben werden, lässt sich nicht erwarten. In einem besonderen Fall jedoch ist solch ein Unterschied zur Beobachtung gelangt. Carrara [15J hat die interessante Beobachtung gemacht, dass nach dem Ertrinken das Blut des linken Her- zens eine viel geringere Gefrierpunkterniedrigung zeigt als das des rechten. So fand er z. B. bei einem Hund vor dem Ertrinken eine Depression des Carotisblutes von — 0,60 ", nach dem Ertrinken zeigte das entsprechende Blut der linken Herzhälfte J=^ — 0,29 0 und das der rechten J= — 0,42 ». War das Tier vor dem Einsenken in das Wasser getödtet und dann weiter 72 Stunden in Wasser gehalten, so war keine namhafte Differenz in der Gefrierpunkterniedrigung zu entdecken. Diese Erscheinungen geben also ein bequemes Mittel an die Hand, zu beurtheilen, ob ein Individuum ertrunken oder nach dem Tode ins Wasser gerathen ist. Weiter hat Carrara gefunden, dass bei Ertränkung in Meer- wasser, das im Gegensatz zum Süsswasser einen viel höheren osmotischen Druck als das Blut der Warmblüter besitzt, die Verhältnisse sich um- kehren, d. h. das Blut aus der rechten Herzhälfte einen kleineren osmo- tischen Druck besitzt als das der linken. So zeigte ein in Meerwasser ertrunkener Hund in der rechten Herzhälfte z:/= — 1,01° und in der linken z/=^ — 1,23°. Dieser Befund wurde bei einem durch einen Un- glücksfall an der Küste ertrunkenen Menschen bestätigt. Das Blut der rechten Herzhälfte zeigte z/= — 1,04°, das der linken — 1,18°. Car- rara bemerkt hierzu, dass man dann ein Mittel besitzt, auch den Ort des Ertrinkens zu präcisiren; es kann sich z. B. um die Frage handeln, ob eine Person, die im Meere gefunden wird, daselbst auch ertrunken ist 2* 20 Circulirendes Blut. oder ob es im Fluss geschab und der Leichnam von da ins Meer ge- trieben wurde. Diese Beobachtungen können in gerichtlichen Fällen von hohem Interesse sein. b) Das Blutplasma bei Hydrämie. Nachdem sich bei den eben beschriebenen Versuchen herausgestellt hatte, dass bei der durch Injection hyper- und hypisotonischer Lösungen verursachten hydrämischen Plethora die Zusammensetzung des Plasmas sich derart regelt, dass das wasseranziehende Vermögen bald zum ur- sprünglichen Werthe zurückkehrt, schien es nicht ohne Literesse zu untersuchen, wie weit dies auch bei der Hydrämie der Fall ist [1]. Der hydrämische Zustand wurde durch Blutentziehung herbeigeführt. Ich erwähne hier eine Versuchsreihe. Einem alten Pferd von etwa 400 kg wurden entzogen: 1. ^/i 1 Blut (zur Untersuchung). 2. Unmittelbar nachher 10 1 Blut (das Thier fiel fast in Folge von Schwindel). 3. 2^'2 Stunden nach der vorigen Entziehung ^U 1 iBlut (zur Unter- suchung). 4. 19 Stunden nach der vorigen Entziehung ^U 1 Blut (zur Unter- suchung). 5. Unmittelbar nachher 4^/2 1 Blut. 6. Eine Stunde nach der vorigen Entziehung ^U 1 Blut (zur Unter- suchung). 7. Eine Stunde nach der 6. Entziehung wurde das Pferd durch Verbluten getödtet und vom allerletzten Blute wurden ^ji 1 (zur Untersuchung) aufgefangen. Das Blut der 1., 3., 4., 6. und 7. Entziehung wurde defibrinirt. Das durch die Centrifuge abgeschiedene Serum war vollkommen klar und frei von Blutfarbstoff. Das wasseranziehende Vermögen desselben wurde mittels Blutkörperchen bestimmt und zwar mittels solcher der ersten Blutentziehung. Dieselben zeigten in einer 0,6 *^/o igen NaCl- Lösung Farbstoffaustritt, nicht aber in einer 0,59 "/o igen. Es stellte sich heraus, dass ein Gemisch von 5 cc Serum (1) -\- 2,5 ccm Wasser keinen Farbstoffaustritt herbeiführt, wohl aber ein solches von 5 cc (1) -\- 2,75 cc Wasser, so dass das wasseranziehende Vermögen 5 + 2 625 101 des Serums (1) einer KNO3 -Lösung von ' X 0,595 X ^ö^f Hydrämie. 21 = 1 ,56 °/o entspricht. Nach der gleichen Methode fand ich das wasser- anziehende Vermögen des Serums (3) = 1,56 (2V2 St. nach der Entziehung von 10 1). des Serums (4) ^ 1,66 (19 St. nach der Entziehung 3). des Serums (6) = 1,51. (1 St. nach der Entziehung 4). des Serums (7) = 1,56. (1 St. nach der Entziehung 6). Das wasseranziehende Vermögen des Serums bheb demnach unver- ändert, ungeachtet der Verminderung des Eiweissgehaltes , die aus der folgenden Tabelle hervorgeht. Eivveissgelialt und speciflsches Gewicht des Blutplasmas nach Blutentziehung. I n ni IV Nummer der Ent- g Eiweiss in 100 cc Specifisches Verminderung des leerung Serum Gewicht des Serums Eiweissgehaltes 1 8,304 1031 3 7,152 1026,5 15,3 0/0 4 7,593 1028,5 8,5 „ 6 7,011 1026,5 15,9 „ 7 6,894 1026 17,57 , Man sieht aus dieser Tabelle, dass der Eiweissgehalt 2 V2 Stunden nach der Entziehung von 10 1 bedeutend herabgesetzt ist; 19 Stunden nachher ist der Verlust zur Hälfte wieder ersetzt. Bei einer folgenden Entziehung sinkt er wieder bedeutend herab, und bei der siebenten noch stärker. Mit den Veränderungen im Eiweissgehalte gehen die des specifischen Gewichtes Hand in Hand. Die Verminderung des Eiweissgehaltes hätte gewiss eine Herab- setzung des wasseranziehenden Vermögens des Serums herbeigeführt, wenn nicht der NaCl-Gehalt gestiegen wäre. Dass dies wirklich der Fall ist, geht aus der folgenden Tabelle hervor. Dieselbe gewährt zugleich eine Uebersicht der Regelung des wasseranziehenden Vermögens des Serums. 22 Circulirendes Blut. Regelung des wasseranziehenden Vermögens des Blutserums nach Blutent- ziehungen (Pferd). I II 1 UI IV Nummer der Entleerung cc V,on. AgNOj, entsprechend den Chloriden von 100 cc Senun Vermehrung des wasser- anziehenden Vermögens des Senmis, herbeigeführt durch die Vermehrung des NaCl-Gehaltes Verminderung des wasser- anziehenden Vermögens des Serums, herbeigeführt durch die Ver- minderung des Eiweissgehaltes 1. Vor der grossen Entziehung . . . 3. 2 7« Std. nach der Entziehung von von W/i 1) 4. 19 Std. nach der vorigen Entziehung 6. 1 Std. nachdem wieder 4 V« 1, also im ganzen 15 1, entzogen sind . . 7. Am Ende der Verblutung, welche 1 Stunde nach der vorigen Entzie- hung stattfand ........ 102,3 106 104,3 106,5 108,8 0,037 0,02 0,045 0,065 0,034 0,017 0,038 0,0426 Aus dieser Tabelle geht hervor, dass, während durch die Ver- minderung des Eiweissgehaltes das wasseranziehende Vermögen des Plasmas abnimmt, diese Verminderung fast gänzlich durch die Ver- mehrung des NaCl-Gehalts compensirt wird. Es liegt auf der Hand, dass auch andere Stoffe des Plasmas an der Compensation ihren Antheil haben werden, aber die Hauptrolle spielen doch die Eiweissstoffe und Chloride. c) Das Blutplasma bei Aiiliydrämie. Bei einem alten Pferde von etwa 400 kg wurde Anhydrämie durch subcutane Injection eines Gemisches von 62,5 cg Pilocarpin und 6,25 cg Eserin herbeigeführt. Das Thier speichelt; während ein sogenannter Mundspiegel den Mund offen hält und ein Diener das Haupt fixirt, wurde der Speichel aufgefangen. Die Menge beträgt nach 2^2 Stunden ungefähr 8 1. Inzwischen hat das Thier einige Male geharnt und sehr dünne Fäces entleert so dass sicher angenommen werden darf, dass in diesen 2 ^/a Stunden mindestens 10 1 Flüssigkeit aus dem Körper entfernt worden sind. Hiernach wird ^li 1 Blut aus der V. jugularis entzogen. Das wasseranziehende Vermögen des betreffenden Serums entspricht einer fS V S ^7^ 101 KNOLösung von ^^-^P^^X 0,63 X^q4-= 1,8 o/o und gleicht voll- Anhydiämie. 23 kommen demjenigen des Serums des vor der Injection entzogenen Blutes. Die folgende Tabelle gewährt eine Uebersicht des im Serum beider Entziehungen vorhandenen Eiweiss- und Chlorid-Gehaltes. Anhytlrämie durch Injection von Pilocarpin und Eserin. I II III IV V Zeit der Entziehung g Eiweissstoffe in 100 cc Serum ccVion.AgNOj, entsprechend den Chloriden in 100 cc Senun Steigerung des Salpeter- werthes, ver- ursacht durch Eiweiss- stoffe Ahnahme des Salpeter- werthes des Serums, herbeigeführt dui-ch NaCl Vor der Injection von Pilo- karpin und Eserin . . . 2 V« Std. nach der Injection 7,78 8,56 108,54 102,5 0,016 0,06 Aus dieser Tabelle geht hervor, dass der Eiweissgehalt des Serums gestiegen ist und der NaCl-Gehalt abgenommen hat. In Uebereinstim- mung mit der Vermehrung des Eiweissgehalts war auch das specifische Gewicht von 1029,5 auf 1030,5 gestiegen. Das Volumen der Blut- körperchen in 100 cc Serum war vor der Injection 30, nach der Injec- tion 33 cc; hieraus folgt, dass das Volumen des Plasmas und deshalb auch das Volumen des ganzen Blutes vermindert ist. Beiläufig sei erwähnt, dass hei energischen und wiederholten, lange währen- den Eingritfen die Wiederherstellung des osmotischen Drucks ausbleiben kann. So hat Wettendorff [16] Anhydrämie erzeugt, indem er Hunde längere Zeit dursten liess oder mit trockener Nahrung fütterte. Er gelangte zu dem Resultat, dass der osmotische Druck des Blutserums beständig anstieg und bisweilen das Doppelte des normalen Werthes erreichte. So sah Wettendorf am 16. Dursttag die Gefrierpunkts- erniedrigung des Blutserums von — 0,66" (normal) bis — 1,26" steigen. In entspre- chender Weise nahm auch das specifische Gewicht zu. Complicirter und zum Nachdenken auffordernd sind die ausführlichen Unter- suchungen A. Durigs [17], Durig liess Frösche austrocknen und fand, dass die Thiere ihren ursprünglichen Wassergehalt durch Trinken nicht auf die normale Höhe bringen konnten. Es ist hier besonders die Haut, die regelnd eintritt. Diese verhält sich aber nicht in so einfacher Weise. So verhalten sich todte Frösche bei der Wasseraufnahme nicht wie die lebendigen, indem der Gewichtszuwachs in viel regelmässigerer Weise erfolgt. Man könnte geneigt sein, hierfür die fehlende Circu- lation verantwortlich zu machen; das kann aber nicht der einzige Grund sein. Die Ursache liegt nach Dur ig vielmehr im verschiedenen Verhalten des Hautgewebes in den beiden Fällen. Darnach ist es auch nicht befremdend, dass beim lebenden Frosch die Giftwirkung der durch die Haut aufgenommenen Salze nur in geringem Grade von dem Anion. in sehr merklicher Weise von dem Kation abhängt und dass im destiilirten Wasser Frösche viele Wochen ohne merkbare Schädigung zu 24 Circulirendes Blut, leben vermochten; nur gaben sie einen Theil ihrer Salze ab (nach Durig durch die Hautdrüsen). Es scheint mir hier Aehiiliches wie bei den Fischen vorzuliegen. Der osmotische Druck des Blutes von Knochenfischen ist von dem des Wassers, in dem sie leben, in hohem Maasse unabhängig. Wahrscheinlich handelt es sich auch hier um eigenthümliche Permeabilitätsverhältnisse der Haut und insbesondere der Kiemen. Vielleicht lassen nämlich die betreffenden Membranen wohl Wasser in der einen, nicht aber in der anderen Richtung durch. Analoge Erscheinungen findet man bei den Versuchen von Janse angegeben, wo es sich um Intra- und Extrameabilität von Pflanzenzellen handelt. Es giebt nämlich Pflanzenzellen, die bestimmten Sub- stanzen wohl in einer, nicht aber in einer anderen Richtung den Durchgang gestatten (vergl. Bd. I. S. 162). Durig stellt sich aber bei seiner Erklärung auf einen ganz anderen Stand- punkt. Er nimmt in ähnlicher Weise, wie es Friedenthal zur Erklärung der Resorptionserscheinungen im Darme that, an, dass das Protoplasma verschiedener lebender Zellen , verschiedene ,, Affinitäten" zu Wasser und zu Salzen haben kann, und dass nach dem Absterben diese Affinitäten sich ändern. Filtration, Imbibition, Diffusion und Osmose leugnet der Autor nicht. Nur stehen sie bloss im Dienste dieser Affinitäten. Ich kann mir von diesen Affinitäten keine klare Vorstellung machen und begreife nicht, was man mit denselben z. B. beim osmotischen Verhalten der rothen und weissen Blutkörperchen gegenüber Salzlösungen anfangen soll. Die Ab- handlung enthält eine Fülle interessanter Beobachtungen , die aber ebenso wie die zweite Abhandlung über „Wassergehalt und Organfunktion" (Pflüger's Arch. 87. 1901. S. 42) mit dem uns hier beschäftigenden Gegenstande nur mehr in entferntem Zu- sammenhang stehen und über die ich, um mich möglichst zu beschränken, nicht weiter sprechen werde. Auch nach Herbeiführung von künstlicher Hydrämie und Anhydrämie offenbart sich also das Bestreben, den osmotischen Druck des Blutserums constant zu halten. Derselbe wird bereits wiederhergestellt, ehe noch die ursprüngliche Zusammensetzung wiedererreicht ist. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass das Bestreben nach einem constanten osmotischen Druck im Thierkörper von grundlegender Bedeutung ist. Bereits früher (Bd. I. S. 466) habe ich darauf hinge- wiesen, dass es sich hier um eine Eigenschaft handelt, die sich all- mählich in der Thierwelt phylogenetisch entwickelt hat. Nachträglich sei im Zusammenhang hiermit und mit der in Bd. I. S. 459 und 472 ventilirten Frage, ob der osmotische Druck des Blut- serums bei einer und derselben Thierspecies unter gleichen Bedingungen eine nur wenig wechselnde, constante Grösse ist, hervor- gehoben, dass vor kurzem Herr Dr. D. Schonte [18] diese Frage be- antwortet hat. Er fand, dass morgens bei nüchternen Menschen, die am vorigen Tag einer gleichen Diät unterworfen gewesen waren, die Anhydrämie. 25 Gefrierpunkterniedrigung des Serums zwischen — 0,56° und 0,58° schwankt. Die Ursache für die früher gefundenen erheblichen Differenzen bei verschiedenen Menschen ist darin zu suclien, dass früher die physio- logischen Versuchsbedingungen der zu vergleichenden Versuchspersonen, nicht dieselben waren ; sowie dass ferner bei den Gefrierpunktbe- stimmungen nicht die nötigen Kautelen beobachtet wurden. (Vergl. Bd. I. S. 95 und 454 ff.). Weiteres über die Untersuchungen von Schonte in Kap. VI. In welchem Grade die verschiedenen Vorrichtungen im Körper zusammenwirken, um nach Störung des osmotischen Drucks diesen wieder herzustellen, ist für jeden Einzelfall zu studiren. Die meisten bis jetzt angestellten diesbezüglichen Versuche beziehen sich auf Ein- spritzungen verschiedener Salzlösungen in die Blutbahn, und dabei hat sich, wie erwähnt, zweifellos herausgestellt, dass die Nieren eine bedeu- tende Kolle spielen. Aber auch die Drüsen, Speichel- und Thränen- drüsen und bei Pferden auch die Lieberkülin' sehen Drüsen sind an der Regelung betheiligt, und auch die Gewebe spielen hier, wie bereits hervorgehoben wurde, eine hervorragende Rolle. Auf die Be- theiligung der Niere komme ich noch bei der Diurese zurück. Die Betheiligung der Gewebe wird bei der Lymphbildung besprochen werden, während von der Rolle der Lieb erkühn 'sehen Drüsen noch bei der Darmresorption näher die Rede sein wird. 2. Das Verhalten der rothen Blutkörperchen bei experimenteller hydrämischer Plethora, Hydrämie und Anhydrämie [1]. Im Anschluss an Vorstehendes untersuchte ich, ob die Blutkörper- bei hydrämischer Plethora, Hydrämie und Anhydrämie in denselben NaCl-Lösungen beginnenden Farbstoffaustritt zeigte, wie diejenigen des ursprünglichen Blutes. Die Versuche wurden mit Pferde- und Hundeblut angestellt und zwar gleichzeitig mit den Experimenten über das Serum. Die Versuchs- thiere waren demnach die nämlichen, wie die, welche zu diesen Unter- suchungen dienten. Dies war unter Anderen deshalb sehr erwünscht, weil ich dann mit Sicherheit wusste, ob die Blutkörperchen nach den Injectionen und Entziehungen sich wirklich in einem veränderten Medium befanden. In der folgenden Tabelle, welche die Resultate der Versuche enthält, ist jedesmal auf das entsprechende Serumexperiment (Spalte IV) verwiesen. 26 Circulirendes Blut. Bestimmung des wasseranziehenden Vermögens der Blntkörperchen I n 1 HI IV V ' Thier- Gewicht des Grenze der NaCl- Lösungen für das Austreten und Niehtaustreten von Farbstoff aus Art der Herbeiführung von hydi-ämischer Plethora, Hydrämie und Anhydi-ämie, Salpeterwerth, welchen das Plasma bekommen hätte, wenn die Blutkörperchen und , die Wände des species Thieres den Blut- körperchen des ur- sprünglichen, nicht veränderten Blutes zugleich als Hinweis auf die Versuche des ersten Abschnittes Blutgefässsystems impermeabol füi- Wasser und Salze gewe.son wären 1. Pferd 350 kg NaCl 0,57 0/0 und Injection von 5 1 NajSO^- 0,58 "/o Lösung 50/0 2,29 2. Pferd 300 kg NaCl 0,580/0 und Injection von 7 1 NaoSOi- 0,60 o/o Lösung 5 0/0 2,68 ee 3. Pferd 300 kg NaCl 0,580/0 und Injection von 9 1 NaCl- o 0,60 0/0 Lösung 3,3 o/o 3,2 4. Pferd 400 kg NaCl 0,52 o/o und Injection von 7 1 NaNOg- 0,54 0/0 Lösung 4 o/o 2,4 1 ' 5. Pferd 400 kg NaCl 0,58 0/0 und Injection von 7 1 Na^SOr 1 !C8 0,60 o/o Lösung 0,5 o'o 1.4 >> 6. Hund 5 kg NaCl 0,480/0 und Injection von 20 cc NaCl- w 0,49 0/0 Lösung 3 "/o 1,55 7. Hund 3 kg NaCl 0,46 0/0 und Injection von 50 cc NaJ- 0,47 0/0 Lösung 3 0/0 — 8. Hund 6 kg NaCl 0,35 0/0 und Injection von 30 cc NajS04- 1 0,36 0/0 Lösung 10 0/0 2,08 ' Zeit der Entziehung 2V2Std. nach der Entl. < rung von 10 V* 1 Blut 19 Std. nach der Entleerung 9. Pferd 400 kg NaCl 0,580/0 und 0,60 o/o Blutentziehung von 11 V« 1 Blut 1 Std. nach der Entleerung .* von 16 1 Blut 1' Am Ende der Verblutung K ^ 2 Std. nach der Entleerung 10. Pferd 11. Pferd 400 kg 350 kg NaCl 0,580/0 und 0,60 0/0 NaCl 0,620/0 und Blutentziehung Injection von Pilocarpin von 13 3/4 1 Blut ' 1 Std. nach der Entleerung von 19 \/2 1 Blut Grenze der NaCl-Lösungei 1 *i4 13 0,64 0/0 und Eserin K Ä fl 12. Pferd 400 kg NaCl 0,600/0 und Injection von Pilocarpin <"! 0,62 0/0 und Eserin Einfluss experimenteller Eingriffe auf die Erythrocyten. bei hydraulischer Pletliora, Hydräniie und Adliydrämie. 27 VI Grenze der NaCl-Lösungen für das Austreten und Nichtaustreten von Farbstoff aus den Blutkörperchen des nach der Injection entleerton Blutes 10 Min. nach der In- jection 30 Min. nach der In- jection 1 Std. nach der In- jection 1 V, Std. nach der In- jection 2 Std. nach der In- jection 3 Std. nach der In- jection i Std. nach der In- jection 40 Std. nach der In- jection 0,57 u. 0,58 0,62 u. 0,64 0,62 u. 0,64 0,58 u. 0,60 0,57 u. 0,58 0,60 u. 0,62 0,50 u. 0,52 0,57 ü. 0,58 0,52 u. 0,54 0,35 u. 0,36 0,58 u. 0,60 — 0,48 u. 0,49 0,48 u. 0,49 0,46 u. 0,47 0,35 u. 0,36 — 0,57 u. 0,58 0,62 u. 0,64 0,58 u. 0,60 0,57 u. 0,58 0,58 u. 0,60 — 0,46 u. 0,47 0,60 u. 0,63 0,58 u, 0,60 0,52 u. 0,54 0,58 u. 0,60 Grenze der NaCl-Lösunaen für das Austreten und Nichtaustreten von Farbstoff 0,62 und 0,64 0,58 und 0,60 0,64 und 0,65 0,64 und 0,65 0,62 und 0,64 0,64 und 0,65 für das Austreten und Nichtaustreten von Farbstoff aus dem Blute, 2 '/2 Std. nacli der Injection von Pilocarpin und Eserin. 0,62 und 0,64 0,60 und 0,62 28 Circulirendes Blut. Aus dieser Tabelle erhellt, dass nach der Injection hyper- und hyperisotonischer Salzlösungen in die Blutbahn, die Körperchen im All- gemeinen in denselben NaCl-Lösungen beginnenden Farbstoffaustritt zeigen, wie in dem vor der Injection entleerten Blute (Spalte VI). Nur bei der Injection einer grösseren Menge einer concentrirten Na2S04- Lösung (Nr. 2) und NaCl-Lösung (Nr. 3) findet der Farbstoffaustritt bei einer etwas höheren Concentration statt als vor der Injection. Das wasseranziehende Vermögen der Blutkörperchen ist also in diesen beiden Fällen ein wenig gestiegen. Diese Steigerung ist aber bald wieder ver- schwunden, im ersten Falle nach 2, im zweiten Falle nach 4 Stunden. Weiter lehrt die Tabelle, dass durch erhebliche Blutentziehungen das wasseranziehende Vermögen der Blutkörperchen eine Steigerung erfährt, um nach einiger Zeit wieder zur Norm zurückzukehren und dann nach einer folgenden Blutentziehung wieder zu steigen. Vielleicht hängt die Erhöhung des wasseranziehenden Vermögens mit dem Um- stände zusammen, dass die Compensation des Salpeterwerthes des Plasmas sich nicht ganz vollständig durch Verminderung des Eiweiss- und Ver- mehrung des Chlorgehaltes erklären Hess. Bei Anhydrämie ist das wasseranziehende Vermögen der Blutkör- chen ganz unverändert geblieben. Also : bei hydrämischer Plethora, herbeigeführt durch hyperisoto- nische und hypisotonische Salzlösungen, bei Hydrämie und Anhydrämie hat das ursprüngliche wasseranziehende Vermögen der Blutkörperchen kaum eine Aenderung erfahren. Die Blutkörperchen des circulirenden Blutes be- sitzen also das Bestreben, ihr wasseranziehendes Ver- mögen constant zu halten. Schliesslich noch zwei Bemerkungen! In erster Linie wurde das Verhalten der rothen Blutkörperchen im circulirenden Blut oben in einem Medium studirt, das zufolge der raschen Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nicht bedeu- tend vom normalen abwich. Um grössere und länger anhaltende Veränderungen in Zusammensetzung und osmotischen Druck des Blut- plasmas herbeiführen zu können, empfiehlt es sich die Nierenarterien zu unterbinden (oben S. 15). Es kann sich dann die einverleibte Salz- lösung kaum aus dem Körper entfernen. Derartige Versuche stehen noch aus. Bei diesen Untersuchungen ist es nicht empfehlenswerth , narko- tisirte Thiere anzuwenden, weil Chloroform, Aether etc. nicht ohne Ein- fluss auf den Farbstoffaustritt sind. Im Allgemeinen sollen, wenn Experimentelle Eingriffe. 29 humanitäre Gründe es nicht anders erforderlich machen , Versuche wie die oben beschriebenen ohne Narkose ausgeführt werden. Bereits aus diesem Gesichtspunkt ist die Benutzung von alten Pferden, bei denen für diese Art von Experimenten allgemeine Anästhesirung durchaus überflüssig ist, anzuraten. Zweitens möchte ich hervorheben, dass von anderen als den in diesem Kapitel behandelten experimentellen Einflüssen auf die osmotischen Verhältnisse des Blutes, noch die Rede ist in Bd. I. S. 364 ff. und 466 ff. Nach Abfassung dieses Kapitels erschien eine ausführliche experi- mentelle Arbeit Loepers [19 j über die Regelung des osmotischen Drucks nach intravenöser und subcutaner Injection, nach Blutentziehung, bei Nieren-, Herz- und Infectionskrankheiten. Leider kann ich diese Arbeit hier nicht völlig berücksichtigten und muss mich auf die Mittheilung be- chränken, dass auch dieser Autor die Gewebspalten und namentlich die Nieren als die hauptsächlichsten Stellen ansieht, an welchen die Regelung stattfindet. Zweites Kapitel. Lymphbildung-. Litteratur. 1. Paschutin, Königl. sächs. Akad. d. Wissensch. Math.-phys. Klasse. 21. Febr. 1873. 2. Eraininghaus, König], sächs. Akad. d. Wissensch. Math.-phys. Klasse. 26. Juli 1873. 3. Mensonides, Over den invloed van actieve hyperaeniie op den lymphstroom. Inaug.-Diss. Utrecht 1886. Pekelharring et Mensonides, Arch. Neerland. des sciences exactes et natur. 21. 1887. p. 69. 4. Rogowiez, Pflüg er 's Arch. 36. 1886. S. 252. 5. Dourdouffl, Zentralbl. f. d. med. Wissensch. 1887. S. 787. 6. Tigerstedt, Loven's Mitteil, aus dem physiol. Laborat. des Carol. med.-chir. Instit. Stockholm. 1. 1886. S. 225. 7. yon Brasol, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1884. S. 211. 8. Heidenhain, Pf lüger 's Arch. 49. 1891. S. 209. 9. Hamburger, Zeitschr. f. Biol. 27. 1890. S. 259. 10. Hamburger, Zeitschr. f. Biol. 30. 1893. S. 143. 11. Zanier, Centralbl. f. Physiol. 10. 1896. S. 353. 12. Widal, Sicard et Ravaut, C. R. de la Soc. de Biol. 52. 1901. p. 859. 13. Sabbatani, Journal de Physiol. norm, et pathol. 3. 1901. p. 939. 14. Hamburger, Deutsche med. Wochenschr. 1893. Nr. 42; ausführlich in Zieg- ler's Beitr. zur pathol. Anat. u. zur allgem. Pathol. 14. 1893. S. 444. 15. W. Cohnstein, Virchow's Arch. 135. 1894 S. 514. 16. W. Cohnstein, Pflüg er's Arch. 59. 1894. S. 350. 17. W. Cohnstein, Pflüger's Arch. 59. 1894. S. 508. 18. W. Cohnstein, Pflüger's Arch. 60. 1894. S. 29L 19. W. Cohnstein, Pflüger's Arch. 62. 1895. S. 58. 20. W. Cohnstein, Pflüger's Arch. 68. 1896. S. 587. 21. W. Cohnstein, Ergebnisse der allgem. Pathol. und pathol. Anat. Anat., heraus- gegeben von Lubarsch und Ostertag, III. 1896. S. 563. Lymphbildung. 31 22. Starlins, Journ. of Physiol. 16. 1894. p. 224. 28. Starlinj?, Journ. of Physiol. 17. 1894. p. 30. 24. Starting, Arris and Gale lectures on Dropsy. The Lancet. 9, 16 and 23 May 1896. (Zusammenfassender ArtiUel.) 25. Lafayette Mendel, Journ. of Physiol. 19. 1896. p. 227. 26. Heidenhain, Pf lüg er s Arch. oG. 1894. S. 637. 27. Üresei-, Arch. f. exp. Pathol. und Pharmakol. 29. S. 314. 28. Taramann, Zeitschr. f. phys. Chem. 20. 1896. S. 180. 29. Starlins, Journ. of Physiol. 19. 1896. S. 312. 30. Slai-linjf, Journ. of Physiol. 24. 1899. p. 317. 31. Tschii'winsky, Centralbl. f. Physiol. 9. 1895. S. 49. 32. Popoff, Centralbl. f. Physiol. 9. 1895. S. 52. 33. Botkin, Vircho^'s Arch. 137. 1S94. S. 476. 34. Löwit, Studien zur Physiol. und Pathol des Blutes. Jena (Gust. Fischer) 1892. 35. Bayliss and Stariin^, Journ. of Physiol. 16. 1894. p. 159. 36. Tst^liirwirisky, Ueber den Einfluss des Peptons auf die Absonderung der Lymphe und auf die dieselben begleitenden Processe im Thierkörper. Moskau 1894 ; cit. nach Hermann's Jahresber. d. Physiol. 1894. 37. Lazaras ßarlow, Journ. of Physiol. 19. 1896. p. 418. 38. 3Iall, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1890. Suppl. S. 57. 39. Boddaert, Bullet, de l'Academie royale de med. de Belgique. 25. Avril. 1903. 40. Kaufmann, Arch. de Physiol. norm, et pathol. Juillet 1892. p. 94. 41. Hamburger, Arch f. (Anat. u.) Physiol. 1895. S. 364. 42. Leathes, Journ. of Physiol. 19. 1895. p. 1. 43. Hamburger, Arch. f. (Anat. u) Physiol. 1897. S. 133. 44. Moussu, Compt. rend, de la soc. de biol. 52. 1900. p. 235, 286, 363, 541; auch Recherches sur l'origine de la lymphe. These, Paris (Felix Alcan) 1901. 45. Asher und Barbera, Zeitschr. f. Biol. 37. 1897. S. 154. 46. Asher, Zeitschr. f. Biol. 37. 1898. S. 261. 47. Asher und Gies, Zeitschr. f. Biol. 40. 1900. S. 180. 48. Asber und Busch, Zeitschr. f. Biol. 40. 1900. S. 333. 49. Bainbridge, Journ. of Physiol. 28. 1902. p. 204. 50. Asher, Centralbl. f. Physiol. 16. 1902. S. 203. 51. Ellinger, Hofmeisters Beitr. zur chem. Physiol. u. Pathol. 2. 1902. S. 297. 52. Gley, Cinquantenaire de la soc. de biol. Vol. Jubilaire. Paris 1899. p. 701. 53. Roth, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1899. S. 416. Durch die grundlegenden Untersuchungen von Ludwig und seinen Schülern schien das Problem der Lymphbildung zu einem gewissen Ab- schluss gelangt zu sein, als Heidenhain im Jahre 1891 eine Aufsehen erregende Mittheilung veröffentlichte, die mit einem Schlage der Ansicht Ludwig's lediglich eine historische Bedeutung übrig zu lassen schien. Nach Ludwig sollte die Lymphe durch Filtration von Blutflüssigkeit durch die Capillaren gebildet werden und der meist überzeugende Beweis hierfür wurde darin gefunden, dass der Lymphabfluss bei venöser Stau- ung sich in hohem Maasse vermehrte. Doch waren nicht alle Versuche so 32 Lymphbildung. Überzeugend; insbesondere Hess das Studium des Einflusses der arteriellen Hyperämie auch in Ludwig' s Laboratorium Zweifel daran erwachen, dass es sich bei der Lyraphbildung einzig und allein um Filtrationsdruck handle. Hatten doch Paschutin [1] stets, und Emminghaus [2] in der Mehrzahl seiner Versuche constatiren müssen, dass bei arteri- eller Hyperämie , bei welcher doch , gleichwie bei Venenunterbindung, der Filtrationsdruck in den Kapillaren stieg, keine Beschleunigung des Lymphstromes zu beobachten war. Zwar konnten später Pekel- haring und Mensonides [3] und gleichzeitig mit ihnen Rogowicz [4] constant positive Resultate erzielen , und diese Ergebnisse wurden von Dourdouffi [5] bestätigt. In allen diesen Fällen war jedoch die Beschleunigung geringfügig und nach der Meinung Vieler zu gering- fügig im Verhältniss zur Zunahme des capillaren Blutzuflusses. Diese Zweifel an der Richtigkeit der Druckhypothese wm"den ver- mehrt , als Rogowicz in Heidenhain's Laboratorium beobachtete, dass Curare einen specifischen Einfluss auf den Lymphstrom ausübte, indem es denselben beschleunigte ohne den Blutdruck zu erhöhen. Auch von Tigerstedt und Santesson [6] wurden ernsthafte Bedenken gegen die Filtrationshypothese geäussert. Indem sie auf den Versuch von Ostroumouff hinwiesen, nach welchem Reizung des N. lingualis auf einer Seite, Oedem der Zunge auf der anderen Seite herbeiführt, betonten sie, dass bei der Lymphbildung die Nerven eine wesentliche Rolle spielen mussten. I. Heidenhain's Secretionslehre. Gelegentlich seiner Untersuchungen über Darmresorption beob- achtete Heidenhain eine Erscheinung, die ihn im hohen Maasse über- raschte, von Brasol [7] hatte in Ludwig's Laboratorium gefunden, dass Zucker nach intravenöser Injection ausserordentlich schnell die Blutbalm verlässt, während gleichzeitig in dieselbe eine so erhebliche Wassermenge eintritt, dass die Farbstärke des Blutes auf die Hälfte, ja den dritten Theil sinkt. Heidenhain durfte hiernach erwarten, dass der Lymphstrom während dieser Verdünnung, die doch auf Kosten der Gewebsflüssigkeit erfolgen sollte, sich verringern, ja vielleicht vor- übergehend versiegen würde. Zu seinem Erstaunen nahmen aber die aus dem Brustgang entleerten Lymphmengen erheblich zu und die Steige- rung hielt lange an. Dieser Versuch wurde, wie Heidenhain mittheilt, der Ausgangspunkt für eine grosse Anzahl von Experimenten über die Lymphbildung, die er nach 2 jähriger Beschäftigung im Jahre 1891 Heidenhain's Secretionslelire. 33 veröffentlichte [8]. Für alle seine Versuche bediente er sich des Duct. thoracicus, weil die von seinen Vorgängern benutzten Lyraphgefässe an anderen Körpertheilen zu wenig Flüssigkeit liefern, so dass man, um nur überhaupt etwas zu erhalten, nicht selten kneten und drücken rauss. Diese Manipulationen können Fehler herbeiführen, ebenso wie Curare, dessen Gebrauch aber zuweilen nothwendig war. Heidenhain kam nun auf Grund interessanter neuer Beobacht- ungen, sowie auf Grund bereits bekannter Thatsachen zu der Ueber- zeugung, dass unter normalen Circulationsverhältnissen die Filtration bei der Lymphbildung keine Eolle spielt. Nach Hei denhain müssen wir uns die Bildung der Lymphe so vorstellen, dass das Capillarendothel aus dem Blut Stoffe aufnimmt und die- selben nach Bedürfniss in die Lymphspalten abscheidet: ein Secretionsprocess also, wie man ihn sich in den Drü- sen denkt. Die von Heidenhain gegen die Filtrationshypothese geäusserten Einwände lassen sich in zwei Gruppen zusammenfassen. Einmal gelangte er bei dem Versuch, gewisse täglich zu beobachtende Thatsachen mittelst der Filtrationstheorie zu erklären, zu Consequenzen, die mit den realen Vorgängen im thierischen Organismus unvereinbar sind. Andererseits machte er eine Reihe von Beobachtungen, die auf eine grosse Unab- hängigkeit der Lymphbildung vom Blut-(Filtrations)druck hinwiesen. Es giebt Kühe, bemerkt Heidenhain, die täglich 251 Milch liefern und damit 1000 g Eiweisskörper ausscheiden. Da sich die Zu- sammensetzung der Drüsen im wesentlichen unverändert erhält, muss ihren Zellen durch die Lymphe ebensoviel Eiweiss zugeführt werden als sie für das Secret hergeben. Die Lymphe der Kuh enthält 2,5 ^/o Ei- weiss. Mithin würden 1000 g Eiweiss in 40 1 Lymphe enthalten sein. So viel müsste also täglich in den Eutern gebildet werden, wenn aus der Lymphe alles Eiweiss verschwände. Da aber nur ein Bruchtheil desselben verschwindet, da überdies das Milchfett zum Theil aus Eiweiss entsteht, muss die gebildete Lymphmenge noch ausserordentlich viel grösser als 40 1 pro Tag sein. Das ist aber kaum denkbar. Zu einer entsprechenden Unzuträglichkeit gelangt Heidenhain in Beziehung auf die Kalkmenge. Die Lymphe enthält 0,018 °/o Kalk; in 25 1 Kuhmilch, eine Quantitätät, wie sie gelegentlich von Kühen geliefert wird, werden in 24 Stunden 42,5 g Kalk ausgeschieden. Daraus folgt, dass der Filtrationstheorie gemäss, wenigstens 236 1 Flüssigkeit zum Transport jener Kalkmengen aus den Capillaren der Milchdrüse aus- getreten sein müssen. Hamburger, Osiuot. Druck. II. B.nnd. 3 Si Lymphbildung. Die zweite Grii])})e von Einwänden gegen die Filtrationsliypothese gipfelt in Versuchsergebnissen, die eine vollständige Unabhängigkeit der Lymphabscheidung vom Blutdruck erweisen. Diese Versucbsergebnisse sind in der Hauptsache folgende: 1. Der Lymphstrom aus dem Ductus thoracicus hält an, nachdem die Aorta thoracica oberhalb des Diaphragmas obturirt ist und also der Blutdruck in der Aorta abdominalis Null worden ist. Und doch stammt die Ductuslymphe hauptsächlich aus den von der letzteren mit Blut versorgten Organen. 2. Heidenhain fand, dass es S:;offo giebt, die nach Injection in die Blutbahn eine erhebliche Beschleunigung des Lymphstroms hervorrufen . ohne den Blutdruck zu steigern. Diese Substanzen (Extract von Krebsmuskeln. Blutegeln u. s. w.) nennt Heidenhain Lyraphagoga erster Klasse. Daneben giebt es noch Krystalloide, wie Traubenzucker, Sulfate, Nitrate, welche ebenfalls lymphtreibend sind und von ihm Lymphagoga zweiter Klasse genannt werden; von Traubenzucker war bereits oben die Rede. Merkwürdig ist. dass diese Substanzen sich in dei' Lymphe in grösserer Kon cent ratio n als in der Blut bahn befinden, was mit der Filtrations- theorie unvereinbar ist. 3. Es stellte sich heraus, dass die Lymphagoga erster Klasse den Lymph- strom nicht mehr beschleunigten , wenn durch eine langwährende Verschliessung des Blutstroms die der Aorta abdominalis entspre- chenden Capillaren getödtet oder in einen schlechten Ernährungs- zustand gerathen waren. Bevor diese Versuchsergebnisse Heidenhain's veröffentlicht waren, hatten meine Untersuchungen über die Regelung der Blutzusammensetzung bei künstlicher hydrämischen Plethora, Hydrämie und Anhydrämie mich veranlasst, dem Capillarendothel eine secretorische Thätigkeit zuzuspre- chen [9|. Ich hatte gefunden, dass der ursprüngliche osmotische Druck der Blutflüssigkeit sich innerhalb weniger Minuten wiederherstellte, welche Veränderung man in der Zusammensetzung des Blutes auch her- beiführen möge, und zwar lange bevor die ursprüngliche chemische Zu- sammensetzung wieder erreicht war (vergl. Kap. I). Diese Erscheinung führte ich darauf zurück, dass jede Veränderung des wasseranziehenden Vermögens des Blutes das Capillarendothel zur Wirksamkeit reizte. Offenbar waren hierbei die Nieren und beim Pferde auch der Darmkanal beteiligt. Es war nun weiter zu erforschen, welcher Antheil den Geweben hierbei zukam. Technik der Lymphfistel-Versuche. 35 Zu diesem Zweck legte ich beim Pferde eine Lymi)hlistel am Hals an |10| in der Absicht zu untersuchen, ob nach intravenöser Injection hyper- und hypisotonischer Lösungen sich auch Veränderungen in der Zusammensetzung der Lymphe zeigen würden und welcher Art diese wären. Ich brauche kaum hervorzuheben, dass für Lymphstudien die gebräuchliche Anwendung von Hunden grosse Uebelstände mit sich bringt. Da die aus den Extre- mitäten zu beziehende Lymphe viel zu gering ist, muss man seine Zuflucht zum Ductus thoracicus nehmen; aber die aus diesem Stamm tröpfelnde Flüssigkeit rührt von sehr verschiedenen Organen her; ausserdem muss dabei das Thier in tiefer Nar- kose, womöglich auch unter dem Einfluss von Curare gehalten werden, was für den Lymphstrom als nicht ohne Einfluss beti-achtet werden kann und für eine Dauer von etwa zwei Tagen in technischer Hinsicht sehr schwierig, vielleicht unausführbar ist. Paschutin [1] sah im Anfang der Curare- Intoxication Beschleunigung des Lymph- stromes und Rogowicz [4] fand den Lymphstrom auch später noch durch Curare auf das drei- bis vierfache vermehrt. Das Halslymphgefäss des Pferdes liefert ziemlich grosse Flüssigkeitsmengen, welche leicht aufgesammelt werden können, während das Thier ruhig steht, also in einem normalen physiologischen Zustande sich befindet. Bei Colin (Traite de Pbysiol. comparee), der zuerst eine Lymphfiste) am Halse des Pferdes anlegte, findet man wenig und bei Weiss (Experimentelle Unter- suchungen über den Lymphstrom. Diss. Dorpat 1860), dem einzigen , der — soweit ich habe finden können — mit dem nämlichen Gefäss experimentirte, gar keine Einzelheiten über die Operation. Das Unterhalten einer Fistel hatten beide Autoren nicht beabsichtigt. Ich tlieile hier einige Einzelheiten mit und verweise wegen der ausführlichen Beschreibung auf die soeben erwähnte Arbeit [10]. Die Schnittführung erfolgt unter der Mitte des Halses, wo Carotis und beglei- tende Lymphgefässe nicht vom M. sternocleidomastoideus bedeckt sind. Man zieht mittelst eines stumpfen Hakens Carotis sammt Adnexa hervor und sieht dann gewöhn- lich ein transparentes Gefäss, das nach kurzer Zeit in Folge des behinderten Abflusses der Lymphe zusehends deutlicher wird. ' Man kann die Schwellung befördern, indem man das Thier mit oder ohne Compression der V. jugularis kauen lässt. Die anatomischen Verhältnisse der Halslymphgefässe bieten die grössten Ver- schiedenheiten dar. Einmal findet man ein grosses Gefäss zur Seite der Trachea, em anderes Mal hinter dem Oesophagus. Wieder ein anderes Mal sucht man vergeb- lich ein grosses Gefäss und findet statt dessen zwei oder drei kleinere Ziemlich constant trifft man ein Lymphgefäss neben dem Recurrens. Ein grosses Lumen hat letzteres gewöhnlich nicht, aber ich habe es doch mehrmals mit Vortheil benutzt. Nachdem das Lymphgefäss von dem umgebenden Gewebe lospräparirt war, wurde ein winkelig gebogenes, gläsernes Röhrchen hineingebracht. Nachdem das Thier wieder in aufrechten Zustand gebracht war, wurde das Röhrchen in gute Richtung gelegt und in der mit Wergwickeln ausgefüllten Wunde fixirt. Während ungefähr einer Viertelstunde nach der Operation floss die Lymphe ziemlich rasch, dann verringerte sich ihre Menge langsam. Zwei oder drei Stunden nach der Operation fing das Lymphgefäss an, wieder reichlicher zu produciren. 3G Lymphbildiing. Unter dem Einfluss der inzwischen erschienenen Arbeit Heiden- hciins nahmen aber die Versuche am Halsiymphgefäss eine etwas andere Richtung und wurden in den Dienst der Frage gestellt , ob die Lymphe als ein Filtrations- oder als ein Secretionsprodukt aufzufassen sei. Die Resultate nöthigten zu der letzten Annahme. Sie waren folgende: 1 (4). Wenn ein Pferd mit ruhendem Kopfe sich bewegt, so fliesst drei- bis fünfmal mehr Lymphe aus dem Halsiymphgefäss als wenn das Pferd ruhig steht. Hier kann die Vermehrung des Lymphabflusses nicht durch Drucksteigerung erklärt werden, denn nach ITntersuchungen von Kaufmann ist bei der Arbeit von Rumpf- und Extremität- muskeln der Blutdruck in der Carotis nicht nur nicht gestiegen, sondern hat sogar abgenommen. 2 (5). Die Zusammensetzung der unter verschiedenen physiologischen Bedingungen (Ruhen, Gehen, Ziehen, Essen) abgeschiedenen Lympharten ist in hohem Maasse von derjenigen des Blutserums (Plasma), aus welchem die Lympharten entstehen, unabhängig. Mit der Filtrationstheorie ist das nicht in Einklang zu bringen. 3 (6). Der osmotische Druck (das wasseranziehende Vermögen) der aus dem Halsiymphgefäss fliessenden Lymphe ist grösser als der- jenige des Jugularisserums^). 1) Auch die Cerebrospinalflüssigkeit besitzt, wie Zanier [11] beim Ochsen, Widal, Sicard und Ravaut [12] beim Menschen konstatirten, unter normalen Umständen einen grösseren osmotischen Druck als das entsprechende Blutserum. Wir kommen im Kapitel „Oedem und Hydrops" auf diese Angelegenheit zurück. An verschiedeneu Stellen scheint der osmotische Druck der Gewebsflüssigkeit eine verschiedene Grösse zu besitzen. Sabbat ani [13] hat denselben ermittelt, indem er in Organstücke von der Form des Gefrierrohres des B eck mann sehen Apparates das Reservoir eines Thermometers einsenkte und das Organstück solange abkühlte, bis das Thermometer Constanz zeigte. So fand er im Mittel: A für Blut 0,57» „ Gehirn .... 0,65« , Muskel .... 0,68» „ Leber .... 0,97° „ Niere .... 0,94° „ Lunge .... 0,65» (?) , Milz 0.70" (?) Es stellte sich heraus, dass die Erniedrigung allmählich nach dem Tode sank. Versuche von U a in b u r j; o r. H7 4(7). Es giebt Fälle von Hydrops, — und darunter ein solcher, bei dem Stofl'wechselprodukte vonB. lymphagon die Lirsache sind 1 14 1 — in denen der osmotische Druck der hydropischen Flüssigkeit grösser ist als der des entsprechenden Blutserums. Dass ein Filtrat ein grösseres wasseranziehendes Vermögen besitzt, als das Filtrans, erscheint mit dem Begriffe Filtration unvereinbar, 5 (8). Es kann als festgestellt gelten, dass die Resorption in den Geweben wie in den serösen Höhlen hauptsächlich durch die Blutgefässe zu Stande kommt. Wenn diesem Vorgang physikalische Kräfte zu Grunde liegen, so muss der hydrostatische Druck ausser- halb der Blutcapillaren grösser sein als innerhalb. Dann darf man sich aber fragen, wie es möglich ist, dass durch einen rein physikalischen Filtrationsprocess aus den Gewebspalten Flüssig- keit in die Capillaren gepresst wird, während zu gleicher Zeit in umgekehrter Richtung Flüssigkeit (Blutlymphe) aus den Capil- laren in die Gewebsspalten übergeht. Ferner wurden verschiedene andere Beobachtungen gemacht, welche zwar keine Argumente für die Seeretionshypothese lieferten, aber durch diese doch eine befriedigende Erklärung fanden [10 u. 14]. Ich erwähne hier nur, dass Menge, Zusammensetzung und osmotischer Druck der Lymphe beim Essen, beim Essen mit comprimirter Jugu- laris, bei Compression der Carotis, beim Gehen etc. untersucht wurden. Gegen diese Argumente zu Gunsten der Seeretionshypothese wur- den von verschiedenen Seiten, insbesondere von Colin stein [15 — 11] und Starling [21 — 24J Einwände erhoben. Die Pünwände Cohn- steins richten sich hauptsächlich gegen die erste Gruppe der von Heidenhain ausgesprochenen Gründe zur Annahme seiner Secretions- lehre, also gegen diejenigen welche auf die Unverträglichkeit der Filtra- tionslehre mit den gewissen alltäglichen Beobachtungen hinweisen. Starlings Einwände bekämpfen die Schlussfolgerungen aus den Ex- perimenten. Ich behandle diese Ausführungen in entsprechender Reihenfolge, um dann später zu erörtern, wie die beiden Autoren meinen Argumenten enteeffengetreten sind. 2. Die Ausführungen Cohnstein's gegen Heidenhain's Schluss- folgerungen. Es ist ein grosses Verdienst W. Cohnstein's ganz allgemein hervorgehoben zu haben [15 1, dass die Autoren, welche die rein physi- kalischen Filtrationsgesetze auf den tierischen Körper übertrugen, zu 88 Ijymphbilduiig. bedenken versäumt haben , d a s s es sich hierbei nicht um eine Filtration in einen mit Luft erfüllten Kaum handelt, sondern in einen mit Flüssigkeit erfüllten. So auch bei der Lymphbildung, denn beim Uebergang von Flüssigkeit aus den Blut- cai)illaren handelt es sich wesentlich um einen Uebertritt in bereits m i t Flüssigkeit gefüllte Gewebsspalten. Bei einem derartigen Vorgang kommen zwei Momente in Betracht; erstens die Druckdifferenz zu beiden Seiten der Membran (Capillargefäss), zweitens der Unterschied in der chemischen Zusammensetzung auf beiden Seiten, der sich durch Dif- fusions auszugleichen sucht. Was durch Zusammenwirkung beider Mo- mente von der Seite des grösseren Drucks nach der des kleineren hinübergeht, nennt Colins t ein Transsudat. Transsudat ist also ein Produkt von Filtration und Diffusion, und nach Cohnstein ist Lymphe nichts anders als ein Transsudat. Mit Ivücksicht auf die allgemeine grosse Bedeutung des Gegen- standes muss ich einige Augenblicke bei diesem Thema verweilen. Man stelle sich mit dem Autor einen Glascylinder vor, der an einer Seite mit einer flach ausgespannten Pergamentmembran abgeschlossen ist. Auf dieser Pergamentmembran ruht eine 5,33 °/o NaCl-Lösung. Steht der ganze Apparat in Luft, so geht durch die Membran ein Filtrat hindurch, dessen Zusammensetzung mit dem Filtrans übereinstimmt. Je höher der Diuck im C'ylinder desto mehr wird filtrirt; die Concentra- tion ist und bleibt aber stets die gleiche von 5,33 "/o. Denkt man sich dagegen das Osmometer statt in Luft in destil- lirtes Wasser gesetzt, so wird eine viel concentrirtere Lösung hin- durchgehen. Es ist die Frage, wie lässt sich dieser Gegensatz erklären? Ln ersten Fall handelt es sich lediglich um eine Filtration; im zweiten gesellen sich dazu noch zwei andere Momente: einerseits gehen durch Diffusion Salzteilchen in das Wasser hinüber , anderseits zieht die 5,33 ^/oige NaCl-Lösung Wasser an. Li Folge der Zusammenwirkung dieser beiden Momente erscheint das zum Transport einer gewissen Salzmenge erforderliche Wasservolum geringer als w^erin es sich um eine Filtration in Luft handelt. So be- obachtete Colinstein in einem seiner Versuche, dass bei Filtration einer 5,33 °/ü igen XaCl-Lösung in Wasser, thatsächlich eine 26,G5'Voige durchtrat. Das rührte daher, dass mit 5,33 g NaCl nicht 100 cc Wasser, 5,33 sondern nur 100 X ^^T^r = ^0 cc das Osmometer verliessen. Diese 2b,65 Transsudate. 39 2(>,05 ";'n ige NaCl-Lösung bezeichnet C o h n s t e i n im vorliegenden Fall als Transsudat. Es ist also das Prodnct der Zusanimenvvirkung von Filtration, Diffusion und osmotischer Wirkung. Es besteht noch ein anderer Gegensatz zwischen der Filtration in Luft und der in Flüssigkeit. Im letzteren Fall übt nämlich der Filtra- tionsdruck einen Eintiuss auf die Zusammensetzung des Filtrats aus, denn je grösser der Filtrationsdruck d. h. der Druckunterschied zwischen Innen- und AussenHüssigkeit desto kürzere Zeit hat relativ die Diffusion von Salz zur Verfügung das Filtrat concentrirter zu machen. Diese Ueberlegung übertrug Cohnstein auf die Lehre von der Lymphbildung, indem er darauf aufmerksam machte, dass es sich bei dem Austritt von Flüssigkeit aus den Capillaren nicht um reine Fil- tration, sondern um Transsudation handle, mit anderen Worten, dass sich hier zu den Filtrationskräften auch Diffusionskräfte gesellen. Mit dieser Anschauung, der sich auch — nebenbei gesagt — Heidenhain' s Schüler Lafayette Mendel [25] und auch Bernstein in seinem Lehrbuch der Physiologie anschlössen, kann auch ich mich sehr wohl befreunden. Um dann das Argument von Heiden hain bezüglich des Kalk- gehaltes der Milch richtig beurtheilen zu können, denke man sich mit Cohnstein, dass im Blutplasma der Kalk in einer Menge von a°/o enthalten ist. Dann kann sie, wenn wir die Gesetze der einfachen Fil- tration in Anwendung bringen, im Filtrat d. i. in der Gewebeflüssigkeit auch nur höchstens in einer Concentration von a "/o vorhanden sein. In Wirklichkeit gesellt sich aber zu der Filtration noch eine Diffusion; denn die Capillaren hegen in Gewebsflüssigkeit, und da es sich um die thätige Milchdrüse handelt, verliert diese Gewebsflüssigkeit beständig Kalk. Hierdurcli wird eine Diffusion von Kalktheilchen aus den Capillaren in die Blutlymphe unterhalten. Ausserdem gehen auch mit dem Fil- trationsstrom Kalktheilchen in die Gewebsflüssigkeit über, d. h. in einer Concentration, die sich im Blutplasma besetzen. So kann schliesslich eine viel koncentrirtere Kalklösung die Capillaren verlassen als darin vorhanden war. Nach Cohnstein kann man Versuchsanordnungen treffen, bei welchen das Transsudat eine Substanz in viel mehr als zehn- facher Koncentration enthält als das Filtrans. Nehmen wir in dem Kalkbeispiel nur die zehnfache Concentration an, so brauchen wir statt 236 1 nur noch 23,6 1 Flüssigkeit als Vehikel. Da nun aber 25 1 Milch weniger als 25 1 Flüssigkeit enthalten, so sehen wir, dass jetzt die berechnete Flüssigkeitsmenge den natürlichen Ver- hältnissen sehr wohl entsprechen kann. 40 Lymphbildung. In gleicher Weise entkräftet Cohnstein Heide nliains Be- merkung über die Eiweissausscheidung in die Milch. Zunächst bekämpft er Heidenhain 's Meinung, dass nach der physikalischen Auffassung, die aus den Blutcapillaren filtrirende Lymphe (Blutlymphe) denselben Eiweissgehalt (2,5 °/o) enthalten müsse wie die Lymphe des Ductus thoracicus. Thatsächlich stellt doch die Lymphe des Ductus bloss den Ueberschuss des Bluttranssud ats vor, das vorher durch die Gewebe geflossen und von diesen aller derjenigen Stoffe beraubt worden ist, deren die Zellen zum Leben bedürfen und zu denen in erster Linie Eiweissstoffe gehören. Weiter betont Colinstein, dass hier die Be- dingungen für den Durchgang einer eiweissreichen Flüssigkeit wirklich vorhanden sind. Handelte es sich um eine P'iltration von Blutplasma durch die Capillarwand, mit Luft als äusseres Medium, so würde un- zweifelhaft das Filtrat eiweissarm sein. Thatsächlich ist aber der Sachverhalt ein anderer, denn die Capillaren liegen in Gewebsflüssig- keit. Hierdurch gesellt sich zu der Filtration noch eine Diffusion von Eiweissmolecülen aus dem Capillarinhalt. Doch wird diese Diffusion wohl kaum sehr kräftig sein, da die Permeabilität für solche grosse Molecüle nicht bedeutend ist*). Zu der Filtration und Diffusion gesellt sich aber noch ein anderes Moment, nämlich die wasseranziehende Kraft des Plasmaeiweisses, oder besser gesagt, des Plus an Eiweiss, welches das Blutplasma gegenüber der Gewebsflüssigkeit enthält. Hierdurch wird Wasser aus der Gewebsflüssigkeit angezogen und demzufolge concentrirt sich die Gewebsflüssigkeit und es erhöht sich folglich deren Eiweissgehalt^), Es ist der ständige Eiweissverbrauch der Milchdrüse, durch den der Eiweissgehalt der Gewebslymphe auf niedriger Stufe gehalten wird. Es liegt nun auf der Hand, dass desto mehr Eiweissmolecüle durch Dift\ision die Blutbahn verlassen werden, je mehr Eiweiss durch die Milch- drüse zur Milchproduktion verbraucht wird. Um so schneller wird auch die Wasserbewegung von Gewebsspalten nach Blutcapillaren und damit die Eindickung der (Jewebsflüssigkeit von statten gehen. Heiden hain [26] wollte die wasseranziehende Kraft von Eiweiss und anderen Colloiden Cohnstein gegenüber in Abrede stellen. Demgegenüber hat Cohn- i) Vielleicht machen die Lebercapillax-en eine Ausnahme, denn wie Starling fand, enthält die aus der Leber stammende Lymphe 5— S"/» Eiweiss. 2) Natürlich kann die Wasseranziehung durch den Eiweissunterschied erst zu ihrem Recht kommen, wenn der osmotische Druck der übrigen Bestandtheile von Blut- und Gewebsflüssigkeit intra- und extracapillar sich sehr schnell und vollkommen ausgleicht, was Cohnstein annimmt. (Vergl. hierzu die Ausführungen unter „Resorption in der Pleurahöhle".) Osmotisclies Verhalten des Eiweiss. 41 stein aus der Litteratur nachzuweisen gesucht, dass sie dennoch besteht [17]'). Indessen sei hervorgehoben, dass die von den verschiedenen Autoren angegebenen numerischen Daten keine grosse Uebereinstimniung zeigen. Ich selbst [9] berechnete den Antheil, welchen das Eiweiss an dem osmotischen Druck des Serums hat, auf einen Salpeterwerth von 0.22 "/o ; dieser ist isosmotisch mit einer Kochsalzlösung von 0,125 °o, was einer Gefrierpunkterniedrigung von 0,085" entspricht (vergl. Bd. I. S. 83). Dreser [27] ermittelte die Gefrierpunkterniedrigung der im Serum vor- handenen Eiweisslüsung auf 0,01— 0,02°. Tamniann [28] fand den Unterschied in der Gefrierpunkterniedrigung des Serums vor und nach der durch Hitze her- beigeführten Eiweissgerinnung 0,006 " C. Er benutzte hierzu die Methode der Präcisionskryoskopie, welche Depressionsditferenzen von 0,001 ^' noch genau angiebt. Diese Erniedrigung von 0,006° entspricht einem osmotischen Druck von 54 mm Hg, aber von diesem Betrag kommen 48 mm auf Rechnung der bei dem Erhitzen aus- getriebenen COi, so dass den Eiweissstoffen noch 6 mm Hg zufallen. Diese Methode ist nicht einwandlrfi, denn bei der Ilitzegerinnung finden Umsetzungen statt; so wissen wir z. B. , dass dabei Alkali frei wird. Starling fand mittelst directer osmotischer Messung für die 7— 8"/0 im Blutserum vorhandenen Eiweisses zuerst [29] 30—40 mm Hg und später [80] unter genaueren Kautelen 25— 30 mm. Behufs Ausführung dieser Messungen füllte er ein Silbergazerohr, das mit von Gelatine bedecktem Kalbsperitoneum umgeben Avar (vergl. meinen Apparat zum Studium der Resorption, unten in Kap. IV), mit eiweissfreiem Serum, das er mittelst Filtration von Serum durch eine Thonzelle unter 30—40 Atmosphären erhalten hatte. Das gefüllte Silbergazerohr lag in einem mit Serum gefüllten Glasrohr, das mit einem Quecksilbermanoraeter in Verbindung stand. Dieses zeigte dann ein allmähliches An- steigen, bis endlich Stillstand eintrat und gab in directer Weise den osmotischen Druck des im Serum enthaltenen Eiweisses an. Dass nun wirklicli eine Membran, die bei Filtration in Luft nur eine sehr verdünnte Eiweisslösung Iiindurchgehen lässt, bei Filtration in Flüssigkeit einer concentrirten Eiweisslüsung den Durchgang gestattet, hat Cohnstein durch das Experiment erwiesen. Er fand nämlich, dass wenn man einen mit Blutserum gefüllten Ureter oder eine Vena jugu- laris in destillirtes Wasser hängt, soviel Eiweiss hindurchgeht, dass die umgebende Lösung eine 4 bis 7,8 °/o ige wird. Hängt man dagegen die mit Serum versehene V. jugularis bezw. den LTreter in Luft, so ist die filtrirte Eiweisslösung viel schwächer. Wendet man dieses Ergebniss auf das IVlilchdrüsenbeispiel an, so ergiebt sich, dass für den Transport von 1000 g Eiweiss viel weniger Lymphe genügt, als H e i d e n h a i n berechnete. Wenn Cohnstein berechtigt sein sollte, auch die weiteren über Lymphbildung bekannt gewordenen Thatsachen als Transsudations- erscheinungen aufzufassen, so erwuchs ihm natürlich die Aufgabe, auch 1) Vergl. hierüber das Kapitel über Colloide und Fermente. 42 Lymphbildung. den von Heide nlui in gegen die ältere Filtrationslelire ausgeführten Experimenten in seinen Anschauungen eine befriedigende Deutung zu geben. Grösstentheils waren diese Experimente unabhängig von Cohnstein bereits von Starling [22. 23. 24] auf physikalischem Wege erklärt worden. Von diesen Erklärungen wird auf S. 44 weiter die Rede sein. Nur auf ein Versuchsresultat Heidenhains scheint Starling nicht eingegangen zu sein, nämlich auf den von Heiden ha in hervorgehobenen Concentrationsunterschied von Blut und Lymphe nach Injection von Lymphagogen ü. Ordnung. Wie ich bereits im Eingang erwähnte, beobachtete Heidenhain dass nach Einverleibung dieser Substanzen (Traubenzucker, Kochsalz und andere Krystalloiden) in die Blutbahn ihre Concentration in der Thoracicuslymphe oft grösser war als in der Blutflüssigkeit, eine Erscheinung, welche doch für die Secretionstheorie sprach und die Annahme einer physiologischen Triebkraft nothwendig erscheinen Hess. Demgegenüber betonte nun Cohnstein |17, 18J, dass es mit Rück- sicht auf den bedeutenden Unterschied in der Geschwindigkeit zwischen Blut- und Lymphstrom unzulässig sei, eine Lymphprobe aus dem D. thoracicus mit einer gleichzeitig aufgefangenen Blutprobe im Hinblick auf ihre Zusammensetzungen zu vergleichen. Als er z. B. eine ö^/oige Ferrocyannatriumlüsung in die V. femoralis eines Hundes infundirte, erschien dieses Salz erst 1 Std. 34 Min. später in dem D. thoracicus [17|. Um einigermassen vergleichbare Werthe zu erhalten, muss man von beiden Flüssigkeiten verschiedene Proben auffangen und in beiden Reihen die maximale Concentration suchen. Nur diese darf man mit einander vergleichen, wenn man namentlich noch von dem Einwand absieht, dass die aus dem D. thoracicus abtliessende Lymphe ein Gemisch von aus verschiedenen Geweben stammenden und zu verschie- denen Zeiten gebildeten, verschiedenartigen Lymphmengen darstellt [18 1. Wenn man dann weiter den von Heidenhain begangenen P'ehler ver- meidet, die Salz- und Zuckerconcentration auf Gesammtblut und Gesammt- lymphe statt auf das darin vorhandene Wasser zu berechnen, so stellt sich heraus, dass nach der intravenösen Injection von Salz- [17 und 18] und Zuckerlösung 1 1 9] deren Concentration ausserhalb der Blutgefässe nicht grösser ist als innerhalb, wie Heidenhain meinte, sondern dass beide einander gleichen. Nach Injection von 2,23 g Glukose pro kg Hund fand Cohnstein in den folgenden Versuchen als Concentrationsmaximura an (jllukose: Concentrationsuiiterschied zwischen Blut und Lymplic. 43 im Blut in der Lymphe (Versuch TV) 1,116 "/o 1,119 "/o (VI) 1,524 , 1,581 , (VII) 0,911 , 0,908 , (VIII) 1,659 „ 1,254 „ Die Concentrationsniaxima in Blut und Lymt>he fallen also nahezu oder voll- ständig zusammen. Aus folgender Tabelle geht hervor, dass das Concentrationsmaximum in der Lymphe später erreicht wird als im Blut. Concentrationsmaximum erreicht im Blut in der Lymphe (IV) 2,5 Min. nach Beg. d. Zuckerinfusion 21 Min. nach Beg. d. Zuckerinfusion (^) 2,5 . , „ „ „ 12,5 „ , , „ (VI) 2,5 „ „ „ , „ 15 „ , , „ (VII) 2 , , , , , 18 „ , „ , (VIII) 2,5 „ „ „ „ „ 14 „ „ „ , Zu ähnlichen Resultaten gelangte Tschirwinsky [31J, und auch Popoff |32] gieht an, in der Lymphe niemals einen grösseren Zucker- gehalt gefunden zu haben als im Blut. In Beziehung auf die übrigen von Hei den ha in zu Gunsten seiner Secretionslehre angeführten Argumente schliesst Colin st ein sich in seiner Bekämpfung im Wesentlichen den Anschauungen Starling's an, zu denen wir uns jetzt wenden. Nur sei hier erwähnt, dass, was die Lymphagoga I. Ordnung' (Krebsmuskel- , Blutegelextract etc.) betrifft, C oh n stein deren lymphstrombeschleunigende Wirkung auf tief ein- greifende Veränderungen der Blutzusammensetzung zurückführt, während Starling eine Schädigung der Gefässwand dafür verant- wortlich macht. An schematischen Versuchen konnte Co hn st ein |]6und2rj zeigen, dass Pepton und Krebsmuskelextractserum selbst bei Anwendung todter Membranen leichter transsudiren als normales Serum, was indessen nur mit Hundeserum, nicht mit Pferdeserum gelang. Um hervorzuheben, wie eingreifend die Wirkung von Pepton sein kann, weist er auf die Untersuchungen Botkin's [33] hin, nach welchen unter dem Einiiuss dieser Substanzen eine sehr grosse Zahl von Leuko- cyten zu Grunde geht und dann weiter auf die von Löwit [34] auf- gefundene Thatsache, dass bei der Leukolyse Beschleunigung des Lymph- stroms stattfindet. 44 Lyniplibilduiig. 3. Starling's Ausführungen gegen Heidenhain's Schlussfolgerungen. Starling's Ausführungen richten sich fast ausschliesslich gegen die von Heiden hain aus seinen Experimenten gezogenen Schluss- folgerungen [22, 23, 24, 35]. Ich behandle Starling's Einwände in entsprechender Reihen- folge [23]. 1. Nach V er schli essung der Aorta thoracica unterhalb des Diaphragmas sah H e i d e n h a i n den L y m p h - ström noch längere Zeit anhalten, obgleich der Blutdruck in der Aorta abdominalis Null geworden war. Hierzu erinnert Starling an eine frühere Arbeit von Bayliss and Starling |35]. in welcher nachgewiesen wurde, dass man nicht berechtigt ist aus einer Vermehrung oder Verminderung des arteriellen Blutdrucks ohne Weiteres auf eine entsprechende Modification des Blutdrucks in den Bl utcapillareii zu schliessen. Hierzu ist es un- erlässlich auch den Blutdruck in den abführenden Venen zu kennen. Wie liegt nun der Sachverhalt bei Obturation der Aorta thoracica? In der That sieht man den Blutdruck in den Arterien der Bauchein- gew^eide erheblich sinken, nicht aber in der Vena cava. Hier bleibt der Bhitdruck unverändert, ja zeigt zuweilen selbst eine geringe Stei- gerung. In der V. porta findet man eine geringfügige Abnahme. Aus diesen Thatsachen geht hervor, dass bei Obturation der Aorta thoracica in den Lebercapillaren, welche ja zwischen Vena porta und Vena cava gelegen sind, der Blutdruck nahezu unverändert bleiben muss. Weil es nun gerade die Leber ist, aus welcher der Ductus thoracicus bei der vor- liegenden Versuchsordnung die Lymphe bezieht, schloss Starling, dass Heidenhain's Versuch nicht gegen die Lehre von der Ausscheidung der Lymphe durch den Druck angeführt werden kann. Dass es in der That die Leber ist, aus welcher der Ductus tho- racicus bei der vorliegenden Versuchsanordnung die Lymphe bezieht, geht aus der Thatsache hervor, dass bei Unterbindung der Leber- lymphgefässe, der Lymphstrom aus dem Ductus thoracicus ganz versiegt. Die Lympgefässe der übrigen Baucheingeweide haben also zu fliessen aufgehört, was dadurch verständlich wird, dass der Druck in den In- testinalarterien verschwindend klein geworden und in der Vena porta gleichfalls vermindert worden ist. Im dazwischen liegenden Capillaren- Einflnss des Blutdrucks. 45 gebiet miiss also der Druck nicht unbedeutend herabgesetzt sein. Die aus der Leber fliessende Lymphe zeigte einen grossen Gehalt an festen Bestandtheilen (6 — 8"/o). Dies erklärt auch, warum Heidenhain bei seinem Obturationsversuch eine so substanzielle Flüssigkeit aus dem D. thoracicus erhielt. Diese Anschauungen werden durch die Beobachtungen bei der Verschliessung der Vena cava inf. und der V. porta bestätigt. Heidenhain hatte gefunden — und sein Befund wurde von Starling bestätigt — dass, wenn die V. cava inf. unterhalb des Zwerchfells verschlossen wurde, der Lymphabfluss um das 10— 20 fache zunahm und dass auch hier, im (Gegensatz zu dem, was man sonst bei venöser Stauung beobachtet, der Gehalt an festen Bestandtheilen sehr hoch war. Diesen Gegen- satz deutete Heidenhain als eine Aeusserung secretorischer Tbätigkeit des Capillar- endothels. Es sind aber wieder die Druckverhältnisse, welche über die Erscheinungen Aufschluss geben. Starling beobachtete folgendes: Art. Blutdruck Druck in der Druck in der (A. femoralis) V. porta V. femoralis Vor der Obstruktion der V. cava 72 mm Hg 89 mm MgSO^ 51 mm MgSOi Nach „ „ , . 36 , „ 240 , „ 240 , „ Da sowohl in der V. porta wie in der V. femoralis der Druck bedeutend ge- stiegen ist, muss auch der Druck in den Lebercapillaren stark zugenommen haben. Und wie steht es mit dem Druck in den übrigen Körpercapillaren '? Eine Druck- zunahme in den Capillaren der hinteren Gliedmassen ist sicher nicht zu erwarten, wenn man sich den arteriellen Druckabfall in der A. femoralis ansieht, und in den Eingeweidecapillaren, ebensowenig, da nach Eröffnung der Bauchhöhle die kleinen Arterien fast leer erscheinen. Aus diesen Thatsachen schloss Starling, dass die erhebliche Steigerung des Lymphstroms in dem D. thoracicus, welche man nach Ob- struction der V. cava inferior beobachtet, nur auf eine erhöhte Production von Ge- websflüssigkeit in der Leber zurückzuführen sei, was auch wieder den hohen Gehalt der Lymphe an festen Bestandtheilen erklärt. Den experimentellen Beweis für diese Anschauung erbrachte er dadurch, dass er die Lymphorrhöe nach Unterbindung der isolirten Leberlymphgefässe ausbleiben sah. Ganz anders liegen die Verhältnisse nach Obstruction der V. porta. Nach dieser Operation sah Starling den Blutdruck in den Venen der Milz und der Ein- geweide bedeutend ansteigen ; die Milz war geschwollen und die Eingeweide waren schwarz geworden. Die Stauung hatte selbst Hämorrhagieen in der Mucosa herbei- geführt; der Blutdruck in den Arterien aber war nahezu unverändert. Summa summarum musste der intracapillare Druck von Milz und Eingeweiden gestiegen sein. Das Resultat war eine 4 — 5 fache Beschleunigung des Lymphstroms. Jetzt war die Tlioracicuslymphe weniger reich an festen Bestandtheilen, weil das auch mit der Ein- geweidelymphe der Fall zu sein pflegt. 2. Heidenhain fand Stoffe, deren in die Blutbahn inji- cirtes Extract eine bedeutende Beschleuni gung des Lymphstroms hervorrief, ohne den Blutdruck zu steigern. Diese Substanzen (Extract von Krebs- 46 Lymphbildung. muskelii, Blutegeln, u. s. w.) nannte er Lymphagoga erster Ordnung, im Gegensatz zu Lösungen von Krystalloiden, wie Salzen und Zucker, die er als Lymphagoga zweiter Ordnung bezeichnete und die in grösseren Mengen ebenfalls Lymphorrhöe ver- ursachen. Lu Anschluss an die sub 1 erwähnten Ueberlegungen führte Star- ling vor und nach der Injection der Lymphagoga erster Ordnung (Extracte) Blutdruckbestimmungen in der V. porta aus und fand, wie auch nach ihm Tschirwinsky [36] und Pop off [36], dass die Injection eine Steigerung hervorrief. Lidessen hielt dieselbe nur kurze Zeit an und war schon lange verschwunden, als der Lymphstrom noch bedeutend beschleunigt war, so dass Starling sich nicht für berechtigt hält, die Wirkung der Lymphagoga durch Blutdrucksteigerung zu erklären. Hier wäre auch Starling geneigt, an eine reizende Wirkung auf das Capillarendothel , also an einen Secretions})rozess, zu denken; ein- facher kommt es ihm aber vor, die lymphtreibende Wirkung der ge- nannten Substanzen einer vermehrten Permeabilität der Gefässwände zuzuschreiben. ,,It would be simpler to explain the action of these bodies, if we assume that they increase the permeability of the capillaries''. Die Vergrösserung der Permeabilität betrachtet Starling niclit als einen physiologischen, sondern als einen pathologischen Process. Dass in der That die Permeabilität der Capillarwand durch Noxa vermehrt werden kann, geht wie Starling bemerkt, u. A. aus dem hervor, was man beobachtet, wenn eine der hinteren Gliedmassen eines Hundes einige Minuten in Wasser von 56 ° getaucht wird. Es fängt dann bald die Lymphe schneller zu fliessen an und sie wird reicher an festen Bestandtheilen (Eiweissstoffen). Cohnstein verlegt, wie bereits erw^ähnt, die Wirkung dieser Lymphagoga erster Ordnung nicht in eine Alteration der Gefässwand, sondern in eine Veränderung des Blutes. Für die Lymphagoga zweiter Ordnung (Salze und Zucker) konnte Heidenhain nicht nur eine Lymphstrombeschleunigung, son- dern sogar eine Proportionalität zwischen Lymphstrombeschleunigung und osmotischem Druck der infundirten Lösung feststellen. Er führte das darauf zurück, dass isosmotische, hyperisotonische Lösungen das Capil- larendothel in gleichem Maasse reizen. Dazu kam dann noch, dass die Lymphagoga. 47 Concentration des in die Lymphe ausgeschiedenen Salzes, bezw. Zuckers sich grösser erwies als die im Blute, eine Erscheinung, welche mit der Filtrationstheorie durchaus unvereinbar war. Oben habe ich bereits darauf hingewiesen, wie Cohnstein den Werth dieses zu Gunsten der Secretionslehre angeführten Arguments bekämpft hat und zwar in- dem er erstens nachwies, dass es nicht gestattet ist, eine gleichzeitig aufgefangene Bkit- und Lymphprobe miteinander zu vergleichen und weiter, dass, wenn die Vergleichung von Blut und Lymphe auf einwand- freie Weise durchgeführt wird, die Concentration der injicirten Substanz in der Lymphe nicht über die im Blute hinausgeht. Andererseits hat Starling wieder gezeigt, dass auch bei den Lymphagoga IL Ordnung die Blutdruckverhältnisse völlig genügen, die von Heidenhain aufgefundenen Erscheinungen zu erklären und die Annahme einer secretorischen Thätigkeit des Capillarendothels also überflüssig ist. Lijicirt man nämlich eine starke Zuckerlösung (z. B. 30 g Dextrose in 30 cc Wasser), so wird dieselbe sofort eine grosse Quantität Wasser aus den Geweben anziehen, so dass innerhalb weniger Minuten erhebliche Verdünnung des Blutes erfolgt, welche nach von Brasol zu einer 2 bis 3 fachen Vermehrung des ursprünglichen Blut- volumens führen kann. Diese Versuchsresultate sind von Leathes und anderen (vergl. das vorige Kapitel) bestätigt worden. Die Volum- vermehrung des Blutes hat eine bedeutende Blutdrucksteigerung in den Eingeweidecapillaren zur Folge. Es ist nun die Frage, ob diese Drucksteigerung als die Ursache der Lymphstrombeschleunigung an- gesehen werden muss oder eine Aenderung in der chemischen Zu- sammensetzung der Blutflüssigkeit. Zur Beantwortung dieser Frage stellte Starling folgenden Versuch an. Einem Hunde wurden 300 cc Blut entzogen und dann eine concentrirte Lösung von 15 g Dextrose injicirt. Die Berechnung lehrte, dass durch diese Zucker- lösung gerade 300 cc Gewebswasser angezogen werden müssten. Es wird also keine Steigerung des intracapillaren Drucks herbeigeführt und es stellte sich heraus, dass obgleich eine abnorme grosse Zucker- menge im Blut vorhanden war. doch keine Lymphstrom- beschleunigung stattfand. Starling folgert hieraus, dass durch Injection der Lymphagoga H. Ordnung die Beschleunigung des Lymph- stroms durch intracapillare Blutdrucksteigerung herbeigeführt wird und nicht durch Reizung des Capillarendothels. Dass eine Proportionalität zwischen Lymphstrombeschleunigung und osmotischem Druck der Lösung besteht, ist folglich daraus zu er- klären, dass isosinotische hyperisotonische Losungen die gleiche Wasser 48 Lymplibilcinng. zunähme der BlutHiissigkeit und also dieselbe Vermehrung des intra- capillaren Drucks herbeiführen^). 3. Heidenhain fand, dass die Lymphagoga erster Ord- nung den Lymphstrom nicht mehr beschleunigten, wenn der Blutstrom in der Aorta abdominalis auf längere Zeit gehemmt war. Er führt dies darauf zurück, dass das Capillarendothel in einen schlechten Ernährungszustand gerathen war. Um den Werth des hier genannten Versuchsergebnisses richtig beurtheilen zu können, untersuchte Starling, welche Wirkung eine langwährende Obturation der Aorta thoracica ohne darauf folgende Injection von Lymphagoga nach sich ziehen würde. Er fand nach dieser langwährenden Obturation eine bedeutende hämorrhagische Entzündung der Därme und eine erhebliche Druck- steigerung in der Vena porta. Diese Drucksteigerung schreibt er gröss- tentheils einer Vermehrung des Keibungswiderstandes des Blutes in den schlecht ernährten Lebercapillaren zu. Sie schwindet aber allmählich. Dass nun, nach langdauernder Obturation der Aorta thoracica die In- jection von Lymphagoga keine Beschleunigung des Lymphstroms mehr hervorruft, erklärt Starling dadurch, dass das Gefässendothel zu sehr geschädigt ist, um noch eine Veränderung der Permeabilität er- fahren zu können. ;,Just as we cannot kill a dead dog". Hauptsächlich auf Grund der genannten Erwägungen glaubt Star- ling alle Resultate von Heidenhain's Experimenten mittelst der Begriffe Filtration und Aenderung der Permeabilität erklären zu dürfen; die Annahme einer secretorischen Eigenschaft des Capillar- endothels sei also als überflüssig zu erachten. Indessen ist auch die Vorstellung von Starling nicht unange- fochten geblieben. Insbesondere hat Lazarus Barlow [37] Einwände geltend gemacht, ebenso auch As her und Barbera. Von letzteren wird unten die Rede sein. Lazarus Barlow hebt hervor, dass nach Injection von Lösungen von Krystalloiden (Zucker) der Druck in der Vena cava 29 Minuten nach Ablauf der Einspritzung zur Norm zurück- gekehrt ist; dass aber zu dieser Zeit der Lymphstrom noch 4 mal so gross ist, als vor der Injection und die Beschleunigung dann noch 25 Minuten anhält. „It is not sufficient to show that after an injection of glucose or any other substance, a rise of venous pressure and an 1) Weiteres hierüber im Kapitel über die normale Nierenthätigkeit. Lympliagoga. 49 iiicreased oiitponring of lyrnj)]! occur''; Lymplistrombeschleunigung und Drucksteigerung müssen parallel gehen. Weiter geschah es zuweilen, dass nach Injection eines Krystalloids der Lymphstrom aus dem D. tho- racicus abnahm ; und dass nachherige Injection eines anderen Krystal- loids zu einer Zeit, in der man berechtigt war anzunehmen, dass das erste entfernt war, eine kräftige Beschleunigung hervorrief. Auf Grund dieser und anderer Argumente schliesst Lazarus Bar low, dass Filtration und vermehrte Permeabilität der Gefässwand nicht genügen, um die Lymphstrombeschleunigung nach intravasculärer Einspritzung von Krystalloiden zu erklären. Ausserdem hebt er hervor, dass man vorsichtig sein soll, aus dem Druck in der V. cava Schlussfolgerungen über den Druck in den Lebercapillaren zu ziehen, da Mall |38| nach- gewiesen hat, dass die Portalgefässe unter vasomotorischen Einflüssen stehen ^). 4. Die Einwände von Starling und Cohnstein gegen meine Schluss- folgerungen zu Gunsten der Secretionslehre. Wie auf S. 36 mitgetheilt wurde, hatten auch meine Experimente mich zum Anhänger der Secretionslehre gemacht. Mit Recht betrachteten es dabei Starling und Cohnstein als ihre Aufgabe, auch diesen Versuchsresultaten eine rein physikalische Erklärung zu geben. Wie bereits erwähnt, hatte ich hauptsächlich Folgendes gegen die Filtrationshypothese angeführt. L Wenn ein Pferd mit ruhendem Kopfe sich bewegt, so fliesst 3— 5mal mehr Lymphe aus dem Hai slymphgefäss, als wenn das Pferd ruhig steht. Hier kann die Vermehrung der Ly ni phproduction nicht durch Druckste ige rung erklärt werden. Denn wenn ein Pferd mit Rumpf- und Extremitätsmuskeln arbeitet, ist J) Dass vasomotorische Wirkung die Lymphabscheidung beeinflussen kann, geht noch aus Versuchen von Boddaert hervoi". Dieser Autor fand, dass, wenn man eine Fluoresceinlösung unter die Bauchhaut eines Kaninchens spritzt und an einer Seite den Halssympathicus durchschneidet, auf der betreffenden Seite das Fluorescein früher im Kammerwasser erscheint als auf der anderen Seite [39]. Es sei hier hervorgehoben, dass nicht alle Capillaren des Organismus für den genannten Farbstoff durchlässig sind. Man findet das Fluorescein weder im Speichel noch in der Thränenflüssigkeit, selbst nicht nach Pilocarpininjection (Wesselly, Wochen- schr. f. Therapie u. Hygiene d. Auges. 190:3. Ni. 26. Cit. nach Boddaert), H .imburser, Osniot. Druck. II. Bd. i 50 LyinphbiMung. nac-h Un tersucliungo n von Kaufmann [40] der Blutdruck in der Carotis nicht nur nicht gestiegen, sondern er hat sogar abgenommen. 2. Die Zusammensetzung der unter verschiedenen physiologischenBedingungen (Ruhe, Gehen, Ziehen, Fressen) abgeschiedenen Lymp harten ist jeweils in hohem Maasse von der d e s B 1 u t s e r u m s (Plasma), aus welchem d i e L y m p h - arten entstehen, unabhängig. 3. Der osmotische Druck (das wasseranziehende Ver- mögen) der aus dem Halslymphgef ässe fliessenden Lymphe ist grösser als derjenige des Jug ularis seru ms. 4. Es giebt Fälle von Ascites, bei denen der osmotische Druck der betreff enden Flüssigkeit grösser ist als der des Blutserums. Zu diesen Ascite sfällen gehört die Kran khei t, welche durch einen von mir entdeckten Mikroorganismus (Bacterium lymphagogon) herbeigeführt wird. Untersuchen wir nimmehr, wieweit die von Starling gegen diese vier Punkte erhobenen Einwände richtig sind. ad 1. Hier bemerkt Starling, dass wenn der Blutdruck in der Carotis vermindert ist, dies noch nicht in den entsprechenden Capillaren der Fall zu sein braucht. Nach ihm würde es also möglieh sein, dass während des Gehens der Blutdruck in der Carotis sinkt, in den Capil- laren hingegen bedeutend steigt. Der letzten Erscheinung würde dann die Beschleunigung des Lymphstromes zuzuschreiben sein. A priori fällt es mir schwer, einzusehen, warum in diesem Falle, bei Verminderung des Blutdrucks in der Carotis, der in den Capillaren zugenommen haben sollte. Solches wäre wohl vorauszu- setzen, wenn die Blutdruckverminderung in der Carotis durch arterielle Hyperämie (Erweiterung der kleinen Arterien des Kopfes) herbeige- führt wäre; hier aber entsteht die Druckverminderung in der Carotis dadurch, dass Rumpf und Extremitäten beim Gehen und Ziehen viel mehr Blut erfordern als unter normalen Umständen (ein arbeitender Muskel enthält 3 — 5 mal mehr Blut als ein ruhender). Es giebt hier also eine allgemeine Verminderung des Blutgehaltes im Kopfe. Obgleich, wie mir scheint, diese Betrachtung die Bemerkung Starling 's genügend entkräftet, habe ich dieselbe doch noch einer experimentellen Prüfung unterzogen. Ich habe den Blutdruck in der Vena jugularis bestimmt, während das Pferd ruhig stand und auch während es sich mit ruhendem Kopfe bewegte. Hierbei stellte sich Vermehrung bei herabgesetztem Blutdruck. 51 heraus, dass bei der Bewegung des Pferdes der Blutdruck in der Jugu- laris nicht steigt, sondern sinkt |41J. In einem später erschienenen Aufsatz erhebt Leathes [42 J einen neuen Einwand, welcher mir nachher von Starling auf's Neue vor- gehalten wird und auch in einer Arbeit Cohnstein's eine Stelle findet [19]. Es wird gesagt, dass der Kopf nicht ruhig gehalten werden kann, wenn ein Pferd geht, und die hierbei sich zusammenziehenden Muskeln des Halses verantwortlich gemacht werden können. Diese Meinung muss aus zwei Gründen zurückgewiesen werden. Erstens habe ich gefunden, dass, wenn man beim ruhig stehenden Pferde den Kopf auf und nieder bewegen lässt, der Lymphstrom absolut nicht beschleunigt wird, selbst wenn diese Kopf- bewegung schneller und mit viel grösseren Ausschlägen erfolgt als sie sich beim Gehen zeigt [43]. Zweitens lassen die anatomischen Verhältnisse des Lymphbahnenverlaufs eine derartige Be- schleunigung auch nicht erwarten. Aus anatomischen Betrachtungen geht hervor, dass die Lymphe, welche aus einer in der Mitte des Halses an- gelegten Fistel tröpfelt, so gut wie ausschliesslich aus dem Kopf und nicht vom Halse stammt [43]. In jüngster Zeit hat Moussu [44] am selben Object Experimente angestellt und die von mir erhaltenen Versuchsresultate vollkommen be- stätigt gefunden. Da das Resultat meines sub 1 genannten Versuches ihm als das wichtigste Argument zu Gunsten der Heidenhain'schen Secretionslehre erschien, wiederholte Moussu es , jedoch mit dem Unterschied , dass er das Pferd in einer Tretmühle arbeiten Hess. Obgleich Kopf und Hals fixirt waren, constatirte er einen drei- bis mehrfach grösseren Lymphfliiss als wenn das Pferd in Buhe war. Moussu kann in diesem Resultat aber kein Argument zu Gunsten der Secretionslehre sehen ; im Gegentheil, er meint, dass Kopf und Hals, obgleich sie sich nicht bewegen, doch Arbeit leisten, und zwar eine statische. Und indem er sich auf dem bereits von Asher und Barbera vertretenen Standpunkt stellt (vergl. unten S. 55), dass die Lymphe ein Arbeitsprodukt der Organe ist, hält er jetzt die Erscheinungen ohne Weiteres für vollkommen verständlich. Demgegenüber muss ich be- merken: 1. dass es zweifelhaft ist, ob in seinem Versuch die Kopf- muskeln in namhaftem Maasse an der statischen Arbeit betheiligt sind; die Lymphe aus der Mitte des Halsgefässes kann nur zu einem geringen Theil aus den Halsmuskeln stammen; 2. selbst wenn das der Fall wäre, müsste doch erst noch nachgewiesen werden, dass wirklich bei statischer Arbeit eines Muskels der Lymphabfluss zunimmt; 3. auch wenn dies in 4* 52 Lymplibilduiig. der That nachgewiesen wäre, so würde das weder für, noch gegen die Filtrations- oder kSecretionslehre irgend etwas aussagen (vergl. liierzu S. 58). Ich glaube, dass die Gestalt, in welcher ich den betreffenden Ver- such ausführte, einfachere Verhältnisse darbietet, denn, Avie gesagt, ist, da von einem Mehr an Arbeit, das für die in Kopf und Hals herbei- geführte Lymphstrombeschleunigung verantwortHch gemacht werden kann, nicht die Rede, weil die genannten Körpertheile sich beim Gehen kaum bewegen, und selbst ausgiebigere Bewegungen, als dabei gemacht zu werden pflegen, eine Lymphstrombeschleunigung nicht herbeiführen. Einen weiteren Beweis für den Einfluss des Filtrationsdrucks findet Moussu in seinen Versuchen mit Sympatliicusdurchschneidung und -reizung. Im ersten Fall beobachtet er Verlangsamung, welche er einem Druckabfall in den Capillaren zuschreibt; bei massiger Sympathicusreizung constatirt er eine Beschleunigung des Lymph- stroms und diese wird nach ihm durch intracapillare Drucksteigerung herbeigeführt. (Starke Reizung verursacht bedeutende Lymphstrumverlangsamung.) Ob Sympathicusdurchschueidung wirklich Abnahme, und schwache Sympathicus- reizung Zunahme des Blutdrucks in den Capillaren herbeiführt, ist doch nicht über allen Zweifel erhaben. Jedenfalls hat man, wie Bayliss und Starling gezeigt haben, erst den Blutdruck in den betreffenden Venen zu bestimmen. Indessen wurden bereits früher [10] von mir starke Verminderungen des Blutdrucks in den Capillaren durch Zusammendrücken der Carotis herbeigeführt und dabei eine bedeu- tende Verlangsamung des Lymphstroms gefunden. Vom Standpunkt der Secretions- lelire erklärte ich diese aber dadurch, dass die Capillaren jetzt eine germgere Menge an reizenden Substanzen empfingen. ad 2. Lässt man ein Pferd mit möglichst ruhendem Kopfe gehen, oder ziehen imd gehen zu gleicher Zeit, so stellt sich heraus, dass die Alkalinität des Jugularis-Serums kleiner ist, als wenn das Thier ruhig steht 1). Man könnte nun erwarten, dass auch die Halslymphe des arbeitenden Pferdes einen kleineren Alkaligehalt zeigen würde, als die des ruhig stehenden Thieres; denn an der Arbeit von Rumpf und Extremitäten sind die Gewebe des Kopfes nicht betheiligt gewesen; die Arbeit von Rumpf und Extremitäten kann also keine Veränderung in der chemischen Umsetzung der Gewebe des Kopfes hervorgerufen haben. Und doch weist die Halslymphe des arbeitenden Pferdes eine grössere 1) Die Abnahme der Alkalinität des Serums ist darauf zurückzuführen, dass während des Gehens der Sauerstoff^ehalt des Blutes steigt (vergi. Geppert und Zuntz, Pflüger 's Arch. 42. S. 489). Ich habe früher (Zeitschr. f. Biol. 28. 1892. S. 405; Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1893. S. 157j gezeigt, dass, wenn man Sauerstofi" durch defibrinirtes Blut liindurcbleitet, das Serum Alkali an die Blutkörperchen ab- giebt (vergl. IJd. I. S. 264). Einwände von Colin stein und Starling. 5H Alkalinität auf als die des ruhenden Thieres. Lässt man den Kopf des auch im Uebrigen arbeitenden Thieres sich bewegen, so bleibt die Alkalinität der Lymphe unverändert. Mir ist es nicht möglich, diese Thatsachen mit der Filtrationshypothese in Einklang zu bringen. Ich könnte in dieser Richtung mehrere Beispiele nennen, welche der Filtrationshypothese widersprechen^). Cohnstein hat gegen diese meine Schlussfolgerung Bedenken er- hoben. Ebenso wie gegen Heiden hain, macht er auch mir gegenüber die Bemerkung, dass man behufs Vergleichung zusammengehörige Blut- und Lymphproben nehmen muss und es unmöglich ist, diese hier aus- findig zu machen, da man ja nicht weiss, wann die zu untersuchende Lymphe aus der Fistel zum Vorschein tritt. Im Allgemeinen scheint mir diese Bemerkung richtig. Hier aber dauert die Versuchsreihe eine Stunde und länger, wird abgebrochen und wiederholt, und jedesmal kehren die gleichen Resultate wieder. Ausserdem kann aus der Hals- lymphfistel des Pferdes die Lymphe leicht abtiiessen, zumal weil die Schwerkraft zur Hülfe kommt. ad 3. Hierzu bemerkt Starling: „It is quite possible that the lymph may have taken up its excess of salts from the tissue cells and that the fiuid, as it left the bloodvessels, had the same or a lower osmotic power than the bloodplasma". Es ist kaum anzunehmen, dass die aus dem Halslymphgefäss fiiessende Lymphe das Salzübermaass aus den Gewebszellen bezogen habe. Denn woher sollten denn die letzteren wieder die Salze bezogen haben V Doch nicht aus den minimalen Mengen, welche am Eiweiss ge- bunden zu sein scheinen? Dann heisst es weiter: „Since the final results of metabolism in the animal body or in an animal cell is disintegration, a breaking down of large complex un- stable molecules of high potential energy, the total Output of an animal cell must have a higher osmotic pressure than the total income, so that all the metabolic changes in the tissues would tend to increase the osmotic pressures of the lymph with which they are balked." Wenn hier von einem Zerfall von grösseren in kleinere Molecüle die Rede ist, so wird natürlich nur an organische Verbindungen ge- dacht. Aus den vergleichenden Analysen von Blutserum und Lymphe hat sich hingegen herausgestellt, dass der oft viel 1) Veigl. Untersuchungen über die Lymphbildung n. s. w. [10]. 54 Lyiiiphbilduiig. höhere osmotische Druck der letztgenannten Flüssigkeit nahezu vollständig einem höheren Gehalt an Chloriden und Alkali entspricht. Einen anderen Einwand zu diesem Punkt erhebt Cohnstein. Nach diesem Autor hätte ich den osmotischen Druck des Carotis-Serums, und nicht des Jugularis-Serums, mit demjenigen der Lymphe vergleichen müssen. Ich muss hierauf antworten, dass dies dasselbe Resultat ge- geben hätte, denn mit Hülfe der bis jetzt gebräuchlichen Methoden ist es nicht möglich zwischen dem osmotischen Druck des Carotis- und Jugu- laris-Serums einen Unterschied zu beobachten. Bei näherer Betrachtung erscheint es mir als nicht un- möglich, dass der hohe osmotische Druck der Lymphe u. a. darauf zurückzuführen ist, dass die Lymphe C02-Ionen aus den Geweben an das Blutserum abgiebt und die doppelte Menge Chlor-Ionen dagegen eintauscht. In Folge dessen steigt der osmotische Druck der Lymphe. Der erhöhte Gehalt der Lymphe an Cl würde mit dieser Erklärung übereinstimmen. ad 4. Die Stoffwechselproducte von B. lymphagogon können zu den Lymphagoga der ersten Gruppe gerechnet Averden und die unter ad 2. gemachte Bemerkung passt also auch hier. Es ist richtig, dass ich den osmotischen Druck des Blutes dieses Patienten nicht untersucht habe (es war mir durch äussere Umstände nicht möglich). Doch habe ich an anderen Patienten Vergleichungen zwischen dem osmotischen Druck des Blutes und der Lymphe vor- genommen. Hierbei wies die HydropsHüssigkeit einen höheren os- motischen Druck auf als das entsprechende Blutserum. Ziehe ich das Facit aus den von mir zu Gunsten der Secretions- lehre angeführten Argumenten und der Bekämpfung meiner Schluss- folgerungen seitens Starling und Cohnstein, so halte ich mein erstes Argument für nicht widerlegt, und die Versuche von Moussu bestärken mich in dieser Meinung. Auch das zweite Argument muss ich aufrecht halten. Freilich muss man Starling beistimmen, wenn er bemerkt, dass es im Allgemeinen nicht gestattet ist, aus der Zusammensetzung der Gewebslymphe Schlussfolgerungen über die Zusammensetzung der Blut- lymphe zu ziehen, weil diese durch die Gewebsactivität Aenderungen er- leidet, d. h. einerseits Stoffe abgiebt, andererseits Substanzen aufnimmt. Hier aber ist beim ruhenden Kopfe die Function der betreffenden Ge- webe unverändert geblieben und doch hat die Gewebelymphe eine andere Anschauungen von As her. 55 Zusammensetzung Ijekommen, die mit der veränderten Zusammensetzung des Blutes in keinem nachweisbaren Zusammenhang zu stehen scheint. Das dritte von mir angeführte Argument, den hohen osmotischen Druck der Lymphe betrefl'end, lässt in der That eine physikalische Deutung zu. Ob der Eiweisszerfall aber zu einem wesentlichen Theil verantwortlich gemacht werden darf, mag dahingestellt bleiben; viel mehr scheinen es die Salze zu sein, welche durch die aus den Geweben stam- mende CO2 den osmotischen Druck der Lymphe steigern. Dem gegen- über vermag ich die vierte Reihe von Beobachtungen auf physikalischem Wege nicht zu deuten. Bevor man berechtigt sein wird, eine physikalische Lymphbildungs- lehre als richtig anzuerkennen, wird man auch meine Argumente, welche in dieser Lehre keine genügende Erklärung finden, einer gründlichen, experimentellen Nachprüfung zu unterziehen haben. Denn wenn auch zugegeben werden muss, dass Heidenhain 's Ausführungen in be- friedigender Weise von Starling und Cohnstein gedeutet worden sind, so ist doch nachdrücklick hervorzuheben, dass keine einzige bis jetzt bekannt gewordene Thatsache der Secretionslehre widerspricht. So lange es aber selbst nur noch eine Thatsache giebt, die darin keine Erklärung findet, ist man nicht berechtigt, diese Lehre unbedingt zu verwerfen. 5. Anderweitige Ausführungen über die Lympbbildung (Asher, Roth). In einer Reihe von Arbeiten haben Asher und seine Mitarbeiter [45 — 48 1 betont, dass die Arbeit der Organe als das auslösende Moment für die Entstehung der Lymphe betrachtet werden muss; die Intensität der Arbeit sei maassgebend für Menge und Concentration. Ganz neu war dieser Gedanke nicht, denn Cohnstein hatte be- reits hervorgehoben, dass die Transsudation oder besser gesagt, der Umfang der Diffusion sich nach dem Bedürfniss der Organzellen regelt, und es kommt mir vor, dass unter den gegenwärtigen Physiologen wohl wenige noch auf dem Standpunkt der älteren Anschauung stehen, nach welcher die Lymphbahnen einfach als Drainrohre zu betrachten seien, welche das überflüssige Blutwasser abführen. Man ist sich im Gegen- theil allgemein bewusst, dass die unmittelbar aus den Capillaren stam- mende Flüssigkeit (Blutlymphe) Nährstoffe an die Gewebe abgiebt und dass die aus den letzteren stammenden Dissimilationsproducte mit der auf diese Weise gebildeten Gewebslymphe entfernt weiden. Die chemische 56 Lyniphbildung. Zusammensetzung letzterer ist gewissermaassen eine Spiegelbild der Gewebsthätigkeit. Es ist aber ein Verdienst Asher's, das was Cohnstein als Hypothese ausgesprochen, und Andere vor und nach diesem Autor als etwas Selbstverständliches in mehr oder weniger deutlicher Form an- genommen hatten, durch eine Reihe interessanter Experimente im Grossen und Ganzen für verschiedene Organe (Speicheldrüsen, Gland. thyreoidea, Pankreas. Leber) bewiesen zu haben. So beobachteten Ash er undBarbt'ra |45J, dass in der Speichel- drüse Secretabsonderung und Lymphabtluss Hand in Hand gehen, ja selbst dass die Lymphbildung in diesem Organ unabhängig vom Blut- gefässapparat verläuft, ein Resultat, das, wie die Autoren bemerken, auch J. Cohnheim bereits erhalten hatte und in folgenden Worten ausdrückte (Vorl. über allgem. Path. 1882. Pd. L S. 493): „Wenn Sie die Secretions- nerven eines Hundes mit Atropin vergiften , erfolgt auf Reizung der Chorda, wie Heiden hain gezeigt hat, noch die schönste arterielle Congestion in der Drüse, aber aus der Canüle des Halslymphgefässes Miesst während der Reizung nicht ein Tropfen mehr als vor der Reizung. '' Veränderungen am Gefässapparat, fügen As her und Parbera hinzu, haben keinen Einfluss auf die Lymphbildung, die Thätigkeit der Drüsen- zelle aber bedingt sofort Auftreten eines vermehrten Lymphstromes. Dass Pepton Lymphstrombeschleunigung in der Leber herbeiführt, rührt nach den Autoren daher, dass die Leber vermehrt arbeitet. Auf gleiche Weise erklärt Ash er die lymphtreibende Wirkung der anderen Lymphagoga erster Klasse ; sie sind nach ihm und Busch |48| sämmt- lich „Lebergifte", welche die Eigenschaft besitzen, die Leberthätigkeit anzuregen. Auch die durch Injection krystalloider Substanzen (Lymphagoga n. Klasse) und die durch Venenabschluss herbeigeführte Lymphstrom- beschleunigung wird in erster Linie auf eine gesteigerte Organfunction zurückgeführt. Als eine willkommene Bestätigmig seiner Ansicht, dass bei der Lyraphbildnng die Circulationsverbältnisse höchstens eine untergeordnete Rolle spielen, hat Ash er [50] die in Starlings Laboratorium ausgeführte Arbeit von Bainbridge [49] be- grüsst. Dieser Forscher injicirte bei einem Hunde im Verlauf einer halben Stunde, also langsam , 25—30 cc einer 2 "lo igen Lösung von taurocholsaurem Natron in Normalkochsalzlösung und beobachtete Beschleunigung der Gallenabscheidung, auf die bald eine Vermehrung der Lymphabscheidung folgte. Beide Beschleunigungen gingen einher ohne Aenderung des Pulses oder des arteriellen Blut- druckes; auch war der Blutdruck in der V. c a v a und V. p o r t a u n v e r - Anschauungen von Aslior 57 ändert geblieben. Aehnliche Resultate wie durcli Injection von taiirocholäaurem Natron wurden erzielt durch JCinspritzung von Hämoglobiniösungen. Bainbridge ist der Ansicht, dass es sich hier um lymphagoge Stoffe handelt, die weder in die erste, noch in die zweite Klasse von Heiden hain gehören. So erzeugt Pepton, das bekanntlich zu Heiden hain 's erster Klasse von Lymphagoga gehört, im Gegensatz zu taurocholsaurem Natron und Hämoglobin eine sogar bedeutende ßlutdrucksteigerung in der V. porta ; weiter ist nach Injection von Pepton die Leberlymphe reicher an festen Bestandtheilen , nach Einverleibung von taurocholsaurem Natron dagegen ärmer. Auch von den Lymphagoga zweiter Klasse weicht das taurocholsaure Natron und Hämoglobin ab; so veranlassen die letzteren keine hydiämische Plethora. Er will sie darum in eine dritte Klasse einordnen und denkt sich ihre Wirkungsweise darin bestehend, dass sie die „metabolischen Processe in der Leber anregen". Wahrscheinlich bildet sich dabei ein Ueber- maass von krystalloiden Substanzen, die in die Lymphcapillaren diffundiren und deren osmotischen Druck steigern. Diese Steigerung hat eine Anziehung von Wasser aus den Blutcapillaren zur Folge. Daher die Beschleunigung des Lymphstroms und der wässerige Zustand der Lymphe (vergl. unten die Ausführungen von Roth). Für den Wirkungsmodus der beiden anderen Klassen von Lymphagoga will Bainbridge die von Starling angenommenen Factoren, intracapillaren Druck und Permeabilität beibehalten. In einer kurz nachher erschienenen Mittheilung [50] äussert sich Asher über die Heranziehung osmotischer Wirkung für die Erklärung der Lymphstrombeschleu- nigung sehr reservirt und hebt nochmals hervor, dass man auch bei anderen Lympha- goga den Circulationsverhältnissen nicht mehr Bedeutung beilegen soll wie bei der Drüsensecretion, über deren Mechanismus er sich aber unwissend erklärte. Obgleich von vornherein angenommen werden darf, dass die Ge- webe um so kräftiger functioniren , je mehr Ernährungsflüssigkeit den Organzellen zugeführt wird, so scheint es mir trotzdem gewagt, ganz allgemein den Satz umzukehren und jede Steigerung der Lymphbildung einer Vermehrung der Arbeitsleistung zuzuschreiben. Dem scheint mir bereits das kachektische Oedem zu widersprechen. Auch hat Moussu bei Pferd und Ilind, im Gegensatz zu dem was Asher bei Hunden beobachtete, nur eine geringfügige Lymphstrombeschleunigung consta- tiren können, als er durch Pilocarpin und durch elektrische Reizung der Secretionsnerven , die Parotis zu einer grossen Arbeitsleistung (Speichelabsonderung) veranlasste [44 1. In jüngster Zeit hat ferner Ellinge r [51 1 Versuche angestellt, welche nicht zu Gunsten der von Asher vertretenen Ansicht ausgefallen sind. Asher und Barbera hatten an einem Hund mit permanenter Gallenfistel nach intravenöser Injection von Witte'schem Pepton, eine bedeutende Vermehrung (bis auf das Achtfache) der aus der Fistel fliessenden Galle beobachtet. Die Vermehrung hielt, so lange beobachtet wurde, an; es war dies P/ä Stunde nach der Injection. Hieraus schlössen Asher und Barbera, dass 58 Lymphbilduiig. Pepton eine enorme Steigerung der Leberthätigkeit hervorruft. Ellinger hat diesen Versuch wiederholt und gelangte dabei zu dem Resultat, dass es sich hier nicht um eine vermehrte Gallenbildung handelt, sondern um schnellere Entleerung aus der Gallenblase. Denn nach Tinter- bindung des Ductus cysticus blieb der gesteigerte Gallenfluss bei Pepton- injection aus. Bereits 1899 hatte Gley [52J auf die Möglichkeit hin- gewiesen, dass die auch von ihm beobachtete, allerdings nur kurze Zeit anhaltende Gallentlussvermehrung vielleicht auf Beschleunigung der Gallenblasenentleerung zurückzuführen sei, zumal er nach Peptoninjection auch vermehrte Darmperistaltik beobachtete. Er ist aber mehr geneigt, eine vermehrte Secretion in den Vordergrund zu stellen. As her hatte sich auf das eine Lymphagogon Pepton beschränkt. Ausser mit Pepton stellte Ellinger ähnliche Versuche auch mit einem anderen Lymphagon, nämlich mit Blutegel extract an. Obgleich die Lymphbescbleunigung sehr bedeutend war, vermisste er jede Ver- mehrung des Gallenflusses, gleichviel ob der D. cysticus offen oder verschlossen war. Ellinger beendigt seinen Aufsatz mit dem Ausdruck des Bedauerns, dass nun die Anschauung von Asher undBarbera, wonach die Lympha- goga I. Klasse eine vermehrte Gallensecretion herbeiführen, nicht mehr haltbar ist und die Wirkungsweise dieser Substanzen „wieder in das Dunkel zurückfällt." Für mich hat der Mechanismus der Lymphbildung durch den Satz, die Lymphe sei ein Product der Arbeit der Organe, niemals an Klarheit gewonnen. Denn dieser Satz lässt unberührt, auf welche Weise unter dem Einfluss dieser Arbeit die Blutlymphe abgeschieden wird und das ist es doch, was wir zu wissen wünschen. Findet die Abscheidung durch Secretion statt oder durch Transsudation? Zu dieser Frage nimmt Asher keine Stellung. Sowohl die Secretionslehre wie die Transsudations- lehre vertragen sich nach ihm mit seiner „cellular-physiologischen Lymph- bildungstheorie". An sich, d. h. ohne Zuhülfenahme dieser eben genannten cellular-physiologischen Theorie genügen sie aber nicht. Ich würde den Rahmen dieses Kapitels weit überschreiten, wenn ich Asher und seinen Mitarbeitern in der Kritik aller von Heiden- hain, Starling und mir angestellten Experimente und der daraus ge- zogenen Schlüsse kritisch folgen wollte und erwähne nur die hauptsäch- lichsten Einwände. Im Allgemeinen scheint mir Asber in der Bekämpf ung der Heidenhain- schen Secretionslehre als selbständiger Theorie schwach. Seinen bedeutendsten Einwand t'ormuJirt er in folgenden Worten : , Intravenöse Injection von Lymphagogis, Anschauungen von As her. 59 welche nach Starling nur vermehrte Lymphbildung hervorruft, bewirkt eine viel- fache (achtfache) Vergrösserung der Gallenabsonderung; d. h. Pepton bewirkt des- halb vermehrte Lymphbildung, weil die Leber vermehrt arbeitet. Die Secretions- hypothese ist mit dem Nachweis dieser Thatsache ihrer wichtigsten Stütze beraubt" [45]. Nach dem oben über den Werth des Peptonversuchs Mitgetheilten brauche ich kaum zu sagen, dass ich diese Schlussfolgerung nicht unterschreiben kann. Ausserdem ist mir die Logik auch nicht in jeder Hinsicht klar. Angesichts meiner Ausführungen über die Lymphbildung äussern sich Asher und Barbera folgendermaassen: „Die Arbeit Hamburgers enthält eine grosse Reihe interessanter Thatsachen, aus welchen wir unmittelbare Bestätigung der von uns behaupteten Auffassung ableiten können, während Hamburger selbst den Thatsachen eine Deutung giebt, der wir uns nicht anzuschliessen vermögen" [45J. In allen meinen Versuchen, wo Lymphstrombeschleunigung beobachtet wurde, halten Asher und Barböra vermehrte Thätigkeit der Gewebe für die nächste Ursache: Wenn ein Pferd frisst, ■ fliesst darum mehr Lymphe aus dem Halslyrnphgefäss, weil die Muskel- und Drüsenthätigkeit gesteigert ist. Dagegen kann ich nichts einwenden. Unwahrscheinlich wird mir aber eine derartige Erklärung, wo es sich um den ver- mehrten Lymphfluss bei Conipression der V. jugularis handelt und ganz unannehmbar, wo die Autoren, wie auch Andere vor ihnen, den beschleunigten Lymphfluss aus dem Halslymphgefäss bei Arbeit von Rumpf und Extremitäten auf vermehrte Arbeits- leistung von Kopf und Halsmuskeln zurückführen wollen. Ich kann das entschieden nicht zugeben (vergl. S. 51). „Dass Stoffe, welche bei der Arbeit anderer entfernter Theile gebildet worden sind, ihrerseits bewirken sollten, dass ruhende Organe mit Secret gespeist werden, dessen sie in der Ruhe gar nicht bedürfen, entspricht nicht den sonstigen zweck- mässigen Einrichtungen im Organismus". Wenn die Autoren hier Zweckmässigkeits- argumente in der Discussion verwenden wollen , so könnte ich dem gegenüber be- merken, dass es sich gerade um eine zweckmässige Einrichtung handelt, wenn Organe, die in Folge eines bedeutenden Blutverbrauches an anderen Stellen, mit weniger Blut gespeist Averden, doch eine genügende Menge Nahrungsstoffe bekommen. Eine der- artige Compensation findet man oft; gewöhnlich sogar Uebercompensation (Weigert). Die Einwände gegen die physikalische Lehre richten sich fast aus- schliesslich gegen die von Starling als massgebend betrachteten Momente „Filtra- tionsdruck und Permeabilität". Man empfängt den Eindruck, dass Cohnstein's Transsudationslehre Asher nicht viel Beschwerde macht und als Ergänzung der cellular- physiologischen Lymphbildungstheorie aufgefasst werden darf. „Injicirt man Zucker, nachdem man vorher soviel Blut entzogen hat, wie die injicirte Zuckermenge voraussichtlich Wasser auf dem Wege der Diffusion in das Blut treten lässt (vergl. S. 47) , so sinkt eigenthümlicherweise die Zuckerconcentration des Blutes auffallend langsam. Hieraus folgt, dass nicht die bei dem geschilder- ten Versuchsverfahren fehlende Blutdrucksteige rung, sondern der langsame Uebertritt des Zuckers in die Gewebe den Ausfall der Lymphbeschleunigung, welche sonst (d. h. ohne vorherige Blutentziehung) eintritt, verschuldet" [48]. Nach Asher und Busch [48] ist es ja der aus den Blutgefässen in die Gewebe übertretende Zucker , der den Lymphstrom hervorruft. Tritt kein Zucker hinüber oder geschieht 60 Lymphbildung. der Uebertritt sehr langsam, so erfolgt keine Lymphabscheidung. Warum nach vor- heriger Blutentnahme so wenig Zucker die Blutbahn verlässt, während es doch so schnell geschieht, wenn dieselbe Zuckermenge ohne vorherige Blutentziehung injicirt wird, das können die Verfasser, wie sie sagen, nicht erklären. Mir erscheint die Auf- fassung von Starling durch diesen Versuch nicht als widerlegt und seine Erklärung mittelst Filtrationsdruck doch viel weniger gekünstelt. Gegenüber Starlings Erklärung der Wirkung der Lymphagoga erster Classe durch Aenderung der Permeabilität der Lebercapillaren bemerken Asher und Gies [47] Folgendes: „Arsen, ein , typisches Capiliargift', bewirkt den Ausfluss einer vermehrten und höher koncentrirten Lymphe. Obwohl aber hier die Schädigung der Eingeweide- capillaren viel grösser ist als bei Anwendung von Krebsmuskel- und Blutegelkopf- extract, ist der Umfang der Lymphbildung viel geringer als bei den letztgenannten. Hieraus folgt, dass blosse erhöhte Permeabilität der Gefässwände die Wirkungsweise der Lymphagoga nicht ausreichend erklärt". Die Vergleichung mit Arsen scheint mir nicht besonders glücklich, weil diese Substanz heftige Hämorrhagien herbeiführt. Alles in Allem glaube ich mit Asher, dass vermehrte Organ- arbeit oft die nächste Veranlassung einer gesteigerten Lymphbildung sein wird. Jede Lymphstrombeschleunigung aber auf ver- mehrte Organfunction zurückzuführen erscheint mir als sehr gewagt. Man sagt damit aus. dass Verbesserung der Secretions- bedingungen und Transsudationsverhältnisse (Vermehrung von Filtrations- druck, gesteigerte Permeabilität etc.) ohne vermehrte Organfunction nicht stattfinden kann ; m. a. W. Einflüsse, welche primär Circulationsverhält- nisse und Blutzusammensetzung beeinflussen, erzeugen nach Asher nur dann Lymphstrombeschleunigung, wenn dieselben auch vermehrte Organ- function zur Folge haben. Auf welche Weise die genannten Einflüsse eine Vermehrung der Blutlymphe herbeiführen, die doch für eine gesteigerte Organfunction notwendig ist, lässt Asher bei Seite. Im Anschluss an die Ausführungen von Asher und dessen Mit- arbeitern hat lloth |53| einen neuen Faktor für die Lymphbildung in den Vordergrund gestellt, einen Faktor, den er nach seinen Angaben den Anschauungen A. von Koranyi's entlehnte. Es ist die Steigerung des osmotischen Drucks der Gewebsflüssigkeit durch die Zer fallproducte des Ei- weisses. Hierdurch wird ein Wasserstrom aus den Blutcapillaren herbeigeführt, der sich zu der durch intracapillaren Druck verursachten Filtration gesellt. Roth denkt sich diese beiden gleich gerichteten Ströme, im arteriellen Ab- schnitt der Capillaren. Ist nun das osmotische Gleichgewicht intra- und extracapillar bald hergestellt, so findet hauptsächlich im venösen Abschnitt des Capillargebietes die Resorption von Wasser aus den Gewebsspalten in die Blutgefässe statt und zwar Zusanimfnfassung. Ol vorwiegend durch Vennittelung des hohen Eiweissgehaltes des Serums (vergl. den Abschnitt: Resorption aus den Uewebsspalten). Was dann weiter die Auswechslung von gelösten Bestandtheilen zwischen Blutplasma und Gewebsflüssigkeit betriffst, so dittundiren die grossen Molecüle des Blutplasma in die Gewebsflüssigkeit, regulirt durch das Bedürfniss der Gewebszellen , während umgekehrt Eiweissstoffwechsel- producte aus der Gewebsflüssigkeit in die Blutbahn diff"undiren. Demiiacli wird die Lymphbildimg durch den Stoii'wechsel in den Gewebszellen befördert. Wie As her über die Heranziehung der osmo- tischen Wirkung denkt, habe ich oben bereits angegeben. 6. Zusammenfassung und Schluss. Fasst man die Ansichten über die normale Lymphbildung zu- sammen, so ergiebt sich, dass es zwei Gründe waren, die Heiden- hain veranlassten, die alte mechanische Filtrationstheorie Ludwig's aufzugeben und durch eine neue Vorstellung zu ersetzen. Einmal be- rechnete er unter Zugrundelegung dieser Theorie diejenigen Lymphmengen, welche — entsprechend der chemischen Zusammensetzung der Lymphe — nothwendig waren, um bestimmten Geweben die iimen nothwendigen Nährstoffe zuzuführen, wober er zu Zahlen kam, welche weit höher lagen, als die Lymphmengen, die erfahrungsgemäss innerhalb 24 Stunden den Ductus thoracicus passiren. Andererseits machte er neue Beobach- tungen, welche ebenfalls mit Ludwig's Lehre in Widerspruch standen. Er fand die Lymphbildung nicht in einem deutlichen Abhängigkeits- verhältniss von dem arteriellen Blutdruck, indem sich u. A. heraus- stellte : 1. dass die Lymphe aus dem Ductus thoracicus zu tiiessen fortfuhr, nachdem die Aorta thoracica obturirt und der Blutdruck in der Bauchhöhle stark gesunken war. 2. dass es gewisse Substanzen — Lymphagoga — giebt, welche die Lymphmenge vermehren, ohne gleichzeitig den Blutdruck zu steigern. 3. dass diese Substanzen keine lymphagoge Wirkung mehr zeigten, wenn nach einer langwährenden Obturation das Capillarendothel durch schlechte Ernährung in seinem Leben geschädigt war. Heiden ha in sah sich daher genöthigt, seine Zuflucht zu einer vitalen Erklärung zu nehmen. Er stellt sich vor, dass das Capillar- endothel Substanzen aus dem Blute activ aufnimmt und in die Gewebs- spalten in Verhältnissen secernirt, die sich nach den Bedürfnissen der Gewebe regeln und dass die dementsprechende Wirkung lymphagoger Substanzen auf eine Anregung der secretorischen Thätigkeit zurückzu- führen ist. 62 Lymphbildung. Das Bestehen einer derartigen secretorischen Thätigkeit des Capil- larendotliels war ein Jahr zuvor bereits von mir zur Erklärung der äusserst schnellen Wiederherstellung des wasseranziehenden Vermögens der Blutflüssigkeit nach energischen experimentellen Eingriffen aus- gesprochen worden. Daran anschliessend fügte ich später zu Heiden- hai n's Argumenten gegen die Filtrationslehre noch einige neue Be- obachtungen hinzu, welche zu Gunsten der Secretionshypothese sprachen. Bald aber erfuhr die Lehre Heidenhain \s ernsthafte Bekämpf- ung, insbesondere durch Starling und Colin st ein. Die Einwände Starling 's richteten sich hauptsächlich gegen Hei- denliain's neue Versuche, die von Cohn stein gegen die erwähnte Berechnung der für die Bildung von Secreten erforderlichen Lymphmenge. Nachdem Starling darauf hingewiesen hat, dass es nicht gestattet ist, wie es Heidenhain that, aus einer Abnahme des arteriellen Blutdrucks ohne Weiteres auf eine Abnahme des Capillardrucks zu schliessen und es bei der Lymphbildung doch auf die Capillaren ankommt, gelang es ihm durch eine Reihe schöner Experimente den Nachweis zu führen, dass ein Gegensatz zwischen Lymphabscheidung und Capillar- druck im Allgemeinen nicht nur nicht obwaltet, sondern dass sogar eine Proportionalität zwischen beiden besteht. Nur in einer Reihe von Fällen geht der Druck in den Blutcapil- laren nicht mit der Beschleunigung des Lymphstroms parallel, nämlich bei der Wirkung der Lym})hagoga erster Ordnung (Extract von Krebsmuskeln und Blutegeln, Pepton etc.). Bei diesen wurde, trotz einer geringen und schnell vorübergehenden Blutdrucksteigerung eine kräftige lang dauernde Lymphstrombeschleunigung beobachtet. Darum sieht Starling sich genöthigt, letztere auf eine durch das Lymphagogon herbeigeführte pathologische Permeabilitätszunahme des Gefässendothels in Sinne J. C 0 h n h e i m ' s zurückzuführen . Nach Starling wird also di e Lymphbildung durch Capil- lardruck und Alteration der Gefässwand geregelt. Wenn Starling's Einwände sich ausschliesslich gegen die Deutung von Heiden hain's neuen Experimenten richteten, so bezweckten die Ausführungen Cohn stein 's vor Allem, nachzuweisen, dass auch die andere Gruppe von Heidenhai n"s Einwänden die An- nahme einer Secretionshypothese nicht nothwendig macht. Mit Recht hebt Cohn stein hervor, dass die Autoren, welche mit Ludwig die physikalischen Filtrationsgesetze auf den thierischen Organis- mus übertrugen, bisher immer an eine Filtration durch eine mit Luft um- Zusammenfassung. 63 gebene Membran dacliten. Das ist ja doch in den meisten Füllen, und gewiss ancli bei der LymphbildungslVage, entschieden ein Irrthum. Die Blutcapillaren liegen nicht in Luft sondern in Flüssigkeit und damit sind die Verhältnisse vollkommen andere geworden. Während bei der Filtration in Luft die Zusammensetzung des Filtrats bei jedem will- kürlichen Druck wohl ziemlich die gleiche bleibt, d. h. ungefähr der des Filtrans gleicht, ist das bei der Filtration in Flüssigkeit nicht der Fall. Li diesem Falle wirken zwei Momente zusammen, nämlich der Filtrationsdruck und die Diffusion, d. h. die Auswechslung von Stoffen durch die Membran als Folge des Unterschiedes in der chemischen Zusammensetzung zu den beiden Seiten. Li der That lehrt das Experiment — und durch einfache theore- tische Erwägungen ist es auch leicht erklärlich — dass, wenn z. B. eine Salzlösung unter Druck gegen Wasser diffundirt, Lösungsmittel und gelöste Substanz nicht in demselben Verhältniss durch die Membran hindurch- treten, wie sie im Filtrans vorhanden sind. Sobald der gelöste Stoff schneller in das umgebende Wasser hinübergeht als das Lösungsmittel selbst, so diffundirt scheinbar eine Flüssigkeit, deren Concentration grösser ist, als diejenige des Filtrans. Eine wichtige Ursache für diesen lang- sameren Uebertritt des Wassers ist die Wasseranziehung, welche in der vorliegenden Versuchsanordnung das Filtran ausübt und durch welche folglich ein Wasserstrom in einer dem Filtrationsdruck entgegen- gesetzten Richtung herbeigeführt wird. Ueberträgt man diese Ver- hältnisse auf die Lymphbildung, so braucht man nicht mehr anzunehmen, dass in den Kuheutern in 24 Stunden 236 1 Lymphe producirt werden müssen, um der Milch den erforderlichen Kalkgehalt zu ertheilen. Nach der geschilderten Vorstellung braucht der erforderliche Kalk viel weniger Flüssigkeit als Vehikel, vielleicht nur 25 1. Cohnstein hat das Product von Filtrationsdruck und Diffusion Transsudat genannt. Nach ihm ist die Lymphe also ein Transsudat. Keine von beiden Vorstellungen, weder die von Starling noch die von Cohnstein, genügen selbstständig, die in Beziehung auf die Lymphbildung bekannt gewordenen Thatsachen zu erklären. Während Starling, der wie Ludwig an eine Filtration in Luft denkt, Ein- wände, wie die betreffend des Kalkgehalts der Milch und der dazu er- forderlichen Lymphmengen, mittelst seiner Vorstellung nicht zu beant- worten vermag, bleibt Cohnstein's Lehre, welche dem Einfluss der Permeabilität der Gefässwand kaum Aufmerksamkeit widmet, gewissen Fällen von Lymphstrombeschleunigung die Deutung schuldig. 6i Lymphbildung. So ist sie nicht im Stande zu erklären, warum nach kurzem Aufenthalt einer Extremität in Wasser von 65", der Lymphstrom in der Pfote bedeutend beschleunigt ist, was zu erklären Starling nicht schwer fällt, der eine vergrösserte Permeabilität der Gefässwand ver- antwortlich machen kann, in ähnlicher Weise wie er dies auch bei der Lymphstrombeschleunigung durch die Lympluigoga I. Ordnung thut. Cohnstein erklärt deren Wirkung, indem er annimmt, diese Stoffe bewirken so schwere Veränderungen in der Zusammensetzung des Blutes, dass Filtrirbarkeit und Diffusibilität in bedeutenden Maasse geändert werden. Cohnstein sieht also das W^esentliche der lymphagogen Wirkung in einer Veränderung des Filtrans, Starling in einer Veränderung der Membran. Die Verfasser sind nicht in eine Discussion über dieses Thema eingetreten. Allerdings wäre man auch mit den bis jetzt bekannt gewor- denen Thatsachen nicht viel weiter gekommen, zumal w^eil die eine Meinung die andere nicht ausschliesst. Denn eben so gut wie Pepton Leukocyten im circulirenden Blut zerstört, kann und wird diese Sub- stanz auch wohl das Gefässendothel alteriren. Ueberhaupt scheint mir eine rein physikalische Auffassung der Lymphbildung augenblicklich nur möglich unter Verschmelzung beider Lehren. Danach sind also die Hauptmomente, welche die Lymph- bildung beherrschen; Filtrationsdruck (d. h. Druckunterschied innerhalb und ausserhalb des Capillargefässes (Starling), Diffusion (Cohnstein) und Permeabilität der Gefässwand (Starling). Hierbei ist, wie mir scheint, zu bedenken, dass die beiden ersten Factoren in hohem Maasse von der Thätigkeit des Organs beeinfiusst werden; der Filtrationsdruck, indem bei der Thätigkeit die kleinen Arterien sich erweitern und dadurch der intracapillare Druck steigt ; die Diffusion indem bei der Thätigkeit das Diffundirte schneller von den Organzellen verbraucht wird und Neues nach- dringt (W. Cohnstein. As her). Obgleich für die Frklärung der bekannt gewordenen Erscheinungen diese drei Momente zu genügen scheinen, unterliegt es doch keinem Zweifel, dass noch andere eine Ptolle spielen. Auf ein viertes hat Roth bereits aufmerksam gemacht. Nach Roth würde die nach Eiweisszerfall in den Geweben daselbst entstellende Vermehrung des osmotischen Drucks den Uebergang von Wasser aus den Blutcapillaren befördern und also mit dem Filtrations- druck zusammenwirken. Cohnstein meint, dass die Capillarwand für alle Krystalloide in lileichem Maasse permeabel ist. Das ist nicht anzunehmen. Diese Zusammenfassung. 65 Angelegenheit würde hier aber ohne Bedeutung sein, wenn Bkit- und GewebsHüssigkeit in Ruhe wären, denn in diesem Fall würde, trotz der ungleichen Permeabilität, schliesslich zwischen intra- und extra- capillarer Flüssigkeit doch chemisches Gleichgewicht obwalten. Die beiden Flüssigkeiten sind aber in Bewegung, so dass die Menge dessen, was durch Diffusion aus den Blutcapillaren in die Gewebspalten über- geht und umgekehrt, von ihrer relativen Geschwindigkeit abhängig sein wird. Eine gleichartige Erwägung gilt auch für die Ionen mit ihrer ungleichen Wanderungsgeschwindigkeit. Lymphe und Blutplasma ent- halten ja eine Anzahl Verbindungen, welche in Ionen gespalten sind, elektropositive und elektronegative. Es wird nun das Bestreben gleich- namiger Ionen sein, auszuwechseln. Ionen der Lymphe werden ver- suchen in die BlutHüssigkeit und Ionen der Blutflüssigkeit in die Lymphe hinüber zu gehen. Nun bewegen sich nicht alle Ionen mit gleicher Geschwindigkeit und es liegt also auf der Hand, dass die am meisten beweglichen den Vorrang bei der Auswechslung haben werden Ständen die Flüssigkeiten still, so würde schliesslich ein bestimmter Gleichgewichtszustand erreicht sein, in welchem alle Ionen zu ihrem Recht gekommen wären. Aber beide Flüssigkeiten sind in ungleich schneller Bewegung und man begreift unmittelbar, dass nun nicht alle Ionen Gelegenheit zur Auswechslung haben werden, sondern bloss diejenigen, die bei gleichen Permeabilitätsverhältnissen gegenüber der Capillarwand die grösste Beweglichkeit besitzen. Für das Resultat der Auswechslung wird also jede Modification in der Geschwindigkeit von Blut- und Lymphstrom eine qualitative und quantitative Aenderung der Auswechs- lung zur Folge haben. Diejenigen gleichnamigen Ionen, die die grösste Wanderungsgeschwindigkeit besitzen und für welche die Capillarwand am meisten permeabel ist, werden am ersten zur Auswechslung kommen. Ein anderes Moment ist weiter die in den Geweben gebildete COg, die auf die Zusammensetzung des filtrirenden Blutplasma (auf dessen Ei- weiss-, Chlor-, Alkaligehalt) einen so grossen Einfluss ausübt (Bd. I, S. 262), Man sieht, die Verhältnisse liegen hier nicht so einfach, wie Cohn- stein und Starling es darstellen. Die vereinigte Starling- Cohnstein'sche Lehre giebt freilich in grossen Zügen an, wie man sich die Lymphbildung vorstellen kann; ob sie aus- reicht ist jedoch bei Weit e m nicht bewiesen. Um dahin zu ge- rathen, scheint es mir jetzt an der Zeit, die Betheiligung der genannten bei der Lymphbildung in Frage kommenden Momente quantitativ zu untersuchen. Hamburger, Osmot. Druck. II. Band. 5 6ß L_ymphbildung. rnter diesen Umständen wäre es meiner Meinung nach voreilig, sich angenblickhch unbedingt der rein physikalischen Lehre anzuschlies- sen^ zumal weil es noch Thatsachen giebt, welche letztere nicht zu erklären vermag. So z, B. ein paar Versuchsresultate Lazarus-Bar- low's (Vergl. S. 48). Besondere Schwierigkeit bereitet ihr auch noch immer mein von Moussu bestätigter Versuch, dass ein arbeitendes Pferd viel mehr Lymphe aus dem Halslymphgefäss abgiebt als ein ruhendes, obgleich bei der Arbeit (von Rumpf- und Extreniitiitsiiiuskeln) der Blutdruck in den Kopfcapillaren nicht ansteigt. Die verschiedenen Autoren halten dieses Experiment für die wichtigste Stütze der Secretionshypothese. Daher die Versuche derjenigen unter ihnen, die der physikalischen Theorie an- hängen, dieses Experiment im entsprechenden Sinne zu deuten. Sie pflegen dann zu betonen, dass bei der Bewegung des Pferdes Kopf und Hals niemals stillstehen; die Muskeln arbeiten und so entsteht Beschleu- nigung des Lymphstroms. Dieser Anschauung muss ich entschieden ent- gegentreten; denn wenn das Thier steht und man lässt den Kopf auf- und niederbeugen und zwar viel ausgiebiger als es jemals während des Gehens stattfindet, so findet absolut keine Beschleunigung statt. Ich will bei dieser Gelegenheit wiederholen, was ich bereits früher bemerkte: so lange auch nur e i n e Thatsache bekannt ist, die sich mit der physikalischen Theorie nicht vereinigen lässt, ist man nicht berechtigt die Secretionstheorie zu verwerfen, da keine der bis jetzt bei der Lymphbildung bekannt gewordenen Erscheinungen dieser Lehre widerspricht. Indessen muss ich gestehen, dass die physikalische Anschauung bereits soviel, was sonst unverständlich erschien, erklärt hat, dass ich hoffe und erwarte, dass auch die erwähnten Thatsachen noch einmal eine mechanische Deutung zulassen werden. Es schien mir erwünscht diese persönliche Ansicht mitzutheilen, weil Heidenhain den Standpunkt, den er gegenüber der bekannt ge- wordenen Thatsachen jetzt einnehmen würde, leider nicht mehr aus- sprechen kann und ich der Einzige war, der mit ihm die Secretions- hypothese verfochten hat. Drittes Kapitel. Oedem und Hydrops. L i 1 1 e r a t u r . 1. Boddaert, Centralbl. f. allgem. Patli. u. pathol. Anat. 1894. S. 404. 2. Boddaert, Arch. de Physiol. norm, et pathol. 5. Serie. 6. 1894. p. 492. 3. Cohiiheim, Vorlesungen über allgem. Pathol. 11. Aufl. 1882. Bd. I. 4. Heideiihaiii, Pflüger's Arch. 49. 1891. S. 209. 5. Hamburger, Zeitschr. f. Hiol. 27. 1890. S. 259. 6. Hamburger, Zeitschr. f. Biol. 30. 1893. S. 143. 7. Hamburger. Ziegler 's Beiträge zur pathol. Anat. in allgem. Pathol. 14. 1893 S. 443. 8. Widal, Sicard und Ravaut, Compt. rend. de la Soc. de Biol. 52. 1900. p. 859. 9. Widal, Sieard und flionod. Compt. rend. de la Soc. de Biol. 52. 1900. p. 901. 10. Lepine, Semaine medicale 15 Fevrier 1893. 11. Talma, Nedeil. Tijdschiift v. Geneesk. 30. 1894. Dl. II. p. 851 u. 924. 12. Starling, Arris and Gale lectures. The Lancet 9, 16., 23. Mai 1896. 13. Käst, Deutsches Arch. f. klin. Medicin. 73. 1902. S. 562. Festsclir. f. Kussmaul. 14. Gärtner und Römer, Wiener med. Blätter. 1891. S. 654. 15. Gärtner und Römer, Wiener klin. Wochenschr. 1892. S. 22. 16. Lazarus Barlow. Transactions of tbe royal Society of London. 185. 1895. p. 779. 17. Wooldridge. Proceed. Royal Society. 45. 1889. p. 309. 18. Hamburger, Virchow's Arch. 14L 1895. S. 398. 19. Bartels, Ziemssens Handbuch. 9. 1. Hälfte 1877. 20. Cohnheim und LicUtlieim, Virchow's Arch. 69. 1877. S, 106. 21. Gärtner. Wiener med. Presse. 1883. S. 673 u. 701. 22. V. Reeklinghausen, Allgem. Pathol. des Kreislaufs und der Ernährung. Deutsche Chirurgie 2 u. 3. Stuttgart 1883. 23. Rosenstein, Pathol. u. Therapie der Nierenkrankheiten. IV. Aufl. Berlin 1894. 24. Senator, ßerl. kliu. Wochenschr. 1895. Nr. 8. S. 165. 25 W. Cohnstein. Ergebnisse der allgem. Path. u. pathol. Anat. Dritter Jahrg. 1896. S. 563. 26. Magnus. Arch. f. exp. Path. u. Pharmac. 42. 1899 S. 250. 68 Oedem und Hydrops. Seit längerer Zeit sind die Pathologen darin einig, dass es sich bei Hydrops um ein Missverhältniss zwischen Zufuhr und Wegführung der Lymphe handelt. Nur wenige zweifeln noch daran, dass eine Ver- mehrung der Lymphproduction hierbei das Hauptmoment bildet, wenn auch auf Grund der Untersuchungen B o d d a e r t 's anerkannt werden muss, dass auch eine Unterbindung der Ljanphgefässe zuweilen Oedem herbeiführen kann [1 u. 2]. Die Frage aber, wodurch in den verschiedenen Fällen, in denen es sich um eine Vermehrung der Production handelt, diese herbeigeführt wird, ist nicht so leicht zu beantworten; schon deshalb nicht, weil die Beantw'ortung dieser Frage von der einer anderen abhängig ist, von der Frage nach der Production der Lymphe unter normalen Umständen. Bis vor einigen Jahren fusste die Physiologie in dieser Beziehung auf einer rein mechanischen Theorie. Sie stellte sich vor, dass die Lymphe sich ohne Weiteres durch einen physikalischen Filtrations- process bildete, wobei die Capillaren als Filter functionirten. Auf dieser Grundlage konnte die Pathologie in ungezwungener Weise den Stauungs- hydrops erklären, d. i. diejenige Form des Hydrops, bei welcher der Blutdruck in den Capillaren erhöht ist. In denjenigen Fällen aber, in welchen keine Blutdrucksteigerung vorhanden war, Hess die Filtrations- theorie im Stich. Um dieser Schwierigkeit zu begegnen, führte J. Cohn- heim [3J dann einen neuen Factor ein. Ausgehend von dem Gedanken, dass die Filtration nicht nur durch den Filtrationsdruck beherrscht wird sondern auch durch die Beschaffenheit des Filters, stellte er sich vor, dass in krankhaften Zuständen das Filter eine grössere Durchlässig- keit besitzen kann, so dass auch unter Fortbestand normaler Druck- verhältnisse mehr Lymphe hindurchgeht. Mit Hülfe dieser Vorstellung schien C'ohnheim alle Formen von Oedem erklären zu können, und seine Erklärung befriedigte allgemein, bis die bekannte Veröffentlichung Heidenhain's [4] die landläufigen Ansichten in kurzer Zeit erschütterte. Wie erwähnt (S. 36), hatte auch ich mich auf Grund von Unter- suchungen, die Heidenhain's Arbeit bereits vorangegangen waren [5] alsbald der Ansicht des Breslauer Physiologen angeschlossen, nach welcher die normale Lymphbildung nicht mehr als ein Filtrationsprocess, sondern als ein Secretionsprocess aufgefasst werden sollte [6]. Von diesem Standpunkt schien es mir nun in hohem Maasse erwünscht, auch die pathologische Lymphbildung einer erneuten Untersuchung zu unter- ziehen. Lymphagoga in HydropsHüssiglceit. 69 1. Oedem und Hydrops vom Standpunkte der Secretionslehre. Waren es bei der normalen Lymphbildung normale Stoft'wechsel- producte, die die Capillarwand zur Lymphseeretion anregten, so stellte ich mir die Frage (7J, ob nicht bei dem Hydrops die krankhafte Ver- mehrung der Lymphproduction dadurch herbeigeführt wurde, dass ge- wisse, in der Blutbahn circulirende Substanzen das CapillareTidothel zur erhöhten Lymphproduction anregten. Manche klinische Erfahrung schien diese Vorstellung zu rechtfertigen. Ich hatte also zu untersuchen, ob sich in den Transsudaten sogenannte Lymphagoga befanden. Die erste Flüssigkeit, welche mir zu diesem Zwecke zu Gebote stand, stammte von. einem 9jährigen Knaben, der in der Klinik des Herrn Prof. Talma verpflegt wurde. Der mir gütigst zur Verfügung gestellten Krankengeschichte entnehme ich F^olgendes : Vor der Aufnahme in die ütrechter Klinii<, welche am 18. Oktober 1892 statt- fand, ist Patient schon 3 Monate krank gewesen; die Krankheit begann mit einer Schwellung des Bauches, nach der sich bei dem Patienten dicke Beine und Schwellung der Genitalien zeigten. Bei der Aufnahme war das Alles noch vorhanden. Die physikalische Untersuchung ergab . dass die Schwellungen von Flüssigkeit her- rührte, und dass letztere auch in den Pleurahöhlen nicht fehlte. Der Harn enthielt kein Eiweiss. Die Leber war vergrössert. Am 27. Oktober wurden '2900 g Flüssigkeit durch Paracentese aus der Bauch- höhle entfernt. Am 13. December wurden wieder 2700 g auf dieselbe Weise entleert. Die Schwellung kehrte aber rasch zurück. Am 2. Januar 1893 wurde der Patient in die chirurgische Klinik des Herrn Prof. Salz er gebracht, und am folgenden Tage wurde die Flüssigkeit per incisionem möglichst vollständig entfernt Trotz nachheriger sorgfältiger Behandlung der Ab- dominalliöhle mit Salicylsäurelösung und mit Jodoformglycerin war am 4. Februar — die Wunde war fast ganz geheilt, Temperatursteigerung war nicht aufgetreten — wieder Flüssigkeit in der Bauchhöhle zu constatiren, und am 6. März musste wieder zur Entleerung per incisionem geschritten werden. Ich war in der Lage diese Flüssigkeit zu untersuchen. Sie hatte eine gelbgrünliche Farbe und war trübe. Die mikrosk(^pische Untersuchung ergab , dass die Trübung von einer geringen Menge weisser Blutkörperchen und einer ziemlich grossen Menge Mikrococcen herrührte. Da die Flüssigkeit unter aseptischen Cautelen aufgefangen war und überdies ungefähr 1 Stunde nach der Entleerung von mir unter- sucht wurde, musste diesem Bacterienbefund Bedeutung beigelegt werden. Indessen interessirte mich augenblicklich am meisten, ob die Flüssigkeit eine lymphtreibende Substanz enthielt. 73 Oedem und Hydrops. Die Experimente wurden derart ausgeführt, dass vor und nach der Injection der Flüssigkeit in die Bhitbahn die Lymphmenge gemessen ■wurde, welche alle 5 Minuten aus dem D. thoracicus floss. Als Versuchsthiere wurden neugeborene Kälbchen benutzt. Bei diesen Thieren kann das Aufsuchen des D. thoracicus und der eigent- liche Versuch ohne Narkose vorgenommen werden. Es stellte sich nun heraus, dass nach der Injection von 30 cc des klaren Filtrates der Lymphstrom eine bedeutende Beschleunigung erfuhr, wie man aus folgendem Versuchsergebniss ersieht: Die wälirend 5 Minuten aufgefangenen Lymph- niengen, ausgedrüclit in Theilstriclien des Mess- gefässes (ein Tlieil — 0,25 cc) Vor der Injection 4,5—5 — 4,5 — 5 — 4 — 4,5, Nach der Injection 6,5-7 — 7—7,5-6 — 5. Hieraus geht hervor, dass die Flüssigkeit eine lymph- t reibende Substanz enthielt. Diese Substanz erwies sich als leicht zersetzlich, denn die klare Flüssigkeit war nach 2 stündiger Erhitzung bei 56" nicht mehr im Stande, Beschleunigung des Lymphstroms herbeizuführen. Wie bemerkt, war die ursprüngliche Flüssigkeit trübe und es hatte sich heraus- gestellt, dass dies hauptsächlich durch eine Reincultur von Mikrococcen verursacht wurde. Dies weckte in mir den Gedanken, dass viel- leicht die Mikroben die Broducent en der lymphtreiben- den Substanz seien. Zur Entscheidung dieser Frage stellte ich folgende Versuche an. Zuerst wurde eine bestimmte Menge der durch eine Chamberlandkerze filtrirten Ascitestiüssigkeit 2 Stunden lang auf 56 "^ erhitzt, wodurch die lymphtreibende Substanz sich zersetzte. Nach gehöriger Abkühlung wurde dann die klare Flüssigkeit mit den Mikrococcen geimpft und 2 Tage im Brutofen gehalten. Es hatte sich eine reichliche Cultur ent- wickelt. Jetzt wurde die trübe gewordene Flüssigkeit durch eine Chamberlandkerze filtrirt und das Filtrat in zwei Theiie getheilt. Der eine Theil wurde 2 Stunden auf 56° erhitzt; der zweite nicht. Beide Flüssigkeiten wurden in die Vena saphena ein- verleibt, und nun zeigte sich, dass die zweite eine bedeutende Be- schleunigung des Lymphstroms herbeiführte, während die erste (erhitzte) unwirksam war. Von dem Versuch mit der nicht erhitzten (zweiten) Flüssigkeit lasse ich hier die Zahlen folgen : Die während 5 Minuten aufgefangenen Lympbmengen, ausgedrückt in Theilslrichen des Messgefässes. Vor der Injection 5,25 —4,5 — 4 — 4 — 3-4 — 4,5, Nach der Injection 9,5—10 —8-8,5 — 7—7,75 — 6 —4. Aus diesen Versuchen ging deutlich hervor, dass die Mikro- coccen die Producenten der lymphtreiben den Substanz wäre n. Biictoiiimi lyiiiphagügon. 71 Nach diesen Resultaten Hess sich erwarten, dass bei Einverleibung einer Cultur der lebenden Mikroben in die Blutbahn eine viel längere Beschleunigung des Lymphstronis ersichtlich sein würde, als wenn die Injection mit dem Filtrate geschah. Denn auf diese Weise wäre — unter der Voraussetzung, dass die Bacterien in der Blutbahn des Kalbes leben lainnten — eine continuirliche Quelle für die lymphtreibende Sub- stanz geschaffen und der fortwährenden Zerstörung derselben das Gleich- gewicht geboten. Es wurden dann 15 cc einer zweitägigen Cultur des Mikroben in sterilisirter, erhitzter Ascitesflüssigkeit in die Vena saphena injicirt. Das Resultat war frappant, wie aus folgender Tabelle hervorgeht. Die während 5 Minuten aufgefangenen Lymphmengen, ausgedrückt in Theilstrichen des Messgefässes. Vor der Injection 3 — 3 — 3,5—4 — 3,5 — 3 — 3,5, Nach der Injection 5,5 — 5 — 6 — 5 — 4,5 — 6 — 6,5 4 _4,5_6 -7 — 7,5-8 — 7,5 8 — 8 — 8,5 - 8 — 9. Durch diesen Versuch wurde bestätigt, dass die Mikroben wirk- lich die Producenten der lymphtr eibenden Substanz sind. Auch an anderen Stellen hatte sich diese Substanz geltend gemacht. So war schon während des Versuches Nasen- ausÜuss, Flüssigkeit in der Bauchhöhle (diese Flüssigkeit enthielt die Mikroben) und viel Flüssigkeit im Darmkanal zu constatiren; und nach dem Versuche zeigte sich eine starke hydropische Schwellung des inter- stitiellen Bindegewebes der Lungen. Es war somit erwiesen, dass der Hydrops bei dem Patienten durch Stoffwechselproducte des Mikrococcus herbeigeführt wurde. Auf Grund der beschriebenen Thatsachen schlug ich vor , die .Mikrobe Bacteriura lymphagogon zu nennen. Näheres über Morphologie und Cultur vergleiche man im Original 1 7 |. Hier will ich nur kurz erwähnen, dass das Bacterium sich nicht in Rinder- und Pferdebouillon entwickelte, auch nicht im flüssigen Blut- serum dieser Thiere, wohl aber im flüssigen Blutserum des Menschen und auf festem Nährboden. Die zweite von mir untersuchte Ascitesflüssigkeit stammte von einem 50jährigen Manne, der ebenfalls in der Klinik des Prof. Talma verpflegt wurde. Vier Wochen vor seiner Aufnahme bemerkte Patient, dass sein Bauch an Um- fans zugenommen hatte. Später schwollen auch die unteren Extremitäten an. Im üebrigen war er vollkommen gesund, und die physikalische Untersuchung war auch 72 Oedem und Hydrops. nicht im Stande, eine anderweitige Abnormität aufzufinden. Im Harn nur eine Spur Eiweiss, keine Cylinder, aber rothe Blutkörperchen und Leukocyten in geringer Menge. Ungefähr 4 Wochen nach der Aufnahme wurde die Paracentese ausgeführt (19. Mai). Es wurden 5V2 Liter Flüssigkeit entfernt. Die Paracentese wurde ein paarmal wiederholt, jedoch ohne Erfolg, denn der Bauch nahm immer mehr an Um- fang zu. Nach der Paracentese vom 26. Mai war dies jedoch nicht mehr der Fall. Der Patient verliess danach die Klinik und kehrte nicht mehr in dieselbe zurück. Während des Aufenthaltes im Spital war das Allgemeinbefinden vortrefflich. Ich untersuchte die FUissigkeit vom 19. Mai. Dieselbe Avar hell- gelb und vollkommen klar, in dicker Schicht fiuorescirend. Weder weisse Blutkörperchen, noch Bacterien waren vorhanden. Von dieser Flüssigkeit wurden 30 cc in die Vena Saphena eines Kälbchens injicirt. Die während 5 Minuten aufgefangenen Lymphmengen, ausgedrückt in Theilstrichen des Messgefässes. Vor der Injection 4 — 4,5 — 4,5 — 5 — 4 — 4, Nach der Injection 7 _ 7,5 _ 6 _ 5,5 _ 5 _ 4,5 _ 5. Aus diesem Versuche geht hervor, dass auch diese Flüssig- keit eine lymphtreibende Substanz enthielt. Leider konnte ich nicht mehr untersuchen, ob die Substanz, wie beim Hydrops von mikrobiotischem Ursprung, bei 56^ zerstört wurde, denn ich hatte kein Versuchsthier mehr zur Verfügung. Ich habe noch eine dritte AscitesHüssigkeit untersucht. Auch diese war vollkommen klar, ohne Leukocyten und ohne Bacterien. Das speci- fische Gewicht betrug 1,014. Dieselbe stammte aus der Bauchhöhle einer 69jährigen Frau. Bei ihrer Auf- nahme in die Klinik des Herrn Prof. Talma (30. Mai 1893) theilte sie mit, sie sei seit 4 Wochen krank, erst seien die Beine und nachher der Bauch angeschwollen. Diese Schwellungen Avaren bei der Aufnahme noch vorhanden. Die Patientin hustete ziemlich viel. Der Harn enthielt kein Eiweiss, keinen Zucker, viel Urate. Milz- oder Leber- leiden konnte nicht constatirt werden. Die Temperatur war normal , bisweilen ein wenig unter der Norm. Es wurde diagnosticirt: Pleuritis exsudativa sinistra, Peritonitis chronica, Hydrops inflammatoriuscrurium; im Allgemeinen Hydrops inflammatorius generalis. Mehrmals wurde Flüssigkeit aus der Bauchhöhle entfernt. Am 31. Mai fand die erste Function statt. Es wurden 12'/2 Liter evacuirt. Die Flüssigkeit enthielt viel Leukocyten. Das specifische Gewicht betrug 1,017. Am 3. Juni werden wieder 4 Liter entfernt. Jetzt aber enthielt die Flüssig- keit rothe Blutkörperchen. Das specifische Gewicht war 1,012. Die am 8. Juni entfernte und von mir untersuchte Flüssigkeit ent- hielt weder rothe noch weisse Blutkörperchen. Ihr specifisches Gewicht war 1,014. Untersuchungen an Ascitesflüssiükeit. 73 Später wurde noch Flüssigkeit am 18. August, 1. September und 5. September entfernt. Immer waren rothe Blutkörperchen darin vorhanden. Am 16. September fängt die Patientin zu deliriren an. 24. September Exitus letalis. Die Section ergab Carcinom der Ovarien. Es sei noch erwähnt, dass während der ganzen Krankheit keine Temperatur- steigerung beobachtet wurde, wohl aber eine schwache Erniedrigung. Leider stand mir kein Kälbclien mehr zur Verfügung, so dass ich nicht untersuchen konnte, ob auch in dieser Flüssigkeit eine lymph- treibende Substanz vorhanden war. Doch zeigte sich ein Hinweis daranf, als ich das AVasseranziehungsvermögen zu bestimmen suchte. Hierzu wurden in üblicher Weise 2,5 cc Flüssigkeit mit 1,5, 1,7, 1,9, 2,1 und 2,3 cc Wasser versetzt und zu den Gemischen ein paar Tropfen defibrinirten Pferdeblutes hinzugefügt. In allen Gemischen verloren die Blutkörperchen ihren Farbstoff; auch in der ur- sprünglichen nicht mit Wasser versetzten Flüssigkeit, welche zur C'ontrole diente. Blutserum des normalen Menschen zerstört die Pferdeblutkörper- chen nicht. Offenbar handelte es sich also in der Ascitesflüssigkeit um eine globulicide Substanz. Ich untersuchte, ob diese vielleicht durch Er- hitzung vernichtet werden könnte. Dies war in der That der Fall. Denn nach 2-stündiger Erhitzung auf 56" war sie nicht mehr im Stande, Pferdeblutkörperchen zu zerstören. Dieselben konnten demzufolge auch zur Bestimmung des wasseranziehenden Vermögens der Flüssigkeit ange- wandt werden. Diese Bestimmung geschah auf Grund folgender Ueberlegung. Wenn aus Blutgefässen eine Flüssigkeit kommt, deren osmotischer Druck den des Blutserums übertrifft, so kann dieselbe kein Filtrationsproduct sein. Nun lehrt der Versuch, dass, wenn man eine seröse Flüssigkeit in die Bauchhöhle eines gesunden Thieres bringt, der osmotische Druck dieser Flüssigkeit dem des Blutserums dieses Thieres bald gleich wird. Wenn also bei einem Patienten eine Ascitesilüssigkeit einen höheren osmotischen Druck besitzt als das entsprechende Blutplasma, so muss ein Einffuss vorhanden sein, der den osmotischen Ausgleich fortwährend aufhebt und das kann kaum etwas anderes sein, als der hyperisotonische Zustand der stets hinzukommenden Lymphe, deren Bildung als ein Secretionsprocess auf- zufassen ist. Bei der Bestimmung der wasseranziehenden Kraft der AscitesÜüssigkeit stellte sich heraus, dass in einer Mischung von 2,5 cc der auf 56° erhitzten Ascitesflüssig- keit mit 2,1 cc Wasser kein FarbstofFaustritt erfolgte, dagegen in einer Mischung von 2,5 cc AscitesÜüssigkeit mit 2,2 cc Wasser wohl ein solcher sichtbar war. 74 Oedein und Hydrops. Auch wurde eine Hestinimuiig mit m en seh I i die n Blutkörpeicheii ausge- führt. Für diese Bestimmung brauchte die Ascitesflüssigkeit nicht vorher erhitzt zu werden, denn sie zerstörte zwar die Blutkörperchen des Pferdes, nicht aber die des Menschen. Das Resultat war, dass 2,5 cc der erhitzten sowohl als der nicht erhitzten Ascitesflüssigkeit mit 2,3 cc Wasser verdünnt werden mussten, um Farbstoffaustritt aus den Blutkörperchen herbeizuführen; die Hinzuf'ügung von 2,2 cc Wasser genügte hierzu nicht. Die AscitesÜiissigkeit koimte also mit 88*^/0 Wasser verdünnt werden, bevor sie im Stande war, Farbstoffaustritt bei den benutzten Menschenblutkörperchen zu verursachen. Menschliches Bhitserum hin- gegen fängt an den Blutkörperchen eben Farbstoff zu entziehen, wenn es mit 60 '^/o Wasser verdünnt wird (diese Zahl ist das Resultat von 6 von mir ausgeführten Bestimmungen an Placentarblut). Hieraus geht hervor, dass die Ascitesflüssigkeit eine viel grössere wasseranziehende Kraft besass, als das menschliche Serum. Um wäe viel dieselbe grösser ist, lehrt die folgende Berechnung. Auf Zusatz von Kochsalzlösungen verschiedener Concentration zeigten die be- nutzten Blutkörperchen in einer NaCl-Lösung von 0,62" 0 beginnenden Farbstoff'aus- tritt. Mit dieser Lösung waren also das mit 60^'/» Wasser verdünnte Serum und die mit 92 °o Wasser verdünnte Ascitesflüssigkeit isotonisch. Es entsprach folglich das Wasseranziehungsvermögen des unverdünnten Serums dem einer NaCl-Lösung von IAA X 0,62 = 0,992 "/o, während das Wasseranziehungsvermögen der unverdünnten 100-1-92 Ascitesflüssigkeit dem einer NaCl-Lösung von — ^-^ X 0,62 = 1,19 "/o gleich zu setzen war. Diese Zahlen entsprechen Gefrierpunktserniedrigungen von 0,60" und 0,70° C) Leider konnte aus äusseren Gründen das wasseranziehende Vermögen des Blutserums der Patientin hier nicht ermittelt und zur Vergicichung herangezogen ') Ich will diese Gelegenheit benutzen, die Aufmerksamkeit auf ähnliche Unter- suchungen an Cerebrospinalflüssigkeit zu lenken. Wie bereits oben (S. 36) erwähnt, hat Zanier gefunden, dass die Cerebrospinalflüssigkeit normaler Thiere dem entsprechenden Blutserum hyperisotoniscli ist. Dieses mittelst der Blutkörperchen- methode beim Ochsen erhaltene Ergebniss wurde mittelst Gefrierpunkterniedrigung von Widal, Sicard und Ravaut [8] für den Menschen bestätigt, in den Fällen, wo keine acuten Läsionen der Meningen vorlagen. Der Gefrierpunkt lag meist zwischen —0,60" und —0,65"; einmal fand sich —0,56" (Hydrocephalus), ein- mal — 0,57 "(Herzfehler mit allgemeinen Oedemen), einmal— 0.59" (Paraphlegie); der niedrigste Werth war — 0,75". In einem Fall von Pott'schem Uebel wurden drei Lumbalpunktionen gemacht; die entleerten Flüssigkeiten gefroren bei —0,60", —0,58" und —0,65". Bei tuberkulöser Meningitis ist dagegen der osmotische Druck verringert; die kryoskopischen Werthe lagen meist zwischen — 0,48 und —0,55"; einmal bei —0,56", — 0,58" und — 0,62", Aber auch in letzteren Fällen war nach Weitere l^eobticlituiigen über Lymphagogii. 75 werden. Dies wäre wohl erwünscht gewesen, denn, wer k:mn sagen, ob nicht das Blutserum der Patientin bedeutend von der Norm abwich. Wahrscheinlich kommt es mir freilich nicht vor, dass es bis — 0,70" angestiegen sein kann, zumal von einer Nierenatfection nichts zu bemerken war. Von ck'u beiden anderen Ascitesflüssigkeiten hatte ich ebenfalls das Wasseranziehungsvermögen bestimmt. Bei der ersten, von mikrobiotischem Ursprung, betrug dasselbe l,12"/üNaCl und bei der zweiten 1,15 °/o NaCL, Zahlen , -welche über das Wasseranziehungsvermögen des menschlichen Blutserums weit hinausgehen. Später ist auch von anderen Seiten das Vorkommen toxischer und lymphtreibender Stoffe bei (Jedem und Hydrops, mehrfach bestätigt worden. So constatirte Lepine dieselben bei allgemeiner venöser Stauung (Hydropsie cardiaque) 1 10] und sah Besserung des liydropischen Zustandes nach Entfernung der Flüssigkeit eintreten. Dasselbe beobachtete auch Talma in. einer Anzahl Fälle von Hydrops, die er mit leichter Entzündung einhergehen sah und darum mit „Hydrops inÜammatorius" bezeichnete und wo nach ihm die Anwesenheit von lymphagogen Stoffen als Ursache kaum zu bezweifeln war [11]. Starling [12J konnte in directer Weise lymph treibende Stoffe bei einem urämischen Patienten nachweisen und Käst [13] bei chronisch hämorrhagischer Nephritis mit starken Oedemen. Letzterer Forscher untersuchte nicht das Oedem, sondern das Serum des Patienten. Er injicirte 75 cc in die Gesichtsvene eines Hundes und 'sah den Lymph- abüuss aus dem Ductus thoracicus von 3,9 cc auf 36 cc in je 10 Minuten, also auf das 9- bis 10 fache, steigen. Controlversuche mit Serum von normalen Menschen ergaben keine Beschleunigung, ebensowenig das Serum von Nierenkranken ohne Oedeme (zwei Fälle) und das von einer Herzkranken mit allgemeinem Hydrops durch Stauung. Dagegen wurde in zwei weiteren Fällen eine unzweifelhafte Steigerung der Lymphbild- deu Autoren der Druck wahrscheinlich kleiner als der des Blutes, denn bei einer Patientin mit Pneumococcen-Cerebrospinalmeningitis gefror die Flüssigkeit bei — 0,59", das Serum des Schröpfkopf blutes aber bei —0,71". Nach den französi- schen Autoren kann somit die k ry o skopisch e Untersuchung der P uncti onsf lüssigk eit zur Diagnose der tuberculüsen Meningitis dienen. In einer weiteren Mittheilung haben Widal, Sicard und Monod [9] dieses Ergebniss bestätigt. Einen Tag nach der Einverleibung von 5 g Jodkalium Hess sich bei einem 20jährigen Patienten mit tuberkulöser Meningitis, das Salz in der CerebrospinalHüssigkeit nachweisen. Die Flüssigkeit gt-fror bei —0,47" bis - 0,50", während der Gefrierpunkt des Blutserums bei — 0,51 " lag. 76 Oedein und Hydrops. ung nach Injection vun 50 cc des Serums ödematöser chronischer Nierenkranken beobachtet. Dieselbe erreichte in einem Fall mehr als das Dreifache des ursprünglichen Werthes, in einem anderen betrug sie etwa das Doppelte. Ob die Entfernung der Flüssigkeit zur Heilung führt, hängt natür- lich von dem Umstände ab. ob im Körper eine Quelle fortgesetzt er- neuerter Production der fremden lymphtreibenden Substanz vorhanden ist. Hat die Production aufgehört, so muss der Entfernung die Heilung folgen. Unser erster Fall von Hydrops, wo ein Bacterium die Ursache war, wäre mit der energischen Entfernung der Flüssigkeit beendigt gewesen, wenn mit der Flüssigkeit auch alle Mikroben aus dem Körper hätten vertrieben werden können. Dies war aber nicht der Fall. Die Bacterien pflanzten sich nach jeder Operation schnell auf's Neue fort und damit wurde auf's Neue lymphtreibende Substanz producirt. Nicht selten hört man: Ist mein Bein offen, so bin ich gesund, ist die Wunde geheilt, so bin ich krank. Wie viel Aerzte der Neuzeit haben nicht darüber ges})ottet! Und doch ist die Beobachtung richtig und auch im Licht der aufgefundenen Thatsachen leicht erklärlich: die toxischen Stoffe werden mit dem Wundsecrete (Lymphe) entfernt. Würde der günstige Erfolg von Venaesectionen nicht auch oft auf diese Weise zu erklären sein? Schon Magen die sah durch diesen Kunstgriff bleibende Verbesserung bei hydropischen Zuständen eintreten. Ich mache schhesslich noch auf die Untersuchungen von Gärtner und Roenier aufmerksam, nach welchen Ext r acte aus ßacterienzellen das Vermögen besitzen, den Lymphstrom zu beschleunigen [14]. Auch das Koch 'sehe Tuberculin zeigte dieselbe Eigenschaft |15]. Es ist aber fraglich, ob diese lymphtreibenden Sub- stanzen auch in den betreffenden lebenden Bacterien vorhanden sind oder ob sie von denselben erst aus dem Nährboden gebildet werd en. bei der eingreifenden Darstellungsweise wäre das Entstehen von Derivaten in Roemer's und Gärtner's Flüssigkeiten gar nicht unmöglich. Kann somit in pathologischen Flüssigkeiten das Vorkommen von lymphtreibenden Substanzen oftmals constatirt werden, und liegt es also nahe die letzteren auch für das Entstehen von Oedem und Hydrops verantwortlicli zu machen, so haben wir uns doch die Frage vorzulegen, ob allen Hydropsfällen die Wirkung reizender Stoffe zu Grunde liegt, und wenn nicht, wie diese Fälle sonst zu erklären sind. In welchen Fällen sieht nun der Kliniker Hydrops und Oedem auftreten? 1. Bei örtlicher und allgemeiner Stauung. 2. Bei Nierenkrankheiten. Secietionstheorie: Staiiungsoedem. 77 3. Bei Infectionskiankheiten, Erkältung, seröser Entzündung (Tal- ma's Hydrops iiiHammatorius) und anderen Ahweiclumgen, wo von 1,2 und 4 nicht die Rede ist. 4. Bei schlechtem Zustand der (jefässwand. 5. Bei Combinationen der vorangehenden Zustände. Betrachten wir diese Fälle etwas näher. ad 1. C'irculationsstörungen. Es war für die alte Filtrationstheorie gewiss eine kräftige Stütze, dass sie in so ungezwungener Weise das Stauungsoedem erklären konnte. Würde auch die Secretionslehre dazu im Stande sein? Ich habe diese Frage durch die Vorstellung beantwortet, dass sich bei Behinder- ung des Blutabflusses S tof f wechselpro ducte in den Ca- p i 1 1 a r e n anhäufen, die das Capillarendotbel zu vermehrter Lymjih- production anregen 1 7 |. Damit stehen verschiedene Erfahrungen in Ein- klang; zunächst die von mir gefundene und von Moussu bestätigte Thatsache, dass bei Compression der Carotis der Lymphabfiuss aus dem Halsgefäss sich verringert. Weiter Versuche von Lazarus- Bari ow 1 16J. Dieser Forscher führte am Hinterbeine eines Hundes mittelst elastischer Ligatur während einer Stunde Hämostasis herbei und unterband dann die Vena femoralis. Bald entwickelte sich Oedem: der Umfang der Extremität nahm zu, das spezifische Gewicht des Blut- plasma steigerte sich, während das der Muskeln und Haut abnahm. Wurde der Versuch in derselben Weise wiederholt, jedoch mit dem Unterschied, dass vor der Unterbindung der V. femoralis Anämie statt Hämostasis hervorgerufen wurde, so traten dieselben Erschein- ungen auf, jedoch in viel geringerem Maasse. In beiden Fällen müssen die Blutgefässe durch schlechte Ernährung gelitten haben. Es ist nicht gewagt anzunehmen, dass sie dadurch stärker permeabel im Sinne J. Cohnheims geworden sind und dass demzufolge Oedem entstand. Aber warum nach Hämostasis mehr als nach Anämie? Doch nicht weil im ersten Fall der Ernährungszustand schlechter war? Man kann hier nur an bei der Hämostasis entstandene toxische Producte denken, die entweder später die Gefässwände zur vermehrten Lymphsecretion an- regten oder dieselben stärker permeabel machten. Im gleichen Sinne können die Versuchsergebnisse von Wool- dridge |17| gedeutet werden. Bereits 1889 hatte dieser Autor in einer Abhandlung: „on Autoinfection in cardiac disease", nachgewiesen, dass nach Einverleibung einer Lösung von Gewebstibrinogen in die 78 Oedera und Hydrops. V. jugiilaris sich sehr rasch ein kräftiges Oedem entwickelt, das nicht selten mit einer bedeutenden Hämorrhagie per diapedesin einhergeht. Ausser einer Anhäufung von Stofiwechselproducten bezw. toxischen Stoffen in den Capillaren ist bei venöser Stauung noch ein zweiter Factor verantwortlicli zu machen, nämlich die Beschränkung der Resorption durch Verlangsammung des Blutstroms [18]. Wird doch ziemlich allgemein angenommen, dass die in den Geweben gebildeten Stoffwechselproducte theilweise in die grossen Lymphgefässe abfliessen, theilweise in das distale Ende des Capillargebietes und die kleinen Venen. Ist nun der Strom in diesen Blutgefässen verringert, so wird auch der Lymphabfluss eine Beschränkung erfahren; ausserdem wird die wasseranziehende Kraft der angehäuften Stoffwechselproducte sich geltend machen und dadurch das Volumen der Lymphe vermehren. Wenn also z. B. bei Cirrhosis hepatis Ascites vorkommt, so hat man daran zu denken, dass mitunter auch die durch Verzögerung des Blutstroms herbeigeführte Beeinträchtigung der Resorption dafür ver- antwortlich gemacht werden muss. ad 2. Nieren Wassersucht. Wenn man von ,,Nierenwaspersucht" spricht, so meint man eine ganz eigenthümliche Hydropsform, die gerade bei Nierenkrankheiten vorkommt und auch durch gewisse Besonderheiten vor anderen Arten von Wassersucht sich auszeichnet. Daneben beobaclitet man bei Nierenkrankheiten noch andere Formen von Wassersucht, die aber auch bei anderen Krankheiten vor- kommen. So gelangt nicht selten eine Wassersucht zur Anschauung, die unzweifelhaft auf Leistungsunfähigkeit des Herzens, also auf all- gemeine Stauung zurückzuführen ist, und mitunter bei bestimmten Nierenkrankheiten beobachtet wird. Wir sehen nämlich diese Wasser- sucht bei den verschiedenen Formen der Schrumpfung, wenn der hypertrophische Herzmuskel vorübergehend oder dauernd leistungsunfähig wird. Dann kommt es zu den Stauungserscheinungen, wie man sie sonst bei Compensationsstörungen von Herzfehlern zu sehen gewohnt ist: Cya- nose, Venenausdehnung, Ansteigen der Wassersucht von den abhängigen Theilen nach oben hin fortschreitend, und den charakteristischen Stau- ungsharn. Noch eine andere Art Wassersucht giebt es, die auch bei Nieren- krankheiten vorkommt, ohne für diese gerade charkateristisch zu sein, nämlich den sogenannten Hydrops cachekticus, der eintritt, wenn schwere Ernährunosstiirungeu mit Verschlechterung der Blutbeschaffeu- Secretionstheorie : Nierenwasscrsucht. 79 heit vorliegen, wie sie auch einmal bei Nievenkraiiklieiten nach langer Dauer vorkommen können, also bei Carcinom der Niere, bei Tuber- culose, bei lange dauernden Niereneiterungen u. s. w. Die Deutung der ersten dieser beiden letzteren Formen braucht nach dem sub 1 erörterten nicht mehr besprochen zu werden. Der zweiten liegt eine vermehrte Permabilität im Sinne J. Cohnheim's zu Grunde. Nicht so einfach liegt die eigentliche Nierenwassersucht. Das Eigenthümliche dieser eigentlichen Nierenwassersucht „renal dropsy" ist zunächst, dass sie schon sehr früh, ja auffallend früh eintritt. Nicht selten ist die Wassersucht überhaupt das erste Symptom, durch welches sich eine Nierenkrankheit verräth, oder wenn nicht das erste, doch eines der ersten und gleichzeitig mit der Albuminmne oder ganz kurz nach derselben eintretend. Ferner hat diese Wassersucht gewisse rrädilectionstellen, an denen sie zuerst auftritt, ja auf die sie manch- mal sogar allein beschränkt bleibt, wie die Augenlider, die Schienbeine und das Scrotum. Eine dritte Eigenthümlichkeit ist, dass die Nieren- wassersucht sich oft ungemein schnell ausbreitet, nicht bloss über die ganze Haut als Anasarca, sondern auch die verschiedenen Körperhöhlen ergreift, die serösen Säcke, dann das Gehirn, die Schleimhäute etc. Endlich ist noch beraerkenswerth die auffallende Blässe solcher Kranken, besonders im Gegensatz zu der Cyanose bei der gewöhnlichen Stauungs- wassersucht. Alle diese Eigenschaften zusammen sind so charakteristisch, dass man häufig auf den ersten Blick die Wassersucht als eine ,,renale'" erkennen kann. L'eber die Pmtstehung dieser Wassersucht ist viel geschrieben. Bright dachte an eine durcli den Eiweissverlust herbeigeführte abnorm wässrige Blutbeschaifenheit, in Folge deren die Blutflüssig- keit leichter in die Gewebe austrete. Durch vielfache Beobacht- ungen wurde aber später nachgewiesen, dass gar kein Zusammenhang zwischen Albuminurie und Blutbeschaffenheit besteht, dass nämlich starke Eiweissverluste durch den Harn vorkommen, ohne dass eine Spm- von Oedem gefunden wird und andererseits starke Wassersucht bei geringer und kurz dauernder Albuminurie auftreten kann. Sodann haben Grainger -Stewart und namentlich Bartels 1 1 9 1 eine andere Theorie aufgestellt. Sie zeigten durch eine lange Reihe von Beobachtungen, dass Oedeme bei Nierenkranken jedesmal dann auf- traten oder zunahmen, wenn die Harnmenge sank und dass umgekehrt das Verschwinden der Hydropsien mit einer Vermehrung der Harnab- sonderung Hand in Fland ging. Sie folgerten daraus, dass nicht nur 80 Oedem und Hydrops. eine Abnahme des Eiweissgehaltes, sondei'n auch eine absohite Zunahme des Wassergehalts als Ursache der Wassersucht heranzuziehen sei. Die Nierenwassersucht wäre also die Folge einer hydrämischen Plethora. Diese Vorstellung gab dann C o h n h e i m und L i c h t h e i m 1 20 1 Veranlassung, zu untersuchen, ob bei künstlicher hydrämischer Plethora (durch intravenöse Einspritzung von Kochsalzlösungen) wirklich Oedem auftrat. Es zeigte sich, dass sämmtliche Drüsen anfingen stark zu secer- niren; es kam zu Ascites, Oedem der Baucheingeweide, aber die Pleura- höhle blieb trocken und Anasarca blieb stets aus. Waren aber die Hauptgefässe der Extremitäten zuvor afficirt, z. B. durch Jodeinpinsel- ung der Haut, so entstand wohl Anasarca. Es muss also speciell für Anasarca neben der hydrämischen Plethora noch ein zweites Moment hinzutreten, nämlich eine Veränderung der Gefässwand (über die Ursache, warum im Allgemeinen so schwer Anasarca auftritt, vergl. unten auf S. 84 die Ausführungen Starling's). Demgegenüber konnte jedoch Gärtner sehr wohl Anasarca ledig- lich durch Einspritzung hervorrufen, wenn er bei der Injection nur lang- sam verfuhr [21]. Von Reckling hausen spricht den Versuchen von ('ohnheim und Lichtheim jede Beweiskraft ab |22|, da man nach ihm diese forcirte Hydrämie nicht mit der langsam beim Menschen sich entwickeln- den vergleichen könne und ausserdem in den betreffenden Versuchen die Excretionen enorm gesteigert seien, während beim menschlichen Hydrops die Harnsecretion vermindert und die (iesammtsecretion jedenfalls nicht vermehrt ist. In der That injicierten Cohnheim und Licht heim ungeheure Flüssigkeitsmengen. Er stellt sich lieber auf den Boden von Bartels Lehre und erblickt in der verm.inderten Ab- scheidung die Hauptursache der Flüssigkeitsaufspeicherung. Daneben seien Körperhaltung und andere mechanische Momente von Einfluss auf die Vertheilung des Hydrops. Auch Rosenstein [23] verwirft Cohnheim 's Theorie aus ähn- lichen Gründen wie v. Eecklinghausen und schliesst sich der Theorie von Bartels an. Ferner weist Rosenstein daraufhin, dass auch bei acuter Nephritis ausser Hautödem oft Höhlenhydrops eintritt, was er für unvereinbar mit dieser Anschauung hält. Andererseits aber begegnet die Bart eis 'sehe Lehre wieder Schwierigkeiten bei acuten Fällen von Nephritis, wie dies besonders Senator betonte (24|. Wie oft sieht man nicht bei Scharlach bei Kindern Wassersucht auftreten, — so bemerkt er — wo von Hydrämie Secretionstherorie : Nierenwassersucht. 81 oder hydraulischer Plethora gar nicht die Rede ist, ja nicht selten inmitten scheinbar vollständigen Wohlbefindens! Bekanntlich ist das Charakteristische bei der Scarlatia-Niere die Krankheit der Glomernli. Senator nimmt nun an, dass unter dem Einfluss einer Schädigung durch ein im Blute kreisendes Gift (Bacteriengift) zunächst die Glo- merulusgefässe. als die für dieses Gift empfindlichsten, erkranken und dann bei einer gewissen Stärke oder Dauer der schädigenden Einwirk- ung andere ausserhalb der Niere gelegene Gefässbezirke, wie die der Haut und der serösen Säcke folgen. Das Symptom letzterer Erkrank- ung sei die Wassersucht; also sind Nephritis und Hydrops Coeffecte derselben Ursache, d. h. Coeffecte von Gefäss- V e r ä n d e r u n g e n durch Gifte. Hier findet man somit die Cohnheim-Lichtheim'sche Anschau- ung Avieder, aber in etwas verallgemeinerter Form ; denn während Cohn - heim, in der allerdings nicht richtigen Meinung, dass Höhlenhydrops bei Scarlatina niemals vorkommt , speciell für diese Krankheit [3] das Gift lediglich die Hautgefässe angreifen lässt, um die sonst nicht durch seine Experimente erklärbare Anasarca zu deuten (vergl. oben S. 80), lässt Senator das Gift auf die Gefässe des ganzen Körpers einwirken. Nur ist nach Senator die Empfindlichkeit an verschiedenen Stellen different und ist es nach ihm dadurch erklärlich, dass ein Höhlenhydrops gewöhnlich erst spät, oft auch gar nicht auftritt. Es erhebt sich nun die Frage, auf die es hier insbesondere an- kommt, welches ist die Art und Weise, auf die diese giftigen Stoffe wirken. Die Secretionslehre antwortet darauf ungezwungen : als Reize, welche zur vermehrten Lymphsecretion anregen. In der That hat auch Käst, wie oben erwähnt, eine lymphstrombeschleunigende Wirkung des Serums von einigen mit Oedem befallenen Nephritikern deutlich nach- weisen können; nicht aber bei allen. In diesen Fällen darf also das Oedem nicht auf lymphagoge Einflüsse zurückgeführt werden. Es scheint mir sehr erwünscht, dass diese Versuche oft wiederholt werden. ad 3. Infectionskrankheiten, Erkältung etc. Es giebt eine Anzahl Fälle, in welchen Wassersucht auftritt, ohne dass nachweisbare örtliche oder allgemeine Circulationsstörungen (1) oder Nierenafi'ectionen vorhanden sind, in denen auch von einer beständig schlechten Ernährung der Capillaren und kleinen Venen (4) nicht die Bede sein kann, da die Wassersucht kurze Zeit nach dem Eintritt der Krankheit, zuweilen auch gleichzeitig auftrat, oder selbst die Anhäufung Hamburger, Osmot. Druck. II. Band. 6 5\ 82 Oedem und Hydrops. seröser Flüssigkeit zuweilen die liaui)tsäclilich.ste Kninklieitserschein- iing ist. Besnier theilt mit, dass bereits lange Zeit bekannt ist, dass bei Masern, Pocken, Erysipalus, Typhus und Febris typhoidea. Anasarca ohne Nierenleiden vorkommt (citirt nach Talma). Der oben beschriebene von B. lymphagogon herbeigeführte Hydrops lässt sich hier anreihen. Talma beschreibt weiter noch eine Ileihe von ihm selbst be- obachteter "Wassersuchtsfälle, in denen nur Erkältung das ätiologische Moment ist und die Entfernung der Flüssigkeit (bei Ascites : Paracentese oder Laparotomie ; bei Anasarca : Incisionen in die Haut) in kurzer Zeit Heilung brachte. Oftmals waren in solchen Fällen die Zeichen von Entzündung (llöthe, ausserordentliche Empfindlichkeit, Temperatursteiger- ung der Hautstellen) nicht zu verkennen, weshalb Talma von Hydrops inf lammatorius spricht. Dass hier schädliche Stoffe vorhanden sind, unterliegt nach Talma keinem Zweifel. Wie sie wirken, im Sinne Heidenhain's oder im Sinne Starling's lässt er unentschieden. ad 4. Schlechter Ernährungszustand der Gefässwand. Hier denke man an einen Zustand, den zuerst J. Cohnheim hervorgehoben hat, nämlich an eine grössere Permeabilität der Capillaren und kleiner Venen, die dadurch herbeigeführt wird, dass sie in Folge einer lange währenden mangelhaften Circulation schlecht ernährt wurden. Dieser Zustand kommt u. a. bei kachektischen Zuständen zum Ausdruck, sowie in den Fällen, die mit dem classischen Cohnheim- schen Versuch am Kaninchenohr (zeitliche Umschnürung und nach Ent- fernung der Ligatur: Oedem) vergleichbar sind. Li allen diesen Fällen kann der Anhänger der Secretionslehre sich vorstellen, dass die Gefässwand ihren Charakter als secernirendes Organ ganz oder theilweise eingebüsst hat und permeabel geworden ist, wie ein F^'ilter. Kiu"z zusammengefasst geht meine Meinung dahin, dass es nach der Secretionslehre nicht, wie Cohnheim will, zwei sondern drei Entstehungs- weisen von Hydrops geben muss. i. Hochgradige venöse Hyperämie. (Cohnheim's Stauungs- hydrops). Dieser Hydrops kann nach der Secretionslehre nicht mehr durch die Steigerung des Blutdrucks in den Capillaren und kleinen Venen erklärt werden, wohl aber dadurch : a) dass sich bei der Stauung Stofifwechselproducte anhäufen, welche das Capillarendothel zur erhcihten Mechanische Theorie. Lyn)])hs(>cretioii anregen; b) dass bei der Stauung die Resorption aus den Lymphspalten in hohem Maasse eingeschränkt ist [18]. 2. Vermehrte Durchlässigkeit der Gefässwand im Sinne ('ohnheinrs. Hierzu stelle ich mir vor, dass die Gefässwand derart erkrankt ist, dass sie ihren Charakter als secernirendes Organ ganz oder theilweise verloren hat und wie ein Filter durchlässig geworden ist. 3. Reizung des Capillarendothels mittelst einer der Krankheit eigenen lymphtreibenden Substanz. Diese Entstehungs- weise wurde früher nicht angeführt. Ob an diese drei Entstehungsweisen noch eine vierte auf nervöse Einflüsse sich beziehende anzureihen ist, werden spätere Untersuchungen entscheiden müssen. Es liegt auf der Hand, dass die drei Entstehungsursachen (hoch- gradige Stauung, vermehrte Permeabilität und Anwesenheit einer fremden lymphtreibenden Substanz) sich je zu zweit, wie auch zu dritt werden combiniren können und zwar in relativ verschiedenen Graden. Von 1 und 2 ist dies bekannt, und man weiss, in welchem Grade dadurch der Hydrops steigen kann. So lässt es sich vermuthen, dass bei gewissen Leberkrankheiten 1 und 2 neben einander zu finden sein werden. Um dies zu untersuchen und weiter um zu wissen, in welchem Falle von Hy- drops 3 im Spiele ist, wird man zu erforschen haben, ob sich eine lymph- treibende Substanz in der Flüssigkeit befindet und ob der osmotische Druck derselben grösser ist als der des entsprechenden Blutserums. 2. Oedem und Hydrops vom Standpunkt der mechanischen Lymphbildungstheorie. War es mir als Verth eidiger der Ansicht, dass die normale Lymph- bildung als ein Secretionsprocess aufzufassen sei, nothwendig erschienen, die Entstehung von Hydrops und Oedem von jenem Gesichtspunkt aus zu betrachten, so ergrift'en auch Starling und W. Cohnstein einige Zeit später die Gelegenheit, auch ihre Ansichten über die normale Lymphbildung auf die pathologische zu übertragen. So sehen wir Star- ling seine Anschauung über dieses Thema in seinen Arris and Gale- \'orlesungen erörtern [12J, und Cohnstein die seinigen in einem Artikel in Lu bar seh und Ostertag's Ergebnissen der allgemeinen Pathologie [23]. Beide sind darin einig, dass es sich bei Oedem und Hydrops um ein Missverhältniss zwischen Production und Abfuhr der Lymphe handelt und dass, wie auch ich hervorhob, das Hauptgewicht auf eine Vermehrung der Production gelegt werden muss. G* 84 Oedem und Hydrops. Wie entsteht mm nach Starling die Productionszimahme, erstens in den Fällen von Stauung, zweitens in den Fällen von Wassersucht wo von gesteigertem Druck nicht die Rede ist? Es war zu erwarten, dass er, entsprechend seinen Ansichten über die normale Lymphbildung beim Stauungsprocess das Hauptgewicht auf den intracapillaren Druck legen würde. Er widmete der örtlichen und der allgemeinen venösen Stauung eine gesonderte Besprechung. In Beziehung auf die örtliche Stauung bemerkt Starling mit Recht, dass diese allein beim Menschen wohl niemals Oedem oder Hydrops herbeiführt, sondern dass hierzu mehrere Factoren zusammen- wirken müssen. Insbesondere fällt das bei den Gliedmassen auf, wo es sich um die meist impermeabelen Capillaren des Körpers handelt. Die Lymphe enthält demzufolge da ausserordentlich wenig Eiweiss und es ist dementsprechend ein hoher Filtrationsdruck erforderlich um ein der- artiges Filtrat vom Filtrans abzuscheiden. Dazu kommt dann, dass durch den grossen Unterschied im Eiweissgehalt intra- und extracapillar , die Resorption aus den Gewebsspalten kräftig sein wird (vergl. S. 61 u. 64). Wir haben also einerseits die Nothwendigkeit eines hohen Drucks um die Lymphe abzuscheiden und andererseits eine kräftige Resorption wenn sie einmal abgeschieden ist. Bedenkt man schliesslich, dass es durch die vielen Anastomosen nicht leicht zu einem hohen Druck in den Venen kommt, so ist es erklärlich, dass bei örtlicher Venencompression nicht so leicht Wassersucht in einer Extremität auftritt. Anders gestaltet sich die Sache, wenn sich, was allerdings nicht selten geschieht, zu einem gesteigerten intracapillaren Druck noch ein oder zwei andere Factoren gesellen; nämlich 1. vermehrte Permeabilität der Gefässwand, 2. hydrämischer Zustand des Blutes. ^ on diesen beiden ist der erstere der wichtigste, denn dadurch wird nicht nur mehr Lymphe gebildet, als unter normalen Umständen, sondern es wird auch, weil diese eiweissreicher ist als die normale, die Resorption weniger kräftig sein. Eine derartige Permeabilitätsvermehrung der Capillaren wird her- vorgerufen durch schlechte Ernährung der Gefässwand bei Anämie, und experimentell durch Unterbindung der zuführenden Arterie. Man weiss, dass nach Unterbindung des Kaninchenohres (J. Co hn heim) die Capillaren derart afiicirt sind, dass alsbald hochgradiges Oedem entsteht, wenn man den normalen Blutstrom wieder zutreten lässt. Denselben Effect wie die Unterbindung der Arterie führt auch eine langwährende Unterbindung der Vena herbei, denn auch dadurch werden die ent- siH'echenden Capillaren schlecht ernährt. Auch ein schlechter Zustand Mechanische Theorie: Staiiungsoeilein. 85 des Blutes (Hydrilmie), wie bei kachektischeu Krankheiten, kann die Gefässwand permeabel machen. Mannigfaltiger als durch örtliche Stauung entsteht das Oedem durch allgemeine Stauung bei uncompensirten Herzfehlern. Um diese Oedeme z.u erklären, hat Starling sich die Frage vor- gelegt, ob im Fall allgemeiner venöser Stauung in der That der intra- capillare Druck gesteigert ist. Wenn bei einem Hund das Herz zu schlagen aufgehört hat, ist der Druck der im ganzen Gefässystem herrscht, der gleiche geworden, nämlich ungefähr 10, mm Quecksilbersäule. Denkt man sich nun, dass das Herz jetzt wieder in der gewöhnlichen Weise weiterarbeitet, so wird der Druck im arteriellen System gestiegen sein, während an der venösen Seite des Herzens der Blutdruck gefallen ist. Dazwischen wird eine Stelle sein, wo der Blutdruck 10 mm Hg beträgt. Das Experiment lehrt, dass die betreffende Stelle im Gebiet der Lebercapillaren, und in der Vena femoralis in der Nähe des Ligam. Poupartii gelegen ist. Bei jedem Moment nun, das die Triebkraft des arteriellen Blutes herabsetzt, z. B. Insufificienz der Mitralis, Schwäche des linken Herz- nniskels, wird der arterielle Blutdruck wieder abnehmen und der venöse wieder ansteigen. Die Folge ist, dass vor den genannten Stellen, wo der Blutdruck früher 10 mm Hg betrug, derselbe jetzt weniger beträgt. Vor den Lebercapillaren liegen die Capillaren der Baucheingeweide und vor der Vena femoralis die Capillaren des Beines. In den Capillaren der Baucheingeweide und in denen des Beines muss also der Blutdruck in Folge der Circulationstörung gesunken sein. Trotzdem sieht man bei allgemeinen Circulationstörungen in den peripheren Körpertheilen deut- liche Zeichen von gesteigertem capillaren Druck, d. h. Oedem. Starling erblickt die Ursache dieser Erscheinung in dem von Stintzing und G um j) recht beobachteten Vorkommen hydrämischer Plethora in allen Fällen von nicht compensirten Herzfehlern. Dass hydr- ämische Plethora bei nicht compensirten Herzfehlern in der That auf- treten muss, leitet Starling aus folgender Erwägung ab. Sobald der intracapillare Druck sinkt, wird ein Uebergang von Gewebsflüssigkeit in die Capillaren stattfinden. In den Eingeweiden wird das Minus an Gewebsflüssigkeit dadurch compensirt werden , dass das Individuum durstig wird und Wasser mittelst des Darmcanales aufnimmt. Weiter werden auch die Nieren, da der arterielle Blutdruck abgenommen hat. weniger Wasser abscheiden. Es liegt also auf der Hand, dass auch 86 Oedem und Hydrops. dadurch das Blut wässeriger wird , mit andern Worten hydraulische Plethora auftritt. Durch diese hydrämische Plethora aber nimmt das Flüssigkeits- volumen in den Capillaren wieder zu, so dass schliesslich der intracapil- lare Druck noch über den ursprünglichen normalen hinaussteigt. Ist es so weit gekommen, so transsudirt wieder mehr Flüssigkeit in die Gewebsspalten als früher der Fall war und es entwickelt sich Oedem oder Hydrops. Hat dieser Zustand einige Zeit gedauert, so tritt ein neues Moment auf: durch die dürftige Ernährung der Gelasse, die die mangelhafte Circulation des arteriellen Blutstroms mit sich bringt, werden die Capil- largefässe stärker permeabel, wodurch wieder die Transsudation in die Gewebsspalten zunimmt, also mehr Lymphe entsteht, deren Abtiuss in dem Ductus thoracicus noch ausserdem erschwert wird, indem der Blut- druck in der Vena anonyma nicht unbedeutend gesteigert ist. Bedenkt man nun endlich, dass die hydrämische Plethora zu einer Ueberfüllung nicht nur der Venen, sondern auch des Herzens führt, und dass das Herz, indem es sogar nicht im Stande war, das normale Blutquantum in der gehörigen Weise hindurch zu treiben, an den be- schriebenen Erscheinungen die Schuld trägt, so leuchtet es ein, dass dieselben schärfer accentuirt sein müssen , wenn es eine supranormale Flüssigkeitsmenge hindurchtreiben muss. Letztere Ueberlegung ist natür- lich nur dann vollkommen richtig, wenn eine Hypertrophie des Herz- muskels dieser Arbeitsvergrösserung nicht oder nicht in genügendem Maasse entgegenkommt, mit anderen Worten, wenn Compensation ganz oder theilweise fehlt. Bei denjenigen Üedemfällen, in denen von venöser Stau- ung nicht die Kede ist, nimmt Starling mit J. Cohnheim eine Vermehrung der Permeabilität als Ursache an. Diese Vermehrung kann durch Einflüsse hervorgerufen werden, die von aussen auf die Capillar- wand wirken, wie thermische und chemische Noxen, oder auch durch Einflüsse, die mit dem Blutstrom in der P'orm von sogenannten lymphagogen Stoflen zugeführt werden. Li beiden Fällen lassen die Capillarvvände leichter Flüssigkeit hindurch; ausserdem ist die Flüssig- keit eiweissreicher als in der Norm, was weiter wieder eine Herabsetzung der Resorption aus den Gewebspalten zur Folge hat. Dass die lymphagogen Substanzen hier nicht als ein Heiz wirken, wird nach Starling dadurch wahrscheinlich, dass nervöse Einflüsse auf die Lymphbildung niemals constatirt werden konnten. Selbst der Mechanische Theorie : Chemische Noxa. 87 sonst markante Versuch, wonach Oedeni an der einen Znngenhäll'te nach Heizung der correspondirenden Zungenhälfte auftritt, istauf Gefässerweiter- iing und also auf Steigerung des intracapillaren Drucks zurückzuführen. Hierbei bemerkt Starling, dass man dieses Oedem in hohem Maasse ver- stärken kann , wenn zugleich hydrämische Plethora durch intravenöse Einverleibung einer mit dem Blutserum isotonischen Kochsalzlösung erzeugt wird. In diese Vorstellung von Starling, dass chemische Noxen Oedem durch Steigerung der Permeabilität der Gefässwand herbeiführen können, ])assen die Versuchsergebnisse von Magnus [26] hinein. Nach diesen Untersuchungen bedingt hydrämische Plethora durch Infusion von physiologischer Kochsalzlösung kein allgemeines Hautödem. Dies ist jedoch wohl der Fall, Avenn das Thier mit Arsen, Chloroform, Chloral- hydrat, Aether und, beim Hund, auch mit Phosphor vergiftet worden ist. Starling glaubt, dass in den Fällen von nephritischen Oedemen, in welchen eine Steigerung des intracapillaren Drucks aus- geschlossen ist, lymphagoge Stoffe anzunehmen sind. In der That ist es Starling gelungen nach intravenöser Injection von Blutserum eines urämischen Patienten bei einem Hunde Beschleunigung des Lymphstroms aus dem Ductus thoracicus zu erzeugen. Diese lymphagogen Stoffe wirken aber nach Starling nicht durch Reizung des Capillarendothels, sondern dadurch, dass die CapillarAvand ein Filter von grösserer Per- meabilität wird. In diesem Sinne werden nach Starling's Vorstellung auch wohl die Versuchsergebnisse von Käst erklärt werden müssen. Wie ich im Anfang erwähnte, hat auch kurze Zeit nachher Co lin- st ein seine Ansichten über Oedem und Hydrops veröffentlicht. Die- selben weichen von denen Starling's nicht wesentlich ab, was w^ohl Niemand wundern wird, der die Ausführungen beider Autoren über die normale Lymphbildung und die Resorption verfolgt hat. Ich kann mich deshalb hier mit dem Hinweis auf die klar geschriebene Arbeit begnügen. 3. Zusammenfassung und Schluss. Fragt n)an sich jetzt, wie weit die Anschauungen J. Cohnheim's über die Genese von Hydrops und Oedem sich unter dem Einfluss der Untersuchungen über die normale Lymphbildung geändert haben, so darf man in er&ter Linie sagen, die Ueberzeugung stehe noch unbe- stritten, dass es sich bei der Anhäufung von Lymphe stets um ein Mi ssver häl tniss zwischen der Production und der Abfuhr 88 Oedem und Hydrops. handelt und dass in der übergrossen Mehrzahl der Fälle eine gesteigerte Prodnction die nächste Ursache ist. In zweiter Linie blieb seine Meinung unangefochten, dass diese vermehrte Production sowohl durch venöse Stauung, wie durch ver- mehrte Permeabilität der Capillarwand bei übrigens vollkommener Integrität des Blutstromes herbeigeführt werden kann. Als dritten und neuen Faktor hat man die lymphagoge Wirkung gewisser Stoffe angliedern können. Ueber die Art und Weise aber, auf welche diese Faktoren sich bei der pathologischen Lymphanhäufung geltend machen, gehen, entsprechend den Ansichten über die normale Lymphbildung, die Meinungen aus ein- ander. In erster Linie erhebt sich dann die Frage, wie man vom Stand- punkte der Vorstellung, dass die Bildung der normalen Lymphe ein Secretionsprocess sei, die durch venöse Stauung herbeigeführte Wassersucht zu deuten habe. Mir schien dieselbe dadurch erklärt werden zu können, dass bei mangelhafter Blutabfuhr Stoffwechselproducte sich anhäufen, die das Capillarendothel zu einer vermehrten Lymphpro- duction reizten. Zu dieser gesellte sich dann weiter, ebenfalls in Folge eines mangelhaften Blutstroms, eine Beeinträchtigung der Resorption seitens der distalen feinen Blutgefässe. Diese Erklärung galt nicht nur füi- die örtliche venöse Stauung, sondern auch für die ebenfalls mit passiver Hyperämie einhergehenden allgemeinen Cir culationsstörungen. Was die übrigen Fälle von Hydrops anbelangt, in denen von venöser Stauung nicht oder kaum die Kede war, so wurden diese von mir unterschieden in die Fälle, wo durch schlechte Ernährung oder Schädigung das Capillarendothel den Charakter als secernirendes Organ ein- gebüsst hatte, also ein sehr permeabeles Filter im Sinne Cohnheim's geworden war (kachektisches Oedem etc.) und in die, wo eine in der Blutbahn circulirende, der Krankheit eigene, lymphtreibende Substanz das Capillarendothel zur vermehrten Lymphbildung reizte. Unter letztere Kategorie fiel z. B. ein bei einem Menschen beobachteter hydropischer Zustand. In der Ascitesflüssigkeit wurde ein Bacterium gefunden, dessen Stoffwechselproducte eine lymphtreibende Wirkung besassen, weshalb der betreffende Mikroorganismus mit dem Namen B. lymphagogon bezeichnet wurde. Wie später Starling und auch Käst fanden, giebt es auch nephri- tische Oedeme, die auf lymphagoge Wirkung zurückzuführen sind. Wie im Kapitel über die Lymphbildung auseinandergesetzt wurde, erfuhr die auch von mir verfochtene Heide nhain 'sehe Secretionslehre Zusammenfassung. 89 eine ernsthafte Bekämpfung von Seiten Starling's und W. Co lin- st ein's. Nacli ihnen war die Annahme einer secernirenden Thätigkeit bei der Lymphbildung nicht nothwendig und waren alle Erscheinungen durch physikalische Kräfte : Filtration , Diffusion und Osmose zu er- klären. Damit erwuchs diesen Autoren die Aufgabe, nunmehr auf dieser Grundlage auch das Entstehen von Oedem und Hydrops zu erklären. In der Tluit hat sich auch Starling in diesem Sinne ausgesprochen und Colins te in folgte kurz nachher mit einer Auseinandersetzung, die von der Starling's nicht wesentlich abweicht. Bei örtlicher venöser Stauung handelt es sich nach Starling im Wesentlichen um ' einen gesteigerten intracapillaren Druck, also um einen erhöhten Filtrationsdruck. Dieser muss, soll Anasarca entstehen, ceteris paribus, relativ bedeutend gesteigert sein, weil die Lymphe der Extremitäten eiweissarm ist, und ein grösserer Druck aufgewendet werden muss, um ein eiweissarmes Filtrat aus dem Blutplasma ab- zupressen, als wenn es sich um die Gewinnung eines eiweissreichen Filtrates handelt. Wird somit dem Entstehen von Anasarca dadurch eine Beschränk- ung in den Weg gesetzt, so liegt eine weitere Beschränkung darin, dass eine eiweissarme Flüssigkeit kräftiger resorbirt wird als eine ei- weissreiche. So gestaltet sich die Sache bei örtlicher venöser Stauung in nor- malen, gesunden Gefässen. Ist die Gefässwand aber durch irgend eine Ursache erkrankt und dadurch leichter permeabel geworden, so wird der Eiweissgehalt des Filtrats bald ein grösserer und wegen des nun- mehr verminderten Unterschieds zwischen dem Eiweissgehalt der Gewebs- flüssigkeit und des Blutplasma wird die Resorption seitens der Blutgefässe verlangsamt. Bei allgemeiner venöser Stauung, wie dieselbe bekanntlich bei nicht oder schlecht compensirten Herzfehlern obwaltet, scheint das Sach- verhältniss ein wenig complicirter als bei der örtlichen Stauung. Ob- gleich der Druck in den Venen hierbei gesteigert ist, ist das mit dem Druck in den Capillaren von Gliedmassen und Eingeweiden nicht der Fall, wie Starling hervorhob. Im Gegentheil, der Blutdruck ist da, ebenso wie in den Arterien, geringer als in normalen Umständen. Die Folge ist, dass Flüssigkeit aus den Geweben der Baucheingeweide und Extremitäten aufgenommen wird und also ein Zustand von hydrämischer Plethora eintritt, deren Auftreten nicht nur dadurch ermöglicht und be- günstigt wird, dass mehr getrunken und Wasser aus dem Darmkanal 90 Oedem und Hydrops. aufgenommen wird, sondern auch dadurcli. dass die Nieren, der Abnahme des arteriellen Blutdrucks wegen, weniger Wasser abscheiden. So ent- wickelt sich dann ein intracapillarer Druck, der über den ursprünglichen hinausgeht ; in Folge dessen wird die Lymphproduction vermehrt und diese Vermehrung wird noch in bedeutendem Maasse durch die grössere Permea- bilität der Gefässwände unterstützt, die durch die Durchströmung des wässerigen Blutes in einen schlechten Ernährungszustand gerathen sind. Das Auftreten h3'drämischer Plethora, auf deren häufiges, ja sogar regelmässiges Vorkommen bei chronischen Herzfehlern bereits von Stintzing und Gump recht die Aufmerksamkeit gelenkt war, ist also von grosser Bedeutung für das Entstehen von Hydrops bei diesen Krankheiten. Dazu kommt, dass das Herz, das sogar das normale Blut- (juantum nicht durchtreiben konnte, bei Zunahme desselben noch mehr überbürdet wird, was den Zustand noch verschlimmern muss. Wie steht es nun schliesslich mit denjenigen Fällen von Hydrops und Oedem, bei denen Blutstauung nicht vorkommt? Hier handelt es sich nach Starling stets um eine blosse Steigerung der Permeabilität der Gefässwand, sei es, dass diese durch Einflüsse, die auf das Aeussere der Capillarwände einwirken (Hitze, Kälte, chemische Agentien, darunter auch Secrete von stechenden Insecten), hervorgerufen wird oder seien es toxische Substanzen (Lymphgoga), die, mit dem Blut- strom herangeführt, auf das Innere der Blutgefässe einwirken. Demnach wirken die Lymphagoga nicht reizend auf das Capillarendothel und regen dieses zur vermehrten Lymphsecretion an, sondern bloss schädigend, indem sie seine Permeabilität vermehren. Das sind die Vorstellungen Starling's, mit welchen diejenigen W. Cohnstein's im Wesentlichen übereinstimmen. Nur legt letzterer Verfasser, wie bei der normalen Lymphbildung erwähnt wurde (vergl. oben S. 43) bei dem Filtrationsakt auch viel Gewicht auf die durch die lymphagogen Stoffe herbeigeführten Veränderungen des Filtrans. Im allgemeinen kann man aber sagen, dass die Starling- Cohnstein'sche Vorstellung die von J. Cohnheim verantwort- lich gemachten Factoren: Filtrationsdruck und Permeabilität der Gefässwand als richtig anerkannt hat. Schliesslich sei noch die Frage beantwortet, welche der beiden Vorstellungen, meiner Meinung nach, dem gegenwärtigen Standpunkt unseres Wissens am meisten entspricht. Wer den vorstehenden Aus- einandersetzungen gefolgt ist, wird, wie ich glaube, zu der lieber- Zusamnicnfiissiuig. 91 Zeugung gekommen sein, dass beide die bis jetzt bekannt gewordenen Tliatsachen in befriedigender Weise zu deuten im Stande sind. Unter diesen Umstünden wird es Manchem angemessen erscheinen, der rein mechanischen ^'orstelhmg den Vorzug zu geben und bei dieser zu beharren bis etwa neue Thatsachen bekannt werden, welche mit der- selben nicht zu vereinigen sind. Indessen vergesse man nicht, dass wir durch die Untersuchungen über die normale Lymphbildung noch vor Thatsachen gestellt sind, welche augenblicklich auf rein physikalischem Wege nicht zu deuten sind. Schon deshalb erschien es mir empfehlens- werth, die Bildung von Oedem und Hydrops von beiden Standpunkten aus gesondert zu betrachten. Bei oberHächlicher Betrachtung könnte man nun meinen, dass bei der Acceptirung der physikalischen Anscliauungsweise das Problem über das Entstehen von Hydrops und Oedem nach den Arbeiten .1. Cohnheim's nicht weiter gekommen sei. In der Tliat muss an- erkannt werden, dass auch in der neuen physikalischen Vorstellung Filtrationsdruck und Permeabilität es sind, welche die Hauptrolle spielen. Man vergesse aber nicht 1. dass durch die neuen Untersuchungen über normale Lymphbildung und Resorption, neben der Filtration noch zwei andere Faktoren: Ditfusion und Osmose eine bedeutende Stelle gewonnen hal)en, durch welche unsere Vorstellung über den physikalischen Aus- tausch zwischen intra- und extracapillarer Flüssigkeit ungemein an Breite und Klarheit gewonnen hat ; 2. dass den Ursachen für die Permeabilitäts- änderung eine bis dahin unbekannte oder jedenfalls wenig präcisirte hinzugefügt worden ist, nämlich die Wirkung von im Blute circulirenden, der Krankheit specihschen lymphagogen Stoffen. In Beziehung auf meine Ansicht über das Verschwinden von Oedemen und hydropischen Ansammlungen, verweise ich auf das Kapitel über die Resorption in serösen Höhlen. Viertes Kapitel. Die Resorption in serösen Höhlen und Binde- gewebsspalten. L i 1 1 e r a t u r. 1. Haiiibiir;2:ei', Ziegler' s Beiträge zur pathol. Anat. und allgem. Pathol. 14. 1893. S. 443. 2. Haniburger, Arch. für (Anat. u.) Physiol. 1895. S. 281. 3. von Recklinghaiiseii, Virchow's Arch. 22. 1852. S. 163. 4. Dybkow.ski, Ludwig' s Arbeiten. 1866. S. 191. 5. Ludwig und Schwei^^or-Seidell. Berichte der sächs. Gesellsch. d. Wissensch. 1866. 6. Koh)ss(»\v. Arch. f. niikr. Anat. 42. 1893. S. 318. 7. Muscatello, Virchow's Arch. 152. 1895. S. 327. 8. Starliiig und Tubby, Journ. of Pbysiol. 14. 1894. p. 140. 9. Orlow, Pf lüger 's Arch. 59. 1895. S. 170. 10. W. Cobnstein, Centralbl. f. Pliysiol. 21. Sept. 1895. 11. Adler und Meltzor, Journ. of experiment. Med. 1. 1896. 39. 12. Hamburger, Centralbl. f. Physiol. 2. Nov. 1895. 13. Heidenhain. P flüger' s Arch. (>2. 1895. S. 320. 14. Hamburger, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1896. Ö. 36. 15. Ad. Flck, Moleschott's Untersuchungen zur Naturlehre. 3. 1857. S. 294. 16. Hamburger, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1896. S. 302. 17. Ryk Kramer, Over de boteekenis van de physische factoren by de processen van absorptie en secretie. Diss. Amsterdam 1903. 18. Wegner. Arch. f. klin. Chir. 20. 1857. S. 51. 19. Heinricius, Zeitschr. f. Biol. 26. 1899. S. 113. 20. O. Cohnheim, Ueber die Resorption im Dünndarm und in der Bauchhöhle. Habilitationsschrift. München 1898. 21. Leatbes und Starling, Journ. of Physiol. 18 1895. p. 106. 22. Starling. Journ. of Pbysiol. 19. 1896. p. 312. Eine zusammenfassende Ueber- sicht der betreffenden Ansichten dieses Autors findet mau in seinem Artikel : The production and absorption of lymph im Text-book of Physiol., herausgegeben von Schäfer. 1898. Vol. 1. p. 285. Osmotischer Druck in der Bauchhöhle. 93 •23. Ritter. Archiv f. klin. Chirurgie. «8. 1902. Heft 2. 24. H. Braun. Archiv f. klin. Chirurgie. 57. 1898. H. 2. 25. Heinz, Virchow's Archiv. 153. 1898. 26. Maj2;on(lie. Vorlesungen über organ. Physik. 5. 1836. S. 16. 27. Asher, Zeitschr. f. Biol. 2J). 1893. S. 247. 28. Lazarus-Barlow. Journ. of Physiol. 16. 1894. p. 13. 29. Kleniensiewicz. Sitzungsber. der Wiener Akad. d. Wissensch. 81. 1881. S. 1. 86. 1886. S. 59. 30. La/anis-Barlovv. Journ. of Physiol. 19. 1895. p. 140. 31. W. Cohnslein. Pf lüger 's Arch. 63. 1896. S. 587. Eine zusammenfassende Uebersicht von Cohnstein's Ansichten über die Resorption findet man in dessen Artikel: Oedem und Hydrops. Ergebnisse der allgem. Pathol. u. pathol. Anat., herausgeg. von Lubarsch und Oster tag, 3. Jahrg. 1896. S. 563. 32. Schmidt-Mülheim, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1877. S. 549. 33. .T. Miink. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1895. S. 307. 34. Munk und Rosenstein, Virchow's Arch. 123. 1891. S. 230 u. 484. 35. Asliei- und Barbera. Centralbl. f. Physiol. 18. Sept. 1897. 36. Roth. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1899. S. 416. 37. Czeniy, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 34. S. 278. 1. Resorption in der Bauchhöhle. a) Regelung des osinotischeii Druckes. Xachdem ich beobachtet hatte, flass Ascites-Flüssigkeit zuweilen einen höheren osmotischen Druck besitzt, als das entsprechende Blut- plasma 1 1 1, schien es mir von Interesse, zu untersuchen, ob die betreffende Differenz bereits bei der Abscheidung der pathologischen Flüssigkeit bestand, oder ob dieselbe sich vielleicht erst während des Aufenthalts in der Bauchhöhle ausbildete. Zu diesem Zweck wurden verschiedenartige Flüssigkeiten, seröse und nicht seröse, isotonische und nicht isotonische in die Bauchhöhle gebracht (2|. Die Ptesnltate waren folgende: 1. Seröse Flüssigkeiten, welcher Herkunft sie auch immer sein mögen, es sei Blutserum oder hydropische Flüssigkeit, der gleichen oder anderer Thierspecies, bleiben mit dem Blutplasma des Versuchsthieres isotonisch, wenn sie es waren, und werden es, wenn sie es nicht waren. 2. Isotonische, hyperisotonische und hypisotonische Salz- und Ilohrzuckerlösungen folgen genau demselben Gesetz wie die serösen Flüssigkeiten. Wenn z. B. das Plasma des Versuchsthieres mit einer 0,92 ',o igen Kochsalz- lösung isotonisch ist und man bringt diese Lösung in die Bauchhöhle, so bleibt der osmotische Druck während der ganzen Resorptionsdauer unverändert. Injicirt man statt der 0,92 ° o igen NaCl-Lösung eine damit isotonische Lösung von Na-..SO^. KNO3 oder Rohrzucker, so zeigt sich genau dasselbe. 94 Resorption in der Bauchhöhle. Bringt man dagegen eine 2 " o ige (hyperiso ton ische) NaCl-Lösung oder eine damit isotonische Lösung von Na^SO^, KNO3 oder Rohrzucker in die Bauch- höhle , so wird während des Resorptionsprocesses der osmotische Druck der intra- peritonealen Flüssigkeit gleich dem einer 0,92 °/o igen Kochsalzlösung und behält diesen Werth bis die Resorption vollendet ist. Injicirt man in die Bauchhöhle eine 0,5 " u ige (hypiso t 0 n i sehe) Kochsalz- lösung oder eine damit isotonische Lösung von Na2S04, KNO^, oder Rohrzucker, so wird auch hier bereits vor der Vollendung des Resorptionsprocesses der osmotische Druck der intraperitonealen Flüssigkeit gleich dem einer 0,92 "0 igen Kochsalzlösung und behält diesen Werth, bis die Resorption beendet ist. Ist also in einem pathologischen Fall der osmotische Druck einer Ascitesflüssigkeit grösser als derjenige des Blutserums (Plasma) des be- treffenden Patienten, so kann die Ursache nicht in dem Aufenthalt der etwa ursprünglich isotonischen Flüssigkeit in der Bauchhöhle liegen, sondern es muss eine Kraft wirksam sein, welche trotz dieses Aufenthalts den Zustand der Hyperisotonie unterhält. Auf diesen Gegen- stand komme ich später noch zurück. Die Neigung der in die Bauchhöhle einverleibten Flüssigkeiten, den osmotischen Druck des Blutes zu behalten oder so schnell als mög- lich anzunehmen, schien als osmotische Wechselwirkung zwischen der intraperitonealen Flüssigkeit und dem (lewebs- resp. Blutsaft leicht ver- ständlich. Es erwächst aber die weitere Frage, auf welche Weise die isotjonisch gewordenen Lösungen resorbirt werden. Für die Resorption stehen zwei Wege offen, die Lymphbahnen und die Blutgefässe. 1)) Geschieht die Resorption durch die Lyiiiphhahneii oder durch die Klutgefässe i Bekanntlich sind alle Bauchorgane und auch die innere Bauchwand mit dem Peritoneum bekleidet. Dasselbe bildet eine durchscheinende Haut, welche aus zwei Schichten besteht, aus einer sehr dünnen Schicht von platten Endothelzellen, welche durch eine homogene Kittsubstanz miteinander verbunden sind und aus einer dickeren, welche hauptsächlich aus Bindegewebe besteht. Zwischen den Bindegewebsfasern findet man Spalten, die miteinander communiciren und zu feinen Lymphbahnen zu- sammentreten , um ihrerseits wieder zu grösseren Lymphbahnen zu werden. Die letzteren münden schliesslich in den D. thoracicus. Um die Vorstellung zu erleichtern, lasse ich Seite 95 ein Schema von dem Bau des Peritoneums folgen, wie dasselbe auf der Muskelschicht von Darm- und Bauch- wand ruht. Die Endothelschicht bildet, wie ersichtlich, die freie Oberfläche von Abdominal- organen und Bauchwand. Diese Schicht wird also jede Flüssigkeit, welche die Bauch- höhle verlässt, passiren müssen. Seit den grundlegenden Untersuchungen von Ludwig und seinen Schülern v. Becklinghausen f3|, Dybkowski [4] und Schweigger- Resorptionsbiihnen. 95 Seidell 15] wissen wir, dass bei der Resorption aus serösen Höhlen (Bauch- und Pleurahöhle) die Lyniphbahnen eine Rolle spielen. Das Diaphragma befördert, als Saug- und Druckpumpe arbeitend, Flüssig- keiten aus der Bauchhöhle durch seine Lymphbahnen. Ferner sind es die unter der Endothelbekleidung des übrigen Theiles des Bauchfells gelegenen Lymphbahnen, welche an der Beförderung von Flüssigkeiten aus der Bauchhöhle betheiligt sind. Für die Pleurahöhle bestehen un- gefähr dieselben Verhältnisse. Bei dieser Vorstellung erschien mir das Verschwinden von mit dem Blutserum isotonischen Lösungen aus der Bauchhöhle ohne Weiteres verständlich und es war ferner auf ganz einfache Weise zu deuten, dass auch anisotonische (hyper- oder hypisotonische) intraperitoneale Lösungen, als solche, vom Diaphragma aufgenommen werden konnten. Für die Kittsubstanz zwischen zwei Endothelzellen ,__i_^ I |_| I Endothelschicht n -11 -cn i i- — -= — -^-^ - -=^.^.-~.-=^ — — ^ — *- kleines Capillar. Blutgeiass "^^^=iS?^!^?^^===^^-^-===r;^=S^ "efäss -^ > kleines Lymph- iuerschnitt durch eine Muskelschicht Bindegewebe mit Spalten Fig. 1. Aufsaugung in offene Kanäle, wie sie im Zwerchfell vorhanden sind, ist es ja gleichgültig, welche Koncentration die aufzunehmende Flüssigkeit besitzt. Nicht so einfach gestaltete sich die Sache mit den Lymph- gefässen des übrigen Theiles des Peritoneums, weil es durch die Unter- suchungen von Kolossow [ß] und von Muscatello [7J als sehr un- wahrscheinlich erachtet werden musste, dass sie mit der Abdominal- höhle in offener Communication stehen, das heisst, dass zwischen den Endothelzellen präformirte Oeffnungen vorhanden. Ist es aber wohl richtig, dass es ausschliesslich die Lymphgefässe sind, welche die Resorp- tion von Flüssigkeiten in der Peritonealhöhle besorgen? Starling und Tubby |8| waren die ersten, welche diese Frage zu beantworten sucliten und zu der Ueberzeugung gelangten, dass die Lymphbahnen nicht nur nicht ausschliesslich die Resorption besorgten, sondern dabei sogar nur eine untergeordnete Rolle spielten. Zu dem- selben Resultate und ungefähr gleichzeitig kamen, nach anderen Methoden 96 Resorption in der Bauchhöhle. arbeitend, auch Orlow |9] und ich |2|. Starling und Tubby in- jicirten Indigcarmiii und Methylenblau in die Pleurahöhle (9 mal) und in die Bauchhöhle (3 mal) und sahen den Harn weit früher mit den Farb- stoffen tingirt als die aus dem I). thoracicus fliessende Lymphe. Damit war nachgewiesen, dass die Blutgefässe an der Resorption aus Pleura- und Peritonealhöhle nicht nur betheiligt sind, sondern dass sie dabei auch die Hauptrolle spielen. Man konnte sogar geneigt sein, nach diesen Ver- suchen den Lymphgefässen die direkte Betheiligung ganz abzusprechen, denn es wäre möglich, dass die im D. thoracicus erscheinenden Farb- stoffmengen von den Bluteapi 11 aren mit der Lymphe abgeschieden wurden. Dass in der That auf diese Weise Farbstoffe abgeschieden werden können, haben Starling 's und Tubby 's Versuche in über- zeugender Weise gezeigt. Nach intravenöser Einspritzung der Farb- stofflösung sahen sie bereits innerhalb einer halben Minute die Thoracicus- lymphe gefärbt, bei intrapleuraler oder intraperitonealer Injection trat das gleiche erst nach 10 Minuten bis 4 Stunden ein. Dass aber die Lymphbahnen in directer Weise gar nicht an der Besorption betheiligt sein sollten, erscheint den Verfassern, nach Dybkowski's Versuchen, wie ich meine, mit Recht als unwahrscUeinlich. Orlow |9| infundirte Salzlösungen in die Peritonealhöhle und konnte danach keine Vermehrung des Lymphabflusses aus dem D. thora- cicus constatiren. Ich selbst |2| unterband den D. thoracicus und sah die Resorption aus der Peritonealhöhle und auch die Regelung des os- motischen Druckes ebensogut von statten gehen wie wenn der Ductus intact war. Um die Betheiligung der Blutgefässe an der Resorption und an der Regelung des osmotischen Druckes weiter zu untersuchen, stellte ich einige Versuche bei unterbundenen Ni er en arter i en an. Versuch XXXI. Intraperitoneale Injection einer 2"/oigen NaCl-Lösung bei einem Kaninchen nach Unterbindung der Nierenarterien. Bei einem Kaninchen wurden die Aa. renales unterbunden. Dann wurden etwa 25 cc Blut aus der Carotis entnommen, defibrinirt und centrifugirt, Hierauf folgte eine Einspritzung von 150 cc einer lauwarmen 2 "/o igen NaCl-Lösung in die Bauchhöhle^). ') Mit Nachdruck sei hervorgehoben, dass, wenn man die Flüssigkeitsmenge ermitteln will, welche nach einer bestimmten Zeit resorbirt worden ist, man bevor der eigentliche Versuch anfängt, von der zu untersuchenden Flüssigkeit eine willkür- liche Menge in die Bauchhöhle (für Resorptionsversucbe an anderen Höhlen gilt das- selbe) einverleiben und unmittelbar darauf möglichst vollständig entfernen muss. Unterbindung der Nierenarterien. 97 Eine Stunde nach der Einspritzung Hessen sich 131 cc entfernen. Von diesen wurden 110 cc in die Bauchhöhle zurückgebracht. Eine Stunde später Hessen sich 80 cc entfernen. Dann wurde wieder Blut aus der Carotis genommen, defibrinirt und centrifugirt. Die Bestimmungen des osmotischen Druckes gaben die folgenden Resultate. Untersuchte Flüssigkeit Serum des Versuchsthieres vor der Injection . . . 2"oige NaCl-Lösung (inji- cirt) . Flüssigkeit 1 Stunde nach der Injection aus der Bauchhöhle entfernt . . Flüssigkeit 2 Stunden nach der Injection aus der Bauchhöhle entfernt . . Serum des Versuchsthieres 2 Stunden nach der In- jection Beginnender Parbstoffaustritt findet statt in einem Gemisch von 2,5 ec Flüssiekeit und Kein Earbstoff- austritt findet statt in einem Gemisch von 2—5 cc Flüssigkeit und Bemerkungen 1,9 cc Wasser 1,8 cc Wasser 7 „ „ 6,9 „ 4,4 „ 4 „ 4 3 3,9 „ 3,9 „ „ 150 cc injicirt 131 cc zu entfernen, von diesen wieder 110 cc eingespritzt Von dieser Flüssig- keit noch 80 cc übrig Das entsprechende Blut ist unmittel- bar nach der letz- ten Entfernung der Flüssigkeit aus der Bauchhöhle aus der Carotis entnommen Aus diesen Resultaten erhellt, dass nach Unterbind- ung der Nierenarterien zwar Resorption stattfindet, dass aber dieselbe nicht so schnell geschieht, wie wenn die Nieren arterien intact sind. (Vergl. Versuch XIV und XXVIII im Original.) Dass das Blutgefässsystem jedenfalls einen Theil des in die Bauch- höhle eingeführten Salzes aufgenommen haben muss, geht aus der Be- stimmung des osmotischen Druckes des Blutserums vor und nach der Hierbei bleibt immer Flüssigkeit an der Wand haften. Versäumt man diese Cautele, so wird diese Flüssigkeitsmeuge als resorbirt in Rechnung gebracht. Infolge Unterlassung dieser Vorsichtsmassregel sind bereits viele Fehler ge- macht worden. 0. Cohnheim und Roth erwähnen, dass sie nach meinem Vor- gang darauf geachtet haben. Hamburger, Osmot. Druck. II. Band. 7 98 Resorption in der Bauchhöhle. intraperitonealen Injection hervor. Der osmotische Druck ist bedeutend gestiegen. Weiter ist von Interesse, dass der osmotische Druck des Bhites zwei Stunden nach der Injection (vielleicht auch wohl früher) genau mit demjenigen der intraperitonealen Flüssigkeit übereinstimmt. Es hat sich also in kurzer Zeit Gleichgewicht zwischen dem osmotischen Druck der intraperitonealen Flüssigkeit und des Blutserums des Versuchsthieres hergestellt; der absolute Werth dieser Druck- grösse ist aber bei Weitem noch nicht bis zu dem des ursprünglichen Blutserums hinabgesunken, wie das unter normalen Umständen, ohne Unterbindung der Nierenarterien wohl der Fall war (vergl. im Original Versuch XIV und XXVIII). Gewöhnlich wird nach intraperitonealer Einverleibung hyperisotonischer Flüssigkeiten bei intacten Nierenarterien absolut keine Steigerung des osmotischen Druckes der Blutflüssigkeit beobachtet, was daraus erklärlich ist, dass den Nieren genügende Zeit zur Verfügung steht, das Resorbierte auszuscheiden. Versuch XXXII. Intraperitoneale Injection einer 2*^/0 igen NaCl-Lösung bei einem Kaninchen nach Unterbindung der Nieren- arterien. Dieser Versuch ist eine Wiederholung des vorigen, mit dem Unter- schied, dass hier ausserdem der osmotische Druck der Blutflüssigkeit mittels intravenöser Einspritzung einer 3 °/o igen NaCl-Lösung erhöht wurde. Erat wurden die Nierenarterien unterbunden, dann 25 cc Blut aus der Carotis entfernt, dann 50 cc der 3 "o igen NaCl-Lösung in die Blutbahn gespritzt, dann folgte eine intraperitoneale Injection von 150 cc NaCl-Lösung von 2 " 0. 0,555 1 Blutserum des Versuchsthieres vor den Injectionen /l = 0,555/ 0,556 0,558^ 1,070 1 Injicirte 2 ^',0 ige NaCl-Lösung A= 1,079 1,075 1,077^ 0,818j Intraperitoneale Flüssigkeit 1 Stunde nach der Injection . . . A = 0,808 1 0,812 0,811^ 0,705. Intraperitoneale Flüssigkeit 2 Stunden nach der Injection . . . 4 := 0,703 > 0,704 0,705^ 0,703. Blutserum des Versuchsthieres 2 Stunden nach der Injection A = 0,698 > 0,701 0,703^ Unterbindung der Nierenarfcerien. 99 Eine Stunde nach der Injektion konnten 148 cc Flüssigkeit aus der Bauchhöhle entfernt werden. Hiervon wurden 125 cc wieder eingespritzt. Eine Stunde nach dieser Tnjection waren noch 98 cc in der Bauchhöhle vorhanden. Schliesslich wurde Blut aus der Carotis entzogen, defibrinirt und centrifugirt. Die Bestimmungen des osmotischen Druckes geschahen mittelst Gefrierpunkt- erniedrigung. Es ist deutlich, dass sich zwei Stunden nach der intraperitonealen Injection ein osmotisches Gleichgewicht zwischen der intraperitonealen Flüssigkeit und dem Blutplasma hergestellt hat. Der osmotische Druck beider ist gesteigert und wird es höchst wahrscheinlich noch lange bleiben, obgleich der absolute Werth allmählich abnehmen muss, denn die Nieren bilden nicht die einzigen Abfuhrwege für übertiüssige Sub- stanzen im Blute. Hiervon überzeugte ich mich schon früher, als ich bei Pferden den osmotischen Druck der Blutflüssigkeit nach Unterbindung beider Nierenarterien und darauf folgender intravenöser Injection von hyper- isotonischen Salzlösungen studirte. Ich erwähne einen der angestellten Versuche (S. 100). Trotz Unterbindung der Nierenarterien nimmt also der durch die intravenöse Einspritzung gesteigerte osmotische Druck der Blutflüssigkeit ab, wenn auch sehr langsam. Erst in der fünfzehnten Stunde nach der Injection bemerkt man eine kleine Verminderung. Ganz anders ist es wenn die Nieren intact sind. Da stellt sich der ursprüngliche osmo- tische Druck des Blutserums innerhalb weniger Minuten wieder her. (Vergl. Kapitel 1). Aus den erwähnten Untersuchungen darf man schliessen, dass bei der Resorption von Salzlösungen aus der Bauch- und Pleurahöhle die Blutgefässe die Hauptrolle spielen und die Lymphgefässe eine untergeordnete Bedeutung haben. Gegen diese Ansicht sind von Colins t ei n [10] und von Adler und Meltz er [11] Einwände erhoben worden. Die von Cohnstein suchte ich zu widerlegen [12] und Heidenhain hat sich dieser Widerlegung angeschlossen [13]. Nach W. Cohnstein sollen die mit dem Blutserum isotonischen Flüssig- keiten nur von den Lymphbahnen, hyper- und hypisotonische aber von den Blut- gefässen aufgenommen werden. Um zu beweisen, dass solche isotonischen Flüssig- keiten durch die Lymphbahnen aufgenommen werden, führt Cohnstein Experi- mente an, die aber irrthümlicher Weise mit einer hypisotonischen (NaCl 0,6 '-[ o) statt mit einer isotonischen (0,9 "o) Lösung angestellt wurden. Er bewies also nichts für isotonische und widersprach sich selbst für hypi- sotonische Lösungen. Aber meines Erachtens ist auch die Schlussfolgerung aus seinen Versuchen nicht richtig. Cohnstein bestimmte die Lymphmenge, welche während 5 oder 10 Minuten aus dem D. thoracicus abfloss, vor und nach der Injection einer 0,6 " u igen Kochsalzlösung und fand , dass dieselbe 2—3 Stunden nach der Einver- 100 Resorption in der Bauchhöhle. liitravcnöso Injection einer l>yi)eris(>t(>nis('hen Na2S04-Lösung bei einem Pferde nach Unterbindung»: der Nierenarterien. Beginnender Kein Farbstoff- Farbstoff.austritt austritt ündet statt Untersuchte Flüssigkeit findet st.att in einem Gemisch in einem Gomiscli von Bemerkungen von 2,5 cc 2,5 cc Flüssigkeit Flüssigkeit und und Serum vor der Injection . 6,0 CC Wasser 5,8 CC Wasser Das entsprechende Blut aus d. Carotis, nachdem die Nieren mittelst Bleidraht extraperitoneal un- terbunden sind Serum 10 Minuten nach der Injection 7,5 „ 7,3 ,. — Serum 30 Minuten nach der Injection . ... . . . S „ „ 7.8 „ — Serum 1 \'2 Stunden nach der Injection .... 8 ,. 7.8 „ — Serum 8 V« Stunden nach der Injection .... 7,8 „ „ — Serum 15 Stunden nacii der Injection .... 7,8 „ 7,n ., 15 Stunden nach der Injection liegt das Thier auf d. Boden. Es ist in hohem Grade urämisch. Jetzt wird es ge- tödtet. Bei d. Sek- tion zeigt sich vielFlüssigkeit in den Därmen, in der Pleura- undPericardial- höhle. Die Ge- webe sind ge- quollen leibung unverändert blieb oder ein wenig zunahm. Da nun bekanntlich unter nor- malen Umständen, d. h. wenn keine Einspritzung vorgenommen wird, eine Lymphfistel mit der Zeit stets weniger und weniger producirt, so schliesst der Verfasser aus diesen Versuchen, dass nur die Lyraphbahnen die Resorption besorgt haben. Man darf aber aus diesen Experimenten höchstens schliessen, dass die Lymphbahnen an der Resorption betheiligt sind und das wird nach den bekannten Versuchen von V. Recklinghausen wohl Niemand mehr bezweifeln. Man kann nach diesen Versuchen lediglich noch über die Grösse des Antheils discutiren. Thatsächlich kann dieselbe nur sehr klein angeschlagen werden , wenn man bedenkt , dass sogar Geringe Betheiligung der Lymphbahnen. 101 die totale Lymphmeuge , welche während des Resorptionsprocesses aus dem I). thoracicus fliesst, bedeutend geringer ist als die Quantität der während derselben Zeit zur Resorption gelangten Flüssigkeit. Es lässt sich aus einem der Versuche Orlow's berechnen, dass ein Hund, bei dem in 3 Stunden 200 cc NaCl- Lösung von 2 "/o aus der Peritonealhöhle resorbirt wurden, in derselben Zeit ungefähr 45 cc aus dem D. thoracicus abschied. Aus anderen Versuchen erhält man ent- sprechende Zahlen. Bedenkt man nun weiter, dass die 45 cc aus dem D. thoracicus tröpfelnde Flüssigkeit doch zu einen grossen Antheil aus Lymphe besteht, die aus verschiedenen Körpcrtheilen stammt, so ist es deutlich, dass die Lymphbahnen nur einen kleinen Theil der resorbirten Flüssigkeit abgeführt haben können. Hiermit glaube ich zu gleicher Zeit einen neuen, bis jetzt noch nichthervorgehobenenBeweis für den Satz geliefert zu haben, dass bei der Resorption aus der Bauchhöhle die Lymphbahnen wenig be- theiligt sein können. Adler und Meltzer führton aus, dass die Giftwirkung einer intraperitonealen Strychnininjection und die Abscheidung einer auf gleiche Weise einverleibten Ferro- cyankaliunilösung durch die Nieren nach Unterbindung der Lymphgefässo viel später eintritt, als bei freien Lymphbahnen. Diese Versuche erfordern noch Bestätigung. c) Auf welche Weise kommt die Resorption durch die Blutgefässe zu Stande? Die Verlegung der Resorption von den Lympligefässen in die IJlutgefässe erleichterte die Erklärung des Resorptionsmechanismus nicht; sie führte im Gegentheil zu neuen Schwierigkeiten. In ihrer eben- genannten Abhandlung sahen Starling und Tubby sich denn auch genöthigt, vitale Kräfte zur Hülfe zu rufen. Auch Orlow meinte, dass — ebenso wie bei der Resorption im Darm — auch hier physiologische Triebkräfte neben osmotischen angenommen werden müssten. Er hoffte das noch mittelst NaFl bestätigen zu können, wie es Heiden hain bei seinen Versuchen über die Resorption im Dünndarm gethan hatte. Bei diesen hatte sich herausgestellt, dass wenn man eine Mischung von NaCl-Lösung und ein wenig NaFl in Darmschlingen bringt, letzteres Salz die Resorption in hohem Maasse beeinträchtigt. Orlow konnte aber für die Peritonealhöhle nach dieser Methode nur wenig befriedigende Resultate erhalten. Zuweilen sah er, dass ausser Wasser auch noch Kochsalz resorbirt wurde, andere Male transsudirte umgekehrt Kochsalz in die Bauchhöhle zurück. Bei alle dem war die Einwirkung des NaFl auf das Peritoneum seiner Versuchsthiere sehr heftig; Hinzufügung von etwa 0.15 °/o zu dem XaCl führte bereits bedeutende Hämorrhagien herbei und nicht selten war auch die Salzlösung sehr blutreich geworden. Mit Orlows Arbeit damals noch nicht bekannt, führte auch ich, ebenfalls nach Heidenhain"s Vorgang, Experimente mit NaFl aus. 102 Resorption in der Bauchhöhle. a) Chemische uod thermische Schädigung des Peritoneums. Bei Kaninchen wurden 150 cc 2^/0 ige Na-Cl-Lösung injicirt, welche 0,l-0,4°/o NaFl enthielt. Bei Einverleibung von 0,4^/0 NaFl wurde das Thier unmittelbar bewusstlos und war ^li Stunde nachher todt. Trotzdem war hier ebenso wie bei der weniger NaFl enthaltenden NaCI- Lüsung eine bedeutende Resorption von Kochsalz zu beobachten. Obgleich die NaFl-Gabe tödtlich war, konnte am Bauchfell nichts abnormes erkannt werden. Wie erwähnt, hatte Orlow bei Hunden selbst bei viel kleineren Dosen eine heftige hämorrhagische Entzündung constatirt. Dagegen war eine solche bei meinen Versuchsthieren nur im Darm wahrzunehmen. Ich lasse hier ein Experiment folgen. Intraperitoneale Injection von 150 cc einer 2 ° o igen NaCl-Lösung, welche 0,4 "/o NaFl enthält. Untersuchte Flüssigkeit Beginnender Farbstoffaustritt findet statt in einem Gemisch von 2,5 cc Flüssigkeit und Kein Farbstoff- austritt lindet statt in einem Gemisch von 2,5 cc Flüssigkeit und Bemerkungen Serum des Versuchsthieres 2,1 CC Wasser 2 CC Wasser NaCl-Lösung von 2 » o + 0,4 «0 NaFl 6,9 „ 6,8 „ _ Flüssigkeit nach dem Tode, ' 4 Stunde nach der In- jection aus der Bauch- höhle entfernt .... 4 „ „ 3,9 ,, ,, 103 CC zu entfernen Da es fraglich war, ob hier das Endothel wirklich geschädigt oder getödtet war, hielt ich meine Versuche nicht für beweisend. Ich nahm daher ein anderes chemisches Agens zu Hülfe, um das Peritoneum zu schädigen, und zwar HCl. Für die betreffenden Ver- suche wurden narkotisirte Hunde gebraucht^). Ich lasse hier einen Versuch folgen. Versuch XXXVl. Intraperitoneale Injection einer 3 Prozent freie Salz- säure enthaltenden NaCl-Lösung von 2 °/o in die Bauchhöhle eines narkotisirten Hundes. *) Bei Vergleichung des Einflusses von Fluornatrium auf Hund und Kaninchen fällt es auf, dass bei Hunden das Peritoneum bei Injection einer etwa 0,13 "/»igen NaFl-Lösung hämorrhagische Entzündung zeigt, während bei Kaninchen sogar eine 0,4^0 ige NaFl-Lösung auf das Peritoneum keinen sichtbaren Einfluss ausübt. Chemische Schädigung des Peritoneums. 103 Meine Absicht war, erst das Bauchfell mittelst Salzsäure zu affi- ciren und dann, nachdem die Säure vollkommen aus der Bauchhöhle entfernt war, eine neutrale 2''/oige NaCl-Lösung einzuverleiben. Hierzu wurden einem kleinen Hunde 250 cc der oben genannten sauren Flüssigkeit lauwarm eingespritzt und der Bauch etwas geknetet, um das Peritoneum womöglich überall mit der Flüssigkeit in Berührung zu bringen. Diese Manipulation wurde 8 Minuten fortgesetzt. Dann wurde die Flüssigkeit so schnell wie möglich entfernt, und um die letzten Spuren von Salzsäure vollkommen zu beseitigen, die Bauchhöhle siebenmal mit 100 cc einer 2" oigen NaCl-Lösung unter Kneten nach- gespült. Die zuletzt ablaufende Flüssigkeit reagirle nicht mehr sauer. Von dieser Flüssigkeit wurde ein Theil zur Bestimmung des osmotischen Druckes reservirt, damit "beurtheilt werden konnte , ob und eventuell wie stark die violleicht hiervon zurückbleibende Flüssigkeit den osmotischen Druck der jetzt zu injicirenden Flüssigkeit beeinflussen würde. Diese Flüssigkeit war, wie gesagt, eine 2 "o ige neutrale NaCl-Lösung. Von dieser wurden 280 cc in die Bauchhöhle gebracht und hiervon unmittelbar 30 cc entfernt. Eine Stunde nachher Hessen sich noch 147 cc entfernen. Von diesen wurden 12-5 cc wieder eingespritzt. l',2 Stunden nach dieser letzten Einverleibung waren 28 cc vorhanden. Die Bauchhöhle wurde geöffnet; im Ganzen wurden noch 5,5 cc gefunden. Das Peritoneum war nicht mehr glatt wie gewöhnlich, was nicht nur mit dem Auge, sondern auch beim Anfühlen wahrgenommen werden konnte. Von Entzündung war aber keine Spur zu beobachten. Die nach der letzten Einverleibung entfernten 28 cc Flüssigkeit sind etwas röthlich. Bei Hunden geschieht das oft; die Blutkörperchen dieser Thiere scheinen sehr deletär zu sein. Die Gefrierpunktbestimmungen gaben folgende Resultate; Gefrier- pnnkt- ernied- rigung 0,547. Serum des Versuchsthieres 0,548 / 0,549 0,553^ Flüssigkeit, entfernt nach der siebenten Einspritzung von 100 cc NaCl- ' | T.. oo f & 0,996 1,000 Losung von 2"/o ' | ' 1,002» 1,078. Injicirte 2" 0 ige NaCl-Lösung (280 ccm) 1,072 [ 1,075 1,076' 1,003. Flüssigkeit, entfernt unmittelbar nach der intraperitonealen Injection 1005* 1002 (30 CO) O'gg^j Flüssigkeit, entfernt eine Stunde nach der intraperitonealen Injection ^'q^, ) (147 cc) ^'^"^ I ^'^"^ ' 0,90l' 0 fil 7 Flüssigkeit, entfernt 2^2 Stunden nach der intraperitonealen Injection Jono I a onn (28 + 5,5cc) 0,623 0,622 * 0.625' 104 Resorption in der Bauchhöhle. Vergleicht man die gewonnenen Zahlen, so erhellt : 1. Der osmotische Druck der nach der siebenten Einspritzung von 100 cc NaCl-Lösung von 2 '^lo entfernten Flüssigkeit ist ein wenig kleiner als derjenige der nacher injicirten 280 cc 2 °/'o NaCl-Lösung. Wenn also vor der Einspritzung der 280 cc noch Flüssigkeit in der Bauchhöhle zurückgeblieben sein sollte, so kann folglich dieser Rückstand keinen bedeutenden Einfluss auf den osmotischen Druck der 280 cc ausgeübt haben. Die Bestimmung des osmotischen Druckes der 30 cc Flüssigkeit, welche unmittelbar nach der Einverleibung der 280 cc entfernt wurden lehrt, dass sogar in der kurzen Zwischenzeit zwischen der Einverleibung dieser 280 cc Flüssigkeit und der unmittelbar darauf folgenden Entfernung von 30 cc der osmotische Druck sich theilweise geregelt hatte. 2. In den ersten Stunden nach der Einverleibung sind theoretisch 103 cc einer 2,46 °/o igen Kochsalzlösung resorbirt. 3. In der folgenden anderthalb Stunde sind theoretisch 92,5 cc einer l-°/oigen Kochsalzlösung resorbirt. 4. Der osmotische Druck der intraperitonealen Flüssigkeit ist fast demjenigen des Serums der Versuchsthiere gleich geworden. Obgleich das Bauchfell energisch geschädigt ist, findet also Resorption und Regelung des osmotischen Druckes statt. Bei diesen Versuchen mit Salzsäure war es aber nicht sicher, ob auch die Blutgefässe geschädigt waren, so dass die Möglichkeit noch blieb, dass die noch unversehrte lebende Blutgefässwand die Resorption besorgt hatte. Ich versuchte daher das Bauchfell thermisch zu schädigen. Versuch XXXIX. Intraperitoneale Eingiessung einer 70° C. warmen 2-prozentigen NaCl-Lösung beim narkotisirten Hunde von Versuch XXXVIII. Die Bauchhöhle wurde durch einen Schnitt in der Linea alba geöffnet, dann wurden auf einmal 250 cc einer 70" C. warmen NaCl-Lösung von 2°/o eingegossen. Die Wundflächen wurden mit Klemmpincetten geschlossen. Die mittlere Pincette wurde mittelst eines Bindfadens emporgezogen, der an einem Stativ befestigt war. Auf diese Weise konnte durch die Wunde keine Flüssigkeit die Bauchhöhle ver- lassen. ') Schon nach einem Aufenthalte von einer halben Stunde war das Flüssigkeits- quantum in der Bauchhöhle bis auf 171 cc gesunken, während der osmotische Druck ') Wo später von Flüssigkeits- Eingiessung gesprochen wird, war immer auf diese Weise verfahren worden. Thermische Schädigung des Peritoneums. 105 nahezu den Werth desjenigen des Blutserums des Versuchsthieres erreicht hatte. (2,5 cc der in der Bauchhöhle zurückgebliebenen Flüssigkeit mussten mit 2 cc Wasser verdünnt werden, um beginnenden Farbstoffaustritt hervorzurufen ; für das ursprüng- liche Blutserum waren 1,8 cc Wasser nöthig). Indessen hatte ich bemerkt, dass die Temperatur eine Minute nach der Ein- giessung der 70 ** C. warmen Flüssigkeit schon bis 55'^ gesunken war. Der Versuch wurde deshalb bei noch höheren Temperatur wiederholt. Versuch XL. Intraperitoneale Eingiessung einer 92 '^ warmen 2°/o- igon NaCl-Lösung beim tief narcotisirten Hunde von den beiden vorigen Versuchen. 15 Minuten nach der Injection der heissen NaCl-Lösung starb das Thier. Von den 250 cc Flüssigkeit waren nur 163 cc übrig. 2,5 cc der entfernten Flüssigkeit mussten mit 3,8 cc Wasser verdünnt werden, um beginnenden Farbstoff- austritt hervorzurufen; für die 2'''oige NaCl-Lösung waren zu demselbem Zweck 6,2 cc nöthig und für das Serum 1,8 cc. Man sieht, die Resorption hat sehr schnell stattgefunden und auch die Regelung ist schon weit fortgeschritten. Niemand wird bezweifeln, dass durch Flüssigkeiten von 92** C. die ganze Peritonealbekleidung und auch die subendothelen Blutgefässe in hohem Maasse geschädigt werden. Dennoch konnte eine ziemlich weit fortgeschrittene Regelung des osmotischen Druckes und eine sehr be- deutende Resorption constatirt werden. Dieses Resultat gab mir Veranlassung, auch an todten Thieren einige Versuche in der gleichen Richtung anzustellen. ß) Versuche über die Regelung des osmotischen Druckes und die Resorption in der Bauchhöhle von todten Thieren. Versuch XLII. Intraperitoneale Injection einer 2"/oigen NaCl-Lösung bei einem 15 Minuten todten Kaninchen. Ein Kaninchen wurde durch einen Schlag auf den Nacken getödtet. 15 Minuten nachher wurden 150 cc einer körperwarmen 2°,'o igen NaCl-Lösung in die Bauchhöhle gespritzt. Eine Stunde nachher Hessen sich mittelst Trokars noch 121 cc entfernen. Mehr ist nicht vorhanden, denn nach Eröffnung der Bauchhöhle ist kein Tropfen mehr zu erhalten. Aus der Tabelle S. 106 erhellt, dass sowohl Regelung des osmotischen Druckes, wie auch Resorption stattgefunden hat. Indessen hat der os- motische Druck nicht denjenigen des Serums erreicht, wie das beim lebenden Thiere stattfindet. Aus den Zahlen lässt sich berechnen, dass eine 6,3 "/o ige NaCl-Lösung resorbirt ist. 106 Resorption in der Bauchhöhle. Die Bestimmungen des osmotischen Druckes ergaben: Beginnender Farbstoft'austritt Kein Farbstoff- austritt findet statt Untersuchte Flüssigkeit findet statt in einem Gemiscli in einem Gemisch von Bemerkungen von 2,5 cc Flüssigkeit und 2,5 cc Flüssigkeit und Serum des Versuchsthieres (vor dem Tode) . . . 1,9 cc Wasser 1,8 cc Wasser — 2 " 0 ige NaCl-Lösung . . 7,3 „ „ 7,3 „ 150 cc injicii't Flüssigkeit, 1 Stunde nach der Injection aus der Bauchhöhle entfernt . . 2,4 „ 2,3 „ 121 cc zu entfernen Geschah dies nun durch die Blutgefässe? Nach den Versuchen, bei welchen der I). thoracicus unterbunden wurde, hätte man Recht dies zu meinen. Es könnte aber der Einwand erhoben werden, dass beim gestorbenen Thiere der Lymphstrom noch einige Zeit anhält und dass dieser die beobachtete Resorption herbeigeführt hätte. Deshalb habe ich den Versuch unter Ausschliessung des Lymph- stromes auf folgende Weise wiederholt. Versuch XLIII. Intraperitoneale Injection einer 2°/oigen NaCl-Lösung bei einem 15 Minuten todten Kaninchen. Bevor das Thier getödtet Avurde, unterband ich auf die beschriebene Weise den D. thoracicus. Dann wurde genau wie im vorigen Ver- suche verfahren. Die folgende Tabelle giebt eine Uebersicht der er- haltenen Resultate. Beginnender Kein Farbstoff- Farbstoffaustritt austritt findet statt Untersuchte Flüssigkeit findet statt in einem Gemisch in einem Gemisch von Bemerkungen von 2,5 cc 2,5 cc Flüssigkeit Flüssigkeit und und Serum des Versuchsthieres 2 cc Wasser 1,9 cc Wasser 2 ".'o ige NaCl-Lösung . . 7,2 „ „ 7,1 „ 150 cc wurden einem 15 Min. todten Ka- ninchen injicirt, welchem der D. tho- racicus unterbun- den war Flüssigkeit, 1 Stunde nach der Injection aus der Bauchhöhle entfernt . . 2,6 „ „ 2,5 ., „ 129 cc zu entfernen Versuclio au todten Thieroii. 107 Diese Resultate weichen nicht von den im vorigen Versuche ge- fundenen ab. Auch hier hat Regelung und Resorption in bedeutendem Maasse stattgefunden, wie dies mit Rücksicht auf die untergeordnete Bedeutung, welche dem Lymphstrom bei der Resorption von Flüssig- keiten zugeschrieben werden kann, von vornherein zu erwarten war. Beweisen nun diese beiden Versuche, dass auch bei todten Blut- gefässen Resorption und Regelung stattfinden? Es wäre sehr gewagt, diese Frage absolut bejahend zu beantworten ; denn es ist sehr fraglich, ob eine Viertelstunde nach dem Tode das Bauchfell schon abgestorben ist. Man hat ein Recht dies zu bezweifeln ; sieht man doch noch mehr als eine halbe Stunde, nachdem das Thier getödtet ist, das Auriculum cordis pulsiren! Mit Sicherheit darf man aber aus den Versuchen schliessen, dass für das Zustandekommen von Resorption und Regelung des osmotischen Druckes, die I'umpwirkung des Diaphragma und auch der Blutstrom entbehrt werden können. Es war jetzt nothwendig, mit Thieren zu experimentiren, welche seit längerer Zeit todt waren. Versuch XLIII. Intraperitoneale Injection einer 2°/oigen NaCl-Lösung bei einem 4 Stunden todten Hunde. Es wurden 150 cc Salzlösung einverleibt; nach 2 Stunden Hessen sich noch 118 cc entfernen. 2,5 cc der ursprünglichen 2*^/oigen NaCl-Lösung brauchen G cc Wasser, die nach 2 Stunden aus der Bauchhöhle entfernte Flüssigkeit nur 2,9 cc, und 2,5 cc Serum 2 cc Wasser um Farbstoftaustritt aus den Blutkörperchen zu veranlassen. Die Regelung des osmotischen Druckes ist also im Gange, vollendet ist dieselbe aber nicht. Gleichartige Resultate wurden erhalten, wenn eine 2*^/0 ige NaCl- Lösung einem 27 Stunden todten Hunde einverleibt wurde. Was so für hyperisotonische NaCl-Lösung gefunden wurde, konnte auch für hypisotonische NaCi-Lösung und auch für Hydropsflüssigkeit und Blutserum bestätigt werden. Versuch XLIV. Intraperitoneale Eingiessung von Hydropsflüssigkeit eines Menschen bei einem 22 Stunden todten Hunde. Diese Hydropsflüssigkeit stammte aus dem Unterhautzellgewebe der unteren Extremität einer Patientin an Vitium cordis. Es war eine vollkommen klare gelb- liche Flüssigkeit. Von dieser Flüssigkeit wurden 150 cc in die Bauchhöhle des 108 Kesorption in der Bauchhöhle. 22 Stunden todten Thieres gegossen. Eine Stunde nachher liessen sich noch 130 cc entfernen. Von diesen wurden 20 cc für die Gefrierpunktsbestimmung reservirt; die übrigen 110 cc wurden wieder einverleibt. Zwei Stunden nachher liessen sich noch 84 cc entfernen. Die Gefrierpunktbestimmungen ergaben folgende Werthe: 1. Serum des Versuchsthieres 0,572 2. Ursprüngliche Hydropsflüssigkeit 0,581 3. Hydropsflüssigkeit nach einstündigem Aufenthalt in der Bauchhöhle 0,574 4. Hydropsflüssigkeit nach dreistündigem Aufenthalt in der Bauchhöhle 0,574 Ich erwähne schliesslich noch, dass Resorption und Regelung des osmotischen Druckes von nicht-isotonischer Kochsalzlösung nicht nur bei todten normalen Hunden stattfand, sondern auch bei einem Hund der an Hydrops ascites wegen Lebercirrhose gehtten hatte. Wenn somit die Resorption aus der Bauchhöhle nicht als eine Lebensäusserung aufgefasst werden darf, so erhebt sich die Frage, welche Kräfte denn hier im Spiele sind. /) Versuch einer physikalischen Erklärung. Ich habe zunächst an Imbibition gedacht. Man kann mit A. Fick [15] zwei Formen von Imbibition unter- scheiden : die capillare und die moleculare Imbibition. Unter capillarer Imbibition versteht man die Aufnahme von Flüssig- keiten in die Poren von porösen Massen, z. B. Thoncylinder, unter molecularer Imbibition den Uebergang von Flüssigkeiten in nicht poröse homogene Massen (z. B. Gelatine). Nun kann bekanntlich jedes Gewebe mehr Flüssigkeit aufnehmen, als unter normalen Umständen darin vorhanden ist. Ich stelle mir nun vor, dass, wenn sich z. B. Flüssigkeit in der Bauchhöhle befindet, dieselbe durch moleculare Imbibition in die Kitt- substanz zwischen den Endothelzellen, vielleicht auch in die Endothel- zellen selbst aufgesogen wird; dass ferner die Flüssigkeit ihren Weg durch capillare Imbibition in die Bindegewebsspalten fortsetzt und dass endlich die Blutcapillaren sowohl mittelst molecularer (Aufnahme in die Kittsubstanz der Endothelzellen) wie mittelst capillarer Imbibition die Aufsaugung aus der Bauchhöhle vollenden helfen. Indessen ist die Imbibitionsfähigkeit der Gewebe beschränkt: ein bestimmtes Gewebvolumen kann nur ein beschränktes Flüssigkeitsquantum aufnehmen, und nach einiger Zeit würde eine maximale Quellung er- reicht sein und fortbestehen bleiben, wenn nicht die in die Blutcapillaren Physikalische Erklärung. 109 aufgenommene Flüssigkeit durch den Blutstrom fortwährend fortgeführt und immer wieder durch neue ersetzt würde. Nicht nur die Blutgefässe führen die imbibirte Flüssigkeit ab. auch die Lymphbahnen bewirken die Weiterbeförderung, wenn auch in geringem Maasse. Dass in der That die Lymi^hbahnen an der Resorption betheiligt sind, davon konnte ich mich überzeugen, indem ich in die Pericardial- höhle eines 24 Stunden todten Hundes eine starke Lösung von soge- nanntem lösHchem Berlinerblau brachte. 6 Stunden nachher zeigte das Mikroskop, dass zahlreiche Lymphbahnen mit der blauen Flüssigkeit injicirt waren. Das nämliche konnte auch am Pericardium des leben- den Thieres constatirt werden. Während dieser Vorgänge finden noch andere Wirkungen statt. Zunächt eine osmotische Wechselwirkung zwischen der intra- abdominalen und der Gewebsflüssigkeit, zu welcher letzteren ich hier auch die Blutflüssigkeit im Peritoneum rechne. Durch diese Wechsel- wirkung offenbart sich ein Bestreben der intraabdominalen Flüssigkeit, deren osmotischen Druck mit dem der Umgebung auszugleichen. Wo nun die Nieren dafür Sorge tragen, dass stets der osmotische Druck der Blutflüssigkeit constant bleibt, muss auch die intraabdominale Flüssigkeit schliesslich den osmotischen Druck des Blutplasma annehmen. So ist es beim lebenden Thiere. Zweitens macht sich eine Diffusion geltend, wodurch die chemische Zusammensetzung der Flüssigkeiten auf beiden Seiten des Peritoneums sich auszugleichen sucht. So sieht man z. B., dass nach Einverleibung einer NagSO^-Lösung in die Bauchhöhle, letztere Flüssig- keit Chlor enthält, alkalisch vagirt und ein wenig eiweisshaltig ge- worden ist, während andererseits Na2S04-Theilchcn die Abdominalhöhle verlassen, da die Concentration dieses Salzes da grösser ist als im Peri- toneum selbst. Während des osmotischen und chemischen Austauschprocesses schreitet die Resorption fort, bis endlich nichts mehr in der Bauch- höhle übrig ist. Bei todten Thieren, wo Blut- und Lymphstrom fehlen, kann das Resorbirte nicht entfernt werden ; es häuft sich an und inzwischen stellt sich ein osmotisches und chemisches Gleichgewicht zwischen intra- peritonealer und Gewebsflüssigkeit her. Da jedoch die im Peritoneum- gewebe vorhandene Flüssigkeit im allgemeinen geringfügig gegenüber der intraabdoniinalen Flüssigkeit sein wird, lässt sich erwarten, dass der osmotische Druck und die chemische Zusammensetzung der letzteren HO Resorption in der Bauchhöhle. keine er liebliche Aenderung erfahren wird. Von einem Erreichen des osmotischen Druckes des Blutserums, wie beim lebenden Individuum kann hier also nicht die Rede sein. War diese Vorstellung richtig, so konnte man erwarten, dass Durch- spülung der Blutgefässe des todten Thieres mit frischem Serum die Re- sorption und die Regelung des osmotischen Druckes befördern würde. Diese Voraussetzung traf wirklich zu. In die Bauchhöhle eines getödteten Thieres (Hund nnd Kaninchen) wurde eine erhebliche Menge Blutserum gebracht, in welchem zuvor eine gewisse Menge Ferrocyan- kalium, Kaliumnitrat und Jodkalium aufgelöst war. Dann wurde durch eine Canüle, welche in der Brustaorta angebracht war eine entsprechende Menge desselben Serums, jedoch ohne Zusatz der genannten Salze, in die Gefässe der Bauchorgane eingeführt. Die aus der V. Cava inferior ausfliessende Flüssigkeit wurde aufgefangen und zeigte einen deutlichen Gehalt an den drei Salzen. Da diese Salze nicht in dem durch die Aorta geleiteten Serum enthalten waren, mussten sie aus der Bauchhöhle in das Gefässsystem eingetreten und mit dem Blut- strom mitgeführt worden sein. Weiter konnte constatirt werden, dass das Volumen der in die Bauchhöhle einverleibten PTüssigkeit bedeutend abgenommen hatte und zwar rascher als wenn keine künstliche Circu- lation stattgefunden hatte. Aehnliche Versuche wurden mit der Modification angestellt, dass in die Bauchhöhle statt K J, KNO3 und Ferrocyankalium enthaltenden Serums, wässerige Salzlö SU ngen einverleibt wurden, die gegenüber dem Serum isotonisch oder hypisotonisch waren. Das Resultat war genau dasselbe. Die Versuche beweisen also genügend, dass die Resorp- tion von gegenüber dem Blutserum des Versuchsthieres isotonischen, hy perisotonischen und hypisotonischen Flüs- sigkeiten nicht an das Leben der Gewebe gebunden ist. Indessen könnte noch die Frage erhoben werden, ob nicht etwa die postmortal noch bestehende Structur der Gewebe für die Erscheinung verantwortlich gemacht werden sollte. Es wurde deshalb versucht die Resorptionserscheinungen an künst- lichen homogenen Membranen nachzuahmen. Dieser Versuch gelang. d) Resorption durch künstliche homogene Membranen [16]. Das capillare Blutgefäss wurde durch eine cylindrische Gelatine- membran nachgeahmt, die Gewebspalte in welcher sich das capillare Blutgefäss befand, durch einen Mantelraum, welcher entsteht, wenn der Versuche mit künstlichen homogenen Membranen. 111 Gelatinecylinder in ein weiteres Glasrolir eingesetzt wurde. Die Gelatine- niembran wurde so angefertigt, dsss ein cylindrisches Iiohr von Nickel- gaze in einer 10°/oigen, neutralisirten Gelatinemasse herumgedreht wurde, wobei die Maschen sich von selbst füllten. Nach Entfernung des Rohres aus der Gelatine wurde dasselbe um seine Längsaxe gedreht, bis die Gelatine fest geworden war. Der Gelatinecylinder wurde alsdann derart in ein weiteres Glasrohr gesetzt, dass die Längsaxen zusammen- fielen. Dann wird das Glasrohr an beiden Enden verschlossen, aber so, dass es den Enden des Gelatinecylinders den Durchgang gestattet. Manielraum zwischen ■f iGlasrühr u. Gelatinerohr h' L4J_l4-U-U-UU4-l-LJ4UmJlJUULlU UUyULlL^, -t ^-r'-rl-t-•-^-t-l-^-|-'->>-^|-)• i-r+-* t-h-r-« >-n-t i-i r-t t-i H n t-~ i^-rlTTnnnn rm rtn Mrt nrt nn n rrnnrnn Glas roh I Nickelgazerohr ( Gelatinecylinder) Fig. 2. Jetzt werden Gelatinerohr und Mantelraum beide mit Flüssigkeit angefüllt, z. B. mit Blutserum. Leitet man nun durch das Gelatinerohr einen Strom Serum hindurch, so sieht man das Serum aus dem Mantel- raum verschwinden und an dessen Stelle Luftblasen erscheinen, die durcn das Röhrchen / hereintreten. Offenbar wird das Serum aus dem Mantelraum durch den durch das Gelatinrohr hindurch- fliessenden Serum ström mitgerissen und zwar quer durch die Gelatinemembran hin. Bringt man in den Mantelraum statt Serum eine hypisotonische oder hyperisotonische Salzlösung, so wird auch diese resorbirt. Auf diese "Weise kann man sich nun, meiner Meinung nach, auch die in der Peritonealhöhle einverleibte Flüssigkeit durch den 112 Resorption in der Bauchhöhle. Blutstrom der Bauchwandcapillaren mitgeführt und also resorbirt vor- stellen. Mit Eücksiclit auf das allgemeine Interesse, das Versuche mit der- artigen Membranen besitzen, lasse ich einige darauf bezügliche Einzel- heiten folgen. Im Allgemeinen haben die Physiologen und Pathologen , überzeugt von der grossen Bedeutung, den FlüssigkeitsbeAvegung und Stoffaustausch durch thierische Membranen für den Organismus besitzen, schon lange das Bedürfniss gefühlt, die be- züglichen Gesetze ausserhalb des Körpers systematisch zu studieren. Gewöhnlich wandten sie hierzu thierische Häute an, wie Pericardium, getrock- nete Harnblase, Darm u. s. w. Im Jahre 1857 sprach es Fick [15] aus, dass man mit derartigen Membranen unmöglich reine Resultate bekommen könne , weil man hier mit zusammengesetzten Geweben zu thun hat, aufgebaut aus porösen und nicht porösen, homogenen Theilen. Diese beiden Arten von Membranen sollten nach ihm jede für sich studirt werden. In Beziehung auf die porösen konnte er sich kurz fassen, weil Graham die- selben ausführlich untersucht hatte. Fick hatte sich also hauptsächlich mit den homogenen zu beschäftigen. Leicht war diese Aufgabe nicht; denn, wie allgemein dieselben im Körper auch vorkommen mögen, so schwierig ist es doch, sie in freiem Zustande darzustellen, und was die künstlichen Membranen betrifft, so sind sie sehr wenig resistent, wenn sie dünn sind, und letzteres soll der Fall sein. Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang es Fick endlich, eine Methode ausfindig zu machen, welche ihm gestattete, einige Thatsachen mit Sicherheit fest- zustellen. So fand er z. B. , dass homogene Häute ganz anderen Gesetzen folgen wie poröse. Zur Anfertigung seiner homogenen Membranen benutzte er Collodium. Er arbeitete in folgender Weise: Die Innenwand eines etwa 5 cc fassenden Kölbchens wurde mit einer Collodium- lösung bedeckt. Nachdem Alkohol und Aether verdampft waren, wurde an dem Halse das Häutchen vorsichtig gelockert, um ein Glasröhrchen gefaltet und dann befestigt. Wurde nun am Röhrchen gezogen, so liess die Collodiumschicht überall los und konnte aus dem Kölbchen entfernt werden. Das so gebildete Beutelchen füllte Fick theii weise mit einer Salzlösung und setzte es dann in ein kleines, eine be- kannte Menge Wasser enthaltendes Reservoir. Durch Wägung des Beutelchens vor und nach dem Versuch und durch Wägung des ins Wasser hinübergetretenen Salzes, konnte er die osmotische Wirkung feststellen und bestimmen. Fick hat die Nachtheile seiner Methode und die an derselben haftenden Fehler nicht verschwiegen. War die Membran dünn — und das sollte dieselbe sein — so zeigten sich Falten am Beutelchen; innerhalb dieser Falten wurde an der Aussenseite der Mem- bran ein gewisses Volumen Wasser eingeschlossen und so vom übrigen Wasser nahezu ganz getrennt. Es liegt auf der Hand, dass die innerhalb der Falten eingeschlossene Flüssigkeit eine andere Zusammensetzung erhielt als die übrige im Reservoir sich befindende Flüssigkeit. Weiter stieg in den Falten die Lösung capillar auf, so dass auch der veränderte Druck das Resultat beeinflusste und zwar in einem nicht zu berechnenden Maasse. In diesen Falten erkannte Fick die bedeutendste Fehlerquelle seiner Methode Versuche mit künstlichen homogenen Membranen. 113 Aber auch bei der Wägung waren Fehler unvermeidlich. Es war namentlich äusserst schwierig, das feine Beutelchen zuvor genau abzutrocknen; auch war wäh- rend der Wägung Verdampfung nicht auszuschliessen. Diesen von Fick selbst anerkannten Missständen könnte ich noch zwei andere hinzufügen. Erstens gestattet die Methode nur mit sehr kleinen Flüssigkeitsmengen zu experimentiren, so klein, dass dieselben eine quantitative Analyse kaum erlauben. Eine einigerniassen grössere Quantität würde das Beutelchen nicht ertragen. Zweitens kann von Durchströmungs- und Filtrationsversuchen hier nicht die Rede sein. Wohl auf Grund der genannten Erwägungen und der nicht geringen tech- nischen Schwierigkeiten, die mit der Anfertigung und Behandlung der Membranen verknüpft sind, hat Fick die von ihm in Aussicht gestellte Fortsetzung seiner ein- schlägigen Versuche aufgegeben und auch andere Physiologen haben die von ihm in seiner Abhandlung erbetene Mitarbeit nicht auf sich genommen. Ein Versuch zur Construction eines Apparates, welcher gestattet an künst- lichen homogenen Membranen die Gesetze von Filtration und Os- mose zu studiren , konnte nach dem Erwähnten nicht ganz überflüssig erscheinen. Vielleicht wird die Bemerkung gemacht werden , dass schon lange vorher (1877) Pfeffer sich homogener Membranen bediente. Das ist in der That auch der Fall. Bekanntlich waren dies Niederschlagsraembranen, d. h. Präcipitate, ent- standen durch chemische Wechselwirkung zweier Salze. Sie wurden in und auf den Poren von Thoncylindern gebildet. Abgesehen von der Zartheit dieser Häute und von der Schwierigkeit, dass man es hier nicht nur mit einem homogenen, sondern aucb mit einem porösen Material (Thoncylinder) zu thun hat, sind diese Membranen für unseren Zweck nicht geeignet, weil dieselben semipermeabel sind (d. h. nur dem Wasser, nicht aber den Salzen und dem Eiweiss den Durchgang gestatten), was von thierischen Membranen entschieden nicht behauptet werden darf. Diese Semipermea- bilität gilt auch für die später von G. Tamman^) angefertigten stärkeren Nieder- schlagsmembranen, welche ausserdem für unseren Zweck viel zu dick sind. Um die Demonstration des Apparates zu erleichtern, bitte ich den Leser, mir bei der Vorbereitung zu einem Versuch zu folgen. Ich werde dabei Gelegenheit haben, die vei-schiedenen Theile in der geeigneten Reihenfolge zu beschreiben, und wo nöthig auf deren Bedeutung hinzuweisen. Das Wesentliche des Apparates ist natürlich die Membran. Diese wird an- gefertigt, indem ein Rohr von Metallgaze in horizontaler Richtung in der Flüssig- keit, aus welcher sich die Membran bilden soll um seine Längsaxe gedreht wird. Hierbei füllen sich die Maschen der Gaze von selbst an. Als Flüssigkeiten habe ich bis jetzt mit Erfolg versucht : Lösungen von Gelatine , von Gelatine und Agar- Agar und von Collodium. Nachdem das Rohr aus der Flüssigkeit entfernt ist, fährt man kurze Zeit fort, dasselbe in horizontaler Richtung um die Längsaxe zu drehen: bald ist die Membran fest geworden. Hält man nun das Rohr vor das Licht , so bemerkt man zuweilen eine nicht gefüllte Masche. Es ist sehr leicht diesem Fehler abzuhelfen, indem man aus einer feinen Pipette ein wenig von der flüssigen Membransubstanz darauf tropfen lässt. ') Zeitschrift für physik. Chemie. 9. 1892. S. 97. H.amburger, Osmot. Druck, II. Band. 8 114 Resorption in der Bauchhöhle. Fürchtet man aber aus irgend einem Grund eine örtliche Verdickung der Mem- bran, so kann man, wenn eine allgemeine Dickenzunahme zulässig ist, das Rohr noch einmal in der Flüssigkeit herumdrehen; sonst muss man ein neues anfertigen. Zu diesem Zweck wird das Rohr in kochendes Wasser gelegt, wenn die Mem- bran aus Gelatine oder Gelatine- Agar bestand, in ein Gemisch von Alkoholäther dahingegen , wenn die Membransubstanz Collodium war. Die Reinigung wird be- schleunigt, wenn man eine Bürste zu Hülfe nimmt. Nachdem endlich das Rohr in kaltem Wasser gründlich abgespült ist, wird es mittelst eines Tuches abgetrocknet und auf einige Minuten an einen warmen Ort gelegt. Die vorangehende Erwärmung hat einen zweifachen Vortheil: 1. wird das Trocknen der Gaze beschleunigt, 2. haftet die Membran besser am Metalldraht. In- dessen habe ich mit kalten Rohren auch recht gute Resultate bekommen. Man kann nun unmittelbar zur Anfertigung einer neuen Membran schreiten. Gewöhnlich mache ich drei Membranen hintereinander; zwei also auf Vorrath. Es ereignet sich nämlich nicht selten, dass sich erst bei der Füllung des homogenen Rohres mit Flüssigkeit ein Fehler in der Membran zeigt. Hat man nun sofort eine neue Membran zur Verfügung, so wird die Verzögerung sehr eingeschränkt. Die präparirten Rohre werden in verschlossenen Glascylindern aufbewahrt, also nicht der Luft ausgesetzt, denn sonst würde die Membran austrocknen und beim Versuch hätte man dann zu warten bis sie sich wieder mit der ursprünglichen Fiüssig- keitsmenge imbibirt hat.') Diese Bemerkung bezieht sich natürlich nicht auf Gollodiummembranen. Diese werden nach völliger Verdampfung von Alkohol und Aether in verschlossenen Flaschen aufbewahrt, um sie vor Verunreinigung zu schützen. Noch ein Paar Bemerkungen über das Rohr. Man kann demselben eine will- kürliche Form geben. Die bis jetzt von mir gebrauchten sind auf Tafel I (hinter S. 116) in Fig. 3 und 4 abgebildet. Sie bestehen aus gewalzter Nickelgaze, deren Maschen eine Länge und eine Breite von 0,8 mm besitzen. Am meisten habe ich Fig. 3 angewandt. An beiden Enden findet man Kupferstücke b und c eingelöthet, die dazu dienen, das Rohr mit anderen Theilen des Apparates verbinden zu können, c hat ein Schraubengewinde (vergl. hierzu auch Taf. I, Fig. 4). Ist die Membran zum Gebrauch fertig , so wird das Rohr bei b mit einem Gummipfropfen d versehen, in welchem ein Glasrohr e passt (vgl. Taf. I, Fig. 2) Weiter wird das Ende c an das Metallstück geschraubt, welches an der linken Seite von Taf. I, Fig. 2 ersichtlich ist und welches ich nunmehr beschreiben will. Es ist hohl und links mit einem Gummipfropfen / verschlossen. Weiter trägt es zwei Metallröhrchen: g (von unten) und h. Letztere ist auf der Abbildung nicht sichtbar, weil ein Gummirohr darüber geschoben ist, welches seinerseits ein Glasrohr mit Hahn i trägt. h und g stehen mit dem Hohlraum des Metallstückes, also mit dem Innern des Gazerohres in offener Verbindung (vgl. Taf. I, Fig. 6). Der also zusammengesetzte und durch Taf. I, Fig. 2 vorgestellte Theil muss in Taf. I, Fig. 1 eingeschoben und darin befestigt werden. ^) Ich denke nicht daran, die Aufbewahrung in verschlossenen Flaschen als eine allgemeine Regel hinzustellen. Ich kann mir Fälle denken , in welchen das vorherige Austrocknen gerade erwünscht ist. Versuche mit künstlichen homogenen Membranen. 115 Taf. I, Fig. 1 stellt ein an beiden Seiten offenes, ziemlich dickwandiges Glasrohr vor. Links ist das Rohr von einem Kupferstück umgeben, das zwei Metallrührchen k und l trägt, welche mit dem Inneren des Glasrohres in Communication stehen. Die Bedeutung dieser Röhrchen bespreche ich sofort. Weiter sieht man vier Schrauben mit Muttern. Nur zwei derselben, m^ und m, sind auf der Abbildung deutlich sichtbar. Im Uebrigen lindet mun an der rechten Seite des Glasrobres ein metallenes Band, welches ein Röhrchen n trägt, das ebenso wie k und / mit dem Innern des Glasrohres in Verbindung steht. Wie gesagt, muss Fig. 2 in Fig. 1 eingeschoben werden. Hierzu werden die Schraubenmuttern m und m^ (und auch die zwei nicht deutlich sichtbaren) weggenom- men und dann wird der in Fig. 2 dargestellte Theil mit dem Glasrohr e voraus, in der Richtung von links nach rechts in den in Fig. 1 dargestellten Theil gebracht. Nun befinden sich in der Metallscheibe o des bei Taf. I, Fig. 2 beschriebenen linken Metallstückes vier Löcher, welche den in Fig. 1 angedeuteten Schrauben gerade den Durchgang gestatten. Ist das geschehen, so werden die Schraubenmuttern auf die Schrauben gedreht und auf diese Weise wird die Metallplatte o von Fig. 2 gegen die Metallplatte p von Fig. 1 gedrückt. Zwischen o und p befindet sich noch eine Gummischeibe. Begreiflicherweise ragt nun das Glasröhrchen e von Fig. 2 aus dem grossen Glasrohr von Fig. 1 heraus. In letzterer Figur sieht man bei Versuch VI. Kaninchen Dauer 248 Min. Eingeführt 50 cc Vorher Zucker 5,5 °/o Gewonnen 21 cc Nachher Zucker 0,3 "/o Kochsalz 0,56 > 134 Resorption in der Pericardialböhle. Hypisotonisclie Lösungen. Versuch VIII. Kaninchen Dauer 65 Min. Eingeführt 5ü cc Vorher Zucker S°iO Gewonnen 22,5 cc Nachher Zucker 1,1 "/o Kochsalz 0,56 »/o Versuch IX. Kaninchen Dauer 75 Min. Eingeführt 50 cc Vorher Zucker B'^o Gewonnen 21 cc Nachher Zucker 1,2 "q Kochsalz 0,62 7o Wenn man das Wasseranziehungsvermögen des zurückgebliebenen Traubenzuckers zu dem hineindiffundirten NaCl addirt, so bekommt man ungefähr das einer 0,9 "/o igen Kochsalzlösung. 2. Resorption in der Pericardialhöhle. Gleichzeitig mit der Resorption in der Bauchhöhle untersuchte ich die in der Pericardialhöhle [2j. a) Versuche bei lebenden Thieren. Für diese Versuche konnten nur Hunde gebraucht werden, weil bei Kaninchen die Pericardialhöhle zu klein ist und keine ausreichenden Flüssigkeitsmengen für die Bestimmung des osmotischen Druckes ent- hält. Ich verfügte leider nur über wenige Hunde. Der Hund wurde mittelst Morphium in Narkose gebracht und dann auf das Brett gelegt. Tracheotomie, künstliche Athmung. Unter Inhalation von Aetherchloroform wurde ein Fenster aus der Brustwand genonnnen. Dann wurde ein feiner, langer Trocart in die Pericardial- höhle gebracht, indem das Pericardium parietale mittelst einer Pincette aiTfgehoben wurde. Um etwaiger Läsion des klopfenden Herzmuskels vorzubeugen, wurde die Nadel unmittelbar zurückgezogen. Die Canüle Avurde mit einem Kautschukschlauch in Verbindung gebracht und dieser wieder mit der Spritze, welche die zu injicirende Flüssigkeit enthielt. Nach der Einspritzung wurde die Canüle nicht entfernt, wie dies nach den intraperitonealen Einverleibungen geschah, sondern dieselbe blieb während der ganzen Versuchsdauer in der Pericardialhöhle. Hierdurch wird in doppelter Beziehung ein Vortheil erzielt. Nicht nur bleibt die Pericardialhöhle auf diese Weise geschlossen und es kann keine Spur Flüssigkeit ausfliessen, sondern man hat auch nur einmal das allerdings lästige und grosse Vorsicht erfordernde Einstecken der Canüle in den Herzbeutel des immer klopfenden Herzens auszuführen. Hypei- 1111(1 liypisotonisclie Na Cl-Lösuiigcn. 135 Die Canüle war so lang, dass dieselbe über die Oberfläche des Brustkorbes hinausragte. Sie wurde mittelst eines seidenen Fadens, mit dem sie lose an der Brustwand befestigt war, in ihren Bewegungen ein wenig eingeschränkt. Üebrigens war während des Aufenthaltes der Flüssigkeit in der Pericardialhöhle die Canüle mittelst eines Wachspfropfens verschlossen. Auf diese Weise war das Austiiessen von Flüssigkeit aus der Canüle unmöglich gemacht. Sollte nach einiger Zeit die zurückgebliebene Flüssigkeit gemessen und untersucht werden, so wurde der Wachspfropfen entfernt und die Flüssigkeit mittelst der jetzt mit der Canüle verbundenen Spritze aus- gezogen. Versuch I. Injection einer 2 ''/o igen NaC'l- Lösung in die Pericar- dialhöhle eines lebenden Hundes. In die Pericardialhöhle eines ziemlich kleinen Hundes wurden 50 cc einer körperwarmen 2 "/o igen NaCl-Lösung injicirt. * 4 Stunden nachher waren noch 40 cc vorhanden. Von dieser Flüssigkeit wurde der osmotische Druck bestimmt; ebenso derjenige der injicirten Kochsalzlösung und des Blutserums des Versuchsthieres. Resorption und osmotischer Druck nach Einverleibung einer hyperisotonischen Salzlösuns: in die Pericardialhöhle. Beuinneuder Kein Farbstoff- Farbstoffaustritt aiistr tt findet statt Untersuchte Flüssigkeit findet statt in einem Gemisch G in einem ämisch von Bemerkungen von 2,5 cc 2,5 ec Flüssigkeit Flüssigkeit und und Serum des Versuchsthieres 1,8 cc Wasser ' 1,7 cc Wasser Der osmot. Druck wurde mittelst Hundeblutkörper- clien bestimmt. 2"oigG NaCl-Lösung . . 6 . i 5,9 r ,' ' 50 cc wurden injicirt. Flüssigkeit, welche ^,4 Std. nach der Injection ent- fernt wurde .... 1,9 , 1,8 '• 40 cc Hessen sich wiedergewinnen. Wie man sieht, hat innerhalb '^U Stunden der osmotische Druck der intrapericardialen Flüssigheit fast genau denjenigen des Blutserums erreicht. Gleichzeitig wurde V-'i der einverleibten Flüssigkeitsmenge resorbirt. Wären hier nur osmotische Triebkräfte im Spiele gewesen, so würde der Inhalt der Pericardialhöhle nicht ab- sondern zugenommen 136 Resorption in der Pericardialhöhle. haben. Theoretisch wurden innerhalb ^U Stunden 10 cc einer 6 °/o igen NaCl-Lösung resorbirt. Hierauf wurde ein Versuch mit hypiso tonischer NaCl-Lösung angestellt. Um aber die an den Wänden der Pericardialhöhle haftende NaCl-Lösung des vorigen Versuches vollkommen zu entfernen , wurde vor der definitiven Einspritzung der 50 cc NaCl-Lösung von 0,55 '^lo zweimal mit 30 cc dieser hypisotonischen NaCl-Lösung (0,55 *^/o) ausge- spült. ^Ia Stunden nach der definitiven Einspritzung sind noch 36 cc Flüssigkeit in der Pericardialhöhle vorhanden. Versuch II. Injection einer 0,55"/oigen NaCl-Lösung in die Peri- cardialhöhle eines lebenden Hundes. Beginnender Kein Farbstuff- Farbs' offaustritt austritt findet statt Untersuchte Flüssigkeit findet statt in einem Gemisch in einem Gemisch von Bemerkungen von 2,5 ec Flüssigkeit und 2,5 cc Flüssigkeit und Serum des Versuchsthieres 1,8 CC Wasser 1,7 CG Wasser _ 0,55 *'/o ige NaCl-Lösung . 0 „ 0 „ „ 50 CC injicirt; die 0,55% ige NaCl- Lösung führte ge- rade beginnenden Farbstoflfaustritt herbei Flüssigkeit, welche aus der Pericardialhöhle ^1* Std. nach der Injection ent- fernt wurde 1,6 „ 1,5 ., 36 cc lassen sich wiedergewinnen In diesem Versuch hat, wie man sieht, das Pericardium ziem- lich kräftig resorbirt. Der osmotische Druck der zurückgebliebenen Flüssigkeit hat aber denjenigen des Blutserums noch nicht völlig erreicht. Versuch III. Injection von Hundeserum in die Pericardialhöhle eines lebenden Hundes. Das Serum wurde aus der A. cruralis des Versuchsthieres erhalten. Zu diesem Zweck wurden 80 cc Blut aus der Arterie entfernt, defibrinirt und centrifugirt. Von der auf diese Weise gewonnenen Flüssigkeit wurden 38 cc in die Peri- cardialhöhle injicirt. l'/s Stunden nachher sind noch 20,6 cc übrig. Isotonisches und byperiso tonisches Serum. 137 2,5 cc des ursprünglichen Serums mussten mit 1,9 cc Wasser verdünnt werden, um beginnenden Farbstoffaustritt aus den betreffenden Hundeblutkörperchen zu ver- anlassen. Die aus der Pericardiulhühle entfernte Flüssigkeit ergab genau das- selbe Resultat. Auch seröse Flüssigkeit, welche mit dem Blutserum des Versuchsthieres iso- tonisch ist, wird also in der Pericardialhöhle resorbirt. Während des Resorptions- processes bleibt der osmotische Druck unverändert. Ebenso wie bei den Versuchen über die Resorption in der Bauchhöhle habe ich auch hier untersucht, wie weit sich der Gehalt der einverleibten serösen Flüssig- keit an festen Bestandtheilen änderte. 15 cc des injicirten Serums (des Versuchsthieres selbst) enthielten 1,057 g feste Bestandtheile. 15 cc Serum enthielten IVs Stunden nach der Injection 1,203 g feste Be- standtheile. Die Salze werden also schneller resorbirt wie das Eiweiss. Versuch IV. Injection von eingeengtem Pferdeserum in die Peri- cardialhöhle eines lebenden Hundes. Pferdeserum wurde im Vacuum eingeengt. Hiervon wurden 50 cc injicirt. Eine Stunde nachher Hessen sich noch 43 cc wiedergewinnen. Von diesen wurden 25 cc in die Pericardialhöhle zurückgebracht. Eine Stunde nach dieser zweiten Einverleibung waren noch 14 cc vorhanden. Von allen drei Flüssigkeiten wurde der osmotische Druck bestimmt. Beginnender Farbstoffaustritt Kein Farbstoff- austritt findet ttatt Untersuchte Flüssigkeit findet statt in einem Gemisch in einem (iemisch von Bemerkungen von 2,5 cc Flüssigkeit und •J,5 ec Flüssigkeit und Serum des Versuchsthieres 1,9 cc Wasser 1,8 cc Wasser Eingeengtes Pferdeserum 6,3 ,. 6,2 .. 50 cc injicirt Flüssigkeit, welche aus der Pericardialhöhle, 1 Std. nach der Injection ent- fernt wurde 2,0 „ 1,9 „ „ 43 cc lassen sich wieder gewinnen; hiervon werden 25 cc wieder injicirt Flüssigkeit, welche aus der Pericardialhöhle 2 Std. nach der Injection ent- fernt wurde 1.9 „ 1,8 ,. 14 cc lassen sich wieder gewinnen 138 Resorption in der Pericardialhöhle. Die Tabelle lehrt, dass nach einem einstündigen Aufenthalt in der Pericardialhöhle der osmotische Druck des Pferdeserums noch nicht denjenigen des Serums des Versuchsthieres erreicht hat. Nach einem Aufenthalt von zwei Stunden ist das wohl der Fall. Um den Gehalt an festen Bestandtheilen nach verschiedenen Zeiten kennen zu lernen, wurden bei demselben Thiere noch einmal 50 cc des eingeengten Pferdeserums injicirt. Eine Stunde nach der Injection waren 41 cc zu entfernen. Von diesen wurden wieder 25 cc in die Pericardialhöhle zurückgebracht. Eine Stunde nachher konnten noch 13,5 cc entfernt werden. 15 cc des ursprünglichen eingeengten Serums enthielten an festen Bestandtheilen 2,415 g. 15 cc Serum des Versuchsthieres enthielten an festen Bestand- theilen 1,089 g. 15 cc der Flüssigkeit, welche eine Stunde nach der Injection aus der Pericardialhöhle entfernt wurde, enthielten an festen Bestandtheilen 2,081 g. 15 cc der Flüssigkeit, welche zwei Stunden nach der ersten Injection aus der Pericardialhöhle entfernt wurde (zur Bestimmung wurden nur 12 cc gebraucht), enthielten an festen Bestandtheilen 1,722 g. Der Gehalt des eingeengten Pferdeserums an festen Bestandtheilen nimmt also allmählich ab, hat aber nach einem zweistündigen Aufent- halt in der Pericardialhöhle den Gehalt des Versuchsthierserums an festen Bestandtheilen noch nicht erreicht. Versuch V. Injection von mit Wasser verdünntem Pferdeserum in die Pericardialhöhle eines lebenden Hundes. Beginnender Farbstoff,iustiitt Kein Farbstoif- anstritt findet statt Untersuchte Flüssigkeit findet statt in einem Gemisch von 2,5 cc Flüssigkeit und m einem Gemisch von 2,5 cc Flüssigkeit und Bemerkungen Serum des Versuchsthieres 1,9 cc Wasser 1,8 cc Wasser Das injicirte, verdünnte Serum 0,6 „ 0,5 ., 50 cc injicirt Flüssigkeit, welche aus der Pericardialhöhle, 1 ','2 Std. nach der Injection ent- fernt wurde 1,9 „ 1,8 ,. 33 cc zu entfernen Bei diesem Experiment wurde das Pferdeserum mit 50 '•/o Wasser verdünnt. Hiervon wurden 50 cc injicirt. Das Versuchsthier war der Hund von Versuch 3. Hypisotonisches Serum. 139 Natürlich wurde auch hier wieder dafür Sorge getragen , dass vor Beginn des jetzt auszuführenden Versuches die Flüssigkeit vom vorigen Versuch vollivommen aus der Pericardialhöhle entfernt war. PAi Stunden nach der Injection hat hiernach die Regelung des osmotisclien Druckes stattgefunden. Behufs Bestimmung der festen Bestandtheile wurde der Versuch noch einmal wiederholt, indem wiederum 50 cc in die Pericardialhöhle eingeführt wurden. Vi Stunden später Hessen sich noch 35 cc entfernen. 15 cc dieser Flüssigkeit enthielten an festen Bestandtheilen . 0,945 g. 15 cc der injicirten Flüssigkeit enthielten an festen Bestand- theilen 0,811 g. 15 cc Serum des Versuchsthieres (im Anfang von Versuch 3 erhalten aus der A. cruralis, vergl. diesen Versuch S. 137) enthielten an festen Bestandtheilen 1,057 g. Hier bewirkte der Aufenthalt in der Pericardialhöhle eine Zu- nahme der festen Bestandtheile. Die in der Pericardialhöhle gewonnenen Resultate stim- men . also vollkommen mit den bei den intraperitonealen Injectionen gefundenen überein: 1. Serum von verschiedenem osmotischen Druck wird nach Einbringung in die Pericardialhöhle in dieser resorbirt. a) Ist die Flüssigkeit mit dem Plasma des Versuchsthieres iso- tonisch, so bleibt sie es während der ganzen Resorption. b) Ist die Flüssigkeit gegenüber dem Plasma des Versuchsthieres nicht isotonisch, so wird sie es während des Resorptions- processes und bleibt es, bis die Resorption vollendet ist. 2. Isotonische, hyperisotonische und hypisotonische Salz- lösungen folgen genau demselben (iesetze wie seröse Flüssigkeiten. Nach den eben beschriebenen \'ersuchen an lebenden Thieren habe ich einige Experimente ausgeführt, Avelche den Zweck hatten, zu unter- suchen, wie das todte Pericardium sich verhält. b) Yersuche an todteii Thieren. Auch hierzu wurden Hunde benutzt. Versuch VI. Intraper icardiale Injection einer 2°/oigen NaCl- Lösung bei einem 24 Stunden todten Hunde. Auch in der Pericardialhöhle eines 24 Stunden todten Thieres wird eine stark hyperisotonische NaCl-Lösung resorbirt und während 140 Resorption in der Pericardialhöhle. Untersuchte Flüssigkeit Beginnender Farbstoff aust litt findet statt in einem Gemisch von 2,') cc Flüssigkeit und Kein Farbstoff- austritt findet statt in einem Gemisch von 2,5 cc Flüssigkeit und Bemerkungen 2'^/oige NaCl-Lösung . . Flüssigkeit, welche aus der Pericardialhühle 2 Std. 7,8 CC Wasser 7,7 CC Wasser 50 CC injicirt nach der Injection ent- fernt wurde .... 5,1 „ 5 „ „ 39 cc zu entfernen, hiervon wurden Flüssigkeit, welche aus der Pericardialhöhle 4 Std. wieder 25 cc injicirt nach der Injection ent- fernt wurde 5 „ 4,9 „ 15 cc zu entfernen des Resorptionsprocesses sucht dieselbe den osmotischen Druck des Bhitserums zu erreichen. Beide Erscheinungen vollziehen sich aber nicht so vollkommen und auch nicht so schnell wie beim lebenden Thiere. Ich lasse noch einige Versuche mit hypisotonischen und isotonischen Lösungen folgen. Versuch VII. Intrapericardiale Injection einer 0,6'^/oigen NaCl-Lösung bei einem 24 Stunden todten Hunde. Auch hier wurden 50 cc Flüssigkeit einverleibt. 2 Stunden nach der Injection Hessen sich noch 40 cc wiedergewinnen. Untersuchte Flüssigkeit Beginnender Farbstoflaustritt findet statt in einem Gemisch von 2,5 ce Flüssigkeit und Kein Farbstoff- austritt findet statt in einem Gemisch von 2,5 cc Flüssigkeit und Bemerkungen 0,6 Vo ige NaCl-Lösung. . Flüssigkeit, welche aus der Pericardialhöhle 2 Std. 0,5 cc Wasser 0,4 cc Wasser 50 cc injicirt nach der Injection ent- fernt wurde 1,5 „ 1,4 „ 40 cc zu entfernen ; von diesen 30 cc Flüssigkeit, welche aus der Pericardialhöhle 4 Std. wieder eingespritzt nach der Injection ent- fernt wurde ..... 1,5 ., 1,4 „ 22 cc zu entfernen Versuche an todten Thieren. 141 Dieser Versuch lehrt, dass auch hypisotonische Lösungen in der Pericardialhöhle des 24 Stunden todten Thieres resorbirt werden und dass der osmotische Druck demjenigen des Blutserums des Versuchs- thieres zustrebt. Veisuoh VIII. Intrapericardiale Injection einer 0,92*Vo igen NaCl-Lösung bei einem 26 Stunden todten Hunde. Von der genannten Flüssigkeit wurden 50 cc injicirt. 4 Stunden später waren noch 35 cc vorhanden. Diese Flüssigkeit ist ein wenig roth. Mittel 0,549 I Gefrierpunkterniedrigung der injicirten NaCl-Lösung (0,92 "/o) . . . 0,548 0,548 0,548 ' 0 552 Gefrierpunkterniedrigung der Flüssigkeit, welche 4 Stunden nach f!rc,n \ der Injection aus der Pericardialhöhle entfernt wurde ■ • ■ ■ nrAn \ ' 0,554 V Gefrierpunkterniedrigung des Blutserums 0,553 ! 0,552 0,550 ' Von der mit dem Blutserum des Versuchsthieres isotonischen NaCl-Lösung ist also ein Theil resorbirt ; der osmotische Druck bleibt unverändert. Versuch IX. Intrapericardiale Injection von Pferdeserum bei einem 5 Stunden todten Hunde. 30 cc Pferdeserum werden injicirt ; 2 Stunden nachher lassen sich noch 22 cc entfernen. lU cc des injicirten Pferdeserums enthalten an festen Be- staudtheilen 0,912 g. 10 cc der nach 2 Stunden aus der Pericardialhöhle entfernten Flüssigkeit enthalten an festen Bestandtheilen . . . 0,923 g. 10 cc des Versuchsthierserums enthalten an festen Bestand- theilen 0,765 g. Hierauf werden auf's Neue 18 cc eingespritzt. 16 Stunden nachher lassen sich noch 14 cc entfernen. 10 cc dieser Flüssigkeit enthalten 1,035 g feste ßestandtheile. Nach der zweiten Injection ist also die Resorption verlangsamt. Bei beiden Einspritzungen ist der Gehalt an festen Bestandtheilen gestiegen. Letztere Erscheinung beobachtete ich auch in Versuch 3 (S. 136) nach der Injection von Serum in die Pericardialhöhle eines lebenden Hundes. Heidenhain beobachtete dasselbe bei der Resorption von Serum im lebenden Darme ^). Ich führe, um noch eines der in dieser Richtung angestellten Experimente zu erwähnen, folgenden Resorptions versuch an: 1) Neue Versuche über die Aufsaugung im Dünndarm, a. a. 0. S. 594. 142 Resorption in der Pleurahöhle. Versuch X. In die Pericavdialhölile eines 14 Stunden todten Hundes werden 40 cc Pferde- serum gebracht. 2 Stunden nachher sind 35 cc zu entfernen. 20 cc des ursprünglichen (injicirten) Serums enthalten an festen Bestandtheilen 1,823 g. 20 cc der nach 2 Stunden entfernten Ji'lüssigkeit enthalten an festen Bestandtheilen 1,932 g. Weiter werden auf's Neue 40 cc in die Pericardialhöhle gebracht. 16 Stunden nachher sind noch 36 cc zurückgeblieben. 20 cc von dieser Flüssigkeit enthielten 2,040 g feste Bestandtheile. Dieses Resultat bestätigt das im obigen Versuche erhaltene. Aus den mitge theilt en Versuchen erhellt, dass nicht nui- in der Pericardialhöhle des lebenden, sondern auch in der des todten T h i e r e s . wenn auch in beschränktem Maasse, Regelung des osmotischen Druckes und Resorption stattfindet. 3. Resorption in der Pleurahöhle. Ueber die Resorption in der Pleurahöhle liegen hauptsächlich Untersuchungen von Starling und Tubby [8J vor. Bei Erörterung der Resorption in der Bauchhöhle war schon von den betreffenden Untersuchungen die Rede. Starling und Tubby waren die ersten, die nach Dy bko wski die Frage zu beantworten suchten, ob den Lymphbahnen oder den Blutgefässen der Hauptantheil an der Resorption in der Pleurahöhle zukommt. Ihre Versuche liessen keinen Zweifel daran, dass die Blut- gefässe die Hauptrolle spielen. Anschliessend hieran erwuchs die Frage, auf welche Weise die Resorption durch die Blutgefässe zu Stande kommt. Die genannten Autoren gelangten zu dem Resultat, dass die Resorption in der Pleurahöhle kein einfacher osmotischer Vorgang ist, sondern dass es gewisse Lösungen gibt, bei welchen eine active Auf- nahme nicht in Abrede zu stellen ist, deren Natur sie aber augenblick- lich nicht festzustellen im Stande waren. Zu dieser Schlussfolgerung war auch Heidenhain bei seinen Untersuchungen über Darmresorption gelangt, ebenso wie Heidenhain und Orlow bei ihren Untersuch- ungen über die Resorption in der Bauchhöhle. In einer anderen Arbeit kamen Leathes und Starling [20J von diesem Standpunkt zurück. Sie experimentirten in folgender Weise. Bei narkotisirten Hunden von 4 — 8 kg werden 40^ — 100 cc körperwarme Flüssig- keit aus einer Bürette mittelst einer Nadel in die Brusthöhle gebracht. Hierauf wird von Zeit zu Zeit Blut ans der A. femoralis entfernt. Dann wurde der Hund getödtet, die Brusthöhle geöffnet und mittelst Pipette die zurückgebliebene Flüssig- keit entfernt. Von dieser Flüssigkeit wurde, ebenso wie von der ursprünglichen und Kochsalzlösungen. 143 Qä o o o o o o O rH o CO ->* 5D 00 CO O r-", r-< Oa_ 1-H o'oooö'ooö'o 1— ieccoiO''*"c— lo^^o + .«^ o o o o O o ~ o in o~ CO ■<+ O CO .— < rvi 00 "* CJ lO ^ o «3 OÜ lO 00 CD OS Oi 05 05 o o o o o (M (M -rt< l-H T-H T-H 1—1 r- r^ r^ O^ 05 05 05 05 1 o o o 1 o o o o 1 o "j^ o o~ o « 03 CO o in . . , '? ^ T-i ooooooooo cooocD'X)CD'X)ooa)io ü CO «D CO CO o CO CD CD CO o" CD O •- •" o o o o o o o :;; o - ^ o o o o o o O .^ & ü ^ ^ ^ ^ ^ ^ •■-« o ** ■^ "^ •" " *" CO CO (M ^ o tM CO ^ CO l-H CO CM '^ CO CO •^ 25 " " CD CO t:- 00 ^ O^ O OJ o" o" o" bß :: :: ' : CD ^ Ol 'O 1—1 CO CO lO C«?_ Od CO CO CO O O O O O 6JD o o ^ o „ bß r (M 05_ o" ö" o" 05051— iCOiCOS— < ^ t— CD C— CD D- OOOOOOO S o CD CO lO -S. 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War die Flüssigkeit eine hypisotonische NaCl-Lösnng (0,5 "/o) , so wurde ebenfalls Regelung des osmotischen Druckes nnd Resorption von Salz beobachtet. Man ersieht das gleichfalls aus der Tabelle auf S. 140. War endlich die der Pleura dargebotene Flüssigkeit eine iso- tonische NaCl-Lösung (1 "/o), so wurde dieselbe ebenfalls resorbirt ; aber die Volumabnahme war eine geringfügige. Das gleiche Resultat wurde erhalten, wenn daneben der Ductus thoracicus unterbunden war. Die vorhergehende Tabelle gibt die Resultate wieder. Konnte man bei den A'ersuchen mit hyper- und hypisotonischen Lösungen noch an eine osmotische Wirkung denken, weil im ersten Fall das Flüssigkeitsvolumen zunahm und im zweiten abnahm , so konnte hiervon beim Verschwinden von Flüssigkeit aus einer isotonischen Lösung nicht mehr die Rede sein. Hier war also Grund, an eine Lebenseigenschaft der Thoracalwand zu denken. Darum wiederholten Leathes und Starling nach dem Vor- gang H e i d e n h a i n's ihre Versuche mit einer NaCl-Lösung , die mit NaFl versetzt war. Obgleich die Pleura dadurch deutlich geschädigt war, konnte doch kein Einfluss auf den Resorptionsprocess constatirt werden. Schien somit der Einfluss einer activen Zellenthätigkeit ausge- schlossen, so drängte sich die Nothwendigkeit einer mechanischen Er- klärung auf. Bis jetzt wurde bei der Discussion der Tabellen nur die Aufmerk- samkeit auf das Volumen der Flüssigkeit gelenkt. Studirt man die Bedingungen für die Resorption des darin aufgelösten Salzes, so findet man nach den beiden Autoren in der ersten und dritten Tabelle nichts, was auf eine active Zellenthätigkeit hinweist ; denn die Daten können ungezwungen dadurch erklärt werden, dass der üebergang von Salz aus der serösen Höhle durch einen kleineren Partialdruck des NaCl inner- Hj'pisotonische Kochsalzlösungen. 145 halb der Blutgefässe gegenüber dem ausserhalb herrschenden Partialdruck bedingt wird. In der zweiten Tabelle dagegen sind Ergebnisse angeführt, denen zufolge Salz aus einer Na Gl -Lösung resorbirt wird, deren Concentration geringer ist als die NaCl-Concentration des Sern m s. Heidenhain und dessen Schüler Orlow haben grosses Gewicht auf die Thatsache gelegt, dass in der Peritonealhöhle und im Darm- lumen NaCl aus Flüssigkeiten aufgenommen werden kann, die einen kleineren Procentgehalt dieser Substanz enthalten als das Blutserum selbst. Diese Resorption betrachten sie als einen zweifellosen Hinweis auf eine active Thätigkeit lebender Zellen. Leathes und Starling stellen dem folgende Deduction entgegen: Man stelle sich vor, dass die Pleura vollkommen und leicht für Salz und für Wasser permeabel sei. In der Brusthöhle befindet sich eine 0,ö°/oige NaCl-Lösung; das Blutplasma repräsentirt eine 0,61- bis 0,67^/0 ige. Demzufolge wird Salz in die Pleurahöhle überwandern und es wird nun eine Zeit kommen, in welcher zu beiden Seiten der Pleura- membran der Procentgehalt an NaCl der gleiche ist. Dann wird aber der totale osmotische Druck des Blutserums immer noch grösser sein als der der intrathoracalen NaCl-Lösung, weil im Serum auch noch andere wasseranziehende Substanzen vorkommen. Deshalb wird dann immer noch Wasser aus der Pleurahöhle in die Blutgefässe hinüber- wandern. Sobald dies aber geschieht, nimmt der procentische NaCl- Gehalt der intrathoracalen Flüssigkeit zu und ragt nun wieder über den des Blutes hinaus, und die Folge ist, dass wieder etwas Salz aus der Pleurahöhle verschwindet. Diesen Uebergang von Kochsalz aus einer hypisotonischen intra- pleuralen Lösung konnten die Verfasser am folgenden Experiment de- monstriren. 125 cc einer 0,5 ^'/o igen NaCl- Lösung wurden in einen Dialysator gebracht und letzterer in eine Flüssigkeit gehängt, die 0,5 °/o NaCl und 10 "/o KNO3 enthielt. Am folgenden Morgen hatte das Flüssig- keitsvolumen im Dialysator bis auf 75 cc abgenommen. Dennoch war der Procentgehalt an NaCl (0,5 ^jo) unverändert geblieben. Es war also nicht nur Wasser, sondern auch Salz aus dem Dialysator in die äussere Flüssigkeit hinübergewandert. Es ist demnach nicht richtig, dass, wie Heidenhain und Orlow meinten, der Austritt von NaCl aus einer schwachen Lösung in das einen höheren Procentgehalt an Hamburger, Osmot. Druck. II. Band. 10 146 Resorption in Gewebespalten. NaCl enthaltende Serum, notliwendig auf eine active Thätigkeit lebender Zellen zurückgeführt werden muss. Indessen haben Leathes und Starling mit diesen allerdings wichtigen Ausführungen noch nicht deutlich gemacht, wie die Resorption der genannten hypisotonischen Lösung vollendet wird ; denn es nehmen, wie sie selbst bemerken, auch noch andere Stoffe als NaCl an der Diffusion Theil ; es gehen nämlich Substanzen aus dem Blutplasma in die Pleuraflüssigkeit hinüber und am Ende wird die allerdings im Volumen verminderte Pleuraflüssigkeit dieselbe Zusammensetzung besitzen wie das Plasma. In Beziehung aut die weitere Resorption wird der Leser im Stich gelassen. Bei einer späteren Gelegenheit hat Starling [22] aber seine physikalische Erklärung der totalen Absorption von Salzlösungen ergänzt, indem er betont, was die Autoren hier zu Unrecht still- schweigend angenommen hatten, da(Ss alle Plasmabestandtheile, die am osmotischen Druck betheiligt sind, in gleich leichter Weise durch die Pleurawand diffundiren. Insbesondere das Eiweiss weicht in dieser Hinsicht bedeutend ab. Um in der chronologischen Folge zu bleiben, will ich zunächst hiervon nicht weiter reden (vergl. aber S. 151 u. 157). 4. Resorption in den Oewebespalten. Man wird sich erinnern, dass beim Studium der Resorption in der Bauchhöhle zunächst die Frage beantwortet wurde, wie sich der osmo- tische Druck einer Flüssigkeit nach ihrer Einverleibung verhält. Es stellte sich dabei heraus, dass anisotonische Flüssigkeiten sich bestreben, mit der Blutflüssigkeit des Versuchsthieres isosmotisch zu werden, und isotonische, es zu bleiben. Dasselbe wurde bei Einverleibung hyper- nud hypisotonischer Flüssigkeiten, bezw. von isotonischen Flüssigkeiten in die Pericardialhöhle beobachtet. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass in den Gewebspalten dasselbe Verhältniss obwaltet. Auf letztere Annahme hat sich C. Ritter [23] bei seinen Aus- führungen über die schmerzlindernden Mittel des Organismus gestützt. Ritter ist der Ansicht, dass bei Entzündungen der Schmerz gewöhnlich nicht durch Druck auf die Nerven entsteht, sondern dadurch, dass das Exsudat als hyperisotonische Flüssigkeit die Nerven in directer Weise reizt. Indem nun diese Flüssigkeit eine Neigung besitzt, mit der Blut- flüssigkeit isosmotisch zu werden, geht der Schmerz zurück. Gefrierpunkt von Eiter. 147 Ritter hat an einer Reihe von Entzündungsproducten Gefrierpimkt- bestimmungen vorgenommen und Folgendes gefunden. K i t e r A 1. Eiter von einer Osteomyelitis acuta 0,819" 2. Von einem Abscess am Fuss 0,694 3. ,, Abscessen bei einem Kind (3 Wochen alt) 0,888 4. ,, einer Schussverletzung an der Hand 0,697 5. ,, einer Osteomyelitis acuta 0,722 6. ,, einem Typhusabscess am Unterschenkel 0,639 7. „ einer Appendicitis puru'enta 1,336 8. ,, einer vereiterten Harninfiltration 1,244 9. ,, einem Kothabscess 1,444 10. ,, ,, Drüsenabscess in der Achselhöhle 0,630 11. „ ,, 4 Wochen alten osteomyelitischen Abscess (Unterkiefer) 0,687 12. „ einer Peritonitis purulenta 0,H45 13. ,, einem heissgewordenen kalten Abscess 0 645 14. Eiter von einem Empyem der Pleura 0,669 15. Von einem periproktischen Abscess 0,653 16. ,, einer eitrigen Bursitis praepatellaris 0,593 17. ,, einem eitrig serösen Erguss in's Kniegelenk .... 0 5:-i7 18. ,, ,, vereiterten Kniegelenk 0 531 19. „ „ „ „ 0,573 20. ,, ,, Bauchdeckenabscess bei einer Bassinischen Operation 0,563 21. ,, einer Osteomyelitis acuta 0 595 22. Weichtheilabscess 0,745 23. Eiter von einer Osteomyelitis acuta 0,622 24. „ „ „ „ „ . 0,747 25. „ ,, einem pyämischen Abscess am Damm .... 0,795 26. „ „ „ Empj^em der Pleura 1,174 27. ,, ,, „ Weichtlieilabscess im Nacken 0,715 28. „ „ einer eitrigen Kniegelenkentzündung 0,622 29. „ „ „ „ „ 0,6.^2 30. „ „ „ „ „ 0,635 Es wurde also für Eiter fast regelmässig eine Erhöhung der Ge- frierpunktserniedrigung gegenüber dem normalen Blut und Serum ge- funden. Nur in drei Fällen (Kniegelenk) war eine Ausnahme vorhanden. Im Gegensatz dazu fand Ritter bei kalten Abscessen, die schmerzlos verlaufen und bei denen er nie eine Aenderung der Haut- sensibilität nachweisen konnte, normale Depressionen: Kalter Abscess. 1. —0,573" 4. 0,570 7. 0,550 2. 0,560 5. 0,560 8. 0,560 3. 0,575 6. 0,510 9. 0,549 10* 148 Resorption in C4ewebeFpalten. Es scheint, dass umgekehrt ein sehi" hoher osmotischer Druck der (rewebeflüssigkeit schmerzlindernd wirken kann. Es entspricht das dem Arndt'schen Satz, nach dem schwache Reize die Erregbarkeit der Nerven erhöhen , während starke sie herabsetzen. In diesem Zu- sammenhang sei erwähnt, dass bereits vor Ritter, Braun [24] und Heinze |25] die Bedeutung des osmotischen Druckes der Gewebsflüssig- keit für den Schmerz hervorhoben, indem sie in einer grossen Reihe von Versuchen zeigten, dass die anästhesirende Kraft nicht nur für einige, sondern für alle Mittel von dem Gefrierpunkt (osmotischer Concentra- tion) der einzelnen Lösungen abhängt und dass die Kenntniss des Gefrierpunktes einer Lösung, abgesehen natürlich von der sonstigen specifischen Eigenschaft auf das Nervengewebe, mit der Kenntniss der anästhesirenden Kraft zusammenfällt. Auch mit Bezug auf die Resorption aus den Gewebespalten ist ebenso wie bei der in den serösen Höhlen die Frage discutirt worden, welchen Weg die Flüssigkeit dabei nimmt, den der Lymph- oder der Blutgefässe. Lange Zeit schien es, als ob Magen die [26] die Frage endgültig zu Gunsten der Blutgefässe entschieden hätte, bis As her sich durch die Unzulänglichkeit von Magen die's Versuchsanordnung berechtigt erachtete , die Betheiligung der Blutgefässe anzuzweifeln [27]. Die mittelst seiner sehr exacten neuen Untersuchungsmethode gewonnenen Resultate bestätigten aber die alte Ansicht. So stellte er fest, dass Jodkaliumlösung unmittelbar in die Blutbahn aufgenommen wird, Avenn man sie auf eine offene Wunde tröpfeln lässt. Ich selbst hatte ein paar Jahre zuvor in Gemeinschaft mit meinem damaligen Assistenten, Herrn H. G. van Harreveit eine Reihe damals nicht veröffentlichter Versuche zu demselben Zweck angestellt. Bei Hunden wurde durch einen Schnitt in der Linea alba die Bauchhöhle ge- öffnet und zwar so weit, dass die Oeffnung einem Finger und zu gleicher Zeit einem mit Bindfaden bewaffneten Haken den Durchgang gestattete. Die Aorta abdominalis wurde unter dem Abgang der Nierenarterien auf den Haken gelegt und nach oben gezogen, so dass der Haken gegen den Bindfaden ausgewechselt werden konnte. Auf diese Weise konnte die Aorta, wenn nöthig, jedesmal leicht aus der Bauchhöhle hervorgezogen werden Hierauf wurde die V. cruralis herauspräparirt und mit einem Röhrchen ver- sehen, welches gestattete aus dem peripheren Theil des Hinterbeines venöses Blut abfliessen zu lassen. Jetzt wurde die Aorta unter den Nierenarterien mittelst einer starken Pincette verschlossen und eine Lösung von Jodkalium in das operirte Hinterbein subcutan eingespritzt. Das Salz konnte nun mit dem Lymphstrom in den Ductus thoracicus Blutgefässe' als Resorption sweg. 149 fliessen, von hier in die V. anonyma, das rechte Herz, die Lungen und so in das linke Herz. Letzteres konnte dann das Salz in die Aorta abdominalis treiben, nicht weiter aber als bis an die Stelle, wo die Pincette angelegt war. In die Hinterbeine konnte das Jodkalium also nicht gelangen. Trotzdem stellte sich heraus, dass die Blutstropfen, welche während des Aortaverschlusses aus der V. cruralis gewonnen werden konnten, deutlich Jodkalium enthielten. Wurde der Aortaverschluss einen Augenblick aufgehoben, so ling das schwarze Blut an, schneller als vorher, mit grossen Tropfen aus der Vena zu Üiessen. Der erste Cubikcentimeter zeigte wieder starke Jodkaliunireaction. Es liegt auf der Hand, dass dieser Cubikcentimeter nicht von dem arteriellen Blute stammen konnte, das sich oberhalb des Verschlusses be- fand. W^ährend des Aortaverschlusses zeigte die freigelegte A. cruralis absolut keinen t'uls. Bisher hatte man sich nur mit solchen Stoffen beschäftigt, die unter normalen Umständen in der Blutbahn nicht vorkommen. Es erschien Starling darum erwünscht, auch die Resorption von normal im Körper vorkommenden Substanzen, und zwar in isotonischer Concen- tration, einer Untersuchung zu unterziehen ['22]. Von vornherein vrar zu erwarten, wie das Resultat lauten würde. Es ist ja eine altbekannte Thatsache, dass bei Blutentziehung das Blut hydrämisch wird, d. h. dass die relative Anzahl der körperlichen Ele- mente und auch der Eiweissgehalt abnimmt, was nur so zu erklären ist, dass Gewebsflüssigkeit in die Blutbahn eindringt. Freilich kann letz- teres auf zweierlei Weise geschehen: durch Vermittelung des Ductus thoracicus oder in directer Weise durch die Blutgefässe. Es ist nicht schwer, zwischen beiden Möglichkeiten zu entscheiden. Geschieht es durch Uebertritt in den Ductus thoracicus, so muss der Lymphstrom durch diesen Kanal bei Blutentziehung zunehmen. Das Experiment lehrt aber, dass der Lymphstrom sich im Gegentheil verringert. Es muss also Gewebsflüssigkeit unmittelbar in die feinen Blutgefässe hinüber- gewandert sein. Da die Eingeweide bei weitem den grössten Theil der Lymphe liefern, konnte man bezweifeln, ob der beschriebene Vorgang auch in den Geweben des Rumpfes stattfindet. Es stellte sich aber heraus, dass nach Entfernung der Eingeweide eine Verdünnung des Blutes nach Blutentziehung ebensowenig ausbleibt. Die directe Resorp- tion durch die Blutgefässe scheint sich also im ganzen Körper zu voll- ziehen, eine Ansicht, welche durch früher von Lazarus-Bar low nach Blutentziehungen ausgeführte Bestimmungen des specifischen Gewichtes der Gewebe [28] noch gestützt wird. Um aber die Resorption mit dem Blutplasma isotonischer Flüssig- keiten durch die Blutgefässe über allen Zweifel zu erheben und bei den 150 Resorption in Gewebespalten. Experimenten jede Möglichkeit einer Mitwirkung der Lymphbahnen auszuschliessen, stellte Starling noch nene Versuche an [22]. Einem Hunde wurde Blut entzogen; dieses Blut wurde defibrinirt und nach Entfernung des Fibrins injicirt. Diese Behandlung wurde 5 — 6 mal wiederholt, um einer späteren Gerinnung in den Capillaren vorzubeugen. Nachher Hess er das Thier verbluten und hierauf wurden Canülen in die beiden Aortae femorales und Venae femorales eingeführt. Weiter wurde in das Unterhautbindegewebe des rechten Beines ein künstliches Oedem von 1 — 1,05 °/o-iger NaCl-Lösung angebracht und unter einem Druck von 65 — 85 mm Hg Blut durch die Arterien geführt. Nachdem das 12 — 25 mal geschehen war, wurde das Blut untersucht. Nun stellte sich heraus, dass das durch das normale (linke) Bein geführte Blut kaum eine Veränderung erfahren hatte. Das Blut aus dem rechten Bein aber hatte unzweifelbar resorbirt : der Hämoglobingehalt hatte ab- genommen, der Eiweissgehalt des Serums ebenso. Es unterliegt also keinem Zweifel, dass die in den Gewebespalten liegenden Blutgefässe im Stande sind, eine isotonische NaCl-Lösung zu resorbiren. Jetzt konnte Starling sich die Frage vorlegen: Wie kommt die Resorption durch die Blutgefässe zu Stande? In erster Linie kann man an eine Filtration („Backfiltration") denken, wobei natürlich der extracapillare Druck grösser sein muss als der intracapillare. Ob ein derartiger Zustand möglich ist, darüber scheinen die Versuche von Kiemensie wicz [29] Auskunft zu geben. Dieser Forscher brachte ein Stück Darm in ein Glasrohr und liess dann durch diesen Darm eine Flüssigkeit strömen. Anfangs beobachtete er Transsudation durch die Darmwand und Druckzunahme im Mantelraum (Raum zwischen Darmwand und Glasrohr;. Sobald aber der Druck im Mantelraum am distalen Ende den Druck er- reicht hatte, welcher im entsprechenden Ende des Darms herrschte, fiel letzterer an dieser Stelle zusammen. Im übrigen Theil des Darmes aber setzte sich die Trans- sudation fort und endlich stieg der Druck im Mantelraum derart, dass der grösste Theil des Darmes zusammengedrückt wurde. Auf diese Weise gestaltet sich nach Klemensiew icz die Sache auch beim Oedem. Je mehr Oedem sich bildet, desto mehr werden die Venen comprimirt, und endlich versiegt der venöse Blutstrom vollkommen, sodass ein Rückgang des Oedems in den Blutstrom ganz unmöglich wird. Natürhch kann die Schlussfolgerung von Klem en sie wicz nur dann auf das Leben übertragen werden, wenn die anatomischen Verhältnisse in den Gewichen seinem physikalischen Experimente entsprechen. Das ist aber, wie Starling bemerkt, nicht immer der Fall, denn die Capil- Rückwärts-Filtrafon. 151 laren liegen in dem Unterhautbindegewebe nicht so frei wie der Darm im Glasrohr. Sie sind mittelst radiärer Fasern mit der Wand der Spalten verbunden, sodass von einem Zusammenfallen der Capillaren nicht die Rede sein kann. Die Venen hingegen sind nicht in dieser Weise mit ihrer Umgebung verbunden. Eine Zusammendrückung der Venen scheint also nicht ausgeschlossen zu sein. Indessen muss, wie Starling bemerkt, das physiologische Experiment entscheiden. Es zeigte sich nun, dass, als der Fliissigkeitsdruck im Unterhaut- bindegewebe stieg, auch der Druck in den Venen zunahm, die Ausfiuss- geschwindigkeit sich aber verringerte (Tabelle S. 155). Dieser Versuch entspricht also nach Starling den Bedingungen von Kiemen sie wicz. Starling hat diese Versuche an der Glandula subniaxillaris als Drüsen- typus und an der Zunge als Typus von Muskeln wiederholt und zwar mit demselben Resultat. Nach diesem Autor ist man hiernach berech- tigt zu schliessen, dass eine Resorption von Flüssigkeit aus den Geweben in die Blutgefässe (Backfiltration) wenigstens im Unterhautbindege- webe, in Muskeln und in Drüsen, welche eine analoge Struktur wie diejenige der Glandula submaxillaris besitzen, nicht möglich ist; denn es zeigte sich wie gesagt, dass bei gesteigertem extracapillarem Druck der Abtluss von venösem Blute abnahm statt zunahm. Wie ich aber bald nachweisen werde, war diese Schlussfolgerung nicht berechtigt. (Siehe unten, S. 154). Wenn nun eine ,, Backfiltration" nach Starling nicht möglich ist, wie ist dann die Resorption von Flüssigkeit aus den Gewebespalten seitens der Blutcapillaren nach ihm zu erklären? Hier denkt der Verfasser an den Eiweissgehalt des Serums. Man denke sich zwei Gefässe A und B, getrennt durch eine Mem- bran M, die Wasser und Salzen freien Durchgang gestattet. Das. Ge- fäss B ist sehr gross in Vergleich zu A. Beide Gefässe sind gefüllt mit einer l°/oigen Kochsalz- lösung ; in B hat man ausserdem eine Substanz auf- gelöst, für welche die Membran nicht permeabel ist; diese Substanz sei Eiweiss. In Folge dieses Eiweissgehaltes wird der osmotische Druck in B Yig. 5. den in A übertrefl:'en. Dem zu Folge wird Wasser aus A nach B hinüberdiffundiren. Dadurch steigt aber die Concentra- tion der NaCl-Lösung in A und nun muss eine gewisse Menge NaCl durch Diffusion aus A nach B hinüberwandern. In Folge dessen nimmt aber der osmotische Druck in A ab, und es wird Wasser durch B an- 152 Resorption in Gewebespalten. gezogen. Auf diese Weise werden sowohl Wasser wie NaCl nach einiger Zeit aus A verschwunden sein. Diese Versuchsanordnung gleicht in hohem Maasse dem Zustand im Körper. A stellt die Gewebespalte vor, ihr Flüssigkeitsinhalt ist die eiweissarme Lymphe. B stellt das Blut- gefässsystem vor, dessen Inhalt, das Blut, durch die Nierenthätigkeit ständig von der aufgenommenen Flüssigkeit befreit wird. Die Membran M ist die Capillarwand, welche für Wasser leicht, für Krystalloide weniger, aber doch immer noch sehr leicht permeabel ist, dem Eiweiss dagegen nur in beschränktem Maasse den Durchgang gestattet. Es ist also die Differenz iniEiweissgehalt von Blutplasma und Lymphe, welche die Resorption von Gewebeflüssigkeit in die Blutbahn veranlasst. Starling hat die Grösse des osmotischen Drucks des im Serum vorhandenen Eiweisses direct gemessen. Hierzu wurde nach dem Vor- gang von Lazarus-Barlow [30] ein verticales trichterförmiges Rohr, dessen Erweiterung mit Kalbsperitoneum und Gelatine verschlossen war, mit der Membran nach unten in eine schwach hyperisotonische NaCl- Lösung gesetzt (1,03 °/o); das Osmometer selbst war mit Serum gefüllt. Zwei bis drei Stunden nach Beginn des Versuches sah man bereits ein Ansteigen der Flüssigkeit im Osmometer. Die Steigung hielt 3 bis 4 Tage an, bis sie 30 bis 41 mm Quecksilber betrug. Am Ende des Ver- suchs war die Gefrierpunkterniedrigung der Flüssigkeit innerhalb und ausserhalb des Osmometers gleich. Die Bedeutung dieser Messungsresul- tate liegt nach Starling in der Thatsache, dass, obgleich der osmotische Druck der Proteide des Plasma geringfügig ist, derselbe doch von der selben Grössenordnung ist wie der Capillardruck. Nun wird nach Starlings Vorstellung auch die Lymphbildung durch den Capillardruck beherrscht. Je grösser der intracapillare Druck ist, desto mehr Flüssigkeit wird hindurchgepresst , und da der Uebergang von Eiweiss damit nicht gleichen Schritt hält, wird die Lymphe bei gesteigertem Capillardruck auch verdünnter, d. h. eiweiss- ärmer. Je eiweissärmer aber die Lymphe ist^ um so stärker wird der hohe Eiweissgehalt des Blutplasma sich bei der Resorption der Gewebe- flüssigkeit seitens der Blutcapillaren geltend machen. So entsteht dann eine feine Balancirung der in den Gewebspalten vorhandenen Lymph- menge. Ich füge hinzu, dass diese Anschauungen über die Bedeutung des Eiweiss für die Resorption von Salzlösungen, die mit dem Blutstrom isotonisch sind, ungefähr gleichzeitig auch von Cohnstein [31] ausge- sprochen wurden. Resorption von Serum. 153 Starling ist sich wohl bewusst, dass seine Erklärung zwar auch für die Resorption von in die Gewebespalten eingespritzten Salzlösungen zutrift't; nicht aber auf diejenige eines in gleicher Weise hervorgeru- fenen Blutserumödems, denn in diesem Falle ist von einem intra- und extra- capillaren Unterschied im Eiweissgehalt nicht mehr die Rede. Anderer- seits weist er aber darauf hin, dass die zwei Versuche, um Serum aus einem künstlichen Serumödem durch die Blutgefässe resorbiren zu lassen, im Gegensatz zu dem, was beim Kochsalzödem geschah, ent- schieden negativ ausfielen. Auch in der Pleurahöhle konnte nur eine äusserst schwache Resorption des Serums constatirt werden. Er ist in Folge dessen geneigt, die Resorption von Serum durch die Blutge- fässe ganz in Abrede zu stellen. Sonach würden Exsudate und Trans- sudate sich aus Gewebespalten und serösen Höhlen ausschliesslich durch die Lymphbahnen entfernen. Ob Starling zu dieser Schlussfolgerung berechtigt ist, darf bezweifelt werden. Zunächst ist zu bemerken, dass bei denjenigen seiner Versuche, welche bezweckten, das Serumödem zum Verschwinden zu bringen , der künstliche Blutstrom viel langsamer war als im leben- den Körper. Weiter sind auch noch die Experimente von 0 r 1 o w [9] zu erwähnen, bei denen eine bedeutende Serummenge aus der Bauch- höhle verschwand, ohne dass der Lymphstrom aus dem Ductus thoracicus nur einigermassen beschleunigt war. Schliesslich gehören auch meine eigenen Versuche hierher. Auch aus diesen ging unwiderleglich her- vor, dass die Blutgefässe in serösen Höhlen zur Resorption von Serum im Stande sind, denn sowohl bei lebenden Thieren, bei denen der Ductus thoracicus unterbunden war, als auch bei todten Thieren war ein erhebliches Verschwinden von Serum aus der Bauchhöhle zu con- statiren. Und wer wird nach den Versuchen Heidenhain's am Dünn- darm noch bezweifeln , dass auch daraus Serum verschwinden kann 'i Man wird entgegnen können, dass es sich hier nicht um eine seröse Haut handelt, sondern um eine Schleimhaut; aber nachdem das Serum das Epithel der Mucosa passirt hat, wird es — wie wir aus der Arbeit von S c h m i d t- M ü 1 h e i m [32 j in L u d w i g's Laboratorium und aus den Versuchen von L Munk [33] und von Munk und Rosen stein [34] an der Chylusfistel eines Menschen sicher wissen — wenn auch nicht ganz ausschliesslich, so doch zum bei weitem grössten Theil in die Blutgefässe aufgenommen. Die Experimente von Asher und Barbera [35], nach welchen bei einem Hunde, der 60 Tage gefastet hatte und bei dem dann Eiweiss in den Magen eingeführt wurde, die aus dem Ductus thoracicus tliessende 154 Resorption in Gewebespalten. Lymphe an Volumen und Eiweissgehalt zunahm, schliessen eine Resorption auch seitens der Blutgefässe nicht aus. Wohl aber darf man sich die Frage vorlegen, ob die aus dem Ductus thoracicus tliessende Lymphe ihr Mehr an Eiweiss direct aus den Lymphgefässen bezogen hat. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, dass das Eiweiss direct in die Blutgefässe aufgenommen und erst nachher in die Lymph- gefässe abgeschieden wurde. Andererseits ist theoretisch kaum zu bezweifeln, dass in der Magen- (und Darm-) Schleimbaut ein wenig des resorbirten Eiweisses dem Weg der Gewebespalten und Lymphbahnen folgen wird, ohne in die Blutbahn einzutreten. Ich glaube demnach, dass die Blutgefässe zur directen Resorption von Serum (und somit auch von Transsudat- und Exsudatflüssigkeiten) wohl im Stande sind. Wie gesagt, ist Starling's Vorstellung des Resorptionsmechanismus nicht im Stande, von der Resorption des Eiweisses eine Erklärung zu geben. Der meinigen fällt das nicht schwer. Nach dieser wird das Serum nach Imbibition in die Capillarwand mit dem Blutstrom aus den Binde- gewebespalten weggeführt, ähnlich wie im schematischen Versuch mit der Gelatinemembran. Wie man sich erinnert, schien es für das Gelingen dieses Versuches erforderlich, dass der Druck im Innenrohr kleiner ist als der im Mantelraum. Nach Starling schafft man dadurch aber einen Zustand, der im Leben nicht besteht, denn Starling glaubt in derselben Arbeit nachgewiesen zu haben, dass bei Steigerung des extra- vascularen Druckes die Resorption nicht zu-, sondern abnimmt. Bei meinem Apparat ist gerade das Umgekehrte der Fall. Ich glaube, dass Starling sich hier irrt. Wegen der Wichtigkeit dieser Angelegenheit muss ich das Ex- periment, auf welchem die Ansicht Starling's beruht, in extenso besprechen. Bei einem Hund mittlerer Grösse wurde das Blut erst mtra vitam detibrinirt (S. 150). Dann wurde eine T-Canüle in den Verlauf einer der Dorsalvenen des Fusses eingebunden und mit einem mit Salzlösung gefüllten Manometer in Verbindung ge- bracht. Höher, in der Richtung des Knies, wurde in die V. saphena interna eine Canüle gebracht, durch welche Blut abfiiessen konnte. Das ausfliessende Blut wurde aufge- fangen und gemessen. Ferner wurde eine scharfe Canüle in das Unterhautbindege- webe in der Nähe der V. saphena interna gesteckt. Diese Canüle stand in Ver- bindung mit einer mit Kochsalzlösung gefüllten Flasche, deren Höhenlage verändert werden konnte. Endlich wurden zwei Southey - Rölirchen C und D in verschiedener Höhe in das Unterhautbindegewebe gesteckt; sie standen mit Wassermanometern in Ver- bindung. Versuch von S t a r 1 i n g. 155 Einfluss des extravascularen Dnuks auf dem Blntstioiu in den Venen Hund von 7 kg. Zeit Pussveno Injeetionsnadel Southey-Rohr C tsouthey-Kohr D Aus der Vena saphena tröpfelnde Blutmenge 2 h 25' — — — 4,2 cc 2 h 35' 122 — — — 2,8 „ 2 h 50' 118 — — — 2,8 „ (in 15 Min.) 3hO' 108 — — — 1,8 „ 3 h 10' 103 — — — 1,5 „ 3 h 10' Injection von Po N; iCl in das Ui iterhautbindegewebe 3 h 20' 105 315 — — 1,3 ,. 3 h 80' ? 315 — 155 0,8 „ 3 h 40' 133 355 145 155 0,4 „ 3 h 50' 170 265' 157 165 0,4 „ 3 h 50 Injection hört auf 4h0' 120 107 108 97 0,5 „ 4 h 15' 110 SO 80 70 1,8 „ (in 15 Min.) 4 h 15' Injection wieder begonnen 4 h 25' 183 235 130 155 1,3 ,. 4 h 40' 220 245 160 180 1,8 „ (in 15 Min.) 4 h 40' Injection hört auf 4 h 50' 160 110 110 102 1,3 „ 5h0' 145 93 97 88 1,6 „ 5 h 10' 137 80 95 75 1,8 „ 5 h 20' 132 76 87 68 2,0 „ 5 h 30' 127 70 85 67 2,4 ,. Ans diesem Experiment folgert Starling, dass mit der Druckstei- gerung in den Bindegewebspalten durch künstliches Oedem, der Druck in den Fussvenen zunahm, während der AusÜuss des Blutes aus der Vena saphena sank. Er interpretirt das folgend ermaassen. Eine Druck- steigerung in den Bindegewebespalten des Beines führt ein Zusammen- fallen der grossen Venen und dadurch einen erhöhten Druck in den peripheren Venen und Capillaren herbei. Betrachtet man nun die Tabelle genau, so sieht man, dass bereits vor Einspritzung einer Salzlösung der Blutausfluss von 4,2 bis 1,5 cc in zehn Minuten abnahm. Das erregt kein Vertrauen zu der Methode. Weiter sieht man nur im letzten Stadium des Versuchs (4 h 50' bis 5h 30') bei einer Druckabnalime der zu injicirenden Flüssigkeit von 110 bis auf 70 mm eine regelmässige Steigerung des Blutausflusses aus der Vene. Ferner ist um 3 h 20' bei einem Injectionsdruck von 315 mm der Ausfluss ebenso gross wie um 4 h 25' bei einem Injectionsdruck von 235 mm und um 4 h 50' bei einem Injectionsdruck von 110 mm. 156 Resoi'ption in Gewebespalten. Aus diesen Versuchsergebnissen kann man also kaum schliessen, (lass mit gesteigertem extravascularem Druck der AusÜuss von Blut aus den Venen abnimmt. Aber selbst wenn die Resultate Starlings ihn dazu wohl berech- tigten, so wäre es doch nicht erlaubt daraus zu schliessen, dass bei ge- steigertem extracapillaren Druck auch die Resorption abnimmt. Denn zunächst wurde doch der Druck auf die Vena saphena ausgeübt und nicht auf die Capillaren des Fussrückens, wo die Resorption stattfinden nmss; aber selbst, wenn der Druck dorten ausgeübt wäre, so wäre die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass derselbe in den Versuchen Star- lings zu hoch war. Wahrscheinlich handelt es sich hier um einen ähn- lichen Fall wie beim Einfluss des Druckes auf die Resorption in der Bauchhöhle. Bei sehr geringen hydrostatischen Druckgefällen (90 bis 140 mm Wasser) nahm die Resorption mit dem Druck zu, bei höheren Gefällen 140 — 300 mm nahm sie ab. (Vergl. S. 128). Die Ursache dieser Erscheinung fand ich darin, dass bei geringeren Drucken die Zusammen- pressung der (an sich wenig permeablen) Venen nicht zum Ausdruck kommt und dass in diesem Fall die Steigerung des extracapillaren Drucks die Resorption in den Capillaren befördert, ohne dass der Abiluss von Blut aus den Venen beeinträchtigt wird (S. 130). Man kann sich weiter die Frage vorlegen, ob man Grund hat an- zunehmen, dass auch unter normalen Umständen der intracapillare Druck kleiner ist als der extracapillare. Im arteriellen (proximalen) Theil der Capillaren ist dies nicht wahrscheinlich. Im venösen (distalen) Theile, wo der intracapillare Druck bedeutend abgenommen haben muss, kann dagegen der intracapillare Druck sich dem extracapillaren sehr wohl genähert haben, zumal weil letzterer durch den ständigen Lymph- zufluss sich selbst steigert. Somit würde die mitschleppende Wirkung des Blutstroms im distalen Ende des Capillarsystems zur Geltung kommen. Es kommt mir sehr wahrscheinlich vor, dass die Resorption in diesem Theil des Capillargebietes ausserdem noch dadurch befördert werden muss, dass das Blutplasma des venösen Blutes, je länger es die Capillaren durchströmt hat, um so COg-reicher und damit um so reicher an Eiweissstoffen wird. Erwähnen wir noch, dass sich auch Roth [36] dem Gedanken an eine Resorption von Wasser vorzugsweise am distalen Ende des Capillargebietes angeschlossen hat, wenn auch aus anderen Gründen. Auch Starling [22] scheint in seinem citirten Artikel in Schäfer 's Handbuch dazu geneigt. Permeabilität der Capillaren. 157 Wie ich mir nun scliliesslich die Resorption von serösen und nicht serösen Flüssigkeiten in den Bindegewebespalten denke, werde ich in der „Zusammenfassung" noch einmal beschreiben. Ich erwähne hier nur vorläufig, dass, ebenso wie bei der Resorption in serösen Höhlen, in der Hauptsache die folgenden Factoren zusammenwirken : Imbibition, mitschleppende Wirkung des Blutstromes, osmotischer Druck, Filtra- tionsdruck. Diffusion und wasseranziehende Kraft des Eiweisses. Es wird anerkannt werden müssen, dass man mit den Untersuch- ungen der letzteren Jahre dem Verständniss des Resorptionsprocesses näher gekommen ist. Dennoch stehen wir noch im Anfang. Bereits jetzt aber ist es z. B. als sicher zu erachten, dass Starling und Cohnstein sich die Permeabihtät der Capillaren für die Krystalloide zu einfach vorstellen. Sie meinen, dass die Haargefässe in gleichem Grade den verschiedenen Salzen den Durchgang gestatten. Starling stützt sich hierbei auf die Beobachtungen von Leathes [37], nach welchen die Auswechslung von Salzen durch die Capillarwand mit un- gemeiner Schnelligkeit stattfindet, so dass nach ihm praktisch ein Unter- schied in der Diffusionsgeschwindigkeit nicht in Betracht kommt. Dass aber dennoch ein greifbarer Unterschied bestehen muss, wird bereits durch die Versuche von Lazarus -Barlow [30] an künstlichen Membranen (mit Gelatine bedecktes Kalbsperitoneum) sehr wahrscheinlich gemacht. Hiernach wandern Harnstoff, Kochsalz und Traubenzucker mit verschiedener Geschwindigkeit hindurch. Ausserdem haben die Untersuch- ungen von Roth [36] die Resultate vonLazarus-Barlow am Peritoneum des lebenden Thieres vollkommen bestätigt. Roth brachte isotonische Lösungen von Harnstoff, NaCl und Traubenzucker in die Peritoneal- höhle von Kaninchen und liess, um eine Ptesorption seitens der Lympli- gefässe auszuschliessen , dieselben nur zehn Minuten darin verweilen. Er constatirte dann, dass Harnstoff am schnellsten aufgenommen wurde, dann folgte NaCl ; Traubenzucker wurde am langsamsten aufgenommen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass man künftig bei eingehenderen Studien über die Lymphbildung und die Resorption auch bei den ein- zelnen Organen der Verschiedenheit der Permeabilität Rechnung zu tragen haben wird. Auch die Permeabilität der Capillaren für die verschiedenen Ionen wird nicht ausser Betracht bleiben können. (Vergl. das Kapitel ,,Lymphbildung", S. 65.) 158 Resorption in serösen Höhleu. 5. Zusammenfassung und Schluss. Nachdem im Lichte der neuen physikalisch-chemischen Lehre, der Lymphbildung eine eingehende neue Bearbeitung zu Theil geworden war, konnte es nicht ausbleiben, dass auch das Resorptionsproblem kräftig in Angriff genommen wurde. In erster Linie war es unerlässhch, Sicherheit über die Frage zu erlangen, wie weit die Resorption aus serösen Höhlen und aus Binde- gewebespalten mit Hülfe der Blutgefässe oder der Lymphba-hnen zu Stande kommt \). Zwar hatte Magen die auf eine directe und kräftige Betheiligung der Blutgefässe hingewiesen, aber die Entdeckung von Recklinghausen, dass im Zwerchfell eine Vorrichtung vorhanden ist, die als Saug- und Presspumpe, synchron mit der Athmung arbeitend, Flüssigkeit aus der Bauchhöhle zu entfernen im Stande ist, und weiter die von Ludwig und Schweigger-Seidell gefundene wunderbare An- ordnung und Wirkung der Lymphbahnen in der Pleura, in den Fascien und anderen Orten, hatten die Bedeutung der Lymphbahnen derart in den Vordergrund gestellt, dass an die Mitwirkung der Blutgefässe kaum mehr gedacht wurde. Es war daher nicht überflüssig, dass das Problem noch einmal in Angriff genommen wurde, zumal die Versuclismethoden von Magen die nicht einwandfrei waren. So injicirte ich in Gemeinschaft mit Herrn van Harreveit, nach Unterbindung der Aorta abdominalis, in das Unterhautbindegewebe des Hinterbeines von Hunden eine Lösung von KJ und von Ferrocyanka- lium und konnte unmittelbar nach Aufhebung der Unterbindung im nun- mehr abfliessenden Blut der V. cruralis diese Stoffe nachweisen. Asher zeigte, dass auf eine Wunde getröpfelte KJ-Lösung direct von den Blut- gefässen aufgenommen wurde. LTnd endlich wies Starling in einwand- freier Weise nach, dass, wenn am durchbluteten Hinterbeine eine mit dem Blutserum isotonische oder schwach hyperisotonische NaCl-Lösung in das Unterhautbindegewebe gespritzt wurde, NaCl direct in das Blut überging. Auch für die Resorption in den serösen Höhlen wurde eine Auf- saugung seitens der Blutgefässe ausser allem Zweifel gestellt. Starling und Tubby sahen Farbstofflösungen die in Pleura- oder Bauchhöhle ') Für den Mechanismus der Resorption gelten bei den serösen Höhlen dieselben Erwägungen, wie bei den Bindegewebespalten, denn nachdem die Flüssigkeit, die für Wasser und Salze leicht und für Ei weiss schwer permeable Kndothelschicht passirt hat, handelt es sich um dieselben Verhältnisse. Zusammenfassung. 159 einverleibt waren, weit früher im Harn als in der Lymphe des Ductus thoracicus erscheinen. 0 r 1 o w constatirte, dass, trotz kräftiger Flüssig- keitsresorption in der Bauchhöhle, der Lymphstrom aus dem Ductus thoracicus nicht gesteigert war und ich selbst sah die Resorption in der Bauchhöhle nicht abnehmen, nachdem die Vena anonyma beider- seits der Einmündung des Ductus thoracicus unterbunden war. Es unterliegt also keinem Zweifel, dass bei der Resorption in den Bindege- webespalten und serösen Höhlen die Blutgefässe die Hauptrolle spielen, die Lymphbahnen dagegen eine untergeordnete Bedeutung haben, was mit der Erfahrung wohl übereinstimmt, dass subcutan injicirte Arznei- mittel und Gifte ausserordentlich schnell zur Wirkung kommen, während doch der Lymphstrom ein sehr langsamer ist. Sodann versuchte Orlow unter Heidenhain's Leitung die Frage zu beantworten, auf welche Weise die Resorption durch die Blut- gefässe des Peritoneum zu Stande kam. Bei seinen Versuchen beobachtete er Erscheinungen die theilweise durch osmotische Wirkung zu erklären waren, theilweise aber damit nicht in Einklang zu stehen schienen. Zu den letzteren gehörte ins- besondere die Aufsaugung von Blutserum und von mit dem Blutserum des Versuchsthieres isotonischen Salzlösungen. Er sah sich deshalb ge- nöthigt, zu schli essen, dass es sich bei der Resorption um eine physika- lische und um eine physiologische Triebkraft handelt, welch letztere am Leben der Zelle gebunden ist. Diese Ansicht wurde durch die Beob- achtung gestützt, dass die Resorption von Salzlösungen ganz anders ver- lief, wenn das Bauchfell mittelst NaFl geschädigt war. Bald aber wurden diese Anschauungen von mir bestritten. Nach- dem ich gezeigt hatte, dass anisotonische Salzlösungen nach Einver- leibung in Folge osmotischen Austausches stets mit der Blutflüssigkeit des Thieres isotonisch wurden und dass isotonische Lösungen während des Aufenthaltes in der Bauch- und Pericardialhöhle isotonisch blieben, konnte ich nachweisen , dass ein Verschwinden von mit dem Blutserum isotonischen Salzlösungen bei Thieren beobachtet werden konnte, die bereits mehrere Stunden, selbst Tage, todt waren. Hieraus ging hervor, dass die Annahme einer Lebensäusserung hier überflüssig war. Lidessen könnte gegen diese Schlussfolgerung angeführt werden, dass die Möglichkeit nicht ausgeschlossen war, das Bauchfell sei nach zwei oder drei Tagen noch nicht abgestorben. Und in der That, dieser Einwand wäre nicht ganz unberechtigt. Weisse Blutkörperchen behalten 160 Resorption in serösen Höhlen. z. B. zwei bis drei Tage nach der Blutentziehung ihre Fähigkeit, amöboide Bewegungen auszuführen und feste Partikelchen in sich aufzunehmen. Die Experimente wurden deshalb an todten Thieren wiederholt und auch an lebenden , deren Peritoneum thermisch oder chemisch in be- deutendem Maasse geschädigt war. Die thermische Schädigung geschah dadurch, dass die Salzlösung vor deren Einverleibung auf 100° erhitzt war, die chemische durch freie Salzsäure. Aber trotz dieser Schädigungen zeigten sich dieselben Resorptionserscheinungen, wie bei normalen Thieren. Musste also die Annahme einer Lebensäusserung von der Hand gewiesen werden, so blieb es eine offene Frage, wie die Resorption dann zu erklären wäre. Ich glaube, diese Erklärung in der Imbibition und in der mit- schleppenden Wirkung des Blutstromes gefunden zu haben. Mit Ad. Fick kann man zwei Formen von Imbibition unter- scheiden: moleculare und capillare Imbibition. Unter molecularer Im- bibition ist die Aufnahme von Flüssigkeit durch homogene Substanzen, wie Gelatine, Agar-Agar, zu verstehen, während man unter capillarer Imbibition die Aufnahme von Flüssigkeiten in Poren und Kanäle poröser Körper, wie Bindegewebe, Thonerde etc., versteht. Ich stelle mir nun vor, dass, wenn sich z. B. Flüssigkeit in der Bauchhöhle befindet, die homogene Kittsubstanz, die sich zwischen den Endothelzellen befindet, durch moleculare Imbibition Flüssigkeit auf- nimmt. Dann setzt die Flüssigkeit durch capillare Imbibition den Weg durch die Bindegewebespalten fort, um zu einem kleinen Theil durch den Lymphstrom mitgeführt zu werden und im Uebrigen durch moleculare Imbi- bition in die Kittsubstanz des Capillarendothels aufgenommen zu werden. Nun ist die Imbibitionsfähigkeit der Gewebe beschränkt; ein be- kanntes Gewebevolumen kann nur ein beschränktes Flüssigkeitsquantum aufnehmen und nach einiger Zeit würde eine maximale Quellung erreicht sein und fortbestehen bleiben, wenn nicht die in die Blutcapillaren auf- genommene Flüssigkeit durch den Blutstrom fortwährend fortgeführt und immer wieder durch neue ersetzt würde. *) Nicht nur die Blutgefässe führen die imbibirten Flüssigkeiten ab, auch die Lymphbahnen unterstützen die Weiterbeförderung, obgleich in geringerem Maasse, weil der Lymphstrom schwach ist. Daher rührt es auch, dass nach starken Blutverlusten die intra peritoneale Trans- fusion von Blut keine lebensrettende Wirkung bringt, während intra- *) Für die Beantwortung von Friedenthal's Einwände gegen die Anwen- dung der Capillaren Imbibition bei der Resorption vergleiche man im fünften Kapitel „die Resorption im Darme" unter b ß. Zusammenfassung. IGl venöse Injection das wolil thut. Ausserdem können die rothen Blut- körperclien, auf die es in den extremen Fällen eben ankommt, ledig- lich vermittelst des Lymphbahnensystems des Zwerchfells in die Cir- culation gelangen. Indessen konnte noch die Frage erhoben werden, wie weit die postmortal noch bestehende Structur der Ciewebe für die Erscheinungen verantwortlich gemacht werden muss. Deshalb wurde versucht, die Resorptionserscheinungen bei künst- lichen homogenen Membranen nachzuahmen. Das Blutgefäss wurde durch ein Gelatinerohr ersetzt, die Gewebespalten durch einen dasselbe umgebenden Mantelraum. Befand sich nun irgend eine Flüssigkeit, sei es ein& isotonische, hyperisotonische oder hypisotonische Salzlösung oder auch Serum im Mantelraum, und leitete man durch das Gelatinerohr einen Serumstrom, so wurde der Inhalt des Mantelrauras mitgeschleppt und zwar in um so bedeutenderem Maasse, je schneller der Serumstrom im Gelatinerohr war. Indessen spielten sich auch osmotische und Diffu- sionserscheinungen zwischen dem Inhalt des letzteren und dem des Mantelraumes ab. Weiter stellte sich heraus, dass der hydrostatische Druck beim Uebertritt von Flüssigkeit aus dem Mantelraum eine Rolle spielte. Je mehr der hydrostatische Druck im Mantelraum den im Gelatinerohr übertraf, um so schneller war der Uebergang. Diese Erscheinung gab Veranlassung, zu untersuchen, ob bei Steigerung des intraperitonealen Druckes auch der Uebergang von Flüssigkeit aus diesem Räume zu befördern wäre. Von vornherein war eine bestätigende Antwort zu erwarten, denn die tägliche Erfahrung lehrt, dass Druckverbände günstig auf die Resorption wirken. In der That stellte sich heraus, dass mit Steigerung des intra- abdominalen Druckes die Aufsaugung in hohem Maasse beschleunigt wurde. Nur oberhalb eines gewissen Betrages (bei Kaninchen 20 cm Wasserdruck) wurde das Entgegengesetzte beobachtet, indem die Re- sorption abnahm. Der Grund hierfür liegt in der Thatsache, dass bei höheren Druckwerthen die grösseren Venen, welche nicht wie die Capil- laren permeabel sind, eine merkbare Zusammenpressung erfahren, wo- durch der Abfluss des in die Capillaren Resorbirten behindert wird. Auch hier wird das Experiment durch die klinische Erfahrung bestätigt. Denn bei Stockung dei- Resorption von Transsudaten in stark gefüllten serösen Höhlen sieht man nach einer unansehnlichen Punktion Hamburger, Osmot. Druck. U. Bd. 11 162 Resorption in serösen Höhlen. den grossen Rest weiter spontan verschwinden. In der Hauptsache ward die Wirkung des hydrostatischen Druckes sich w^ohl im distalen Ende des Capillarsystems geltend machen, weil dort der intracapillare Druck kleiner ist als im proximalen (arteriellen) Theil , er in dieser Region also dem extracapillaren Druck eher nachsteht. Indessen hat Starling noch auf einen anderen Factor aufmerk- sam gemacht, der bei der Resorption von Krystalloidlösungen in serösen Höhlen und Bindegewebespalten eine bedeutende Rolle spielt. Es ist dies die wasseranziehende Wirkung des Eiweisses. Man denke sich ein Gefäss A und ein sehr viel grösseres Gefäss B. Beide sind getrennt durch eine Membran M, die für Wasser und auch für Salz sehr permeabel, aber nicht oder nur wenig permeabel für Eiweiss ist. In A befindet sich eine l^/oige NaCl-Lösung; in B ebenfalls, aber in letzterer Flüssigkeit hat man auch noch etwas Eiweiss gelöst. Hierdurch besitzt die Flüssigkeit Pig 6. in B einen etwas höheren osmotischen Druck als die Lösung A und demzufolge wird aus A Wasser nach B übergehen und zwar so lange, bis der osmotische Druck in A derselbe geworden ist wie in B. Das Gefäss B ist, wie gesagt, sehr gross und der Eintritt von Wasser oder Salz aus A hat auf die Zusammensetzung des Inhalts von B keinen wesentlichen Einfluss. Die Auswanderung von Wasser aus A hat natürlich eine Stei- gerung der NaCl-Concentration zur Folge. Da aber die Membran für Salz sehr permeabel ist, wii'd das IJebermaass von NaCl durch Diffusion in B übergehen: auf diese Weise ist nach Hinauswanderung erst von Wasser, dann von Salz nach B der ursprüngliche Zustand wieder her- gestellt und der grössere osmotische Druck in B wird sich aufs Neue geltend machen. Erst wird Wasser aus A angezogen, nachher wird Salz durch Diffusion folgen , etc. , bis die ganze Salzlösung aus A nach B hinübergegangen ist. Setzt man für die Flüssigkeit A die Gewebeflüssigkeit, für die Flüssigkeit B das Blutplasma, für M die Capillarwand, so hat man den Zustand, wie er sich beim Resorptionsprocess im lebenden Körper dar- bietet. Ist doch der Eiweissgehalt des Blutes viel grösser, als der der Gewebeflüssigkeit! Diese Vorstellung über den wasseranziehenden Ein- fluss coUoider Substanzen findet eine Stütze in der Beobachtung von Czerny [38], dass nach intravenöser Einverleibung coUoider Substanzen das Flüssigkeitsvolumen des Blutes zunimmt und lange Zeit vermehrt Zusammenfassung. 10!) bleibt. Die relative Zahl der Blutkörperchen bleibt dementsprechend lange Zeit herabgesetzt. Starling sieht in der von ihm gedachten Anordnung eine feine Balancirung der GewebeÜüssigkeitsmengo. Steigt nämlich der Capillar- druck, so vermehrt sich die Lymphmenge und die Lymphe selbst wird eiweissärmer: denn bei Drucksteigerung hält die Vermehrung des Ei- weissdurchganges durch die Capillaren mit der Vermehrung der trans- sudirenden Krystalloidlösung nicht gleichen Schritt. Wird aber die Lymphe eiweissärmer, so ist, da der Gehalt des Blutplasma an Eiweiss unverändert bleibt, das Uebermaass dieser colloiden Substanz in den Capillaren ein grösseres und die Resorption seitens der Blutgefässe steigert sich. Dieselbe Auffassung über die Bedeutung des Eiweiss für die Re- sorption hat ungefähr gleichzeitig auch Cohnstein ausgesprochen und Roth schloss sich dieser Vorstellung an. Ich selbst thue das auch unbedingt und füge noch hinzu, dass im distalen Theil eines Capillar- gcbietes die resorbirende Wirkung des Eiweisses grösser sein wird als im proximalen Theil, weil der procentische Eiweissgehalt des Plasma durch die Einwirkung der COo auf das Blut zugenommen hat. Das mag eine zweite Ursache sein, wodurch die Resorption im distalen Ca- pillargebiet befördert wird. Starling meint, dass er mittelst der drei Begriffe: osmotischer (lesamtdruck innerhall) und ausserhalb der Blut- gefässe, Diffusion und osmotischer Partialdruck des schwei' diffun- direnden Eiweisses die Resorption in den serösen Höhlen und in den Bindegewebespalten in befriedigender Weise erklären kann und die von mir herangezogenen Eactoren: Lnbibition und mitschleppende Wirkung des Blutstroms überflüssig sind und in Wirklichkeit nicht zur Gel- tung kommen. Demgegenüber habe ich in erster Linie zu bemerken, dass seine Vorstellung im Stich lässt, wenn es sich darum handelt, dass auch Serum, d. h. eine Flüssigkeit vom gleichen Procentgehalt an Eiweiss wie das Blutplasma des Versuchsthieres, zur Resorption gelangt. Star- ling hat diese Schwierigkeit auch wohl gefühlt, legt aber nicht so viel Gewicht darauf, weil er geneigt ist, die Resorption von Eiweiss seitens der Blutgefässe, jedoch mit Unrecht (vergl. S. löS) in Abrede zu stellen. In so weit eine, nach ihm allerdings äusserst geringe Reso]-ption von Eiweiss stattfindet, soll diese seitens der Lymphbahnen geschehen. Die Imbibition und die mitschleppende Wirkung des Blutstromes sind aber wohl im Stande die Aufnahme von Serumei weiss seitens der Blutgefässe zu erklären. 11* 164 Resorption in serösen Höhlen. Ueberflüssig ist demnach die Zuhilfenahme der Imbibition nicht. Was die mitschleppende Wirkung des Blutstroms betrift't, so hat Star- ling gegen deren Gültigkeit im Leben angeführt, dass ihrem Erforder- niss, der Druck ausserhalb der Capillaren sei grösser als innerhalb, in der Wirklichkeit kein Genüge geleistet wird, weil die Steigerung des extracapillaren Drucks statt Zunahme, Abnahme der Resorption herbei- führen würde. Für die Aufsaugung in serösen Höhlen ist das nach meinen Versuchen gewiss unrichtig und für die Bindegewebespalten nicht nachgewiesen. Ich glaube somit, dass es fünf Kräfte giebt, welche an der Haupt- sache bei der Resorption von serösen und nicht serösen Lösungen eine Rolle spielen. 1. Die Tendenz des zu resorbirenden Inhalts in wasseranziehender Kraft mit dem Blutserum gleich zu werden, in deren Folge einverleibte Lösungen die anisotonisch waren, isotonisch werden, und zwar gewöhnlich lange bevor die Resorption vollendet ist (Hamburger). 2. Imbibition und mitschleppende Wirkung des Blutstroms (Ham- burger). 3. Diffusion (Cohnstein). 4. Filtrationsdruck (Hamburger). 5. Osmotischer Druck des Eiweisses (Starling, Cohnstein). Lassen wir schliesslich die Thätigkeit der genannten Faktoren an einem Beispiel an uns vorüber ziehen. Es sei eine 2^/oige NaCl-Lösung in die Bauchhöhle einverleibt. Unmittelbar wird diese Salzlösung Wasser aus der Umgebung anziehen bis sie eine ungefähr 0,9^0 ige (mit dem Blutserum des Versuchsthieres isotonische) ge- worden ist. Zu gleicher Zeit sind auch andere Momente in Thätigkeit getreten: 1. Imbibition und mitschleppende Wirkung des Blutstroms, welche letztere um so kräftiger sich geltend macht, je schneller der Blutstrom und je grösser der extrac apillare Druck ist. Somit wirken kräftige Respirationsbewegungen, die den intraabdominalen Druck steigern, befördernd. 2. Diffusion. Da die Concentration des Kochsalzes in der intraperitonealen Lösung grösser ist als im Blutplasma, wo sie ungefähr 0,7 "/o beträgt, so geht NaCl in das letztere hinüber. Dieser Vorgang dauert noch fort, wenn die intraperitoneale NaCl-Lösung bereits eine 0,9° o ige geworden ist; aber durch diesen stetigen üeber- gang von NaCl würde die Lösung gegenüber dem Blutplasma hypisotonisch werden, wenn nicht auch Wasser die Bauchhöhle verliesse. Das geschieht dann auch wirk- lich. Aber es findet noch mehr statt. Es macht sich die 3. wasseranziehende Kraft des Ei weisses geltend. Es ist nämlich nicht bei der Diffusion des Kochsalzes allein geblieben; es haben sich auch umgekehrt Krystalloide aus dem Blutplasma in die intraperitoneale Flüssigkeit begeben, auch Ei- Zusammenfassung. 165 weiss, aber nur in sehr geringer Menge ; für letzteres ist das Bauchfell nur wenig permeabel. Und das ist hier von hervorragender Bedeutung; denn sobald die Krystalloide in der Peritonealflüssigkeit dieselbe Concontration erreicht haben, wie im Blutplasma und also zwischen den Krystalloiden innerhalb und ausserhalb der Capillaren osmotisches Gleichgewicht besteht, macht das Eiweiss des Blutplasmas sein wasser- anziehendes Vermögen geltend und zieht Wasser aus der Bauchhöhle an. Dadurch steigt die Concentration der Krystalloide. Auf dieser Steigerung folgt ein Austritt, bis die Concentration wieder mit der im Blutplasma gleich geworden ist. Dann tritt aber wieder die Wirkung des Eiweisses auf, etc., bis endlich die ganze intraperitoneale Krystalloidlösung resorbirt worden ist. Wenn man die intraperitoneale Flüssigkeit während des Resorptionsprocesses untersucht, findet man in der That die ursprünglich neutrale Kochsalzlösung alkalisch und es lassen sich Phosphate, Carbonate als Na-, K-, Ca- und Mg-Salze auffinden ; die Flüssigkeit ist eiweisshaltig. Genaue quantitative Analysen sind aber niemals gemacht worden. Dass man in diesem Falle die Concentration der Krystalloide vollkommen gleich finden würde mit der im Blutplasma, ist nicht zu erwarten; wohl darf man annehmen, dass dieser Zustand an der das Peritoneum berührende Flüssigkeitsschicht obwaltet. Die Ausgleichung der wasseranziehenden Kraft aber macht sich, wie die Ver- suche lehren, durch die ganze Flüssigkeit und zwar sehr schnell geltend, die Wasserbewegung geschieht auch viel rascher als die Diffusion. Dass während des ganzen Resorptionsprocesses auch die im Peritoneum liegen- den Lymphbabnen ein wenig von der Flüssigkeit mitführen werden, welche auf dem Weg von der Endothelschicht nach den Blutgefässen und umgekehrt sich befinden, liegt auf der Hand; ebenso liegt es auf der Hand, dass das Diaphragma vermittelst einer bekannten Saug- und Presspumpenwirkung etwas Flüssigkeit wegbefördern wird. Zuweilen sieht man, dass eine in die Bauchhöhle einverleibte hyperisotonische Lösung im Gegensatz zu dem, was man nach dem Gesetze des osmotischen Drucks erwarten würde, nicht an Volumen zunimmt, ja selbst fast unmittelbar abnimmt. Das ist der schnellen Imbibition und weiter dem zuzuschreiben, dass die Diffusion von Salztheilchen aus der intraperitonealen Flüssigkeit so rasch von statten ging, dass bereits dadurch die Isotonie mit dem Blutplasma fast augenblicklich erreicht war. Eintritt von Wasser in die Flüssigkeit war nech nicht mehr erforderlich. Es liegt auf der Hand, dass man diese Erscheinung nur bei Injection von nicht zu grossen Mengen einer schwach hyperisotonischen Lösung sieht. Ich brauche kaum zu erwähnen, dass die Resorption von hypisotonischen Salzlösungen auf dieselbe Weise stattfindet wie von hyperisotonischen. Nur hat man zu bedenken, dass die hypisotonischen Lösungen Wasser verlieren müssen um isotonisch zu werden. Ist das geschehen, so ist das Sachverhältniss dasselbe geworden, wie bei hyperisotonischen, nachdem dieselben isotonisch geworden sind. Bei der Resorption von Serum, avo der Eiweissgehalt innerhalb und ausserhalb des Blutgefässes derselbe ist, kann von einer Resorption durch die W^asser anziehende Kraft des Eiweisses nicht die Rede sein Da sind die Imbibition und die mitschleppe-de Wirkung des Blutstroms die einzige Triebkräfte. Gleiches gilt für Transsudat- und Exsudatflüssigkeiten, nachdem der Eiweissgehalt dem des Blut- plasma gleich geworden ist. Endlich sei hervorgehoben, dass ich mir die Resorption in anderen serösen Höhlen und im Bindegewebe auf gleiche Weise bewirkt denke wie in der Bauchhöhle. Fünftes Kapitel. Resorption in mit Epithel ausgekleideten Höhlen. L i 1 1 e r a t u r. 1. R. Heidenhain, Pflüg er's Archiv. 56. 1894. S. 579. 2. Voit und Bauer, Zeitschr. f. Biol. 5. 1869. S. 536. 3. Hamburger, Arclnv f. (Anat. u.) Physiol. 1899. S. 431. 4. Hamburger, Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 1896. S. 428. 5. Waymonth-Reid, Philosophical Transactions of the Royal Society of London. m. 1900. p. 211. 6. 3Ioleschott und Marfells, Wiener raedic. Wochenschr. 1854. Nr. 52. 7. Hoppe-Seyler, Lehrbuch der physiologischen Chemie. S. 35. 8. Leubuscher, Jenaische Zeitschr. f. Naturwissensch. 1884. S. 824. 9. Funke, Lehrbuch der Physiologie. 1. S. 354. 10. von Becker, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie 1851 S. 430. 11. Tappeiner, Sitzungsbericht d. Wiener Akad. d. Wissensch. 1878. S. 288. 12. Lannois et Lepine, Archives de Physiologie. 1. 1883. p. 29. 13. Hamburger, Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 1895. S. 47. 14. Hamburger. Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 1896. S. 36. 15. R. Höber, Pflüger' s Archiv. 70 1898. S. 624. 16. Höber, Pflüg er 's Archiv. 74. 1899. S. 235. 17. Höber, Pf lüger 's Archiv. 74. 1899. S. 246. 18. Höber, Pflüger' s Archiv. 86. 1901. S. 199. 19. Geza Kövesi, Centralbl. f. Physiol. 11. 1897. S. 553 u. 593. 20. Wallace and Cusbny. American Journal of Physiol. 1. 1898. p. 411. 21. Roth, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1898. S. 542. 22. Hofmeister, Arch. f oxp. Path. und Pharmak. 28. 1891. S. 210. 23. Pascbeles, Pflüger's Archiv. 71. 1898. S. 333. 24. Hedon, Archives internationales de Pharmacodyuamie et de Therapie. 7. 1900. p. 163. 25. Nagano, Pflüger's Archiv. 90. 1902. S. 389. 26. Friedenthal, Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 1900. S. 217. 27. Heidenhain, Pflüger's Archiv. 62. 1896. S. 331. Resorption im Darm. 167 28. O. Cohnheini, Zeitschr. f. Biol. 3(;. 1897. S. 129. 29. O. Cohnlieira, Ueber die Resorption im Dünndarm und in der Bauchhöhle. Habilitationsschrift. 1898. München bei Oldenburg; auch Zeitschrift f. Biol. 1899. S. 443. 30. Brediff und Müller Ton Berneck, Zeitschr. f. physik. Chemie. 31. 1899. S. 250. 31. O. Cohnheiin, Zeitschr. f. Biol. 88. 1899. S. 419. , 32. Waymouth-Reid, British medic. Journal 13. Febr. 1892. 33. Wayraouth-Reid, Journal of Physiol. 21. 1897. p. 85. 34. Waymouth-Reid, Journal of Physiol. 22. 1898. p. 56. 35. Waymouth-Reid, British medic. Journal. 17. Sept. 1898. 36. Waymouth-Reid, Journal of Physiol. 20. 1901. p. 427. 37. Hofmeister, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmak. 27. 1890. S. 397. 38. Galeotti, Zeitschr. f. physik. Chemie. 40. 1902. S. 481. 1. Resorption im Darm. a) Heidenliain's Uiitersucliungen. Bis zur Zeit, da Heidenhain 1894 seine epochemachenden Unter- suchungen: ,,Neue Versuche über die Aufsaugung im Dünndarm" ver- öftentlichte, vermochten die Ansichten der verschiedenen Autoren über den Mechanismus der Resorption von gelösten Stoffen nur geringe Be- friedigung zu gewähren. Zwar wurde von Niemand bezweifelt, dass hier Diffusion im Spiele war, aber Voit und Bauer [2] hatten betont, dass die Erscheinungen nur theilweise dadurch erklärt werden konnten. Eine erneute Untersuchung, und zwar eine solche unter- Berück- sichtigung der neuen Lehre vom osmotischen Druck, bedurfte also keiner Rechtfertigung. Heidenhains Versuchsmethode bestand in der Haupt- sache darin, dass er beim tiefnarkotisirten Hunde, nach Eröffnung der Bauchhöhle durch einen Schnitt in der Linea alba, eine passende Dünn- darmschlinge hervorholte, und diese nach erfolgter Reinigung mit der zu untersuchenden Lösung beschickte, und dann wieder reponirte. Hier- auf wurde die Bauchwunde verschlossen, um nach Ablauf der beabsich- tigten Resorptionsdauer wieder geöffnet zu werden. Die an beiden Seiten abgebundene Schlinge hatte eine Länge, die in der Regel zwischen HO und 120 cm wechselte; das untere Ende war 8 — 10 cm vom Dick- darme entfernt. Bei vorsichtigem Manipuliren konnte dieselbe, Schlinge zu 5 bis 6 auf einander folgenden Versuchen benutzt werden ; bei Verwendung der- selben Resorptionsflüssigkeit gab der letzte Versuch fast genau das gleiche Resultat wie der erste. 16S Resorption im Darm. Auf diese Weise wurde mm in erster Linie das Verhalten gegen- über Blutserum untersucht. Der Verfasser theilt folgendes Experiment mit: Bei einem früh 6 Uhr gefütterten Hunde von 10,76 kg Gewicht wurden um 9 '/2 Uhr in eine Darmschlinge von 48 cm Länge (Abst. vom Pylorus 30 cm) nach sorgfältiger Reinigung 40 cc Serum eines Tags zuvor getödteten Hundes eingeführt. Um 1 Uhr war die Schlinge vollständig leer. Das in den Darm gefüllte Serum enthielt 6,76 °;o feste Bestandtheile, das eigene Serum des Versuchshundes 8,03 "/o. Es blieb also für den Vertheidiger der Diffusionstheorie der Ein- wand übrig, dass das erste Serum einen höheren osmotischen Druck besessen habe als das letztere, dass also die Resorption durch Diffusion erfolgt sei. Dieser Einwurf wiederlegt folgender Versuch. Hund von 4,92 kg. Letzte Mahlzeit vor 48 Stunden. Darmschlinge 41 cm lang. Um 10 Uhr Einfüllung von 36 cc Serum mit 8,03 "/o festen Bestandtheilen. Nach 3*2 Std. Schlinge leer. Das Serum des "Versuchshundes enthielt 8,07 °,o feste Bestandtheile. Das Serum des vorigen Versuchsthieres wurde im Vacuum über Schwefelsäure so weit concentrirt, dass sein Procentgehalt auf 11,97 "/o steigt. Einem Hunde von 10 kg, dessen Serum einen Procentgehalt von 6,47'' o auf- wies, wurden 40 cc jenes eingedickten Serums in eine Jejunumschlinge eingeführt. Nach 3'/-' Stunden waren nur noch 3 cc einer dicklichen Flüssigkeit von schleimiger Consistenz vorhanden. Dass Serum resorbirt wird, kann somit nicht bezweifelt werden. Auf welche Weise ist aber die Aufnahme zu erklären? Sowohl die Diffusion als auch osmotische Vorgänge lassen hier im Stich. Der gleichen Schwierigkeit begegnet Heiden hain, wenn statt Serum eine hyperisotonische NaCl-Lösung in die Schlinge gebracht wird. So sieht man eine Kochsalzlösung von 2 "/o resorbirt werden. Man sollte erwarten, dass diese Salzlösung, welche stark hyperisotonisch ist, Wasser anzieht und folglich an Volumen zunimmt. Zuweilen beobachtet man das auch : in vielen Fällen aber nimmt das Volumen nicht zu, mehrfach nimmt es sogar ab und immer verschwindet zu gleicher Zeit NaCl aus dem Darmlumen. Es wurden in eine Darmschlinge 100 cc einer 1,5 7o igen NaCl-Lösung ge- bracht. Nach den Gesetzen der Osmose hätte das Volumen mindestens auf 150 cc steigen müssen, weil das Blutplasma mit einer etwa 1 °/o igen NaCl-Lösung isotonisch ist. Das Experiment aber lehrte, dass 25 Minuten später nicht etwa 150 cc vor- handen sind, sondern nur 65 cc einer ungefähr l°;'uigen NaCl-Lösung. Es waren also theoretisch 35 cc einer 2,4 °/o igen NaCl-Lüsuug resorbirt worden. Füllt man die Schlinge nicht mit einer hyperisotonischen NaCl- Lösung, sondern mit einer hypisotonischen (0,3 — 0,5 "/o), so lässt sich H ei den ha i n's Versuche. 169 nach den physikalischen Gesetzen erwarten , dass NaCl aus dem Bhit- plasma in das Darmlumen übertreten wird, denn der Partialdruck des Kochsalzes im Blute (± 0,65 °/o) ist grösser als der Druck der jetzt im Darm sich befindenden 0,3 — 0,5 °/o igen NaCl-Lösung. Der Versuch lehrt aber umgekehrt, dass trotzdem NaCl aus dem Darme verschwindet. Bei einem Gehalt der DarmÜüssigkeit von 0,3 °/o NaCl gingen in 15 Minuten nicht weniger als 70 "/o der dargebotenen Salzmengen fort. Diese Erscheinungen stehen mit der Diffusionstheorie in Wider- spruch. Heidenhain sieht keinen anderen Ausweg als die Annahme einer besonderen „physiologischen" Triebkraft, einer Triebkraft, die an das Leben des Darmepithels gebunden ist und die er sich offenbar als eine Kraft vorstellt, die activ Stoffe aus dem Darmlumen aufnimmt und diese ebenfalls activ in die Gewebespalten und Blutcapillaren der Mucosa weiter befördert. Um diese Voraussetzung auf experimentellem Wege zu prüfen, untersuchte er, y\\e sich die Darmwand verhalten würde, wenn die Mucosa geschädigt war. Hierzu wandte er NaFl an. In der That stellte sich heraus, dass bereits die Hinzufügung von 0,04— 0,05 '^/o NaFl zu der einzuführenden 1,05 — l,5°/oigen NaCl-Lösung, eine bedeutende Abnahme der Wasser- resorption hervorrief, und auch die Salzaufnahme erfuhr eine Be- schränkung. Ich erwähne noch ein paar Beispiele, die gleichzeitig darauf hin- zuweisen schienen, dass das Resorptionsvermögen an verschiedenen Darmtheilen nicht dasselbe ist und dass sich ein Gleiches auch für den schädigenden Einfluss von Fluornatrium kundgibt. „Als ich bei einem Hunde in eine 100 cm lange Schlinge, die in 8 cm Ent- fernung vom Dickdarm begann, 80 cc Kochsalzlösung von 1,5 "/o füllte, waren nach 25 Minuten resorbirt 35 cc Flüssigkeit (= 0,43 der ursprünglichen Menge) und 0,74 g Kochsalz = 0,61 der eingeführten Menge. Bei Einführung von 75 cc der- selben NaCl-Lösung denen 5 cc einer l°oigen Lösung von Fluornatrium zugesetzt wurden, sank die Flüssigkeitsresorption auf 8 cc (= 0,12 der eingeführten Menge), die Salzresorption auf 0,37 der eingeführten Menge". „Eine gleichlange Schlinge, die in 60 cm Entfernung vom Pylorus begann, resorbirte unter gleichen Umständen von 80 cc Kochsalzlösung von 1,5% nur 10 cc; als sie mit 75 cc der gleichen Salzlösung und 5 cc NaFl P/o beschickt wurde, trat in 25 Minuten keine Resorption mehr ein, sondern das Flüssigkeitsvolumen ver- grösserte sich in 25 Minuten um 5 cc." Es scheint demnach 1. dass die physiologische Resorptionskraft im oberen Darmtlieil geringer ist als im unteren, denn dort wurden aus der 1,5 ",u igen NaCl-Lösung in derselben Zeit nur 10 cc Flüssigkeit ent- 170 Resorption im Darm. fernt, in welcher hier 35 cc versclnvanden; 2. dass jene Kraft im oberen Darmtheile durch das NaFl in höherem Maasse geschädigt wird als im unteren. Uebrigens zeigte eine und dieselbe Darmschlinge für nicht als schädigend betrachtete Salze ein ungleich grosses Resorptionsver- mögen. Auf schlagende Weise stellte sich das bei Vergleich von MgSO^ und Kochsalz heraus. So verglich Heidenhain die Resorption einer Kochsalzlösung von l"/o (J = —0,640") mit einer Lösung von schwefelsaurer Magnesia, MgS04. 7 aq. von 5,85 °/o [A — 0,516"), indem er in eine Darmschlinge abwechselnd 80 cc beider Lösungen füllte und die Resorption je 25 Minuten dauern liess. Das Serum des Hundes hatte A — 0,64". Es wurden resorbirt: 1. von der Kochsalzlösung ........ 45 cc — 56 "/o 2. von der MgS04 Lösung 5^=6 "/" 3. von der Kochsalzlösung 44 „ = 55 "/o 4. von der MgSOi Lösung 6 „ = 7,5"/o 5. von der NaCl-Lösung 40 , == 50°/o Weiter ergab sich, dass, obgleich die Gefrierpunkterniedrigung der eingeführten Kochsalzlösung (^=0,640*^) viel grösser war als die der MgSO^-Lösung (z/= 0,516°), aus der ersten Lösung das Wasser im Mittel 8,13 mal so schnell aufgesogen wurde als aus der zweiten. Diese Thatsache bleibt nach Heidenhain so lange unverständ- lich, als man die Resorption durch einfache physikalische Triebkräfte zu Stande kommen lassen will. So weit der Verfasser sieht, ist dann auch die stark verzögerende Wirkung, welche das Bittersalz auf die Aufsaugung ausübt, nur durch die Annahme zu deuten , dass die Gegenwart desselben ,,die physio- logische" Resorptionskraft der Darmwand in hohem Maasse beein- trächtigt". Es sei hier aber bemerkt, dass nach meinen späteren Versuchen 1 3] (vergl. Kap. X) im abgeschabten Darmepithel durch MgSO^ Veränderungen in den osmotischen Verhältnissen herbeigeführt werden, die Heiden- hains Beobachtungen zu erklären im Stande sind. h) Physikalische Auffassimg- der Darmresorption. a) Untersuchungen von Hamburger. Ueberhaupt hatten mich bereits früher beim Studium der Auf- saugung in serösen Höhlen mancherlei Versuche dazu geführt, die An- nahme von physiologischen Resorptionskräfton als nicht nothwendig zu Versuche von Hamburger an todten Thieren. 171 erklären. So hatte sich herausgestellt, dass aus Bauch- und Pericardial- höhle eines 24 Stunden und länger todten Thieres, isotonische und sogar hyperisotonische Lösungen verschwanden, Erscheinungen, die von Heiden- hain vollkommen bestätigt wurden (vergl. oben S. 105 u. 139). Es lag nun nahe zu untersuchen, ob auch für die Aufsaugung im Darm das Leben erforderlich sei. Die Antwort lautete entschieden negativ. Ich lasse hier einige der diesbezüglichen Versuche folgen. Vor dem eigentlichen Resorptions- versuch wurde der Darm immer erst mit der betreffenden Lösung aus- gespült (vergl. Anmerkung S. 96). 1. Resorption im Darm todter Thiere. Lö^^nige (hyperisotonische NaCL-Lösung in einer Dünn- darmschlinge eines 14 Minuten todten Kaninchens. Darmschlinge 92 cm lang. Eingeführt 45 cc NaCI- Lösung von 1,5 "/o- 2 Stunden später sind noch 33,3 cc vorhanden. Der osmotische Druck dieser zurückgebliebenen Lösung entsprach dem einer NaCl-Lösung von 1,35''/ü. Theoretisch wurden also 11,7 cc einer 1,9° o igen NaCl-Lösung resorbirt. Ein gleichartiges Resultat erhielt Heiden hain (vergl. S. 601 und 607 seiner Abhandlung). 1,5 procentige (hyperisotonische) NaCl-Lösung in einer Dünndarmschlinge eines 24 Stunden todten Hundes. Darmschlinge 80 cm. Eingeführt 120 cc der l,5°/oigen NaCl-Lösung. 2 Std. später waren noch 99 cc vorhanden. Der osmotischer Druck gleicht demjenigen einer 1,3 "/o igen NaCl-Lösung. Theoretisch wurden also 21 cc einer 2,5 °/o igen NaCl-Lösung resorbirt. Dieses Resultat kann mit Hilfe des Begriffes , .osmotische Trieb- kraft" allein nicht erklärt werden ; andererseits steht es aber auch mit dem Begriff Lebenseigenschaft (Heiden ha in) in Widerspruch. 0,5^/oige (hypisotonische) NaCl-Lösung in einer Dünn- darmschlinge eines 24 Stunden todten Hundes. Darmschlinge 80 cm. Eingeführt 120 cc der 0,5^*0 igen NaCl-Lösung. 5 Std. später waren noch 95 cc vorhanden. Diese Flüssigkeit besitzt einen osmotischen Druck, der dem einer 0,6 °/o igen NaCl-Lösung gleicht. Der osmotische Druck ist folglich gestiegen. Theoretisch sind also 25 cc einer 0,12 "/o igen NaCl-Lösung resorbirt. Pferdeserum in einer Dünndarmschlingeeines 4 Stun- den todten Hundes. 172 Resorption im Darm. 20 cm vom Pylorus entfernt wird nach Perforation des Mesenteriums eine Ligatur um den Darm gelegt und 29 cm weiter eine zweite Ligatur. Darauf wird die augenscheinlich leere Schlinge mit dem später zu injicirenden Serum ausgespült. Zu diesem Zweck wird bei der ersten Ligatur die Nadel einer das Serum enthalten- den Spritze eingestochen. Nachdem die Darmschlinge auf diese Weise angefüllt ist, wird eine kleine Oeffnung vor der zweiten Ligatur gemacht; so dass das injicirte Serum abfiiessen kann. Das wird durch sehr leichten Druck auf die Darmober- fläche noch unterstützt. Dieses Verfahren wird ein paar Male wiederholt, bis das Serum klar abfliesst. Endlich wird die letztgenannte Ligatur durch eine neue, mehr in' der Nähe der ersten gelegene, einsetzt, so dass die definitiv in die Schlinge ein- zuspritzende Flüssigkeit nicht mehr durch die kleine Oeffnung abfiiessen kann. Indem die Darmschlinge nun ein wenig vertical gehalten wird, werden bei der ersten Ligatur 36 cc Serum eingespritzt. Die Plüssigkeitsoberfiäche hat nach dieser Injection die Einstichstelle noch nicht erreicht. Letztere wird hierauf durch eine neue Ligatur von der Versuchsfläche ausgeschlossen. Auf diese Weise konnte kein Tropfen der injicirten Flüssigkeit die Schlinge verlassen. Dieselbe wird in die Bauchhöhle zurückgelegt und die Bauchhöhle selbst verschlossen. 2 Stunden später Hessen sich nur noch 28,8 cc Serum entfernen. Mit einem zweiten neben dem vorigen gelegenen Darmstück, von derselben Länge, wird gleichzeitig genau derselbe Versuch angestellt. Auch hier konnten 28,8 cc entfernt werden. 20 cc des ursprünglichen Pferdeseruras enthalten an festen Bestandtheilen 1,823 g. 20 cc der nach 2 Stunden aus der ersten Darmschlinge ent- fernten Flüssigkeit enthalten an festen Bestandtheilen 2,090 g. 20 cc der nach 2 Stunden aus der zweiten Darmschlinge ent- fernten Flüssigkeit enthalten an festen Bestandtheilen 2,141 g. 20 cc Serum des Versuchsthieres enthalten an festen Bestand- theilen 1,894 g. Hierzu sei noch bemerkt, dass das aus der Darmschlinge entfernte Serum in beiden Fällen ein wenig trübe war, durch Centrifugiren aber ebenso klar wurde wie das ursprüngliche Serum. Im Darm des vier Stunden todten Hundes bat also Resorption von Pferdeserum stattgefunden. Der Eiweissgebalt des in der Schlinge vorhandenen Serums ist gestiegen. Heidenhain und auch Waymouth Reid [5] fanden das- selbe beim lebenden Thiere. Der osmotische Druck, welcher für das Versuchsthierserum und das Pferdeserum gleich war, ist während dieser Resorption unverändert geblieben \), wie aus folgender Tabelle hervorgeht: i)Erst wurde das Serum erst zur Gefrierpunktbestimmung benutzt und dann für die Dosirung der festen Bestandtheile, Versuche von Hamburger an todten Thieren. 173 Golrie- puiikt- ornied- rigung 0,548 . A = 1. Serum des Vcrsuchsthieres 0,548 ! 0,549 0.551 ' 0,555 . 2. Ursprüngliches injicirtes Pferdoserum 0,553 \ 0,554 0,554 f 0 550 3. Serum nach einem zweistündigen AufentbaUe in der ersten Darm- ^Vro i n Krn ''^^'''^' 0,549 ^ 0 552 4. Serum nach einem zweistündigen Aufcntlialte in der zweiten ^'-r/. \ Darraschlinge nrcil 0,551 ' Hundeserum in einer Dünndarmsclili nge eines 25 Stunden t ü d t e n Hundes. Die angewandte Darmschlinge wird auf dieselbe Weise mittelst der zu injicirenden Flüssigkeit gereinigt wie im vorigen Versuch. 20 cm vom Pylorus wird ein Darmstück von 59 cm abgeschnürt. Eingespritzt 40 cc ; 5 Stunden nachher, 26 cc zu entfernen. 25 cc des ursprünglich injicirten Serums enthalten an festen Bestandtheilen 2,338 g. 25 cc des nach 5 Stunden aus der Schlinge entfernten Serums enthalten an festen Bestandtheilen 2,667 g. Das Veisuchsresultat beim 25 Stunden todten Hunde stimmt mit dem beim 4 Stni.den todten Thiere gefundenen also vollkommen überein. Dieser Versuch war nicht überflüssig, weil der Einwand erhoben werden könnte, die Darmwand sei innerhalb 4 Stunden vielleicht nicht abge- storben. Gefrier- punkt- ernied- rigung 0,561 . A = 1. Die Gefrierpunkterniedrigung des Versuchserums betrug . . . 0,560 : 0,560 0,559 f 0,560 . 2. Die Gefrierpunkterniedrigung des injicirten Hundeserums betrug . 0,563 0,561 0,558 f 0,558 ^ 3. Die Gefrierpunkterniedrigung des aus der Darmschlinge entfernten „ -„q ( q cro Serums betrug 0558 ' Auch von der Darmw^and eines 25 Stunden todten Thieres ist also Serum aufgenommen worden. Hierbei ist der Gehalt an festen Bestandtheilen des in der Darmschlinge zurückblei- X- '^V 174 Resorption im Darm. benden Serums gestiegen. Der osmotische Druck, welcher von Anfang an dem des Yersuchsthierserums gleich war, ist unverändert geblieben. Genau dasselbe fand Heidenhain beim lebenden Thiere. War also die Resorption im todten Darm nicht zu bezweifeln, so blieb noch die Frage offen, w^ie weit die postmortal noch bestehende Structur der Darmschleimhaut verantw^ortlich gemacht werden konnte. Deshalb habe ich versucht, die Resorption bei künstlichen homogenen Mem- branen nachzuahmen und es ist mir das auch vollkommen gelungen. Das Capillargefäss wurde durch ein Gelatinerohr ersetzt, die Gewebespalte durch einen Mantelraum, welcher dadurch entstand, dass das Gelatine- rohr in ein weiteres Glasrohr hineingeschoben wurde. Bei diesen Versuchen stellte sich nun Folgendes heraus : 1. Wenn Gelatinerohr und Mantelraum beide Serum enthielten und es wurde ein Serumstrom durch das Gelatinerohr hindurch- geführt, so wurde Serum aus dem Mantelraum mit dem Serum- strom mitgeschleppt und zwar um so schneller, je schneller der Serumstrom im Gelatinerohr w^ar. 2. Das im Mantelraum zurückbleibende Serum nahm an Eiweiss- gehalt zu. 3. Der Uebergang von Serum aus dem Mantelraum in das Gela- tinerohr war um so grösser, je mehr der Druck im Mantelraum den im Gelatinerohr übertraf. Die unter 2. genannte Erscheinung wurde, wie gesagt, auch von Heidenhain und Way mouth-R ei d am lebenden Darm beobachtet und von mir am todten. Die soeben unter 3. erwähnte Beobachtung, dass der Uebergang von Flüssigkeit aus dem Mantelraum in das Gelatinerohr um so mehr zunahm, je mehr der Druck im Mantelraum den im Gelatinerohr über- traf , machte es erwünscht , nun auch beim lebenden Individuum den Eintluss des Druckes auf den Flüssigkeitsübergang in die Blutgefässe zu studiren. Für die Bauchhöhle war das schon geschehen (vergl. S. 118). 2. Einfluss des intraintestinalen Druckes auf die Darmrosorption. Die Frage, wieweit der intraintestinale Druck auf die Resorption im Darm- canale Einfluss ausüben kann, ist nicht neu. Dieselbe wurde schon im Jahre 1757 gestellt und von Lieberkühn in seiner Dissertation: „De fabrica et actione villorum" bearbeitet. Lieberkühn nahm präformirte Oeffnungen in den Zotten an und nach ihm war es nun die Peristaltik, welche die zur Resorption dargebotenen Stofi'e (feste und flüssige) in die Oeffnungen presste. Einmal in den Zotten angelangt. Anscliauuiigen von Hoppe-Seyler. 17') wurden sie dann von den Blutgefässen aufgenommen, um weiter in den Chylusge- fässen ihren Weg zu verfolgen. Lange Zeit blieb diese Auffassung in Geltung und fand mit Beziehung auf feste Partikelchen sogar m neuen Experimenten von Moleschott und Mar felis [6] eine weitere Stütze. Diese Experimente aber konnten Don der s und nach ihm auch andere Forscher nicht bestätigen. Lebhaft bestritten wurde diese physikalische Auffassung der Aufsaugung im Darm seitens Hoppe-Seyler [7], nach dem nicht nur mit Beziehung auf die Auf- nahme fester Partikelchen, sondern auch auf die Resorption von Flüssigkeiten, die Epithelzellen der Darmschleimhaut eine active Rolle spielen sollten. Zunächst bemerkt Hoppe-Seyler, dass der durch die Contraction der Daimuskulatur auf den Darminhalt ansgcübte Druck nur gering sein kann, weil der Inhalt ausweicht. Ferner ist nach ihm das Filter nicht fest genug; das Protoplasma würde nach seiner Meinung zusammengedrückt werden. Drittens genügt schon ein einfacher Reiz, um dem Flüssigkeitstrom eine andere Richtung zu geben. Weiter weist er darauf hin, dass nach Zerstörung oder bei hochgradiger Krankheit des Epithels die Resorption ganz aufgehoben sein kann (profuse Diarrhoe bei Cholera). Später beobachtete Spina auch Veränderungen in der Form der Epithelzellen, nachdem dieselben Farbstoff aufgenommen hatten ; aber diese Wahrnehmung betraf freilich die Epithelzellen des Darmes von Distoma cygnoides, einem Entozoen des Froschdarmes; bei höheren Thieren wurde keine Formveränderung gesehen. Wenn auch die Bemerkungen Hoppe-Seyler's den Glauben an eine rein physikalische Auflassung erschüttert haben mögen, so war damit die Frage doch noch nicht endgültig entschieden. Man kann dies schon daraus entnehmen, dass die Verfasser der Lehrbücher sich bei Besprechung der Darmresorption in Beziehung auf die Triebkräfte in unsicherer Weise äussern. Neuerdings aber schien man zur Klarheit zu gelangen, als Heidenhain den Resorptionsprocess im Lichte der neueren Isotonielehre zu studieren anfing. Mir will es aber vorkommen, dass weder die Argumente Hoppe- Seyler's noch diejenigen Heidenhain's die Annahme von Lebens- kräften notwendig gemacht haben. Wenn — um mit der ersten Bemerkung Hoppe- Seyler's anzu- fangen — in Folge Contraction des Darmes der Inhalt ausweicht, so muss sich der Darm da ausdehnen. Nun liegt derselbe nicht isolirt, sondern ist von anderen Därmen umgeben, welche natürlich beim Wegdrücken einen Gegendruck ausüben. Mit anderen Worten: nicht an der Con- tractionsstelle braucht man sich mit Hoppe-Seyler den auf den Inhalt ausgeübten Druck zu denken, vielmehr muss man denselben in den angrenzenden peripheren Theil verlegen. 176 Resorption im Darm. Ob das Epithel plattgedrückt werden wird, hängt nur von der Grösse des Druckes und von der SchnelHgkeit ab mit welcher eine Flüssigkeit hindurchgehen kann. Und was endlich die Einschränkung oder das Aufhören der Re- sorption bei Zerstörung oder Erkrankung des Darmepithels betrifft, so kann dieses Argument nur dann Bedeutung haben, wenn die Blutgefässe dabei vollkommen normal geblieben sind. Ist das nicht der Fall, so ist man berechtigt an eine seröse Exsudation zu denken, welche die Auf- saugung ganz oder theilweise verdeckt. Ausserdem wird durch Erkran- kung der Blutgefässe die Resorption nicht nur scheinbar, sondern auch wesentlich verlangsamt, weil bekanntlich bei Entzündung der Blutstrom in den Venen abgeschwächt und dadurch auch die Abfuhr der resor- birten Flüssigkeit beeinträchtigt ist. Ausser den schon genannten Experimenten von Li eher kühn, fand ich über den Einfluss des Druckes auf die Darmresorption nur noch eine im Jahre 1885 in Hei den h a in's Laboratorium ausgeführte Arbeit von L e u b u s c h e r [8]. Leu buscher holte beim lebenden Hunde eine Darmschlinge her- vor, band dieselbe an einer Seite ab und brachte dieselbe an der anderen Seite mit einem auf verschiedene Höhen verstellbaren Reservoir in Ver- bindung. Dann wurde die Schlinge wieder in die Bauchhöhle zurück- gebracht. Eine Stunde später konnte durch Entleerung und Messung berechnet Averden, wie viel Flüssigkeit resorbirt war. Es stellte sich nun heraus, dass anfangs die Resorption mit dem intraintestinalen Druck zunahm; als dieser jedoch eine gewisse Höhe erreicht hatte nahm die Resorptionsgeschwindigkeit ab. Der für die Resorption günstigste intraintestinale Druck entsprach einem Druck von 80 bis 140 mm W^assersäule. Dass im Anfang die Resorption mit dem Drucke steigt, schreibt der Verfasser der Ausdehnung des Darmes zu; in deren Folge sich die resorbirende Oberfläche vergrössert. Für die bei fortgesetzter Druck- steigerung beobachtete Abnahme macht Leu buscher die Verlangsam- ung des Blutstromes verantwortlich. Gegen die Ansicht Leubusch er 's muss ich einen principiellen Einwand erheben. Der Verfasser nimmt nämlich ohne Weiteres an, dass die durch Druck hervorgebrachte Ausdehnung des Darmes die Ursache der von ihm beobachteten Resorptionssteigerung ist. An die Möglichkeit einer anderweitigen Erklärung scheint er gar nicht zu denken; ebenso wenig Heidenhain, in dessen Laboratorium die Ver- Intraintestinaler Druck. 177 suche angestellt wurden, und der sie auch später noch in seiner mehr- fach erwähnten Abhandlung 1 1 1 citirt. Dennoch muss a priori die Erklärung sofort ungenügend erscheinen, wenn man bedenkt, dass die Darmschleimhaut bei einer Drucksteigerung von 30 bis 100 mm Wassersäule doch keine so bedeutende Ausdehnung erfährt, dass durch diese allein eine so starke Piesorptionsbeschleunigung erklärt werden kann, wie sie von Leubus eher beobachtet wurde, näm- lich von 94 auf 165 cc pro Stunde. Bei meinen Versuchen, welche beabsichtigten, den Einfluss des Drucks auf den Resorptionsprocess zu untersuchen, wurde die Erwei- terung des Darmes ganz ausgeschlossen. Ich habe das auf zweierlei Weise erreicht: 1. Indem die Darmschlinge in ein festes Rohr gelegt wurde, welches ungefähr dieselbe Krümmung hatte wie die Schlinge. 2. Indem die mit Flüssigkeit versehene, beiderseits verschlossene Darmschlinge, nachdem sie in die Bauchhöhle zurückgebracht war, dem Einfluss eines äusseren Drucks ausgesetzt wurde. Dieser Druck wurde durch Einblasen von Luft in das Abdomen hervorgebracht. Nach beiden Methoden sind Versuche angestellt. 1. Erste Methode. Der mittelst Morphium und Chloroform-Aether narkotisirte Hund wird auf die Seite gelegt. Durch einen Schnitt in der Linia alba wird die Bauchhöhle geöflnet und dann eine Darmschlinge hervorgeholt. Die Schlinge wird in einen Apparat gelegt, welcher in folgender Weise construirt ist (s. Fig. 7). c ff' C L^rp^i ' c 1 'KJ Fig. 7. Man denke sich ein ziemlich dickes Brett , in welchem ein Canal aus- gehackt ist. Der Canal ist derart gekrümmt, dass die Schlinge bequem darin liegen kann, ohne dass das Mesenterium gezerrt wird. Natürlich ist die Krümmung für jedes Thier eine andere. 6 stellt den Querschnitt des Darmes vor. Mittelst eines Scheerenschnittes in schräger Richtung wird die Schlinge an einem der beiden Enden geöffnet und die Oeifnung mit einem Kork versehen, in welchen ein Glasröhrchen genau passt. Der Kork, an dessen Oberfläche sich eine Hamburger, Osniot. Druck. II. B.aiul. 12 178 Resorption im Darm. circuläre Rinne befindet, wird im Darm mittelst einer durch das Mesenterium durch- gestochenen und um den Darm geknüpften Ligatur befestigt. Weiter wird auch am anderen Ende der Schlinge schräg mit der Scheere ein- geschnitten und dann wird aus einem mit dem oben genannten Glasröhrchen ver- bundenen Reservoir der Darm mit 0,9"/oiger NaCl-Lösung durchgespült. Diese Durchspülung ist nicht überflüssig, sogar wenn der Hund 24 Stunden gehungert hat; denn oft sieht man mehrere Stücke Bandwurm zum Vorschein kommen. Nach der Durchspülung wird auch das offen gebliebene Ende der Schlinge mit Kork und Röhrchen versehen. Mit letzteren ist noch ein Stückchen üummirohr verbunden, das mittelst einer Ivlenime abgeschlossen werden kann. Die an beiden Enden der Schlinge befindlichen OeflFnungen nach dem angrenzenden Darm werden mittelst Ligatur verschlossen. Jetzt wird das Brett cd auf ab gelegt. Wie aus der Figur ersichtlich, ist auch in cd ein Canal eingeschnitten, der genau dem gegenüber liegenden entspricht. Wenn die Brettcheu ab und cd mittelst drei Schrauben (in der Figur ist nur eine, ss' sichtbar) aufeinander gedrückt sind, bleibt bei m noch eine Spalte für den Durchgang des Mesenteriums übrig. Ich muss hierbei noch bemerken, dass der Darm nicht unmittelbar mit dem Holz in Berührung kommt, denn die beiden Canäle sind mit je einer Hälfte eines längs durchgeschnittenen festen Gummirohres ausgekleidet. Unmittelbar nachdem die Schlinge aus der Bauchhöhle entfernt war, bedeckte ich dieselbe und auch das entsprechende Mesenterium mit einem grossen Stück dünnen Kautschuks, um Austrocknen und Abkühlung möglichst vorzubeugen, wie überhaupt während des ganzen Versuches Austrocknen und Abkühlung möglichst vermieden wurden. Jetzt kann die Schlinge definitiv gefüllt werden. Als Reservoir dient ein Trichter mit weiter Oeffnung und engem Halse. Die Druckhöhe wird von der mittelst Tinte angegebenen Grenze zwischen Trichteröffnung und Trichterhals bis au die obere Seite des Brettchens ab gemessen. Jedesmal werden 2 cc Flüssigkeit in den Trichter gebracht ; dann wartet man, bis das Niveau wieder zu der genannten Grenze hinab- gestiegen ist. Zuweilen findet dies sehr schnell statt, viel schneller, als es der Resorptionsgeschwindigkeit entspricht. Andere Male findet die Senkung wieder zu langsam statt. Die Ursache liegt in den nicht immer regel- mässigen Darmcontractionen. Consequent wurde aber stets die Zeit aufgezeichnet, wo die Flüssigkeit sich zum ersten Male bis an die Grenzlinie gesenkt hatte. Durch eine plötzlich auftretende kräftige peristaltische Bewegung wurde zuweilen relativ viel Flüssigkeit aus der Darmschlinge in den Trichter zurückgetrieben. Aber da letzterer eine weite Oeft'nung besass, so konnte die Flüssigkeit nicht erheblich über die Grenzlinie hinaus aufsteigen und es konnte dadurch also der intra- intestinale Druck auch vorübergehend keine Steigerung von einiger Be- deutung erfahren. Abnahme mit der Zeit. 179 Es sollte nun untersucht werden, wieweit bei meinem Versuc hsver fahre II die Resorption unverändert bleiben würde, so lange der intraintestinale Druck constant war. Nun erwähnt Funke [9| schon, dass die Resorption von Pepton- lösungen seitens des Darmes mit der Zeit abnimmt, v. Becker [lOJ theilt dasselbe in Beziehung auf Zuckerlösungen mit, Tapp ein er [IJ für gallensaure Salze, Leubuscher [8] für destillirtes Wasser. Keiner dieser Forscher gebrauchte aber Flüssigkeiten, welche mit dem Blutserum des Versuchsthieres isotonisch waren, was natürlich zu Complicationen durch Osmose Veranlassung geben musste. Destillirtes Wasser hat ausserdem den Xachtheil, schädlich auf die Schleimhaut zu wirken. Diese schädliche Wirkung nimmt zwar mit der Zeit ab, weil durch die osmotische Wirkung das Wasser Salze aus dem Blute auf- nimmt, aber in Leubus cher's Versuchen wird, während die also sich bildende Salzlösung resorbirt wird, immer wieder neues Wasser aus dem Reservoir zugeführt. Wenn ich hier insbesondere über L e u b u s c h e r 's Experimente spreche, so geschieht das deshalb, weil nur dieser Forscher nähere Versuche in dieser Richtung ausführte, während die vor ihm genannten Autoren die Abnahme der Resorption mit der Zeit nur vorübergehend erwähnen. Wirft man einen Blick auf die Zahlen Leubuscher 's, so scheint die Abnahme der Resorption, wenigstens im Anfang, sehr bedeutend zu sein. Auf S. 826 findet man, dass bei einem intraintestinalen Druck von 100 mm Wassersäule aus einer Darmschlinge resorbirt wurden: in der ersten Stunde 55 cc Wasser „ „ zweiten ., 18 ,, ,, „ ,, dritten „ 13 „ ,, Bedenkt man aber, auf welche Weise der Verfasser die erste Zahl erhalten hat, so unterliegt es keinem Zweifel, dass dieselbe als zu gross zu erachten ist. Leubuscher füllte nämlich die Darmschlinge mit einer bekannten Wassermenge und untersuchte, wie viel Wasser nöthig war, um den intraintestinalen Druck constant zu halten. Nachdem der Ver- such eine Stunde gedauert hatte, wurde der Darm entleert, die entfernte Flüssigkeit gemessen und die gemessene Quantität von der total ver- brauchten substrahirt. So fand er dann, dass in der ersten Stunde 55 cc Wasser resorbirt waren. Leubuscher hat aber nicht berück- sichtigt, dass bei der Entleerung des Darmes immer noch Flüssigkeit an der Wand haften bleibt und dass diese Flüssigkeit nicht als resor- birte in Rechnung gebracht werden darf. Er hätte dem Fehler vor- 12* 180 Resorption im Darm, beugen können, wenn er vor dem eigentlichen Versuche den Darm mit Wasser ausgesi)ült hätte. Die beiden anderen Versuche enthielten natürlich diesen Fehler nicht, und in der That stellt sich auch heraus, dass die Resultate nicht so viel von einander abweichen, wie die des ersten und zweiten Experimentes, was sonst wohl zu erwarten ge- wesen wäre. Nach der oben gegebenen Auseinandersetzung meines Versuchs- verfahrens genügt wohl die Erwähnung einiger Resultate. Kleiner Hund 6 kg : Darmschlinge 17 cm; intraintestinaler Druck 4 cm. 2 CG 0,9 °/'o ige NaCl-Lösung werden resorbirt in 3 — 3 — 1, 5 — 2, 5 — 5, 5 — 2 — 3 — 4 — 3 — 3, 5- 2, 5 — 3, 5 — 3 — 3, 5 — 2 _3_3_3_3_4,5_2 — 3 — 2,5 — 3 — 4 — 3 — 3-3 — 2 — 4 — 3-4-3 — 3, 5-2, 5 — 2 — 4, 5 — 3, 5 — 3 — 4 Minuten. Diese Zahlen weichen von einander ab, was, wie schon bemerkt wurde, der Peristaltik des Darmes zugeschrieben werden muss. Erstreckt man denn auch die Beobachtungen über einen grösseren Zeitverlauf, so fallen diese Schwankungen fort. Berechnet man z. B. aus den Zahlen, wie viel Zeit die Resorption von je 10 cc erfordert, so findet man 15,5 — 15 — 14,5 - 16,5 - 14,5 — 15 — 16 — 16 Minuten. Aus diesen Zahlen geht hervor, dass bei meinem Versuchsverfahren die Resorption während zwei Stunden constant bleibt. Darm und Mesenterium sahen nach diesem Zeitverlauf noch normal aus. Nur ein einzelnes rothes Pünktchen war am Schluss im Mesen- terium zu beobachten. Jede Ziehung oder Zerrung war sorgfältig ver- mieden. Jetzt konnte ich zur Behandlung der eigentlichen Frage über- gehen, ob nämlich der intraintestinale Druck Einfluss auf die Resorption ausübt. Zu diesem Versuche diente ein Hund von 5 kg; Darmschlinge 17 cm. Die Ergebnisse sind aus der Tabelle auf S. 181 zu entnehmen. Alsdann folgte ein Versuch mit einer anderen Darmschlinge des- selben Hundes. Die Resultate findet man auf S. 182. Aus diesen Versuchen ergiebt sich deutlich eine Zunahme der Re- sorption bei Steigerung des intraintestinalen Druckes. Und diese Zu- nahme entsteht gewiss nicht durch Ausdehnung des Darms. Dies geht daraus hervor, dass, als dem Reservoir ein erhöhter Stand gegeben wurde, um den intraintestinalen Druck von 3 auf 8 cm und von 8 auf 14 cm zu bringen, das Flüssigkeitsniveau im Trichter kaum sank. Vergleicht man die Resorptionsgeschwindigkeit beider Darmschlingen dieses zweiten Hundes bei einem intraintestinalen Druck von 3 cm, so Intraintestinaler Druck. 181 Intraintestinaler Druck, 2 CG der 0,d"lf}igen 10 cc der 0,9 ", o igen gemessen in NaCl-Lösung NaCl-Lösung cm 0,9^/oiger NaCl-Lösung werden resorbirt in werden resorbirt in G Minuten 5 3 cm 5 5 5 3,5 , 3,5 „ 26 Minuten 8 . 4 3 4 6 1 18 3 „ 4 10 7,5 28,5 , 4 ■ 3 8 , 4 3,5 „ 4,5 „ 9 5 5,5 „ 3 . 5 5 5 5 4 25,5 8 , 3 3 4 19 ergiebt sich, dass in der letztgebraiichten Darmschlinge die Resorptions- geschwindigkeit grösser ist als in der ersteren. Aber seit den Unter- suchungen von Tappeiner über die Aufsaugung gallensaurer Alkalien im Dünndarm [13] und von Lannois und Lepine [12] weiss man, dass das resorbirende Vermögen der verschiedenen Abtheihmgen des Dünndarmes sehr ungleich ist, eine Erscheinung, für welche Leubusch er eine annehmbare Erklärung gegeben hat, indem er zeigte (vergl. S. 818), 182 Resorption im Dann. Intraintestinaler Druck, 2 cc der 0,9 "/o igen 10 cc der 0,9 "/eigen gemessen in NaCl-Lösung . NaCl-Lösung cm 0,9''/oiger NaCl- Lösung werden resorbirt in werden resorbirt in 2 Minuten 2 14 cm 3 3 2,5 , 4 4 12,5 Minuten 3 , 4 5 4 1 3 21 14 , 1 3 11 3 5 4 3 , 3,5 3,5 „ 4 20 2 2 14 „ 2,5 , 2 10,5 2 . 4 4 3 , 5 4 4,5 21,5 dass ein auffallender Unterschied zwischen der Anzahl Becherzellen im Duodenum, Jejunum und Ileum besteht. Jedenfalls ergiebt sich übereinstimmend aus den von mir beschriebenen Versuchen, dass die Resorption im Darme bei Erhöhung des intraintestinalen Druckes steigt. Intriiahdominaler Druck. 183 2, Zweite Methode. Wurde bei der ersten Methode der intraintestinale Druck erhalten, indem die in der Darmschlinge sich befindende Flüssigkeit mit einem auf verschiedene Höhe verstellbaren Reservoir in Verbindung gesetzt wurde, so wurde bei der zweiten Methode der Druck durch Einblasen von Luft in die im Uebrigen hermetisch geschlossene Bauchhöhle mit oder ohne künstliche Aufblasung des Rectums hervorgebracht und geregelt. Ich experimentirte in folgender Weise : Bei einem tief narkotisirten Hunde wird in der Bauchwand derselbe kleine Apparat applicirt, welcher früher bei den Untersuchungen über den Einfluss des intraabdominalen Druckes auf die Resorption in der Bauchhöhle gebraucht wurde [13] und welcher dazu diente die intra abdominale Flüssigkeit unter einem willkürlichen Druck zu halten (Vergl. S. 121.) Dann wird 3 cm vom Apparat entfernt ein Schnitt in die Linea alba gemacht und eine Darmschlinge hervorgeholt. Die Schlinge wii-d mit einer lauwarmen Kochsalzlösung ausgespült und als- dann die überflüssige Flüssigkeit vorsichtig entfernt. Die Ausspülung hat einen doppelten Zweck: erstens wird hierdurch die Darmmucosa gereinigt, zweitens ver- meidet man hierdurch einen groben Fehler beim ersten Versuch (vergl. oben S. 179). Nach der genannten Ausspülung wird die Schlinge an einer Seite verschlossen und an der anderen Seite mit 100 cc einer lauwarmen 0,9 "/«igen NaCI-Lösung ge- füllt. Die Schlinge ist so lang, dass durch diese Füllung gar keine Spannung ent- steht. Jetzt wird auch das zweite Ende verschlossen. Anfangs benutzte ich hierzu Bleidraht; bald aber, um eines guten Verschlusses sicher zu sein, nahm ich ein Bändchen. Alle Manipulationen werden möglichst schnell ausgeführt; Abkühlung und Austrocknung möglichst vermieden. Die Schlinge wird nun in die Bauchhöhle zurückgebracht und die Bauchwand mittelst einer Reihe starker Klemmpincetten hermetisch geschlossen. Jetzt muss Luft in die Bauchhöhle geblasen werden. Hierzu wird das in der ßauchwand befestigte Klemmrohr mit einem Gummischlauch versehen, welcher selbst wieder einen Seitenast zum Wassermanometer sendet. Wurde nun mittelst eines Di eulaf oy'schen Aspirators Luft in den Gummischlauch geblasen, so füllte sich die Bauchhöhle mit Luft und das Manometer gab den in derselben herrschenden Luftdruck an. Der Stand des Manometers wui'de während des Versuches über- wacht und, wenn nöthig, auf die ursprüngliche Höhe zurückgebracht. Nachdem die Flüssigkeit während einer bestimmten Zeit in der Darmschlinge verweilt hat, wird letztere aus der Bauchhöhle hervorgeholt und vorsichtig entleert. Eine einfache Subtraction lehrt, wie viel von den 100 cc Flüssigkeit resorbirt worden ist. Bevor nun angefangen werden konnte den Einfluss des intrain- testinalen Druckes auf die Resorption zu untersuchen, wünschte ich zu wissen, w^ie weit auch bei dem jetzt anzuwendenden Versuchsfahren die Resorption bei constanten Druck constant sein würde. 184 Resorption im Darm. Es stellte sich dabei wiederholte Male heraus, dass die Resorption in den ersten zwei oder drei Stunden constant, nach dieser Zeit aber im Abnehmen begriffen war. Dabei zeigte sich dann die intraperito- neale Flüssigkeit roth, was nicht einer etwaigen hämorrhagischen Ent- zündung zugeschrieben werden konnte, denn weisse Blutkörperchen waren kaum vorhanden. Für eine Blutung war die Flüssigkeit viel zu dünn. Auffallend war, dass sich in der Serosa der Schlinge kleine Häma- tome befanden, und dass dieselben zu meinem nicht geringen Er- staunen nach jedem Versuch an 'Zahl zunahmen. Letzteres war auch bei den im entsprechenden Mesenterium der Schlinge vorkommenden kleinen Blutergüssen der Fall. Die Hämatome fehlten ganz in den nicht gebrauchten Darmtheilen. Weiter zeigte sich, dass die Schlinge nach jedem Versuch sich mehr verlängerte. Dass das Resorptionsvermögen des Darmes nach 2 bis 3 Stunden abnimmt, stimmt mit den Angaben von Funke, von v. Becker Tappeiner und Leubuscher überein. Nur mag es befremden, dass keiner von Allen über die anderen hierbei stattfindenden Erscheinungen spricht (Auftreten von blutgefärbter Flüssigkeit in der Bauchhöhle, von Hämatomen in Darmserosa und Mesenterium und Verlängerung des Darmes). Und doch — ich habe mich bei vielen Versuchen wiederholte Male davon überzeugt — fehlen die Erscheinungen niemals. Dieselben fallen immer mit der Abnahme der Resorption zusammen. Letzteres hat mich auf den Gedanken gebracht, zwischen den genannten Erscheinungen einen ursächlichen Zusammenhang zu suchen, den man sich in folgender Weise vorstellen kann. Bei langwährendem Aufenthalt der NaCl-Lösung in der Darmschlinge bleiben die Gewebe nicht normal ; das muss insbesondere bei den Capillaren und Venen der Fall sein, welche nicht nur von aussen von einer Salzlösung umspült sind, sondern auch das mit NaCl-Lösung verdünnte Blut abführen. Diese Permeabilitätsänderung hat das Austreten einer mit Blutkörper- chen reich versetzten Flüssigkeit zur Folge. Der Austritt gibt örtlich sogar zu Hämatomen an der Oberfläche des Darmes Veranlassung. Auch die abführenden Mesenterialgefässe werden durch das wässerige Blut mehr permeabel und lassen blutige Flüssigkeit hindurchtreten. Weiter erschlaffen die Muskeln, so dass Lumen und Länge des Darmes sich bedeutend vergrössern. Es leuchtet ein, dass von der Flüssigkeit, die bei der Resorption seitens der Blutgefässe mitgeführt wird, ein Theil wieder aus den Venen Intraabdoniinalor Druck. 185 in das Darmlumen zurückzukehren vermag, so dass hierdurch die liesorp- tion abzunehmen scheint. Ich werde hierüber sofort näher sprechen. Zunächst constatire ich nur, dass die Resorption während 2 Stunden ^) constant bleibt und dass also Versuche, über den EinHuss des Druckes auf die Resorption an diesen Zeitraum gebunden sind. Nunmehr wende ich mich zu der Frage, nach dem Einfluss des intraabdominalen Druckes auf die Darmre- sorption. Versuch. In eine ausgespülte Darmschlinge von 30 cm Länge werden 100 cc 0,9°/oiger NaCl-Lösung eingeführt. Die Schlinge wird in die Bauchhöhle zurückgebracht und letztere verschlossen. Eine halbe Stunde später wird der Darm entleert und der Versuch wiederholt, doch jetzt mit Aufblasung der Abdominalhöhle. Die folgende Tabelle gibt eine Uebersicht der erhaltenen Resultate. Künstlicher Druck In die Resorbirt in der Bauchhöhle (hervorgerufen durch Einblasen von Luft) Darmschlinge eingeführt während einer halben Stunde Bemerkungen 0 (Keine Lufteinblasung) 10 cm Wassersäule . . 100 cc 100 , 52 cc 67 „ 10 cm Wassersäule . . 100 „ 65 „ 0 (Keine Lufteinblasung 10 cm Wassersäule . . 100 „ 100 „ 50,5 , 60 , 0 (Keine Lufteinblasung) 10 cm Wassersäule . . 100 , 100 „ 40 „ 36 , Rothe Flüssig- keit in der Bauchhöhle. Aus dieser Tabelle geht hervor, dass bei künstlicher Steigerung des intraabdominalen Druckes die Resorption zunimmt, und zwar anfangs von 52 bis 67 und 65 cc, dann weniger (von 50,5 bis 60 cc) um später abzunehmen (von 40 auf 36 cc). Die Steigerung ist noch beim fünften Versuch zu beobachten. Bei der letzten Oeffnnng der Bauchhöhle zeigt sich blutige Flüssigkeit. 1) Es liegt auf der Hand, dass dieser Zeitraum für verschiedene Thiere caeteris paribus nicht ganz derselbe und auch für verschiedene Stoffe verschieden sein wird. So liest man bei Tappeiner (a. a. 0., S. 288), der mit Lösungen gallensaurer Salze arbeitete, ,dass die in den aufeinander folgenden Zeiten resorbirten Flüssig- keitsmengen eine, wenn auch geringe, so doch namentlich von der dritten bis vierten Stunde an deutlich wahrnehmbare Abnahme erfahren. Es tritt in dieser Zeit eine Ermüdung der Darmschleimhaut ein." 186 Resorption im Darm. Wiederholung des Versuches mit einem anderen Hund. Künstlicher Druck In die Resorbirt in der Bauchhöhle (hervorgerufen Oarmschlinge während einer Bemerkungen durch Einblasen von Luft) eingeführt halben Stunde 0 (Keine Lufteinblasung) .... 100 cc 44,5 cc 10 cm Wassersäule 100 „ 61 , 0 (Keine Lufteinblasung) .... 100 „ 46,5 , 10 cm Wassersäule 100 , 62,5 „ 0 (Keine Lufteinblasung) .... 100 „ 42 , Die Darnisehlin- ge ist von aussen roth und feucht. 10 cm Wassersäule 100 , 58 „ 0 (Keine Lufteinblasung) .... 100 „ 40 „ "Viel rothe Flüs- sigkeit in der Bauchhöhle. 10 cm Wassersäule 100 „ 29 , „ 0 (Keine Lufteinblasung) .... 100 , 41 , r, 10 cm Wassersäule 100 „ 28 „ Auch dieser Versuch zeigt anfangs eine Resorptionssteigening bei Druckerhöhung; aber später nimmt bei Zunahme des Druckes die Re- sorption in nicht geringem Maasse ab. Dieser und andere Versuche lehren übereinstimmend, dass die Resorption mit dem intraintestinalen Druck zunimmt, so lange sich der Darm in normalem Zustande befindet. Wird aber der Darm abnorm, so findet gerade das Umgekehrte statt: je höher der intraabdominale (intraintestinale) Druck, desto langsamer verschwindet die Flüssigkeit aus dem Darm. Der Gegensatz lässt sich nicht schwer erklären. Durch Einblasung von Luft in die Abdominalhöhle wird die Darm- wand gegen den flüssigen Inhalt angedrückt; hierdurch entsteht ein kräftigeres Eindringen der Flüssigkeit in die resorbirenden Blutgefässe der Wand, also eine Vermehrung der Resorption bei Steigerung des intraabdominalen Druckes. Befindet sich nun auch Flüssigkeit an der Aussenseite des Darmes, so wird die Druckvermehrung auch auf diese ihren Einfluss ausüben. Sie wird durch den intraabdominalen Druck von aussen nach innen getrieben, theils in die Blutgefässe, theils in das Darmlumen, und zwar in um so grösserer Menge, je höher der Druck ist. So ergiebt sich denn, dass mit der Steigerung des intraabdominalen Druckes schliesslich die Darmresorption abnehmen muss. [ntiaabdominaler Druck. 187 Ich lasse hier noch zwei Versuche folgen, bei welchen die Stei- gerung des intraintestinalen Druckes in der Darmschlinge auf andere Weisen erzielt wurde. Im ersten Falle wurde der Druck ausschliess- lich dadurch gesteigert , dass in das Rectum ein cylindrischer Gummi- ballon eingeführt und in aufgeblasenem Zustande darin erhalten wurde. Im zweiten Falle wurde erst Luft in die Bauchhöhle eingeblasen, dann der jetzt auftretende Gasdruck bestimmt und dieser durch künstliche Ausdehnung des Dickdarmes erhöht. Versuch. Eine 30 cm lange Darmschlinge wird, nachdem dieselbe in gewöhnlicher Weise ausgespült ist, mit 100 cc 0,9"/oiger NaCl-Lösung versehen. In der ersten halben Stunde werden 42 cc resorbirt. Hierauf wird das Colon descendens mittelst eines dünnen Gummiballs, der um ein Bleirohr befestigt ist, ausgedehnt. Das Bleirohr ist an dem durch den Ball umschlossenen Ende mit kleinen Löchern versehen. In einer halben Stunde werden 48,5 cc resorbirt. Hierauf lässt man die Luft aus dem Ballon entweichen und wiederholt den V^erauch. Jetzt beträgt die in einer halben Stunde resorbirte Flüssigkeit 41 cc. Dann folgt wieder ein Versuch mit Aufblasung des Ballons; resorbirte Flüssig- keitsmenge 47 cc. Man sieht, dass bei vermehrter Füllung der Bauch- höhle die Resorption zunimmt. Wie man sich das zu erklären hat, wird im vierten Abschnitt näher auseinandergesetzt werden. Bei einer anderen Darmschlinge desselben Thieres wurden die Versuche wiederholt, aber mit dem Unterschied, dass jetzt der intra- intestinale Druck zuerst durch Einblasen von Luft in die Bauchhöhle gesteigert wurde und dann eine zweite Steigerung durch Aufblasen des Colons erfuhr. Die in die Bauchhöhle eingeblasene Luft hat einen mittleren Druck von 8 cm Wassersäule; durch Aufblasung des Colons steigt der Druck auf 11,5 cm. Bei beiden Druckgrüssen werden Versuche angestellt. Der Aufenthalt der Flüssigkeit in der Darmschlinge dauerte ebenso wie in den vorigen Versuchen eine halbe Stunde. Bei einem intraabdominalen Druck von 8 cm (o b ne Aufblasen des Colons) werden resorbirt , ... 54 cc Bei einem intraabdominalen Druck von 11,5 cm (mit Aufblasen des Colons werden resorbirt 60,5 , Bei einem intraabdominalen Druck von 8 cm (ohne Aufblasen des Colons) werden resorbirt 54 , Bei einem intraabdominalen Druck von 11,5 cm (mit Aufblasen des Colons werden resorbirt 62 „ 188 Resorption im Dann. In allen vier Versuchen war, wie gesagt, Luft in die Bauchhöhle eingeblasen. Ohne Lufteinblasung und ohne Ausdehnung des Colons betrug die Re- sorption in einer halben Stunde 42 cc. Dieses Resultat bestätigt den auf den vorigen Seiten ausgespro- chenen Satz, dass die Darmresorption mit der Steigerung des intra- intestinalen Druckes zunimmt. Ein ähnliches Resultat wurde bei der Resorption in der Bauchhöhle erhalten. Ich bin hier noch einen Schritt weiter gegangen als bei den Ver- suchen über die Resorption in der Bauchhöhle und habe mir die Frage vorgelegt, ob im Darm noch Resorption stattfindet, wenn der intra- intestinale Druck Null oder negativ wird, mit anderen Worten, wenn der intraintestinale Druck auf einen Werth gesunken ist, der kleiner ist als der Blutdruck in den Capillaren. Zu dieser Fragestellung wurde ich u. A. gelegentlich eines Experimentes mit meinem Apparat für homogene Membranen veranlasst, bei dem sich herausgestellt hatte, dass keine Flüssigkeit aus dem Mantelraum mit dem Flüssigkeitsstrom im Gelatinerohr mitgeschleppt wird, wenn der Druck im Mantelraum kleiner ist als der im Gelatinerohr ^). Es liegt auf der Hand, dass für die geplanten Versuche eine Ein- richtung getroffen werden musste, um dem Zusammenfallen des Darmes vorzubeugen. Hierzu wurden sechs parallel gebogene Aluminiumdrähte mit dem einen Ende in ein conisch zulaufendes Röhrchen von Aluminium und mit dem anderen Ende in einen Aluminiumring gelöthet, welcher in ein Metallröhrchen endigte. Fig. 8. 1) Kleine Druckdifferenzen von einem oder mehreren Millimetern können bei einem derartigen Apparat natürlich nicht gemessen werden, weil Gelatinerohr und Mantelraum einen nicht zu vernachlässigenden Durchmesser besitzen. So ist der hydrostatische Druck der Flüssigkeit in verschiedenen Niveau's des Mantelrauras nicht derselbe. Druckverminderung. 189 Dieser Apparat wurde in eine Darraschlinge geschoben und darin befestigt, indem an den beiden Endstücken A und B der Darm bei d und c umschnürt wurde. Hierzu niussten natürlich die beiden Bändchen durch das an den Darm grenzenden Mesenterium hindurchgezogen werden. Schlinge mit Apparat befanden sich auf festem , horizontalem Untergrund. Austrocknung und Abkühlung waren möglichst vermieden. Um die Schlinge mit Flüssigkeit zu füllen, wurde das theilweise hinausragende conische Endstück ^ mit einem Gummischlauch versehen und letzterer wieder mit einem auf verschiedenen Hüben verstellbaren Trichter in Verbindung gebracht. An das andere Ende B des Apparates wurde ein kurzes, durch eine Klemme verschliessbares Gummiröhrchen befestigt. Bei der Füllung wurde der Trichter oberhalb des Darmes gestellt und die Luft sorgfältig aus der Schlinge getrieben. Nachher wurde die eben erwähnte Klemme geschlossen. Bei allen Versuchen wurde der intraintestinale Druck vom Grund der Darm- schlinge bis zu der mittelst Tinte angegebenen Grenze zwischen Oeffnung und Hals des Trichters gemessen. Ich habe an vier verschiedenen Hunden solche Versuche angestellt und lasse hier eine der Versuchsreihen folgen. Intraintestinaler Druck, gemessen in cm CjO^/oiger NaCl-Lösung CO 0,9%iger NaCl-Lösung, resorbirt in i Minuten Intraintestinaler Druck, gemessen in cm O.go/oiger NaCl-Lösung ce 0,90/0 iger NaCl-Lösung, resorbirt in 4 Minuten 0 0 + 6 1,1 -L 0,5 0,3 + 10,5 1,9 + 2,5 0,7 + 14 2,1 + 6,5 1,1 + 23 2,9 + 10,5 1,8 + 14 2 — 1 0 + 5 0,9 — 1 0 0 0 — 1 0 0 0 + 0,5 0,3 0 0 + 2,5 0,6 + 0,5 0,4 Das Resultat der Experimente lässt keinen Zweifel übrig. Wenn der intraintestinale Druck 0,5 cm beträgt, erfolgt, wenn auch langsam, doch noch Resorption. Ist aber der Druck Null oder schwach negativ, so ist auch die Resorp- tion Null. Dieses Resultat scheint mir interessant. Darf schon die Thatsache, dass sowohl in der Bauchhöhle wie im Dünndarm die Resorption mit dem hydrostatischen Druck zunimmt, als 190 Resorption im Darm. ein Walirscheinlichkeitsargument gegen die Vorstellung Hoppe-Seyler's und Heidenhain's gelten, dass die Resorption als ein Lebensprocess zu betrachten ist, so erhöht die Thatsache, dass gar keine Resorption stattfindet, wenn der Flüssigkeitsdruck Null oder negativ wird, den Werth dieses Argumentes in nicht geringem Maasse. Fügt man dem meine zahlreichen Versuche hinzu, welche zeigten, dass die bis jetzt an lebenden Individuen beobachteten Resorptionserscheinungen an todten Thieren , ja selbst an künstlichen homogenen Membranen nachgeahmt werden können, so besteht, so lange keine neuen Thatsachen aufge- funden sind, die mit meiner rein physikalischen Erklärung unvereinbar sind, meines Erachtens kein Grund, die Resorption als einen Lebens- process zu betrachten. Ich denke aber nicht daran, behaupten zu wollen, dass das Leben auf den Resorptionsprocoss keinen Einfluss ausüben kann und es wirk- lich nicht thut. Unter physiologischen und pathologischen Bedingungen können zweifellos in lebendigen Membranen fein nüancirte Permeabili- tätsveränderungen auftreten, die auf die darin sich abspielenden physi- kalischen Vorgänge einen nicht geringen Einfluss ausüben. Aber hier- durch hören die Vorgänge selbst nicht auf, rein physikalische zu sein. Der arterielle Blutdruck wird durch Contraction des linken Ven- trikels herbeigeführt; das ist eine Thatsache, die aus einem rein physi- kalischen Gesichtspunkte jedermann verständlich ist. Aber wenn irgend eine Ursache auf das Leben des Herzmuskels derart einwirkt, dass dieser fettig degenerirt, so ändert sich der Blutdruck. Aus dieser Thatsache kann jedoch kein Grund abgeleitet werden, den Zusammen- hang zwischen Herzcontraction und Blutdruck nun nicht mehr als einen rein physikalischen aufzufassen. Diese Bemerkungen gelten sowohl für die Resorption in der Bauch- höhle wie für die im Darme. Für die Resorption im Darme haben die erhaltenen Resultate noch eine besondere Bedeutung. 3. Anwendung der gefundenen Thatsachen für die Erklärung der Darm- resori)tion im normalen Leben. Bedeutung von Athmung und Peristaltik. Die in dem letzten Abschnitt mitgetheilten Thatsachen geben von selbst Veranlassung zu der Frage: Wie kommt im normalen Leben der für die Resorption nothwendige intraintestinale Druck zu Stande? Ursachen des intraintestinalen Druckes. 191 Es sind drei Factoren, die hier unzweifelhaft eine Rolle spielen: 1. die Athmung, 2. die Peristaltik, 3. das Gewicht des Darmes. Bei jeder Einathmung wird das Diaphragma, bei jeder Ausathmung werden die Bauchmuskeln auf die Eingeweide drücken. Dieser Druck wird sich allen Eingeweiden mittheilen, wenn auch nicht in allen Rich- tungen in gleich starkem Maasse. Gross braucht er nicht zu sein, denn — wie sich oben herausgestellt hat — kann bei Hunden ein Druck von 0,5 cm schon Resorption herbeiführen. Um zu messen, mit welcher Kraft ein sehr massig mit Flüssigkeit gefüllter Darm in der Bauchhöhle gedrückt wird, stellte ich einige Versuche an Hunden an, die 24 Stunden gehungert hatten, deren Darmcanal also leer war. Zu diesem Zweck wurde ein todtes Darmstück, welches also durch eigene peristaltische Bewegung die Messung nicht erschweren konnte, auf die Därme eines auf dem Rücken liegenden Hundes gelegt; das eine Ende war verschlossen, das andere mit einem offenen Mano- meter verbunden. Durch das Manometer hindurch wurde das Darmstück mit einer massigen Menge Kochsalzlösung gefüllt und dann der Bauch um das Verbindungsrohr von Darm und Manometer genau geschlossen. Die im Manometer beobachteten Schwankungen betrugen etwa 6 cm. Dieser Versuch wurde bei drei anderen Hunden, welche zu anderen Zwecken gedient hatten, wiederholt; die Schwankungen betrugen 10, bezw. 5 und 7 cm. Diese Zahlen haben nur relative Bedeutung; dieselben ändern sich mit der Füllung des Darmcanals , mit der Tiefe der Athmung und werden auch, caeteris paribus, an verschiedenen Stellen des Darmcanales wohl verschieden sein. Immerhin liefern sie einen experimentellen Beweis für den Satz, dass durch die Athmung ein Druck auf die Eingeweide ausgeübt wird. Und dieser Druck ist gross genug, um allein schon eine kräftige Re- sorption zu sichern. Aber nicht nur die Athmung, auch die Peristaltik tritt hier als ein neuer Factor beim Resorptionsprocess hervor. An jeder Stelle des Darmes, wo eine kleine Flüssigkeitswelle an- kommt, wird dieser sich ausdehnen; aber da die Därme überall gegen einander liegen, wird der angrenzende Darm weggedrückt werden müssen. Es liegt auf der Hand, dass hierdurch der intraintestinale Druck an dieser Stelle einen Augenblick gesteigert wird, während beim Weitergehen der peristaltischen Bewegung dieselbe Erscheinung sich ein wenig weiter wiederholt. Dass auch das Gewicht der Därme zum intraintestinalen Druck beiträgt, bedarf keiner näheren x\useinandersetzung. 192 . Resorption im Darm. Aus dem Obigen geht hervor, wie im normalen Leben der zur Resorption erforderliche intraintestinale Druck zu Stande kommt. War die gegebene Vorstellung richtig, so Hess sich erwarten, dass, wenn man bei einem in der Bauchhöhle gelegenen Darm den normalen intraintestinalen Druck beschränkte, die Resorption behindert sein würde. Um den normalen intraintestinalen Druck zu beschränken, wurde in die Schlinge ein Apparat gelegt, welcher den Darm verhinderte, zusammenzufallen. Der Apparat war, wie der in Fig. 8 auf S. 188 dargestellte construirt, mit dem Unterschied, dass jetzt der conische Theii A verschlossen war, während an B kein Röhrchen vorhanden war. Der Ring B war offen und konnte mittelst eines kleinen Korkes geschlossen werden. Ferner hatte der Apparat nur eine Länge von 9 cm. Nachdem die Darmschlinge bei d und e um den Apparat befestigt und die Schlinge mit 10 cc NaCI-Lösung gefüllt war, wurde B mittelst eines Korkes ver- schlossen. Die so eingeschlossene Salzlösung nun konnte der äussere Druck (Athmung und Gewicht der umgebenden Därme) so lange beeinflussen bis der Darm bis auf die Aluminiumdrähte des Apparates zusammengefallen war. Danach konnte auch die peristaltische Contraction auf die innerhalb der Aluminiumdrähte gelegene Flüssigkeitssäule keinen Einfluss mehr ausüben. Es war also nach meiner Vorstellung zu erwarten, dass diese Flüssigkeitssäule zurückbleiben würde; vielleicht um etwas verringert, weil der Durchmesser des Querschnittes der Säule möglicherweise ein wenig mehr betrug als die Minimum-Druckhöhe, bei welcher noch Re- sorption im unteren Theil der Schlinge stattfand. Nebst genannter Schlinge, aber 3 cm von dieser entfernt, wurde eine andere Schlinge von gleicher Länge mit 10 cc NaCl-Lösung ver- sehen. Hier wurde aber kein Apparat applicirt. Nachdem die zwei Schlingen in der geschlossenen Bauchhöhle verweilt hatten , ergab sich , dass die erste Darmschlinge noch 5 cc Flüssigkeit enthielt, die zweite dagegen keine Spur; diese Schlinge war trocken. Der Versuch wurde bei drei Hunden in vollkommen gleicher Weise wiederholt. Stets zeigte sich, dass nach einer halben Stunde die Schlinge, in welcher kein Aluminiumdrahtgestell verweilt hatte, voll- kommen leer war, während die andere, mit dem Apparat versehene Schlinge bezw. noch 6, 4,5 und 5 cc enthielt. Fasst man die von mir angestellten Versuche zusammen, so er- geben sich folgende Resultate: Physikalische Theorie. 193 1. Durch Steigerung des intra intestinalen Druckes wird die Resorption von Flüssigkeiten seitens des Darm- canales befördert. Das geschieht nicht bloss dadurch, dass der Darm sich bei Steige- rung des intraintestinalen Druckes entfaltet und also der zu resor- birenden Flüssigkeit eine vergösserte Oberfläche darbietet (Leubuscher). Denn wenn man die Entfaltung des Darmes dadurch verhindert, dass die Schlinge in ein festes gebogenes Rohr gelegt wird, so findet die Erscheinung dennoch statt. Das ist auch der Fall, wenn man eine Darmschlinge mit Flüssig- keit füllt und dann den intraintestinalen Druck durch Einblasen von Luft in die im Uebrigen geschlossene Bauchhöhle erhöht, oder durch Ausdehnung des Colon mittelst eines Ballons. 2. Lässt man den intraintestinalen Druck auf Null oder auf einen negativen Werth sinken, so hört die Darm- resorption auf. Diese Erscheinung hat eine zweifache Bedeutung: a) Sie bildet ein starkes Wahrscheinlichkeitsargument gegen die Vorstellung von H o p p e - S e y 1 e r und H e i d e n h a i n, als sei die Darm- resorption ein Lebensprocess. b) Sie wirft neues Licht auf den Resorptionsprocess im Darm- canale insbesondere. Hieran anschliessend drängt sich die Frage auf, in welcher Weise dann im normalen Leben der für die Resorption erforderliche intra- intestinale Druck zu Stande kommt. Es sind drei Factoren, welche dabei eine Rolle spielen: 1. die Athmung, 2. die peristal tische Bewegung, 3. das Gewicht des Darmtractus. Eliminirt man die Wirkung dieser drei Factoren dadurch, dass man eine in der geschlossenen Bauchhöhle gelegene Schlinge mittelst eines Aluminiumdrahtgestelles offen hält, so dass der äussere Druck die Darmwand nicht gegen die intraintestinale Flüssigkeit pressen kann, so bleibt die Resorption beschränkt. Ich fasse schliesslich in Kurzem zusammen, wie die Resorption von Flüssigkeit im Darmcanal vorstelle. Durch moleculare Imbibition wird die Flüssigkeit in die Epithel- schicht aufgenommen; dann setzt sie durch capillare Imbibition ihren Weg durch die Bindegewebspalten der Mucosa fort und wird zu einem Hamburger Osmot. Druck. II. n.ind. 13 194 Resorption im Darm. kleinen Theile mit dem Lymphstrome mitgefühlt. Grösstentheils aber wird sie durch moleculare Imbibition in die Kittsubstanz des Capillar- endothels oder auch in die Zellen selbst aufgenommen, um durch capil- lare Imbibition in die Haargefasse hinüberzugehen. Nun ist das Imbibitionsvermögen der Gewebe beschränkt: ein bestimmtes Volumen eines Gewebes kann nur eine beschränkte Flüssig- keitsmenge in sich aufnehmen und nach einiger Zeit würde eine maximale Quellung der Schleimhaut erreicht sein und die Imbibition aufhören, wenn nicht die in die Blutcapillaren hinübergetretene Flüssigkeit mit dem Blutstrome hinweggeführt würde. Bei dem Uebergange von Flüssigkeit in die Capillaren sind ausser der Imbibition noch zwei andere Factoren thätig: 1. Eine Kraft, welche die Flüssigkeit aus den Gewebespalten mit dem capillaren Blutstrom mitschleppt. Diese Kraft wächst mit der Strom- schnelligkeit des Blutes und der Druckdifferenz in Lymph(Chylus)gefässen und abführenden Blutgefässen (vergl. darüber weiter die Beantwortung von Byk Kramer's und FriedenthaPs Bemerkungen S. 119 u. 201). 2. Der intraintestinale Druck. Von diesen beiden Factoren hat der intraintestinale Druck eine überragende Bedeutung. Nicht nur, dass eine kleine Erhöhung dieses Druckes eine bedeutende Vermehrung der Resorption herbeiführt, die Grösse des intraintestinalen Druckes ist geradezu entscheidend dafür, ob die Resorption zu Stande kommt oder nicht. Lässt man den Druck künstlich unter einen gewissen Werth hin- absinken, so hört der Resorptionstrom auf. Bei den von mir unter- suchten Hunden liegt dieser Werth zwischen einem Drucke von Null und 0,5 cm NaCl-Lösung. Im normalen Leben kommt ein derartiger niedriger intraintestinaler Druck nicht vor ; denn erstens erfahren die Eingeweide bei jeder Athmung einen Druck seitens des Zwerchfells und der Bauchmuskeln, der schon viel grösser ist als 0,5 cm, und zweitens üben die Eingeweide durch ihre eigene Schwere einen Druck aufeinander aus, der bei der peristaltischen Bewegung jedesmal noch stellenweise gesteigert wird. Es ist nach dieser Vorstellung leicht, einzusehen, dass der intrain- testinale Druck, bei welchem der Resorptionsstrom aufhört, geringer als der Blutdruck in den Capillaren sein muss. Wie weit er darunter liegt, hängt von der Kraft ab, welche die Imbibition und die mitschleppende Wirkung des Blutstromes repräsentiren. Eine scheinbare Einschränkung der hier gegebenen Vorstellung geben (noch nicht veröffentlichte) Versuche, welche ich vor einiger Zeit Versuche von H ö b e s. 195 mit dem Lilutserum isotonischer Tr au benzuck er lüsungen ausgeführt habe. Bei diesen ergab sich, dass auch bei negativem intraintestinalen Druck, Resorption stattfand. Diesen Gegensatz zu dem Resultat, das bei Anwendung von isoto- nischer NaCl-Lösung gefunden wurde, kann man ungezwungen dadurch erklären, dass bei Anwesenheit von Traubenzuckerlösung die Darmzotten ihre Wirkung als Saug- und Presspumpe in merklichem Maasse ent- falten, was bei den Versuchen mit Kochsalzlösung offenbar nicht der Fall ist. Es kommt mir nicht unwahrscheinlich vor, dass auch zu der Auf- saugung des Blutserumeiweisses die Zotten in beträchtlichem Maasse beitragen. Schliesslich sei hervorgehoben, dass ausser Imbibition, mitschlep- pender Wirkung und Filtrationsdriick noch andere Kräfte zur Geltung kommen, nämlich Diffusion und Osmose. Die Diffusion ist nicht nur von der Natur der der Aufsaugung dargebotenen Stoffe, sondern auch von der Membran , d. h. von den Durchlässigkeitseigenschaften der Schleimhaut abhängig. Dass diese im lebenden Darm nicht dieselben sein werden, wie im todten, wird wohl Niemand bezweifeln, der weiss wie grosse Resorptionsunterschiede die lebende Darmschleimhaut an ver- schiedenen Stellen zeigt. Die osmotische Wirkung kommt dadurch zum Ausdruck, dass sich ein kräftiges Bestreben offenbart, die Flüssigkeit im Darmlumen mit dem Blutserum isotonisch zu machen. ß) Untersuchungen von Höber u. A. Hob er hat sich auf Grund zahlreicher Untersuchungen [15. 16. 17. 18.J der physikalischen Auffassung der Darmresorption ange- schlossen. In erster Linie wünschte er zu untersuchen, wie sich der Darm gegen andere Salze als NaCl verhält; zunächst fand er, ebenso wie ich es für den todten Darm constatirte, dass auch gegenüber den von ihm erforschten Salzen, der lebende Darm die Tendenz zur Einstellung des osmotischen Drucks auf Isotonie mit dem Blutserum des Versuchsthieres offenbart. Weiter verglich er die Resorptionsgeschwindigkeit der ver- schiedenen Salze, die er, zur Vereinfachung untereinander isotonisch — oder wie er es kürzer zu bezeichnen vorschlägt ho mo tonisch — wählte. Es ergab sich aber dabei ein frappanter Unterschied. 13* 196 Resorption im Darm. Um solche homotonische Lösungen anzufertigen, unterzog Höher sich der Mühe, auszuprobiren, welche Concentration der in Frage kommenden Salzlösung dieselbe Gefrierpunktserniedrigung zeigte, wie eine bestimmte NaCl-Lösung. So beobachtete er dann, dass von den verschiedenen Halogen- Ver- bindungen des Na das NaCl am schnellsten, dann NaBr und endlich am langsamsten NaJ resorbirt wurde. Noch weniger schnell passirt das NaNOg die Darmwand, am schwersten das NagSO^. Da die Salze in der von Hob er angewandten Concentration gröss- tentheils in Ionen gespaltet gedacht werden müssen, lag es auf der Hand, die gefundenen Unterschiede auf eine verschiedene Permeabilität der Darmwand für die Anionen Cl', Br'. J', NO'3 und S0"4 zurückzu- führen. In diesem Gedankengang verglich er in gleicher Weise die Resorptionsfähigkeit der Darmwand für Metallionen, indem er mit homotonischen Lösungen von K-, Na-, Li-, (NH^)-, Ca- und Mg-chlorid experimentirte. Es stellte sich daher heraus dass die Kationen K", Na* und Li' mit gleicher Geschwindigkeit die Darmwand passiren, schneller geschieht das durch (NHJ' (und Harnstoff), langsamer noch durch Ca" und noch schwerer durch Mg". Ein Paar Versuchsreihen als Beispiel. Schlinge von 100 cm Länge, ziemlich nahe am Duodenum. Lösungen Eingeführte A Resorptious- Rückständige A A von Menge dauer Menge des Serums NaJ 50 CG 0,691 30' 51,5 cc 0,582 0,573 NaBr 50 , 0,692 45' 39,0 , 0,589 NaJ 50 , 0,691 45' 48,0 , 0,581 NaCl 50 , 0,695 45' 39,0 , 0,577 Puls wird schneller u. schwächer Schlinge von SO cm Länge. Lösungen Eingeführte A Resorptions- Rückständige ^ von Menge dauer Menge NaJ 50 cc 0,691 SO- 80,5 cc 0,578 NaBr 50 , 0,688 SO' 9 „ 0,586 NaCl 50 , 0,688 30' 8 . 0,579 CaCla 50 , 0,689 45' 16 , 0,540 MgCl, 50 , 0,691 45' 51 , 0,577 CaCl, 50 „ 0,689 45' 49 „ 0,645 Diffusionsgeschwindigkeit. 197 Durch Zurückfühiung der Resorption der Salze auf die ihrer Ionen hat Höber den Gegensatz zwischen einigen Ergebnissen einer inzwischen erschienenen Arbeit von Geza Kövesi [19] und denen Heidenhain's verständlich gemacht. Küvesi hatte nämlich gefunden, dass, wenn man eine 5 " oigc (liypertonische) Na-SO^-Lösung (J = l,41) in eine Darmschlinge bringt, eine anfängliche Flüssigkeits- zunahme slattfindet, M'ährend Heidenha,in sofort eine Abnahme beobachtete, wenn er den Versuch mit einer 2*'/oigen Na-Cl-Lösung (zl = 1,243) anstellte. Hob er erklärt diesen Gegensatz dadurch, dass die Cl'-Ionen viel schneller aus dem Darm- lumen verschwinden als die SO''4-Tonen. Die NaClLösung verliert darum viel rascher ihre Hyperisotonie, als die NaoSO^-Solution. Auch wird durch diese Auffassung die arzneiliche Wirksamkeit der Sulfate und speciell des Magnesiumsulfats bei Einverleibung in den Darm besser verständlich als vorher. Denn sowohl das Anion SO^", wie das Kation Mg" gehören beide zu den schwer durch die Darmmu- cosa wanderenden Ionen, bleiben also lange im Darmlumen zurück, um da ihre Wirkung weiter zu entfalten. In einer zweiten Abhandlung |16| hat Hob er an einem grösseren Material noch andere Beziehungen der Resorbirbarkeit der Salze zu ihren stöchiometrischen Eigenschaften aufgedeckt. Es stellte sich nämlich heraus, dass alle langsam diffundirenden Verbind- ungen auch langsam resorbirt werden. Derselbe Schluss Hess sich auch aus den zahlreichen Versuchen ziehen, die inzwischen Wallace und Cushny [20J publicirt hatten, und nach den ebenfalls bereits ver- öffentlichten Angaben von W. Roth (vergl. oben S. 157) schien auch die Resorption aus der Bauchhöhle demselben Gesetz zu unterliegen f21J. Auf welche Weise kann man aber die Diffusionsgeschwindigkeit ermitteln? Die genaue Messung eines Diffusionscoefficienten gehört mit zu den schwierigsten Aufgaben der Physik, weil die kaum vermeidlichen Strömungen durch Concentrationsänderungen beträchtliche Fehlerquellen darstellen. Es existiren deswegen auch nur für verhältnissmässig wenige Verbindungen einwurfsfreie Werthe. Nun ist die Diffusionsgeschwindigkeit eines Salzes in einem be- stimmten Lösungsmittel erstens von dem Dissociationsgrad der Molecüle und zweitens von der Wanderungsgeschwindigkeit der Ionen abhängig; denn je schwächer ein Elektrolyt in seine Ionen gespalten ist, desto grösser ist die Concentration der elektrisch neutralen Molecüle. Für diese sind die Bewegungshindernisse im Lösungsmittel grösser als für die freien Ionen [28]. Und je grösser ferner die Wanderungsgeschwin- digkeit eines bestimmten Ions ist, desto schneller diffiindirt das ent- sprechende Salz. 198 Resorption im Darm. Bekanntlich lässt sich bei Salzen durch Leitfähigkeitsbestimmungen sowohl der Dissociationsgrad, wie die Wanderungsgeschwindigkeit der Ionen bestimmen (vergl. Band I. S. 10, 37, 42), und aus den erhaltenen Zahlen kann man nach Höber auf die Grosse der Diffu- sionsgeschwindigkeit seh Hessen. Von verschiedenen Salzen, die theils von ihm selbst, theils von Wallace und Cushny auf ihre Eesorbirbarkeit untersucht waren, hat Höber nun den Dissociationscoefificienten und die Beweglichkeit des Anions in einer Tabelle zusammengestellt, um daraus Schlüsse in Betreff der Diffusionsgeschwindigkeit der Salze zu ziehen. Aus allen Versuchen von Höh er und von Wallace und Cushny ergab sich, dass die Resorptionsgeschwindigkeiten dieselbe Ordnung zeigen, wie die Diffusionsgeschwindigkeiten. Es ist auffallend, dass in diesem Satz der Einfluss der Membran (Darmwand) gar nicht in Betracht kommt, deren EinÜnss sonst, selbst bei der Diffusion durch unveränderliche, starre, poröse Membranen nicht vergessen zu werden pflegt. Und so einfach wie bei den letzteren sind die Verhältnisse sogar beim todten Darm noch nicht. Denn jedenfalls stellen die Zellen, auch noch nachdem sie abgestorben sind, sehr zusammengesetzte chemische Substanzen dar, welche mit den dififundirenden Stoffen Verbindungen eingehen können, und hierdurch die Membran modificiren. Auch können die Zellen quellen und auch dadurch Aenderungen herbeiführen. Hob er hat dann auch selbst hervorheben müssen, dass der Satz vom Parallelismus einige Einschränkung erleidet. 1. Er hat nämlich, wie erwähnt, früher gefunden, dass Chloride, Bromide und Jodide nicht gleich rasch resorbirt werden, sondern dass die Chloride schneller als die Bromide, diese wieder schneller als die Jodide die Darmwand passiren. Dennoch sind die Wanderungsgeschwindigkeiten dieser Ionen nahezu dieselben, ebenso wie der Grad der elektrolytischen Dissociation bei den angewandten Concentrationen. Nach der obigen Anschauung sollte des- halb auch die Diflfusionsgeschwindigkeit bei den homotonischen NaCl-, NaBr- und NaJ-Lösungen dieselbe sein und doch ist die Resorptions- geschwindigkeit verschieden. Vielleicht sind in der That die Diffusionsgeschwindigkeiten dieser Halogenverbindungen gegenüber Wasser die gleichen. Es giebt aber keinen Grund, ohne Weiteres zu erwarten, dass das Darmepithel sich gegenüber verschiedenen Salzen indifferent und in gleicher Weise verhalten wird. Zu diesem Zweifel berechtigten bereits Hof- DifTiisionsgesch windigkeit. 199 me ister 's Versuche. Dieser Autor hat in seinem Aufsatz über die IJetheiligung gelöster Stoffe an Quellungsvorgängen mitgetheilt |22|, dass die Bromide gegenüber den Chloriden die (,)uellungsgeschwindigkeit er- höhen. Entsprechend verzögern nach Pasch e les 123] die Bromide das Gelatiniren im Vergleich zu den Chloriden und die Jodide haben eine noch stärkere verzögernde Wirkung. Es wäre danach möglieh, dass die Jodide in den Resorptionswegen eine stärkere Quellung der quellbaren StoÖe veranlassen als die Bromide, und diese wieder eine stärkere als die Chloride und dass so eine verschiedene grosse Ein- engung der Passage zu Stande kommt. Jedenfalls, fügt Hob er hinzu, sind aber die Differenzen in den Besorptionsgeschwindigkeiten zwischen den einzelnen genannten Halogen- salzen so geringfügig und andererseits zwischen ihnen und den langsam diffundirenden Salzen so gross, dass dadurch die Begründung der vor- getragenen Anschauung nicht in Frage gestellt werden kann. Inwiefern die Ivesorbirbarkeit anderer Salze durch Quellungsänderungen beeinflusst werden kann, bleibt vorläufig unentschieden. 2. Auch Fluoride. Oxalate, NagCOg, Arsenik und salzsaures Chinin bilden eine Ausnahme. Sie werden in Anbetracht ihrer Diffusionsge- schwindigkeit verhältnissmässig langsam resorbirt. Vielleicht ist, wie Wallace und Cushny hervorgehoben haben, bei den Fluoriden und Oxalaten die Ursache in der hemmenden Wirk- ung der sich im Protoplasma absetzenden schwerlöslichen Kalkverbind- ungen zu finden. Vielleicht ist das theilweise auch die Ursache für die ungünstige Wirkung des NagCOg. Dabei wird es sich jedoch auch wohl um die hydrolytische Spaltung dieses Salzes handeln; die freiwer- denden Hydroxylionen verursachen Quellung und Zerstörung des Proto- plasma. Uebrigens sind Arsenik und salzsaures Chinin Protoplasma-Gifte. Der Mechanismus ihre Giftwirkung ist noch unbekannt. 3. Beim Vergleich der Diffusionsgeschwindigkeit von Zuckerarten und Kochsalz einerseits und der Resorptionsgeschwindigkeit dieser Stoffe andererseits, ergab sich, dass der Zucker schneller von der Darm- schleimhaut aufgenommen wird, als seiner Diffusionsgeschwindigkeit ent- spricht. Hob er meint, dass das damit zusammenhängen kann, dass die Zellen der Darmschleimhaut Zucker aufnehmen und ihn irgendwie verarbeiten. Ich begreife nicht, warum die Membran als solche nach Hob er keinen verschiedenen Einfiuss auf die DiÖusionsgeschwindigkeit ausüben darf, um so mehr, als sie hier ausserdem sehr complicirt ist: eine Epithelschicht mit Membrana propia, Gewebespalten und Capillar- 200 Resorption im Darm. endothelschicht ! Indessen prävalirt doch noch immer der Einfluss der kleineren Diffusionsgeschwindigkeit des Zuckers, denn seine Resorptions- geschwindigkeit bleibt noch viel hinter der des NaCl zurück. Es wäre in dieser Beziehung von Interesse, die Diffusionsgeschwindig- keiten verschiedener Zuckerarten zu ermitteln, von denen Hedon ge- funden hat, dass sie in homotonischer Concentration gleich schnell resorbirt werden [24]. Nach den Untersuchungen von N a g a n o [25] scheint letzteres aber keineswegs mit allen Zuckerarten der Fall zu sein, selbst nicht mit den stereoisomeren Zuckern, mit Zuckern also, deren Molecüle bei gleicher Zahl und Bindungsart der Atome eine verschiedene räumliche Gruppirung haben. Weiter wurden Pentosen langsamer resorbirt als Hexosen. Auch war bei gleich concentrirten Zuckerlösungen die Wasser- resorption verschieden : im oberen Theile des Darmes wurde der Zucker schneller resorbirt als das Wasser; im unteren Theile war gerade das entgegengesetzte der Fall. Die Diffusionsgeschwindigkeiten der Zuckerarten wurden nicht ermittelt. 4. Endlich wird auch Harnstoff schneller resorbirt, als seine Diffusionsgeschwindigkeit zu erwarten berechtigt. Nun ist der Verfasser der Meinung [18], dass im Allgemeinen die Resorption von Salzen lediglich durch die interepithehale Kittsubstanz stattfindet, nicht durch die Zellen selbst. Der Harnstoff macht aber eine Ausnahme. Wie Hedin, Gryns, ich selbst mid Schöndorff gefunden haben, dringt diese Substanz unzweifelbar in die Zellen ein und vertheilt sich gleichmässig über Zellen und Umgebung. Nach Hob er steht dem Harnstoff also ein breiterer Weg offen als den Salzen. Daher seine schnellere Resorption. Im Allgemeinen muss eine solche sich bei allen Stoffen offenbaren, die, wie Harnstoff, leicht in die Zellen eindringen, so z. B, bei Aethylalkohol. Die Vorstellung, die interepitheliale Kittsubstanz ausschliesslich mit der Resorption der nicht wie Harnstoff und Alkohol sich verhalten- den Stoffe zu betrauen, hat viel Bestechendes. Man kann dann die Zellkörper für die Secretion dienen lassen, d. h. für den Strom in ent- gegengesetzter Richtung. Diesen Gedanken, der Kittsubstanz eine be- sondere Stellung zu geben, habe ich bereits früher in meiner Arbeit über die Darmresorption ausgesprochen [4] (vergl. u. A. S. 463). Aus Mangel an thatsächlichen Gründen wagte ich es aber nicht, der Vermuthung Einwände von Fri e d e n t h al. 201 den Wortli einer tlypothese beizulegen, und es kommt mir vor, als ob auch Hob er genügende Argumente hierfür noch nicht erbracht hat. Ausser Höber haben sich auch Geza Kövesi |19| und Frieden- thal [2GJ zu einer physikalischen Auffassung der Darmresorption be- kannt, doch scheinen FriedenthaTs Ansichten von den meinigen hier und da abzuweichen. Bei näherer Betrachtung ist diese Abweichung aber im Wesentlichen nur scheinbar. Friedentlial legt ein grosses Gewicht auf die Resorption seitens der Zottenlymphbahnen und betont, dass diese nicht eine so untergeordnete Bedeutung dabei haben, wie man zu meinen pflegt. Freilich findet man gewöhnlich nur sehr wenig von den aus dem Darmlunien resorbirten Stoffen im Chylusgefäss , und das rührt daher, dass diese, in Folge der viel grösseren Geschwindigkeit des Blut- stromes, in die Blutgefässe übergehen. Beschleunigt man dann auch den Chylus- stroni, so sieht man wohl resorbirte Stoffe in grösserer Menge im Chylus erscheinen. Diese Anschauung keineswegs meiner Auffassung widerstreitet ; im Gegentheil, eine gleichartige Ansicht betreffs der Betheiligung der Lymphbahnen habe ich immer vertreten, nicht nur beim Darm, sondern auch in den serösen Höhlen. Es ist gerade die überwiegend grössere Geschwindigkeit des Blutstromes, der zu Folge dieser bei der Resorption die Hauptrolle spielt. Die Bezeichnung ,moleculare Imbibition" für die Resorption seitens des Darmepithels kann den Autor nicht befriedigen. Er zieht es vor, von „osmotischer Aufnahme" zu sprechen. leb bemerke hierzu, dass sowohl Osmose, wie auch mole- culare Imbibition beim Durchgang von Flüssigkeit durch das Epithel eine Rolle spielen und dass sich dazu noch Diffusion gesellt und erlaube mir, auf meine obigen Auseinandersetzungen (Vergl. u. A. S. 195) zu verweisen. , Nicht so klar liegt, was Hamburger unter der „capillaren Imbibition"' in die Lymphspalten und die Haargefässe verstanden wissen will. Capillarattraction von Flüssigkeit in Haarröhrchen kann doch nur bei ungefüllten Capillaren in Be- tracht kommen". Warum, möchte ich fragen, kann der Begriff capillare Imbibition nicht ausgedehnt werden, auf den Fall, dass bei fortwährender Flüssigkeitsabfuhr, eine stetige Nachfüllung stattfindet? Denken wir uns einen Augenblick ein leeres Capillargefäss in Flüssigkeit gelegt. Es füllt sich maximal, d. h. mit soviel Flüssig- keit, wie es durch capillare Imbibition aufnehmen kann. Jetzt drücken wir es, so- dass ein Theil der Flüssigkeit abläuft. Hört man mit dem Druck auf, so füllt es sich wieder maximal an. Warum würde man jetzt nicht sagen dürfen, dass es sich bei dieser complementären Füllung um capillare Imbibition handelt, während man doch zugegeben hat, dass die erste Füllung ad maxinium lediglich durch capillare Imbibition vor sich ging? Und findet im lebenden Körper nicht fort- während Flüssigkeitswechsel statt, wenn Blut in die Venen abfliesst? Selbstver- ständlich ist hier auch der Blutdruck betheiligt. Endlich erklärt Friedenthal nicht recht begreifen zu können, was ich unter der Kraft verstanden wissen will, welche Flüssigkeit „aus den Gewebespalten mit dem capillaren Blutstrom mitschleppt und welche mit der Stromesschnelligkeit wächst". „Es steht zu vermuthen, dass er an ein Mitreissen von Lympho durch den Capillarstrom denkt in der Weise, wie Luft in einer Wa?serluftpumpe mitge- rissen wird." Ganz richtig. Wie würde man sonst den bereits erwähnten Versuch 202 Resorption im Dann. mit der Gelatinemembran erklären? Hahn k' (Fig. 3 auf S. 118) steht offen. Hahn k ist nur massig geöffnet. Man sieht Flüssigkeit aus dem Mantelraum verschwinden. Man wird sagen: das rührt daher, dass eine Flüssigkeitssäule sozusagen am Inhalt des Gelatinrohres hängt und also Flüssigkeit aus dem Mantelraum absaugt; m. a. W. es handelt sich hier bloss um Filtration. Jetzt öffne ich Hahn k etwas mehr und nun sieht man die Flüssigkeit schneller aus [dem Mantelraum verschwinden. Warum? Der durch die Flüssigkeitssäule herbeigeführte negative Druck ist unver- ändert geblieben. Nur die Ausflussgeschwindigkeit ist vermehrt. Ich kann das schnellere Verschwinden von Flüssigkeit aus dem Mantelraum nicht anders erklären als durch ein Mitschleppen durch den nunmehr beschleunigten Strom, der durch das Rohrsjstem geht. Friedenthal meint, die Stromgeschwindigkeit des Blutes durch die Capillaren ist zu langsam um an ein Mitreissen denken zu dürfen, wie man das z. B. bei der Wasserstrahlpumpe beobachtet. Aber ist denn in meiner Versuchsan- ordnung die lineare Stromgeschwindigkeit der Flüssigkeit im relativ weiten Gelatine- rohr so gross? Dass beim Uebergang von Flüssigkeit in die Blutcapillaren auch die Filtration eine Rolle spielt, habe ich niemals bezweifelt. Diesem Gedanken liegen sogar meine Untersuchungen über den Einfluss des Druckes auf die Resorp- tion zu Grunde (vergl. S. 118 u. 174). In welchem Maasse der Druckunterschied und die mitschleppende Wirkung an dem Uebergang von Flüssigkeit in die Capillaren be- betheiiigt sind, davon habe ich selbst keine Ahnung. Ich kann Friedenthal nur bei- stimmen, wenn er seine ausführliche Abhandlung in dem Sinne zusammenfasst, dass für eine qualitative Erklärung der Aufsaugung die bekannten ^physikalischen Kräfte genügen, dass aber eine quantitative Vorausberechnung aus verschiedenen Gründen vorläufig unmöglich ist. c) Einwände gegen die physikalische Auffassung der Darmresorption. Untersuchungen von 0. Colinheim und Waymouth Reid. Als Heide nhain meinen Befund bestätigte, dass auch bei todten Thieren isotonische und sogar hyperisotonische Flüssigkeiten aus der Bauchhöhle verschwinden [27], fügte er seiner Mittheilung die Bemerk- ung hinzu, dass deshalb noch keine vollkommene Aehnlichkeit zwischen den Vorgängen am lebenden und todten Thiere zu bestehen brauche. Im Anschluss hieran untersuchte 0. Cohnheim [28J, ob vielleicht ein solcher Unterschied aufgefunden werden könnte. Zu diesem Zwecke suchte er zu erforschen, wie sich bei der Resorption von Traubenzucker- lösungen der noch nicht resorbirte Zucker und die zu gleicher Zeit in den Darm abgesonderten Salze, zu einander verhalten, wie weit jeder von ihnen zum Zustandekommen der Isotonie mit der Blutflüssigkeit beiträgt und insbesondere, ob sich in dieser Hinsicht ein durchgreifender Unter- schied zwischen lebendem und todtem Thiere ermitteln lässt. Für seine Versuche am lebenden Thiere wandte er eine 18 kg schwere Hündin an, bei welcher eine Ve IIa 'sehe Darmfistel ange- legt war. Vcrsucbe von 0. Colin he im. 203 Es wurden Traubenzuckerlösiingen verschiedener Concentration ein- geführt und das nach einiger Zeit Zurückgebliebene entfernt. Die Unter- suchung des Zurückgebliebenen ergab, dass es schwach alkalisch (NitgCOg), schwach chlorhaltig (NaCl), leukocytenhaltig und opalisirend war. Die Gefrierpunkterniedrigung strebte derjenigen des Serums zu; aber NaCl und Nag CO3 waren nur in geringem Maasse daran betheiligt. Für die entsprechenden Versuche am todten Darm benutzte er anfangs Thiere, die 24 Stunden todt waren und bei denen er zur Nach- ahmung des Blutstromes eine isotonische NaCl-Lösung durch die Blut- gefässe des Darmes leitete. Hierbei erwiesen sich aber die Darmcapil- laren als derart permeabel, dass die durch die Blutgefässe künstlich hindurchgeleitete NaCl-Lösung in grosser Menge in das Darmlumen gelangte. Deshalb wiederholte Cohnheim den Versuch mit dem Darme eines bloss eine halbe Stunde todten Thieres; dann waren aber die Resultate ganz wie beim lebenden Darm. Unter diesen Umständen schien es ihm rathsam, den lebenden Darm lieber zu schädigen und zwar dadurch , dass er die zu untersuchenden Zuckerlösungen bei 80" bis 00" einverleibte. ,, Dabei war zu hoffen, dass gerade das Epithel getüdtet wurde, ohne dass sonst tiefgreifende Gewebsveränderungen Platz griffen." Gewiss eine kühne Hoffnung! Bei dieser Versuchsanordnung nun sah Cohnheim, im Gegen- satze zu dem, was er beim lebenden Thiere beobachtet hatte, viel NaCl (aus dem durch die Blutgefässe künstlich hindurch- geführten NaCl-Strom) in das Darmlumen hinübergehen. In dieser Erscheinung erkennt er den wesentlichen Unterschied zwischen dem lebenden und dem todten Darm. Die lebende Schleimhaut lässt kein NaCl in das Darm- lumen zurücktreten, die todte aber wohl. Dieser Uebertritt geschieht durch Diffusion. Zur Verdeutlichung erwähne ich folgenden Versuch, bei dem in drei unmittelbar neben einander liegenden Darraschlingen desselben Hundes drei Zuckerlösungen von grösserem, gleichem und geringerem osmotischen Druck als die Durchspülungsflüssigkeit (NaCl 0,94 "/o) eingebracht wurden. Die Versuchsdauer betrug bei allen dreien etwa 140 Minuten. Eingefühlt 40 cc Traubenzuckerlösung von ß^o = 1,29 'Vo NaCl. Entleert 50 cc Flüssigkeit Nach 140 Minuten im Darmlumen | Traubenzucker . . . 3,79" 0 = 0,81 "0 NaCI zurückgeblieben J Kochsalz 0,64" 0 = 0,64 "'0 „ Die im Darmlumen zurückgebliebene Flüssigkeit ist somit isotonisch mit 1,45 "/o NaCl 204 Resorption im Darm. Eingeführt 59 cc Traubenzuckerlösung von 4,4 "/o = 0,947 °/o NaCl. Entleert 66 cc Flüssigkeit Nach 140 Minuten im Darmlumen ^ Traubenzucker . . . 3,16 "/o = 0,68 «o NaCl zurückgeblieben j Kochsalz 0,61 "/o = 0,61 °/o „ Die im Darmlumen zurückgebliebene Flüssigkeit ist somit isotoniöch mit l,29*'/oNaCl Eingeführt 75 cc Traubenzuckerlösung von 2,3*'/o = 0,5°/o NaCI. Entleert 81 cc Flüssigkeit Nach 140 Minuten im Darmlumen ) Traubenzucker . . . 1,47% = 0,32 "/oNaCl zurückgeblieben J Kochsalz 0,62 °/o:= 0,62 , Die im Darralumen zurückgebliebene Flüssigkeit ist somit isotonisch mit 0,94°/oNaCl Man sieht, dass in allen Fällen eine bedeutende NaCl-Menge in das Darmlumen geräth und dass selbst der osmotische Druck des Darm- inhaltes ansteigt, was dadurch zu erklären ist, dass mehr NaCl-Moleküle in das Lumen eintreten, als Traubenzuckertheilchen daraus verschwinden. Dass bei meinen Versuchen mit dem todten Darm, deren Resultate Co hn he im übrigens auch für Traubenzucker vollkommen bestätigen konnte, so wenig NaCl in das Darmlumen tritt, rührt nach dem Autor daher, dass ich die Blutgefässe nicht durchspülte ; es war deshalb nur wenig NaCl aus der Mucosa verfügbar. Demgegenüber muss ich bemerken, dass dann doch der osmotische Druck, wenn nicht viel, doch jedenfalls hätte steigen müssen. Und doch findet er auch bei meiner Versuchsanordnung, welche die Con- centration der Zuckerlösung auch sein mag, stets Näherung zum osmoti- schen Druck des Blutserums. Ausserdem hat Höber [15J gegen Cohnheim's Deutung seiner oben mitgetheilten Versuche die Bemerkung gemacht, dass die Flüssig- keitsvermehrung und der Salzeintritt in das Lumen des abgetödteten Darmes vielmehr darauf zurückzuführen ist, dass die NaCl-Lösung mit einer dem normalen Blutdruck entsprechenden Kraft hindurchgepresst wurde, während die sonst bei der Resorption entgegengesetzt gerichteten Druckkräfte: der Druck durch Contraction von Darm-, Zwerchfell- und Bauchmusculatur, hier nicht zur Aeusserung gelangen können. Der Druck, unter welchem die NaCl-Lösung durch die Blutgefässe strömt, ist somit in Cohnheim's Versuch zu hoch. Aber abgesehen davon, scheint mir der Gedanke, als Durchströmungsflüssigkeit NaCl-Lösung anzuwenden, nicht glücklich. Wie ich oben mittheilte, erfährt bereits der gesunde lebende Darm durch eine nur zwei Stunden lange, bloss indirecte Berührung der Blutgefässe mit Kochsalzlösung eine derartige Versuche von 0. Colin he im. 205 Schädigung, dass selbst rothe Blutkörperchen in grosser Menge austreten. Besser wäre es demnach gewesen, als Durchströmungsflüssigkeit Blut oder Serum zu benutzen. Ich glaube nicht, dass aus Cohnheim's Versuchen sich irgend ein zwingender Grund für die Annahme ergiebt, dass zwischen der Resorp- tion im todten und im lebenden Darm ein wesentlicher Unterschied bestellt. Hierin steht Höber auf meiner Seite. „Die Unterschiede zwischen Beiden sind durchaus nur quantitative, keine qualitativen." Inzwischen hat Co hn heim in einer zweiten Abhandlung [29] den Einwand Höber's, dass durch den Druck NaCl-Lösung in das Darm- lumen übergewandert sein kann , als richtig anerkannt und hat dann nach dem Vorgange Heidenhain's die Traubenzuckerresorption unter dem schädigenden Einfluss von NaFl studirt. Versuch I. Katze, tiefe Chloroformnarkose. Eingeführt 38 cc einer Zuckerlösung von 4''/o Entleert 23 „ Flüssigkeit, die 3,7 «.'o Zucker und 0,065 "/o NaCl enthielt. Also resorbirt 15 cc. Versuclisdauer 45 Minuten. Zusatz von Fluornatrium 0,05 z u 100 Eingeführt 4 cc Vorher Zucker 4°/o ^ , { Zucker 3,15 7o Entleert 38,5 , Nachher { »t p,, n oo o ' ' ^ JNaCl 0,23/0 Resorbirt 1,5 „ Versuchsdauer 45 Minuten. Man sieht, durch Hinzufügung von NaFl nimmt die Wasser- resorption ab, relativ weniger die Ptesorption des Zuckers ; es tritt aber ein wenig mehr Kochsalz in das Darmlumen. Versuch II. Hund. Morphium- Aethernarkose. Eingeführt 75 cc Vorher Zucker 4°/o T 1 f Zucker 4"/o Entleert 54 „ Nachher { m m ,iioo " I JNaCl 0,12 °/o Resorbirt 21 , Versuchsdauer 30 Minuten. Zusatz von 0,65 > NaFl. Eingeführt 80 cc Vorher Zucker 4''/o .T , , ( Zucker 4,1 "/o (je Wonnen 6o - Nachher »t <-,, nooo/ I NaCl 0,22 ,0 Resorbirt 16 „ Versuchsdauer 30 Minuten. 206 Resorption im Darm. Kein Zusatz. Eingeführt 70 cc Vorher Zucker 4°/o ^T ,, I Zucker 4°lo Gewonnen 61 „ Nachher ^^^^ 0,140/0 Resorhirt 9 „ Dieser letztere Versuch (II) wurde an einer abgebundenen Darm- schlinge eines Hundes angestellt. Der folgende an einer Vella 'sehen Fistel. Versuch V. Kein Zusatz. Eingeführt 38 cc Vorher Zucker 2,5 ",'0 f Zucker 3"o Gewonnen 13 „ Nacliher ' t>t ,,, ni^« " I JNaOl 0,10/0 Resorhirt 25 , Versuchsdauer 15 Minuten. Zusatz von 0,035 ° 0 Fluorkalium. Eingeführt 33 cc Vorher Zucker 2,5 "/o ( Zucker 2,9 "/o Gewonnen 15 „ Nachher j t^ p, nno; Resorhirt 18 „ Versuchsdauer 15 Minuten. Zusatz von 0,06 "o Fluorkalium. Eingeführt 36 cc Vorher Zucker 2,5° 0 X. , , ( Zucker 2,4 »/o Gewonnen 24 „ Nachher j \t pi Qoo Resorhirt 14,5 „ Versuchsdauer 15 Minuten. Kein Zusatz. Eingeführt 3G cc Vorher Zucker 2,5 "/o I Zucker 2,6 V Gewonnen 24 , Nachher ^ ^^^^ q^^,,;^ Resorhirt 12 Cohnheira schliesst aus diesen Versuchen, dass durch Zusatz von NaFl die Flüssigkeitsresorption beträchtlich vermindert wird und nach Entfernung des NaFl ihre frühere Höhe nicht wieder erreicht. Gleich- artige Versuche stellte er mit Arsenik an, welches die Darmwand stärker schädigt als NaFl. Versuch VIII. Hund. Morphium. Aether-Narkose. Schlinge der oberen Hälfte des Darmes. Eingeführt 46 cc einer Zuckerlösung von 3"/o Gewonnen 10 „ Die Bestimmung von Kochsalz und Zucker ging verloren. Versuchsdauer 25 Minuten. Versuche von 0. Coli nh ei in. 207 Zusatz von Liq. Kali arsenic. 1,5:100; also Arsenik 0,0069 g. Eingeführt 46 cc einer Zuckerlösung von S^/o Gewonnen 42 , Flüssigkeit, die 2"/o Zucker und 0,62 "/o NaCl enthielt. H Also Resorbirt 4 cc. Versuchsdauer 25 Minuten. Cohnheim legt grosses Gewicht darauf, dass die Hinziifügung von Arsenik zu der Traubenzuckerlösung einen so bedeutenden Clilor- übergang in das Darmlumen veranlasst. Es geschieht dies nach ihm durch Diffusion, welche hier in Erscheinung tritt, weil die Epithelzellen durch die Gifte Fluornatrium und Arsenik gelähmt sind. Wo das nicht der Fall ist, im normalen Darm, sind die Epithelzellen in der Richtung zum Darmlumen impermeabel für NaCl, und wenn man dann doch NaCl in der intraintestinalen Flüssigkeit findet, so stammt diese allerdings geringe Menge vom Darmsaft. Indessen scheint mir die Annahme Cohnheim's, dass nach Fluor- und Arsenikvergiftung das NaCl durch Diffusion in das Lumen hineinwandert, nicht zwingend; denn es ist gar nicht unmöglich, dass der vermehrte NaCl-Gehalt daher rührt, dass die Gifte die Lieber- kühn'schen Drüsen zu grösserer Thätigkeit angeregt haben. Damit würde die Erfahrung von Waymouth Reid (5] in Einklang stehen, dass Atropin die Resorption von Salz- und Albumose-Lösungen verlang- samt. Und wer kann sagen, ob das NaFl und Arsenik ihre Wirkung auf das Epithel beschränkt und nicht auf die Blut- gefässe ausgedehnt haben, so dass deren Permeabilität u. A. für Chlor modificirt wurde. Weiss man ja doch, dass grössere NaFl- und Arsenikgaben eine heftige hämorrhagische Entzündung des Darmkanales hervorrufen. Wenn nun weiter Cohnheim bemerkt: „Ein physikalischer Pro- cess, der durch die Hinzufiigung von einigen Milligramuien verschiedener Körper sich völlig verändert, ist wohl schwer denkbar: vergiften kann man nur lebende organisirte Substanz," so muss ich demgegenüber auf die Versuche von Bredig und Müller von Berneck [30J hinweisen;, nach welchen Spuren von HCN die Platinkatalyse wie ein wahres Gift lähmen. Noch muss ich einen interessanten Versuch Cohnheim's |31J erwähnen, für den nach ihm Imbibition und osmotischer Druck zur Erklärung nicht genügen. Eine Katze wird durch einen Keulenschlag auf den Kopf getödtet. Unmittel- bar darauf wird die Bauchhöhle geöffnet, das duodenale Ende des Dünndarmes her- vorgeholt, eine Canüle eingeführt, am coecalen Ende des lleums ebenfalls eine Oeff- 208 Resorption im Darm. nung gemacht und nun der Dünndarm aus einer Bürette mit körperwarmer physio- logischer Kochsalzlösung durchspült, bis die Flüssigkeit klar abläuft. Dann wird der Darm durch Streichen mit den Fingern entleert und von seinem Mesenterium möglichst kurz abgerissen. Während dieser Procedur giesst ein Assistent fort- dauernd körperwarme 0,92° oiger Kochsalzlösung über den Darm um eine Abkühlung zu verhüten. Dann wird der isolirte Darm an seinem untei'en Ende zugebunden, in ein bereit stehendes Gefäss mit Blut geworfen und durch die in seinem oberen Ende steckende Canüle mit der Resorptionsflüssigkeit gefüllt. Der Darm zeigt während etwa 7 Stunden Bewegungen. Auch bleibt er, wenn auch kürzere Zeit, aber doch etwa 4 Stunden, in der Ringer 'sehen Flüssigkeit (NaCl 8, NaHCOg 1, CaClg 0,1, KCl 0,075, Wasser 1000) lebend. Es stellte sich nun heraus , dass bedeutende Volumina Salzlösung aus dem Darmlumen verschwunden waren ^), ohne dass aber der Darm an Gewicht zugenommen hatte. Es muss also die resorbirte Flüssigkeit nach aussen befördert worden sein. Cohnheim bemerkt, dass diese Resorption von der anatomischen Anordnung der Gefässe in der Darmwand, sowie von den mechanischen Kräften der Musculatur unabhängig ist. Er hält nämlich den intra- intestinalen Druck von einigen Centimetern Wassersäule nicht für aus- reichend, um die Flüssigkeit durchzutreiben. (Vergl. indessen meine Versuche über den intestinalen Drucks). Ferner ist nach ihm diese Resorption unabhängig von osmotischen Druckdifferenzen, denn wenn dieselbe NaCl-Lösung innerhalb und ausserhalb des Darmes gebracht wird, bleibt die Resorption doch bestehen. Sie ist vielmehr einzig und allein an die Integrität der Darmwand gebunden. Die Darmwand resp. Zellauskleidung besitzt also die Fähigkeit, einen Flüssigkeitsstrom her- vorzurufen, der, immer nur in einer und derselben Richtung verlaufend, Wasser und die in ihm gelösten Bestandtheile aus dem Darmlumen heraustransportirt , und zwar bei den vorliegenden Versuchen in die Aussenttüssigkeit, im lebenden Körper in das Blutgefässsystem. Ich habe ein paar von diesen Versuchen wiederholt und dabei bestätigen können, dass der ausgeschnittene Darm in körperwarmem defi- brinirten Blut schöne peristaltische Bewegungen ausführt. Auch konnte ich bestätigen, dass von einer eingebrachten NaCl-Lösung ein Theil aus dem Lumen verschwand. Was ich aber nicht habe bestätigen können war der ebenfalls von Cohnheim angegebene Befund, dass dabei das Gewicht des Darmes unverändert bleibt, dass m. a. W. die resorbirte 1) Aehnliche Versuche hatte bereits früher Waymouth-Reid [32] mit Kaniach endarm angestellt. Versuche von Waymouth-Rcid. 209 NaCI-Lösung einfach in die den Darm umgebende Flüssigkeit hinüber- geführt wird. Im Gegentheil, unter Einhaltung der nöthigen Cautelen stellte sich heraus, dass der Darm gerade um so viel schwerer geworden war, als an NaCl-Losung aus dem Lumen verschwunden war. Versuch. Kleine junge Katze. Das Thier hat 24 Stunden gehungert. Nach TöcUung, Darm mit körperwarmer 0,9°/'oiger NaCl-Lösung ausgespült. Gewicht des Darmes + eingegossene NaCl-Lösung 0,9 "/o . . 84,05 g Gewicht des Darmes + Inhalt nach 1 ^ji Stunden .... 83,30 g Aus dem Darm verschwunden 0,75 g Nun wurde der Darm entleert: Gewicht des entleerten Darmes 55,95 g Leerer Darm vor der definitiven Eingiessung der NaCl-Lösung 49,75 g Gewichtszunahme des Darmes 6,20 g Im Ganzen waren 34,3 g NaCl-Lösung eingeführt worden, denn Darm + NaCl-Lösung = 84,05 g Leerer Darm = 49,75 g Eingeführte NaCl-Lösung =: 34,50 g Nach 1 ^ji Std. aus dem Darm zu entfernen : 28,1 g Flüssigkeit folglich zurückgeblieben: 34,3 — 28,1 = 6,2 g Flüssigkeit. Endlich hat in einer Reihe von Arbeiten [32, 33, 34, 35, 5, 36] auch Waymouth-Reid seine Ansichten über den Mechanismus der Darmresorption mitgetheilt. Auch er führt ebenso wie 0. Cohnheim die Resorption auf eine Lebensprocess zurück. Zunächst untersuchte der Autor die Diffusionsgeschwindigkeit von Pepton und Glukose durch Pergamentpapier gegenüber Serum. Der benutzte Apparat bestand aus einem Pergamentschlauch mit 157 qcm Oberfläche, unten durch einen Kautschukstopfen geschlossen, oben an einem Messingring befestigt. In diesen Schlauch wurde 125 cc Serum gegeben, welches durch einen Rührer in Cirkulation gehalten wird. Der Schlauch ist in einem Glasgefäss aufgehängt, in welchem sich das Pepton, resp. die Zuckerlösung befindet. Die ganze Einrichtung steht in einem kupfernen, mit Wasser von 38" angefüllten Gefäss. Auf diese Weise konnte er den Uebergang von Pepton und von Glukose in Serum quanti- tativ verfolgen. Wurden nun auch Pepton- und Glukoselösungen in Darmschlingen von lebenden Hunden gebracht, so zeigten sich Ueber- gangsverhältnisse, die von den durch den Pergamentschlauch beobach- teten quantitativ bedeutend abwichen. Ich kann in diesem Versuchsresultat kein Argument für die Lebens- thätigkeit der Schleimhaut bei der Resorption erblicken. Wenn der Hamburger, Osmot. Druck. II. Band. 14 210 Resorption im Darm. Autor andere lebenlose Membranen genommen hätte, so wäre der üebergang von Pepton und Glukose quantitativ gleichfalls ein anderer gewesen als beim Pergamentpapier; ebenso wenn er die todte Schleim- haut genommen hätte. So unterliegt es weiter auch keinem Zweifel, dass die Diffusion durch todte und lebende Schleimhaut Differenzen darbieten wird, denn durch das Absterben erleidet die Membran un- zweifelhaft Veränderungen. Die gleiche Bemerkung gilt auch für die Versuche, die Waymouth- Reid mit Maltose anstellte [36J, weil letztere Substanz das Hauptpro- dukt der Kohlenhydrat-Umsetzung bildet. Während bei der Diffusion durch Pergam^entpapier gegen Serum sich ein deutlicher Unterschied zwischen Maltose und Glukose in 2 *^/o igen Lösungen bei 3klärung der Serumresorption so änderte sich der Widerstand und aus der Diiferenz mit dem erst gefundenen ergab sich, wie gross der durch die Membran herbeigeführte Widerstand war. Auf diese Weise wurden als todte Membranen: Condomen (getrockneter Schafsdarm), Mesenterium und Pericardium untersucht; als lebende: Harnblase der Schildkröte, Coecum des Kaninchens, Darm der Holotburie. Sie lagen in den folgenden Flüssigkeiten : NaCl, NaFl, KCl, (NHjCI, Na,SO„ K.,C,04, (NHj.SOi.CaClj, MgSO,. Die durch die lebenden Membranen herbeigeführte Widerstandsvermehrung war sehr bedeutend, und für eine und dieselbe Membran in den verschiedenen Flüssigkeiten nicht dieselbe. Was aber in hohem Maasse auffiel, war die erhebliche Abnahme des Widerstandes, wenn die lebende Membran mittelst Chloroform getödtet war. Wurde z. B. bei der Harnblase der Schildkröte, der Widerstand der lebenden Membran durch 7,5 an- gegeben, so war der Widerstand der durch Chloroform getödteten nur 6,6; beim Coecum des Kaninchens waren diese Zahlen resp. 29,5 und 2,9 und beim Darm der Holothurie 25,2 und 9,0. Die Membranen lagen in NaCl Lösung. In anderen Flüssigkeiten waren, wie gesagt, die Widerstände andere und die genannten Dififerenzen oft viel stärker ausgesprochen. Galeotti führt diese Widerstandsunterschiede auf die Durchlässigkeit der Membranen für die betreffenden Ionen zurück. Je grösser der Widerstand, desto geringer die Durchlässigkeit. Resorption im Magen. 221 unbeachtet gelassen hat, muss als ein wesentlicher Mangel in seinen Ausführungen betrachtet werden. Ich schliesse mit der Bemerkung, dass die Vorstellungen von Heidenhain, Cohnheim, Waymouth Reid sich lediglich mit physio- logischen Triebkräften im Epithel befassen und sich um den IJeber- gang vom Resorbirten in die Blutcapillaren, der doch auch zu dem Aufsaugungsprocess gehört, nicht bekümmern. Zuweilen spricht man einfach von physiologischen Triebkräften in der Darmwand ohne Weiteres. Meine Vorstellung hat auch das voraus, dass sie der resorbirten Flüssig- keit bis in die Blutcapillaren folgt. II, Resorption im Magen ^). Litteratur. 1. von Mering, Verhandlungen des XII. Congresses f. innere Medicin. 1893. S. 470. 2. Moritz. Verhandlungen des XII. Congresses f. innere Medicin. 1893. S. 483. 3. Meltzer, American Journal of experimental Medicine 1. 1895. Nr. 3. 4. von Anrep. Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 1881. S. 504. 5. Meade-Smith, Arch. f. (Anat. u.) Pliysiol. 1884. S. 481. 6. Strauss u. Roth, Zeitschr. f. klin. Medicin. 37. 1899. S. 144. 7. .Taworski, Zeitschr. f. Biol. 19. S. 397. 8. Bottazzi und J]ni'iques, Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 1901. Supplcmcntband S. 109. 9. Strauss, Verhandl. des XVIII. Congresses f. innere Medicin. 1900. S. 446. 10. Schüler, Deutsche medicin. Wochenschr. 1900. Nr. 19. 11. Pt'eilt'ei' und Sommer, Archiv f. experim. Pathoi. u. Pharmak 43. 1900. S. 98. 12. Bönniger, Archiv f. exp. Pathoi. u. Pharmakol. 50. 1903. S. 7G. Die Untersuchungen der letzten Jahre über das Verhalten des Magens gegen Lösungen haben zwei ganz unerwartete Thatsachen ans Licht gebracht, zuerst die, dass der Magen ein äusserst geringes lie- sorptionsvermögen für Wasser besitzt, und zweitens, dass auch die Re- sorption in Wasser gelöster Substanzen beträchtlichen Einschränkungen unterliegt. Von Mering^) wies nach, dass beim Einbringen von Wasser in einen Hundemagen mit Duodenalfistel — sei es auf einmal, sei es in kleinen Portionen — dieses vollständig den Magen verlässt; ein Befund, der von Moritz bestätigt wurde. Was den zweiten Punkt betrifft, so fand Meltzer dass 200 mgr. Strychnin viele Stunden im Magen, dessen Pylorus unterbunden war, verbleiben können, ohne Vergiftung und Tod herbeizuführen. Dagegen erwies die Magenwand sich für andere Stoffe sehr wohl als permeabel. 1) Vergl. zu diesem Gegenstand den Abschnitt „Magensaft" im achten Kapitel. 222 Resorption im Magen, Bezüglich des Einflusses der Concentration wiesen vonAnrep[4|, Meade-Smitli [5] und von Mering [1] nach, dass die Resorption in demselben Zeiträume uai so erheblicher ist, je concentrirter die ein- geführte Lösung ist. "Während also der gelöste Bestandtheil zum Theil aus dem Magen verschwindet, ergiesst sich nach Anrep[4| eine Menge Flüssigkeit in die Magenhöhle, welche nach Meade-Smith [5| und von Mering um • so grösser ist, je mehr gelöste Bestandtheile vor- handen sind. Diese Flüssigkeit ist kein reines Wasser, sie enthält Salze und reagirt zuweilen sauer, zuweilen alkalisch. Es fragt sich nun, ob es sich hierbei um eine physikalische oder eine vitale Flüssigkeitsabscheid- ung handelt. Es ist ein Verdienst von H. Strauss und W. lioth [6| dieser Frage vom Standpunkt der neuen Lehre vom osmotischen Druck näher getreten zu sein. Eine Klärung war — wie die Verfasser meinen — um so eher zu erwarten, als auf diesem Boden auch die Frage der Re- sorption im Dünndarm zuerst durch Untersuchungen von Heide nhain, Hamburger, Kövesi, Höber, 0. Cohnheim dem Verständniss erheblich näher gerückt worden ist. a) Untersuchungen von Roth und Strauss. Die Verfasser experimentirten mit Kochsalz- und Traubenzucker- lösungen, welche gegenüber Blutserum hyperisotonisch, isotonisch und hypisotonisch waren. Ueber die Versuche mit hy per isotonischen Lösungen theile ich folgendes mit: Bei 6 Versuchspersonen wurden 400 cc einer 2,96 — 2,78 procen- tigen XaCl-Lösung {J=1,S1 — 1,71"C) in den Magen gebracht. 20 Mi- nuten später war der osmotische Druck des Mageninhalts auf .=^=1,22 bis 1,74'^ gesunken. Die osmotische Concentration hatte also eine Ab- nahme um 18,8 — 28,6 Proc. erfahren. Grösser war aber der Rückgang des Kochsalzgehalts: dieser betrug 32—41 Proc; es mussten folglich andere Stoffe in den Magen eingetreten sein. In der That war durch qualitative Proben leicht zu zeigen, dass in der ausgeheberten Lösung neben Kochsalz auch Sulfate und Phosphate vorhanden waren. Gleichartiges wurde bei 12 Personen nach Einverleibung von hyper- isotonischen Traubenzuckerlösungen (9 — 18,7 °/o) constatirt. Auch hier zeigte sich eine Abnahme der Traubenzuckerconcentration, der ein Eintritt ziemlich bedeutender Mengen von Kochsalz, Sulfaten und Phos- phaten in das Mageninnere gegenüberstand. Diese Thatsachen konnten auf rein physikalischem Wege leicht erklärt werden; denn für die Ab- Concentrationsabnahme hyperisotonischer Lösungen. 223 nähme der Traubenzuckerconcentration war theilweise der hyperisoto- nische Zustand, also die Wasseranziehung des Mageninhalts, theilweise die Diffusion in die Wand verantwortlich zu machen. Bekanntlich ist die Diffusion bestrebt, die Partialdrucke einer Sub- stanz auf beiden Seiten einer Membran auszugleichen. Aus diesem Prinzip Hess sich erklären, warum Kochsalz, Sulfate und Phosphate in das Magen- innere hinüber gingen, denn im vorliegenden Versuch waren die Partial- drucke dieser Substanzen im Blut grösser als im Magen in dem sie := Null sind. Dass nun wirklich die Diffusion aus dem Magen an der Ver- dünnung der Traubenzuckerlösung betheiligt ist, geht aus den Ver- suchen von Jaworski [7J hervor. Jaworski führte bekannte Misch- ungen von Salzlösungen in den menschlichen Magen ein und constatirte eine deutliche Aenderung des Mischungsverhältnisses. So büssten z. B. bei Gemischen, die aus Carbonaten und Sulfaten, resp. Chloriden be- standen, die Carbonate einen grösseren Bruchtheil der ursprünglichen Concentration ein, als die Sulfate oder die Chloride. Wenn die Ein- busse der Concentration lediglich von einer Wasserabscheidung in die Magenhöhle abhängig gewesen wäre, so hätte dieselbe für die verschie- denen gelösten Componenten der Lösungsmischung sich in gleichem Verhältniss zeigen müssen. Da aber die Abnahme für einen ein- zelnen Componenten grösser ausfiel, so war damit erwiesen, dass der- selbe jedenfalls auch durch Resorption eine Concentrationsänderung er- fahren haben musste. Hiermit steht auch das Ergebniss eines mehrfach wiederholten Versuches von Strauss in Uebereinstimmung, bei welchem 200 cc Milch, welche 2 Stunden im Magen verweilt hatten, einen Rest lieferten, in welchem linksdrehende Eiweisskörper, aber keine reducirende Sub- stanzen (Milchzucker) nachgewiesen werden konnten. Immerhin blieb aber die Möglichkeit bestehen, dass zu den zwei physikalischen Ursachen für die Concentra- tionsabnahme sich noch eine dritte, vitale, gesellte, welche darin bestand, dass die Magenwand activ eine Flüssig- keit abschied. Die Verfasser meinten diese Möglichkeit untersuchen zu können, indem sie statt mit hyperisotonischen, mit isotonischen Kochsalz- und Zuckerlösungen experimentirten. Beiläufig sei hier erwähnt, dass Strauss in einer anderen Arbeit [8] auf die durch hyperisotonische Lösungen herbeigeführte Verdünnung aus zweifachem Gesichtspunkt praktische Bedeutung zu legen geneigt ist. 224 Resorption im Magen. Die erste betrifft die Bekämpfung gewisser Symptome der Hyperacidität, welche Strauss durch Verabreichung von Zuckerlösungen von hoher Concentration zu lindern vorschlägt. Dieses Mittel hat sich ihm bereits seit vier Jahren praktisch bewährt. Die zweite bezieht sich auf die motorische Insufficienz des Magens, bei welcher man darauf zu achten hat, dass der Patient sich der Ingesta hyperiso- tonischer Concentration enthält, um der Belastung der Motilität möglichst vor- zubeugen. Zu den stark hyperisotonischen Ingestis gehören nach Strauss viele alkoholische Getränke. So fand Strauss J bei Rauenthaler Wein über —5,0", bei Bordeaux über —4,0", bei Schultheiss Versandtbier — 2,72". Demgegenüber zeigen Milch, Fleischsaft einen zl-Werth , wie das Blut =: — 0,56". Bei einer Brühsuppe fand Strauss A = —0,80" und bei Kaffee (schwarz) = —0,08". Die eingeführten, mit dem Blutserum isotonischen NaCl- und Zuckerlösungen hatten eine Gefrierpunkterniedrigung von 0,54*' — Ü,6P (die des menschlichen Blutserums beträgt bekanntlich etwa 0,56^). Es zeigte sich nun, dass 20 Minuten nach Einverleibung der isoto- nischen Kochsalzlösung die Gefrierpunkterniedrigung eine Abnahme von 9-46^/0 erfahren hatte. Demnach war die früher isotonische Lösung bedeutend hy pisotonisch geworden. Was konnte die Ursache hiervon sein ? Ein etwaiger durch osmo- tischen Druckunterschied herbeigeführter Wasserstrom in die Magenhöhle war natürlich ausgeschlossen; nicht aber eine Diffusion von festen Molecülen aus dem Mageninnern. Erfolgt eine solche derart, dass mehr Molecüle aus dem Magen austraten als aus den Blutgefässen in den- selben einwanderten, so wäre damit die Verdünnung der isotonischen Lösung erklärt. „Ein solcher physikalischer Process allein kann aber eine Verdünnung einer isotonischen Lösung nicht bewerkstelligen" meinen Roth und Strauss, ohne jedoch dafür Gründe anzuführen. Warum nicht, möchte ich fragen. Man denke sich die Membran von der be- sonderen Beschaffenheit, dass in der Zeiteinheit mehr Molecüle der intragastralen isotonischen Lösung die Magenhöhle verlassen als in die- selbe einwandern können. Stellt man sich nun weiter vor, dass ein rascher Austritt von Wasser aus der Magenhöhle nicht möglich ist, sodass die Concentration nicht auf die isotonische zurückgeführt werden kann, wie das im Gegensatz hierzu in den serösen Höhlen, Unterhautbindegewebe und Darmkanal geschieht, so muss der Magen- inhalt hypisotonisch werden und bleiben. Dass in Wirklichkeit dem Austritt von Wasser aus der Magenhöhle ein grosses Hinderniss im Wege steht, haben, wie oben erwähnt, von Mering, Moritz und andere betont und Roth und Strauss haben sich dem unbedingt angeschlossen. Eigentlich kann uns der Gedanke nicht befremden, dass die Magenwand für Wasser lediglich in die Richtung: Blutgefässe-Magenhöhle permeabel Gastroisotonie. 225 ist, da analoge Erscheinungen auch bei den Kiemen von Fischen (vergl. diesen Band S. 23) gedacht werden müssen, wie überhaupt im All- gemeinen in den Fällen, wo Wasserthiere den osmotischen Druck und die Zusammensetzung ihrer Körperflüssigkeiten von der des Milieu externe unabhängig halten. In dieser Beziehung sei noch auf die Untersuchungen von Bottazzi und Enriques [8] über die osmotischen Eigenschaften der Magen wand bei Aplysien hingewiesen. Wie bereits früher (Bd. 1 S. 460) bemerkt wurde, ist der osmotische Druck der Gewebesäfte bei wirbellosen Meeresthieren , wozu auch die Aplysien ge- hören, ungefähr gleich dem osmotischen Druck des Seewassers. Auch die Menge und Qualität der Salze in den Säften erweist sich identisch mit denen im Meerwasser Die Autoren erwarteten deshalb , dass die Membranen bei diesen Thieren diesen Salzen gegenüber völlig permeabel sein würden. Das Gegentheil fanden sie aber bei der Magenschleimhaut von Aplysia. Nach ihren Untersuchungen lässt bei kleinen osmotischen Differenzen zwischen Innen- und Aussenflüssigkeit die lebensfrische Magenhaut dieses Thieres keinerlei Moleküle in irgend einer Richtung passiren, ausser denen des Wassers. Dieses kann sich in beiden Richtungen bewegen und besorgt auf diese Weise den osmotischen Ausgleich zwischen Mageninhalt und Gewebeflüssigkeit. Die Magenwand verhält sich somit ganz wie eine semipermeable Wand; selbst Harnstoff und Ammoniumsalze werden zurückgehalten. Bi'ingt man aber starke Salzlösungen in den Magen, so erweist sich die Wand durchlässig, was nach den Autoren auf eine Schädigung zurückzuführen ist. Ich glaube also dass bei dem Hypisotonischwerden des isotonischen Mageninhalts, physikalische Momente eine bedeutende Rolle spielen können. Damit will ich aber eine etwaige Betheiligung einer secretorischen Wirk- samkeit an der Verdünnung der isotonischen Lösung nicht in Abrede stellen. Im Gegentheil kommt es mir sehr wahrscheinlich vor, dass der hypiso- tonische Magensaft in nicht unerheblichem Maasse zu der Erscheinung beiträgt. Dafür spricht schon das gleichzeitige Auftreten einer sauren Reaction in der eingeführten neutralen Lösung und in.sbesondere auch die zunächst zu besprechenden Untersuchungen über den D-Werth. St r au SS und Roth haben nämlich gefunden, dass das ,, nüchterne Magensecret eine Gefrierpunktserniedrigung von — 0,48^ aufweist. Was über diesem sogenannten D-Werth liegt, bezeichnen sie mit gastrohyper- isotonisch, was darunter liegt, mit gastrohypisotonisch. Bringt man nun eine gastrohyperisotonische Lösung in den Magen, so wird der Inhalt nach einiger Zeit gastroisotonisch {zl ^ — 0,48*^), wobei noch besonders bemerkenswerth ist, dass vor diesem Zeitpunkt die Abscheidung freier Salzsäure nicht beginnt. Was vor diesem Zeit- punkt abgeschieden wird, reagirt neutral oder schwach alkalisch. ,,Es charakterisirt also das Erscheinen von D die eigentliche Verdauung'\ ,,Ist D einmal erreicht, so bleibt es constant bis zum Schluss der Ver- dauung". (Ueichwie nach Einverleibung von gastrohyperisotonischen H.imburger, Osniot. Druck. U. H.aiid. 15 226 Resorption im Magen. Lösungen in den Magen, der Inhalt gastroisotonisch wird, ebenso ist das auch nach Einverleibung gastroliypisotonischer Lösungen der Fall. Nach dieser Vorstellung ist also D (^= — 0,48") für den Magen, was für seröse Höhlen und Darm die Gefrierpunkterniedrigung des Blutes ist. Jedoch unterliegt D viel grösseren Schwankungen als die Depression des Blutserums. So scheinen die Verfasser Werthe von — 0,32*^ ge- funden zu haben. Es ist, nach dem was wir in dieser Hinsicht vom Speichel wissen^), nicht unwahrscheinlich, dass die Absonderungsgeschwin- digkeit, und damit auch die Momente, welche dieselbe beherrschen, die Zusammensetzung und demnach auch die Gefrierpunkterniedrigung des abgeschiedenen Magensaftes beeinflusst. Nach S trau SS [9] giebt es pathologische Fälle, in welchen das „nüchterne Magensecret" eine sehr hohe Gefrierpunkterniedrigung besitzt, und andere, in welchen diese sehr niedrig ist. Zu den ersteren gehören diejenigen, in welchen zu gleicher Zeit viel Milchsäure gefunden wurde, wobei dann weiter zu bemerken war, dass diese Substanz allein für die hohe Gefrierpunkterniedrigung ( — 1,11°) nicht verantwortlich zu machen war. „Es müssen also in diesen Fällen (Combination von motori.'^cher Insufficienz und Subacidität) noch andere, nicht bekannte, osmotisch wirksame Mole- küle im Mageninhalt vorhanden und zugleich auch die Bedingungen für den Ausgleich der osmotischen Spannungen erschwert sein." Hohe Werthe von D wurden ebenfalls beobachtet in einzelnen Fällen von Hyperacidität mit hohen HCl-Werthen. Abnorm niedrige Werthe von D, d. h. unter —0,32^ wurden in einzelnen Fällen von Achylia gastrica gesehen, sowie in einzelnen Fällen, bei welchen klinische Momente und bestimmte Eigenschaften des Mageamhaltes den Verdacht rechtfertigten, dass es sich um Fälle handelte , bei welchen durch eine ausgiebige Ausscheidung von wasserreichem, kaum saurem Secret („Hydrorhoea gastrica") eine primäre Acidität verdeckt wurde. Das sind also Fälle von maskirter („larvirter") Acidität (Schüler [lOJ). b) Untersucliuiig'eii von Pfeiffer und Sommer. Ungefähr gleichzeitig und unabhängig von Strauss und Roth haben auch Pfeiffer und Sommer [11] Untersuchungen über das osmotische und resorptive Verhalten des Magens gegenüber Lösungen angestellt. Zur LTntersuchung gelangten Lösungen von NagSO^, NaCl, MgS04, Seignette-Salz und Rohrzucker, also ein Salz einer einbasischen und Salze einer zweibasischen anorganischen Säure, von letzterer das eines einwerthigen und das eines zweiwerthigen Metalles; ferner das Doppelsalz einer zweibasischen organischen Säure und endlich ein Nicht- Elektrolyt. Die Untersuchungen wurden an neun normalen Versuchs- personen und vier Kranken ausgeführt. ') Vergl. hierzu die Ausführungen über den Speichel im achten Kapitel. Ergebnisse von Pfeiffer und Sommer. 227 Bei hyperiso tonischen Ijösungen nahm, wie auch Roth und S trau SS fanden, die osmotische Concentration in allen Fällen im Magen ab und zwar um so mehr, je mehr dieselbe jene des Serums überschritt. Bezüglich der mit dem Blutserum i so tonischen und hypisotoni- schen Lösungen aber stimmen die Versuchsresultate mit denen von Roth und S t r a u s s nicht überein. Bei Pfeiffer und Sommer blieben die isotonischen Lösungen annähernd isotonisch, während die hyp- isütonischen, statt stärker hypisotonisch zu werden, wie in vielen Fällen bei Roth und Strauss, sich in die Richtung zur Isotonie bewegten. Viel- leicht steht letztere Abweichung damit im Zusammenhang, dass Pfeiffer und Sommer weit schwächere Lösungen verwendeten. Der niedrigste (Gefrierpunkt war bei diesen Forschern nämlich — 0,08°, so dass durch Hinzutritt von Magensaft, dessen Gefrierpunkterniedrigung doch jeden- falls höher liegt, die Gesammtdepression zunehmen, also in der Richtung zur Isotonie mit dem Blutserum sich bewegen musste. Damit in Uebereinstimmung blieb bei Pfeiffer und Sommer die osmotische Concentration stärker hypisotonischer Lösungen, deren Gefrier- punkterniedrigung zwischen — 0,38° und — 0,50° lag, nahezu unverändert. Aus der xA.nalyse der im Magen zurückgebliebenen Flüssigkeiten ging hervor, dass bei Einbringung dem Serum isotonischer Lösung von z. B. Na2S04 in den Magen, gleich viele Salzmolen ein- und austreten. In hypisotonische NagSO^-Lösungen wanderten mehr NaCl-Molen ein als NaS04-Molen aus, während aus hyperisotonischen Lösungen mehr Na2S04- Molen auswanderten als NaCl-Molen in den Mageninhalt hinein gelangten. Man ersieht, diese Ergebnisse entsprechen den bekannten Diffusions- gesetzen, die auch beim Darm obwalten. Nur ist die Magenwand für Wasser und Salzmoleküle weniger durchlässig als die Darmwandung. Pfeiffer und Sommer sehen dann auch keine Veranlassung, für die Erklärung ihrer Versuchsergebnisse eine secretorische Thätigkeit der Zelle zur Hülfe zu nehmen, obgleich sie deren Einiiuss nicht ganz in Abrede stellen wollen. Auf denselben Standpunkt hat sich neuerdings auch Bönniger [12J gestellt, der nach Einführung dem Blutserum nahezu isotonischer Lösungen , die Gefrierpunkterniedrigung der ausgeheberten Flüssigkeiten nur wenig geändert sah. Welchen Einfluss aber die Drüsensecrete auf den molekularen Ge- sammtgehalt des Mageninhaltes ausübt, wird erst ausgemacht werden können, wenn sowohl Menge wie osmotische Concentration des abge- sonderten Magensaftes bekannt sind. Nach Pfeiffer und Sommer bewegen sich die Gefrierpunkterniedrigungen des nüchternen Magensaftes zwischen — 0,37° und — 0,55", meist wurde dieselbe zu — 0,45° gefunden. 15* 228 Resorption im Magen. c) Zusammenfassung; und Schluss. Um ein besseres Verständniss von den Resorptionsvorgängen im Magen zu erlangen, haben insbesondere Roth und Strauss, und un- gefähr gleichzeitig Pfeiffer und Sommer die Lehre vom osmotischen Druck zur Hülfe gerufen. Bei den Untersuchungen der Ersteren ergab sich, dass der osmotische Druck hier nicht in derselben Weise geregelt wird, wie in den serösen Höhlen und im Dünndarm. Während nämlich in diesen hyperisotonische und hypisotonische Lösungen bald mit dem Blutserum isotonisch werden, und wenn sie isotonisch waren, auch isotonisch bleiben, ist das im Magen nicht der Fall. Der os- motische Druck strebt da fast immer zu einem Werth hin, der unter demjenigen des Serums liegt. Strauss bezeichnet diesen Werth mit D, und derselbe entspricht einer Gefrierpunkterniedrigung, welche etwa zwischen — 0,32° und — 0,48*^ schwankt. Demzufolge nennt er Lösungen, deren osmotische Concentration über — 0,48" liegt, gastrohyperisotonisch; minder concentrirte bezeichnet er als gastrohypisotonisch. Strauss legt dieser Concentration eine physiologische Bedeutung bei , indem er betont, dass erst, wenn der Mageninhalt diese Gefrierpunkterniedrigung erreicht hat, die Abscheidung freier Salzsäure beginnt. Vor dieser Zeit ist die von der Magenwand abgeschiedene Flüssigkeit neutral oder schwach alkalisch. Ist D einmal erreicht, so bleibt es bis zum Schluss der Verdauung constant. Die Erklärung für die genannte Regelung des osmo- tischen Druckes in Abweichung von dem, was man beim Darm beobachtet, liegt nach Strauss und Roth offenbar im vorherrschenden Einfluss des Magensaftes, dessen Gefrier- punkterniedrigung gerade ungefähr — 0,48° beträgt. Auch der normale Mageninhalt zeigt ungefähr diese Depression. Zwar spielen bei der Regelung des osmotischen Druckes im Magen auch physikalische Factoren eine Rolle, diese treten aber gegen den vitalen Factor, d. h. die vitale Secretion des stets hypisotonischen Magensecretes , stark zurück. Diese physikalischen Factoren sind osmotischer Druck und Diffusion. Nach der Einverleibung hyper isotonischer Lösungen kommt der erste Factor dadurch zur Geltung, dass eine Strömung von Wasser aus der Blutbahn in die concentrirte Lösung eintritt. Der zweite Factor kann sich dadurch an der Regelung des osmotischen Drucks betheiligen, dass mehr feste Moleküle aus dem Mageninhalt in das Blutplasma übertreten als in der umgekehrten Richtunsf. Zusammenfassung. 229 Hat man eine isotonisclie Lösung eingeführt, so ist von os- motischer Druckdifferenz nicht die Rede , wohl aber findet wieder eine Auswanderung fester Stoffe aus dem Mageninhalt statt. Zwar gehen auch Stoffe aus dem Blutplasma in den Mageninhalt hinüber, man darf aber annehmen, dass mehr Moleküle die erste als die zweite Richtung nehmen. Dadurch wnrd die isotonische Lösung hypisotonisch. Haupt- sächlich geschieht dies aber dadurch, dass der abgeschiedene Magensaft in beträchtlichem Maasse hypisotonisch ist. Was geschieht endlich, wenn eine hypisotonische Lösung als solche in den Magen eingeführt wird? Nach den Gesetzen des osmoti- schen Druckes würde man dann einen Uebertritt von Wasser aus dem Magen in die Blutbahn erwarten. Das scheint aber nur in geringem Maasse zu geschehen. Nach den Untersuchungen von v. Mering, Moritz u. A. lässt nämlich die Magenwand in dieser Richtung kein oder doch kaum Wasser hindurch. Auch hier ist es also wieder hauptsächlich der Magensaft, welcher den osmotischen Druck beherrscht. War die Gefrier- punkterniedrigung der eingeführten Lösung geringer als die des Magen- saftes D = —0,48°, so steigt der osmotische Druck des Gesammtinhaltes, war sie grösser, so nimmt der osmotische Druck ab. Nach der Ansicht von Pfeiffer und Sommer und auch nach der von Bönniger wird dagegen dem Magensecret nur ein geringer Einfluss auf die Regelung des osmotischen Druckes des Mageninhaltes eingeräumt. Die- selbe geschieht nahezu wie in den serösen Höhlen und im Darm. So werden z. B. mit dem Blute isotonische Lösungen im Magen nicht, Avie Roth und Strauss meinen, hypisotonisch, sondern bleiben nahezu isotonisch. Ich glaube, dass diese Meinungsverschiedenheit darin ihren Grund hat, dass die Gefrierpunkterniedrigung des von Pfeiffer und Sommer untersuchten Magensaftes sich oft ganz in der Nähe von der des Blutes bewegte. Sie geben Depressionen von —0,55'' an, während bei Strauss und Roth der höchste Werth bei Gesunden 0,48' beträgt. Es giebt sogar Stellen, w^o diese Autoren die Zahl 0,37° als den Werth angeben, mit dem man zu rechnen hat. Demnach würde dann eine Lösung von -V r= — 0,37° die gastroisotonische sein. Jedenfalls geht aus diesen Untersuchungen hervor, dass der osmotische Druck des menschlichen Magensaftes im gesunden Zustande erheb- lichen Schwankungen unterliegt. Eigentlich kann uns das nicht wundern, wenn wir an ein gleich- artiges Secret, nämlich den Speichel denken. Auch dabei hat sich her- ausgestellt, dass die Gefrierpunkterniedrigung bedeutenden Schwank- 230 Resorption im Mageu. ungen unterliegt, die fast ganz auf Verschiedenheit des Salzgehalts zurück- zuführen sind. Wie R. Heidenhain, Langley und Fletcher, Nolf u. A. nachgewiesen haben, steigt dieser Salzgehalt mit der Absonder- ungsgeschwindigkeit an, bleibt jedoch immerhin hinter dem des Blut- serums zurück, so dass der osmotische Druck des Speichel stets unter dem des Blutserums liegt , gewöhnlich erlieblich kleiner ist. (Vergl. Kapitel VIII). Bezüglich der Resorptionsfähigkeit des Magens gehen die Meinungen der verschiedenen Autoren nicht auseinander. Erstens ist man darüber einig, dass die Resorption nur geringfügig, trotzdem aber für verschiedene Stoffe nachweislich sehr different ist; zweitens dass dieselbe durch Diffusion geschieht. Denken wir z, B. an eine Traubenzuckerlösung, So lange der Partialdruck dieser Substanz im Mageninhalt über den im Blutplasma hinausgeht, wird dieser Stoff aus dem Magen hinausdiffundiren ; demgegenüber diffundiren andere Stoffe, die im Blutplasma in grösserer Concentration vorhanden sind, in den Mageninhalt hinein. Ziehe ich das Facit aus den bis jetzt angestellten Untersuchungen, so glaube ich , dass im Magen ebenso wie in den serösen Höhlen und im Darm eine Regelung des osmotischen Druckes stattfindet, der zufolge anisotonische Lösungen sich bestreben, isotonisch zu werden, und iso- tonische, isotonisch zu bleiben. Dabei kommen hier wie dort die gleichen physikalischen Kräfte in Betracht, nämlich Wasserbewegung in Folge von osmotischem Druckunterschied zwischen Mageninhalt und Blutplasma, und Diffusion durch Unterschiede im Partialdruck der Bestandtheile beider Flüssigkeiten. Die Magenmucosa lässt aber durch ihre geringe Permeabilität für Wasser und für gelöste Stoffe diese Regelung nur langsam zu Stande kommen, so dass ein anderer Factor, der in erheblicherem Maasse thätig ist, der vorherrschende wird. Dieser Factor ist der osmotische Druck des inzwischen sich abscheidenden Magensaftes. Dieser Druck unterliegt aber grossen Schwankungen; gewöhnlich ist das Secret hypisotonisch. Je mehr aber dieser Druck sich dem des Blutserums nähert und in je grösserer Menge solches Secret von relativ hohem osmotischem Druck abgeschieden wird, um so mehr wird die Regelung des osmo- tischen Druckes des Mageninhaltes mit der in den serösen Höhlen und im Darm übereinzustimmen scheinen. Resorptionsvermögen der Harnblase. 231 Was die Kräfte betrifft, die bei der Resorption gelöster Sub- stanzen in Betracht kommen, so unterliegt es keinem Zweifel, dass Dif- fusion hierbei eine bedeutende Rolle spielt. Mit dieser Ansicht ist auch der Refund von Jaworski und Strauss vereinbar, dass die Resorp- tionsgeschwindigkeit für verschiedene Stoffe different ist. Von der Bildungsweise des Magensecretes selbst wird unten im achten Kapitel die Rede sein. Strauss hat auf zwei praktische Consequenzen aufmerksam ge- macht; erstens, dass es Empfehlung verdient, gegen die Säure- beschwerde bei Hyperacidi tat Zuckerlösungen starker Concen- tration zu geben , wodurch Wassereintritt in den Magen stattfindet ; zweitens, dass man bei motorischer Insufficienz die Aufnahme hyperisotonischer Flüssigkeiten, wie Wein und Bier, möglichst ver- meiden soll. 3. Das Resorptionsvermögen der Harnblase. Litterat ur. 1. (ieroU, Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 1897. S. 428. 2. Hambnrg;er, Nederl. Tijdschr. v. Geneeskunde 1900. Dl. 1. S. 296. 3. Trcskin, Pflüge r's Archiv 5. 1872. S. 324. 4. Hamburger, Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 1886. S. 481. 5. Hamburger, Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 1899. S. 9. 6. Poncbon et Segalas, Compt. rend. de l'Acad. de Sciences. 22 Jiiin 1895. 7. Boyer et Guinard, Archives de niedicine experiment. et d'anat. pathol. 4. 1894. pag. 882. 8. Alapy, Centralbl. f. Krankh. der Harn- und Sexualorgane. 6. S. 181. — Ref. in Jahresber. f. Thierchemie über das Jahr 1895. S. 360. 9. Cobnheim, Zeitschr. f. Biol. 41. 1901. S. 331. 10. Stokvis, Voordrachten over Geneesmiddelleer. Haarlem 1896. Dl. 1. le St. 2e Dr. pag. 92. Seit mehr als einem Jahrhundert ist wiederholte Male untersucht worden, ob die intacte Blasenwand für normale und abnorme Urin- bestandtheile durchlässig ist. Handelt es sich doch hierbei um eine Frage von grosser Bedeutung. Ist es nicht von grosser Wichtigkeit, zu wissen, ob Medicamente, nachdem sie verschiedene Organe passirt haben und endlich in der Blase angelangt sind , in modificirter oder nicht modificirter Gestalt in die Circulation zurückkehren können? Ist es nicht nothwendig, zu wissen, ob der Zuckergehalt des Harns, der vom Diabetespatienten entleert wird, dem Zuckergehalt des Harns entspricht, wie dieser durch die Nieren abgeschieden wurde? Und wie könnte man einen befriedigenden Einblick in die Pathologie der Harnretention be- 232 Resorptionsvermögen der Harnblase. kommen, so lange man nicht weiss, ob die Blasenwand Harnbestand- theile durcblässt? Ohne diese Kenntniss wird man immer im Ungewissen bleiben, wenn es sieb darum bandelt, aus der quantitativen Zusammen- setzung des auf natürliche Weise entleerten Harns Scblussfolgerungen abzuleiten, welche die im Körper sich abspielenden Vorgänge betreffen. Für viele Probleme muss man also mit Sicherheit wissen, ob der Harn sich während des Aufenthaltes im Reservoir modificirt und — falls die Frage bejaht wird — in welchem Maasse das geschieht. Das hat man, wie erwähnt, bereits vor langer Zeit eingesehen, und namhafte Anatomen, Physiologen und Pathologen haben sich mit dem Problem beschäftigt. Trotzdem ist immer noch keine völlige Ein- stimmigkeit erzielt. Dies wird bei Vielen Befremden erregen, denn a priori wird man sich sagen, nichts sei eigentlich einfacher, als in ein Organ, das so leicht zu erreichen ist wie die Harnblase, eine Flüssig- keit von bekannter Zusammensetzung einzuführen und dann durch Ent- fernung und Analysirung des Inhaltes festzustellen, ob sie eine Ver- änderung erfahren hat. Dennoch stehen die Resultate wiederholte Male mit einander in Widerspruch. Theilweise ist dies groben, theilweise scheinbar unbedeu- tenden Fehlern zuzuschreiben, sowie schliesslich auch unrichtigen Schluss- folgerungen. Das eine wie das andere macht aber das Studium der Litteratur gerade dieses Gegenstandes zu einem sehr lehrreichen und ich möchte es Jedem empfehlen, der das Gebiet der experimentellen Medicin zu betreten anfängt. Nicht nur, dass es sehr instructiv ist für die Er- ziehung zur Kritik technischer und deductiver Methoden, es bringt auch andererseits die eindringliche Warnung mit sich, mit der praktischen Anwendung von Resultaten, welche soeben das Laboratorium verlassen haben, vorsichtig zu sein. Und was sich vor allem aufdrängt, ist der enorme Aufwand von Arbeit, die der Naturforscher oft zu verrichten hat, um für eine scheinbar leicht zu beantwortende Frage der Natur ein entschiedenes Ja oder Nein zu entlocken. Ich kann die ausgedehnte Litteratur über das Thema hier nicht behandeln und verweise auf die übersichtliche Zusammenstellung, welche man in einer Arbeit von Gerota [IJ und von mir selbst [2J findet. Nur Folgendes sei hier hervorgehoben. a) Historisch-kritische Bemerkungen. Vergleicht man die Resultate der verschiedenen Forscher, die über das Resorptionsvermögen der Blasenschleimhaut geschrieben haben, Fehlerquellen. 23;} genau, so stellt sich heraus, dass die Cüiitroverse auf folgende Ursachen zurückzuführen ist. 1. Man hat anfänglich das resorbirende Vermögen der Blasen- schleimhaut ausschliesslich in die Lymphl)alinen verlegt, über deren Bestehen in der Blasenschleimhaut aber schwierig vollkommene Sicher- heit erlangt werden konnte. Das morphologische Studium der Lymph- bahnen gehört zu den schwierigsten anatomischen und mikroskopisch- anatomischen Problemen. 2. Man hat technische Fehler bei der Einführimg der zu unter- suchenden Flüssigkeiten begangen. Gewöhnlich fand die Einverleibung in die Bhise mittelst des Katheters statt. Nun liegt es auf der Hand, dass die Blase durch, den bei der Einspritzung herbeigeführten Reiz sich mehr oder weniger contrahiren wird. Dadurch wird etwas Flüssig- keit zwischen Katheter und Urethra gepresst. Da aber die Urethra und insbesondere die Pars prostatica in bedeutendem Maasse resorptions- fähig ist, kann bei Versuchen mit stark giftigen Substanzen, wie Strychnin und Cyankalium , der Tod herbeigeführt werden , ohne dass die Blasenschleimhaut dafür verantwortlich zu machen ist. 3. Auch darf, worauf Lew in und Goldschmidt hingewiesen haben, der Druck, unter welchem die Flüssigkeit in die Blase injicirt wird, nicht zu gross sein; sonst gehen Stoffe in Ureter und Nierenbecken hinüber und diese Theile besitzen die Fähigkeit, zu resorbiren. 4. Weiter hat man oft versäumt zu bedenken, dass das Epithel, das doch eigentlich den Gegenstand der Untersuchung bildet durch das Katheter nicht geschädigt werden darf. Dazu bietet sich aber viel Ge- legenheit, wenn man dasselbe lange Zeit in der Blase verweilen lässt. 5. Weiter wird nach Entfernung des Katheters der Sphincter vesicae sich nicht sofort schliessen und es wird Flüssigkeit in die Urethra eintreten können. Um diese technischen Missstände theihveise zu vermeiden, hat Gerota [l] dann das Katheter ganz bei Seite gelassen und statt dessen die feine Nadel der Pravazspritze angewandt. Er verfährt folgender- maassen: Die Blase wird gefüllt und unter Schonung der Arterien am Collum unterbunden, dasselbe geschieht mit den Uretern. Dann wird die Nadel in die Blase gesteckt. Hierbei sind zwei Vorsichtsmaassregeln zu beachten: in erster Linie muss dafür gesorgt werden, dass die Nadel, nachdem sie durch die Schleimhaut gestochen ist, nicht etwa an einer anderen Stelle w-ieder in diese hinein geräth. Hierzu wird der Muscu- laris der angefüllten Blase an zwei benachbarten Stellen aufgehoben und dazwischen möglichst senkrecht zur Wand eingestochen. In zweiter 234 Resorptionsvermügen der Harnblasp. Linie ist es erwünscht, dass die Nadel bei gefüllter Blase eingestochen wird. Steckt man sie in die leere Blase, so wird die Oeffnung bei späterer Ausdehnung vergrössert. 6. Als eine wesentliche Ursache für die mannigfachen Controversen zwischen verschiedenen Autoren ist die Anwendung von zu concen- trirten Lösungen anzusehen. Hierdurch wird das Blasenepithel mecha- nisch und chemisch afificirt. Ich stehe nicht an, es als unphysiologisch zu bezeichnen, wenn man (Bazy, Sabatier) die physiologische Permeabilität einer Schleimhaut mit KJ in Substanz oder mit einer 100 *^/o igen Lösung der betreffenden Stoffe untersucht. Gerota sah, dass 20 cc dieser Lösung in der Blase einer Katze bereits nach 2^1-2 Stunden Bluterguss in der Submucosa herbeigeführt hatte. Trotzdem experimentirt er selbst mit einer 10 ''/o igen Ferrocyankaliumlösung und einer 10— 15 ^'/o igen Harn- stofflösung, indem er glaubt, dass diese Verbindungen, im Gegensatz zu KJ, unschädlich für die Zellen sind. Er vergisst aber, dass stark hyperisotonische Lösungen von Stoffen für welche die Zellen nicht per- meabel sind, diese plötzlich zur Schrumpfung bringen und aus ihrem Zusammenhang rücken. Hierdurch wird dann der Eintritt in das sub- mucöse Bindegewebe eröffnet und die Resorption kommt sicher zum Stande. 7. Fast alle Forscher haben die Bedeutung des Unterschieds im wasseranziehenden Vermögen von Blaseninhalt und Blutflüssigkeit ausser Betracht gelassen und man hat den principi eilen Fehler be- gangen, aus der Beobachtung, dass der Procentgehalt des Blaseninhalts an festen Stoffen abnahm und das Volumen des Bl äsen Inhalts zunahm, zu schliessen, dass die Blasen- wand gelöste Stoffe durchtreten lässt und durch Diffusion Wasser aufnimmt, Avälireiid in der That die Ersclieinun^ einiacli darauf zurückziifülireii Avar, dass der liyperisotouisclie Blascninhalt Wasser aus dem Blut anzog. Ein Beispie] diene zur Erläuterung. Treskin [3] unterband bei einem Hunde die Ureteren , entleerte die Blase mittelst eines Katheters und führte dann eine bekannte Harnmenge von bekannter Zusammensetzung ein. Drei bis vier Stunden nachher wurde der Harn entfernt, gemessen und analysirt, und nun zeigte sich, dass das Volumen zugenommen, das specifische Gewicht abgenommen hatte: 118 cc Harn von 1,0284 specifischem Gewicht waren zu 150 cc Harn von 1,0247 specifischem Gewicht geworden. Treskin erblickt in der Abnahme des specifischen Gewichtes den Beweis, dass feste Stoffe die Blase verlassen haben, während die Volumenzunahme auf Diifusion von Wasser in die Blase zurückgeführt wird. Es wird nicht an die Möglichkeit gedacht, dass Hyperisotonische lilukoselösungen. 235 der hyperisotonische Harn Wasser aus den Blutgefässen aufgenommen hat. Tresl Glukose + 0,012 >NaCl Entleert 27 , 2,4 , , + 0,035 , , Spur Eiweiss. Dauer 4V2 Stunden. Eingeführt 30 cc 19 » o Glukose + 0,1 »/o NaCl Entleert 31,5 , 18,5 , , + 0,11 , , Kein Eiweiss. Dauer 2 Stunden 15 Min. Eingeführt 30 cc 10,6 «/o Glukose + 0,05 "/o NaCl Entleert 32 „ 9,2 „ , +0,12 „ , Kein Eiweiss. Dauer 15 Stunden. Aus dieser Versuchsreihe, welche bei demselben Kaninchen angestellt wurde, scliliesst Cohnheim erstens, dass bei Einverleibung hypisotonischer Glukoselösungen die Blasenwand sicli impermeabel für Wasser und für Glukose erweist, ebenso wie das der Fall ist bei Einverleibung isotonischer Lösungen. Handelt es sich aber um stark hyperisotonische Lösungen , so geht wohl Wasser hindurch und auch Traubenzucker. Dass bei Cohnheim 's Versuchsverfahren nach Einverleibung von 30 cc einer hyperisotonischen Zuckerlösung von 19 V 31,5 cc einer 18,5 "o igen zurück- bleibt, beweist aber keineswegs, dass Zucker resorbirt worden ist, sondern lässt sich dadurch erklären, dass noch schwächere Zuckerlösung des vorigen Versuches in der Blase vorhanden gewesen sein muss. Denn berechnet man, wie viel Gramm Glukose im Anfang und am Ende des Versuches vorhanden gewesen sein sollen, so ergiebt sich, dass sich im Beginn 30x19x0,01= 5,7 g und am Ende 31,5 X 18,5x0,01 = 5,83 g in der Blase befanden ! Damit will ich nicht sagen, dass durch solche starke Lösungen das Blasenepithel nicht geschädigt werden kann. Ueberhaupt ertragen lebende Zellen eine plötzliche starke Schrumpfung nicht, selbst wenn es sich um Stoffe handelt, an deren Anwesenheit sie, es sei dann in schwächerer Lösung, gewöhnt sind. So z. B. gehen rothe Blutkörperchen bei plötzlicher Berührung mit 2*'/oiger NaCl-Lösung zu Grunde. Mit KNO3 erfolgt dasselbe bereits in 3°'oiger Lösung, deren osmotischer Druck viel geringer ist als der der 2 "/eigen NaCl-Lösung. Dass also im dritten Teile des Versuches die 10,6° 0 ige Glukose-Lösung die ßlasenwand nicht ungeschädigt fand, ist leicht verständlich. Es wundert mich darum nicht, dass aus dieser Lösung Traubenzucker resorbirt erscheint. Ob eine 10,6 "/o ige Traubenzucker- 236 Resorptionsvermögen der Harnblase. Lösung, in eine gesunde Blase eingeführt, auch Traubenzucker verloren haben würde, ist nicht zu sagen. Darüber können nur Versuche entscheiden. Anlässlich dieser Ueberlegungen erhebt sich die Frage, wie es zu erklären ist, dass die Blasen- wand den oft so stark hyperisotonischen Harn erträgt. Ich glaube, dass das daher rührt, dass dieser allmählich zufliesst. Uebrigens ist Cohnheim's Methode der Einführung und Entleerung der Flüssigkeiten nicht ein wandsfrei und ist sie deshalb nicht im Stande, festzustellen, ob die intacte Blasenwand aus Lösungen mittelmässiger Concentrationen Spuren Traubenzucker durchlässt oder nicht. Dass diese, wie Cohnheim meint, unter nor- malen Umständen auch für Wasser völlig impermeabel sein würde, muss ich ent- schieden verneinen. Warum trotzdem der Harn hyperisotonisch bleibt, habe ich am Ende dieses Paragraphen, S. 238 erklärt. Um nicht zu ausführlich zu werden, muss ich den sich interessirenden Leser behufs eines Urtheils darüber auf Cohn- heim's Arbeit verweisen und vorschlagen, das von ihm befolgte Verfahren an den oben mitgetheilten Fehlerquellen und Cautelen zu prüfen. Doch scheint mir aus Cohnheim's Versuchen sicher hervorzugehen, dass durch Fluornatrium und arsen- saures Kali die Blasenschleimhaut eine so bedeutende Schädigung erfahren kann, dass sie Traubenzucker durchgehen lässt. Vergegenwärtigt man sich nunmehr unter Beachtung dieser kri- tischen Bemerkungen die hier nicht näher referirten Versuche der ver- schiedenen f'orscher, wegen deren Einzelheiten ich nochmals auf die beiden schon genannten Abhandlungen verweise, so ist man — wie ich glaube — zu folgenden Schlüssen berechtigt. 1. Die intacte gesunde Blasenschleimhaut ist impermeabel für die bis jetzt untersuchten Alkaloide: Strychnin, Morphin, Chloralhydrat, Hydroxylamin, sowie auch für KJ. 2 Für Harnstoif, Glukose, Ferrocyankalium und andere Alkali- salze ist dies noch nicht endgültig entschieden. Falls es sich heraus- stellen sollte, dass die gesunde Blasenschleimhaut diesen Substanzen überhaupt den Durchgang gestattet, so kann dies jedenfalls nur in sehr geringem Maasse der Fall sein. Nach diesen Resultaten hat die Injection von Medicam enten in die gesunde Blase, mit dem Zweck, dieselben von ihr aus in andere Körpertheile überzu- führen, keinen Sinn. Von der kranken Blasenschleimhaut dagegen, deren Epithelium an verschiedenen Stellen fehlt oder in hohem Maasse geschädigt ist, so dass die Flüssig- keit directen Zugang zu Lymph- und Blutgefässen erhält, schätze man das Resorp- tionsvermögen nicht gering und denke an die von pharmakologischer Seite aus- gesprochene Warnung, (Stokvis [10]) beim Irrigiren einer kranken Blase mit Lösungen kräftig wirkender und leicht in das Blut übergehender Mittel sehr vor- sichtig zu sein. Es ist sehr zu bedauern dass Gerota — trotzdem er die experi- mentelle Entscheidung über die Permeabilität der unter 2 genannten Osmotischer Ausgleich. 237 Substanzen, Dank seiner einuandlVeien Technik, in der Hand hatte, — dieise doch nicht geben konnte, weil er den osmotischen Druck bei seinen Betrachtungen vernachlässigte. Gerota brachte die betreffenden Stoffe in hyperisotonischer Lö- sung in die Blase und entfernte eine Probe davon nach verschiedenen Zeiten. Die Analysen der Proben ergaben, dass deren Gehalt mit der Zeit abnahm und umgekehrt Wasser in die Blase eintrat. Daraus schliesst er, ebenso wie s. Z. Treskin, dass die Stoffe die Blase verlassen haben, aber Wasser durch Diffusion eingetreten sei. Er hat also nicht bedacht, dass die Erscheinung auch derart zu deuten war, dass die hyperisotonischen Lösungen Wasser angezogen hatten. Wahr- scheinlich hätte es sich dann herausgestellt, dass die eingetretene Wassermenge gerade der Abnahme des osmotischen Drucks des Blasen- inhalts entsprach, ein Beweis also, dass von der gelösten Substanz nichts resorbirt war. Solche Versuche müssen noch angestellt werden. Ich will hier einen Versuch Gerota 's mittheilen. Hund, 8 kg. Einige Stunden vor dem Versuch wird der Penis unterbunden um eine Blasenfüllung zu erzielen. Laparotomie. Ligatur des Collum vesicae und der Ureteren. Durch Function mit PravazSpritze werden 6 cc Harn entfernt. Hier- von werden drei N-Bestimmungen angesetzt und aus den Resultaten das Mittel genommen. Die zweite Function geschieht nach 6 Stunden , die dritte nach 20 Stunden : L Function (unmittelbar nach der Operation) 0,1160 g N. 2. Function (6 Stunden nach der Operation) 0,1150 g N. 3. Function (20 Stunden nach der Operation) 0,0996 g N. Dieser Versuch wurde dreimal wiederholt, und nun stellte sich heraus, dass erst nach 6 Stunden (nach 5 aber noch nicht) ein Unterschied im N-Gehalt des Harns zu constatiren war. Nach 20 Stunden hatte der N-Gehalt bedeutend abge- nommen. Gerota schliesst hieraus, dass in der 6. Stunde die Resorption des Harnstoffs deutlich zu werden anfängt. Meiner Meinung nach ist diese Schlussfolgerung nicht berechtigt, da Verminderung des N-Gehalts auch wohl durch Wassereintritt herbei- geführt sein kann. Es wird dies nach 20 Stunden in noch reichlicherem Maasse stattgefunden haben können. Wenn Gerota nach einer bestimmten Zeit die Blase vollständig entleert hätte, den Inhalt gemessen und nach sorgfältiger Mischung von einem aliquoten Theil N-Bestimmungen ausgeführt hätte, so würde er eine zuverlässige Antwort auf die Frage bekommen haben, ob die Blase N-h altige Stoffe durchlässt. Jetzt hat er nur wahrscheinlich gemacht, dass wenn dies geschieht, die Quantität geringfügig sein wird. Die Erfahrung lehrt, dass der osmotische Druckausgleich langsam vor sich geht, denn der Urin ist bei seiner Entleerung noch stark hyper- 238 Resorptionsvermögen der Harnblase. isotonisch. Das kann uns eigentlich nicht wundern, denn wenn auch die die Blasenwand begrenzende Flüssigkeitsschiclit nach relativ kurzer Zeit den osmotischer Druck der Blutflüssigkeit angenommen haben möchte, so würde es doch lange dauern müssen, bevor die Flüssig- keit, welche ruhig in der Mitte der angefüllten Blase gelegen ist, mit der Wandschicht ausgewechselt hat. Es kann dies als einen glücklichen Umstand bei der Retentio urinae betrachtet werden. Sonst würde die Blase bald in bedenklichem Maasse durch Wasseraufnahme aus der Blutbahn ausgedehnt werden. b) Verhalten des Blasenepithels gegen Harnstoff. Zu den Stoffen, für welche nach den Untersuchungen vonGerota die Blasenwand wenn nicht vollkommen undurchlässig, so doch jeden- falls nur in sehr geringem Maasse permeabel ist, gehört der Harn- stoff. Einerseits erscheint dies nicht verwunderlich. Die Blase ist ja ein Reservoir von Abfallproducten des Stoffwechsels und würde dieser ihrer Aufgabe sehr schlecht genügen, wenn die Mucosa dem nicht ungefähr- lichen Harnstoff gestattete, wieder in den Kreislauf zurückzukehren. Anderer- seits aber konnten Hugo de Vries für die Pflanzenzelle, Gryns, Schöndorff, Koppe, Hedin und ich selbst für rote Blutkörperchen eine sehr bedeutende Permeabilität für Harnstoff nachweisen und es liegt auf der Hand, dass alle thierische Zellen ein gleichartiges Verhalten zeigen müssen. Denn a priori muss es zweckmässig erscheinen, dass die Zellen im Stande sind, sich des wichtigsten Endproductes der Eiweiss- zersetzung leicht zu entledigen. Ich legte mir die Frage vor, ob das durch Abschaben iso- lirte Blasenepithel, entgegen dem, was man bei Pflanzen- zellen und rothen Blutkörperchen beobachtet, aber in Uebereinstimmung mit dem, was die Experimente an der lebenden intacten Blasenwand erwarten Hessen, sich für Harnstoff als impermeabel erweisen würden. Um der Frage näher zu treten, fertigte ich Harnstofflösungen an, die mit NaCl-Lösungen von 0.7, 0.9, 1.2 und 1.5 Procent isotonisch waren. Dann wurden 10 cc dieser Flüssigkeiten abgemessen und mit gleichen Mengen einer Aufschwemmung von abgeschabtem Blasenepithel in 0,9 procent. NaCl-Lösung versetzt. Eine halbe Stunde nachher wurde cen- trifugirt. Harnstoff. 239 Wie aus folgender Tabelle hervorgeht, war der Einflluss auf das Volumen gering. Harnstofflösungeu Volumen des Epithels a) Harnstofflösung isotonisch mit NaCl 0,7 "/o . . . b) , „ . „ 0,9 , . . . c) , , „ „ 1,2 , . . . d) . . , „ 1,5 „ . . . 93 91 89 85 Wie ersichtlich, beträgt der Voluuiunterschied von a und d nur 93 35 — Qo — X 100 = 8,6 Proc, während sich aus einem mit den ent- sprechenden NaCl-Lösungen (0,7 und 1,5 Proc.) angestellten Versuch ein Volumunterschied von 26,2 Proc. ergab. Woher kommt dieser Gegensatz zwischen den Harnstoff- und den entsprechenden NaCl-Lösungen ? Nun hatte ich früher beobachtet, dass rotho Blutkörperchen in reinen Harnstofflösungen jeder Concentration zu Grunde gehen [4]. Es lag für mich also nahe, daran zu denken, dass auch das Epithel von solchen Lös- ungen geschädigt werden könne. Daher entschloss ich mich statt reiner Harnstoft'lösungen, Mischungen von Harnstoff- und NaCl-Lösungen anzu- wenden, die mit einander isotonisch waren. Hierzu fand ich um so mehr Veranlassung, weil im Harn neben Harnstoff" viel NaCl vorkommt [5J. Ich fertigte nur an : 1. eine NaCl-Lösung von 0,7 °/o; 2. , , , 1,5 „ 3. „ Harnstofflösung isotonisch mit NaCl 0,7 °/o; 4. , , „ „ „ 1,5 , Aus 1 und 3 bereitet ich eine Mischung von 75 cc der Flüssigkeit 1 und 25 cc der Flüssigkeit 3. Ebenso fertigte ich eine Mischung an, welche 75 cc Flüssigkeit 2 und 25 cc Flüssigkeit 4 enthielt. Die folgende Tabelle bringt das Ptesultat der mit jenen Mischungen angestellten Versuche. Flüssigkeiten Volumen des Epithels a) NaCl-Lösung 0,7 °;o b) 75 cc NaCl-Lösung 0,7° ., + 25 cc Harnstofflösung iso tonisch mit NaCl 0,7 V' c) NaCI-Lösung 1,5 > d) 75 cc NaCl-Lösung 1,5 "/ü -f- 25 cc Harnstofflösung isotonisch mit NaCl 1,5"/" 85,5 102 61 70 240 Resorptionsvermögen der Harnblase. Vergleicht man die Zahlen von a und h: 85,5 und 102, so er- giebt sich ein bedeutender Unterschied. Derselbe wäre nicht aufge- treten, wenn das Epithel mit Beziehung auf die Permeabilität für Harn- stoff sich ebenso verhalten hätte wie gegen NaCl. In diesem Falle hätte man, da die Flüssigkeiten a und h mit einander isotonisch sind, nicht nur für «, sondern auch für h 85,5 finden müssen ^). Das Epithel ver- hält sich also scheinbar so, als ob h eine Flüssigkeit von geringerem 1) Es kann die Frage gestellt werden, ob die Anwesenheit eines Nichtleiters wie Harnstoff, auf die Dissociation eines Elektrolyten, wie NaCl, einen Einfluss aus- übt; mit anderen Worten, ob der osmotische Druck der NaCl-Lösung durch den Harnstoff nicht herabgesetzt wird. Arrhenius hat diese Frage für Combinationen von verschiedenen Nichtleitern und Elektrolyten in positivem Sinne beantwortet (Zeitschrift für physikalische Chemie. 1892. 9. S. 487, vergl. übrigens B. I, S. 43). Für die Combination: Harnstoff und NaCl-Lösungen vermisse ich aber Angaben. Ich habe deshalb selbst die folgenden Versuche a bis e angestellt, nicht aber mittelst des elektrischen Leitungsvermögens, sondern mittelst Gefrierpunkterniedrigung. Versuch a. 0,7 ''/o ige NaCl-Lösung, in der 2 "/o Harnstoff gelöst wurden . . 4 = 1,029 0,7 o/o ige NaCl-Lösung ^ = 0,422 Wässerige Harnstoff-Lösung von 2"/o A = 0,632 A = 1,054 A = 1,054 Versuch b. 1,50/oige NaCl-Lösung, in der l^o Harnstoff gelöst wurden . . A — 1,191 1,5 "/o ige NaCl-Lösung A — 0,892 Wässerige Harnstoff-Lösung von l"/o A = 0,321 A = 1,213 A = 1,213 Versuch c. Serum, in dem IV Harnstoff gelöst wurde 4 =r 0,945 Serum ^ == 0,685 Wässerige Harnstoff-Lösung von l^/o A = 0,323 A = 0,958 A = 0,958 Versuch d. Serum, in dem 2"/o Harnstoff gelöst wurden /l = 1,250 Serum • . A = 0,635 Wässerige Harnstoff-Lösung von 2<*o zl = 0,636 A = 1,271 A = 1,271 Versuch e. Serum, in dem 3" 0 Harnstoff gelöst wurden 4 = 1,560 Serum A = 0,685 Wässerige Harnstoff-Lösung von 3",o A = 0,971 A = 1,606 A = 1,606 Harnstoff. 241 osmotischen Druck sei, als a. Die Erklärung kann, wie mir scheint, nur darin gesucht werden, dass der Harnstoff in die Zellen eingedrungen ist, so dass diese Substanz als solche ihren Einfluss auf das Volumen der Zellen nicht entfalten konnte. Die Berechnung lehrt, dass das Zellenvoluraen im Gemisch h sich so gestaltet, als ob 75 cc NaCl von 0,7 Procent mit etwa 25 cc Wasser verdünnt gewesen wäre. Ist diese Betrachtung richtig, so muss auch das Volumen des Epithels in Flüssigkeit c kleiner sein als in rZ, was auch wirklich der Fall ist. Auf vielleicht noch übersichtlichere Weise konnte der fragliche Punkt untersucht werden, indem man auf das Epithel eine NaCl-Lösung von 0,7 Procent und eine NaCl-Lösung von 0,7 Procent, in welcher eine willkürliche Menge festen Harnstoffs gelöst worden war, einwirken Hess. War die Vorstellung, dass der Harnstoff sich gleichmässig über Zelle und Umgebung vertheilte und also keine osmotische Druckdifferenz zwischen Zelle und Umgebung herbeiführte, richtig, so musste das Vo- lumen der Zellen in reiner 0,7 procent. NaCl-Lösung und in mit Harn- stoff versetzten 0,7 procent. NaCl-Lösung dasselbe sein. Flüssigkeiten Volumen des Epithels a) NaCl 0.70/0 b) NaCl 0,770, in welcher 1 "/o fester Harnstoff gelöst worden ist (1 g auf 100 cc) a) NaCl 0,70/0 b) NaCl 0,7 °/o, in welches 1 "/o fester Harnstoff gelöst worden ist a) NaCl 0,70/0 b) NaCl 0,70/0, in welches 0,96 0/0 fester Harnstoff gelöst worden ist 65 66,5 73 72,5 63 62 Auf die im Text besprochenen Versuche kann das aber kaum einigen Einfluss ausüben, zumal der Einfluss des Nichtleiters sich nicht nur auf die NaCl-Lösungen geltend machen wird, sondern auch, nach dem, was man beim Serum beobachtet, in den Zellen selbst. Indessen muss erwähnt werden, dass Hedin absolut keinen Einfluss des Harnstoffs auf die Gefrierpunkterniedrigung von Salzlösungen und Serum beobachten konnte (Pflüger's Archiv. (58. 1897. S. 245). Hamburger, Osmot. Druck. M. Band. 16 242 Resorptionsvermögen der Harnblase. Wie ersichtlich, hat die HinzAifügnng von Harnstoff zu der NaCl- Lösung keinen nennenswerthen Einfluss auf das Vohimen des Blasen- epithels ausgeübt. Nun besitzt eine 1 procent. Harnstofflösung denselben osmotischen Druck wie eine etwa 0,5 procent. NaCl-Lösung. Wenn also der Harn- stoff sich gegenüber dem Epithel wie das NaCl verhalten hätte, so hätte die Flüssigkeit h einer NaCl-Lösung von 0,7 Proc. -|- 0,5 Proc. = 1,2 Proc. entsprochen und das Volumen der Zellen wäre in h um etwa 20 Proc. kleiner gewesen als in a. Wir sind also berechtigt zu schHessen, dass aus NaCl-Harn- stof f lösungen der Harnstoff sich über Epithel und Umgeb- ung vertheilt, ohne die Undurchlässigkeit des Epithels für NaCl merklich zu beeinflussen. So stehen wir dann vor der Frage, wie es zu erklären ist, dass beim isolirten Epithel der Harnstoff so leicht in die Zelle eindringt, während die intacte Blasenwand, wenn vielleicht keine absolute, so doch jedenfalls eine äusserst geringe Permeabilität für Harnstoff zu besitzen scheint. So weit ich sehen kann, giebt es nur zwei Möglichkeiten: 1. Im Harn kommt der Harnstoff' in einer Verbindungsform vor, die vom Blasenepithel zurückgehalten wird. 2. ±n der normalen Blasenwand ist eine eigenthümliche Vorrichtung vorhanden, welche dem Harnstoff, in welchem Gemisch derselbe sich auch im Blaseninhalt vorfinden möge, den Durchgang verweigert. Um die erste Vorstellung auf experimentellem Wege zu prüfen, war nur zu erforschen, ob der Harn das Volumen des isolirten Epithels entsprechend seinem ganzen wasseranziehenden Vermögen beeintlusst oder ob auch hier ebenso wie bei den Harnstoft'-Kochsalzmischungen der Harnstoff' von der Feststellung des Volumens ausgeschlossen ist. Es wurde folgender Versuch angestellt: Gleiche Quantitäten einer frischen Aufschwemmung von Blasenepithel in ein wenig 0,9°/'oiger NaCl-Lösung wurden mit 15 cc NaCl von 0,7 °/o sowie von 1,5 °/o, mit unverdünntem Harn und mit verdünntem Harn (30 cc Harn + 20 cc Wasser) versetzt. Nach ^,4 stündiger Einwirkung wurde centrifugirt. Von den gebrauchten Lösungen wurden Gefrierpunktsbestimmungen mittelst des Beckmann'schen Apparates ausgeführt. Um des Standes des Nullpunktes sicher zu sein, wurde immer am Anfang und am Ende jeder Versuchsreihe der Ge- frierpunkt des destillirten Wassers festgestellt. Ich schreibe in die dritte Spalte die Gefrierpunkterniedrigungen hinter die entsprechenden Flüssigkeiten. Harnstoff. 243 I II III Flüssigkeiten Volumen des Epithels (Schwein) Gefrierpunkternie- drigung A der gobrauchtou Lösungen 1. NaCl 0,7 7( 118 87 88 106 0 463° 2. , 1,5 „ 3. Harn 0,879 0,990 0,664 4, 30 cc Harn + 20 cc Wasser . . . Obgleich der Harn (3) eine grössere Gefrierpunkterniedrigung zeigte als die NaCI-Lösung von 1,5 Procent (2), so war das Volumen der Epithelzellen bei (3) doch noch etwas grösser als bei (2). Wenn alle Bestandtheile des Harns, namentlich auch der Harnstoff, auf das Volumen der Zellen Einfluss nehmen könnten, so müsste dasselbe bei (3) entsprechend der grossen Gefrierpunkterniedrigung viel kleiner ge- wesen sein als 87. Zu derselben Schlussfolgerung führt die Vergleichung von (1) und (4). Berechnet man aus (1) und (2) das Volumen, welches die Zellen in einer NaCl-Lösung von 0,664*^ Gefrierpunktserniedrigung besitzen müssten, so ist das ungefähr 98, eine Zahl, welche viel kleiner ist als 106. Es unterliegt also keinem Zweifel, dass im Urin Bestandtheile vor- handen sind, welche sich gleichmässig über Zellen und Umgebung ver- theilen und sich auf diese Weise der Beeinflussung des Volumens entzogen haben. Unter diesen Bestandtheilen ist keine Substanz vorhanden, welche in so bedeutendem Maasse am wasseranziehenden Vermögen be- theiligt ist, wie der Harnstoff. Der vorliegende Urin enthielt etwa 1,4 Procent Harnstoff. Alle Versuche lehren übereinstimmend, dass das iso- lirte Blasenepithel nicht nur in hohem Maasse für den Harnstoff in NaCl-Harnstoff- G emischen permeabel ist, sondern auch für den im Urin vorhandenen Harnstoff. Die geringe Durchlässigkeit der intacten lebenden Blasenwand für den im Harn vorhandenen Harnstoff lässt sich also nicht da- durch erklären, dass dieser im Harn etwa in einer nicht durchtreten- den Verbindung anwesend ist. Damit steht im Einklang, dass, wie G e r 0 t a u. A. gefunden haben , auch reine Harnstofflösungen die Blasenwand zu verlassen kaum im Stande sind. Es erübrigt also nichts anderes als anzunehmen, dass in der normalen Blasen- wand eine Vorrichtung vorhanden ist, welche dem Harn- 16* 244 Resorptionsvermögen der Harnblase. Stoff, in welchem Gemisch derselbe sich auch im Blasen- inhalt vorfindet, den Durchgang verweigert. Welche kann diese Vorrichtung sein? Ist hier vielleicht die Vielschichtigkeit des Epithels verantwortlich zu machen? Das ist nicht anzunehmen, denn wie aus den Experimenten am isolirten Epithel hervorgeht, tritt der Harnstoff sehr schnell in die Zellen ein. Zwar wird hierzu für eine mehrfache Schicht mehr Zeit erforderlich sein, als für eine einfache, aber dadurch ist doch nicht er- klärt, dass die Schleimhaut für Harnstoff so gut wie völlig impermeabel ist. Dazu kommt, dass in situ die Bedingungen für das Eindringen, also für die Resorption von Stoifen günstiger sind, weil dieselben dann fortwährend vom Blut- und Lymphstrom abgeführt werden. Ich fand nun in Gerota's mikroskopisch-anatomischen Unter- suchungen einen entsprechenden Hinweis. Dieselben haben ja nachge- wiesen, dass im Gegensatz zu dem, was an anderen Schleimhäuten beob- achtet wird, die Schleimhaut der Blase keine Lymphgefässe enthält. Unter dem vielschichtigen Epithelium findet man nur Spalten, Saft- lücken, welche nicht mit einander communiciren. Man könnte sich nun vorstellen, dass zwar die Epithelzelle sich mit Harnstoff tränkt, aber dass in Folge der Abwesenheit eines Lymphstromes keine Abfuhr statt- findet. Das submucöse Gewebe enthält jedoch ein reiches Netz von Blutgefässen und nach den L^ntersuchungen der letzten Jahre hat man nicht das Recht, dieselben bei der Resorption zu vernachlässigen, im Gegen- theil, sie spielen die Hauptrolle (Heidenhai n-Gr low, Hamburger, Starling und Tubby u. A.) (vergl. S. 94 oben). Das schliesst aber nicht aus, dass das Fehlen eines Lymphstromes in der Blasenschleimhaut, wenn dasselbe auch nicht genügt, das sehr schlechte Resorptionsvermögen der Blase zu erklären, mit demselben in Uebereinstimmung steht und viel- leicht auf jene Eigenschaft fördernd wirkt. Die Blasenschleimhaut besitzt indessen noch eine andere Eigen- schaft. Während im Tractus intestinalis, im Uterus u. s. w. die Epi- thelzellen mittelst Intercellularbrücken mit einander verbunden sind, sind die Epithelzellen der Blasenschleimhaut von einer continuirlichen, hyalinen^ stark lichtbrechenden Substanz umgeben und durch dieselbe vereinigt. ''■) 1) Gerota, a. a. 0. S. 460. — Heidenhain, Beiträge zur Histologie und Physiologie der Dünndarmschleimhaut. Pflüger's Archiv. 4.-J. 1888. Suppi. — Baifurth, Verhandl. der anat. Gesellsch., X. Versammlung in Berlin, 1896. Citirt bei Gerota. — Schulze, Ueber die Verbindung der Epithelzellen unter einander. Sitzungbbei-. dor kgl. preuss. Akad. d. Wissensch. Berlin .'$«). 1896. S. 971. Hyaline Kitfsubstanz. 245 Es drängt sich nun von selb st die Hypothese auf, dass diese Substanz die Eigenschaft besitzen muss, für Harn- stoff ganz oder nahezu ganz impermeabel zu sein. Wird diese Substanz dann durch die bei Isolirung der Zellen unvermeidliche mechanische Schädigung hier und da vom Zellenkörper entfernt, so fehlt die schützende Substanz, und der Harnstoff kann frei in die Zelle ein- treten. So ist es zu erklären, dass wohl das isolirte Blasen- epithel, nicht aber das Blasenepithel in situ für Harn- stoff permeabel ist. Da das Blasenepithel mehrere Schichten von Epithelzellen enthält, deren jede von der genannten hyalinen Substanz umgeben ist, so bleibt bei eventueller Abstossung von Zellen die Undurchlässigkeit der Schleim- haut in hohem Maasse garantirt. Ob die genannte Kittsubstanz, ausser für Harnstoff auch für NaCl impermeabel ist, kann hier als irrelevant betrachtet werden, weil das Zellprotoplasma bereits selbst für NaCl undurchlässig ist. Es sei schliesslich noch daran erinnert, dass auch schon G e ro ta der hyalinen Kittsubstanz eine wichtige Rolle betr. die physiologischen Eigen- schaften der Blasenschleimhaut zugeschrieben hat. Sich stützend auf sein Versuchsresultat, dass die Blasenmucosa nicht für Alkaloide, wohl aber für Harnstoff, Ferrocyankalium, Glukose permeabel sei, schliesst der Verfasser, dass die Zwischensubstanz die Eigenschaft besitzen muss, grössere Molecüle nicht, wohl aber kleine durchtreten zu lassen. Wie ich oben hervorgehoben habe (S. 237), hat Gerota irrthümlich aus seinen Versuchen gefolgert, dass die Blasenmucosa für Harnstoff ein wenig durchlässig ist. Mehrere Versuche mit LiBr (Pouch on et Sega- las [6]), und mit KJ (Boy er et Guinard [7], Alapy [8], St okvis [9J) sprechen dafür, dass die Blasenschleimhaut auch für Stoffe mit kleinen Molecülen absolut undurchlässig ist. Der directe Beweis, welchen Gerota für die Permeabilität der hyalinen Zwischensubstanz für eine Verbindung mit kleinem Molekül, nämlich Ferrocyankalium, erbracht zu haben meint , scheint mir nicht einwandfrei. Der Autor führte eine Ferrocyankaliumlösung in die Blase ein, liess destillirtes Wasser durch die Blutgefässe der Blase fliessen und constatirte dann, dass die Kittsubstanz ferrocyan- haltig war. Es ist aber klar, dass wenn man die Blutgefässe mit destil- lirtem Wasser ausspritzt, letzteres bald aus den Capillaren in die intercellulare Substanz hinein diffundirt und dann kann dieselbe nicht mehr als ungeschädigt angesehen werden. Wenn sich dann später Ferro- 246 Resorption in der Harnblase. cyankaliuai in dieser Substanz vorfindet, so kann dies nicht als Beweis gelten, dass auch die normale Kittsubstanz für das Salz durchlässig sei. c) Zusammenfassung. 1. Die gesunde intacte Blasenschleimhaut ist für die bis jetzt untersuchten Alkaloide , Strychnin und Morphin , weiter für Chloralhy- drat, Hydroxylamin und für KJ impermeabel. 2. Für Harnstoff, Glukose, Ferrocyankalium und andere Alkali- salze ist solches noch nicht endgültig entschieden. Als festgestellt kann es aber betrachtet werden, dass falls die gesunde Blasenschleimhaut diesen Substanzen den Durchgang gestattet, dies doch nur in geringem Maasse der Fall sein wird. Injection von Medikamenten in die gesunde Blase mit dem Zweck, dieselben von da aus in andere Körpertheile überzuführen, hat demnach keinen Sinn. Von der kranken Blasenschleimhaut aber, wo das Epithel an verschiedenen Stellen fehlt oder in hohem Maasse ge- schädigt ist, schätze man das Kesorptionsvermögen nicht gering und denke an die von pharmakologischer Seite ausgesprochene Warnung, beim Irrigiren einer kranken Blase mit Lösungen kräftig wirkender und leicht in das Blut übergehender Mittel, sehr vorsichtig zu sein. 3. Isolirtes Blasenepithel ist für Harnstoff in hohem Maasse per- meabel. Dies gilt sowohl für den Harnstoff in Harnstoff-Kochsalzlösungen, wie auch für den Harnstoff im Urin. 4. Im Gegensatz zu dem isolirten Blasenepithel ist das Blasen- epithel in situ für Harnstoff sehr wenig oder nicht permeabel. 5. Dieser Gegensatz lässt sich durch die Eigenthümlichkeit des Blasenepithels erklären, nach welcher die Zellen durch eine continuirlich verlaufende hyaline Substanz umgeben und vereinigt sind, die wie ich annehme, für Harnstoff wenig oder nicht permeabel ist. Wird diese Substanz dann durch die bei Isolirung unvermeidliche mechanische Schädigung hier und da vom Zellkörper entfernt und fehlt daselbst also die schützende Schicht, so kann der Harnstoff frei in die Zelle eintreten. Von grossem Interesse hierbei ist, dass die Epithelzellen der Blasenschleimhaut eine mehrfache Schicht bilden ; hierdurch bleibt bei eventueller Abstossung von oberflächlich liegenden Zellen die Undurch- lässigkeit der Mucosa für Harnstoff doch in bedeutendem Maasse gesichert. Sechstes Kapitel. Physikaliseh-ehemisehe Untersuchung- des Harns und ihre Anwendung* in der Pathologie. Litteratur. 1. A. V. Koi'jiiiyi, Zeitschr. f. klin. Medicin. 33. 1897. S. 1. 2. A. V. Koräiiyi, Zeitschr. f. klin. Medicin. 34. 1898. S. 1. 3. L. Liiulenianii, Deutsches Archiv f. klin. Medicin. 65. 1900. S. 1. 4. Boncliai'd, Journal de Physiol. norm, et pathol. 1. 1899. p. 557. 5. Claude et Baltliazard, La Cryoscopie des Urines. Paris, Bailiiere et fils, 1902. 6. H. Strauss, Die chronischen Nierenentzündungen. Berlin, Hirschwald, 1901. 7. Bugarszky, Pflüger's Arch. 68. 1897. S. 389. 8. Roth, Virchow's Arch. 154. 1890. S. 466. 9. Hamburger, Centralbl. f. innere Medicin. 21. 1900. Nr. 12. 10. Hamburgei-, Zeitschr. f. Biol. 28. 1892. S. 405. 11. Hamburger, Zittingsverslag der Koninkl. Akad. v. Wetensch., 28 Nov. 1896; ausführl. in Zeitschr. f. Biol. 35. 1897. S. 252. 12. A. V. Koraiiyi, Deutsches Arch. f. klin. Medicin. 65. 1900. S. 421. 13. L. Liudemann, Deutsches Arch. f. klin. Medicin. 65. 1900. S. 425. 14. Pfaundler, Hof m eister 's Beiträge zur chemisch. Physiol. u. Pathol. 2. 1902. S. 386. 15. Buyniewicz, Le Physiologiste russe. 2. 1901. p. 31. 16. H. Strauss, Zeitschr. f. klin. Medicin. 47. 1902. H. 5/6. 17. H. Kümmel, D. Arch. f. klin. Chirurgie. 61. 1900. S. 690. 16. Richter und Roth, Berl. klin. Wochensclir. 1899. S. 657 u. 683. 19. H. Kümmel, D. Arch. f. klin. Chirurgie. 64. 1901. S. 579. 20. H. Kümmel, D. Arch. f. klin. Chirurgie. 67. 1902. S. 487. 21. A. V. Koranyi, Berl. klin. Wochenschr. 1899. S. 97. 22. Senator, Berl. klin. Wochenschr. 1899. S. 690. 23. I). Schonte, Het physisch-chemisch on derzoek van menschelyk bloed in de Kliniek. Diss. Groningen 1903. 24. Kritz Engelmann. Mittlieilungen aus den Grenzgebieten der Medicin u. Chirurgie. 12. 1903. S. 396. 248 Physikalisch-chemische Untersuchung des Harns. 25. Israel, Mittheilungen aus den Grenzgebieten der Medicin und Chirurgie. 11. 1903. H. 2. 26. Löwenhardt, Verhandl. 31. Congr. f. Chirurgie. 1902. S. 134. 27. Caspar und Richter, D. Arch. f. klin. Chirurgie. 64. 1901. S. 470. 28. Ceconi, Riforma medica. 18. 1902. n" 140. (Estratto.) 29. Couvee, De oorzaak van den dood na het wegnemen der nieren. Diss. Utrecht 1902. 30. M. 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Nernst, Zeitschr. f. physik. Chemie. 2. 1888. S. 617; 4. 1889. S. 129. Theoret, Chemie. III. Aufl. 1900. S. 672. 60. Bugarszky und Liebermann, Pflüger's Archiv. 72. 1898. S. 56. 61. Höber, Physik. Chemie der Zelle und der Gewebe, Leipzig 1902. S, 280. 62. Ostwald-Luther, Hand- und Hilfsbuch zur Ausführung physiko- chemischer Messungen. 2. Aufl. Leipzig 1902. 63. R. Löwenherz, Zeitschr. f. physik. Chemie. 20. 1896. S. 287. 64. V, Rhorer, Pflüger's Arch, 86. 1901. S. 586. _ Historischer Uebeiblick. 249 65. Mylius und Funk, Zeitscbr. t. anorg. Cliemie. 13. 1897. S. 157. 66. Hulett, Zeitschr. f. physik. Chemie. 33. 1900. S. 611. 67. Mylius und Funk. Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 30. 1897. S. 117. 68. Kohnstamm und Cohen, Wiedemann's Annalen. (55. 1898. S. 344. 69. Böse, Zeitschr. f. physik. Chemie. 34. 1900. S. 758. 70. Jäger, Die Normalelemente. Halle 1902, bei Knapp. 71. AV. H. Julius, Wiedemann's Annalen. 56. S. 151; auch Zeitschr. für Instru- mentenkunde. 16. S. 268 72. Kamerlingli Onnes, Zittingsversl. d. Konini. Akad. v. Wetensch. Amsterdam 1896. 73. Bugarszky, Zeitschr. f. anorg. Chemie. 14. 1897. S. 145. 74. Abegg und Böse, Zeitschr. f. physik. Chemie. .30. 1899. S. 545. 75. Höber, Hofmeister 's Beiträge zur ehem. Physiol. u. Pathol. 3. 1903. S. 525. 76. AV. Eis und Tli. Paul, Zeitschr. f. physiol. Chemie. 31. 1900. S. 1 u. 64. 77. F. Fischer, Zeitschr. f. Elektrochemie. 9. 1903. S. 18. Von vielen Seiten hat man sich bestrebt, durch das Studium der osmotischen Concentrationsverhältnisse des Harns, einen neuen Einblick in die Zusammensetzung zu gewinnen und dann mit Hülfe letzterer, Schlussfolgerungen in Betreff der Nierenfunction in pathologischen Zu- ständen abzuleiten. Der erste der sich mit diesem Gegenstande befasste, war A. von Koran yi [1 u. 2]. Seine Untersuchungsmethode bestand darin, dass er die Gefrier- punkterniedrigung, also die Gesammtanzahl der im 24-stündigen Harn anwesenden Moleküle -\- Ionen, und daneben die Chlornatriummenge ermittelte. Entsprechende Untersuchungen wurden auch von Lindemann [3J, Bouchard [4|, Claude und Balthazard [5j, Strauss [6] u, A. angestellt. St. Bugarszky [7 J bestimmte neben der Gefrierpunkterniedrigung das elektrische Leitvermögen, das specifische Gewicht und den Aschen- gehalt. Gleichartige Untersuchungen wurden gleichzeitig von W. Roth [8] ausgeführt. Endlich ist von mir [9J noch eine andere Methode der osmotischen Harnanalyse vorgeschlagen worden, ohne dass ich aber aus näher zu erörternden Gründen dabei versucht hätte, aus meinen Ergebnissen Gesetzmässigkeiten für den normalen Harn abzuleiten, wie das von Koranyi, Lindemann, Bouchard, Claude und Balthazard, Bugarszky und Roth gethan hatten. Die Methode beruht auf der Erwägung, dass mittelst der Gefrier- punkterniedrigung die Gesammtzahl an Molecülen -f- Ionen gefunden wird, während die Blutkörperchenmethode lediglich diejenigen finden 250 Gefrierpunkt und Kochsalzgelialt des Harns. lässt, für welche diese Zellen impermeabel sind. Zieht man nun die entsprechende Depression J-^ von der ersten J ab, so bekommt man die Gefrierpiinkterniedrigimg z/g derjenigen Substanzen, für welche die Blut- körperchen permeabel sind, also die osmotische Concentration des Harn- stoffs und verwandter Stoffwechselproducte. Besässe man eine sehr genaue zuverlässige Methode zur quantitativen Bestimmung des Harn- stoffs, so könnte man auf diese Weise den Betrag der letztgenannten Stoffwechselproducte ermitteln. Ich bespreche zunächst die Untersuchungen der genannten Autoren etwas ausführlicher. 1. Gefrierpunkterniedrigung und Kochsalzgehalt. (Untersuchungen von A. v. Koränyi, Lindemann, Strauss u. A.) a) Untersuchungen von v. Koranyi. Von Koränyi war es aufgefallen, dass bei gesunden Menschen der Quotient -^—pfiii^ 24-stündigen Harn innerhalb enger Grenzen schwankt. Während in Koränyi 's Fällen die Gefrierpunkterniedrigung [J] sich zwischen 1,26° und 2,35° bewegte und der procentische Kochsalzgehalt zwischen 0,85 und 1,54 lag, schwankte der Quotient %r^p. bloss zwischen 1,23 und 1,69, wobei ,,die Diät der Versuchspersonen gar keinen Einfluss ausübte." Die Tabelle auf S. 251 giebt eine entsprechende Zusammenstellung. Von Koränyi legte sich nun die Frage vor, wie die Fälle zu deuten waren , in welchen die f-Werthe ( .^ „, ) die genannten Grenzen ' \ NaCl / ^ überschritten. Hierzu sucht er sich zunächst von der Ursache des ge- ringen Betrags der Schwankungen unter normalen Umständen Rechen- schaft zu geben. Indem er sich auf den Standpunkt der Anschauung Ludwigs stellt, nach welcher das Harnwasser in den Glomerulis ausgeschieden und in den Harncanälchen ,,theilweise wieder resorbirt wird", nimmt er weiter an, dass aus den Glomerulis eine fast völlig reine NaCl-Lösung ausgeschieden wird, und in den Kanälchen ein Austausch eines Theiles dieses Chlornatriums gegen chlorfreie Bestandtheile der Blutflüssigkeit stattfindet. Je länger der Harn in den Harnkanälchen verweilt, um so grösser muss der genannte Austausch und auch die Wasserresorption Constanz des Quotienten bei Gesunden. 251 Harnmenge in 24 Stunden Gefrierpunkterniediigung A Na Gl 0/0 Na Gl 1365 1,430 1,08 1,32 1745 1,60 1,24 1,29 1680 1,68 1,28 1,31 1795 1,51 1,00 1,51 1800 1,72 1,39 1,24 1980 1,26 0,86 1,47 1160 2,01 1,31 1,53 1625 1,43 1,16 1,23 1915 1,43 1,13 1,27 1015 1,84 1,15 1,60 865 1,81 1,26 1,44 1360 1,62 1,09 1,49 1140 1,93 1,33 1,45 1220 1,76 1,14 1,58 1500 1,70 1,06 1,60 840 2,26 1,50 1,51 1100 2,35 1,54 1,53 1410 1.59 1,07 1,49 1130 1,84 1,22 1,51 1240 1,67 1,20 1,39 1040 1,81 1,04 1,69 1600 1,46 1,14 1,28 1230 1,82 1,35 1,35 1340 1,43 0,96 1,49 1500 1,59 1,15 1,38 1400 1,46 1,04 1,40 1400 1,58 1,12 1,41 2080 1,33 0,85 1,68 1060 1,56 1,01 1,54 1280 1,93 1,15 1,68 sein. Während aber die Wasserresorption den Harn concentrirter maclit, und damit dessen Gefrierpunkterniedrigiing vermehrt, hat der Austausch auf dieselbe keinen Einfluss, denn er geschieht nach von Koranyi in äquimolecularen Verhältnissen. Wie werden nun diese Verhältnisse bei incompensirten Herzfehlern liegen? Da der arterielle Blutdruck in den Nieren abgenommen hat, fliesst das Glomerulussecret langsamer durch die Kanälchen ab und dem- nach steht den NaCl-Theilchen für den osmotischen Austausch gegen chlorfreie Blutbestandtheile längere Zeit zur Verfügung. Der NaCl-Ge- halt des Harns nimmt also ab. Da aber der Austausch in äquimole- 252 Gefrierpunkt und Koclisalzgelialt des Harns. ' Ciliaren Verhältnissen stattfindet, bleibt J unverändert, und ^, ,,, muss NaCl folglich steigen. Diese Anschauung wird durch die folgenden Thatsachen bestätigt. Lr 1 1 Urin- ^ AT /-ii ^ Herzkranke A NaCl ,vt v^r menge NaCl Fall 1 Insuff. bicusp., grosser Hydrops 208 3,11" 0,45 Vo 6,91 „ 2 „ , , massiger , 650 2,04" 1,05 »/o 1,94 , 3 , Aortae, geringer , 720 1,88» 1,10 °/o 1,71 , 4 , bicusp., , , 500 1,51« 0,78 7o 1,94 , 5 , , massiger „ 300 2,03° 0,82 "/o 2,48 In der That sieht man im Fall 1 (von grossem Hydrops) einen grossen Werth (6,91) annehmen. Da Digitalis die daniederliegende Circulation hebt, muss, wenn die Theorie richtig ist, „ ^, während Digitalisbehandlung sinken. ^ NaCl ^ * Das lehren folgende Versuche: Urin- menge A NaCl A NaCl ^'all 1 Insuff. bicuspid. 280 3,11° 0,46 6,91 Während Digitilisbehandlung 330 2,42 1,15 2,97 später 460 1,51 0,80 1,89 Ml II Insuff. bicuspid. 920 1,89 1,11 1,70 Während Digitalisbehandlung 2280 1,39 1,03 1,35 später 2650 1,11 0,97 ],14 Diuretin steigert bekanntlich ebenfalls die Secretionsgeschwindig- keit des Harns. Bei Diuretin-Diurese muss daher -^^—,w ebenfalls sinken. NaCl Ui"in- . AT rii ^ A Na Cl ,rp-^,- menge Na Cl Insuff. bicuspid. 340 2,14" 0,52 4,12 6 g Diuretin pro die 930 1,90 1,25 1,52 1240 1,43 1,80 0,70 Auch die von Ludwig mitgetheilte Beobachtung, dass nach Unter- bindung der Harnleiter deren Inhalt an Harnstoff zunimmt und dem- gegenüber der Kochsalzgehalt bis auf Spuren verschwindet, steht mit von Koranyi's Vorstellung in Uebereinstimmung, (vergl. indessen S. 271). Physiologische Schwankungen des Quotienten. 253 Von Korjinyi hat nun weiter mit seinen Schülern den Einflnss verschiedener physiologischer Bedingungen auf die Grösse der Quotienten --, -^, untersucht. NaCl In erster Linie bespricht er die Tagesschwankungen. Fisch und Kovacs [11 stellten an sich selbst fest, dass cv yw- NaCl den geringsten Werth während der Vormittagsstunden hat, dann all- mählich aber sehr erheblich ansteigt, in der Nacht ein Maximum erreicht, um in den frühen Morgenstunden wieder abzufallen. Von Kor;inyi ist geneigt, für diese Schwankungen die Strömungs- geschwindigkeit des Harnkanälcheninhalts — bezw. der Circulation — verantwortlich zu machen. Wie von Koriinyi bemerkt, nimmt die Blut- circuUxtion in den Vormittagstunden zu und in den Nachmittagstunden allmählich bis in die Nacht hinein ab. Diese Annahme erscheint ihm um so wahrscheinlicher, als die Pulsfrequenz fast die völlig gleichen Tagesschwankungen aufweist. Indess ist auch der Einfluss der Muskel- arbeit nicht auszuschliessen. Ich lasse hier eine Tabelle folgen, die sich auf ein und dieselbe Versuchsperson bezieht. Die Harne wurden in gleichen Zeitintervallen aufgefangen. Harn- menge A NaCP/o NaCl I, von 7 Uhr V( )rmittag bis 11 Uhr Vormittag. 1. 175 CO 2,23° 1,78 1,25 2. 220 , 2,20 1,72 1,28 3. 51 , 1,90 1,84 1,03 4. 110 , 1,98 1,68 1,18 II, von 11 Uhr Vormittag bis 3 Uhr Nachmittag. 1. 140 cc 2,36« 1,80 1,31 2. 100 , 2,50 1,44 1,73 3. 90 , 2,08 1,72 1,21 4. 135 „ 2,02 1,12 1,80 III, von 3 Uhr Nachmittag bis 7 Uhr Nachmittag 1. 165 cc 2,27» 1,50 1,51 2. 135 , 2,55 1,80 1,91 3. 135 „ 2,20 1,61 1,37 4. 175 , 1,97 1,13 1,74 254 Gefrierpunkt und Kochsalzgebalt des Harns. Es ist aber noch eine andere Ursache für die beobachteten Tages- schwankungen denkbar, und das ist der Einfluss der Nahrungs- aufnahme. Zur Entscheidung dieser Frage mussten Untersuchungen an Hun- gernden angestellt werden. Dazu bot sich Gelegenheit, als der Hunger- künstler Succi in Budapest war. Die Versuche wurden am 6. und 7. Hungertage angestellt. Der Tag- und Nachtharn wurde gesondert aufgefangen. Die Tagesschwankungen kamen wieder zum Vorschein. H^™- ' NaCF/o ^ menge NaCl 6. Hungertag Nachts 225 cc 7,85° 0,16 13,4 bei Tag 235 , 8,44 0,36 6,2 7. Hungertag Nachts 246 , 7,80 0,14 14,2 bei Tag 230 , 7,91 0,25 8,5 Die Tagesschwankungen von ^ hängen also nicht, oder wie ich lieber sagen möchte, nicht allein von der Nahrungsaufnahme ab. P'olglich kann man kaum an etwas anderes denken, so meint wenigstens der Verfasser, als an eine Verän- derung der Circulationsgeschwindigkeit. Diese ist nach dem Aufstehen und in den Vormittagstunden am grössten. Hierdurch werden die Nieren so beeinflusst, dass ,^ ^, im Harne sinkt. Die Circulation verlangsamt NaCl sich in den Nachmittagstunden und die Strömungsgeschwindigkeit erreicht Nachts ihr Minimum. Beiläufig sei hier noch bemerkt, dass Succi noch während einer 30tägigen A Hungerperiode untersucht wurde, während welcher „ p. enorm anstieg. Man könnte dies darauf zurückführen, dass die Gefrierpunkterniedrigung des 24 stündigen Harns während der ganzen Periode ziemlich constant blieb , während der NaCl-Gehalt sehr erheblich abnahm. Der Gefrierpunkt nahm an den 3 ersten Hungertagen von — 1,67 auf — 2,04 und — 2,16 ab. Dann folgte eine allmähliche Abnahme bis auf —1,21 am 24. Hungertage. Dann wurde Albuminurie beobachtet und von nun an bewegte sich A zwischen — 0,76 und —0,95. Ausführliche Untersuchungen wurden von v. M 6 r i c z und Fisch[l] über die Veränderungen in der Zusammensetzung des Blutes und des Harnes beim Kaninchen unter Einwirkung verschiedener Tem- peraturen, verschiedener Feuchtigkeitsgrade der Luft und während der verschiedenen Jahreszeiten angestellt. Um nicht zu ausführlich zu werden, beschränke ich mich auf die Angabe, dass im Winter der Kochsalzgehalt des Blutes beim Kaninchen Physiologische Schwankungen des Quotienten. 255 steigt, während die Kochsalzausscheidung durch die Nieren sinkt. Dur- aus folgt eine Veränderung der Beziehungen zwischen Blut und Harn, welche erst im nächsten Frühjahr verschwindet. Heizung drückt im Winter den Gefrierpunkt des Blutes vorübergehend herab. Um die Wirkung der Muskelarbeit auf ^ und NaCl des Harnes zu untersuchen, wurde von drei Herren, welche an einer Ruderregatta theilnahmen, der Harn sowohl vor, während, wie nach der liegatta während 5 Tagen in 24-stündigen Portionen gesammelt. Aus den betreffenden Untersuchungen folgert v, Koränyi, dass bei allen drei Personen die Anzahl der von den Nieren abgeschiedenen Molecüle am Tag des Wettkampfes am geringsten war. Er führt dies auf eine Verlangsamung der Nierencirculation in Folge des Blutver- brauches in den Muskeln zurück, der zu Folge an diesem Taar -v^^^.t ^ NaCl zunehmen musste. Leider bin ich genöthigt dieser Schlussfolgerung vonKoränyi's entgegenzutreten. Ich muss deshalb dem Leser seine Versuche kurz vorführen, wozu um so mehr Veranlassung besteht, als der Autor den- selben in ihrer Anwendung auf das Studium der Verhältnisse bei Herz- kranken praktische Bedeutung beimisst. Der Harn der Ruderer wurde in 24 stündigen Portionen gesammelt und vom 3. bis zum 8. September täglich untersucht. Während dieser Zeit ernährten sich die Herren täglich in möglichst gleichmässiger Weise. Auf N-Gleichge wicht musste verzichtet werden. An den ersten drei Beobachtungstagen wurde jede bedeutende Anstrengung möglichst vermieden. Der Wettkampf fand am 6. September um 5 Uhr Nachm. statt. Harn 4 stammt von dem Kampftage (ich spatiire), Harn 5 vom Erholungstage. Im Gegensatz zu dem Autor kann ich eine deutliche Steigerung von -Tj—pT hei Harn 4. (Kampftag) nur bei der dritten Versuchs- person feststellen. Hier zeigte der Harn einen Gefrierpunkt von — 2,40", während dieser Werth am 1., 2., 3. und 5. Tag —61°, -1,53», —1,37" und — 1,64° beträgt. Wie ganz anders fällt diese Vergleichung bei den zwei anderen Versuchspersonen aus! Unter diesen Umständen halte ich die Berechnung von Mittelzahlen aus den entsprechenden Ergebnissen gleicher Versuchstage bei den drei Personen, welche den Verfasser zu den Werthen 2,10; 1,71; 1,57; 2,03 und 2,04 für ^.^„ führt, nicht für NaCl ' berechtigt. 256 Gefrierpunkt und Kochsalzgehalt des Harns. 1 2 3 4 5 6 7 Versuchstag 24 stündige Harnmenge Gefrier- punktser- niedrigung A Proeentischer NaCl-Gehalt des Harns A NaCl Totale mole- culare Diurese, ausgedrückt in Kochsalz g Kochsalz im Harn 1 1340 cc 1,48 0,97 7o 2,04 43,28 13,00 Versuchs- person 1 2 1670 1,74 1,07 1,63 47,43 17,00 3 1600 1,77 ],06 1,67 46,24 16,96 4 1810 1,48 0,97 1,61 43,62 16,65 ,5 1370 1,87 1,05 1,78 41,92 14,39 1 1720 2,16 0,81 2.66 60,89 13,84 Versuchs- person 2 2 1900 1,63 0,83 1,98 50,73 15,77 3 1860 1,71 1,00 1,71 52,08 18,60 4 2420 0,84 0,45 1,86 83,40 10,89 5 1820 1,80 0,65 2,80 54,05 11,83 1 1910 1,53 0,95 1,61 47,94 18,15 Versuchs- person 3 2 1760 1,85 1,21 1,53 53,33 21,30 3 2150 1,58 1,15 1,37 55,69 24,94 4 1230 2,06 0,86 2,40 41,57 12,92 5 1500 1,46 0,89 1,64 35,85 13,35 J Von Koriinvi hält -^-. ^. in hohem Maasse für iinabhänffig ^ NaCl ^ ^ von der Zusammensetzung der Nahrung. Der zweite und letzte Theil [2] der bekannten grossen Abhandlung in welcher v. Koranyi seine und seiner Schüler Untersuchungen nieder- gelegt hat, befasst sich ausschliesslich mit der Anwendung seiner An- schauungen auf die Pathologie der Circulationorgane und auf die Nieren- krankheiten. Zum Zweck einer bündigeren Ausdrucksweise, war es noth- wendig einige neue Bezeichnungen einzuführen. Indem er annimmt, dass die normale Gefrierpunkterniedrigung des Blutes 0,56° und die des während 24 Stunden gesammelten Harnes — 1,3° bei — 2,2" beträgt, bezeichnet er mit Hyposthenurie den Zustand, in welchem die Depression des Harnes sich zwischen 0,56'^' und 1,3° bewegt. In den seltenen Fällen , in welchen die Gefrierpunkterniedrigung des Harnes mehr als 2,2° beträgt, spricht er von Hypersth enurie. Es braucht kaum hervor- gehoben zu werden — so bemerkt der Verfasser — , dass die Grenzen zwischen normaler Kraft der Nieren , Hyposthenurie und Hypersthenurie keine scharfen sind. Eine weitere Classificirung pathologischer Harne wird dadurch ermöglicht, dass ^■^ ^, im 24 stündigen Hai-ne gesunder Menschen nur zwischen 1.23—1,69 schwankt. NaCl Harn von Herzkranken. 257 Beträgt TTjr—,, mehr als 1,69, so liegt relative Ol isochlo r urie vor; beträgt NaCl ° " ' o sie weniger als 1,23, so spricht v. Koränyi von relativer Poly chl or uri e. Als diagnostisch wichtig hat sich ferner das Kochsalzäquivalent der in 24stündigem Harn gelösten festen Moleküle erwiesen. Es wird aus der A y, Formel . — berechnet, in welcher A die Gefrierpunkterniedrigung des Harnes, jt die 24 stündige Harnmeuge in Decilitern und 0,613 die Gefrierpunkterniedrigung einer 1 "/oigen NaCl-Lösung ist. Beim Gesunden beträgt das Kochsalzäquivalent 30 — 40. Bleibt es unter 30, so besteht moleculare Oligurie; steigt es über 50, so handelt es sich um moleculare Polyurie. a) Der Harn von Herzkranken. In erster Linie hat von Koranyi Untersuchungen an Herzkranken angestellt. Diese haben seiner Ansicht nach bisher die praktisch wich- tigsten Resultate geliefert und zu Ergebnissen geführt, die ihn mit der Ueberzeugung erfüllen, dass die Untersuchung eines Herzkranken unvoll- ständig ist, so lange der Gefrierpunkt und der Kochsalzgehalt des Harns nicht bestimmt wurden. Besonders gilt dies in dem wichtigsten Stadium der Herzkrankheit, in dem die Mittel des Organismus den Ansprüchen bereits mangelhaft entsprechen, welche trotz des Herzfehlers behufs Er- haltung der normalen Circulationsgeschwindigkeit erfüllt werden müssen und in welchem diese Mangelhaftigkeit, wenn sie früh genug erkannt wird, nach des Verfassers Ansicht, durch therapeutische Maassnahmen noch leicht beseitigt werden kann. Beim Stauungsharn können dreierlei Abweichungen gegenüber dem normalen Harn auftreten : 1 Hypersthenurie (hohes _/), 2 moleculare Oli- gurie (Abscheidung einer geringen Molecülzahl), 3 relative Oligo- chlorurie (wenig Chlor und Harn). Von diesen ist die letztere die wich- tigste, und sie findet wie gesagt, ihren Ausdruck in einem hohen Werth T,-r ,^, . Wie bereits erwähnt, ist die Ursache in einer Verlang- NaCl ° samung des Harnstromes in den Harnkanälchen zu suchen. In Folge derselben wird der Austausch zwischen den chlorfreien zur Ausscheidung bestimmten Molecülen des Blutes und dem Kochsalzmolecülen des Harns die normale Grenze überschreiten. Der Harn wird relativ chlorarm und reich an Achloriden. Wenn nach Verabreichung von Medicamenten oder auch spontan eine Diurese eintritt, so ist deren erstes Zeichen ein Sinken von ■.., ■^, NaCl und, wenn es einmal zu einer reichlichen Diurese kommt, so ist neben hochgradiger Hyposthenurie moleculare Polyurie und hochgradige relative Hamburger, Osniot. Driiek, II. Band. 17 258 Harn von Herzkranken. Polychlorurie zu beobachten. Damit aber die relative Oligochlorurie in der That als eine nützliche Bereicherung unser Symptomatologie betrachtet werden könne, hält Verfasser es für nothwendig sich über die Empfind- lichkeit dieses Symptoms zu orientiren. Zunächst ist zu beweisen, dass bei Herzkranken, deren Circulationsgeschwindigkeit mit gutem Grunde als normal betrachtet werden kann, die Oligochlorurie fehlt. Zu diesem Zweck theilt der Verfasser einige Fälle mit, denen ich die folgenden entnehme. Diagnose „, ... ,. Kochsalz- 24 stundiges ..... NnPl Ä 1. Insuff. valv. bicusp. Neurasthenie Hain- A aquiva en ^^~,^, ^ , der festen O/ NaCl Molecule Bei stärkerer Muskelarbeit, Herzklopfen, leichte Arythraie 1600 1,43" 37,5 1,07 1,48 2. Insuflf. Valv. Seniilun. aortae, Tumor testiculi dextri. Gar keine subjec- tiven Herzsymptome 1020 2,14 36 1,50 1,42 8. InsufF. Valv. bicusp. Catarrhus Ven- triculi 1260 1.50 30,8 0,99 1,51 DieWerthe von „ ^, erweisen sich als normal. NaCl Weiter wurde untersucht, ob der Werth von „ „t; welcher sich NaCl hiernach bei Kompensation als normal erwies, sich etwa änderte, wenn der Herzleidende Arbeit verrichtete. Das war in der That der Fall. Als Beispiel erwähnt v. Koränyi einen Patienten mit Insufficienz und Stenose am linken Ostium arteriosum. Nach einer sechstägigen Periode der Ruhe ist die leichte Cyanose und die massige Dyspnoe verschwunden. ^^ . schwankt zwischen 1,39 und 1,57 , ist also vollkommen normal. Am ersten Arbeitstage beträgt „ ^1 1,50, bleibt also normal. Am nächsten Tag der Ruhe war der Werth eben- NaCl ° falls normal. Nun vollbringt Patient eine bedeutende Arbeit am Gärtner'schen Ergostat: 110 Umdrehungen mit 8 kg Belastung. .^ steigt stark an und er- reicht 2,40. Es hat sich also eine ganz erhebliche relative Oligochlorurie eingestellt. Am folgenden Tag war die Arbeit etwas geringer: |^ p, war 1,85. Dann folgten wieder sechs Ruhetage, an welchen „ ^, normal wurde und von 1,44 allmählich NaCl auf 1,25 sank. Aus diesem Versuche folgt also das wichtige Resultat: Bei Herz- ig ranken, bei welchen bei ruhiger Lebens weise der relative Relative Oligochlorurie. 259 Chlorgehalt des Harns normal ist, kann eine massige Arbeit schon Oligochlorurie verursachen. Aus der obigen Tabelle S. 256, Spalte 7 ist ersichtlich, dass bei Gesunden eine höchst anstren- gende Arbeit (Ruderregatta) denselben Erfolg hat. Bei Herzkranken tritt diese Erscheinung leichter ein. Bei Herzkranken also, deren Circulation trotz des Herzfehlers mit normaler Geschwindigkeit vor sich geht, genügt eine für den Gesunden unbedeutende Arbeit, um eine beträchtliche Verlangsamung der Circulation zu ver- ursachen. Daraus ergiebt sich der Schluss, dass die Em- pfindlichkeit der Methode genügend ist, um auf eine Ver- langsamung der Circulation zu reagiren, welche durch keine andere bis jetzt gebrauchte Untersuchungsmethode nachzuweisen ist. Die praktische Wichtigkeit dieser Thatsache liegt eben darin, dass man durch eine einfache und durch nichts ersetzbare Untersuchung erfahren kann, ob Herzkranke der Leistungsfähigkeit ihres Herzens ent- sprechend leben oder nicht. Bei Herzkranken kann also der Harn vollkommen normal sein. Ist er normal, so folgt daraus, dass die durchschnittliche 24-stündige Circulationsgeschwindigkeit den Bedürfnissen dos Herzkranken entspricht. Sinkt die mittlere 24-stündige Geschwindigkeit des Blutstromes, wird das Herz insufficient, so steigt zunächst ..-, ^, an, es kommt zu einer ' ^ NaCl ' relativen Oligochlorurie. Bei einem weiteren Sinken kommt auch moleculare Oligurie und Hypersthen- urie zum Vorschein. Fehlt die Hypersthenurie in diesen Fällen, so ist auf eine secundäre Erkrankung der Nieren zu schliessen. Es ist auffallend, dass von Koranyi aus der Thatsache, dass ^^ ,,. den normalen Werth übersteigt, ohne weiteres auf Oligochlorurie schliesst. Allerdings wird jeder zugeben, dass eine Steigerung von . in der That durch eine Chlorabnahme bedingt werden kann. Das Gleiche wird jedoch auch durch eine Zunahme von z/ herbeigeführt. Zwar erfährt nach dem Verfasser die Gefrierpunktserniedrigung beim Austausch zwischen Chloriden und chlorfreien Molecülen keine Aenderung, da sie nach von Koranyi in äquimolecularem Verhältniss geschieht; die Frage ist aber berechtigt, ob dieselbe Ursache, welche die Steigerung des äquimolecularen Austausches verursacht, auch nicht einGlomeru- 17* 260 Blut bei Herzkranken. lussecret von grösserer Gefrierpunkteniiedrigung zu Tage fördert. Und man kann kaum anders als eine bestätigende Beantwortung erwarten, wenn man die vom Verfasser gewonnenen Zahlen nach Digitalis- und Diuretingebrauch in Betracht zieht. Da stellt sich nämlich heraus, dass mit Beschleunigung des Blutstromes eine Abnahme von J deutlich einher- geht (S. 252). Auf die Deutung von ^^ ^, komme ich noch unten zu- rück (S. 268, 271 ff., weiter in der ,, Zusammenfassung"). Zum guten Verständniss der Veränderungen in der Zusammensetzung des Harns bei Herzfehlern erschien es von Koranyi nothwendig, auch die Veränderungen der Blutzusammensetzungen kennen zu lernen. ß) Das Blut bei Herzkranken. Bedeutung für Diagnostik und Behandlung. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass bei incompensir- ten Herzfehlern die Gefri erpunkt e rniedrigung des Blut- serums abnorm gross, und der Kochsalzgehalt abnorm gering ist. Indessen sieht man auch die Gefrierpnnkterniedrigung des Blutes in nicht unbedeutendem Maasse ansteigen, ohne dass von Herzleiden die Rede ist, nämlich bei Niereninsufficienz. Offenbar rührt das daher, * . . . . dass die Nieren nicht im Stande sind, die Stoflwechselproducte genügend aus dem Organismus zu entfernen. Zuweilen kommt es vor, dass dann zu gleicher Zeit der Chlorgehalt des Blutplasma abgenommen hat. Wie wird man nun entscheiden können, ob die Zunahme der Ge- frierpunkterniedrigung und die Abnahme des Chlorgehalts des Blutserums von einer Nierenerkrankung oder von einem incompensirten Herzfehler herrührt? Hierzu hat Kovjics in Koranyi's Laboratorium die von mir nachgewiesene Umkehrbarkeit der durch CO^ herbeigeführten Verän- derungen in der Vertheilung von Stoffen auf Blutkörperchen und Serum benutzt. Ist nämlich die Steigerung des osmotischen Drucks des Blut- serums und die Abnahme seines Chlorgehalts durch CO2 veranlasst, so muss Austreibung der COg durch Luft, einen normalen osmotischen Druck und einen normalen Chlorgehalt herstellen (vergl. B. I S. 261 u. S. 266). Ist jedoch nicht die Verlangsamung des Blutstroms, m. a. W. COa-Anhäufung im Blute, sondern Niereninsufficienz die Ursache, so wird Luft- oder Sauerstoffdurchleitung durch das Blut den osmoti- schen Druck und den Chlorgehalt der Blutflüssigkeit nicht beeinflussen. Zurückführung zur Norm durch Sauerstoff. 261 Natürlich können, wie bereits gesagt, beide Krankheiten vor- handen sein; dann wird 0- Durchleitung eine Veränderung in der Rich- tung zur Norm herbeiführen, ohne diese jedoch vollständig herzustellen. Ich erwähne folgendes Beispiel : Bei einem Herzkranken war die Gefrierpunkterniedrigung des Blutserums — 0,62", der Kochsalzgehalt 0,52 °/o. Durch eine zweite Portion des Blutes wurde in vitro Sauerstoff geleitet. Die Gefrierpunkterniedrigung nahm bis auf den normalen Werth —0,56" ab, während der Kocbsalzgehalt des Serums auf 0,59 "/o stieg, also ebenfalls normal wurde. Kovacs war sogar im Stande, diese in vitro beobachteten Ver- änderungen durch Anwendung von Sauerstoff in halationen auch im Körper des Kranken zu erzielen. Bei einer Patientin mit einer congenitalen Communication zwischen beiden Herzventrikeln sank die Gefrierpunkterniedrigung im Gefolge einer 16-tägigen Sauerstoffinhala- tionscur von 0,69 auf 0,62'^. Ich muss dem Vorstehenden zwei Bemerkungen hinzufügen. Die erste betrifft die Gefrierpunkterniedrigung des Stauungsblutes. Hier liegt ein Widerspruch vor. Ich habe nämlich früher gefunden [46], dass das Jugularisblut , nicht nur das nor- male, sondern auch das nach einer Stauung von mehreren Minuten erhaltene, dieselbe Gefrierpunkterniedrigung besitzt, wie das entsprechende Carotisblut. Oertliche Stauung steigert nach diesen Versuchen die Gefrierpunkterniedrigung also nicht. Dagegen fanden v. Koränyi und Koväcs bei allgemeinen Circulationstörungen eine bedeu- tende Zunahme. Nun sind wir, ich [11] und v. Koränyi [1], darüber einig, dass Durchleiten von CO^ durch Blut in vitro die Depression des Serums vermehrt. Es müssen also bei örtlicher venöser Stauung in der Jugularis Vorgänge wirksam sein, welche die durch C0._, hervorgerufene Steigerung der Gefrierpunkterniedrigung wieder compensiren und welche bei allgemeiner Stauung nicht in dem Maasse zu ihrem Recht kommen. Man denkt hier natürlich an den Einfluss der Stauung auf Vorgänge in den Geweben (incl. Speicheldrüsen). Dass in der That Complicationen bestehen und die Sache nicht so einfach liegt, wie es v. Koränyi erscheinen lässt, geht aus Folgendem hervor, auf das sich meine zweite Bemerkung bezieht. Ich habe gefunden, dass, wenn man durch arterielles Blut COo hindurchleitet und dann wieder 0, die durch CO., herbeigeführten Veränderungen nicht nur compensirt, sondern selbst übercompensirt werden, v. Lim- beck konnte das bestätigen. Ich erklärte diese Erscheinung dadurch, dass man durch die letzte 0-Durchleitung gewöhnlich ein 0-reicheres Blut bekommt, als das ursprüngliche natürliche arterielle war. Führt man denselben Versuch mit natür- lichem venösen Blut in dem Sinne aus, dass man erst das Blut COa-reicher macht und dann 0 durchleitet, so ist die Uebercompensation noch bedeutender. Nun fällt es auf, dass v. Koränyi und Koväcs mittheilen, bei Durchleitung von Sauerstoff durch cyanotisches Blut von Herzkranken würden Gefrierpunkterniedrigung und Chlorgehalt wieder vollkommen normal. Handelte es sich hier um eine blosse CO2- Einwirkung, so müsste auch hier ebenso wie in vitro eine Uebercompensation statt- gefunden haben; es hätte z. B. der NaCl-Gehalt über die Norm steigen müssen, statt normal zu werden. 262 Harn bei Herzkranken. Dass also nicht alles auf reine CO..-Wirkung zurückgeführt werden darf, geht noch aus meinen Beobachtungen hervor, nach welchen venöses und arterielles Blut nach Sättigung mit Sauerstoff keineswegs Serum und Blutkörperchen von gleicher Zusammensetzung besitzen [46j. (Vergl. B. I, S. 269). Auch für die Therapie haben diese Untersuchungen Bedeutung. ,, Ebenso wie die Cur und das Leben eines Diabetikers nach dem Zucker- gehalte reines Harns eingerichtet werden muss, ist es nothwendig die Cur und die Lebensweise eines Herzkranken nach seinem Harne zu regeln". Ist bei einem Patienten „ ^, im 24-stündigen Harne 1,70, so hält, NaCl ^ 5 5 5 wie gesagt, von Koranyi die Circulationsgeschwindigkeit in den Nieren, also auch im grossen Kreislauf für zu gering. Wird diese Zahl bei einem Patienten erhalten, der während des Sammeln des Harns seinen Geschäften nachgeht, so muss er zu einer ruhigeren Lebensweise auf- gefordert werden. Bleibt ^, ,,, auch bei ruhigem Leben über 1,70, *= NaCI ^ ' ' dann gehört der Patient ins Bett und es sind eventuell Herzmittel am Platze. Wird die Zahl 1,70 während einer systematischen Herzgymnastik überschritten, so war letztere der Leistungsfähigkeit des Herzenz offen- bar nicht angemessen. So lange die geringen Kreislaufsstörungen, welche eine massige Dyspnoe bedingen, in der Ruhe so weit zurückgehen, dass die Harn- untersuchung keine Abnahme der 24-stündigen Nierendurchblutung er- kennen lässt, ist eine bleibeude Herzdehnung nach von Koranyi nicht zu befürchten. Auch auf die diätetische Behandlung incompensirter Herz- fehlern werfen von Koranyi's Ausführungen neues Licht. Bekanntlich hat Oertel hierbei eiweissreiche Nahrung empfohlen. In der That erscheint diese bei nicht beeinträchtigter molecularer Diu- rese ausser aus den von Oertel angeführten Gründen auch deshalb zweckmässig, weil die Steigerung der Eiweisszersetzung in den Geweben eine Vermehrung des Wasserstroms aus den Blut erzeugt und dabei die Arbeit des Herzens unterstützt. Bei schweren Stauungserscheinungen aber sieht man davon üble Folgen. Das ist leicht erklärlich, denn durch die schlechte Circulation wird die Nierenfunction beeinträchtigt. Erhöht man dann noch den StofifAvechsel, so steigert sich auch der osmotische Druck des Blutes. Es wird viel getrunken und das Entstehen von Oedemen begünstigt. Um den durch COg gesteigerten osmotischen Druck der Blutflüssig- keit herabzusetzen, denkt von Koranyi an Sauerstoffinhalationen. Sauerstoft'-Diuiese. 263 Da aber bekanntlich der Saueistoffgehalt des Blutes in hohem Maasse vom Partialdruck des Sauerstoffes (und folfjlich auch vom atmosphärischen Druck) unab- liiin^ig ist, könnte man meinen, dass Sauerstotfinhalationen den 0-Gehalt des Blutes doch nicht steigern werden. Man vergesse aber nicht, dass dies für Gesunde gilt, bei denen das die Lungen durchströmende Blut mit Sauerstoff auch bei einem ge- ringen 0-Partialdruck gesättigt wird. Bei Beeinträchtigung der Lungenathmung wird aber das Blut nicht mit Sauerstoff gesättigt. Es ist also die Möglichkeit einer grösseren Sauerstoffaufnahme bei höherem Partialdruck jedenfalls in höherem Maasse als beim Gesunden gegeben. Ein besonderer Wertli dieser 0-Inhalationen liegt noch darin, dass sie eine nachhaltige und cumulative Wirkung auf die Ver- besserung der Blutbeschaffenheit haben. Diese Inhalationen zeigten einen günstigen Einfluss a Ti f die D i u r e s e , vielleicht in P'olge einer vasodilatatorischen Wirkung auf die Nierengefässe. In der That sind gefässerweiternde Mittel im Stande, die Durchblutung der Nieren und damit die Diurese zu befördern. Von Koranyi theilt mit, dass dies aus Versuchen mit den gefässer- weiternden Substanzen Morphium, Nitroglycerin und Amylnitrit in seinem Laboratorium hervorgegangen ist. Es fand bei diesen ein Sinken von J NaCl statt, während das gefässverengernde Ergotin ein Anwachsen von herbeiführte. Bei 0-Inhalation aber fand Kovacs weder NaCl ""^""'^"" ^"- " NaCl noch J des Harns beeinflusst. Daraus geht hervor, dass Gefässdilatation die Ursache der Sauerstoft'diurese nicht sein kann. Der Harn behält bei der O-Diurese dieselbe Beschaffenheit wie zuvor; allein es wird mehr Harn in 24 Stunden entleert, so dass die totale moleculare Diurese gesteigert wird. Von Koranyi erblickt den Grund dieser molecularen Diurese darin, dass ,,die Sauerstoff-Inhalation bei bestehender Cyanose eine Zu- nahme der Sauerstoffeinnahme, und eine Beschleunigung des Stoffwechsels und der Gewebeinhalation bedingt. Dadurch setzt sie den abnorm hohen osmotischen Druck und den abnorm hohen relativen Gehalt des Blutes an Blutkörperchen herab und steigert den gesunkenen Kochsalzgehalt desselben, steigert die moleculare Diurese und die Wasserausscheidung". M. a. W., handelt es sich hier im Wesentlichen um eine Erschei- nung, die auch in vitro beobachtet werden kann. Leitet man 0 durch CO^- reiches Blut, so geben die Blutkörperchen Wasser an das Serum ab. Dieses wird also verdünnt. Ausserdem empfängt es Chlor aus den Blutkörperchen. Es liegt auf der Hand, dass ein Blut, dessen Blut- körperchenvolumen abgenommen, dessen Serum eiweissärmer geworden 264 Nierenkrankheiten. ist und dessen Chlorgehalt zugenommen hat, der Bildung von Glomeru- lussecret günstig ist. Wenn es richtig ist, dass, wie Kovacs mittheilt, ,^ „, und J des *= ' ' ' NaCl Harns bei Sauerstoffdiurese unverändert bleiben, (vergl. oben), so kann m. E. kaum etwas Anderes als eine Zufälligkeit vorliegen, welche in ent- gegengesetzten Zeichen verschiedener Factoren ihren Grund hat. Wie kann man sich sonst denken, dass es für den osmotischen Druck und den Chlorgehalt des Harns gleichgültig ist, ob die Blutflüssigkeit einen höheren osmotischen Druck und kleineren Chlorgehalt besitzt (Cyanose) oder einen kleineren osmotischen Druck und grösseren Chlorgehalt (nach 0-Diurese) ? „Gewiss ist bei den 0-Inhalationen auch ihr wohlthätiger Ein- fluss auf die Ernährung des Herzens selbst nicht gering zu schätzen". Von K o r a n y i erwartet, dass neben der systematisch geregelten Lebensweise, der planmässig durchgeführten und richtig dosierten Herz- gymnastik auch diese sich als ideales Corrigens der abnormen Blut- beschaffenheit in der Praxis bewähren wird. 7) Der Harn und das Blut bei Nierenkrankheiten. Die betreifenden Untersuchungen von v. Koranyi und seinen Mitarbeitern erstrecken sich auf 70 Fälle verschiedener Formen von Nephritis, Tumoren der Nieren und Tumoren des Abdomens inbegrift'en, wo die Diagnose zwischen Geschwulst der Niere oder anderen Organen schw^ankte. Die Resultate befriedigen dem Verfasser weniger als die- jenigen, die sich auf Herzkranke beziehen. Die Nephritiden lassen sich auf Grund seiner Untersuchungen in zwei Kategorien eintheilen. Zu der einen gehören die Fälle, in welchen die Leistungsfähigkeit der erkrankten Nierenpartien durch die vicariirende Thätigkeit der gesunden Theile verdeckt wird, bei denen also Compen- sation vorhanden ist. Zu der anderen Kategorie gehören die Fälle, in welchen die Erkrankungen der Niere so hochgradig sind, dass die ge- sammte Nierenfunction darunter leidet: es besteht Niereninsufficienz. Es war aber nicht möglich auf Grund der Harmmtersuchung die Fälle mit vollkommener Compensation von den incompensirten zu unter- scheiden. Wohl aber gelang dies auf Grund der Untersuchung des Blutes, Denn bei Niereninsufficienz steigt der osmotische Druck des Blutes. Dieser ist aber nicht, wie bei Herz- krankheiten, durch 0-Hindurchleit ung herabzusetzen. Ergebnisse von v. Koränyi 265 Weiter theilt von Koranyi Blut- und Harn-Untersuchungen mit und beschliesst dann seine wohlbekannte Arbeit mit einer Zusammen- fassung der praktisch wichtigen Ergebnisse, welche er folgendermaassen formulirt : I. Untersuchung des Harnes. 1. Bei Anämien ist der Gefrierpunkt des Harnes unter 1,4°. Mit der Besserung der Anämie wächst die Gefrierpunkterniedrigung. 2. Bei der Nephritis ist die Gefrierpunkterniedrigung des Harnes abnorm gering. Prognostisch ist eine allmähliche Steigerung der Gefrierpunkterniedrigung günstig, die entgegengesetzte Veränderung ungünstig. 3. Bei Anämien sowohl wie bei der Niereninsufficienz und bei mangelhafter Ernährung herrscht moleculare Oligurie. Der Grad der molecularen Oligurie entspricht der Schwere der Erkrankung. 4. Bei einer Beschleunigung der Nierencirculation steigt die Kochsalzausscheid- ung im Harne schneller als die Ausscheidung anderer fester Moleküle. Deshalb nimmt unter solchen Umständen der Quotient -^^—^^ für den Harn ab. Bei einer NaCl Verlangsamung der Nierencirculation wird die Kochsalzausscheidung stärker beein- trächtigt als die Ausscheidung der übrigen festen Moleküle. Ts~pi" steigt dement- sprechend an. Praktisch wichtig ist: a) dass, wenn ., -p^ grösser als 1,7 ist, das eine abnorm verlangsamte Nieren- NaCl circulation bedeutet. Das ist das erste Zeichen einer Verlangsamung der Circulation im grossen Kreislauf bei Herzleiden. Ist in solchen Fällen ,. ^, grösser als 1,7, so NaCl '^ ist die Lebensweise des Patienten so zu regeln, bezw. sind demselben solche Medica- meute zu verordnen, dass das Herz geschont, bezw. dessen Leistungsfähigkeit gesteigert wird. b) Ist bei einem Patienten, bei dem eine pathologische Flüssigkeitsansammlung im Pleuraraum oder im Bauche vorhanden ist, T^^^-i^ im stetigen Wachsen begriffen. Na Gl so nimmt die Ansammlung an Menge zu. Bleibt ^ ^ unverändert, so ist ein sta- tionärer Zustand eingetreten. Sinkt dagegen ^-, ,^, allmählich, dann ist die Re- * ^ ^ NaCl Sorption im Gange. c) Ist bei einer fieberhaften Krankheit „ — ^^ kleiner als 1,7, so kann es sich NaCl nur um Malaria handeln. Im entgegengesetzten Falle ist Malaria auszuschliessen. II. Untersuchung des Blutes. Die Gefrierpunkterniedrigung des Blutes ist abnorm gering, d. h. geringer als 0,56° bei Anämie und denjenigen fieberhaften Erkrankungen, welche die Athmung nicht wesentlich beeinträchtigen. Unter den Anämien, bei welchen diese Eigen 266 Diajinose von Heiz- und Nieienerkraukungen. Schafte« des Blutes beobachtet worden sind, sind die Chlorose, die Tuberculose und verschiedene Kachexien zu nennen. Die Gefrierpunkterniedrigung des Blutes beträgt mehr als 0,56'' bei allen Krankheiten, welche mit einer Insufticionz de.i Athmung oder der Nierenthätigkeit oder gleichzeitig mit beiden einhergehen. Der v^esentliche Unterschied zwischen der Blutbeschaifenheit bei Insulficienz der Athmung und der Harnbereitung besteht darin, dass bei insufficienter Athmung die abnorme Gefrier- punkterniedrigung des Blutes einer Sauerstoffdurchieitung in vitro weicht, während diese Procedur die Gefrierpunkterniedrigung des Blutes bei Niereninsufficienz nicht beeinflusst. In Fällen, wo Nieren- und Lungeninsufficienz neben einander bestehen, wie z. B. bei Herzfehlern mit gestörter Compensation , kann die abnorm grosse Gefrierpunkt- erniedrigung des Blutes durch Sauerstoffeinwirkung zwar verringert, aber nicht bis auf 0,56° gebracht werden. Diagnostisch wichtig ist die abnorm hohe Gefrierpunkterniedrigung des Blutes: 1. Wenn es sich um die Differentialdiagnose zwischen Typhus und Pneumonie handelt. Ist nämlich A grösser als 0,560, gg leidet der Patient wahrscheinlich an Pneumonie, während im entgegengesetzten Falle Typhus anzunehmen ist. Ist Pneu- monie vorhanden , so kann die abnorme Blutbeschaffenheit in vitro durch SauerstofiF- einwirkung corrigirt werden. 2. Bei Nierenkrankheiten bedeutet eine Steigerung der Gefrierpunkterniedrigung des Blutes, welche durch Sauerstoff in vitro nicht beseitigt werden kann, Nieren- insufficienz. Finden wir diese Blutbeschaffenheit in Fällen, wo der Harn Eiter oder Blut enthält und die gewöhnlichen Untersuchungsmethoden nicht ausreichen, um die Quelle der Eiterung oder der Blutung aufzuklären, so bedeutet die bezeichnete Blut- veränderung, dass ein Nierenleiden besteht. Handelt es sich um eine nachweisbare Erkrankung einer Niere, welche den chirurgischen Eingriff zu rechtfertigen scheint, ist dabei die Gefrierpunkterniedrigung des Blutes grösser als 0,56° und bleibt diese Abnormität bei Sauerstoffdurchleitung in vitro bestehen, so ist es wahrsclieinlich , dass die für gesund gehaltene Niere nicht für die kranke vicariirend eingetreten ist. Entweder sind beide Nieren erkrankt, oder es ist die Vicariation noch im Stadium der Entwickelung. Im ersten Falle scheint die Entfernung der sicher kranken Niere contraindicirt, im zweiten muss mit der Operation so lange gewartet werden, bis die Vicariation vollständig und der Gefrierpunkt des Blutes dementsprechend 0,56" gefunden wird. 3. Ist eine Steigerung der Gefrierpunkterniedrigung des Blutes vorhanden, welche der Sauerstoffeinwirkung in vitro weicht, so involvirt dieser Befund eine Indication : der Patient muss so lange Sauerstoff einathmen, bis die Abnormität verschwindet. 4. Wird bei Anämien, speciell bei der Chlorose, eine zu hohe Gefrierpunkt- erniedrigung des Blutes gefunden, ohne dass diese Veränderung auf eine Beeinträch- tigung der Sauerstoffaufnahme zurückgeführt werden könnte, so sind die Nieren- epithelien durch die Anämie hochgradig in Mitleidenschaft gezogen. b) lliitersucliuiig'eii von L. Liiidemaim. Ungefähr zwei Jahre später hat auch Linde mann [3] Unter- suchungen über denselben Gegenstand veröffentlicht. Seine Resultate stimmen aber nur theilweise mit denen v. Koranyi's überein. Nephritis. 267 Bei allen Formen der Nierentzündung d. h. bei acuter und chro- nischer Nephritis, so wie auch bei genuiner Schrurapfniere, findet er den Werth der Gefrierpunkterniedrigung in der Regel abnorm niedrig. Die betreflfende Concentrationsverringerung tritt als charakteristische Eigenthümlichkeit des nephritischen Harns, besonders bei Verminderung der Harnmenge hervor und unterscheidet die Nierenerkrankungen von anderweitigen mit Abnahme der Harnmenge und Albuminurie einher- gehenden pathologischen Zuständen, wie allgemeiner Stauung in Folge von Herzkrankheiten. So weisen Gefrierpunktswerthe von — 0,90 bis — 1,20^ bei einer Harnmenge von 1200 — 1500 cc schon auf eine Schädigung der Nieren- function hin. Die Werthe des Gefrierpunktes unter — 0,90^ bei einer Harnraenge von nicht mehr als 1200 cc sind bei den verschiedenen Formen der Nierenentzündung sehr häufig und als direct beweisend für dieselben anzusehen. Das specifische Gewicht lässt, wie aus Lindemann 's ausführlichen Untersuchungen hervorgeht, diese markanten Unterschiede nur sehr wenig erkennen. Es ist absolut keine Proportionalität zwischen Gefrierpunkt- erniedrigung und specifischem Gewicht zu erkennen. Das liegt wahr- scheinlich daran dass der Eiweissgehalt von grossem Einfluss auf das specifische Gewicht des Harns ist, während er für die Gefrierpunktser- niedrigung nahezu völlig bedeutungslos ist. Wie erwähnt, hat v. Korjinyi auf den geringen Werth der Ge- frierpunkterniedrigung des Harns bei Nephritis hingewiesen. Markante Unterschiede bei den verschiedenen klinisch und anatomisch zu unter- scheidenden Nephritiden konnte er nicht ausfindig machen. Linde- mann behauptet, hierzu wohl im Stande zu sein. Zuerst ist bei den parenchymatösen Nephritiden, den acuten wie den chronischen, die Ge- frierpunkterniedrigung in der Regel viel stärker vermindert als bei den interstitiellen Formen. Ausnahmen von dieser Regel kommen vor, be- merkt Lindemann, aber wenn die Untersuchungen über längere Zeit fortgesetzt wurden, hat sich dieser Unterschied stets deutlich gezeigt. Zwischen chronischer und acuter parenchymatöser Nephritis konnte kein Unterschied festgestellt werden ; dagegen lässt die Bestimmung des Gefrierpunktes deutlich die Restitution, die einstehende Heilung erkennen, da dann die Gefrierpunkterniedrigung zunimmt und wieder normale Werthe erreicht. Tritt bei einer Cystitis und Pyelitis eine Verminderung der Con- centration des Harnes bei mittleren Harnmengen ein, so ist ein Ueber- 2G8 Gefrierpunkt und Koclisalzgelialt des Harns. greifen des Entzünrlungsprocesses von Nierenbecken anf das Nierenge- webe selbst sehr wahrscheinlich. Endlich hat Linde mann auch die Urämie einer Untersuchung unterzogen. Nach ihm ist die Ursache der urämischen Erscheinungen in einer Steigerung des osmotischen Druckes des Blutes zu suchen. Er glaubt den Nachweis hierfür dadurch erbracht zu haben, dass es ihm gelang durch intravenöse Injection sehr concentrirter Kochsalz- und Harnstofflösungen bei Hunden Krämpfe herbeizuführen. Es ist aber fraglich, ob es sich hier wirklich um urämische Krämpfe handelte. Die Einspritzung 10°/oiger Kochsalzlösungen scheint mir nicht unbedenklich. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass solch concentrirte Lösungen, wenn auch vorübergehende, so doch heftige Ein- wirkungen auf das Gehirn in Folge plötzlicher Wasserentziehung her- beiführen werden. Ausserdem hat von K o r a n y i auch Urämiefälle beobachtet, in denen der osmotische Druck des Blutes nicht nur nicht gestiegen, sondern sogar herabgesetzt war (-/ = — 0,49"). Solch' eine Steigerung lässt sich nach Lindemann dadurch erklären, dass bei jeder Nephritis eine geringe Menge eines wenig concentrirten Harnes abgeschieden wird. Aber dann fragt man sich, warum dann nicht bei jeder Nephritis eine Zunahme der osmotischen Concentration des Serums und demzufolge Urämie entsteht. Was die Gefrierpunkterniedrigungsgrenzen des normalen 24-stün- digen Harns betrifft, so besteht zwischen den Befunden der beiden Autoren kaum ein Unterschied. Nach v. Koränyi liegen sie zwischen — 1,30 und — 2,20'^, während Lindemann — 1,B0 bis — 2,30" angiebt. In seltenen Fällen beobachtete Letzterer aber auch eine Herabsetzung der Grenze bis auf — 0,90'^ und ein Anwachsen bis — 2,73" hinaus. Lässt man jedoch diese Zahlen ausser Betracht, so darf man aus der Thatsache, dass bei Nierenentzündungen der Gefrierpunkt meistens weniger als — 1,00 ist, folgern, dass bei diesen Erkrankungen der Gefrierpunkt des Harns unter der Norm zurückbleibt. Den Ausführungen von Koran vi 's über ^-, .,, kann Linde- •^ NaCl mann nicht beipflichten. In erster Linie kann nach Lindemann der Werth ^, ^, bei normalen Harnen viel mehr als 1,69 betragen: so findet NaCl ' * er 9,74; 3,29; 5,91; 5,75; etc., also Zahlen die weit von der von Koränyi für normale Harne angegebenen Grenze 1,69 entfernt sind. Beziehungen zum StickstofF^ehalt. 269 Die folgende Tabelle entbäit die Ergebnisse von 15 normalen Harnen. In die Tabelle ist auch der Stickstoftgehalt des Harnes auf- genommen. Von diesem wird zunächst weiter die Kede sein. Normaler Harn. Nummer Harn- menge specif. Gew. A A X Harn- menge A Harn- 613 ^ menge Nin > NaCl N in in °/o g NaCl in g 1 980 1022,5 -1.88 1843,4 3,00 1,109 0,572 10,86 5,60 2 910 1024,8 -1,93 1758 2,88 1,272 0,196 11,60 1,782 3 800 1025,8 -2,37 1896 3,09 1,410 0,18 11,28 1,44 4 790 1024,7 -2,05 1619,5 2.64 1,320 0,177 10,42 0,925 5 670 1023,4 -2,06 ]3b0,2 2,25 1,198 0,172 8,03 1,152 6 870 1024,4 -2,30 2001 3,26 1,453 0,186 12,65 1,619 7 1165 1014,2 -2,14 2492 3,90 0,992 0,372 11,53 4,14 8 1000 1014,2 -2,14 2140 3,50 0,992 0,382 9,92 3,82 9 1270 1010,8 -0,90 1142 1,87 0,815 0,139 10,35 1,765 10 980 1011,6 -1,54 1430 2,35 1,272 0,117 11,83 1,092 11 1545 1011,6 -1,06 1635 2,67 0,992 0,091 15,3 1,405 10 1090 1021,5 —2,51 2748 4,49 1,391 0,475 15,184 5,184 13 1310 1017,3 -2,72 3560 5,80 1,160 0,390 15,196 5,105 14 430 1026,4 - 1,79 770 1,25 2,045 0,184 9,02 0,810 15 700 1024,6 -2,01 1407 2,40 1,830 1,384 12,80 9,700 Ein zweiter Hauptvorwurf Lindemann's gründet sich auf die Thatsache, dass von Koranyi den N-Gehalt des Harns ausser Acht lässt. Wenn doch im Sinne v. Koranyi' s ein Austausch zwischen NaCl des Harns und den cblorfreien Bestandtheilen des Blutes statt- finden soll, so darf man — meint Lindemann — die Erwartung hegen, dass mit der Abnahme des NaCl-Gehalts des Harns dessen N-Ge- halt steigen wird. Nun kann Lindemann aber einen Fall von Stau- ungsniere (durch Myodegeneratio Cordis) mittheilen, in welchem in der That der NaCl-Gehalt des Harns vermindert ist, der N-Gehalt aber statt vermehrt zu sein, auch vermindert ist. Bei den übrigen von Linde- mann untersuchten Fällen von Stauungsniere zeigt sich ebenfalls eine Unabhängigkeit zwischen Gl und N. Seine Analysen führen ihn zu dem allgemeinen Schluss, dass bei Stauungsharn ebenso wie beim nor- malen Harn die osmotische Concentration durch die Grösse der procen- tischen N- und Cl-Ausscheidung bedingt wird, und dass daher aus dem Verhältniss zwischen Gefrierpimkterniedrigung und NaCl-Ausscheidung keine weiteren Schlüsse gezogen werden können. 270 Gefrierpunkt und Kochsalzgehalt des Harns. Gehen mit Stauungsnieren Oedeme einher, so findet man gewöhn- lich eine Abnahme des N- und Cl-Gehaltes des Harns. Der rührt aber von Retention seitens der Oedeme her. (VergL zur Deutung dieser Thatsache die Zusammenfassung). Auf den ersten Einwand antwortete von K o r a n y i [12] , dass es sich in Linde mann's Fällen um Harne handelt, deren Cl-Gehalt für normale Personen und normale Ernährung viel zu niedrig war. Darauf hat Lindemann versichert, dass seine Versuchspersonen sich doch in gewöhnlicher Weise ernährten und auch vollkommen gesund waren [13]. Es scheint mir in hohem Maasse erwünscht, dass man sich für derartige Untersuchungen über ein allgemein anzunehmendes und aus Ingre dienten möglichst constanter Zusammensetzung bestehendes Kostmaass von einfacher genau festgestellter Zubereitung mit genau abgewogener Kochsalzm en ge , etc. verständigt. Dies kann in der Praxis nicht auf unüberwindliche Schwierigkeiten stossen , und in einem Krankenhaus schon gar nicht, um so mehr, als diese Kost nur wenige Tage gereicht zu werden braucht. Vier Tage scheinen mir hierzu genügen, und zwar zwei Tage vor dem eigentlichen Versuchstag, um den Einfluss der vorhergegangenen Ernährung zu eliminiren und ein Tag nachher zur Controle. Indessen erwarte ich nicht, dass selbst bei Einhaltung dieser Maassregel betreffs des Kostmaasses bei allen gesunden Personen, sogar wenn sie unter genau denselben äusseren Bedingungen leben, vollkommene Uebereinstimmung zwischen den Werthen von ^^^ , ,, ' ° NaCl gefunden werden wird. Denn die Umsetzung und Ausnützung der Nährstoffe im Darmkanal ist bei verschiedenen Personen keineswegs dieselbe. Auf den zweiten Einwand L indem an n's ist v. Koränyi die Antwort schuldig geblieben, v. Koränyi hätte von seinem Standpunkt erwidern können, dass die nicht chlorhaltigen Stoffe nicht alle Stick- stoffverbindungen sind, sondern zu einem nicht unbeträchlichen Theil aus Phosphaten und Sulfaten bestehen. Es wäre dann natürlich noch experimentell zu beweisen, dass im Einzelfalle diese Salze dazu bei- tragen, das Deficit im äquimolecularen Austausch zwischen Chlor- und StickstoftVerbindungen in positivem oder negativem Sinne auszufüllen. Es wäre nicht überfiüssig, solche Versuche noch anzustellen. Kritische Bemerkungen. 271 c) Weitere kritische Beiiierkuni?eii über ^r^,,. NaCl. Indessen bezweifle ich, ob das Resultat in befriedigendem Sinne für K o r a n y i ausfallen wird. Ueberhaupt kann mich des Verfassers Deutung von ^. ... nicht befriedigen. Erstens scheint es mir nicht motivirt , anzunehmen, dass die Glomeruli wohl Wasser, Kochsalz, Chlorcalcium und Chlormagnesium (eigentlich spricht v. Koranyi ledig- lich von NaCl), nicht aber andere Salze, wie Natriumphosphat, Natrium- sulfat abscheiden. Zweitens kommt bei Koranyi's Ausführungen wohl die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes in den Glomerulis, nicht aber die in den die Harnkanälchen umspinnenden Capillaren in Betracht und doch muss die Strömungsgeschwindigkeit in den letzteren für den Resorptionsprocess und Austauschprocess in den Harnkanälchen von Wichtigkeit sein. Weiter hat auch die Anwendung von Quotienten wie „ ^, etwas Verführerisches. Man bekommt kleine Zahlen mit Deci- NaCl malen und ist in Beziehung auf die Uebereinstimmung sehr zufrieden, wenn bloss in den Decimalen Differenzen vorkommen. Gewöhnlich giebt man sich davon keine Rechenschaft, wie wenig Grund man zu dieser Zufriedenheit hat. Wenn von Koranyi findet, dass i^^-t^t sich zwischen •^ ' NaCl 1,23 und 1,69 bewegt, so bedeutet dies eigentHch, dass die Schwank- ungen bei normalen Personen, die sich in normaler Weise ernähren, 1 69 1 23 — — ^^^ — X 100 = 37°/o! betragen können. Ich weiss wohl, dass l,Jo eine Rechnung, wie die von Koranyi's allgemein üblich ist; für mich hat sie immer etwas Unbefriedigendes gehabt. Es giebt noch mehr: wie oben (S. 252) erwähnt, führte von Koranyi als Argument für seine Hypothese des äquimolecularen Austausches die von Ludwig mitgetheilte Beobachtung an, dass nach Unterbindung der Harnleiter deren Inhalt an Harnstoff zunimmt, während gleichzeitig der Kochsalz- gehalt bis auf Spuren verschwindet. Damit stehen nun aber die aus- führlichen Untersuchungen von P faund 1er [14 1 an Hunden und Menschen nur theilweise in Uebereinstimmung: Pfaundler hat nämlich gefunden, dass nach Ureterenverschluss die Gefrier punkterniedrigung in allen Fällen auf V2 bis ^'u herabgesetzt wird und dass an dieser Abnahme die Harnstofifmolecüle mit nur etwa 4 Procent, die Kochsalz- molecüle mit etwa 11 Procent, die nicht bestimmten Molen mit etwa 272 Gefrierpunkt und Kochsalzgehalt des Harns. 85 Procent betheiligt sind. Von einem Ue bertritt von Harnstoff in den Harn, wie derselbe nach der Vorstellung Kordnyi's zu er- warten war, ist hier also gar nicht die Rede. Entsprechend der Ge- frierpunkterniedrigung sank auch das elektrische Leitvermögen des Stauungsharns sehr bedeutend, was dafür spricht dass an der Abnahme der osmotischen Concentration hauptsächlich Elektrolyte betheiligt sind. Die Ergebnisse von Steyrer [3(5], Buyniewicz [15] stehen mit den Resultaten Pfaundler' s in Einklang (vergl. unter 2c), Damit will ich den klinischen Werth von ^^-ptt keineswegs in NaCl ^ Abrede stellen. Im Gegentheil, die bei einem und demselben, stets gleich ernährten Herzkranken auftretende Aenderung dieser Grösse bei Verbesserung des gestörten Kreislaufs und die entgegengesetzten Aen- derungen bei Ueberbürdung des kranken Herzens sind in hohem Maasse beweiskräftig, und werden meiner Ueberzeugung nach noch nicht genug beachtet. Ich habe deshalb auch nicht gezögert, die Angelegenheit aus- führlich zu besprechen. Vielleicht ist die Ursache der massigen Würdigung, welche ihr zu Theil geworden, die Interpretation, die der Verfasser seinen Be- obachtungen gegeben hat, und die eine nicht annehmbare Anschauung über die normale Harnabsonderung einschliesst. Theilweise ist vielleicht die geringe Beachtung, die, wie der Verfasser selbst bemerkt, seine diesbezüglichen Ausführungen gefunden haben, darin begründet, dass er mit seiner Angabe, ,^ ,, schwanke unter weitgehender Unab- hängigkeit von der Nahrung für verschiedene normale Personen zwischen engen Grenzen, zu weit gegangen ist^). Was die Deutung von -xj-pi- bei incompensirten Herzfehlern mit sufficienten Nieren betrifft, so ist diese gar nicht zwingend und lässt sich, wie gesagt, auch auf andere Weise denken. Durch den langsamen Blutstrom in den Glomerulis kann ein osmotisch concentrirter Harn abgeschieden werden, so dass z/ sich erhöht. Ausserdem hat durch die Anhäufung von Kohlensäure der NaCl-G ehalt des Blutplasma abgenommen. Diese beiden zusammenwirkenden Thatsachen können in ungezwungener Weise für die Steigerung von -v^-7^ bei Herzkrankheiten verantwortlich ^ ^ NaCl gemacht werden. 1) Briefliche Mittheilung. Auch in einem vom Verfasser geschriebenen Auf- satz in H. Zikel's Lehrbuch der Osmologie. Eintluss tler Eriiilhrung. 273 Lässt man den Herzleidenden Arbeit verrichten, so nehmen die Circulationstörunoen zu und damit steiat -.^ ,„ noch mehr an. ^ ® NaCl Bei Einverleibung von Diureticis nimmt J ab. Schon deslialb er- l'ol2;t ein Sinken von ,t ^n- ^ NaCl Bei der Erhöhung von ^^ „,- bei der Ruderregatta darf der NaCl- >^aCl Verlust durch Schwitzen nicht ausser Acht gelassen werden. Sind Oedeme vorhanden, so können auch diese, da sie zuweilen Chlor retiniren, dazu beitragen x^,,,- zu vergrösseren. ^ NaCl ° Nach der Abfassung dieses Kapitels nahm ich Kenntniss von einer ausführlichen Arbeit von H. Strauss [16], in welcher zu meinem Ver- gnügen ebenfalls der Nachdruck auf die Bedeutung der Nahrung für die Harnuntersuchung gelegt wird. Treffend in dieser Hinsicht ist folgender Versuch (S. 5). (iewöhnhche Krankenliausernährung. Mittel aus zwei Tagen. ürinmenge A NaCl M^Fl 1410 cc 1,370 0,64 2,14 Diät: .3 Liter Milch + 250g Brot. Mittel aus zwei Tagen. 1600 cc 0,92» 0.26 3,54 Diät: Dieselbe + 3 Eier -f 50 g Gluton + 15 g NaCl. Mittel aus zwei Tagen. 2040 cc 1,55" 0,96 l.(Jl (1) Untersucliiiiigeii von Claude und Baltliazard. In ihrer Monographie: Sur la cryoscopie des urines, haben Claude et Balthazard [5] sich im Wesentlichen den Ausführungen v. Koranyi's tingeschlossen. Sie bestimmen drei Grössen: 1. Die niüleculare Diurese in 24 Stunden pro Kilogramm Körpergewicht. V Sie wird ausgedrückt durch zl X p , in welcher Formel J die Gefrierpunkt- erniedrigung des 24 stündigen Harnes ausgedrückt in Centigraden (d. h. \ioo'* C), V dessen Volumen in cc und P das Körpergewicht in kg bedeuten. Hamburger, Osmot. Druck. II. Band. 18 274 Gefrierpunkt und Kochsalzgehalt des Harns. 2. Die Diurese der verarbeiteten Molecüle (molecules elaborees). V Diese findet ihren Ausdruck in : 6 X p , in welcher Formel ö die diesen Molecülen entsprechende Depression bedeutet. Dieselbe wird ermittelt, indem man von der Gefrierpunkterniedrigung A des Totalharnes die dem Kochsalz entsprechende Gefrier- punkterniedrigung in Abzug bringt. Ist p der Procentgehalt an Kochsalz und 60,5 das Hundertfache der Depression einer 1 "/o igen Kochsalzlösung, so wird also 6 = A — 60,5 p. V und P haben wieder die gleiche Bedeutung wie bei 1. 3. Der Grad des in den Harn kanälchen stattfindenden Aus- tausches. Dieser wurde von Koran vi durch ^r, >tt ausgedrückt. Die Verfasser •' NaCl ziehen es aber vor, hierfür , txt^ft, = ^^ zu nehmen, ö ist hierin die den ver- 4 — /INaCl d arbeiteten Molekülen entsprechende Gefrierpunkterniedrigung, d. h. die Gefrierpunkt- erniedrigung von allen Harnbestandtheilen mit Ausnahme von NaCl. Je langsamer der Harn sich durch die Kanälchen bewegt, um so grösser ist der Austausch zwischen NaCl des Harns und molecules elaborees des Blutes in den die Harnkanälchen umspinnenden Capillaren, um so kleiner ist folglich der NaCl- Gehalt des Harnes. Entsprechend nimmt ö zu und schliesslich —^ ab- Solch' ein langsames Abfliessen von Harn durch die Harnkanälchen einer gesunden Niere weist natürlich auf mangelhafte Blutcirculation hin. Ist V . . klein, so muss folglich auch die moleculare Diurese A X p geling sein. Das trifft nun nach den Verfassern wirklich zu. A V Bei gesunden Nieren gehen also moleculare Diurese — p— und der Grad des Austausches in den Harnkanälchen parallel. o Unter normalen Umständen („normale Ernährung und physiologische Beding- ungen"!) beträgt ^ - = 3000 bis 4000, und j = 1,50 bis 1,70. Ist die Niere insufficient, so nimmt 6 ab und wird somit grösser als o 1,50 bis 1,70. Ich gebe hier eine Tabelle, aus welcher zu ersehen ist, wie sich nach Claude f5 V A . und Balthazard die Werthe von p und .- bei Aenderungen der molecularen Diurese verhalten, wie solche bei Circulationsstörungen und gesunden Nieren stattfinden. AY (5 V A ZlV ^V A P P ~ö~ P" P S 6000 3700 2,10 3000 1900 1,50 5500 3400 2,00 2500 1600 1,40 5000 3100 1,90 2000 1300 1,30 4500 2800 1,80 1500 1000 1,20 4000 2500 1,70 1000 700 1,10 3500 2200 1,60 500 400 1,00 Moleculare Diurese und vorarbeitete Moleciile. 27') Aus dieser Tabelle soll zu entnehmen sein, ob bei Integrität der Nieren AY die Blutcirculation genügt. In diesem Fall darf -„ nicht unter 3000 sinken und öY A müssen _ und —.- Werthe besitzen, die von 1900 bezw. 1,50 nicht viel ab- r 0 weichen. AY . 1. Ein geringer Wert h von „ zeigt an, dass die Glomeruli mangel- haft functioniren . d. h. eine ungenügende Harnmenge durchlassen, wie bei der bei Scarlatina obwaltenden Glomerulonephritis. ,5 V 2. Ein geringer Werth von sagt aus, dass eine ungenügende Menge verarbeiteter Moleküle (Molecules elaborees) abgeschieden werden. Unter normalen Umständen ist der Betrag etwa 2000—2500; in Fällen von Urämie beträgt dieser Werth nur 1000 — 500 oder noch weniger. Die Ursache verlegen die Verfasser, nach der Anschauung von v. Koranyi, in den durch die Insufficienz des Harnkanälchen- epithels herbeigeführten mangelhaften Austausch dieser Molecules elaborees mit dem NaCl der Glomerulustlüssigkeit. 3. Eine Zunahme von — ist auf einen kleinen Werth von d zurückzu- o führen, also auch ebenso wie unter 2 auf eine mangelhafte Ausscheidung von Stoff- wechselproducten. So geben dann diese drei Werthe ein Mittel an die Hand, um der Thätigkeit der Nieren bei Nephritis zu folgen. 8Y Handelt es sich z. B. um eine interstitielle Nephritis, so lässt p erkennen, wann die Ausscheidung der Stoffwechselprodukte (darunter sind hier auch die Sulfate und Phosphate begriffen) insufficient wird und wann dieser Zustand sich wieder bessert. Bei Personen , bei welchen die chronische parenchymatische Nephritis sich noch nicht durch deutliche klinische Erscheinungen offenbart hat, kann man durch Kryoskopie die Störungen frühzeitig entdecken. Diese Vorstellung ist in der That sehr einfach , ob sie aber vertrauenswerth ist. nuLSS bezweifelt werden. Zu diesem Zweifel berechtigen bereits die von Claude und Balthazard AY 8Y A aus p- und -5- abgeleiteten Werthe von - (S. die Tabelle S. 274). Dividirt man entsprechend der Angabe der Autoren, den ersten durch den zweiten Werth, so erhält man für 4 statt: 2,10, 2.00, 1,90 u. s. w. in Wirklichkeit: 6 A A 8 8 1,62 1,58 l,fi2 1,56 1,61 1,.54 1,61 1,50 1,60 1,43 1,59 1.25 18* 276 Functionsprüfung der Nieren. Hierdurch erscheint der Satz : ^Bei gesunden Nieren gehen also mole- J V culare Diurese — ^ und der Grad des Austausches in den Harn- kanälchen -„ parallel" als entschieden unrichtig und verlieren die Ausführungen der Autoren grösstentheils ihren Werth. Eine Eintheilung der Nierenentzündungen, wie sie von klinischer und pathologisch-anatomischer Seite gemacht worden ist, vermag nach den Verfassern die Kryoskopie nicht zu geben. Typische Formen bestehen in dieser Hinsicht nicht ; alles hängt von der Phase der Krankheit und von dem Umstand ab, ob man in einer Periode ungenügender Elimination untersucht oder in einer solchen übermässiger compensatorischer Activität. e) Indicatiou zur chirurgischen Niercnexstirpation. Untersuchungen von Kümmel und Anderen. Für die Nierenchirurgie war es bis jetzt zweifellos von Nachtheil, dass man ausser Stande war, sich einen sicheren Aufschluss über die Functionsfähigkeit jeder einzelnen Niere zu verschaffen. Das fiel be- sonders schwer ins Gewicht , wenn die eine Niere operativ entfernt werden sollte und man nicht wusste, ob die zurückbleibende in der Lage war, die Arbeit der andern mit zu übernehmen und die StoÖ- wechselproducte auszuscheiden. Man hatte zur Feststellung der Func- tionsfähigkeit der einen Niere eingehende Voroperationen vorgeschlagen und in zweifelhaften Fällen Freilegung und Palpation der Niere als das relativ sicherste Verfahren empfohlen. Zweifellos kann man sich auf diese Weise von dem Vorhandensein einer zweiten Niere überzeugen, sicher aber nicht darüber, ob diese zw^eite Niere gesund und functions- fähig ist. Dies ermöglicht uns nun die Methode der Gefrierpunktbestimmung des Blutes und Urins. A. von Koränyi hatte bereits gezeigt, dass bei gesunden Indi- viduen die Gefrierpunkterniedrigung des Blutes nach Exstirpation einer Niere doch normal bleibt. Dies beweist, dass die andere Niere die Function des entfernten übernommen hat. Dieses Resultat, das von Richter und Roth [18] bestätigt Avurde, hat nun Kümmel [17J bei der Entscheidung der Frage benutzt, ob man, wenn eine Niere derart erkrankt ist, dass sie die Gesundheit eines Individuums schädigt oder in Gefahr bringt, zur Exstirpation dieser Niere schreiten darf, einer Frage, die nur dann bejaht werden darf, wenn man die Ueber- Grenzwerthf nach Kümmel. 277 Zeugung hat, dass die andere Niere genügend functions- fäliig ist. Letzteres kann man nun nach H. Kümmel feststellen [17], in- dem man vor der Operation die Gefrierpunkterniedrigung des Blutes feststellt. Ist dieselbe normal, d. h. 0,55—0,57°, so ist man nach dem Autor berechtigt, die kranke Niere zu exstirpiren. Ist die Depression —0,58 bis — 0,60'^ oder höher, so lässt die Thätigkeit der allein zurückzulassenden Niere zu wünschen übrig und es besteht eine Contraindication gegen die Entfernung der hochkranken Niere. Um zu erfahren, wie weit die Functionsfähigkeit der zu exstir- pirenden Niere geht, oder auch um in Fällen, in denen man nicht weiss, welche von den beiden Nieren krank ist, dies festzustellen, schreitet Kümmel zur Katheterisirung der beiden Ureteren und untersucht den Harn jeder einzelnen Niere auf die Gefrierpunkterniedrigung. Eine Erniedrigung, bei mittlerer Harnmenge unter — 0,9", legt die Annahme einer Niereninsufficienz nahe. Behufs grösserer Sicherheit bestimmt er noch den Harnstofifgehalt der beiden Haine mittelst ßromlauge (Hüt'ner's Apparat) und wendet die Phloridzinmethode an. Letztere besteht bekanntlich in der subcutanen Einspritzung von 1, — 1,5 mg Phloridzin. Nach circa 20 — 30 Minuten scheidet die gesunde Niere zuckerhaltigen Urin aus , während die erkrankte Niere weit später oder überhaupt keine Zucker- reaction darbietet. Der Verfasser entzieht das zur Gefrierpunktbestimmung nöthige Blut der Armvene, indem er mit einer Hohlnadel circa 30 g Blut in den bereits abgekühlten Beckman n'schen Apparat fliessen lässt. Kümmel hat sehr befriedigende Resultate erhalten, von denen er in einer zweiten Abhandlung eine grosse Zahl mittheilt [19]. In einer dritten Abhandlung, einem Vortrag, den er auf Einladung vor dem deutschen Chirurgencongress gehalten hat [20], theilt Kümmel seine weiteren Erfahrungen mit. Im Ganzen ermittelte er bei 265 Personen, darunter 137 mit gesunden Nieren, die Depression des Blutes. Sind bei einseitiger Nierenerkrankung Werthe von 0,55''— 0,57^^ vorhanden, so kann man nach dem Verfasser, ohne eine Functions törung der anderen Niere befürchten zu müssen, die Nephrectomie vornehmen. Die Richtigkeit dieser Annahme sollen erstens diejenigen Fälle beweisen, bei denen operativ vorgegangen wurde. Unter den 40 Nephrectomien war nämlich die Reconvalescenz eine gute und die Function der zurückbleibenden Niere eine unge- störte ; in allen diesen Fällen \var J des Blutes t= —0,56" bis —0,57". Freilich waren die ersten Tage nach der Nephrectomie besorgnisserregend und die Function der Niere trage, mit Albuminurie einhergehend. 278 Functionsprüfung der Nieren. In zweiter Linie wird die Richtigkeit von Kümmers Annahme durch die Autopsien gestützt, welche längere oder kürzere Zeit nach den auf Grund eines normalen Gefrierpunktes ausgeführten Operationen vorgenommen wurden. Die zurück- bleibende Niere wurde stets gesund befunden, meist mit compensatorischen Hyper- trophien. In dritter Linie weist Kümmel auf 77 Fälle von Niereninsufficienz mit einem Gefrierpunkt von 0,58—0,81" hin, deren Richtigkeit in den meisten Fällen durch die Autopsie oder die Operation bestätigt wurde. Bei einem Gefrierpunkt von —0,58^ ist nach seiner Erfahrung ein operativer Eingriff noch möglich, bei — 0,59" ist grosse Vorsicht geboten, und — 0,60" bildet den Grenz- werth, welcher keine Nephrectomie mehr gestattet. „Es ist gewiss nicht unmöglich, dass weitere Beobachtungen, zu- nehmende Erfahrungen oder besondere Verhältnisse eine Verschiebung der jetzt von uns als richtig angenommenen und eine ausreichende Nierenfunction garantirenden Gefrierpunktsgrenze nothwendig erscheinen lassen". Wenn man das grosse Zahlenmaterial von Kümmel vor sich sieht und die schön übereinstimmenden Resultate, so kann man ohne Weiteres dessen Ergebnissen eine grosse Bedeutung für die Indication zur Nierenexstirpation nicht versagen. Das Eine ist aber wohl sicher, dass Kümmel das Blut immer unter gleichartigen Bedingungen, was Nahrung und Zeit der Entziehung betrifft, zur Untersuchung entnommen haben muss. Es ist zu bedauern, dass er dieselben, so weit ich finde, nicht mitgetheilt hat, ja selbst mit keinem Wort auf ihre Bedeutung hingewiesen hat. Ich halte es entschieden für unberechtigt, die Zahl 0,56 ganz im Allgemeinen, ohne Weiteres als Standardzahl zu ge- brauchen und aus Abweichungen von dieser Zahl auf pathologische Zu- stände zu schliessen. Von welcher grossen Bedeutung die Berücksichtigung der Nahrung ist, lässt sich aus einer Mittheilung A. von Koranyis |21| entnehmen. Hier- nach führt bei Niereninsufficienz Eiweissernährung eine grössere Depres- sion des Blutes herbei als Kohlenhydraternährung. Dies giebt Senator [22] Veranlassung zu der Bemerkung, dass man kurz vor der Diagnose auf Niereninsufficienz keine eiweissreiche Kost geben darf. In ähnlichen Schlussfolgerungen führen die Versuche von Face [52], der bei Blutentnahme zu beliebigen Zeiten die Grenzen beim nor- malen Menschen 0,52 und 0,585*^ fand, wodurch der Autor dann zu einem Mittelwerth von 0,555° gelangt. Gefrierpunkt des Blutes bei Nornialkost. 279 In Beziehung auf die Depressionsgrenze für den Harn weichen die Autoren noch mehr von einander ab. Von Koranyi lässt die Ge- frierpunkterniedrigung des normalen Harnes bei mittlerer Harnraenge zwischen — 1,3 und 2,0'^ schwanken, Linde mann zwischen — 1,3 und — 2,3°, Albarran zwischen — 1,5 und — 2,0*^, Strauss zwischen — 0,91 und — 2,43", Kümmel zwischen — 0,9 und — 2,0", Pace [52] zwischen — 1,49 und 2,19". Es unterliegt keinem Zweifel, dass auch hier wieder und selbst- verständlich in noch erheblicherem Maasse als beim Blute Unterschiede in der Nahrung incl. Wasseraufnahme eine bedeutende Rolle spielen. Es ist meine feste Ueberzeugung, dass man bloss auf dem Boden einer uniformen, allgemein angenommenen Nahrung während wenigstens 4 Tagen vergleichbare und brauchbare Resultate erzielen kann. Indessen kann man der Berücksichtigung der Kostfrage und Zeit der Blutentnahme erheblich Rechnung tragen, wenn man, wie Herr Dr. D. Schonte [23] ein M i 1 c h-E i e r d i ä t verabreicht und das Blut morgens in nüchternem Zustande entnimmt. Wie sich herausstellte, haben dann die Nieren, deren Hauptthätigkeit es doch ist, den osmotischen Druck des Blutes constant zu erhalten^, Zeit genug gehabt, ihre Leistung zu erfüllen. Es bewegt sich dann bei normalen Nieren die Depression des Blutes zwischen 0,56" und 0,58». Ich lasse hier Näheres über Untersuchungen Scheute 's folgen. Es kamen im Ganzen 50 Menschen zur Untersuchung, sie wurden in der chirurgischen Klinik der hiesigen Universität verpflegt, hatten aber gesunde Nieren. 36 Personen wurden vorbereitet, und um den Einfluss der Vorbe- reitung kennen zu lernen, 14 nicht. Die Vorbereitung war folgende: 1. Der Person wird einen ganzen Tag vor dem Tag der Unter- suchung Bettruhe vorgeschrieben. 2. Medicamente werden nicht verabreicht. 3. Den ganzen Tag, welcher dem der LTntersuchung voranging, erhält die Person nichts als Milch und Eier und zwar so viel wie sie angiebt für Hunger und Durst zu bedürfen. 4. Spät Abends erhält die Person nichts mehr. 5. Die Blutentziehung findet morgens 8 Uhr, bevor die Person etwas zu sich genommen hat, also nüchtern, statt. Ich lasse eine Tabelle folgen, in welcher die erste Hälfte der Ergeb- nisse der 36 Fälle verzeichnet sind. Sie enthält die Gefrierpunkt- 280 Functionsprüfung der Nieren. erniedrigimgen. Diese wurden berechnet aus der beim Serum beobach- teten Depression und der Depression des ausgekochten destillirten Wassers. Letztere steht zwischen Klammern. Gefrierpuuktcrniedrigung 1. Mädchen, 10 .labre. Blaseniibtel. Spnia bilida 0,538 -f ( -f 0,033) = —0,671« 2. Mann, 28 J. Fractura tibiae. Gesund . 0,555 -f ( + 0,015) = —0,570° 3. Mann, 50 J. Kleines Fibrom der Fascia lata. Gesund 0,555 + ( + 0,02) =-0,575» 4. Mann, 53 J. Grosser kalter Abscess, chron. Nephritis. Macht den Ein- druck, sehr krank zu sein 0,543 + ( + 0,031) =r— 0,574° 5. Mann, 24 J. Tuberculose an Fuss und Knie. Macht nicht den Eindruck, krank zu sein 0,548 + ( + 0,022) = -0,570° 6. Mann , 51 J. Benigne Pylorusstenose. Gastrektasie. Allgemeiner Zustand ziem- lich gut 0,557 + ( -H 0,037)= -0,594° 7. Mann, 38 J. Tuberculose am Knie. All- gemeiner Zustand gut 0,548 + ( + 0,027) = —0,575° 8. Mädchen, 21 J. Spondylitis mit kaltL'ui Abscess. Sieht bleich und schwach aus 0,542 + ( + 0,026) = —0,568° 9. Frau, 68 J. Carcin. mammae. Keine Kachexie. Allgem. Zustand gut . . . 0,562 -f ( + 0,012) = -0,574» 10. Mann, 20 J. Appendicitis mit hoher Temperatur 0,547 + ( + 0,022) = -0,569° 11. Frau, 69 J. Ausgedehnte heilende Brand- wunde 0,553 + (-f 0,023) = -0,576° 12. Frau, 48 J. Carcinoma ventriculi. Keine Sthenoseerscheinungen. Schwach und anämisch 0,547 + ( + 0,018) = - 0,565° 13. Knabe, 19 J. Acute Phlegmone am Fuss. Fieber 0,547 -f ( + 0,023) - -0,570° 14. Pseudo-Hermaphrodit (Mann), 21 J. Hypo- spadie. Uebrigcns vollkommen gesund . 0,560 + ( + 0,020) = —0,580° 15. Mädchen, 19 J. Appendicitis. Kein Fieber. Ohne Operation geheilt 1,117 -f ( — 0,55) =:: -0,567° 16. Mädchen, 18 J. Lupus faciei. Behandelt mit Röntgenstrahlen 0,543 -|- ( + 0,028) = —0,571° 17. Knabe, 16 J. Abscess in der Bauchhöhle, von dem Appendix ausgehend. Kein Fieber 0,553 -\- ( -\- 0,022) = -0,575° 18. Knabe, 19 J. Osteomyelitis tibiae. Stets Fieber 0,548 -f ( + 0,023) — —0,571". Physiologische Schwankungen des Gefrierpunktes des Blutes. 281 Man sieht, wie eng sich die Grenzen um — 0,57 bewegen. Nur der Fall 6 fällt heraus. Es scheint da, dass die Nieren die abnorme Zufuhr von Zersetzungsproducten aus dem Magen nicht bewältigen können. Aus diesen und den 18. übrigen nicht erwähnten Fällen darf man ruhig schliessen, dass unter Einhaltung der genannten Cautelen, die Gefrier- liunkterniedrigiing höchstens zwischen —0,56" und 0,58*^ schwankt. Zu diesen Cautelen ist sicher auch die wiederholte Be- stimmung der Thermometeranzeige beim (Gefrieren von Wasser zu rechnen. Nehmen wir an, dass der im ersten Versuch gefundene Gefrierpunkt des Wassers, -|-0,033, auch ohne Weiteres für die folgenden Versuche angenommen wäre, so würde z. B. in Fall 2 und 3, die Gefrierpunktserniedrigung auf 0,555 -|- 0,033 = — 0,588'^ statt resp. auf —0,570 und — 0,575 angeschlagen sein und im Fall 9 hätte man 0,562 -f- 0,033 = 0,595 gefunden, während thatsächlich die Depression — 0,574 betrug. Im Fall 15 wurde in ganz unerwarteter Weise für die Depression des Serums — 1,117 gefunden. Offenbar war vor dem Ver- such etwas (^hiecksilber im Reservoir hinuntergefallen und musste der Faden sich jetzt weiter zurückziehen, bevor der Gefrierpunkt erreicht war, ( — 1,117 statt etwa — 0,55). In der That gefror auch das destil- lirte Wasser bei — 0,55°. Um den alleinigen Einfluss der Diät bei diesen Versuchen zu ermitteln, wurde bei 9 Personen, die den vorigen Tag in gewöhnlicher Weise sich ernährt und gelebt hatten, die Gefrierpunkterniedrigung des Serums ermittelt. Wohl erfolgte die Blutentziehung (hier, wie in allen anderen Versuchen, durch Venaesectio), morgens um 8 Uhr und nüchtern und wurde auch die Gefrierpunkterniedrigung unter Einhaltung aller Cautelen ausgeführt. Die Depressionen betrugen — 0,573, — 0,584, — 0,587, — 0,572, -0,582, —0,572, —0,597, -0,589, —0,574. Wie ersichtlich, liegen jetzt mehrere Werthe höher als —0,58". In einem Fall ist die Erniedrigung selbst — 0,597. Es handelte sich hier um einen 28-jährigen Mann mit Periostitis tibiae, der im übrigen voll- kommen gesund war. Nach K ü m m e 1 sollte diese Person kranke Nieren haben! Eine dritte Gruppe von Personen wurde, ebenso wenig wie die zweite , Tags zuvor vorbereitet und kam auch nicht nüchtern zur Blutentziehung. Drei von ihnen erhielten morgens , 2 ^ 2 Stunden vor der Venaesection, eine kräftige warme Mahlzeit: Fleisch, Gemüse und Kartoffeln: zwei bekamen dieselbe 1 Stunde vor der Venaesectio. 282 Functionsprüfung der Nieren. Die untenstehende Tabelle zeigt, dass, als die B In tent Zieh- ung.2^/2 oder 1 Stunde vor der Mahlzeit vorgenommen wurde, die Depression immer höher als 0,58 lag, zuweilen selbst nach 0,60 hinneigte. Es wäre sehr wünschenswerth, dass auch das elektroly tische Leitvermögen des Serums unter den genannten Bedingungen unter- sucht Avürde. Vielleicht wird sich herausstellen, dass hier die Schwank- ungen geringer sind als bei der Gefrierpunkterniedrigung, sicher ist das keineswegs. Nach den Ausführungen von Fritz Engelmann [24] könnte man geneigt sein es zu erwarten. Dieser Forscher ermittelte die Depression und das Leitvermögen bei 18 "^ vom Blutserum gesunder Personen. J= —0,580, 0,57^', 0,5550, 0,555", 0,585», 0,555", 0,56", 0,58", 0,565«, 0,575« ^jg = 105-* 102-^ 101-1 101-4 105-4 104-4 102-4 105-4 105-4 107-4 cm K) '). Von einer etwaigen Vorbereitung der Person oder von der Zeit der Entziehung ist hier nicht die Rede. Gefrierpunkterniedrigung Blutentziehung 1. Junger Manu, 19 J. Zwei Wochen vorher Hernio- tomie wegen Heruia incarcerata. Vollkom- men gesund .... 2. Mann, 38 J. Benigne Cyste zwischen den Muskeln des Unter- beines. Vollkommen ge- sund 3. Junger Mann, 18 J. Ul- cus cruris. Im Uebrigen vollkommen gesund 4. Junger Mann, 29 J. Ul- cus cruris. Im Uebrigen vollkommen gesund 5. Frau, 37 J. Präpatellarer kalter Abscess. Im Ueb- rigen vollkomm. gesund. 0,571 -f ( +0,022) = —0,593" 0,572 4- ( + 0,021) = -0,598° 0,58 +( -f 0,018) = -0,598" 0,564 + ( + 0,021] -0,-5850 0.570 + ( + 0,019) = -0,589" 2V2 Stunden nach der Mahlzeit 2'/2 Stunden nach der Mahlzeit 2V2 Stunden nach der Mahlzeit 1 Stunde nach der Mahl- zeit 1 Stunde nach der Mahl- zeit Die Gefrierpunkterniedrigungen weichen ziemlich voneinander ab. "Wenn E n g e 1 m a n n aber meint , das Leitvermögen zeige eine 1) Ein Beispiel für die Bestimmung der Leitfähigkeit findet man B. I. S. 524. Unterschiede im Urin heider Nieren. 283 grössere Constanz als die Gefrierpunkterniedrigung, so irrt er sich, denn der procentische Unterschied zwischen 107~*ß und 101"*^, ist nicht viel kleiner als der zwischen 0,585° und 0,555*'. Beide Unter- schiede betragen rund Ö^/o. Wie bereits erwähnt, hat Kümmel nicht nur vorgeschlagen das Blutserum zu untersuchen, wenn es sich um die Indication zur Nieren- exstirpation handelt, sondern auch den Harn, der von jeder ein- zelnen Niere geliefert wird. Als wesentliches Grundprincip gilt hier der Satz : Unter normalen Verhältnissen findet sich kein oder nur ein ganz unbedeutender Unter- schied in der osmotischen Concentration der Urins beider Nieren (Senator, Caspar und Richter u. A.), wenn auch dessen Richtigkeit in neuester Zeit von Israel [25] wieder angefochten wird. Auch fand Face bei Hunden nicht eine vollkommen gleiche Depression auf beiden Seiten. Aus technischen Gründen ist das Auffangen einer genügenden Harn- menge nicht selten mit Schwierigkeiten verknüpft. So kam dann Loewen- hard |26] auf den Gedanken, statt der Gefrierpunkterniedrigung die elek- trische Leitfähigkeit^) der beiden gesondert aufgefangenen Harne zu vergleichen [4]. Hierzu braucht man viel weniger Flüssigkeit. Es genügen schon 3 cc. Er fand, dass die Leitfähigkeit und Gefrierpunkt- erniedrigung parallel gehen. Im Grossen und Ganzen konnte Fritz Engelmann bei einer grösseren Reihe von vergleichenden Untersuchungen diesen Satz be- stätigen. In einem Fall von Nierentuberkulose erhielt Engelmann folgende Werthe : Kranke Niere: J= —0,65; A^^ = 90,5-*. Gesunde Niere: J= —1,30; A^g = 200"*. Selbst in Fällen, wo nur eine circumscripte Erkrankung in dem Parenchym der einen Niere vorlag, äusserte sich dies in einer Gefrier- punkt- resp. Leitfähigkeitsdifferenz beider Urine. Ein grosser Vortheil ist, dass, wenn es sich um Vergleichung der beiden Nieren handelt, die Diätfrage nicht in Betracht zu kommen braucht. Schliesslich möchte ich noch auf einen von Claude und Balthazard gegen die Kümmersche Methode erhobenen Einwand hinweisen. Indem sie darauf auf- merksam machen, dass bei cyanotischen Zuständen die Gefrierpunkterniedrigung des Blutes steigt, halten sie es für möglich, dass dadurch eine Niereninsufficienz vor- 1) Der Erste, der die Anwendung der elektrischen Leitfähigkeit des Harnes zu klinischen Zwecken vorgeschlagen hat, mag wohl Turner gewesen sein. (The Lancet lby2, IG. July.) 284 Chronisclae Nierenentzündungen und Urämie. getäuscht wird. Diese Möglichkeit ist in der That nicht zu verkennen; man vergesse aber nicht, dass Kümmel zur Gefrierpunkterniodrigung des Blutserums das Blut im Ganzen anwendet, und beim Rühren im Bc ckm a nn 'sehen Apparat letzteres mit Sauerstoit' behandelt wird, wodurch die Depression, falls wirklich Stauung die Ursache der Steigerung war, jedenfalls theilweise wieder zur Norm zurückkehren kann. f) Cliroiiisclie Niereiientzüiidung^eu und Urämie. Untersuchungen von H. Strauss. S t r a u s s hat in einer ausführhchen Arbeit neben vielen andern Punkten auch in eingehender Weise die Frage erörtert, wie weit die Gefrierpunkterniedrigung einen tieferen EinbHck in die khnische und anatomische Natur der ditferenten Nierenentzündungen zu gewähren vermag [24]. Der Verfasser gründet seine Anschauungen auf die während 5 Jahren ausgeführten Untersuchungen von mehr als 200 zum weitaus grössten Theile von Nierenkranken stammenden Blutsera und Transsudaten, Er unterscheidet die chronischen Nephritiden in parenchymatöse und inter- stitielle, obgleich er sich mit Recht bewusst ist, dass bei den ersten auch gleich- zeitige interstitielle Veränderungen im Parenchym vorkommen. Sein Material bezieht sich ausschliesslich auf diejenigen Fälle, welche längere Zeit in klinischer Beobachtung waren. In der Mehrzahl der Fälle konnte die klinische Diagnose durch die Autopsie controllirt werden. Zur Gruppe der (vorwiegend) interstitiellen Nephritis rechnet er die- jenigen Fälle, bei denen ein eiweissarmer, klarer, heller, an Menge reichlicher Urin vorlag und ausgeprägte Erscheinungen von Herzhypertrophie, sowie erhöhter Gefäss- spannung vorhanden war. In dieser Gruppe ist auch die arteriosklerotische Form der chronisch interstitiellen Nephritis mit inbegriffen. Ausser Betracht gelassen ist das erste Stadium der sogenannten genuinen Schrumpf niere. Zur Gruppe der (vorwiegend) parenchymatösen Nephritis hat Strauss diejenigen Fälle gerechnet, bei welchen Erscheinungen am Herzen und am Gefäss- apparat fehlten oder ganz geringfügig waren , dagegen Oedeme und Höhlenergüsse sowie die bekannte scbneeweisse Gesichtsfarbe vorhanden waren und bei welchen der Urin trübe war und einen hohen Gehalt an Eiweiss sowie an Formelementen erkennen Hess. Zwischen beiden hat er auch Uebergangsformen studirt. Es kam zur Untersuchung: Blutserum, Oedemflüssigkeit und Ascites- oder Hydrothorax- flüssigkeit und von diesen Flüssigkeiten wurde ermittelt: 1. der nicht an Eiweiss gebundene N und der GesammtN, 2. der Harnsäuregehalt, 3. der Ammoniakgehalt, 4. die Gefrierpunkterniediigung, 5. der im Thierexperiment zu Tage tretende Toxicitätsgrad, 6. der Kochsalzgehalt. An dieser Stelle interessirt uns die Gefrierpunkterniedrigung am meisten. Blut und Transsudate. 285 Ich entnehme der Arbeit von Strauss die auf S. 285 und 286 sich findenden Tabellen, in welche gleichzeitig die Angaben über N- und NaCl-G ehalt aufgenommen sind. a) Untersuchung von Blutserum. Chronisch- interstitielle Nephritis ohne Urämie. A Gefrierpunk t- erniedrigung des Blutes Retentions-N in mg NaCl Ge- halt in » u Bemerkungen 1 -0,58° 94 2 -0,55 100 3 -0,60 94 Herzinsufficienz 4 -0,57 116 5 -0,57 71 0,628 6 —0,60 55 0,580 Diabetes 7 -0,51 52 8 -0,58 61 y -0,54 56 10 -0.58 75 Bleiintoxication 0,56 -0,57 -0,56 0,55 0,55 Chronisch parenchymatöse Nephritis 36 - j — I 0,585 30 I — Uebergangsformen. schwere Tuberculose Chronisch interstitielle Nephritis mit Urämie. 0,57 112 — 0,61 163 - 0,59 142 — 0,56 68 — 0,65 V 0,585 0,57 100 0,507 0,69 122 0,74 0,66 140 0,643 0,68 266 0,56 0,67 126 — 0,61 135 — 0,64 160 — Chronische Urämie Hydronepluose Hufeisenniere leichte chronische Form Nephrolithiasis acute Urämie IUreterenverschluss durch Carcin. pelvis Zuckergussleber und Nephritis schwere Urämie mit Zuck- ungen ehren. Urämie 1 Tag ante finem (Zuckungen) 28G Clnonisclie Nierenentzündungen und Urämie. Uebergangsformen. A Gefrieipunkt- erniedrigang des Blutes Retentions-N NaCl Ge- in mg j halt in "/o I Bemerkungen 0,60» 0,63 0,63 141 90 ISO 0,63 0,63 ß) Untersuchung von Transsudat. Chronisch-interstitielle Nephritis. A Gefrierpunkt- erniedrigung des Blutes NaCl-Ge- halt in ° o Bemerkungen (Hautödem) (Hautödem) (Hautödem) (Ascites) (Pleuraflüssigkeit) -0,57 0,59 -0,59 -0,55 68 72 50 0,748 0,702 Chi'onisch-parenchymatöse Nephritis. 1 -0,55 2 -0,59 3 -0,56 4 —0,59 22 25 45 9 0,730 Uebergangsformen. -0,55" 56 — -0.55 62 — —0,56 33 — -0,56 40 0,62 -0,53 — 0,68 -0,54 47 0,67 —0,55 57 0,76 Zeichen von chron. Urämie Nach dem Ergebniss dieser und ähnlicher Untersuchungen stellt Strauss den Satz auf. d a s s bei sämmtlichen Formen von chro- nischer Nephritis nennenswerthe Erhöhungen der osmo- Vermehrte Gefrierpunkterniedrigung des Blutes. 287 tischen Concentrat ion selten sincP) und dass sie, wie es scheint, entweder nur oder fast nur bei den Formen von chronischer interstitieller Nephritis vorzukommen pflegen, dass aber bei der Urämie eine Erhöhung der osmotischen Concent rati on des Blutes die Regel und ein in normalen Grenzen liegender Werth für dieselbe die — allerdings vorkommende — Ausnahme darstellt. Eine P^rhöhung der osmotischen Concentration des Blutes ist also nach Strauss eine Begleiterscheinung, nicht aber die Ursache der Urämie. Mit andern Worten: das die Urämie erzeugende Gift ist meistens bei solchen Personen zu finden, bei welchen auch andere auf die Gefrierpunkterniedrigung einwirkende Stoffe im Blute in abnorm reichlicher Menge vorhanden sind. Eine Erhöhung der Gefrierpunkter- niedrigung, die nach seiner Meinung mit der Urämie ätiologisch nichts zu thun liat, kann indessen praktisch insofern Bedeutung haben, als sie em Zeichen dafür darstellt, dass es in dem betreffenden Falle zu einer Retention von toxischen Bestandtheilen überhaupt gekommen ist. Aber nur im Zusammenhang mit bestimmten klinischen Erscheinungen kann die Diagnose darauf gestellt werden, dass im concreten Falle auch eine Retention der Urämie erzeugenden Giftstoft'e vorliegt. Für diese Auffassung der Dinge sprechen nicht nur die Beobachtungen einer innerhalb gewisser Grenzen vorhandenen Möglichkeit von vorübergehenden alimentären Steigerungen des osmotischen Druckes, sondern auch specielle Unter- suchungen, zu welchen Strauss seinen Schüler Nagelschmidt veranlasste. Nagelschmidt konnte sowohl bei der Ziege als auch bei Kaninchen vorüber- gehende, d. h. mehrere Stunden dauernde Erhöhungen der osmotischen Concentration bis A = —0,80'' und bei nephriti sehen Thieren bis J = —0,82" erzeugen, ohne dass bei den betreffenden Thieren nur eine Spur von urämischen Erscheinungen zu con- statiren war. Entsprechende Versuche sind mit gleichem Resultat von Couvee in Talma's Klinik ausgeführt worden [29]. Ausserdem theüt Strauss noch einige zutreffende Beobachtungen beim Menschen mit. Der erste Fall betrifft einen typischen acuten Gichtanfall, bei welchem die Gefrierpunkterniedrigung des Blutserums 0,75" war und keine Spur von urämischen Erscheinungen sich zeigte. In zwei anderen Fällen von Arthritis urica vermisste er jede Steigerung der osmotischen Concentra- tion. Dagegen fand er bei einem Fall von chronischem Saturnismus ohne nachweis- bare Nephritis einmal einen Werth von A = —0,72", während er bei anderen Fällen dieser Krankheit solche Werthe nicht mehr finden konnte. Tu keinem dieser Fälle ') Damit stimmen die Ergebnisse der Leitfähigkeitsbestimm ungeh des Blut- serums von Fritz Engelmann überein. Dieser Autor fand bei 55 Fällen doppel- sei'iger Nierenerkrankung mit ausgesprochener Insufficienz, für Ajg Werthe zwischen 96,0~ und 114" , und als Durchschnittszahl 103,3~ eine Zahl, die auch nach Ceconi [28] als Mittelwerth für gesunde Personen gelten darf. 288 Chronische Nierenentzümlinigen und Urämie. waren urämische Erscheinungen vorhanden. Ein directer Parallelismus zwischen Retentions-N und Gefrierpunkterniedrigung (A) konnte nicht aufgefunden werden, ebensowenig ein solcher zwischen A und NaCl-Gehalt. Man sieht, dass zwischen den Autoren keine Uebereinstimmung herrscht. Während nach Linde mann, solange keine urämischen Sym- ptome vorliegen, die osmotische Concentration des Blutserums normal ist (auch bei Nephritis), bei Urämie aber stets eine bedeutende Stei- gerung gefunden wird, welch' letzteres auch M. Senator [30] und Kumpel [31 J wie auch Bickel [32j und Fritz Engelmann [24| (der letztere wenigstens für chronische Urämie) bestätigen, constatirt von Koränyi [21], dass es selbst tödtliche Urämien bei einer Gefrier- punkterniedrigung des Blutes von — 0,57^, sogar von — 0,55*^ giebt, während es andererseits Fälle von Niereninsufficienz giebt, in welchen trotz einer (Tefrierpunkterniedrigung von —0,80 bis —1.2" keine Urämie zum Ausbruch kommt. Deshalb glaubt von Koranyi, dass das urämi- sche Gift aus grossen organischen Molecülen besteht, die den Gefrier- punkt nicht wesentlich beeinflussen. Mit dieser Anschauung kann ich mich einverstanden erklären, möchte aber hinzufügen, dass das Gift leicht zersetzlich sein muss. Hat doch Couvee gefunden, dass Ein- spritzung von Organsuspensionen stark urämischer Thiere bei andern nephrectomirten Thieren keine Yerfrühung der urämischen Erscheinungen herbeiführte. Immerhin l)leibt inzwischen die Frage offen, warum dann nicht wenigstens durch die Anhäufung der leicht zersetzlichen Molecüle in der Blutbahn Steigerung des osmotischen Drucks entsteht. Ich glaube, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass das eigentliche urämische Gift nicht in Mengen vorhanden zu sein braucht, die den osmotischen Druck in merkbarem Maasse beeinflussen. Dass es sich bei der Urämie, insbesondere bei der chronischen, hauptsächlich um eine Anhäufung von Nichtelektrolyten (organischen Zersetzungsproducten handelt und dabei eine Anhäufung von Elektrolyten wenig in Betracht kommt, hat noch Fritz Engelmann zu betonen gesucht, indem er daraufhinwies, dass zwar die Gefrierpunkt- erniedrigung bedeutend gesteigert, das Leitvermögen jedoch ungefähr normal geblieben war. Und dieses ist doch hauptsächlich ein Ausdruck für die Menge der Elektrolyte. Im Durchschnitt war das Leitvermögen des Blutserums bei 18" C: stj^ ^ 103,5-'^. Die höchste Zahl war 114-* und die niedrigste 88 4. Mir kommt dieser Unterschied bedeutend vor, er beträgt ^Ya — = 24°/o! Der Unterschied zwischen denGefrierpunkterniedrig- ungen , —0,595" und 0,785", beträgt aber nicht viel weniger: — — ^- ' ' :=:: 23°/o. 0, ICO Uebrigens gehen die Gefrierpunkterniedrigungs- und Leitfähigkeitswerthe absolut nicht parallel. Was die puerperale Eklampsie betrifft, so fand Czilli [33] unter 5 Fällen, die er während der Eklampsie und nach Ablauf der- Osmotische Concentratlon des Harns. 289 selben nntersuclite, nur in einem Falle einen Werth von ^= —0,60. Sonst schwankten die Wertbe zwischen ^= — 0,58 und J = —0,59. Czilli kommt mit Rücksicht hierauf, ähnlich wie von Koranyi, zu dem Schluss, dass das die Eklampsie erregende Gift wahrscheinlich in Gestalt grosser, aus der Spaltung des Eiweissmolecüls hervorgegangener Atom- complexe im Organismus kreist, welche die Gefrierpunkterniedrigung kaum beeinflussen. Vor Czilli hatte Bousquet [34] das Blut bei Eklampsie untersucht. Er fand folgende Wertbe: J =^ — O^öl; —0,60 und 0,62*^. Kroenig [35J fand in 5 Fällen von Eklampsie normale Werthe, auch die Viscosität des Blutserums fand er nicht erhöht. /) Untersuchung des Harns. Ich bespreche nunmehr die Ansichten von Strauss über die osmotische Concentration des Urins bei Nierenkrankheiten. Ebenso, wie es v. Koranyi, Lindemann, Senator, Albarran [31J, Moritz [32j, Claude und Balthazard, v. Poehl [38J und Kumpel angeben, fand auch Strauss bei chronischen Nephritiden meist eine Verminderung der osmotischen Concentration. In Beziehung auf die Frage, ob ein Unterschied zwischen der chronisch-parenchymatösen und der chronisch-interstitiellen Nephritis existirt, gehen aber die Meinungen aus einander, v. Koranyi kann keinen grossen Unterschied constatiren, Lindemann aber findet die osmotische (Joncentration bei der chronisch- parenchymatösen Nephritis weit geringer als bei der chronisch-inter- stitiellen. Senator fand in zwei von ihm mitgetheilten Fällen die Verhältnisse ähnlich wie L i n d e m a n n , Moritz bestreitet eine solche Gesetzmässigkeit, Strauss desgleichen. Doch constatirt er für viele Fälle, dass bei chronisch -parenchymatöser Nephritis die Ausfuhr der gelösten Molecüle geringer war als bei den Fällen von chronisch-inter- stitiellen Nephritiden. Es würde den Rahmen dieses Buches weit überschreiten, wenn ich den Inhalt dieser reichhaltigen Arbeit einzeln wiedergeben wollte. Dieselbe giebt nicht nur ein treues Bild von den die chronischen Nieren- entzündungen von allen Seiten beleuchtenden Untersuchungen ihres Ver- fassers und seiner Schüler, sondern auch eine vollständige Literatur- besprechung. Fasst man die Resultate der bis jetzt ausgeführten osmotisch-chemischen Analysen des Harns bei chronisch- par enchymatöser und chroni sch-inters titieller Nephritis zusammen, so ergiebt sich, dass dieselben unsere Einsicht Hamburger, Osmot. Druck. II. Bd. 19 290 Chronische Nierenentzündungen und Urämie. in die betreffenden pathologischen Pro c esse kaum ver- tieft haben. Was die Zukunft in dieser Richtung bringen wird, lässt sich nicht voraussagen. Jedenfalls wird es, wie bereits mehrmals betont wurde, für die Förderung unseres Wissens über die Thätigkeit der kranken Nieren unerlässlich sein, in systematischer Weise die Nahrung zu berück- sichtigen. In dieser Beziehung gereichte es mir zur grossen Freude, als ich nach Abfassung des Manuscriptes des vorliegenden Ka])itels über die Nierenthätigkeit in pathologischen Zuständen mit einer neuen grossen Arbeit von Strauss Bekanntschaft machen konnte [16]. S) Nahrungsbedingungen. In dieser Arbeit wird auf das Unbefriedigende der Ergebnisse hin- gewiesen, welche die kryoskopischen Harnuntersuchungen für die Kennt- niss der chronischen Nierenentzündungen bis jetzt gewinnen Hessen und die Ursache hierfür theilweise in der Vernachlässigung von Menge und Zusammensetzung der Ingesta gesucht. Der Verfasser versucht nun in seinen vorliegenden und noch fortzusetzenden Untersuchungen diesen Einfluss zu würdigen. Nachdem er daran erinnert hat, dass ungefähr gleichzeitig und unabhängig von einander Kövesi und Roth-Schulz [39] einerseits und er selbst im Verein mit Nagelschmidt andererseits zum Studium der Nierensecretion bereits früher eine gewisse Probeflüssigkeit verabreicht hatten, und dass Zikel zum gleichen Zweck eine Probemahlzeit vorgeschlagen hatte [45], bekämpft er an der Hand von Controlversuehen die Zulänglichkeit von Zikel's Vorschlag. Zikel empfiehlt nämlich, um 7 Uhr Abends „ein leichtes, möglichst festes Abendbrot ohne Salzzusatz " zu geben. Um 9 Uhr Abends erhält die Versuchsperson genau 150 cc Milch, die auf einmal genommen werden sollen. Von nun an wird bis zum Schluss des Versuches, der am nächsten Tag um 9 Uhr erfolgt, die Zufuhr von Speise und Trank sistirt. Vor dem Einschlafen wird Urin gelassen und dann nicht mehr bis 9 Uhr Vormittags. Dieser letztere Urin wird untersucht (Wird Urin in der Zwischenzeit gelassen, so soll nur der zwischen 6 und 9 Ulir Vormittags gelassene Urin zur Untersuchung verwandt werden.) Dieser „Normalharn" soll eine für jedes Individuum bei normalen und pathologischen Fällen längere Zeit andauernde specitische C'onstante aufweisen. Man soll im Verlauf einer Woche täglich denselben Befund erhalten. Strauss fand bei 40 nierengesunden und nierenkranken Personen je an drei verschiedenen Tagen oft leidlich constante Werthe; zuweilen aber waren die Diffe- renzen gross. Strauss' eigenes Verfahren geht von zwei Grundforderungen aus: Erstens sollte erreicht werden , dass der nüchtern gelassene Urin möglichst wenig von der am Tage zuvor eingeführten Nahrung beeinflusst wird. Zweitens sollte festgestellt werden, wie die verschiedenen Nahrungsstoffe, die auf den osmotischen Druck des Urins Einfluss gewinnen — Wasser, Salze, Eiweisskörper — unter normalen Um- ständen ihr Erscheinen in Bezug auf Zeit und Intensität geltend machen. Harnkryoskopie und Nahrungsaufnahme. 291 Hinsichtlich des ersten Punktes fand es Strauss am besten, um 6 Uhr Abends einen halben Liter einer nicht gesalzenen Milchsuppe zu verabreichen und die Ver- suchspersonen zu veranlassen, Abends 10 Uhr und Morgens 5 Uhr Urin zu lassen. Bezüglich des zweiten Punktes ging er in der Art vor, dass er das Verhalten des Urins einmal nach Zufuhr einer bestimmten, in allen Versuchen gleich grossen Menge Wasser, sodann nach Zufuhr der gleichen Menge Wasser plus einer in den einzelnen Versuchen gleichen Menge von Kochsalz sowie von harnstoff- bildendem Material prüfte. Er verabfolgte also am ersten Tage, im ,Wasser- versuch" 500 cc Wasser, am zweiten Tage im „Kochsalz versuch' 10 g Kochsalz in 500 cc Wasser und am dritten Tage, im „Eiweissversuch" , 50 g Gluton in 500 cc Wasser (in Form einer Lösung). Er wählte die Dosis von 10 g Kochsalz auf 500 cc Wasser , weil stärkere Kochsalzlösungen nach seinen Erfahrungen leicht erbrochen werden. Die drei Probelösungen wurden an drei aufeinander folgenden Tagen stets auf nüchternen Magen Morgens um 6 Uhr verabreicht, nachdem die betreffenden Versuchspersonen zuletzt am Abend vorher um 6 Uhr eine nicht gesalzene Milch- suppe erhalten hatten und angewiesen worden waren, die Blase Nachts 10 Uhr sowie Morgens zwischen 5 Uhr und 6 Uhr zu entleeren. Nach Einnahme der betreffenden Probelösung blieben die Versuchspersonen bis 11 Uhr Vormittags ruhig im Bette und unterliessen die Zufuhr sowohl von festem als von flüssigem Material. Der Urin wurde in Stundenportionen von 6 — 11 Uhr gesammelt und in den getrennten Por- tionen wurde Menge, A, sowie NaCl bestimmt. Während der drei Versuchstage wurden die Versuchspersonen annähernd gleichartig ernährt und es wurde insbesondere auf eine möglichst gleichartige Kochsalzzufuhr geachtet. Strauss stellte auf diese Weise an Nierengesunden und Nierenkranken mehr als 150 B'inze 1 versuch e an. Hierbei fielen die Ergebnisse bei den Wasserversuchen am brauchbarsten für klinische Zwecke aus. Es leuchtet dies darum ein, weil der Körper Kochsalz leicht retinirt, Moritz fand, dass nach 5 Stunden nur ein massiger Bruchtheil des eingeführten Salzes im Urin erschienen war. Damit stimmen auch die Versuche von Steyrer [36] und von Claude und Mante [42] überein. Eine Zugabe von 10 g Kochsalz zur Nahrung war nach 24 Stunden noch nicht ganz im Urin ausgeschieden. Ueber die Ausscheidung des Ei- weisses wissen wir aus den älteren Untersuchungen von Oppenheim [38], dass in 9 Stunden nur 59 "o des eingeführten Eiweisses ausgeschieden wurden. Es stellte sich nun heraus, dass für chronische Nephritiden ein bestimmtes Verhalten von A nicht charakteristisch ist. In weit höherem Maasse verdient hingegen das — übrigens bisher in der Klinik genügend gewürdigte — Verhalten der Urinmenge sowie auch die „Valenzz ah 1" Beachtung. Mit „Valenzzahl" bezeichnet Strauss das Product von Urinmenge und Gefrierpunkterniedrigung. Bei chronischen Nephri- tiden ist im Allgemeinen die Valenzzahl (moleculare Diurese) sehr erheblich herab- gesetzt; nur im Stadium der klinischen Compensation (Fehlen von Oedemen und Dyspnoe, Vorhandensein guter Diurese, etc.) wird diese Herabsetzung vermisst. Die Kenntniss der Valenzzahl („Leistungsfähigkeit") erlaubt aber weder eine bestimmte anatomische Diagnose, noch setzt sie in den Stand, ein Urtheil über das dauernde Verhalten der Nierenthätigkeit abzugeben, weil trotz anatomisch schwerer Erkrankung normale Valenzwerthe beobachtet werden, da der jeweils erhobene Befund immer nur den Ausdruck eines zeitlich begrenzten functi o nellen Verhaltens der 19* 292 Acute Nierenentzündungen. Nieren darstellt. V.\ne stärkere, länger dauernde Herabsetzung der Valenzzahl findet nun selten statt und wird dann vorwiegend bei gleichzeitigem Vorhandensein von Oedemen beobachtet. A Was ^r~-^, betrifft, so stellt sich, entsprechend Koränyi's Ausführungen, NaCl ' f J ö ' nach eingehender Betrachtung heraus, dass dieser Werth keine zuverlässige Hand- habe für die Diagnose von Nierenentzündungen giebt, zumal die Menge des aus- geschiedenen NaCl nicht nur von dem Zustand des Nierenepithels, sondern auch voa Ursachen ausserhalb der Nieren abhängig ist. Strauss bittet, seine Mittheilungen nur als Vorarbeiten anzusehen. Wie aus dem oben Mitgetheilten hervorgeht, weicht das von Strauss durchgeführte Verfahren von dem von mir behufs der Blut Unter- suchung vorgeschlagenen (S. 279) ab. g) Acute Nierenentzündungen. Untersuchungen von Richter und Roth. Bis jetzt wurde lediglich über chronische Nierenkrankheiten ge- handelt, lieber die acuten haben Richter und Roth eingehende Experimente bei Kaninchen angestellt [18J. Sie fanden, dass bei einer Nephritis, die hauptsächlich den Gefässapparat betrifft und durch nicht zu grosse Cantharidindosen hervorgerufen werden kann, oder bei einer durch das ganze Nierengewebe diffus vertheilten Nephritis (durch AloTn- vergiftung) die moleculare Retention schnell einsetzt und ausgesprochen ist. Hierbei ist sowohl in der Cantharidin- wie in der Aloinreihe ein regelrechter Parallelismus zwischen der Giftdosis und der Erniedrigung des Gefrierpunktes zu constatiren. Dieses Ergebniss Avurde für die Aloinnephritis von Face [52J bestätigt. Weiter scheint die Läsion, die mehr den tubulären Apparat betrifft, wie bei der Chromnephritis weniger geeignet, eine moleculare Retention zu veranlassen. Auch hier ist ein Parallelismus zwischen Giftdosis und Entwicklungsgrad der anatomischen Läsion nicht zu verkennen. Endlich landen sie, dass die pathologische Verminderung des Blut- gefrierpunktes durch Retention echter Stoffwechselproducte, nicht aber durch Retention des Kochsalzes bedingt wird; letzteres zeigt in vielen Fällen sogar eine Concentrationsabnahme. Die moleculare Retention im Blute — ermittelt durch die Gefrier- punktbestimmung — hat sich also in ihrer Versuchsreihe als ein Indi- cator erwiesen, welcher im Grossen und Ganzen der Grösse der Störung der Nierenthätigkeit parallel verlief. Allerdings waren es einfache, Gefrierpunkt und Leitfähigkeit des Harns. • 293 uncomplicirte, acute toxische Nephritiden, bei welchen diese Beziehung in Erscheinung trat: am klinischen Beobachtungs- material und bei den einzelnen Formen der menschlichen Nephritis liegen die Verhältnisse jedenfalls viel schwieriger. Nichtsdestoweniger zeigen eine Reihe von Fällen, die v. Koränyi veröffent- lichte, dass auch bei Nephritikern die moleculare Keteution im Blute deutlich war, wenngleich v. Koranyi selbst schon auf eine Reihe von Momenten hingewiesen hat, die die Erscheinung zu verhindern im Stande sind, vor allem auf die Anämie und die Wassersucht des Nephritikers. 2. Gefrierpunkterniedrigung und elektrisches Leitvermögen, sowie anderweitige Bezietiungen. Wie oben erwähnt, haben im Jahre 1897 ungefähr gleichzeitig Bugarszky [7] und Roth [8] zuerst den Harn auf sein elektrisches Leitvermögen untersucht und die betreffenden Daten mit der Gefrierpunkt- erniedrigung und anderen Grössen in Zusammenhang gebracht. Hierbei ergaben sich zwei Constanten für den normalen Harn, die nun ein Mittel an die Hand geben sollten, in jedem besonderen Falle zu be- urtheilen, ob es sich um pathologische Verhältnisse handelte oder nicht. a) Untersuchungen Bugarszky's. Ich bespreche zuerst die Ausführungen Bugarszky 's. An jedem untersuchten Harn wurde gemessen: 1. die 24 stündige Menge, 2. das specifische Gewicht (mittelst Westphal'scher Wage), 3. die Gefrier- punkterniedrigung (mit Beckmann 's Apparat), 4. die elektrische Leit- fähigkeit (nach der Methode von Kohlrausch), 5. der Aschengehalt und 6. der Chlorgehalt. Auf diese Weise gelangte der Verfasser in den Besitz folgender Daten. Durch die Gefrierpunktbestimmung erhielt er die Anzahl der gesammten Molecüle (organische und anorganische); die Leitfähigkeit ergab die Concentration der gesammten anorganischen Molecüle. Es ist ja bekannt, dass nur diejenigen Substanzen den elektrischen Strom leiten, welche einer Dissociation in Ionen fähig sind. Unter den im Harn vorkom- menden gelösten Stoffen sind das hauptsächlich die anorganischen Salze; ich sage „hauptsächlich", weil auch Salze von Aetherschwefelsäure, Harnsäure etc. darin vor- handen sind, die — obwohl organisch — dennoch den Strom leiten. Bugarszky sucht nun in einer Tabelle auf, welche NaCl-Lösung dieselbe Leitfähigkeit besitzen würde , wie sie am Harn gefunden. Die Anzahl der in einem Liter dieser NaCl- Lösung sich befindenden Moleküle -|- Ionen betrachtet er nun auch als die Anzahl der im Harn vorkommenden Moleküle -)- Ionen. Hatte man z. B. gefunden, dass der 294 ' Gefrierpunkt und Leitfähigkeit des Harns. Harn dieselbe Leitfähigkeit besitzt wie eine 0,205 normale Chlornatriumlösung, so ist in Betracht zu ziehen, dass in einer Chlornatriumlösung von dieser Concentration der Bruchtheil 0,793 der Moleküle in Ionen gespalten ist, wodurch die Gesammtzahl der Moleküle + Ionen im Liter: 1,793x0,205 = 0,368 wird. Das ist dann die Concentration der anorganischen Moleküle + Ionen. Thatsächlich ist diese Rechnung nicht richtig, denn es giebt, wie gesagt, auch organische Salze im Harn, die gleichfalls den Strom leiten. Ferner ist NaCl zwar der Hauptbestandtheil der anorganischen Salze, aber es giebt doch auch andere, deren Leitfähigkeit eine andere ist als die von NaC!, z. B. Phosphate und Sulfate. Weiter ist ausserdem der Dissociationsgrad dieser Stoffe ein anderer, als wenn all diese anorganischen Salze NaCl wären. Es steht dies damit im Zusammenhang, dass die Curven der elektrolytischen Dissociation eines jeden einzelnen dieser Salze in reiner Lösung einen verschiedenen Verlauf haben, sowie ferner auch damit, dass es sich im Harn um ein Gemisch handelt und sie einander in ihrer Dissociation beinflussen, wobei auch noch die Nichtleiter, wie Harnstoff, eine Rolle spielen. Bekanntlich hemmen diese die elektrolytische Dissociation. Des Weiteren wird die Leitfähigkeit einer Lösung nicht bloss durch den Grad der elektrolytischen Dissociation (die An- zahl der Theilchen) bestimmt, sondern auch durch die Wanderungsgeschwindigkeit der entstandenen Ionen, und diese ist durchaus nicht für alle im Harn vorkommenden lonenarten die gleiche. Man sieht, die Sache hegt sehr compHcirt, sodass die Berechnung von Bugarszky, durch welche er aus der Leitfähigkeit des Harns die Concentration der anorganischen Stoffe ableitet, höchstens nur an- nähernd richtig sein kann. "Weiter bestimmt er dann nach Ermittelung des wirklichen Chlor- gehalts, die Concentration der nicht von Chlornatrium her- rührenden anorganischen Molen. Endlich ergiebt die Differenz zwischen der Anzahl der gesammten und jener der anorganischen Moleküle die Concentration der anorga- nischen. Auf Grund derartiger Analysen des Harns bei drei gesunden Per- sonen, gelangt Bugarszky zu den folgenden Resultaten. 1. ^ — ^ ^ 75. In dieser Formel bedeutet J die Gefrierpunkt- s— 1 erniedrigung des Harnes und s das specifische Gewicht. Kennt man letzteres, so kann man also J berechnen. 'K 10^ 2. — ^r — = Ij^ö. In dieser Formel ist X die specifische Leit- fähigkeit und h der Aschengehalt. Die Formel sagt aus, dass der Aschengehalt der elektrischen Leitfähigkeit proportional ist. a p 3. ^ = 0,57, d. h. die Anzahl der anorganischen Moleküle (^a) \j ist der Anzahl der gesammten Moleküle (C) proportional. Untersuchungen von Bugarszky und Roth. 295 4. TT- = 0,75. Die Anzahl der organischen Moleküle (^o) beträgt nahezu ^li von jenen der organischen Moleküle (Ca). Diese Ergebnisse würden, abgesehen von den besprochenen Ein- wänden, den Eindruck machen können , dass dennoch Gesetzmässig- keiten in der Zusammensetzung des Harns vorliegen. Die Unter- suchungen betreffen aber nur drei Personen. Das ist m. E. viel zu wenig, insbesondere wo es sich um Formeln handelt, die nicht auf theoretischer Grundlage fussen, sondern rein empirischer, statistischer Natur sind. Um aus rein statistischem Material Schlussfolgerungen ziehen zu können, muss das Material gross sein, namentlich dann, wenn jede theoretische Motivirung fehlt. b) Untersuchungen von W. Roth. Die Harnuntersuchungen von Roth passen sich den Ansichten A. von Koranyi's an. Indem er ebenso wie Bugarszky die osmo- tische Concentration der anorganischen Moleküle in NaCl ausdrückt, berechnet er für verschiedene Harne statt ,:^^^„ (von Kor an vi) NaCl pct ^ -^ ' das Verhältniss , ,„ .-,, — -,, d. h. also das Verhältniss zwischen dem l (NaCl pct) Gefrierpunkterniedrigung des Harnes und dem Procentgehalt einer Chlornatriumlösung, die dasselbe elektrische Leitvermögen besitzt, wie der Harn. Dieses Leitvermögen repräsentirt die gesammten anorgani- schen Moleküle. Da diese nur theilweise aus NaCl bestehen, muss der Roth'sche Ausdruck ^ — - kleiner sein als der von von Koranyi: 1^ p, — 7- Während letzterer für den normalen Harn zwischen 1,14 und 1,79 schwankt, waren die Grenzen für den ersten Quotienten 0,94 und 1,25 (bei 25 Personen mit annähernd normalen Nieren und Herz- function und annähernd normalem Stoffwechsel). Der Mittelwerth zwischen 0,94 und 1,25 ist 1,09. Dieses constante Verhalten bedeutet, dass die elektrolytischen Moleküle im normalen Harn einen nahezu constanten Bruchteil der gesammten molecularen Concen- tration bilden, mit anderen Worten, es ist nach Roth die Pro- portion der im Harn gelösten organischen und anorgani- schen Moleküle constant. Ich kann nicht umhin, hier die Bemerkung hinzuzufügen, dass man behufs Feststellung der Norm doch an Individuen experimentiren 296 Gefrierpunkt und Leitfähigkeit des Harns. muss, bei denen die Functionsfähigkeit der Nieren nicht in Frage zu stellen ist. Demgegenüber liest man in Roth 's Aufsatz, dass alle Ver- suchspersonen Patienten waren und darunter solche mit compensirten Herzfehlern, Tumor lienis, Pyelitis catarrhalis, Vitium cordis an der Grenze der Compensation, und Carcinoma ventriculi. Aber Avenn auch die Versuchspersonen vollkommen gesund gewesen wären, wäre Roth doch nicht berechtigt gewesen, aus seinen Zahlen die genannte Schlussfolgerung zu ziehen. Es bat zwar den Anschein, dass 0,94 und 1,2.5 wenig differiren, in Wirklichkeit aber ist die Differenz 1 95 0 Q4. -^^^,— X 100 = 33 Procent! 0,94 Andererseits ist das Auftreten solcher Differenzen selbst bei nor- malen Menschen nicht erstaunlich, w^enn man nur einen Augenblick be- denkt in wie erheblichem Maasse der Harn von Zusammensetzung und Menge der Nahrung abhängt und auch abhängen muss, um zu ermöglichen, dass das Blut und andere Körperbestandtheile ihre normale Zusammen- setzung nach jeder Aenderung so schnell wieder zurückerlangen. c) Uiitersuelmngen von Steyrer. Steyrer hat ebenso wie Bugarszky und Roth bestimmt: 1. die ausgeschiedene Urinmenge M, 2. die Gefrierpunkterniedrigung _7, aus welcher sich nach Division durch 1,85 die osmotische Concentration Co ergiebt, 3. das specifische Gewicht S, 4. den NaCl-Gehalt in Procenten, 5. die Leitfähigkeit l, aus welcher sich die Concentration der Elektrolyte Ce ergiebt. Weiter hat Steyrer noch, über die beiden früheren Autoren hinausgehend, ermittelt: 6. den Gesammtstickstoff, 7. den bei gewöhnlicher Temperatur mit Kalkmilch als Ammoniak abspaltbaren Stickstoff und 8. den Kohlenstoffgehalt. Die Tabelle auf S. 298 u. 299 enthält die Versuchsresultate bei neun gesunden Personen, die in ihrer Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr nicht beeinflusst wurden. Bei Person VHI und IX wurde die 24-stündige Urinmenge in 6-stündigen Intervallen gesammelt. Aus dieser Tabelle geht hervor, dass ^ — .- zwischen 68 und 79 schwankt, was von dem von Bugarszky gegebenen Werth 75 bedeutend abweicht. Untersuchungen von Steyrer. 297 Ce Weiter bewegt sich das Verhältniss ,,, , d. h. das Verhältniss der bo Concentration der Elektrolyte (Ce) zur gesamten osmotischen Concen- tration zwischen 0,47 und 0,66, was auch nicht mit der Anschauung B u g a r s z k y 's und R o t h ' s übereinstimmt. X 10^ Das Verhältniss i , ^1- h. das Verhältniss vom Leitvermögen und Aschengehalt, das Bugarszky gleichfalls als constant bezeichnete, konnte nicht berechnet werden, weil Steyrer den Aschengehalt nicht mit bestimmt hat. Auch zwischen Stickstoff- und NaCl-Gehalt liess sich keine Gesetz- mässigkeit erkennen. Was die absoluten Zahlenwerte betrifft, so schwankte bei normalen Personen die Depression des 24-stündigen Harns zwischen 0,93*^ und 2,080 und das Leitvermögen zwischen 1,378x10"^ und 3,259xlO"^ Es unterliegt meines Erachtens keinem Zweifel, dass diese Schwank- ungen mitunter von der Wasseraufnahme abhängig sind. Dass dies wirk- lich so sein muss, geht aus den relativ geringen Schwankungen betr. Zusammensetzung und osmotischem Druck hervor, welche die Blutflüssig- keit bei Aufnahme der verschiedenartigsten wasserarmen und wasser- reichen, salzarmen und salzreichen Nahrung erfährt. Wenn die Nieren regelnd eintreten sollen, so muss, wie gesagt, der Harn eine sehr incon- stante Zusammensetzung besitzen und man muss sich darüber wundern, wie die Autoren dazu gekommen sind, unter diesen Umständen Gesetz- mässigkeiten zwischen den Mengen der verschiedenen Harnbestandteile entdecken zu wollen. Wie weit die Regelung des osmotischen Druckes geht, lässt sich aus Ver- suchen Steyrer's ermessen, bei denen eine vollkommen gesunde Person ausser der in der gewöhnlichen Kost enthaltenen Flüssigkeit 22 Stunden lang keine Getränke zu sich genommen hatte. Dann wurde die Gefrierpunkterniedrigung der Blutflüssig- keit ermittelt ; diese betrug — 0,55°, änderte sich aber absolut nicht nach Einnahme einer grossen Quantität Wasser. Indessen hören wir von Steyrer nicht, wann die zweite Blutentziehung stattfand. Bemerkenswerth sind zwei Experimente, aus welchen hervorgeht, dass die Depression auf — 0,64° bis — 0,66° ansteigt, wenn die Versuchsperson statt Wasser 5 Liter Pilsener Bier bekommen hat (innerhalb 5 Stunden). Sollte hier der durch Alkohol herbeigeführte hohe osmotische Druck des Bieres die Ursache sein? Am Schlüsse des Berichtes über seine mannigfaltigen Versuche schreibt Steyrer: „Allgemeine diagnostische Schlusssätze lassen sich aus den vorstehend mitgetheilten Beobachtungen nur wenige ableiten." 298 Neue Methode der osmotischen Harnanalyse. 3. Gefrierpunkterniedrigung und Blutkörperchenmethode. Vor einiger Zeit habe ich eine andere Methode der osmotischen Analyse des Harns vorgeschlagen [9], welche, wie mir scheint, Genauig- keit und bequeme Ausführbarkeit in sich vereinigt. Es ist die Combi- nation von Gefrierpunkt- und Blutkörperchen-Methode. Letztere Methode bat vor der Bestimmung des elektrischen Leitvermögens voraus, dass sie keine theure Einrichtung erfordert und auch nicht die peinliche Sorgfalt verlangt, ohne welche die Bestimmungen des elektrischen Leit- vermögens unbrauchbare Resultate liefern. Endlich hat die Blutkörper- chenmethode voraus, dass sie, wie ich unten aus einandersetzen werde, eine biologische Grundlage hat. Bekanntlich habe ich vor einer Anzahl von Jahren ein Verfahren angegeben, um mittelst rother Blutkörperchen den osmotischen Druck von Flüssigkeiten zu ermitteln. Dasselbe beruht auf folgendem Princip (vergl. B. I S. 439): Normale Individuen, in ihrer Nahrungs- I n III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV Id' B sw its ^5 's Bezeichnung des Harns c bp 3 tn '% (S O « 03 G a rJC Ol 'S o o US 1« es 10 •S « •§« o S i Ol 05 o .s.s 'S"" o S s 1 S a a 0 1 M 0^ J3 .SP s 3 2 N I 2000 1,0124 0,93 0,502 0,73 14,6 0,124 0,57 11,4 0,02 0,55 0,41 1,496 N 11 700 1,0226 1,68 0,908 0,92 6,4 0,157 1,36 9,6 0,06 1,30 0,99 2,109 N III 1600 1,0126 1,05 0,563 0,97 15,5 0,165 0,54 8,6 0,04 0,50 0,47 1,864 N IV 1000 1,0293 2,08 1,124 1,37 13,7 0,234 1,31 13,1 0,09 1,22 0,89 3,259 N V 1250 1,0179 1,35 0,730 0,94 11,8 0,161 0,83 10,4 0,05 0,78 0,68 2,089 N VI 2180 1,0159 1,13 0,611 1,02 22,0 0,174 0,59 12,9 0,05 0,54 0,48 1,986 N VH 920 1,0280 2,06 1,113 1,42 13,1 0,243 1,61 14,8 0,10 1,51 1,15 2,872 N VHIa 340 1,0136 1,08 0,584 0,91 3,1 0,155 0,64 2,1 0,04 0,60 0,51 1,896 N VIII b 330 1,0176 1,23 0,665 0,94 2,1 0.162 0,73 2,4 0,05 0,68 0,57 1,962 N vnic 480 1,0131 1,00 0,543 0,91 4,4 0,155 0,59 2.8 0,04 0,55 0,45 1,791 N VIHd 210 1360 1,0136 0,93 0,500 0,91 11,5 0,155 0,53 1,1 8.4 0,05 0,48 0,38 1,761 N IX a 810 1,0129 0,98 0,530 0,60 4,9 0,102 0,57 4,6 0,03 0,54 0,45 1,378 N IXb 550 1,0148 1,09 0,592 0,65 3,6 0,111 0,70 3,8 0,03 0,67 0,49 1,544 N IXc 400 1,0258 1,78 0,962 0,93 3,7 0,159 1,41 5,6 0,05 1,36 1,22 1,887 N IXd 530 2290 1,0224 1,61 0,870 1,20 6,4 18,6 0,205 1,10 5,8 19,8 0,04 1,06 0,72 2,.I64 Blutkörperchen-Methode. 290 Die zu untersuchende Flüssigkeit , z. B. Blutserum , wird mit verschiedenen Mengen Wasser versetzt; zu den Gemischen werden je einige Tropfen Blut hinzu- gefügt; dann schüttelt man um, lässt die Blutkörperchen sich zu Boden setzen und beobachtet, in welchem Gemisch beginnender Farbstoffaustritt wahrzunehmen ist. Inzwischen hat man mit demselben Blute auch einige Kochsalzlösungen von langsam ansteigender Concentration versetzt. Man ermittelt die Kochsalzlösung, in welcher die Blutkörperchen beginnenden Farbstoff austritt zeigen. Diese Kochsalzlösung ist dann isotonisch mit dem verdünnten Serum , bezw. sie hat dasselbe wasseranziehende Vermögen wie dieses, und es ist nun äusserst leicht zu berechnen, mit welcher NaCl-Lösung das unverdünnte Serum iso" tonisch ist. Beispiel. 5 cc Blutserum eines Pferdes werden mit verschiedenen Quantitäten Wasser versetzt; zu den Gemischen werden je 5 Tropfen Blut hinzugefügt. Es stellt sich heraus , dass das Serum mit o cc Wasser verdünnt werden muss , um beginnenden Farhstoffaustritt herbeizuführen. Einen gleichen Farbstoffausfcritt beobachtet man in einer 0,57 "o igen Kochsalzlösung. Mit dieser Flüssigkeit ist das mit 60*^^0 Wasser verdünnte Serum also isotonisch. Der osmotische Druck des unverdünnten Serums und Flüssigkeitszufuhr unbeeinflusst. XV XVI I XVII 1 XVIII I XIX XX XXI XXII XXUI XXIV XXV XXVI XXVII ; 3 .5 Tb S o o i- c^ « sc a E o o 5>a 'h O a> ^^^ a) o 3 «> "3 , 0,56 >, 0,58 «/o, 0,60 "/o, 0,62 "/o, 0,64 7o, 0,66% eingestellt und mit 5 Tropfen Kaninchenblut versetzt worden. Das Hämoglobin zeigte in der 0,62°/oigen NaCl-Lösung') mit derselben Deutlichkeit beginnenden Farbstoffaustritt, wie in dem Gemisch von 5 cc Urin -j- 11 cc Wasser. 5+11 Der unverdünnte Harn war somit mit einer NaCl-Lösung von — - — xO,62'Vo 0 =^ 1,98 °/o isotonisch. Diese NaCl-Lösung besitzt eine Gefrierpunkterniedrigung zl, = 1,154". Subtrahirt man diese Zahl von der unter A. gewonnenen A , so erübrigt für den Harnstoff und die Stoffe, welche sich wie Harnstoff verhalten, A„= A — A, = 1,931 — 1,154 = 0,777. Diese Zahl kommt grösstentheils auf Rechnung des Harnstoffes, wie sich aus folgender Berechnung ergiebt. Jedes Gramm-Molekül im Liter verursacht eine Ge- frierpunkterniedrigung von 1,85". Der betreffende Harn besass einen Harnstoff- 22 5 gehalt von 22,5 %o, d. i. , weil das Moleculargewicht des Harnstoffes = 60 ist, -^i- GrammMoleküle im Liter. Diesen entspricht eine Gefrierpunkterniedrigung von 22 5 --^ X 1,85" ^ 0,694", während die Gefrierpunkterniedrigung der in die Blutkörperchen 60 aindringenden Stoffe 0,777 betrug. Nach dieser Berechnung sind also etwa 10*^/0 der in die Blut- körperchen eindringenden Stoffe nicht Harnstoff. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass diese Zahl keine grosse Genauigkeit beansprucht, denn eine exakte und zugleich einfache Methode für die quantitative Bestimmung des Harnstoffes fehlt noch immer. Besässen wir eine solche, so würden wir genau feststellen können, welchen Antheil der Harnstoff und welchen Antheil die in diesem Specialfall ihm analogen Substanzen an den in die Blutkörperchen eindringenden Molekülen be- sitzen. Zur Zeit darf ich mir noch nicht erlauben, eine Erweiterung meiner Methode in einer solchen Richtung vorzuschlagen. 1) Für Kaniuchenblut ist 0,62 "/o ein ausserordentlich hohen Werth; gewöhn- lich ist derselbe ungefähr 0,50 "/o. Uratabscheidung bei der Gefrierpunktbestimmung. 303 a) Einige Bemerkungen. a) Uratabscheidung bei der Gefrierpunktbestimmung. Die erste Bemerkung betrifft eine Erscheinung, welche bald auffüllt, wenn man den Harn behufs Abkürzung der für die Gefrierpunktbestimmung erforderlichen Zeit in Eiswasser vorkühlt. Es geschieht dann nicht selten , dass ein voluminöser Niederschlag von Urat auftritt. Das findet natürlich ebenfalls statt, wenn man die eigentliche Gefrierpunktbestimmung ausführt, und diese Erscheinung kann — was hier von Wichtigkeit ist — nicht ohne Einfluss auf das Resultat der Gefrierpunktbestim- mung bleiben, indem J zu klein ausfallen muss. Es wundert mich, dass man diese doch ziemlich oft vorkommende Erscheinung nicht bei den Autoren erwähnt findet, welche sich mit Gefrierpunktbestimmungen von Harn beschäftigt haben. Nur Bouchard (1. c.) hat dieselbe erwähnt und, um dieselbe zu umgehen, den Harn mit 1—4 Volumen Wasser verdünnt. Dieses Verfahren scheint mir nicht glücklich; denn erstens wird jeder bei der Gefrierpunktbestimmung des verdünnten Harns gemachte Fehler um das 2 bis 5 fache multiplicirt, wenn man den gefundenen Werth auf den unverdünnten Harn umrechnet. Da nun bei ziemlicher Uebung immer noch Fehler von 0,005° bei der Gefrierpunktbestimmung möglich sind, wenn man das Mittel von drei Bestimmungen nimmt, so kann die Ungenauigkeit hier 0,025" erreichen. Unter diesen Umständen wäre es besser, das Uratsediment ganz unberücksichtigt zu lassen, den Harn also nicht zu verdünnen, da dasselbe nach meinen Versuchen höchstens eine Gefrierpunkterniedrigung von 0,051" repräsentirt und im Uebrigen bei der Ausführung der Gefrierpunktbestimmung keine Störung bedingt. Ferner ist einzuwenden, dass eine so erhebliche Verdünnung mit Wasser eine relativ grosse Vermehrung der Dissociation und damit eine Zunahme der Gefrier- punkterniedrigung verursacht. Ein Beispiel möge dies erläutern : Unverdünnter uratarmer Harn 10 cc Harn -f lÖ cc Wasser 10 , „ -f 20 „ 10 , . + 30 , 10 , . 4- 40 „ , Man sieht, dass die Gefrierpunkterniedrigung mit der Verdünnung zunimmt, und zwar bei 4facher Verdünnung um: 2,205 — 2,061 =0,144. Zu gleichlautendem Resultate gelangte auch Bousquet [34]. Nun kann man diesen Fehler fast gänzlich eliminiren, wenn man den Harn, dessen Urate durch Abkühlung niedergeschlagen sind , filtrirt und für die klare Flüssigkeit den Einfluss einer entsprechenden Verdünnung mit Wasser feststellt, um denselben dann beim urathaltigen Harn in Rechnung zu bringen. Bei diesem Ver- fahren vernachlässigt man bloss den Einfluss der Verdünnung der Urate auf ihre Dissociation. Der Betrag derselben ist jedoch nur sehr gering, da den Uraten selbst nur eine relativ geringe Gefrierpunkterniedrigung entspricht. Der Einfluss des Urat- volumens auf die Concentration der übrigen Harnbestandtheile kann man ebenfalls ausser Betracht lassen: denn Centrifugirversuche haben mich gelehrt, dass bei A A Gefunden : Berechnet für den un verdünnten Harn : —2,061" -2,061" —1,071" —2,142" —0,725" —2,175" —0,546" -2,184" -0,441" -2,205". 304 Neue Methode Her osmotischen Harnanalyse. Harnen, welche mit ürat gesättigt waren, das Volumen des Sediments nur um den Werth von 1 "/o herum schwankte. Indessen bleibt der erste Einwand gegen die vielfache Verdünnung, d. h. die Multiplication eines jeden Fehlers mit der Zahl, welche den Procentgehalt der Verdünnung ausweist, bei der eben angeführten Cor- rectur bestehen. Deshalb habe ich noch eine andere Methode versucht. Dieselbe besteht darin, dass man den Harn durch Eiswasser oder — was schneller geht — durch Hin- und Herbewegen in Kältemischung abkühlt, dann ein bestimmtes Vokimen, z. B. 15 cc der trüben Flüssigkeit, centrifugirt und den klaren Harn entfernt. Von dieser Flüssigkeit wird der Gefrierpunkt bestimmt. Das Sediment wird in heissem Wasser gelöst und die Lösung auf ein Volumen von ?)0 cc, also auf das Doppelte des Volumens der Harnmenge, aus welcher es stammte, gebracht. Von dieser Urat- lösung wird gleichfalls die Gefrierpunkterniedrigung ermittelt und ihr Werth , nach Multiplication mit 2, zu zl des klaren Harns hinzugefügt. Freilich hat man, wie gesagt, durch Verdünnung der Urate auf das doppelte Volumen die Gefrierpunkt- erniedrigung ein wenig gesteigert; da aber die den Uraten entsprechende Gefrier- punkterniedrigung an sich nicht gross ist — ich fand im Maximum 0,051° — , so darf hier der Eintluss der vermehrten Dissociation vernachlässigt werden. Auch kann man die geringe Harnmenge ausser Betracht lassen, welche sich nach dem Centrifugiren noch zwischen dem Sedimente befindet. Diese zweite Methode, um den Einfluss der Urate zu berücksichtigen, ist nicht schwierig auszuführen. Man muss natürlich über eine Centrifuge verfügen. Jedes klinische Laboratorium besitzt aber eine solche. Es kann eine sehr einfache Maschine sein, denn das üratsediment setzt sich leicht zu Boden. In Fällen, in denen es sich nicht um sehr grosse Genauigkeit handelt, wird man der Wahrheit nach meiner Meinung hinreichend nahe kommen, wenn man bei Uratabscheidung zu der gefundenen Gefrierpunkterniedrigung des filtrirten oder nicht filtrirten Harnes 0,04" hinzufügt. ß) Ausführung der Blutkörperchenmethode beim Harn. Die zweite Bemerkung gilt dem Aufsuchen der Grenzlüsung, bei welcher Farbstoff aus den Blutkörperchen austritt. Bei der grossen Verschiedenheit in der Zusammensetzung des Haines ereignet es sich nicht selten, dass jeder Hinweis für die Verdünnung fehlt, welche der Harn erfordern wird, um Farbstoffaustritt zu veranlassen. In diesem Falle ist es erwünscht, erst zu constatiren, wo ungefähr die betreffende Grenzlösung gelegen ist. Darum werden die folgenden Flüssigkeiten mit 5 Tropfen Blut versetzt: 5 cc unverdünnter Harn, 5 cc Harn + 2 cc Wasser, + 4 cc, + 6 cc, -|- 8 cc, + 10 cc, + 12 cc, 4^ 14 cc Wasser. Bereits eine Stunde nachher ist man im Stande, zu beurtheilen, wo ungefähr die Grenze liegen wird. Um diese Concentration kann man nun einige neue Verdünnungen anfertigen, welche einander näher liegen, d. h. Differenzen von 0,5 cc Wasser auf 5 cc Harn aufweisen. 2—3 Stunden nach Zusatz des Blutes zu diesem Gemische kann man Genauigkeit feststellen, wo beginnender Farbstoffaustritt vorliegt. Wenn nöthig, kann man diese Zeit noch durch Centrifugiren der Gemische wesentlich abkürzen. Hierzu kann man die zu den Muencke 'sehen Centrifugen gehörenden spitz auslaufenden Röhrchen, oder auch die trichterförmigen Röhrchen Blutkörperchen-Methode. 305 benutzen, welche ich früher angegeben habe [43] (vergl. Bd. I, S. 379). Eine halb- stündige P]inwirkung der Flüssigkeiten vor dem Centrifugiren genügt vollkommen; das Centrifugiren selbst ist bei einer Tourenzahl von 1600 nicht länger als eine Viertelstunde erforderlich. Nicht selten geschieht es, dass bereits der unverdünnte Harn Farbstoff- austritt aus den Blutkörperchen veranlasst. Es ist dann nothwendig, ihm eine bekannte Kochsalzmenge hinzuzufügen. Hierzu kann man zwei Wege einschlagen: entweder kann man eine bestimmte Menge Kochsalz in dem Harn auflösen oder eine bekannte Menge einer concentrirten Lösung hinzusetzen. Da man eine der- artige Lösung immer vorräthig halten kann, ist letztere Methode die einfachste. Ich führe von beiden je ein Beispiel an : In 100 cc des Harnes werden 0,3 g NaCl aufgelöst. Es stellt sich jetzt heraus, dass 5 cc Harn mit 2,5 cc Wasser verdünnt werden müssen, um Farbstoffaustritt herbeizuführen. Ein gleichartiger Farbstoffaustritt findet in einer 0,49 "/o igen NaCl- Lösung statt (Kaninchenblut). Der unverdünnte, mit NaCl versetzte Harn ist also 5 + 25 isotouisch mit einer NaCl-Lösung von -'~^- X 0,49 °/o = 0,735" o Von diesen 5 ' 0,735 °/o rühren 0,3 °/o von dem hinzugefügten Kochsalze her. Also war der ur- sprüngliche Urin (vor der Hinzufügung von NaCl) isotonisch mit einer NaCl-Lösung von 0,4350/0. Die entsprechende Gefrierpunkterniedrigung ist in der Tabelle zu finden oder auch leicht zu bestimmen. Gebraucht man — was am meisten zu empfehlen ist — statt NaCI in Substanz eine concentrirte NaCl-Lösung, so wird es immer genügen, 95 cc Harn mit; 5 cc einer ß^oigen NaCl-Lösung zu versetzen. Hat man hier z. B. zu 5 cc der also erhaltenen Flüssigkeit 2,5 cc Wasser hinzufügen müssen, um Farbstoffaustritt zu erzielen, so ist diese Flüssigkeit isotonisch mit einer Kochsalzlösung von ^—'^ X 0,49 = 0,735 0 0. Das hinzugefügte NaCl beträgt ~^~ = 0,3 g in 100 cc d. h. 0,3 0,0. Der ursprüngliche , jedoch mit 5 cc Flüssigkeit versetzte Harn ist also iso- tonisch mit einer NaCl-Lösung von 0,735 "0 — 0,3% = 0,435 >. Da aber 95 cc des Harnes mit 5 cc verdünnt waren, ist der ursprüngliche Harn isotonisch mit einer Kochsalzlösung von ^r^ X 0,435 = 0,458 °/o. Der Einfluss der Verdünnung von 95 cc auf 100 cc auf die Dissociation darf hier vernachlässigt werden. Gerade mit Rück- sicht hierauf habe ich lieber 5 cc NaCl-Lösung von 6°/o zu 95 cc Urin hinzu- gefügt, als 10 cc NaCl-Lösung von 3 "/o zu 90 cc Harn, obgleich die Möglichkeit, einen relativ bedeutenden Fehler zu machen , beim Abmessen von 10 cc Kochsalz- lösung kleiner ist als beim Abmessen von 5 cc Kochsalzlösung von 6 °/o. 7) Kritisches über die Berechnung des osmotischen Drucks aus den Ergebnissen der Blutkörperchenmethode. Die dritte Bemerkung ist eine rein kritische und bezieht sich auf die Berech- nung des osmotischen Druckes des Harnes aus den Resultaten der Blutkörperchen- methode, bei welcher Berechnung ich den Einfluss der mit der Verdünnung ver- knüpften Aenderung der Dissociation vernachlässigt zu haben scheine. Hamburger, Osmot. Druck. II. Band. 20 306 Neue Methode der osmotischen Harnanalyse. Ist es namentlich wohl erlaubt, darf man fragen, so zu rechnen, wie ich es unter ß (S. 302) that? Diese Berechnung erfolgte nach dem folgenden Schema: 5 cc Harn müssen mit 12 cc Wasser verdünnt werden, um Farbstoffaustritt aus den Blutkörperchen herbeizuführen. Dasselbe Blut zeigt beginnenden Farbstoff- austritt in einer NaCl-Lösung von 0,62%. Also ist der mit 240 "/o Wasser verdünnte Harn isotoniscli mit einer 0,62 "/o igen NaCl-Lösung. Gegen diese Scblussfolgerung ist nichts einzuwenden und der verdünnte Harn muss dieselbe Molecülzahl pro Liter enthalten wie die 0,62 '^'o ige Lösung. Eine andere Frage ist es aber, ob nun auch der unverdünnte Harn dieselbe Molecülzahl besass wie die 2,11 °/o ige NaCl-Lösung. Das wird nur der Fall sein, wenn der Harn bei seiner Verdünnung mit Wasser derselben Dissociationscurve folgte wie die 2,11 7» ige NaCl-Lösung. In aller Strenge ist dies freilich nicht richtig, denn der Harn enthält nicht nur NaCl, sondern auch Phosphate, Sulfate und andere Stoffe; weiter hat auch der Harnstoff als Nichtelektrolyt nicht bei jeder Verdünnung genau denselben P^influss auf die Dissociation der Elektrolyte. Das NaCl macht aber bei Weitem den Hauptbestandtheil der dissociablen Verbindungen im Harn aus. Ausserdem steht man hier denselben Verhältnissen gegenüber, wie bei der Bestimmung des osmotischen Druckes des Serums mittelst der Blutkörperchen- methode. Auch das Serum enthält neben NaCl noch Phosphate und Carbonate, welche einen von dem der NaCl etwas abweichenden Dissociationscoefficienten be- sitzen, und doch geht aus Gefrierpunktbestimmungen hervor, dass die Blutkorperchen- methode ganz entsprechende Resultate giebt. Dass ich endlich NaCl für die Bestimmung des osmotischen Druckes benutze und nicht z. B. NaNOs, dessen Dissociationscurve von der des NaCl nicht bedeutend abweicht, hat seinen Grund darin, dass bei der Anwendung von NaCl-Lösungen auch der Einfluss der Permeabilität der Blutkörperchen für Chlor-Ionen eliminirt wird. b) Zusammenfassende Beschreibung- der Methode. A. Gef rierpuliktbestimmung. Man kühlt den Harn ab , indem mau denselben einige Zeit in Eiswasser ver- weilen lässt oder in einer Kältemischung einige Minuten hin- und herbewegt. Als Kältemischung kann man natürlich die bereits für die Gefrierpunktbestimmung vor- räthige gebrauchen. Hat sich der Harn getrübt und will man den osmotischen Druck der Urate berücksichtigen, so centrifugirt man 15 cc des trüben Harns, hebt die klare Flüssigkeit völlig ab und benutzt sie zur Gefrierpunktbestimmung (A). Das Sediment wird in heissem Wasser gelöst, die Flüssigkeit auf 30 cc verdünnt und auch von dieser der Gefrierpunkt ö ermittelt. A -]- 2 ö entspricht dann dem Gefrier- punkte des Totalharnes. Für den Fall, dass man keine Centrifuge zur Verfügung hat, vergl. S. 304. Will man den Einfluss der Urate vernachlässigen , so filtrirt man den trüben " Harn und ermittelt die Gefrierpunkterniedrigung ohne Weiteres. Durch Addition der Correcturgrösse 0.04° zu dem gefundenen absoluten Werthe von A kann man dann aber der wahren Gefrierpunkterniedrigung doch noch sehr nahe kommen '). T-) Die Bemerkungen betreffs der Urate gelten natürlich nicht nur für meine Methode, sondern für die Gefrierpunktbestimmung des Harnes im Allgemeinen Zusammenfassende Beschreibung. 307 B. Blutkörperclienmetliode. 1. Reagensröhrchen gleicher Weite werden mit folgenden Mischungen beschickt: 5 cc des nach eventueller Ausscheidung des Urats filtrirten Harnes, 5 cc dieses Harnes + 2 cc Wasser, bezw. die gleiche Harnmenge + 4 cc, + 6 cc, -f 8 cc, + 10 cc, + 12 cc, -\- 14 cc Wasser. Hat man wenig Urin zur Verfügung, so kann man auch 2,5 cc und die entsprechenden Wassermengen nehmen, was vollkommen genügt. In jedes Röhrchen werden 5 Tropfen Kaninchen- oder Schweineblut getröpfelt und die Gemische umgeschüttelt. Nachdem dieselben während einer Stunde sich selbst überlassen sind, kann man constatiren, in welcher Flüssigkeit beginnender Farbstoifaustritt sich zeigt. Ist dies schon im ursprünglichen unverdünnten Urin der Fall, so müssen zu 95 cc Urin 5 cc einer 6 % igen NaCl-Lösung hinzugesetzt werden. 2. Nachdem man auf die soeben beschriebene Weise gefunden bat, wo unge- fähr die Grenzconcentration des Farbstoffaustrittes liegt, wird dieselbe genauer fest- gestellt. Die Differenzen der zu 5 cc Urin hinzugefügten Wassermengen betvagen hierbei höchstens 0,5 cc. Nach 2 — 3 Stunden haben sich die Blutkörperchen so weit abgesetzt, dass man genau beurtheilen kann, bei welcher Verdünnung Farbstoff auszutreten anfangt. Man kann diese Zeitdauer von 2 — 3 Stunden durch Centrifugiren bedeutend abkürzen. Doch müssen die mit Blut versetzten Flüssigkeiten vor dem Centrifugiren eine Viertelstunde sich selbst überlassen werden, damit die Flüssigkeit ihren Einfluss auf die Blutkörperchen völlig auszuüben Gelegenheit hat. Für das Centrifugiren genügt eine gewöhnliche , in klinischen Laboratorien gebräuchliche Muencke'sche oder Laute nschläge r 'sehe Centrifuge. Auch die dazu gehörigen Röhrchen eignen sich zu dem vorliegenden Zwecke. Die von mir angegebenen trichterföi'migen Röhrchen ^) kann man gleichfalls verwenden. (B I S. 379.) Zuweilen ist die Benutzung der Centrifuge sogar unhedingte Nothwendigkeit. So sieht man bei Anwendung von Pferdeblutkörperchen nicht selten oben eine klare gelbliche Schicht, dann folgt eine klare röthliche und dann eine trübe Blutkörperchen enthaltende Schicht. Offenbar geben die Blutkörperchen in den ersten 2 Stunden keinen Farbstoff ab, wohl aber später, nachdem sie sich bereits über eine gewisse Strecke gesenkt hatten. Man darf behaupten, dass die rothe Farbe unter der farblosen Schicht secun- därer Natur sein muss, weil das osmotische Gleichgewicht zwischen Blutkörperchen und Serum sich innerhalb einer Viertelstunde einstellt. Da aber der Uebergang von farblos in Roth nicht scharf ist, so kann diese Erscheinung bei der Bestimmung der Grenzverdünnung (bei welcher die ganze obenstehende klare Flüssigkeit röthlich sein soll) lästig werden. Daher ist es in diesem Falle entschieden besser, nach viertel- stündiger Einwirkung zu centrifugiren. Bei Anwendung von Schweineblut und Kaninchenblut habe ich diese Erscheinung beim Menschenharn nicht bezw. kaum beobachtet. 3. Zugleich mit der Ausführung von 1. und 2. werden je 15 cc verschiedener NaCl-Lösungen mit 5 Tropfen Blut versetzt. Benutzt man Schweineblut, so empfiehlt es sich, die folgende Serie aufzustellen : NaCl 0,52 «/o, 0,540/0, 0,56 "/o, 0,58 "o, 0,60 °/o, 1) Dieselben sind nicht mehr an der alten Adresse, sondern bei der Firma Franz Hugershoff in Leipzig zu haben. 20* 308 Gefrierpunkt des Blutes. 0,62 "/o. 0,640/0, 0,66 "/o, 0,68 0/0. Bei Verwendn;ig von Kaninchenblut arbeite man mit: NaCl 0,46 0/0, 0,48 "/o, 0,50 0/0 bis 0,60 «o. (Höhere Concentrationen sind fast niemals nöthig.) Es wird nun festgestellt, in welcher Lösung sich beginnender Farbstoffaustritt zeigt, oder besser gesagt, der Farbstoffaustritt gleiche Intensität wie im ersten Harn- Wassergemisch besitzt, das Hämoglobinverlust hervorruft. Die beiden Lösungen sind dann mit einander isotonisch und es lässt sich der osmotische Druck des unverdünnten Harnes, ausgedrückt in Chlornatriumwerth, auf einfache Weise berechnen (S. 301) ^). 4. Man sucht in einer Tabelle oder durch eigene Versuche die Uefrierpunkt- erniedrigung A,, welche der ebengenannten, durch die Blutkörperchenmethode ermittelten NaCl-Lösung zukommt. Dieselbe entspricht, wie gesagt, grösstentheils den anorganischen Bestandtheilen (Chloriden, Phosphaten, Sulfaten, CO2) des Harnes. Zieht man diese Gefrierpunkterniedrigung A, von der des filtrirten Harnes A ab, so resultirt eine Gefrierpunkterniedrigung A,,, welche denjenigen Bestandtheilen entspricht, die durch die Blutkörperchen nicht ausgewiesen werden, Stoffen also, die sich, wie Harnstoff", gleichmässig auf Blutkörperchen und Umgebung vertheilen. In Beziehung auf Zucker und Eiweiss enthaltende Harnsorten bemerke ich, dass bei der Blutkörperchenmethode beide Substanzen an der Feststellung des osmotischen Druckes betheiligt sind. Da dasselbe auch bei der Gefrierpunktmethode der Fall ist, so ergiebt auch bei den zucker- und eiweisshaltenden Urinen die Diffe- renz A — A,^= A„ die moleculare Concentration an Harnstoff" und analogen Substanzen, d. h. an organischen Stoff Wechselprodukten. Auf das elektrische Leitvermögen üben Zucker und Eiweiss keinen Einfluss aus. Wenn man von der osmotischen Concentration , welche dem Gefrierpunkte des Harnes entspricht, die dem Leitvermögen entsprechende subtrahirt, so repräsentirt diese Differenz nicht nur Harnstoff" und analoge Substanzen , sondern auch Zucker und Eiweiss. 4. Zusammenfassung von 1, 2 und 3; Schlussbetrachtung. A. von Koranyi war der erste, der osmotische und osmotisch- chemische Analysen von Harn und auch von Bhit ausführte, um daraus Schlussfolgerungen betr. pathologischer Zustände abzuleiten. v. Koranyi geht von der Erwägung aus, dass dem Körper bei der Nahrungsaufnahme beständig neue Moleküle zugeführt werden. Indem dieselben durch den Stoffwechsel grösstentheils einer tiefgehenden Spaltung anheimfallen, würden sie den osmotischen Druck von Blut- und Gewebe- flüssigkeit bald erheblich steigern, wenn nicht die Nieren regulirend einträten. Sind jedoch auch die Nieren insufficient geworden, so lässt sich erwarten, dass dei osmotische Druck der Blutflüssigkeit eine 1) Natürlich kann man den gefundenen Werth weiter analysiren und z. B. durch quantitative Chlorbestimmung ermitteln, wie viel wirkliche Chloride in diesem Werthe vorhanden sind. Niereninsufficienz. 309 bleibende Erhöhung erfährt, während dagegen der 24-stündige Harn weniger Moleküle enthält, als wenn die Nieren gesund sind. Diese Ausführungen von K o r a n y i 's bilden den Mittelpunkt, um den sich zahlreiche Untersuchungen Anderer gruppirt haben. Es scheint mir empfehlenswerth das Thema, dieser Gruppirung entsprechend, einer kritischen Besprechung zu unterziehen. a) Die Gefrierpuiikteriiiedrig-uiig" des Blutes. Ihre Bedeutung bei Niereninsufficienz, Cj anose, Urämie, allgemeinen Circulationsstörungen und für die Indieation der Nierenexstirpjition. a) Blutgefrierpunkt bei Niereninsufficienz. Es kann als feststehende Thatsache angesehen werden, dass die Blutflüssigkeit die Neigung besitzt, den osmotischen Druck constant zu erhalten. Das haben bereits meine Untersuchungen vom Jahre 1890 über die wunderbar rasche Wiederherstellung des wasseranziehenden Vermögens des Blutserums nach intravascularer Injection anisotonischer Lösungen nachgewiesen und seitdem sind diese Resultate auch nach verschiedenen anderen, künstlichen Veränderungen des osmotischen Drucks der Blutflüssigkeit vollkommen bestätigt worden. Diese Regu- lirung scheint der Mittelpunkt zu sein, um welchen sich alle anderen osmotischen Regulirungen und Auswechselungen bewegen und denen sie untergeordnet sind. Darin liegt, wie mir scheint, nichts Mystisches. Man denke nur an die allgemeine Verbreitung der Blutcapillaren bis in die entferntesten Winkel des Körpers und ihre ausserordentlich grosse Gesammtoberfläche, ferner an die Dünne ihrer Wand, drittens an die grosse Stromgeschwindigkeit des Blutes, mit welcher diejenige anderer Körperflüssigkeiten nicht in Vergleich kommt. Bedenkt man dann noch, dass auch der Blutstrom es ist, dem die directe Abfuhr von Stoff wechselproducten und fremden in den Körper eingeführten Stoffen fast ganz anvertraut ist (Nieren etc.), so kann es nicht Wunder nehmen, dass das Blut bei der Regelung des osmotischen Druckes die Führung hat. Das letzte Wort spricht das Blut in Uebereinstimmung mit den Nieren. Bereits 1895 (vergl. diesen Band S. 15 u. 16) habe ich gezeigt, dass nach intravenöser Injection hyperisotonischer Salzlösungen die ursprüng- liche wasseranziehende Kraft sich nicht wieder herstellt, wenn die Nieren entfernt sind. Die Blutflüssigkeit bleibt dann hyperisotonisch, indem Blut und Gewebeflüssigkeit das Uebermaass an Salz gleichmässig unter sich ver- teilen. Es tritt eine gleichmässige Hyperisotonie im ganzen Körper ein. 310 Gefrierpunkt des Blutes. die durch die Thätigkeit anderer Hilfseinrichtungen (Drüsen, Darmkanal), äusserst langsam sinkt. Diese Regelung des wasseranziehenden Vermögens der Blutflüssig- keit tritt nicht nur nach intravenöser Injection in Erscheinung, sondern auch nach Aufnahme der verchiedenartigsten Nahrung, im letzteren Fall aber nicht so räch wie nach intravascularer Einverleibung. Dies ist a priori klar. Denn bei der natürlichen Nahrungsaufnahme ist die Zufuhr zwar eine langsame, aber doch eine langedauernde. Wenn die Kost salzreich oder wasserreich war, so muss es möglich erscheinen, dass die von den Nieren besorgte Regulirung des osmotischen Druckes mit der beständig durch Zufuhr aus dem Darm herbeigeführten Gleich- gewichtsstörungen nicht gleichen Schritt hält und erst gegen Ende der Digestion oder noch später der osmotische Druck der Blutflüssigkeit zur Norm zurückgekehrt ist. Merkwürdigerweise vermisst man diese Ueberlegung selbst bei den Autoren, die aus der Gefrierpunkterniedrigung weitgehende Schluss- folgerungen für Diagnostik und therapeutisches Handeln ableiten. So setzt von Koranyi die Gefrierpunkterniedrigung des normalen mensch- lichen Blutserums ohne Weiteres —0.56°, Kümmel lässt sie zwischen 0,55° und 0,57" schwanken. Auf Zusammensetzung und Menge der Ingesta wird nicht geachtet. Ich will nicht behaupten, ausschliesslich hierin liege die Ursache, dass andere Autoren ganz abweichende und auch unter einander nicht übereinstimmende Depressionswerthe für das Blutserum gesunder Menschen erhalten haben [so z.B. Viola bei einem gesunden Studenten —0,59°, vergl. weiter B. I S. 503 ff.j, denn es können auch Vorsichtsmassregeln bei der Gefrierpunktbestimmung ausser Acht gelassen sein und wiederholte Parallelbestimmungen des Gefrierpunktes von Wasser und von l°/o-iger NaCl-Lösung hätten vielleicht manche Abweichung auf- klären können. (Vergl. B. I S. 95, 96 u. 455). Es ist aber meine Ueberzeugung, dass auch die Nichtbeachtung des Zeitablaufs zwischen der letzten Nahrungsaufnahme und der Blut- entziehung für den Mangel an Uebereinstimmung des Normahvertes ver- antwortlich gemacht werden muss. Als Herr Dr. Schonte an die Beantwortung der aus allgemein biologischem und aus klinischem Gesichtspunkt fundameiitaleu Frage herantrat, wie weit die Gefrierpunkterniedrigung des Blutserums beim normalen Menschen unter möglichst gleichen physiologischen Bedingungen einen constanten Werth besitzt, schlug ich ihm auf Grund obiger Er- wägungen vor, das Blut Morgens im nüchternen Zustand zu ent- nehmen. Dann musste der Digestionsprocess grösstentheils beendigt Niereninsufficienz. 311 sein und die Blutflüssigkeit den normalen osmotischen Druck /Airück- gewonnen haben. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes zeigte sich bei verschiedenen normalen Individuen die Depression zwischen 0,56 und 0,58 schwankend. Diese Resultate wurden mit Hülfe von parallelen Gefrierpunkt- bestimmungen von destilHrtem Wasser und von l'^/o-iger NaCl-Lösung erzielt. Ohne diese hätten dieselben viel grössere Schwankungen gezeigt. Vielleicht wären die letzteren noch kleiner ausgefallen, wenn die Per- sonen während einiger Tage in genau derselben Weise und auch Strenge vorbereitet gewesen wären. Im vorliegenden Fall hatten sie einen Tag vor der Blutentziehung Bettruhe und nahmen lediglich Milch und Eier auf, jedoch soviel sie bedurften, um Hunger und Durst zu stillen, also nicht dieselbe Menge. Dieses Resultat steht im Einklang mit dem von Koeppe mittelst seines Hämatokritverfahrens gewonnenen Ergebniss, dass der osmo- tische Druck des Blutes einer und derselben Versuchsperson nicht un- bedeutenden Schwankungen unterworfen ist. Er sah denselben nach Einnahme von viel Kochsalz erheblich steigen und nach Einnahme von viel Wasser bedeutend sinken. (Vergl. B, I S. 540 ff.) Zwar giebt sein Hämatokrit- Verfahren nicht Zahlen, deren absoluter Werth als richtig erachtet werden darf. (Vergl. auch Schonte [23].) Doch kann ihnen in relativem Sinne Bedeutung nicht abgesprochen werden. Auch Viola sah kurz nach dem Gebrauch von 20 g NaCl in 300 cc Wasser die Gefrierpunkterniedrigung von 0,582 bis 0,605 ansteigen. Im Lichte dieser Erörterungen müssen, wie mir scheint, die wieder- streitenden Angaben über die Erkennung von Niereninsufficienz aus den Abweichungen des Blutgefrierpunktes von dem des normalen Blutes be- trachtet werden. Während von Kori'myi, Richter und Roth, Albarran, Bousqet, M. Senator, Szili bei Nierenentzündungen stets eine Steigerung der Blutdepression constatiren, wird diese von Leon Bernard, Senator, H. Strauss u. A. nicht selten vermisst. Es ist indessen fraghch, ob im letzteren Fall nicht zuweilen Reten- tionen von Chloriden und anderen Stoffen seitens der normalen oder bereits als Oedem vorhandene Gewebs- oder Höhlentlüssigkeit verant- wortlich gemacht werden müssen. Nimmt der Patient dann eine ge- nügende Menge Wasser auf, so kann es sich ereignen, dass trotz der durch die Niereninsufficienz herbeigeführte Anhäufung von Molekülen der osmotische Druck der Blutflüssigkeit doch nicht steigt. Auch kann man sich vorstellen, dass die Niereninsufficienz sich nicht nur auf die Ausscheidung der gelösten Moleküle bezieht, sondern 312 Gefrierpunkt des Blutes. auch und in ungefähr gleichem Maasse auf das Wasser. Auch in diesem Falle ist noch ein normaler osmotischer Druck des Blutes während langer Zeit denkbar. Endlich ist es gar nicht unmöglich, dass auch die Darmresorption regelnd eintritt. Dass diese sich bei normalen Thieren nicht immer gleich verhält, wissen wir aus den vergleichenden Unter- suchungen von Koranyi und dessen Schülern über den osmotischen Druck des Blutes bei Kaninchen im Sommer und im Winter. Man sieht, die Sache liegt nicht so einfach und aus theoretischem Gesichtspunkt ist man nicht berechtigt, bei einer Niereninsufficienz immer eine Zunahme der Gefrierpunkterniedrigung des Blutes zu erwarten. Auf Grund des eben Erwähnten wäre es von grosser Wichtigkeit, wenn sich bei der Untersuchung nach einer Niereninsufficienz herausstellt, dass die Gefrier- punkterniedrigung normal geblieben ist, auch zu er- mitteln, ob das Flüssigkeits Volumen des Blutes zuge- nommen hat, m, a. W. ob das Volumen der Blutflüssigkeit sich gegenüber dem der Blutkörpercheu vermehrt hat. ß) Blutgefrierpunkt bei Urämie. Obgleich von Koranyi Fälle von Urämie beobachtet hatte, bei denen die Gefrierpunkterniedrigung nicht zugenommen hatte, meint Linde mann doch eine beträchtliche Gefrierpunkterniedrigung als charakteristisch für Urämie ansehen zu müssen. Es wurde dies aber von H. Senator, M. Senator, Kövesi und Roth-Schultz auf Grund des Vorkommens von Urämiefällen be- stritten, die ohne Gefrierpunktverminderung des Blutes einhergingen. Durch die Beobachtungen der letzteren Autoren und derjenigen von Koranyi wird also Linde mann 's Ansicht, dass die urämischen Erscheinungen durch Hyperisotonie entstehen, hinfällig. Diese Schlussfolgerung wird noch durch die Thatsache gestützt, dass es niemals gelungen ist, durch intravasculare Einverleibung stark hyperisotonischer Salzlösungen bei Thieren, denen die Nieren kurz zuvor entfernt waren, die Urämie-Er- scheinungen hervorzurufen. Um die Abwesenheit einer Depressionszunahme bei Urämie ver- ständlich zu machen, stellt sich von Koranyi vor, dass es sich bei der Urämie um die Retention giftiger Moleküle handelt, die wegen ihrer Grösse die Gefrierpunkterniedrigung nicht merklich beeinflussen. Diese Ansicht wurde von Couvee bestritten, weil er bei der Einver- leibung von Organsuspensionen von Thieren, die an LTrämie gestorben waren, bei anderen Thieren, deren Nieren kurz zuvor entfernt waren, Urämie. 313 keine urämischen Erscheinungen hervorzurufen im Stande war. Doch ist meines Erachtens auf Grund dieser Versuche, die Retention giftiger Stoffe als Ursache der Urämie nicht ganz in Abrede zu stellen. Man darf die Möglichkeit nicht verkennen, dass die giftigen Substanzen labiler Natur sind, d. h. leicht einer Zersetzung anheimfallen. Diese Annahme hat nichts Befremdendes, wenn man bedenkt, dass mehrere Thatsachen aus der Physiologie derartige Stoffe postuliren. Man denke z. B. an die Athembeschleunigung durch Muskelarbeit. Nach Geppert und Zuntz [49] handelt es sich hier nicht um eine Anhäufung von COg, denn es lässt sich nachweisen, dass diese nicht auftritt. Im Gegentheil : es findet Uebercompensation, d. h. eine Zunahme des Sauerstoffgehalts statt. Geppert und Zuntz gelangen zum unabweisbaren Schluss, dass es sich hier um bei der Muskelarbeit entstandene Stoffwechselproducte handelt, die das Athmungscentrum zu erhöhter Thätigkeit anregen. Diese Stoffwechselproducte erweisen sich jedoch als so labiler Natur, dass es nicht gelingt, durch intravenöse Einspritzung von Blut oder Harn von Thieren, die schwere Muskelarbeit verrichtet hatten, bei Thieren, die geruht hatten, Athmungsbeschleunigung herbeizuführen. So lässt es sich auch denken, dass, als Couvee das Organinfus injicirte, die giftigen Substanzen bereits zersetzt waren. Eine gleichartige Anschauung würde auch für die Eklampsie gelten, bei der ebenfalls eine Zunahme der Gefrierpunkterniedrigung ver- misst wurde und ebenso für die bei Kühen vor und nach der Entbindung vorkommenden eklampsieähnlichen urämischen Erscheinungen, die man mit K a 1 b s k r a n k h e i t bezeichnet. Auffallender Weise werden durch diese Krankheit gesunde, kräftige Thiere, mit strotzend mit Milch ge- füllten Eutern befallen. Ich schliesse mich ganz der Hypothese Thomassens an, nach welcher es sich hier um eine Autointoxication handelt, die dadurch entsteht, dass bei der Milchanhäufung giftige Zer- setzungsproducte auftreten. Bei dieser Auffassung braucht man auch nicht die Anforderung zu stellen, dass bei der Urämie der osmotische Druck des Blutes in merkbarem Grade gesteigert sei. Denn nach meiner Anschauung hängen die urämischen Erscheinungen in erster Linie von der Qualität und nicht von der Quantität der zurückgehaltenen Moleküle ab. Bei verschiedenen Personen wird unter übrigens gleichen Umständen die Production ge- rade der giftigen Stoffe nicht dieselbe sein. Man denke nur an die Obstipation. Es giebt Menschen, die selbst bei notorischer Zersetzung des Darminhaltes (Diarrhoe) kaum etwas anderes erfahren, als dass der Appetit etwas abgenommen hat. Andere pflegen schon bald Kopfschmerz, 314 ■ Gefrierpunkt des Blutes. wieder Andere Schwellung der Pharynxschleimhaut, noch Andere Haut- eruptionen zu bekommen etc. Unz weifelbar handelt es sich hier um im Darmkanal gebildete giftige Stoffe, die bei einem und demselben Indi- viduum selbst bei Einnahme derselben Nahrung nicht dieselben zu sein brauchen, ebensowenig wie es thatsächlich die specifischen Riechstoffe sind, die jede Person für sich producirt, und die doch Hunde unter- scheiden können. Damit will ich nicht aussagen, dass die Nahrung auf die Natur der Zersetzungsproducte keinen Einfluss hat, im Gegentheil ; wie würde man es sonst erklären , dass von zwei der genannten bei derselben Person vorkommenden Obstipationserscheinungen einmal die eine, dann wieder die andere auftritt. Es braucht nach dieser Anschauung kein Wunder nehmen, dass mit der Retention des eigentlichen urämischen Giftes keine Retention einer so grossen Anzahl anderer Moleküle einhergeht, dass der osmotische Druck des Serums bedeutend gesteigert zu sein braucht, und umgekehrt ist es auch nicht unbedingt nothwendig, dass mit einer erheblichen Zunahme der Molekülzahl auch die Bildung gerade der giftigen Stoffe einhergeht und also eine entsprechende Anhäufung damit Hand in Hand geht. y) Blutgefrierpunkt bei allgemeinen Circulationsstörungen. Bei seinen Untersuchungen über die Gefrierpunkterniedrigung des Blutes ist von Koränyi auf eine Zunahme aufmerksam geworden, welche nicht auf Niereninsufficienz zurückzuführen war. Diese Zunahme der Gefrierpunkterniedrigung, welche mit einer Abnahme des Chlorgehalts einherging, wurde bei incompensirten Zuständen beobachtet. Mit Recht führte von Koränyi diese Erscheinungen auf die von mir gefundenen und von v. Limb eck und manchen Anderen bestätigte Thatsache zurück, dass beim Durchleiten von COg durch Blut der Gehalt des Serums an Chlor abnimmt, während der an Alkali, Eiweiss und anderen Stoffen zunimmt, Veränderungen, die nach Einwirkung von Sauerstoff wieder aufgehoben werden. So sieht man nach COg-Durchleitung auch die Gefrierpunkterniedrigung zunehmen, um bei Austreibung der COg wieder zu fallen. Diese Thatsachen, insbesondere die Umkehrbarkeit der Prozesse, hat von Koränyi mit seinem Schüler Koväcz in zweifacher Richtung benutzt. Erstens findet er darin ein Mittel, um die durch Niereninsuf- ficienz hervorgerufene Steigerung des osmotischen Drucks des Blutserums von der durch Cyanose verursachten zu unterscheiden. Hierzu braucht er nur durch das Blut in vitro Sauerstoff zu leiten. Bleibt die Ge- Allgemeine Circulationstöriing. Funktionsprüfung der Nieren. 315 frierpunkterniedi'igung unverändert, so liegt eine Niereninsufficienz zu Grunde, kehrt dagegen die Depression zur Norm zurück, so war Cyanose die Ursache. Eine unvollkommene Rückkehr weist auf eine Combination von Herz- und Niereninsufficienz hin. In zweiter Linie hat von Koranyi auch die genannte Umkehr- barkeit aus direct therapeutischem Gesichtspunkt benutzt, indem er die Blutzusammensetzung von cyanotischen Patienten durch Sauerstoff- inhalationen verbesserte. Durch den dabei stattfindenden Uebertritt von Wasser aus den Blutkörperchen in das Plasma, wurde die Strömungs- geschwindigkeit verbessert, das Herz arbeitete kräftiger, die Diurese nahm zu und die Oedeme verringerten sich. Auffallender Weise hielten diese günstigen Wirkungen noch lange Zeit nach den Inhalationen an, eine Erscheinung die von Koranyi nicht deuten konnte. Ihre Er- klärung scheint mir aber unter anderem darin zu liegen, dass man es hier nicht einfach mit einem Austausch von Bestandtheilen zwischen Blutkörperchen und Plasma in einem impermeabeln Gefässsystem zu thun hat, sondern mit einem neuen Gleichgewichtzustand, an dem auch die Gewebsflüssigkeit betheiligt ist. Droht eine Compensationstörung in der Blutbahn aufzutreten, so tritt die Gewebflüssigkeit regulirend ein, bis auch diese nicht mehr zur Compensation im Stande ist. Haben die Sauerstoftnihalationen also den Zustand in Blutbahn und Geweben ver- bessert, so kann man mit diesen Inhalationen wieder einige Zeit nach- lassen, bevor Blut und Gewebflüssigkeit wieder in den ungenügenden Zustand verfallen. Ausserdem wird, wie auch von Koranyi hervor- gehoben hat, durch die verbesserte Ernährung des Herzens die Compen- sationstörung verschoben. 6) Blutgefrierpunkt und Indication zur Nierenexstirpation. Eine hohe praktische Bedeutung gewinnt die Gefrierpunkternied- rigung des Blutes in den Ausführungen von H. Kümmel. Es ist eine längst bekannte Thatsache, dass bei Erkrankung oder Abwesenheit einer Niere, die andere, wenn sie gesund ist, die Function der fehlenden ganz übernehmen kann. Angesichts der Regelung des osmotischen Drucks des Blutes wurde dies von v. Koranyi und von Richter und Roth streng bewiesen. Diese Autoren sahen bei Kaninchen, denen eine Niere entfernt war, der osmotische Druck des Blutes unver- ändert bleiben, um dann bei Schädigung der zurückgebliebenen Niere anzusteigen. Dementsprechend gilt für Kümmel ein Zunehmen der Gefrierpunkterniedrigung des Blutes über die Norm (0.55 — 0,57 ") als 316 Gefrierpunkt des Harns. Beweis, dass beide Nieren krank sind und er geht, wenn nicht sonst zwingende Gründe vorliegen, nicht zur Exstirpation einer der beiden Nieren über. Ist dagegen der Gefrierpunkt des Blutes normal, so hält er sich für berechtigt, die kranke Niere zu entfernen. Durch Katheterisiren der beiden Ureteren kann man sich dann noch weiter über die Thätigkeit der einzelnen Nieren informiren^), näm- lich durch quantitative Bestimmung des Stickstoffs, durch die Ermittlung der Gefrierpunkterniedrigung des Harns und den Nachweis von Zucker in demselben (vergl. insbesondere Casper und Richter [50]). Kümmel hat für die von ihm aufgestellten Regel ein so grosses und schönes Beweismaterial geliefert (265 Fälle), dass es fasst vermessen erscheint, durch Einwände die niemals fehlende Richtigkeit dieser Regeln in Frage zu stellen. Doch fragt man sich, wie Kümmel solche schön überein- stimmenden Resultate für die Gefrierpunkterniedrigung des Blutes bei vollkommener Compensation der Nierenthätigkeit bekommen hat, während aus seinen Ausführungen weder hervorgeht, dass er auf Zusammensetzung und Menge der Nahrung, oder Zeit der Blutentnahme geachtet hat, noch bei ihm die Rede ist von Parallelgefrierpunktbestimmungen von Wasser und 1 °/o-iger Kochsalzlösung. Hat er vielleicht doch, ohne es mitzutheilen, alle diese und auch andere Vorsichtsmassregeln eingehalten? Kümmel selbst erachtet es indessen nicht für unmöglich, dass die von ihm angegebenen Normalgrenzen später von Anderen noch ein- mal verschoben werden können. Man könnte hinzufügen : vielleicht wird sich herausstellen, dass die Regel überhaupt dann und wann fehlschlägt. Fast jedes Diagnosticum, auch das, was sich später als ein treffliches bewährt, macht eine schwere Zeit durch. Wenn die Kliniker einige Male Misserfolg haben , so sind Viele unter ihnen sofort geneigt , dem Diagnosticum ihr Vertrauen zu versagen und selbst jeden Wert abzu- sprechen. Ich möchte aber fragen, wie viel Diagnostica besitzt man dann wohl, die für eine bestimmte Krankheit so pathognoraonisch sind, dass man ausschliesslich auf dasselbe ohne Zuhilfenahme von andern Diagnosticis die Natur einer Krankheit feststellen darf und eingreifende therapeutische Handlungen darauf zu stützen berechtigt ist. Lehrt nicht fast jede Seite der Geschichte der klinischen Wissen- schaften, dass — nachdem man bei einer Krankheit einem neuge- fundenen Symptom oder Merkmal anfangs eine exclusive diagnostische 1) Zu demselben Zweck sind von F^uys und Anderen Apparate, sogen. Harn- scheider, vorgeschlagen worden, die es durch das Anbringen einer Scheidewand in der Blase ermöglichen, den beiderseitigen Harn separat aufzufangen. Nothwendigkeit einer bestimmten Versuchskost. 317 Bedeutung zugeschrieben hatte — bei fortgesetzter Erfahrung das- selbe Symptom auch bei andern Krankheiten in mehr oder weniger ausgesprochenem Grade aufgefunden wurde, aber dennoch in Vereinig- ung mit andern Symptomen schliesshch von unschätzbarem Werth blieb? Der gewöhnliche Gang ist anfangs Ueberschätzung, dann folgt Unterschätzung, bis endlich das Symptom oder Merkmal seinem richtigen Werthe nach geschätzt wird. So wird es auch liier mit der Gefrier- punkterniedrigung des Blutes gehen. b) Gefrierpunkt des Harns. Während die Gefrierpunkterniedrigung einer einzelnen Harnentleer- ung schwanken kann zwischen — 0,12° und — 3°, bewegen sich die des 24 stündigen Harns innerhalb engerer Grenzen. Von Koränyi giebt als Grenzen bei gewöhnlicher Nahrung —1,30'^ uud — 2,20" an. Bugarszky —1,402° und -2,145°, Lindemann -1,30° und -2,39', in seltenen Fällen -0,90° und —2,73°, Roth —0,80° und —1,93°, Albarran —1,5° und 2°, H. Kümmel —0.9° und —2°, u. s. w. Man sieht, die Grenzen weichen bei den verschiedenen Autoren nicht unbedeutend von einander ab. Dies kann auch kaum anders sein. da doch die Nieren beauftragt sind eben dasjenige zu entfernen, was im Blute überflüssig ist, und dieses Ueberflüssige ganz von dem abhängt, was wir willkürlich aufnehmen! Bei dieser Sachlage halte ich es nicht für erlaubt, aus einer Gefrierpunkterniedrigung, welch e unter einer der an- gegebenen Minimalgrenzen gelegen ist, auf eine Insuf- ficienz der Nieren zu schliessen. Nur unter einer Bedingung scheint mir das gestattet: Man müsste sich über ein genau bestimmtes Kostmass verständigen, das man vor der Untersuchung reicht. Dasselbe kann eine willkürliche Zusammensetzung haben, und auch die Quantität kann eine willkürliche sein. Hat man es aber einmal angenommen, so soll man keine Aenderung mehr einführen. Dieses Kostmass soll der zu untersuchenden Person nicht nur einen Tag, sondern wenigssens vier Tage gegeben werden, weil dasjenige, was die Versuchsperson am vorangehenden Tag aufge- nommen hat, nicht ohne Einlluss auf die Abscheidung am folgenden sein kann. Es ist nothwendig, dass die vorangehenden Ernährungsweise eliminirt wird. Unter diesen Umständen lässt sich erwarten, dass für normale Personen die Minimalgrenzen nicht mehr soweit von einander abweichen werden. Es wird dann ein Absteigen unter das Minimum 318 Gefrierpunkt des Harns. besser als bisher zu einer Schlussfolgerung auf genügende Nierenthätig- keit berechtigen. Ausserdem unterlasse man nicht die moleculare Diurese zu er- mitteln, d. h. die totale, während 24 Stunden abgeschiedene Molekülzahl. Man erhält dieselbe durch Multiplication von Depression mit Harnmenge. Man kann dieses Product in Kochsalz ausdrücken, d. h. berechnen, wie viel Kochsalzmoleküle in dem betreffenden Flüssigkeitsquantum dieselbe Gefrierpunkterniedrigung herbeiführen würden. Von Koranyi nennt diese Zahl Kochsalzäquivalent, Strauss Valenzzahl. Claude und Bal- thazard berechnen diesen Werth auf 1 kg Körpergewicht. Obgleich man nach meiner Ueberzeugung bei Berücksichtigung einer vollkommen gleichen Nahrung die Schwankungen im Kochsalzäquivalent bei gesunden Menschen kleiner finden wird als 30—50 (von Koranyi), so erwarte ich doch nicht, dass Schwankungen ganz ausbleiben werden. Der Antheil des Darmkanals und der Haut an den Ausscheidungen bei verschiedenen gesunden Personen, die unter gleichen physiologischen Bedingungen (Lebensweise) verkehren, ist keineswegs derselbe. Schliesslich weise ich noch darauf hin, dass es ausser dem genannten Grund für die Ausdehnung des Versuches über mehr als 24 Stunden noch einen anderen giebt. Es ist nämlich nicht gleichgültig, wann man den Versuch (erste Harnentleerung) anfängt. Nimmt man das Mittel von verschiedenen Tagen, so wird diese Schwierigkeit eliminirt. Die Berücksichtigung der Nahrung bei der Gefrierpunktbestimm- ung ist überflüssig, wenn es sich lediglich um eine Vergleichung der Functionsfähigkeit der beiden Nieren eines und desselben Individuums handelt, wie dies von Kümmel auch als werthvolles Hilfsmittel bei der Indication der Nierenexstirpation vorgeschlagen wurde. Das Gleiche gilt auch , wenn man statt der Gefrierpunkterniedrigung der beider- seitigen Harne, deren elektrische Leitfähigkeit ermittelt, ein Verfahren das — es sei beiläufig bemerkt — vor der Gefrierinmktbestimmung voraus hat, dass man mit 3 cc Harn ausreicht, während man für die Depressionsbestimmung wenigstens 10 cc braucht. Wo der Harn durch üreterenkatheterisirung aufzufangen ist, ist das von nicht unwesent- licher Bedeutung. Die Anwendung der Leitfähigkeitsbestimmung zu diesem Zweck wurde von Loewenhardt vorgeschlagen und auch von Fritz Engelmann mit Er- folg benutzt. Die Anwendung der Leitfähigkeit für Harnuntersuchung überhaupt wurde bereits 1892 von Turner in Vorschlag gebracht. Beziehungen zum Kochsalzgehalt. 319 c) Beziehungen zwischen (lefrierpunkterniedrigung- und andern Werthen. Qefrierpunkterniedriguog _ A "' Procentgehairdes NaCI " NaCL In erster Linie ist von diesen Beziehuneen „ „, zu erwähnen, d. h. ° NaCl der Quotient aus der Gefrierpunkterniedrigung des 24 stündigen Harns und dessen procentischem NaCl-Gelialt. Dieser Werth soll sich für den gesunden Menschen, der sich genügend und in üblicher Weise ernährt und während der Zeit der Untersuchung ein ruhiges Leben führt, nach von Koränyi zwischen 1,23 und 1,69 bewegen. Da seiner Auf- fassung nach , das NaCl des Glomerulussecretes in den Harnkanälchen sich gegen im Blut vorhandene nicht chlorhaltige Moleküle austauscht und zwar in äquimolecularem Verhältnisse, so muss der Chlorgehalt des J Harns umsomehr abnehmen und somit ^t^^-p^t umsomehr zunehmen, ie NaCl "^ längere Zeit diesem Austausch gegönnt vrird. (Vergl. oben S. 250.) Aus diesem Gesichtspunkt hat von Koränyi die Aenderungen von erklärt, die unter verschiedenen experimentellen Einflüssen und patho- NaCl logischen Zuständen auftreten. So war ^^--t^, nach Zugabe eines Diu- "= NaCl " reticums, nämlich Diuretin gesunken, weil der NaCl-Gehalt durch die schnelle Abfuhr des Glomerulussecretes (nach ihm einfach eine NaCl- Lösung) zugenommen hatte. So war ^^r~7=ri bei Kaninchen während der Vormittagstunden klein NaCl ° und erreichte in der Nacht das Maximum. Diese Resultate seiner Schüler Fisch und Kovacs führt er darauf zurück, das die Strömunngs- geschwindigkeit des Blutes in den Vormittagsstunden zunimmt, um in der Nacht zu sinken. Nun bedeutet eine grosse Strömungsgeschwindigkeit des Blutes im allgemeinen auch eine bedeutende Strömungsgeschwindig- keit in den Glomerulis und in Folge dessen kräftigere Secretabscheidung, schnellere Strömung durch die Harnkanälchen und hierdurch wieder verminderte Gelegenheit zum Austausch. Daher muss in den Vormit- tagstunden NaCl gross und ,> /Ti klein gefunden werden. Dieses ° ^ ^aCl '^ Resultat wurde beim Hungerkünstler Succi bestätigt und beweist, dass Nahrungsaufnahme hier nicht die Ursache sein kann. Per exclusionem 320 Gefrierpunkt des Harns. sind nach von Koränyi Circulationsverlaältnisse verantwortlich zu machen. Dass ^T-7Tf bei drei Personen, die an einer Ruderregatta theilnahmen NaCl ° am Tage des Wettkampfes nach von Koranyi auffallend gross war, während die abgeschiedene Molekülzahl eine erhebliche Verminderung erfahren hatte, führt der Autor auf eine Abschwächung der Nieren- circulation in Folge des ausserordentlich grossen Blutverbrauchs seitens der Muskeln zurück. Hieraus folgte ein ausgiebiger Uebergang von NaCl in die Blutbahn, und eine Zunahme von ^^^ „,. JNaCl Die grösste Bedeutung von „ ^. ist zweifellos in der ^ ° NaCl Anwendung dieses Quotienten bei der Diagnose und Behand- lung von Herzkranken zu erblicken, wie sich aus folgender Aeusserung des Autors entnehmen lässt. ,,Sie (die betreffenden Untersuchungen) führten zu Ergeb- nissen, welche mich mit der Ueberzeugung erfüllen, dass die Untersuchung eines Herzkranken unvollständig ist, solange der Gefrierpunkt und der Kochsalzgehalt des Harnes nicht bestimmt wurden. Besonders gilt dies im wichtigsten Stadium der Herzkrankheit, wo die Mittel des Organismus bereits mangel- haft den Ansprüchen entsprechen, welche zur Erhaltung der normalen Circulationsgeschwindigkeit trotz des Herzfehlers erfüllt werden müssen und wo diese Mangelhaftigkeit, wenn sie früh genug erkannt wird, durch therapeutische Maassnahmen noch leicht beseitigt werden kann." Der Verfasser führt dann aus, dass bei incompensirten Herzfehlern in Folge der verlangsamten Nierencirculation eine Abnahme der Harn- abscheidung auftritt. Dieser Harn hat, so lange die Nieren trotz der Stauung gesund sind, eine abnorm hohe Gefrierpunkterniedrigung (Hyper- sthenurie); denn das Glomerulussecret hat wegen seiner langsamen Be- wegung durch die Harnkanälchen viel Gelegenheit Wasser abzugeben. Nur wenn die Epithelien erkrankt sind, ist diese Thätigkeit beeinträchtigt und kann die Gefrierpunkterniedrigung sehr gering sein (Hyposthenurie). Eine zweite Folge der Stauung in den Nieren ist die Ausscheidung einer geringeren Anzahl fester Moleküle als in der Norm (moleculare Oligurie). Sehr viel Gewicht vermag von Koränyi aber auf die Grösse der mole- cularen Diurese nicht zu legen, weil sie auch in gesunden Zeiten stark variirt. Ebensowenig kann er der Hypersthenurie eine grosse Bedeutung für die Diagnose von Nierenstauung beimessen. Beziehungen zum Kochsalzgehalt. 321 Das wichtigste Symptom der Nierenstauung ist aber der hohe Werth von^, -p^ (relative Oligochlorurie). Nach dem Ver- fasser entsteht dieselbe dadurch, dass in Folge der Verlangsamung des Harnstroms in den Harnkanälchen, die normale Grenze des Austausches zwischen den chlorhaltigen Molekülen des Glomerulussecrets und den nicht chlorhaltigen Molekülen des Blutes überschritten wird. Solange Compensation des Herzfehlers besteht, bleibt <,-.,, nor- ' NaCl mal. Wird aber durch angestrengte Arbeit die Compensation gestört, so steigt YTri ^^^- ^" diesem Experiment besitzt man ein ausgezeichnetes Mittel, Herzfehler, die in Folge von Compensation nicht zu Tage treten, auf bequeme Weise zu erkennen. Weiter hat man in der Bestimmung von cv— p^ ein Mittel, die Maximalarbeit zu ermitteln, die man einem NaCl ' ' Herzkranken verrichten lassen darf, ohne Compensationstörung herbei- zuführen. Für die Behandlung, welche die Thätigkeit des Herzens zu unterhalten (befördern) bezweckt, ohne Nachtheile zu verursachen, ist also die Controlirung von v^^^ von grossem Werth. ^ NaCl ^ Noch ist dem Vorstehenden hinzuzufügen, dass nach von Koränyi bei beginnender Herzinsufficienz ,^-7,1 anfangs zunimmt (relative mole- ° NaCl ^ ^ culare Oligochlorurie) und dass erst bei einem weitern Sinken der Ge- schwindigkeit des Blutstroms moleculare Oligurie (Abnahme der mole- cularen Diurese) und Hypersthenurie (Zunahme der Gefrierpunkternied- rigung) zum Vorschein kommen. Fehlt die Hypersthenurie in diesen Fällen, so ist, wie schon bemerkt wurde, auf eine secundäre Erkrankung der Nieren zu schliessen. Ohne die Bedeutung dieser Resultate für praktische Zwecke unter- schätzen zu wollen, erlaube ich mir doch hervorzuheben^ dass mir die Erklärung für die Steigerung des Werthes von ^ ,,. bei incompensirten Herzfehlern, lediglich durch NaCl- Verlust, zu einfach vorkommt. Man darf sich fragen, ob zu dieser Steigerung nicht beiträgt: 1. Die Erhöhung der Gefrierpunkterniedrigung (z/), die auch von Koränyi selbst beobachtet wurde. 2. die Abnahme des Cl-Gehalts im Serum. Es ist ja bekannt, dass bei Kohlensäureanhäufung im Blut, das Serum (Plasma) Chlor an die Hamburger, Osmot. Druck. II. Band. 21 322 Gefrierpunkt des Harns. Blutkörperchen abgiebt. Ist der Cl-Gehalt des Blutserums kleiner ge- worden, so wird auch der Cl-Gehalt des Harns kleiner werden. Man siebt, dass die Steigerung des Werthes von ^^ ^,, nicht aus- ^ '' NaCl schliesslich auf ein durch molecularen Austausch herbeigeführtes Ver- schwinden von NaCl aus dem Glomerulessecret zurückgeführt werden darf. Um dann weiter in entsprechender Weise den steigernden Ein- fluss von Muskelarbeit auf ^r -ftt bei Herzkranken zu deuten, hat man ^aCl ' noch daran zu denken, dass durch den vermehrten COg-Gehalt des Blutes, der Chlorgehalt des Blutplasma noch weiter abnimmt. Ferner scheint es mir willkürlich und gewagt, die Glomeruli bloss Wasser und Chloride, aber keine anderen Salze, wie Sulfate und Phos- phate abscheiden zu lassen. Wie von Koranyi selbst ausgeführt hat, werden auch die nichtchlorhaltigen Moleküle, und zu diesen gehören doch die Sulfate und Phosphate, vom Blute an den Harnkanälcheninhalt abgegeben. Ferner wird auch die Geschwindigkeit des Blutstroms in den die Harnkanälchen umspinnenden Filutgefässen an keiner Stelle in Betracht gezogen. Dagegen weist von Koranyi bei der Besprechung der Grösse des Austausches, der Strömungsgeschwindigkeit des Harns einen grossen EinÜuss bei. Ich habe gegen von Koran vis Deutung von ^-j--— 7 noch mehr Be- ^ ^ ^ "= NaCl denken und darunter schwerwiegende. Der Kürze halber verweise ich auf S. 259, 268 ff. und insbesondere auf die Zusammenstellung auf S. 271 ff. Die Bemerkungen betreffs t^-ttt gelten grösstentheils auch für die ° NaCl ^ ^ Ausführungen von Claude und Balthazard. Diese Autoren ermitteln , T.T ^1 , also das Verhältniss zwischen allen im Harn vorhandenen Mole- z/-NaCl külen und den darin anwesenden sogenannten molecules elaborees (S. 273), und wollen hieraus entsprechend von Koranyi den Grad des Aus- tausches erweisen. Der normale Werth bewegt sich zwischen 1,50 und 1,70. Je langsamer der Harn sich durch die Kanälchen bewegt, desto grösser ist der Austausch zwischen dem NaCl des Glomerulussecrets und den nicht-chlorhaltigen Molekülen, desto kleiner wird somit , ^^ ^, . Solch ^-NaCl ein langsames Abfliessen von Harn durch die Harnkanälchen weist bei gesunden Nieren auf eine mangelhafte Blutcirculation hin, der folglich Beziehungen zur elektrischen Leitfähigkeit. 323 auch eine Abnahme der molecularen Diurese entspricht. Die Verfasser geben an, dass der Grad des durch -t^^ttt angedeuteten Molecular- austausches und die moleculare Diurese bei gesunden Nieren parallel gehen. Sie haben eine Tabelle zusammengestellt, in welcher die in 24 Stunden abgeschiedene Gesammtmolekülzahl (moleculare Diurese) pro kg Körpergewicht, weiter der Werth von -7vr~nr ^^^^ endlich die in 24 z7-xsaül Stunden abgeschiedenen Molecules elaborees, angegeben sind (S. 274). Wenn die Menge, die Gefrierpunkterniedrigung und der Chlorgehalt des 24-stündigen Harns sowie das Körpergewicht ermittelt sind, soll sich aus dieser Tabelle entnehmen lassen, ob die Blutcirculation in den Nieren genügt und auch ob die Niere bei genügender oder ungenügender Circu- lation gesund ist. lieber den Gebrauch der Tabelle vergl. S. 275). Das erscheint sehr bequem und elegant! Aus theoretischen Gesichtspunkten sind aber, wie aus Obigem her- vorgeht, eine Fülle von Einwänden zu erheben und es ist kaum zu erwarten, dass die Vorstellung selbst den gröberen praktischen An- forderungen genügen wird. Dem von Claude und Balthazard ange- gebenen Parallellismus zwischen molecularer Diurese und molecularem Austausch in den Harnkanälchen widersprechen bereits die Ergebnisse von von Koränyi bei Herzkranken mit gesunden Nieren (vergl. S. 321 ff.). Vor allem muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Werthe für /xT /,i in Claude und Balthazards Tabellen falsch berechnet sind .//-NaCl und dass die richtigen Zahlen die Schlussfolgerungen der Autoren nicht rechtfertigen (vergl. S 275). s Gefrierpunkterniedrigung A ^' Specifisclie Uitfähigkeit^ ^ Ä = Constans. Bekanntlich sind es die Elektrolyte, die den Strom leiten und also die Leitfähigkeit einer Flüssigkeit bestimmen. Im Harn sind bei Weitem die meisten Elektrolyte anorganischer Natur und es kann l als ein ungefähres Maass der im Harn vorhandenen anorganischen Substanzen gelten. Roth hat nun die Leitfähigkeit des Harns ermittelt und weiter festgestellt, welche NaCl-Lösung dasselbe Leitvermögen besitzt. Der Quotient aus der Gefrierpunkterniedrigung des Harns und der so gefundenen NaCl-Lösung bewegte sich für verschiedene Harne von ..nor- malen" Menschen zAviscben 0,94 und 1.25 und zeigte im Mittel den Werth 1,09. „Dieses constante Verhalten bedeutet, dass die elektro- 21* 324 Gefrierpunkt des Harns. lytischen Moleküle im normalen Harn einen nahezu constanten Bruch- theil der gesammten molecularen Concentration bilden, m. a. W.: es ist die Proportion der im Harn gelösten organischen und anorganischen Moleküle annähernd constant"'. Im Texte (S. 294—297) habe ich bereits betont, welche Fehler man begeht, wenn man aus der Leitfähigkeit des Harns die osmotische Con- centration der anoi ganischen Substanzen berechnet. Die Zahlen 0,94 und 1,25 können schon deshalb keine Genauigkeit beanspruchen. Aber selbst wenn dieser Einwand nicht erhoben werden könnte, würde die l 25 0 94 Latitude der Werthe von ' r> r^/^ = 33*^/0 doch viel zu gross sein, 0,94 um das Verhältniss als „constant" zu bezeichnen und daraus dann weiter die entsprechende Schlussfolgerung abzuleiten. Ausserdem stellt sich bei Durchsicht der Tabelle, in welcher die Versuchspersonen er- wähnt sind, heraus, dass diese bei weitem nicht normal waren. Ich halte demnach die von Roth behauptete Gesetzmässigkeit für unerwiesen, und es würde mich wundern, wenn sich bei genauer Unter- suchung herausstellen sollte, dass sie wirklich besteht. Das Verhältniss von organischen zu anorganischen Stoßen hängt doch in hohem Maasse von der Zusammensetzung der Ingesta, also von willkürlichen Einflüssen ab und es liegt immer etwas Trügerisches darin, für derartige Zwecke einen Quotienten ein/.uführen, der einen gemeinsamen Factor enthält. Zu einer bedeutenden Vermehrung der anorganischen Substanzen gesellt sich im vorliegenden Falle eine Steigerung der Gefrierpunkterniedrigung. In Folge dessen kann der Quotient niemals solchen grossen procentischen Schwankungen unterliegen wie die einzelnen Zähler und Nenner. Noch trügerischer wird dann eine derartige Darstellungsweise , wenn die Quotienten nur Unterschiede in den Decimalen zeigen (hier 0,95 und 1.25). Geeigneter wäre es, die Grenzintervallen für normale Zustände in Procenten auszudrücken, wie ich es oben that. Man hat dann besser vor Augen, was man von diesen sogenannten constanten Verhältnissen zu denken hat. Diese Bemerkung gilt auch für andere derartigen Quotienten J J wie ;r.-7,[, ,^j ^j U. S. W. NaCr _y-NaCl ' , Gefrierpunkterniedrigung A^ ^' specifisclies Gewicht ^^ — S-1 — ^onstans. Bugarszky untersuchte an vier verschiedenen Tagen den Harn von drei gesunden Personen und fand ^ — 7 ^= 75. Es braucht kaum" b — 1 gesagt zu werden, dass dieses Material unzureichend ist. Beziehungen zur Dichte und zum Aschengehalt. 325 Bugarszky machte darauf aufmerksam, dass man seine Formel auch anwenden kann, um aus dem specifischen Gewicht die Depression zu berechnen. Das kann natürlich nur für eiweiss- und zuckerfreie Urine gelten. Ich muss darauf aufmerksam machen, dass Steyrer die Zahl 75 nicht bestätigen konnte. Seine Werthe bewegten sich bei neun Ver- suchspersonen zwischen 6S und 79. Vielleicht hätte er bei andern Ver- suchspersonen noch ganz andere Grenzen gefunden. Leitfähigkeit _ ^0« _ ^^ Aschengehalt — h " ^'^^ Bugarszky will auf Grund von Harnuntersuchungen bei den ge- nannten drei Personen festgestellt haben, dass auch das Verhältniss zwischen Leitfähigkeit und Aschengehalt einen constanten Werth besitzt, und zwar 1,45. Aschengehalt und Leitfähigkeit sind nach ihm also pro- portional. Dass zwischen Aschengehalt und Leitfähigkeit ein gewisser Parallellismus besteht, ist für jeden klar, der weiss, dass die Leitfähigkeit hauptsächlich durch anorganische Substanzen bedingt wird. Wer aber weiss, dass die organischen nicht leitenden Substanzen doch das Leit- vermögen beeinflussen und wer bedenkt wie unmotivirt es ist, zu erwarten, dass zwei gleiche Mengen der Asche verschiedener Harne, die von ab- weichender Ernährung stammen, nach Auflösung in gleichen Volumen Wasser, die gleiche Leitfähigkeit zeigen, der kann m. E. Bugarszkys Formel weder theoretische noch praktische Bedeutung beilegen. Ueber die zwei andern von ihm gegebenen Formeln, nach deren erster die Anzahl der anorganischen Moleküle der Zahl der gesammten Moleküle proportional ist, und nach deren zweiter die Anzahl der organ- ischen Moleküle nahezu ^U von jener der organischen beträgt, — Formeln, die sich auch wieder auf den Harn der drei bewussten Personen gründen — brauche ich nach dem Obigen nicht mehr zu sprechen. e) Gefrierpunkt und Blutkörperchenmethode. Ich habe eine einfache Methode zur osmotischen Analyse des Harnes ausgearbeitet, welche auf folgendem Princip beruht (S. 298 ff.). Bekannt- lich kann man durch die Gefrierpunkterniedrigungsmethode die Gesammt- anzabi der im Harn vorkommenden Moleküle -f- Ionen ermitteln. Die Blutkörperchenmethode gewährt ein Mittel, die Anzahl derjenigen Moleküle -{- Ionen zu bestimmen, für die die Blutkörperchen impermeabel sind. Zieht man nun letzteren Werth vom ersten ab, so bekommt man die 326 Gefrierpunkt des Harns. Zahl der Moleküle , für die die Blutkörperchen permeabel sind. Von diesen Stoffen bildet der Harnstoff den Hauptbestandtheil. Bekanntlich besitzt derselbe das Vermögen, nicht nur die rothen Blutkörperchen, sondern auch die meisten anderen thierischen Zellen leicht zu durch- dringen. Das ist von grosser physiologischer Bedeutung, denn dadurch ist den Zellen ein Mittel gegeben, sich von einem ihrer bedeutendsten Stoffwechselproducte zu entlasten. Was hier vom Harnstoff gesagt ist, gilt auch, obgleich selbstverständlich quantitativ in geringerem Maasse, für andere Stoffwechselproducte, die sich den Blutkörperchen gegenüber wie Harnstoff verhalten. Ich habe mich auf die Ausarbeitung der Methode bescbränlct und, wie aus obigen Ausführungen verständlich sein wird, mich nicht bemüht, mit deren Hülfe Gesetzmässigkeiten ausfindig zu machen. Doch kann ich mir wohl umschriebene Fragen denken, auf die das Verfahren fruchtbringend anzuwenden ist. d) Sclilussbetraclituiig. Fragt man sicli schliesslich, welchen Nutzen die physikalisch- chemischen Untersuchungen für die Pathologie der Nierenthätigkeit in der Hauptsache zu Tage gefördert haben, so darf man folgende Antwort ertheilen : 1. Man hat ein Mittel gewonnen, in zweifelhaften Fällen Herz- insufiicienz von Niereninsufficienz und neben derselben zu unterscheiden (v. Koranyi mit Kovacs). 2. Sie haben Veranlassung zur Anwendung von Sauerstoffinhalationen gegeben, die bei Circulationstörungen einen günstigen Einfluss auf Herz- wirkung und Diurese ausüben sollen (v. Koranyi und Kovacs). Die sub 1 und 2 erwähnten Errungenschaften beruhen auf die von mir gefundenen Veränderungen, die COg auf die Zusammensetzung des Blutes ausübt, imd auf der ümkehrbarkeit dieser Veränderungen unter dem Einfluss von Sauerstoff. 3. Wenn eine der beiden Nieren krank ist und die Anwesenheit im Körper als schädlich für die Gesundheit zu erachten ist, so gewährt die Gefrierpunktbestimmung des Blutes ein treffliches Hülfsmittel zur Beantwortung der Frage, ob die kranke Niere exstirpirt werden darf. Ist nämlicli die Gefrierpunkterniedrigung normal ( — 0,56" bis — 0,58°), so ist das ein Hinweis darauf, dass die andere Niere im Stande ist, die ganze Nierenfunction zu erfüllen (Kümmel). Bei der Anwendung dieses Diagnosticums hat man zwei Dinge zu bedenken : i Schlussbetrachtuiig. 327 a) Man berücksichtige die auf S. 279 angegebene Vorsichtsmaass- regel betreffs Nahrung, Zeit der Blutentnahme und Gefrierpunkt- bestimmung. b) Man sei nicht ungerecht und stelle nicht an dieses Diagnosticum Ansprüche , die von fast keinem Diagnosticum befriedigt werden ; das heisst: man fordere nicht, auf dasselbe allein Diagnose und thera- peutisches Handeln begründen zu können. Ein weiteres physikalisch-chemisches Hülfsmittel bei der Indication der Exstirpirung bildet die gesonderte vergleichende Untersuchung des Harnes der beiden einzelnen Nieren auf kryoskopischem Wege oder mittelst der elektrischen Leitfähigkeit. 4. Obgleich die theoretische Begründung seitens des Urhebers (A, V. Koranyi) meines Erachtens viel zu wünschen übrig lässt, scheint man in ,, ^,, des Harnes doch ein praktisches Hülfsmittel zu besitzen, NaOl nicht nur eine Herzkrankheit noch im Stadium der Compensation zu diagnosticiren , sondern auch die Arbeit zu dosiren, welche der Herz- kranke verrichten kann und muss, um das Herz in grösstm^licher Thätigkeit zu halten, ohne es zu überbürden. 5. Bei der Regelung der Diät bei Nierenkranken ist daran zu denken, dass Nahrungsmittel, die eine grosse Molekülzahl geben, an die Nieren im Allgemeinen hohe Anforderungen stellen (v. Koranyi, H. Strauss). 6. Für die Erkenntniss der chronischen Nierenkrankheiten haben die physikalisch-chemischen Untersuchungen bis jetzt kaum weitere Auf- klärung gebracht. Für die Urämie ist es wahrscheinlich gemacht, dass ihre Ursache in der Anhäufung giftiger, leicht zersetzlicher Moleküle liegt, die den Gefrierpunkt nicht merkbar beeintiussen. Mit ihrer An- häufung geht aber oft, jedoch nicht immer, eine erhebliche Anhäufung anderer Substanzen einher, wodurch es sich erklären lässt, dass in vielen Urämiefällen eine Steigerung der Depression beobachtet wird (v. Koranyi, Strauss, Hamburger). 5. Intravenöse Einverleibung des Harns. Urotoxischer Coefficient. Ausgehend von der Ueberlegung „qu"ä l'etat normal qu'ä l'etat pathologi(|ue, l'organisme est un receptacle et un laboratoire des poisons" kam Bouchard [53] auf den Gedanken, dass der gesunde Organismus wohl über kräftige Mittel verfügen muss, sich von den grösstentheils 328 Intravenöse Einverleibung des Harns. alkaloidartigen, organischen, toxischen Substanzen zu entlasten, und dass der Harn wahrscheinlich dabei die Hauptrolle spielen würde. Es Hess sich erwarten, dass intravenöse Einspritzung des menschlichen Harnes bei einem gesunden Thiere Vergiftungserscheinungen und Tod herbei- führen und dass der Harn bei Retention der toxischen Stoffe in Folge von Nierenkrankheiten an Giftigkeit abnehmen würde. In der That zeigte sich, dass in letzteren Zuständen mehr Harn per kg Kaninchen einver- leibt werden konnte, bevor der Tod eintrat, als wenn der Harn von normalen Menschen stammte. Auf gleiche Weise wurde von Bouchard und seinen Schülern die Toxicität des menschlichen Harnes auch für viele andere Krankheiten ermittelt. Hymans van den Bergh [54] unterzog diese Methode einer eingehenden Kritik und wies nach, dass die während der Injection auf- tretenden Erscheinungen grösstenteils durch den fast immer bestehenden hyperisotonischen Zustand des Harnes erklärt werden können. Im Besonderen sind es die Kalisalze des Harnes , die hier mitwirken , und zwar dadurch, dass sie durch die Schädigung des Organismus des Ver- suchsthieres die Regelung des osmotischen Druckes und die Elimination der überflüssigen Bestandtheile einschränken. Durch Vermischung einer hyperisotonischen NaCl-Lösung mit so viel KCl , wie im normalen Menschenharn vorzukommen pflegt, wurde eine Flüssigkeit erhalten, deren Dosis letalis mit der des Harnes übereinstimmte. Ich werde auf die klaren Auseinandersetzungen des Verfassers nicht weiter eingehen, weil man sich fast allgemein seinen Ausführungen angeschlossen hat und die seiner Zeit vielfach geübte Bestimmung der urotoxisohen Coefficienten, wenigstens ausserhalb Frankreichs, nur selten mehr ausgeführt wird. Vor einiger Zeit hat Albu [55] das Problem noch einmal zur Hand genommen und sich vollständig zu den Ansichten Hymans van den Bergh's bekannt. Albu hebt noch besonders den Einfluss der Injectionsgeschwindigkeit hervor. Je langsamer injicirt wird, um so geringer fällt die Giftigkeit des Harnes aus. Das ist auch von vornherein zu erwarten. Denn je schneller man eine hyperiso- tonische Flüssigkeit injicirt, um so schroffer findet die Wasserentziehung aus Gehirn, Rückenmark und anderen Organen statt und um so heftiger werden dadurch die Erscheinungen. Injicirt man langsam , so gewinnt der Organismus Zeit für einen allmählichen osmotischen Ausgleich zwischen Blut und Geweben. Ausserdem haben dann während der Injection die Nieren Zeit, die giftigen Stoffe abzuscheiden. Das, was Albu hier ausführt, ist indessen nicht neu, denn vor ihm hatte bereits Bouchard den Einfluss der Injectionsgeschwindig- I Refraclometrische Untersuchung des Harns. 329 keit auf den (Irad der Yergiftungserscheinungen hervorgehoben und Hymans van den Bergh, der diese Thatsache bestätigen konnte, gab die Erklärung im erwähnten Sinne. In Frankreich ist man betreffs der Bedeutung und des Werthes des urotoxischen Coefficienten, wie aus einer im vorigen Jahre abgehal- tenen Discussion in der Societe de Biologie hervorgeht, noch nicht einig. Auf Bouchard's eindringliche Bitte ernannte die Versammlung dann eine Commission, die die Angelegenheit eingehend studiren und darüber berichten wird. 6. Refractometrische Untersuchung des Harns. S trüb eil [56] hat eine ganz neue Methode der Untersuchung thierischer Flüssigkeiten vorgeschlagen, die den Vorzug hat, dass man nicht mehr als einen Tropfen braucht. Handelt es sich um Blut, Humor aquaeus, so ist dieser Vortheil nicht gering zu schätzen; ebenso, wenn man den Harn untersuchen will^ der sich im gegebenen Augenblick im Ureter befindet. Die Methode beruht auf der Abhängigkeit des Brechungsindex einer Flüssigkeit von den darin gelösten Substanzen, sowie auf der additiven Eigenschaft des Breclmngsexponenten. Hat man festgestellt, zwischen welchen Grenzen sich der Index in normalen Zuständen bewegt, so lassen sich aus Abweichungen pathologische Zustände erkennen. So hat dann S trüb eil mittelst des Pulf rich'schen Refractometers ^) Grenzen für Blutserum und Harn normaler Personen festgestellt und in einigen Fällen die Brechungsexponenten in pathologischen Zuständen damit verglichen. Kurz nachher hat auch Grober [57J in derselben Richtung Unter- suchungen angestellt. Dies gab Strauss Veranlassung, die Methode beim Harn Nieren- kranker anzuwenden, mit dem Unterschiede, dass er von dem Brechungs- exponenten der zu untersuchenden Flüssigkeit den des reinen Wassers abzieht, um so ein reineres Bild betreffs der gelösten Stoffe zu erhalten, um die es sich doch allein handelt [58 J. Mit Beziehung auf die Brauchbarkeit der Methode für Blutserum und Transsudate gelangte Strauss zu der Ueberzeugung , dass die Verschiedenheit des Eiweissgehaltes von Transsudaten und Blutserum den Brechungsexponenten weit mehr beeinflusst als der Unterschied im Gehalt an Salzen und an retinirten N-Bestandtheilen. Das ist für die ^) Käuflich bei C. Zeiss. 330 Elektrochemische Untersuchung des Harns. praktische Anwendung eine missliche Sache. Stranss hat deshalb die Untersuchungen an Blutserum und Transsudaten nicht weiter fortgesetzt. Für den Harn hat man wenig Bedürfniss nach einer solchen Methode, weil man gewöhnlich zur Bestimmung von Gefrierpunkt oder Leitfähig- keit eine genügende Menge zur Verfügung hat. Auch von anderen Seiten sind, so weit mir bekannt, keine Untersuchungen mehr erschienen. Nur hat neulich Fritz Engelmann [24] das Verfahren noch einmal versucht, doch mit wenig günstigem Erfolg. Immerhin bleibt es möglich, dass die Methode doch noch eine Zukunft hat, zumal der Brechungsindex für kleine Unterschiede in der Zusammensetzung der Flüssigkeiten relativ grosse Schwankungen dar- bietet und die Methode seiner Bestimmung sehr empfindlich ist. 7. Elektrochemische Untersuchung des Harns. Aciclitätsbestimraiing. Die Aciditätsbestimmung des Harns ist von hervorragendem kli- nischem Interesse. Wer daran noch zweifeln möchte, möge nur an die grosse Zahl von Methoden denken, welche zu diesem Zwecke vorgeschlagen wurden. Sie sind sämmtlich Titrirmethoden, und diese leiden an principiellen Mängeln. Zunächst bestimmt man mittelst derselben nicht den augenblick- lichen Säuregrad, den man gerade in den meisten Fällen zu kennen verlangt, sondern die ganze Menge des abspaltbaren Säureradicals '). Ich will versuchen, dies an einem Beispiel zu erläutern. Nach den titri- metrischen Methoden besitzen ^'lo-norm. Essigsäure und Vio-norm. Salz- säure genau denselben Säuregrad, weil man dieselbe Quantität Alkali braucht, um von gleichen Volumen dieser beiden Säuren das Säure- radical zu binden. Zu einem ganz anderen Ergebniss aber führt die Ver- gleichung beider Säuren vom elektrochemischen Standpunkt. Nach den schönen Untersuchungen Ostwald's findet der Säuregrad einer Flüssig- keit seinen Ausdruck lediglich in demjenigen Theile der Säure, der in Ionen gespalten ist, m. a. W. in der Concentration der freien H-Ionen. Und nun lehrt das Experiment, dass in Vio-norm. Essigsäure diese lonen- spaltung gewiss nicht so weit fortgeschritten ist als in ^/lo-norm. Salz- ') Auch die Kenntniss dieser Menge ist ott von grosser Bedeutung Bestimmung der WasserstofFionen-Concentration. 831 säuren^). Thatsächlich besitzen also Vio-norm. Essigsäure und Vio-norm. Salzsäure nicht dieselbe Concentration an freien Wasserstoff-Ionen, nicht denselben Säuregrad ^). Dazu kommt noch, dass die lonenspaltung ausser von der Natur der Säuren noch von verschiedenen anderen Umständen abhängig ist, so z. B. von der Anwesenheit anderer Verbindungen in der Flüssigkeit und diese Anwesenheit wirkt nicht auf alle Säuren in gleichem Grad. Das Alles wird von Titrirmethoden nicht berücksichtigt. Zweitens erfolgt bei der Titrirung die Angabe des Augenblickes, wo man eine genügende Menge Alkali zur Sättigung des Säureradicals hinzugefügt hat, mittelst Indicatoren. Aber die verschiedenen Indicatoren gewähren keineswegs dieselben numerischen Resultate. Bei der Bestimmung der Alkalescenz begegnet man ähnlichen Schwierigkeiten, wovon bei der Bestimmung der Alkalinität des Blut- serums (Bd. I, S. 508) bereits die Rede war. Darauf sei auch wegen alles Näheren verwiesen. Wie gesagt, wissen wir jetzt nach den Untersuchungen Ostwald's, dass der Säuregrad einer Lösung seinen Ausdruck findet und auch gemessen wird durch die Concentration der Wasserstoff-Ionen, und der Alkaligehalt durch die Concentration der Hydroxyl(OH)-Ionen. Die physikalische Chemie verfügt nun über drei Methoden, die Concentration der H"-Ionen in einer Lösung zu ermitteln, ohne während des Be- st immungprocesses diese Concentration zu modificiren. 1. Man kann die Acidität (Concentration der H-Ionen) dadurch bestimmen, dass man die zu untersuchende Flüssigkeit Rohrzucker invertiren lässt. Die Concentration der H-Ionen bleibt während des ganzen Processes unverändert. Die Geschwindigkeit der Inversion ist bei einer bestimmten Tem- peratur der H-Ionenconcentration proportional. Ermittelt man demnach die Zeit, in welcher die Flüssigkeit die Umsetzung einer gewissen Zuckermenge beendigt hat und thut man dasselbe mit einer Säure von bekanntem H'-Ionen-Gehalt und einer gleichen Zuckermenge, so erfolgt aus der Zeit, welche dieses Gemisch zur Inversion braucht, die Con- centration der H-Ionen in der zu untersuchenden Flüssigkeit. Die Voll- endung der Inversion lässt sich polarimetrisch beurtheilen. Auch kann man zweckmässiger die Bestimmung derart ausführen, dass man die zu 1) So ist der Dissociationsgrad einer '32 norm. Salzsäure 0.97 und der einer \32 norm. J]ssigsäure 0,024. Die Acidität einer '32 norm. Salzsäure ist also 0.97 nWcfi = etwa 40 mal so gross als die einer '32 norm. Essigsäure. '-) Ostwald hat in passender Weise die wirklich freien Ionen mit dem Namen „actuellen Ionen" und die abspaltbaren mit dem Namen ,, potentiellen Ionen" bezeichnet. 332 Elektrochemische Untersuchung des Harns. untersuchende Flüssigkeit und die Säurelösung von bekanntem Gehalt auf zwei gleiche Zuckermengen einwirken lässt und nacli willkürlicher, aber gleichen Zeiten die umgesetzten Mengen ermittelt. Die Concen- trationen der H-Ionen dieser beiden Säuren sind dann den umgesetzten Zuckermengen proportional. Man wird gestehen, das Princip der Methode ist sehr einfach. Man hat dann auch das Verfahren für die Bestimmung der Acidiiät des Magensaftes mit Erfolg benutzt (vergl. das neunte Kapitel sub 2). Für den Harn ist die Methode aber nicht brauchbar, weil dessen Acidität zu schwach ist. Hob er konnte bei einer Temperatur von 40^ nach fünf Tagen kaum eine Inversion beobachten. 2. Auf die gleiche Schwierigkeit stösst man bei Anwendung einer andern viel gebrauchten Methode, die sich auf die Geschwindigkeit der Ester-Katalyse gründet. Wenn m.an auf einen neutralen Ester, z. B. Methylacetat, eine Säure einwirken lässt, so entsteht die entsprechende Fettsäure, hier Essigsäure, und zwar ist die Geschwindigkeit, mit der die Reaction vor sich geht, der Concentration der H-Ionen proportional. Während des Reactionsprozesses bleibt die Concentration der H-Ionen unverändert; sie wirken durch ihre Anwesenheit als ,, Katalysatoren". Der quantitative Verlauf lässt sich durch Titration der Essigsäure verfolgen. (S. Kap. IX 3 b). 3. Die dritte Methode ist dagegen in unserem Fall sehr wohl anwendbar. Sie beruht auf dem Princip der von Nernst [59] einge- führten Concentrationsketten. Ich will wegen der grossen Be- deutung, die die Methode nicht nur für den Harn, sondern auch für andere Körperflüssigkeiten zweifellos bekommen wird, Princip und Au.?- führung eingehend besprechen. Zuerst wurden diese Ketten zu physiologischen Zwecken von Bu- garszky und Liebermann [60| beim Studium der Bindung von Salz- säure an Eiweiss (vergl. Kap. IX 3 d), dann von Hüber zur Bestimm- ung der Blutserumalkalescenz und endlich von Rliorer unter Leitung von Liebermann und Bugarszky zur Aciditätsbestimmung des Urins angewendet. Eigentlich hat Hob er dasselbe bereits vor von Rh or er gethan. jedoch seine Resultate nicht veröffentlicht [61]. Bevor ich zur Beschreibung der Methode übergehe, will ich das Princip in einfacher Form klarzulegen versuchen. a) Princip der Coneeiitratioiisketteii. Wenn man einen Zinkstab in eine Lösung von Zinksulfat bringt, so besteht eine Neigung der Zinktheilchen sich von diesem Stab abzu- Princip der Concentrationsketten. 333 trennen und in lonenform in Lösung zu gehen. Die Kraft mit welcher das geschieht, hat Nernst mit elektrolytischer ,, Lösungstension", Üst- wald mit elektrolytischem „Lösungsdruck"' bezeichnet. In der Zinksulfatlösung befindet sich ein Theil des Zinks eben- falls in lonenform. Wie gross dieser Theil ist, hängt von der Concen- tration der Lösung ab (Bd. 1, S. 8). Es sind nur drei Fälle möglich: 1. Die Concentration und damit der entsprechende osmotische Druck p der Zink-Ionen in der ZnSO^-Lösung ist geringer als die Lösungs- tension P, d. h. als die Tension mit welcher die Zinktheilchen sich vom Zinkstab loszutrennen versuchen : in diesem Fall gehen Zink-Ionen in die ZnS04-Lösung hinüber. 2. Die Concentration p der Zink-Ionen in der ZnS04— Lösimg ist grösser als die Lösungstension P. In diesem Falle schlagen sich Zink- Ionen aus der Lösung auf den Stab nieder. 3. Die Concentration der Zink-Ionen in der ZnS04-Lösung ist der Lösungstension gleich. In diesem Falle bleiben Stab und ZnSO^-Lösung unverändert. Betrachten wir den ersten Fall etw^as genauer, so haben wdr so- fort einer zweiten Ueberlegung Kechnung zu tragen. Wenn nämlich Zink-Ionen in die Lösung übergehen, so bringen sie positive Elektricität in die begrenzende Flüssigkeitsschicht, während dadurch der Zinkstab selbst eine entsprechende negative Ladung bekommt (Fig. 9). Es ent-' steht demnach eine elektrische Doppelschicht, aufweiche Helm- holtz bereits seit langem die Aufmerksamkeit gelenkt hatte. Handelt es sich um den zweiten Fall, so bringen die positiv ge- ladenen Zink-Ionen, die sich aus der ZnSO^-Lösung auf dem Zinkstab absetzen und da, wie gesagt, in den festen Zustand übergehen, positive Elektricität auf den Zinkstab, während die Sulfatlösung selbst an der Grenzschicht negativ geladen wird. Der Zustand lässt sich jetzt durch die Figur 10 versinnlichen. ^ ZmkstdO A. - + + schwäche j. Zn 50/^ Lösung. - + starhe In50i;L6sung. + + + + -t- + Fig. 9. Fi2. 10. Was wird nun geschehen, wenn man die beiden Zinkstäbchen mittelst eines Metalldrahtes verbindet und die Flüssigkeiten mittelst 334 Elektrochemische Untersuchung des Harns. eines Glasröhrchens, das eine der beiden Salzlösungen z. B. die ZnSO^- Lösung von der Concentration in A enthält, in Berührung bringt? (Fig. 11). Es entsteht dann ein Strom, and dieser wird solange fortbestehen bis sich in A soviel Zink vom Stab abgelöst und in B soviel Zink auf den Stab abgesetzt hat, dass die Concentration der ZnSO^-Lösungen in beiden Fis. 11. Gefässen gleich geworden ist. Der Strom ist im Schliessungsdraht von B nach A gerichtet. Wir fragen nunmehr: w'ie berechnet man die elektromoto- rische Kraft {n) dieses StromesV b) Ableitung der Formel für die elektromotorische Kraft n der Coucentratioiiskette. Sie ist zusammengesetzt aus drei Potentialdifferenzen: 1. Potentialdifferenz zwischen Zink und verdünnter ZnS04-Lösung (Gefäss A). 2. Potentialdifferenz zwischen Zink und concentrirter ZnS04-Lösung (Gefäss B). 3. Potentialdifferenz zwischen verdünnter und concentrirter ZnSO^- Lösung (Berührung im Verbindungsrohr.) Letztere Potentialdifferenz ist gering und kann demnach oft, keines- wegs aber immer, vernachlässigt werden. Aus der algebraischen Summe dieser drei Potentialdifierenzen ist die elektromotorische Kraft des be- treffenden Systems zusammengesetzt. Wir wollen jetzt diese drei Grössen an der Hand von Nernst's Anschau- ungen aus der Theorie des osmotischen Druckes ableiten. Wenn ein Gas bei einer constanten Temperatur T um ein äusserst geringes Volumen d v zusammengepresst wird (man denke sich den Druck p während dieses Vorganges constant), so ist die aufzuwendende, äusserst geringe (= „differentiale"')) Arbeit d A = p . d v. 1) Daher das Praefix »d". Elektromotorische Kraft der Concentrationsketten. 335 Ist der Betrag der Zusammenpressung grösser, so setzt sich die hierzu auf- zuwendende Arbeit aus der Summe (= j = Integral) der sehr vielen kleinen Diffe- rential-Arbeiten d A zusammen , was man ausdrückt durch A = y p . d v ; oder genauer, wenn man sich vorstellt, dass das Gasvolumen von Vj auf v.2 verkleinert ist, Vi durch A = /"p.dv (1). Nun lässt sich weiter das Gesetz von Boyle-Gay -Lu ssac durch pv = RT ausdrücken, in welcher Formel R eine Constante und T die absolute Temperatur ist. R T Aus letzterer Gleichung lässt sich berechnen p = . Vi /*R T Bringt man diesen Ausdruck in (1), so bekommt man A = / d v oder RT Vi Z^dv Die Integralrechnung lehrt nun, was man bekommt, wenn die Differential werthe — summirt werden. Man erhält dann: A = RT log nat — . V V2 Da die Volumina eines Gases dem Druck umgekehrt proportional sind . also — =:- , darf man auch schreiben : V2 Pi A = R . T log nat ^ (2). Pi Nun wissen wir, dass nach van't Hoff's Auseinandersetzungen sich gelöste Stoffe verhalten wie Gase. Was die Spannung bei einem Gase ist, ist der osmotische Druck bei einer Lösung. Die Formel gilt deshalb auch für Lösungen, wenn mit pi und P2 der osmotische Druck der gelösten Substanz bezeichnet wird. Es drückt dann A die Arbeit aus, welche aufgewandt wird, wenn aus einer Lösung vom osmotischen Druck pi eine concentrirtere vom osmotischen Druck pa gemacht wird. Die Formel 2 gewährt also seinen Ausdruck für die Arbeit, die im Gefäss A verrichtet wird. Und diese kann auf elektrochemischem Wege berechnet werden. Man hat gefunden, dass beim Transport einer Elektricitätsmenge von 1 Coulomb (die Einheit der Elektricitätsmenge) pro Secunde durch die Lösung eines beliebigen Silbersalzes aus dieser Lösung 1,118 mg metallisches Silber abgeschieden werden. Um ein Gramm- Aequivalent (hier gleich dem Gramm-Ion, weil Silber einwerthig ist) Silber, 107 93 das 107,93 g wiegt, zur Abscheidung zu bringen, muss man ^t-aaiStö ^= 96538 Coulomb OjOUlilo durch die Lösung hindurchgehen lassen. Ein altbekanntes Gesetz von Faraday sagt aus, dass beim gleichzeitigen Durchgang eines Stromes durch verschiedene Lösungen die abgeschiedenen Metall- mengen sich wie die Aequivalentgewichte verhalten. Für die Abscheidung oder Bewegung eines Gramm- Aequivalents jedes beliebigen Metalles sind also 96538 Coulomb erforderlich. Stellen wir uns vor, dass in unserem Fall die Potential- 336 Elektrochemische Untersuchung des Harns. diffevenz ,V Volt war und die Valenz des betreffenden Metalles n, so war die elek trische Arbeit 7c' n . 96538 Voltcoulorabs '). Diese Arbeit muss gleich der oben berechneten A = R log nat sein, Pi also 7t' n . 96538 = R T log nat ^'. Pi In dieser Formel bedeutet pi den Anfangsdruck der Zn-Ionen in der Zinksulfat- lösung in A und p2 den Enddruck. Dieser Enddruck ist nichts Anderes als der elektrolytische Lösungsdruck des Zinkes, den wir mit P bezeichneten, also 7i' n . 96538 = R T log nat — . Pi RT . , P ^ = aaKos log nat ~. n . yboöö pi Da R die Gasconstante = 0,0821 und log nat = — a^^q^^q — ' 30 Wird ji = 1 log — V olt. n ° pi Ein ähnlicher Ausdruck gilt für den Zustand im Reservoir B, wo der osmo- tische Druck p„ der Zink-Ionen in der Sulfatlösung im Abnehmen begriffen ist. Hier wird also Arbeit geleistet und es gilt somit 7i" n . 96538 r= R T log nat — P-, ,, 0,0002 ^ , P V u 7t' = ~ T log — Volt. n V» Die abgebraische Summe der Potentialdifferenzen an beiden Elektroden auch wohl Elektroden-Potential genannt, ist somit ,, 0,0002 ^O^^f-'^s-,) , , ,, 0,0002^- p„ .„. oder 7i' — 7t" = T log —'.... (3) , n ° pi in welcher Formel, wie erwähnt, n die Valenzzahl für Zink ist, also = 2, T die absolute Temperatur, d. h, 273 + die Beobachtungstemperatur, p„ der osmotische Druck der Zink-Ionen in der concentrirten Sulfatlösung (Gefäss B), p, der osmotische Druck der Zink-Ionen in der schwächeren Sulfatlösung (Gefäss A). Annähernd kann das Verhältniss der Concentrationen c, und c„ der freien Zink-Ionen dem der osmotischen Druckwerthen pi und p„ gleich gesetzt werden. 1) Ebenso wie man die Arbeit eines fallenden Körpers durch Multiplication der in Bewegung gesetzten Masse mit der Fallhöhe berechnet, und die Arbeit des strömenden Wassers durch Multiplication der Wassermasse mit dem Gefäll, so wird auch die elektrische Arbeit ermittelt durch Multiplication der Elektricitätsmenge (Anzahl Coulomb) mit dem Potentialgefäll (Anzahl Volt). Die weitere Multiplication mit n geschieht hier, weil die Zahl 96538 für ein einwerthiges Metall (Silber) abge- leitet wurde. Für ein Atom Zink, welches Metall zweiwerthig ist, wird die doppelte elektrische Arbeit erforderlich sein; im Allgemeinen für die Abscheidung eines Atoms eines n-werthigen Metalles die n-fache Menge. Elektromotorische Kraft der Concentrationsketten. 337 Somit wird „ 0,0002 „- c„ ,.^ 7i' — 7i" = T log -^ . . . (4). n c. Die unter 3. genannte Potentialdifferenz 21'". welche durch Berührung der concentrirten und verdünnten Zinksulfatlösung entsteht, das sogenannte Contact- Potential, lässt sich ausdrücken durch die Formel: Ik - 1a ^ 0,0002 ^ , c„ 7i"' = -. — — j — X T log -- . . . o , in welcher Ij. und 1^ die Leitfähigkeiten des Kations und des Anions vorstellen und im Uebrigen die Buchstaben dieselbe Bedeutung haben wie oben. Die gesammte elektromotorische Kraft tt der Concentrations- kette wird dann ausgedrückt durch die abgebraische Summe von Elektroden-Poten- tial (4) und Contact-Potential [b). Ist, wie in den unten noch zu behandelnden Gasketten, 71'" negativ (s. S. 375 warum ;r"' negativ ist), so ist , , ,. ,,, 0,0002 „ , c„ Ik - U ^ 0,0002 _, , c„ - = i---^-- =. __ T log -^- - -j-^-^ X ~~-llog-^-. ^-iÄx^^T.4. . . .(0, Wir wählten für unsere Ausführungen betreffs der Concentrations- kette den Typus Zink ZnS04-Lösung (verdünnt) ZnSO^- Lösung (concentrirt) Zink Betrachten wir jetzt eine Kette, bei welcher die Zinkelektroden durch Wasserstoff ersetzt sind^) und die Lösungen durch Säuren ver- schiedener Concentration, also Wasserstoff Salzsäure (verdünnt) Salzsäure (concentrirt) Wasserstoff. Solche Wasserstoffelektroden kann man sich leicht anfertigen, in- dem man zwei mit Platinmohr bedeckte Platinplatten einem Wasserstoff- strom aussetzt. Es wird dann eine grosse Menge Wasserstoff durch das Platinmohr adsorbirt und es verhält sich solch eine Elektrode wie reiner Wasserstoff'. Es leuchtet nun sofort ein, dass was die Zinkelektrode im Zink- sulfat war. die W^asserstoffelektrode in der Salzsäure ist. War weiter in der Zink-Zinksulfatkette der Unterschied in der Concentration der beiden Zinksulfatlosungen ein Maass für die elektromotorische Kraft, so ist in der Wasserstoff"-Salzsäurekette der Concentrationsunterschied 1) Ueber Concentrationsketten mit anderen Elektroden vergleiche man das zwölfte Kapitel 2 b. Hamburger, Osmot. Druck. U. Band. 22 338 Elektrochemische Untersuchung des Harns. der beiden Salzsäurelösungen, oder genauer gesagt das Concen- trationsverhältniss der Wasserstoff-Ionen in den beiden Säuren ein Maass für die elektromotorische Kraft. "Wenn man nun statt der zweiten Salzsäure Urin in die Kette briuf^t, so wird die Differenz in der Concentration der Wasserstoff- Ionen von Salzsäure einerseits und Urin andererseits ein Maass für die elektromotorische Kraft der Kette sein. Umgekehrt wird, wenn die elektromotorische Kraft der Kette experimentell gemessen wird und die H-Ionenconcentration der Salzsäure bekannt ist, die Wasserstoff-Ionen- concentration des Urins berechnet w^erden können. Damit ist dann die Acidität auf elektrochemischem Wege bestimmt. c) Ausführung- der Methode. Wie soeben gesagt, kommt es darauf an, die elektromotorische Kraft TT der Kette zu ermitteln. -j-f^ Hierzu setzt man der zu messenden elek- tromotorischen Kraft TT eine bekannte elektro- motorische Kraft E A entgegen (d. h. die gleich- n am igen Polen ein- ander zugekehrt), und verschiebt den Schleifcon- tact X solange über den Draht AB bis das Galvano- Concenträtionszel/e (Gdshette) Fis. 121). Galvanometer jj^ß^-gj^. q zeigt. (P o g g e n- d o r f f s Compensationsver- fahren Fig. 12). Es besteht daim fol- gende Beziehung: =?-=-,4t-. Hieraus lässt sich berechnen n = -.'^- X Ea . Ea ab ab Die auf Seite 339 stehende Figur 13 veranschaulicht die Yersuchs- anordnung in detaillirter Form. Wie ersichtlich besteht die Vorrichtung aus: 1. Accumulator mit elektromotorischer Kraft Ea • 1) Irrtliümlich steht in dieser Figur 12, sowie auch in der Figur 13 bei der Gaskette: .elektromotorische Kraft JT"; statt II soll es ti heissen. Compensationsmethode. 339 2. Messbrücke AB. 3. Paraffinblock mit drei Gruben (1. 2. 3), in welchen sich Queck- silber befindet. Statt Paraffin kann man auch Ebonit oder Holz nehmen, oder eine Pohl'sche Wippe. {l]Accumuldtor -{mit electrorn.Mr. L ^ / Normalelement(mit, . electrom. 5 Kn^iyj Null- instrumerf ^GalMnoscoj} vodüpilldr- 1 electrom.) i^jGdskette ( mit electrom. HnE.) Fig. 13. 4. Die Gaskette , deren elektromotorische Kraft n gemessen werden solP). 5. Ein Normalelement von bekannter elektromotorischen Kraft En . G. Ein Nullinstrument (Galvanometer oder Capillarelektrometer). 7. Stromtaster zum Schliessen des Stromes. Wir wollen jetzt einen Versuch anstellen. Man verbindet mittelst eines kupfernen Bügels Grube 1 und 2 des Paraffinblockes. Dann ist folgender Strom geschlossen: Accumulator — Punkt A — Grube 1 — Grube 2 — Gaskette — Nullinstrument — Strom- taster — Contact X — Punkt B — Accumulator. Man verschiebt nun X solange auf AB bis das Nullinstrument keinen Strom mehr anzeigt. Dann besteht nach Pog gen dorf folgende Gleichuns; : E, 3T TT Ea X AB : AX AX AB 1) IiTthümlich steht in dieser Figur bei der Gaskette : „elektromotorische Kraft ü"; statt 77 soll es n heissen. 22* 340 Elektrochemische Untersuchung des Harns. Das Verhältniss zwischen AX und AB ist direct abzulesen, Ea ist nahezu, aber nicht genau, bekannt; man weiss, dass die elektro- motorische Kraft (Klemmenspannung) eines Blei-Accumulators ungefähr zwei Volt beträgt. Es ist aber nothwendig diese Spannungsgrösse sehr genau zu kennen. Zur Ermittlung derselben wird der Versuch statt mit der Gas- kette, mit einem Normalelement angestellt, d. h. einem Element dessen elektromotorische Kraft En genau bekannt ist, (s. w. u.). Zu diesem Zweck wird der kupferne Bügel aus den Gruben 1 — 2 des Paraffinblöck- chens entfernt, und in 1 — 3 eingelegt. Statt der Gaskette ist dann das Normalelement eingeschaltet. Man wird sich die Frage vorlegen, warum man auch noch eine Bestimmung mit einem Normalelement ausführt, da doch die elektromotorische Kraft eines Accumu- lators bekannt ist. Letzteres ist aber thatsächlich nur bis zu einem gewissen (irade der Fall, denn weiter als bis auf einige Millivolt (Viooo Volt) geht diese Constanz nicht. Das wäre für unsere Zwecke nicht genügend. Man könnte nun, mit Umgehen des Accumulators, unmittelbar ein Normalelement zur Vergleichung nehmen. Das Suchen nach Compensation erfordert jedoch Zeit und während dieser Zeit würde das Normal- element Strom geben müssen und abgeschwächt werden. Dies wird nun auf ein Minimum reducirt, wenn man mittelst des Accumulators vorher die elektromotorische Kraft nahezu festgestellt hat. Man kann dann bei Anwendung des Normalelements den erforderlichen Widerstand unmittelbar einschalten. Immerhin ist es indessen sehr erwünscht, von Zeit zu Zeit auch das Normalelement an einem entsprechenden Standardelement zu prüfen oder prüfen zu lassen. Vergl. S. 356. Man bewegt nun auf's Neue den Schleifcontact X, bis das Null- instrument wieder 0 ausweist. Nehmen wir an, dass der Schleifcontact jetzt auf einem Punkt X' zu stehen kommt, so gilt die Gleichung Ea : En = AB : AX' EnXAB Ea = AX' Bringt man diesen Werth von Ea in die vorige Gleichung, so be- kommt man also n = En^X ab AX AX' '^AB En X AX AX' Da En, AX und AX' bekannt sind, kann n jetzt leicht berechnet werden. Ich bespreche nunmehr die Apparate etwas eingehender. Accumulator. Messbrücke. 341 d) Beiiierkuiigeii über die Apparate. 1. Accumulator. Es ist ein Erforderniss, dass die elektromotorische Kraft (Ea) grösser ist als die elektromotorische Kraft {n) des zu untersuchenden Elementes (d. h. der zu untersuchenden Gaskette). In bei weitem den meisten Fällen, die sich in der Physiologie darbieten, wird e i n Blei- accumulator (2 Volt) oder zwei hintereinander gestellte Kupronelemente (ä 1,8 Volt = 3,6 Vo^t) genügen. Sonst nimmt man zwei Accumula- toren. Verfügt man nicht über Accumulatoren und auch nicht über Cupronelemente, so kann man nöthigenfalls das ziemlich constante Leclanche -Element anwenden. Es ist zu beachten, dass die EMK. eines Accumulators, der längere Zeit geladen gestanden hat, in der ersten Zeit nach Stromschluss etwas sinkt, um dann relativ constant zu bleiben. Man beginnt daher die Messungen erst etwa 10 Minuten nach Schliessen des primären Stromes und lässt während einer Versuchsreihe den Primärstrom dauernd ge- schlossen. Weiter ist zu bedenken, dass unmittelbar nach der Ladung des Accumulators die Spannung relativ hoch ist, dann ziemlich rasch abfällt, um dann constant zu werden. Ich weise darauf hin, zunächst weil sonst bei der Vergleichung des Accumulators mit dem Normalelement eine rasche Abnahme der EMK. befremden und anderen Ursachen zuge- schrieben werden könnte; weiter um hervorzuheben, dass es bei An- wendung ganz frisch geladener Accumulatoren empfehlenswerth ist, die Controle mittelst des Normalelements in kürzeren Zeitinter- vallen zu wiederholen, als dies bei nicht frisch geladenen der Fall zu sein braucht. 2. Messbrücke. Für die Genauigkeit der Beobachtungen ist es sehr erwünscht, dass AB sehr lang sei, viel länger als der Draht der gewöhnlichen Messbrücke für die Leitfähigkeitsbestimmung, welcher bekanntlich 1 Meter misst. Da aber eine wesentliche Verlängerung Schwierigkeiten bereitet, sind verschiedene Hilfsmittel vorgeschlagen worden (Vergleiche 0 s t w a 1 d - Luthers Hand- und Hilfsbuch [62] S. 368 ff.). Unter diesen scheint mir die Anwendung von zwei übereinstimmenden Rheostaten am meisten empfehlenswerth, insbesondere für physiologische Laboratorien, wo man diese doch zur Verfügung zu haben pflegt. Das Princip ist ganz einfach. 342 Elektrochemische UiitersuchuD^ des Harns. Man verbindet zwei Rheostaten I und II mittelst eines Kupfer- streifens. Lässt man nun bei A (Fig. 14) einen Strom in den ersten Rheostaten I eintreten und bei B den zweiten Rheostaten II verlassen, so durchläuft er den Weg, welcher in folgender Weise angegeben werden kann : A — 4000 — 3000 — 2000 — 1000 — 400 — 300 - 200 — 100 — 40 — oo — 30 - 20 — 10 - 4 — 3 - 2 - 1 - 1 — 0,1 — X - 4000 - 3000 — 2000 - 1000 — 400 — 300 — 200 — 100 — 40 — oc — 30 — 20 — 10 — 4 — 3 - 2 — 1 — 1 — 0,1 — B 1). Zum Accumulator Zum Paraffinblock (i) - + 00( lOO Zum Stromtaster Fig. 14'^). Denkt man sich den ganzen Weg gestreckt und in das Schema von Fig. 12 oder 13 gesetzt, so hat man eine lange Messbrücke AB vor sich, mit A und B als Endpunkten und X als veränderlicher Stelle. Zwar kann man in Wirklichkeit X nicht bewegen, aber die Grösse des Widerstandes — und darauf kommt es an — kann doch durch Stöpsel- ung beliebig modificirt werden. Ich gebrauche Präcisions-Rheostaten von je 11111,1 Ohm Widerstand. Sie werden anfangs so aufgestellt, dass im Rheostat I alle Stöpsel noch vorhanden sind; es erfährt der Strom dann keinen, oder besser gesagt, kaum einen Widerstand. In Rheostat II dagegen hat keine Stöpselung stattgefunden; da herrscht 1) An den mit oo angedeuteten Stellen sind die Eupferstreifen des Rheostates getrennt. Steht kein Stöpsel dazwischen, so geht also der Strom nicht durch und ist der Widerstand cc. In unserem Fall befindet sich je ein Stöpsel dazwischen. Diese Anordnung, die hier ohne Bedeutung ist, dient ganz im Allgemeinen, um von jedem Rheostat die beiden Hälften separat gebrauchen zu können. ■^) Von der Firma Hartmann und Braun A.-G. Frankfurt a. M.-Bockenheim. Compensations-Instrument. 343 also ein Widerstand von 11111,1 Q. Entfernt man einen Stöpsel aus I und setzt diesen in II ein, so bleibt der Gesamrntwiderstand 11111,1 i2 in der Strecke AB unverändert. Handelt es sich nun um eine Messung, so setzt man diesen Austausch solange fort, bis das Xullinstrument (Galvanometer oder Capillarelektrometer) sich stromlos erweist, m. a. W. den Nullpunkt erreicht hat. Stellen wir uns vor, dass die Aufgabe vorlag, die elektromotorische Kraft des Accumulators E^ mittelst des Normalelementes zu ermitteln, zu welchen Zweck 1 und 3 des Paraffinblockes verbunden sind (vei-gl. Fig. 13), und dass durch die Ein- führung von 5656 ß in Rheostat I. Compensation erreicht war. Diese Stöpselung ist in der That in der Abbildung (Fig. 14) versinnlicht. Die leeren Löcher in Eheostat I geben den eingeschalteten Widerstand an. Man sieht, dass diese Widerstände gerade in die entsprechenden Löcher von Rheostat II ge- stöpselt sind. Die Gleichung von S. 840: A X : A B = E^ : E^ wird dann nach Einsetzen der Werthe 5656 : 11111,1 = 1,0184 : E^ E^ = 2,006 Volt. Statt zweier Rheostaten kann man auch einen Compensations- ap parat mit Kurbel Schaltung benutzen. Dieser Apparat ist äusserst bequem in der Behandlung. Man hat hier nicht zu stöpseln, sondern einfach eine Kurbel zu bewegen bis Compensation eingetreten, d. h. das Galvanometer stromlos ist. Man liest die gesuchte Messgrösse ohne Weiteres ab. Ich habe die Beschreibung der Versuchsausführung mit zwei Rheo- staten deshalb in meinen Ausführungen und Zeichnungen in den Vorder- grund gestellt, weil gerade diese in physiologischen Laboratorien oft Verwendung finden werden. Man hat dort gewöhnlich Rheostaten zur Verfügung. Wer es sich bequem machen will und kann, kaufe sich einen Compensationsapparat mit Kurbelschaltung ^), der jedoch lediglich für Compensationszwecke zu benützen ist. Die Handhabung bedarf keiner 1) Zu beziehen von Hartmann und Braun A.-G. Frankfurt a. M. Katalog: Elektrische Messinstrumente für Laboratorien; Ausgabe 1902, S. 17. Siehe Weiteres über den Apparat in Physikalische Zeitschrift 1. S. 167. Noch besseres soll der bei Siemens und Halske käufliche Compensations- apparat mit Präcisions-Kurbelwiderstand leisten. Preisliste II 1903. Listennummern 31370 und 31422. Diese Zusammenstellung ist aber erheblich theuerer. 344 Elektrochemische Untersuchuno; des Harns. näheren Erörterung. Das Westonelement ist in den Apparat eingebaut, jedoch herausnehmbar und auch für sich zu gebrauchen. Ich lasse hier eine Abbilduno' foken : 1;4_ Fig. 15. 3. Paraffinblock mit Quecksilbernäpfclien. Um diese anzufertigen, empfiehlt es sich, eine runde Glasdose theilweise mit geschmolzenem Paraffin zu füllen und dieses erstarren zu lassen. Bevor letzteres geschieht, lässt man drei cylinderförniige Stäbe etwa 2 cm unter die Oberfläche des Paraffins einsinken. Ist das Paraffin fest geworden , so entfernt man die Stäbe und klebt auf den Boden ein Koi"kscheibchen. Die Löcher werden nur zur Hälfte mit Quecksilber gefüllt. Eine grosse Unannehmlichkeit ist es, dass die Zuleitungsdrähte die Neigung haben, die Quecksil- bernäpfchen zu verlassen. Darum pflege ich einen dicken Kupferdraht umzubiegen, wie es in der Figur für eines der Näpfchen angegeben ist. Er liegt dem Paraffin und dem Glas knapp an. Die Ver- bindung mit dem Zuleitungsdraht geschieht dann mittelst einer kleinen Klemmschraube in a. l^upferdraht Fig. 16. Statt Paraffin kann man auch das nicht leitende Ebonit benutzen. Eine P oh Ische Wippe mit sechs Näpfchen ist auch sehr geeignet. Formen der Gaskette. 345 4. Gaskette-Vorrichtung. Man hat dem Gefäss verschiedene Formen gegeben. Die eine, welche Höber zur Bestimmung der Blutserumalkalescenz gebrauchte, habe ich bereits beschrieben. Später hat er eine Modification ange- bracht a. a. 0. S. 240, die in mancher Hinsicht von der von Löwen- herz [63] angegebenen abweicht^). Sie ist als Fig. 17 abgebildet. Fig. 17. Das von v. Rhorer [64j gebrauchte Gefäss ist leichter herzu- stellen; es kommt im wesentlichen mit dem von Bugarszky und Lieber- mann beschriebenen überein. Ich lasse die Beschreibung folgen. Die Abbildung 17 auf folgender Seite, welche eigentlich nur die Hälfte des Appara.tes vorstellt, möge die Beschreibung verdeutlichen. Die eine (abgebildete) Hälfte sei mit der zu untersuchenden Flüssigkeit (Harn) gefüllt, die andere mit Salzsäure (hier solche von 0,01 °!o). Die beiden Flüssigkeiten sind durch einen mit NaCl-Lösung gefüllten capillaren gläsernen Heber verbunden. Das Ganze wird an einem gemeinsamen Gestell angebracht. In den oberen ge- schlossenen Theii des cylindrischen Glasgefässes (A) ist eine Elektrode aus plati- nirtem Platin eingeschmolzen; der untere Theil wird durch das gebogene Rohr (B) und den Gummischlauch (C) (damit der Apparat leicht auseinander genommen und 1) Eine abermalige, nicht principielle Abänderung findet man in Höber's neuester Arbeit über die Hydroxyl-Ionen des Blutes. Pflüger's Archiv 99. 1S03. !S. .572. A i. , j ( L ! D R /• 346 Elektrochemische Unteisuchung des Harns. rein gehalten werden kann) mit der trichterförmigen Erweiterung (D) verbunden. An dem unteren Drittel von (A) ist noch das Seitenrohr F angebracht, welches durch einen Guniniischlauch und ein passendes Glasstäbchen verschlossen wird. Nachdem der Trichter (D) mit dem Finger verschlossen, wird der Apparat mit Hülfe einer ausgezogenen Pipette durch F vollständig mit der betreffenden Flüssigkeit gefüllt und dann (ebenfalls durch F) H-Gas eingeführt, bis ^/s der Elektrode mit H um- geben sind und nur das untere Drittel noch in die Flüssigkeit eintaucht; endlich wird F mit dem Glasstäbchen verschlossen. Die Trichter T werden mittelst eines capillaren Heberrohres , das mit der Lösung eines indifferenten Elektrolyten oder einfach mit Harn gefüllt wird, mit einander verbun- den , aber nur zur Zeit der Messung (die kaum eine Minute beansprucht), damit keine störende Diffusion der beiden Lösungen in ein- ander eintritt. Da D offen ist, kann der Ap- parat nicht in einen Thermostat ge- setzt werden; die Beobachtungen mit diesem Apparat müssen also bei Zimmertemperatur stattfinden, was bei dem Apparat von Bugarszky und Liebermann und dem von Höber nicht erforderlich ist. Auch hat der Hob er- sehe voraus, dass an ihm die Elektroden behufs Reinigung und, wenn nöthig, Neu- Platinirung leicht zugänglich sind. Ueber die Platinirung von Elektroden ist in Band I (S. 104) bereits das Nötige gesagt worden. Um die Elektroden mit H zu sättigen, muss nach v. Rhorer etwa 3 Stunden lang ein Strom reinen Wasserstoffes durchgeleitet werden, was aber nach der Erfahrung in meinem Laboratorium nicht nothwendig ist. Fig. 18. In meinem Laboratorium wird eine andere Form benutzt, die, wie unten noch erörtert werden ward, verschiedene Vorzüge hat. Jeiler kann sie sich leicht herstellen. m Wie aus der Zeichnung (Fig. 19) ersichtlich, besteht der Apparat aus zwei U-förmig umgebogenen Röhren. Der eine Schenkel ist kürzer als der andere. Die beiden Röhre stehen auf einer rechtwinklig gebogenen Zinkplatte und sind auf dem horizontalen und dem verticalen Theil der- selben mittelst Kupferdraht fixiert. Zu diesem Zweck sind zwei kleine Löcher in die Zinkplatte gebohrt, die dem Draht den Durchgang ge- statten. Die Schenkel der Röhre werden nicht unmittelbar gegen das Zink gedrückt, sondern gegen eine kleine Korkplatte. Die Abbildung des Thermostates auf Tafel II lässt eine der beiden Röhren zur Seite sehen. Formen dei- Gaskette. 347 In den Abbildungen sieht man auch ein Platinblech. Dieses ist mittelst riatindrahl in einem Glasrohr eingeschmolzen. Weiter ist der in das Lumen hinausragende Platindraht an einen Kupferdraht gelöthet, der aus dem Glasrohr hinausragt und mit einer Polklemme versehen ist. Mit Ixücksicht auf die Festigkeit ist der Kupferdraht oben im Glasrohr mittelst Schmelzglas eingelöthet. Das Glasstäbchen kann in dem gutschliessenden Guramistopfen auf- und niederbewegt werden. Verbindungsrohr mit Baumwolle Zinkplatte Flüssigkeit " Zinkplatte ^\^- - Langer Schenkel mit Flüssigkeit Gas Platinelektrode J- Kork - '. Fig. 19. Wie weiter in der Figur 19 ersichtlich , sind die beiden langen Schenkel durch ein Querrohr vereinigt, das in der Mitte mit einem vertical aufsteigenden Rohr im Zusammenhang steht. Das horizontale Piohr ist ebenso wie die beiden in die langen Schenkel absteigenden Theile mit reiner Baumwolle gefüllt. Diese wird mit Flüssigkeit getränkt, über die noch weiter die Rede sein wird. Die eben genannten, mit Baumwolle gefüllten Schenkel gehen passend durch Gummistopfen und können auf- und niederbewegt werden, so dass man sie nach Belieben in die Flüssigkeit eintauchen oder darüber stehen lassen kann. Leider ist das Flüssigkeitsniveau in den langen Schenkeln, nicht auf der Abbildung angegeben. Die Dimensionen des Apparates sind folgende: Lichte Weite 1,5 cm, Länge des kurzen Schenkels 7 cm, des langen Schenkels 11 cm, lichte Weite des Verbindungsstückes 0,7 cm, Breite desselben 3 cm. 348 Elektrochemische Untersuchung des Harns. Natürlich kann man diese Dimensionen nach Bedürfniss verkleinern oder vergrössern. Ich werde jetzt beschreiben, wie der Apparat in meinem Labora- torium gebraucht wird. 1 . P 1 a t i n i r u n g. Bevor die Elektroden platinirt werden können, sollen sie eine gründliche Reinigung erfahren. Oft genügt hierzu Auskochen in verdünnter Salpetersäure. »Sicherer gelangt man zum Ziel, wenn sie einige Minuten in heissem Königswasser (3 Vol. starkes HCl und 1 Vol. concentr. HNO3) gehalten werden. Dann werden sie in Alkohol, absolutem Aether und endlich mit absolutem Alkohol abgespült. Selbst- verständlich ist es nicht gestattet, die Elektroden nunmehr mit dem Finger zu berühren. Die Platinirung geschieht in derselben Flüssigkeit (eine 2°/oige Platinchlorid- lösung, in welcher 0,025 °/o Bleiacetat gelöst ist), wie sie für die bei der Leitfähig- keitbestimmung angewandten Elektroden gebraucht wird (vergl. Band I, S. 104). Auch hier wird der Strom abwechselnd in der einen und in der anderen Richtung geleitet. Hier ist aber besonders darauf zu achten, dass diese Durchführung in jeder der beiden Richtungen gleich lange dauert, sonst ist die Schicht von Platinschwarz auf beiden Blechen nicht von gleicher Dicke und die adsorbirte Wasserstotfmenge auf beiden Platten nicht gleich. Demzufolge wird eine PotentialdifFerenz geschaffen, die sich kuudgiebt, wenn man die beiden Elektroden in ein Gefäss mit verdünnter Eleiitrolytlösung bringt und mit dem Galvanometer in Verbindung setzt. Man kann diesem Uebel- stand abhelfen durch kurzdauernde Ausglühung der schwerer geladenen Elektrode. Selbstverständlich muss dann wieder ausprobirt werden, ob der Potentialunterschied verschwunden ist. Wo nöthig, muss das Ausglühen wiederholt werden. Zur Strom- lieferung wende ich zwei Accumulatoren an; der Strom geht abwechselnd 5 Minuten in der einen, 5 Minuten in der anderen Richtung. Gewöhnlich genügt eine Durch- führung in je einer Richtung. Die Elektroden sind dann mattschwarz. Ist die Be- deckung des Platins augenscheinlich nicht vollständig, so wird die Stromdurchführung ein oder zwei Male in den beiden Richtungen wiederholt. Weiter ist mit Nachdruck davor hinzuweisen, dass keine Elek- troden benutzt werden, die früher als Sauerstoffelektroden dienten. Wie Herr Hekman in meinem Laboratorium fand, kann man den Sauerstoff selbst durch Ausglühen nicht vollständig entfernen. Wenn dann die theilweise Entfernung aus beiden Elektroden nicht vollkommen dieselbe ist, so wird bei nachträglicher Behandlung mit Wasserstoff die Spannung des letzteren auf beiden Elektroden un- gleich, was, wie bereits erwähnt, zu einer unerwünschten Potentialdifferenz Veran- lassung giebt. Es ist darum erwünscht, Plalinelektroden, die man als Sauerstoff- elektroden benutzt hat, nicht später als Wasserstoffelektroden zu gebrauchen. Selbst- verständlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man das Piatinmoor erst ent- fernt, was am sichersten durch Behandlung mit Königswasser (HNOa + HCl) erfolgt, und dann nach gründlicher Abspülung mit Wasser auf's Neue platinirt. Zu welchen Fehlern die Vernachlässigung der eben genannten Vorsichtsmaass- regel Veranlassung geben kann, möge folgendes Beispiel zeigen. Es wurde die folgende Kette hergestellt : H | Harn | 0,01 n HCl | H. Die Wasserstoffelektroden Arbeit mit der Gaskette. 340 waren vier Tage zuvor mit 0 beladen gewesen. Die EMK. der Kette betrug 0,226 Volt. Jetzt wurde das Platinschwarz von den Elektroden mittelst Auskochen in Königswasser entfernt. Nachdem sie nunmehr auf's Neue platinirt und mit H beladen waren, betrug die EMK. derselben Harn-Salzsäurekette 0,405 Volt. Nachdem die Platinirung stattgefunden hat — was nicht in demselben Gefäss erfolgen darf, das für die Concentrationszelle gebraucht wird — werden die Elek- troden in lauem destillirten Wasser mehrere Stunden ausgewässert. Auch die Auf- bewahrung geschieht in destillirtem Wasser (vergl. Bd. I, S. 105). 2. Reinigung der Gefässe. Von grosser Wichtigkeit ist die Reinheit der U-förmigen Glasröhre. Am sichersten wird dieses durch Einwirkung eines Gemisches von doppeltchromsaurem Kali und Schwefelsäure erzielt, und zwar durch dasselbe Gemisch, das auch für Bunsen's Chromsäureelement benutzt wird. Nach mehrstündiger Einwirkung wird mit destillirtem Wasser ausgespült. Da bei Eingiessung der zu untersuchenden Flüssig- keit in das noch nasse Gefäss dieselbe durch das noch anhaftende Wasser verdünnt werden würde , empfiehlt es sich , das Gefäss vor der Füllung mit ein wenig der zu untersuchenden Flüssigkeit auszuspülen, was sich auch für die entsprechende Elek- trode empfiehlt. 3. Beschickung der Elektroden mit Wasserstoff. Es giebt Autoren, die, wie v. Rohrer, die Elektroden dadurch mit Wasserstoff versehen, dass sie dieselben etwa drei Stunden einem Strom dieses Gases aussetzen. Viel bequemer verfährt man in folgender Weise, zu der sich gerade mein Apparat vortrefflich eignet. Man füllt das an beiden Seiten geöffnete U-Rohr mit destillirtem Wasser, bis der kurze Schenkel nahezu voll ist; dann senkt man den Gummistopfen mit Elektrode in die Flüssigkeit des kurzen Schenkels und bringt in den langen ein Glasröhrchen, das unten eine kleine Krümmung hat. Dieses Röhrchen steht in Verbindung mit einem Kipp'schen Wasserstoffapparat. Der Wasserstoff wird aus Zink und Schwefelsäure bereitet und behufs Reinigung durch eine Flasche, die eine 20°/oige KMn04-Lösung, und eine andere, die eine gesättigte wässerige Sublimatlösung enthält, durchgeleitet. Erst nachdem durch eine reichliche H-Entwickelung alle Luft aus dem ganzen Apparat vertrieben ist, wird das genannte unten umgebogene Röhr- chen m das U-förmige Rohr gebracht und Wasserstoff zugeführt. Demzufolge wird die Flüssigkeit aus dem kurzen Schenkel verdrängt. Es wird mit der Gaszufuhr fortgefahren, bis die Unterseite der Elektrode die Flüssigkeit nicht mehr berührt. In vollkommen gleicher Weise verfährt man mit dem anderen U-Rohr. Es stellt sich nun heraus, dass die Flüssigkeiten in dem kurzen Schenkel auf- steigen ; das rührt daher, dass das Platinschwarz den Wasserstoff in sich aufnimmt. Es kann sich ereignen, dass die absorbirte Menge so gross ist, dass die Flüssig- keit zu dem oberen Rand der Elektrode hinaufsteigt. Es ist dann angewiesen, noch einmal Wasserstoff zuzuführen und so lange zu warten, bis kein Steigen mehr beobachtet wird. Jetzt muss geprüft werden, ob die beiden Elektroden etwa einen Potentialunter- schied zeigen. Hierzu hängt man dieselben in zwei mit einem Elektrolyt (0,01 n, HCl oder NaCl) gefüllte Rohre (Fig. 19) , die zu diesem Zweck immer fertig gehalten werden und verbindet die Polklemmen mit dem Galvanometer. Man kann auch, / 350 Elektrochemische Untersuchung des Harns. was noch bequemer ist, ein einfaches U-förmiges Rohr tehmen, in dessen beide Schenkel die Elektroden eingesenkt werden. Wird ein Strom angezeigt, so muss eine der Elektroden einen Augenblick in der Flamme gelinde erhitzt werden. Ist es endlich gelungen , Elektroden ohne PotentialdilFerenz zu bekommen , so wird jede mit der Flüssigkeit abgespült, in welche sie eingetaucht werden wird, also wenn es sich um die Aciditätsbestimmung von Harn handelt, mit dem Harn und mit der verdünnten Salzsäure. Wie man ausfindig macht, welche der beiden Elektroden zu stark beladen ist, bespreche ich auf S. 367 wo ein Beispiel detaillirt beschrieben wird. Da findet man auch andere Einzelheiten. Endlich werden die Elektroden in die U-förmigen Gefässe des eigentlichen Gaselementes gebracht und zwar in folgender Weise. Erst wird das U-förmige Rohr mit der einen Flüssigkeit beschickt und zwar wird soviel eingegossen, dass der kurze Schenkel fast gefüllt ist. Dann wird Wasserstoff eingeleitet , bis die Flüssigkeit noch den vierten Theil der Elektrode umgiebt. Mit der anderen Flüssig- keit wird genau dasselbe gethan. Statt Wasserstoff kann man jetzt auch Luft gebrauchen und wird das vor Wasserstoff vorziehen , wenn eine der Elektroden erhitzt werden musste , um die Potentialdifferenz zum Verschwinden zu bringen. Da nämlich die Ursache dieser Potentialdifferenz in der ungleichen Menge Platin- schwarz auf den beiden Elektroden gelegen war, lässt es sich erwarten, dass ein Potentialunterschied sich wieder herstellen wird, wenn die Elektroden wieder mit einem Uebermaass von Wasserstoff in Berührung kommen. 4. Weitere Beliandlung des Gaselementes. Jetzt wird das mit reiner Baumwolle gefüllte Verbindungsstück mit Flüssig- keit getränkt. Diese Flüssigkeit kann eine der beiden in den U-Röhren vorhandene sein. Welche von den beiden man nimmt, ist gleichgültig. Es giebt aber Fälle, dass es sich empfiehlt, die Baumwolle mit einer anderen Flüssigkeit zu tränken. Es empfiehlt sich behufs möglichst vollständiger Entfernung von Verunreinig- ungen, die selbst in Bruns 'scher Verbandwatte nicht selten vorkommen, die Baum- wolle zunächst erst mit der Flüssigkeit zu tränken, dann auszupressen und diese Manipulation ein paar Male zu wiederholen. Nach der Tränkung der Baumwolle werden die beiden mit Gummistopfen ver- sehenen Schenkel in die langen Schenkel des U-Rohres gesetzt, aber so, dass die Baumwolle nicht mit den Flüssigkeiten in Berührung kommt. Nun wird das Element in den Thermostat gesenkt, um die in demselben herrschende Temperatur anzunehmen. Die Oeffnung des verticalen Theiles des Ver- bindungsrohres ragt über das Wasser des Thermostaten hinaus, um auch den Gleich- gewichtzustand im lonenaustausch erreichen zu lassen. Gewöhnlich wird es wenigstens 6 Stunden darin belassen. Will man die elektromotorische Kraft bestimmen, so drückt man das mit Baumwolle gefüllte Verbindungsrohr so weit nach unten , dass die Baumwolle in die Flüssigkeiten taucht. Was die Temperatur des Thermostaten betrifft, so ist es für den Harn erwünscht, Körpertemperatur (37° C) zu nehmen, weil sonst zuweilen Urate gefällt werden. Im Allgemeinen halte ich es für medicinische Zwecke für sehr empfehlenswerth, immer bei dieser Temperatur zu arbeiten, da diese doch die natürliche ist. Dem Nachtheil, dass 3 I Wes ton-Normalelemeiit. 351 bei langwährendem Aufenthalt bei 37" Gährung stattfinden kann, kann durch Hinzu- fügLing eines Stückchens Thymol fast ganz vorgebeugt werden. Dieses hat übrigens auf das Resultat keinen Einfluss. Die Vortheile meines Elements sind folgende : 1. Es lässt sich in bequemer Weise herstellen. 2. Die Elektroden sind leicht herausnehmbar. 3. Die Beschickung mit Wasserstoff geht in bequemer Weise vor sich. Die Einwirkung von Wasserstoff auf die Elektroden erfolgt auf beiden Seiten unter gleichen Bedingungen, was nicht in dem Maasse der Fall ist, wenn wenn man einen Wasserstoffstrom in offene Gefässe einleitet. 4. Die Elektroden befinden sich in einem geschlossenen Raum, so dass Entweichen von Wasserstoff in Folge von Luftstrijmungen nicht mög- lich ist. 5. Das allseitige Geschlossensein des Apparates ermöglicht seine Erwärm- ung im Thermostat. 5. Normal-Element. Unter Normal-Elementen versteht man Elemente, welche den fol- genden Anforderungen genügen: 1. während sie sich selbst überlassen sind, ändern sie ihre elektro- motorische Kraft nicht, 2. bei genauer Befolgung der Vorschriften kann man das Element mit vollkommen der gleichen elektromotorischen Kraft jeder- zeit anfertigen, 3. die elektromotorische Kraft ist in hohem Maasse von der Temperatur unabhängig. Es giebt zwei Elemente, welche hierzu in Anwendung kommen: W e s t o n ' s Cadmiura - Normalelement und L a t i m e r C 1 a r k ' s Zink- Normalelement. Das We ston-Element hat vor dem Clark 'sehen voraus, dass die Temperatur auf dessen elektromotorische Kraft noch merklich geringeren Einfluss hat. Während die elektromotorische Kraft des Clark-Elements auf je 10" Temperatur-Unterschied sich um 0,001 Volt, d. h. um ungefähr 0,6*^/0 ändert, beträgt der Einfluss von 10 "^ Temperatur-Unterschied beim Weston-Element nur 0,0003 Volt, d. i. nur 0,03^/0. Nur in äusserst seltenen Fällen, in denen es sich um ausserordentlich grosse Genauigkeit handelt, braucht das Weston-Element nicht auf constanter Temperatur gehalten zu werden. Man kann es somit bei der zufällig herrschenden Zimmertemperatur gebrauchen. Diese Thatsachen verdanken wir den in der physikalisch-technischen Reichsanstalt angestellten sorgfältigen Untersuchungen von Ja eg er und 352 Elektrochemische Untersuchung des Harns. Wachsmuth. Die Verfasser gaben folgende empirische Formel für die elektromotorische Kraft des Wes ton -Elements bei verschiedenen Tem- peraturen zwischen -}- 10° und 26° C. Et = 1,0186 —0,000038 (t— 20) -0,00000065 (t- 20)^ Volt, in welcher Formel t die Temperatur ist, bei welcher die elektromotorische Kraft gemessen wurde. I)ie Berechnung lehrt, dass z. B. bei 25° die elektromotorische Kraft 1,0184 Volt und bei 15" 1,0187 Volt beträgt. Das Weston-Element folgt einem Wechsel der Temperatur binnen iVp Stunden. Die Formel für das Clark'sche Element ist E^ = 1,4328 — 0,00119 (t - 15) — 0,000007 (t — 15)- Volt. Mau sieht, dass die elektromotorische Kraft dieses Elements etwas kleiner ist als 1,4328 Volt, also grösser als die des Weston-Elements. Letzteres ist aus den mitgetheilten Gründen das meistbenutzte. Ich theile deshalb die Anfertigung dieses Elements mit. Zu der Herstellung eines C admium elements dient entweder ein H-förmiges Gefäss, wie in Fig. 20 abgebildet^), oder ein Gefäss anderer Gestalt, wie in Fig. 21 abgebildet. Siegellack Kork Paraffin— Luft-- '" »^a^ 5".^^Js otX> KnJ. Siegellack Kork Pajuffijv ..Faste CdSOit. .Cd. *Hg Fig. 20. Ich ziehe die zweite Form vor, weil dieselbe grössere Solidi- tät besitzt und auch weil sie sich besser zum Aufent- halt im Thermostat eignet. Letzteres ist nicht ganz ohne Interesse , weil es wie gesagt, für medicinische Zwecke in den meisten Fällen em- pfehlenswerth ist, auch die elektromotorische Kraft bei Körpertemperatur zu er- mitteln. Wie ersichtlich , sind beim H-förmigen Gefäss -) (Fig. 20) Platindrähte durch den Boden eingeschmolzen. Das ist ein Nachtheil, weil das Einschmelzglas blei- haltig ist und das Blei sich allmählich auf das Quecksilber und das Cadmium gel- 1) In dieser Form ist es von dem Mechaniker des Ostw ald'schen Instituts, Herrn Fritz Köhler zu beziehen. -) In dieser Figur, welche dem Hand- und Hilfsbuch von Ostwald-Luther entnommen ist, sieht man rechts „Paste CdSO^" angezeigt. Das bedeutet nur , dünner Krystallbrei* von Cadmiumsulfat. W e s 1 0 n - Normalelement. a')^ Platiudraht - - - Luft Paste tend machen wird. Bei der anderen Form ist dieser Uebelstand zu umgehen, weil man da die Platindrähte einfach in das Quecksilber und das Amalgam einsenkt. Nachdem das Gefäss mit Kaliumbichromat und Schwefelsäure gründlich gereinigt, mit destillirtem Wasser ausgespült und dann mittelst absoluten Alkohols ausgetrocknet worden ist, erfolgt die Füllung mittelst Trichter. Ich beschreibe hier die Füllung von Fig. 21, die allerdings in der Hauptsache auch für Fig. 20 passt. Mit Nachdruck sei hervorgehoben, dass alle zur Verwend- ung kommenden Substanzen chemisch rein sein müssen^). Die erste Schichte einerseits ist das Cad- m i u m- Am a 1 g a m. 1 Theil Cadmium wird mit' 7 — 8 Theilen Quecksilber unter mas- siger Erhitzung in einer Porcellanschale zusam- men geschmolzen. Das Amalgam enthält also circa 13 Gewichtspro- cente Cadmium. Mehr als 1 3 "/o C a d m i u m soll es nicht ent- halten, weil sonst das Element Un- regelmässigkeiten der elektromotorischen Kraft zeigt. Bevor es fest geworden ist, wird es mittelst eines Spatels in kleine Stückchen zer- theilt, die man mittelst eines Trichters auf den Boden des Schenkels fallen lässt. Ist eine Schicht von ungefähr 1 cm vorhanden, so wird der Apparat in das Wasserbad gehalten, wodurch das Amalgam schmilzt (90° C) und auch in das communicirende Rohr hinaufsteigt, an welchem bereits ein Platindraht sich befindet. Bald wird die Masse fest und man kann die Oberfläche des Amalgams mittelst Glasstabes abkratzen so das.s das Amalgam mehr glänzend erscheint. Die gefährlichste Verunreinigung des Cadmium ist die durch Zink, in deren Gefolge die elektromotorische Kraft zu gross ausfällt. Eine einfache Prüfungsmethode besteht nach My lius und Funk [65] darin, dass man das Cadmium in einem offenen Porzellantiegel schmilzt und die Oxyddecke mittelst eines Glasstäbchens durchbricht; Siegellack Gummistopfen Cadmiumsulfat Cadmium- amalgam 1 Quecksilber Fig. 21. J) Die Präparate von Kahlbaum sind u. A. zu empfehlen. Hamburger, Osmot. Druck, II. Band. 23 354 Elektrochemische Untersuchung des Harns. enthält das Cadmium nicht mehr als 0,01 ",0 Zink, so bilden sich farbige Oxyd- ringe durch Oxydation an der Luft. Kommt mehr Zink im Cadmium vor, so sieht man die Ringe nicht erscheinen. Solches Metall gebrauche man nicht, denn es kann um einige Millivolt zu hohe elektromotorische Kraft herbeiführen. Für die Reinigung des Quecksilbers genügt in den meisten Fällen zwei- maliges Schütteln mit Mercuronitratlösung. Das Destilliren ist meist überflüssig. Ist das nicht der Fall, so folgt man dem Verfahren von Hulett [66]. Die erste Schicht an der anderen Seite ist reines Quecksilber. Die Schicht hat die gleiche Höhe wie die des Cadmiumamalgams. Die zweite Schicht an der vorgenannten Seite ist Paste. Diese besteht aus einem Brei von Mercurosulfat, Cadmiumsulfat und Queck- silber und wird in folgender Weise hergestellt. 1 Gewichtstheil Cadmium- sulfat wird mit 4 — 5 Gewichtstheilen Mercurosulfat und einem Tropfen Quecksilber im Porzellanmörser vermischt und unter Hinzugabe von soviel einer gesättigten Cadmiumsulfatlösung verrieben, dass ein salben- ähnlicher Brei entsteht. Von dieser Paste wird eine Schicht von etwa 5 mm Höhe auf das Quecksilber gelegt. Das Mercurosulfat ist meist genügend rein im Handel zu beziehen. Es soll weiss mit einem schwachen Stich ins Gelbliche sein und keinen Geruch besitzen. Das Salz kann durch Mercurisulfat, durch basische Salze oder freie Säure verun- reinigt sein. Die Oxydverbindungen aber werden durch das Zusammenreiben mit metallischem Quecksilber reducirt, freilich nicht vollständig. Die basischen Salze machen sich durch Gelbfärbung kenntlich und sind wegen ihrer Unlöslichkeit un- schädlich. Grössere Mengen freier Säure können durch Auswasehen entfernt werden. Um die mit dem Mercurosulfat in die Paste eingeführten Verunreinigungen, nämlich Mercurisulfat und Säure, zu entfernen, versetzt Ostwald die Paste mit einer neuen Menge gesättigter Cadmiumlösung und lässt absetzen; man giesst dann die obenstehende, nunmehr verunreinigte Cadmiumsulfatlösung ab, verreibt wieder mit neuer Cadmiumsulfatlösung und giesst wieder ab. Das käufliche krystallisirte Cadmiumsulfat hat die Formel Cd SO4 . * 3 H3O. Die Löslichkeit ist nach den Untersuchungen von Mylius und Funk [67] und von Kohn stamm und Cohen [68] in hohem Maasse von der Temperatur unabhängig. Sie bleibt zwischen 0" und 30" nahezu unverändert. Es kommt bei der Anwendung der Cadmiumsulfatlösung für das Weston-Element hauptsächlich auf zwei Dinge an. Zunächst soll die Lösung keine freie Säure enthalten. Zu diesem Zweck prüft man mit Congorothpapier , welches bei Anwesenheit freier Säure blau gefärbt wird. Etwa vorhandene freie Sänre muss man durch Digeriren der Cadmiumsulfatlösung mit Cadmiumhydroxyd in der Wärme abstumpfen, darauf abfiltriren und die Lösung, die dann meist basisch geworden ist, so lange mit kleinen Mengen Mercurosulfat digeriren, bis dieses nicht mehr schwarz gefärbt wird. Zuletzt wird die Lösung wieder abflltrirt und dann durch freiwillige Verdunstung des Wassers zum Auskrystallisiren gebracht. Meist ist jedoch das im Handel bezogene Cadmiumsulfat direct zu benutzen. Zweitens muss man Sorge dafür tragen, dass die Cadmiumsulfatlösung voll- kommen gesättigt sei. Man bereitet sich diese durch halbstündiges Verreiben der Krystalle mit Wasser in einer Reibschale. Die Auflösung kann auch in einem Weston-Normalelement. 355 Schüttelappai'at bewerkstelligt werden. Ein zweistündiges Schütteln genügt voll- kommen. Das Verreiben in einer Schale hat den Vortheil, dass der nicht aufgelüste Theil zur Anfertigung der Paste gebraucht werden kann; denn die Krystalle sind dann schon zerkleinert und es lässt sich die Paste deshalb leichter herstellen. Ausser- dem kann man diese feingeriebenen Krystalle benutzen , um damit die Amalgam- Oberfläche im Elemente zu belegen. Zur Anfertigung der gesättigten Cadmiurasulfatlösung behandle man 100 Ge- wichtstheile mit 100 Gewichtstheilen Wasser. Es lösen sich nur ca. 76 Gewichts- theile CdSO^. Weiter wird, wie aus der Abbildung ersichtlich, der übrige Theil des Apparates fast ganz mit grösseren Cadmiumsulfat-Krystallen beschickt und die dazwischen gebliebenen Lücken werden mit gesättigter Cadmiumsulfat- lösung ausgefüllt. Luftbläschen entfernt man mittelst eines Platindrahtes. Endlich wird das Gefäss mittelst Gummistopfens verschlossen. LTm dabei die darunter befindliche Luft beim Eindrücken nicht zu compri- miren, legt man, bevor der Stopfen eingeführt wird, einen Platindraht an die Seite : die Luft kann dann entweichen. Man drückt aber den Stopfen nicht zu weit ein. Es soll noch etwas Luft unter dem Stopfen zurück- bleiben, da andernfalls in heissen Sommermonaten oder im Thermostat das Gefäss gesprengt werden kann. Nachdem man den zwischen Stopfen und Hals gelegenen Platindraht herausgezogen hat, ist das Element luft- dicht verschlossen. Schliesslich wird der Stopfen mit Siegellack oder Marineleim bedeckt. Hat man jetzt das Element in den Thermostat gebracht und zwei Stunden darin belassen, um ihm eine bekannte Temperatur zu er- theilen, so darf man noch nicht behaupten, die jetzt gefundene elektro- motorische Kraft sei die, welche dem Elemente zukommt. Es giebt Fälle, dass es Tage, selbst bis vier Wochen dauert, bevor der definitive Gleichgewichtszustand im Element vollständig erreicht ist. Man kann aber sagen, dass das Element schon nach 48 Stunden seine definitive elektromotorische Kraft bis auf etwa 0,3 Millivolt erreicht hat. Um die elektromotorische Kraft eines angefertigten Elementes jeden Augenblick feststellen zu können, braucht man ein Standardelement, über welches sogleich Näheres folgt. Für manche Zwecke ist der innere Widerstand des beschriebenen Elementes {500 bis 50O0 Ohm je nach der Schichtdichte der Paste und der Grösse der Krystalle) zu gross. Man lässt dann die Cadmiumsulfatkrystalle fort und wählt die Paste und das Amalgam nur 1 mm dick. Weiter wird man den Querschnitt des Elementes gleichmässig vergrössern (Boss [69]). Soll das Element transportirt werden, so ist es ZAveckmässiger, an Stelle des Quecksilbers eine amalgamirte Platinelektrode zu ver- wenden. Weiter kommt auf die Paste eine Schicht gereinigter, mit 23* 356 Elektrochemische Untersuchung des Harns. Faraffiii Porzellan Fig. 22. mehrfach gewechselter, gesättigter Cadmiumsulfatlösiing gewaschene As- best- oder Glaswolle, welche durch eine durchbohrte Porzellanscheibe und einen daran befestigten centralen Stab festgehalten wird. Dieser Stab ist oben mittelst Paraffin befestigt. Aus der hier folgenden Figur 22 ist die Anordnung leicht ersichtlich. Auf diese Weise ist auch das, übrigens in einem Holzkästchen eingeschlossene, Weston-St an dardelement construirt. Soeben erwähnte ich schon, dass man durch solch ein Element das ange- fertigte controliren kann. Es wird die Frage erhoben . werden , warum man sich dann die Mühe giebt, selbst ein Element anzufertigen. Warum kann man nicht das Standardelement direkt für alle Messungen gebrauchen ? Die Antwort ist nicht schwierig: weil bei den Messungen das Element, wenn auch wenig, so doch etwas Strom giebt, und daher beim langen Ge- brauchein wenig sich abschwächt. Hat man selbst kein Standardelement zur Verfügung, so lässt man sein Normalelement von Zeit zu Zeit von der Physikalischen Eeichsanstalt i^rüfen. Kauft man sich selbst ein Standard- element, was sehr zu empfehlen ist, so nehme man nur eines, das von diesem Institut beglaubigt ist. Die elektromotorische Kraft des Cadmium-Standardelementes beträgt : bei 0" 5« 10° 15" 20» 25" 30° 1,0189 1,0189 1,0189 1,0188 1,0186 1,0184 1,0181 Volt. Zwischen 15" und 20" lässt sich die elektromotorische Kraft durch die Formel 1,0186 + 0,00004 (20"- 1") Volt darstellen. Bei Anwendung von käuflichen „chemisch reinen" Reagentien be- tragen die durch Verunreinigungen bedingten Abweichungen von den genannten entsprechenden Normalwerthen höchstens ± 0,2 Millivolt. Näheres über Theorie und praktische Anwendung der Normal- elemente findet man in der trefflichen Monographie von Jäger [70J, auf die ich hiermit verweise. (>. Nullinstruniente. Hierzu kann man (^Hiadrantelektrometer, Galvanometer oder Capillar- elektrometer benützen. Das letztere wird sehr viel gebraucht und ist ein äusserst billiges Instrument. Capillarelektiometer. 357 Es ist völlig indifferent gegen magnetische Störungen, aperiodisch, d. h. führt um den Punkt, den es zeigen soll, keine Schwankungen aus, und ist endlich — wenn man eine genügende Erfahrung erlangt hat — bequem im (lebrauch. Meine ziemlich lange Erfahrung über das Capillar- Elektrometer geht aber dahin, dass ich trotz der erwähnten Vortheile das Instrument nicht denjenigen empfehlen kann, die nur von Zeit zu Zeit einen Versuch auszuführen haben. Ist der Apparat einige Zeit ausser Gebrauch gewesen, so geschieht es nicht selten, dass er ganz er- neuert werden muss, und ist man nicht glücklich in der Anfertigung einer empfindlichen Capillare, so kann eine befriedigende Erneuerung lange Zeit in Anspruch nehmen. Deshalb halte ich das Instrument zum gelegentlichen klinischen Gebrauch für ungeeignet. Nur wenn es sich um eine Reihe von Bestimmungen behufs einer wissenschaftlichen Untersuchung handelt, tritt diese Schwierigkeit in den Hintergrund. Man muss jedoch immer darauf vorbereitet sein, dass das Instrument auch, nachdem es nur kurze Zeit sich selbst überlassen gewesen war, den Dienst versagt. Sind die Mittel nicht allzu bescheiden, so schaffe man sich ein Galvanometer an. Ein solches ist in jedem Augenblick brauchbar. Nur erfordert die Auf- stellung und insbesondere die Ablesevorrichtung einige Sorgfalt. Ist aber die Einrichtung einmal fertig, so macht dieselbe nicht die mindeste Mühe. Es ist deshalb sehr empfehlenswerth die Einrichtung stehen zu lassen. Für diejenigen, die doch ein Capillarelektrometer benutzen wollen, lasse ich zunächst einige Anweisungen betreffs dieses Instrumentes folgen, um dann etwas ausführlicher über das Galvanometer zu sprechen. Capillarelektrometer. Das Princip des Capillarelektrometers ist folgendes: Wenn man ein Glasrohr zu einer Capillare (Fig. 23 auf folg. Seite) auszieht, und diese mit Quecksilber füllt und dafür sorgt, dass der untere nicht mit Quecksilber gefüllte Theil der Capillare verdünnte Schwefelsäure enthält, so heiTscht an der BerührungsÜäche ein Potentialunterschied. Sobald man diesen Potentialunterschied vergrössert oder verkleinert, in- dem man Quecksilber und Schwefelsäure in einen Stromkreis aufnimmt, ändert sich die Gestalt des Meniscus und da jede Meniscuskrümmung einer bestimmten Capillarweite entspricht, wird der neugestaltete Meniscus mit seiner alten Lage nicht mehr zufrieden sein und eine neue, ihm besser passende aufsuchen. Um ihm eine solche darbieten zu können, muss die Capillare kegelförmig ausgezogen sein. Je langsamer sie sich ver- jüngt, eine um so grössere Strecke wird sich der Meniscus bewegen 8Ö8 Elektrochemische Untersuchung des Harns. müssen, um den ihm passenden Stand zu erreichen. Je schwächer die Verjüngung ist, umso empfindhcher ist also der Apparat. Nach diesem freihch etwas schematisch vorgetragenen Princip sind die verschiedenen Formen von Capillarelektrometern angetertigt, unter denen die Ostwald'schen Constructionen sehr einfach und praktisch sind. Wie Ostwald aber selbst bemerkt, ist die emptindlichste Form die, welche der Erfinder Lippmann selbst dem Instrumente gegeben hat. a c Fig. 23. Fig. 24. Wie aus Fig. 24 ersichtlich, ist ein capillar ausgezogenes Glasrohr mit (,)uecksilber gefüllt. Die Capillare befindet sich in einem Gefäss mit verdünnter Schwefelsäure (1 : 5) und zwar in so grosser Nähe der Wand, dass man den Meniscus leicht mittelst eines Mikroskopes von 60 bis 100-facher Vergrösserung beobachten kann. Im Ocular befindet sich ein Mikrometerplättchen. Wie wird nun der zu untersuchende Strom dem Capillarelektro- meter zugeführt? In das Quecksilberrohr ist ein Platindraht einge- schmolzen und auf dem Boden des Schwefelsäuregefässes befindet sich eine (v)uecksilberschicht in der auch ein nach aussen gehender Platin- draht steckt. Man kann letzteren Draht in der Nähe des Bodens des Capillarelektrometer. 359 Gefässes einschmelzen; man kann auch einen Platindraht in das Schwefel- säiu'egefäss setzen, sodass er über die Schwefelsäure-Oberfläche hinaus- ragt. Es empfiehlt sich, diesen Platindraht in ein dünnes Glasrohr ein- zuschliessen, das kürzer ist als der Platindraht und seine beiden Enden frei herausragen lässt. Zur Benutzung des Elektrometers verbindet man die Drähte c und d (vergl. Fig. 13 auf S. 339) mit dem der Schwefelsäure entsprechenden Platindraht und e mit dem in das Quecksilberrohr eingeschmolzenen. Indem man im Mikroskop den Meniscus im Auge behält, verschiebt man X auf der Brücke AB solange, bis der Meniscus seinen ursprünglichen Stand wiedererlangt hat. Es geht dann kein Strom durch das Elektrometer. Ich will hier noch einige praktische Bemerkungen hinzufügen. 1. Man sorge für äusserst reines Quecksilber (über die Reinigung vergl. oben S. 354). Man soll das Instrument nicht unmittelbar nach der Anfertigung gebrauchen, sondern einige Stunden warten, weil der Quecksilbermeniscus kurz nach der Anfertigung noch nicht zur Ruhe gekommen ist. 3. Wenn das Instrument nicht zur Stromprüfung gebraucht wird, muss es stets in sich selbst geschlossen sein, d. h. die Elektrode des Capillarrohres und die des Schwefelsäuregefässes müssen leitend mit- einander verbunden sein. Dies geschieht am besten durch eine PohPsche Wippe, die auf einfache Weise gestattet durch Umlegen den zu unter- suchenden Strom einzuschalten. 4. Wenn das Instrument einige Tage nicht gebraucht worden ist, soll man das Quecksilber in der Capillare hin- und wiederbewegen, um das gebildete Sulfat zu entfernen. Am besten geschieht diese Bewegung mittelst Gummiballons. 5. Man soll sich davor hüten starke Potentialdifferenzen, wie 0,5 Volt oder mehr, einzuschalten. Es bildet sich dann sofort ein fester Belag, Gasbläschen entwickeln sich und die Capillare ist unbrauchbar geworden. Man thut dann am besten eine neue anzufertigen. Galvanometer. Es giebt verschiedene Galvanometer, die zum vorliegenden Zweck gebraucht werden können. Ich benutze zu meiner Zufriedenheit ein nach dem d'Arsonva Ischen Princip construirter Galvanometer der Firma Nalder Bro^^) das für unsere Zwecke eine genügende Em- pfindlichkeit besitzt. 1 ) Nalder Bros & C"., 12 Carteret Street, Queen Anne's Gate Westminster, Lon- don S. W. Catalog Abbildung G. 2-JO, pag. 23. Der Preis ist massig : nur 4 ^ 14. 360 Elektrochemische Untersuchung des Harns. Das Wesentliche des Apparates besteht aus einem, an einem Cocon- faden aufgehängten Anker, an dem ein vertikal gestelltes rundes Spiegelchen befestigt ist. Geht durch den den Anker umgebenden Draht ein Strom, so dreht sich der Anker um die verticale Achse und damit auch der Spiegel. Durch eine einfache Schraubenarretirung kann man den Coconfaden leicht seiner Belastung entheben und dabei Anker und Spiegel in der Weise flxiren, dass das Instrument ohne Schaden selbst umgekehrt -werden kann. Es ist also leicht transportabel. Der Spiegel, den die Firma, wenn nichts darüber gesagt wird, zu liefern pflegt, ist ein Hohlspiegel. Dieser ist aber für unsere Ablesungsmethode nicht geeignet. Dafür bedarf es eines Planspiegels. Das Galvano- meter steht in einem kupfernen Gehäuse, in dem ein rundes Fenster sich befindet und zwar an der Stelle, wo das Licht den Spiegel erreichen und verlassen muss. Aufstellung des Galvanometers. Es braucht kaum erAvähnt zu werden, dass eine erschütterungsfreie Aufstellung für genaue Beobachtungen mittelst Galvanometer Bedingung ist. Die bequemste Aufstellung ist zweifellos die auf einem soliden Fundament von tief im Boden gemauerten Stein, wie man sie in astro- nomischen und physikalischen Laboratorien zu haben pflegt. Wer nicht darüber verfügt, kann sich mit wesentlichem Erfolg der Julius^schen Aufhängemethode bedienen ! Man denke sich zwei gleich grosse runde, horizontale Platten, die durch drei vertical verlaufende Stangen einander gegenüber fixirt werden. Auf der unteren Platte steht das Galvanometer. Der Apparat ist mittelst drei an den Stangen befestigten Drähten an der Decke auf- gehängt. Weiter sind noch an den Stangen Flügel befestigt, die in Flüssigkeit getaucht sind. Diese letztere Vorrichtung ist von wesent- licher Bedeutung, denn gerade dadurch werden die seitwärtigen Beweg- ungen gehemmt. Diese kostspielige Einrichtung^) kann durch eine viel einfachere ersetzt werden. Ich habe letztere auf Tafel II abgebildet. Man sieht auch hier zwei parallele horizontale Platten. Auf der einen steht das Galvanometer. Von den drei verticalen Stangen sieht man in der Zeich- nung nur zwei. An den Stangen befinden sich eiserne, schwarz gelackte Haken, an die mittelst dreier entsprechender Stahldrähte der Apparat an 1) Zu beziehen von der Firma Kipp & Zn, J. W. Giltay Nachfolger, Delft (Holland). Aufstellung des Galvanometers. 361 der Decke aufgehängt worden ist. Weiter ist auf der Mitte der oberen Platte eine hölzerne Stange aufgerichtet, über die ein schwerer Bleiring auf- und niedergeschoben und an jeder beliebigen Stelle fixirt werden kann. Der Ort desselben ist jedoch für die richtige Funktionirung des Appa- rates keineswegs irrelevant. Derselbe muss es nämlich ermöglichen, dass die horizontale Fläche, die man sich durch die drei Aufhängepunkte ge- legt denken kann, durch den Schwerpunkt geht. Um dies zu erreichen, befestigt man das Galvanometer auf die untere Platte und hängt den Apparat an zwei seiner Haken auf, was z. B. an einem Tisch geschehen kann. Es würde ein Zufall sein, wenn der Apparat sich unmittelbar genau horizontal stellte. Gewöhnlich wird der Bleiring etwas nach oben oder etwas nach unten gehen. Man verschiebt denselben nun so lange, bis der Apparat genau horizontal hängt, was mittelst einer Libelle leicht zu beurtheilen ist. Ist der dritte Haken richtig angebracht worden, nämlich so, dass derselbe mit den zwei anderen in einer den beiden Platten parallelen Fläche lag, so wird sich herausstellen, dass. wenn behufs der Prüfung der dritte Haken mit einem der beiden anderen benutzt wird, der Apparat in vollkommen horizontaler Lage aufgehängt ist. Nachdem diese principielle Regelung erledigt ist, schreitet man zu der Aufhängung an der Decke, wobei selbstverständlich zu beachten ist, dass die untere Platte des Aufhängeapparates, auf der das Galvano- meter steht, vollkommen horizontal ist. Statt durch Eintauchen von Flügeln in Flüssigkeit, von dem oben die Kede war, wird hier die Erschütterung dadurch gedämpft, dass unter der unteren Platte des Apparates eine Schicht Baumwolle liegt. Insbe- sondere hat man dafür zu sorgen, dass die Baumwolle an der Peripherie und ringsherum um dieselbe angehäuft ist. Man kann sich nun leicht in frappanter Weise überzeugen, wie prompt die Dämpfung von Bewegungen stattfindet. Man hat nur den Apparat in horizontaler Richtung aus dem Gleichgewicht zu bringen und man ist erstaunt, in wie kurzer Zeit der Apparat wieder in Ruhe ist. Dass hierzu die Aufhängung in der Schwer- punktebene wesentlich beiträgt, braucht nicht betont zu werden. Der ganze Apparat besteht ausser den Haken, den Stahldrähten und dem Blei- ring mit Schraube aus Holz. (Der meinige ist von trockenem Buchen- holz.) Die Grösse ist der Abbildung auf Tafel II zu entnehmen, deren Massstab 1:10 ist. Die Unterlage der Baumwolle kann ein gewöhnlicher Tisch sein. Bei mir ist es eine in der Mauer befestigte sehr dicke Marmorplatte, die sich zufällig da befand. Da die Platte zu niedrig lag, wurde ein Tischchen auf dieselbe gesetzt. (Vergl. Tafel II). 362 Elektrochemische Untersuchung des Harns. Es ist empfehlenswerth, die Stahldrähte nicht direkt an der Decke zu befestigen, sondern an ein dickes Brett, dass durch lange eiserne Schrauben an die Decke gedrückt wird. Die Schrauben ragen in das darüber liegende Zimmer heraus und werden da mittelst Schrauben- muttern fixirt. Der Stahldraht ist, um dem Rosten vorzubeugen, mit Vaselin tüchtig eingefettet. Auch sind die Haken mit Rücksicht auf das Verosten ge- lackt. Die Einrichtung hat bei all ihren grossen Vorzügen den Nachtheil, dass beim Gehen im darüber liegenden Zimmer, sehr kleine Bewegungen in verticaler Richtung nicht ausgeschlossen sind. Da aber jede durch Erschütterung herbeigeführte Bewegung in horizontaler Richtung bei dieser Aufhängemethode vollkommen unterdrückt ist und der zu mes- sende Strom nur diese Bewegungen veranlasst, ist die verticale Bewegung nicht von wesentlicher Bedeutung. Nur ist es für das Auge angenehmer, Avenn sie absolut nicht merkbar ist. Ablesung des Galvanometers. Die Ablesung erfolgt mittelst einer von Kamerlingh Onnes |72| angegebenen und von Haga vereinfachten Vorrichtung. Die Ablesung ist sehr scharf und kann bei vollem Tageslicht geschehen. Das Princip ist ganz einfach. Eine kleine Glühlampe betindet sich in der optischen Achse eines mit der concaven Seite dem Galvanometer zuge- wandten Hohlspiegelstreifens von 1 Meter Radius^). Das Licht wird darin retlectirt und zwar so, dass der conjugirte Brennpunkt gerade auf den Spiegel des Galvanometers fällt, der dadurch hell beleuchtet wird. Diese stark beleuchtete runde Spiegelfläche beobachtet man durch ein Fernrohr, das hinter dem gekrümmten Spiegel, aber ein wenig höher als dieser auf- gestellt ist. Sobald nun der Spiegel des Galvanometers sich unter dem Ein- fluss des Stromes um eine verticale Achse dreht, verschwindet das stark beleuchtete Bild aus der Mitte des Gesichtsfeldes des Fernrohres. Nur wenn die durch das Galvanometer gehenden Ströme einander völlig compensiren, bleibt die stark leuchtende Fläche in der Mitte. Weiter ist noch, wie die Abbildungen angeben, auf dem Wege der Lichtstrahlen, die vom Galvanometerspiegel in das Fernrohr reflektirt werden, eine getheilte Scala von Spiegelglas angebracht. Die richtige gegenseitige Stellung von Glühlampe, Galvanometer- spiegel, Scala und Ablesefernrohr erfordert ein genaues Ausprobiren, 1) Zu beziehen bei der Firma Kipp Zn, J. W. Giltay Nachfolger, Delft. Ablesung des Galvanometers. 363 das zuweilen die Geduld auf die Probe stellt. Es ist deshalb zu rathen, wenn alles einmal in befriedigender Weise aufgestellt ist, diese Aufstellung zu fixiren. lieber diese Fixirung folgt sogleich Näheres. P>st will ich mittheilen, in welcher Reihenfolge die Manipulationen bei der Auf- stellung erfolgen müssen. Man fängt an, dafür zu sorgen, dass Glühlampe und Galvanometerspiegel in gegenseitig conjugirten Brennpunkten stehen. Da das Galvanometer eine feste Stelle I FernroLr Stativ des . Hohlspiegels M -^ I Stativ der Scala ^ Commulator Stromschlüssel für die Glühlampe / A . Hohlspiegel -Scala <^ H Glühlampe Accumulatoren für die Glühlampe Fig. 25 (Ansicht von oben). bekommen hat, muss die erwünschte Regelung durch Verstellung der Glühlampe oder des Hohlspiegels stattfinden. Man macht das Zimmer dunkel, lässt die Glühlampe brennen, hält ein Stück weisses Papier vertikal vor den Galvanometerspiegel und manövrirt so lange mit Glühlampe und Spiegel, bis sich auf dem Papier ein scharfes helles Bild der Glüh- lampe abzeichnet und der leuchtende Kern der Glühlampe auf der dem Galvanometer- 364 Elektrochemische Untersuchung des Harns. Spiegel entsprechenden Stelle des Papiers zu liegen kommt (Haga). Dann entfei'nt man das Papier und richtet das Ablesefernrohr auf den Galvanometerspiegel. Er- scheint dieser nun als eine hellleuchtende Fläche, so sind Glühlampe und Hohl- spiegel richtig aufgestellt. Man braucht dann nur noch die Scala derart aufzustellen , dass die Zahlen im Feld des Ablesefernrohres scharf sichtbar werden. Auch diese Stellung ist durch Ausprobiren ausfindig zu machen, lässt sich aber leicht erzielen. Schliesslich muss durch geeignete Verschiebung des Oculars dafür gesorgt werden , dass zu gleicher Zeit auch das Fadenkreuz scharf sichtbar ist. Diese Ver- schiebung ist selbstverständlich nicht für alle Augen die gleiche. Es scheint mir nicht überflüssig, noch etwas über die einzelnen Theile der Vorrichtung zu sagen. a) Die Glühlampe^). Sie ist von mattem Glas und birnförmig, hat eine Höhe von 35 mm. eine Dicke von 20 mm und einen Strombedarf von 6 Volt (3 Accumulatoren) ; Lichtstärke 6 Kerzen. Die Fassung, mittelst welcher sie an dem horizontalen, ver- schiebbaren Arm befestigt ist, besteht aus 2 Platinösen. Auf dem Tisch befindet sich ein Stromschlüssel mit Queck- silbercontact, durch welchen die Lampe zum Leuchten und Erlöschen gebracht werden kami. (Tafel II und Fig. 25). b) Die Scala ist von dickem Spiegelglas und hat eine feine Theilung. Die beiden Enden sind in Stative eingeklemmt, die je mit drei Stellschrauben versehen sind, wodurch die Scala auf und nieder zu bewegen ist. Meine Scala hat eine Länge von 1 m. Das ist aber über- flüssig. Eine Länge von 2 dem genügt vollkommen. c) Der Hohlspiegel. Der Radius des Spiegels beträgt 1 m, die Hauptbrennweite also 0,5 m. Die Höhe des Streifens ist 4 cm. Der Hohlspiegel ist in ähnliche Stative eingeklemmt wie die Scala. Die Länge des Hohlspiegels braucht nicht so gross zu sein, wie sie abgebildet ist (45 ** oder lineare Breite von 45,7 cm) Eine Breite von 2 dem genügt hier. Wenn Scala und Spiegel aufgestellt sind, wird um die Stellen, wo die Stellschrauben auf dem Tisch stehen, ein heisses Gemisch von Wachs und Colophonium gegossen. In kurzer Zeit wird das Gemisch hart. d) Brett und Tisch. Die unter a, b und c genannten Theile stehen auf einem losen Brett b, das auf beiden Seiten auf den 1) Sie ist von Siemens & Halske, Berlin, zu lieziehen. Ablesung des Galvanometers. 365 Tisch geklemmt wird. Dadurch ist es ermöglicht, die Stellung der Apparate in mannigfacher Weise zu verändern, ohne dass man den Tisch selbst zu verschieben hat. Das Verschieben des Tisches ist dann auch nicht möglich. Wie aus der Figur 26 ersichtlich, besteht er aus einem Blatt, das in einem Dreifuss-Stativ auf- und niedergeschoben werden kann Die Füsse desselben stehen, um Erschütterungen möglichst aus- zuschli essen, auf drei Pfählen von hartem Holz, die über 1 m Feniiohr-Objectiv Hohlspiegel Scala Tischplatte Aeeumnlatoren für die Glüh- lampe Fig. 26 (Vorderansicht). tief in den Boden eingeschlagen sind. Um Verschiebungen der Stativfüsse in horizontaler Richtung vorzubeugen, sind die Berührungsflächen mit den Pfählen durch mittelst Schrauben be- festigte Kupferstreifen eingeschlossen. e) Ablesefernrohr. Auf dem Tisch (nicht auf dem Brett) steht das Ablesefernrohr ^). Es ist mit einem Fadenkreuz versehen. Neuerdings ist von Franz Fischer [71] eine Methode angegeben worden, die es ermöglicht, das Telephon als Nullinstrument zu benutzen. Da dieses Instru- ment von einem constanten Strom nicht angesprochen wird, so schaltet er in dem Weg zwischen der zu messenden elektromotorischen Kraft n und dem Telephon einen Unterbrecher ein, der 600 Schwingungen in der Secunde macht. Er bewegt dann den Contact X über den Messdraht, bis das Telephon schweigt. Als Messdrahfc 1) Von Kipp & Zn, Delft zu beziehen. 366 Elektrochemische Untersuchung des Harns. kann hier die für Widerstandshestimmung übliche 1 m lange Brücke angewandt werden. Ich hatte noch keine Gelegenheit, diese Methode zu prüfen, möchte aber hier doch die Aufmerksamkeit darauf lenken, weil das Telephon als Nullinstrument sehr einfach in der Anwendung ist. Indessen erfordert die Methode, wie aus des Verfassers Ausführungen hervorgeht, ausser einem Unterbrecher (von Apel in Göttingen) noch einen Widerslandsatz von 100000 und 1000 Ohm. 7. Stromtaster. Wie bereits gesagt, ist es bei Messungen mittelst des Normal- elements erwünscht, letzteres nur kurze Zeit Strom geben zu lassen. Ostwald hat für einen augenblicklichen Stromschluss ein einfaches Instrument construirt, das ohne Hinsehen bedient werden kann und sogar am Fussboden anzubringen ist, so dass es durch Auftreten mit dem Fuss in Thätigkeit gesetzt werden kann. Auf diese Weise wird es auch in meinem Laboratorium gebraucht (vergl. Fig. 27 und Tafel II). Fig. 27. Ostwald beschreibt es folgendem! aassen: Ein 1 cm breites und 0,1 cm dickes 8tück Flachmessiug von 8 — 10 cm Länge wird gebogen, wie gezeichnet, und mittelst einer Klemmschraube und einer Holz- schraube auf einem Brettchen befestigt. Durch das freie Ende geht eine Schraube mit isolierendem Kopf aus Hartgummi, deren Lage mittelst einer beweglichen Mutter festgestellt werden kann. Unter der Schraube liegt ein zweites Stück Messing, das gleichfalls eine Klemmschraube trägt. Der bessern Leitung wegen kann man auf das eben gefeilte Ende der Kontaktschraube ein Platinplättchen löthen, und ein zweites grösseres an die entsprechende Stelle des zweiten Messingstückes. Man stellt die Contactschraube so, dass sie nur um einen Bruchtheil eines Millimeters von der Platte absteht, damit ein ganz schwacher Druck zur Herstellung der Be- rührung genügt. Federt der Schlüssel zu hart, so kann man ihn durch Dünnfeilen in der Nähe der Biegung nachgiebiger machen. Um die Beschreibung der Yersuchsanordnung zu vervollständigen, füge ich noch hin, dass der Stromtaster an der rechten Seite des Beob- achters auf dem Boden befestigt ist, und dass ebenfalls an der rechten Seite ein hölzernes Bänkchen mit den Rheostaten steht (Tafel II). Auf diese Weise erfolgt die Stöi^selung sehr bequem. Rheostat II steht dem Beobachter am nächsten. Während des Nichtgebrauchs sind die Rheo- staten mit unten offenen Pappkästen bedeckt. Stromtaster. 367 Um die Vorrichtung zu veranschaulichen habe ich sie auf Tafel II im ganzen abgebildet. Nur die Zuleitdrähte, deren Verlauf übrigens aus den Abbildungen mit genügender Deutlichkeit hervorgeht, sind darauf nicht angegeben, weil dadurch die rebersichtlichkeit leiden würde. Der Maassstab ist 1 : 10. Man kann also durch Ausmessung wo nöthig, die wahren Maasse leicht entnehmen. Die Ober- und Vorderansicht (Fig. 25 und Fig. 26) sind auch im Maassstab 1 : 10^). Ich habe jetzt dia gebräuchlichsten Instrumente zur Messung elektro- motorischer Kräfte beschrieben und möchte nun noch einige Bemerkungen speciell über die Aciditätsbest immun g im Harn machen und zwar über die Zusammensetzung der entsprechenden Gaskette und über die Berechnung der Acidität. Diese Berechnung soll dann weiter an einem Beispiel verdeutlicht werden. Ich möchte aber noch zwei Paragraphen vorangehen lassen. Der erste (e) enthält ein vollständiges ausführlich beschriebenes Beispiel einer Aciditätsbestimmung im Allgemeinen, an dem man auch die Genauigkeit seines Apparates und die Zuverlässigkeit des eigenen Experimentiren selbst controUiren kann. Der zweite Paragraph (f) beschäftigt sich mit dem Maass- system bei elektrochemischen Messungen. e) Detaillirt behandeltes Beispiel der Versuehausfüliruug und Be- rechnung. Zugleich ein Controlversuch. Zu diesem Zweck bestimmen wir die elektromotorische Kraft, welche durch Berührung von 0,1 und 0,01 norm. Salzsäure entsteht. Die Kette kann durch folgendes Schema vorgestellt werden: H 1 HCl 0,1 n I HCl 0,01 n | H Demnach wird das eine U-förmige Bohr des Gaselementes mit 0,1 norm. HCl beschickt, das andere mit 0,01 norm. HCl. Die Ver- bindende Baumwolle wird mit 0,01 norm. HCl getränkt. Ich bitte den Leser zunächst dem Gang des Versuches zu folgen. Danach berechne ich aus den gefundenen Daten die elektromotorische Kraft und vergleiche diese mit dem Werth, der sich theoretisch ableiten lässt. Auf gleiche Weise kann jeder, der mit den betreffenden Unter- suchungen anfängt, sich auch an verschiedenen anderen Ketten contro- liren. 1) Um den Fachgenossen entgegenzukommen, habe ich den Mechaniker meines Instituts Herrn J. J. Boom veranlasst, die ganze Vorrichtung oder auch einzelne Theile, wenn erwünscht zu liefern. 368 Elektrochemische Untersuchung des Harns. Ich gehe von der Annahme aus, dass die Apparate fertig sind. Nur die Elektroden des Gaselementes sind noch nicht hergerichtet. 1. Herrichtung der Platinelektroden. a) Die Platinelektroden des anzufertigenden Gaselementes werden gereinigt (S.. 348) und dann 12 Stunden oder länger in warmem destillirtem Wasser belassen, um die eingeschlossenen Platin- und Bleisalztheilchen abzugeben. b) Dann werden sie in ein U-förmiges Rohr gesetzt, um mit ge- reinigtem Wasserstoff beschickt zu werden (S. 349). Man lässt den Platinelektroden eine Nacht Zeit, sich mit H zu sättigen. c) Diese Sättigung soll, damit kein Potentialunterschied herbeige- führt wird, für beide gleich stark sein. Um zu wissen, ob das wirk- lich der Fall ist, werden sie in die Schenkel eines I-förmigen Rohres gesteckt, das eine verdünnte (0,01 normal) Kochsalz- oder Salz- säurelösung enthält und zu diesem Zweck immer vorräthig ge- halten wird. Dann schaltet man die Vorrichtung an die Stelle ein, an welche später die Gaskette kommen wird. (Vergl. Fig. 13 auf S. 339. Wird nun 1 und 2 des Parafiinblockes verbunden und der Accumulator durch Ablösung eines seiner Poldrähte ausge- schaltet, so ist der folgende Stromkreis gebildet: das zu unter- suchende Element — 2 — 1 (Paraffinblock) — A — Ax(Rheostat 1) — Stromtaster — Galvanometer — c — das zu untersuchende Element' Hängt der Spiegel des Galvanometers frei (S. 360), brennt die Glühlampe (S. 364) und drückt man den Fuss auf den Stromtaster, so kann man ermitteln, ob die Scala in Ruhe bleibt oder ausweicht. Im ersten Fall sind die Elektroden gleich beladen, im zweiten nicht. Weicht die Scala nach rechts aus, so ist die dem positiven Pol entsprechende Elektrode am stärksten geladen. Ein Ausschlag nach links deutet auf eine stärkere Ladung der anderen Elektrode hin. Die am stärksten geladene wird nun entfernt und in der Bunsen- schen Flamme gelinde erhitzt. Dadurch verliert sie etwas Wasserstoff". Man bringt dieselbe nach Abkühlung wieder in das I-förmige Rohr zurück, und wenn man annehmen darf, dass sie die Temperatur der Flüssigkeit angenommen hat, prüft man wieder, und wiederholt, wenn nöthig, die Manipulationen bis die beiden in gleicher Flüssigkeit sich befindenden Elektroden keinen Stromunterschied mehr zeigen. Sind die Elektroden einmal mit Wasserstoff' beschickt, so kann man sie für mehrere Versuche benutzen. Nur ist es empfehlenswerth, Apparatur für die Aciditätsbestimmung. 369 vor jedem Versuch in der angegebenen Weise zu prüfen, ob sie gleich geladen sind. 2. Anfertigung des Gaselementes. Jetzt kann das Salzsäure-Wasserstoifelement zusammengestellt werden. Das eine, gut gereinigte U- förmige Rohr wird mit 0,1 norm. Salz- säure, das andere mit 0,01 norm. HCl (also 0,01 X 36,5 g HCl pro Liter) beschickt; dann werden die mit Gummistopfen versehenen Elektroden, nachdem sie mit den- entsprechenden HCl-Lösungen abgespült sind, in die kurzen Schenkel gebracht. Hierauf wird in die kurzen Schenkel soviel Gas eingeführt, bis noch ^li der Platinelektroden in die Flüssigkeiten taucht. Das Gas soll Luft sein, wenn die Elektroden ursprünglich einen Potential- unterschied zeigten, aber durch Erhitzung gleich gemacht werden mussten. Zeigten sie ursprünglich keinen Potentialunterschied, so kann das Gas Wasserstoff sein (vergl. S. 350). Das Verbindungsrohr, das Baumwolle enthält, die mit 0,01 norm. HCl getränkt ist, wird auf die langen Schenkel der U-Röhren gesetzt, ohne dass aber die Baumwolle die Flüssigkeiten in den Schenkeln berührt. Das so angefertigte Gaselement wird in den Thermostat gesetzt und darin belassen. Von Zeit zu Zeit erfolgt eine Bestimmung der elektromotorischen Kraft. Nach 6 Stunden pflegt der Werth constant geworden zu sein. 3. Prüfung des Nornialelementes ; Aichung des Accumulators. Während das Gaselement die Temperatur des Thermostaten an- nimmt und in Gleichgewicht gelangt, wird das Normalelement am Standard- element geprüft. Diese Prüfung hat man aber nur beim ersten Gebrauch des Normalelements anzustellen und später nur von Zeit zu Zeit wieder- holen ; man muss wisssen, ob das Normalelement sich vielleicht nach viel- fachem Gebrauch geändert hat. Ich führe die Prüfung derart aus, dass erst die elektromotorische Kraft des Accumulators mittelst des Normalelementes gemessen, und dann das Normalelement durch das Standardelement ersetzt wird. Hat man in beiden Fällen denselben Widerstand zu stöpseln, um Compensation zu erzielen, so ist die elektromotorische Kraft des Normalelementes der des Standardelementes gleich. Ha iiibii rsxer, Osmot Dniok. II. Rand. "24 370 Elektrochemische Untersuchung des Harns. Als Beispiel gebe ich folgenden Versuch. a) Normalelenient und Accumulator sind in den Stromkreis eingeschaltet (vergl. Fig. 13 auf S. 339). Im Rheostat I (Ax) sind alle Löcher gestöpselt; der Wider- stand ist also gleich 0, während im Rheostat II kein Stöpsel sich befindet (bloss am Ende, mit oo bezeichnet). In diesem Rheostat ist somit der Widerstand 11111,1 ß. Es fragt sich nun : ein wie grosser Widerstand muss u ngefähr im Rheostat I angebracht werden? Die elektromotorische Kraft des Accumulators beträgt etwa 2 Volt, die des Normalelements etwa 1 Volt. Um Compensation zu erreichen, wird also Ax:AB = l:2. Demnach muss in Ax ungefähr — ^j— — ^ 5555 ß eingeschaltet u werden. Dies erfolgt durch Entfernung der den Zahlen 4000, 1000, 400, 100, 40, 10, 3, 2 entsprechenden Stöpsel aus Rheostat I und Ueberbringung in die entsprechenden Löcher von Rheostat II. Durch diese Manipulation ist der Gesammtwiderstand in Rheostat I und II (also in AB) nicht geändert. Er beträgt noch immer 11111,1 Q. 1 und 3 des Paratfinblockes sind verbunden. Drückt man jetzt den Stromtaster mit dem Fuss, so sieht man im Fernrohr einen Ausschlag. Die Scala bewegt sich nach links; dies bedeutet, dass im Strom- kreis des Normalelements der Widerstand zu gross ist. Deshalb werden 50 i3 aus Rheostat II in Rheostat I gestöpselt. Wieder drückt man den Fuss einen Augen- blick auf den Stromtaster und diesmal beobachtet man einen Ausschlag nach rechts. Demnach muss jetzt umgekehrt etwas Widerstand in Rheostat I gebracht, m. a. W. es müssen Stöpsel aus I nach II hinübergebracht werden. Wie viel? Da der letzte Ausschlag nach rechts geringer war, als der vorletzte nach links, muss jetzt eine geringere Aenderung im Verhältniss der Widerstände herbeigeführt werden. Deshalb werden jetzt nicht 25 , sondern nur 20 Si aus Rheostat I in II übergestöpselt. Nach abermaliger Schliessung des Stromes stellt sich heraus, dass die Scala im Galvanometer noch einen sehr kleinen Ausschlag nach rechts zeigt. Dement- sprechend wird noch 1 Q aus Rheostat I in Rheostat II übergestöpselt. Jetzt bleibt das Galvanometer in Ruhe. Es ist Compensation eingetreten. Im Stromgebiet des Normalelements (Rheostat I) befinden sich somit 5521 Q. b) Um das Normalelement nunmehr am Standardelement zu prüfen , wird ersteres unmittelbar aus dem Stromkreis entfernt und durch das Standard- element ersetzt (natürlich ist die Polstelliing auch die gleiche). An der soeben ein- gestellten Stöpselung ist nichts verändert. Nach Stromschliessung stellt sich heraus, dass das Galvanometer in Ruhe bleibt. Das beweist, dass die elektromotorische Kraft des Normalelements der des Standard- elements genau entspricht, d. h. bei 25'^ C. 1,0184 Volt. DaswarinderThatdasPrüfungsresultat des in meinem Labor a- boratorium angefertigten Normalelementes bei 25". Denken wir uns zur Belehrung einen Augenblick den Fall, dass das Galvanometer statt in Ruhe zu bleiben, nach Einschaltung des Standardelementes einen Ausschlag nach links gegeben hätte, so hätte etwas Widerstand aus Rheostat I entfernt, also Stöpsel aus II nach I hinübergebracht werden müssen. Nehmen wir an, dass schliesslich bei 5511 Q Widerstand in Rheostat I, Compensation erreicht wäre, wie gross wäre dann die elektromotorische Kraft des Normalelementes gewesen? Aichung des Normalelementes. 371 Ax -^K Da nach der Gleichung ^1^0 == ^ die elektromotorischen Kräfte offenbar den A D Hl A Widerständen proportional sind , muss einem kleineren Widerstand A x auch eine kleinere elektromotorische Kraft En entsprechen. Folglich ist die elektromotorische Kraft des Standardelementes, das einem Widerstand von 5511 i3 entsprach, kleiner als die des Normalelementes, das einem Widerstand von 5521 i2 entsprach, oder umgekehrt die des Normalelementes grösser. Da die elektromotorische Kraft des Standardelementes bei 25" C. 1,0184 Volt beträgt (vergl. S. 356), wäre die des Normal- 5521 elementes ^ftt X 1,0184 Volt = 1,0202 gewesen. 00 11 Da für die Bestimmimg der elektromotorischen Kraft der zu unter- suchenden Gaskette die des Accumulators bekannt sein muss, kann man die oben beschriebene Prüfung des Normalelementes auch benutzen, um die elektromotorische Kraft des Accumulators zu berechnen. Diese Berechnung erfolgt aus der Formel: AX En , „ AB X/T7 ^ = ^,oderE.= -^-XEK Ax ist der dem Normalelement entsprechende Widerstand für den wir 5521 n fanden. AB ist 11111,1 Q; En war 1,0184 Volt. Hieraus folgt dass Ea = ~^^ X 1,0184 Volt = 2,0496 Volt. Wenn die Ermittelung der elektromotorischen Kraft der zu unter- suchenden Gaskette alsbald erfolgt, so kann man diese Bestimmung von Ea benutzen. Nach längerer Zeit ändert sich jedoch die elektro- motorische Kraft des Accumulators. Jedenfalls ist es empfehlenswerth, am Ende einer Versuchsreihe, die Bestimmung der elektromotorischen Kraft des Accumulators (3 a) zu wiederholen. 4. Messung der Salzsäure- Wasserstoffkette. Das Standardelement ist ausgeschaltet und wieder durch das Normalelement ersetzt. Weiterhin wird die zu untersuchende Gaskette (Salzsäurekette) in die Vorrichtung eingeschlossen (wie Fig. 13 auf S. 339 angiebt). Der positive Pol des Elementes ist der der 0,1 norm. HCl entsprechende ^). 1) Wie aus dem früher behandelten Princip der Gaskette (S. 332) hervorgeht, besteht ein Widerstreit zwischen den elektrolytisch freien H'-Ionen des HCl und den Wasserstoff-Ionen der Elektrode. Die ersteren sind bestrebt, sich auf den Elektroden niederzuschlagen, die zweiten bestreben sich, vermöge ihrer Lösungstension (Lösungs- druck) von der Elektrode in die umgebende Flüssigkeit überzugehen. Ist der osmotische Druck der H' Ionen der HCl-Lösung grösser als der elektrolytische Lösungsdruck, so gehen positiv geladene H -Ionen auf die Elektrode hinüber. Ist das Umgekehrte der Fall, so spalten sich positiv elektrische H'-Ionen von der Elek- 24* 372 Elektrochemische Untersuchung des Harns. Das mit Baumwolle gefüllte Verbindungsrohr wird durch die Gummistopfen soweit nach unten geschoben, dass die Baumwolle in die Salzsäure reicht. Die elektromotorische Kraft des Accumulators ist gelegentlich der Controle des Normalelementes gemessen worden (S. 371); ich nehme aber, um Gelegenheit zu haben, noch einmal eine Messung vorzuführen, einen anderen Accumulator. Abermalige Bestimmung der elektromotorischen Kraft des Accumulators^). Der Spiegel des Galvanometers hängt frei. Im Paraffinblock sind 1 und 3 verbunden. Der Stromschlüssel der Glühlampe wird umgelegt, so dass letztere leuchtet. Wie gewöhnlich werden 5555 £2 in Rheostat I eingeschaltet (vergl. S. 370), indem die Stöpsel 4000, 1000, 400, 100, 40, 10, 3, 2 in Rheostat II hinübergebracht werden. Beim Drücken auf den Stromtaster weicht die Scala nach rechts aus. Es ist also zu viel Widerstand im Rheostat I. Darum müssen aus II Stöpsel in I zurückgebracht werden. Da der Ausschlag der Scala gross ist, werden 100 Q zurückge- stöpselt. Jetzt folgt ein kleinerer Ausschlag nach links. Nunmehr ist also der Widerstand in I zu gering. Da der letzte Ausschlag nach links ungefähr zwei Mal kleiner war als der vorhergehende nach rechts, werden 25 Q Widerstand in I eingeführt. Hierzu werden die Stöpsel 20, 4 und 1 nach II hinübergebracht. Jetzt bleibt bei Stromschluss die Scala in Ruhe. Der Widerstand im Rheostat beträgt demnach 5475 £2. Die elektromotorische Kraft des Accumulators beträgt also: -^ ^ ^'^^^^ ^^"^^- Alle in II sich befindenden Stöpsel werden wieder nach I hinüber gebracht. trode ab, die dadurch selbst negativ elektrisch wird. An der von der concentrirteren Salzsäure umgebenen Elektrode liegt der erste Fall vor, m. a. W. es gehen positiv geladene H--Ionea auf die Elektroden hinüber, d. h. die Elektrode wird positiv geladen. Streng genommen ist auch eine positive Ladung denkbar, wenn die Salzsäure 0,01 normal ist , wie an der anderen Elektrode , aber dann ist die positive Ladung, welche die Elektrode erhält, jedenfalls kleiner, und das kommt auf dasselbe hinaus, d. h. diese Elektrode wird gegenüber der ersteren die negative sein. 1) Diese wäre sicherheitshalber auch im Falle, dass kein anderer Accumulator genommen, erforderlich gewesen, wenn seit der Controle des Normalelementes ein paar Stunden verstrichen wären. Messung der .Salzsäure- Wasserstoff-Kette. 373 Bestimmung der elektromotorischen Kraft der Gaskette. Die Verbindung von 1 und 3 im Paraffinblock wird aufgehoben und die zwischen 1 und 2 hergestellt. Wie viel Widerstand wird etwa in den Rheostat I eingeführt werden müssen? Die Berechnung lehrt, dass die elektromotorische Kraft der Kette ungefähr 0,02 Volt beträgt. (Siehe unten 8. 376). Da die elektro- motorische Kraft des Accumulators ungefähr 2 Volt ist, muss der Wider- 2 stand Ax (Rheostat I) ^^ mal kleiner genommen werden , als in AB (Rheostat I-}-II), wo derselbe 11111,11 Q beträgt. In Rheostat I ist also 111 £2 einzuschalten. Demnach werden die Stöjisel von 100, 10 und 1 Q aus Rheostat I in Rheostat II hinübergebracht. Bei Schliessung des Stromes zeigt die Scala einen Ausschlag nach rechts. Es befindet sich also zu viel Widerstand in Rheostat I. Da der Ausschlag der Scala nicht gross ist, werden 10 i2 aus II in I gestöpselt. Trotzdem bleibt bei abermaliger Stromschliessung ein Ausschlag nach rechts bestehen, wenn auch ein viel kleinerer. Deshalb werden noch 2 Q aus I in II gestöpselt. Jetzt bleibt die Scala ruhig. Im Ganzen befindet sich also in Rheostat I 99 ß Widerstand. Diese Beobachtung wurde 6 Stunden nach der Anfertigung der Kette gemacht. Die elektromotorische Kraft des Salzsäure-Wasserstofifelements be- 99 trägt somit ^^^^ X Ea- Nun wurde soeben die E.M. K. des Accumulators — ,^_ ' X 1,0184 5475 Volt gefunden. Die elektromotorische Kraft des zu untersuchenden Elementes be- 99 111111 trägt also YiYiYl -^ 547- ^ ^'^^^^ = 0,0184 Volt. Die Temperatur des Thermostaten betrug 25°. Die folgende Tabelle giebt die gefundene E. M.K der Kette zu verschiedenen Zeiten nach der Zusammenstellung des Elementes : 5 Stunden nach der Zusammenstellung der Kette 0,0199 Volt 5V2 0,0200 „ 6 „ „ „ 0,0184 „ 6,10 „ „ „ 0,0185 „ 6,15 „ „ „ 0,0187 „ 6,30 „ „ „ 0,0184 „ 7 „ „ „ 0,0181 „ 7'/* » » „ )) 0,0182 „ 374 Elektrochemische Unteisuchung des Harns. 8 Stunden nach der Zusammenstellung der Kette 0,0169 Volt 8^2 „ „ „ „ „ „ 0,0162 „ 9V2 „ „ „ „ „ „ 0,0108 „ 12 „ „ „ „ „ „ 0,0108 „ Aus dieser Tabelle geht hervor, dass von der sechsten Stunde an, das Element constant wird und es bis zur achten Stunde bleibt. Die nach der sechsten Stunde gefundene E.M.K. ist wirklich auch das Mittel der in genanntem Zeitintervall gewonnenen Werthe: 0,0184 + 0,0185 + 0,0187 + 0,0184 + 0,0181 + 0,0182 . ., „, • g =: 0,01o4. Ich will jetzt, berechnen, inwieweit der hier gefundene Werth mit der theoretisch berechneten übereinstimmt. Wie die bezüglichen Aus- führungen lehren werden, begegnen wir dabei einer Schwierigkeit. Die Werthe für die Wanderungsgeschwindigkeiten der Ionen, die wir für die Berechnung brauchen, sind meist bei 18°, nicht bei 25° bekannt^). Es wäre also bequemer gewesen, den Versuch bei 18° statt bei 25° anzu- stellen. So habe ich aber Gelegenheit, die Anwendung der Temperatur- coefficienten vorzuführen. 5. Berechnung der elektromotorischen Kraft des Salzsäurewasserstoff- elementes, Auf S. 334 habe ich erwähnt, dass die elektromotorische Kraft einer Concentrationskette aus zwei Theilen zusammengesetzt ist: aus dem Elektrodenpotential und dem Contactpotential. Ersteres besteht aus der algebraischen Summe der Potentialdifferenzen zwischen den Wasser- stoffelektroden und den HCl-Lösungen. Das Contactpotential ist die durch Berührung der zwei HCl-Lösungen entstehende elektromotorische Kraft. Diese ist gegenüber dem Elektrodenpotential sehr gering. (Vergl. aber auch S. 382). Der Elektrodenpotential beträgt nach S. 337 : n ^ c, Der Contactpotential ist: .., 1k-1a ^ 0,0002 „, , c„ TT = 1 — TT X " 1 log -^ 1) Bredig's Werthe der Wanderungsgeschwindigkeit gelten für 25" (Bd. 1 S. 142), aber unter diesen kommen H* und Gl' zufälligerweise nicht vor. Berechnung der Salzsäurc-WasserstoflFKette. 375 Also die gesuchte elektromotorisclie Kraft unserer Kette beträgt: / ./ /// 0,0002^, c„1k— 1a 0,0002™, c„ ,, n = n'—n"—n"' = - T log -^^Ax T log — ^l n c, 1k + 1a n c, 0,0002 ^ 2 U ^ C, n = X \ — r^ 1 log — n 1k+1a c. Hier ist n die Valenz; da es sich um Wasserstoff handelt ist sie =1, T ist die absolute Temperatur; hier also 273 -f- 25 = 298; c„ und c, 0,1 normal und 0,01 normal. Ik ist die Leitfähigkeit des Kations von HCl, also von H' bei 2b'^^ 1a die Leitfähigkeit des Anions Cl' bei 25°. Wie berechnet man c„ und c/? 0,1 norm. HCl bedeutet 0,1 g Molekül pro Liter. Wäre in dieser Lösung HCl vollständig dissociirt, so würde die Concentration der H'-Ionen ebenfalls 0,1 g-Aequi- valent pro Liter betragen. Jedoch ist die Dissociation nicht vollständig. Wie findet man aber den Dissociationsgrad ? Dieser wird durch den Activitätscoefficienten aus- gedrückt (Bd. I, S. 41): ^00- Ik+lA Nehmen wir für die 0,1 n HCl (c„) den Activitätscoefficient a„ und für die 0,01 in HCl (c,) den Activitätscoefficient a,, so wird die Concentration der H-Ionen in der 0,1 n HCl, 0,1 a„ norm, und in der 0,01 n HCl, 0,01 a, norm, oder da a„ = T—ry- "^^ "' = rnrr JKi-iA 1k-}- 1a in welcher dann ^v„ die Leitfähigkeit der 0,1 norm. Salzsäure und Ay, die der 0,01 norm. I Salzsäure bedeutet. Die Formel gestaltet sich nun folgenderweise: n 1k -hU ° 0,01a, n 1k + 1a 0,01 ^v, 1) Dass hier der Contactpotential 7t'" mit negativem Zeichen erscheint, hat seinen Grund in folgender Ueberlegung. Die der concentrirteren Salzsäure (0,1 norm.) entsprechende Elektrode ist die positive, weil darauf elektropositive Ionen aus der HCl sich absetzen. Was geschieht nun , wenn das Verbindungsrohr mit 0,01 norm. Salzsäure in die 0,1 norm. HCl-Lösung getaucht ist? Es eilen dann H"-Tonen ver- möge ihrer grösseren Wanderungsgeschwindigkeit aus der 0,1 norm. Lösung in das Rohr hinein , den H"-Ionen voraus. Dadurch nimmt die Cl'-Concentration in der 0,1 norm. Lösung ab und demzufolge werden sich weniger H"-Ionen auf die ent- sprechende H-Klektrode absetzen, m. a. W. der Elektrodenpotential wird etwas kleiner. 376 Elekrochemische Untersuchung des Harns. Nun sind 1^^, Ij,, A^ und A^ nur bei 18**, nicht aber bei 25° bekannt. Nach Bd. I S. 42 beträgt der Temperaturcoefficient der einzelnen Ionen 2,2 — 2,7 "/o. Nimmt man den Mittelwerth 2,5 °/o, so würde 1^ bei 25" werden: 100 + 7x25 ^A ^ T7(Ä ■ ^k ^^1"^ ™it demselben ') Factor zu multipliciren. Praktisch können wir also den Factor vernachlässigen, denn er kommt im Zähler und im Nenner von ^-y- vor. Gleiches ist der Fall beim Quotient .-". 'k + 'a ^v, Es geht das aus Folgendem hervor: A^^ (Leitfähigkeit von 0,01 norm. Salzsäure) ist bei IS« --= 370 (Tabelle Bd. 1, S. 131). Auf S. 135 Bd. I findet man Tabelle und Formel, mittelst welcher man aus der Leitfähigkeit bei 18° die bei 25° berechnen kann. A^^ (25) = K, (18) [l + 0,01641 (25 — 18) - 0,0000173 (25 — 18)^1 A^ (2.^ = 370X 1,114 = 412,18. Leider vermisst man auf S. 135 den Temperaturcoefficienten für 0,1 norm. HCl-Lösung. Auf S. 134 aber findet man, dass, wenn der Temperaturcoefficient für 0,01 norm. HCl 154 beträgt, derselbe für 0,1 norm. HCl 151 ist. Da A^^^ bei 18° (Tabelle S. 131) = 351, ^»■d ^v„ (25) = 351 x(l+ 0,114 X^), also A^^^ (25) = 351 X 1,111 = 389,6. Berechnet man die Quotienten bei 18° und bei 25°, so ergiebt sich ^' = g-U 0,949; ->-^' = ^'Ä = 0-8«- Man sieht, der Unterschied ist nicht gross. Wir können jetzt n berechnen und thun das bei 18°, weil die genaue Berücksichtigung des Temperaturcoefficienten bei den einzelnen Ionen noch nicht möglich ist und also bei ausschliesslicher Berücksichtigung der Temperatur für die Leitfähigkeit der Salzsäure ein Fehler gemacht werden würde. n ist gleich der Valenz der H-Ionen ^ 1; während F = 318 und U = 65,9. (Vergl. Bd. I, S. 137 und 138). 0,0002 _ 2X65,9 ,«.o,.om 0,1x351 "= ^- X 318 + 65,9 X (^^^ + ^^)'^g 07)1^3-70 n = 0,0002 X ^gl'l X 291 log 9,4865 n = 0,0002 X ^IM X 291 X 0,97710 = 0,0195 Volt. i ooo,y '' Diese berechnete elektromotorische Kraft stimmt mit der experi- mentell gefundenen 0,0184 Volt gut überein. Thatsächlich ist die 1) Thatsächlich wird der Temperaturcoefficient nicht genau derselbe sein. Der genaue Werth ist aber für die einzelnen Ionen nicht bekannt. Messungsergebnisse an Gasketten. KTl Uebereinstimmung noch besser, als sich hier herauszustellen scheint. Denn wie Smale gefunden hat, nimmt die elektromotorische Kraft der Gasketten bei steigender Temperatur zu. (Zeitschr. f. physik. Chem. 14 1894 S. 577). Bei 18" wäre also die elektromotorische Kraft der Kette ein Avenig höher als 0,0184 gefunden. Uebrigens werden Differenzen von 0,001 Volt und selbst mehr auch bei anderen angetroffen. So finde ich in N e r n s t's Theoretischer Chemie III. Aufl. S. 671 (auch Zeitschr. f. physik. Chemie 4 1889, S. 161) beobachtet berechnet HCl 0,1 normal 1 0,01 normal 0,0926 0,0939 KCl 0,1 1 0,01 ^ 0,0532 0,0542 LeCI 0.1 , 1 0,01 , 0,0354 0,0336 Bei Sma! e finde ich folgende Ang£ iben: 7t beobachtet berechnet HCl normal 0,1 normal 0,0186 0,0172 „ 0,01 „ 0,0338 0,0367 n 0,001 „ 0,0549 0,0558 0,1 n. 0,01 „ 0,0170 0,0188 0,1 n. 0,001 )i 0,0359 0,0379 0,1 n. 0,001 ri 0,0210 0,0191 HjSOi normal 0,1 normal 0,0108 0,0084 „ 0,01 „ 0,0172 0,0161 „ 0,001 n 0,0259 0,0244 0,1 n. 0,01 ■n 0,0097 0,0077 0,1 n. 0,001 „ 0,0172 0,0160 0,1 n. 0,001 „ 0,0081 0,008a Essigsäure normal 0,1 normal 0,0041 0,0032 „ 0,01 „ 0,0126 0,0086 „ 0,001 B 0,0148 0,0135 0,1 n. 0,01 n 0,0041 0,0046 0,1 n. 0,001 „ 0,0106 0,0095 0,1 n. 0,001 « 0,0048 0,0049 Phosphorsäure normal 0,1 normal 0,0057 0,0062 » 0,1 , 0,0113 0,0092 0,1 n. 0,1 « 0,0069 0,0058 Bromwasserstoff normal 0,1 normal 0,0194 0,0198 „ 0,01 „ 0,0367 0,0400 „ 0,001 n 0,0606 0,0607 0,1 n. 0,01 , 0,0192 0,0203 0,1 n. 0,001 , 0,0409 0,0414 0,1 n. 0,001 0,0186 0,0207 378 Elektrochemische Untersuchung des Harns Ich gebe diese Tabelle zugleich als ein Hilfsmittel für diejenigen wieder, die ihre Berechnungen controliren wollen^). Yon einer ganz anderen Controle der Säure- und auch der Alkalibestimmung mittelst Concentrationsketten, wird noch unten die Rede sein. f) Maasssystem bei elektrochemiseheii Messungen. Es scheint mir empfehlenswerth, hier die gebräuchlichen Maasse einzufügen, welche gegenwärtig in der Praxis allgemein benutzt werden. Ich gehe hierbei von dem Ohm'schen Gesetz aus, welches besagt, dass die Stromstärke i der elektromotorischen Kraft E proportional, dem E Widerstand R hingegen umgekehrt proportional ist : i ^ ^. Beim Vergleiche mit einem über eine geneigte Fläche «ich be- wegenden Wasserstrom zeigt sich dieses Gesetz leicht verständlich. Unter Stromstärke des Wassers wäre die Literzahl zu verstehen, welche in der Secunde durch den Querschnitt des Flussbettes geht. Diese Zahl wird um so grösser sein, je stärker die Neigung des Bettes, oder wie man es auch sagt, das Gefälle ist, und ferner je kleiner der Widerstand ist, den der Strom auf seinem Wege erfährt. Während man nun die Wasser- menge in Liter auszudrücken ptiegt, wird die Elektricitätsmenge in Coulomb angegeben. Spricht man beim Wasserstrom vom Stromgefälle, so redet man beim elektrischen Strom von Potentialgefälle, Potentialdifferenz, Span- nungsabfall, auch von elektromotorischer Kraft. Die Potentialdififerenz ist die Kraft, welche, wie der Name andeutet, die Elektricität in Be- wegung setzt. Die Einheit der elektromotorischen Kraft hat man mit Volt bezeichnet. Als Widerstandeinheit gilt in der Elektricitätslehre das 0 h m. Herrscht an den beiden Enden eines Leiters, dessen Widerstand (R) 1 Ohm beträgt, eine Potentialdifferenz (E) von 1 Volt, so muss nach E dem Ohm'schen Gesetz i = -:^, die Stromstärke i, d. h. die Coulomb- zahl, welche in der Sekunde durchfliesst und die man mit Ampere bezeichnet, = 1 sein. Die Einheit der Stromstärke ist also 1 Ampere. Also 1 Ampere = =— p^^, — 1 Ohm. \) Im zwölften Kapitel sub 2 b findet man noch Angaben über die elektro- motorische Kraft anderer Concentrationsketteu. Elektrochemisches Maasssystem. 379 Wenn, um mit einem Beispiel zu verdeutlichen, ein Strom dessen elektromotorische Kraft 1 Volt beträgt, durch einen Leiter von 2 Ohm Widerstand fliesst, so ist die Stromstärke 0,5 Ampere. In der Praxis wird die Angabe in Coulomb wenig gebraucht. Man spricht z. B. von einem Accumulator von 50 Ampere-Stunden und sagt damit aus, dass der Apparat während 50 Stunden einen Strom von 1 Ampere (1 Coulomb in der Sekunde) zu liefern im Stande ist, oder während 100 Stunden einen solchen von 0,5 Ampere, u. s. w.^). Die Anzahl Amperestunden eines Accumulators nennt man seine Capacität. Ebenso wie der Wasserstrom Arbeit verrichten kann, ist auch der elektrische Strom dazu im Stande. Beim Wasserstrom berechnet man die Energie durch Multiplication der abfliessenden Wassermenge mit der durch die Fallhöhe bestimmten treibenden Kraft. In ent- sprechender Weise lässt sich die elektrische Energie ausdrücken durch das Product: Coulomb X Volt. 1 Coulomb X 1 Volt = 1 Joule. In dieser Formel ist die Zeit nicht berücksichtigt. Wünscht man zu wissen, wie viel Arbeit in der Zeiteinheit verrichtet wird, so hat man Coulomb zu ersetzen durch Ampere. Das jetzt entstandene Product nennt man Watt, also 1 Ampere X 1 Volt = 1 Watt. Eine Dynamomaschine, die bei einer Potentialdifferenz von 110 Volt einen Strom von 10 Ampere liefert, producirt pro Sekunde 1100 Watt. Bei der Kostenberechnung spricht man gewöhnlich von dem Preis eines Watt während einer Stunde (Preis einer Wattstunde), bezw. 1000 Watt in der Stunde (Kilowattstunde). Weiter mögen noch einige Zahlen folgen. 1) Bei der vielfältigen Anwendung von Accumulatoren ist es vielleicht nütz- lich, zu bemerken, dass von der Entnahme von Strömen sehr grosser Intensität (sogen. Kurzschluss, weil die Stromlieferung dann eine entsprechend viel kürzere Zeit anhalten kann) abzurathen ist, weil sich dabei die Bleiplatten krumm ziehen und der Belag abfällt und der Accumulator verdorben wird. Den verschiedenen Accumulatoren wird deshalb auch eine Vorschrift beigegeben, in welcher die Strom- stärke, mit welcher noch entladen werden darf, angegeben ist. Um diese nicht zu überschreiten , empfiehlt es sich , in zweifelhaften Fällen einen Stromstärkemesser (Amperemeter) einzuschalten. Man kann dann stets controliren. Noch sei hinzu- gefügt, dass der Accumulator bei der Entladung nicht mehr als 90— 96 "/o der Amperestunden zurückgiebt, die er bei der Ladung erhalten hat. Der Nutzeffect der elektrischen Energie (Wattstunden) ist noch geringer und beträgt etwa 85 ",o. (Vergl. K. Eibs, Die Accumulatoren. 3. Aufl. Leipzig 1901.) 380 Elektrochemische Untersuchung des Harns. 1. Die Einheit der Elektricitätsmenge — das Coulomb — ist durch internationale Vereinbarung festgelegt; es ist die Elektricitäts- menge, welche aus einer Silbernitratlösung beim Innehalten gewisser Bedingungen 0,0011180 g Silber abscheidet (vergl. oben S. 335). 2. Die Einheit des Widerstandes — das Ohm (£2) — ist ebenfalls durch internationale Vereinbarung festgelegt; es ist der Widerstand, den eine cylindrische Quecksilbersäule von 106,33 cm Länge und 1 qmm Querschnitt bei 0° dem elektrischen Strom leistet. Da die Grössen (1) und (2) festgelegt sind, so ist nach dem 0hm- schen Gesetz die Einheit der elektromotorischen Kraft, das Volt, jeder Willkür entzogen. 3. 1 Joule (=1 Coulomb X 1 Volt) = 0,2362 Gramm-Calorien, d. h. die Elektricitätsmenge von 1 Coulomb kann bei 1 Volt Potential- differenz 0,2362 g Wasser von 0" auf 1^ erwärmen. 4. 1 Watt (=1 Ampere X 1 Volt) = 0,102 Meter-Kilogramm pro Sekunde. 5. 736 Watt = 75 mkg = 1 Pferdekraft. Eine Dynamomaschine von 10 Ampere und 110 Volt liefert also 1100 Watt = 1100 X 0,102 mkg mechanische Arbeit pro Sekunde, oder auch ^-jT^- =1,5 Pferdekraft (theoretisch). 6. Endlich folge die elektromotorische Kraft (EMK.) einiger Zellen. a) Westonelement bei 15 ^ 1,0187 Volt. b) Clarke-Element „ „ 1,4336 „ c) A c c u m u 1 a t o r „ „ 2 ,, (Anfangs 2,2 bis 2,5, sinkt jedoch bei Stromschluss auf ca. 2 Volt, wo sie längere Zeit constant bleibt.) d) Cupron-Element bei 15» 1,8 Volt. e) Leclanche- Element „ „ 1,2—1,4 ,, f) Dani eil- Element .. ., ca. 1,1 „ g) Chromsäure-Tauchelement .. „ 1,9 ,, (anfangs^ h) Grove „ „ 1,9 „ ,, i) Bunsen „ „ 1,9 „ ;, I i Noch einige Bemerkungen, speciell über die Bestimmung der Harnacidität. a) Die Concentrationskette. Was ich hier ncch Neues hinzuzufügen habe, bezieht sich haupt- sächlich auf die Zusammenstellung der Concentrationskette (Gaselement). Concentrationskette für die Aciditäts-Bestimmung. 381 Wie der Leser sich erinnern wird, habe ich im Anfang meiner Ausführungen über Concentrationsketten (S. 334) die Bemerkung gemacht, dass die Verbindung zwischen den beiden Zinksulfatlösungen, aus einer Zinksulfatlösung bestand und zwar entweder aus der concentrirten oder der schwachen. In entsprechender Weise wurde auch die Salzsäurekette (S. 369) construirt. Da wurde die Verbindung zwischen 0,1 und 0,01 n. HCl durch 0,01 n. HCl zu Stande gebracht. Beim Harn würde das zu grosssen Fehlern Veranlassung geben. Es wird dies aus folgender Ueberlegung klar. Nehmen wir an, dass sich in dem einen U-Rohr Harn im anderen 0,01 n. HCl befindet und dass die Baumwolle des Verbindungsrohres mit 0,01 n. HCl getränkt ist. Die Kette Hesse sich dann durch folgendes Schema versinnlichen H I 0,01 n. HCl I Harn j H. Wie nun das Experiment lehrt, ist die H-Ionenconcentration des Harns viel geringer als die einer 0,01 n. HCl-Lösung. An der Berühr- ungstelle von Harn und 0,01 n. HCl wird daher eine Tendenz von H-Ionen der Salzsäure bestehen in den Harn überzugehen. Demgegenüber wird eine Tendenz von im Harn vorhandenen Na"-Ionen und anderen positiven Ionen bestehen, in die Salzsäure überzuwandern. Nun ist die Wanderungsgeschwindigkeit der H-Ionen (318) erheblich grösser als die der Na*-Ionen (44,4) und anderer Metall-Ionen^). Demzufolge werden mehr H-Ionen in den Harn übertreten als Na"-Ionen in die HCl-Lösung. Dadurch bekommt der Harn eine positive Ladung. Was die elektronegativen Ionen betrifft, so können diese an der Sachlage nicht viel ändern, da das Cl' und die sonstigen im Harn vor- kommenden electronegativen Ionen nur geringe Unterschiede in ihrer Wanderungsgeschwindigkeit besitzen. Somit besteht zwischen Harn und 0,01 n. HCl ein (Diffusions-) Contactpotential, das bis zu 0,02 Volt be- tragen kann, gewiss kein kleiner Betrag im Vergleich mit dem Elek- trodenpotential, die doch eigentlich die elektromotorische Kraft der Kette repräsentiren muss. Nun könnte mandiesen Uebelstand gewisser- massen dadurch begegnen, dass man das Contactpotential zwischen 0,01 n. HCl und einer 0,2 n. NaCl-Lösung ^) berechnet und dieses von der gefundenen elektromotorischen Kraft der Kette in Abzug bringt. ') Diese haben ungefähr dieselbe Wanderungsgeschwindigkeit wie die Na'-Ionen (Vergl. B. 1. S. 137) und pflegen ausserdem gegenüber den Na'-Ionen in Menge be- trächtlich zurückzutreten. Einfachheitshalber werden sie deshalb in unseren Be- trachtungen vernachlässigt. -) Um diese Concentration pflegt der NaCl-Gehalt im normalen Harn zu schwanken. 382 Elektrochemische Untersuchung des Harns. Es bleibt dann aber noch ein anderer und viel schlimmerer Uebelstand übrig : die elektromotorische Kraft der Kette lässt sich, wie das Experi- ment lehrt, nicht genau feststellen, was daher rührt, dass sie durch das Fortdauern der genannten Diffusion keinen constanten Wert erreicht ; es tritt kein Gleichgewichtszustand ein. Wie nun Bugarszky [73] experimentell nachwies, und später Ab egg und Böse [74] theoretisch begründeten, können diese Diffusions- potentialdifferenzen vermieden, resp. auf beliebig niedrige Werthe herab- gesetzt werden, wenn in beiden Flüssigkeiten ein indifferenter Elektrolyt (z. B. NaCl) in gleicher, überschüssiger Concentration vor- kommt. Im vorliegenden Fall hat man also in die 0,01 n. CHl-Lösung so viel NaCl einzuführen, wie im Harn vorzukommen pflegt. Wie be- reits erwähnt, ist die im Harn vorkommende NaCl-Lösung ungefähr 0,2 n. ; man muss also 0,2 x 58,5 g NaCl in 1 Liter 0,01 n. HCl auf- lösen. Auch die Baumwolle des Verbindungsrohres wird mit dieser NaCl-haltigen Salzsäure getränkt. Diese von v. Bohrer für die Bestimmung der Harnacidität ge- brauchte Kette kann also vorgestellt werden durch H 1 Harn | NaCl 0,2 normal, HCl 0,01 normal | H. Hob er hat, um das Contactpctential zu eliminiren, eine andere Methode vor- geschlagen, die aber viel complicirter ist. DerAutorschiebtzwischenSalzsäureundHarneineNaCl-Lösung ein, die die gleiche Leitfähigkeit hat wie der Harn. Hierbei geht er von der Annahme aus, dass elektrochemisch die Elektrolyte des Harns sich annähernd genau so verhalten wie eine Kochsalzlösung, dass also zwischen Harn und einer Kochsalzlösung von gleicher Leitfähigkeit das Potential Null besteht. Durch diese Einschiebung von NaCl-Lösung bildet sich zwar ein neues Contactpotential zwischen Salzsäure und Kochsalz; dessen Werth ist aber leicht zu berechnen, wenn HCl- Lösung und NaCl-Lösung in Bezug auf Cl'-Ionen gleich concentrirt, „isohydrisch" sind. Für jeden Versuch muss also zunächst die Leitfähigkeit des Harns festgestellt werden; dann wird eine NaCl-Lösung hergestellt, die dieselbe Leitfähigkeit besitzt, und eine Salzsäurelösung gesucht und angefertigt (vergi. hierzu B. I S. 524 ff. und die Tabellen S. 128), die damit isohydrisch ist. Trotz der Complicirtheit giebt Höh er seiner Methode den Vorzug, wenigstens wenn sie für die Untersuchung aller möglichen atypischen und pathologischen Harne angewendet werden soll. Denn wenn in Folge von Stauung im Kreislauf oder bei Nephritis, Diurese, Diabetes, der Kochsalzgehalt des Harns sehr erheblich von dem Mittelwerth 0,2 norm, abweicht, so ist, wie die Rechnung leicht ergiebt, das Berührungspotential zwischen Harn und dem von v. Rohr er empfohlenen Gemisch 0,01 norm. HCl -f 0,2 norm. NaCl doch nicht mehr einfach zu vernachlässigen; zwischen einer 0,2 norm. NaCl-Lösung und einer 0,01 norm. NaCl-Lösung (= 0,058 "/o) beträgt es bereits 0,014 Volt, und bei Ketten, die überhaupt nur etwa 0,2 Volt Spannung haben, ist das schon ein erheblicher Bruchtheil der ganzen elektro- motorischen Kraft. I Concentrationskette für die Aciditäts-Bestimniung. HSH Um die Leitfähigkeit des Harns bei einer Temperatur von 18" oder 25" zu ermitteln, bei der die meisten Daten für HCl, NaCl u. s. w. angegeben zu werden pflegen, wird man das Widerstandsgefäss in den Thermostat zu setzen haben. Ich will diese Gelegenheit benutzen, eine vom Mechaniker F ritz Köhler (Leipzig) zu diesem Zweck construirto Vorrichtung abzubilden. Sie wird an die Wand des Thermostaten festgeschraubt, wie aus der Abbildung Fig. 28 ersichtlich ist. Das daneben stehende Stativ dient zur Aufstellung und Aufbewahrung des Widerstands- gefässes ausser dem Thermostat und kann auch bei der Platinirung benutzt werden. Der Apparat hat sich in meinem Laboratorium bewährt. Man sieht, die bis jetzt ange- gebenen Concentrationsketten für die Aciditätsbestimmung des Harns lassen mit Bezug auf die Combination von grosser Genauigkeit und Einfachheit in der Construction noch zu wünschen übrig. Dazu kommt noch — und das haben sie mit allen bis jetzt bekannt gewordenen Gasketten gemein — dass sie nicht früher als nach 5 bis 6 Stunden constant werden. Das bleiben sie dann während 2 Stunden oder länger, um dann rasch an elektro- motorischer Kraft abzunehmen. Das nächste Bestreben wird also dahin zielen müssen, eine einfach zusammenstell- bare Kette zu construiren, bei der die elektromotorische Kraft rasch nach der Zusammenstellung genau zu messen ist. Ich theile jetzt ein Beispiel mit: Fig. 28. b) Beispiel für Ausführung und Berechnung der lonenaclditat des Harns. Controle der Bestimmung. Ich nehme an, dass die H-Platinelektroden fertig sind, d. h. auch mit Bezug auf Spannungsgleichheit controlirt (vergl. S. 349 u. 368), und dass also das für die Bestimmung der lonenacidität des Harns er- forderliche Element immittelbar zusammengestellt werden kann. 1. Anfertigung des Elementes. Die Kette ist zusammengestellt nach von Rohre r (S. 382). In das U-för- mige Rohr wird soviel Harn gebracht, dass der kurze Schenkel fast vollständig damit gefüllt ist, das andere U-förmige Rohr wird in gleicher Weise mit Elektrochemische Untersuchung des Harns. 0,01 norm. HCl beschickt, in der 0,2 n. NaCl aufgelöst ist. Dann werden die H-Elektroden in die kurzen Schenkel gesetzt und es wird in die letzteren soviel Wasserstoff resp. Luft eingeleitet, dass ein Viertel der Elektroden noch über die Flüssigkeiten hinausragt. Danach wird das Verbindungsrohr auf die langen Schenkel gesetzt, und zwar in der Weise, dass die Baumwolle die Flüssigkeit nicht berührt. Die Baumwolle des Verbindungsrohres ist mit 0,01 norm. HCl, in der 0,2 norm. NaCl gelöst ist, getränkt (also in 1000 cc 0,01 norm. HCl, 0,2 X 58,5 g NaCl). Das auf diese Weise präparirte Element wird in den Thermostat (22°) gesetzt und in den Stromkreis aufgenommen. 5 Stunden nachher schreitet man zur Messung des Accumulators und unmittelbar darauf zur Messung der Kette. Ich erwähne hier die Messungen der sechsten Stunde. 2. Messung der elektromotorischen Kraft des Accumulators. 1 und 2 des Paraffinblockes werden vereinigt. Es müssen 5521 Q aus Rheostat I in Rheostat II gestöpselt werden, um bei Schliessung des Stromtasters Stillstand der Scala zu erzielen. Die elektromotorische Kraft des Accumulators ist somit 11111,1 5521 X 1,0184 Volt. (Vergl. S. 370). 3. Messung der elektromotorischen Kraft des Gaselementes. Unmittelbar nachher wird die elektromotorische Kraft des Gas- elementes ermittelt. Hierzu wird das Verbindungsrohr so weit nach unten gedrückt, dass die Baumwolle die Flüssigkeiten in dem langen Schenkel der U-Röhre berührt. Die elektromotorische Kraft der zu messenden Kette wird auf ungefähr 0,4 Volt geschätzt. Da der Accumulator ungefähr 2 Volt beträgt, wird der Widerstand in Rheo- 0.4 stat I ungefähr -^- X 11111,1 = etwa 2050 f} sein müssen. Deshalb werden die Stöpsel 2000, 40 und 10 aus Rheostat I in Rheostat II hinübergebracht. Bei Schliessung des Stromtasters bewegt sich die Scala nach rechts. Es muss also noch mehr Widerstand in Rheostat I ein- geschaltet werden. Deshalb wird Stöpsel 100 in Rheostat II hinüber- gebracht. Wieder folgt Ausschlag der Scala nach rechts, aber kleiner als soeben. Nunmehr wird noch 50 £2 in Rheostat II gestöpselt. Ausschlag nach links. Nachdem 5 J2 in Rheostat I zurückgestöpselt worden sind, bleibt bei Stromschluss die Scala in Ruhe. Berechnung der H*-Ionen-Concentration. 38;5 Im Stromgebiet (A X) des Elementes befindet sich also ein Widerstand von 2195 JQ, in dem des Accumulators ein Widerstand von 11111,1 Q. Die elektromotorische Kraft des Elementes beträgt also: 2195 ^ 2195 11111,1 _ , ^,^, ,, ,, m IM X E- = niTiri ^ ^2-r X 1'^^^^ ^''' = 919fS g^ X 1,0184 V = 0,4049 Volt. 4. Berechnung der H-Ionen-Concentration (Ch-) des Harns. Nach der oben entwickelten Formel (S. 337) kann die elektro- motorische Kraft der Gaskette bei Vernachlässigung des Contactpotentials ausgedrückt werden durch : 0,0002 ^ , C„ ^ = -^^Tlog^, in der n der Potential, n die Valenz des zu messenden Ions, C„ die Concentration der bekannten Säure und C, die der zu untersuchenden ^ d. h. die des Harns ist. Da die Temperatur 22^ war, ist ;r = 0,0002 X (273 + 22) log ^ n = 0,0590 log ^ 0,4049 = 0,0590 log ^' a, _ 0,4049 =' C, 0,0590 , p 1 P 0,4049 logC„-loga=Q^Q^^g , r. , r. 0,4049 , ..^^^ 0,4049 log C, = log a, - -pg^ = log 0,01 - -^^ 0 4049 log C, = - 2 - ""^ll- = - 8,86283 log C, = 0,13717—9 C, = 1,371 X 10-9. Die Concentration der H-Ionen des Harns, Ch- betrug somit 1,371 X 10-». Die Messungen sub 2 und 3 wurden stündlich wiederholt. Dabei stellte sich heraus, dass das Element in der sechsten Stunde nach der An- fertigung constant geworden war und bis zur achten Stunde constant blieb. Hamburger, Osmot. Druek. II. Band. 25 386 Elektrochemisclie Untersuchung des Harns. 5. Controle der Bestimmung der H"-Ionen-Concentration. Wie beim Studium des Gleichgewichts theilweise dissociirter Ver- bindungen näher erörtert werden wird (Kapitel IX Ig), besteht eine feste Beziehung zwischen den Concentrationen der Dissociationsproducte einer Verbindung. Kohl rausch und Heydweiller haben nachge- wiesen, dass reines destillirtes Wasser zu einem kleinen Theil in die Ionen OH' und H' gespalten ist, und dass das Product der Concentra- tionen dieser Ionen Cr- X Coh' 0,64 X 10^^'^ beträgt, eine Constante, die man mit dem Namen Dissociationsconstante bezeichnet. (Vergl. Kapitel IX I h.) Diese Constante, deren Grösse mit dem von Ostwald, Löwen- herz, Wijs und Arrhenius nach verschiedenen Methoden gefundenen Werth gut übereinstimmt, gilt nicht nur für reines destillirtes Wasser, sondern auch für alle wässerigen Lösungen. In elektrochemisch neutralen Lösungen sowie auch in reinem Wasser ist die Concentration der H'-Ionen und die der OH'-Ionen die gleiche; also Ch* == Cqh' = 0,8 X 10"''. Findet man demnach in einer wässerigen Lösung Ch- = 0,8 X 10~', so ist die Lösung in elektrochemi- schem Sinne neutral. Bringt man in das Wasser ein wenig Säure, wodurch die H'-Ionen- Concentration Ch- des Wassers wächst, so rauss, da die Dissociations- constante unverändert bleibt, die Concentration der OH'-Ionen (Coh-) abnehmen. Versetzt man umgekehrt das Wasser mit Alkali, so nimmt die (OH')-Concentration zu und muss die H -Concentration dementsprechend sinken. Kennt man also von einer Flüssigkeit die H-Ionen-Concentration, so kann man deren OH'-Ionen-Concentration durch Division berechnen: ., 0,64 X 10-1* t/OH' = TS • Uh" Oder umgekehrt, kennt man die H-Concentration, so ist die OH'- Concentration zu ermitteln. Dadurch verfügt man über ein einfaches Mittel, die Bestimmung der H-Ionen-Concentration zu controliren. Man hat daneben nur die OH'-Ionen-Concentration zu ermitteln, und dann muss das Product Ch-X Coh' 0,64x10-14 geben. Es sei aber hervorgehoben, dass dieser Zahlenwerth für 18° C. gilt. Bei 25° C. fanden Kohl rausch und Heydweiller: 1,05 X 10-^ X 1,05 X 10-'^ = 1,10 X 10-1*. Arrhenius fand bei 25° 1,1 X 10-' X 1,1 X 10-' = 1,21 XlO-i*. Controle mittelst Bestimniiing der OH'-Ionen-Concentratioii. 387 Wijs fand 1,2 X 10-"^ X 1,2 X 10-" = 1,44 X 10-1^. Findet man also die H'-Concentration einer Lösung bei 25 ^ zwischen 1,05 lind 1,2 X 10-^ oder bei 18« um 0,8 X 10-^ so ist dieselbe im elektrochemischen Sinne neutral ; denn es kommen ebensoviel freie H" wie OH'-Ionen in der Volumeneinheit der Flüssigkeit vor; Ch-= Coh'. Ich entnehme den Versuchen , die Herr H e k m a n in meinem Laboratorium ausgeführt hat, folgendes Beispiel : In der oben angegebenen Weise wurde von menschlichem Harn die lonenacidität ermittelt. Die Kette H 10,01 HCl, 0,2 n NaCl | Harn | H besass bei 22" eine elektro- motorische Kraft von 0,2548 Volt. Hieraus lässt sich mittelst der Formel tt = — "^ T log '' , wie oben gezeigt n C, o o wurde, die H'-Ionenconcentration c, des Harns berechnen. Diese betrug hier 0,480 X 10-8. In demselben Harn wird die OH'-Ionenconcentration ermittelt. Zu diesem Zweck wird folgendes Element angefertigt: 0 I 0,01 n NaOH | Harn | 0. Von der experimentellen Technik mit dieser Sauerstoff kette gilt genau das- selbe, was von der Wasserstoffkette gesagt worden ist. Mit Nachdruck sei nochmals hervorgehoben, dass man die für H angewandten Elektroden nicht für 0 benutzen darf, ohne auf's Neue zu platiniren. Das Beste ist, die Platinelektroden für Wassei-- stoff und Sauerstoff gesondert zu halten. Der Versuch lehrte, dass die elektromotorische Kraft dieser Kette bei 22*^' €,224 Volt betrug. j T. , 0,0002 C„ . , , ^ ,j. ^ Aus der l Flüssigkeit, 82 °/o Chloride und nur 35 > Sulfat resorbirt worden, also mehr NaCl als Wasser und am wenigsten Sulfat. Bei diesem Befund weist Cushny auf eine Beobachtung Hof meister 's hin- Dieser Forscher zeigte, dass wenn ein durchnässtes Gelatineplättclien in eine NaCl- Lösung gebracht wird, mehr NaCl als Wasser aufgenommen wird [20]. Harn g NaCl g Na,SO, linke Niere 24 cc 0,0809 0,1080 rechte Niere 8 cc 0,0142 0,0667 Versuche von Cushny. 405 Ein anderes Experiment bezieht sich auf eine Vergleichung von Harn- stoff und NaCl. Einverleibt werden gleiche Volumina einer 5,85 °/o igen NaCl- und 6 "/o igen HarnstofFlösung. Druck im Ureter der rechten Niere 20 mm Hg. Harn g NaCI g Harnstoff \ rechte Niere 5 cc 0,0204 0,049 in der rechten Niere resorbirt 3,4 cc 0,0175 0,0027 d. i. 40 0/0 46 7o 5",o Rh 30 — 3h 40 ^ ^^"^*^ ^'^'"'^ ^^'^ ^^ ^'^^^^ ^'^^^^ \ rechte Niere 12,8 cc 0,0572 0,08 in der rechten Niere resorbirt 10,5 cc 0,0513 0,0321 d. i. 46 "/o 470/0 28 V Es ist also weniger Harnstoff als NaCl resorbirt. Dass hier die Menge des resorbirten Wassers die des resorbirten NaCl nicht überstieg, ist nach Cushny vielleicht dadurch zu erklären, dass der Harnstoff und das NaCl die Wasserresorption beschränken. Wie dem auch sei, die Versuche lehren, dass, wenn ein Gegendruck ausgeübt wird, Resorption stattfindet. Es ist aber die Frage, ob die Resorption seitens des Nierenbeckens oder des Ureters herbeigeführt wird. lieber diese Frage stehen uns bereits Untersuchungen von Max Herrmann zur Verfügung. Max Herrmann [21J fand, dass, wenn man Harn zwischen zwei Ligaturen im Ureter verbleiben lässt , dessen Zusammensetzung sich ändert. Der Harnstoffgehalt" nimmt zu , der NaCl-Gehalt nimmt ab. Später gelangte Herr mann für den Harnstoff zu einem entgegen- gesetzten Resultat [7]. Aus solchen Resultaten ist es bedenklich, Schlussfolgerungen zu ziehen. Deshalb hat Cushny die Versuche wiederholt und auch die Anordnung der Versuche mit den oben be- schriebenen in Uebereinstimmung gebracht. In den Ureter wurde ein Rohr eingeführt, das mit einem Reservoir zusammenhing. Das Reservoir befand sich in einer Höhe von 1200 mm und war mit einer 0,8 °/o igen NaCl-Lösung gefüllt. Nach einiger Zeit blieb das Niveau während 30 Minuten constant. Cushny schliesst daraus, dass weder im Nieren- becken noch im Ureter Resorption stattfindet. Diese Schlussfolgerung scheint mir nicht gerechtfertigt, da bei solchen hohen Drucken die die Flüssigkeit abführenden Venen zusammengedrückt werden. Es wäre also erwünscht, diese Versuche bei niedrigen Drucken zu wiederholen. Eine Resorption in den Tubulis hat man nicht zu befürchten, da be- kanntlich die Tubuli vom Ureter aus nicht injicirt werden können. 406 Nierenthätigkeit. Indessen ist kaum daran zu denken, dass Ureter und Nierenbecken für eine so bedeutende Resorption, wie sie Cushny bei seiner ersten Ver- suchsanordnung gefunden hat, verantwortlich zu machen sind. Ungefähr gleichzeitig mit Cushny haben Steyrer und Pfaundler Untersuchungen über den Eintiuss der Gegendruckerhöhung auf die Zusammensetzung des Harns bekannt gegeben. Steyrer untersuchte drei Patienten, bei denen Compression des Ureters vorlag [23]. Bei der ersten Patientin konnte der Harn nicht ohne Verlust auf- gefangen werden, wohl aber bei den beiden anderen. Dabei stellte sich heraus, dass die Compression ein deutliches Ansteigen der Harnmenge zur Folge hatte. Die Harnmenge stieg von 1250 auf 1350 und von 325 auf 350 cc an. In allen drei Fällen zeigte sich ein bedeutendes Sinken der osmotischen Concentration [J sank von 1,77*^ auf 0,28*^, bezw. von 0,42« auf 0,25« und von 1,28^ auf 0,410). jjiggg erhebliche Verminderung der osmotischen Concentration wird durch die relativ viel geringere Volumzunahme keineswegs compensirt. Weiter findet Steyrer, dass in den Nieren, die in Folge der Compression des Ureters gegen einen grösseren Widerstand zu arbeiten haben, von den festen Bestandtheilen insbesondere das NaCl zurück- gehalten, also resorbirt wird. Steyrer fügt noch hinzu, dass sowohl durch Thierversuche wie durch Beobachtungen am Menschen (Frauen während der Freund'schen Operation) festgestellt wurde, dass der von beiden Nieren simultan abgesonderte Harn in annähernd gleicher Concentration und annähernd gleicher Menge abgesondert wird. Pfaundler [24] ermittelte von normalem Harn und von Harn, der nach Stauung durch Ureterunterbindung erhalten war, die Gefrierpunktdepression, die elektrische Leitfähigkeit, den Chlornatrium- und Harnstoffgehalt. Durch die Gefrierpunkterniedrigung erhielt er die Gesammtzahl an Molekülen und Ionen und durch die Leitfähigkeit die Concentration der Elektrolyte. Die Resultate waren folgende: 1. Die Gegendruckerhöhung bewirkt eine Zunahme der Harnmenge. 2. Durch Stauung wird in allen Fällen die osmotische Concentration herabgesetzt und zwar auf 0,5 bis 0,75 der ursprünglichen. 3. An der Abnahme der osmotischen Concentration durch Stauung sind die Harnstoffmolecüle mit nur 4°/o, die Kochsalzmolecüle Versuche von Steyier und Pfaundler. 407 -|- Ionen mit etwa 11 "/o, die nicht bestimmten Molecüle -f- Ionen mit etwa 85 "/o betlieiligt. 4. Diese nicht näher bestimmten Moleciüe -f- Ionen sind hauptsäch- hch Elektrolyte (anorganische Harnbestandtheile). Dies geht aus der beträchthchen Verminderung der elektrischen Leitfähigkeit hervor. „Am ungezwungendsten^^, sagt Pfaundler, „Hessen sich die nor- male physiologische Eindickung des Glomerulustiltrates und die von mir nach üreterenversehluss beobachtete Abnahme der molecularen Concen- tration des Harns unter einen einheitlichen Gesichtspunkt bringen durch die Annahme , dass unter gewöhnlichen Bedingungen (.,mechanische") Aftinitäten zwischen gewissen Stoffen der Nierenepithelien und dem Wasser und den Salzen des Glomerulustiltrates, speciell die zuerst von Hofmeister für die Resorption überhaupt in's Auge gefassten Qu ellungs Vorgänge bei der Concentrirung des Harns den Ausschlag geben und dass unter den Verhältnissen, welche der Üreterenversehluss nach sich zieht, die entstehenden lockeren Verbindungen variiren und sofort wieder zerlegt werden." Pfaundler scheint also die normale physiologische Eindickung durch einen Vorgang erklären zu wollen, ähnlich dem, welchen ich der Resorption aus serösen Höhlen und aus dem Darm zu Grunde legte, also durch Imbibition. So weit kann ich dem Autor folgen. Der letzte Satz aber : „dass unter den Verhältnissen, welche der Üreterenversehluss nach sich zieht, die entstehenden lockeren Verbindungen variiren und sofort wieder zerlegt werden", ist mir leider ganz unverständlich. Auch von anderen Seiten und auf Grund anderer Motive ist die Resorption von im Harn gelösten Stoffen seitens der Harnkanälchen betont worden. So exstirpirte Ribbert bei Kaninchen die Marksubstanz einer Niere und entfernte die andere Niere [25 1. Die Thiere Hessen dann einen Harn, der weniger gefärbt war als sonst und nicht selten ganz wasserhell war. Auch lieferten die operirten Thiere 2 — 3 mal so viel Harn, als die Controlthiere, die in der gleichen Weise bis auf die Ent- fernung der Marksubstanz operirt worden waren. Eine Nachprüfung der Ribbert 'sehen Versuche ist ganz kürzlich von Boyd [26J unternommen worden. Er kommt zu entgegengesetzten Ergebnissen. Das Verfahren Ribbert"s ist auch in der That nicht einfach. 408 Nierenthätigkeit. In letzterer Zeit ist aus der menschlichen Pathologie ein Fall mitgetheilt worden, in dem ein Trauma ähnliche Verhältnisse herbei- geführt hatte , wie die Operation in den Versuchen R i b b e r t ' s. Buyniewicz [27] konnte nämlich eine Frau beobachten, bei der durch einen Stoss die rechte Niere in drei Theile gespalten und der Ureter durchgerissen war. Nach Herausnahme von zwei Theilen der Niere und Unterbindung der den Rest versorgenden Nierenarterie bildete sich eine Harnleiterfistel, durch die eiweissfreier Harn ausfloss und zwar bis zu einem Liter in 24 Stunden. Der Gefrierpunkt des Harns der gesunden linken Niere betrug im Mittel aus sieben Tagen — 1,24° C, der des Harns der rechten Niere im Mittel aus sechs Tagen — 0,29*' C. Der procentische Gehalt an NaCl war links 0,66 und rechts 0,30. Der Nierenrest wurde später exstirpirt und mikroskopisch untersucht: es fanden sich darin die Glomeruli unversehrt, während die gewundenen Kanal chen an vielen Stellen durch körnige Massen verstopft, ihr p]pithel verschwunden oder abgestorben war. In der Markschicht bestanden krankhafte Veränder- ungen am Epithel der H e n 1 e 'sehen Schleifen und der geraden Kanälchen. Mit Nachdruck hat auch A. v. Koränyi die Resorptionsfähigkeit der Nierenkanälchen in den Vordergrund gestellt [28]. Zunächst sollen sie kräftig "Wasser resorbiren; auch sollen sie im Stande sein, gelöste Stoffe aufzunehmen, aber nur in der Weise, dass äquimoleculare Mengen anderer Stofle (Stoffwechselproducte) aus den Blutgefässen an deren Stelle treten. Dieser Ansicht kann ich nicht beipflichten. Ausführliches darüber S. 259, 268 und 271 ft\ Nach den erwähnten Untersuchungen scheint es wohl keinem Zweifel zu unterliegen, dass wirklich Re- sorption in d er Niere stattfinden kann. So lange also der Betrag dieser Resorption nicht bekannt ist oder man nicht im Stande ist, die Resorption auszuschalten, ist man nicht berechtigt, aus dem, was als Resultat der Gesammtfunction der Niere beobachtet wird, Schluss- folgerungen über die Thätigkeit der Glomeruli abzuleiten, wie es Starling in seiner mehrerwähnten Arbeit „On the glomerulous function of the kidney" gethan hat. Keine Theorie derNierenthätigkeit darf die Resorptionsfrage ausser Betracht lassen. 4. Discussion der Bowman-Heidenhain'schen Secretionslehre. Ausser Argumenten, die sich auf die Unabhängigkeit der Harn- abscheidung vom Blutdruck beziehen, hat Heidenhain noch zwei I Intravenöse Injection von Indigo. 409 Versuchsreihen zu Gunsten seiner Secretionslehre angeführt. Diese beiden Versuchsreihen bezweckten kauptsächlich nachzuweisen, dass die lubuli contorti die specifischen Harnbestandtheile abscheiden. Zu diesem Zweck injicirte Heidenhain indigotinschwefelsaures Natron in :lie Bhitbahn und fand das Epithel der Tubuli contorti blau. Niemals aber konnte er Blaufärbung des Kapselrauraes beobachten, woraus er ächloss, dass diese Substanz und somit auch die ebenfalls durch die Grrösse der Moleküle sich auszeichnenden specifischen Harnbestandtheile nicht vom Glomerulus abgesondert werden. Die zweite Versuchsreihe bezieht sich auf die Experimente M. Nuss- baum's [29J. Dieser Forscher benutzte die glückliche Gefässdisposition ier Froschnieren. Bei diesen Thieren werden die Glomeruli von der Arteria renalis, die gewundenen Kanälchen dagegen von der V. advehens v^ersorgt. Unterband er letztere , so wurde kein Harn abgeschieden, wohl aber färbten sich nach intravenöser Injection einer Indigotinlösung die Zellen der gewundenen Kanälchen blau. Nur wenn eine sehr con- centrirte Harnstofflösung eingespritzt wurde, erfolgte auch eine spärliche Harnabsonderung. Gegen den Indigoversuch Heidenhain's hat v. Sobieranski [30] geltend gemacht, dass es sehr möglich ist, dass durch das Glomerulus- Bpithel das Indigoblau zu Indigoweiss reducirt wird, deshalb im Kapsel- raum in farblosem Zustand vorkommt und demzufolge nicht zur Beob- achtung gelangt. Auch lasse es sich denken, dass die Epithelbekleidung des Glo- merulus wohl blauen Farbstoft' durchlässt, aber nicht intensiv gefärbt werden kann, weil der Flüssigkeitstrom den Farbstoff ausspült. Es gelang ihm dann auch, diese Zellen zu färben, wenn sehr viel Farbstoff benutzt wurde, worauf Grützner [31] wieder auf die Möglichkeit hin- zuweisen berechtigt war, dass v. Sobieranski hierdurch das Epithel krank machte. Wie dem auch sei, v. Sobieranski konnte, jedenfalls in den gewundenen Kanälchen, die Anwesenheit von Farbstoff bestätigen. Er fand denselben aber nicht in, sondern zwischen den Zellen. Hieraus folgert er, dass hier nicht eine Abscheidung von Farbstoff' seitens der Epithelzellen, sondern eine Besorption durch dieselben aus den Kanälchen vorliegen muss. Seine Methode bestand darin, dass nach Injection von Carminnatronlösuug in die V. jugularis die Art. renalis mit absolutem Alkohol ausgespült wurde. Und nun der Nussbaum'sche Versuch! Dieser hat bekanntlich lange Zeit als ein unanfechtbarer Beweis dafür gegolten, dass die ge- 410 Nierenthätigkeit. wundenen Kanälchen indigotinschwefelsaures Natron und deshalb auch die specifischen Harnbestandtheile absondern. Demgegenüber hat Adami [32] nachgewiesen, dass die Ansicht Nussbanm's, die Glomeruli der Froschniere würden ausschliesslich durch die Art. renalis versorgt, nicht richtig ist. Sie empfangen auch noch Blut von der V. advehens, denn zwischen beiden Gefässen bestehen Anastomosen. Beddard fand bei sorgfältiger Nachprüfung diese Angabe voll- kommen bestätigt [33], so dass die Beweiskraft des Nussbaum'schen Versuchs hinfällig geworden ist. Immerhin ist somit in diesem Ver- such die Möglichkeit noch nicht ausgeschlossen, dass der Glomerulus den blauen Farbstoff in reducirtem oder auch nicht reducirtem, aber dann sehr verdünntem , jedenfalls nicht sichtbarem Zustand durchlässt und das Epithel durch diesen Farbstoff nachträglich gefärbt wird. Es lässt sich sehr gut denken, dass im letzteren Falle die Zellen eine Attraction auf den Farbstoff ausüben oder eine grössere Löslichkeit für denselben besitzen. Es ist ja in der mikroskopischen Technik eine all- gemein bekannte Thatsache, dass sich Zellen sogar in sehr verdünnten Farbstofflösungen intensiv färben. (Vergl. das Kapitel Histologisches sub 2 b). Ist es also nicht möglich, durch Unterbindung der Art. renalis die Glomeruli ganz von der Circulation auszuschliessen, so kann man doch umgekehrt durch Unterbindung der Y. advehens ermitteln, ob eine Resorption in den Harnkanälchen besteht. Das war der Gedankengang von Gur witsch [34]. Resorbiren die Kanälchen, so muss die Re- sorption nach Unterbindung der Y. advehens aufgehoben und eine viel grössere Harnmenge abgeschieden werden, als unter normalen Verhält- nissen. Es zeigte sich aber das Gegentheil, indem sogar weniger abgesondert wurde. Gur witsch schliesst hieraus, dass in den gewundenen Kanälchen der Froschniere keine I\esor2)tion stattfindet. Eigentlich kann diese Schlussfolgerung sich nur auf das Wasser beziehen, denn die Zusammensetzung des Harns kann sich durch die Unterbindung der V. advehens sehr wohl geändert haben. Diese hat der Verfasser aber, der Kleinheit der Menge wegen nicht untersucht. Gur witsch ist der Meinung, dass die gewundenen Kanälchen absondernde Organtheile sind; denn nach Unterbindung der V. advehens und intravenöser Einverleib- ung von Farbstoff blieben die Zellen der Tubuli contorti farblos. Blieb die Vena advehens intact, so wurden die betreffenden Zellen schön gefärbt. Der Verfasser ist nun der Frage näher getreten, auf av eiche Weise die Zellen der Tubuli contorti den Farbstoff ab- Diuretica. 411 scheiden und hat damit der Secretionslehre eine ver- ständliche physikalisch -chemische Grundlage zu geben versucht. Hierzu macht G u r w i t s c h auf Untersuchungen 0 v e r - ton's [35] aufmerksam, nach welchen nur diejenigen Stoffe in eine Zelle einzudringen im Stande sind, welche in dem in derselben vorhandenen Lipoid löslich sind ^). Wahrscheinlich besteht das Lipoid aus einem Gemisch von Lecithin und Cholesterin. Dieses Gemisch quillt in Wasser stark auf und lässt Wasser hindurch. Gleiches findet man auch bei anderen fettigen Substanzen. So kann z. B. Lanolin relativ viel Wasser aufnehmen. Schüttelt man Jod mit Wasser, so wird ein wenig darin auf- genommen. Setzt man Chloroform hinzu und schüttelt wieder, so geht fast alles Jod in das Chloroform über. Im Allgemeinen darf man sagen, dass eine Substanz sich über zwei Flüssigkeiten in einem von der Löslichkeit abhängigen Verhältniss vertheilt^). In den Zellen der ge- wundenen Kanälchen kommen, nach Gur witsch, Vacuolen vor, die mit Lipoid gefüllt sind. Man hat nur weiter anzunehmen, dass darin der Farbstoff in hohem Maasse löslich ist, und die Thatsache, dass der Farbstoff sich in der Zelle anhäuft, ist verständlich geworden. In Abbildungen hat der Autor es ersichtlich gemacht, dass die mit Farbstoff" (dem vital färbenden Toluidinblau) gefüllten Vacuolen erst an der Basis der Zellen sich befinden und dann allmählich fortschreiten, bis sie den Inhalt in das Lumen des Kanälchens abgeben können. Leider ist es ihm nicht gelungen, diesen Vorgang auch für normale Harnbestandtheile, wie Harnstoff und Urate, auf mikrochemischem Wege nachzuweisen. Endlich habe ich noch über das Coffein und verwandte Diuretica zu sprechen. Man hat ihre Wirkungsweise studirt und zu gleicher Zeit daraus Schlussfolgerungen für die Nierenthätigkeit gezogen, v. Schröder [36] fand, dass Coffein nur dann Diurese herbeizuführen im Stande ist, wenn die gefässverengernde Wirkung, die manchmal mit der diuretischen einhergeht, ausgeschaltet ist. Um diese gefässverengernde Wirkung zu eliminiren, wurden verschiedene Mittel benutzt: Zerreissung der Nieren- nerven, Zugabe von Chloral und anderen Narkoticis. Durch alle diese Mittel war der arterielle Blutdruck herabgesetzt und trotzdem fand 1) Vergleiche über diesen Begriff die Ausführungen über Narkotica im Kapitel , Pharmakologisches" und auch die über die histologische Färbung im Kapitel „Histo- logisches". -) Vergl. über das Theilungsprincip gleichfalls die in der vorangehenden An- merkung citirten Kapitel. 412 Nierenthätigkeit. Diiirese statt, v. Schröder verlegt darum die diuretisclie Wirkung in die Niere selbst und stellt sich vor, dass das Coffein das Epithel der gewundenen Kanälchen zur vermehrten Thätigkeit anregt. Zum gleichen Resultat war ungefähr gleichzeitig Langgaard [37J gelangt. Fortgesetzte Untersuchungen konnten auch v. S chrö de r [38] selbst in seiner ursprüng- lichen Ansicht bestärken. Auch Albanese [39J, obgleich nicht in jeder Hinsicht sich V. Schröder anschliessend, war insofern mit ihm einig, als auch nach ihm die harntreibende Wirkung des Coffeins und anderer Purinderivate von der Wirkung auf die Gefässe unabhängig ist. Nach ihm bewirkt Coffein stets eine geringe Zunahme des Nierenvolumens, auch bei chloralisirten Thieren. Zu ähnlichen Ergebnissen kam ein anderer Schüler Schmiedeberg 's, Ach [40]. Von den Purinderivaten zeigte sich Paraxanthin am wirksamsten. Auch Anten [41] stimmt auf Grund seiner Ergebnisse mit Xanthinkörpern v. Schröder bei. Indessen hat v. Schröder's Schüler Rudel [42] auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die Coffeinwirkung sich auch auf das Glomerulusepithel erstrecke. Diese Meinung wird von He 11 in und Spiro getheilt [43]; denn diejenigen Stoffe, welche die Gefässe der Knäuel stark schädigen, beeinträchtigen auch die Coflfeindiurese. Zu diesen Stoffen gehören Arsenik und Cantharidin, während Aloin und Chromsäure, die das Nierenepithel, insbesondere die Tubuli recti schwer schädigen, die Coffeindiurese nicht beeinflussen. Ist es nun nothwendig aus den Ergebnissen obiger Untersuchungen zu schliessen, dass das Coffein durch Reizung des Epithels (Kanälchen- oder Glomerulusepithel oder auch beide) diuretisch wirkt V Mir scheinen noch andere Vorstellungen möglich. Erstens könnte man an eine kräf- tigere Blutströmung denken. Das ist aber nicht anzunehmen, denn bei den Versuchen von v. S c h r ö d e r gab eine Niere, deren kleine Gefässe durch Chloral bereits maximal erweitert waren, durch nachträgliche Ein- wirkung von Coffein eine kräftige Diurese. Ferner fand Albanese, wie oben mitgetheilt wurde, durch oncometrische Messungen während der Coffeindiurese nur eine geringe Zunahme des Nierenvolumens. Da- gegen constatirte I. M u n k [44] beim Durchleiten von Coffeinlösung durch die überlebende ausgeschnittene Niere, eine bedeutende Volumvermehrung. v. Schöder führte dagegen aus, dass eine Anzahl anderer Stoffe auf die ausgeschnittene Niere denselben gefässerweiternden Eintiuss ausübt, ohne jedoch Diurese herbeizuführen. Man kann auch mit von Sobieranski an einen quellenden Ein- fluss denken, den das durch die Glomeruli abgeschiedene Coffein auf das Epithel der gewundenen Harnkanälchen ausübt, wodurch die Resorption auch für Wasser so bedeutend abnimmt, dass eine beträchtliche Diurese auftritt. Damit steht der Befund Dresers nicht in Widerspruch, dass bei Coffeindiurese der osmotische Druck des Harns nicht selten beträcht- lich niedriger ist als der des entsprechenden Blutserums. Zusammenfassung. 413 Alles zusammen genommen, vermag ich in den Ausführungen über die Coffeindiurese ein bestimmtes Argument zu Gunsten der Heiden- hain'schen Lehre nicht zu erblicken. 5. Zusammenfassung und Schluss. Noch immer sind es zwei Vorstellungen, die uns zur Erklärung der normalen Harnabsonderung zu Gebote stehen: Ludwigs Lehre, nach welcher das Blut in den Glomerulis filtrirt und das dünne Filtrat in den Harnkanälchen eingeengt wird, und Bowman-Heidenhain's Lehre, nach welcher der ganze Harn durch active Zellenthätigkeit ab- gesondert wird, und zwar "Wasser und Salze vom Glomerulusepithel, die specifischen Harnbestandtheile, wie Harnstoff und Urate vom Epithel der gewundenen Harnkanälchen. Die Zellen nehmen gerade das aus dem Blute auf, was als Harn entfernt werden soll. Von einem Zurück- gehen des einmal in den Kapselraum abgeschiedenen braucht hier nicht die Rede zu sein. Irre ich mich nicht, so hat in den letzten Jahrzehnten die Bow- man'sche Lehre in der Form, in welcher sie von Heidenhain präcisirt und formuliert wurde, bei Weitem die meisten Anhänger gezählt und zählt sie vielleicht noch. In der That, Ludwig's Lehre schien manche bekannt gewordene Thatsache nicht erklären zu können. Aber vermochte dies wohl Heidenhai n's Theorie? Allerdings ist im Ausdruck ,, active Zellenthätigkeit" Vieles und Verschiedenartiges ver- borgen, und dieser Ausdruck ist eigentlich nicht mehr als ein in gefälliger Form ausgedrücktes non possumus. Es ist ganz merkwürdig wie Viele durch eine derartige Erklärung in angenehmer Weise afficiert werden. Spielt hier vielleicht die vielfache Neigung für das Mystische eine Rolle? Ich habe mehrmals bemerkt, dass wenn in einer wissenschaftlichen Ver- sammlung, für eine biologische Erscheinung neben einer plausibeln physi- kalischen Erklärung, die Möglichkeit betont wurde, dass eine ,, active Zellenthätigkeit" vorlag, die meisten unter den Besten für die letztere den Kopf zustimmend nickten. Mit wie viel weniger Begeisterung da- gegen pflegen physikalische Deutungen biologischer Erscheinungen von sehr vielen aufgenommen zu werden! Ist vielleicht der unmittelbar sich erhebende Gedanke, daran Schuld, dass die Sache doch „nicht so ein- fach" liegt? In der That sieht man wiederholte Male bei Anwendung feinerer Methoden und Messapparate Abweichungen, die man vorher nicht bemerkt hatte. Darüber hat man sich aber nicht zu beklagen. Im Gegentheil, denn manches Gesetz wäre sonst nicht aufgedeckt oder 414 Nierenthätigkeit. ausgesprochen worden. Es ist sehr fraghch, ob B o y 1 e sein berühmt gewordenes Gesetz hätte aussprechen dürfen, wenn er alle Abweichungen gekannt hätte, die später mit Hülfe einer feineren Versuchsmethodik zur Beobachtung gelangten. Je umfangreicher und zuverlässiger das Beobachtungsmaterial ist, desto schwieriger wird es oft sein, das Grund- gesetz daraus abzuleiten. Es gehört dann mehr Scharfsinn dazu, das Einfache hervorzuholen. Wer es dennoch wagt, das zu thun, ohne für die Abweichungen unmittelbar eine befriedigende Erklärung geben zu können, setzt sich einer wenig schmeichelhaften Kritik aus. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie die Chemiker den Kopf schüttelten als van t'Hoff es wagte, sein Gesetz der Analogie zwischen Gasen und Lösungen zu verkünden, bevor Arrhenius die vielen damals bereits bekannten Ab- weichungen gedeutet hatte. Und auch nach dieser Zeit haben viele ge- lächelt. Doch tragen selbst diejenigen gewagten Annahmen, die später sich als nicht haltbar erweisen, zur Förderung der Wissenschaft bei. Sie regen zum Zweifel, zum Widerspruch und zur weiteren Forschung an. Bei mir liegt dieser Gedanke immer vor, wenn ich eine Hypothese aus- spreche, die, wie ich selbst weiss, gewagt ist. Und ich wiederhole hier, was ich bereits oben sagte, lieber eine gewagte physikalische, mechanische Hypothese, als eine vitalistische oder neovitalistische Vorstellung, die bei consequenter Durchführung Unfruchtbarkeit in sich schliesst. Man lese hierin nicht eine Anschuldigung an Heidenhain's Adresse. Heiden hain gehörte immer zu den ersten, die die Bedeutung bekannt gewordener physikalischer Kräfte in den Lebenserscheinungen zu würdigen wussten. Erst wenn diese nicht genügend erschienen, griff er nach „activer Zellenthätigkeit" nicht als Ausdruck des „Ignorabimus", sondern nur als Erkennung des non possumus. Es ist kaum denkbar, dass Heidenhain das befriedigen konnte. Kehren wir aber zu der Nierenthätigkeit zurück. Wir fragten, ob Heidenhain's Secretionslehre im Stande war, alle Erscheinungen zu erklären? Als ihr Urheber seine Theorie aufstellte: ja. Später sind aber Thatsachen bekannt geworden, und Ueberlegungen gemacht, durch welche seine Argumente viel an Beweiskraft verloren haben. So ist von der Beweiskraft seiner Indigblauinjections versuche und auch von Nussbaum's Froschnierenexperiment, die nachweisen sollten dass die Epithelzellen der gewundenen Kanälchen die specifischen Bestandtheile ausscheiden, nicht viel mehr übrig geblieben. Zwar ist vor kurzem Gur witsch auf Grund von andern Experimenten für diesen Satz wieder eingetreten, aber bis jetzt sind seine Versuche nur mit Zusammenfassung. 415 Farbstoffen gelungen, nicht mit den normalen Harnbestandtheilen, und mit Farbstoffen soll man sehr vorsichtig sein (S. 409). Ausserdem sind die Untersuchungen aussschliesslich an Fröschen angestellt. Lieferten die Diuretica eine wirkliche Stütze für die Heidenhain- sche Secretionslehre zur Zeit ihrer Aufstellung, so kann man nicht sagen, dass die spätem Untersuchungen zur Consolidation dieser Stütze beige- tragen haben; vielmehr ist das Gegentheil der Fall. Eine physikalische Deutung fängt denn auch immer deutlicher an, sich Bahn zu brechen. Die neuen Versuche zur physikalischen Deutung der Harnabsonderung verdankt man der Lehre vom osmoti- schen Druck. Bereits 1888 hatte v. Limb eck ausgeführt, dass die diuretische Wirkung verschiedener Salze bei Einspritzung in isosmotischer Concentration ungefähr die gleiche ist. Kurz darauf benutzte Dreser die Lehre vom osmotischen Druck, um die Arbeit zu berechnen, welche die Niere bei der Harnabsonderung verrichtet. Mit diesen LTntersuch- ungen wurde zwar die Einsicht in das Wesen der Nierenthätigkeit wenig gefördert, aber die Aufmerksamkeit war abermals auf die physi- kalische Chemie gelenkt. Der Chemiker Tarn mann war der erste der den Versuch machte, den Mechanismus der Harnabsonderung in diesem Sinne zu studiren. Er begann mit der Frage, ob die Glomerulusepithelschicht als eine semiper- meable Membran aufgefasst werden dürfe und gelangte bald zur Ueber- zeugung, dass solches nicht möglich ist, weil sonst für die Abscheidung des Wassers der Blutdruck in den Glomerulus-Capillaren den osmotischen Druck des Blutplasma noch übertreffen, also einige Atmosphären betragen müsste. (S. 397). Denkt man sich dagegen das Glomerulusepithel für alle im Harn gelösten Krystallo'ide völlig permeabel, aber nur für Eiweiss impermeabel, so braucht der Blutdruck, um ein eiweissfreies Filtrat von der Zusammensetzung der Plasma-Krystalloide abzuscheiden nur den osmotischen Druck des Plasma-Eiweisses zu übertreffen. Dieser osmotische Druck beträgt nach Tammann nur etwa 6 mm Hg. Soweit kann man zufrieden sein ; aber nun folgt die weitere Frage, wie aus der Krystalloidlösung eine Flüssigkeit von der Zusammensetzung des Harns entsteht. Bei dieser lässt uns Tammann im Stich. Nach Tammann hat der Physiologe Starling das Problem in gleichem Sinne aufgefasst. Auf Grund mehrerer zuverlässiger Experi- mente ermittelt er den osmotischen Druck des Eiweisses zu 25 — 30 mm Hg. Lidem auch er den Glomerulus für leicht permeabel für Krystallo'ide hält, betont er dann, dass in den Fällen, in welchen man Harnbildung auftreten sieht, der Blutdruck in den Glomerulis den Werth von 25 — 30 mm 416 Nierenthätigkeit. wohl immer übertreffen muss. Wo Diurese stattfindet, sei immer hydrä- mische Plethora und damit Bludriicksteigerung in den Glomerulis vor- handen. Verhindert man die durch intravenöse Salzeinverleibung sonst herbeigeführte Blutdrucksteigerung durch gleichzeitige Blutentziehung, so tritt die Diurese nicht ein, obgleich fremdes Salz oder Traubenzucker noch in bedeutender Menge vorhanden ist. Der Blutdruck in den Nieren- gefässen wurde durch Controllirung des Nierenvolumens mittelst des Onco- meters ermittelt. Dabei stellte es sich sogar heraus, dass Diurese und Volum- zunahme der Niere parallel liefen. Dieser Parallelismus wurde aber von Magnus auf Grund von vergleichenden Untersuchungen über die diu- retische Wirkung von NagSO^ imd NaCl in Abrede gestellt. Die Diurese durch Na2S04 fand er zweimal so gross wie die durch ein gleiches Volumen einer isosmotischen Lösung von NaCl hervorgebrachte und doch fand er die Nierenvolumzunahme bei Na2S04 nicht zweimal so gross, sondern im Gegentheil kleiner als bei NaCl. Auch Starling's eigene Ergebnisse, nach welchen nach Trauben- zuckerinjection die Diurese zuweilen fortdauert, während die Oncometer- curve eine Volumabnahme der Niere anzeigt, und die Diurese aufgehört hat, während das Nierenvolumen noch eine deutliche Vergrösserung zeigt, lassen sich mit seiner Ansicht von einem bestehenden Parallelismus schwerlich vereinigen, lieber die Versuchsresultate Anderer über die diuretische Wirkung von Salzlösungen will ich hierbei gar nicht sprechen. (Vergl. S. 401).^ Dass ausschliesslich der Blutdruck oder auch die Blutfüllung in den Glomerulusgefässen die Diurese beherrscht, kann also auf Grund des Vorstehenden nicht zugegeben werden. Aber abgesehen davon, be- gegnet man bei der Annahme von Starling's Vorstellung noch anderen Schwierigkeiten. Seine Lehre erfordert, dass der Blutdruck in den Glomerulusgefässen 25 — 30 mm Hg noch etwas übersteigt. Dem- gegenüber haben Untersuchungen von Magnus und Gottlieb gelehrt, dass Coffein noch Harnabsonderung herbeizuführen im Stande ist, wenn der Blutdruck in der Carotis um 13—16 mm Hg beträgt. Man findet selbst Angaben über Harnabsonderung bei einem Carotisdruck von 8 mm Hg. Wie viel kleiner müssen die Druckwerthe dann nicht in den Knäuelgefässen sein! Weiter erfordert Starling's Ansicht, dass das Glomerulusfiltrat eingedickt wird, und nicht allein das, es müssen auch Krystalloide, namentlich Zucker wieder aus den Harnkanälchen verschwinden. Denn es würde nicht in des Verfassers Vorstellung passen, dass der Zucker ebenso wie das Eiweiss zurückgehalten wird; in diesem Fall müsste der Zusammenfassung. '417 Blutdruck, der im Blutplasma vorhandenen Zuckermenge entsprechend viel mehr als 100 mm Hg betragen. Der Zucker muss also ganz resorbirt werden. Aber von einer Resorption, weder von Wasser noch von andern Bestandtheilen, ist bei Starling nicht die Rede. Dass andererseits diese Resorption in den Säugethiernieren besteht, ist nach den Ergeb- nissen der Versuche über Harnabsonderung bei Gegendruck über allen Zweifel erhaben, sowohl nach Thierversuchen, wie beim Menschen. Müssen wir dann eine physikalische Erklärung der Nierenthätigkeit vorläufig ganz aufgeben? Ich glaube nicht. Ich erlaube mir einige Punkte hervorzuheben, auf die bis jetzt die Aufmerksamkeit nicht gefallen ist, und welche uns manches verständlicher zu machen im Stande sein dürften. 1. Wenn man sieh einen dünnen Schnitt durch eine injicirte Niere ansieht, so fällt es auf, dass auch die Glomeruluskapseln von feinen Blutgefässen umgeben sind. Bis jetzt ist von einer Function dieser Blutgefässe im Zusammenhang mit dem intracapsularen Inhalt niemals die Rede gewesen. Tritt man diesem Gedanken näher, so kann man sich kaum des Gedankens erwehren, dass hier etwas Aehnliches sich ab- spielt wie in einer serösen Höhle. Warum wird hier aus dem Kapsel- raum nicht ebensogut Resorption seitens der mit Platten -Epithel be- kleideten und von Blutgefässen umgebenen Kapsel stattfinden können, wie in der fast gleichgebauten Serosa? Wie oben ausgeführt wurde, kommen bei der Resorption durch letztere Art Membranen verschie- dene Faktoren in Betracht. Nehmen wir davon den von Starling hervorgehobenen, die wasseranziehende Kraft des Eiweisses (S. 398). Stellen wir uns einen Augenblick vor, dass der intracapsulare Raum mit eiweissfreiem Plasma angefüllt ist, welcher durch Filtration aus dem Glomerulusblut entstanden ist. Welchen Einfluss wird dann das extracapsulare Blut ausüben? Dieses Blut besitzt wegen seines Eiweiss- gehalts einen osmotischen Druck, der etwas höher ist als der des Glome- rulusfiltrats, und zwar um so viel höher, wie der osmotische Druck des Plasraa-Eiweisses beträgt. Wahrscheinlich ist der Druck sogar noch ein wenig höher, da das venöse Blutplasma vielleicht einen etwas höheren osmotischen Druck besitzt wie das arterielle Glomerulusplasma. Nehmen wir aber einfachheitshalber an, dass zwischen arteriellem und venösem Plasma kein Unterschied besteht, so wird auf das Glomerulusliltrat eine Zugkraft ausgeübt werden, die den Blutdruck in den Knäuelgefässen entlastet und diesen Blutdruck selbst fast überflüssig machen würde, wenn nicht im Zusammenhang mit der grösseren Ausbreitung der Knäuelgefässe gegenüber den abführenden circumcapsularen Blutgefässen Hamburger, Osmot. Druck, il. Band. 27 418 Nierenthätigkeit. ein grösseres Quantum Flüssigkeit filtrirte als von den letzteren Gefässen aufgenommen wird. Aus diesen Betrachtungen geht hervor, dass zur Abscheidung des Glomerulusfiltrates keineswegs ein Blutdruck von der Grösse des osmotischen Druck des Eiweisses nothwendig ist, sondern ein viel kleinerer genügt. Zweifellos liegt die Sache etwas complicirter. Erstens ist nicht anzunehmen, dass Knäuelgefässe und Glomerulusepithel für alle gelösten Serumkrystalloide in gleichem Maasse permeabel sind und immer ein- fach ein eiweissfreies Plasma hindurchfiltrirt. Zweitens ist auch nicht zu erwarten, dass die Kapselwand genau dieselben Filtrationsverhältnisse zeigt, wie die Glomerulusbekleidung. Dann ist auch hier angenommen, dass der Kapselraum ein geschlossener Raum ist. Dem ist natürlich nicht so ; durch das Abfliessen des Harns wird eine geringe Zugkraft ausgeübt. Doch lehrt diese Betrachtung, dass der Blutdruck in den Glomerulis keineswegs 25 — 30 mm Hg zu betragen braucht, um ein eiweissfreies Glomerulusfiltrat zu bilden. 2. Ein zweiter Punkt, den man bis jetzt bei den Nieren nicht oder ungenügend beachtet hat, und auf den W. Cohnstein zuerst bei der Lymphbildung die Aufmerksamkeit gelenkt hat, ist die Thatsache, dass es sich bei der Filtration des Blutes aus den Knäuelgefässen nicht um eine Filtration in Luft handelt, sondern um eine Filtration in Flüs- sigkeit und dass also zum Filtrationsdruck sich noch die Diffusion gesellt. Was aus dem Kapselraum die Harnkanälchen erreicht, ist somit nicht lediglich ein Produkt des Filtrationsdruckes, sondern auch der Diffusion. Je grösser der Filtatrionsdruck, umsomehr tritt der Einfluss der Diffusion in den Hintergrund, was sich in der Zusammensetzung des Harns erkennbar machen wird. In den Harnkanälchen wirken Filtration und Diffusion ebenfalls zusammen. Es ist aber wahrscheinlich, dass dort nicht die Filtration, sondern stets die Diffusion im Vordergrund stehen wird. Die Ver- schiedenheit in der Gestalt der Epithelien an verschiedenen Orten drängt die Annahme auf, dass damit eine Verschiedenheit der Permeabilität resp. eine Vertheilung der Function Hand in Hand geht. Nach diesem Gedankengang wären die Wirkungen der verschiedenen Diuretica theil- weise auf Circulationsveränderungen (gesteigerter Filtrationsdruck und Strömungsgeschwindigkeit), theilweise auf veränderte Zusammensetzung des Filtrans (des Blutes), theilweise auch auf Permeabilitätsverhältnisse zurückführen. Nur in diesem Gedankengang scheint es mir ver- ständlich, dass bei Coffeindiurese und noch mehr beim Harn des Säug- lings der osmotische Druck des Harns hinter dem des entsprechenden Zusammenfassung. 419 Blutes zurückbleibt. Nur so lassen sich auch die Erscheinungen über Menge und Zusammensetzung des Harns bei Gegendruck und partiellem Ureterverschluss deuten, und sind endlich v. Koranyi's Ausführungen über „ „, zu betrachten. NaCl 3. Der dritte Punkt, auf den ich die Aufmerksamkeit lenken will, ist der Panfluss der Beschränkung der Abfuhr des venösen Blutes auf die Harnabsonderung. Diese hat in der Discussion über das Pro und Contra der L u d \v i g'schen Lehre eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. Die vielen Versuche führten meist zu dem Ergebniss, dass die Harn- absonderung bei Beschränkung des venösen Abflusses abnahm. Das wurde als Einwand gegen Ludwig's Lehre erhoben, denn bei Com- pression einer abführenden Vene steigt der Blutdruck in den Knäuel- gefässen an und sollte also die Harnabsonderung zunehmen, statt ab- zunehmen. Deshalb stellte man die Hilfshypothese auf, dass durch die stärkere Blutfüllung der intertubularen Gefässe die Harnkanälchen ge- drückt und dadurch der Abfluss des Harns beschränkt werden würden. Diese Erklärung hat aber nicht allgemeinen Beifall gefunden. Wie mir scheint, ist auch an eine andere Erklärung der Abnahme zu denken. Wenn man durch eine Suspension isolirter Nierenzellen oder von Würfelchen dieser Organe in Blutserum, einen Kohlensäure- strom leitet, so nehmen diese nach von mir angestellten Versuchen be- trächtlich am Volumen [46] zu. Auch beobachtete ich eine Schwellung der ganzen Niere, wenn der arterielle Blutstrom durch einen venösen, von gleichem hydrostatischen Druck ersetzt wurde. Es ist kaum zu bezweifeln, dass die durch COg herbeigeführte Quellung der Nieren- epithelien jedenfalls theilweise für die durch künstliche venöse Stauung verursachte Abnahme der Harnabscheidung verantwortlich zu machen ist. Vielleicht wird nicht nur der Abfluss, sondern auch die Bildung des Harns durch die Modification des Epithels beschränkt. Bei der Allgemeinheit der Zellquellung durch COg ^), wird ja auch das Glomerulus- epithel wohl nicht unbeeinflusst bleiben. Mit diesen Thatsachen stünde auch der Befund Paneth's in Ein- klang, dass trotz Beschränkung des venösen Abflusses, nachträgliche Einspritzung von NaNOg Diurese herbeiführt [47J. 1) In derselben Arbeit habe ich nachgewiesen, dass auch isolirte Leberzellen und Leberwüifelchen unter dem Einfluss von CO» quellen. Die Quellung findet auch statt durch Hinzufügung anderer Säuren, während Alkali Schrumpfung herbeiführt. Vergl. das Kapitel X über das osmotische Verhalten verschiedenartiger isolirter Zellen sub. 4, 27* 420 Nierenthätigkeit. Auch wird durch diese Auflassung der Widerspruch zwischen den Resultaten von Kobert und von Munk und Senator aufgeklärt. Robert beobachtete nämlich, dass bei intravascularer Durchströmung von überlebenden Ochsennieren mit Lösungen von Rohrzucker, Kochsalz und Harnstoft' niemals Abnahme, gewöhnlich Zunahme des Secretes bei Hemmung des Abflusses genannter Lösungen eintrat (mitgetheilt von Tammann |G|). Dagegen constatirten J, Munk und H. Senator [45] bei Wiederholung dieses Versuches, bei dem aber statt genannter Lös- ungen Blut angewandt wurde, wohl eine Abnahme der Secretabsonderung, also dasselbe, was bereits früher beim lebenden Thier beobachtet war. Lässt es sich nun nicht denken, dass bei Kobert's Versuchsanordnung deshalb keine Abnahme der Secretabscheidung stattfand, weil von einer Quellung des Epithels die Rede nicht sein konnte? Man wird den Eindruck gewonnen haben, dass mit Hülfe obiger Ueberlegungen viele Thatsachen gedeutet und manche Controversen auf- geklärt werden können. Es schien mir sehr verlockend an der Hand dieser Ueberlegungen die bei der Nierenthätigkeit bekannt gewordenen Erscheinungen eingehend zu prüfen. Ich bemerkte aber, dass dieser Plan ohne eine beträchtliche Zahl Experimente nicht durchzuführen war. Um die Veröftentlichung des Buches nicht in die Länge zu ziehen, sah ich mich genöthigt, vorläufig auf diesen Plan zu verzichten. Doch glaubte ich dem Leser hier einige Andeutungen geben zu sollen, aus denen er den Eindi'uck bekommen möge, dass eine auf physikalisch-chemischer Grundlage beruhende Theorie der Nierenthätigkeit nicht aufgegeben zu werden braucht und ihr Zustandekommen nur eine Frage der Zeit ist. i Achtes Kapitel. Anderweitige Secrete und deren Absonderung*. I. Speichel. L i 1 1 e r a t u r . 1. Fano und Bottazzi, Arch. Ital. de Biol. 26. 1896. p. 45, 2. Hamburger, Zeitschr. f. Biol. 27. 1890. S. 259. 3. Nolf, Travaux du laboratoire de Physiologie de Liege (Leon Fr ed eri cq). 6 1896—1901. p. 225. 4. Asher and Cutter, Zeitschr. f. Biol. 40. 1900. S. 535. 5. Heidenliain, Pflüger's Archiv. 17. 1878. S. 1. 6. Heidenhain, Her mann 's Handbuch der Physiol. 5. 1. 1883, 7. Werther, Pflüger's Archiv. 38. 1886. S. 298. 8. Langley and Fletcher, Phil. Transactions of the Royal Acad. of London. 180. 1889. p. 109. 9. No^i, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1888. S. 403. 10. Grünbauni, Journal of Physiol. 22. p. 385. 11. Oker Blom, Pflüger's Archiv. 85. 1900. 543. 12. Ida Hyde, Zeitschr. f. Biol. 35. 1897. S. 457. 13. Bottazzi und Enri<[uez , Sulla Proprietä osmotiche delle Glandoli Salivari posteriori dell' Octopus macropus. Milano 1900. (Dal Laboratorio de Fisiologia della Stazione Zoologica di Napoli). 14. Bottazzi, Archives Ital. de Biol. 27. 1897. p. 77. 15. Langley. Schäfer 's Textbook of Physiology. I. 1898. p. 501 ff. 16. Th. AV. Engelmann, Onderz., gedaan in het Physiol. Laborat der Utr. Hoogesch. 3e Reeks Dl. 1. 1872. p. 52; Dl. 2. 1873. p. 195. 17. Ostwald, Elektrochemie, ihre Geschichte und Lehre. 1864. 18. E. du Bois-Reymond, Monatsber. d. Berlin. Akad. der Wissensch. 1860. S. 883. 19. Ostwald. Zeitschr. f. physik. Chemie. 6. 1890. S. 71. 20. Kühne, Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 1850. S. 542. 21. H. Munk, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1873. S. 241 u. 505. 422 Speichel. 22. Th. W. Eiigelmaim, Onderz., gedaan in het Physiol. Laborat. d. Utreclitsche Hoogscliool 3e Reeks Dl. 2. 1873. p. 362. 23. Oker Blom, Beitrag zur Feststellung einer physikalischen Grundlage der elektro- medicamentösen Behandlung. Kuopio (Finnland) 1896. 24. Oker Blom, Experimentelle Untersuchungen über das unter Einwirkung des Constanten elektrischen Stromes stattfindende Eindringen von medicamentösen Stoffen in den Thierkörper. Willmanstrand 1898. Auf den Speichel und seine Absonderung ist das Licht der physikalischen Chemie bis jetzt noch wenig gefallen. Gelegentlich ihrer Untersuchungen über den osmotischen Druck des Blutserums haben Fano undBottazzi[l] einige Gefrierpunktbestimmungen des Speichels ausgeführt, ohne aber aus den wenigen Zahlen Schlussfolgerungen ab- leiten zu wollen. So war es früher auch mir selbst gegangen gelegent- lich meiner Untersuchungen über die Regelung der Blutbestandtheile bei künstlicher hydrämischer Plethora, Hydrämie nnd Anhydrämie |2]. Nach subcutaner Injection von Pilocarpin und Eserin beim Pferde ergab sich ein Speichelfluss von etwa 10 1 in einer Stunde. Das Wasser- anziehungsvermögen dieses Speichels entsprach einem Salpeterwerth von 0,56 °/o, was mit einer Depression von — 0,25*^ übereinstimmt. Fano und Bottazzi fanden für den Speichel der Glandula submaxillaris des Hundes bei Sympathicusreizung J =■ — 0,49^ und bei Chordareizung z/ ^= — 0,362*'. Zu entsprechenden Zahlen gelangten ebenfalls beim Hunde Nolf [3] und Asher und Cutter [4]. Man sieht, diese Druck- werthe bleiben hinter dem des Blutserums weit zurück. Kann diese Thatsache uns etwas über die Mechanik der Speichel- absonderung lehren? Die immer noch herrschende Theorie ist die von Heidenhain, welche bekanntlich dahin geht, dass die Drüsenzelle durch eine active Zellenthätigkeit aus den Lymphspalten Material aufnimmt, dieses ver- arbeitet und die Arbeitsproducte ebenfalls durch active Zellenthätigkeit in das Drüsenlumen austreibt [5 u. 6]. Wir wollen uns die Frage vorlegen, in wie weit es möglich ist, diese dreigliederige Zellenthätigkeit auf mehr greifbare Kräfte und Verhältnisse zurückzuführen. Es scheint mir erwünscht, vor der Beantwortung dieser Frage die nach der Aufstellung von Heidenhain's Theorie veröffentlichten wich- tigsten Abhandlungen in chronologischer Reihenfolge einer kurzen Be- sprechung zu unterziehen, speciell die, welche sich auf das sogenannte H e i d e n h a i n ' sehe Gesetz beziehen. Das Heidenhain'sche Gesetz sagt aus, dass mit der Zunahme der Absonderungsgeschwindig- Heiden liain's Gesetz. 423 keit auch der Prozentgehalt clesSecretes an Salzen wächst (bis zu 0,6 o/o). Dieses Gesetz wurde von Wert her [7] an einem ziemlich grossen Material mit bedeutenderen Quantitäten geprüft und bestätigt. Nur sah er den Procentgehalt des Salzes bis zu 0,77 °/o statt bis zu 0,6^^/0 ansteigen. Indessen kommen bei beiden Autoren mehrere Abweichungen von der Regel vor, so z. B. bei Heidenhain in 13 von den 36 Fällen. Allerdings sind einige dieser Abweichungen geringfügig und Heiden- hain ist geneigt alle diese Abweichungen darauf zurückzuführen, dass während des Auffangens gewöhnlich Schwankungen in den Absonderungen vorkommen. a) üiitersuchiingen von Laiigley und Fletcher. Unter diesen Umständen schien es Langley erwünscht, den Gegenstand auf's Neue zur Hand zu nehmen. Er wiederholte mit Fletcher [8] mit grosser Sorgfalt die Experimente Heidenhain 's wenn auch mit einigen Abänderungen und fand die Regel in 10 von den 11 Fällen vollkommen bestätigt. Als ein weiteres Resultat fügte er hinzu, dass mit steigender See retionsgeschwindigkeit die Stei- gerung des Salzgehalts allmählich geringer wurde. Es geht dies aus folgender Tabelle hervor: Einfluss der Secretionsgeschwindigkeit auf den Salzgehalt des Speichels. Erhöhung des Salzgehalts in "/o, Secret pro Minute in cc Salzgehalt in °/o entsprechend einer Beschleunigung der Secretion um je 0,01 cc pro Minute 0,400 0,472 0,0040 0,500 0,512 0,0038 0,760 0,599 0,0012 0,900 0,616 0,0003 1,333 0,628 Bei sehr starker Reizung nahm der Salzgehalt wieder ab, gleichzeitig jedoch auch die Secretionsgeschwindigkeit. Dies rührt daher, dass durch sehr starke Reizung der Nerv an Erregbarkeit verliert. Was nun die von Heiden hain selbst beobachteten Abweichungen von seiner Regel an- belangt, so sind diese nach Langley und Fletcher auf Rechnung von Schwankungen der Blutcirculation in der Drüse zu setzen. Der Einfluss der Blutcirculation äussert sich nämlich dahin, dass bei gleicher 424 Speichel. Stärke des Reizes, eine Verringerung des Blutstromes die Wasserabscheidung sowie auch, aber in geringerem Maasse, die Abscheidung der festen Be- standtheile (organischen und unorganischen) herabdrückt. Demzufolge nimmt bei Verlangsamung der Blutcirculation der Gehalt an festen Be- standtheilen zu. Von entsprechendem Effect ist dann auch Dichtdrücken der Carotis und Dyspnoe, d. h. es entsteht Verringerung des Speichelflusses und ein grösserer Procentgehalt an festen Bestandtheilen. Dass der Sym- pathicusspeichel einen höheren Gehalt an festen Bestandtheilen (Salzen und organischen Stoffen) enthält als der Chordaspeichel ist ebenfalls der mit Sympathicusreizung einhergehenden Verlangsamung des Blutstromes zuzuschreiben. Wichtig sind auch die Untersuchungen von Langley und Fletcher über den Einfluss der intravenösen Salzinjektionen. Es wurden in die Blutbalm sehr verdünnte Salzlösungen (NaCl 0,2 ''/o) und auch stärkere injicirt. Nach Einverleibung einer erheblichen Quantität verdünnter Salzlösung, nahm das Speichelvolumen bedeutend zu, der procen tische Gehalt an Salz und organischen Substanzen war aber herabgesetzt, die Totalmenge des Salzes dagegen vermehrt. Spritzten sie aber einer starke Salzlösung ein (2"/o), so hatte der Salz- gehalt des Speichels zugenommen. Endlich haben die Verfasser auch die Geschwindigkeit des Uebergangs verschiedenartiger Stoffe in den Speichel ver- glichen. Nach Einführung von Lithiumcitrat in das Blut trat Lithium be- reits in den ersten Tropfen des darauf secernirten Speichels auf. Ka- liumjodid Hess sich erst nach den ersten sechs Tropfen nachweisen. Kaliumferrocyanid überhaupt nicht. Demnach geht die Secretion von Wasser und von Sal- zen nicht parallel und auch die Sekretion der organischen Sub- stanzen wird unter verschiedenen Verhältnissen nicht in dergleichen Weise beeinflusst wie die des Wassers und der einzelnen Salze. b) Untersuchungen von Ivo Novi. Ungefähr gleichzeitig wurden von Ivo Novi [9J in Ludwig's Laboratorium Untersuchungen ausgeführt. Dieser Autor stellte sich zur Aufgabe, Aufschluss über das Vermögen der Speicheldrüse zu erhalten, unter den ihr vom Blute gebotenen Stoffen eine Auswahl zu treffen. Hierzu untersuchte er ebenso wie Langley und Fletcher den Ein- fluss des Chlorgehalts des Blutes auf den Chlorgehalt des Speichels. Um der Blutflüssigkeit einen gesteigerten Chlorgehalt zu ertheilen, Einfluss des Chlorgehaltes des Blutes. 425 \vuide die V. jugularis mit einer getheilten Glasröhre, die mit 10°/oiger NaCl-Lösung gefüllt war, in Verbindung gesetzt. Die Zufuhr wurde in der Weise geregelt, dass der Chlorgehalt der Blutflüssigkeit annähernd constant blieb. In den meisten Fällen wurde die Speicheldrüse zur Thätigkeit angeregt durch Einführung von Essigsäure in den Mund. Es gelang ihm nach einiger Uebung durch dieses Mittel die Speichel- absonderung in ziemlich willkürlichem Grade hervor zu rufen. Zu- nächst fand Novi, dass bei gleichem Chlorgehalt des Serums der Chlorgehalt des Speichels mit der Absonderungsgeschwindigkeit wächst. Als z. B, in einem Falle die in 10 Minuten abgeschiedene Speichelmenge von 5,2 cc auf 29,0 cc anstieg, fand eine Vermehrung des Chlorgehalts von 0,056 auf 0,233 statt, also eine vollkommene Bestätigung von Heiden liain's Regel. In zweiter Linie constatirte Novi, dass bei gleichgebliebener Ab- sonderungsgeschwindigkeit des Speichels, dessen Chlorgehalt wuchs, wenn derjenige des Serums gesteigert wurde und zwar in dem Sinne, dass bei verschiedenem Chlorgehalt des Serums die Steigerung des Chlorgehalts im Speichel in rascherem Tempo stattfand als in der Blutflüssigkeit selbst. Als z. B. der Chlorgehalt des Serums von 100 : 155 stieg, wuchs der des Speichels von 100 : 220. In dritter Linie wurde untersucht, wie sich der Chlorgehalt des Speichels verhält, wenn man bei einem gesteigerten Cl-Gehalt des Serums die Absonderungsgeschwindigkeit nicht — wie soeben — zu-, sondern abnehmen lässt. Hier gingen die Resultate verschiedener Versuchen auseinander. Es kann dies dadurch erklärt werden, dass durch Zunahme des CI- Gehalts im Serum der Chlorgehalt des Speichels ansteigt, durch Ab- nahme der Absonderungsgeschwindigkeit dagegen sinkt. Das End- resultat hängt von der Grösse der entgegengesetzten Einflüsse ab. Wurde dann auch beim mit NaCl infundirten Thier die Absonde- rung des Speichels durch Anwendung von Essigsäure in die Mundhöhle beschleunigt, so blieb eine erhebliche Cl-Zunahme des Speichels niemals aus. Ein Beispiel: Speichel in 10 Minuten Chlorgehalt in cc des Speichels des Serums 1,4 0,188 0,861 8,1 ;0,288 0,453 8,3 0,313 0,493 9,4 0,363 0,601 15 0,882 0,553 426 Speichel. c) Uiitersuchujigeii von Aslier und Cutter. In gleicher Richtung wie die vorstehenden Untersuchungen bewegen sich die in letzter Zeit von As her und Cutter angestellten. Um den Einfluss der Blutbeschaffenheit auf Menge und Zusammen- setzung des Speichels zu untersuchen, injicirten die Verfasser hyper- isotonische Lösungen von Traubenzucker, Harnstoff und Kochsalz und reizten dann die Chorda tympani. Die Ergebnisse waren bei den drei Substanzen wesentlich verschiedene. Bei Traubenzuckerinjection sinkt die Menge des Speichels, sein Gehalt an festen Bestandtheilen und die Gefrierpunkterniedrigung. Abweichend sollen sich die Erscheinungen gestalten, wenn eine concentrirte Harnsto f f lösung injicirt wird. Die Speichelmenge bleibt unverändert und der Gehalt an festen Bestandtheilen und die Gefrier- punkterniedrigung nimmt zu. Ich fand als Beleg für diese Behauptung nur ein Experiment an- geführt und zwar das folgende: Hund 12 kg. 12 cg Morphin. Zeit Speichel- menge in cc Proeent- gehalt an festen Substanzen Organische Substanz Asche 0/0 Gefrier- punkter- niedrigung © u 1 'S Bt :erkungen 10h_i0hi5' 9,8 1,67 1,01 0,66 -0,325 50 10 16' -21' 10h25' — 10h45' 10,0 1,72 1,03 0,69 -0,400 50 24 g Harnstoff in die V. jugu- lOhöO' — llh2' 9,8 1,58 0,83 0,75 —0,420 50 laris Die Verfasser haben zwar noch andere Experimente mit Harnstoff ausgeführt, doch war der Harnstoff mit bedeutenden Mengen NaCl ver- mischt und das Kochsalz selbst gab wenig übereinstimmende Resultate. Die Eigenschaften dieser Substanz sollen in Bezug auf die genannten Beziehungen die Mitte zwischen Traubenzucker und Harnstoff halten. d) Untersuchungen von Nolf. Endlich besitzen wir noch eine Arbeit von Nolf [3]. Auch dieser Verfasser fand Heiden hain's Gesetz über die Beziehung zwischen Chlor- gehalt und Absonderungsgeschwindigkeit des Speichels bestätigt. Und dann wird weiter untersucht, welchen Einfluss auf die Zusammensetzung des Speichels ein in den Ausführgang angebrachter Gegendruck ausübt. Gegendruck im Ausführungsgang. 427 Der Gegendruck wurde derweise hergestellt, dass d;is Röhrchen , welches im Ductus Whartonianus des tiefnarcotisirten Hundes steckte, mit einem anderen Röhr- chen in Zusammenhang gebracht wurde, das luftdicht in einen Gummistopfen passte. Dieser Gummistopfen stand auf einem Reagircylinder und Hess ein zweites Röhrchen durch, das mit einem Recipienten verbunden war, in welchem ein beliebiger Druck herbeigeführt werden konnte. In dem Reagircylinder herrschte also der erwünschte Druck und gegen diesen Druck hatte der Speichel sich abzuscheiden. Es zeigte sich nun, dass, wenn der Druck 135 — 140 cm Wasser- säule betrug, sich bei massiger Reizung der Chorda tympani eine ziemlich bedeutende Speichelmenge entlastete. Und dieser Speichel besass einen grösseren Salzgehalt als wenn derselbe ohne Druck ausgeschieden wurde. Zu einem gleichlautenden Resultat war bereits früher Grünbaum [10] gelangt. Dieser Autor hatte aber den Salzgehalt lediglich auf chemische Weise ermittelt, während Nolf daneben Gefrierpunktbestimmungen aus- geführt hat, die ein mehr zuverlässiges Maass gewähren. Bei Gegen- druck stieg die Gefrierpunkterniedrigung des Speichels in nicht unerheblichem Maass e. Auch stimmen die beiden Autoren darin überein, dass man um gleiche Speichelmengen zu bekommen, kräf- tiger reizen muss, wenn ein Druck entgegensteht, als wenn das Secret frei abfliessen kann. Die Tabelle auf S. 428 bringt eine Zusammenstellung der Resul- tate Nolfs. Auffallend in dieser Tabelle ist noch, dass der osmotische Druck des durch künstliche Reizung abgeschiedenen Submaxillarisspeichels des Hundes zwischen J = — 0,193° und — 0,396° schwankt, während der spontan abgesonderte Speichel gewöhnlich stärker verdünnt ist, nämlich -> = — 0,109" bis — 0,266*' aufweist. Weiter geht aus der Tabelle noch hervor, dass die Gefrierpunkterniedrigung fast ganz durch die Salze des Speichels bedingt wird. Ich behandle jetzt die Frage: wie können wir uns den Mechanismus der Speichelbildung vorstellen? e) (irundzüg-e einer physikalischen Erklärung des Mechanismus der Speichelabsonderung. Jedenfalls wird man drei Phasen zu unterscheiden haben: 1. Die Aufnahme von Blut oder besser Lymphbestandtheilen seitens der Drüsenzelle, 2. Die Verarbeitung eines Theiles der aufgenommenen Substanzen. Speichel. ^ ffi iH w M CO £ '-' s CO c bO 3 •%„ = ri^ O (-' c ta e v^ a, Cu O' Oj !^ ^ er? < CR < < IQ C o c o 3 ts ?c t:^ Dd r; ?c Pi tö f 5Ä to r" S3 (B «■ 2. 5' rt (t> 2. '^' CD 2 ^* CD & ^ SJ n ol ^ 3- 51 PT- er rl- ® et) m r4- (t> o a CD irl- m (35 a CD Ct> _ ö ö ü O ö ö ü ö ^ »-! ö ö G ■-! ö *-. C: c:: C: I-! C: c: 3= 3; >-> C: CC c/> CO C: C: Cß CO 3: c» CO 3: cc et CI> a> CB CO a> a> CO a/ CD CC » a ffi CS) Ci ■ — E Ö5 1—1 1— 1 t— ' ^ . , ■ 1— ' , . ^ !_, CO »a M "• o 1 1 T -a O Oi 1 CC 1 Oi 1 Oi 1 E 1 S5 tr < 1 1 1 i 1 1 1 1 1 2 ^ g 3 1^ ^a -j 00 H- 1 CC h-1 1— ' 1—1 1— ' 3 ® 2. ^ Q. 1 5- Ol to o l\3 O o (W n P 1 Cf!3 h-" t-i ^ h-» 1—« 1— ' 1 . H- ' 1— A h-i Ol pr J-J 5" jys cn 00 OT Cn hf^ (UT ■^ Speichelmenge 1 1 Cn Ol 05 "cn 3 3 Ci C5 03 h^ to CO CO "~3 '^ to -a O CJ ^^ »f^ >_. H- 1 HJ 4^ Zeitdauer des | "^ •-«3 t4^ LO CO -a Oi CO AufTangens || - jno O o o p o O »^ CO 5 o» s i>o p p 00 CO CO 05 p CD p 00 CO O CO S o Abgesonderte Menge 1 pro Minute o II 1— > _ ,_, H-i Druck unter welchem o o §s o CO Ol o CO o O O" o o der Speichel sich absondert o o o o o p p p O o p o "co to "cÄ >^ ~-a 05 00 05 Oi OS C-T Oi Ol .Salzsehalt 1 >f>. CO Ol Ol 00 CO CO CO t— ' Ol o o o CC J «^ o o o t— 1 h-A p p» p" o O p P c 1 s- m *- CO H-1 >f>» Oi OS Oi "cd 00 "-a "bt S. £, Oi H-1 1— ' Cn tf>. O' ^ to Ol o ^j o o N S- p 1 o o 1 o 1 o 1 p 1 p 1 p 1 o 1 o 1 p cnj a 0? S ■— "to 'tf». CO CO "J— 1 CO o 00 "co CO CO "J— 1 CO Cn o o CO t*i- CO Ol CD o Qt o .^3 «3 ^ co Oi o CO o a » S c» ^ c w 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Ol P P •ö © 1 1 1 1 1 1 1 ) l-I •— ' c (D h; o o o o o p o p o p r. - "►f^ "co "to CO "^^ CO "J—i & ® 5" S" CD OS 05 o 00 o 1—1 o o CO B CO »f»- '"' '"' 00 CO rf^ 00 ^3 i 1 o 1 p 1 p Gef ■lern iinkternied- to "br CO CO rigung des Serums [| «D CO rf>- o o o 9 o II Physikalische Absonderungstheoiie. 429 3. Die Abgabe der den Speichel zusammensetzenden Producte in das Drüsenlumen. Nach dem jetzigen Standpunkt unseres Wissens lassen die erste und dritte Phase eine physikalische Deutung zu, und muss die zweite Phase als ein chemischer Process aufgefasst werden, der an das Leben der Zelle gebunden ist. ad 1 . Man ist wohl genöthigt anzunehmen, dass die den circumacinösen Blutgefässen zugekehrte Seite der Drüsenzelle, die ich ferner der Einfach- heit halber mit „äusserer Begrenzung" bezeichnen werde, im Gegensatz zu der dem Drüsenlumen zugewandten Seite, die ich ,, innerer Begrenz- ung" nenne, für die meisten in der Lymphe vorkommenden Sub- stanzen permeabel ist. Dies gilt für Wasser, Salze, Harnstoft', aber nicht für alle Substanzen, denn nach intravenöser Einspritzung von Trauben- zucker geht keine Spur davon in den Speichel über. Andererseits ist aber die äussere Begrenzung für die erstgenannten Substanzen nicht in gleichem Maasse permeabel. So wird Wasser wohl mit grösserer Ge- schwindigkeit eindringen als Kochsalz, was aus der Thatsache geschlossen werden darf, dass im Speichel das NaCl in weit geringerer Concentration als im Serum und Lymphe vorhanden ist. Weiter erscheint nach den Untersuchungen von Langley und Fletcher das in die Blutbahn einge- führte Lithium viel rascher im Speichel als Jod, während das Ferro- cyanid gar nicht darin übergeht. Es ist nicht gewagt anzun elimen. dass es sich beim Eindringen der betreffenden Substanzen wenigstens th eil weise um Diffusion handelt. Denn auch die andere Bedingung für das Eintreten eines Diffusionsstromes, dass näm- lich der Partialdruck des eindringenden gelösten Stoffes im Plasma grösser sei als in der Drüsenzelle selbst, ist vorhanden. Mit der Vorstellung einer Diffusion steht auch die von Novi be- obachtete Thatsache in Einklang, dass bei steigendem Chlorgehalt des Blutplasma auch der Chlorgehalt des Speichels zunimmt. ad 2. Angesichts der Thatsache, dass der Speichel Stoffe enthält, die weder im Blute, noch in der Lymphe zu finden sind, wird wohl Niemand den Speicheldrüsenzellen eine besondere, specifische Thätigkeit absprechen. In der That haben die Untersuchungen von Heidenhain, Langley, u. A. gezeigt, dass sowohl die Eiweissdrüsen wie auch die Schleimdrüsen morphologischen Veränderungen unterliegen, was kaum anders als in der Weise gedeutet werden kann, dass in den Drüsen- zellen chemische Verbindungen gebildet werden, die während der Secretion ausgeschieden werden. Diese Umsetzung ist an das Leben der Zelle ge- 430 Speichel. blinden und geht mit Wärraebildung einher. Daher weist der Speichel, wie Ludwig fand, eine höhere Temperatur auf, als das zuströmende Blut, ad 3. Wie werden diese specifischen Bestandtheile und die durch Diffusion in die Zelle hineingelangten und nicht verarbeiteten Producte als Speichel abgeschieden? Durch eine active ZellenthätigkeitV Der hohe Druck, der dabei überwunden werden kann und der über den Blutdruck in der A. carotis weit hinausgeht, könnte solches glaubhaft machen. Es ist aber auch eine andere Deutung möglich und in diesem Sinne hat sich auch Ober-Blom bereits ausgesprochen. Bei den chemischen Umsetzungen in der Zelle findet zweifellos eine Vermehrung der Molekül- zahl statt. Diese führt zu einer Wasseranziehung und giebt Ver- anlassung zu einer Volumzunahme der intracellularen Flüssigkeit. So wird dann auf die innere Begrenzung der Zelle ein Druck ausgeübt und da diese Begrenzung nothwendigerweise für alle Speichelbestand- theile permeabel gedacht werden muss, werden diese durch Druck hin- ausgepresst. Selbstverständlich muss man hierbei zu gleicher Zeit an- nehmen, dass für diejenigen Substanzen, die sowohl im Speichel als auch Blute vorkommen, die Permeabilitätsverhältnisse an der inneren Begrenzung günstiger sind als an der äusseren. Für die neugebildeten Substanzen braucht dagegen an die Annahme einer Permeabilität der äusseren Begrenzung nicht gedacht zu werden. Die anatomischen Verhältnisse der Speicheldrüsen, soweit sie uns aus den Unter- suchungen von Ramon y Cajal, Retzius und Anderen jetzt bekannt sind, nach welchen die Drüsenausführungsgänge mit kleinen Erweiterungen bereits nahe dem Kern innerhalb der Drüsenzellen selbst beginnen, widersprechen der erwähnten Auf- fassung nicht ; im Gegentheil , sie scheinen dieser Auffassung günstiger als die ein- fachheitshalber oben angenommenen Verhältnisse, nach welchen das Lumen des Acinus durch nicht einspringende Begrenzungen gebildet wird. Um über die Filtrations- und Diffusionsverhältnisse nähere Auf- schlüsse zu bekommen, wäre es erwünscht, den S^jeichel unter ver- schiedenen Bedingungen sich absondern zu lassen. Grünbaum und Nolf haben, wie bereits erwähnt, hiermit begonnen. Grün bäum fand den Salzgehalt, Nolf dementsprechend die Gefrierpimkterniedrigung des unter Druck abgeschiedenen Speichels vermehrt. Nolf führt diese Er- scheinung lediglich auf eine Resorption in den Ausführgängen zurück. Das scheint mir aber willkürlich. Es ist gar nicht unmöglich, dass an der Zunahme der Gefrierpunkterniedrigung auch der Absonderungsprocess selbst betheiligt ist. Vielleicht wäre für derartige Untersuchungen der von Ida Hyde [12] und insbesondere von Bottazzi und Enriquez [13] gebrauchte Octopus macropus zn benutzen. Bei diesem wirbellosen Seethiere befindet sich in der Nähe der Nieren J Physikalische Absonderungstheorie. 431 eine paarige birnförmige Drüse , die leicht in situ studirt und auch leicht heraus- präparirt werden kann. Es ist bequem, die Drüse zu reizen und das Secret auf- zufangen. Indessen sei man immer darauf bedacht, im Allgemeinen die an solchen Ob- jecten gefundenen Thatsachen nicht ohne Weiteres auf den Menschen zu übertragen. Denn der osmotische Druck des Secrets bei derartigen niedrigen Thieren ist in bedeutendem Maasse von der Umgebung abhängig. So fand Botazzi bereits früher [14] für das betreifende Secret von Octopus macropus A = —2,23", für die schwarze Tinte von Sepia officinalis —2,23", für die violette Abscheidung der Manteldrüsen von Aplysia limacina J = — 2,21", für das milchartige, stark riechende Secret der Manteldrüsen von Aplysia depilans A = 2,32". Die Drüsen Substanz von Octopus behielt das ursprüngliche Gewicht in Meereswasser, wurde in hypisotonischen Lösungen schwerer und nahm in hyperiso- tonischen Lösungen an Gewicht ab. Dasselbe wurde auch in isosmotischen NaCl-Lös- ungen beobachtbt. Die Autoren halten die äussere Drüsenwand also für semipermeabel. Ich kann aber nicht annehmen, dass dies in aller Strenge der Fall sei. Es ist sehr wahr- scheinlich, dass die Verfasser nach Verlegung der Drüse in eine NaCl-Lösung auf chemischem Wege einen Uebertritt von Stoffen aus der Drüse in die NaCl-Lösung und umgekehrt hätten constatiren können, der bei den Gewichtsbestimmungen der Drüse nicht zum Ausdruck kam, weil ein Austausch von ßestandtheilen zwischen Drüsensubstanz und Umgebung stattfand. Vielleicht wird die Bemerkung gemacht werden, dass doch auch die hier angegebene Vorstellung der Speichelabsonderung hypothetischer Natur ist. Das ist nicht zu verneinen. Aber die Kräfte, von welchen ihre die Rede ist, sind doch mehr greifbarer Natur als die der ge- heimnisvollen „activen Zellenthätigkeit^', die mit bewusstem Auswahls- vermögen diejenigen Stoffe, die zur Speichelbildung erforderlich sind, aus dem Blut herausgreift und die Arbeitsproducte nach der anderen Seite durch eine andere Lebensthätigkeit in das Drüsenlumen wirft. Ausser- dem knüpfen sich an die oben ausgearbeitete Vorstellung viele Fragen an, die zur Weiterforschung auffordern. Indessen scheinen Thatsachen vorhanden zu sein, die diese Vor- stellung nicht zu deuten vermag. Zunächst haben Asher und Cutter gefunden, dass nach intra- venöser Injection von hyperisotonischen Zuckerlösungen eine Abnahme der Speichelabsonderung eintritt, während doch bekanntlich eine der- artige Injection eine bedeutende hydrämische Plethora herbeiführt. Die Verfasser glauben diese Thatsache mit jeder mechanischen Auffassung in Widerspruch. Sie vergessen aber zu bedenken, dass das Drüsen- parenchym seine Nährflüssigkeit nicht aus der stärker gefüllten Blutbahn bezieht , sondern aus den nunmehr schlecht gefüllten Gewebspalten. Diese schlechte Füllung ist gerade eine Folge der durch den Zucker ausgeübten Waseeranziehung. 432 Speichel. Ein zweites Räthsel erblicken die Verfasser in den Folgen der intravenösen Injection einer stark hyperisotonischen Harnstofflösung. Diese giebt auch nicht zu einem vermehrten SpeichelÜuss Anlass und bewirkt ausserdem eine Zunahme des Gehalts des Speichels an organi- schen und anorganischen Bestandtheilen. Für ersteres gilt auch, was ich bei der Zuckerinjection bemerkte. Dass es hier nicht zu einer Abnahme der Speichelmenge kommt, wie beim Zucker, ist dadurch erklärlich, dass durch die Permeabilität der verschiedenen Zellen der Blutgefässwände und Drüsenzellen für Harnstoff die hydrämische Plethora sich in der Blutbahn nicht so stark ausprägt und die Flüssigkeits- abnahme in den circumacinösen Bindegewebspalten also nicht so be- deutend sein wird, wie bei der Zuckerinjection. Dass der Gehalt des Speichels an festen Bestandtheilen unter dem Einfluss von Harnstoff zunimmt, ist so zu deuten, dass bekanntlich die Permeabilität von Membranen sich durch den Einfiuss verschiedener Stoffe ändern kann. Machen also die von Asher und Cutter hervorgehobenen Ein- wände die Annahme einer vitalen Wirkung der Drüsenzellen (z. B. gesteigerte Erregbarkeit der Drüsenzellen durch Harnstoff') nicht noth- wendig, so bereiten zwei andere Ueberlegungen grössere Schwierigkeiten : 1. Man fragt sich, ob bei der durch Zerfall von Molekülen her- beigeführten Steigerung des osmotischen Druckes im Inneren der Drüsenzelle, wodurch, wie ich annahm. Secret in das Drüsenlumen gepresst wird, der Uebertritt von Nährmaterial aus der Lymphe in die Zelle nicht gehemmt wird. 2. Es findet keine Speichelabsonderung ohne Nerven- reizung statt, und das ist im vorliegenden Falle von grösster Be- deutung. Die oben entwickelte Vorstellung trägt dem keine Rechnung und doch ist erfahrungsgemäss Nervenreizung unbedingt nothwendig. Diejenigen, welche daran zweifeln möchten, will ich auf Folgendes aufmerksam machen : 1. Freilich fängt eine Drüse, bei welcher man die Nerven durchgeschnitten hat, nach zwei oder drei Tagen von selbst an zu secerniren und diese Secretion hält Wochen an (paralytische Secretion); Langley hat aber gefunden, dass 13 Tage, einmal selbst 42 Tage nach Durchtrennung der Nerven, elektrische Reizung des Stumpfes und auch Dyspnoe Vermehrung der Absonderung hervorriefen. Dieser Autor hält darum die paralytische Secretion für die Folge einer continuirlichen Erregung des örtlichen Nervenmechanismus der Drüse. 2. Wenn man den Blutstrom sistirt, oder auch den Kopf vom Rumpf entfernt hat, so erfolgt nur Speichelabsonderung aus dem Ductus Warthonianus nach Reizung der Chorda tympani, 3. Langley und Fletcher injicirten Salzlösungen verschiedener Concen- tration in die Blutbahn, aber sahen nur dann Speichel sich absondern, wenn die Physikalische Absonderuiigstheorie. 433 Nerven auf elektrischem Wege oder durch Pilorarpin-Verabreichung gereizt wurden. Gleiche Erfahrungen machten auch Asher und Cutter. Nur in einem Fall trat Speichelabsonderung auf, ohne dass die Nerven gereizt wurden; aber es war dann Dyspnoe vorhanden. Wahrscheinlich war diese der Reiz. Gegen diese Vorstellung scheinen aber die bekannten Versuche von Cohn- heim und Lichtheim zu sprechen, bei denen Speichelabsonderung lediglich durch hydrämische Plethora hervorgerufen wurde. Auch habe ich selbst beobachtet, dass Pferde, bei denen ich Lösungen von Na.jSOi oder NaNOs in die Blutbahn gespritzt hatte, speichelten. Nun fiel es mir auf, dass die Thiere fortwährend Kaubewegungen machten (sie waren bei diesen Versuchen nicht narkotisirt). Ich erklärte mir das in der Weise, dass durch die Injection sich Salz in die Mundhöhle abschied, dieses als Reiz wirkte — ebenso wie das bekanntlich Essigsäure thut — und reflectorisch Speichelabsonderung hervorrief. Bei vermehrter Speichelabsonderung pflegen Pferde zu kauen. Man sieht das auch nach Pilocarpin Injection. Dass wirklich Stoffe sich aus den Blutgefässen in die Mundhöhle abscheiden können, geht noch aus der That- sache hervor, dass Menschen, die eine rectale Einspritzung von Antipyrin bekommen haben, bald den Geschmack des Medicamentes in der Mundhöhle bemerken. Wahr- scheinlich geht es aus den Blutgefässen in die feinen Ausführungsgänge der vielen Schleimdrüsen hinüber. Dass Gohnheim und Lichtheim bei ihren Versuchen Speichelabsonderung beobachteten, rühit wahrscheinlich daher, dass sie so grossen Quantitäten ein- spritzten, so dass das in der Mundhöhle sich abscheidende Salz während der Narkose genügend reizte, um Speichelsecretion herbeizuführen. Es unterliegt also keinem Zweifel, dass für die Speichelabsonderung die Betheiligung von Nerven unbedingt nothwendig ist. Nur scheint bei der Wirkung von Pilocarpin eine Ausnahme vor- zuliegen. Langley hat aber nachgewiesen, dass die Wirkung dieser Substanz ebenfalls auf eine Nerventbätigkeit zurückzuführen ist und nicht auf einer primären Veränderung der Drüsenzelle beruht. Ebenso hat Langley die secretionshemmende Wirkung des Atropins auf Nervenreizung zurückgeführt [15]. Dieser Autor hat nämlich gezeigt, dass, wenn man einem Thiere so viel Atropin verabreicht, dass Reizung der Chorda tympani ohne Erfolg bleibt, Reizung des Sympathicus Speichel- absonderung hervorruft. Die Ursache ist also in den Nei^v zu verlegen und nicht in die Zelle. Und zwar handelt es sich hier um die Nerven- endigung, denn Atropin, das prä- oder postganglionär auf den Nerv getröpfelt wurde, vermochte auf die Secretion keinen Einfluss aus- zuüben. Auf welche Weise aber entfalten die Nerven ihre Absonderungs- thätigkeit V Ich glaube, dass es sich hier um Kataphorese handelt. Man bat sich dann nur vorzustellen, dass durch die Nervenreizung Hamburger, Osmot. Druck. II. Band. 28 434 Speicliel. ein elektrischer Strom auftritt^), der das Secret in der Richtung von der äusseren nach der inneren Drüsenzell- begrenzung mitführt. Der Gedanke an einen Einfluss der elektrischen Osmose bei der Drüsenthätigkeit ist nicht neu. Bereits 1872 hat Engelmann [16] die Secretbildung und die Secretabfuhr aus den Hautdrüsen des Frosches sogar ausschliesslich auf elektrische Osmose zurückgeführt. In einer späteren Arbeit [17j hat er dann weiter nachgewiesen, einen wie grossen Einfluss die Membran auf die Art und den Umfang der Kataphorese hat und wie imter dem Einfluss verschiedener Stoffe die Natur der Membran sich ändert. Hierdurch wäre auch die von As her und Cutter gefundene Erscheinung erklärt, dass unter dem Einfluss von Harnstoff" der Gehalt des Speichels an festen Bestandtheilen zunahm. Welch grosse Bedeutung der Kataphorese in der Natur bei- zulegen ist, möge aus Folgendem hervorgehen. Schon im Anfang des 19. Jahrhunderts hatten unabhängig von einander Ritter, Reuss und Porter et beobachtet, dass der elektrische Strom die Fähig- keit besitzt, Flüssigkeiten, durch welche er geleitet wird, in der Richtung von der Anode nach der Kathode fortzuführen. Reuss z. B. beschreibt als ,un nouvel effet de l'electricite galvanique" folgendes Experiment. In eine gebogene und mit ihren Schenkeln nach oben gerichtete Glasröhre wurde so viel gepulverter ßergkrystall gebracht, dass zwischen den Lumina der beiden Schenkel keine Verbindung mehr bestand. Dann wurde in jeden Schenkel Wasser gegossen. Die auf beiden Seiten des Pulvers in die Wand der Röhre einge- schmolzenen Platinspitzen werden mit den Polen einer 92 paarigen Säule vereinigt. Nach 14 Stunden war das Wasser in dem positiven Schenkel bis auf wenige Tropfen ver- schwunden und in den negativen Schenkel gestiegen , wo es so lange stehen blieb, wie der Strom geschlossen war. Sobald aber der Strom unterbrochen wurde, ging das Wasser zum positiven Schenkel zurück und nach einigen Stunden stand es in beiden Schenkeln auf derselben Höhe (Reuss, Memoires de la soc. imp. des natu- ralistes ä Moscou 2, 1809, pag. 330, citirt nach Ostwald [17]). Später wurde die Erscheinung von dem Physiker Wiedemann bestätigt und weiter verfolgt, und bald nachher fand Quincke die von Wiedemann gefundenen Thatsachen auch für Capillarröhrchen gültig. Inzwischen hatte du Bois-Reyraond die mechanische Fortführung von Flüssigkeiten, die jetzt allgemein mit der von ihm eingeführten Benennung Kata- phorese bezeichnet wird [18], auch in thierischen Geweben gefunden. Am positiven Pol trat eine Einschnürung (jWürgung'') auf, und diese war dadurch ent- standen, dass Wasser von dieser Stelle fortgeführt war. Es traten dabei eigenthüm- liche Widerstandserscheinungen auf, die erst später seitens W. Ostwald's [19] eine entgültige Erklärung erhielten. 1) üeber die Beziehung zwischen Nervenreizung und Entstehung eines elek- trischen Stromes vergleiche man das XII. Kapitel „Zur Muskel- und Nervenphysiologie". Kataphorese. 435 Eigentlich hatte Kühne bereits eine kurze Zeit vor du Bois-Reymond Gleichartiges gefunden und richtig gedeutet. Kr beobachtete, dass, wenn über die die Elektroden einer constanten Elektricitätsquelle ein dünner Muskel gelegt wird und die Schliessungszuckungen aufgehört haben, nach längerem Geschlossensein der Kette die Fasern am negativen Pole allmählich anschwellen. Kühne schreibt diese Erscheinung einer vom Strom verursachten Flüssigkeitsverschiebung zu. 1873 setzte H. Munk die Untersuchungen von du Bois-Reymond fort und wies in einer ausführlichen, sorgfältigen Arbeit [21] u. A. nach, dass unter dem Einfluss des galvanischen Stromes verschiedene Steife durch die Haut in den Körper eindringen können. So beförderte er mittelst des Stromes Strychnin in den Kanin- chenkörper, Chinin und Jod in den Menschenkörper. Nach einer 15 Minuten langen Durchströmung des Unterarmes zwischen mit Jodkalium befeuchteten Elektroden enthielt schon 30 Minuten später der Harn sicher Jod. Nach 5 — 6 Stunden hatte der Jodgehalt des Harns das Maximum erreicht. In demselben Jahre zeigte Engelmann [22], einen wie grossen Einfluss die Natur der Membran auf die Grösse der Kataphorese ausübt. Leider sind die Ersclieinimgen der Kataphorese gewöhnlich mit elektrolytischen complicirt. Es war das schon von Daniell hervor- gehoben und wurde später von Oker-Blom [23] eingehend studirt. Dieser Verfasser wandte erstarrte Gelatinelösung als Medium und verschiedene Salze, insbesondere Jodkalium, als zu transportirende Substanz an und fand, dass der kataphoretische und elektrolytische Einfluss einander nicht selten entgegenwirken. Das kann, wie mir scheint, auch nicht verwundern; denn es liegt auf der Hand, dass bei (iegenwart von Elektrolyten d. h. Ionen, der Strom sich vorwiegend ihrer als Transportmittel bedienen wird. So ist es auch zu erklären, dass, je mehr Elektrolyte eine Eiweisslösung enthält, desto kräftiger der Strom sein muss, um das Eiweiss an einer der Elektroden zur Ab- scheidung zu bringen, d. h, es durch Kataphorese in der betreifenden Richtung mitzuführen ^). Aus salzarmen Eiweisslösungen wird das Eiweiss bereits durch schwache Ströme mitgeführt und abgeschieden. Bei Gemischen von Salzen äussert Oker-Blom sich dahin, dass es „den Anschein hat, als ob die Elektricität unter den zur Verfügung stehenden Transportmitteln eine natürliche Auswahl treffe und sich vorzugsweise der für ihre Leitung geeignetsten Ionen bediene." Weiter stellte sich heraus, dass unter sonst gleichen Umständen die unter der Einwirkung des Stromes aus der Kathodenflüssigkeit in den Gelatinekörper eingewanderten Jodmengen und die angewandte Strom- stärke wenigstens innerhalb gewisser Grenzen direct proportional sind. 1) Vergl. über dieses Thema die Kapitel über CoUoide, über Muskel- und Nervenphysiologie und über Histologisches. 28* 436 Speichel. In eiuer zweiten Abhandlung hat Oker-BIom Versuche verüfFentlicht, die bei lebenden Thieren (Mäusen) das Verhältniss zwischen angewandter Elektricitäts- menge und der Menge des eingedrungenen Arzneimittels (hauptsächlich Jod) fest- stellen sollten [23]. Diese Untersuchungen haben auch für die elektromedica- mentöse Behandlung grosses Interesse. f) Schlussbetrachtuiiff. Meine Ansicht über die Speichelabsonderung geht also dahin, dass ich die Thätigkeit von vier Factoren annehme: 1. Diffusion von Substanzen aus der Lymphe durch die äussere Begrenzung der Drüsenzelle. Diese Diffusion ist in hohem Maasse von der Permeabilität dieser genannten äusseren Begrenzungen ab hängig. 2. Verarbeitung eines Theiles dieser Stoffe in der lebenden Drüsenzelle. 3. Durchtritt der Arbeitsproducte und der nicht verarbeiteten Producte durch die innere Begrenzung der Drüsenzelle, d. h. durch die dem Lumen zugewandte Begrenzung. Die durchtreibende Kraft rührt von einer durch Molekülzerfall herbeigeführten Steigerung des intracellularen osmotischen Druckes her. Da diese Steigerung aber den fortgesetzten allmählichen Eintritt von Flüssigkeit aus der Lymphe in die äussere Begrenzung der Drüsenzelle hemmen würde und ausserdem keine Speichelabsonderung ohne gleichzeitige Nervenreizung einzutreten scheint, so ist es erforderlich, noch einen vierten Factor anzunehmen, nämlich : 4. den der elektrischen Osmose. Man hat sich vorzustellen, dass durch Nervenreizung ein elektrischer Strom auftritt, der die durch Diffusion hineingelangten und theilweise in der Zelle gebildeten Arbeits- producte nach dem Lumen weiterbefördert (Kataphorese). Je stärker die Nervenreizung, umso kräftiger ist die Kataphorese und umso kräftiger der Speichelfluss. Auch das vielfach bestätigte und niemals widerlegte Heidenhai n- sche Gesetz, nach welchem der procentische Gehalt an Salzen mit der Beschleunigung des SpeichelÜusses zunimmt, hat im Rahmen meiner Vor- stellung nichts Befremdendes, denn für den Transport eines stärkeren elektrischen Stromes ist eine Vermehrung der lonenzahl sehr zweck- mässig. Gleichfalls zweckmässig erscheint es, dass der Speichel einen so geringen osmotischen Druck besitzt, der gewöhnhch unter den des Blutserums weit hinabgeht. Hierdurch wird es ermöglicht, dass durch schwache Nervenreize doch noch organische Stoffe und darunter die specifischen Bestandtheile durch Kataphorese mitgeführt und ausgeschie- den werden können. Magensaft. 437 Freilich handelt es sich hier, ebenso wie bei der Heidenhain- schen Vorstellung, bloss um eine Hypothese, aber doch um eine Hypothese, die nur mit greifbaren Kräften rechnet, und was überaus von Wichtig- keit ist, um eine Arbeitshypothese, die zu einer Reihe von Experimental- untersuchungen auffordert. Und diese Untersuchungen sind nicht nur für die Speichelabsonderung, sondern auch für die Secretion anderer Flüssig- keiten wie Magensaft, Galle etc. von Interesse. Um die Veröffentlichung des vorliegenden Bandes nicht in die Länge zu schieben, habe ich es mir versagt, näher auf den Gegenstand einzugehen und ich habe mich vorläufig mit obigen Ausführungen begnügen müssen. 2. Magensaft. Litteratur. 1. Hamburger, De physische chemie in de geneeskundige Wetenschappen. An- trittsrede. Groningen, J. B. Wolters, 1901. 2. Koeppe, Pflüger's Archiv 62. 1896. S. 567. 3. V. Mering, Verhandl. des Xll. Congresses für innere Medicin. Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1893. S. 471. 4. Stricker, Münchener med. Wochenschr. 1887. S. 267. 5. Cahii, Zeitschr. f. physiol. Chemie 10. 1886. S. 522. 6. Trappe, Über Säurebildung im Magen. Inaug.-Diss. Halle a. S. 1892. 7. Verhaegen, La Cellule 12. 1896, p. 31; 14. 1898, p. 29; 15. 1899, p. 89. 8. Justesen, Zeitschr. f. klin. Medicin 42. 1901. S. 541. 9. Pawlow, Die Arbeit der Verdauungsdrüsen. Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1898. Die Thatsache, dass aus der alkalischen Blutflüssigkeit ein saurer Magensaft abgeschieden wird, fand bis vor kurzer Zeit noch keine andere Erklärung, als dass es sich hier um einen physiologischen Process handelt, d. h. um einen solchen Process, für den die bekannten Gesetze der Physik und Chemie zur Erklärung absolut nicht ausreichen. Hören wir wie v. Bunge sich in seinem bekannten Lehrbuch der physiologischen Chemie (4. Aufl. 1898, S. 151 ff.) äussert: ,,Dass das Gewebe der Magenschleimhaut in der That alkalisch reagirt, hat Brücke durch folgenden Versuch gezeigt. Er löste bei einem eben getödteten Kaninchen die Muscularis des Magens eine Strecke weit ab und schnitt mit der krummen Scheere ein Stück aus dem Drüsenparenchym heraus, ohne ganz bis an die innere Schleimhautober- fläche vorzudringen. Dieses Stück konnte zwischen blauem Lackmus- papier zerquetscht werden, ohne einen rothen Fleck zu erzeugen, während ein solcher sofort bei Berührung der inneren Schleimhautfläche entstand. Das Material zur Bildung der Salzsäure in den Labdrüsen liefert ohne 438 Magensaft. Zweifel das Blut in Form von Chlornatrium, welches den Hauptbestand- theil in der Asche des Blutplasma und der Lymphe bildet. Daneben ist im Blute und in der Lymphe kohlensaures Natron enthalten. Sie reagiren daher alkalisch. Wodurch wird nun die Salzsäure aus dem Chlornatrium des alkalischen Plasma frei?" V. Bunge macht auf Grund der Lehre von der Massenwirkung und auf Grund der Thermochemie die freie COg des Blutes hierfür verantwortlich. Sie soll das Vermögen besitzen, aus dem NaCl, HCl freizumachen. „In dem Auftreten der freien Salzsäure liegt also nichts Räthsel- haftes. Räthselhaft ist nur die Fähigkeit der Epithelzelle, die aus dem Chlornatrium freigewordene Salzsäure stets nach der einen Seite zu befördern — in den Ausführgang der Labdrüse — , das gebildete, kohlen- saure Natron stets nach der andern Seite — zurück in die Lymph- und Blutbahnen. — Diesem Räthsel aber begegnen wir überall in den leben- den Geweben. Jede Zelle hat die Fähigkeit in zweckmässiger "Weise die Stoffe anzuziehen oder abzustossen und nach verschiedenen Richt- ungen zu vertheilen." Bei diesen Ausführungen Bunge's vermisst man die Darstellung, die bereits zwei Jahre zuvor K o e p p e von dem Vorgang gegeben hat. Freilich kann man einem Verfasser, der ein Lehrbuch schreibt, es nicht zum Vorwurf machen, wenn er in seinen Litteraturaugaben unvoll- ständig ist; das ist so selbstverständlich, dass ich diese Bemerkung ganz bei Seite gelassen hätte, wenn es bei v. Bunge nicht das regelmässige wäre, sobald es sich um die Errungenschaften der neuern physikalisch- chemischen Lehre handelt. Diese werden einfach todtgeschwiegen. Man kann sich dabei kaum des Eindrucks erwehren, dass der Autor in seinem Bestreben, dem Leser seines Buches die Schönheit und Zweckmässigkeit in der lebenden Natur vor Augen zu führen und sie empfinden zu lassen, das Geheimnisvolle und Räthselhafte in den Vordergrund stellt und die betreffenden Errungenschaften instinctiv übergeht, als ob er befürchtete sonst die Bewunderung für das Leben einzuschränken. Wie wenig wäre aber eine derartige Furcht am Platze! Diejenigen, die sich bestreben die complicirten Lebensäusserungen auf einfachere, bei den todten Stoffen obwaltende Gesetze zurückzu- führen, brauchen in der Bewunderung der Natur nicht hinter den Neovita- hsten zurückzustehen. Würde man wohl meinen, dass die Ehrfurcht vor der Grossartigkeit des Weltalls und die Ueberzeugung der eigenen Nichtigkeit kleiner geworden ist, nachdem bekannt geworden ist, wie die sehr complicirten Bewegungen der zahllosen Himmelskörper von Neovitalismiis. 439 dem einfachen Newton'schen (iesetz beherrscht werden und nachdem ein Leverrier an der Hand dieses Gesetzes die Existenz eines weiteren Planeten mit mathematischer Sicherheit voraussagen und seine Stelle bezeichnen konnte V Eher ist das Entgegengesetzte der Fall. Und soweit wie die Astronomie ist die Lehre vom Leben noch bei Weitem nicht fortgeschritten ! Selbst die Chemie ist noch keineswegs das, was Naumann einmal als ihr Endziel bezeichnete, ,,eine Mechanik der Atome". Wirklich, die sich nicht zu den Neo-Vitalisten rechnen, sind nicht so thöricht zu meinen, dass ihre gelungenen Erklärungen etwas anderes bedeuten als ein Weiterhinausschieben der Grenze, an welcher das Ignoramus steht. Sie wissen sehr gut, dass die befriedigende Beant- wortung einer Frage wieder mehrere neue Fragen veranlasst und neue Lücken unserer Kenntniss zur Anschauung bringt. Die Frage nach dem Ignorabimus liegt nicht auf dem Gebiete des Naturforschers, sondern gehört zu dem des Philosophen. Bunge ist einseitig, wo er die physikahsche Chemie, als dem Neovitalismus gefährlich , einfach todt schweigt und ich halte darum das übrigens in der That schöne Buch des geistvollen Verfassers für den Anfänger für gefährlich. Koeppe hat zuerst versucht die Salzsäureabscheidung auf physi- kalisch-chemischem Wege zu erklären. Nach der Lehre von der elektrolytischen Dissociation sind in einer massig verdünnten NaCI-Lösung vorbanden: freie NaCl-Moleküle, Na*- lonen und CP-Ionen. Es hat sich nun herausgestellt, dass die Magen- wand in beiden Richtungen sowohl für die nicht-dissociirten NaCl-Mole- küle wie auch für die Na"-Ionen permeabel ist, nicht aber für die Cl'-Ionen. Indessen können Na'-Ionen den Mageninhalt nicht verlassen, wenn nicht eine äquivalente Menge eines gleichnamigen, also eines andern positiven Ions an die Stelle tritt. Als solches ist insbesondere das im Blute vorkommende H*-Ion zu nennen, für das die Magenwand eben- falls als permeabel erachtet werden muss. Dieses in das Magen- innere hinübergewanderte H-Ion bildet dann mit dem CP- lon Salzsäure. Der Entstehungsort der Salzsäure ist demnach nicht das Blut, wie Maly, Bunge und Andere meinen, auch nicht die Drüsenzelle, sondern das Mageninnere in der unmittelbaren Nähe der Wand. Damit stimmt der erwähnte, von Brücke gemachte Befund überein, dass die Schleimhaut an tangentialen Durchschnitten nicht sauer, sondern sogar 440 Magensaft. alkalisch reagirt; während die freie, gegen das Lumen gekehrte Ober- fläche die saure lieaction deutlich zeigt, und zwar wie sich später her- ausgestellt hat, nur wenn diese Oberfläche vorher mit (neutraler) Salz- lösung befeuchtet war. Zur Begründung dieser Anschauung sind einige Fragen zu be- antworten. 1. Auf Grund welcher Thatsachen behauptet Koeppe, dass die Magen- wand für NaCl-Moleküle durchlässig ist, dagegen nicht für Cl'-Ionen? Dass die Magenwand für NaCl-Moleküle durchlässig ist, wurde bereits von v. Mering [3J nachgewiesen und von Jaworski, Koeppe, Straus Roth u. s. bestätigt. (Vergl. oben, die Resorption im Magen, S. 221 ff.). Sie fanden, dass das NaCl durch Diffusion den Magen verlässt. Aber auch über das Verhalten der freien Cl'-Ionen geben die Unter- suchungen von V. Mering Aufschluss. Ein Jagdhund erhielt 300 cc einer 4,38 '^/oo igen Salzsäurelösung in den leeren Magen; innerhalb 50 Minuten flössen aus der Duodenalfistel 427 cc Flüssigkeit aus, die ebensoviel Chlor enthielt, als mit der Salzsäure zugeführt worden war, aber die Hälfte der Salzsäure war neutralisirt worden. Nun kann eine 4,38*^/00 ige HCl-Lösung als vollständig dissociirt in freie H - und Cl'-Ionen angesehen werden. Es haben also keine freien Cl'-Ionen den Magen verlassen, wohl aber freie H'-Ionen ; die Hälfte ist durch Metallionen ersetzt, daher die Abnahme der Acidität. 2. Eine zweite Frage gilt der Herkunft der freien H -Ionen. Koep p e lässt diese aus der Blutbahn stammen. Dieses scheint auf den ersten Blick unwahrscheinlich, denn das Blut reagirt alkalisch, d. h. in demselben sind freie Hydroxylionen (OH)' vorhanden und freie Hydroxylionen und freie Wasserstoffionen sind neben einander nicht existenzfähig, vereinigen sich vielmehr zu elektrisch neutralen HaO-Molekülen. Aus den Untersuchungen von 0 s t w a 1 d und Anderen hat sich aber herausgestellt, dass in Wasser und in wässerigen Lösungen (OH)' und H'-Ionen in freiem Zustand nebeneinander bestehen. In Wasser und in neutralen wässerigen Lösungen ist die Concentration der beiden die gleiche, in alkalischen Lösungen trat die (OH)'-Concentration in den Vordergrund, in sauren die H-Concentration. In allen Fällen aber ist das Product der Concentrationen beider Ionen constant: Ch X CoH' = 0,64 X 10-1^ (bei IB^C)!) ^) Vergl. hierzu oben S. 386 und auch das neunte Kapitel I, h. Theorie von K o e p p e. 441 Nun kann die Bemerkung gemacht werden, dass die freien H- lonen auf keinen Fall in der Menge im Blute vorhanden sind, in der wir sie nachher im Magen finden. Das ist auch nicht nöthig, wenn nur für die aus dem Blute ausgeschiedenen H -Ionen neue entstehen können ^). Das ist aber thatsächlich der Fall. Zunächst befindet sich im Blut freie Kohlensäure, die sich in HCO3'- lonen und H'-Ionen spaltet (HgCOg = H' -f- HCO3'). Ferner sind im Blute primäre Carbonate und Phosphate z. B. primäres Natriumcar- bonat NaHCO^ und Mononatriumphosphat NaH2P04 vorhanden, welche gleichfalls durch Dissociation freie H -Ionen liefern. NaHCÖ3 zerfällt in Na- und HCO3' HCO'3 ?i 55 H ,5 CO3" NaH^PO^ 55 5> Na- 55 H,P04' H2PO4/ 5? 55 H- ,5 HPO/' HPO4" 5? 55 H „ PO4'" K 0 e p p e hat seine Anschauungen in folgender Weise geprüft. Ist die Anschauung richtig, so dürfte bei Abwesenheit von Chlor- ionen im Magen auch keine Salzsäurebildung möglich sein. In der That wurde sie in jenem Falle auch vermisst. Es lehren das wieder Versuche von von Mering. Hunden wurde nach Unterbindung des Pylorus, Wasser, resp. Zuckerlösung in den leeren Magen gebracht und dann sofort die Speiseröhre zugeschnürt um Speichelzutritt vorzubeugen. So waren in dem Magen eines 7 Kilo schweren, mit Morphium betäubten Hundes, der 100 cc 66^/0 ige Traubenzuckerlösung bekommen hatte, nach 9 Stunden 400 cc Flüssigkeit mit 9°/o Zucker vorhanden. Dieselbe zeigte, im Einklang mit früheren Untersuchungen von Hitzig, neutrale Reaktion. Also, trotzdem der Magen Nahrung enthielt, dem- nach ein Absonderungsreiz im bisherigen Sinne bestand, und trotzdem durch die Magenwand 300 cc Flüssigkeit in das Mageninnere einströmten, brachten diese bei der Durch- spülung der Zellen keine Salzsäure mit. Wird aber Speichel zu dem chlorfreien Mageninhalt zugelassen, so wird wie Stricker [4| fand, der Inhalt durch HCl sauer. Nur bei in Folge fortgesetzter Zufuhr chlorfreier Nahrung entstandenem Chlor- hunger kann Speicheleinnahme keine Salzsäurebildung veranlassen. Damit steht die Wahrnehmung C ahn 's [5J vollkommen in Einklang, 1) Nach Ostwald würde man solche H*-Ionen mit „potentiellen" be- zeichnen im Gegensatz zu den „actu eilen", d. h. die, welche augenblicklich wirk- lich im freien Zustand vorhanden sind. 442 Magensaft. dass sich Salzsäure abscheidet, sobald man unter diesen Umständen eine Chlorcalciuralösung in den Magen einführt. Auch hierin liegt eine Stütze für K 0 e p p e ' s Ansicht, dass die Salzsäure nicht ausschliesslich im Blut, sondern auch theilweise im Mageninhalt gebildet wird. In derselben Richtung liegt folgendes Argument. Trappe wies unter von Mering's Leitung nach [6J, dass, wenn man Hunden, die in Chlor- hunger gehalten wurden, Bromnatrium verabreicht, sich keine Salzsäure, sondern Bromwasserstoffsäure im Magen nachweisen lässt. Diese HBr konnte, soweit es das Br betraf, nur aus dem Bromnatrium des Magen- inhaltes entstanden sein. Endlich noch ein interessantes Experiment ! Wenn von den Ionen des elektrolytisch gespaltenen NaHCOg, also Na', H" und CO^g, das H'-Ion aus dem Blute in den Mageninhalt hinübergeht, und Na* dafür an die Stelle tritt, so entsteht im Blute NagCOg. Dieses reagirt stärker alka- lisch als NaHCOg : die alkalische Reaction der Blutflüssigkeit wird so- mit durch die Salzsäurebildung erhöht, denn bei hydrolytischer Spal- tung zerfällt: NaHCOg in NaOH -f CO2 und NagCOg -[- HgO in 2 NaOH -^ CO, Im zweiten Fall entsteht also die doppelte Menge OH'-Ionen. In der That geht mit der Salzsäureabscheidung eine Steigerung der Blut- alkalescenz einher. Es schien Koeppe nicht unmöglich, dass unter diesen Umständen auch der Harn vorübergehend alkalisch werden könnte. In der That war das auch der Fall. Wurden 10 g NaCl in 200 cc Wasser getrunken, so war der Harn vorübergehend alkalisch; beim Erhitzen schied sich ein Niederschlag von Erdphos- phat ab, dem auch kohlensaures Kalk beigemengt war^). Nachträglich fand Koeppe, dass bereits viel früher Falck und auch Gruber bei Hunden eine alkalische Reaction des Harns nach Kochsalzzufuhr in den Magen beobachtet hatten^). Es braucht kaum gesagt zu werden, dass der von Koeppe gege- benen Vorstellung nach manche Frage zur Beantwortung vorzulegen ist. 1) Damit wäre vielleicht für die alte Volksmeinung, dass man durch den Gebrauch übermässiger Kochsalzmengen Harnsteine bekommen könne, eine wesentliche Grund- lage geschaffen. ^) Es wäre wohl interessant, zu untersuchen, ob die Zunahme der Alkalinität des Blutes sich auch auf elektrochemischem Wege kundgiebt. Haben doch in neuerer Zeit die Untersuchungen von Friedenthal, Fraenckel, Farkas und Höber übereinstimmend dargethan, doch im normalen Blutserum die Concentration der H'- und OH'-lonen die gleiche ist, das Serum also in elektrochemischem Sinne neutral ist. 1 Theorie von Koeppe. 443 So kann man fragen , warum boi Fleischeinnahme clor Salzsäuregehalt des Magensaftes so hoch ist, während Brod einen solchen mit viel ge- ringerem Säuregehalt hervorruft (Verhaegen [7J, Justesen [8J). So findet man in den interessanten Ausführungen Verhaegen's noch andere Thatsachen, die durch Koeppe 's Vorstellung nicht ohne Weiteres zu deuten sind. Die grösste Schwierigkeit bereitete ihr aber die vonPawlow [9] und seiner Schule streng nachgewiesene und viel- mals von Andern bestätigte rein psychische Magensaftab- sonderung. Wenn man bei, einem Hunde den Oesophagus durchgeschnitten und das periphere Ende in die Haut eingenäht hat, so fällt Alles, was das Thier verschluckt hat, durch das eingenähte Oesophagusende zum Halse hinaus; es gelangt nichts in den Magen. Dennoch fliesst dabei ein reichlicher Magensaftstrom aus der Magenfistel. Hier lässt Koeppe 's Vorstellung vollständig im Stich. Ich sehe keinen andern Ausweg als ebenso wie bei der Speichel- absonderung eine durch die Nerven angeregte elektrische Osmose (Kataphorese) anzunehmen. (Vergl. hierzu die Ausführungen beim Speichel, S. 433.) Wie wäre sonst auch die Pepsinabscheidung zu erklären? Diese wird von Koeppe gar nicht berührt. Ueber die Gefrierpunkterniedrigung des Magensaftes und ihre Be- deutung bei der Regelung des osmotischen Druckes im Magen, vergleiche man den Abschnitt über die Resorption im Magen im fünften Kapitel. (S. 222 flf.) Man sieht, es giebt hier noch ein ausgedehntes Feld zu bearbeiten und die Arbeit in dieser Richtung verspricht interessante Erfolge. 3. Galle. L i 1 1 e ra t u r. 1. Dreser, Archiv f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 29. 1892. S. 303. 2. Bousquet, Recherches cryoscopiques sur le serum sanguin. Paris, Bernard, 1899. 3. Brand, Onderzoekingen over afscheiding en samenstelling van de gal by den levenden mensch. Dissert. Amsterdam 1901. Pf lügers Archiv. 90. 1902. S. 491. 4. Messadaglia e Coletti. II Morgagni, Mai 1902. Ref. aus Strauss (vide 6). 5. Bonanni, Biochemisches Centralbl. 1. 1903. S. 68. 6. Strauss, Berl. klin. Wochenschr. 1903. Nr. 12. 7. Harainarsteii, Upsala Gesellsch. d. Wissensch. (3) 16. 1893. 8. G. J. Mnlder, Proeve eener algemeene physiologische Scheikiinde. Rotterdam 1843. 444 Galle. a) Gefrierpunkteriiiedriguiij^. Die erste Bestimmung des osmotischen Drucks der Galle rührt von Dreser [1] her. Nach seinen Versuchen betrug die Gefrierpunkt- ^rniedigung der Rinderblasengalle — 0,54° bis — 0,56°. Nachdem fand Bousquet [2] für den osmotischen Druck der Kalbsgalle —0,62° und für denjenigen der Ochsengalle —0,61° und — 0,86°. Weitere Untersuchungen in dieser Richtung sind von Brand [3J und dann von Messadaglia und Coletti [4J, Bonanni [5J und von S trau SS [6J angestellt worden. Brand ermittelt nicht nur die De- pression, sondern auch den Gehalt an festen Bestandtheilen. Der Verfasser theilt folgende Tabelle betreffs der Fistelgalle von Menschen mit. Fistelgalle von 3Ienschen. Nummer der Ge frier punkt- Gehalt an festeu Asche in °/o NaCl in Versuchspersonen erniedrigung Stoffen in "/o o/o II -0,56° —0,547 3 bis 4> 0,507 0,572 III -0,615 1,61 0,680 V -0,60 3,4 0,913 0,650 VI —0,545 1,37 0,851 0,669 VII -0,564 1,535 VIII —0,537 —0,55 —0,54 -0,545 -0.545 -0,535 1,785 1,749 1,776 1,78 1,788 1,789 0,876 0,683 X -0,565 1,116 (aus der Gallenblase) 0,870 0,840 In dieser Tabelle ist die Depression von Galle III und V sehr hoch. Zu III bemerkt der Verfasser, dass die gleichzeitig ausgeführte Gefrierpunkterniedrigungs- bestimmung von NaCl 0,6 0/0 auch einen zu hohen Betrag lieferte (—0,415" statt — 0,378"). Hierzu möchte ich meinerseits die Frage stellen, ob dann auch bei den anderen Experimenten Parallelbestimmungen mit bekannten Kochsalzlösungen aus- geführt wurden, und wenn ja, ob die letzteren dann wohl richtige Resultate ergaben. Man sieht hieraus, wie nothwendig es ist, die Vorsichtsmaassregel einzuhalten, auf die ich in Bd. I S. 95 hinwies. Die Ursache der hohen Gefrierpunkterniedrigung von V liegt nach dem Ver- fasser vielleicht in der Niereninsufficienz, deren Bestehen er aus der Albuminurie bleitet. Gefrierpunkterniedrigung. 445 Im Uebrigen bewegt sich nach Brand die Gefrierpunkterniedrigung der Fistelgalle des Menschen zwischen — 0,54^ und — 0,58*^, also zwischen Werthen, die von demjenigen des Blutserums wenig abweichen. Zu ähnlichen Resultaten betreffs der Fistelgalle des Menschen ge- langte auch Bonanni, der den osmotischen Druck zwischen —0,55° und — 0,56" fand, während Straus für Nachtgalle —0,57" und —0,58" und für 24 stündige Galle —0,55" und —0,54" fand. Viel grösser als die Differenzen in der Gefrierpunkterniedrigung sind, wie aus der Tabelle hervorgeht, die Unterschiede zwischen dem Gehalt an festen B est andt heilen. Hieraus geht hervor, dass der Procentgehalt der Galle an festen Bestandtheilen (Gallenfarbstoffe, Chole- sterin, Lecithin, Fett, Seifen, gallensaure Salze und Mucin) in Folge des grossen Moleculargewichts derselben nur in beschränktem Maasse an der Gefrierpunkterniedrigung betheiligt ist. Letztere wird, wie aus der Tabelle hervorgeht, hauptsächlich durch die anorganischen Salze herbei- geführt und unter diesen anorganischen Salzen spielt, wie ebenfalls er- sichtlich, das NaCl die Hauptrolle. Auffallend ist, dass bei Brand die Blasengalle gewöhnhch eine grössere Gefrierpunkterniedrigung und einen grösseren Gehalt an festen Bestandtheilen besitzt als die Fistelgalle. Leichengalle aus der Blase. Galle A Feste Bestandtheile Asche in NaCl in Mucin in in «0 ö/o «/o o/o A -0,65° 2,93 0,960 0,560 0,560 B -0,865 6,97 1,61 i 0,575 C -0.78 7,7 1,141 I 0,475 1,34 D -0,92 12,76 3,00 ! 0,300 Die Galle stammte von 48 Stunden alten Cadavern. Der Verfasser hält die Steigerung von J für postmortalen Ur- sprungs; denn in einem Cadaver wo J der Blasengalle — 0,75° betrug, war die Gefrierpunkterniedrigung des Blutes — 0,70" und der Cere- brospinaltlüssigkeit — 0,75". Der Verfasser schreibt dies einer Zer- setzung von grossen Molecülen zu, v/as mir aber nur zu einem sehr kleinen Theil die Ursache sein zu können scheint, denn der Verfasser lässt selbst darauf folgen, dass die Depression von Galle nach einer Zer- 446 Galle. Setzung von zwei 2 Monaten nur von — 0,547° auf — 0,60 '^ gestiegen war. Auch Messadaglia und Coletti [4] fanden den osmotischen Druck der menschlichen Leichengalle höher als die Gefrierpunkter- niedrigung normaler menschlicher und thierischer Gewebesäfte. Sie untersuchten 23 Fälle. Zweimal betrug der osmotische Druck der Galle zwischen — 0,63*^ und —0,69°, siebenmal zwischen — 0,70° und — 0,80°, viermal zwischen — 0,80° und —0,90°, neunmal zwischen —0,90° und — 1,00° und einmal — 1,05°. Die beiden Autoren sind aber die Er- klärung schuldig geblieben, ebenso Strauss, dem dieser Gegensatz zwischen frischer Fistelgalle und der während einiger Zeit im Cadaver verweilt habenden Blasengalle auffiel. Es kommt mir nicht unwahrscheinlich vor, dass die im Körper entwickelnde COg in erheblichem Maasse an der Steigerung des osmo- tischen Drucks betheiligt ist, was leicht zu untersuchen wäre. Besonders gross ist der Procentgehalt an festen Bestandtheilen in der frischen Blasengalle des Rindes. Dementsprechend lässt sich, da die Gefrierpunkterniedrigung mit der des Blutes übereinstimmt, erwarten, dass der Salzgehalt relativ klein sein wird, d. h. kleiner als in der Fistel- galle des Menschen. In der That trifft das zu , wie aus folgender Tabelle Brand 's hervorgeht. Vergleichung von Galle aus der Grallenblase mit Blutserum des Eindes. Galle. Blutserum. A Feste Bestandtheile in «/o NaCl in A NaCl > 1 -0,57" 7,215 0,375 2 -0,59 7,43 0,424 3 -0,56 7,47 0,35 4 -0,57 7,597 0,357 -0,58 5 -0,58 7,781 0,503 -0,60 6 -0,54 8,324 0,337 7 —0,55 9,14 0,375 -0,59 0,592 8 -0,56 9,16 0,35 Alles in allem glaubt Brand somit, dass die Galle, indem sie in den grösseren Gängen und in der Gallenblase an festen Bestandtheilen wie Mucin, zunimmt, Salze verliert. Damit wäre der Befund Ham- marsten's [7] in Einklang, dass zwei nach der Operation aus der Gallenblase erhaltene Gallen enthielten: Elektrische Leitfähigkeit. 447 Feste Bestand theile Anorgan. Salze I 17,032 > 0,510 »/o II 16,02 o/o 0,531 > während er in Fistelgalle für den Salzgehalt 0,725 ^lo und 0,915 "/o fand. Die Neigung, den osmotischen Druck mit dem der Blutflüssigkeit auszugleichen, off enbart sich also auch in den Gallenwegen, wobei ich zu gleicher Zeit auf die Thatsache hin- weise, dass um das zu erreichen, der NaCl-Gehalt wo nöthig hinter dem des Blutserums zurück bleibt (Vergl. Tabelle S. 444). Messada glia und Coletti [4| und unabhängig von ihnen Strauss [6| haben auch den Einfluss von Salzeinverleibung auf den osmotischen Druck der menschlichen Galle studiert. Nach Genuss des Tamerici-Mineralvvassers stieg der osmotische Druck von — 0,55" auf — 0,582° und nach Genuss von Fiuggi-Mineralwasser betrug die Ge- frierpunkterniedrigung — 0,562 °. Strauss verabreichte einem Patienten einmal 1 Liter Wasser, ein anderes Mal 10 g Kochsalz. Während sechs Stunden wurde die Galle aufgefangen. Die Wasserzulage hatte aber keine Veränderung des os- motischen Drucks zur Folge, während beim Kochsalzversuch eine leichte Steigerung des osmotischen Druckes zu beobachten war. b) Elektrisches Leitvermögen» Ausser der Gefrierpunkterniedrigung hat Brand auch das elek- trische Leitvermögen bestimmt. Betreffs der Methode verweise ich auf Bd. 1 S. 524. Der Autor findet für das specifische Leitvermögen bei 37 ° von Galle VIII, A 370 = 18,22 X 10~'. Ein gleiches Leitvermögen besitzt auch eine Kochsalz- lösung von 0,88 °/o. Für das specifische Leitvermögen von Blasengalle von Rind 4 und 5 (sieh oben) fand er ^37 = 16,39 und 17,22 X 10~''. Bei Vergleichung dieser Zahlen mit den bei Blutserum des Rindes erhaltenen, ergiebt sich Folgendes: Bugarszky und Tangl fanden (cf. Bd. 1 S. 494) für ^180 bei Rinderserum 9,02 X 10-' bis 10,43 X 10-'. Rechnet man diese Zahlen für 37° um, dabei annehmend, dass das Leitvermögen mit jedem Grad um 2"/o ansteigt, so ergeben sich 12,44 X 10-' und 14,39 X 10"'. Das Leitvermögen der Blasengalle erscheint sonach grösser als das des Blutserums desselben Thieres. Zu praktischen oder theoretischen Schlussfolgerungen geben diese Daten vorläufig keine Veranlassung. 448 Milch. Nur möchte ich erwähnen , dass ich 1898 die elektrische Leit- fähigkeit von Schweinsgalle bestimmt habe um dadurch ein entscheiden- des Urtheil über die nicht unwahrscheinlich lautende und auch niemals widerlegte Hypothese von G. J. Mulder [8] betreffs der Zusammen- setzung der Galle aussprechen zu können. Eine ähnliche Hypothese wurde vor kurzer Zeit von Koeppe auch für den gefärbten Inhalt des rothen Blutkörperchens ausgesprochen. Mulder war nämlich der Meinung, die Galle bestehe aus einer in Wasser gelösten Riesenverbindung die erst bei der Analysirung in die bekannten Bestandtheile auseinander fiel. War dies wirklich der Fall, so musste meiner Meinung nach das elek- trische Leitvermögen sehr gering sein. Bei 18° betrug es aber 14,1 X 10"''. Dieser Werth war selbst grösser als der des entsprechenden Blutserums bei dieser Temperatur: dieser betrug nämlich etwa 10,1 X 10"'^. Hieraus geht hervor, dass die Hypothese von Mulder nicht richtig sein kann. Diese Schlussfolgerung wird noch durch die relativ hohe Gefrierpunkterniedrigung unterstützt. 4. Milch. L i 1 1 e r a t u r. 1. Hamburger, Zeitschr. f. Biol. 27. 1890. S. 259. 2. Hamburger, Recueil des Travaux chiraiques des Pays Bas 15. 1896. p. 349. 3. E. Beckmann, Forschungsber. f. Lebensmittel u. Hygiene 1. 1894. S. 421. 4. J. Winter, Compt. rend. 1895. p. 696; 1896. p. 1298. 5. van der Lann. Chemischphysische Onderzoekingen der molk. Dissert. Qtrecht 1896. 6. Carlinfante, Chemiker-Zeitung. Repert. 1897. S. 189. 7. Lam, Pharmaceut. Weekblad, 15. April 1899. 8. Koepi)e, Physikalische Chemie in der Medicin. Wien 1900. .1. Holder. 9. Bortlas et Oenin, Compt. rend. 123. 1896. p. 425. 10. Dohrmann, Vierteljahrschr. der Fortschr. der Chemie der Nahrungsmittel und Getränke 1891. S. 13. 11. Tbörner, Chemiker-Zeitung 15. 1891. S. 45. 12. Dreser, Archiv f. exp. Path. u. Pharmak. 29. 1892. S, 303. 13. Hamburger, Zeitschr. f. physik. Chemie 47. 1904. S. 495. Zu den Flüssigkeiten, deren osmotischer Druck mit demjenigen des Blutserums übereinstimmt, gehört die Milch. Dies war mir bereits bei meinen Studien über die Regelung des osmotischen Druckes nach intravascularen Injectionen aufgefallen. Bei Bestimmung mittelst Tradescantia erwies sich das Wasseranziehungs vermögen der Milch einer 1,9 ''/o igen Kalisalpeterlösung entsprechend [1]. Später, als ich das wasseranziehende Vermögen verschiedener Körperflüssigkeiten unter ver- 4 Gefrierpunkt der Kuhmilch. 449 schiedenen physiologischen Bedingungen studirte, wurde beobachtet, dass die Gefrierpunkterniedrigung der Milch verschiedener Kühe eine ziemlich constante Grösse ist. Dies brachte mich auf den Gedanken, dass es durch Benutzung dieser Thatsache vielleicht möglich sei, die Beimischung relativ kleiner Mengen Wasser zu Milch zu entdecken. Im Herbst 1893 führte ich mit meinem damaligen Assistenten, Herrn D, van Gruting, eine Reihe von Versuchen aus, die klar legen sollten, wie gross die Schwankungen der Gefrierpunkterniedrigung innerhalb der physiologischen Grenzen sind. Da das Resultat in der Hauptsache vorläufig nur für den Nahrungs- mittelchemiker von praktischer Bedeutung schien, verschob ich seine Veröffentlichung, in der Hoffnung dasselbe noch für die physiologischen Probleme benutzen zu können, welche die Milchabsonderung betreffen. Inzwischen erschienen andere Arbeiten (Beckmann, Winter). Mir standen drei gesunde wohlernährte Kühe zur Verfügung. Bei jedem dieser Thiere wurde verglichen: 1. Die Gefrierpunkterniedrigung der Milch zu Beginn und am Schluss des Melkens. 2. Die Morgen- und die Abendmilch. 3. Die Vollmilch und die entsprechende abgerahmte Milch. 4. Weiter wurde geprüft, wieweit die mittlere Gefrierpunkterniedrig- ung der untersuchten Milchproben der Gefrierpunktdepression der in der Stadt käuflichen Milch entsprach. Ueber das angewandte Versuchsverfahren sei hier bemerkt, dass von jeder Milchprobe drei Gefrierpunktbestimm- ungen ausgeführt wurden, von denen der Mittelwerth genommen wurde. a) Gei'rieriiuukterniedriguiig der Milch unter verschiedenen Bedingungen. a) Beginn und Scliluss des Melkens. Die folgende Tabelle enthält eine Zusammenfassung der Resultate. Gefrierpunkteruiedrigiing der Gefrierpunkterniedrigung der Kuh im Anfange des Melkens am Ende des Melkens Datum entzogenen Milch entzogenen Milch A b —0,563" —0,556 -0,565" -0,562 1 27. December ) 1893 c -0,562 -0.560 A B —0,558 -0,554 -0,567 -0,558 \ 28 December 1 1893 C -0,551 -0,556 Hamburger. Osmot. Druck. II. Band. 29 450 Milch. Aus diesen Versuchen ergiebt sich, dass die Gefrierpunkterniedrigung der am Ende des Melkens gewonnenen Milch stets etwas grösser ist als im Anfang. ß) Vergleichung von Morgen- und Abendmilcb. Für jede Versuchsreihe diente die Milch je einer Kuh; das ganze Gemelk wurde in einem Eimer gesammelt, die Milch gut umgerührt und dann wurde eine Probe genommen. Kuh Gefrierpunkterniedrigung Gefrierpunkterniedrigung Datum der Morgen milch der Abendmilch 0,561 0,571 31. October 1893 B 0,563 0,569 1. November 1893 0,566 0,574 2. 0,558 0,569 3. 0,562 9. November 1893 C 0,562 0,569 10. 0,.559 — 11- 0,569 9. November 1893 A 0,564 0,573 10. 0,570 — 11. 0,569 9. November 1893 D 0,556 0,562 10. 0,558 ~ 11- Aus dieser Tabelle geht hervor, dass die Abendmilch gewöhnlich, aber nicht immer, einen etwas grösseren osmotischen Druck besitzt als die Morgenmilch. y) Vergleichung voller und abgerahmter Milch. Die Abrahmung geschah mittelst der Centrifuge. Die für die be- treffende Versuchsreihe benutzte Milch stammt von drei als ehrlich bekannten Milchverkäufern in der Stadt (Utrecht) und ist in beiden Fällen Sammelmilch von mehreren Kühen. I Gefrierpunkt der Kuhmilch. Herkunft der Milch Gefrierpunkterniedris^ung der vollen Milch Gefrierpunkterniedrigung der abgerahmten Milch Datum P R T P R T i 0,567 0,569 0,566 0,557 0,566 0,560 0,561 0,560 0,559 0,554 0,566 0,557 19. Dezember 1893 « n )) Dun 21. December 1893 71 S 71 Die volle Milch zeigt also eine etwas grössere Gefrierpimkternied- rigimg als abgerahmte. Was ist hiervon die Ursache? Hat der Rahm vielleicht einen höheren osmotischenDriick als die abgerahmteMilchV Das ist wirklich der Fall, wie aus folgender Tabelle hervorgeht. Abgerahmte Milch 0,561 0,565 0,556 0,559 0,560 Entsprechender Rahm 0,580 0,591 0,574 0,579 0,583 Hiermit steht auch im Zusammenhang, dass die am Ende des Melkens erhaltene Milch eine etwas kleinere Gefrierpunkterniedrigung zeigt, als die im Anfang des Melkens abgeschiedene. Es ist ja bekannt, dass die letzte aus dem Euter entfernte Milch reicher an Rahm ist, als die im Anfange erhaltene. Es scheint, als ob mit dem Rahm auch viele osmotisch wirksame Stoffe emporsteigen. 1)) Mittehvertli der Gefrierpuiikteriüedrigung. Kuhmilch. Als Mittelwerth der Milch von den vier Kühen A, B, C und D und von käuflicher Misch-Milch (6 Proben) ergab sich J= — 0,561". Die höchste und die niedrigste beobachtete Gefrierpunkterniedrigung war — 0,574*^ bezw. — 0,556". Diese Werthe wichen also um 0,013 29* 452 Milch. und 0,005° von dem Mittelwerth 0,561 ab^, Differenzen, welche 2*^/o und 1 "/o der ganzen (jefrierpunkterniedrigung entsprachen. Die höchste und niedrigste Zahl wiesen einen Unterschied von 3 *^/o auf. Bei der grossen Genauigkeit der Gefrierpunkt methode, die Unterschiede von 0,01° leicht erkennen lässt, schien also die Depres- sionsbestimmung geeignet, sehr geringe Mengen zugesetzten Wassers (3"/o) mit Sicherheit zu entdecken. Immerhin musste ich die Frage noch offen lassen, ob der von mir gefundene Mittelwerth für Kühe aller Gegenden zutreffen würde. Eine Anzahl von verschiedenen Seiten ausgeführte Bestimmungen hat auch diese Frage geklärt. Beckmann [3] fand J = — 0,554" mit so geringen Schwankungen, dass er meint, noch Zusätze von 8°/o Wasser zur Milch zu entdecken im Stande zu sein. J. Winter [4] und van der La an [5] fanden bei acht Kühen Zahlen, die zwischen — 0,562 und — 0,583 schwanken. In zwei Fällen von Mischmikh fand van der La an im Oktober 0,570 und 0,571. Carlinfante [6] erhielt entsprechende Zahlen. Lam [7] führte während eines ganzen Jahres täglich Bestimmungen aus und fand als Mittelwerth — 0,567 ", Die Milch stammte aus der Umgegend von Rotterdam. In der ersten Hälfte des Jahres (bis August) blieb der Mittelwerth unter 0,567", er betrug in dieser Periode — 0,558°. Wenn die Milch sauer zu werden anfängt, nimmt die Depression zu. In Lam's Versuchen fand dies statt, wenn die Milch zwischen 24 und 48 Stunden alt war. Koeppe[8] erhielt als Mittel von 11 Untersuchungen von ca. 50 Kühen, also als Mittel von ca. 550 Milchproben für" die Gefrierpunkt- erniedrigung der Milch ^=0,562°. Man erkennt, dass unter den Ergebnissen der verschie- denen Autoren grosse Uebereinstimmung herrscht. Nur die Resultate von Bordas und Genin [9J machen eine Aus- nahme. Sie untersuchten Milch von 52 Kühen. Bei 22 Kühen war die Depression — 0,52°, bei 11, — 0,53° und bei den 19 übrigen, — 0,44 bis — 0,56. c) Elektrische Leitfähigkeit. Dolirmann [10] war der erste, der 1891 die elektrische Leit- fähigkeit der Milch ermittelte. Sein Verfahren war aber wenig genau. Mehr Vertrauen verdienen die Ergebnisse Thörners [11], der die Methode von Kohl rausch benutzte. Er fand, dass beim Sauerwerden Elektrische Leitfähiskeit. 453 und bei der Hinzufügung von Wasser der Widerstand 7Ainahm. Da der Verfasser die Capacität seines Widerstandsgefässes nicht bestimmt hat, haben seine Zahlen nur relativen, keinen absoluten Werth. Letzteres ist dagegen wohl bei E. Beckmann der Fall. Dieser Verfasser hatte ebenso wie Thörner, in der Leitfähigkeitsmessung ein einfaches Mittel zur Entdeckung eines Wasserzusatzes zu finden gemeint, wie er ja zu demselben Zweck auch die Gefrierpunktbestimmung heran- gezogen hatte. Nach Beckmann hat R. van der Laan eine Reihe von Unter- suchungen hauptsächlich über das Leitvermögen (Widerstand) angestellt. Ich entnehme der Schrift folgende Tabelle. Leitfähio-keit der Milch. Spec. Gew. Fett Trockensubstanz Asche Widerstand in bei 15« o/o > 7o Ohm bei 18" I 1,0274 2,67 9,79 0,61 63,2 11 1,0833 3,47 12,29 0,80 70,7 III 1,0316 2,97 11,80 0,78 72.6 IV 1,0303 3,39 11,65 0,69 68,8 V 1,0303 3,03 11,14 0,76 68,8 V war Mischmilch ; die übrigen Proben stammten von einzelnen Kühen. Ln Allgemeinen sind die Unterschiede im Leitungs-Widerstande bei den verschiedenen Thieren erheblich. Auffallend und wider jede Erwartung ist es, dass der höchste Aschengehalt (II) keineswegs dem geringsten Widerstand entspricht. Weiter hat der Verfasser untersucht, welchen Einfluss das suspendirte Fett auf den Leitungswiderstand der Milch ausübt. Er filtrirte Milch durch eine Chamberlandkerze und ermittelte sowohl von der zurück- gebliebenen Milch, Avie von der ursprünglichen und von dem Filtrate den Widerstand. Es ergab sich hierbei, dass das Filtrat dem elektri- schen Strome einen geringeren Widerstand leistet, wie die ursprüngliche Milch. Der Widerstand des bei der Filtration zurückbleibenden Rahmes war dementsprechend noch grösser als der der ursprünglichen Milch- Van der Laan führt dies darauf zurück, dass infolge der Entfernung der suspendirten Stoffe, wie Fett, Eiweissstoffe und Calciumphosphat, 4")4 Milch. die gelösten Stoffe stärker concentrirt werden und den Strom folglich besser leiten. Es ist tliatsächlicli bekannt, dass, wenn man nichtleitende Partikel- chen in einer leitenden Flüssigkeit suspendirt, eine bestimmte Schicht der Suspension dem Stromdurcbgang einen grösseren Widerstand leistet wie eine gleich dicke Schicht, die frei von suspendirten Theilen ist. (Vergl. Bd. 1, S. 49 u. 520). Im ersten Fall hat der Strom eine geringere Menge leitender Theilchen zu seinem Transport zur Verfügnng als im zweiten Fall. In diesem Sinne muss van der Laan's Ausdruck aufgefasst werden, dass das Filtrat „concentrirter" ist als die nichtfiltrirte Milch. Indessen erscheint mir seine Methode nicht ganz einwandfrei, denn die Chamberland-Kerze bewirkt nicht eine so scharfe Trennung wie der Verfasser meint. Wenn van der Laan meint, dass sie z. B. Eiweiss- stoife zurückhält, so irrt er sich nach meiner Erfahrung. Dies wäre aber vielleicht noch unwesentlich; was hier von grösserer Bedeutung ist, ist die Frage ob die Kerze sich den Salzen gegenüber völlig indifferent verhält. Erfahrungen von bacteriologischer Seite berechtigen zum Zweifel hieran. Besser wäre es gewesen, wenn der Verfasser volle und abgerahmte Milch verglichen hätte. Er hätte dann zu gleicher Zeit untersuchen können, warum die abgerahmte Milch eine kleinere Gefrierpunkternie- drigung zeigt als die volle, wie ich bereits nachgewiesen hatte (vergl. oben S. 451). Was den Einfluss des Sauerwerdens auf den Leitungs- widerstand betrifft, so findet van der Laan 19 Stunden nach dem Melken gewöhnhch eine kleine Zunahme; dann aber, nach dem Ge- rinnen, eine stetige Abnahme. Letztere schreibt er verschiedenen Ur- sachen zu. 1. Es bildet sich aus dem nichtleitenden Milchzucker Milchsäure, die den Strom leitet; 2. die gebildete Milchsäure bringt das suspendirte Calciumphos- phat in Lösung; J 3. bei weiterer Zersetzung der Milch werden auch die an Eiweiss- stoffe gebundenen Mineralbestandtheile in Lösung gebracht. Die folgende Tabelle giebt die Versuchsresultate übersichtlich wieder. Gefrierpunkt und Leitfähigkeit nach Säuerung und Verdünnung 455 Kuh I Kuh II Kuh III Mischmilch von ver- sehiedenen Kühen 2. Juni. 2 Stunden nach dem Melken 77,0 78,8 74,1 74,8 3. Juni. 19 Stunden nach dem Melken 77,2 79,0 74,2 75,0 4. Juni. Milch geronnen 58,3 60,3 57.2 57,6 5. „ 54,6 57,9 55,6 51,8 6. , 52,9 55,8 55,3 51,7 9. „ 51,1 53,3 53,0 51,6 10. „ 51,8 53,5 52,5 52,2 13. , 49,0 52,0 51,4 51,4 3. Juli 27,1 33,8 41,5 41,0 8. , 25,8 32,7 40,8 39,8 Van der Laan hat auch den Einfluss von Verdünnung mit Wasser auf den Leitungswiderstand untersucht. Ich gebe eine Tabelle wieder, aus welcher gleichzeitig auch der Einfluss der Ver- dünnung auf die Gefrierpunkterniedrigung der Milch hervorgeht. Einfluss von Verdünnung* der Milch auf Gefrierpunkt-Erniedrigung und Leit- fähigkeit. Gefrierpunkterniedt igung Widerstand in Ohm bei 18« Milch mit I II III I II III 0"'o Wasser 0,5760 0,570 0,.571 77,2 75,5 72,1 10 »,0 0,517 0,503 0,509 82,9 80,5 77,9 200o 0,459 0,442 0,449 89,7 88,9 83,8 300/0 0,400 0,383 0,391 99,2 95,6 92,6 400,0 0,341 0,324 0,328 110,8 107,0 103,5 Aus dieser Tabelle geht hervor, dass nach Hinzufügen von 10 "/o Wasser die Gefrierpunkterniedrigung um etwa 10 °/o sinkt, die Leit- fähigkeit aber nur um etwa 7°/o. Bereits aus diesem Grunde verdient die G efrierpunkt- erniedrigung als Kriterium einer etwaigen Verfälschung mit Wasser den Vorzug vor der Widerstands -(Leitfähig- k e i tS')b e s t i m m u n g. Ein zweiter, wichtigerer Grund hierfür, der noch weiter sub e (siehe unten) erörtert wird, ist der Umstand, dass die Leitfähigkeit der Milch in hohem Maasse von der Nahrung abhängig ist, was bei der Gefrierpunkt ern iedrigung nicht der Fall ist (vergl. S. 461 ff.) 456 Milch. (l) Osmotiscli-ehemische Aii.ilyse der 3Iilch. Als Beispiel tlieile ich eine Analyse von Frauenmilch mit, die Koeppe angestellt hat. Für die spezifische elektrische Leitfähigkeit fand er im Mittel 22,6 reciproke Siemenseinheiten, d. h. 24 reciproke Ohm, für die Gefrierpunkterniedrigiing J =^ — 0,589°. Nach Söldner enthält ein Liter Frauenmilch 63,6 g Milchzucker (Lactose- auhydrid), 2,44 g Asche, 0,5 g Citronensiiure, 31,1 g Fett und 19,5 g Eiweiss und unbekannte Stoffe. S ül d ner 's Analyse mit einem Aschengehalt von 0,224 ^'/o stimmt mit den entsprechenden Angaben von König (0,25 "o) und Bunge (0,244 °/'o) so gut überein, dass Bunge 's Aschenanalj'se wohl als Durchschnittswerth der einzelnen Aschenbestandtheile angesehen und zum Vergleich mit der physikalisch-chemischen Analyse hei-angezogen werden durfte. In einem Liter Frauenmilch ist nach Bunge enthalten: K2O 0,824 g (9 Analysen) entspricht 0,0175 K--Ionen ) , 0,0084 Na- -Ionen ) , 0,0060 Ca"-Ionen ) „ 0,0016 Mg---Ionen ) , 0,0(J006 Fe"-Ionen 0,03356 Kationen. (7 Analysen) entspricht 0,01315 Cl'-Ionen ) , 0,00662 PO/"-Ionen Na^O 0,261 (9 CaO 0,335 ('^ MgO 0,0645 (2 Fe,03 0,0048 (2 1,4893 , § Cl 0,477 g ; (7 P2O5 0,4705 (7 0,9475 g 0,01077 Ani<»nen. Die Anionenzahl bleibt in dieser Aufstellung hinter der Kationenzahl zurück Das ist dadurch zu erklären , dass die OH'-Ionen ausser Betracht geblieben sind. Ferner können mehrwerthige Anionen zugegen sein, wie zweivverthige Ionen HPO4" und dreiwerthige PO4'", welche zwei rosp. einwerthige Kationen binden. Endlich ist auch in der Milch Kohlensäure vorhanden. Da ebensoviel Anionen wie Kationen vorhanden sein müssen, so enthält die Milch 2 X 0,03356 = 0,0671 Ionen. Ausser diesen Salzmolen befinden sich in der Milch noch Milchzuckermolen. Um die gesamte in 1 Liter vorhandene Molenzahl zu erhalten, haben wir diese noch hinzuzufügen. 1 Liter enthält 63.6 g Milchzucker; das Moleculargewicht desselben ist 342. Es sind also im Liter ^l , = 0,1859 Molen vorhanden. Rechnet man hiezu 342 die 0,0671 Aschenionen , so ergeben sich insgesammt 0,253 Molen j- Ionen, oder wie ich es kürzer zu bezeichnen vorgeschlagen habe: 0,253 Molionen'). Be- ') Ostwald hat z. Z. vorgeschlagen, ein Gramm-Molekül eines Stoffes in einem Liter Wasser mit ^Mol" zu bezeichnen. Löst man demnach z. B. 2 X 58,5 g NaCl in 1 Liter Wasser auf, so enthält nach dieser Bezeichnung die Kochsalzlösung 2 Mole. Koeppe gebraucht nun das Wort „Mol" ebenfalls, um die im Liter vor- handenen Moleküle -|- Ionen auszudrücken ; andere Autoren thun das Gleiche. Das ist aber nicht gestattet, denn in Folge der elektrolytischen Dissociation ist die An- zahl Moleküle + Ionen beträchtlich grösser als 2 geworden. Um die Gesammtanzahl der nicht gespaltenen Moleküle und Ionen anzugeben, habe ich deshalb einen anderen Namen vorgeschlagen, nämlich Molion. Die osmotische Concentration wird also durch die Anzahl Molionen in einem Liter Wasser ausgedrückt. (Vergl. übrigens Bd. I, S. 5, 18.) Osmotisch-chemischc Analyse. 4o7 rechnen wir nun die Molionenzahl aus der Gefrierpunkterniedrigung, so ergiebt sich ' „_- = 0.3183 Molionen im Liter Frauenmilch. l,oo In der Frauenmilch sind also mehr osmotische wirk- same Molecüle vorhanden, als wir nach der chemischen Analyse aus dem Asche- und Milchzuckergehalt berechnen können. Ich muss gegen diese Berechnungsweise Koeppe's einen princi- piellen Einwand erheben. Wenn man die Gefrierpunkterniedrigung der Milch bestimmt, bezieht sich das Ergebniss eigentlich auf das Milch- plasma, so dass 0,3183 nicht die Molionenzahl in einem Liter Milch, son- dern in einem Liter Milch p las ma angiebt. Hieraus geht hervor, dass in einem Liter Milch die Molionenzahl kleiner ist als 0,3183. Um wie viel kleiner, das hängt vom Gesainmtvolumen der Milchkügelchen ab. Dieses Volumen ist unschwer zu ermitteln. Man braucht nur das Ge- wicht des Fettes in einem Liter Milch durch das specifische Gewicht zu dividiren. In der Frauenmilch findet man ungefähr 3,5 bis 4 Ge- wichtsprocent Fett; also etwa 4 Volumprocent. Es muss also derWerth 0,3183 mit ^TWjöiultiplicirt werden, wenn man die Molionenzalil in 1 Liter Milch erhalten will; dieses Product beträgt 0,3055. Indessen ist auch diese Rechnung noch nicht correct, denn unter osmotischer Concentration versteht mau die Anzahl Molionen in einem Liter Lösungsmittel (Wasser), nicht in 1 Liter Lösung (Milchplasma). Wenn nun, wie hier, das Molecularvolumen der gelösten Substanzen (Eiweiss, Milchzucker) gross ist, so darf das Volumen dieser Substanzen nicht vernachlästigt werden. -.—Q^ stellt somit nicht die Molionenzahl in einem Liter der zu unter- l,oO suchenden Flüssigkeit vor, sondern in einem Flüssigkeitsvolumen, das grösser ist als 1 Liter. In einem Liter Milchplasma müssen also noch weniger als 0,3055 Molionen vorhanden sein. Ich habe Bd. I S. 15 eine Formel gegeben, um die wahre osmotische Concentration für den Fall zu berechnen, in dem man das Volumen der gelösten Stoffe nicht ver- nachlässigen darf. Dieselbe lautet: J ^, 1000 S — p X 1,85 ^^ 1000 458 Milch. Hierin bedeutet S das specifische Gewicht der Flüssigkeit und p das Gewicht der sämmtlichen gelösten Stoffe. Unsere Formel wird also hier C, = 0,3055 x'^OÖO-P. Das specifische Gewicht des Milchplasma ist unbekannt; es ist auch kaum zu bestimmen, da es nicht möglich ist, durch Centrifugiren alle Fettkügelchen in die Höhe zu schleudern. Es bleibt immer noch etwa 0,2 'Vo Fett zurück und bildet mit dem Plasma die sogenannte Magermilch oder abgerahmte Milch. Von der Kuh ist das mittlere specifische Gewicht der Magermilch bekannt ; vom Menschen ist dieser Werth, soweit ich weiss, nicht er- mittelt worden. Es bestand dazu auch keine Veranlassung. Ich habe deshalb selbst ein Paar Bestimmungen ausgeführt: Specifisches Gewicht der Vollmillch bei 10'^ C. . 1,038 ,, ,, ,, Magermilch „ „ . 1,039 Feste Bestandtheile in 100 cc Magermilch . 9.355 g also in einem Liter 93,55 Gramm. Betrachten wir annäherungsweise die Magermilch als Milchplasma, so wird folglich S = 1,039 und p = 93,55 und demnach: Co = 0,3055 X ^^^^ ^ \ooo ~ ^^'^^ = 0,2888 Molionen. Durch diese Rechnung wird die aus der Gefrierpunkterniedrigung abgeleitete Molionenzahl in einem Liter Milch 0,2888 statt 0,3183. Hieraus geht hervor, dass Koeppe's Schluss f olgerung irrthümlich ist, nach welcher die Frauenmilch etwa 18"/o der bis jetzt bekannten osmotisch wirksamen Molenmenge mehr enthalten soll, als aus der chemischen Analyse her- vorgeht. Jedenfalls muss die Zahl 18 auf die Hälfte reducirt werden. Auch das bleibt noch fraglich, ob sogar der Unterschied von 9°/o in Wirk- lichkeit besteht. Die Berechnung des totalen osmotischen Drucks aus der chemischen Analyse kann keine grosse Genauigkeit beanspruchen. Ein anderes Hilfsmittel zur Analyse der osmotischen Concentration bietet die Leitfähigkeit. Diese Grösse ist bekanntlich ein Maass für die freien Ionen. Betreffs Verwerthung der Leitfähigkeit zu diesem Osiiiotisch-cJicmische Analyse. 459 Zweck verweise icli auf die betreffenden Ausführungen über das Serum (Bd. I ö. 489). Koeppe giebt als mit tlere Leitfähigkeit für Kuhmilch (ca. 50 Thiere) 43,8 reciproke Siemenseinheiten = 43,8 X 1,063 reci- proke n (Ohm), bei einer mittleren Depression von —0,562" an, und als mittere Leitfähigkeit von Frauenmilch 22,6 reciproke Siemenseinheiten und J= —0,589". Beiläufig sei erwähnt, dass diese geringe Leitfähigkeit der Frauenmilch jedenfalls grösstentheils dem grös- seren Antheil, den der Milchzucker an der Molekülzahl hat, zuzu- schreiben ist. Bei der Verwerthung der Leitfähigkeit der Milch für die Unter- suchung der osmotischen Concentration beachte man, dass dieselbe — will man Fehlschlüsse, wie sie Koeppe auch hier gemacht hat, vermeiden — einer Reduction mit Rücksicht auf das Volumen des Fettes und auch auf das des Eiweisses und Milchzuckers bedarf (vergl. hierzu auch, was beim Serum erwähnt wurde. Bd I S. 489 und 517). Gleichartige Fehler wie Koeppe hat auch van der Laan bei der Berechnung des elektxolytischen Dissociationsgrades der Milch gemacht. Durch Hinzufügung von Wasser wird, wie bekannt, die absolute Leitfähigkeit vermindert. Rechnet man aber die gefundene Leitfähig- keit auf die ursprüngliche Milch um (,,Physiologische Leitfähigkeit" nach Oker Blom ; vergl. Bd. I S. 480 u. 537 ff.), so ergiebt sich eine Zunahme der Leitfähigkeit. Das kann nicht verwundern, denn die Verdünnung mit Wasser hat eine Vermehrung der elektrolytischen Dissociation zur Folge. Van der Laan giebt aber diese Dissociation grösser an als sie wirklich ist. Wenn er z. B. 100 cc Milch mit 100 cc Wasser ver- setzt, so verdünnt er das Milchplasma — und darauf kommt es an — um mehr als 100 "/o. Ist das Volumen des Fettes in 100 °/o, 5 cc, so waren nicht 100, sondern nur 95 cc Milchplasma mit 100 cc Wasser versetzt. Streng genommen muss nicht nur das Volumen des Fettes, sondern auch das Volumen des Eiweisses und des Milchzuckers von dem 100 cc Milch abgezogen werden. Man sieht, die in Wirklichkeit von van der Laan angewandte Verdünnung war bedeutend grösser als lOO^/o und somit wurde die Dissociationssteigerung in der von ihm gedachten Ver- dünnung zu hoch angeschlagen. Wo er den Dissociationsgrad in der unverdünnten Milch berechnet, macht er denselben Fehler. Der Dissociationssrad einer Flüssigkeit 460 Milch. wird nach Arrhenius durch die Formel a = —- angegeben, d.h. durch 00 das Verhältniss zwischen der Leitfähigkeit der ursprünglichen unver- dünnten Flüssigkeit und der Leitfähigkeit bei einer Verdünnung, wobei alle Moleküle in Ionen dissociirt sind, d. h. bei sehr grosser (unendlicher) Verdünnung. Nun kommt bei der Leitfähigkeit bei sehr grosser Ver- dünnung das Volumen des Fettes u. s.w. nicht mehr in Betracht, wohl aber bei A. Dieser Werth ist für das Milchplasma grösser als für die Vollmilch. Wo van der Laan für a ungefähr 50 "/o findet, muss diese Zahl also grösser angeschlagen werden (vergl. auch meine Bemerkungen über den Dissociationsgrad des Serums Bd. I S. 481). e) Bezieliuiig zwischen dem osmotischen Druck von 3Iilch und Blutserum. War es auch schon nach der von mir im Jahre 1890 zuerst aus- geführten Bestimmung der wasseranziehenden Kraft der Milch mittelst Tradescantia discolor und nach der von Dreser 1892 ausgeführten Gefrierpunktbestimmung [12] klar, dass hier eine grosse Übereinstimmung mit dem osmotischen Druck des Blutes vorlag, so erschienen doch directe vergleichende Bestimmungen an Milch und Blut desselben Thieres nicht als überflüssig. Solche Bestimmungen hat Koeppe ausgeführt. Die Untersuchungen wurden derart angestellt , dass die Thiere vor dem Schlachten noch gemolken wurden. 1. Ziegenmilch ^ = —0,611« Serum desselben Thieres J = — 0,611° 2. Kuhmilch ^=—0,540" - 0,560 ^ —0,556° Serum der Kuh . . . ^=—0,535° —0,570° —0,556° Aus diesen Zahlen ergiebt sich eine vollkommene Überein- stimmung zwischen osmotischem Druck von Milch und Seru m. Damit steht der Befund desselben Verfassers im Einklang, dass bei 14 Bestimmungen J der Milch zwischen — 0,525° und — 0,580° schwankte, während für das Serum derselben Thierart die Grenzen zwischen 0.540 und 0,575 lagen. Sehr interessant ist in dieser Hinsicht die Wechselbeziehung zwischen Milclizucker und Aschegehalt nach den Analysen von Söldner (Zeitschr. f. Biol. 1896). Constanz des osmotischen Druckes. 4f)l Wechst'lbczieluiiii;' zwisclicn iMik-li/iicker- und Asclienclialf . Kuhmilch Frauenmilch Analysen- Asche Milchzucker Analysen- Asche Milchzucker nummer nummer 21 0,67 5,0 11 0.18 7,28 22 0,69 4,4 3 0,18 7,3 15 0,71 4,8 6 0,19 7,5 23 0,72 4,5 1 0,20 7,3 16 0,74 4,8 13 0,22 6,67 19 0,76 4,6 2 0,24 6,7 18 0,77 4,6 7 0,24 6,6 17 0,86 3,5 8 0,25 6,3 14 0,87 2,1 4 0,26 6,7 20 0,93 3,3 12 0,34 5,7 5 0,36 6,0 Diese Tabelle lehrt mit grosser Deutlichkeit, dass bei Kuhmilch und bei Frauenmilch der Zuckergehalt bei Steigerung des Salzgehalts abnimmt und umgekehrt, jedoch so , dass eine geringere Salzzunahme mit einer grösseren Zuckerabnahme einhergeht. Es braucht kaum gesagt zu werden, dass bei bedeutenden Schwankungen in der chemischen Zusammensetzung der Milch nur auf diese Weise ein constan^e^ osmotischer Druck zugesichert ist. Aus alledem lässt sich erwarten, das die Leitfähig- keit der Milch eine bei weitem nicht so constante Grösse ist wie die Gefrierpunkterniedrigung, denn sobald durch eine Nahrungsänderung der Gehalt z. B. an Milchzucker zunimmt und der an Salzen, wie wir eben sahen, dement- sprechend abnimmt, wird bei unveränderter Gefrier- punk t er nie d rigung doch die Leitfähigkeit sinken, denn Milchzucker leitet den Strom nicht. Ich entnehme der Koeppe 'sehen Schrift folgende Tabelle: Gefrierpunkterniediigung Elektrische Leitfähigkeit (in reciproken Siemenseinheiten) '). Kuh Milch Serum Milch Serum 1 J = -6,560" A — -0,5700 94,8 106,3 2 0,570 0,570 87,7 97,9 3 0,556 0,556 62,9 107,9 4 0,535 0,540 33,9 95,6 Ziege 1 0,611 0,611 50,5 110,0 1) Zur Umrechnung in reciproke Ohm multiplicire man die Zahlen mit 1,063. (Vergl. ßd. T S. 125). 462 Milch. Man sieht, in der Art der Moleküle der Milch besteht grosse Verschiedenheit; die Zahl derselben {J) zeigt geringe Schwankungen. Bei der Galle hat sich genau dieselbe Thatsache herausgestellt. Auf welche Weise die Milchdrüse bei Verschiedenheit der Zusammen- setzung der Milch doch einen dem Blutserum entsprechenden osmotischen Druck für das Secret erzielt ist, ist eine Frage, die zweifellos mit der Physiologie des Absonderungsmechanismus eng verknüpft ist. Es ist nicht schwer darüber jetzt theoretische Betrachtungen anzustellen. Vielleicht empfiehlt es sich , ein Studium des Mechanismus der Speicheldrüsensecretion im oben angedeuteten Sinne (vergl. S. 427 ff.) vorangehen zu lassen. Neuntes Kapitel. Physikaliseh-ehemisehe Untersuehung* von Ver- dauungs- und anderen Processen. Litterat 11 r. 1. F. A. Hoffmaim, Centralbl. f. klin. Medicin. 10. 1889. S. 793. 2. Bredig u. Müller v. Benieck, Zeitschr. f. physik. Chemie. 31. 1899. S. 258; vergl. auch Bredig und Ikeda ibid. 37. 1897. S. 1 ; Bredig und Reinders ibid. 37. 1901. S. 323. Bredig ibid. 38. 1901. S. 122. 3. Guldberg und Waage, Forhandl. i. Videnskabselskabet i Christiania 1864. p. 35. Journal f. prakt. Chemie. 19. 1879. S. 69. 4. Ostwald, Journal f. prakt. Chemie. 29. 1884. S. 385. 5. Van't Hoff, Vorlesungen über theoret. und physik. Chemie. 1898. H. 1. S. 136. 6. Wai'der. Ber. d. Deutschen ehem. Gesellsch. 14. 1881. S. 1365. 7. Beyerinck, Zittingsversl. d. Koninkl. Acad. v. Wetensch. te Amsterdam. 8. 1900. p. 592. 8. Menschutkln, Zeitschr. f. physik. Chemie. 6. 1890. S. 41. 9. E. Cohen, Zeitschr. f. physik. Chemie. 25. 1898. S. 483. 10. Reformatsky, Zeitschr. f. physik. Chemie. 7. 1891. S. 34. 11. Voigtländer, Zeitschr. f. physik. Chemie. 3. 1889. S. 316. 12. Lottermoser, Die anorganischen CoUoide. Stuttgart 1901. 13. Palmaer, Zeitschr. f. physik. Chemie. 22. 1897. S. 492. 14. Duclaux, Traite de Microbiologie. Paris 1899. 15. C. Oppenlieimer, Die Fermente und ihre Wirkungen. 2. Aufl. Leipzig 1903. 16. Tammann, Zeitschr. f. physik. Chemie. 18. 1895. S. 426. 17. Ostwald, Zeitschr. f. physik. Chemie. 2. 1888. S. 36. 18. Ostwald, Zeitschr. f. physik. Chemie. 3. 1889. S. 170, 241 u. 369. 19. Bredig, Zeitschr. f. physik. Chemie. 13. 1894. S. 289. 20. Shields, Zeitschr. f. physik. Chemie. 12. 1893. S. 167. 21. Koelichen, Zeitschr. f. physik. Chemie. 33. 1900. S. 129. 22. Hösselin. Münchener med. Wochenschr. 33. 1886. 8.93. 23. Ewald, Klinik der Verdauungskrankh. 2. 1888. S. 18. 4G4 Reactions-Kinetik. 24. Günzbui'ff, Centralbl. f. kliii. Medicin. 8. 1887. Nr. 40; 9. 1888. S. 10; 11. 1890. S. 913. 25. von Jaksch, Klinische Diagnostik innerer Kiankheiten. V. Aufl. 1901. Berlin Wien. 26. Wilhelmy, Poggend Ann. 81. 1850. S. 413 u. 499. 27. E. Cohen, Zeitschr. f. physik. Chemie. 28. 1899. S. 145. 28. Herzfeld. E. 0. v. Lippmann. Die Chemie der Zuckerarten 1895. S. 516. citirt nach E. Cohen. Zeitschr. f. physik. Chemie. 37. 1901. S. 69, 29. F. A. Hoffmann, Verhandl. d. X. internat. med. Congresses 1890. Abth. I. S. 201. 30. Ostwald, Journal f. prakt. Chemie. 28. 1893. S. 449. 31. Ai-rhenius, Zeitschr. f. physik. Chemie. 1. 1887. S. 110; 4. 1889. S. 226; 28. 1899. S. 827. 32. Spohl-, Zeitschr. f. physik. Chemie. 2. 1888. S. 194. 33. Talma, Berl. klin. Wochenschr. 1895. S. 777. 34. F. A. Hoffmann. Schmidt 's Jahrbücher 233. 1892. S. 268. 35. Van den Velden, Deutsches Archiv f. klin. Medicin. 23. 1879. S. 369. 36. Danilewsky, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1880. S. 929. 37. Sjöqvist, Skandin. Arch. f. PhysioL 5. 1895. S. 277. 38. O. Cohnheim, Zeitschr. f. Biol. 33. 1896. S. 489. 39. Biigarszky und Liebermaan. Pflüger's Archiv. 72. 1898. S. 51. 40. Ai'i'henius. Zeitschr. f. physik. Chemie. 9. S. 487. 41. Walker, Zeitschr. f. physik. Ciiemie. 4. 18S9. S. 319. 42. Sjöqvist, Scandinav. Archiv f. Physiol. (>. 1895. S. 255. 43. Salkowskl und KumagaAva, Virchow's Archiv. 122. 1890. S. 235. Sal- kowski Daselbst. 127. 1892. S. 501. 44. Kossler, Zeitschr. f. physiol. Chemie, 17, 1893. S. 91, 45. Leo, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 27. 1889. S. 48. 46. C. Th. Mörner. Upsala Läk. förhandl. 24. 1889. S. 483. Vergl. auch Sjöqvist Zeitschr. f. physiol. Chemie. 13. 1889 S. 1 ; Berlin. Klin, Wochenschr. 1895. S. 777. 47. Kübel, Pflüger's Archiv. 7G. 1899. S. 276. 48. E. Grans, Verhandl. des 14. Congr. f. innere Medicin. Wiesbaden, J. F. Berg- mann. 1896. S. 449. Wir betreten hier ein neues Arbeitsgebiet, auf das zuerst Ostwald die Aufmerksamkeit der Mediciner zu lenken versuchte, indem er F. A. Hoffmann vorschlug, die Menge der im Magensaft vorhandenen „freien Salzsäure" nach einer auf physikalisch-chemischem Boden fassen- den Methode zu bestimmen. Diese Untersuchungen zogen jedoch die Aufmerksamkeit nur wenig auf sich. Es ist aber meine Ueberzeugung, dass sie bestimmt sind, einmal als den Anfang vieler neuer wichtiger Forschungen auf dem Gebiet der Verdauung und anderer im Körper sich abspielenden Processe, gewürdigt zu werden. Umfasst doch das betreffende Arbeitsgebiet u. a. I Katalyse. 465 nichts weniger als das Studium der katalytischen Processe, von denen C. Ludwig in seinem Lehrbuch der Physiologie einmal sagte: „Es dürfte leicht dahin kommen, dass die physiologische Chemie ein Theil der katalytischen würde." Der Begriff der Katalyse^) ist schon alt. Jeder weiss, dass bei der Sauerstoffbereitung aus KCIO3 ein Zusatz von Braunstein den Process ungemein beschleunigt, ohne dass aber von diesem Braunstein etwas verbraucht wird. Rohrzucker wird bei Anwesenheit von Wasser äusserst langsam in Dextrose und Lävulose umgewandelt. Wird aber Salzsäure hinzugefügt, so wird der Process in hohem Maasse befördert; es wird aber keine Salzsäure hierbei verbraucht. Stoffe, wie MnOg und HCl, nennt man in solchem Falle Katalysatoren. Auch bei der Magenver- dauung, d. h. bei der Umsetzung von Eiweiss durch Pepsin und Salz- säure, wirkt HCl als Katalysator. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die ausserordentliche Geschwindigkeit mit welcher, bei einer relativ niedrigen Temperatur, Substanzen im Tractus intestinalis umgesetzt und' in den Geweben oxydirt werden, katalytischen Beschleunigungen zuzu- schreiben ist. Es muss uns deshalb interessiren , wenn es auch zur Zeit noch nicht möglich ist, das Wesen der Katalyse zu entziffern, doch Näheres über den Reactionsverlauf bei katalytischen Processen kennen zu lernen und über die Factoren, welche sie beeinflussen können. In einem physikalisch-chemischen Theil will ich darum einige Hauptzüge aus diesem Thema vorführen. Man wird daraus ersehen, einen wie mächtigen Eintiuss die Arrhenius'sche lonenlehre auf die Förderung unserer Kenntnisse in dieser Richtung bereits ausgeübt hat. Leider sind die Verhältnisse im Körper auch hier wieder so viel verwickelter als in vitro. Während wir z. B. für Untersuchungen in vitro Katalysatoren wählen können, die nach Beschaffenheit und Menge unverändert bleiben, unterliegen die meisten Katalysatoren, um die es sich in vivo handelt, und unter diesen hebe ich insbesondere die Enzyme hervor, allmählich Zersetzungen (vergl. S. 475), so dass das Studium der von ihnen beein- flussten Processe, selbst ausserhalb des Körpers, meist mit grossen Schwierigkeiten verknüpft ist. Aber gerade deswegen ist es nöthig, dass man erst die Wirkung der anorganischen Katalysatoren kennen lernt, die eine derartige Zersetzung nicht erleiden. Mit grösstem Interesse wird deshalb der Mediciner die Unter- suchungen von B redig und seinen Mitarbeitern [38J verfolgt haben, denen zu Folge das colloidale Platin sich gegenüber HgOg wie ein I) Näheres darüber in Band III im Kapitel: Bemerkungen über Colloide und Fermente, sub 3, c und d. Hamburger, Osmot. Druck. 11. Band. 30 466 Reactions-Kinetik. wahres Enzym verhält, ja sogar durch Spuren HCN unwirksam ge- macht (vergiftet) werden kann. Aber das Gebiet, auf das ich in diesem Kapitel die Aufmerksam- keit lenken wollte, beschränkt sich nicht auf die Katalyse, dasselbe umfasst auch das Studium des Reactionsgleichgewichtes und des Reactions- verlaufes von andern chemischen Processen. Wenn irgendwo, so ist dieses Studium für das Leben von Bedeutung, nirgendwo aber so complicirt wie gerade da. Da ist alles in stetiger Bewegung, zu einem definitiven Gleichgewichtszustande kommt es nicht ; denn bereits während einer Reaction werden Producte resorbirt, während andere durch Absonderung wieder hinzukommen. Es ist deshalb von grosser Wichtigkeit, dass man den Zustand eines Systems in vitro zu jeder willkürlichen Zeit ermitteln kann, ebenso wie den Einfluss, den die Entfernung oder Hin- zufügung von Stoffen zu willkürlichen Zeiten, auf den Reactionsverlauf hat. Letztere Aufgabe aber hat selbst die reine physikalische Chemie noch kaum ins Auge gefasst. Ueberhaupt hat sie in Beziehung auf die Bearbeitung des Reactionsverlaufs und Reactionsgleichgewichts die Schwelle des Arbeitsgebietes kaum überschritten. Dennoch liegen, wie ein Blick auf die Jahrgänge der Zeitschrift für physikalische Chemie lehrt, bereits so viel Untersuchungen in dieser Richtung vor, dass ein Eingeweihter, der die zunächst hier folgenden physikalisch-chemischen Ausführungen sieht, geneigt sein wird, die Wiedergabe als ungenügend zu beurtheilen. Der Plan des Buches erlaubt aber nur eine nähere Besprechung derjenigen physikalisch-chemischen Gegenstände, die für medicinische Zwecke bereits angewendet worden sind. 1. Physikalisch-chemisches über den Reactionsverlauf. Die erste wissenschaftliche Theorie über die Vorgänge bei chemi- schen Reactionen wurde von dem schwedischen Forscher Bergmann aufgestellt und kann folgendermaassen ausgedrückt werden. Wenn der Stoff A grössere chemische Verwandtschaft zum Stoff B als zum Stoff" C hat, so wird C von B aus seinen Verbindungen mit A vollständig verdrängt. Die Massen der reagirenden Stoffe haben keinen Einfluss auf die Reaction. Durch die Arbeiten von Berthelot und vor Allem von den Nor- wegern Guldberg und Waage [2J ist man zu einer anderen Auf- fassung gekommen. Nach Guldberg und Waage hängt die chemische Reaction geradezu in hohem Maasse von den Massen ab. Das Gesetz der chemischen Massenwirkung sagt aus, dass bei chemi- Gesetz der Massenwirkung. 467 sehen Reactionen die chemische Wirkung der activen Masse der reagirenden Körper proportional ist. Die active Masse eines Stoffes ist die Menge desselben in der Voliimeneinheit (Concentration). Indessen ist die Masse nicht der einzige Factor, der die Reaction beherrscht, auch die Natur der Substanzen ist von grosser Bedeutung, ebenso auch die Temperatur. Letztere wollen wir vorläufig ausser Be- tracht lassen und nehmen an, dass die Reaction bei constanter Tem- peratur verläuft. Es sind nun zwei Fälle zu unterscheiden : 1. Es handelt sich nur um eine Substanz : der Fall, in dem ein Molekül eines Stoffes eine Zer- setzung oder intramoleculare Atomverschiebung erleidet; 2. zwei Ver- bindungen wirken auf einander ein. Im ersten Fall spricht man von einer monomolecularen, im zweiten von einer bimolecularen Reaction (van't Hoff), Es kommen auch trimoleculare Reactionen vor; aber darüber sprechen wir hier nicht. a) Monomoleculare Reaction. Zu den monomolecularen Reactionen gehört die Zersetzung eines Moleküls durch Hitze ; z. B. von As H3 in Arsen und Wasserstoff. Denken wir uns, der Zersetzungsprocess habe bereits begonnen und demnach die Concentration C ein wenig abgenommen. In der Mathe- matik ist man gewöhnt, solch eine verschwindend kleine Abnahme durch Vorsetzung von ,,d" (differential) auszudrücken. C nimmt dann um dC ab. Dies sei in einem sehr kleinen Zeitabschnitt dt geschehen. Somit ist die Concentrationsabnahme in der Zeiteinheit, auch dC genannt die Reaction sgesch windig keit, ^~. Von welchen Fac- toren hängt diese ab? Wie gesagt, hängt diese nach Guldberg und Waage von der Totalmenge der zersetzbaren Verbindungsmasse, d. h. hier von der Con- centration C, und weiter von einer Constanten k ab, die von der Natur des Stoffes abhängig ist. k nennt man die GresclLwindigkeitsconstante oder Reaetionsconstaiite f=kC. dt Man kann diese (Irösse k als die Reactionsgeschwindigkeit bei der Concentration C ^ 1 definiren, denn ersetzt man in ober Formel C durch 1, so wird L dt 30* so ist — / -p-= / kdt 468 Reactions-Kinetik. k ist, wie wir noch weiter sehen werden, von hervor- ragender Bedeutung. Eigentlich muss das erste GHed ein negatives Zeichen haben, da bei zunehmender Zeit die Concentration abnimmt. dC Die richtige Formel ist somit — 37 ^= kC. Die Aufgabe ist nun, k unter verschiedenen Ver suclis- bedingungen, z. B. bei Gegenwart verschiedenartiger Stoffe, durch das Experiment kennen zu lernen. Es ist jedoch nicht möglich einen Versuch auszuführen, der unend- lich kurze Zeit (dt) dauert. Die Integralrechnung lehrt uns aber, in welcher Weise man die unendlich geringen Concentrationsänderungen dC in unendlich kleinen Zeiten dt summiren und daraus auf die endliche Con- centrationsänderung in einer bestimmten, endlichen Zeit schliessen kann. dC Schreibt man die Gleichung: — j^ = kdt / — 1 C = kt + Constans. In diesem durch Integration (Summirung, daher das Zeichen/) erhaltenen Ausdruck , wo 1 C den natürlichen Logarithmus von C be- deutet, hat man es mit endlichen Grössen zu thun. Ist nun z. B. die gemessene Concentration zur Zeit t^ gleich C^ und zur Zeit t2 gleich Cg so gelten die Gleichungen — ICi = kti -]- Constans und — IC2 = ktg -j- Constans. Subtrahirt man die erste Gleichung von der zweiten, so findet man -lC2 + lCi=k(t2-ti) k = ]zl ... (1) tg tj L 2 Wir haben also, um die von der Natur des Stoffes ab- hängige Geschwindigkeitsconstante kennen zu lernen, nur die Concentr ationen der noch von Zersetzung frei ge- bliebenen Substanz zur Zeit t^ und tg zu ermitteln. Man kann letztere Gleichung auch ein wenig anders ausdrücken. Bezeichnet man die Anfangsconcentration zur Zeit t = 0, d. h. vor der Monomoleculare Reaction. 469 Zersetzung, mit A und ist die der zur Zeit ti umgewandelten Menge entsprechende Concentration x^, so ist zu dieser Zeit die Concentration der noch vorhandenen Menge A — x^; dieser Wert wurde soeben C^ ge- nannt. Ist die zersetzte Menge zur Zeit tg gleich Xg, so ist A — Xg =03. Gleichung 1 nimmt die folgende Gestalt an. k= ^r^^4^^^^^ (1^) lg Ij A — Xg in welcher tg und t^ die Beobachtungszeiten, A die Anfangsconcentration des sich zersetzenden Stoffes Xj und Xg die Concentration des bereits zersetzten Stoffes zur Zeit t^ und tg angeben. Diese Formel werden wir unten benutzen, jedoch in noch etwas vereinfachter Form. Zählen wir nämlich t^ als Nullpunkt des Ver- suches, d. h. fängt hier der Versuch an und ist demgemäss die Um- setzung noch 0, so wird die Gleichung: k :=il , ^ . . (Ib). lg A. Xg Ostwald [4] hat — um andern Forschern die Benutzung dieser Formel zu erleichtern — für den Ausdruck 1 — jedesmal den Werth berechnet, wenn A und X2 durch den Versuch bekannt geworden sind. A Nun lässt sich 1 -r wenn man Zähler und Nenner durch A dividirt A— X2 schreiben : 'Y^=>'-'('-^)--'hx)- A Für jeden Werth von —^ zwischen 0,001 und 0.999 lässt sich der Werth A von 1 ~ unmittelbar aus der Tabelle entnehmen. Da diese Tabelle die Arbeit A— X2 ungemein erleichtert, drucke ich sie am Schlüsse des vorliegenden physikalisch- chemischen Theiles (sub i) ab. Schliesslich noch eine Bemerkung. Die hier abgeleiteten Formeln (1, la, Ib) sind alle ausgedrückt in natürlichen Logarithmen. Meistens gebraucht man aber die Brigg 'sehen, die nicht wie die natürlichen mit „1", sondern mit ^log" bezeichnet werden. Ostwald hat nun in seiner Tabelle nicht 1 (1 — a^ ) ' sondern log 1 1 — —^-- 1 berechnet. Bekanntlich besteht aber zwischen beiden Logarithmenwerthen ein einfaches Verhältniss = 1 : 2,3025, sodass die aus den Tabellen berechneten k-Werthe 2.3025 mal zu klein sind. Das ist aber in den uns interessirenden Fragen ohne Bedeutung; denn es handelt sich nur um Verhältnisszahlen. Den Gebrauch von Formel und Tabelle werde ich nuten an einem Beispiele erläutern. 470 Reactions-Kinetik. b) Bimoleculare Reactioii. Findet ein chemischer Process statt, in welchen zwei Molecüle mit einander reagiren , so nennt man, wie gesagt, diesen Vorgang eine bimoleculare Reaction. Ich wähle als Beispiel die Verseifung von Aethylacetat mittelst Natron. Diesen Vorgang kann man durch folgende Gleichung dar- stellen. CH3 . COO (Cg H5) -|- Na OH = CH3 . COO Na + C^ H5 . OH Aethylacetat Natron Natriumacetat Aethylalcohol. Bezeichnen wir die molare Concentration des Aethylacetats mit C^ und die des Natrons mit Cg, so wird die Concentration des Aethylacetats in einem sehr kurzen Zeitverlauf dt um dCi abnehmen. In der Zeit- dC einheit ist diese Abnahme also — ,-- ; es stellt dieser Ausdruck demnach dt die Umsetzungsgeschwindigkeit des Aethylacetats vor. Diese hängt nun von folgenden Factoren ab 1. von der Concen- tration Cj und C2 der beiden Substanzen, die auf einander einwirken. Denn je grösser die Concentrationen sind, um so grösser ist die Zahl der Zusammenstösse der Moleküle Aethylacetat und Natronlauge und um so grösser auch die Chance der Wechselwirkung in der Zeiteinheit; 2. von einer Geschwindigkeitsconstante k,, die, bei constanter Temjieratur, bloss von der Natur der beiden Substanzen abhängig ist. Folglich gelten die Gleichungen : dC Tr'=kiCiC2 (für die Geschwindigkeit der Aethylacetatsum- Q u Setzung) dC und T^ = kiCiC2 (für die Geschwindigkeit der Na OH-Ab- nahme). Denkt man sich, dass beide Substanzen in äquivalenter Menge in der Flüssigkeit zugegen sind, so ist C\ = C2 und gilt für die Ab- nahme-Geschwindigkeit der Concentration beider Substanzen dC j^ = ki Ci Ci oder ganz allgemein (XXi — — — kC2 dt ~^^ • Integrirt man diese Diiferentialgleichung, d. h. berechnet man die Summe der Quotienten -^r , so ergiebt sich dt Bimoleculare Reaction. 471 z= kt, -f- Constans. Für die willkürlichen Zeiten t' und t" wird diese Gleichung >,7 ^ k t' -|- Constans und ,:^j, = k t" -\- (yonstans (Subtraction !) 1 1 , , (T,^ qT — k (t t ) Diese Gleichung lässt sich in folgender Weise umrechnen C' — C" C'C = k (t" — t') ^ rj/ rj// oder k = p;--^X-^rc/7- (2) Die Geschwindigkeitsconstante k lässt sich berechnen, wenn durch den Versuch C und C" in der Zeit t' und t" festgestellt wird. Auf gleiche Weise wie Gleichung (1) lässt sich auch Gleichung (2) in anderer Gestalt schreiben, indem man für C', A — x' und für C", A — x" setzt. u^ 1 (A-xO-(A-x-0 t" — t'^ (A — x')(A — x") 1 x'' — x' ^ "^ Tu 17 X t" — t"^^{A — x')(A-x") t'^_t'VA-x" A — x' Die Gleichung sagt also aus, wie man bei einer bimolecularen Reaction die Umsetzungsgeschwindigkeit k berechnen kann, wenn die moleculare Anfangsconcentration A der beiden Verbindungen und die um- gewandelten Mengen x' und x" zur Zeit t' und i" bekannt sind. c) Einfliiss der Temperatur auf die Reactionsgeschwindigkeit. Wir haben bis jetzt den Einfluss der Temperatur auf die Re- actionsgeschwindigkeit nicht berücksichtigt. Doch legte ich Nachdruck darauf, dass die Geschwindigkeitsconstante k für eine bestimmte Tem- peratur gilt, die während der Reaction constant bleibt. Es ist nun die Frage, ob und wie sich diese Constante mit der Temperatur ändert. 472 Reactions-Kinetik. Van 't Ho ff [5] hat dafür eine einfache Beziehung gegeben, die von Arrhenius noch weiter vereinfacht ist und für unsere Zwecke vorläufig als genügend betrachtet werden darf. Sie lautet: 1 k = T^ ~l~ Constans [3] D. h. der natürliche Logarithmus der Geschwindigkeitsconstante k A ist gleich — ^. Hierin ist A eine Constante und T die absolute Tem- peratur, d. h. die Celsius-Temperatur -f 273 ". Um also k bei einer will- kürlichen Temperatur zu berechnen, hat man zuvor A und die andere Constante fest zu stellen. Hierzu ermittelt man die Geschwindigkeitsconstante k bei der Temperatur T, und die Geschwindigkeitsconstante kg bei der Temperatur Tg. Man bekommt dann zwei Gleichungen mit 2 Unbekannten: A und die Constante, die daraus abgeleitet werden können. Ist das geschehen, so kann man ohne Schwierigkeit für jede Temperatur T die entsprechende Constante k berechnen. Folgendes Beispiel möge das erläutern. War der [6] hat die oben besprochene Verseifungsgeschwindigkeit des Aethyl- acetats durch Natron bei verschiedenen Temperaturen bestimmt und die erhaltenen Zahlen an den berechneten geprüft. So bestimmt er die Geschwindigkeitsconstante k bei 7,2" zu 1,92 und bei 34,0° auf 10,92. Die der Temperatur von 7,2" entsprechende absolute Temperatur ist 7,2 + 273 = 280,2° und die der Temperatur von 34,0 " entsprechende 34 + 273 = 307". Wir erhalten also die 2 Gleichungen: 1 1,92 = — 23^2+ Constans (bei 7,20) 110,92 = — „^-- + Constans (bei 34,0°) Zieht man die obere von der untern ab, so bekommt man 110,92- 11,92 = ggA^^_^ Um die natürlichen Logarithmen in den mehr üblichen Brigg'schen auszudrücken, muss man das erste Glied mit 2,3025 multipliciren 26,8 A 2,3025 (log 10,92 — log 1,92) = 2,3025X0,75492 = 280,2 X 307 26^^ 86021 A = 5579. Setzt man A = 5579 in Gleichung: 1 10,92 = — ^Tr= -|- Constans ein, so er- giebt sich die Constante = 20,562. Geschwindigkeitsconstante bei verschiedener Temperatur. 473 Die van t'H o f f-Arrhenius'sche Gleichung für die Verseif ungsreaction des Aethylacetats mittelst Natronlauge nimmt hiernach folgende Gestalt an. lk = - ^^^ + 20,562 Will man z. B. die Geschwindigkeitsconstante für die Temperatur 37,7" be- rechnen, so ist '•"37,7. -=278f8„ +20,562 oder 2,3025 log ky^ 7» = - ^f^~^^ + 20,562 k bei 37,7" = 13,9. Aus nachstehender Tabelle geht hervor, wje gut sich die van 'tHoff- Arrhenius'sche Formel zur Berechnung der Reactionsgeschwindigkeiten bei ver- schiedenen Temperaturen eignet. Temperatur k (beobachtet) k (berechnet) 3,6 1,42 1,48 5,5 1,68 1,70 11 2,56 2,51 12,7 2,87 2,82 19,3 4,57 4,38 20,9 4,99 4,86 23,6 6,01 5,78 27,0 7,24 7,16 28,4 8,03 7,81 30,4 8,88 8,82 32,9 9,87 10,24 35,0 11,69 11,60 37,7 13,41 13,59 Der Reactionsablauf bei willkürlicher constanter Temperatur wird durch Anwenden des Thermostaten mit Temperaturregulirungsvorrichtung erzielt, von welch' Letzterer in Bd. I S. 111 bereits die Rede war. Die Kenntniss des Einflusses der Temperatur auf die Geschwin- digkeitsconstante ist von hervorragender Bedeutung. Viele Vorgänge verlaufen unter den Verhältnissen, wie sie im täglichen Leben vor- kommen, d. h. also bei Temperaturen zwischen 0° und 25° sehr langsam, unter Umständen so langsam, dass man die Umwandlung mit den ge- wöhnlichen analytischen Hilfsmitteln nicht nachweisen kann. In Folge dessen hat man in solchen Fällen geglaubt, dass die betreffende Um- wandlung gar nicht stattfinden könne. Dass aber thatsächlich doch eine Keaction stattfindet , lässt sich nachweisen, wenn man nur die Beobachtungszeit entsprechend verlängert. Es fallen dann die Mengen 474 Reactions-Kinetik. der umgewandelten Stoffe endlich innerhalb des Messbereichs unserer analytischen Methoden. In deutlicher Weise zeigt sich der Eintiuss der Temperatur u. A. bei der Wirkung der Fermente. Auch hier sieht man bei Steigerung der Temperatur die Reactionsgeschwindigkeit zunehmen. Indessen giebt es eine Grenze, jenseits deren die Reactionsgeschwindigkeit meist schnell abfällt. Nach Untersuchungen von Beyerinck [7] liegt das Temperaturoptimum für das Indigoenzym aus Indigofera leptostachya bei 61", aus Polygonium tinctorium bei SS'", bei Phajus grandiflorus bei 42° und aus Saccharomyces sphaericus bei 44°. Diese Optimumtemperatur ist nicht für jedes Ferment stets die- selbe, sondern hängt mit den Eigenschaften des Mediums, in welchem das Ferment seine Wirkung ausübt, zusammen. Der Grund des Abfalls der Reactionsgeschwindigkeit oberhalb einer gewissen Temperatur wird wohl in der Zersetzung zu suchen sein, welcher das Ferment bei der weiteren Temperaturerhöhung unterliegt. tl) Eiiifluss des Mediums auf die ReactiousgescUwiudigkeit. Von vornherein lässt es sich erwarten, dass die Reactionsge- schwindigkeit in verschiedenen Medien in Folge des verschiedenen me- chanischen Hindernisses ungleich sein wird, was die in chemischer Wechselwirkung tretenden Molecüle doch empfinden müssen. In der That hat dann auch Mens chutk in (8) gefunden, dass die Geschwindig- keit, mit welcher die Reaction N(C.3H5)3 + C,H5J = NCC^Hs) J Triäthylamin Jodäthyl Tetraäthylammoniumjodid bei 100 " in den in nachstehender Tabelle angegebenen indifferenten Medien ver- läuft, eine sehr verschiedene ist. In dieser Tabelle ist die Geschwindigkeit in Hexan gleich 1 gesetzt worden. Name des Mediums Geschwindigkeit Hexan 1 Benzol 38,2 Brombenzol 150 Aceton 337,7 Benzylalkohol 742 Dagegen übt, wie E. Cohen [9] fand, bei Gasreactionen das Medium keinen Einfluss aus. Ob sich Arsenwasserstoff bei Gegenwart von Stickstoff oder von Wasserstoff zersetzt, in beiden Fällen findet der Vorgang mit derselben Geschwindigkeit statt. Was aber in viel höherem Maasse unerwartet erscheinen muss, ist die Beobachtung Reformatsky 's [10], dass Reactionen in i Medium und Reactionsgeschwindigkeit. 475 fester Agar- Agargallerte mit derselben Geschwindigkeit verlaufen wie in reinem Wasser. Uebrigens ist dieses Ergebniss in völliger Uebereinstimmung mit der Thatsache, dass, wie bereits Graham (18(52) dargethan hat, die Diffusion gelöster Stoffe in Agar- Agar mit derselben Geschwindigkeit vor sich geht, wie in wässerigen Lösungen unter im Uebrigen gleichen Verhältnissen. Aehnliches fanden auch Voigtländer [11] und Lottermoser |12]. Welche Tragweite diese Beobachtungen für die Vor- gänge im thierischen Organismus haben, wo die Reactions- orte doch gross tentheils gallertige Medien sind, braucht nicht weiter hervorgehoben zu werden. Es liegt auf der Hand, dass diese Thatsachen nur Giltigkeit be- sitzen können, wenn das Medium mit den in Keaction tretenden oder diffundirenden Stoffen nicht in chemischer Wechselwirkung steht. e) Coinplicationeii bei der kattilytischeu Wirkung orgauiselier Fermente. Hat man es bei der Rohrzuckerinversion mittelst HCl mit einer einfachen katalytischen Wirkung zu thun, wobei nach Palma er s Unter- suchungen [13] die Umsetzung innerhalb weiter Grenzen mit der Con- centration der H -Ionen proportional ist und während des ganzen Pro- cesses diese Concentration sich nicht ändert, so liegt die Sache com- plicirter, wenn die katalytische Wirkung statt durch eine Mineralsäure durch ein organisches Ferment herbeigeführt wird. Denn erstens kann dabei das Ferment während des Processes einer Zersetzung unterliegen und erfährt demnach die katalysirende Substanz eine Verminderung, zweitens stellt sich heraus, dass, selbst wenn man eine erhebliche Menge des Fermentes benutzt, um diesen Einfluss möglichst zu eliminiren, die Zersetzungsproducte des Fermentes, sowie auch die der zersetzten Ver- bindung selbst, den weiteren Verlauf hemmen oder beschleunigen (vergl. die Zusammenstellungen von Duclaux [14] und C. Oppenheimer [15]). Im Allgemeinen hat es sich denn auch herausgestellt, dass der Reactionsverlauf durch organische Fermente sich nicht durch eine so ein- fache Gleichung vorstellen lässt, wie derjenige durch anorganische Kataly- satoren. Ich komme im elften Kapitel : ,, Bemerkungen über Colloide und Fermente sub 3 ausführlicher darauf zurück. Noch viel complicirter liegen die Verhältnisse in vivo, wo während des Umwandlungsprocesses einerseits Zutritt von neugebildeten Enzym, andererseits Resorption von Enzym und Zersetzungsproducten stattfindet. 476 Reactions-Kinetik. Was Letzteres bedeutet, möge aus Folgendem hervorgehen. Wenn man nach Tammann [16] das Glykosid Salicin dem Ein- fluss des Enzymes Emulsin aussetzt, so bleibt bei 26 ° die Umsetzung in Saligenin und Glukose stehen, nachdem 83 •'/o des Salicins umgewandelt worden ist. Schüttelt man dann aber eines der Reactionsprodukte, das Saligenin, mittelst Aether aus, so kommt die Reaction wieder in Gang und nach 24 Stunden ist die ganze Menge des Salicins umgewandelt. f) Das Gleichgewicht bei umkehrbaren Reactioiien. Bringt man zwei Verbindungen, die eine chemische Umsetzung eingehen können, mit einander in Berührung , so tritt eine Reaction ein, die nach kürzerer oder längerer Zeit ihr Ende erreicht; das System steht dann in chemischem Gleichgewicht. Bringt man z. B. Essigsäure und Aethylalkohol in äquivalenten Mengen zusammen, so findet eine Reaction statt, die in folgender Gleichung ihren Ausdruck findet: CH3COOH + C2H5OH -= CH3COOC2H5 + H2O Essigsäure Aethylalkohol Aethylacetat Wasser. Bringt man dagegen umgekehrt Aethylacetat mit Wasser in äqui- valenten Mengen zusammen, so entstehen Aethylalkohol und Essigsäure. Thatsächlich finden beide Reactionen statt, aber unvollständig. Es bildet sich ein Gleichgewichtszustand, den man nach van 'tHoff durch folgendes Symbol ausdrücken kann : CH3COOH + C2H5OH ^ CH3COOC2H5 + H2O. Eine derartige Reaction, die sowohl von links nach rechts wie von rechts nach links verlaufen kann, nennt man eine umkehrbare oder reversible. Wenn das Gleichgewicht eingetreten ist, sind demnach 4 Stoffe neben einander zugegen. Das Mengenverhältniss ist von verschiedenen Umständen abhängig, von Temperatur, Verdünnung u. s. w., aber ganz unabhängig davon, von welcher Seite her das Gleichgewicht erreicht wird. Ob man 1 Mol. Essigsäure zu 1 Mol. Alkohol hinzusetzt oder 1 Mol. Aethylacetat mit 1 Mol. Wasser vermischt, der Endzustand ist derselbe. Der hier beschriebene Fall bildet keineswegs eine Ausnahme. Im Gegentheil, man darf behaupten, dass alle Reactionen umkehrbare sind. Es kommt aber vor, dass das eine System dermassen in den Vorder- grund tritt, dass man die Anwesenheit des zweiten Systems durch die zur Verfügung stehenden analytischen Mittel nicht mehr zu entdecken Umkehrbare Reactionen. 477 vermag. Wenn man z. B. äquivalente Mengen Schwefelsäure und Natron- lauge zusammenfügt, so entsteht Na2S04 und HgO und diese Umsetzung sind wir gewohnt als vollständig anzusehen. Doch giebt es Gründe, anzunehmen, dass auch die entgegengesetzte Reaction sich abspielt, also : NagSO^ + H2O = 2 NaOH + H^SO^. Die Mengen Natronlauge und Schwefelsäure sind jedoch so gering, dass unsere analytischen Hilfsmittel zum Nachweis dieser Stoffe uns im Stich lassen. Man kann aber wohl sagen, dass mit fortschreitender Ausbildung der analytischen Methoden die Anzahl der ftir uns als deut- lich umkehrbar sich manifestir enden Reaktionen zunehmen wird. Bei dieser Anschauung wird auch die Freimachung einer sogenannten starken Säure wie Salzsäure durch Einwirkung einer schwachen Säure, wie Kohlensäure, verständlich. Man kann diese Erscheinung in folgender Weise zum Ausdruck bringen : NaCl + H2 CO3 ^ Na HCO3 + HCl. Es ist nun die Frage, wenn zwei Stoffe miteinander in chemische Wechselwirkung getreten sind, ob es möglich ist festzustellen, wie viel von jeder der vier jetzt an- wesenden Substanzen vorhanden ist. Natürlich denken wir an ein System, das sich als ein reversibles deutlich offenbart und nehmen als Beispiel wieder das System Essigsäure und Alkohol : CH3 COO H + CaH^OHit CH3COOC2H5 + H2O. Die Umsetzungsgeschwindigkeit S zwischen Essigsäure und Alkohol wird nach dem Guldberg-Waage'schen Massengesetz in erster Linie bedingt durch die Concentration der beiden Substanzen; Csäure und C Alkohol Das liegt auch auf der Hand; denn je grösser die Concen- tration um so grösser ist die Anzahl Begegnungen in der Zeiteinheit. Weiter hängt die Umsetzungsgeschwindigkeit von der Natur der auf einander einwirkenden Stoffe, also von einer Constante k^ ab. Lassen wir also Essigsäure und Alkohol auf einander einwirken, so wird die Umsetzungsgeschwindigkeit S^ ausgedrückt durch; Si ^^ kj X C Säure X C Alkohol. Gleichzeitig mit dieser Reaction verläuft die entgegengesetzte mit einer Geschwindigkeit S2, die ausgedrückt wird durch S2 = kg X C Ester X C Wasser- 478 Reactiona-Kinetik. Wenn die beiden entgegengesetzten Reactionen einander in Gleich- gewicht halten, ist Also kl X C Säure X C Alkohol = kg X C Ester X C Wasser kl L- Ester X ^-^ Wasser /q\ k2 ^ Säure X v.^ Alkohol Dieses Verhältnis zwischen den zwei Geschwindigkeitscon- stanten k^ und kg nennt man Gleich gewichtsconstante. Die- selbe wird gewöhnlich mit K bezeichnet. K = ,— ; also K^ Ester X '^Wasser /o \ = 7^ r77s (3a) '^ Säure A V^ Alkohol Aus dieser Gleichung ersieht man, dass nach Eintritt des Gleichgewichtes ein bestimmtes Verhältniss (K) zwischen den Producten der Concentrationen der reagirenden Stoffe besteht. Es lehrt dann das Experiment, dass beim Vermischen äquivalenter Mengen Essigsäure und Alkohol das Gleichgewicht eintritt, wenn ^/s jedes der beiden Stoffe umgesetzt ist, also Vs der Säure und des Alko- hols noch übrig sind. Ist C die ursprüngliche Concentration der Säure und des Alkohols, so ist _ ^/3CX =^/3 C _ ^^"VsCxV^c Nun wird es aber im Körper wohl selten vorkommen, dass die Stoffe gerade in äquivalenten Mengen vorhanden sind. Wir fragen also: Wenn 1 Molekül Essigsäure nicht mit 1 sondern mit a Molekülen Alkohol zusammengebracht wird, wie viel Säure wird dann umgesetzt sein wenn Gleichgewicht ein- getreten ist? Wenn nach Eintritt des Gleichgewichtszustandes b Moleküle Essig- säure umgesetzt sind, so ist, da ursprünglich 1 Molekül Essigsäure zu- gegen war: die Concentration der Säure : C säure ^1 — b „ „ des Alkohols: CAikohoi =a — b „ „ des Esters : C Ester = b „ „ des Wassers : C wasser = b 1) Vergl. über die Berechnung der Geschwindigkeit mit der ein System dem Endzustand zustrebt, d. h. den Gleichgewichtszustand erreicht, in dem Si = S, geworden ist, das Kapitel (in Band III) über CoUoide und Fermente, sub 3 d. 1 Umkehrbare Reactionen. Dissociation. 470 Gleichung (3a) wird dann bXb K = (1— b)(a— b) (1— b)(a — b) k Da aber K = — -, als Ausdruck für das Verhältniss der Geschwin- digkeitsconstanten, von der Concentration der reagirenden Substanzen unabhängig ist, muss b2 (l-b)(a-b) Hieraus berechnet sich = 4 sein. 2 b=-^(a + l— Va^ — a+1) in welcher Gleichung also b die Zahl der umgesetzten Essigsäure-Mole- küle ist, wenn a die Zahl der vorhandenen Alkoholmoleküle war. g) Das Gleichgewicht bei einer theihveise dissociirten Verbindung^. Wir wollen jetzt das Massenwirkungsgesetz auf die elektrolytische Dissociation anwenden. Löst man Essigsäure in Wasser auf, so zerfällt dieselbe zu einem bestimmten Theil in die Ionen CH3 COO' und H'. Wir wissen nun, dass die Ionen sich wie selbstständige Molecüle verhalten. Es besteht ein bewegliches Gleichgewicht, sobald ebenso viele neue Essigsäure- Moleküle sich in Ionen spalten, wie sich aus den Ionen bilden. Ent- sprechend den oben entwickelten Betrachtungen (Seite 477) über die Umsetzungsgeschwindigkeit von Essigsäure und Alkohol, muss hier für den Gleichgewichtszustand folgende Gleichung gelten: kiCcHs COOK «^ kg CcHs 000' X Ch- Diese Gleichung sagt aus: die Geschwindigkeit, mit welcher das undissocirte Molekül Essigsäure in seine Ionen zerfällt und die ausge- drückt wird durch das Product von Geschwindigkeitsconstante k^ und Concentration der vorhandenen Essigsäure (Cchscooh) ist gleich der Ge- schwindigkeit, mit der die Ionen sich wieder mit einander vereinigen, und diese Geschwindigkeit wird ausgedrückt durch das Product der Geschwindigkeitsconstante kg mit den Concentrationen der beiden Ionen GCH3C00' und Ch-. CcHj COOK stellt dann die Molekülzahl in Grammen (Molenzahl) pro Liter, CcHjCgo' und Ch- die lonenzahl in Grammen pro Liter vor. 480 Reactions-Kinetik. Aus der soeben aufgestellten Gleichung folgt: % ^-^CHjCGOH ^2 -rr CcHj COo' X Ch- Ji= p '^ CHj COGH Da nun auf jedes CHgCOO'-Ion ein H-Ion vorbanden ist, also CcHj COO' = Ch- 5 ist CcHs COO' X Ch- = C^H-. Die Gleichung nimmt also folgende Form an: K = CcHj COOH Man kann dieselbe in eine andere Form bringen. Man denke sich ein Mol Essigsäure in V Liter Wasser gelöst; der dissociirte Theil be- trage a : es ist dann der Theil 1 — a undissociirt. Derselbe ist in V Litern vorhanden, also ist seine Concentration —^ — . Nun stellt in der Gleichung, CcHg cooh die Concentration des undissocirten Theiles vor, also ist CcHaCooH = — TT— ; in derselben Weise ist die Concentration des dissociirten Theiles Ch =-^5 somit C^h- =^. Also wird K = l_a V(l-a) Kennt man die Gleichgewichtconstante, oder wie man hier auch sagt, Dissociationsconstante (K), so kann man bei jeder Ver- dünnung (V) den Dissociationsgrad a berechnen. Das ist das Ost- wald'scheVerdünnungsgesetz, das indessen nur für schwache dissociirte Elektrolyte Giltigkeit besitzt [17J. Früher haben wir gesehen (Bd. I, S. 8) dass der Dissociationsgrad a eines Elektrolyten sich auch durch — ^ ausdrücken lässt [Ay bedeutet die Leitfähigkeit bei der Verdünnung v und yl die bei unendlicher Ver- dünnung, d. h. wenn die Substanz vollständig in ihre Ionen gespal- ten ist). Ostwal d's Verdünnungsgesetz. 481 Fügt man diesen Werth in obige Formel ein, so bekommt man Woo / Ostwald hat bei einigen Hunderten organischen Säuren die Grösse A^ bei verschiedenen Verdünnungen V ermittelt, und die Werthe in Formel 4a eingesetzt fl8]. Der hieraus berechnete K-Werth zeigte sich für eine und die- selbe Säure bei verschiedenen Verdünnungen als constant und ist ein Maass für ihre Affinität. Daher wird K auch Affinitätsconstante genannt. (Vergl. Bd. 1 S. 59 ^^Affinität und Dissociation.^'^). Auch konnte Ostwald umgekehrt auf diese Weise die Richtigkeit von Gleichung 4 nachweisen. In gleichem Sinne hat auch B red ig [19] ausführlich gearbeitet (vergl. auch Bd. 1 S. 44). li) Das (Gleichgewicht bei einer theilweise hydrolytisch gespaltenen Verbindung. Grad der Hydrolyse. Dissociationsconstante des Wassers. Von mehreren Seiten (Kohlrausch und Heydweiller, Ost- wald, Arrhenius, B redig und Wijs) ist auf ganz verschiedenem Wege der Nachweis geliefert worden, dass Wasser dissociationsfähig ist, und sich in H' und OH'-Ionen spalten kann. Handelt es sich um reines Wasser, so ist der Betrag dieser Dissociation äusserst gering; unter bestimmten Bedingungen kann derselbe jedoch sehr bedeutend werden, wenn nämlich ein Salz mit schwacher Base oder schwacher Säure in Wasser gelöst ist. Nehmen wir als Beispiel KCN, ein Salz mit starker Base und schwacher Säure. Dieses Salz reagirt stark alkalisch. Das geht aus folgender Gleichung hervor: KCN -f HÖH -^ KOH + HCN. Diese Gleichung sagt aus, dass sich unter dem Einfluss von Wasser KOH und HCN bildet. Einen derartigen Vorgang nennt man hydro- lytische Spaltung oder Hydrolyse. Bekanntlich ist das entstandene KOH eine starke Base, das entstandene HCN aber eine schwache Säure, was in physikalisch-chemischer Sprache ausgedrückt, sagen will, dass KOH bereits bei viel geringerer Verdünnung in seine Ionen K' und OH' gespalten ist, als das HCN in seine Ionen H' und CN'. Nun bedingt das Ion OH' die alkalische Hamburger, Osmot. Druck. II. Band. 31 482 Reactions-Kinetik. Reaction und das Ion H' die saure. Durch die viel grössere Concen- tration der OH'-Ionen gegenüber derjenigen der H-Ionen wird das Ge- misch stärker alkalisch reagiren als sauer, also schliesslich alkalisch. Indessen wird nicht alles KCN in dieser Weise zersetzt. Es kommt in der wässrigen Lösung auch noch unzersetztes KCN und un- zersetztes Wasser vor. Wie viel von jeder Substanz in der Flüssigkeit vorhanden ist, hängt von der Temperatur, von der relativen Menge des angewandten KCN und des Wassers ab u. s. w. Es handelt sich hier um einen Zustand von beweglichem Gleichgewicht , um eine umkehr- bare Reaction. Man verleiht dieser Thatsache Ausdruck, indem man die beiden Seiten der Reactionsgleichung nicht durch ein Gleichheits- zeichen (=), sondern durch zwei entgegengesetzt gerichtete Pfeile (^) trennt. Es ist nicht schwer den Gleichgewichtszustand in einer Formel auszudrücken. Das Wesentliche der hydrolytischen Spaltung kann nämlich in unserem Falle ausgedrückt werden durch : CN'+HaO^tHCN + OH' (A) Diese Reaction ist in zwei Theile zu zerlegen; erstens spaltet sich das HgO in die Ionen H" und OH' nach dem Schema HgO :^ H- -f OH' (a) Weiter gesellt sich zu diesem System CN' hinzu und es spielt sich folgende Reaction ab : H--fCN'^HCN (b) Wir müssen nun beide Reactionen unter eine Formel vereinigen und beginnen mit b. Es herrscht hier ein Gleichgewichtszustand in einer theilweise dissociirten Verbindung, für den oben auf S. 479 bereits eine Formel angegeben ist. Auf HCN übertragen lautet dieselbe CcN' X Ch- rr — p = ^• Die andere Reaction (a), um welche es sich hier handelt, ist an ein ähnliches Product gebunden: Ch-XCoh' = K' Diese Formel sagt aus, dass in Wasser oder in einer wässerigen Lösung das Product der Concentrationen der darin vorhandenen freien H' und OH'-Ionen constant ist. Ich werde diesen Ausdruck am Ende des Paragraphen ableiten und erwähne hier nur, dass K' bei 18" 0,64 X 10~^*^ beträgt. Hydrolyse. 483 Dividirt man letztere Gleichung durch die erste, so bekommt man Ch- X Cqh' _ K' , CcK- X Ca- - K ' ^"^'"^ Chcn Chcn X Cqh' _ K^ CcN' K Da, wie aus der Reactionsgleichung (A) hervorgeht, ebensoviel Moleküle HCN wie OH' auftreten, ist Chcn = Coh- , also CW _K^ CcN' K* Nimmt man an, dass es sich hier um eine sehr verdünnte KCN- Lösung handelt, so darf man statt der Concentration der Cyanionen, annähernd die Concentration des aufgelösten Cyankaliums setzen, also CW ^K^ Ckcn K Es leuchtet ein, dass diese Formel auch ein Mittel an die Hand giebt, die Concentration der OH'-Ionen, d. h. den Grad der Hydrolyse zu ermitteln. Ckcn ist selbstverständlich bekannt ; es ist die moleculare Concentration des gebrauchten Cyankaliums, K' ist die Dissociations- constante des Wassers und ist, wie gesagt, auch bekannt. Nur K, die Dissociationsconstante von HCN ist unbekannt, aber sie kann aus Formel 4a mittelst Leitfähigkeitsbestimmung ermittelt werden. Der Bequemlichkeit halber habe ich die Formel für die hydrolytische Spaltung von KCN abgeleitet. Sie ist unmittelbar zu verallgemeinern, wenn statt CN' ein willkürliches Anion a' gesetzt wird. Sie wird dann: CW_Kl /rN ~g7~k ^ ^ in welcher also C^oh' das Quadrat der OH'-Ionen Concentration, Ca- die Concentration der Anionen des gebrauchten Salzes, Kj die Dissociations- (Gleichgewichts-)Constante des Wassers und K die Dissociations-(Gleichge- wichts-)Constante der entsxirechenden Säure ist. Eine vollständig analoge Erklärung wie bei KCN lässt sich von der Thatsache geben, dass eine wässrige Lösung von Natriumcarbonat gleich- falls alkalische Reaktion zeigt. Die Gleichung ist folgende: Na^ CO3 + HÖH ^ Na HCO,, -f Na OH. Wie ersichtlich, entsteht hier das stark basische NaOH und das neutrale Na HCOg. 31* 484 Reactions-Kinetik. Auf gleiche Weise lässt sich erklären, dass eine wässrige Lösung von Natronseife alkalisch reagirt. Nehmen wir z. B. stearinsaures Natron Cj^Hg^COONa Ci7 H35 COO Na + HÖH ^ C^^ H35 COOH + Na OH. NaOH liefert eine concentrirte Lösung von OH'-Ionen , C^, H35 COOH dagegen eine schwache concentrirte Lösung von H*-Ionen. Gerade das Umgekehrte ergiebt sich, wenn es sich um Salze von schwachen Basen und starken Säuren handelt, wie bei den Salzen der Schwermetalle. Diese reagiren in wässriger Lösung sauer, so z. B. Zn Clg Zn CI2 + HÖH = Zn (OH). + HCl. Die bei dieser Hydrolyse entstehende Salzsäure bedingt die stark saure Reaction; denn der Dissociationsgrad der HCl und demnach die H*-Ionen-Concentration ist viel stärker als die von Zn (OHjg herrührende OH^-Concentration. Die saure Reaction einer ZnClg-Lösung entsteht also nicht dadurch , dass dieses Salz sauer reagirt, wie man früher meinte, sondern durch die Hydrolyse, wobei HCl auftritt. Um den Grad der Hydrolyse zu bestimmen, lassen die üblichen acidimetrischen und alkalimetrischen Titrirmethoden ganz im Stich. Eine ^'lo normale NaaCOg-Lösung ist z. B. (nach Shields) bei 25° zu 3,17 °/o gespalten. Sie gleicht also im Gehalt an Hydroxylionen , die, wie gesagt, die Alkalinität bestimmen, einer 0,00317 norm. Natron- lauge. Wollte man diesen Werth mit Hilfe von Titration mit einer Säure ermitteln, so würde der erste Tropfen Säure einige der freien OH'-Ionen an freie H-Ionen binden; dadurch würde das Gleichgewicht gestört sein, neues Nag CO3 würde dissociiren und so fort, bis alles Carbonat aufgespalten ist. Man würde also schliesslich so viel Säure verbrauchen wie bei der Titration einer Vio Normallauge und doch ent- sprach die Flüssigkeit in Wirklichkeit nur einer 0,00317 Normallauge. Deshalb sind alle maassanalytischen Methoden für die Bestimmung der wirklichen Alkalinität und Acidität von Blut, Harn, Milch, Transsudaten etc. unbrauchbar. Wohl kann man damit das Sättigungsvermögen ermitteln. Man kann z. B. feststellen, wie gross die Säuremenge ist, die erforderlich ist, alles im Serum vorhandene Na2C03 in NagSO^ umzuwandeln; damit ermittelt man also dessen NagO-Gehalt. Aber damit bestimmt man nicht die durch die Na2C03 herbeigeführte alkalische Reaction, denn diese hängt ab von der Zahl der freien OH'-Ionen. Solche Ionen hat Ostwald „actuelle^' Ionen genannt, im Gegensatz zu den abspaltbaren, die er mit dem Namen ^^potentiellen" Ionen bezeichnet. Actuelle und potentielle Alkalinität. 485 Es ist selbstverständlich ein Erforderniss von fundamentaler Wichtigkeit, dass man bei der Bestimmung der actuellenOH'-IonenConcen- tration, alles was diese Concentration modificiren könne, sorgfältig ver- meidet. Diesem Erforderniss genügen ausser der bereits genannten, auf Leitfähigkeit beruhenden, die folgenden physikalisch-chemischen Methoden. 1. Die Methode der Concentrationsketten (Gasketten). Ich habe dieselben ausführlich besprochen (vergl. S. 330). Handelt es sich um ein Salz mit schwacher Base wie Nag CO3, wo wie gesagt freie OH'-Ionen auftreten, so bringt man neben dieser NaaCO^-Lösung eine NaOH-Lösung von bekannter OH'-Concentration in den Stromkreis. Entsteht nun eine Potentialdiöerenz, so geht daraus hervor, dass die der Salzlösung entsprechende OH'-Concentration nicht dieselbe ist, wie die der bekannten NaOH-Lösung. Aus der Grösse der Potentialdifferenz Uisst sich OH'-Concentration der ersteren, d. h. der Grad der Hydrolyse ableiten. Handelt es sich um ein Schwermetallsalz , z. B. ZnCla , so stellt man ihm eine Säure von bekannter H'-Ionen-Concentration gegenüber und misst durch die nunmehr auftretende Potentialdifferenz die H-Con- centration des hydrolysirten Salzes. 2. Die Verseif ungsmethode. Shields [20] hat den Grad der Hydrolyse von NagCOg ermittelt, indem er die OH'-Ionen der durch Hydrolyse freigewordenen Base auf Aethylacetat einwirken Hess und diese Umsetzung messend verfolgte. 3. Durch Umwandlung von Diacetonalkohol. In letzter Zeit hat Koellichen [21] eine ganz neue Methode für denselben Zweck vorgeschlagen. Nach Untersuchungen dieses Verfassers findet die Um- wandlung von Diacetonalkohol in Aceton freiwillig statt, wird aber durch Hydroxylionen beträchtlich beschleunigt. /CH3 CH3 .CO .CH2 .C— OH =2 CH3 .CO .CH3 \CH3 Diacetonalkohol Aceton. Bei dieser Beschleunigung \verden keine OH'-Ionen verbraucht (was bei dem von Shields angewandten Verseifungsprocess der Fall ist) und der Grad der katalytischen Wirkung dieser OH'-Ionen ist ihrer Concentration proportional. Es handelt sich hier also um einen der Rohrzuckerinversion analogen Process. Die Umsetzung des Diacetonalkohols konnte mittelst des Dilato- meters verfolgt werden; denn das Aceton hat ein um etwa 16°/o grös- seres Volumen als der entsprechende Alkohol. 486 Reactions-Kinetik. Leider ist die Anwendbarkeit dieser genauen und leicht ausführ- baren Methode ziemlich beschränkt. Sie ist für Basen ungenau, die sich mit Aceton verbinden, so z. B. für Ammoniak und Amine. Auch eignet sie sich nicht, wenn viel Neutralsalz gegenwärtig ist, an dessen Abwesenheit übrigens auch die Brauchbarkeit der Inversionsmethode ge- bunden ist. Wie dort das Salz beschleunigend wirkt, so wirkt es hier ge- rade umgekehr-t verlangsamend. Indessen ist die in Körperflüssigkeiten vorkommende Salzmenge nicht so gross, dass sie der Bestimmung der OH'-Concentration nach dieser Methode im Wege steht. Die von Koellichen erhaltenen Werthe für die Hydrolyse von Nag COg-Lösungen sind von derselben Grössenordnung wie die von Shields; sie weichen aber von den letzteren stark ab. Die folgende Tabelle giebt eine Zusammenstellung der von beiden Autoren erhaltenen Resultate: Na., CO3 Procentgehalt des Mol in Liter NaoCOg hydrolysirt 0,942 (9,98 ö/o) 0,53 Vo nach Koellichen /0,19 (2,01 , ) ,0,1884 (1,99 , ) 2,12 , , Shields \ , Koellichen/ 1,56 , /0,0942 (0,998 , ) ,0,094 (0,996 „ ) 2,22 , „ Koellichen^ „ Shields ^ 3,17 , /0,0477 (0,499 „ ) ,0,0471 (0,496 „ ) 4,87 , , Shields 3,57 , , Koellichen 0,0238 (0,249 „ ) 7.10 , , Shields Um den Grad der Hydrolyse in wässerigen Lösungen von Salzen mit schwachen Basen und starken Säuren, wie ZnClg kennen zu lernen, hat man wie bereits erwähnt, die H-Ionen Concentration zu messen. Unter 1 wurde bemerkt, dass dabei Concentrationsketten gute Dienste leisten. Weiter kann man auch die Rohrzuckerinversion benutzen deren Grad mit der H-Ionen-Concentration nahezu proportional ist, ferner die Umsetzung von Methylalkohol und Essigsäure, bei welcher die ent- standene Essigsäuremenge ein Maass für die H-Ionen-Concentration ist. Die Angelegenheit, über die hier noch zu sprechen übrig bleibt, ist die Dissociationsconstante des Wassers. Bereits auf S. 386 war hiervon die Rede. Indem ich den Leser bitte die betreffenden Ausführungen zu berücksichtigen lasse ich hier einige Ergänzungen folgen. Dissociations-Constante des Wassers. 487 Zunächst will ich versuchen nachzuweisen, dass Ch- X Coh' einen Constanten Werth haben muss, und folge dabei denselben Gedanken- gang wie unter f und g (S. 476 u. 479). Wenn in einer wässerigen Lösung H-Ionen und OH'-Ionen vor- handen sind, so werden diese sich bestreben, sich mit einander zu HgO zu vereinigen. Die Geschwindigkeit S , mit der das erfolgt, hängt nach dem Massemvirkungsgesetz von der Concentration der beiden Compo- nenten Ch- und Cqh' , sowie von einem Factor k ab , den man mit dem Namen Geschwindigkeitsconstante bezeichnet. Also ist S=k X Ch- X CoH' Umgekehrt wird die Geschwindigkeit S^, mit der sich Wasser in Ch- und Con- dissociirt, ausgedrückt durch Si = kl X Ch„o in der k^ die zugehörige Geschwindigkeitsconstante und ChjO die Con- centration des Wassers in Wasser vorstellt (analog derjenigen von Essig- säure in Wasser unter g.) Soll Gleichgewicht bestehen, so muss S = S^ sein ; also wird k X Ch- X CoH' = kl X Ch,o oder Ch- X Cqh' _ki Ch,o ~ k- Da die Concentration von Wasser in Wasser als constant an- gesehen werden darf und ki und k ebenfalls Constanten sind, muss das Product Ch- X Coh- einen constanten Werth haben. Unter f und g wurde k der Quotient ^ Geschwindigkeits- oder Dissociationsconstante genannt. Also Ch- X CoH' = K' Der Werth dieses Productes ist nach verschiedenen Methoden er- mittelt worden. Die diiecteste ist die von Kohlrausch und Heydweiller (Wiedemann's Annalen 53. 1894 S. 209). Diese Autoren haben unter Einhaltung der peinlichsten Vorsichtsmassregel ausserordentlich reines Wasser bereitet und von diesem das Leitvermögen bestimmt. Es betrug bei 18" nur 385 X 10-10. Man muss also annehmen, dass es, obgleich in äusserst geringem Grad in die Ionen H" und OH' gespalten ist. Der Grad dieser Dissociation lässt sich aus der Formel a = , — -—j— (Vergl. Bd. I, S. 8) berechnen, in welcher Formel A = 385x10-10, Ik die Leit- fähigkeit von H-, also = 318 und U die des OH', also 174 ist (vergl. Bd. I, S. 137 und 138). 488 Reactions-Kinetik. Führt man die Rechnung aus , so ergiebt sich 0,078 X 10—7, d. h, dass in einer Milh'on Liter Wasser nur 0,078 g Mol dissociirt ist ; in einem Liter also 0,78 X 10-7. Diese Zahl giebt auch die Anzahl Grammionen H' und dieselbe An- zahl OH'-Ionen an. Somit wird Ch- X CoH- = 0,78 X 10-7 x 0,78 X 10-7 = 0,61 X lO-i*. Man könnte geneigt sein, diesem Werth nicht viel Vertrauen entgegen zu bringen, zumal wenn man dai'an denkt, dass nach der Angabe von Kohl rausch und Heydweiller blosse Berührung des Wassers mit Luft das Leitvermögen tausendfach vergrösserte. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass andere Methoden dieselbe Zahlen- wertlie gaben. So bestimmte Ost wald mittelst der Concentrationskette die H* und OH'Ionen- Concentration in einer normal NaOH-Lösung (Zeitschr. f. physik. Chemie 11. 1893 S. 52). Nach Umrechnung durch N ernst (Zeitschr. f. physik. Chemie 14. 1894. S. 155) ergab sich Ch- = 0,8 X 10-14 und CoH' = 0,8; also Ch- X CoH' = 0,8 X 10-14 X 0,8 = 0,64 x 10-14 (bei 19o). Bei einer höheren Temperatur (25 bis 26°) fand Löwenherz (Zeitschr. f. physik. Chemie 20. 1896 S. 283) 1.42 x 10-14. Arrhenius berechnete aus den von Shields gefundenen Zahlen für die hydrolytische Spaltung das Product bei 25" zu: 1,21 X 10—14. (Zeitschr. f. physik. Chemie 11. 1893 S. 827). Wieder eine andere Methode beruht auf dem Vermögen der OH'Ionen die Verseifung von Methylacetat zu beschleunigen. Diese Methode wurde auf Vorschlag van't Hoff 's von Wijs in Anwendung gebracht, um die OH'-Ionen-Concentration des reinen Wassers zu ermitteln. Wijs fand (Zeitschr. f. physik. Chemie 12. 1893 S. 514) CoH' = 1,2 X 10-7 bei 25°. Ich stelle hier die Ergebnisse zusammen und setze die Wurzelwerthe der Producte hinzu, behufs ßeurtheilung, ob eine Flüssigkeit im elektrochemischen Sinne alkalisch oder sauer ist. (Vergl. hierzu diesen Band S. 387). Autoren Ch- X CoH' Temperatur Kohlrausch u. Heydweiller 0,78 X 10- -7 X 0,78 X 10-7 == 0,61 X 10-14 18° » n n 1,05 X 10 - -7 X 1,05 X 10-7 = 1,10 X 10-14 25° Ostwald-Nernst 0,8 XIO- -7x0,8 X 10-7 = 0,64x10-14 19" Löwenherz 1,19X10- -7 X 1,19 X 10 -7 = 1,42 X 10-14 25—26» Arrhenius 1,1 xio- 7x1,1 X 10-7 = 1,21x10-14 25« W i j s s 1,2 XIO- -7X1,2 X 10-7 = 1,44 X 10-14 25" Man sieht die Uebereinstimmung ist recht befriedigend. Hilfstabelle. 489 i) Tabelle zur leichteren Bereeliiiuiij;^ der Geschwiiidigkeitsconstante k (bei der Zuckerinversioii etc.) ^) W. Ostwald, Journal f. prakt. Chemie 29. 1884. S. 406. 11 ^1 L tili J. U.X -8 A YCllH Ul 31 \^Jll A XcllIllU 1 ÖU. 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 00 0000 0004 0009 0013 0017 0022 0026 0031 0035 0039 Ol 0044 0048 0052 0057 0061 0066 0070 0074 0079 0083 02 0088 0092 0097 0101 0106 0110 0114 0119 0123 0128 03 0132 0137 0141 0146 0150 0155 0159 0164 0168 0173 04 0177 0182 0186 0191 0195 0200 0205 0209 0214 0218 05 0223 0227 0232 0237 0241 0246 0250 0255 0259 0264 06 0269 0273 0278 0283 0287 0292 0297 0301 0306 0311 07 0315 0320 0325 0329 0334 0339 0343 0348 0353 0357 08 0362 0367 0372 0376 0381 0386 0391 0395 0400 0405 09 0410 0414 0419 0424 0429 0434 0438 0443 0448 0453 10 0458 0462 0467 0472 0477 0482 0487 0491 0496 0501 11 0506 0511 0561 0521 0526 0531 0535 0540 0545 0550 12 0555 0560 0565 0570 0575 0580 0585 0590 0595 0600 13 0605 0610 0615 0620 0625 0630 0635 0640 0645 0650 14 0655 0660 0665 0670 0675 0680 0685 0691 0696 0701 15 0706 0711 0716 0721 0726 0731 0737 0742 0747 0752 16 0757 0762 0768 0773 0778 0783 0788 0794 0799 0804 17 0809 0814 0820 0825 0830 0835 0841 0846 0851 0857 18 0862 0867 0872 0878 0883 0888 0894 0899 0904 0910 19 0915 0921 0926 0931 0937 0942 0947 0953 0958 0964 20 0969 0975 0980 0985 0991 0996 1002 1007 1013 1018 21 1024 1029 1035 1040 1046 1051 1057 1062 1068 1073 22 1079 1085 1090 1096 1101 1107 1113 1118 1124 1129 23 1135 1141 1146 1152 1158 1163 1169 1175 1180 1186 24 1192 1198 1203 1209 1215 1221 1226 1232 1238 1244 25 1249 1255 1261 1267 1273 1278 1284 1290 1296 1302 26 1308 1314 1319 1325 1331 1337 1343 1349 1355 1361 27 1367 1373 1379 1385 1391 1397 1403 1409 1415 1421 28 1427 1433 1439 1445 1451 1457 1463 1469 1475 1481 29 1487 1494 1500 1506 1512 1518 1524 1530 1537 1543 30 1549 1555 1561 1568 1574 1580 1586 1593 1599 1605 *) Ein Beispiel für den Gebrauch dieser Tabelle findet man unten auf S. 496. 490 Reactions-Kinetik. Werth für log A A-Xg' wenn der von -/ A bekannt ist. 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 31 1612 1618 1624 1630 1637 1643 1649 1656 1662 1669 32 1675 1681 1688 1694 1701 1707 1713 1720 1726 1733 33 1739 1746 1752 1759 1765 1772 1778 1785 1791 1798 34 1805 1811 1818 1824 1831 1838 1844 1851 1858 1864 35 1871 1878 1884 1891 1898 1904 1911 1918 1925 1931 36 1938 1945 1952 1959 1965 1972 1979 1986 1993 2000 37 2007 2013 2020 2027 2034 2041 2048 2055 2062 2069 38 2076 2083 2090 2097 2104 2111 2118 2125 2132 2140 39 2147 2154 2161 2168 2175 2182 2190 2197 2204 2211 40 2218 2226 2233 2240 2248 2255 2262 2269 2277 2284 41 2291 2299 23Ü6 2314 2321 2328 2336 2343 2351 2358 42 2366 2373 2381 2388 2396 2403 2411 2418 2426 2434 43 2441 2449 2457 2464 2472 2480 2487 2495 2503 2510 44 2518 2526 2534 2541 2549 2557 2565 2573 2581 2588 45 2596 2604 2612 2620 2628 2636 2644 2652 2660 2668 46 2676 2684 2692 2700 2708 2716 2755 2733 2741 2749 47 2757 2765 2774 2782 2790 2798 2807 2815 2823 2832 48 2840 2848 2857 2865 2874 2882 2890 2899 2907 2916 49 2924 2933 2941 2950 2958 2967 . 2976 2984 2993 3002 50 3010 3019 3028 3036 3045 3054 3063 3072 3080 3089 51 3098 3107 3116 3125 3134 3143 3152 3161 3170 3179 52 3188 3197 3206 3215 3224 3233 3242 3251 3261 3270 53 3279 3288 3298 3307 3316 3325 3335 3344 3354 3363 54 3372 3382 3391 3401 3410 3420 3429 3439 3449 3458 55 3468 3478 3487 3497 3507 3516 3526 3536 3546 3556 56 3565 3575 3585 3595 3605 3615 3625 3635 3645 3655 57 3665 3675 3686 3696 3706 3716 3726 3737 3747 3757 58 3768 3778 3789 3799 3810 3820 3830 3840 3851 3862 59 3872 3883 3893 3904 3915 3925 3936 3947 3958 3969 60 3979 3990 4001 4012 4023 4034 4045 4056 4067 4078 61 4089 4101 4112 4123 4134 4145 4157 4168 4179 4191 62 4202 4214 4225 4237 4248 4260 4271 4283 4295 4306 63 4318 4330 4342 4353 4365 4377 4389 4401 4413 4425 64 4437 4449 4461 4473 4486 4498 4510 4522 4535 4547 65 4559 4572 4584 4597 4609 4622 4634 4667 4660 4672 66 4685 4698 4711 4724 4737 4750 4763 4776 4789 4802 67 4815 4828 4841 4855 4868 4881 4895 4908 4921 4935 68 4949 4962 4976 4989 5003 5017 5031 5045 5058 5072 69 9086 5100 5114 5129 5143 5157 5171 5186 5200 5214 Hilfstabelle. 49: Wertli für log A A — X2 , wenn der von ~ A bekannt ist. 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 70 5229 5243 5258 5272 5287 5302 5317 5331 5346 5361 71 5376 5391 5406 5421 5436 5452 5467 5482 5498 5513 72 5528 5544 5560 5575 5591 5607 5622 5638 5654 5670 73 5686 5702 5719 5735 5751 5768 5784 5800 5817 5834 74 5850 5867 5884 5901 5918 5935 5952 5969 5986 6003 75 6021 6038 6055 6073 6091 6108 6126 6144 6162 6180 76 6198 6216 6234 6253 6271 6289 6308 6326 6345 6364 77 6383 6402 6421 6440 6459 6478 6498 6517 6536 6556 78 6576 6596 6615 6635 6655 6676 6696 6716 6737 6757 79 6778 6799 6819 6840 6861 6882 6904 6925 6946 6968 80 6990 7011 7033 7055 7077 7100 7122 7144 7167 7190 81 7212 7235 7258 7282 7305 7328 7352 7375 7399 7423 82 7447 7471 7496 7520 7545 7570 7595 7620 7645 7670 83 7696 7721 7747 7773 7799 7825 7852 7878 7905 7932 84 7959 7986 8013 8041 8069 8097 8125 8153 8182 8210 85 8239 8268 8297 8327 8356 8386 8416 8447 8477 8508 86 8539 8570 8601 8633 8665 8697 8729 8761 8794 8827 87 8861 8894 8928 8962 8996 9031 9066 9101 9136 9172 88 9208 9245 9281 9318 9355 9393 9431 9469 9508 9547 89 9586 9626 9666 9706 9747 9788 9830 9872 9914 9957 90 10000 10044 10088 10132 10177 10223 10269 10315 10362 10410 91 10458 10506 10555 10605 10655 10706 10757 10809 10862 10915 92 10969 11024 11079 11135 11192 11249 11308 11367 11427 11486 93 11549 11612 11675 11739 11805 11871 11938 12007 12076 12147 94 12218 12291 12366 12441 12518 12596 12676 12757 12840 12924 95 13010 13098 13188 13279 13372 13468 13565 13665 13768 13872 96 13979 14089 14202 14318 14437 14559 14685 14815 14949 15086 97 15229 15376 15528 15686 15850 15921 16198 16383 16576 16787 98 16990 17212 17447 17696 17959 18239 18539 18861 19208 19586 99 20000 20458 20969 21849 22218 23010 23979 25229 26990 30000 2. Physikalisch-chemische Bestimmung der „freien" Salzsäure im Magensaft. Seit Kühne hervorgehoben hat, dass es bei der Magenverdauung gerade auf die freie Säure ankommt, hat man sich besonders von klini- scher Seite viel Mühe gegeben, die freie Salzsäure qualitativ und quan- titativ zu ermitteln. Für qualitative Zwecke bedient man sich verschiedener Farbstoffe als Indicatoren, insbesondere Congoroth, TropäolinOO, Phloroglucin -Vanillin (Günzburg) 492 Bestimmung der freien Salzsäure im Magensaft. und Benzopurpurin. Von diesen sind die drei letzteren empfindlicher als das Congoroth. Congorothpapier wird durch Salzsäure blau gefärbt. Organische Säuren, z. B. Milchsäure, und saure Salze geben die Reaction nicht (Hösselin [22]). Tropäolin 00 in alkoholischer oder auch in wässriger Lösung nimmt bei Anwesenheit freier Säuren eine rubinrothe bis dunkelbraunrothe Farbe an (Ewald [23]) aber nicht nur wenn diese Säure Salzsäure, sondern auch wenn sie Milchsäure ist. Phloroglucin-Vanillin, mit dem gleichen Volum der zu untersuchenden Flüssigkeit in einer Porzellanschale auf dem Wasserbade eingedampft, giebt bei An- wesenheit von Salzsäure einen zarten rosenrothen Anflug; organische Säuren, Ei- weiss und Pepton hindei-n die Reaction nicht. Man bereitet sich dieses Günzburg'sche Reagens [24] durch Auflösen von 2 g Phloroglucin und 1 g Vanillin in 100 Theilen Alkohol. Auf Zusatz von Salzsäure fallen prachtvolle rothe Krystalle aus. Benzopurpurin bildet in Wasser gelöst (1 mg in 12 cc Wasser) eine dunkel- rothe Flüssigkeit, die durch freie Salzsäure in eine licht violette übergeht. Organische Säuren geben diese Reaction auch, aber erst in viel grösserer Concentration. Alle diese Farbstoffproben, sagt von Jaksch [25] in seinem jLehrbuch der klinischen Diagnostik innerer Krankheiten, 5. Aufl. '1901" ergeben jedoch keine ganz unbedingt verlässlichen Resultate. Treten dieselben positiv auf, so ist zwar sicher freie Salzsäure vor- handen. Fällt aber die Probe negativ aus, so beweist dies die Ab- wesenheit freier Salzsäure nicht. Enthält nämlich das Magensecret Ei- weiss , Pepton oder Salze in grösserer IVIenge , so kann die Salzsäure- reaction verdeckt bleiben. ,,Am Krankenbett kann sie aber der Arzt nicht entbehren, für wissenschaftliche Untersuchungen sind sie nicht zuverlässig". In gleichem Sinne hatte sich bereits 1889 F. A. Hoff- mann in einer Arbeit ausgesprochen, welche eine neue auf ganz an- derem Princip fussende IVIethode einführen wollte, über die ich alsbald spreche. Für quantitative Zwecke gestaltet sich die Sachlage noch un- günstiger. Die saure Reaction des Magensaftes wird nicht nur durch die freien Säuren bedingt, sondern auch durch die freien Salze, in der Hauptsache durch JMonophosphate. Ferner complicirt sich die Sache dadurch, dass die Salzsäure Verbindungen mit Eiweiss, Abumosen und Pepton bildet. Diese Verbindungen erleiden, ebenso wie wir das oben vom ZnClg sahen, unter dem Einfluss des Wassers eine hydrolytische Spal- tung, der zu Folge ein kleiner Theil der Salzsäure wieder frei wird. Wenn man dieses Gemisch mit Alkali titrirt und letzteres die freie Salzsäure gesättigt hat, wird ein neues Quantum der Eiweisssalzsäure- verbindung hydrolysirt (Vergl. S. 484) und es entsteht aufs Neue freie Salzsäure. Auf diese Weise wird der Gehalt an freier Salzsäure zu hoch gefunden. Rohrzucker-Inversion. 493 Andere zur Zeit vorgeschlagenen Methoden hatten auch nicht ganz zum Ziel geführt. Unter diesen Umständen war es ein guter Gedanke Ostwald's, F. A. Hoffmannn vorzuschlagen, die freie Säure im Magen- saft nach einer ganz neuen Methode nachzuweisen und quantitativ zu bestimmen. a) Priiicip. Wenn man eine Rohrzuckerlösung mit einer verdünnten Säure in Berührung lässt, so zerfällt der Zucker unter Wasseraufnahme in zwei andere Zuckerarten: Dextrose und Lävulose, die man zusammen Invert- zucker nennt. Den Vorgang bezeichnet man mit dem Namen ,, In- version". Die Reaction verläuft nach folgender Gleichung: C12H22O11 + H2O = CßHiaOg + CgHigOe Rohrzucker Glukose Fructose In dieser Gleichung fällt auf, dass von einer directen Ein- wirkung der Säure nicht die Rede ist. In der That findet hier auch kein Verbrauch von Säure statt; sie wirkt lediglich durch ihre An- wesenheit. Einen derartigen Vorgang nennt man einen katalytischen Process; die Säure ist hier der Katalysator. Früher meinte man, der Katalysator bewirke die Auslösung eines chemischen Vorgangs, welcher ohne denselben überhaupt nicht stattfinden könnte. Ostwald hat aber betont, dass der Katalysator nur die Geschwindigkeit der Reaction ändert, die auch schon ohne dessen Gegenwart, dann aber mit viel geringerer Geschwindigkeit vor sich geht. So ist Wasser allein auch im Stande Rohrzucker in Invert- zucker umzusetzen; aber es geht da, allerdings bei Zimmertemperatur, ässerst langsam von statten. Es ist nun ganz merkwürdig, dass mit Zunahme der Säureconcentration auch die Inversionsgeschwindigkeit zunimmt, obgleich von der Säure nichts verbraucht wird. Bereits Wilhelmy [26] hat den Inversionsprocess eingehend studirt, indem er das Gesetz des Verlaufes der Inversion in der Zeit ermittelte. Die von ihm dafür gefundene mathematische Beziehung, von welcher unten die Rede sein wird, ist noch die jetzt allgemein gebräuch- liche. Ostwald [4J verglich die invertirende Kraft einer grossen An- zahl Säuren gleichen Titers und gelangte zu der Ueberzeugung, dass eine innige Beziehung zwischen den Inversionsconstanten und den Affinitätsgrössen dieser Säuren bestand. Erst später im Lichte der Theorie von van't Hoff-Arrhenius sollten die Thatsachen eine schöne 494 Bestimmung der freien Salzsäure im Magensaft. und greifbare Deutung erhalten. In diesem Lichte zeigte Ostwald, dass die Affinitätsgrösse auf die Concentration der Wasserstoffionen zurückzuführen war [18]. Es stellte sich heraus, dass die In- versionsgeschwindigkeit caeteris paribus mit der Concen- tration der freien Wasserstoffionen proportional war Salzsäure invertirt den Rohrzucker deshalb viel schneller als Essig- säure von gleichem alkalmetrisch gemessenem Titer, weil von den beiden gleichtitrigen Säuren die Salzsäure viel weiter in Ionen gespalten ist als die Essigsäure, m. a. W., weil die Concentration der freien H'- lonen in der Salzsäure grösser ist als in der Essigsäure gleichen Titers. Verfügt man nun, wie es thatsächlich der Fall ist, über eine genaue Methode den Inversionszustand messend zu verfolgen, so muss umgekehrt darin auch ein Mittel liegen, die Concentration der Wasserstoffionen, d. h. die Acidität zu ermitteln. Dieses Princip hat Hoff mann in Anwendung ge- bracht [1]. Er bestimmt die Inversionsgeschvvindigkeit von Rohrzucker seitens des Magensaftes und erhält dadurch ein Maass für die Concen- tration der darin vorhandenen freien Wasserstoffionen, die den Säure- grad einer Flüssigkeit bedingen. Bevor ich das Verfahren beschreibe, das Hoffmann speciell für den Magensaft gebraucht hat, scheint es mir erwünscht, erst die Methodik im Allgemeinen zu besprechen. Ich halte das um so mehr für nöthig, weil die kurze Beschreibung des Verfassers für den nicht ganz Eingeweihten unverständlich sein muss. Der Verfasser bemerkt selbst: „das volle Verständniss für dieselbe (nämlich für diese ausge- zeichnete einfache und sichere Methode) ist einem wenig physikalisch Ge- bildeten nicht so ganz leicht zu gewinnen und muss ich für diesen Zweck auf ein genaues Stadium des betreffenden Abschnittes in Ostwal d's Lehrbuch der allgemeinen Chemie hinweisen". Vielleicht ist es diesem Umstände zuzuschreiben, dass die Methode kaum einige Beachtung ge- funden hat und man ihre Erwähnung in den einschlägigen Werken vermisst. Tb) Methodik der Iiiversionsversuche im Allgemeinen. Bei der Inversion von Rohrzucker handelt es sich eigentlich um eine bimoleculare Reaction, denn es treten 2 Moleküle oder besser 2 Substanzen : Rohrzucker und Wasser mit einander in chemische Wechsel- wirkung. Wenn aber die Wassermenge sehr gross genommen wird und demnach gegenüber der Rohrzuckermenge als constant betrachtet werden darf, so gilt die Gleichung für die monomoleculare Reaction: -dt=^^ Allgemeine Methotik der Inversionsversuche. 495 Aus dieser Formel wurden oben (S. 469) zwei andere Formeln zur Feststellung der Geschwindigkeitsconstante k abgeleitet (la) Es sei die Frage, wie gross ist die Geschwindigkeits- constante (Inversionsconstante) k einer V2 normalen Salz- säure bei 25*^^). Man stellt eine 20°/oige Rohrzuckerlösung her und bringt 10 cc in ein etwa 25 cc haltendes Fläscheii. Letzteres wird in einen auf 25° angeheizten Thermostat gesetzt. Sobald der Inhalt diese Temperatur angenommen hat, wird 10 cc normal HCl hinzugefügt, welche bei derselben Temperatur vorgewärmt worden ist. Unmittel- bar nach der Mischung wird die Zeit t, notirt. Einige Zeit nachher wird der Inhalt in ein vollkommen trockenes Polarisationsrohr (z. B. eines Laurent 'sehen Halb- schattenapparats von Schmidt und Hoensch) gebracht und die Drehung aufge- zeichnet. Dies sei zu einer Zeit t2 geschehen. Da die Drehung des gebildeten Invert- zuckers von der Temperatur abhängig ist, so sorge man dafür, dass das Polarisations- rohr von einem Wassermantel umgeben ist, welcher auf 25° gehalten wird. E. Cohen lässt mittelst einer kleinen Saug- und Druckpumpe das Wasser des Thermostats in diesem Mantel circuliren [27]. Nachdem nun die Drehung der Lösung zur Zeit t, bestimmt worden ist, giesst man dieselbe in die Flasche, welche im Thermostaten geblieben ist , zurück. Nach einiger Zeit wiederholt man die Be Stimmung (zur Zeit ts) u. s. w. Zählen wir die Zeit ti als Nullpunkt des Vei-suchs (d. h. zur Zeit ti hatte die Inversion noch nicht stattgefunden, somit war zu dieser Zeit die Dauer der Inversion gleich Null), so wird die Gleichung (1 a) t2 A X.2 da ti und Xj (die umgewandelte Menge des Rohrzuckers zur Zeit ti = 0) beide gleich Null sind. A ist die Concentration des Rohrzuckers zu Beginn des Versuchs; X2 die Concentration des Rohrzuckers zur Zeit t2. Das ist die Formel, die bereits von Wilhelmy gegeben wurde. Ich gebe ein Beispiel (aus Cohen 's Vorträgen S. 17): Inversion durch V2 norm. HCl bei 25° t (in Minuten) Drehungswinkel (jeschwindigkeits- (Inversioiis)coiistante 0 4- 25,16° — 56 + 16,95 21,80 116 + 10,38 21,79 176 + 5,46 21,85 236 + 1,85 21,85 371 - 3,28 22,08 00 — 8,38 Im Mittel k = 21,87 1) Ueber die Inversion von Rohrzucker zweite Kapitel in Band III (Colloide und Fermente) unter 3 d. -) Der k-Werth ist eigentlich 10 000 mal kleiner. Zur Vermeidung einer un- nöthigen Zahl von Nullen ist derselbe mit 10 000 raultiplicirt worden. 496 Bestimmung der freien Salzsäure im Magensaft. Der Drehungswinkel 25°, 16, zur Zeit t^ = 0 ist derjenige der ursprünglichen Zuckerlösung; der Winkel — 0°,38 zur Zeit t = oo ist die Linksdrehung nach vollständiger Inversion. Wenn hier von t = co gesprochen wird, so bedeutet das ganz im Allgemeinen eine lange Zeit. In der That dauert es bei schwachen Säuren, wie die meisten organischen, Wochen, selbst Monate, bevor die Inversion beendigt ist. Da es selbstverständlich grosse Schwierigkeiten bietet, den Versuch so lange fortzusetzen, hat Herzfeld [20] eine Formel angegeben, mit deren Hilfe es möglich ist, die Linksdrehung nach vollständiger Inversion aus der Rechtsdrehung vor der Inversion zu berechnen. Die Formel ist ziemlich genau; wenn es sich indessen um die In- version mittelst einer Mineralsäure, z. B. Salzsäure handelt, geht der Process so schnell, dass man es mit Rücksicht auf die Genauigkeit vor- zieht, die Linksdrehung auf experimentellem Weg zu ermitteln. Das ist auch im obigen Fall von Cohen geschehen. Die Linksdrehung be- trug — 8,38°; die Formel hatte — 7,59° gegeben. Herzfeld hat nämlich auf empirischem Wege gefunden, dass jeder Grad Rechtsdrehung der ursprünglichen Zuckerlösung bei t ", nach völliger Inversion (0,4266 — 0,005 t) Grad Linksdrehung herbeiführt. Da die Concentration A des Zuckers dem Drehungswinkel pro- portional ist, ist A = 25,16 -|- 8,38 = 33,54 (das ist der ganze Winkel, welcher bei der Inversion der benutzten Zuckerlösung durchlaufen wird) zu setzen und Xg gleich 25,16, vermindert um den zur Zeit tg gehörigen Drehungswinkel. So ergiebt sich z. B. k = 21,79 (vergl. die Tabelle S. 495) aus folgen- der Rechnung: ta = 116 ; A = 33,54 ; x^ = 25,16 — 10,38 = 14,78 Also A — Xa = 18,76 , _ J_ , 33,54 _ J_ 33^ _ _L 1 1 7878 116 33,54—14,78 ~ 116 18,76 116 ' K = 0,002179. Multiplicirt man diesen Werth mit 10000 zur Vermeidung einer unnöthigen Anzahl von Nullen, so ergiebt sich der Werth k = 21,79 der Tabelle. Man kann die Berechnung viel einfacher ausführen, wenn man die Ostwald'sche Tabelle benutzt (S. 489). Man braucht dann bloss eine Division auszuführen. Verfahren von Ho ff mann mittelst Zuckerinversion. 497 Nehmen wir das obige Beispiel: Es ist x.> = 14,78 und A = 33,54; also ^ = 0,4407. A In der Tabelle gehören nun zu der Horizontalreihe von 44 die Zahlen 2518; 2526; 2534; etc. Der Werth von 1 -^ welche 0,4407 entspricht, liegt zwischen 2518 A — X2 und 2526, denn -~ ist mehr als 0,440 und weniger als 0,441. Der Werth ist 050g 2518 2518 H .^ X 7 = 2523,6 oder eigentlich 0,25236. Diese Zahl muss noch mit ^Tß multiplicirt werden, um k zu erhalten. k = 4« 1 -T^— = tI^X 0,25236 = 0,002179 116 A — X2 116 was vollkommen mit der obigen Berechnung übereinstimmt. c) Ausführung von Hoffniann's Verfahren zur Bestimmung der freien Säure im 3Iagensaft. a) durch Zuckerinversion. Es werden vier gleiche Flaschen vorbereitet: 1. die eine enthält eine bekannte Menge Rohrzucker und Salz- säure ; 2. die zweite enthält dieselbe Menge Rohrzucker und Magensaft; 3. die dritte enthält reinen Magensaft; 4. die vierte enthält Magensaft, Rohrzucker und essigsaures Natron. Die Polarisations-Drehung aller 4 Portionen wird bestimmt. Dann lässt man sie einige Stunden in der Wärme stehen. Zum Schluss wird die Drehung wieder bestimmt. Ich erwähne folgendes Beispiel: Drehung zu Drehung nach Anfang des 4-stündiger Versuches vor Erwärmung der Erwärmung auf 60" (1) 10 cc Zuckerl, -f 7 cc Wasser + 3 cc V2 n. HCl = 0,05475 g HCl, bezw. 0,27 Proc. HCl + 5,77° — 0,5 (2) 10 cc Zuckerl, -f 10 cc Magensaft + 6,3 + 4,5 (3) 20 cc reiner Magensaft +1,05 + 1,0 (4) 9 cc Zuckerl. + 9 cc Magensaft + 2 cc einer 10 °/o igen Lösung von Natr. acet. + 5,65 + 5,6 (3) und (4) dienen bloss zur Controller (3) weil der Magensaft in der Regel rechts drehende Körper enthält, welche durch die Salzsäure verändert werden könnten, (4) weil in dem Magensaft Fermente vorhanden sein könnten , welche ähnlich wie die Salzsäure auf den Zucker einwirken und so freie Salzsäure vortäuschen könnten. Diesen Fehler wird man vermeiden, wenn man Magensaft und Rohrzuckerlösung zu gleichen Theilen mit essigsaurem Natron versetzt; letzteres ist hinreichend, um alle vorhandene Salzsäure zu binden. Dann darf sich in dieser Mischung die Drehung nicht Hamburger, Osmot. Druck. U. Bd. 32 498 Bestimmung der freien Salzsäure im Magensaft. ändern. Ist das dennoch der Fall, so sind Fermente vorhanden, die auf Rohrzucker wirken, wie es sonst die Salzsäure thut. Wie aus der Tabelle ersichtlich, haben (3) und (4) sich kaum geändert. Es ist also nur die Umsetzung der Zuckerlösung in (1) und in (2) zu berechnen. 1 A Wir benutzen die Formel k = — — I -r . Für (1) ist A die Anfangscon- tj A — Xj Centration der Rohrzuckerlösung. Da diese Concentration in Drehung ausgedrückt wird, so muss man für A den ganzen Umfang der Polarisation setzen, welchen die genommene Menge Rohrzucker unter dem Einfluss der Salzsäure überhaupt durch- laufen kann. Nach der von Herzfeld gegebenen Formel müssen die Grade Rechts- drehung 5,77 mit (0,4266 — 0,005 t) multiplicirt werden, um die Grade Linksdrehung zu bekommen, die nach vollständiger Inversion auftreten, t ist hier 60. Also wird die Linksdrehung 5,77 (0,4266-0,3) = 0,73. A ist also auszudrücken als 5,77 + 0,73 = 6,5. X2 =5,77 — (-0,5) = -f 6,27. —^ == — '-- = 0,965 welche Zahl nacb der Ostwald 'sehen Tabelle einem A 6,5 Werth von 1 — = 1,4559 entspricht, also K = die Geschwindigkeitsconstante der Salzsäure = 1,4559 X — p. Auf gleiche Weise berechnet man die Geschwindigkeitsconstante k, des Magen- saftes A = 6,5 X2 = 6,3-4,5 = l,8 also — - = „V = 0,277, welche Zahl nach der Ost wald 'sehen Tabelle einem Werth A D,5 von 1 -7 = 0.1409 entspricht; also k = Geschwindigkeitsconstante des A X2 Magensaftes = 0,1409 X -^. Da nun in beiden Fällen t gleich ist (die Flüssigkeiten sii^d beide auf 60° C erwärmt worden, und zwar vier Stunden), wird das Ver- hältniss der Gescliwindigkeitsconstanten der Salzsäure 1 4559 und des Magensaftes ausgedrückt durch ^^|t^= 10,3, d. li. die 0,27 '^/oige Salzsäure wirkte 10,3 Mal kräftiger als der Magensaft. b) durch Methy lacetat. Bald nachher theilte Hoffmann noch eine andere Methode mit [29], deren Princip auf einer Reaction beruht, die von Ostwald bereits vor der Zuckerinversion eingehend studirt worden [30J war und die von physikalisch-chemischer Seite noch immer vielfach benutzt wird. Verfahren von Ho ff mann mittelst Methylacetat. 499 Wässrige Lösungen von Methylacetat zerfallen, sich selbst über- lassen, sehr langsam in Methylalkohol und Essigsäure nach der Gleichung CH3COOCH3 -f HgO = CHgCOOH + CH3OH Methylacetat Essigsäure Methylalkohol. Setzt man aber irgend eine Säure hinzu, so wird dieser Vorgang beschleunigt. Die hinzugefügte Säure wirkt als Katalysator. Die den Reactionsablauf zum Ausdruck bringende Formel ist die- selbe, welche Wilhelmy bereits für die Zuckerinversion gab und die, wie gesagt, noch immer als Typus für die monomoleculare Reaction gilt /=i'Ä^ (!'''• Wenn man nun zwei Gefässe mit gleichen Mengen Methylacetat auf- stellt und man bringt in das eine Gefäss weiter eine gleiche Menge verdünnte Säure von bekanntem Titer, und in das andere Gefäss ein gleiches Volumen des zu untersuchenden Magensaftes und hält die beiden Gefässe eine gleich lange Zeit (etwa 4 Stunden oder länger) im Thermo- stat, so wird man aus den Säuremengen, die in beiden Gefässen aus dem Methylacetat frei geworden sind, berechnen können wie gross die Concentration der freien H-Ionen im Magensaft war. Um die aus dem Methylacetat freigewordene Säure feststellen zu können, muss man natürlich im Voraus den Gesammtsäuregehalt des ursprünglichen Magensaftes titrimetrisch bestimmen. Das Titer der angewendeten Salz- säure ist auch bekannt. Die Rechnung gestaltet sich sehr einfach: Ist kj die Geschwindigkeitsconstante bei Anwendung des zu unter- suchenden Magensaftes von unbekannter Salzsäureconcentration Cx und kg die Geschwindigkeitsconstante bei Anwendung von Salzsäure bekannter Concentration Cg, so gilt, da die Reactionsgeschwindigkeit der Salz- säureconcentration proportional ist, die Gleichung k^_Cx kg Cg Das Verhältniss der Reactionsconstanten (p ~) ist aus der in den beiden Phallen aus Methylacetat freigewordenen Säure leicht zu bemessen, somit ist Cx zu berechnen. d) Kritik der Methode. Hoffmann hat selbst die Methode einer sorgfältigen Kritik unterzogen. 1. Er fragte sich, ob seine Methode lediglich die freie Salzsäure misst. Aus den Untersuchungen von Ostwald geht hervor, dass es 32* 600 Bestimmung der freien Salzsäure im Magensaft. sowohl für die Umsetzung von Methylacetat wie für die des Zuckers im allgemeinen auf die freien H -Ionen ankommt und dass somit alle Säuren zu diesen Umsetzungen fähig sind. Andererseits hat Ostwald aber gefunden, dass der Einfluss der organischen Säuren geringfügig ist. Es hat sich ergeben, dass wenn der Geschwindigkeitscoefficient (k) für Salz- säure = 1 gesetzt wird, der für Milchsäure 0,00901 und für Essigsäure 0,00345 ist. Der Einfluss dieser Säuren, selbst wenn sie in relativ grosser Menge im Magensaft vorkommen, auf die Umsetzung von Methyl- acetat oder Rohrzucker ist also sehr unbedeutend. Eine nicht grössere aber gleichgradige Bedeutung haben diese Säuren auch für die Eiweiss- verdauung (siehe unten S. 502). Der relativ geringe Einfluss von Essigsäure auf die Umsetzung von Methylacetat giebt auch eine Antwort auf den principiellen Ein- wand, den Ostwald selbst gegen die Methylacetatmethode hervor- gehoben hat, als er die Rohrzuckermethode beschrieb [7J und von welchem letztere frei ist. Die Essigsäure nämlich, die aus dem Methyl- acetat entsteht, wirkt ihrerseits auch fördernd auf die Katalyse und je mehr die Zersetzung des Methylacetats fortschreitet, desto mehr Essigsäure wird frei und macht ihren secundären Einfluss geltend. Für den Magensaft fällt dieser Fehler jedoch nicht ins Gewicht, denn es giebt auch noch andere kleine Fehler, die nicht zu ver- meiden sind. Ich füge noch einige von Ostwald's Zahlen für die Geschwindig- keitsconstante anderer Säuren hinzu. = 1 gesetzt. Trichloressigsäure 0,754 Dichloressigsäure 0,271 Monochloressigsäure 0,0484 Ameisensäure 0,0153 Essigsäure 0,0040 Diese Zahlen sind durch Inversion von Rohrzucker mit ^/2 norm, Säuren gefunden. 2. Die Wirksamkeit der starken freien Säuren auf Methylacetat wird durch die Gegenwart der neutralen Salze erhöht und zwar annähernd proportional der Menge derselben, so dass z. B. der Geschwindigkeitscoefficient für Salzsäure bei Gegenwart einer äquivalenten Menge von Chlorkalium von 9,13 auf 9,86 zunimmt. Das heisst also : es wird etwas zu viel Salzsäure gefunden, wenn grosse Menge von Salzen im Magensaft vorhanden sind. Indessen geht aus Salzsäure Salzsäure 1,000 Salpetersäure 1,000 Chlorsäure 1,035 Schwefelsäure 0,535 Benzolsulfosäure 1,044 Kritik der Methoden von Hoff mann. 501 den Zahlen von Ostwald hervor, dass bei normalen Magensäften das Resultat im allgemeinen nicht mehr als um 1 '^/o durch den Salzge- halt beeinflusst wird. Auch auf die Zucker in v er sion hat die Gegenwart neutraler Salze Einriuss. Die Inversionsgeschwindigkeit wird, wie Arr-henius [31] und auch Spohr [32] fanden, sehr bedeutend dadurch verändert; manche Salze erhöhen dieselbe (Chloride, mehr noch Bromide und Nitrate), andere erniedrigen die Geschwindigheit (Sulfate). Der Grund letzterer Er- scheinung ist noch nicht klar gelegt worden. 3. P]s könnte gefragt werden, ob nicht durch blosses Stehen in der Wärme der Säuregehalt des Magensaftes als solcher wachsen kann. Wir wissen doch, dass der Säuregrad vieler Magen- säfte beim Stehen zunimmt. Ho ff mann hat daraufhin eine ganze Reihe von Magensäften, welche keine freie Salzsäure enthielten, mit Methylacetat stehen lassen und nach einiger Zeit titrirt. In 80 Fällen wurde niemals eine Aenderung gefunden, welche hätte irgend in Betracht kommen können. Welche Methode verdient nun den Vorzug, die Zuckerinversions- methode oder das MethylacetatverfahrenV Die Wahl zwischen Zuckerinversion und Methylacetat- methode fällt Hoffmann nicht schwer. Er erachtet die zweite der ersten weit überlegen. Erstens braucht man für die Methylacetatmethode keinen Polari- sationsapparat und zweitens kann man mit diesem Verfahren ganz trübe Flüssigkeiten ebenso leicht und sicher wie die klarsten verarbeiten. Für die Polarisationsmethode dagegen ist die vollkommene Klarheit der Flüssigkeit ein unbedingtes Erfor derniss. Letzteres bereitet ihrer Anwendbarkeit Schwierigkeiten, nicht bloss mit Rücksicht auf die Fälle, in denen es trotz aller Mühe nicht gelingt durch Filtration eine ganz klare Flüssigkeit zu bekommen, sondern auch in den Fällen, wo es sich um Magensaft mit festen Partikelchen handelt, welche in beträchtlichem Maasse Salzsäure zu binden vermögen, wie z. B. Eiweiss. Bei Anwendung von Talma's Bouillonprobe [33] fällt diese Schwierigkeit fort. Dies ist bei dem bekannten Ewald'schen Frühstück oder der Leube'schen Mittagmahlzeit nicht der Fall. Bouillon wurde von Talma deswegen als Probeflüssigkeit gewählt, weil deren Acidität durch Gährungsprocesse nicht verändert wird und suspcndirteSpeisetheile selbst- verständlich nicht darin enthalten sind. Man hat weiter nach Talma bei diesem Verfahren weder mit freier noch mit anorganischer oder organisch gebundener 502 Bestimmung der freien Salzsäure im Magensaft. Salzsäure zu rechnen, indem nach dem Verfasser die Bouillon keine säurebindenden Eigenschaften entfalten kann. Der Patient nimmt des Morgens nüchtern eine neu- tralisirte Lösung von 3 g Liebig's Fleischextract in 1 Liter lauwarmen Wassers. Eine Stunde später zeigt der ausgeheberte Mageninhalt in der Regel eine Acidität von 1 pro Mille Salzsäure (acidimetrisch bestimmt). Indessen möchte ich hinzufügen, dass die Inversionsmethode auch noch für viele andere Zwecke angewendet wird. Deshalb habe ich sie auch ausführlich besprochen. Ebenso wie bei der Zuckerinversion und bei der Esterzersetzung ist auch für die Eiweissverdauung die Concentration der freien H"-Ionen maassgebend. Dies hat Hoffmann nachge- wiesen, indem er Eiweiss mit verschiedenen Säuren digerirte [34]. Von hart coagulirtem Eiweiss wurden kleine Stückchen von gleicher Grösse und gleicher Form in kleine Eprouvetten gelegt, welche die zu untersuchenden Säuren — alle 0,1 Mol. (gr-Molec. pro Liter) — nebst gleichen Mengen von im Handel vorkommenden Pepsin enthielten. Vermittelst einer kleinen Vorrichtung wurden die Eiweissstückchen im Thermostat (Vergl. Bd. 1, S. 110; Abbildung im vorliegen- den Bande, Tafel II) in beständiger Bewegung gehalten. Die Eprouvetten ver- blieben 6 Stunden lang bei constanter Digestionstemperatur, wonach das Ungelöste herausgenommen, der Rückstand neutralisirt, eingedampft, getrocknet und gewogen wurde; das Gewicht des Pepsins und der Salze kam in Abzug. Setzte man die bei diesen Versuchen von der Salzsäure unter Mit- wirkung der Pepsins gelöste Eiweissmenge = 1000, so ergaben sich für die anderen Säuren folgende Werthe: Für H3PO4 670^ für HgAsO^ 550, für H2SO425O, fürÜi (Citronen- säure) 150 und für La (Milchsäure) 90. Es ist nun ganz merkwürdig, dass, wenn man diese Säuren nach ihrem Dissociationsgrad ordnet, die Reihenfolge genau dieselbe ist, mit Ausnahme der Schwefelsäure, welche in der Disso- ciationsreihe eine höhere Stelle einnimmt und der Salzsäure am nächsten kommt. Dass die Schwefelsäure eine Ausnahme machte, glaubte Hoffmann dem Um- stand zuschreiben zu müssen, dass die Eiweissstückchen sich bei der Verdauung in dieser Säure mit einem schmierigen Belag umgaben, welcher die Säurewirkung als- dann hinderte. Der Befund Hoffmann's, dass bei der Eiweissverdauung der Wirkungsgrad verschiedener Säuren dem Dissociationsgrad der Wasserstoft- lonenconcentration) dieser Säuren proportional ist, gilt nach demselben Verfasser auch für die durch die Säuren herbeigeführte Rohrzucker- inversion und Methylacetatzersetzung. Dieser Befund ist für die Eiweissverdauung von Sjöqvist nicht ganz bestätigt worden. Obgleich die Ordnungsreihe der Säuren bezüg- Bindung von Salzsäure an Eiweiss und Pepton. 503 lieh ihres proteolytischen Vermögens dieselbe war, wurden die quantitativen Verhältnisse abweichend gefunden, Avas sich nach Sjöqvist vielleicht aus der verschiedenen Concentration der Salzsäure (Sjöqvist gebrauchte */2o norm, und Hoffmann '/to norm.) und auch aus der verschiedenen Versuchsanordnung erklären lässt. Vielleicht sind auch Nebenreactionen im Spiel. 3. Bindung von Salzsäure an Eiweiss und Pepton. Nachdem van den Velden [35] gefunden hatte, dass Magensaft von Kranken mit Cancer ventriculi Methylviolett nicht veränderte und daraus geschlossen hatte, dass freie Salzsäure bei dieser Krankheit nicht abgesondert wird, erhielt die Frage nach der Bindung der Salzsäure, welche bis jetzt eigentlich nur die Theoretiker beschäftigt hatte, ein klinisches Interesse und von dieser Zeit ab begann die Litteratur Riesen- dimensionen anzunehmen. Danilewsky [36] kam bei seinen Studien über die Natur der verchiedenen Eiweisskörper zu dem Schlüsse, dass einige von denselben mit Mineralsäuren, andere mit Alkali Verbindungen eingingen. Zu der ersten Gruppe rechnet er Myosin, Syn- tonin, Acidalbumin, Fibrin, alle Peptone und die Uebergangstufen, welche bei der Pepsin Verdauung gebildet werden. Albumin, Casein, Pepton sollten sich mit Mineralsäuren nicht vereinigen. Die Untersuchung wurde derart ausgeführt, dass so lange Salzsäure zu den Eiweiss- stoffen hinzugefügt wurde, bis das Gemisch Tropäolin 00 färbte. Dieser Indicator färbt sich nur bei Gegenwart freier Salzsäure. Indessen ergab sich bei Anwendung anderer Indicatoren, die ebenfalls nur durch freie Säure Farbenumschlag erleiden, (Gongo, Phloroglucin-Vanillin), die zur Herbeiführung der Reaction erforderliche Salz- säuremenge als wieder eine andere. Von andern Autoren wurde die Bestimmung der Salzsäurebindung derart aus- geführt, dass die salzsäurehaltige Eiweisslösung eingeengt und die zurückbleibende Chlormenge bestimmt wurde. Hierbei wurde vorausgesetzt, dass die freie Säure sich beim Einengen verflüchtigt, was aber nach Sjöqvist [37] keineswegs der Fall ist. Unter diesen Umständen war es nicht überflüssig, das Problem an Hand einer andern, einwandfreieren Methode aufs Neue vorzunehmen. Das geschah zuerst durch Sjöqvist [37], nachher durch 0. Cohnheim [38] und nach ihnen durch Bugarszky und Liebermann [39]. Ich will die von ihnen benutzten Methoden und die erzielten Resultate kurz anführen, umsomehr, weil sie als Beispiele für die Art gelten können, in welcher man derartige Probleme löst. 504 Bindung von Salzsäure in Eiweiss und Pepton. a) Uiitersueliuiig des Säurebiuduiigsvermögeus von Eiweiss und Pepton mit Hilfe der elektrischen Leitfähigkeit (Sjöqvist). In einer ausführlichen Arbeit, die leider wenig beachtet worden ist: „Physiologisch-chemische Beobachtungen über Salzsäure" hat Sjö- qvist u. a. das säurebindende Vermögen des Eiweisses als erster nach physikalisch-chemischer Methode untersucht. Er geht vom folgenden Princip aus: Fügt man zu 0,05 norm. Salzsäure allmählich KOH bis zur Neu- tralisation hinzu und zwar in so concentrirter Lösung, dass das Volumen dieser KOH-Lösung verschwindend klein bleibt, und prüft man nach jedem KOH-Zusatz die elektrische Leitfähigkeit, so findet man, dass diese continuirlich abnimmt, bis der Neutralisationspunkt erreicht ist. Dann steigt sie wieder. Dies rührt davon her, dass sowohl Salzsäure wie Kalihydrat besser als Chlorkalium leiten. Dieses Salz entsteht bei der Sättigung und nachdem diese erreicht ist, macht sich das überschüssige KOH als guter Leiter geltend. Wird aber anstatt KOH eine Substanz zu der Salzsäure hinzu- gesetzt, die mit letzterer keine chemische Verbindung bildet und nicht leitfähig ist, z. B. Rohrzucker, so nimmt die Leitfähigkeit ebenfalls ab, aber langsamer und zeigt bei fortgesetzter Hinzufügung keine Zunahme, wie sich das bei KOH ereignete. Das liegt auf der Hand, denn der hinzugefügte Rohrzucker kann die Leitfähigkeit des Gemisches nur beeinträchtigen. Diese stetige Abnahme des Leitvermögens hatte früher bereits Arrhenius beobachtet und sie wurde von ihm dabin gedeutet, dass die Moleküle des Nichtleiters (hier Zucker) ein mechanisches Hinderniss für die Wanderung der Ionen darbieten. Er betrachtete die Erscheinung also als ein „Frictionsphänomen" [40]. Was wird nun geschehen, wenn man zu der Salzsäure statt KOH oder Rohrzucker, Eiweiss hinzufügt. Wird das Eiweiss sich wie KOH oder wie Rohrzucker verhalten? Weil das Eiweiss, wie Zucker, ein Nichtleiter ist, muss es die Leitfähigkeit der Salzsäure herabdrücken; Geht es ausserdem eine Verbindung mit der Salzsäure ein, so wird die Verminderung eine noch grössere sein müssen, denn dann kommt zur Reibungszunahrae noch die Abnahme der freien Salzsäure hinzu. Sjöqvist hatte also bloss den Verlauf der Leitfähigkeits- abnahme zu ermitteln. Diese Aufgabe erschien auf den ersten Anblick als leicht, bot aber bei näherer Betrachtung manche Schwierigkeit. i Leitfähigkeits-Methode. 505 1. Es ist sehr schwierig salzfreies Eiweiss zu bekoramen. Und doch war die Anwendung eines solchen erwünscht, weil sonst die Umsetzung der am Eiweiss haftenden Salze (Phosiohate u. s. w.) mit der zu prüfenden Salzsäure das Resultat trüben konnten. 2. Es war zu erwarten, dass die eventuell entstehende salzartige Verbindung von Eiweiss und Salzsäure durch Wasser eine hydrolytische Spaltung erfahren würde , durch welche die Leitfähigkeit gesteigert werden musste. Diesen Schwierigkeiten versuchte Sjövist zu begegnen. Bei genauer Durchsicht seiner Ausführungen gelangt man jedoch zu der Ueberzeugung , dass die Verhältnisse zu complicirt sind, um das Bin- dungsvermögen des Eiweisses für Säuren mittelst der elektrischen Leit- fähigkeit in genauer Weise quantitativ bestimmen zu können. Doch scheint es mir nützlich hervorzuheben, dass der Verfasser beim Ver- gleich der von ihm erhaltenen Werthe für das Salzsäurebindungsver- mögen der Eiweisskörper mit den durch die üblichen klinischen Salz- säurereagentien gelieferten Resultaten gefunden hat, dass Phloroglucin- Vanillin (Günzburg) dem theoretisch neutralen Punkt ziemlich ent- spricht, während Congoroth auch einen Theil der hydrolytisch disso- ciirten Salzsäure nachweist. Das heisst also, sobald Phlorogluc in-Va- niUin freie Salzsäure darthut, giebt auch der Polarisations- apparat beginnende Zuckerinversion an. Dass Eiweiss ein säurebindendes Vermögen, also einen basischen Charakter überhaupt besitzt, daran ist nach den Experimenten von Sjöqvist nicht zu zweifeln. Als Eiweisskörper wurde hauptsächlich Eieralbumin benützt und als Säuren die Mineralsäuren HCl, HNOg, Hg SO4 und Phosphorsäure. L^m nicht zu ausführlich zu werden, muss ich die genauere Wieder- gabe seiner Versuche und Zahlen unterlassen und theile nur noch mit, dass nach seinen Experimenten die salzartigen Verbindungen, welche das Eieralbumin mit den Mineralsäuren bildet, in bedeutendem Grade — eine ^/ao Aequivalent Normallösung zu etwa 20 Procent — hydro- lysirt sind. Das Eiweiss verhält sich also hier wie eine schwache Base (wie z. B. Zn in ZnCla ; vergl. S. 484), denn gerade die schwachen Basen sind es, die, verbunden mit starken Mineralsäuren eine starke Hydrolyse zeigen. Walker [41] hat diese Erscheinung sogar benutzt, die Stärke der verschiedenen Basen messend zu vergleichen , indem er gleiche Quan- titäten einer starken Mineralsäure mit äquivalenten Lösungen der frag- lichen Basen sättigte. Wo die Hydrolyse (hier die H'- Ionen -Concen- 506 Bindung von Salzsäure an Eiweiss und Pepton. tration) sich am stärksten erwies, war die Base am schwächsten. Auf diese Weise fand Sjöqvist, dass Eieralbnmin als Base zwischen den Basen Glykocoll und Anilin steht und zwar ist es 1,87 mal stärker als ersteres und 74 mal schwächer als letzteres [42]. Sehr grosse Genauigkeit können diese Zahlen nicht beanspruchen, da es, wie gesagt, nicht gelang, das Eiweiss salzfrei zu bekommen. Derselbe Einw^and trifft, wie Sjöqvist selbst bemerkt, auch die Be- stimmung des Moleculargewichtes, oder besser des Aequivalentgewichtes des Eiweisses, das von dem Verfasser auf rund 800 geschätzt wird; das chemische Aequivalent der Albumosen betrug im Mittel 600 und das des Peptons 250. b) Untersuchung des Säurebiudungsveriiiögeus von Eiweiss und Pepton nach dem Inversionsverfahren (0. Cohnheim) [38]. Invertirt man eine bestimmte Zuckerlösung durch Zusatz einer bestimmten Menge Salzsäure, so kann man in der oben beschriebenen Weise die Reactionsgeschwindigkeit dieses Vorgangs bei bestimmter Temperatur ermitteln. Diese Geschwindigkeit wird abnehmen, wenn man durch Zugabe von Albumose oder Pepton einen Theil der Salzsäure bindet. Man wird in dieser Verminderung ein Maass für die von den zugesetzten Fremdkörpern gebundene Menge Salzsäure haben. Die Rechnung gestaltet sich nach Cohnheim folgender- maassen: Die Geschwindigkeitsconstante k^ lässt sich ausdrücken durch : ki=[lÄ=^ a b), (S. 469). wo t die Zeitdauer der Inversion, A die Anfangsconcentration der Zuckerlösung, x die umgewandelte Menge des Zuckers zur Zeit t darstellt. Wird nun in eine andere Flasche die nämliche Menge Zucker und die nämliche Menge Salzsäure gebracht, wie im vorigen Versuche, ausserdem aber eine bestimmte Menge Eiweiss oder Al- bumose, und nach derselben Zeit t die umgewandelte Zucker- menge ermittelt, die jetzt Xj sein mag, so gilt die Gleichung: ^ ~ t ' A-x, Inversions-Methode. 507 Dividirt man die beiden Gleichungen durch einander, so be- kommt man kl ^ lA— 1 (A— x) kg—lA-KA— X,) Da die Reactionsgeschwindigkeit in beiden Fällen der Menge der freien Salzsäure proportional ist, darf man setzen J^= iL Hierin ist B die Salzsäuremenge, die man zu der Zuckerlösung hinzugefügt hat und R, die Menge, welche nach der Bindung durch die Albumose (in der zweiten Flasche) übrig geblieben ist. Folglich ist R = -I^B kl Denken wir uns nun weiter, dass in der zweiten Lösung ursprüng- lich g g Albumose und s g Salzsäure vorhanden waren, so haben diese g g Albumose (s — R) g Salzsäre neutralisirt. Von 100 g Albumose werden also — (s — R) g Salzsäure ge- bunden. In Procenten ihres Gewichtes bindet die Albumose also: S = — (s — R) Gramm Salzsäure, g Setzen wir in diese Gleichung den eben gefundenen Werth von R ein, so ergiebt sich S = ^ (s - ^' B) als das proce ntische Bindungsv ermögen der Albumose für Salzsäure. In dieser Formel ist also g die Totalanzahl Gramme Albumose in der Lösung, k^ die Inversionsconstante in der Salzsäure-Zuckerlösung und kg die Inversionsconstante in der Salzsäure-Zucker-Albumose-Lösung, B und s die ursprünglich zu den beiden Flüssigkeiten hinzugefügte Salzsäuremenge (ausgedrückt in Grammen HCl). Ein Beispiel diene zur Erläuterung. 1. In Flasche Nr. 1 befinden sich 5 cc einer lOVoigen Rohrzuckerlösung und 5 cc Salzsäure, welche 0.05 HCl enthalten. 2. In Flasche Nr. 2 befinden sich 5 ce der nämlichen Zuckerlösung und 5 cc einer Salzsäurelösung, welche 0,025 g HCl nebst 0,25 g Protalburaose enthält. Beide Flaschen wurden während 4 Stunden im Thermostaten auf 40" erwärmt; dann wurden sie schnell in Eis gekühlt, wodurch die Reaction gehemmt wurde. Darauf wurde die Drehung der Lösungen, welche zu Anfang des Versuches ermittelt worden war, wiederum im Polaristrobometer bestimmt. 508 Bindung von Salzsäure an Eiweiss und Pepton. In Flasche 1 ist A = 4,422, x = 3,15 1 A Nach der ersten Gleichung : kj = -— 1 Xi A. — X somit ist kl =: 0,541 (Für die Berechnung vergl. S. 496). 1 A Nach der zweiten Gleichung : k2 = — 1 . ist somit k2 = 0,158 Also R = ^ B = ^4^X 0,05 = 0,0146 kl 0,541 s — R = 0,025 -0,0146 = 0,0104 v = ^^X 0,0104 =.4,16, d. h. in dem hier beschriebenen Versuch hat die zugesetzte Albumose 4,16°/o ihres eigenen Gewichts an Salzsäure ge- bun den. In derselben Weise wurde als Mittel gefunden, dass die Protalbumose bei 40° 4,32"/o ihres Gewichts an Salz- säure binden kann; die Deuteroalbumose bindet bei dieser Temperatur 5,48°/o, während das Antipepton sogar 15,87 <^/o seines Gewichts zu binden im Stande war [38]. Auf gleicher Weise lässt sich das Bindungsvermögen von eiweiss- artigen Stoflen auch für Basen nachweisen und messen. c) Untersuehuiig des Säiirebiiiduugsvermög:eiis von Eiweiss und Pepton mittelst Gefrierpunktcrniedriguug (Bugarszky und Liebermaim) [39]. Wenn man die Gefrierpunkterniedrigung verdünnter Salzsäure be- stimmt, dann etwas Albumose hinzufügt und die Depression aufs Neue bestimmt, so wird das Resultat davon abhängen, ob die Albumose neben der Salzsäure bestehen bleibt oder sich ganz oder theilweise mit ihr verbindet. Falls die Albumose einfach neben der Salzsäure bestehen bleibt, so steigt in Folge des Zusatzes die Anzahl gelöster Moleküle in einem bestimmten Volumen der Lösung; da aber das Moleculargewicht der Eiweissstoffe ein ungeheuer grosser ist, so wird ein Zusatz von einigen Grammen Albumose die Molekül zahl nur unwesentlich erhöhen, somit den Gefrierpunkt der Lösung nur äusserst wenig herabsetzen. Wird aber die Salzsäure von der Albumose ganz oder theilweise gebunden, so wird der Zusatz dieses Eiweissstoffes eine Verminderung der Anzahl der Salzsäuremoleküle (resp. Ionen) herbeiführen und dem- entsprechend wird die Gefrierpunkterniedrigung der ursprünglichen Salzsäurelösung abnehmen. Gefrierpunkt-Methode. 509 Man hat also nach Bugarszky und Liebermann 139] nichts anderes zu thun als die Gefrierpunkterniedrigung der Salzsäure vor und nach dem Zusatz des Eiweisses zu ermitteln. Es wurde die Gefrierpunkterniedrigung einer -^ n. Salzsäurelösung 1 „.X 36,5 g = 1,825 g HCl pro Liter) festgestellt. Diese betrug —0,186". Dann wurden in je 100 cc dieser Salzsäure verschiedene Mengen möglichst salzfreier Albumose einge- tragen und gelöst. Entsprechende Mengen Albumose wurden auch in 100 g Wasser aufgelöst, indem Albumoslösungen von 0,25, 0,60, 1, 2, 4, 8 g Albumose in 100 g Wasser bereitet wurden. Hiervon waren die Depressionen bezw. —0,004°, —0,008°, —0,013", —0,020" —0,083" und -0,060°. Die Resultate lassen sich sich in folgender Tabelle zusammenfassen. In 100 cc ','20 norm. Gefrierpunkterniedrigung Gefrierpunkterniedrigung wie diese sich Salzsäure sind gelöst der Lösungen ergeben ■würde, wenn die Albumose einfach an Albumose in der vorigen Spalte neben der Salzsäure bestehen bliebe. 0 gr 0,186" 0,186° 0,25 0,184 0,186 4- 0,004 = 0,190 0,50 0,178 0,186 + 0,008 = 0,194 1,00 0,167 0,186 + 0,013 = 0,199 2,00 0,148 0,186 + 0,020 = 0,206 4,00 0,116 0,186 + 0,033 = 0,219 8,00 0,156 0,186 + 0,060 = 0,246 Aus dieser Tabelle geht unzweideutig hervor, dass die Gefrierpunkt- erniedrigung bei gesteigertem Albnmosezusatz fortwährend sinkt. Es verschwinden also Moleküle (Ionen) aus der Lösung, d. h. es bilden sich aus der Salzsäure und der Albumose complexe Mole- küle. Es ergab sich also das gleiche Resultat, das Sjöqvist und Co hn heim nach andern Methoden erhielten. Bugarszky und Liebermann konnten das Bindungsver- mögen nicht nur bei Albumose, sondern auch bei Albumin und Pepsin constatieren. Es wird nicht nur Salzsäure, son- dern auch NaOH gebunden. Eine vielfach discutirte wichtige Frage ist die, ob Ei weiss im Stande ist, NaCl zu binden. Die Autoren haben diese Frage in der oben angegebenen Weise leicht lösen können. 510 Bindung von Säure und Alkali durch Eiweisskörper. Die folgende Tabelle, aus welcher man die Versuchsanordnung leicht ersehen kann, enthält auch die Resultate: In 100 cc V20 n. NaCl Gefrierpunkterniedrigung Gefrierpunkterniedrigung wie diese sich Lösung sind gelöst der Lösungen voriger ergeben würde, wenn das Albumin einfach an Albumin Spalte neben dem Chlornatrium bestehen bliebe 0 gr 0,183« 0,183 = 0,183« 0,4 0,186 0,183 -f- 0,004 = 0,187 0,8 0,191 0,183 + 0,006 = 0,189 1,6 0,194 0,183 + 0,009 = 0,192 3,2 0,199 0,183 + 0,015 = 0,198 6,4 0,203 0,183 + 0,022 = 0,205 Wie aus der Tabelle hervorgeht, sind die Gefrierpunkterniedrigungen der Lösungen von Albumin in NaCl (zweite Spalte) ebenso gross, wie diese sich ergeben würden, wenn das Albumin einfach neben dem Chlor- natrium bestehen bliebe (dritte Spalte). NaCl wird also von Albumin nicht gebunden. ri) Untersuchinig des Säure- uiid Alkalibiiiduiigsvermögeiis von Eiweiss und Pepton mittelst der (Jaskette. (Bu^arszky und Lieberniann) [39]. Man denke sich eine Concentrationskette von zwei Wasserstoff- elektroden, die sich in zwei Salzsäurelösungen von verschiedener Con- centration befinden, nach dem folgenden Schema: Wasserstoff [ HCl verdünnt | HCl concentrirt i Wasserstoff. Wenn man mm zu der concentrirten HCl-Lösung Eiweiss hinzu- fügt und das Eiweiss verbindet sich mit der HCl, so wird die H-Ionen- concentration eine geringere und die ursprüngHche elektromotorische Kraft zeigt eine wesentliche Abnahme. Bleibt dagegen das Eiweiss ein- fach neben der Salzsäure bestehen, so kann diese Abnahme nur so weit merklich sein, als die Dissociation von HCl durch Hinzufügung des Nichtleiters ein wenig eingeschränkt wird. Diese Abnahme ist unter den gegebenen Umständen aber nicht bemerklich. Der Versuch lehrte nun, dass die elektromotorische Kraft der Kette durch Hinzufügung von Albumin bedeutend abnahm. Albumin bindet also Salzsäure. (Ueber die Methode zur Bestimmung der elektromotorischen Kraft von Gasketten vergl. man S. 330 ff.) Gleichartige Versuche mit NaOH gaben ein gleich- artiges Resultat. Die Ergebnisse stimmen also mit den nach den Salzsäure im Magensaft. 511 vorhergehenden Methoden erzielten überein. Das war auch mit NaCl der Fall. Von einer Bindung von NaC^ durch Albumin war auch bei der Anwendung der Gasketten-Methode nicht die Rede. e) Schlussbeinerkungen über die Salzsäure im Magensaft. Nach dem im vorigen Abschnitt mitgetheilten Versuchen kann es wohl keinem Zweifel mehr unterliegen, dass die Salzsäure sicli mit eiweissartigen Stoffen verbinden kann. Man hat die in dieser Form vorkommende Salzsäure als „gebunden" bezeichnet im Gegensatz zu der ;,freien". Von Jaksch hält es aber in seinem bekannten Lehrbuch [25J für zweckmässig, nicht von freier und gebundener Salzsäure zu sprechen, sondern von physiologisch wirksamer und physiologisch unwirksamer. „Unter physiologisch wirksamer Salzsäure verstehen wir jene, welche entweder bereits ihre Wirksamkeit entfaltet und mit Eiweisskörpern in Verbindung getreten ist oder noch zur Verfügung steht, also wirklich frei ist. Unter physiologisch nicht-wirksamer jene, welche bereits die ihr zukommende Function erfüllt hat und dem Organismus für die Verdauung nicht mehr zur Verfügung steht". Ich halte diese Unterscheidung von Jaksch nicht für glücklich, zumal, weil noch nicht festgestellt ist, was mit der an eiweisshaltigen Stoffen Albumin, Albumose und Pepton) gebundenen Salzsäure weiter geschieht. Dass sie keine physiologische Function mehr zu erfüllen hat, ist keineswegs sichergestellt. Im Gegentheil scheint aus Versuchen von Salkowski und Kumagawa [43] hervorzugehen, dass an Basen ge- bundene Salzsäure noch thätig sein kann. Diese Autoren haben nach- gewiesen, dass die an Amidosäuren, wie Leucin und Alanin gebundene Salzsäure noch eiweissverdauend wirkt. Auch K o s s 1 e r [44J hat ge- zeigt, dass Acidalbumin (mit Salzsäure gesättigtes Albumin) nach Hinzu- fügung von Pepsin einer Peptonisirung unterliegt, aber das ange- wandte Acidalbumin war nicht im Stande, Rohrzucker zu invertieren oder Methylacetat zu zersetzen. Kossler hebt her- vor dass Hoff mann wohl berechtigt ist, die nach seiner Methode auf- gefundene HCl-Menge als „freie Salzsäure", zu bezeichnen und er kann sogar, wo es sich um die Bestimmung dieser handelt, die Methode wegen „ihrer Exactheit und leichten Ausführbarkeit" sehr empfehlen, aber er stimmt Ho ff mann nicht bei, wenn dieser erklärt, dass die nach seinem Verfahren gewonnenen Werthe, „das wahre Maass der physiologischen Wirksamkeit" darstellen, da ja derjenige Theil der Salz- säure, der an Eiweiss gebunden und doch auch physiologisch wirk- sam ist, gänzlich der Bestimmung entgeht. 512 Salzsäure im Magensaft. Mir scheint es daher besser vorläufig einfach von freier und gebundener Salzsäure zu sprechen. Es wird näheren Untersuchungen vorbehalten bleiben, zu erforschen, wie man sich die proteolytische Umsetzung des lediglich mit Pepsin (also ohne Salzsäure) versetzten Acidalbumins zu erklären hat. Sind hierzu in der That freie H-Ionen entbehrlich? Zu diesen Untersuchungen ist insofern ein Weg gebahnt, als man über Metho- den verfügt, die Gesammtmenge der freien + der an eiweissartige Stoffe gebundenen Salzsäure zu bestimmen, was auch von klinischem Gesichtspunkt aus Interesse bietet. Solch eine Methode hat Leo angegeben [45J. Sie beruht auf dem Princip, dass CaCOs die freie Säure neutralisirt und die an eiweissartige Stoffe, wie Albumin, Albumose und Pepton gebundene Säure abspaltet, während es das Monophosphat unverändert lässt. Wenn man also den Magensaft mit CaCOs vermischt hat, reagirt die Flüssig- keit noch in Folge ihres Gehaltes an saurem Phosphat sauer. Dieses kann ruan dann mittelst Lauge und Phenolphtalein quantitativ bestimmen. Hat man nun auch er- mittelt, wie viel Lauge erforderlich war, um den Magensaft vor der Behandlung mit CaCOa zu sättigen, so findet man aus der Differenz diejenige Laugemenge, welche der freien und der an eiweissartigen Substanzen gebundenen Säure entspricht. Von Jaksch hat diese Methode sehr günstig beurtheilt [25], dabei jedoch |die auf physikalisch-chemischen Gründen beruhenden und, wie mir scheint, richtigen Ein- wände von Sj öqvist [27] unberücksichtigt gelassen, die sich u. a. gegen die vermeinte Unwirksamkeit von CaCOa gegenüber Phosphat wenden. Eine einwandfreiere Methode zur Bestimmung der Gesammtmenge an freier und an schwache Basen gebundener Säure scheint mir die von Sj öqvist vorgeschlagene, nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt, auch nicht in der Form, die ihr von Jaksch gab — denn gegen diese wurden, wie von Jaksch anerkennt, von Leo berechtigte Einsprüche erhoben, — sondern in der Form, in welcher sie Sj öqvist später modi- ficirt hat. Diese Modification hat von Jaksch in seinem Lehrbuch unberücksichtigt gelassen. Da man sie auch an vielen andern Stellen vermisst, will ich die Form der Methode mittheilen, die sie jetzt besitzt. Ihr Princip rührt eigentHch von C. Mörner [46]. 10 cc Magensaft werden in einer Platin- oder Nickelschale mit ca. 0,5 g fein geriebenem Baiyumcarbonat vermischt, eingedampft und verascht. Alle HCl, die an Eiweiss gebundene, sowie die freie HCl, ist dann in ßaCL übergeführt. Es handelt sich nun um die Abscheidung und quantitative Bestimmung des wasserlös- lichen BaClj. Hierzu wird die Asche mehrmals mit kleinen Mengen kochenden Wassers extrahirt und der filtrirte Auszug (50 cc) mit 4 cc Amm.oniumacetatlösung und 1 cc 25'"oiger Essigsäure versetzt und aufgekocht. (Die Ammoniuraacetatlösung wird hergestellt durch Neutralisation von 25 "/ oiger Essigsäure mitlO^/oigem Ammoniak). Die noch aufgekochte Lösung wird mit 155 cc einer 6"/oigen Lösung von neutralem Ammoniumchrom at gefüllt. Alles BaCl.2 verwandelt sich dann in unlösliches Barium- chromat (BaCr04J. Der Niederschlag wird nach 2 Stunden filtrirt und chromatfrei gewaschen. Dann wird der reine Niederschlag von BaCrOj in 10 cc und ein paar Tropfen HCl gelöst und es werden 80 cc Wasser, 2 cc KJ-Lösung (50 g KJ in 100 cc Wasser) Schlussbemerkung. 513 und 5 cc 25%iger Salzsäure hinzugefügt. Hierbei macht die Chromsäure J aus KJ frei und die Menge des freigemachten Jod ist ein Maass für das Chromat und des- halb auch für das BaClo. Die Reaction nach welcher J freigemacht wird, findet ihren Ausdruck in folgen- der Gleichung: 2 (BaCrOi) + 16 HCl + 6 KJ = 2 BaCl, + Cr.Cl« + 8H,0 + 6 KCl + 3 J, Das Jod wird in bekannter Weise mit Natriumthiosulfat (Na^SaGg) titrirt unter Verwendung von Jodzinkstärke als Indicator. Hierzu versetzt man in einem Becherglas 10 cc der Thiosulfatlösung mit Jodzink- stärke und fügt aus einer Bürette solange von der zu untersuchenden Jodlösung zu bis alles Thiosulfat in Tetrathionat umgewandelt, was man daran erkennt, dass der erste Tropfen überschüssigen Jods die blaue Farbe der Jod'stärke zum Vorschein ruft. Häufig wird man ebenso schnell zum Ziele gelangen, wenn man in dem Aus- zug der Asche das gebildete BaCL durch Fällung als BaSO^ direct gewichtanalytisch ermittelt. Diese ,,Chromatmethode'' giebt die Summe der an eiweissartige Stoffen gebundenen und der freien Salzsäure an. Hat man letztere durch die Methylacetatprobe, oder mittelst eines andern der angegebenen Verfahren ermittelt, so kann man durch Abzug die an Eiweiss gebundene Salzsäure bestimmen. Auf diese Weise hat man dann die freie und die ge- bundene Salzsäure nebeneinander bestimmt. Eigentlich ist das aber in aller Strenge nicht der Fall, denn mittelst der genannten physikalisch-chemischen Methode bestimmt man nicht nur die Menge an freier Salzsäure, sondern bekommt man einen Ausdruck für die Totalmenge der freien Säuren im Allge- meinen, also auch von Milchsäure, Essigsäure etc. Indessen haben die letzteren Säuren , selbst wenn sie in nicht unbedeutenden Quanti- täten im Magensaft vorkommen, der schwachen elektroly tischen Disso- ciation zufolge (vergl. S. 500) eine geringe proteolytische Wirkung. Ausser für den Magensaft ist, soweit mir bekannt, bis jetzt das Studium der im Körper stattfindenden Verdauungs- und andern Processen in der beschriebenen Weise noch nicht in Angriff genommen worden. Es liegt hier aber, wie man bemerkt haben wird, ein vielver- sprechendes Arbeitsgebiet vor. Wohl hat man den Einfluss verschiedener Agentien auf die Um- setzung von Verdauungssäften auf Nahrungsstoffe studirt. So hat Kübel [-47] in Grützners Laboratorium den Einfluss verschiedener chemischen Stoffe auf die Thätigkeit des Mundspeichels auf Stärke untersucht, aber die Beschleunigung resp. Verlangsamimg nicht in Maass und Zahl ausgedrückt. So hat Edgar Gans [48] sich die Frage vor- Hamburger, Osmot. Druck. 11. Band. 33 514 Zuckerbildung aus Glykogen. gelegt, ob Alkalien die Umwandlung von Glykogen in Zucker beschleunigen oder verzögern. Den Grad der Verzögerung hat er jedoch nicht er- mittelt. Seine Antwort trägt nur einen qualitativen Charakter. Ich kann mir aber viele Fragen denken, für welche das nicht genügen würde. Aus diesem Gesichtspunkte schien es mir empfehlenswerth in dem folgenden Abschnitt die von Gans ausgeführten Versuche im ange- deuteten Sinne umzurechnen, nicht weil ich im besonderen Falle den betreffenden Verzögerungsfactor ausfindig zu machen wünschte, sondern lediglich um ein Beispiel von der Rechnungsweise zu geben. 4. Umsetzungsgeschwindigkeit des Glykogens und ihre Beein- flussung durch Alkalien. Seit langer Zeit haben viele Forscher bei dem Studium des Diabetes mellitus das Glykogen zum Ausgangspunkt ihrer Forschung genommen. Insbesondere haben sich zahlreiche Arbeiten mit der Umwandlung des Glyitogens beschäftigt, wobei sich ausgehend von der empirischen Thatsache, dass Alkalien den Diabetes mellitus gücstig beeinflussen, ganz naturgemäss die fundamentale Vorfrage ergab: Wie verhält sich die Alkaliwirkung zur Umwandlung von Gly- kogen in Zucker? Külz und nach ihm Dufonot fanden, dass nach Verabreichung von Natrium bicarbonicum bei Hunden ceteris paribus der Glykogenabsatz in der Leber stieg. Alle diese Versuche gingen immer von der einen Frage aus, ob die Glykogen- bildung durch Alkalien gesteigert oder vermindert wird, wohingegen die Frage ganz unberücksichtigt blieb, in wie fern etwa die Alkalien die Umwand- lung des in der Leber bereits gebildeten Glykogens in Zucker be- schleunigen oder verlangsamen. Diese Frage hat Gans [48J nun an Experimenten in vitro zu lösen versucht. Hierzu Hess er auf eine bekannte Glykogenmenge eine Lösung von Diastase ohne und bei Gegenwart von Natrium bicarbonicum einwirken und sistirte die Reaction nach gleichen Seiten durch Zusatz von Alkohol. Er schlug so das in beiden Fällen übrig gebliebene Glykogen nieder und ermittelte den Zuckergehalt des Filtrats. Je mehr Zucker darin war, desto grösser war der Glykogenumsatz gewesen. Es stellte sich nun heraus, dass der Zuckergehalt sich in der Probe am geringsten zeigte, bei welcher NaHCOg vorhanden gewesen war, woraus sich folgern liess, dass man bei der durch Verabreichung von Bicarbonat verursachten Gly- kogenanhäufung an eine beschränkte Umsetzung von Glykogen in Zucker als Ursache zu denken hat. Der Zuckergehalt im Filtrat wurde durch Polarisation ermittelt; aber erst, nachdem während einiger Minuten verdünnte Schwefelsäure Zuckerbildung aus Glykogen. 015 eingewirkt hatte, um etwa aus dem Glykogen gebildete Maltose auch in Dextrose umzuwandeln. Ich führe eine Versuchsreihe an: Versuch 1 10 cc Glykogenlösung = 0,473 g Glykogen 10 cc destillirtes Wasser 5 cc Diastase-Lösung Drehung nach Entfernung des nicht umgesetzten Glykogens ajy = 2,16» Versuch 2 10 cc Glykogenlösung 10 cc Natrium bicarbonicum-Lösung 10 % 5 cc Diastäse-Lösung Drehung nach Entfernung des nicht umgesetzten Glykogens «ß =0,13 0 Nach 18 Stunden wurde der Versuch abgebrochen. Die Flüssigkeit von Versuch 1 war fast klar (das Glykogen also völlig verschwunden), die von Versuch 2 opalisirend. Durch Zusatz von Alkohol wurde das restirende Glykogen niedergeschlagen und im Filtrat der Zucker be- stimmt. Berechnen wir jetzt die Umsetzungs (Reactions-) Constante aus Versuch 1. Die Formel lautet: in welcher t die Zeitdauer der Einwirkung, A die Concentration des Glykogens zu Beginn des Versuchs, x^ die Concentration der in der Zeit t zersetzten Glykogenmenge; t ist 18 Stunden oder 18 X 60 Minuten. A ist bekannt, nämlich 0,473 g auf 25 cc, also 1,892 Gewichtsprocent; Xg findet seinen Ausdruck in «0 = 2,16°, muss aber in der entsj)rechenden Gly- kogenconcentration ausgedrückt werden. Zwar sind beim Verfasser keine Daten vorhanden, aus welchen diese Concentration abzuleiten wäre, doch ist der Werth nicht schwer zu finden. Wenn man bekannte Glykogen- mengen mit 25 cc verdünnter Schwefelsäure während einer halben Stunde erhitzt, so bekommt man die Drehung der Dextrose und kann man also umgekehrt aus einer gewissen Drehung auf die ursprüngliche Glykogen- concentration zurückschliessen. Nehmen wir an, a=:2,16*' hätte einer l,5*^/oigen Glykogenlösung entsprochen. — Das ist sehr willkürlich, es handelt sich hier aber nur um ein Rechenbeispiel. Dann wäre X2 also 1,5 gewesen, und die Formel würde lauten : 1 , 1,892 k = 18x60^1,892-1,5 33* 516 Zuckerbildung aus Glykogen. Natürlich kann man auch alles in Drehungsgraden ausdrücken. Aber dann hat man experimentell festzustellen , wie gross die Drehung des Zuckers ist, welche aus der ursprünglichen (1,8^2 ^Vo igen) Glykogen- lösung A entsteht. Setzen wir den Fall, A wäre 3^, so würde die Formel lauten: k = _l 1 3 1 ^ 18X60 3 — 2,16 18X60 0,84 Wenden wir dieselbe Rechnungsweise auf Versuch 2 an , so be- kommen wir für die Reactions-Constante kj unter dem Einfluss von NaHCO. k - 1 1-^— - 1 18x60 3 — 0,13 18X60 2,87 Es wird also durch NaHCOg eine Verzögerung herbeigeführt, die im Verhältniss von k und ki ihren unmmittelbaren numerischen Ausdruck findet. Die Reactions-Constanten (Geschwindigkeitsconstanten) verhalten 3 3 sich zu einander wie 1 — tt-ft. — und 0,84 2,87 Da es sich nur um das Verhältniss handelt , darf man statt der natürlichen Logarithmen auch die Brigg sehen nehmen. Also k : kl = log 3,5 : log 1,06. Man kann dieses Resultat dadurch controliren, dass man die Erwir- kungszeit der beiden Gemische ändert, also t und kg variirt ; k und k' müssen dann unverändert bleiben, und dann selbstverständlich k : ki auch. Man sieht die Rechnung ist sehr einfach. 1 Hamburger, Osmotischer Druck II. nri. Fig./. Kgl Univers.-Druckerei v.H.Stürtz, Wurzburg. Verlag vJ. F Bergmann , Wiesbaden £letrtnff- Au/o 4 Spiegrr Shihi Sclilü^stl ff/r «Cor f/lü/diunfte ja^ 1. Jbra/ruitlork T TTTTV" TTTT, r TTTTV w ■Jal II ltlicrj,ta( - üafiMuwMttrr ZaUtttnditr ^ ■R^hrJm Scilr/irj/isii'IU Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Soeben erschien : Grundriss zum Studium der Geburtshülfe. lu achtundzwanzig Vorlesungen und fünfhundertachtundsiebenzig bildlichen Darstellungen, Von Professor Dr. Ernst Bumm (Halle). — Zweite verbesserte Auflage. ^— — Gebunden Preis Mark 14.60. Dass die erste starke Auflage bereits binnen Jahresfrist vergriffen, lässt zur Genüge erkennen, welche sympathische Aufnahme dieses trotz seiner reichen bildlichen Ausgestaltung ausserordentlich billige Werk in allen ärztlichen Kreisen gefunden hat. So wird auch diese zweite, durch Literaturangaben bei jedem Kapitel vermehrte Neubearbeitung rasch ihren Weg nehmen. Aus Besprechungen der ersten Auflage: .... Es ist eine Freude, ein neues, originelles und verdienst- volles Stück Arbeit vollendet zu sehen. Das Neue finde ich in den bildlichen Darstellungen. Wenn man mit kritischem Blick unsere mo- dernen, dem Unterricht dienenden Bücher durchstudiert, so fällt der Unterschied der technischen Herstellung der Abbildungen sehr in die Augen und nicht immer zu gunsten der Deutschen; die Schönheit z. B. der Zinkographien in Kellys Operative Gynecology überraschte uns alle ; die sprechende Wahrheit der Bilder Hess es uns schmerzlich empfinden, dass solch Werk nur in Amerika möglich sei. Das ist nun vorbei: Bumms Grundriss beweist zu unserer grossen Be- friedigung, dass es auch bei uns möglich ist, gleich Vollendetes zu leisten. Bumm vereinigt die, fast möchte man sagen, hinreissende Schönheit der Abbildungen mit einer sehr grossen Zahl: fast auf jeder Seite ein Bild. J. Veit (Halle) in Zentralblalt f. Gynäkologie. Das Erscheinen von Bumms Lehrbuch in Grossformat, auf 756 Seiten Text mit 578 durchwegs künstlerischen bildlichen Darstellungen, wie sie sonst in Grössen und Art der Ausführung nur in Atlanten zu finden waren, bedeutet ein Ereignis in didaktischer wie in künstlerischer Beziehung; sind doch, wie Veit bemerkte, die den gediegenen Text erläuternden Bilder durchwegs „fast möchte man sagen, hinreissend schön". . . . . . . Man mag irgend eine Stelle des Buches aufschlagen, so spricht aus jedem Satze das fesselnde, lebendige Wort eines ebenso formvollendeten wie klaren Vortrages. . . . Ludwig Knapp (Prag) i. d. Prager med. Wochenschrift. C. W. Kreideis Verlag in Wiesbaden. Neubauer und Vogel. AnleitDDg zar qualitativen inil quantitativen ANALYSE DES HARNS. Zehnte umgearbeitete und veriiielirte Auflage. Analytischer Teil in dritter Auflage bearbeitet von Dr. H. Huppert, o. ö. Professor der Mediz. Chemie an der k. k. deutschen Universität zu Prag. Mit 4 lithographierten Tafeln und 55 Holzschnitten. ■ Preis: M. 17.65, gebunden in Halbfranz M. 19.60. Die verhältnismässig rasche Aufeinanderfolge der verschiedenen Auflagen dieses in Fachkreisen selten verbreiteten Werkes des verdienstvollen Forschers legt am besten dafür Zeugnis ab, wie unentbehrlich der vom Verfasser neu be- arbeitete „Neubauer und Vogel" für den Studierenden sowohl als auch für den mit der Materie bereits Vertrauten geworden ist. Was dem Fachmann das Handbuch besonders wertvoll erscheinen lässt, ist der Umstand, dass die zu- verlässigeren Methoden und die diese begründenden Tatsachen in möglichst knapper, mit dem Verständnisse, selbst des Ungeübteren, noch verträglicher Fassung, dabei aber doch mit einer solchen Ausführlichkeit beschrieben werden, dass das Nachlesen der Originalabhandlungen ganz und gar entbehrt werden kann. (Pharmazeutische Zeitung.) Erläuterungen zur qualitativen Analyse anorganischer Körper in Bezug auf die praktischen Hilfsmittel und den planniässigen Gang derselben. Von Dr. Alexander Spraul. Mit 50 Abbildungen im Texte. = Preis M. 3.60. = Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Die Fettleibigkeit (Korpulenz) und ihre Behand- lung nach physiologischen Grundsätzen. Vou Geh. Kat Professor Dr. W. Ebstein in Gültingeu. Achte sehr vermehrte Aufl. Mk. 3.60. Praktischer Leitfaden der qualitativen und quantitativen Harnanalyse (nebst Analyse des Magensaftes). ^«" ^°^^"^ ^^ Sigmund FränkeUu VVie„. Die Verhütung der Harninfektion. A^e'is tn"/ /ol Sepsis bei der Beliandluiig der Harukrankheiten. Vou Dr. B. Goldberg in Wildungen, Cöln. Mk. 3. — . Die Technik der Lithotripsie. l'^TeiSlJyon^f?alis. Mit Ermächtigung des Autors übersetzt und bearbeitet von Dr. Georg Berg in Frankfurt a. M. Mk. 3. — . Die Funktionsprüfung des Darmes mittelst der PynViPWncit ^'"^ Anwendung in der ärztlicheu Praxis und ihre dia- ' gnostischen und therapeutischen Ergebnisse. Von Pro- fessor Dr. Ad. Schmidt in Dresden. Mk. 2.40. Zur Differentialdiagnose von Dermatosen und Lues bei den Schleimhauterkrankungen der Mundhöhle und oberen Luftwege n^^l-eksSuigung der Hautkrankheiten als Teilerscheinungen. Von Dr. G. Trautmann in München. Mk. 4.60. Die psychischen Zwangserscheinungen, "^"^cher"'" Grundlage dargestellt von Dr. L. Loewenfeld in München. Mk. 13.60 Chemie und Physiologie der Milch. ""''^J^iJ^ ^^ Dr. K. Basch in Prag. (Sonderdruck aus „Ergebnisse der Physiologie" herausgegeben von L. Asher in Bern und K. Spiro in Strassburg. II. Jahrgang) Mk. 4.— Physiologie des Alpinismus. SJ^iXld^ibe^g'^a;: druck aus „Ergebnisse der Physiologie" herausgegeben von L. Asher in Bern und K. Spiro in Strassburg. II. Jahrgang.) Mk. — .60 Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Ergebnisse der Physiologie. Zweiter Jahrgang, I. Abteilung. Biochemie. Bearbeitet vou K. Basch, Prag, 0, Cohnheim, Heidelberg, F. Czapek, Prag, O. v, Fürth, Strassburg, A. Hefter, Bern, A. Jaquet, Basel, A. Loewy, Berlin, A, Noll, Jena, R. W, Raudnitz, Prag, G. Pvosenfeld. Breslau, Tr. N. Schulz, Jena, C. Speck, Dillenburg, H. Wiener, Prag. Herausgegeben von L. Asher, Bern, und K. Spiro, Strassburg. Preis M. 18.60. Inhalts- Verzeichnis. I. Über Kraft- und Ernährungsstoffwechsel. Von C. Speck, Dillenburg. n. Fettbiidung (II. Teil). Von Cxportr Rosen fei d, Breslau. III. Die Ausscheidung körperfremder Substanzen im Harn. I. Teil: Anor- ganische Verbindungen. Vou A. Hefter, Bern. IV. Neuere Untersuchungen zur Physiologie der Geschlechtsorgane. Von A. Loewy, Berlin. V. Über einige Farbstoffe des Harns, ihre Entstehung und Bedeutung. Von Fr. N. Schulz, Jena. VI. Bestandteile, Eigenschaften und Veränderungen der Milch. Von R. w. Rau d n i t /> , Prag. VII. Die Physiologie der Milchabsonderung. Von K. Basch, Prag VIII. Die Harnsäure in ihrer Bedeutung für die Pathologie. Von Hugo Wiener, Prag. IX. Bildung und Regeneration der roten Blutkörperchen. Von A. Noll, Jena. X. Der respiratorische Gaswechsel. Von A. Jaquet, Basel. XI. Über chemische Zustandsänderungen des Muskels. Von O. v. Fürth, Strassburj;. XII. Physiologie des Alpinismus. Von O, Cohnheino, Heidelberg. XIII. Der Stickstoff im Stoffwechsel der Pflanze. Von F. Czapek, Prag. Nekrolog. — A u t o r e n - R e g i s t e r. Lehrbuch der Haut- und Geschlectitskrankheiten. Von Professor Dr. Eduard Lang in Wien. 1. Band: Lehrbuch der Hautkrankheiten. Mit 87 Abbildungen im Text. Mk. 14.60. II. Band: Lehrbuch der Geschlechtskrankheiten. Mit 85 Abbildungen im Text. Mk. 10.40. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Ergebnisse der Physiologie. Zweiter Jahrgang, II. Abteilung. Biophysik und Psychophysik. Bearbeitet von W. Biedermann, Jena; R. du B ois-Re ymo nd, Berlin; F. B. Hofmann, Leipzig; 0. Langender ff, Rostock; J. N. Langley, Cambridge; B. Mag- nus, Heidelberg; G. E. Müller, Göttiugen ; A. Pütter, Göttingen; R. Sommer, Giessen; R. Tiegerstedt, Helsiugfors; A. Tschermak, Halle; H. Zwaardemaker, Utrecht. herausgegeben von Ij. Asher und K. Spiro (Bern) (Strassburg i. E.). Preis Mk. 24. Inhalt: I. Die Flimmerbewegung. Von A. Pütter in Göttingen. H. ElektrophysiolOgie. Von W. Biedermann, Jena, in. Die Gesichtspunkte und die Tatsaclien der psychophysischen Methodik. Von G. E. Müller, Göttingen. IV. Über den Einfluss verschiedener Temperaturen auf die Herztätigkeit. Von O. Langender ff, Rostock. V. Der kleine Kreislauf. Von R. Tigerstedt, Helsingfors. VI. Gelenkbewegung. Spezielle Muskelphysiologie. Stehen und Gehen. Von R. du bo is-Re y mond, Berlin. Vir. Pharmakologie der Magen- und Darmbewegungen. Von R. Magnus, Heidelberir. VIII. Die Messung der Zeit bei psychophysischen Versuchen. Von R. Sommer, Giessen. IX. Geschmack. Von H. Zwaardemaker, Utrecht. X. Über Kontrast und Irradiation. Von A. Tschermak, Halle. XI. Einige Fragen der Augenmuskelinnervation. Von F. B. Hofmann, Leipzig. XII. Das sympathische und verwandte nervöse System der Wirbeltiere (autonomes nervöses System). Von J. N. Langley, Cambridge. Autoren-Register. Die AnweDfliing äer pliysjtalisclien Cleniie auf flie Piiysioloiie ddA PatliolOEie. Von Dr. Richard Brasch, Bad Kissingen. Preis Mk. 4.80. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. In Kürze erscheint: Ergebnisse der Physiologie. Dritter Jahrgang, I. Abteilung. Bioehemie. Bearbeitet von W. O. Atwater, Mittletown, R. Biirlan, Leipzig, W. Connstein, Berlin, F. Czapek, Prag, S. Fränkel, Wien, D. Gerhardt, Erlangen, L. Langstein, Berlin, O. Loewi, Marburg, C. Neiiberg, Berlin, W. Pauli, Wien, J. P. Pawlow, St. Petersburg, J. Seemann, Marburg, S. Weber, Köln, herausgegeben von L. Asher-Bern und K. SpirO-Strassburg. Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis: J. Seemann, Die blutbildenden Organe. R. Burian, Chemie der Spermatozoen. D. Gerhardt, über Darmfäulnis. W. Pauli, Allgemeine Physik, Chemie der Zellen und Gewebe. Eigen- schaft organischer Gallerten. J. P. Pawlow, Psychische Erregung der Speicheldrüsen. W. Connstein, über fermentative Fettspaltung. S. Weber, über die Beeinflussung des Stoffwechsels durch einige l)harmakologisch wichtige Stoflfe. S. Fränkel, stereochemische Konfiguration und physiologischeWirkung. F. Czapek, Der Stickstoff im Stoffwechsel der Pflanze II. 0. Loewi, Pharmakologie des Wärmehaushalts. C. Neuberg, Die Physiologie der Peiitosen und der Glukoronsäure. L. Langstein, Die Kohlehydratbildung aus Eiweiss. W. 0. Atwater, Neue Versuche über Stoff- und Kraftwechsel im menschlichen Körper. Die zweite Abteilung des dritten Jahrgangs liiophysik und Psychophysik erscheint im Herbst 1904. Verlag von J. F. Bergmanu in Wiesbaden. Soeben erschien: Handbuch der allgeiiieiiii iiiid spezidleo Hydrotlierapio. Für Studierende und Ärzte von Dr. Ludwig Schweinburg, Direktor und Chefarzt des Sanatoriums in Zuckmantel. Nebst einem Beitrage von Dr. Oskar Fraokl, Frauenarzt in Wien: Die Hydrotherapie in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Mit 45 Abbildungen. Preis Mk. 6. — . Gebunden Mk. 7. — . Ein vorzügliches Lehrbuch für Studierende und Ärzte, das trotz seiner Knappheit doch alles bringt, was für die Praxis von Bedeutung, da eben hier der erfahrene, auf echt wissenschaftlichem Boden stehende Arzt seine Erfahrungen der ärztlichen Welt überliefert. Den Staudpunkt des Autors charakterisiert wohl am besten seine im Vorwort abgegebene Bedeutnis : „Prinzipiell freilich wäre es nur wünschenswert, wenn die Hydrotherapie als selbständige Disziplin ab- danken und, im Verein mit anderen, auf anatomisch-physiologischer Basis auf- gebauten Theorien zu einer allgemeinen Therapie vereinigt würde." Der Beitrag von Frankl dürfte gleichfalls dem vorliegenden Buch zu einer raschen Aufeinanderfolge von neuen Auflagen verhelfen, was wir im Interesse der Aufnahme der Hydrotherapie in das Rüstzeug des praktischen Arztes nur wünschen können. Brieger-Berlin i. d. Monatsschrift f. orthop. Chirnrc/ie u. jihysikal. Heilmethoden 1903. Nr. 11. Ein neues Lehrbuch aus der Winternitzschen Schule und, wie gleich mit Vergnügen konstatiert sei, ein gutes. Dr. Schweinburgs Handbuch zeichnet sich durch wohltuende Knappheit und Vollständigkeit aus. Gute Abbildungen erhöhen die Klarheit der Darstellung. Archiv f. physikalisch-diätetische Therapie i. d. ärztl. Praxis. Das Schweinburgsche Handbuch hat den grossen Vorteil, nichts Über- flüssiges zu sagen, sich nicht in Diskussionen über Theorien einzulassen, die von einer Seite mit Hartnäckigkeit vertreten, von andern wieder bestritten und als erledigt betrachtet werden. Von theoretischen Streitfragen will weder der Studierende, noch der praktische Arzt etwas wissen, wenn es sich um Hydro- therapie handelt. Wenn aber der praktische Arzt ein so kurzgefasstes, klares, übersichtliches Handbuch — wie das Schweinburgsche ist — zur Hand nimmt, wird er es mit Vergnügen durchstudieren und einen klaren Einblick in unsere Disziplin gewinnen. Er wird auch die — mittelst sehr guter photo- graphischer Aufnahmen erläuterte — Technik gut fassen und anwenden können. Schweinburg hat in dieses Buch auch davon das Neueste aufgenommen, was in allerjüugster Zeit nicht nur in der Hydrotherapie, sondern auch in elektrischen und Kohlensäurebädern, Heissl uftapparaten u. s. w. technisch, methodisch und therapeutisch wertvoll ist. Der geringe Preis von 6 Mk. wird wohl auch zu der wohlverdienten Verbreitung desselben beitragen. Ungar. Med. Presse. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Der Hypnotismus. Handbuch der Lehre von der Hypnose und der Suggestion mit besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Medizin und Rechtspflege. Von Dr. L. Loewenfeld, Spezialar^t für Nervenkrankheiten in München. = ML 8.80. — Gebunden ML 10.40. = Meines Erachteus gibt es in der grossen Literatur über Hypnotismus kein Werk, welches gleich dem vorliegenden so sehr geeignet erscheint, wirklich als Handbuch in allen einschlägigen Fragen zu dienen. In erster Linie verdankt es diesen Charakter dem Umstände, dass der Verfasser es unterlassen hat, mit grosser Breite auf all den Wust und scheinwissenschaftlichen Unfug einzugehen, der sich allenthalben breit gemacht hat. Das Buch enthält bezüglich geschicht- licher Daten und theoretischer Problemstellungen nur das wirklich Wissenswerte, das aber in vorzüglich klarer Darstellung und vollständig. Wem nach mehr gelüstet, der kann gerade aus diesem Werk an der Hand der Literaturbespre- chungen sich leicht weiter zurechtfinden. Ueberhaupt zeichnet sich auch dieses Buch Loewenfelds durch einen einfachen und klaren Stil aus, der sich gott- lob fern von dem nur Eingeweihtesten verständlichen Facbjargon hält. Die Kenntnis hypnotischer Zustände ist heutzutage noch eine so geringe, dass dieser Umstand doppelt ins Gewicht lallt. Auch ist das Buch sehr geeignet, zu zeigen, wie tief die ganze Frage der unter dem Begriff „Suggestion" zusammengefassten Dinge in das tägliche Leben einschneidet und wie nötig wir Aerzte es haben, ihr näher zu treten, wenn anders wir mit Verständnis dem Seelenleben des Ein- zelneu gegenüber Stellung nehmen wollen, oder wenn wir die Regungen einer grösseren Gemeinschaft von Menschen zu begreifen und durchzudenken bemüht sind. Die letzten Kapitel des Buches: „Hypnotismus und Psychologie" und „Die Suggestion in ihrer Bedeutung für das geistige Leben der Massen" sind nach dieser Richtung hin hochinteressant geschrieben. Aerztl. Sachverständigen-Zeitimg. Loewenfeld ist, das durfte man schon nach seinem Lehrbuch der ge- samten Psychotherapie schliessen, wie wenige dazu berufen, uns ein Handbuch des derzeitigen Standes des Hypnotismus zu bringen; verfügt er doch neben reichster eigener Erfahrung über eine vollständige Kenntnis der ganzen ein- schlägigen Literatur und weiss er doch den Stoff in übersichtlichster Weise zu verarbeiten. Die Klarheit der Darstellung und des Ausdruckes dürften geradezu als mustergültig hingestellt werden. Loewenfeld macht durch diese Vorzüge verwickelte und schwierige psychologische Vorgänge, wie z. B. das Verhältnis des Bewussten zum Unter- und Unbewussten bei Hysterischen und Gesunden, auch dem auf diesem Gebiete weniger Geschulten leicht verständlich. Wir wünschen dem Buche vor allem an den Nervenkliniken, wo man die Hypnose noch vielerorts nur vom Hörensagen kennt, aber auch bei den praktizierenden Neurologen und den allgemein praktisch tätigen Aerzten gründliche Berück- sichtigung. V. Muralt im Zentralblatt f. Nervenheilk. u. Psychiatrie. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Über die funktionelle Prüfung des meiiscliliclieri Gehörorgans Dr. Fr. Bezold, Professor der Ohrenheilkunde an der Universität München. I. Band: 31{t 2 Tafeln und Textabbildungen. — Preis M. 6. — . II. Band: Mit 4 Tafeln und. Textabbildungen. — Preis M. 5. — . Wie Bezold in dem Vorwort bemerkt, sind nicht willkürlich heterogene Stoffe aneinandergereiht ; die in den einzelnen Abhandlungen gegebenen Ausblicke sind durch einen systematischen Untersuchungsgang gewonnen, den B. in langjähriger wissenschaft- licher Arbeit verfolgt hat. Die Zusammenstellung der systematischen Arbeiten Bezold s dürfte nicht bloss für den Ohrenarzt sondern auch für den Physio- logen von besonderem Wert sein, da in ihnen die Stützen für die Theorien des Hörens gegeben sind. Die Bestätigung der Helm- holtz sehen Theorie durch die B. 'sehen Untersuchungen muss den mancherlei neu aufgetretenen Theorien, welche geeignet sind, Ver- wirrung und Unklarheit zu schaffen, entgegenwirken. Die Feststellung Bezold s, dass die Funktion des Schall- leitungsapparates in der Aufnahme des unteren Teils der Tonskala aus der Luft besteht, liefert eine Bestätigung der von Ed. Weber zuerst ausgesprochenen Theorie von der Funktion des Schall- leitungsapparates . Wir beschränken uns auf diese Andeutungen bezüglich der Verwertung der Arbeiten B.'s für die physiologische Akustik. Jeder, der sich mit den Problemen derselben befasst, wird diese grundlegenden Arbeiten berücksichtigen müssen, so dass die zur Erleichterung ihres Studiums dienende, zusammenfassende Heraus- gabe derselben wohl gerechtfertigt erscheint. Zeitschrift für Ohrenheilkunde. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Einführung in die Experimeptelle EDtwickelüDgsgeschicMe (Entwiekelungsmeehanik). Von Dr. Otto Maas, a. 0. Professor an der Universität München. 3Iit 135 Figuren im Text. — Preis: Mk. 7.—. Auszug aus Besprechungen: . . . Der Verf., welcher selber einige wertvolle Experimente auf dem Ge- biete der Entwiekelungsmeehanik gemacht hat, bietet uns ein kleines, aber seinem Zwecke der Einführung in das Gebiet der Entwiekelungsmeehanik entsprechendes Buch dar. Es ist aus Vorlesungen hervorgegangen, die der Autor in der gleichen Ahsicht gehalten hat; und Maas war zweckmässigerweise bestrebt, besonders die bereits ermittelten Tatsachen, weniger die verschiedenen zu ihrer Er- klärung aufgestellten Theorien den Lesern vorzuführen. Man darf sagen, dass Maas die Aufgabe, die er sich gestellt hat, im ganzen gut gelöst hat. Die Darstellung ist klar, die Einleitung der Kapitel setzt zumeist in sehr gut einführender Weise auseinander, worum es sich handelt und gibt die allgemeine Bedeutung des zu erwähnenden Details geschickt an. . . . . . • Zum erstenmal in einem zusammenfassenden Werk wird hier auch die funktionelle Anpassung mehr als ganz aphoristisch behandelt. Das ist verdienstlich; und Maas bringt auch einige Beispiele seiner eigenen Beobachtung und interessiert sich offenbar für dies Gebiet. . . . . . . Sehen wir zum Schluss von den mancherlei Vervollständigungen und Änderungen, die wir dem Buche Maas' für seine folgenden Auflagen wünschen, ab, so ist das Buch doch im ganzen als ein den Leser von den meisten Haupt- sachen des neuen Gebietes in gewandter, leicht verständlicher und interessanter Darstellung unterrichtendes Werk zu bezeichnen. Wir begrüssen es daher als eine erfreuliche und nützliche Bereicherung der Literatur unseres Forschungs- gebietes. . . . Prof. Roux im Archiv f. Entwiekelungsmeehanik der Organismen. Verlag vou J. F. Bergmann in Wiesbaden. Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens, Im Vereine mit hervorragenden Fachmännern des In- und Auslandes herausgegeben von ^6^&'= Dr. L. liOewenfeld Dr. H. Kurella in München. in Breslau. I. Somnambulismus und Spiritismus. Von Dr. med. Loewenfeld in München. M. 1.— II. Funktionelle und organische Nervenkrankheiten. Von Prof. Dr. H. Obersteiner in Wien. M. 1. — III. lieber Entartung. Von Dr. P. J. Möbius in Leipzig. M. 1. — IV. Die normalen Schwankungen der Seelenthätigkeiten. VonDr. J. Finzi in Florenz, übersetzt von Dr. E. Jentsch in Breslau. M. 1. — V. Abnorme Charaktere. Von Dr. J. L. A. Koch in Cannstatt. M. 1. — VI/VII. Wahnideen im Völkerleben. VonDr. M. Friedraann in Mannheim. M. 2.~ VIII. Ueber den Traum. Von Dr. S. Freud in Wien. M. 1.— IX. Das Selbstbewusstsein, Empfindung und Gefühl. Von Prof. Dr. Th. Lipps in München. M. 1. — X. Muskelfunktion und Bewusstsein. Eine Studie zum Mechanismus der Wahrnehmungen. Von Dr. E. Storch in Breslau. M. 1.20 XL Die Grosshirnrinde als Organ der Seele. Von Prof. Dr. Adam- kiewicz in Wien. M. 2. — XII. Wirtschaft und Mode. Von W. Sombart, Breslau. M. —.80 XIII. Der Zusammenhang von Leib und Seele das Grundproblem der Psycho- logie. Von Prot. W. Schuppe in Greifswald. M. 1.60 XIV. Die Freiheit des Willens vom Standpunkte der Psychopathologie. Von Professor Dr. A. Hoc he in Strassburg. M. 1. — XV. Die Laune. Eine ärztlich-psychologische Studie. Von Dr. Ernst Jentsch in Breslau. M. 1.20 XVI. Die Energie des lebenden Organismus und ihre psycho-biologische Bedeutung. Von Prof. Dr. W. v. Bechterew in St. Petersburg. M. 3.— XVII. Ueber das Pathologische bei Nietzsche. Von Dr. med. P. J. Möbius, Leipzig. M. 2.80 XVIII. Ueber die sogen. Moral insanity. Von Med. -Rat Dr. Na ecke in Hubertusburg. M. 1.60 XIX. Sadismus und Masochismus. Von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. A. Eulen- burg in Berlin. M. 2. — XX. Sinnesgenüsse und Kunstgenuss. Von Prof. Karl Lange in Kopen- hagen. Nach seinem Tode herausgegeben von Dr. Hans Kurella in Breslau. M. 2.— XXL Ueber die geniale Geistesthätigkeit mit besonderer Berücksichtigung des Genie's für bildende Kunst. Von Dr. L. Loewenfeld in München. M. 2.80 XXH. Psychiatrie und Dichtkunst. Von Dr. G. Wolff in Basel. M. 1.— XXIII. ,, Bewusstsein — Gefühl". Eine psycho-physiologische Untersuchung. Von Prof. Dr. Oppenheim er, Heidelberg. M. 1.80 XXIV. Beiträge zur Psychologie des Pessimismus. Von Dr. A. K o w a 1 e w s k i in Königsberg (O.P.). M. 2.80 XXV. Der Eiafluss des Alkohols auf das Nerven- und Seelenleben. Von iJr. E. Hirt in München. Aj. l.OO XXVI. Berufswahl und Nervenleiden. Von Prof. Dr. A. Ho ff manu in Düsseldorf. M. —.80 Pf. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Jahresbericht über die Fortschritte der Thier-Ctiemie oder der Physiologischen und pathologischen Chemie. Begründet von weil. Prof. Dr. Rieh. Maly. XXXIl. Band: Ueber das Jabr 1902. 3lk. 32.—. Fortgesetzt von R. Andreasch. M. t. Xeucki f. K. Spiro. Herausgegeben und redigirt von Prof. Dr. Riid. Aiidreasch und Privatdozent Dr. Karl i^ipiro in Graz in Strassburg. Unter Mitwirkung von Dr. St. Bondzynski, Univ.-Prof. in Lemberg; Dr. G. Colasanti, Univ. -Prof. in Rom; Dr. M. Cremer, Univ.-Prof. in München; Dr. Martin Hahn, Univ.- Prof. in München; Dr. Olof Hammarsten, Univ.-Prof. in Upsala; Dr. Erw. Herter, Univ.-Dozent in Berlin; Dr. F. G. Hopkins, Univ.-Prof. in Cambridge; Dr. L. Hugounenq , Univ.-Prof. in Lyon; Dr. H. C. Jackson in New- York; Dr. M. Jacoby, Univ.-Dozent in Heidelberg; Dr. D. Lawrow, Dozent a. d. med. Mil.-Akad. in St. Petersburg; Dr. Leo Liebermann, Prof. in Budapest; Dr. W. Lindemann, Univ.-Prof. in Kiew; Dr. O. Loew, Univ.-Prof. in Tokio; Dr. Magnus -Levt, Univ. -Dozeat in Berlin; H. Schneider, Univ. -Assist, in Strassburg; Dr. H. Vogt in Cassel; Dr. E. Weinland, Univ.-Dozent in München; Dr. H. Zeehuisen, Prof. in Utrecht; Dr. E. ZuNZ, Univ.-Dozent in Brüssel. Inhaltsübersicht : I. Eiweissstoffe und verwandte Körper. — H. Fette. Fettbildung und Fett- resorption. — HI. Kohlehydrate. — IV. Verschiedene Körper. — V, Blut. — VI. Milch. — VII. Harn und Schweiss. — V^IU. Verdauung. — IX. Leber und Galle. — X. Knochen und Knorpel. — XI. Muskeln und Nerven. — XII. Ver- schiedene Organe. — XIII. Niedere Thiere. — XIV. Oxydation, Respiration, Perspiration. — XV. GesammtstofFwechsel. — XVI. Pathologische Chemie. — XVII. Enzyme, Fermentorganismen, Fäulniss, Desinfektion. — XVIII. Toxine, Toxalbumine, Bakterienproteine, natürliche Widerstandsfähigkeit (Alexine), künstliche Immunität (Antitoxine), Heilung. — Sachregister. — Autorenregister. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Vorlesungen über die Pathologische Anatomie des Rückenmarks. Unter Mitwirkung von Dr. Siegfried Sacki, Nervenarzt in München. Herausgegeben von Dr. Hans Schmaus, a. o. Professor und I. Assistent am pathologischen Institut in München. Mit 187 teilweise farbigen Textabbildungen. Preis Mk. 16.—. Gebunden Mk. 18.- . . . . Die Vorlesungen von Sc li maus über die pathologische Anatomie des Rückenmark es sind das erste und einzige jetzt exi- stierende Werk, in welchem die verschiedenen Krankheiten dieses Organes aufGrund streng anatomischer Forschung in zusammen- hängender Form bearbeitet sind .... Die zahlreichen, nach Origiualpräparaten des Verfassers hergestellten vortrefflichen Abbildungen tragen wesentlich zum leichteren Verständnis des überaus klar und anregend geschriebenen Textes bei . . . Schmaus, welcher gerade in der Erforschung der pathologischen Anatomie des Nervensytems schon Hervorragendes geleistet hat, hat sich durch die Herausgabe des vorliegenden Werkes ein grosses Verdienst und damit gewiss auch den Dank nicht nur aller Fachgenossen, sondern auch der Kliniker und Aerzte erworben; denn thatsäc blich wird durch das ausgezeichnete Werk eine empfindliclie Lücke in der medizinischen Literatur endlich ausgefüllt. Prof essor Hauser i. d. Münchener med. Wochenschrift. Grundriss der Kinderheilkunde mit besonderer Berüeksiehtigung der Diätetik. Von Dr. Otto Hauser, Spezialarzt für Kinderkrankheiten in Berlin. Zweite gänzlich umgearbeitete Auflage. Preis Mk. 8.—. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Einführung in die Physikalische Anatomie. Von Dr. Hermann Triepel, Privatdozent und Prosektor am anatomischen Institut in Greifswald. I. Teil: Allgemeine Elastizität s- und Festigkeitslehre in ele- mentarer Darstellung. II. Teil: Die Elastizität und Festigkeit der menschlichen Ge- webe und Organe. Mit 23 Figuren im Text und 3 lithographierten Tafeln. =^=^ Preis: Mk. 6. — . Der durch zahlreiche sorgfältige Arbeiten schon bekannte Verfasser, ein Schüler Bonnet's, behandelt hier die Elastizität und Festigkeit der mensch- lichen Gewebe und Organe. Eine elementare Darstellung der allgemeinen Elastizitäts- und Festigkeitslehre ist vorangestellt. Für den Chirurgen sind solche Studien von hohem Wert, und es sind auch von chirurgischer Seite schon Einzelstudien auf diesem Gebiete gemacht, welche vom Verfasser zum Teil heran- gezogen werden; andere z. B... die Studien Stuben rauch 's in München über die Harnblase, sind nicht berücksichtigt, wie denn auch die den Chirurgen inter- essierende physikalische Beschaffenheit der Leber, Milz, Niere, Lunge u. s. w. unbesprochen blieb. Natürlich nehmen die Extremiiätengewebe, Knochen, Knorpel, Mu.skeln, Sehnen, Bindegewebe den Hauptteil der Arbeit ein. Es ist als Ver- dienst dem Verfasser anzurechnen, dass er mit seinem Buch eine klare und sichere Grundlage für weitere und speziellere Arbeiten geschaffen hat, Helferich i. d. Zeitschrift f. Chirurgie. Vorlesungen über Allgemeine Embryologie. Von Dr, R. S. Bergh, Dozent der Histologie und Embryologie an der Universität Kopenhagen. Mit 126 Figuren im Text. Preis Mk. 7.—. .... In seiner Art ausgezeichnet und eine Fundgrube für allerlei inter- essante Daten aus der allgemeinen Entwickelung der Wirbeltiere und der Wirbel- losen, welche man sonst aus der Literatur mühsam zusammensuchen muss, ist vorliegendes Werk. Die Anordnung des Stoffes ist die durch den Gang der Entwickelung gegebene: Befruchtung, Furchung, Keimblätter u. s, w. In allen diesen Abschnitten, sowie in den folgenden über die experimentellen Unter- suchungen hinsichtlich der Bedeutung der ersten Furchungszellen, in den Ab- schnitten über Resorption und Regeneration und über die Beziehung der Embryo- logie zur Descendenzlehre ist das Für und Wider sorgfältig erwogen. Den Schluss des Buches bildet ein kurzer Abriss der Geschichte der Embryologie und Anleitungen zu einigen Beobachtungen und Versuchen embryologische Gegen- stände betreffend. Alles in Allem sind die „Vorlesungen" von Bergh eine wertvolle Be- reicherung unserer Lehrmittel. Berliner klin. Wochenschrift. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Die Methoden der Praktischen Hygiene. Lehrbuch zur Untersuchung und Beurteilung hygienischer Fragen für Ärzte, Chemiker und Juristen Dr. K. B. Liehinann, 0. Professor der Hygiene und Vorstand des Hygienischen Instituts an der Universität "Würzburg. Mit 146 Abbildungen. Zweite enveiterte, vollkommen umgearheitete Ati/lage. Preis 18 M. 20 Pf. Mit aufrichtiger Freude wird jeder Fachgenosse das Erscheinen der 2. Auf- lage von Lehmann's Methoden begrüsseu. In den seit dem Erscheinen der ersten xVuflage verflossenen 10 Jahren ist gerade die hygienische Methodik einer solchen zielbewussten Vei'besserung und Vervollständigung unterworfen worden, dass eine erneute übersichtliche Zusammenstellung des reichen, überall zerstreuten Materials ein Bedürfnis darstellte. Aber das vorliegende Lehrbuch ist weit davon entfernt, nur eine Zusammenstellung zu bringen, Seite für Seite merkt man, dass L. nicht nur die gesamte Literatur beherrscht, sondern auch aus eigener praktischer Erfahrung heraus spricht. Es bedarf nicht des Hinweises, dass gerade hierdurch das Erscheinen des Werkes zu einem bedeutsamen wird. Es wird jeder sicher gehen und zum Ziele gelangen, der sich dieser vortreflf- lichen, zuverlässigen Führung anvertraut. Schmidt's Jahrbücher. Die dem derzeitigen Stande der hygienischen Wissenschaft in vollstem Masse Rechnung tragende Arbeit zeugt wiederum von einem bewundernswerten Fleiss und einer ausserordentlichen Sachkenntnis des Verfassers. In den Ab- schnitten über Wasserversorgung, Heizung, Lüftung und Beleuchtung werden die Leser unserer Zeitschrift zahlreiche wertvolle Angaben finden, aus denen sie direkten Nutzen für die Praxis ziehen können. Einen besonderen Wert erhält das Werk dadurch, dass die Mehrzahl der mitgeteilten Untersuchungsmethoden vom Verf. selbst nachgeprüft und daher auch auf Grund eigener Beobachtungen kritisiert werden konnten. Die Methoden der praktischen Hygiene vom bekannten Würzburger Hygie- niker können als ein Meisterwerk bezeichnet werden. Wenn die erste 1890 erschienene Auflage ihren Weg in alle hygienischen Laboratorien und Unter- suchungsstationen für Lebensmittel gefunden hat, so eignet sich diese bedeutend erweiterte und aufs Sorgfältigste ausgearbeitete Auflage auch für jeden Arzt. Es handelt sich um ein inhaltsreiches Nachschlagewerk für alle die Hygiene interessierenden Fragen. Correspondenzhlatt f. Schweizer Acrztc. Es wird wohl kaum eine für Untersuchungen in Betracht kommende Frage geben, auf die in dem Buche die Antwort nicht zu finden wäre. Namentlich die Untersuchung der Nahrungsmittel ist in einer Vollständigkeit und Ueber- sichtlichkeit gegeben, dass man wohl nur für ganz spezielle Untersuchungen eines andern Behelfes bedarf. Man wird die 2. Auflage des Werkes ebenso unentbehi'lich finden, wie es die erste bereits geworden war. Prager Med. Wochenschrift, Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Die Lehre von den Geschwülsten. Mit einem mikroskopischen Atlas (63 Tafeln mit 296 farbigen Abbildungen.) In zwei Bänden von Dr. Max Borst, Professor und I. Assistent am pathologischen Institut der Uni versität Würzburg. M. 50.—, gebunden M. 53.20. Osmotischer Druck und lonenlehre in den medizinisciienWissenscIiaften. Zugleicli Lehrbucli pliysikalisch-clieniiscber Metlioden. Von Professor Dr. H. J. Hamburger in Groningen. I. Band. M. 16. — . Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie. Unter Mitwirkung von Facbgenossen herausgegeben von Dr. J. Riedinger in Würzburg. Zweiter Band. Erstes Heft. M. 4. — . GrundriSS zum Studium der GeburtshÜlfe. in 28 Vorlesungen und 575 bild- lichen Darstellungen. Von Prof. Dr. E. Blimm in Halle. Zweite ver- mehrte Auflage. Geb. M. 14. — . PankreaS-Pathologie. Von Dr. med. H. Truhart in Dorpat. I. Teil: Mul- tiple abdominale Fettgewebsnekrose. M. 12.—. Studien über die Ursachen der Lungenkrankheiten, von Dr. n. Ph. Tendeloo, Prosektor am Stadtkrankenhause in Rotterdam. M. 12.60. Die Röntgographie in der inneren Medizin. Herausgegeben von Professor H. von Ziemssen und Professor H. Rieder in München. Enthaltend 75 Tafeln in Heliogravüre mit deutschem u. englischem Text. M. 75. — . Ueber das Pathologische bei Nitzsche. Vou Dr. med. p. j. möMus in Leipzig. M. 2.80. Pathologische Anatomie und Krebsforschung. Ein Wort zur Verständigung. Von Prof. Dr. O. Lllbarsch in Posen. M. 1.30. Die Energie des lebenden Organismus und ihre psycho- biologische Bedeutung. Von Professor Dr. W. von Bechterew in St. Petersburg. M. 3.—. C. W. Kreideis Verlan in Wiesbaden. Durch jede Buchhandlung und Postanstalt des In- und Auslandes zu beziehen: Zeitschrift für Analytische Chemie. Begründet von R. Fresenius. Herausgegeben von den Direktoren und Inhabern des Chemischen Laboratoriums P'resenius zu Wiesbaden: Dr. Heinrich Fresenius, Professor, Vorstand der agriknitur- chemischen Versuchsstation des Vereins Nassauischer Land- und Forstwirte, Dr. Wilhelm Fresenius und Dr. Ernst Hintz Professor. Professor ^=^= Jährlich erscheinen 12 Hefte. — Preis: IS Mark. == Das erste Heft des neuen Jahrgangs legt jede Buchhandlung zur Ansicht vor, auch ist die Verlagshandlung bereit, derartige an sie gelaugende Wünsche zu erledigen. Indikatoren der Acidimetrie und Alkalimetrie. Von Dr. Fritz Glaser. Preis gebunden 3 M. 20 Pfg. Praktischer Leitfaden der qualitativen und quantitativen Harnanalyse (nebst Analyse des Magensaftes) für Ärzte, Apotheker und Chemiker. Von Dr. Sigmund Fränkel, Dozent für medizinische Chemie an der Wiener Universität. Mit fünf Tafeln. — Preis ML 2.40. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Handbuch der Gynäkologie. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen In drei Bänden herausgegeben von J. Veit, Professor an der Universität Halle. 3 Bände in 5 Abteilungen. Mit 566 Abbildungen im Texte und auj 23 Tafeln. Preis 31. 75.—, eleg. geb. M. 87.—. Fiittlßilieit (Korpylßnz) nach physiologischen Grundsätzen. Von Dr. Wilhelm Ebstein, Geheimer Medizinalrat, o. ö. Professor der Medizin und Direktor der medizinischen Klinik und Poliklinik in Göttingen. Achte, sehr vermehrte Auflage. Preis M. 3.60. Die psychischen Zwangserscheinungen. Auf klinischer Grundlage dargestellt von Dr. L. Loewenfeld in München. PreiB M. 13.60. Lehrbuch der Histologie des Menschen einschUesslich der Mikroskopischen Technik von A. A. Böhm, und M. von DavidoflF, Prosekior vorm. Assistent am anatomischen Institut zu München. Dritte umgearbeitete Auflage. Mit 278 Abbildungen. Preis: Mk. 7.—, geb. Mk. 8.—. Die Verliütuiig der Harninfektion. Handhabung der Asepsis und Antisepsis bei der Beliandlung der Harnitrankheiten. Von Dr. B. Goldberg, Arzt in Wildungen und Cöln. Mit 30 Textabbildungen. Preis M. 3. — . Verlag von J. F. BERGMANN in WIESBADEN. {tj|J| unniehr ist vollständig .erschienen : HANDBUCH DER GYNÄlvdLOdli:. Bearbeitet von E. Bumm, Basel, A. Döderlein, Tübingen, H. Fritseh , Bonn, R. Frommel, Erlangen, K. Gebhapd, Berlin, A. Gessner, Eiiangen, F. Kleinhans, Prag, 0. Küstner, Breslau, H. Löhlein, Giessen, W. Nagel, Berlin, R. Olshausen, Berlin, J. Pfannenstiel, Breslau, A. von Rosthorn, Graz, 0. Sarwey, Tübingen, R. Sehaeffer, Berlin, J. Veit , Leiden , F. Viertel , Breslau , G. Winter , Königsberg, E. Winternitz, Tübingen. In drei Bänden herausgegeben von J. VEIT, Leiden. Erster Band: Mit 135 Abbildungen im Text M. 13.60, eleg. geb. M. 16.—. Zweiter Band: Mit 170 Abbildungen im Text und 4 Tafeln M. 18.60,' eleg. geb. M. 21.—. Dritter Band Erste Hälfte : Mit 115 Abbildungen im Text und 1 Tafel M. 12.60, eleg. geb. M. 15.—. Dritter Band Zweite Hälfte , I. Abteilung : Mit 88 Abbildungen im Text und auf 15 Tafeln M. 16.—, eleg. geb. M. 18.40. Dritter Band Zweite Hälfte, II. Abteilung: Mit 59 Textabbild. und 3 Tafeln M. 14.20, eleg. geb. M. 16.60. Ausführliche Inhaltsangaben der einzelnen Bände und Besprechungen befinden sich auf den folgenden Seiten. Die Abnahme einzelner Bände verpflichtet nicht zum Bezüge auch der übrigen Theile des ganzen Werkes. Eine spanische Ausgabe ist im Erscheinen begriffen. Verlag von J. F. BERGMANN in WIESBADEN. Haiidbucli der Gyiiäkoloffie. Erster Band. Mit 135 Abbildungen im Text. Mk. 13.60, eleg. geb. Mk. 16.—. Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis des I. Bandes : Asepsis und Antisepsis in der Gynäkologie. Von Dr. H. Löh- lein, Professor an der Universität Giessen. I. Pepsönliehe Asepsis des Gynäkologen und seiner Assistenz. Die subjektive Asepsis. — II. Vorbereitung der Instrumente und des Nähmaterials. — III. Vorbereitung der Kranken für Bauch- operationen. Lage- und Bewegungs- Anomalien des Uterus und seiner Nachbarorgane. Von Dr. Otto Küstner, Professor an der Universität Breslau. I. Normale Lagen und Bewegungen des Uterus. — II. Anomalien der Beweglichkeit des Uterus. — Pathologische Lagen des Uterus und seiner Nachbarorgane. Erkrankungen der Vagina. Von Dr. /. Veit, Professor an der Universität Leiden. I. Allgemeine Vorbemerkung über physiologische und pathologische Charaktere der Vagina. II. Die Entzündungen der Vagina. — in. Fremdkörper in der Scheide. — IV. Traumen. — V. Neubild- ungen der Seheide. — VI. Lageveränderungen der Scheide, a) Vor- fall der Scheide, b) Mastdarmrisse, c) Perineoplastik. — VII. Scheiden- darmfisteln, a) Mastdarmscheidenfisteln, entstanden durch Geburts- vorgänge. Ätiologie und Genese, b) Mastdarmscheidenfisteln aus anderen Gründen, c) Scheidendünndarmfisteln. Die gonorrhoischen Erkrankungen der weiblichen Harn- und Geschlechtsorgane. Von Dr. E. Bumm, Professor an der Universität Basel. Ätiologie. — Pathogenese. — Anatomie. — Symptome und Verlauf. — Statistik und Prognose. — Diagnose. — Prophylaxe. — Therapie. EntAvickelung und Entwickelungsfehler der weiblichen Geni- talien. Von Dr. IV. Nagel, Professor an der Universität Berlin. EntWickelung der weiblichen Genitalien. — Entwickelungsfehler der weiblichen Genitalien. Verlag von J. F. BERGMANN in WIESBADEN HaiKibiicli der (lynäkolonia Zweiter Band. — Mit 170 Abbildungen im Text und vier Tafeln. — Geh. Mk. 18.60, eleg. geb. Mk. 21.—. Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis des IL Bandes : Die Krankheiten der \veiblichen Blase. Von Dr. H. Fritsch, Geh. Med.-Rath und Professor an der Universität Bonn. Physikalische Untersuchungsmethoden der Blase. Von Dr. F. Viertel, San.-Rath in Breslau. Die Entzündungen der Gebärmutter. Von Dr. med. A. Döder- lein, Professor an der Universität Tübingen. Ätiologie und Vorkommen der einzelnen Formen der Endometritis. — Pathologische Anatomie der Endometritis. — Die Beziehungen der anatomischen Bilder zu den ätiologischen Verschiedenheiten. Atrophia uteri. Von Dr. med. A. Döderleiyi, Professor an der Universität Tübingen. Anatomie und Physiologie der Myome. Von Dr. med. C. Geb- hard, Professor an der Universität Berlin. Allgemeine makroskopische Eigenschaften der Myome. — Histologie. - Die Adenomyome. — Histogenese der Myome. - Pathologische Vorgänge im Myomgewebe. — Degenerationen.— Misehgeschwülste. Enchodrome. — Sarkome. — Osteome. — Carcinome. — Rhabdo- myome. - Maligne Leiomyome. Ätiologie . Symptomatologie , Diagnostik , Prognose der Myome. Von Dr. /. Veit, Professor an der Universität Leiden. Die elektrische Behandlung der Myome. Von Dr. R. Schaeffer, Spezialarzt für Frauenkrankheiten in Berlin. Die palliative Behandlung und die vaginalen Operationen der Uterusmyome. Von Dr. J. Veit , Professor an der Universi ät Leiden. Die abdominalen Myom-Operationen. Von Dr. R. Olshausen, Geh. Med.-Rath und Professor an der Universität Berlin. Myom und Schwangerschaft. Von Dr. R. Olshausen , Geh. Med.-Rath und Professor an der Universität Berlin. Verlag von J. F. BERGMANN in WIESBADEN. Haiidbucli der Gyiiäkolouie. Dritter Band Erste Hälfte. Mit 115 Abbildungen im Text und einer Tafel. Geh. Mk, 12.60, eleg. geb. Mk. 15.—. Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis. Die Menstruation. Von A'. Gebhard, Professor an der Universität Berlin. Einleitung. Definition. — Das anatomische Verhalten der Gesehleehts- opgane während der Menstruation.— Ovulation und Menstruation. — Physiologie, Symptomatologie und Diätetik der Menstruation. — Menarche und Menopause. — Verfrühter Eintritt und ver- spätetes Aufhören der Menstruation. — Amenorrhoe. Litteratur. Ätiologie: 1. Die durch Organerkrankung bedingte Amenorrhoe. 2. Die funktionelle Amenorrhoe. 3. Die konstitutionelle Amenorrhoe. Symp- tomatologie und Begleiterscheinungen von Seiten anderer Organe. Vikariierende Menstruation. Litteratur. Prognose der Amenorrhoe. Therapie der Amenorrhoe. — Litteratur. — Menorrhagie. — Dys- menorrhöe. Dysmenorrhoea membranacea. Die Erkrankungen der Vulva. Von J. Veit, Professor an der Universität Leiden. Die Entzündungen der Vulva. Vulvitis. — Pruritus vulvae. — Crau- rosis vulvae. — Cystenbildungen der Vulva.— Ulcus rodens vulvae. — Tuberkulose der Vulva. — Elephantiasis vulvae. — Pathologie des Hymen. — Der Vaginismus. — Die Gesehwulstbildungen der Vulva, a) Die gutartigen Geschwülste: I. Fibrome, Fibromyome, Myome. IL Lipome III. Enchondrome. IV. Neurome. V. Teleangiectasie, Angiom. b) Die bösartigen Geschwülste: 1. Das Carcinom der Vulva. 2. Sarkom der Vulva. — Thrombus vulvae. Die Erkrankungen des Eierstocks und des Nebeneierstocks. Von J. Pfannenstiel, Professor an der Universität Breslau. Normale Anatomie der Ovarien. Litteratur. \. Lage des Eierstocks. 2. Gestalt und Struktur des Ovariums. 3. Die Follikel des Eierstocks. 4. Blutgefässe, Lymphgefässe , Nerven. — Lageveränderungen. 1. Hernia ovarii. 2. Die Senkung des Eierstocks in der Bauchhöhle, der Descensus ovarii. — Ernährungsstörungen des Eierstocks. 1. Hyperämie, Hämorrhagie. 2. Oedema ovarii. 3. Die Entzündungen des Eierstocks. 4. Die Atrophie der Ovarien. 5 Nekrose der Ovarien. 6. Hypertrophie und Hyperplasie der Ovarien. 7. Retentionscysten des Eierstocks. - Fremdkörper im Eierstock. — Echinococcus im Ovarium.— Neubildungen des Eierstocks.— Die parenchymatogenen Neubildungen. — I. Die epithelialen Neubildungen: 1. Das Cystoma serosum simplex. 2. Die Adenome. 3. Die Carcinome. 4. Histogenese der Adenome und Carcinome. II. Die ovulogenen Neubildungen. Lit- teratur. 1. Anatomie und Histologie, bearbeitet von Cand. med. Krämer. 2. Die Histogenese der Dermoide und Teratome. 3. Klinische Eigen- tümlichkeiten der ovulogenen Neubildungen. — Die stromatogenen Neubildungen. I Fibrome und Fibromyome. II. Sarkome und Endo- theliome. III. Angiome. IV. Enchondrome. V. Myxome. — Kombinations- geschwülste. Verlag von J. F. BERGMANN in WIESBADEN. Handbiicli der Gyiiäkoloijie. Dritter Band Zweite Hälfte, I. Abteilung. Mit 88 Textabbildungen und 15 Tafeln. Geh. Mk. 16.—, eleg. geb. Mk. 18.40. Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis. Die Krankheiten des Beckenbindegewebes. Von Dr. med. A. V. RosfliO)-)!, Professor an der Universität in Graz. I. Anatomie. — If. Verletzungen des Beekenbindegewebes (Zer- reissung. Zerquetsch ung), Extraperitonealer periuteriner Blut- erguss, Blutgesehwulst (Thrombus, Haematom). — III. Entzünd- ungen des Beekenbindegewebes. (Pelvicellulitis {Gcndnn. Sunpson), Parametritis (Virchoiv} i. w. S., extraperitoneales Exsudat, Inflammatio telae cellulosae pelvis, Phlegmone pelvis, subperitoneale Beckeneiteruno). — IV. Primäre Neubildungen des Beekenbindegewebes und Bild- ungen aus den Resten embryonaler Organe. — V. Echinokokken des Beekenbindegewebes. — VI. Aktinomykose des Beekenbinde- gewebes. Carcinoma uteri. Anatomie des Carcinoma uteri. Von Dr. med. G. Winter, Professor an der Universität Königsberg. Ätiologie, Symptomatologie, Diagnose und Radikalbehand- lung der Uteruscarcinome. Von Dr. med. R. Froinmel, Professor an der Universität Erlangen. Ätiologie. — Symptomatologie. — Diagnose. — Diagnose der Ausbreitung des Krebses. — Mikroskopische Diagnostik. — Therapie. — Die par- tiellen vaginalen Operationen. — Die abdominalen Operationen. — Die vaginale Totalexstirpation. — Die sakralen Operationen. — Die perineale Methode. — Die Ergebnisse der einzelnen Operationen. — Kritik der Methoden und Anzeigestellung. — Die Versuche von W. A. Freund mit künstlicher Blutleere. — Die Rezidive. Palliative Behandlung des inoperablen Carcinoms. Von Dr. med. A. Gessiier, Privatdocent an der Universität Erlangen. Carcinom und Sch^vangerschaft. Von Dr. med. O. Sarwey, Privatdozent an der Universität Tübingen. Das Deciduoma malignum. Von Dr. med. /. Veit, Professor an der Universität Leiden. Einleitung. — Pathologische Anatomie. — Pathogenese. — Einheit des Deciduoms. — Lokalisation der fötalen Elemente — Blasenmole. — Zu- sammenfassung. — Ansichten anderer Autoren. — Klinisches Bild, — Krankengeschichten aus der Litteratur. — Eigene Beobachtung. — Diagnose. — Prognose und Therapie. Verlag von J. F. BERGMANN in WIESBADEN. HaiKlbucli der (lynäkoloyie. Dritter Band Zweite Hälfte, IL Abteilung. (Schluss des Werkes.) Geh. Mk. 14,20, eleg. geb. Mk. 16.60. Auszug aus dein Inhaltsverzeichnis. Die Hämatocele. Von Dr. med. £. IVinfcniifz, Professor an der Universität Tübingen. Litteratur. — I. Einleitung und Begriftsbestiniinung. — II. Ätiologie. — III. Pathologische Anatomie — IV. Symptome. — V. Verlauf und Aus- gang. — VI. Häufigkeit. VII. Diagnose und DifFerentialdiagnose. — VIII. Prognose. — IX. Therapie. Die Erkrankungen der Tube. Von Dr. med. F. Kli'inliaiis, Assistent am Gynäkologischen histitut der Universität Prag und Dr. med. /. J^cit, Professor an der Universität Leiden. I. Teil. Ätiologie und pathologische Anatomie. Von Dr. med. F. Klein- hnns. Einleitung. — Angeborene Erkrankungen. — Quantitativ veränderte Bildungen. — Qualitativ veränderte Bildungen. - Erworbene Erkrank- ungen. — Neubildungen. II. Teil. Symptome, Diagnose, Prognose und Therapie. Von Dr. med J. Veit. I. Prophylaxe. ~ II. Behandlung der Tubenerkrankungen. A. Konservative Methoden. — B. Operative Methoden. — C. Anwend- ung dieser Methoden. — D. .Schlussbenierkung. Allgemeine Peritonitis. Von Dr. med. A. Döderlcin, Professor an der Universität Tübingen. Einleitung. — Pathogenese und Ätiologie. — A. Allgemeines. — B. Spezielles. — Die pathologisch-anatomischen Erscheinungen. - Symptome, Diagnose und Verlauf. - Therapie. — Litteratur. Das Sarcoma uteri. Von Dr. med. A. Gessner, Privatdozent an der Universität Erlangen. Litteratur. — Einleitung. — Einteilung. — Häufigkeit. — Ätiologie. — Das Sarkom der Uterusschleimhaut. — Anatomisches, Klinisches, Diagnose. — Das traubenförmige Sarkom der Cervikalschleimhaut. — Zusammen- stellung der Fälle, Anatomisches, Klinisches. — Das Sarkom der Uterus- wand. — Anatomisches, Klinisches, Diagnose. — Behandlung der Uterus- sarkome. — Gleichzeitiges Vorkommen von Sarkom und Carcinom am Uterus — Schwangerschaft und Geburt bei Sarcoma uteri. Endothelioma uteri. Von Dr. med. A. Gessner. Privatdozent an der Universität Erlangen. Handbuch der Gynäkologie. Herausnjegeben von Piofessoi Dr. J. Veit in Leiden. Auszüge aus Besprechungen. I. Band: .... Der Zweck des Werkes, den heutigen Stand der gynäkologischen Wissen- schaft zu kennzeichnen , ist in hohem Masse gelungen durch die ganz besonders geschickte Auswahl der Mitarbeiter und so kommt es, dass viele Abschnitte des Werkes ein vollständig neues Gesicht zeigen gegenüber den früheren Werken ähnlicher Art, speziell dem Sammelwerke von Billroth-Lücke. Aerztliche Sachverständigen-Zeitung. .... Das Handbuch wird dem Gynäkologen ein unentbehrliches Repertorium seiner Spezialwissenschaft sein. Aber ganz besonders auch der praktische Arzt wird in ihm ein Nachschlagebuch finden, das besonders infolge der überall eingehend erörterten Symptomatologie und Therapie , ihn kaum je im Stiche lassen wird. Die Ausstattung des Buches und die Ausführung der zahlreichen Holzschnitte ist sehr gut. Zeitschrift für prakt. Aerzte. Die gonorrhoischen Erkrankungen der weiblichen Harn- und Ge- schlechtsorgane konnten kaum von berufenerer Seite abgehandelt werden, als von dem hervorragenden Spezialforscher Biimm. Die Symptome und der Verlauf der Aftektion sind für die einzelnen Organe getrennt geschildert. Der Wichtigkeit der Sache gemäss hat BuniDl Verbreitung, Prognose und Prophylaxe der weiblichen Gonorrhoe auf breitem Räume besprochen. Der ganze Abschnitt trägt den Stempel genauen Festhaltens an den in jüngster Zeit sichergestellten Lehren der Bakteriologie und der Klinik. Medicinisch-chirurg. Centralbtatt. II. Band: Die Krankheiten der weiblichen Blase von Heitir. Fritsch in Bonn eröffnen in würdiger Weise den zweiten Band. Fesselnd und originell , wie alle Arbeiten aus Fritsch' S Feder, überrascht uns dieses neueste Werk des Autors durch eine Fülle klinischer Beobachtungen, durch Heranziehen neuer und richtiger Deutung altbekannter Thatsachen, sowie endlich durch eine lichtvolle Darstellung der Therapie, beziehungsweise der operativen Behandlung dieser Krankheiten, die in dem Kapitel über die Harnfisteln gipfelt. . . Deutsche medicin. Wochenschrift. . . . . A. Döderlein, Die Entzündungen der Gebärmutter und die Atrophia uteri. Die Bearbeitung dieser Materie war vielleicht die schwierigste unter allen den verschiedenen Mitarbeitern zugefallenen Aufgaben, und es ist anzu- erkennen, dass sie von Döderlein in gründlichster und glänzender Weise gelöst worden ist. Deutsche med. Wochenschrift. III. Band, I. Abt.: Auf die Darstellung der Erkrankungen des Eierstockes und des Nebeneierstockes konnte man mit Recht gespannt sein, da O/s/iausen's „Krankheiten der Ovarien" als eines der hervorragendsten Werke der Gynäkologie gelten. Auch hier hat der Herausgeber mit J. Pfannenstiel in Breslau eine glück- liche Wahl getroffen, da wir diesem eine Reihe wertvoller Arbeiten auf diesem Gebiete verdanken. .... Zahlreiche Abbildungen erläutern den Text, ebenso wie in der vorher- gehenden Arbeit Veil^s. Im Ganzen genommen sind Pfannenstiel' s ,, Erkrankungen des Eierstockes und des Nebeneierstockes" eine vortreffliche Leistung, die ebenso wie Olshansen's ,, Krankheiten der Ovarien" einen Markstein auf der Bahn gynäko- logischer Forschung bilden werden. Schmidt's Jahrbücher. Die Geb/iarä'sche Monographie (Die Menstruation) muss als eine sehr voll- ständige und streng kritisch durchdachte Arbeit über dieses wichtige Thema bezeichnet werden. . . . Gebhard's Arbeit wird jedenfalls das uneingeschränkte Lob des Praktikers wie des Theoretikers finden. Deutsche medicin. Wochenschrift. Handbuch der Gynäkologie. Herausgegeben von Professor Dr. / J/eil in Leiden. Auszüge aus Besprechungen. III. Band, IL Abt. 1/2: .... In 37 ausserordentlich instruktiven , meist schematisclien Abbildungen im Texte und auf 14 polychromen Tafeln werden die hervorragend schönen Präparate V. Rosthorns der Oeffenthchkeit zugänglich gemacht. Jedem Abschnitte ist ein erschöpfendes Litteraturverzeichnis angefügt. Ueberblickt man das ganze bedeutungsvolle Werk, so staunt man unwillkürlich über die Fülle von eigenster, mühevollster, jahrelanger Arbeit auf einem dem Kliniker manchmal etwas fernliegenden Gebiete, welche den Verfasser nicht abschreckte sich mit Hingebung imd Aufopferung seinem mit dem weiten Blick des bewährten Klinikers gewählten Thema zu widmen. Die in unermüdlichem Fleisse erzielten Resultate, welche uns v. Rosthorn in der treft"lichen Form dieses seines neuesten Werkes über- mittelt, gereichen dem genialen Forscher zur hohen Ehre und verbinden seinen Namen für immer mit diesem hochwichtigen von ihm beleuchteten Gebiete. Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Die Arbeiten über das Beckenbindegewebe, die Anatomie des Carcinoms imd das Deciduoma sind Kabinetsstücke der Detailforschung der genannten Autoren ! Es ist unmöglich, im Rahmen eines kurzen Referats auf die Fülle des Inhalts einzugehen, der ein Muster wissenschaftlicher Gründlichkeit ist. Rosthorn's ausgezeichnete Ab- bildungen aller Formen der Zellgewebserkrankungen des Beckens können in ihrer Vollständigkeit nicht übertroffen werden, ebensowenig die Schilderung der Befunde, welche ein ernstliches Vertiefen verlangt. Aerztl. Sachverständigen-Zeitung. Das Handbuch der Gynäkologie ist mit dieser 2. Abteilung des III. Bandes nunmehr vollendet. Es stellt ein glänzendes Zeugnis für die heutige Entwickelung der Frauenheilkunde dar und ist nicht nur als eine Zusammenfassung des bisher Geleisteten, sondern auch als wertvolle Grundlage für die weitere wissenschaftliche Forschung auf diesem Spezialgebiete anzusehen. Schmidts Jahrbücher der ges. Medizin. Über das Gesamtwerk kann nur das höchste Lob angestimmt werden. Trotz der grossen Reihe von ISIitarbeitern erscheint dasselbe wie aus Einem Gusse , ein Beweis, wie Veii betont, dass in den wichtigsten Fragen unter den verschiedenen Schulen weitgehende Übereinstimmung herrscht. Noch soll hervorgehoben werden, dass dieses Werk die Klärung nach einer Sturm- und Drangperiode zur vollkommenen Anschauung bringt. Die fleissige Zusammenstellung der Literatur verleiht dem Unter- nehmen einen ganz besonderen Wert als Basis für weitere Forschung. Die zahl- reichen Abbildungen sind durchaus gelungen. Wiener med. Wochenschrift. So ist denn ein Werk vollendet, welches für Jahrzehnte ein hochragendes Denkmal deutschen Gelehrtenfleisses bleiben wird, würdig der von allen anderen Nationen neidlos anerkannten führenden Stellung der deutschen Gynäkologie. Deutsche med. Wochenschrift. iCgl. Uuiveraitatsdruckej--ei von H. ötürtz. Würzburg Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Die Arbeit der Verdauungsdrüsen. Vorlesungen von Professor J. P. Pawlow in St. Petorsburg. Autorisirte Uebersetzung aus dem Russischen von Dr. A. Walt her in St. Petersburg. ;Mit einem Vorwort und Zusätzen des Verfassers. Mit 17 Textabbildungen. Preis 31 k. 4.G0. In Form von acht Vorlesungen sind die Resultate zahlreicher Arbeiten Pawlows und seiner Schüler zusammengefasst und von einem einheitlichen Gesichtspunkte aus behandelt. Das liuch beschäftigt sich mit den Verhältnissen der Magensaft- und Pankreassekretion. Die Versuche wurden an Thieren, denen ein sogen. Magenblindsack, resp. eine Pankreasfistel angelegt wurde, angestellt. Erstere Operation besteht darin, dass ein Lappen aus der Magenwand geschnitten wird und zu einem vollständigen, vom Magen abgetrennten Biindsacke zusammen- genälit und mit seiner OefTuung in die Bauchwunde eingepflanzt wird. Durch Untersuchung des aus dieser Fistel fliessenden Saftes bekommt man eine klare Vorstellung über quantitative und qualitative Verhältnisse der Sekretion. Auf diese Weise sind nun so wichtige und neue Thatsachen, die Iheils strittig waren, teils nur behauptet, aber nie bewiesen wurden, festgestellt worden, so dass dieses Buch als eine der wichtigsten literarischen Erscheinungen auf diesem Gebiete angesehen werden muss . . . Bi; H. W. i. d. Prager med. Wochenschr. Die Methoden der praktischen Hygiene. Lelirl)iicli zur liygieiiisclieii Uiitersiichiing und Beurtlieiluiig für Aerzte, Chemiker und Juristen. Von Dr. K. B. Lehmann, Professor der Hygiene und Vorstand dos Hygieoischen fnstituts der Universität Würzburg. Mit 146 Abbildungen. Zweite erweiterte, vollkommen umgearbeitete Auflage. Preis Mk. 18.G0, gebunden Mk. 20.60. Die AnAvendung der plijsikali sehen Chemie auf die Physiolog-ie und Pathologie. Von Dr. R. Brasch, Bad Kissingen. Preis SU. 4.80. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Ergebnisse der Physiologie. Unter Mitwirkung von W. 0. Atwater (Mittletown), K. Ba'sch (Prag), A. Böthe (Strassburg i. E.), W. Biedermann (Jena), F. Blumenthal (Berlin), II. du Hois-Reymond (Berlin), H. Boruttau (Ciöttingen), G. Bredig (Heidelberg), K. Burian (Leipzig), A. Chauveau (Paris), 0. Coliiiheim (Heidelberg), M. Cremer (München), F. Czapek (Prag), P. Ehrlich (Frankfurt a. M.), W. Einthoven (Leiden), A. Ellinger (Königsberg), O. Frank (München), S. Fränkel (Wien), M. v. Frey (Würzburg), E. Friedmann (Strassburg), 0. v. Fürth (Strassburg), E. Fuld (Halle), D. Gerhardt (Erlangen), R. Gottlieb (Heidel- berg), P. Grützner ( Pübingen) , O. Hamraarsten (Upsala) , A. Heffter (Bern), V. Mensen (Kiel), H. E. Hering (Prag), Fr.-B. Hofmann (Leipzig), F. Hofmeister (Strassburg), M. Jacoby (Heidelberg), A. Jaquet (Basel), P. Jensen (Breslau), F. Kraus (Berlin), A. Kreidl (Wien), H. i<.ronecker (Bern), F. Krueger (Leipzig), A. Kunkel (Würzburg), O. Langendorff (Rostock), J. N. Langl ey (Cambridge), L. Langsteiu (Berlin), H. L i ep mann (lierlin-Pankow), J, Loeb (Berkeley), O. Loewi (Marburg), A, Lo ewy (Berlin), Fr. Lüscher (Bern), R. Magnus (Heidelberg), H. Meyer (Marburg), C. von Monakow (Zürich), G. E. Müller (Göttiiigeu), weil. J. Munk (Berlin), A. Nathanson (Leipzig), V. Neuberg (Berlin), A. Nol! (Jena), W. Pauli (Wien), J. Pawlow (St. Petersburg), H. Przibram (Wien), A. Pütter (Göt- tiugen), R. W.Raudiiitz (Prag), G. Rosenfeld (Breslau), M. Rubner (Ber- lin), Fr. Schenk (Marburg), H. Schneider (Strassburg), F. N. Schulz (Jena), E. S ch u 1 z e (Zürich), J. Se em an n (.Marburg), H. S u eilen jr. (Utrecht), R. Sommer (Giessen), C. Speck (IJillenburg), E. H. Starliug (London), R. Tigerstedt (Helsingl'ors), A. Tschermak (Halle), J. v. Uexküli (Heidel- kerg), H. Vogt (Kassel), Fr. Voit (Erlangeu), S. Weber (Köln), K. Wessely (Berlin), H. VVeygandt (Würzburg), II. Wiener (Prag), E. Winterstein (Zürich), N. Zuntz (Berlin), H. Z vvaarde mak er (Utrecht), herausgegeben von L. Asher, und K. Spiro, Bern. Strassburg i. E. Bis jetzt erschienen: Erster Jahrgang. I. Abteilung: Biochemie. M. 22.60. „ Biophysik u. INyohophysik. M. 25. „ Biocheuiie. 31. 18,()0. „ Biopliysiii u. Pstychophysik. M. 24. „ Biochemie erscheint iu Kürze. ,, Biophysik n. Psyehophysik erscheint im Herbst d. J. ;) 11. Zweiter !) II. Dritter II'. . . . Aus dieser Übersicht geht hervor, dass das bereits augedeutete Pro- gramm auch bereits sehr glücklich verwirklicht worden ist: Die sämtlichen genannten Kapitel sind Forschern übertragen, welche selbst zum Ausbau des einschlägigen Gebietes durch eigene Arbeit sehr wesentlich beigetragen haben. Die heutige wissenschaftliche Produktion, die gute und die schlechte, nehmen für jeden, der zum ganzen strebt, einen geradezu unheimlichen Umfang an. Gerade wir etwas Fernstehenden können doppelt dankbar sein, wenn uns das so stark zerstreute physiologische Material in einem solchen, allen Anforderungen genügenden Zusammenhang geboten wird. Mag es sich um einen forschenden oder um einen praktischen Arzt handeln, wer diesen Band als Ratgeber heran- gtzogen hat, wird für sein Denken und Tun wirklich Vorteil gewinnen. Geh.-B. Prof. F. Kr aus -Berlin i. d. Deutsch, med. Wochenschr. Druck der Kgl. üniversitätsdruckerei von U. Stürtz in Würzburg.